DIEZEIT
Das neue Heft.
Jetzt gratis testen!
Weitere Informationen unter:
www.zeit.de/zv-aktuell
111507_ANZ_48x35_X4_ONP26 1
PREIS DEUTSCHLAND 6,20 €
07.06.22 09:17
WO C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I RTS C H A F T W I S S E N U N D KU LT U R
DIE GRÜNEN
Der Hier eine Unterzeile, die genau erklärt, worum es in der Geschichte geht
Hier eine Unterzeile, die genau erklärtt  RESSORT
Höhenflug
Die Partei erscheint so staatstragend
und vertrauenswürdig wie nie.
Ob ihr Erfolg anhält, hängt von
den Finanzen ab – und von einer
unberechenbaren Beziehung  Europol ausgeben
POLITIK UND WIRTSCHAFT
Titelillustration: Edmon de Haro für DIE ZEIT
KRIEG IN DER UKRAINE
Butter bei die Fische
Endlich reist der Bundeskanzler nach Kiew. Und er hat selbst gesagt:
Nicht bloß für die Kameras. Aber wofür dann?  VON HEINRICH WEFING
N W
atürlich, es wäre besser gewe-
sen, wenn der Bundeskanz­ler
schon früher nach Kiew ­gereist
wäre. Zeit ist ein entscheiden-
der Faktor in der Poli­tik und
erst recht im Krieg. Hätte
Olaf Scholz schon drei Wochen nach Beginn
der russischen Invasion den Weg in die
belagerte­Hauptstadt gefunden, wie seinerzeit
seine polnischen, slowenischen und tschechi-
schen Kollegen, hätte er Mut bewiesen, ein
echtes Interesse am Schicksal der überfallenen
Nation gezeigt und den Willen zu führen. All
das lässt sich nun nicht mehr nachholen.
Und dennoch ist es richtig, wenn der Kanzler
jetzt Kiew besucht (was bei Redaktionsschluss
dieser Ausgabe noch nicht völlig sicher war). Er
könnte einen Neustart in den reichlich verkante-
ten Beziehungen zwischen der Bundesregierung
und der Ukraine versuchen, selbst wenn Scholz
das nie so nennen würde, der seiner Politik stets
gern den Anschein gibt, sie folge einem großen,
wohlbedachten Plan.
Und er könnte versuchen, Vertrauen zurück-
zugewinnen. In der Ukraine, bei den Verbünde-
ten, speziell bei denen in Osteuropa, die immer
weniger verstehen, was Berlin eigentlich will,
und auch in Deutschland.
Den Anspruch für einen Besuch in Kiew hat
der Kanzler selbst definiert, als er noch vor­
Wochen die Rufe nach einer Reise abtat: Ein
solcher Besuch dürfe kein bloßer Fototermin
sein, kein schnelles Rein-Raus, niemand könne
mit leeren Händen kommen. Man ist geneigt,
zu sagen: Dann mal los, Herr Scholz.
Das Mindeste, was Olaf Scholz der
Ukraine schuldet, ist Klarheit
Schon wird spekuliert, was der Bundeskanzler
mitbringen könnte: irgendwelche Waffen, mit-
telschwer bis schwer, womöglich sogar mit pas-
sender Munition? Zusagen für ein beschleunig-
tes EU-Beitrittsverfahren? Garantien für eine
sichere Passage von Weizenlieferungen über
Odessa und das Schwarze Meer, wie der franzö-
sische Präsident Macron angedeutet hatte, der
offenbar gemeinsam mit Scholz und dem Ita-
liener Draghi nach Kiew reisen wird?
Das vielleicht Wichtigste, was der Bundes-
kanzler der Ukraine schenken könnte, wäre Klar-
heit. Er sollte aufklären, die Dinge beim Namen
DIE GRÜNEN
Alles auf Grün?
nennen: Hat die Bundesregierung Spanien tatsäch-
lich an der Lieferung von Panzern gehindert, wie
die spanische Presse berichtete? Sollen die vom
Hersteller als einsatzbereit gemeldeten Marder-
Schützenpanzer an die Ukraine geliefert werden
oder nicht? Und hält es Scholz angesichts der dro-
henden Niederlage der Ukraine im Donbass immer
noch für eine gute Idee, keine Panzer zu liefern,
damit die Ukraine nicht eskalieren kann?
Die deutsche Ukraine-Politik wird seit­
Wochen umwabert von einem Nebel großer
Ankündigungen, logistischer Probleme, takti-
scher Rückzüge und verbaler Unschärfe. »Stra-
tegische Ambiguität« heißt das im Kanzleramt.
Man wolle Putin im Unklaren darüber lassen,
was Deutschland, was der Westen zu tun bereit
sei. Unklar bleibt dabei aber eben auch, wo
Deutschland steht in diesem Krieg und wie
verlässlich es ist.
Das ist, anders als häufig behauptet wird,
nicht in erster Linie ein kommunikatives Pro-
blem. Diese Bundesregierung wägt ständig ab,
trifft permanent Entscheidungen. Sie will ver-
hindern, dass der russischen Armee hochmo-
derne Militärtechnik in die Hände fällt. Sie
will genug Waffen in Reserve behalten, um das
Nato-Gebiet verteidigen zu können, sollte
Moskau eine zweite Front eröffnen, wofür im
Moment allerdings nichts spricht. Sie will das
Risiko einer Eskalation des Krieges möglichst
gering halten. Sie will nicht führen und voran-
gehen, sondern folgt den Entscheidungen der
Verbündeten, zumal in Washington und Paris.
Und sie nimmt sich Zeit. Zeit, die in diesem
Krieg derzeit gleichbedeutend ist mit russi-
schem Raumgewinn und darum zur wohl ent-
scheidenden Variable geworden ist.
Auch das ist eine Haltung. Aber sie hat­
einen Preis. Einen Preis, den im Moment die
Ukrainer zahlen müssen. Mit mutmaßlich
hundert Toten allein im Donbass jeden Tag.
Scholz schuldet es den Ukrainern, seine Ent-
scheidungen und ihre Folgen klar zu benen-
nen. Ihnen die Abwägungen zu erläutern, die
seine Regierung täglich trifft. Und ihnen dar-
zulegen, warum diese Abwägungen aus seiner
Sicht richtig sind, während gerade der Donbass
verloren zu gehen droht und Putin vor einem
ersten großen Erfolg steht.
Klarheit und Ehrlichkeit sind das Mindeste,
was Scholz mitbringen muss in die Ukraine. In
Kiew kann man nicht mehr drum herumreden.
N o 25 09:17
15. JUNI 2022 07.06.22
111507_ANZ_48x35_X4_ONP26 2
»Der totale
Krieg«
ZEIT-Interview mit
dem ukrainischen
Präsidenten
Politik, S. 6/7
Es ist nicht
die Polizei
Wie Trickbetrüger
sich am Telefon als
Wirtschaft, S. 24
Nach Kassel!
USA
Jetzt ist
die Kunst dran:
Kapitolverbrechen
Endlich eröffnet die ­
Documenta
Feuilleton, S. 49, und Magazin
Der Putschversuch von Washington wird nun politisch aufgearbeitet.
Aber kann das die Demokratie wirklich heilen?  VON KERSTIN KOHLENBERG
PROMINENT IGNORIERT
ie sehen eigentlich Demo- Das schmutzige Geheimnis Amerikas ist näm-
kratie-Mörder aus? Ver- lich, dass die Politik längst niemanden mehr von
gangene Woche hat in etwas überzeugen kann, das er nicht ohnehin schon
Amerika der Versuch denkt. Schon gar nicht mit Fakten. Das Einzige,
begon­nen, diese Frage zu was der Politik noch bleibt, ist die Mobilisierung
beantworten. Vor dem von Sympathisanten und, wenn man Glück hat,
Kon­gress fingen die Anhörungen zum Sturm die des einen oder anderen Menschen, der sich aus
auf das Kapitol an. Am 6. Januar 2021 hatten Frustration, Ekel oder Enttäuschung ins Privatleben
Trump-Anhänger das Kapitol gewaltsam­ zurückgezogen hat. Politik-Vermeidungs-Strategien
gestürmt, um die Wahl von Joe Biden zum neuen durchkreuzen – das ist der best case.
Präsidenten der USA zu verhindern. Bei den Die größte Gefahr besteht daher nicht darin,
Anhörungen soll geklärt werden, wer dafür ver- dass die Anhörungen keine neuen Fakten an die
Platzkonzert
antwortlich ist und welche Rolle der ehemalige Öffentlichkeit bringen oder dass sie zu theatralisch Keine Naturkatastrophe war das in
Präsident dabei möglicherweise spielte. präsentiert werden. Sondern im Gegenteil: dass zu Berlin, wie am Wochenende zu-
Wer verfolgen wollte, wie Amerika den Nah- viele Fakten präsentiert werden, dass zu wenig nächst vermutet wurde, sondern
tod seiner Demokratie aufarbeitet, konnte das Theater gemacht wird. Dass sich die Demokraten das ­Publikum auf dem Tempelho-
zur besten Sendezeit um 20 Uhr live im Fernse- wieder einmal nicht mit Haut und Haar auf die fer Feld, das während eines Open-
hen tun. Doch noch bevor die Anhörungen los- Sache einlassen. Weil sie zu fair sein wollen, weil sie Air-Konzerts kollektiv zum Sprung
gingen, hagelte es schon Kritik. Ein großer Teil sich bloß nichts vorwerfen lassen wollen. ansetzte und bei der Landung in
Amerikas werde sie ohnehin ignorieren, hieß es. Bei der ersten Anhörung vergangenen Donners- noch zwei Kilometer Entfernung
Vieles von dem, was da präsentiert werde, sei tag sagte unter anderem jene Polizistin aus, die von im vierten Stock eine Stehlampe
doch schon bekannt. Das alles sei doch bloß­ Stephen Randolph niedergeschlagen worden war, schwanken ließ. Das Partyvolk
politisches Theater, in Wirklichkeit wolle man den die ZEIT kurz nach dem Vorfall traf und por- nach Corona: Bringt es jetzt die
Trumps Wiederwahl 2024 verhindern. trätierte. Nach kurzer Ohnmacht war Caroline Erdkruste zum Platzen? USTO
Edwards, die Polizistin, wieder aufgestanden und
Die Gefahr ist nicht, dass es um zu wenige, hatte ihren Job weitergemacht. Sie hatte das Kapi- Kleine Fotos (v. o.): Sasha Mazlov für DIE ZEIT
[M]; Heiko Meyer für DIE ZEIT;
sondern dass es um zu viele Fakten geht tol und die Wahl verteidigt. Jan Huebner/imago
Der mächtige Republikaner Mitch McCon-
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG,
Klar, das stimmt alles. Allerdings mit der kleinen nell stand nicht auf. Nach dem ersten Schreck 20079 Hamburg
Einschränkung, dass die Einwände an der politi- hatten einige Republikaner darüber nachgedacht, Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail:
schen Realität des Landes rasant vorbeirauschen. Trump für amtsunfähig zu erklären. Kurz nach DieZeit@zeit.de, Leserbriefe@zeit.de
Diejenigen, die sie erheben, übersehen den trau- diesem Anfall von Anstand teilte McConnell mit, ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de;
rigen Zustand der amerikanischen Demokratie. er werde Joe Biden als Präsident akzeptieren – in ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de
Ja, natürlich gucken sich keine Trump-Fans einigen Wochen. McConnell wollte es sich nicht
die Anhörungen an. Amerika ist ein beinhart mit Trump und dessen Wählern verscherzen. Er ABONNENTENSERVICE:
polarisiertes Land mit zwei unterschiedlichen verteidigte seine Macht, nicht die Wahl. Tel. 040 / 42 23 70 70,
Fax 040 / 42 23 70 90,
Medienwelten, Wertewelten, Lebenswelten. Zu Die Frage, warum politische Macht Menschen E-Mail: abo@zeit.de
glauben, eine Anhörung könne das auflösen wie dazu bringt, sich als Demokraten derart zu besudeln,
damals beim Watergate-Skandal, nach dem­ werden die Anhörungen nicht beantworten können. PREISE IM AUSLAND:
Richard Nixon zurücktrat, ist absurd. Aber sie können die Aussagen dieser Besudelten per DK 69,00/FIN 9,10/E 7,80/
CAN 7,90/F 7,80/NL 7,20/
Ja, natürlich sind auch die meisten Fakten Video im Sitzungssaal groß auf einer Leinwand A 6,50/CH 8.50/I 7,80/GR 7,80/
schon bekannt. Die Wahl war demokratisch, sie zeigen. Am Montag war dort Trumps Justizminister B 7,20/P 7,80/L 7,20/H 3690,00
war nicht gefälscht. Das haben Gerichte bestä- Bill Barr zu sehen. Er sagte, er habe das Gerede vom
o
N 25
tigt, auch die Republikaner in Washington wis- gestohlenen Sieg für Nonsens gehalten. Dennoch
sen das, sie haben ja noch in der Nacht zum schürte auch er den Zweifel. Und er erlaubte Staats-
7. Januar fast alle Bidens Wahl anerkannt. Aber anwälten, Behauptungen von Wahlbetrug nach-
das hat sie nicht daran gehindert, Trump unwi- zugehen, bevor die Wahl überhaupt offiziell abge-
7 7. J A H RG A N G C 7451 C
dersprochen die Lüge von der gestohlenen Wahl schlossen war. Genau deshalb sind die Anhörungen
verbreiten zu lassen. Die Republikaner ließen die so wichtig. Denn so sehen Demokratie-Mörder aus.
Lüge wachsen und gedeihen und fanden es 25
offenbar ganz komfortabel, wie so in den Wahl- Beide Leitartikel finden Sie zum Hören
kreisen die Fakten zur Seite gedrängt wurden. unter www.zeit.de/vorgelesen 4 190745 106207
2 POLITIK 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Titelthema

Ein unheimlicher Erfolg Die Grünen erzielen historische Wahlergebnisse. Ihre Ministerinnen und Minister
brechen mit vielem, was ihre Partei ausmachte, und gelten trotzdem nicht als prinzipienlos.
Sie sind sogar beliebter als alle anderen. Wie kommt das?  VON ROBERT PAUSCH

N
eulich waren Robert Habeck und Grünen wie für SPD und Union zusammen. Bei In- taschen. »Patriotismus – ein linkes Plädoyer«, als in anderen westlichen Demokratien, einem
Olaf Scholz zusammen unter- fratest Dimap bekundeten zuletzt rund 60 Prozent der lautet der Titel, und der Mann im Pulli, damals Land, in dem die Mitte ein mystischer Ort ist
wegs. Der Bundesverband der Deutschen ihre Zufriedenheit mit der Arbeit von Ro- Fraktionschef der Grünen im Landtag von Schles- und in dem man Arbeiter und Fabrikbesitzer »So-
Energie- und Wasserwirtschaft bert Habeck und Annalena Baerbock. Und in der wig-Holstein, entwirft darin die Strategie für eine zialpartner« nennt.
hatte rund 1500 Leute in einer Sonntagsfrage lagen die Grünen zuletzt bei 23 Prozent. neue Partei der linken Mitte. Eine Partei, die das Heute prägt diese postideologische Strategie die
Halle am Berliner Gleisdreieck Der Erfolg dieser Partei mag von Berlin ausgehen, eigene Milieu hinter sich lässt und flirrend zwischen grüne Regierungspolitik. Wenn Robert Habeck in
versammelt. Erst redete Olaf aber er wirkt längst darüber hinaus. Da ist zum Beispiel den ideologischen Fronten vermittelt. Es gehe, schrieb Bayern für mehr Windräder wirbt, fordert er einen
Scholz. Dann redete Robert Habeck. Dann trat der Monika Heinold, eine 63 Jahre alte norddeutsch-nüch- Robert Habeck, um nicht weniger als eine »Umkehr »ökologischen Patriotismus«. Und wer gegen fossile
Kabarettist Florian Schröder ans Mikrofon. Er lobte terne Finanzfachfrau, die die Grünen in Schleswig-Hol- der politischen Laufrichtung«. Abhängigkeiten kämpfe, der kämpfe »für die Freiheit«.
die Besetzung der Veranstaltung. Es sei ja wirklich be- stein gerade zu 18 Prozent führte. Oder ihre Co-Spitzen- In der CDU wurde das Buch damals aufmerksamer Die Grünen surfen auf den Begriffen der Gegenseite.
merkenswert, welche hochkarätigen Gäste man hier kandidatin Aminata Touré, 29-jährige Tochter malischer gelesen als in Habecks eigener Partei. »Robert Habeck Warum haben die Grünen kein Problem damit, wenn
antreffen könne. Olaf Scholz sei dagewesen. Und der Flüchtlinge, die in Kiel nun womöglich Ministerin wird. arbeitet an seiner Vision einer grünen Volkspartei. Er ihr Minister nun klimaschädliches LNG-Gas von Auto-
Kanzler. Und im bevölkerungsreichsten Bundesland heißt die will Unvereinbares vereinbaren. Er erhebt es ausdrück- kraten besorgt? Warum fällt es ihnen so leicht, für Waf-
Ein paar Wochen zuvor besuchte Annalena Baerbock mächtigste Frau bald Mona Neubaur. Vor vielen Jahren lich zum Prinzip«, schrieb ein hoher christdemokrati- fenexporte zu kämpfen? Weil exakt an dieser Stelle aus
die Ukraine. In Kiew traf sie den ukrainischen Außen- ist sie aus Bayern nach Nordrhein-Westfalen gezogen. scher Regierungsbeamter damals in der Politischen der Strategie Wirklichkeit wird. Während sich die FDP
minister, und in Irpin und Butscha besuchte sie die Orte Wenn man sie heute anruft und ihre Mailbox anspringt, Meinung, der Zeitschrift der Konrad-Adenauer-Stif- in diesen Tagen immer stärker an die Pfeiler ihrer Welt-
russischer Kriegsverbrechen. Sie sagte: »Diese Opfer hört man plötzlich die Stimme eines Fußballkommen- tung. »Die Unionsparteien müssen reagieren. Damit anschauung kettet, verspüren die Grünen eine gewisse
könnten wir sein.« Daraufhin jubelte die Bild: »Ein­ tators, der in NRW vermutlich bekannter ist als der der- die politische Landkarte eines Tages nicht im Sinne Lust dabei, ihre eigenen Pfeiler einzureißen. Politik leitet
Ikonen-Satz! Unter die Haut. Ins Gewissen.« Darüber, zeitige SPD-Chef. »Hier spricht Manni Breuckmann. Habecks neu geordnet werden muss.« sich aus der Wirklichkeit ab, nicht aus Parteiprogram-
gehämmert in Großbuchstaben: »Wäre Baerbock die Aber das hier ist trotzdem die Mailbox von Mona Neu- Das ließ sich bekanntlich nicht verhindern. Aber men, heißt es bei den Grünen gerne. Und eine Position
bessere Kanzlerin?« baur. Sprecht eure Nachricht einfach nach dem Ton, was hat den CDU-Mann derart in Aufregung versetzt? aufzugeben, wenn sich die Umstände verändert haben – sei
Cem Özdemir wiederum ist Minister für Ernährung okay?« Eine Fußballikone aus dem Ruhrpott verkumpelt Und wie kann es überhaupt sein, dass eine leicht grö- das nicht das Wesen verantwortungsvoller Politik? So
und Landwirtschaft. Ein Amt, das bisher nicht als be- sich mit einer Grünen – es klingt wie der wahrgewordene ßenwahnsinnige Theorie zwölf Jahre später tatsäch- wird Prinzipienflexibilität zum Prinzip. Und die Selbst-
sonders karriereförderlich galt. Bei Julia Klöckner war es Albtraum für Sozialdemokraten. lich aufgeht? distanzierung zum strategischen Mittel.
so, dass jeder Dritte gegen Ende der letzten Legislatur In Schleswig-Holstein wäre, anders als in Nordrhein-
angab, sie nicht zu kennen. Trotzdem war sie eine der Westfalen, auch eine schwarz-gelbe Mehrheit möglich Antiparteienpartei, aber jetzt richtig Die Grünen und der Krieg
unbeliebtesten Politikerinnen. Özdemir ist nun seit sechs gewesen. Doch statt für eine Koalition innerhalb des so-
Monaten Minister. In dieser Zeit hat er begonnen, sich genannten »bürgerlichen Lagers« entschied sich Daniel Den meisten Menschen ist irgendetwas zutiefst zu­ Ist es nicht dennoch seltsam, dass eine einstmals ge-
in die Verästelungen der Düngemittelverordnung ein- Günther für die Grünen. Vor Kurzem wäre das noch ein wider. Bei manchen ist es die Haut auf warmer Milch, waltfreie Partei für Aufrüstung und Panzerlieferungen
zuarbeiten, und festgestellt, dass sein Haus nicht einmal Tabubruch gewesen, heute nahm davon schon kaum bei anderen das Geräusch eines kratzenden Fingers auf antritt – und dafür nicht bestraft, sondern belohnt
über eine eigene Kantine verfügt. In den Beliebtheits- jemand mehr Notiz. Wenn demnächst die Koalitions- einer Tafel. Bei Robert Habeck sind es Parteien. Regel- wird?
rankings jedoch belegt er seit Monaten einen der obers- verträge in NRW und Schleswig-Holstein unterschrie- mäßig ärgert sich Habeck über die Selbstbezogenheit »Was ist unsere Antwort, wenn wir es plötzlich
ten Plätze, vor Christian Lindner, vor Olaf Scholz. ben sind, werden die Grünen in 11 von 16 Bundes- seiner eigenen oder anderer Parteien, über das Denken wieder mit Mächten zu tun haben, die sich einen
Es ist schon erstaunlich. Erst ein paar Monate ist ländern regieren, in fünf unterschiedlichen Konstel- in Gegnerschaft und Gegensätzen, den Programm­ Dreck um internationale Regeln, um Menschenrechte
es schließlich her, dass die Grünen aus einem völlig lationen, quer durch die politische Farbpalette. Nahe- absolutismus. Wer dagegen den Fortschritt wolle, der oder gar um Gewaltfreiheit kümmern?«, lautete die
verkorksten Wahlkampf stolperten. Das Projekt zu unbemerkt sind sie zu einer Partei geworden, an der müsse raus aus den »ermüdenden Ritualschlachten«, Frage, die Joschka Fischer seiner Partei 1995 ange-
Volkspartei schien gescheitert. Anstatt die erste fast niemand mehr vorbeikommt. Ein Zentralgestirn schrieb er 2010, hinein in »neue Konsense«. sichts des Massakers von Srebrenica stellte. Die Grü-
grüne Kanzlerin in der Geschichte der Bundes- des neuen deutschen Parteiensystems. Als Habeck acht Jahre später Parteivorsitzender nen begaben sich in den Jahren darauf auf den ver-
republik zu stellen, landete die Partei bei 14,8 Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee wurde, brachte er dieses Denken auf den Begriff der worrenen Weg, der sie vom Primat der Gewaltfreiheit
Prozent. Die Stimmung zwischen Robert Ha- kommen, der Erfolg der Grünen sei allein das Pro- »Bündnispartei«. Die Grünen verstärkten nun ihre zu dem der Menschenrechte führte, mitsamt einer
beck und Annalena Baerbock war im Bereich dukt äußerer Umstände: die Klimakatastrophe als Kontakte zu Konzernchefs und Gewerkschaftsbossen. gewissen Falkigkeit in der Außenpolitik. Die Grünen
der zweistelligen Minusgrade. Gegenwartsbedrohung, die Strukturkrise der So- Sie wollten nicht länger die Avantgarde für acht Pro- sprachen von China als »systemischem Rivalen« und
Heute ist den Grünen ihr eigener Erfolg fast zialdemokratie, die im Herbst 2021 womöglich zent sein, sondern sprachen von einer »Verantwortung wandten sich damit gegen den deutschen Profitpatrio-
ein bisschen unheimlich. Er sei heilfroh, nur kurz überdeckt wurde. für das Ganze«. Eine der ersten Amtshandlungen der tismus, der in Autokratien vor allem Absatzmärkte er-
sagte ein Spitzen-Grüner nach dem Re- Doch allein von außen lässt sich der Erfolg Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena kannte. Diese gewachsene (und nicht durch Regie-
kordergebnis bei der NRW-Wahl im nicht erklären. Keine Partei hat sich in den ver- Baerbock war eine Sommerreise zu deutschen Erinne- rungszwänge eingetrübte) Orientierung bedeutete,
Mai, dass im Fernsehen keine Jubel- gangenen Jahren schließlich so rasant verändert rungsorten. »Des Glückes Unterpfand«, lautete der dass die Grünen auch in Putins Russland sehen konn-
bilder zu sehen waren. Keine gereck- wie die Grünen. Ihr Siegeszug basiert auch auf Titel. »Familie, Gemeinschaft, Heimat«, schrieb Ha- ten, was die anderen nicht sehen wollten: eine fossile
ten Fäuste, keine ausgelassenen Tän- einer Methode, die ersonnen wurde, als die Grünen beck 2010, »all diese konservativen Kampfbegriffe Diktatur mit imperialen Ambitionen. Im Wahlkampf
ze, stattdessen: Demut. Wir bleiben noch eine Nischenpartei waren, Olaf Scholz einfacher stehen einer fortschrittlichen Interpretation zur Ver- des vergangenen Jahres war Annalena Baerbock die
auf dem Teppich, auch wenn der Bundestagsabgeordneter war und Christian Lindner fügung«, die Progressiven müssten dies nur erkennen. einzige Kandidatin, die dies so offen aussprach. Und
Teppich fliegt, dieser alte Satz von seinen 31. Geburtstag feierte. Bei ihrer Gründung 1980 hatten die Grünen sich während Union und SPD bis wenige Tage vor dem
Winfried Kretschmann ist heute Pro- selbst eine Anti-Parteien-Partei genannt. Damals sollte Kriegsausbruch an Nord Stream 2 festhielten, warnte
gramm. Ein vergessenes Buch das vor allem die Distanz zum Parlamentarismus, zum Baerbock schon 2015 im Bundestag davor, dass Putin
Als das Institut Forsa neulich frag- »Parteienkartell« ausdrücken. In den Jahren nach 2018 Gas als Waffe einsetzen könnte.
te, welcher Partei die Deutschen am Der Text, der den Aufstieg der Grünen erklärt, ist verwandelten sich die Grünen indes in eine Anti-­ Auch jetzt ist sie es, die klar spricht: Sie fordert­
ehesten zutrauen, eine Antwort auf die zwölf Jahre alt. Veröffentlicht wurde er in einem Parteien-Partei eines neuen Typus: postideologisch, über- einen Sieg der Ukraine als Kriegsziel, sie fordert eine
Probleme des Landes zu finden, ent- Kleinverlag, auf dem Titel sieht man einen grinsenden parteilich. Es schien wie das perfekte Rezept in einem
schieden sich so viele Menschen für die Mann im Seemannspulli, Hände in den Hosen­ Land, in dem der Anti-Parteien-Affekt stets größer war Fortsetzung auf S. 3

Wandlungen der Grünen

1980
Bevor sich die Grünen gründeten, war keinesfalls
klar, dass aus ihnen eine linke Partei werden würde.
Konservative Ökologen und völkische Esoteriker
sammelten sich im grünen Spektrum. Ab 1980 aber
bestimmen die Linken das Programm – und der
konservative Flügel verlässt die Partei.
1991
Bislang durften Grünen-Abgeordnete nur
eine halbe Legislatur im Parlament sitzen. Nun
verabschieden sich die Grünen vom
Rotationsprinzip. Parteilinke sehen einen Verrat an
der Basisdemokratie. »Es ist vorbei. Die Grünen
sind nicht mehr unsere Partei!«, ruft Jutta Ditfurth.
1993
Obwohl sie die deutsche Wiedervereinigung
ablehnen, kooperieren die westdeutschen Grünen und
die ostdeutschen Bürgerrechtler von Bündnis 90
seit 1989 miteinander. 1993 schließen sie sich
offiziell zusammen. Und Bündnis 90/Die Grünen
werden zu einer gesamtdeutschen Partei.
1999
Außenminister Joschka Fischer wird auf einem
Parteitag der Grünen mit einem Farbbeutel
beworfen. Seine Rede hält er trotzdem,
er wirbt für eine deutsche Beteiligung
an der Nato-Intervention im Kosovo – und
gewinnt die Abstimmung deutlich.
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 POLITIK 3

Der Höhenflug

Fortsetzung von S. 2 lich nicht mehr unbedingt mit der politischen Linken und Arme nicht unbedingt darauf warten, »neue Allian-
in Verbindung, im Gegenteil: Selbstermächtigung, zen« zu bilden, dass Vermieter und Mieter schlichtweg
Aufnahme der Ukraine in die Euro- Herrschaftskritik, Skepsis gegenüber Obrigkeiten – die Dialektik und Aufklärung unterschiedliche Interessen haben und sich nicht jeder
päische Union. Habecks Methode ist Rebellion wohnt heute auf der Seite der extremen Gegensatz in der Gesellschaft dialektisch auflösen lässt.
der Zweifel, Baerbocks Methode das Rechten. Im linksliberalen Milieu dagegen herrscht Wenn Funktionäre der Grünen Jugend nach Parteiver- Bislang waren die Grünen vor allem eine Partei für
Bekenntnis. Dabei verfügt sie über den ein Geist, den der Soziologe Andreas Reckwitz als anstaltungen zusammensitzen, spielen sie gelegentlich alle, die so weiterleben wollten wie bisher, nur mit bes-
Vorteil, dass ihren Worten nicht unbe- »neue Pflichtenethik« beschreibt. Stadt, Land, Fluss mit der Sonderkategorie »Fiktive serem Gewissen. Wenn sie es nun aber ernst meinen mit
dingt Taten folgen müssen – das Auswär- Die Institutionen, denen man eben noch kri- Buchtitel von Robert Habeck«: Oben ist das neue Unten, ihrer Politik, dann bedeutet dies, dass für manche weniger
tige Amt ist das einzige Ministerium, das tisch gegenüberstand, werden mit Inbrunst ver- Im Rückwärtsgang nach vorne, Veränderung durch Weiter- Netto vom Brutto übrig bleibt und nicht jeder Volvo
normalerweise keine Gesetze einbringt. teidigt: der liberale Rechtsstaat, die parlamenta- so. Bekanntermaßen glaubt Habeck nicht nur, dass Fort- künftig einfach elektrisch fahren wird. Doch wie viel
So kommt es, dass die USA, Polen und die rische Demokratie, selbst das Christentum. Plötz- schritt beim Auflösen von Widersprüchen beginne. Er Wahrheit kann man sich leisten, wenn man Mehrheiten
baltischen Staaten sehr zugewandt auf die Grünen bli- lich bezeichnen sich dreißigjährige Soziologen als spricht auch so. »Links ist das neue konservativ«, schrieb gewinnen will?
cken. »Auf dich können wir uns verlassen«, das ist ein »Grundgesetz-Ultras«, und »Follow the science« ist er 2010, »durch Veränderung soll etwas bewahrt wer- Es könnte also sein, dass die Grünen sich festlegen
Satz, den die grüne Außenministerin bei vielen ihrer der Leitspruch eines Milieus, in dem Wissenschaft den«. Als er Parteivorsitzender wurde, lautete das Mot- müssen, wessen Partei sie sein wollen. Und noch eine
Reisen hört. Die Außenpolitik werde aus dem Kanz- früher als Instrument der bürgerlichen Herrschaft galt. to: »Radikal ist das neue Realistisch«. Und »Veränderung Entscheidung steht an, über die die Grünen ungern
leramt bestimmt, hatte SPD-Fraktionschef Rolf Müt- Die Grünen verkörpern diese neue linksliberale In- schafft Halt« stand über dem neuen grünen Grundsatz- sprechen, weil es sie an unglückliche Zeiten erinnert. Über
zenich noch trompetet, als Russland schon seine Trup- stitutionentreue auf geradezu ideale Weise. Schon 2010 programm. Machtfragen denkt man nach, wenn sie anstehen, sagen
pen zusammenzog und Olaf Scholz Nord Stream 2 forderte Habeck das grüne Milieu auf, die bequeme Sozial- und Christdemokraten spotten gern, so wie Politiker, was ein schöner, aber unwahrer Satz ist. Tatsäch-
noch als »privatwirtschaftliches Projekt« bezeichnete. »Gleichgültigkeit gegenüber dem Staat« zu überwinden. Habeck klinge eben die Akademikersprache für eine lich beobachten Robert Habeck und Annalena Baerbock
Heute lässt sich sagen: Der Kanzler hat zwar die Neun Jahre später stand er in einer Halle in Bielefeld, Akademikerpartei. Noch immer sind die Grünen einander genau. Sie registrieren, wenn die eine von der
Richtlinienkompetenz, aber die Grünen bestimmen exakt an demselben Ort, an dem Joschka Fischer 20 schließlich, was sie eigentlich nicht mehr sein Linie abweicht oder der andere sich wieder einmal auf
die Richtung. Jahre zuvor ein Farbbeutel an den Kopf geflogen war, wollen: eine Partei der Wohlhabenden und Kosten der Partei zu profilieren scheint. Die Verwun-
Wenn man Baerbock in den Monaten seit der und rief: »Wir leben in der besten und freiesten Hochgebildeten. Je großstädtischer und reicher dungen des vergangenen Jahres sind bei beiden kei-
Bundestagswahl erlebte, konnte man eine stille Republik, die es jemals gab. Verteidigen wir ein Wahlkreis, desto grüner ist er, je ärmer und nesfalls vergessen. Habeck fühlt sich von Baerbock um
Genugtuung kaum übersehen. Baerbock erinnert diese Republik. Werden wir Verfassungs- ländlicher, desto schwerer hat die Partei es – seine Kanzlerkandidatur betrogen. Baerbock fühlte
sich noch genau, wer sie vor einem Dreivierteljahr schützer!« Es war der vorläufige Höhepunkt dieses grüne Gesetz gilt seit Jahrzehnten, selbst sich von Habeck alleingelassen, als ihre Kampagne ins
für untauglich und fehl am Platz erklärte. Und der staatsbejahenden Wende einer ehe- im Moment des größten Erfolgs. In NRW etwa Schlingern geriet. Beide wissen, dass sich irgendwann
schaut nun mit einer gewissen Belustigung darauf, mals staatskritischen Partei. erzielten die Grünen bei Hochschulabsolventen eine Frage aufdrängt, der sie möglichst lange aus-
wenn dieselben Leute sie kübelweise mit Zuneigung Doch nicht nur habituell, auch 29 Prozent, bei Wählern mit Hauptschulab- weichen wollen: Auf wen läuft es beim nächsten
überschütten. Den Kanzlerinnen-Artikel aus der materiell lässt sich diese Bewegung schluss waren es ganze 7 Prozent. Mal hinaus?
Bild hat ein Vertrauter von ihr ausgeschnitten und nachvollziehen. Während die Grü- Habeck selbst, so zeigen etwa Daten der For- In der Partei, die angeblich keine Lager mehr
aufgehoben. Als Erinnerung daran, dass Beliebtheit nen etwa Nachhaltigkeit in der schungsgruppe Wahlen, ist bei Wählern mit kennt, sondern nur noch Grüne, lässt sich schon
zyklisch verläuft. Finanzpolitik lange Zeit mit Spar- Hauptschulabschluss beliebter als bei solchen mit jetzt eine gewisse Sortierung erkennen. Wer für
Natürlich kommt den Grünen heute besonders samkeit übersetzten, fordern sie Abitur. Bei Gewerkschaftern ist er der populärste Habeck ist, der gibt dies im Gespräch deutlich zu
zugute, was bis vor Kurzem noch als ihr größtes Pro- heute eine Abschaffung der Schul- Politiker und bei Arbeitern beliebter als der sozial­ erkennen, und wer für Baerbock ist, betont auf-
blem galt: Wer 16 Jahre lang die Regierungsbank nur denbremse. Statt »Eigenverant- demokratische Bundeskanzler. Die Partei allerdings fallend oft die Verdienste der Außenministerin.
aus der Ferne gesehen hat, verfügt über einen Sicher- wortung« ist »Vorsorge« zum zen- scheitert daran, was der Person gelingt. Und so bleibt Der größte Konflikt indes, der den Grünen gefähr-
heitsabstand zu den Fehlern der Vergangenheit. Nie- tralen Begriff ihres wirtschaftspoliti- das Rätsel der Grünen einstweilen ungelöst: Sie ze- lich werden könnte, liegt nicht zwischen Habeck und
mand würde den Grünen vorwerfen, dass sie die schen Denkens geworden. Der Staat mentieren die Gegensätze, die sie eigentlich über­ Baerbock. Sondern zwischen Habeck-Baerbock und
Bundesrepublik in eine fossile Abhängigkeit geführt soll investieren und intervenieren, er soll winden wollen. Sie mobilisieren ihr Milieu viel mehr, Olaf Scholz. Wenn die SPD im nächsten Jahr auch in
oder die Bundeswehr nicht vernünftig ausgestattet die Fehlentwicklung des Marktes korrigie- als es zu erweitern. Sie sprechen zwar unentwegt von Niedersachsen an die Grünen verlieren sollte, wenn
haben. Während Union und SPD sich unentwegt ren und der ökologischen Transformation der »Breite der Gesellschaft«. Aber wenn gewählt dann immer noch die 14-Prozent-Partei die Regierung
erklären müssen und sich wechselseitig Versagen vor- Ziel und Richtung geben. wird, dann bleiben die Überzeugten unter sich. dominiert und die SPD in Umfragen auf dem dritten
werfen, verfügen die Grünen derzeit über ein knap- Auch im Ökonomischen setzen sich die Platz liegt, dann dürften Brüche sichtbar werden, die
pes Gut: Glaubwürdigkeit. Grünen so an die Spitze einer Schubumkehr, die Zweifel und Bekenntnis jetzt unter der Oberfläche verborgen sind. Kein Kanzler
seit einigen Jahren im Gange ist. Der Internationale kann ewig dabei zusehen, wenn andere als die eigentli-
Die Grünen und der Staat Währungsfonds erklärt die »wachsende Ungleichheit« »Wir werden ärmer werden«, hatte Robert Habeck chen Kanzler gelten.
zum Hauptproblem westlicher Gesellschaften, in der einige Wochen nach Kriegsausbruch gesagt. Nun Die Politik der breiten Allianzen könnte im Hand-
Währenddessen ist die Partei kaum wiederzuerkennen erzliberalen Financial Times fordert das editorial board aber zeigt sich, dass die Frage, wer dieses »Wir« sein umdrehen neue Schwierigkeiten produzieren,
– und auch die Grünen-Wähler selbst haben spektaku- eine »Umkehr der Wirtschaftspolitik der vergange- soll, eine politische ist – und dass die Antwort nicht im Erfolg von heute schlummern bereits die
läre Wandlungen vollzogen. nen vierzig Jahre«. Selbst bei konservativen Ökono- einfach »alle« lauten kann. Wer muss verzichten, wer Gefahren von morgen. Es ist eine wider-
»Es ist verboten zu verbieten«, lautete ein Schlacht- men schlägt Resilienz plötzlich Effizienz, Krisenfes- wird unterstützt? In der Energiepolitik trifft Ha- sprüchliche, paradoxe Lage, sie könnte
ruf in der Generation der Fischers und Cohn-Bendits, tigkeit ist wichtiger als Kostenersparnis. Die Koordi- becks postideologische Politik noch auf eine nahezu fast aus einem Buch von Robert Ha-
als sie gegen die verknöcherten Strukturen und bevor- naten des Denkens verschieben sich, neue Bündnisse ideale postideologische Konstellation: Dass die fossi- beck sein.
mundenden Institutionen auf die Straße gingen.­ tun sich auf. Ganz so, wie die Grünen sich das vor- le Abhängigkeit nun drastisch reduziert wird, ist das
Heute dagegen hat der Antiautoritarismus die Seiten gestellt hatten. Interesse linker Klimaschützer, liberaler Transatlanti- Siehe auch Wirtschaft,
gewechselt. Sind die Grünen also endlich Volkspartei, geht die ker, von Gewerkschaftern und CEOs. Seite 26: Der weltweite
Den politischen Anspruch, die Gesellschaft grund- lang ersonnene Strategie auf? Nun, ganz so einfach ist Je stärker die Verteilungsfrage allerdings ins Zentrum Erfolg eines
sätzlich aus den Angeln zu heben, bringt man schließ- es dann doch nicht. rückt, desto deutlicher zeigt sich, dass Wohlhabende grünen Lobbyisten

2011 2014 2018 2022

Wenige Wochen nach dem Reaktorunglück Parteichef Cem Özdemir fordert deutsche Im Januar werden Robert Habeck und »Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht«,
Illustration: Timo Lenzen für DIE ZEIT

in Fukushima wird in Baden-Württemberg der
Landtag gewählt. Die Grünen erzielen
mit 24,2 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis.
Und Winfried Kretschmann
wird der erste grüne Ministerpräsident.
Waffenlieferungen an die Kurden im Irak.
Den IS bekämpfe man nicht mit
der Yogamatte unterm Arm, sagt er. Auf einem
Parteitag stimmen die Abgeordneten dagegen,
allerdings nur mit knapper Mehrheit.
Annalena Baerbock zu Parteivorsitzenden gewählt.
Die Grünen sprechen nun
von Heimat und Patriotismus. Ihre erste
Sommerreise trägt den
Titel »Des Glückes Unterpfand«.
erklärt Annalena Baerbock am 24. Februar.
Fortan werben die Grünen für Waffenlieferungen
an die Ukraine, im Juni stimmen 104 Grünen-
Abgeordnete für ein Sondervermögen für die
Bundeswehr. Nur vier Grüne votieren dagegen.
4 POLITIK 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Ein Regierungschef
kommt an: Daniel Günther
Anfang Mai in Kiel Foto: Frank Molter/dpa

Daniel und sein Dilemma

Koalieren und konkurrieren: Wie Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident
Günther künftig mit den Grünen umgehen will  VON MARIAM LAU

D
ie kurze Dienstfahrt in Daniel
Günthers Limousine beginnt
direkt am Kanzleramt und
endet exakt 53 Minuten spä-
ter am Hauptbahnhof von
Kremmen, im toten Winkel
Brandenburgs. Von dem, was
er in der Zwischenzeit sagt, darf man zwar nur ein
paar Brosamen zitieren. Aber es verschafft eine Idee
davon, wie die CDU ihr strategisch kniffligstes Pro-
blem lösen will: mit den zur Volkspartei anschwel-
lenden Grünen zugleich koalieren zu wollen und
konkurrieren zu müssen. Schon in knapp zwei Wo-
chen soll Daniel Günther, 48, mit deren Hilfe ein
zweites Mal zum Ministerpräsidenten von Schles-
wig-Holstein gewählt werden – nach seinem fast
adenauerhaften Wahlsieg von 43,4 Prozent wäre er
damit 2025 ein möglicher Kanzlerkandidat.
Günther fürchtet, dass zwischen den Habeck-
Grünen und der CDU ein für die Union gefähr­
ANZEIGE
licher Rollentausch stattgefunden hat. »Die Grü-
nen«, so der Ministerpräsident, »haben von uns ge-
lernt und in den letzten Jahren das gemacht, was
uns immer stark gemacht hat: Pragmatismus, keine
Flügelkämpfe, keine Personaldebatten – dafür eine
lautlose Kandidatenkür. Das war den Leuten sehr
sympathisch, während unsere Personaldebatte vie-
len auf die Nerven ging.«
Mehr Klimaschutz,
weniger Identitätspolitik
Das Grünen-Problem hat Günther (»Günther Netter«
wie ihn die taz letztens in Anspielung auf Fußball-Star
Günter Netzer nannte) einmal selbstironisch auf den
Punkt gebracht. In einem Nobelhotel an der Alster in
Hamburg berichtete er von einer Delegation bei der
Landesregierung, die offenbar nicht genau wusste, wer
sie empfangen würde. »In die Augen einer Frau zu
gucken, die Robert Habeck erwartet hat und Daniel
Günther kriegt ...«, sagte er da – der Rest des Satzes
ging im wiehernden Gelächter der Anwesenden unter.
Die Sache mit den Frauen hat allerdings einen ernsten
Kern. Ohne nachholende Modernisierung, davon ist
Günther überzeugt, wird die CDU im Konkurrenz-
kampf mit den Grünen nicht bestehen können. Ob
die Partei für Frauen, speziell Großstädterinnen at-
traktiv ist, sei eine Überlebensfrage. Wäre Habeck bei
der Landtagswahl angetreten, so lautet die schonungs-
lose Einschätzung des Landesverbands, hätte die CDU
in den städtischen Wahlkreisen keine Chance gehabt.
Günther gilt als entschiedener Befürworter der inner-
parteilich hochumstrittenen Frauenquote. Der Plan
einiger Parteifreunde, über diese Frage im Herbst die
Mitglieder entscheiden zu lassen, bereitet ihm »wirk-
lich Sorge«. Drei Viertel der CDU-Mitglieder sind
Männer – und viele davon älter. Die Quote würden
sie mit ziemlicher Sicherheit ablehnen.
Günther, gelernter Politologe mit Psychologie
und VWL im Nebenfach, ist zuversichtlich, dass in-
zwischen genügend weibliche Befürworterinnen
an der Parteispitze für die Quote kämpfen wer-
den. »Ich kenne bei uns kaum eine Frau über
dreißig, die noch gegen die Quote ist. Es gibt bei
uns kein Entscheidungsgremium mehr, wo nicht
die Hälfte Frauen dabei sind. Die Arbeit macht
so mehr Spaß und ist unterm Strich auch erfolg-
reicher!« Zusammen mit seiner Vizeminister­
präsidentin Monika Heinold von den Grünen
und anderen tanzte Günther wie zum Beweis
ausgelassen in der rauschenden Wahlnacht zum
Helikopter 117-Song, einem Ballermann-Klassiker,
der eher Grölen als Singen verlangt.
Früher sind Koalitionsverhandlungen in Kiel
so abgelaufen: Peter Harry Carstensen, CDU-
Ministerpräsident von 2005 bis 2012, und Wolf-
gang Kubicki, FDP-Chef, saßen kurz über einem
Vertrag zusammen und gingen dann gegen Mit-
ternacht zu Weißwein und Zigarre über, die Da-
men hatten sich da längst zurückgezogen. Jetzt
besteht die Hälfte der zwölfköpfigen schwarz-
grünen Verhandlungsteams aus Frauen, die »hart
pokern und dann bis zwei Uhr mitsaufen«, wie
eine Teilnehmerin berichtet.
Mit einer Frauenquote würde die CDU die
Grünen kopieren – aber womit kann sie sich
von ihnen unterscheiden? Günther hat da so
eine Idee. Die Grünen in Schleswig-Holstein
sind nicht mehr die von vor fünf Jahren, als­
Habeck an der Spitze stand. Monika Heinold,
63, Spitzenkandidatin und seit 2012 Finanz-
ministerin, will sich demnächst aus der Politik
zurückziehen. Die nachfolgende Grünen-Gene-
ration tickt anders als sie, Habeck oder der ­baden-­
seine Klimaschutz-Bemühungen – die er ernst
meint – dann jeden Tag als unzulänglich ge-
brandmarkt hätte.
Wäre es anders gekommen – hätte die FDP
abgeschnitten wie bei der Wahl 2017, als sie 11,5
Prozent und damit fast doppelt so viele Stimmen
erhielt –, so hätte Günther ihr den Vorzug gegeben.
Man stünde sich nun einmal politisch näher.­
Parteichef Friedrich Merz übrigens habe keinerlei
Druck ausgeübt, wie Günther berichtet. »Niemand
aus dem Bundesvorstand hat versucht, meine­
Koalitionsentscheidung zu beeinflussen.«
Viele erinnern sich kaum noch, dass Daniel
Günther, engagierter Katholik und Fan der
Heavy-Metal-Band Judas Priest, selbst einmal
ein Konservativer war – und es in der Sicher-
heits- und Bildungspolitik nach wie vor ist.
Noch 2016 setzte er sich im Namen der Integra-
tion für ein Schweinefleisch-Angebot in öffent-
lichen Kantinen, Schulen und Kitas ein. Seine
politische Vita nahm dieselbe Kurve wie die sei-
nes nordrhein-westfälischen Co-Hoffnungsträ-
gers Hendrik Wüst und einiger Altersgenossen:
Sie fingen als junge Rechte mit kessen Sprüchen
gegen den überbordenden Staat, Multikulti und
das Gendern an – und landen bei der Frauen-
quote. Bewusst präsentieren sich Wüst und
Günther als engagierte Väter mit neuer Work-
Life-Balance. Die Frau versehentlich an einer
Tankstelle stehen zu lassen, wie in der Herren-
CDU vergangener Tage der Legende nach ein-
mal geschehen, das würde ihnen nie passieren.
Vom Merkelianer

Reporter
württembergische Ministerpräsident Winfried
Kretschmann, die die Grünen zur Volkspartei
erweitern wollen. Daniel Günther hat neulich
mal bei einem Sommerfest länger mit ein paar
von den jüngeren Grünen zusammengesessen.
Einige von ihnen hätten, so wird berichtet, na-
hezu ausschließlich über Identitätspolitik spre-
chen wollen. »Es gibt Wochen, in denen fühle
ich mich eher als Frau, dann wieder eher als
zum Merz-Partner
Wie er von A nach B gekommen ist, vom Kon-
servativen zum Ökologisch-Liberalen? »Die Le-
benserfahrung hat da einiges relativiert«, sagt
Günther, der schon mal »Landesschwiegersohn«
genannt wurde. Auf seinem Weg lernte Günther
Leute kennen, die schwul sind, die eingewandert
sind, die als Frauen in der Politik mit ohnmäch-

gesucht
Mann«, habe eine erzählt. Günther habe ir-
gendwann gefragt, ob man nicht mal über
Klima­schutz sprechen wolle?
(m/w/d) Eine ökologisch satisfaktionsfähige CDU, die
in der Gesellschaftspolitik ohne Schaum vorm
Mund agiert, aber eben auch ohne das Stammes-
denken, das die Leute in »divers« versus »Cis-
Menschen« (also solche, die sich dem Geschlecht
zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zu-
gewiesen wurde) oder »weiß« versus »Person of
Color« aufteilt: Da liegt für Leute wie Günther
und seine Bildungsministerin Karin Prien eine
Stories schreiben, die nachhallen. Etwas bewegen. Von den Besten der echte Chance auf urbane Mehrheitsfähigkeit.
Branche lernen. Sich ein Jahr ohne Kompromisse dem Schreiben widmen. Und sogar auf eine eigene Art von Coolness.
Das sehen viele Parteifreunde naturgemäß
Idealismus und Abenteuer. Du hast erste Erfahrungen im Journalismus ganz anders. Schwarz-Grün zu wählen, obwohl
gesammelt, jetzt willst du vorankommen, als Mensch, als Autor:in. Schwarz-Gelb möglich gewesen wäre – das ist
für viele vom konservativen Flügel der CDU ge-
radezu ein Sakrileg. Warum hat er das getan?
»Ich hätte sie tatsächlich gern beide gehabt«, sagt
Daniel Günther über seinen Versuch, in Kiel ein
zweites Mal Jamaika auf die Beine zu stellen.
Bist du bereit für »Das war keine Pose.« Es war auch ein wichtiges
Signal in die Partei hinein, die ihn womöglich
die Reportageschule Jetzt bis zum dereinst zum Kanzlerkandidaten machen soll –
was nicht funktionieren wird, wenn sie ihn dann
in Reutlingen? 15. Juli immer noch »Genosse Günther« nennen.
Günthers Entscheidung für die Grünen und
bewerben gegen die FDP hat im Kern zwei Gründe. Ers-
tens war die FDP mit ihren 6,4 Prozent so am
reportageschule.de Boden, dass sie in ihrer Verzweiflung womöglich
nur noch um sich geschlagen und auf FDP-pur
gedrungen hätte. Und zweitens hätte sich­
Günther mit den Grünen eine für seinen Ge-
schmack zu starke Opposition eingehandelt, die
tiger Wut vor verrammelten Hinterzimmern
standen – und die Sprüche blieben ihm im Hal-
se stecken. Die schlechten Wahlergebnisse der
Union in den Städten dürften allerdings das Ihre
zu diesem Wandel beigetragen haben. Als Mer-
kelianer sehen sich CDU-Spitzenpolitiker wie
Günther und Wüst dennoch nicht mehr um-
standslos, trotz aller Wertschätzung. Man hat
doch in diesen Tagen die Grenzen der Methode
Merkel unter die Nase gerieben bekommen.
Günther hat in den unionsinternen Kämpfen
der Vergangenheit stets laut Position gegen Mar-
kus Söder und Friedrich Merz bezogen. Jetzt
klingt er anders. Ȇber Friedrich Merz werden
Sie von mir kein negatives Wort hören. Wir sind
sehr offen miteinander.« Merz habe beispiels-
weise kein Problem mit dem Hinweis gehabt, es
mache vielleicht mehr Sinn, wenn der Parteichef
die NRW-Wahlkämpfer unterstütze als die an
der Küste, weil er in Schleswig-Holstein nicht so
das Zugpferd sei. Aber der Partei tue Merz ein-
deutig gut. »Es gibt jetzt eine echte politische
Führung, einen Gestaltungsanspruch. Ihm ist
die Partei wichtig, und das merken alle.« Die
Umfragewerte der CDU sähen zwar nicht übel
aus, könnten angesichts der Performance der
Ampel aber noch besser sein, finden viele aus der
Unionsspitze. Erst wenn jeder Hauch von Popu-
lismus vermieden werde, könnte sich das ändern.
Daniel Günther lässt auf den letzten Metern,
als die Limousine über das Kopfsteinpflaster vor
dem Bahnhof in Kremmen gleitet, keinen Zwei-
fel daran, dass er da ein Wörtchen mitreden will.
 www.zeit.de/vorgelesen
 DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Wer zuerst blinzelt, verliert
Es bleibt nicht mehr viel Zeit, den Iran am Bau der Bombe zu hindern. Ein Blick hinter die Kulissen der Atomverhandlungen  VON ANNA SAUERBREY
Foto: Younes Khani/Middle East Images/laif; kl. Foto: Jason Alden/Getty Images
E
s ist Montag, der 6. Juni, um kurz
vor halb elf. Im »Board Room C«
des Vienna International Centre,
einem fensterlosen, holzvertäfel-
ten Saal, drängen sich die Diplo-
maten, gleich beginnt die Sitzung.
Fünfmal im Jahr trifft sich der
Vorstand der IAEO, der Internationalen Atom-
energie-Organisation, auf dem Campus der Ver-
einten Nationen in Wien. 35 Nationen gehören
ihm an, man kennt sich. Im Plenum herrscht eine
Stimmung wie bei einem Familientreffen. »Mais
qui est-ce que je vois ici?« – Aber wen sehe ich denn
da?« –, freut sich ein älterer Diplomat und klopft
auf die kantige Anzugschulter eines Gegenübers.
Eine andere Diplomatin erreicht den Raum außer
Atem. Sie sei erst beim Plenarsaal gewesen, erklärt
sie einer Kollegin. Aber weil da »so eine Cyber-
Sache« stattfindet, muss sich der Vorstand dieses
Mal mit diesem kleineren Raum begnügen. Tat-
sächlich ist es jetzt schon stickig. »Wenig Raum,
große Themen«, antwortet die Kollegin lakonisch.
Das trifft es. Die gelöste Stimmung im Plenum
täuscht. Auf der Empore der Sitzungsleitung ordnet
Rafael Mariano Grossi seine Unterlagen. Seine Miene­
ist die eines Spitzenathleten vor dem entscheidenden
Wettkampf. Der 61 Jahre alte argentinische Diplo-
mat, Nadelstreifenanzug, Einstecktuch, ist General-
direktor der Atomenergie-Organisation, die 1957
gegründet wurde, um die friedliche Nutzung der
Atomenergie zu fördern und die militärische Nutzung
einzudämmen. Er wird heute, zum Auftakt der ein-
wöchigen Sitzung seiner Organisation, ungewöhnlich
deutlich den Iran rügen. Zwei Tage später, am 8. Juni,
wird der Vorstand auf Initiative der USA, Deutsch-
lands, Frankreichs und Großbritanniens eine Reso-
lution verabschieden und das Land »dringend« auf-
fordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es
ist der verzweifelte Versuch, den Iran unter Druck zu
setzen. Es ist aber auch ein riskantes Manöver, denn
es fällt in hochangespannte Zeiten. In diesen Wochen
droht das Atomabkommen endgültig zu scheitern
– jenes Abkommen, das verhindern soll, dass der Iran
eine Atombombe baut. Das wäre eine große Gefahr
für Israel und viele andere Länder in der Region, die
der Iran als seine Feinde betrachtet. Sollte es so weit
kommen, würden Israel oder die USA wohl militä-
risch eingreifen.
Das Atomabkommen mit dem Iran ist ein di-
plomatisches Drama epischen Ausmaßes. Es wur-
de 2015 zwischen dem Iran, den USA, China,
Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutsch-
land und der EU als Mitunterzeichnerin geschlos-
sen. Es ist ein 159 Seiten starkes technisches
Monster, der Kern aber ist einfach: Der Iran ver-
pflichtet sich, kein atomwaffenfähiges Uran herzu-
stellen oder in größeren Mengen zu lagern. Im
Gegenzug beenden die EU und die USA viele
Sanktionen. Überwacht wird das iranische Atom-
programm seither von der Atomenergie-Organisa-
tion. Mehrere Jahre lang meldete die IAEO immer
wieder: Der Iran hält sich an das Atomabkommen.
POLITIK 5
Jugendliche über den Hügeln von Teheran
Bis Donald Trump am 8. Mai 2018 aus dem­ aufgenommen. Im Juni wurden sie gleich wieder staring contest entwickelt, wie die Amerikaner­ Es ist dieser Hass, der die Erneuerung des Abkom-
Abkommen ausstieg und in der Folgezeit viele der ausgesetzt, nachdem im Iran die Hardliner-Regie- sagen würden: Wer zuerst blinzelt, verliert. mens für jede iranische Regierung zu einem Risiko
Sanktionen wieder in Kraft setzte, neue kamen rung von Raissi eine Scheinwahl gewonnen hatte. macht. Schon 2018, als Trump ausstieg, spaltete das
hinzu. Der damalige iranische Präsident Hassan Am 29. November 2021 kehren die Delegatio- Abkommen die iranische Politik. Während Präsident
Ruhani hielt an dem Abkommen fest, ebenso wie nen nach Wien zurück. Man tagt nun im Palais Ruhani daran festhielt, verbrannten Hardliner im
China, Russland, Deutschland, Frankreich, Groß- Coburg, einem Fünf-Sterne-Hotel in der Nähe des Washington, D. C., am 25. Mai, der Raum SD-106 Parlament Papiere, die das Abkommen darstellen
britannien und die EU. Dennoch begann der Iran Wiener Stadtparks. Es wird ein langer, zäher Ver- des Kapitols. Anhörung des Diplomaten Robert sollten, und riefen: »Tod Amerika!« Wer genau heu-
ab 2018, den Grad der Urananreicherung zu­ handlungswinter. Für die Europäer beginnen die Malley im Senate Committee on Foreign Relations. te im iranischen Regime dafür oder dagegen ist,
erhöhen, ebenso wie die Menge des gelagerten zahlreichen Abstimmungs- und Verhandlungs- Er ist Sonderbeauftragter für den Iran, ein fein- durchschauen selbst europäische Diplomaten nicht
hoch angereicherten Urans – bis heute. runden am frühen Morgen und enden in der gliedriger, ernsthafter Mann, seit 2015 US-Ver- ganz. Fest steht nur: Der politische Gewinn eines
Nacht. An Wochenenden wird durchverhandelt. handlungsführer. Die Sitzung wird live gestreamt. Abkommens müsste das Risiko übersteigen. Die
Iraner und Amerikaner sprechen auch bei dieser Die Senatoren wollen wissen, warum Joe Biden am innenpolitische Lage im Iran aber ist seit dem russi-
Verhandlungsrunde nie direkt miteinander, der Atomabkommen mit dem Iran festhält. Der Ton ist schen Krieg instabil geworden. Im Mai sind in zahl-
Eine Pressekonferenz mit Grossi in Wien in der EU-Diplomat Enrique Mora läuft zwischen dem respektvoll, aber man spürt auch Ungeduld. Bis zu reichen Städten Menschen auf die Straße gegangen.
vergangenen Woche. Palais und dem Marriott um die Ecke hin und her den Kongresswahlen am 8. November bleiben nur Der Iran bezieht 40 Prozent seines Weizens aus der
Journalistin: »Könnten Sie beziffern, wie lang – dort residieren die Amerikaner. Wien ist wäh- fünf Monate. Alle wissen, dass sich ein Nachgeben Ukraine, die Preise für Brot sind massiv gestiegen, im
der Zeitraum ist, bis der Iran eine Bombe bauen...« renddessen die meiste Zeit im Corona-Lockdown. der Biden-Regierung in der aufgewühlten öffentli- Mai lag die Inflationsrate generell bei fast 40 Prozent.
Grossi (fällt ihr ins Wort): »Genug hoch ange- Die Diplomaten ernähren sich von Fastfood auf chen Meinung leicht instrumentalisieren ließe,
reichertes Uran zu haben ist nicht dasselbe, wie ihren Zimmern. »Man verliert jedes Gefühl für die nicht zuletzt von Trump. Zustimmung und­
eine Bombe zu bauen. Ich spreche von der not- Zeit«, erinnert sich einer. Ablehnung verteilen sich gleichmäßig zwischen
wendigen Menge.« Republikanern und Demokraten: In Wien hat der Direktor der IAEO, Rafael Grossi,
Journalistin: »Ja, aber könnten Sie beziffern, James Risch, Republikaner: »Das Abkommen in den Tagen nach der Verabschiedung der Resolu-
wann der Iran genug Material haben wird, um in war 2015 falsch, und es ist heute falsch. Der Iran tion gegen den Iran am 8. Juni alle Hände voll zu
der Lage zu sein, eine Bombe zu bauen?« ist und bleibt der größte staatliche Unterstützer tun. Noch in der Nacht auf den 9. Juni teilt der
Grossi: »Das ist eine Sache von ein paar Wo- des Terrorismus, er unterdrückt seine eigene­ Iran der IAEO mit, er werde 27 Kameras und wei-
chen.« Bevölkerung, er hält Amerikaner als Geiseln.« tere Überwachungsanlagen der Organisation in
Den Zeitraum, bis der Iran eine Rakete für­ Rand Paul, ebenfalls Republikaner: »Alle hier seinen Atomforschungsanlagen entfernen, das sei
einen atomaren Sprengkopf bauen könnte, schät- haben so viel Angst vor dem politischen fallout. »so ziemlich alles«, was man dort installiert habe,
zen europäische Diplomaten auf etwa zwei Jahre. Mein Vorschlag wäre trotzdem, die Sanktionen zitiert Reuters den Generaldirektor. Der Stand des
gegen die Revolutionsgarden fallen zu lassen und iranischen Atomprogramms, er verschwindet nun
eine öffentliche Debatte darüber zu führen, was von den Monitoren der Welt. Das setzt auch die
Rafael Mariano Grossi, 61, wir im Gegenzug fordern.« USA unter Druck. Grossi spitzt rhetorisch weiter
Brüssel, Mitte Mai. Das Gebäude, das den European Generaldirektor der IAEO, der Robert Malley: »Der Iran hat sich entschieden, zu: Es bleibe jetzt nur noch ein Fenster von drei bis
External Action Service beheimatet, den diplomati- Internationalen Atomenergie-Organisation, keine Gegenleistung anzubieten. Sie haben jedes vier Wochen, um zu handeln.
schen Dienst der EU, liegt am Place Schuman, einem überwacht das Iran-Abkommen vernünftige Angebot abgelehnt. Sie müssen sich Wie der Epilog zu diesem Drama lauten wird,
Kreisverkehr im Herzen der Stadt. Beamtinnen in entscheiden, ob sie ein Abkommen wollen.« darauf will sich im Moment niemand festlegen.
gut geschnittenen Kostümen eilen vorbei, es herrscht Will man das Worst-Case-Szenario hören, kann
Geschäftigkeit. Das Büro des europäischen Diplo- Und dann, Mitte Februar 2022, ist der Text man Yaakov Amidror anrufen, einen früheren Sicher-
maten, den die ZEIT trifft, geht auf einen begrünten so gut wie fertig, endlich. Nur eine bilaterale heitsberater von Benjamin Netanjahu. Amidror sagt
Innenhof. An der Wand des Büros hängt eine Karte Frage­zwischen dem Iran und den USA ist noch »Sie müssen einfach eine Entscheidung treffen«, am Telefon: »Wenn es keinen anderen Ausweg gibt,
des Iran, in der Ecke lehnt ein E-Roller. Der Diplo- offen. Der Iran fordert, die USA sollten die­ sagt Mahmoud Farazandeh. »Alles ist möglich. Es werden wir uns selbst darum kümmern müssen.«
mat ist einer von mehreren, die mit dem Ablauf der Revolutionsgarden, einen Arm der Armee, von kann ein Abkommen geben oder nicht, das hängt »Militärisch?« »Ja, militärisch.«
jüngsten Verhandlungsrunde vertraut sind und bereit einer Liste terroristischer Organisationen strei- davon ab, ob die amerikanische Seite einen ver- Weil der Iran schon jetzt extrem gefährlich sei.
waren, im Hintergrund mit der ZEIT darüber zu chen. Letztlich ein Symbol, mit Sanktionen­ nünftigen Ansatz wählt.« Und weil die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten
sprechen. Aus den Gesprächen darf nicht zitiert wären die Revolutionsgarden trotzdem belegt. Der Botschafter des Iran in Berlin lehnt sich sofort nachziehen und das geopolitische Gefüge
werden, aber man darf die Pistazien erwähnen, die Doch zu Gesprächen über mögliche Lösungen zurück auf der Couch in seinem Büro- und Emp- der ganzen Region verändern würden.
auf dem Tisch stehen, Pistazien aus Teheran. EU- kommt es vorerst nicht. Während die Delegatio- fangszimmer und schaut sein Gegenüber erwar- Europäische Diplomaten scheinen die jüngste
Diplomaten kam schon in den Verhandlungen zum nen im Palais Coburg verhandelt haben, hat tungsvoll an, als wolle er signalisieren, dass alles Eskalation eher als Teil des staring contest zu ver-
Abkommen von 2015 die Rolle des facilitators zu, des Wladimir Putin über 150.000 Soldaten an der gesagt sei. Es ist ein hoher, lichtdurchfluteter stehen. Dass der Iran auf die Resolution mit einer
Vermittlers zwischen den Hauptverhandlungspar- ukrainischen Grenze zusammengezogen. Am Raum. Hinter ihm schauen der »Oberste Führer« Eskalation reagieren würde, hat man offenbar ein-
teien. Bis heute haben sie die Hoffnung nicht auf- ­24. Februar überfällt er das Land. Ali Chamenei und der iranische Präsident gemein- gepreist. Einer schreibt eine E-Mail, aus der man
gegeben, das Abkommen noch retten zu können, Erstaunlicherweise führt der Beginn des Krie- sam aus einem Bilderrahmen an der Wand. nicht zitieren kann. Aber die Botschaft lautet:
trotz aller ups and downs. ges in Wien nur zu einem kurzen russischen Inter- Farazandeh hat das Gespräch über das irani- Keine Panik. Man bleibe dran.
mezzo. Sergej Lawrow, Putins Außenminister, for- sche Atomabkommen mit einem längeren Vor- Sollte das Abkommen noch erneuert werden
dert Anfang März, einen Passus in das Atomab- trag über die Geschichte des Iran und des Nahen und der Iran sein Atomprogramm wieder zurück-
kommen aufzunehmen, wonach Sanktionen gegen Ostens eröffnet, die Erzählung kreist allerdings fahren, wäre das eine Sensation. Die schärfsten
Zeit ist ein kritisches Gut, wenn es um das Atom- sein Land den Handel zwischen Russland und um das, was »they« – sie – dort aus seiner Sicht Widersacher der Welt würden in einer Signatur-
abkommen geht. Und in der von ups and downs dem Iran nicht treffen dürften, macht aber rasch alles angerichtet haben. Gemeint sind die Verei- zeile stehen: China, die USA und Russland. Denn
geprägten Geschichte des Atomabkommens ging wieder einen Rückzieher. Nicht auflösen lässt sich nigten Staaten von Amerika, aber das spricht er in einem sind sie sich – bislang – einig. Sie alle
immer wieder viel Zeit verloren. Im Frühjahr 2021 bis heute der Streit zwischen den USA und dem nicht aus. »Viszeral« nennt ein europäischer­ wollen einen atomwaffenfreien Nahen Osten.
wurden nach der Wahl von Joe Biden Verhand- Iran um die Revolutionsgarden. Seit Beginn des Diplomat die Abneigung zwischen den beiden
lungen über eine Erneuerung des Abkommens Krieges hat sich über dieser letzten Frage eine Art Ländern, »eingefleischt«.  www.zeit.de/vorgelesen
6 POLITIK 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

»Am 24. Februar

begann der totale Krieg«
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht über den Albtraum, in dem er
täglich lebt – und darüber, wie sein Land auch andere Völker verteidigt

DIE ZEIT: Präsident Selenskyj, vor fast vier kämpfen sie im Osten, dem Donbass, mit­
Monaten hat Russland die Ukraine überfallen. schwerem Geschütz aus der Ferne, über viele Kilo­
Es ist noch kein Ende des Krieges in Sicht, die meter hinweg, gegen einen unsichtbaren Feind.
Zahl der ukrainischen Opfer ist schockierend Das Problem ist: Trotz der Zusage der USA, der­
hoch. Laut einem Bericht des britischen Guar- Ukraine 108 M777-Haubitzen und 200.000
dian sterben täglich rund 150 Ukrainer an der Schuss Munition zu liefern, verfügen die Russen
Front, 800 werden verwundet. Wie lange kön­ über viel mehr Artillerie-Einheiten und Munition
nen Sie und Ihr Land noch durchhalten? als Ihr Land.
Wolodymyr Selenskyj: Wir halten so lange Selenskyj: Und dieses Ungleichgewicht bezahlen
durch, wie es sein muss. Anfangs glaubten viele wir täglich mit Menschenleben. Es ist schrecklich,
Beobachter auf der ganzen Welt, die russische aber Realität. Russland führt einen sehr brutalen
Armee würde uns innerhalb kürzester Zeit Krieg, mit schweren Waffen, mit weitreichender
überrennen. Wir hielten stand. Der Preis für Artillerie, mit Raketen, Marschflugkörpern, um
das Durchhalten ist unfassbar hoch. Selbstver­ alles in der Ukraine zu zerstören – Menschen,
ständlich wollen wir unsere Menschen schüt­ Städte, Infrastruktur. Allein 263 Kinder sind seit
zen, die Unabhängigkeit bewahren, unser Land Kriegsbeginn durch russische Angriffe ums Leben
von den Eindringlingen befreien. Wir haben ja gekommen. Auf manche mag meine Forderung
niemanden angegriffen. Aber dieser Krieg ist wie eine Dauerschleife klingen, aber ich muss das
nicht nur eine Angelegenheit der Ukraine. immer wieder sagen: Wir brauchen moderne Waf­
ZEIT: Ein zäher Krieg kann in den Köpfen der fen. Wir brauchen Unterstützung, um zu über­
Menschen, die sich in sicherer Entfernung be­ leben und zu gewinnen. Und je weniger unsere
finden, Normalität werden. Partner bereit sind, uns mit Waffen zu helfen,
Selenskyj: Es wäre fatal, wenn der Krieg zur desto länger wird dieser Krieg dauern, und desto
Normalität würde. Unsere Bemühungen in mehr Menschen werden sterben.
diesem Krieg schützen doch ganz Europa. Da­ ZEIT: US-Präsident Joe Biden schrieb in einem
von bin ich überzeugt. Russland wollte sich nie Essay in der New York Times, die USA würden
nur auf die Ukraine beschränken. Die baltischen die Ukrainer weiter mit Waffen und Munition
Länder, auch Polen, Moldau, selbst andere Län­ ausstatten, mit denen sich Ziele genauer treffen
der Mitteleuropas – sie alle sind bedroht. Es ist lassen. Dazu gehören unter anderem Javelin-­
doch für alle in Europa klüger, uns jetzt zu Panzerabwehrraketen, Stinger-Flugabwehrraketen,
helfen, damit man nicht später weitere Natio­ moderne Haubitzen, präzise Raketensysteme,
nen verteidigen muss. Radargeräte, Drohnen, Hubschrauber und Mu­
ZEIT: In diesen Tagen soll Bundeskanzler Olaf nition. Was Sie danach wohl nicht bekommen
Scholz gemeinsam mit dem französischen Prä­ werden, sind Raketenwerfer mit Reichweiten
sidenten Emmanuel Macron und dem italieni­ von rund 300 Kilometern – denn damit könnten
schen Ministerpräsidenten Mario Draghi nach Sie ja auch russisches Territorium treffen. Ärgert
Kiew reisen. Kommt dieser Besuch zu spät? Sie das?
Selenskyj: Wir sind offen und werden alle unse­ Selenskyj: Ich bin Präsident Biden für seine Füh­
re Freunde in Kiew willkommen heißen. rungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine
ZEIT: Warum richtet sich die Kritik der Ukrai­ dankbar. Und wir danken unseren anderen Part­
ne vor allem gegen Deutschland, obwohl die nern, die in sehr bedeutender Weise helfen. Aber
Bundesrepublik weitgehend im Einklang mit wir müssen noch viel mehr gemeinsam tun, um
Frankreich agiert? Macron betonte zwar am diesen Krieg zu gewinnen. Wenn es möglich wäre,
Wochenende, Frankreich wolle, »dass die diese Waffen einfach zu beschaffen, müssten wir
Ukraine siegt«, hielt sich aber bisher genauso nicht wochen- und monatelang mit Partnern da­
zurück wie Olaf Scholz. Beide sind überhaupt rüber verhandeln. Und Sie haben ja recht: Wir
nicht zu vergleichen mit Joe Biden. brauchen viel mehr moderne Artillerie-Geschüt­
Selenskyj: Glauben Sie mir, wir fordern nicht ze. Jetzt ist es ja noch an vielen Stellen der Front
mehr, als zum Schutz der Freiheit notwendig ist. so, dass die Russen unsere Stellungen aus großer
ZEIT: Olaf Scholz sagte vor zwei Wochen im Entfernung mit ihrer Artillerie zusammenschie­
Bundestag, Wladimir Putin werde diesen Krieg ßen können, ohne dass wir zurückschießen kön­
nicht gewinnen, Europa werde den russischen nen. Wir brauchen also beispielsweise Mehrfach-­
»Imperialismus« nicht hinnehmen. Deshalb Raketenwerfer mit größerer Reichweite und ähn­
liefere Deutschland Waffen wie tragbare Flug­ liche Systeme.
abwehrraketen oder Radargeräte. Starke Worte. ZEIT: Haben Sie seit Kriegsbeginn schon einmal
Aber reichen die bisherigen Lieferungen und gedacht: Ich kann nicht mehr?
Zusagen Deutschlands aus? Ist wirklich etwas Selenskyj: Ach, wie soll ich Ihnen das sagen? Seit
angekommen? Was braucht die Ukraine jetzt? dem 24. Februar gab es so viele besonders schwie­
Selenskyj: Jeder Staatschef unserer Partnerstaa­ rige Momente, ich kann mich jetzt gar nicht mehr
ten und natürlich auch der Bundeskanzler weiß an jeden einzelnen erinnern. Wenn da ein Feind
genau, was die Ukraine braucht. Bloß: Die ist, der Sie und Ihr Land vernichten will – und
Lieferungen aus Deutschland sind immer noch wirklich alles dafür tut – , dann ist es ehrlich gesagt
geringer, als sie sein könnten. leichter, sich an die wenigen einfachen Momente
ZEIT: Olaf Scholz formuliert bislang Sätze wie: zu erinnern. Ich muss ja auch manchmal an etwas
Putin soll nicht gewinnen. Würden Sie sich anderes denken. Und nicht ausschließlich daran,
wünschen, dass er mal sagt: Die Ukraine muss wie ich durchhalte, woher wir Waffen und Muni­
gewinnen? tion für unsere Armee bekommen oder wie wir
Selenskyj: Ich finde es nicht in Ordnung, für andere davon überzeugen können, uns diese Waf­
den Bundeskanzler zu sprechen. Ich denke, fen zu geben. Ich verstehe das einfach nicht. Bei
Olaf Scholz wägt genau ab, was er sagt. Aber uns schützen die Waffen doch Menschen und die
wie auch immer der Wortlaut ist, jeden Tag Freiheit, anstatt in Lagerhallen zu verstauben.
sterben Dutzende von Menschen hier in der ZEIT: Können Sie schlafen, oder werden Sie von
Ukraine. Jeden Tag. Wie soll ich da ruhig blei­ Albträumen heimgesucht?
ben? Putin hasst die Idee eines freien und ver­ Selenskyj: Russische Soldaten machen grausige
Foto: Sasha Mazlov für DIE ZEIT (Kiew, 30. 5. 2022)

einten Lebens in Europa, und wir halten da­ Dinge mit Ukrainern und Ukrainerinnen, das alles
gegen. Also sagt, was ihr wollt und wie ihr es ist ein Albtraum, in dem wir hier ganz real leben.
wollt, aber helft uns. Bitte. Ich kann gar keine schlimmeren Albträume haben,
ZEIT: Lassen Sie uns über die aktuelle Situa­ als das, was die russische Armee der Stadt Mariupol
tion der Gefechte sprechen. Diese haben sich angetan hat. Oder Butscha. Das ist meine, das ist
zu einem Artillerieduell entwickelt. Als die unsere Wirklichkeit. Aber natürlich brauche ich
Russen zu Beginn des Krieges aus dem Norden Schlaf. Mehr als fünf Stunden sind aber unmög­
auf Kiew und Charkiw vorrückten, wurde lich drin.
noch aus der Nähe gekämpft. Ihre Leute lock­ ZEIT: Am 22. Mai gingen Sie erstmals mit Zahlen
ten die Angreifer in Hinterhalte, lauerten den über Verluste Ihrer Leute an der Ostfront an die
Russen mit Panzerabwehrwaffen auf. Nun Öffentlichkeit. Wieso haben Sie das gemacht?
Unser Foto von Präsident Selenskyj entstand am 30. Mai in Kiew, bei
einer Zeremonie zu Ehren gefallener ukrainischer Journalisten

»Putin hasst die Idee eines freien und vereinten Lebens in Europa, und wir halten dagegen.
Also sagt, was ihr wollt und wie ihr es wollt. Aber bitte helft uns«
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Selenskyj: Weil die Menschen die Wahrheit
wissen müssen.
ZEIT: Die Welt soll die Wahrheit wissen?
Selenskyj: Natürlich muss auch die Welt die
Wahrheit kennen. Hier geht es um eine Be-
schreibung, welche Art von Vernichtungskrieg
Russland gegen uns führt.
ZEIT: Fürchten Sie nicht, die Unterstützung
Ihres Volkes zu verlieren? Wenn so viele Men-
schen an der Front sterben und die Waffen so
ungleich verteilt sind, dann kann der Glaube
doch verloren gehen.
Selesnkyj: Sorgen Sie sich nicht. Wir sind stark.
Und es geht mir auch darum, dass der Westen
weiß, wie wir uns fühlen, wenn wir wieder
und wieder sehen, wie sich die Übergabe von­
notwendigen Verteidigungswaffen verzögert.
Wenn wir alle modernen Waffen erhalten hät-
ten, die wir von unseren Partnern erbeten ha-
ben, hätten wir viele Leben retten können.
ZEIT: Es gibt immer mehr Medienberichte
über die schlechte Versorgung ukrainischer
Soldaten an der Front im Donbass, es sollen
Lebensmittel fehlen, die Moral sinke.
Selenskyj: Vieles davon ist Propaganda, Teil
des Informationskrieges gegen die Ukraine.
Das Ringen um die öffentliche Meinung, der
Kampf an der Informationsfront ist jetzt sehr
wichtig. Natürlich ist es für Menschen in Eu-
ropa oder den USA schwer zu unterscheiden,
was Wahrheit ist und was Propaganda.
ZEIT: Aber es sind doch Berichte unabhängi-
ger westlicher Medien.
Selenskyj: Vor ein paar Tagen habe ich unsere
Jungs an der vorderen Linie besucht. Die
Kämpfe dort sind schwer. Aber sie werden mit
allem Nötigen versorgt. Der Kampfgeist ist
hoch.
ZEIT: Würden Sie einem Friedensabkommen
zustimmen, wenn Russland sich hinter die
Kontaktlinie von 2014 zurückzieht? Oder will
die Ukraine versuchen, ihr ursprüngliches Ter-
ritorium zurückzuerobern? Also auch die Krim?
Selenskyj: Die Krim gehört zur Ukraine, die
Regionen Donezk und Luhansk ebenfalls. Dies
wird von der ganzen Welt anerkannt. Selbst-
verständlich wird unser Volk seine Hoheits­
gebiete nicht aufgeben wollen.
ZEIT: Wann wird die ukrainische Regierung
bereit sein, sich an den Verhandlungstisch mit
Russland zu setzen?
Selenskyj: Jederzeit.
ZEIT: Sicher?
Selenskyj: Das Problem ist doch nicht unsere
Bereitschaft. Leider. Sondern das, was die Rus-
sische Föderation tun will – und was sie noch
nicht tun will. Die Ukraine hat nicht erst seit
dem 24. Februar einige Male echte und inhalts-
reiche Friedensgespräche angeboten, sondern
schon vorher, seit Beginn meiner Amtszeit. Der
Krieg im Donbass begann 2014. Am 24. Fe-
bruar dieses Jahres begann dann der totale
Krieg. Der Angreifer ist Russland. Wie kann es
Frieden geben, wenn Russland nicht zum Frie-
den bereit ist?
ZEIT: Was ist Ihr persönliches Ziel in diesem
Krieg?
Selenskyj: Eine offensichtliche Antwort: der
Sieg! Im Krieg für die Unabhängigkeit und ge-
gen den Terror kann es keinen Zwischenstand
geben. Nach den Massakern, Vergewaltigun-
gen, nach Folter und der Deportation von
Hunderttausenden von Menschen müssen wir
alles tun, um unser Volk und unser Land zu
schützen.
ZEIT: Auch die Kirchen halten sich bislang er-
staunlich zurück. Dabei unterstützt das Ober-
haupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patri-
arch Kyrill, den Angriffskrieg seines Freundes
Putin nach Kräften. Erwarten Sie von den
deutschen Kirchen ein deutlicheres Signal ge-
gen ihn? Sollten sie den Kontakt zur Kyrill-
Kirche abbrechen?
Selenskyj: Lassen Sie mich Ihnen nur ein Bei-
spiel geben: Vergangene Woche hat das russi-
HINTER DER GESCHICHTE
Drei Monate nach seinem ersten Interview sprach der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj, 44, erneut mit der ZEIT. Das Interview musste schriftlich geführt werden.
Die ins Deutsche übersetzte Fassung wurde abschließend durch eine Mitarbeiterin
der ukrainischen Botschaft in Berlin autorisiert. Der amerikanisch-ukrainische Fotograf
Sasha Mazlov hatte in Kiew 35 Sekunden Zeit, um Selenskyj zu porträtieren.
POLITIK 7
MAIL AUS MOSKAU
Ein Polizist
stoppt einen alten
GAZ 21 Wolga
auf dem
Oktoberplatz in
Moskau
Foto: Michael Thumann
Gefährliche Frauen mit Flaschen
sche Militär erneut auf eines der orthodoxen
Heiligtümer geschossen – das Swjatohirsk-
Kloster in der Region Donezk. Und dies ist
nicht das erste Heiligtum in der Ukraine, das
von Russland zerstört wurde. Wenn ein religiö- Manchmal gibt es in Moskau doch noch Widerspenstigkeit – plötzlich und unerwartet  VON MICHAEL THUMANN
ser Führer solche Untaten und das Abschlach-
ten von Menschen segnet, warum verurteilen
ihn andere Kirchenführer dann nicht? Wie Sonntagnacht fuhr ich mit dem Rad von einem zwei Frauen um die 30, die neben mir an der Mafioso könne hier durchfahren, aber das Volk
können Christen da schweigen? Abendessen nach Haus über den Oktoberplatz, Ampel standen, jede mit einer Flasche Bier in der werde belästigt. Er solle den Wolga-Fahrer sofort
ZEIT: Putin erpresst die Welt mit Hunger, auf dem ein fetter gusseiserner Lenin steht und Hand. Wir schauten dem Vehikel ziemlich fas- weiterfahren lassen. Der Schupo war ziemlich
indem er Weizenlieferungen aus der Ukraine mit seinem Arm die Richtung weist, wobei man ziniert hinterher und sagten »kruto«, was in dem überrascht, kam aber kaum zu Wort, da er von
nicht passieren lässt. Putins Außenminister nach allerlei historischen Erfahrungen ja eher Zusammenhang so viel wie »geil« heißt. Doch der Großen, Resoluten der beiden sofort unter-
Lawrow aber gibt der Ukraine die Schuld: misstrauisch mit Leninschen Richtungsangaben dann passierte das, was passieren muss, wenn in brochen wurde. Was ihm einfalle. Er solle hier
Wenn Ihre Leute die Seeminen vor dem Ha- ist. Ich musste zum Glück in eine andere Rich- Putins Moskau mal einer »kruto« durch die Ge- keine Ausreden erfinden und den Mann fahren
fen von Odessa räumen würden, könnten tung. Dort kreuzte ein bemerkenswertes Auto gend fährt. Der an jeder Kreuzung unvermeid­ lassen. Schweigend gab der Polizist dem Fahrer
Getreidefrachter auslaufen. Wenn die Russen meinen Weg, ein GAZ 21 Wolga aus den 1960er- liche Schupo hob seinen Schlagstock und winkte die Papiere zurück. Der Wolga nahm ruckelnd
versprechen würden, die Minenräumung in Jahren, scheppernd und laut und stinkend, aber Wolga samt Fahrer heran. Die Mercedes und Fahrt auf, der Polizist starrte auf den Boden, die
der Nähe des Hafens von Odessa nicht für sehr geradeaus rollend. Der Fahrer, ein junger BMW fuhren durch, der Fahrer des vaterländi- Frauen gingen weiter. Und ich dachte mir, wenn
ihre eigenen Zwecke zu nutzen, sondern Typ mit Ziegenbart und knallorangem Hoodie, schen GAZ 21 Wolga wurde gefilzt. Ich war ge- hier irgendwann mal einer das Gängel-Regime
Schifffahrtsrouten zu öffnen, würden Sie es hatte seinen Wagen komplett mit der Schleif- nauso empört wie die beiden Frauen. Aber im stürzt, dann sind es nicht die Amerikaner, son-
tun? maschine bearbeitet, herausgekommen war ein Gegensatz zu mir schritten sie zur Tat. Sie gin- dern Frauen mit Bierflaschen in der Hand. Das
Selenskyj: Denken Sie daran, wie viel Russ- Beuys-artiges Kunstwerk aus Chrom, Gummi, gen, die Bierflaschen im Anschlag, stracks auf war schon im Februar 1917 so, als der Zar vom
land in den letzten Jahrzehnten versprochen Rost und einem Hauch von Restblau. »Scharfe den Polizisten zu und stellten ihn zur Rede. Was Thron kippte. Da war Lenin noch in der Schweiz
hat. Und wie wenig es davon erfüllt hat. Und Kiste«, dachte ich mir, und so dachten wohl auch er von dem Fahrer wolle. So gehe das nicht. Jeder und wärmte sich den Hintern.
das sind nicht nur Verpflichtungen aus Ver-
einbarungen, bei denen die Ukraine auf der ANZEIGE
anderen Seite stand. Dies sind zum Beispiel
die Verpflichtungen Russlands im Zusam-
menhang mit der Mitgliedschaft im Europa-
rat. Und erinnern Sie sich an die Helsinki-
Vereinbarungen ...
ZEIT: ... bei denen sich 1975 auch die Staaten
des Warschauer Paktes dazu verpflichteten, die
Souveränität und die Grenzen anderer Staaten
anzuerkennen und jeglicher Gewalt abzu-
schwören.
Selensykj: Von den Vereinbarungen ist jetzt
aufgrund des Vorgehens Russlands praktisch
„Passwörter sollten schwer zu knacken
nichts mehr übrig. Vergleichbares gilt für die
UN-Charta.
ZEIT: Russland nutzt sein Veto-Recht im­
UN-Sicherheitsrat, um kritische Beschlüsse zu
blockieren.
Selesnkyj: Ja, Russland verwandelt es in das
Recht zu töten. Die russische Erpressung der
sein, aber einfach zu managen.“
Welt mit Hunger kann zusammen mit der Ag-
gression gegen die Ukraine gestoppt werden.
Und das kann nicht einfach auf Worten oder
irgendwelchen Versprechungen beruhen.
ZEIT: Also würden Sie die Seeminen räumen?
Selenskyj: Die Sicherheit unserer Häfen, unse-
res Meeres, unseres Landes muss wirklich ge-
währleistet sein – damit Russland nicht einfach
wieder alles zerstören kann. Die russische Re-
gierung weiß doch, was getan werden müsste,
um den Krieg zu beenden. Natürlich könnte
man Frieden schließen, ein normales Leben
wiederherstellen. Aber sehen Sie, dass Russland
die entsprechenden Schritte unternimmt?
Nein. Die russische Armee fährt fort, unser
Volk zu töten.
ZEIT: Vor wenigen Wochen haben Sie Ihre
Frau, die mit Ihren beiden Kindern an einem
geheimen Ort lebt, nach zweieinhalb Monaten
das erste Mal wiedersehen können. Haben Sie
sich beide nach all den Erfahrungen und Ent-
scheidungen verändert?
Selenskyj: Natürlich. Der Krieg hat uns alle
verändert. Das Leben wird nie mehr dasselbe
sein. Auch meines nicht. Niemand von uns Konto
wird je vergessen, was wir gerade durch­
machen. Und es wird bei jedem von uns­
Spuren hinterlassen. Aber zugleich hoffe ich,
dass wir im Kern unseres Wesens so geblieben
sind, wie wir waren. Nicht nur wir als ­Familie,
sondern alle Ukrainer und Ukrainerinnen.
Wir brauchen Freiheit, wir sehnen uns so da-
nach, wir lieben das Leben, wir schätzen
Menschen.
Die Fragen stellte Cathrin Gilbert
Lesen Sie auch: Ein Gespräch über die Patrick Nepper entwickelt bei Google in München den
derzeit schwierigste Fernbeziehung der Welt. Passwortmanager, um Passwörter sicherer zu machen
Entdecken, S. 64/65
und den Umgang mit ihnen zu erleichtern.
gefunden
Besser geschützt mit Google
8 POLITIK
Pillen aus
Guanajuato
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten will
das Recht auf Abtreibung kippen. US-Bürgerinnen suchen
nun Hilfe in Mexiko  VON AMRAI COEN UND SAMIHA SHAFY
Fotos: Alicia Vera für DIE ZEIT (o.); Amrai Coen für DIE ZEIT (u./r.)
Die mexikanische Frauenrechtlerin Verónica Cruz
Ultraschallzimmer in der Trust-Women-Klinik in Wichita, Kansas
»Als ich Feministin wurde,
verlor ich den Glauben an Gott«
M
Wichita/ Austin/ Guanajuato
ark Gietzen war über-
zeugt, er würde diesen
Triumph nicht mehr er-
leben. In seinen Augen
sind die USA gerade da-
bei, sich nach Jahrzehn-
ten der Grausamkeit
endlich zum Guten zu wenden, und er sagt, er
habe einen nicht unerheblichen Anteil daran.
Seit 20 Jahren geht er dafür auf die Straße. Er
steht am Rande eines Highways in Wichita,
Kansas, vor einem Flachbau, der von außen aus-
sieht wie eine fensterlose Lagerhalle. »Trust Wo-
men« steht auf der grau-beigen Fassade. Im In-
neren befindet sich eine der letzten Abtrei-
bungskliniken des Bundesstaates.
»Lasst uns das Morgengebet sprechen«, sagt
Mark Gietzen zu den zwei älteren Herren neben
ihm, die sich als Larry und Mike vorgestellt ha-
ben. Gietzen, 68 Jahre alt, ist der Anführer des
Trios, er sieht aus, als käme er gerade aus der Gar-
derobe für einen Filmdreh: Backenbart, Piloten-
brille, eine Baseballmütze, auf der »U.S. Marine
Veteran« steht. Die drei sind Rentner, aber sie
haben noch immer eine Aufgabe: Jeden Tag von 8
bis 17 Uhr stehen sie vor dem Eingang der Klinik,
stoppen Autos, sprechen Passantinnen an, vertei-
len Flyer. Neben ihnen parkt ein Lastwagen, den
Gietzen mit gigantischen Bildern von toten Säug-
lingen hat bedrucken lassen. So wollen sie
schwangere Frauen davon abhalten, die Klinik zu
betreten. Nach eigener Zählung, sagt Gietzen
habe er bis heute »584 Babys das Leben gerettet«.
Die drei Männer bilden einen Kreis zum Ge-
bet: »Lieber Gott, bitte hilf uns, die gewalttätigen
Morde durch Abtreibung an den jüngsten Mit-
gliedern unserer Menschenfamilie zu been-
den ... Amen.«
Gietzen und seine Freunde nennen sich »Pro-
Life«. Sie fordern, dass die Klinik geschlossen
wird – und am besten auch alle anderen Abtrei-
bungskliniken in den USA. Wenn es nach der Pro-
Life-Bewegung geht, sollen Frauen unter allen
Umständen gezwungen werden, den Embryo aus-
zutragen – auch wenn die Schwangerschaft unge-
wollt oder das Ergebnis einer Vergewaltigung ist.
In diesen Tagen sind die amerikanischen Ab-
treibungsgegner ihrem Ziel so nahe wie seit fast
fünf Jahrzehnten nicht mehr. Denn »Roe vs.
Wade«, jenes Urteil des Obersten Gerichtshofs
der Vereinigten Staaten, das Frauen seit 1973 das
Recht gibt, über einen Schwangerschaftsabbruch
selbst zu entscheiden, wird sehr wahrscheinlich
noch in diesem Monat annulliert werden – von
ebendiesem Obersten Gerichtshof.
Der Supreme Court ist heute so polarisiert
und zerstritten wie das Land. Aber anders als im
Rest der USA ist der Machtkampf zwischen Li-
beralen und Rechten dort vorerst entschieden:
Weil Donald Trump in seinen vier Jahren als US-
Präsident gleich drei Richterstellen neu besetzen
konnte, ist das Gericht extrem nach rechts ge-
rückt. Sechs der neun Richter sind konservativ.
Das Gericht vertritt beim Thema Abtreibung
nun eine ähnliche Haltung wie die Pro-Life-Bewe-
gung. Dabei zeigen Umfragen seit Jahren, dass
etwa zwei Drittel der Amerikaner an Roe vs. Wade
festhalten wollen. Die Abtreibungsgegner haben,
vereint mit der christlichen Rechten, demons-
triert, wie man eine Minderheitsposition durch-
setzen kann: mit lautstarken, gut organisierten
Kampagnen, der Beharrlichkeit von Aktivisten
wie Mark Gietzen und einem feinen Gespür dafür,
die Grenzen des Sag-und Machbaren immer wie-
der zu überschreiten.
Wenn Roe vs. Wade gekippt wird, kann jeder
Bundesstaat selbst entscheiden, wie seine Abtrei-
bungsgesetze aussehen sollen. Einige haben ihre
Gesetze schon im Vorfeld verschärft und warten
jetzt darauf, Schwangerschaftsabbrüche ganz oder
nahezu vollständig verbieten zu können. In der
Hälfte der 50 Bundesstaaten, vor allem im kon-
servativen Süden und Mittleren Westen, würden
Frauen dann endgültig den Zugang zu legalen
und sicheren Abtreibungen verlieren. Das Verbot
träfe vor allem die Ärmeren, die es sich nicht leis-
ten können, wegen eines Schwangerschaftsabbru-
ches in einen liberalen Bundesstaat zu reisen. Ih-
nen blieben nur drei Optionen: den Fötus auszu-
tragen, illegal und damit möglicherweise unter
Lebensgefahr abzutreiben – oder in Mexiko Hilfe
zu suchen. Ausgerechnet in Mexiko, dem ver-
meintlich rückständigen, erzkatholischen Nach-
barland, wo Frauen bis vor Kurzem noch bei einer
Fehlgeburt unter dem Verdacht der illegalen Ab-
treibung verhaftet werden konnten.
Es ist, als ob die amerikanische Halbkugel sich
auf den Kopf gestellt hätte. Denn Mexiko und
mehrere andere lateinamerikanische Länder ha-
ben Abtreibungen in den vergangenen Monaten
überraschend legalisiert.
Während draußen vor der Klinik in Wichita
Mark Gietzen und seine Freunde für das ungebo-
rene Leben beten, klingeln drinnen an der Rezep-
tion der Klinik ununterbrochen die Telefone.
»Trust-Women-Klinik, ich bin Jessica, wie kann
ich Ihnen helfen?« Eine weinende Frau ist am
Telefon, die in ihrem Bundesstaat Texas keine
Möglichkeit zu einem Schwangerschaftsabbruch
mehr hat und nun nach Kansas fahren will, Hun-
derte Kilometer von ihrem Zuhause entfernt.
»Wir sind leider ausgebucht für die nächsten drei
Wochen«, sagt Jessica.
Seit absehbar ist, dass der Supreme Court Roe
vs. Wade eliminieren wird, rufen an manchen
Tagen bis zu tausend Frauen an. 30 bis 35 Ab-
treibungen schaffen sie in der Klinik am Tag.
»Wenn ich den Frauen sage, dass wir leider keinen
Platz haben, höre ich Panik in ihren Stimmen.
Manche sind traurig, manche wütend, manche
betteln mich verzweifelt an«, erzählt die Emp-
fangsdame. »Neulich hat mir eine 5000 Dollar
angeboten. Aber ich kann leider nichts tun.«
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Wer die Klinik betreten will, muss durch
eine Sicherheitsschleuse gehen, vorbei an einem
Wachmann, der auf einem Monitor mehrere
Kameras im Blick hat. Dass die Klinik bewacht
wird wie ein Hochsicherheitstrakt, hat auch mit
ihrer Geschichte zu tun. In den 1970er-Jahren
übernahm ein Arzt namens George Tiller die Lei-
tung. »Tiller, der Baby-Killer!«, riefen Demons-
tranten vor dem Eingang. Sie wüteten gegen Roe
vs. Wade und später gegen ein Folgeurteil des
Obersten Gerichts, das besagte, dass Schwanger-
schaftsabbrüche bis zu dem Zeitpunkt legal sind,
an dem der Fötus außerhalb des Mutterleibs le-
bensfähig wäre – etwa ab der 24. Schwanger-
schaftswoche. Die Pro-Choice-Bewegung feierte
die Urteile als Befreiung der Frauen. Die Pro-Lifer
mobilisierten umso massiver.
1986 explodierte in der Klinik in Wichita ein
Sprengsatz. Der Chefarzt George Tiller machte
weiter. 1993 schoss ihm eine Frau vor seiner Klinik
in beide Arme. Tiller machte weiter. Am Pfingst-
sonntag 2009 besuchte George Tiller seine Kirche.
Ein Abtreibungsgegner schoss ihm aus unmittel-
barer Nähe in den Kopf. Der Arzt starb. Für eine
kurze Zeit schloss die Klinik – und setzte dann ihre
Arbeit fort.
Ein Besuch in der Klinik ist nur an einem der
wenigen Tage möglich, an denen keine Patientinnen
anwesend sind – zum Schutz der Frauen. So sind
von ihnen nur handgeschriebene Nachrichten zu
sehen, die sie zur gegenseitigen Ermutigung im
Wartezimmer an eine Pinnwand gehängt haben.
»Schäm dich nicht dafür, dass du hier bist.« – »Nur
du weißt, was das Beste für dich und dein Leben ist.«
An der Wand hängt auch ein Plakat mit Verhütungs-
methoden, auf einem Tischchen liegen Kondome
und ein Magazin mit dem Titel »Familienplanung«.
Es gibt mehrere Ultraschallräume, in denen fest-
gestellt wird, wie weit eine Schwangerschaft fort-
geschritten ist. Innerhalb der ersten elf Wochen kann
die Patientin mit Tabletten abtreiben, mit einer
Kombination aus zwei Medikamenten. Nach elf
Wochen wird der Fötus operativ entfernt. Dafür
stehen zwei Operationssäle zur Verfügung.
Die Chefärztin der Klinik heißt Christina
Bourne und ist 36 Jahre alt, sie spricht mit tiefer,
ruhiger Stimme und großem Ernst. Auf ihren
Unterarm hat sie sich eine Papaya tätowieren las-
sen, weil sie im Medizinstudium an der Frucht
geübt hat, wie man einen Fötus aus einer Gebär-
mutter entfernt. Bourne ist die einzige Ärztin in
ihrer Klinik, die in Kansas lebt. Alle anderen las-
sen sich jeden Monat für ein paar Tage einfliegen,
wie Ärzte, die in ein Krisengebiet reisen. Fast alle
Abtreibungskliniken im Süden der USA sind auf
diese mobilen Ärzte angewiesen. Ihnen ist es zu
gefährlich, dort zu leben, wo sie arbeiten. Sie ken-
nen das Schicksal von George Tiller.
Christina Bourne lässt sich nicht einschüchtern.
Jeden Morgen, wenn sie in die Klinik geht, kommt
sie an den Männern mit den riesigen Bildern der
toten Säuglinge vorbei, die ihr hinterherrufen, sie
werde in der Hölle schmoren.
Inzwischen denken auch manche Pro-­
Choice-­ Aktivisten darüber nach, einige der
drastischen Methoden der Gegenseite zu kopie-
ren. Niemand propagiert Militanz, aber man
diskutiert darüber, Videos von qualvoll gebä-
renden Frauen, deren Leben durch die Geburt
gefährdet ist, in Gerichtssälen abzuspielen.
Oder Fotos von blutdurchtränkten Wochen-
betten und Geburtsverletzungen wie einem zer-
rissenen Perineum auf Poster zu drucken.
Die Chefärztin begegnet der Polemik klar und
offen. Sie spricht darüber, dass sie selbst eine Ab-
treibung hatte. »Ich war gerade fertig mit dem Col-
lege, ich fühlte mich zu jung, ich hatte keine Aus-
bildung, keine Arbeit«, sagt sie. »Im falschen Mo-
ment schwanger zu sein kann dein Leben und deine
Zukunft zerstören.« Manche der Frauen, die heute
zu ihr kommen, sind in einer ähnlichen Lage. Viele
haben bereits ein oder zwei Kinder und können kein
weiteres Kind ernähren. Manche sind schwanger
nach einer Vergewaltigung. Manche müssen aus
medizinischen Gründen abtreiben, weil ihr eigenes
Leben gefährdet ist. Die Müttersterblichkeitsrate ist
in den USA so hoch wie in keinem anderen Indus-
trieland. Und natürlich kämen auch konservative
und religiöse Frauen zu ihr in die Klinik, sagt Bourne,
in deren Umfeld Abtreibung als Sünde gelte.
»Als Ärztin würde ich am liebsten einfach
Medizin machen und nicht Politik«, sagt­
Bourne. Sollte sie bald ihren Job verlieren, weil
die Klinik in Kansas schließen muss, will sie
trotzdem weitermachen – dann eben in einem
anderen Bundesstaat.
Texas will Abtreibungsärzte bald
mit lebenslanger Haft bestrafen
Wenn es nach Joe Pojman ginge, wäre Christina
Bourne bald keine Ärztin mehr, sondern eine ver-
urteilte Schwerverbrecherin. Er empfängt in seinem
Büro in Austin, Texas, 900 Kilometer entfernt von
der Klinik in Wichita. Pojman ist 63 Jahre alt, er
trägt Anzug und Krawatte, ein Mann mit grauen
Haaren und Vollbart, der seine Worte vorsichtig
wählt und eloquent spricht. Sein Auftreten ist so
sanft, dass man im ersten Moment kaum merkt, wie
radikal seine Aussagen sind. Er arbeitete früher als
Ingenieur für die Nasa. Bis er sich von Gott dazu
berufen fühlte, sein Leben einem anderen Thema
zu widmen. Vor 34 Jahren gründete Pojman die
Organisation Texas Alliance for Life.
Joe Pojman verfolgt das gleiche Ziel wie Mark
Gietzen, der betende Mann vor der Klinik in Kansas,
aber Pojmans Strategie ist unauffälliger – und sehr
viel effizienter. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein
Gesetz, das er entworfen hat. Der Gouverneur von
Texas hat es bereits unterzeichnet. Wenn der Supreme
Court Roe vs. Wade aufhebt, wird dieses Gesetz
30 Tage später in Texas in Kraft treten. Es trägt die
Nummer 1280 und den Namen »Menschenleben-
schutzgesetz«. Im Text steht: »Eine Person, die gegen
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
das ABTREIBUNGSVERBOT verstößt, begeht
eine Straftat.« Eine Ärztin wie Christina Bourne
würde dann in Texas nach einer Abtreibung wegen
Totschlags angeklagt und mit lebenslanger Haft
bestraft werden. Sie müsste ein Bußgeld »von
nicht weniger als $ 100.000 für jeden Verstoß«
bezahlen. Und sie würde ihre medizinische­
Approbation verlieren.
Gibt es keine Ausnahmen? »Doch«, sagt Joe
Pojman. »Wenn das Überleben der Mutter durch
die Schwangerschaft gefährdet ist.« Und bei Ver-
gewaltigung oder Inzest? Oder wenn das Kind
nicht lebensfähig ist? »Nein.«
In Texas leben die Menschen schon jetzt in
einer Welt, in der Roe vs. Wade so gut wie abge-
schafft ist. Im vergangenen September, als im
benachbarten Mexiko Abtreibungen legalisiert
wurden, trat in Texas das sogenannte Herzschlag-
Gesetz in Kraft. Es verbietet Schwangerschafts-
abbrüche ab dem Zeitpunkt, zu dem der Herz-
schlag eines Fötus festgestellt werden kann – etwa
ab der sechsten Schwangerschaftswoche. Viele
Frauen bemerken so früh noch gar nicht, dass sie
schwanger sind.
Was ein solches Gesetz in der Praxis bedeuten
kann, zeigte sich im April: Eine 26-jährige Texa-
nerin wurde verhaftet und unter Mordanklage
gestellt, weil sie angeblich eine »selbst induzierte
Abtreibung« vorgenommen hatte. Die Anklage
wurde inzwischen fallen gelassen, die Frau kam
frei. Aber Verteidiger des Rechts auf Abtrei-
bung sehen in diesem Fall eine düstere Ankün-
digung für das, was in den USA bald eine neue
Realität sein könnte.
Joe Pojman geht selbst das Herzschlag-Gesetz
nicht weit genug. »Das Leben beginnt mit der
Empfängnis«, sagt er. Anders als die Chefärztin
Christina Bourne redet er nie vom »Fötus«, er
sagt »das ungeborene Kind«. Die Begriffswahl
zeigt, dass hinter der Debatte um Abtreibung
komplexe Fragen stehen: Wann beginnt das Le-
ben? In welchem Moment wird ein Fötus zu­
einer Person?
Pojman lässt sich auf ein kurzes Gedankenexpe-
riment ein: Angenommen, er befinde sich in einem
brennenden Krankenhaus und könne auf dem Weg
nach draußen fünf Embryonen in Petrischalen
retten – oder ein neugeborenes Baby. Was würde
er wählen?
Joe Pojman sagt, er könne diese Frage nicht
beantworten. »Für mich ist menschliches Leben
immer gleich wertvoll – ob das ein ungeborenes
Kind ist, ein Neugeborenes, ein Jugendlicher oder
ein Erwachsener.« Er hat davon gehört, dass
Frauen neuerdings Texas verlassen, um anderswo
abzutreiben. »Es bricht mir das Herz«, sagt er.
»Mein Ziel ist, dass keine Frau sich auf den Weg
macht.«
Aber noch ist es Frauen in Texas nicht gesetzlich
untersagt, außerhalb des Bundesstaates Hilfe zu
suchen. Zum Beispiel in Mexiko.
»Die Amerikanerinnen sind
wie gelähmt vor Angst«
Auf den ersten Blick ist das Städtchen Guanajuato,
auf 2000 Metern über dem Meer im gleichnamigen
mexikanischen Bundesstaat gelegen, ein zauber-
haftes Klischee. In der Nacht ziehen Mariachis
durch die verwinkelten Gassen, und auch bei Tages-
licht steht immer irgendwo ein Barde und beklagt
die Liebe. Die bunten Häuser aus der Kolonialzeit
sind seit 1988 Weltkulturerbe. Hier, in einer der
konservativsten Regionen Mexikos, begann die
Revolution der Frauen.
Das hat entscheidend mit ihr zu tun: Veróni-
ca Cruz, 51 Jahre alt, knapp 1,60 Meter groß,
ausgestattet mit scheinbar unerschöpflicher
Energie. Mit ihrer Organisation Las Libres, »Die
Freien«, kämpft die Aktivistin seit über zwei
Jahrzehnten für die Rechte mexikanischer Frau-
en – für ihre Selbstbestimmung und für besseren
Schutz vor häuslicher Gewalt und Sexualverbre-
chen. Mexiko ist für Frauen bis heute eines der
gefährlichsten Länder der Welt.
Aber es ist eben auch das Land, in dem der
Oberste Gerichtshof im vergangenen September
überraschend entschieden hat, Schwangerschafts-
abbrüche zu legalisieren. Es ist eine Art mexikani-
sches Roe vs. Wade, fast ein halbes Jahrhundert
nach dem amerikanischen Urteil, das nun nicht
mehr gelten soll. »Als ich die Urteilsverkündung im
Fernsehen sah, dachte ich: Jetzt kann ich aufhören
und auf Weltreise gehen«, sagt Cruz. »Aber dann
kamen die Amerikanerinnen.«
Verónica Cruz sitzt auf einer Couch im Büro
von Las Libres. An einem Konferenztisch arbei-
ten drei Mitarbeiterinnen an ihren Laptops. Der
Hauptsitz der Organisation ist ein zweistöckiges
Haus auf einem Hügel mit Blick über die Stadt
und die umliegenden Berge. Seit vergangenem
Herbst werden Cruz und ihre Kolleginnen täg-
lich von verzweifelten Schwangeren aus den USA
angerufen, die abtreiben wollen und fragen, ob
Las Libres ihnen helfen könnten. »Die Amerika-
nerinnen sind wie gelähmt vor Angst«, sagt Cruz,
ihr Blick ist mitleidig und spöttisch zugleich. In
den USA hätten die Menschen eben Angst vor
dem Gesetz, bemerkt sie, anders als in Mexiko,
wo sie gewohnt seien, sich zu wehren.
Es ist ja auch nicht ohne Ironie: Ausgerechnet
der Süden, ausgerechnet das erzkatholische Me-
xiko wird jetzt für US-Amerikanerinnen ein Zu-
fluchtsland. Jenes Mexiko, aus dem Jahr für Jahr
Hunderttausende gen Norden wandern, um im
reichsten Land der Welt Arbeit, Chancen, ein
Leben in Würde zu suchen. Jenes Mexiko, bei
dem viele US-Amerikaner zuerst an Drogen­
kartelle denken.
Was weniger US-Amerikanern bekannt ist:
dass in den vergangenen Jahren in Mexiko und
anderen lateinamerikanischen Ländern feminis­
tische Graswurzelbewegungen herangewachsen
sind, die miteinander vernetzt und schwer zu
POLITIK 9
ignorieren sind. Die Aktivistinnen organisieren
Massenproteste vor Gerichten und Parlaments- Zweierlei Amerika
gebäuden, sie singen, tanzen und schwenken
grüne Tücher, das Symbol der »grünen Welle«,
der lateinamerikanischen Frauenbewegung. Das USA
Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist eine
ihrer zentralen Forderungen – und sie finden Ge- Kansas Wichita
hör: Inzwischen haben auch Argentinien, Kolum- Washington
bien, Uruguay, Kuba und Guyana ihre Abtrei- Texas
Austin
bungsgesetze gelockert; Chile könnte bald folgen.
Als Verónica Cruz zur Aktivistin wurde, war von
der »grünen Welle« noch nichts zu spüren. Sie
wuchs auf als eins von acht Geschwistern, besuch- Guanajuato
te eine Klosterschule und lernte von den Nonnen, Mexiko-Stadt
dass es wichtig war, den Armen und Schwachen zu
helfen. Eine Weile lang spielte sie mit dem Gedan- MEXIKO
ken, ins Kloster zu gehen: Die Nonnen konnten ZEIT - GRAFIK
reisen, den Vatikan besuchen! »Aber mein Vater
sagte, das komme nicht infrage«, sagt sie. »Was für
ein Glück! Als ich Feministin wurde, verlor ich
meinen Glauben an Gott.« Sie studierte Organisa-
tionsentwicklung und Politikwissenschaften und
nahm sich vor, der ärmeren und schwächeren
Hälfte der Bevölkerung zu helfen: den Frauen.
Ihre Ziele waren zunächst bescheiden: Sie
wollte die sexuelle Aufklärung von Jugendlichen
verbessern. »Sexualität war ein absolutes Tabu«,
erinnert sie sich. Immer wieder seien blutjunge
Mädchen schwanger geworden, manche waren
erst elf oder zwölf Jahre alt und mutmaßlich von
männlichen Familienangehörigen missbraucht
worden. Als Vergewaltigungsopfer hätten sie in
Guanajuato theoretisch abtreiben dürfen, aber
im wahren Leben fanden sie keine Hilfe. »Und so
lebten die Eltern dann unter einem Dach mit
ihrer Tochter und deren Baby, das zugleich das
Enkelkind und das Kind des Vaters war«, sagt
Cruz. »Das fand ich wirklich unmoralisch – und
nicht den Abbruch einer Schwangerschaft.«
Doch mit dieser Haltung stand sie lange allein
da. Selbst ihre feministischen Mitstreiterinnen
scheuten davor zurück, über das Thema Abtreibung
zu sprechen. »Ich musste erst das Stigma aus den
Köpfen holen.«
In jener Zeit habe sie bewundernd auf die
USA geblickt, wo die Frauen selbst entscheiden
durften, ob sie ein Kind bekommen wollten oder
nicht. In Mexiko saßen derweil Hunderte Frauen
im Gefängnis, weil sie nach einer Fehlgeburt der
Abtreibung beschuldigt wurden.
Der Wendepunkt kam im Jahr 1995, als der
konservative Politiker und spätere Präsident Vicente­
Fox zum Gouverneur von Guanajuato gewählt Der Abtreibungsgegner Mark Gietzen (li.) betet mit Freunden vor der Trust-Women-Klinik
wurde und das Recht auf Abtreibung sogar für Ver-
gewaltigungsopfer abschaffen wollte – unter An-
drohung langer Haftstrafen. »Da gab es Protest«,
erzählt Cruz. Fox machte einen Rückzieher. Und
Cruz hatte nun Verbündete: ein wachsendes Netz-
werk von Frauen, die Vergewaltigungsopfer zu den »Lieber Gott, bitte hilf uns, die
wenigen Frauenärzten begleiteten, die bereit waren,
Abtreibungen durchzuführen. Bald wandten sich
auch Schwangere an Las Libres, die nicht vergewal-
gewalttätigen Morde an den jüngsten Mitgliedern
tigt worden waren. Die Aktivistinnen beschlossen,
auch diesen Frauen zu helfen. unserer Menschenfamilie zu beenden. Amen«
Dann hörte Verónica Cruz von den Pillen. »Eine
Gynäkologin erzählte mir, dass es Medikamente
gibt, mit denen man Abtreibungen auslösen kann«,
sagt sie. Da eines dieser Medikamente – Miso- ANZEIGE
prostol – in Mexiko für Magen- und Darmge-
schwüre zugelassen ist, kann man es rezeptfrei in
der Apotheke kaufen. Die Weltgesundheitsorgani-
sation empfiehlt es für Abtreibungen bis zur zwölf-
ten Schwangerschaftswoche.
Die Arbeit der Aktivistinnen wurde einfacher.
Sie schauten zu, wie Frauen unter ärztlicher An-
leitung Abtreibungspillen einnahmen, und sie
lernten alles über die Pillen, was es zu lernen gab.
»Irgendwann dachte ich: Wir brauchen die Ärzte Journalistenpreis der Digitalpublisher
nicht mehr«, sagt Cruz.
Sie schätzt, dass ihr Netzwerk von 2000 bis 2021 und Zeitungsverleger
etwa 10.000 Frauen in Mexiko bei Abtreibungen
begleitet hat. Sie besorgen den Schwangeren die
Pillen und betreuen sie bei der Einnahme. »El pro- DIE NOMINIERTEN 2022
ducto« nennt Verónica Cruz das, was die Frauen
dann unter Krämpfen und Blutungen ausstoßen. MEINUNG BESTES LOKALES STÜCK THEMA DES JAHRES
Sie selbst habe sich nie vorstellen können, „DEUTSCHLAND HAT DIE WAHL –
„Wo ist die alte weiße Frau?“ „Abschiednehmen in der Pandemie“ WIE SIEGER ZU VERLIERERN
schwanger zu werden, sagt Cruz. Vielleicht hat es Stefanie Flamm Angela Boll WERDEN UND UMGEKEHRT“
mit ihrer Arbeit zu tun, mit den vielen Geschichten Die Zeit, Hamburg Mannheimer Morgen
von männlicher Gewalt und weiblichem Leid. »Ich „Lasst mich halt“
habe mit 15 Jahren entschieden, keine Kinder zu „Das Märchen vom Gendersterntaler“ „Kidane und Herr Schweitzer“ Roman Deininger und
bekommen, und ich beglückwünsche mich jedes Ingo Meyer Sigrid März Boris Herrmann
Berliner Zeitung Rums, Münster Süddeutsche Zeitung, München
Jahr zu dieser Entscheidung.«
Cruz ist in ihren Jahrzehnten als Aktivistin noch „Die Leute gucken schon“ „Gustavs letzter Gang“ „Der Letzte seiner Art“
nie von fanatischen Abtreibungsgegnern bedroht Thomas Wochnik Judith von Plato Caterina Lobenstein und
worden. »Die Menschen hier sind respektvoller als Der Tagesspiegel, Berlin Märkische Allgemeine Zeitung, Potsdam Stephan Lebert
in den USA«, sagt sie. »Die USA sind ein Land der Die Zeit, Hamburg
Verrückten.« REPORTAGE BESTES LOKALES „Du hast die Wahl“
Sie steht auf und holt eine Pappkiste aus­ DIGITALPROJEKT Amelie Marie Weber
einem Schrank. Darin sind die Pillen, die Las „Die andere Seite der Medaille“ TikTok-Kanal der
Libres nun auf verschlungenen Wegen in die Johannes Böhme „Flutprotokolle“ Funke-Zentralredaktion
USA schicken – mal in Aspirin-Dosen verpackt, Süddeutsche Zeitung Magazin, Christine Badke,
München Veit Ellerbrock und Team
mal eingenäht in bunte Stoffpüppchen. Seit Kölner Stadt-Anzeiger und SONDERPREIS
Ende Januar haben die Mexikanerinnen auf die- „Der Corman-Drosten-Test war Kölnische Rundschau
se Weise über tausend Schwangere aus konser- eine Meisterleistung“ Zentrum für Pressefreiheit in Lwiw –
„Dissoziative Identitätsstörung:
vativen US-Bundesstaaten wie Texas, Florida, Joachim Budde und
Die WG im eigenen Kopf“
getragen von IMI und
Oklahoma, Mississippi und Ohio mit Abtrei- Marcus Anhäuser Reporter ohne Grenzen
Lea Hellbach
bungspillen versorgt. Sie betreuen die Frauen, Riffreporter VRM Stories, Mainz
Jury und Kuratorium verleihen einen
die diese Pillen schlucken, via WhatsApp, Tele- „Gruß aus der Küche“ Sonderpreis, um die Journalistinnen
„Stuttgart 1942“
fon oder Video-Call. Wenn eine lieber persön- Nora Voit und Jan Georg Plavec, und Journalisten zu ehren, die häufig
lich begleitet werden möchte, ist sie in Mexiko Maria Christoph Jan Sellner und Team unter Gefahr für das eigene Leben aus dem
willkommen. In der Stadt Monterrey, nicht weit Die Zeit, Hamburg Stuttgarter Zeitung und Krieg in Ukraine berichten.
von der amerikanischen Grenze entfernt, haben Stuttgarter Nachrichten
befreundete Aktivistinnen dafür ein Haus einge-
richtet. Sie nennen es »La Abortería«. Sie haben journalistische Glanzstücke geliefert – brillant in Sprache, Stil und Form, Zeugnisse einer demokratischen und gesellschaftspolitischen
Cruz weiß, dass sie und ihre Mitstreiterinnen Verantwortung. Sie stehen damit in der Tradition von Theodor Wolff (1868 – 1943), dem einstigen Chefredakteur des legendären »Berliner
den Zorn der Pro-Life-Bewegung in den USA Tageblatts«. Die Preisträger werden am 22. Juni gewählt.
auf sich ziehen werden. »Aber von dieser Angst
lassen wir uns nicht lähmen«, sagt sie. Außerdem
würden die Amerikanerinnen ja hoffentlich
nicht für immer auf die Süd-Nord-Hilfe ange- Die Zeitungen in Deutschland
wiesen sein.
Sie habe immer noch vor, auf Weltreise zu
gehen, sagt Verónica Cruz. Spätestens in fünf Kuratorium für den Theodor-Wolff-Preis · Markgrafenstraße 15 · 10969 Berlin · Telefon: 030-726298-212 · www.theodor-wolff-preis.de
Jahren.
10
Chinas Aufstieg schien unaufhaltsam, doch womöglich hat das Land seinen Zenit bereits erreicht  VON XIFAN YANG
C
hinas Staatschef Xi Jinping hat
seinem Land bis 2050 den
Aufstieg an die Fußballwelt-
spitze verordnet: China soll bis
dahin nicht nur eine Fußball-
WM ausrichten – sondern
auch gewinnen. Als Zwischen-
etappe war für den Sommer 2023 die Austragung
der Asienmeisterschaft in zehn chinesischen Städ-
ten geplant. Acht neue Stadien wurden dafür bin-
nen dreier Jahre hochgezogen, zwei renoviert. Ge-
samtbaukosten: an die vier Milliarden Dollar.
Doch nun werden die Stadien im kommenden
Sommer leer bleiben, China hat die Spiele abge-
sagt. Der kommunistischen Führung fehlt offen-
bar die Zuversicht, die Corona-Pandemie bis­
Mitte 2023 in den Griff zu bekommen.
China stehen schwierige Zeiten bevor. Noch im
Herbst 2020 fühlten sich Pekings Machthaber allen
überlegen: Die USA und Europa steckten in der
Corona-Rezession, während China sich in Turbo-
geschwindigkeit aus dem Tal der ersten Welle boom-
te. Eineinhalb Jahre später geht es der chinesischen
Wirtschaft so schlecht wie seit Beginn der Pandemie
in Wuhan nicht.
Was Donald Trumps Handelskrieg nicht ver-
mochte, erledigt Staatschef Xi Jinping mit seiner
Unterstützung für Wladimir Putin und seinem
starren Festhalten an Zero Covid nun in Eigenregie:
Ausländische Investoren und Expats verlassen das
Land in Scharen, Konzerne wie Apple wollen ihre
Produktion aus China wegverlagern, die Zahl der
Insolvenzen und Arbeitslosen steigt.
Dass das Land zum Ende des Jahres sein selbst
gestecktes Wachstumsziel von 5,5 Prozent erreicht,
ist kaum realistisch. Als wahrscheinlicher gilt unter
Ökonomen, dass China 2022 zum ersten Mal seit
1976 langsamer als die Vereinigten Staaten wachsen
wird. Die geopolitisch und Zero-Covid-bedingte
Konjunkturabkühlung beschleunigt eine Entwick-
lung, die sich seit Jahren abzeichnet: Chinas Boom-
Ära geht zu Ende, das Erfolgsmodell der Werkbank
der Welt hat sich erschöpft. Chinas bisheriger Auf-
stieg hat die Annahme von einem linearen »Ende der
Geschichte« widerlegt, die Vorstellung also, dass sich
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Demokra-
tie überall durchsetzt. Womöglich ist es an der Zeit,
dass auch das ebenso lineare Gegennarrativ vom un-
aufhaltsamen Vormarsch der chinesischen Auto-
kratie entsorgt wird. Fünf Anhaltspunkte dafür, dass
die besten Zeiten Chinas vorbei sind:
Die Mär der autokratischen Effizienz
Mit Furcht, aber auch Bewunderung verfolgte die
Welt, wie der chinesische Staatsapparat den Corona-
Ausbruch im Frühjahr 2020 in den Griff bekam.
Seither feiert die kommunistische Propaganda die
geringen Infektionszahlen im Land gebetsmühlen-
artig als Beweis für die Effizienz des Systems. Wo
Wie solide ist der Erfolg? Luftballonverkäufer in der Stadt Yiwu
Die Weltmachtblase
deutsche Gesundheitsämter bis heute mit Fax-­
Tabellen hantieren, können sich chinesische Behörden
auf Knopfdruck Übersicht über die Bewegungsdaten
von Bürgern verschaffen. Und während deutsche
Schulen im dritten Pandemiejahr noch immer un-
zureichend mit Luftfiltern ausgestattet sind, baute
Shanghai zuletzt binnen Tagen Quarantänelager für
Zehntausende Menschen. Übersehen wird: Chinas
Hauruck-Politik verdankt sich nicht straffer Organi-
sation, sondern ist ein Ergebnis der Mobilisierung
größtmöglicher Ressourcen. Den Löwenanteil der
Pandemiebekämpfung in China erledigen nicht Über-
wachungsalgorithmen, sondern erledigt ein Millio-
nenheer von Seuchenbekämpfern und Nachbar-
schaftskadern, die an Hauseingängen wachen und
staatliche Lebensmittelpakete ausfahren, oft dilettan-
tisch koordiniert und mit hohen Streuverlusten.
Seit Ausbruch der Omikron-Variante ist das Land
nun in einer endlosen Lockdownschleife gefangen:
Wenige Tage nachdem am 1. Juni die meisten der 27
Millionen Einwohner Shanghais zum ersten Mal seit
zwei Monaten wieder ins Freie treten durften, wurden
gut 15 Millionen Shanghaier wegen einiger weniger
neuer Infektionsfälle wieder abgeriegelt. Auch in
Peking nehmen die Restriktionen erneut zu. Ende
April waren laut Schätzung der japanischen Invest-
mentbank Nomura 344 Millionen Chinesinnen und
Chinesen in 45 Städten von irgendeiner Art von
Lockdown betroffen, aktuell sind es um die 130
Millionen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, da das Na-
tionale Statistikbüro sich darüber ausschweigt. Das
Impftempo bei den über 60-Jährigen ließ während
der Lockdowns der vergangenen Wochen sogar noch
nach, das Vertrauen in die heimischen Impfstoffe ist
niedrig. Während Demokratien wie Japan, Südkorea
und Taiwan sich längst aus wissenschaftlicher Ver-
nunft von Zero Covid verabschiedet haben, hat sich
Chinas Führung auf Gedeih und Verderb an ihre
festgefahrene Seuchenpolitik gekettet. Dass der
Große Vorsitzende irren könnte, ist im System Xi
nicht vorgesehen.
Auch in der Wirtschaft kann von Effizienz kei-
ne Rede mehr sein: Das Wachstum seit der Finanz-
krise 2008 basiert größtenteils auf dem schulden-
finanzierten Bau von Immobilien, Flughäfen,­
Autobahnen und Eisenbahnstrecken. Landesweit
stehen Neubauwohnungen für 90 Millionen Men-
schen leer, viele Hochgeschwindigkeitsstrecken
und Flughäfen fahren Verluste ein. 70 Prozent des
Vermögens der Privathaushalte stecken im über-
bewerteten Immobilienmarkt. Ökonomen wie
Michael Pettis, Professor an der Peking-Universi-
tät, nennen Wachstum, das keine Werte schafft,
»Blendwerk«. Die Produktivität, der Gradmesser
wirtschaftlicher Effizienz, geht dagegen zurück.
Welche Weitsicht?
Deutsche Dax-Vorstände schwärmten lange davon,
dass Chinas Spitzenkader in Jahrzehnten statt in
POLITIK
Wahlperioden denken können. Auch Klimaschützer
setzten große Hoffnungen in die vermeintliche Fähig-
keit der KP zur strategischen Weitsicht: Dass Xi
Jinping Ende 2020 erklärte, China bis 2060 CO₂-
neutral machen zu wollen, wurde von einigen als
Meilenstein gefeiert. Inzwischen herrscht Ernüchte-
rung: Der Kohleverbrauch nimmt seit Xis Ankündi-
gung ungebremst zu. Die Kohleproduktion wird
allein in diesem Jahr voraussichtlich um sieben Pro-
zent steigen. Um sein Klimaziel zu erreichen, müsste
China bis 2025 den Zenit seines CO₂-Ausstoßes
erreichen – die Chancen dafür stehen so gut wie bei
null. Die Angst vor Energieunsicherheit infolge des
Ukraine-Krieges übertrumpft alle Klimasorgen.
Der Crash nach dem Lockdown in diesem Früh-
jahr lässt die Führung auch in andere alte Muster
zurückfallen: Hatte Xi unlängst noch geschworen,
dem »aufgeblähten Wachstum« ein Ende zu setzen,
will die Regierung der Konjunktur dieses Jahr erneut
mit Milliardeninvestitionen in Infrastruktur nach-
helfen. Eine andere Initiative, die zum Markenzei-
chen von Xis Amtszeit werden sollte, ist in der Zwi-
schenzeit leise in den Hintergrund gerückt: Unter
dem Slogan »Gemeinsamer Wohlstand« sollte die
immense Ungleichheit im Land reduziert werden.
Doch Fonds für Armutsbekämpfung werden nun für
den Seuchenschutz eingesetzt. Maßnahmen wie eine
höhere Immobiliensteuer, die neue Sozialleistungen
finanzieren sollten, wurden wieder begraben – offen-
bar auf Druck der politisch gut vernetzten Elite.
Der vielversprechendste Weg zu einem nachhal-
tigeren Wachstum wäre nach Ansicht von Experten
ohnehin ein anderer: Im Vergleich zu westlichen
Ländern behält der chinesische Staat einen über-
proportional hohen Anteil der volkswirtschaftlichen
Einnahmen für sich ein. Würde der Staat Hunderten
Millionen ärmerer Chinesinnen und Chinesen ein
größeres Stück vom Kuchen überlassen, beförderte
dies den Privatkonsum. Ein niedrigerer Staatshaushalt
würde aber Kontrollverlust für die Regierung bedeu-
ten, was nicht infrage kommt. Xis Regime sabotiert
somit seine Konjunkturziele selbst.
Ideologie statt Pragmatismus
Seit Xi an der Macht ist, beschwört die Staatspropa-
ganda wieder unentwegt die marxistisch-leninistische
DNA der Kommunistischen Partei – und verschweigt
dabei geflissentlich, dass Chinas Wirtschaftswunder
nicht auf rote Ideologie begründet war, sondern
darauf, dass Maos Nachfolger Deng Xiaoping eben-
diese über den Haufen warf. Staatliche Lenkung und
Industriepolitik spielten eine geringere Rolle für
Chinas Erfolg als gemeinhin angenommen. Die
chinesische Wirtschaft wuchs seit Beginn der Acht-
zigerjahre im Schnitt immer dort am schnellsten, wo
der Staat sich am konsequentesten aus dem Markt-
geschehen zurückzog. Die Privatwirtschaft sorgte bis
vor Kurzem für 70 Prozent aller Innovationen in
China und stellte 90 Prozent aller neuen Jobs.
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Foto: Richard Seymour/Institute, aus der Fotoserie: »Consumed China«
Unter Xi Jinping bringt der Staat die Wirtschaft anfragen unter dem Stichwort »Auswanderung« in-
wieder mit aller Macht unter seine Kontrolle. Prag- nerhalb weniger Wochen um mehr als 2000 Prozent.
matismus und Experimentierfreude haben sich ver- Auswanderungsagenturen berichten, dass sie so viele
flüchtigt. Die Crackdown-Kampagne gegen Chinas Anfragen bekommen wie noch nie.
private Tech-Industrie vernichtete seit Sommer 2021
mehr als eine Billion Dollar an Aktienwerten, Welt- Hohler Nationalismus
konzerne wie Alibaba, Tencent haben seither Zehn-
tausende hoch bezahlte Tech-Talente entlassen. Das Versprechen der KP lautete bisher, dass sie im
Die Rechnung, dass staatliche Subventionen den Gegenzug für politischen Gehorsam ihren Bürgerin-
Weg zur Marktführerschaft ebnen, geht in einigen nen und Bürgern Jahr für Jahr mehr Wohlstand lie-
Branchen auf – etwa bei der Produktion von Solar- fert. In der Corona-Pandemie hat das Regime die
zellen oder Elektroautos. In entscheidenden Zu- Formel verändert, sinngemäß: Es möge nicht mehr
kunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz, jeder reicher werden, aber immerhin rette die KP
der Informationstechnik oder der Raumfahrt hinkt jedes Menschenleben – anders als im dekadenten
China den USA einem Bericht der Peking-Univer- Westen. Nun, da das Land ohne Exit-Fahrplan von
sität von Februar 2022 zufolge jedoch hinterher. Lockdown zu Lockdown schlittert, droht die KP der
Solche Erkenntnisse sind unter Xi unerwünscht, kurz Bevölkerung beides schuldig zu bleiben, den Wohl-
nach Erscheinen wurde der Bericht gelöscht. Über- stand und den Gesundheitsschutz. Dass die Legitimi-
haupt sind negative Wirtschaftsnachrichten so gut tätsbasis der Partei bröckelt, heißt nicht, dass Xis
wie ausgestorben. Der Financial Times zufolge trau- Herrschaft in Gefahr ist. Seine Gegner in der Partei
en sogar Spitzenkader den offiziellen Konjunktur- sind zu schwach, um ihn in den Monaten vor dem
daten nicht mehr und behelfen sich stattdessen mit Parteitag im November ernsthaft in Bedrängnis zu
Informationen aus ihrem persönlichen Netzwerk. bringen; Xis Wiederernennung für eine dritte Amts-
zeit gilt als so gut wie sicher.
Jugend ohne Hoffnung Doch das Vertrauen in die Führung der Kom-
munistischen Partei schwindet auch unter jenen, die
Zwei Seuchenbekämpfer in Schutzuniform stehen von Chinas Aufstieg bisher am meisten profitiert
in einem Hausflur in Shanghai und streiten mit­ haben: »Wir sind alle Niemande, die ins Quarantäne­
einem jungen Mann, der sich weigert, ihnen ins lager geschickt werden können und in deren Zu-
Quarantänelager zu folgen. Einer der Uniformierten hause der Staat einbrechen kann«, klagte kürzlich
droht ihm daraufhin, drei nachfolgende Generatio- einer der erfolgreichsten Tech-Unternehmer, Zhou
nen seiner Familie würden die Konsequenzen zu Hang, in einem inzwischen gelöschten Weibo-Bei-
spüren bekommen, sollte er nicht spuren. Die kühle trag. Selbst Chinas bekanntester KP-Propagandist,
Replik des jungen Mannes: »Wir sind die letzte Ge- der ehemalige Global Times-Chefredakteur Hu Xijin,
neration, vielen Dank.« Seit das Video dieser Szene und der bisher in Peking wohlgelittene WHO-Chef
im Mai viral ging, ist »letzte Generation« das Motto Tedros Adhanom Ghebreyesus kritisierten die Zero-
der chinesischen Jugend, die sich zunehmend ihrer Covid-Politik – auch ihre Äußerungen wurden von
Zukunft beraubt sieht. Die Brutalität, mit der das der Zensur umgehend gelöscht. Der übliche Reflex
Regime seine Zero-Covid-Politik verfolgt, macht der KP in Krisenzeiten lautet, noch mehr Nationa-
vielen behüteten Mittelschichtskindern zum ersten lismus aufzufahren. Womit dieser überzeugen soll,
Mal bewusst, dass sie in einem Land ohne Rechte wenn nicht mit Leistung (längstes Hochgeschwindig-
leben. Die Aufstiegschancen schwinden, der Druck keitszugnetz der Welt, modernere Wolkenkratzer als
auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu: Im Juli wird eine New York!), lässt sie jedoch unbeantwortet.
Rekordzahl von zehn Millionen Absolventen von Schwer vorstellbar, wie ein Land Supermacht
chinesischen Universitäten abgehen, die Zahl der ver- Nummer eins werden soll, das sich immer mehr von
fügbaren Jobs ist im Vergleich zum Vorjahr jedoch der Welt isoliert. Die USA übten globale Strahlkraft
um die Hälfte gesunken. Den Erwartungen des mit ihrer Soft Power und ihrer Einwanderungskultur
Staates, für den Aufstieg der Nation zu schuften und aus. Unter Xi ist China zu einem paranoiden, reiz-
Kinder in die Welt zu setzen, verweigern sich immer baren Riesen geworden, der dem Ausland wenig mehr
mehr junge Menschen: In einer Umfrage unter zu bieten hat als Geld. Dass Chinas Wirtschaftskraft
20.000 jungen Chinesen, die meisten von ihnen bald schwinden könnte, sollte dabei keine Entwar-
Frauen, gaben zwei Drittel kürzlich an, keine Familie nung für jene sein, die sich vor Pekings Hegemonial-
gründen zu wollen. Mit 1,3 Kindern pro Frau liegt streben fürchten: »Revisionistische Mächte tendieren
die Geburtenquote auf einem historischen Tief. dazu, umso gefährlicher zu handeln, sobald die Lücke
Bis 2050 wird der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung zwischen ihren Ambitionen und Fähigkeiten unüber-
um ein Fünftel schrumpfen, die Ausgaben für Renten brückbar scheint«, schrieben die amerikanischen
und Altenpflege werden explodieren. Angesichts Politikwissenschafter Michael Beckley und Hal
schwindender Perspektiven träumen immer mehr Brands kürzlich in einem Essay. Das beste Beispiel
Chinesen davon auszuwandern: Mit Beginn des dafür ist der in Xi Jinpings Worten »beste Freund
Lockdowns in Shanghai stiegen die Baidu-Such­ Chinas«: Wladimir Putins Russland.
ANZEIGE
19. – 20. MAI 2022 | EVENT
Zeit der Herausforderungen:
Forschung für die Zukunft
Nie waren Erkenntnisse aus der Wissenschaft so wichtig, nie brauchten wir dringender Impulse für morgen. Wie diese aussehen könnten,
stand bei ZEIT für Forschung am 19. und 20. Mai 2022 zur Diskussion. Im Berliner Futurium trafen Wissenschaftler:innen aus Grundlagen-
forschung und angewandter Forschung live und virtuell zusammen, diskutierten mit Politik und Wirtschaft über aktuelle Entwicklungen
und die Notwendigkeit, angesichts großer Herausforderungen die Welt neu zu denken und Änderungen vor allem auch umzusetzen.
Die Zahl der Herausforderungen
scheint endlos: Geopolitische Neuord-
nung, Ressourcenknappheit, Klima-
wandel und die anhaltende Pan-
demie – wie lassen sich so komplexe
Probleme zeitgleich angehen und
lösen? Und welche Rolle nimmt die
Forschung dabei ein? Wie kommt das
Wissen zu den Menschen? Und was
kann ein Einzelner überhaupt bewir-
ken? Bei allen Fragen steht eines fest:
Um die großen Herausforderungen
unserer Zeit bewältigen zu können,
sind Forschung, Innovationen und
Kommunikation wichtiger denn je.
Gleich am ersten Abend kamen
zwei besonders wichtige Themen
auf den Tisch: »Der Zusammenhang
zwischen Klimawandel und der Ent-
stehung von neuen Pandemien ist
wichtig – und unterschätzt!«, betonte
Gesundheitsminister Karl Lauterbach
am Vorabendempfang von ZEIT für
Forschung im Museum für Natur-
kunde Berlin. »Denn: Mit dem Klima-
wandel steigt die Wahrscheinlichkeit,
dass Viren von Tieren zu Menschen
überspringen, exponentiell.« Bei-
spiele dafür gab es die letzten Jahre
genug, von Lassa-Fieber und Ebola
bis zu MERS, SARS-CoV-2 und den
Affenpocken – um nur einige zu
nennen. »Auch die Einsicht, dass wir
schnell handeln müssen, wächst
exponentiell. Allerdings ist es von
der Einsicht zum Handeln immer ein
langer Weg«, so der Gesundheits-
minister, »wir müssen jetzt handeln!«
Der Weg dahin ist allerdings so viel-
fältig wie die Wissenschaftsland-
schaft Deutschlands.
Innovationen, die
die Welt verändern
Wie die Bundesagentur für Sprung-
innovationen SPRIND zukunfts-
weisende Ideen nach vorne bringt,
darüber sprachen ZEIT-Wissen-
Redakteurin Katharina Menne mit
Dr. Jano Costard, Challenge Officer
bei SPRIND, und Carlos Härtel, Chief
Technology Officer bei Climeworks,
einem der führenden Unternehmen
für die Entwicklung und den Betrieb
von Anlagen für Direct Air Capture.
»Sprunginnovationen eröffnen neues
Denken: Sie lösen ein bedeutendes
technologisches, soziales oder öko-
logisches Problem – und haben
einen deutlichen Effekt auf das Le-
ben der Menschen«, sagte Costard,
»sie teilen die Zeit in ein ›Davor‹ und
Klimawandel: Wie lässt sich CO₂ aus der Atmosphäre entfernen? Dr. Jano Costard,
Challenge Officer bei SPRIND, stellte zusammen mit Carlos Härtel, Chief Tech-
nology Officer bei Climeworks, am Beispiel der aktuellen CO₂-Challenge vor, wie
Sprunginnovationen die Welt verändern können und wie sie die Bundesagentur für
Sprunginnovationen SPRIND dabei nach vorn bringt.
Premium-Partner:
ein ›Danach‹. Mit den SPRIND Chal-
lenges wollen wir Ideen einholen
und in die Umsetzung bringen, da-
mit sie einen praktischen Mehrwert
leisten.«
Der aktuelle Innovationswettbe-
werb »Carbon-to-Value« richtet sich
auf die Bekämpfung des Klimawan-
dels. »Die CO₂-Emissionen (weiter)
zu reduzieren, reicht nicht. Wir müs-
sen es schaffen, enorme Mengen
Treibhausgase aus der Atmosphäre
zu entfernen und so Emissionen
der Vergangenheit rückgängig zu
machen«, so Costard. Bei ZEIT für
Forschung stellten die fünf besten
Teams der Challenge ihre Lösungen
vor, um CO₂ aus der Atmosphäre
zu entfernen, allesamt nachhaltig,
skalierbar und wirtschaftlich. »Die
SPRIND Challenge bietet eine groß-
artige Chance für einen Durch-
bruch!«, betonte Carlos Härtel.
Die fünf Teams erhalten im ersten
Jahr der Challenge jeweils bis zu
600.000 Euro, um ihre Technologien
zur dauerhaften Speicherung von
CO₂ weiterzuentwickeln.
Ob und wie weit diese Bemühun-
gen erfolgreich sein werden, ließe
sich womöglich unter anderem auch
aus dem All nachvollziehen. Satelli-
ten sind unverzichtbar bei der Erfas-
sung der Auswirkungen des
Klimawandels, etwa um Wasser,
Wälder oder Siedlungsgebiete zu
kartieren, Landwirtschaft nachhal-
tig zu gestalten und viele andere
Aufgaben zu erledigen, für die man
einen Gesamtüberblick braucht.
»Satelliten liefern unabhängige
Daten über den Zustand des Erdsys-
tems. Sie sind unverzichtbar, wenn
es darum geht, die Wirksamkeit und
die Einhaltung von Klimaschutzmaß-
nahmen zu verifizieren«, sagte die
Vorstandsvorsitzende des Deut-
schen Zentrums für Luft- und Raum-
fahrt Anke Kaysser-Pyzalla und
erläuterte, was die deutschen Erd-
beobachtungsmissionen TanDEM-X
und EnMAP leisten. Insbesondere die
zukünftige Radarmission Tandem-L
könne völlig neue Einblicke in die
sieben sogenannten essentiellen
Klimavariablen geben und maßgeb-
lich zum besseren Verständnis von
Prozessen beitragen, die heute als
Treiber der lokalen und globalen
Klimaänderung gesehen werden.
»Das ist ein Riesensprung für die
Klimaforschung, aber auch für die
Anwendung.«
Wozu forschen wir? Und warum müssen wir in diesen
Zeiten Prioritäten neu denken? Eine überaus spannende
Diskussion von Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart
von Hirschhausen und der Vorsitzenden des Deutschen
Ethikrats Alena Buyx.
Content-Partner:
Informationen zur Konferenz unter www.zeitfuerforschung.de
land gewechselt hat. Dort agiert er
als Leiter von Scientific & Medical
Affairs und wissenschaftlicher Spre-
cher. »Am besten ist es, gar nicht erst
mit dem Rauchen anzufangen. Aber:
Mit dem Umstieg auf verbrennungs-
freie Konsumalternativen lassen sich
rauchbedingte Gesundheitsrisiken
deutlich reduzieren.«
Ein weiteres wichtiges Beispiel für
die Gesundheitsprävention sind
Impfstoffe. Wie stünden wir heute in
der Corona-Pandemie da, wenn in-
novative Forschung keine wirksamen
Impfstoffe auf den Markt gebracht
hätte? Auch das Gespräch mit Ing-
mar Hoerr, Gründer des Unterneh-
mens CureVac, machte deutlich, wie
aus einer Forschungsidee eine welt-
bewegende Innovation entstehen
kann: Er gilt als Wegbereiter für die
mRNA-Impfstoff-Technologie. Er
sprach über die Bedeutung langfris-
tig angelegter Grundlagenforschung,
über Erfolge und Widrigkeiten bei
»Satelliten sind unverzichtbar, wenn es darum geht, die Wirksamkeit und die Einhaltung von
der Unternehmensgründung, den
Klimaschutzmaßnahmen zu verifizieren«, sagte die DLR-Vorstandsvorsitzende Kaysser-Pyzalla. Umgang mit Business Angels und
Devils und seine Stiftung Morpho
Foundation.
Klima: schwer verständlich, aber
überlebenswichtig
Einen ganz besonderen Aspekt der
aktuellen Krise(n) beleuchtete die
spannende Diskussion zwischen
Eckart von Hirschhausen, Arzt und
Autor, und der Vorsitzenden des
Ethikrates Alena Buyx: Die allge-
meine Überforderung und das Ohn-
machtsgefühl der Menschen ange-
sichts komplexer Krisen. Und in der
Tat gibt es allen Grund dazu, denn
Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach mit ZEIT-WISSEN-Ressortleiter Andreas Sentker am bedauerlicherweise macht die Kli-
Vorabend über die schwierige Beziehung von Wissenschaft und Politik und den Zusammenhang
zwischen der Corona-Pandemie und dem Klimawandel. makrise auch bei Krieg und Pande-
mie keine Pause. Die Auswirkungen
Gesundheit wichtigstes Gut schung geben.« Prävention müsse von steigenden Temperaturen und
auch Bereiche wie Bildung, Arbeit, Extremwetterlagen auf unsere Ge-
Genauso wichtig wie der Klima- Verkehr oder Umwelt einschließen, sundheit und unser Gesundheitssys-
wandel ist die globale Gesundheits- denn auch dort werde über Gesund- tem werden allerdings derzeit weder
prävention, der sich ebenfalls gleich heit und Gesundheitschancen ent- ausreichend thematisiert noch ent-
mehrere Sessions bei ZEIT für For- schieden. sprechende Prioritäten in der For-
schung widmeten. Seit vielen Jah- Wie wichtig das Thema Präven- schung gesetzt. Dafür gibt es viele
ren setzt sich Pfizer als forschendes tion ist, zeigte auch das Panel zum Gründe: Das Thema Klima ist zu
Pharmaunternehmen für das Thema Thema Rauchen. In Deutschland gibt komplex, zu global, und es gibt zu
Prävention ein, für ein Gesundheits- es rund 17 Millionen Raucher:innen – viele Verantwortlichkeiten, so dass
system, das Krankheiten so gut wie und die meisten schaffen es nicht, sich letztlich niemand mehr verant-
möglich verhindert und im Fall des aufzuhören. Was viele jedoch nicht wortlich fühlt. Gerade deshalb rät
Falles hilft, Krankheiten zu über- wissen: Nicht das Nikotin, sondern Alena Buyx: »Wir müssen die Plura-
winden oder besser mit ihnen zu die bei der Tabakverbrennung ent- lität der Themen aushalten. Wichti-
leben: »Wir müssen weg vom Re- stehenden Toxine und Karzinogene ges darf nicht unter den Tisch fallen.
paraturbetrieb! Bei besserer Vor- im Tabakrauch gelten als Hauptver- Gegen Fake-News und Anfeindun-
sorge treten viele Erkrankungen gar ursacher der mit dem Rauchen asso- gen müssen wir sofort einschreiten,
nicht erst auf. Und sie lassen sich bei ziierten Krankheiten wie COPD, Lun- hier bräuchten wir eine große Task-
entsprechender Früherkennung genkrebs, Herzinfarkt oder Schlag- force statt vieler Initiativen. Wir
auch besser behandeln«, betonte anfall. »Raucher:innen müssen die müssen unterschiedliche Player und
Dr. Martin Fensch, Head Health & Gefahren besser verstehen. 61 Pro- Disziplinen, insbesondere die Geis-
Value Germany und Mitglied der Ge- zent der Raucher:innen und wich- tes- und Sozialwissenschaften, zu-
schaftsfuhrung von Pfizer Deutsch- tigen Multiplikatoren schätzen Pro- sammenbringen, um schwierige Fra-
land. Für ihn gehört Prävention des- dukte wie E-Zigaretten – entgegen gen mutig zu besprechen. Wir müs-
halb in den Fokus aller politischen der wissenschaftlichen Datenlage – sen für jeden Bereich gute Formeln
Entscheidungen: »Wir brauchen als mindestens genauso schädlich entwickeln, damit man sich nicht
einen effektiven Präventionsplan ein, wie herkömmliche Zigaretten«, ohnmächtig fühlt.« Nur dann kann
mit konkreten Zielen und Maßnah- betont Alexander Nussbaum, der die Wissenschaft eine Jahrhundert-
men, die umgesetzt werden. Es 2016 aus der Krebsforschung zum aufgabe angehen, für die sie leider
muss Anreize für passende For- Tabakkonzern Philip Morris Deutsch- kein Jahrhundert mehr Zeit hat.
»Verbrennungsfreie Alternativen zur Zigarette minimieren das Risiko! Die beste Entscheidung ist
allerdings, ganz mit dem Rauchen aufzuhören bzw. gar nicht erst damit zu beginnen«, rät Alexander
Nussbaum, Head of Scientific & Medical Affairs, Philip Morris Germany.
Partner:
Internationale Verwerfungen
Und noch einer weiteren neuen Her-
ausforderung muss sich die Welt der
Wissenschaft stellen: Wie bitte soll
sie mit dem Ukraine-Krieg und den
daraus resultierenden Sanktionen
gegen Russland umgehen? Im Panel
»Freiheit und Verantwortung: Geo-
politische Neuaufstellung in der Wis-
senschaft« diskutierten die Teilneh-
mer:innen über essentielle Aspekte
der internationalen Zusammenarbeit:
Wie kann man die Freiheit der For-
schung unter diesen Voraussetzun-
gen wahren? Wie kann es gelingen,
gleichzeitig die Gesprächskanäle
offen zu halten, ohne aber dabei
Russland zu unterstützen? Ein Wan-
del durch Austausch ist so genauso
wenig möglich wie der kulturelle
Brückenbau durch wissenschaftliche
Projekte. Nicht alle russischen Wis-
senschaftler identifizieren sich je-
doch mit dem russischen Staat und
Putins Politik – wie also kann man
ihnen den Weg in den Westen
ebnen? Einig war man sich in diesem
Panel, dass es bei internationalen
Kooperationen immer auch darum
geht, die Freiheit der Forschung und
demokratische Werte zu wahren. So
zeichnen sich auch in der Zusam-
menarbeit mit der Volksrepublik
China Konflikte ab, zum Beispiel,
wenn zivile Forschungsergebnisse
aus internationalen Kooperationen
militärisch genutzt werden oder der
chinesische Staat versucht, politi-
schen Einfluss auf die akademische
Forschung zu nehmen.
Nicht zuletzt muss die Welt der
Wissenschaft aber auch über den Tel-
lerrand blicken: Neben Forschungs-
ergebnissen ist der Wissenstransfer
zwischen Forschung, Politik, Wirt-
schaft und Gesellschaft eine unter-
schätzte und nicht immer einfache
Aufgabe. Engagement und Mut
braucht es dort genauso wie ad-
äquate forschungspolitische Rah-
menbedingungen und eine Wissen-
schaftskommunikation, die bei den
jeweiligen Zielgruppen ankommt, mit
Inhalten, die transparent, nachvoll-
ziehbar und vor allem verständlich
sind. Wie das Panel zum Thema Wis-
senschaftskommunikation in Sozialen
Medien zeigte, gibt es bei allen po-
sitiven Entwicklungen in Sachen
Wissenschaftskommunikation auch
Schattenseiten: Fake-News verbrei-
ten sich schnell und unkontrolliert,
Wissenschaftler:innen werden massiv
angefeindet und bedroht, wie zahl-
reiche Teilnehmer des Kongresses
berichteten. Hilfestellung gibt hier
beispielsweise die Plattform Wissen-
schaft im Dialog, des Weiteren ist hier
eine unterstützende Kontaktstelle
geplant. Denn eines ist klar: Ohne die
Wissenschaft und vor allem Wissen-
schaftler:innen, die ohne Anfeindun-
gen und frei forschen, lassen sich all
diese Herausforderungen sicher nicht
bewältigen.
Fotos: © Phil Dera für DIE ZEIT
»Prävention gehört in den Fokus aller poli-
tischen Entscheidungen«, sagt Dr. Martin
Fensch, Head Health & Value Germany und
seit 2012 Mitglied der Geschäftsführung von
Pfizer in Deutschland.
Förderer:
 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

12 STREIT
Akademisieren wir unser Land kaputt?
Irgendwer muss Energiewende und Bau-Offensive praktisch umsetzen – aber zu viele junge Menschen wollen studieren, statt einen
handwerklichen Beruf zu lernen. Ein Malermeister und eine Uni-Präsidentin streiten, ob sich das ändern muss. Und wenn ja, wie es geht

Fachkräften brauchen! Ohne genügend Elektro­
Julia von Blumenthal, 51, installateure oder Heizungsbauer wird uns die
ist Präsidentin der Energiewende nicht gelingen.
Europa-Universität Von Blumenthal: Für akademische Berufe gel-
Viadrina in Frankfurt ten die gleichen Probleme. Finden Sie mal In-
(Oder). Sie übernimmt formatiker für Digitalisierungsprojekte. Wir
demnächst die Leitung bekommen bald auch ein Problem in der Jus-
der Humboldt-Uni tiz, weil viele Richter in Pension gehen und
Berlin Nachwuchs fehlt. Oder schauen Sie sich den
Mangel an Lehrkräften an unseren Schulen an.
Rath: Das ist auch ein Problem. Wir haben
einfach insgesamt zu wenige junge Menschen,
die wir ausbilden können.
Von Blumenthal: Ja. Und wir haben Men-
schen, deren Potenziale wir nicht ausschöpfen.
Diejenigen zum Beispiel, die ohne Abschluss
von der Schule gehen.
ZEIT: Läuft bereits in der Schule etwas schief?
Rath: Ich hatte als Schüler jede Woche Werk-
unterricht. Heute kommen Schüler gar nicht
mehr in Berührung mit dem Handwerk.
ZEIT: Sind Sie mitverantwortlich für die Mi-
sere, weil das Handwerk keine besseren Ver-
dienst- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet?
Rath: Eigentlich nicht. Das Handwerk ist nur
zu leise. Wir haben manchmal versäumt, uns
gut darzustellen. Dabei sind die Einkommens-
möglichkeiten bei uns bisweilen besser als in
den akademischen Berufen.
Von Blumenthal: Für die jüngere Generation ist
Geld häufig nicht mehr so ausschlaggebend.
Viele sagen: Ich möchte mehr Zeit für mich
haben, ich möchte einen Beruf haben, der zu
meinen Wertvorstellungen passt. Da geht es um
Geschlechterrollen, um ökologische Fragen –
für immer mehr junge Menschen ist das alles
sehr wichtig. Das ist vielleicht ein Ansatz, den
»das Handwerk« auch noch mal bedenken
muss. Kommen Sie mit der jungen Generation
ins Gespräch! Mich erstaunt, dass Sie im­
Grunde sagen: Wir haben alles richtig gemacht.
ZEIT: Nur jede fünfte Meisterprüfung wird
nicht? Wir haben fast drei Millionen Studie-
rende, aber nur 1,3 Millionen Auszubilden-
de – rund 400.000 weniger als vor 20 Jahren.
Von Blumenthal: Ich sehe die Lücken bei Ih-
nen. Ich sehe aber nicht, dass wir zu viele Stu-
dierende hätten. Und wir brauchen alle Stu-
dierenden, die wir haben.
ZEIT: Andererseits beklagen selbst Professo-
ren, dass nicht wenige Studierende an die Unis
kommen, die dort eher nichts verloren hätten.
Von Blumenthal: Die Studierenden, die zu uns
kommen, sind die richtigen. Wir müssen ih-
nen die Kompetenzen vermitteln, die sie brau-
chen. Bei Ihnen, Herr Rath, höre ich heraus,
dass Sie glauben: Sollen die mal 20 Prozent der
Studienplätze streichen, dann werden die jun-
gen Menschen schon in Scharen ins Hand-
werk strömen. Das halte ich für einen Irrtum.
Rath: Ich sage Ihnen, was ich glaube: Wir müs-
sen Studium und Lehre in den Schulen, in den
Familien, in öffentlichen Reden als gleichwertig
ansehen. Dann bekommen wir endlich wieder
mehr Lehrlinge.
ZEIT: »Wir werden zum Land ohne Schrauber
und Macher«, warnt Handwerkspräsident Hans
Peter Wollseifer. Übertreibt er da, Herr Rath?
Rath: Nein, keineswegs. Er trifft den Nagel
auf den Kopf.
ZEIT: Vor allem in den Großstädten gibt es
einen Trend zum High-End-Handwerk. Da
werden zum Beispiel Bäckereien eröffnet, die
wie Start-ups arbeiten und die ihre Produkte
besonders edel, fast wie in einer Boutique,
präsentieren. Ist das ein Weg, um Ihre Zünfte
aufzuwerten?
Rath: Ich bin skeptisch, ob das viel bringt.
Von Blumenthal: Ich sehe im High-End-Hand-
werk durchaus eine Chance für Sie. Der
Wunsch, etwas zu gründen, etwas selbst zu ma-
chen, ist unter Studierenden stark verbreitet.
Vielleicht ist der Ruf des Handwerks bisher zu
traditionell, als dass er an Start-ups und Innova-
ZEIT: Um für sich zu werben, plakatiert das
deutsche Handwerk: »Warum ist ein Studium
oft die einzige Vorstellung von einem gelunge-
nen Leben? Hier stimmt etwas nicht.«
Von Blumenthal: Mit so einer Negativ-­
Kampagne erreichen Sie niemanden!
Rath: Über diesen Spruch kann man in der Tat
streiten.
ZEIT: Ein weiterer Slogan für das Handwerk
lautete: »Wichtiges tun statt wichtig zu tun«.
Ist das schon Akademikerfeindlichkeit, Frau
von Blumenthal?
Von Blumenthal: Ich finde das grenzwertig.
Gerade die aktuelle Weltlage zeigt, dass wir
uns davor hüten sollten, bestimmte Studien-
fächer für irrelevant zu erklären. Seit Jahren
ist die Ukrainistik in Deutschland zusammen­
gestrichen worden: zu abseitig, zu speziell,
hieß es. Nun sind wir heilfroh um jede Profes-
sur, die uns mehr zur Lage dieses Landes er-
klären kann. Es ist eben falsch, Studienfächer
nur nach ihrer aktuellen Nützlichkeit zu­
bewerten. Aber darf ich noch etwas Versöhn-
liches einwerfen?
ZEIT: Natürlich.
Von Blumenthal: Was mich selbst überrascht
hat: Der Anteil der Studierenden, die an Fach-
hochschulen eingeschrieben sind, ist von 31 auf
43 Prozent gestiegen. Es gibt inzwischen fast
27.000 Plätze für ein duales Studium. Sie könn-
ten das negativ sehen, nach dem Motto: Jetzt
wildern die Hochschulen noch mehr im beruf-
lichen Bereich. Ich sehe das positiv: Das Hoch-
schulsystem wird immer berufsorientierter. Ich
wiederhole mich, wir brauchen beides: Hand-
werker, die uns die Waschmaschine reparieren,
ebenso wie Akademiker, die uns den Krieg in
Osteuropa oder den Klimawandel erklären –
und Lösungsideen entwickeln.
Rath: Bei mir zu Hause, will ich Ihnen verraten,
gibt es beides. Meine Frau hat zwei Staats­
examen in Jura. Sie ist Geschäftsführerin der

»Wir brauchen alle

von einer Frau abgelegt. Der Anteil der weib­ tionsgeist denken ließe. Maler- und Lackiererinnung, dadurch haben
lichen Auszubildenden sinkt. Sind Sie da Rath: Mag sein, aber das ist ein Vorurteil. Wenn wir uns kennengelernt. Wenn wir frühmorgens
selbstkritisch, Herr Rath? ich allein an meine Branche denke – da werden um kurz nach fünf zusammen frühstücken, sagt
Rath: Schwierige Frage. Ich kann da nur für wir größere Flächen wohl bald mit Unterstüt- sie manchmal: Thomas, wofür habe ich eigent-

Studierenden, die wir haben« mich sprechen: In meinem Maler-Unterneh-

men sind sehr viele Frauen beschäftigt, die sich
super wohlfühlen. Klar, wir brauchen einen
zung von Robotern lackieren. Die Digitalisie-
rung schlägt überall durch. Deshalb: Die jun-
gen Menschen müssen nicht alle studieren.
lich so viel studiert, wenn ich wegen dir so früh
wie die Handwerker aufstehen muss?

DIE ZEIT: Dieser Tage entscheiden Hundert-
tausende Jugendliche, was sie nach der Schule
mit ihrem Leben anfangen – und die Mehrheit
wird zur Uni gehen: Der Anteil derer, die ein
Studium beginnen, ist in den vergangenen 20
Jahren von 37 auf 56 Prozent gestiegen. Der-
weil suchen Betriebe immer verzweifelter nach
Auszubildenden, es fehlt an Handwerkern,
Pflegern, Lkw-Fahrern. Frau von Blumenthal,
Sie sind Uni-Präsidentin in Frankfurt an der
Oder. Werben die Hochschulen dem Hand-
werk die dringend benötigten Meister von
morgen ab?
Julia von Blumenthal: Von Abwerben würde
ich nicht reden. Wir bieten Möglichkeiten, für
die sich die jungen Menschen entscheiden
können.
Thomas Rath: Aber als Gesellschaft sind wir
doch in eine Schieflage geraten, Frau von Blu-
menthal! Ich bin Maler- und Lackierermeister,
außerdem Vizepräsident der Handwerkskam-
mer Hamburg. Wenn ich mit Eltern rede, dann
sagen sie: Unser Kind soll auf jeden Fall studie-
ren. Egal, ob sich das Kind dafür eignet. Es ent-
steht der falsche Eindruck, dass nur jemand mit
Studienabschluss etwas zählt.
Von Blumenthal: Sie übertreiben. Wenn ich
mir die Zahlen so ansehe, dann gibt es immer
noch eine Schicht, in der ein Studium nicht
selbstverständlich ist. An den Hochschulen
haben wir überdurchschnittlich viele Akade-
mikerkinder – wie mich: Mein Vater ist pro-
moviert, meine Mutter war Gymnasiallehrerin.
In vielen anderen Elternhäusern ist auch heute
noch eine Berufsausbildung völlig normal.
Rath: Aber die Zahlen sind deutlich, inzwi-
zubildenden gibt es eine hohe Abbrecher-
Quote. Das sollten wir im besten liberalen
Sinne akzeptieren und zugleich bei der Orien-
tierung unterstützen.
Rath: Okay. Aber dann verstehe ich nicht, wa-
rum wir vom Handwerk kaum Zugang zu den
Unis bekommen, um diejenigen, die sich im
Studium nicht richtig aufgehoben fühlen, über
Alternativen informieren zu können. Im Mo-
ment blocken Sie das ab. Wir haben das in
Hamburg mal versucht, doch da gab uns die
Hochschulleitung zu verstehen, dass sie keinen
Bock darauf hat. Ähnlich ist es mit Gymnasien.
Wir erleben auf Berufsorientierungsmessen,
dass Lehrer an unserem Stand vorbeigehen und
zu ihren Schülern sagen: Hier braucht ihr nicht
zu gucken, das ist nichts für euch.
Von Blumenthal: Das ist bei uns in Frankfurt
anders, da arbeitet zum Beispiel die Betriebs-
wirtschaftslehre mit Unternehmen aus der Re-
gion zusammen. Wir kooperieren außerdem
mit der Arbeitsagentur.
ZEIT: Gibt es an den Hochschulen dieses Des-
interesse oder sogar Dünkel, wie Herr Rath es
eben andeutete?
Von Blumenthal: Das möchte ich nicht aus-
schließen. Aber für uns ist es auch ein Problem,
wenn Leute ihr Studium abbrechen. Über den
»Zukunftsvertrag Studium und Lehre« des
Bundes erhalten wir Geld, gebunden an die
Zahl der Studierenden. Wer uns vorzeitig ver-
lässt, kostet uns Geld. Wir müssen also eher
schauen, wie wir unsere Leute zu Abschlüssen
führen, und nicht, wie wir sie zu einer Lehre
ermutigen.
Rath: Sie kriegen Geld vom Staat, wir nicht.
modernen Führungsstil, wir müssen flexibler Gerade auch im Handwerk können sie sich Das Gespräch moderierten
auf die jüngere Generation eingehen. Aber das prima entfalten und entwickeln. Judith Luig und Stefan Schirmer
hat das Handwerk verstanden.
Von Blumenthal: Ich glaube bloß, die Gesell-
schaft hat das noch nicht verstanden. Ich­
wollte kürzlich ein Bilderbuch verschenken.
Aber ich habe nur Bücher gefunden, in denen Thomas Rath, 53, führt als
auf Baustellen Männer arbeiten und darum Maler- und Lackierermeister
herum Frauen mit Kinderwagen spazieren ge- einen eigenen Betrieb
hen. Das sind keine zeitgemäßen Vorbilder. in Hamburg. Er ist auch
Herr Rath, gibt es bei den Handwerkskam- Vizepräsident der dortigen
mern irgendwo auch eine Frau an der Spitze? Handwerkskammer
Rath: Ja, in Berlin zum Beispiel.
Von Blumenthal: Ein Viertel der Hochschulen
hat heute Präsidentinnen. Daran sehen Sie, was
für ein langer Weg noch vor uns liegt.
ZEIT: Das Sozialprestige von Meistern ist ge-
ringer als das von Mastern. Ist das in Ord-
nung, Frau von Blumenthal?
Von Blumenthal: Ich finde es falsch, das eine
gegen das andere auszuspielen. Unsere hoch
entwickelte Gesellschaft kann sich keinen wei-
teren Mangel an akademisch gebildeten Fach-
kräften leisten. Dass wir zum Beispiel so
schnell Corona-Impfstoffe hatten, liegt auch
an unserem guten Wissenschaftssystem. Das
alles kann man doch nicht geringschätzen!
Rath: Wenn Wasser aus der Decke tropft,
brauche ich keinen Philosophen, sondern einen
Klempner. Die Theaterwissenschaft zieht heute­
mehr Studierende an als das Fliesenhandwerk
Lehrlinge.
Von Blumenthal: Schwieriger Vergleich, Herr
Rath. Ich habe mir die Zahlen mal angeschaut.
Der Anteil der Geisteswissenschaftler ist zuletzt
von 15 auf elf Prozent gesunken. 38 Prozent
der Studienanfänger wählen heute Mint-­Fächer,
also Mathematik, Informatik, Naturwissen-
Fotos: Maximilian Probst für DIE ZEIT

schen studieren fast 60 Prozent eines Jahr-
gangs. Damit geht die Akademisierung unse-
rer Gesellschaft zu weit.
Von Blumenthal: Das würde ja bedeuten, dass
Jobs für Menschen mit Hochschulabschluss
fehlen. Aber wir haben praktisch keine Akade-
miker-Arbeitslosigkeit in Deutschland. Und es
ist doch gut, wenn die jungen Leute die Mög-
lichkeit haben, ihre Fähigkeiten voll zu entfal-
Wir müssen die duale Ausbildung aus den Be-
trieben finanzieren. Dort haben viele Schwierig-
keiten, sich den Meister zu leisten.
Von Blumenthal: Sie bekommen dafür aller-
dings Leute, die mitarbeiten: die Auszubilden-
den.
Rath: Haben Sie eine Vorstellung, was so eine
Ausbildung kostet? Das kann ein Auszubilden-
der gar nicht erarbeiten. Und da kommen wir
schaften und Technik. Schon allein deshalb teile
ich nicht das oft gezeichnete Bild von einer­
abgehobenen Bildungsbürger-Gesellschaft, die
auf Handwerker herabblickt. Es ist sogar eher
so, dass viele Hochqualifizierte ins Ausland ge-
hen, weil dort die Entwicklungschancen noch
besser sind.
ZEIT: Vor einiger Zeit wurde über einen­
»Akademisierungswahn« in Deutschland de-

»Wenn Wasser tropft, brauche

ten – alles andere wäre auch volkswirtschaftlich
nicht sinnvoll.
Rath: Wieso bricht dann ein Drittel das­
Studium noch vor dem Bachelorabschluss ab?
Von Blumenthal: Wer jung ist, hat das Recht
auf eine Orientierungsphase. Auch unter Aus-
zum Fachkräftemangel: Wir haben im Mo-
ment 400.000 unbesetzte Stellen im Hand-
werk. Wie kriegen wir die besetzt – gerade
jetzt, da wir den Klimawandel bekämpfen
müssen? Was wir da allein in der Solartechnik
oder für Wärmedämm-Verbundsysteme an
battiert. Was können Sie mit dem Begriff an-
fangen, Frau von Blumenthal?
Von Blumenthal: Nichts. Die Ansicht, es gebe
so einen Wahn, teile ich nicht.
Rath: Sehen Sie das Ungleichgewicht zwischen
den Mastern und den Meistern denn gar ich keinen Philosophen«
 »Eine Demokratie, in der
nicht gestritten wird, ist keine.«
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 HELMUT SCHMIDT 13

Soll man der Ukraine jetzt

wirklich die Tür zur EU öffnen?
JA, NEIN,
sagt Matthias Krupa: Die EU hilft auch sich selbst, findet Ulrich Ladurner: Die Einladung an die Ukraine
Dausend
wenn sie dem Land den Kandidatenstatus gibt wäre ein leeres Versprechen. Sie würde Frust erzeugen Prozent

Manchmal hat man den Eindruck, als handele keine falschen Hoffnungen machen wie schon
es sich bei dem Ansinnen der Ukraine, der EU 2008, als man dem Land vage einen Nato-
beizutreten, um eine Art Gnadengesuch. Als Beitritt in Aussicht stellte, ohne dass diesem
könne die Union nun in Ruhe überlegen, ob Versprechen irgendetwas folgte. Richtig ist,
sie dem bedrängten Nachbarn einen Gefallen dass die Entscheidung über einen EU-Beitritt
gewährt – oder nicht. Was für eine absurde weit über den Krieg hinausreicht. Und richtig
Perspektive! Muss man wirklich daran er­ ist, dass die Union es nicht beim unverbindli­
innern, dass die Ukraine die Umstände, unter chen Versprechen belassen darf. Nur sprechen
denen sie jetzt die Aufnahme in die Union beide Argumente nicht dagegen, der Ukraine
beantragt, nicht zu verantworten hat? den Status eines Beitrittskandidaten zu ver­
Die moralische Fallhöhe der Entscheidung, leihen. Im Gegenteil, sie unterstreichen, was
vor der die EU in diesen Tagen steht, ist schnell für die EU auf dem Spiel steht. Es wird auf
erfasst. Die Ukraine ist in höchster Not, das absehbare Zeit, mindestens solange Putin re­
Land Opfer eines barbarischen Krieges, seine giert, in Europa keine Sicherheit geben, wenn
Bevölkerung hat jede Unterstützung verdient. zwischen der EU und Russland eine Art Puf­
49 %
Die Ukraine soll den EU-Kandidatenstatus Haben gewichtige Leute der nationalkonser­
bekommen. Das klingt so feierlich wie eine vativen Regierung die EU bis vor Kurzem
Qualifikation für Olympia. Etwas nüchter­ nicht als imperiale Besatzungsmacht be­
ner betrachtet: Die Ukraine soll in den Vor­ schimpft? Eben noch war vom drohenden
raum der Europäischen Union gelassen wer­ »Polexit« die Rede, und jetzt will ebendieses
den. Das erwartet sich die Ukraine als Aner­ Polen die Ukraine so schnell wie möglich in
kennung für ihren tapferen Überlebens­ der EU sehen? Seltsam ist das.
kampf gegen den Diktator Wladimir Putin. Mag sein, dass die polnische Regierung der Deutschen finden es richtig,
Und Anerkennung hat die Ukraine wahrlich ihre eigene Zeitenwende erlebt, aber wahr­ dass die Bundesregierung Bürgerinnen und
verdient! Aber ist der Kandidatenstatus eine? scheinlich ist das nicht. Näher liegt, dass Bürger mit Werbekampagnen
Antworten lassen sich auf dem Westbalkan die EU, die Warschau vorschwebt, ein vom Energiesparen überzeugen will.
finden. Dort gibt es eine Reihe Staaten, die seit Bund von kooperierenden Nationalstaaten Unser Kolumnist fragt hingegen:
Jahren EU-Beitrittskandidaten sind. Nur, die ist, die keine weiteren Abstriche bei ihrer Frierst du noch, oder lebst du schon?
Tür zur EU öffnet und öffnet sich nicht. Die Souveränität machen. Ein starker geopoliti­
Mazedonier haben sogar, weil es aus der EU so scher Akteur, der bedrängte Nachbarn be­ Aktuelle Civey-Umfrage für die ZEIT

Dazu gehört auch eine Perspektive, die über ferzone existiert. Langfristig liegt ein Beitritt verlangt war, ihren Staatsnamen geändert, um schützen kann, sieht anders aus.
den Krieg hinausweist; eine solche der Ukraine im Interesse Europas: endlich – nein, nicht beitreten zu Das Veto-Spiel freilich beherr­
Perspektive wäre der Beitrittsstatus. Er würde die Verhältnisse klären, können. Sondern über den Beitritt schen alle 27 Staats- und Regie­ Just do it wäre natürlich kein schlechter Slogan,
Würde die Union das Land in die Union nach Osten absichern. verhandeln zu können. Kaum war rungschefs; es ist nach den EU- wenn es darum geht, die Menschen aus ihrer
dieser Situation einfach abweisen, Dabei wissen alle Beteiligten, die schmerzhafte Umtaufe voll­ Verträgen erlaubt. Die Erfahrung heizpilzbestrahlten Sorglosigkeit zu erwecken
würde sie nicht nur die Ukraine auch in Kiew, dass ein Beitritt nicht zogen, legte das EU-Mitglied zeigt, dass sie die EU lieber in der und zum Energiesparen anzuhalten – aber ein
entmutigen, sondern auch ihre ei­ infrage kommt, solange in der Bulgarien ein Veto ein. Nordmaze­ Größe eines geopolitischen Zwer­ Sportartikelhersteller hätte wohl was dagegen.
genen Ideale verraten – und könn­ Ukraine gekämpft wird. Und selbst donien müsse die Existenz der ges halten, als ihre eigenen Interes­ Immerhin waren die PR-Berater von Nike ja
te sich jede Lieferung von noch so wenn der Krieg morgen enden soll­ bulgarischen Minderheit in die sen zu beschneiden. An diesem zuerst auf die Idee gekommen, die letzten
schweren Waffen künftig sparen. te, wäre der Weg noch weit. Die Verfassung aufnehmen. Dazu muss Egoismus wird sich so schnell Worte des Doppelmörders Gary Gilmore vor
Aber es geht in dieser Frage EU-Kommissionspräsidentin Ur­ man wissen: Nordmazedonien hat nichts ändern. Deshalb kann diese seiner Hinrichtung 1977 im US-Bundestaat
nicht allein um Moral. Und es geht Matthias Krupa sula von der Leyen hat in Kiew knapp 1,5 Millionen Einwohner Ulrich Ladurner EU der Ukraine auch nicht wirk­ Utah – »Let’s do it« – in den erfolgreichsten
nicht nur um die Ukraine. Wladi­ ist Frankreich- darauf hingewiesen: Die ukraini­ und listet in seinem Grundgesetz ist Brüssel- lich Schutz bieten. Werbespruch aller Zeiten zu verwandeln.
mir Putin hat zuletzt offenbart, was Korrespondent sche Regierung muss die Korrup­ bereits ethnische Albaner, Serben, Korrespondent Nun lässt sich entgegnen: Außerdem verstehen Menschen, die sich von
er tatsächlich seit Langem verfolgt: der ZEIT tion bekämpfen, die Rechtsstaat­ Bosniaken, Türken und Roma auf. der ZEIT Immerhin ist der Kandidatensta­ Terrassenheizstrahlern ihre Hirnzellen systema­
ein nationalistisches, revisionisti­ lichkeit stärken und auch sonst alle Ist dieses Beispiel zu kleinteilig tus der Beginn eines Prozesses, tisch wegbrezeln lassen – wie käme man sonst
sches Projekt, das den Interessen Auflagen erfüllen, die für eine Mit­ gewählt? Zu unbedeutend? Warum zudem ein wichtiges Signal, dass auf die Idee, sich einen solchen Klimawandel­
und Ideen der Europäischen Union diametral gliedschaft in der EU erforderlich sind. Nein, von Nordmazedonien reden, wenn wir ange­ die Ukraine »zu uns« gehört, wie alle zu Recht beschleuniger anzuschaffen? –, ab einem ge­
entgegensteht. Putin träumt von der Rekon­ es darf keine Abkürzung in die Union geben. sichts des epischen, grausamen Kampfes zwi­ betonen. Außerdem werde dieser Prozess wissen Punkt kein Englisch mehr. Just forget it.
struktion eines vergangenen und imaginierten Und ja, die EU täte gut daran, ihr Regelwerk schen Demokratie und Diktatur in der Ukrai­ viele Jahre dauern, in denen sich einiges zum Die Bundesregierung startet bald eine
Reiches; er hat mit seinen wiederholten An­ zu reformieren, um auch mit 30, 32 oder 35 ne in historischen Kategorien denken müssen? Besseren wenden könne. Werbekampagne, um Bürgerinnen und Bürger
griffen auf Georgien (2008) und die Ukraine Mitgliedern handlungsfähig zu bleiben. Allein, die real existierende EU ist eine große Klingt gut. Aber es ist nur schwer zu vom Energiesparen zu überzeugen. Nun könn­
(2014, 2022) die europäische Sicherheitsord­ Doch diese Debatten lenken von der Maschine, in der das kleinste Rädchen alles glauben. Dafür reicht ein neuerlicher Blick te man sich mit einigem Recht darüber mokie­
nung attackiert; und er will, so hat es Angela grundsätzlichen Entscheidung ab, um die es zum Stillstand bringen kann. Ungarns Viktor in den Warteraum Europas, auf den West­ ren, dass die Ampelregierung Geld der Bürger
Merkel vergangene Woche erstaunlich offen geht. Putins Aggression hat die Ukraine vor Orbán hat das gerade bewiesen. Er blockierte balkan. Die Länder dort bluten seit Jahren einsetzt, um ebendiese Bürger zu einem Ver­
Fotos: Norman Hoppenheit für DIE ZEIT (2); Urban Zintel für DIE ZEIT

ausgesprochen, »Europa zerstören«. Nicht die die Frage gestellt, wie sie sich ihre Zukunft das sechste Russland-EU-Sanktionspaket. Um aus. Die jungen, gebildeten, tatkräftigen halten zu erziehen, das sich besagte Regierung
Nato oder die USA führen also in Charkiw, vorstellt. Mit ihrem Beitrittsantrag mitten im das in der Sprache der Geopolitik zu beschrei­ Menschen in diesen Staaten glauben weder wünscht. Und 37 Prozent der Deutschen
Donezk oder Mykolajiw einen Stellvertreter­ Krieg hat die Regierung in Kiew eine klare ben, die so en vogue ist: Zehn Millionen Ungarn den Versprechungen der EU noch jenen der mokieren sich auch – sie lehnen die Kampagne
krieg, sondern der russische Präsident. Sein Antwort gegeben: Wir möchten zur EU ge­ zwingen 440 Millionen Europäern ihren Wil­ eigenen Eliten. Sie stimmen mit den Füßen ab. Aber 49 Prozent begrüßen es, belehrt zu
Angriff zielt über die Ukraine hinaus: Er gilt hören! In dieser Antwort verbirgt sich, das nur len auf. Ein Stoff, aus dem Epen geformt wer­ ab und verlassen ihre Heimat in Scharen. In werden. Entweder weil sie nicht wissen, dass es
der EU selbst. nebenbei, ein Kompliment. Ganz offensicht­ den: in diesem Fall Orbáns Epos vom Vertei­ Serbien hat sich unter den Augen der EU tagsüber hell ist und man deshalb kein Licht
Diese hat deshalb früh und zu Recht ent­ lich ist diese Union trotz aller Krisen und diger der ungarischen Nation. zudem ein autoritäres System etabliert, einschalten muss – zumindest solange man
schieden, die ukrainische Regierung militärisch Selbstzweifel für viele Menschen noch immer So also steht es um die Gemeinschaft, Grenzkonflikte bleiben ungelöst, die orga­ nicht in der death row eines Gefängnisses in
zu unterstützen. Indem sie Panzer und Raketen ein Sehnsuchtsort. in welche die Ukraine drängt. Das ist der nisierte Kriminalität breitet sich aus, die Utah sitzt. Oder weil die eine Hälfte der Deut­
liefert, verteidigt die EU ihre eigenen Interes­ Nun ist es an der EU, der Ukraine eine Club, von dem sie sich Schutz erwartet. Korruption grassiert – die EU-Kandidaten­ schen die andere für zu blöd hält, es zu wissen.
sen. Aus demselben Grund sollte sie der Ukrai­ Antwort zu geben – und auch über ihre­ Dass sie das tut, ist verständlich. Denn, ja, region ist eine Wüstenei. Präziser: Die Re­ It’s the energy, stupid!
ne nun auch die Aussicht auf einen späteren eigene Zukunft zu entscheiden. Vertraut sie die Ukrainer zahlen einen grausamen Preis gion ist endgültig zu einer geworden, wäh- Schaut man zurück auf die Impfkampagne,
Beitritt eröffnen. ihren eigenen Stärken und bleibt offen? dafür, dass sie bisher draußen vor der Tür rend sie Kandidatenregion war. so bekommt man einen Vorgeschmack auf das,
Aber die Aufnahme in die Union dürfe Oder schließt sie ängstlich ihre Tür? Sie bleiben mussten. Nein, der Kandidatenstatus für die was nun auf uns zukommt: adaptierte Slogans,
keine Prämie dafür sein, Kriegsopfer zu sein, würde sich damit einen Tort antun – und Heute ist Polen der wichtigste, vehemen­ Ukraine ist ein schönes, aber ein leeres Ver­ die ihre Wirkung verfehlen. Damals stellten
heißt es nun. Und: Man dürfe der Ukraine Wladimir Putin einen großen Gefallen. teste Anwalt der Ukrainer. Aber Moment mal! sprechen. Ein Abstellgleis. 150 Marken ihre Werbesprüche zur Verfügung,
um die Impfquote im Land zu erhöhen. Folg­
lich hieß es auf den Plakaten der Regierung
»Impfen lohnt sich«, »See. Think. Impf«,
»Willst du viel, impf mit Stil« oder »Alle elf
Minuten ist uns zu wenig, wenn’s ums Impfen

»Ich bin dafür, der Ukraine jetzt den
Kandidatenstatus zu geben. Neben
den vielen wichtigen Hilfen durch
den Westen – Waffenlieferungen,
wirtschaftliche, humanitäre Hilfen –
wäre dies ein Zeichen besonderer
Solidarität. Natürlich wäre der Status
erst der Beginn eines Prozesses mit
Dutzenden Schritten. Aber die Per­
spektive würde die Ukraine dazu
motivieren, sich weiter an der EU zu
orientieren und irgendwann alle Bei­
trittsvoraussetzungen zu erfüllen.«
Günther Oettinger (CDU) war
EU-Kommissar bis 2019
»Die Ukraine ist Lichtjahre von der
Erfüllung der Kopenhagener Kriterien
– Stichworte: massive Korruption und
Verbot oppositioneller Parteien – ent­
fernt. Die Vergabe des Beitritts­
Und was sagen Politiker?
kandidatenstatus an die Ukraine
würde schlicht die selbst gesetzten
Regeln der EU aushebeln.«
Sevim Dağdelen sitzt für die
Linke im Bundestag
»Die Menschen in der Ukraine haben
sich schon vor Jahren für die EU ent­
schieden und damit substanzielle
demokratische Fortschritte im Land
angestoßen. Der eingeschlagene Re­
formkurs ist richtig, es braucht aber
bis zu einem Beitritt noch weitere
erhebliche Kraftanstrengungen. Der
Kandidatenstatus wäre auch ein wich­
tiges Signal gegenüber Russland, dass
dieser Krieg nicht die Solidarität
zwischen Demokratien schwächt.«
Omid Nouripour ist
Co-Vorsitzender der Grünen
geht«. Und am Kampagnenende galt für die
Impfquote exakt das, was bereits am Kam­
pag­nen­anfang galt: zu niedrig.
Wiederholt sich das, so heißt es bald auf
»Die Ukraine braucht eine klare Zu­ »Die Ukrainerinnen und Ukrainer bei müssen die europäischen Regeln Regierungsplakaten »Energiesparen macht die
kunftsperspektive in Europa. Beide verteidigen ihre Souveränität und ihr greifen. Religionsfreiheit und das Erde froh – und den Geldbeutel ebenso«, »Ist
Seiten müssen dazu zeitnah die Vo­ Leben, aber auch unsere gemeinsa­ Recht auf eigene Sprache von Min­ der neu? Nein, mit Perwoll durch den Fluss
raussetzungen schaffen.« men europäischen Werte gegen Putin derheiten etwa sind eine wesentli­ gezogen« oder »Energiesparen – die grünste
und die brutale russische Aggression. che Basis.« Versuchung, seit es Regierungskampagnen
Reiner Haseloff ist Regierungschef Deshalb sind wir sehr klar, dass wir gibt«. Und im Winter packen die Leute dann
in Sachsen-Anhalt und die Ukraine in der EU haben wollen. Bodo Ramelow (Die Linke) ist wieder ihre Heizpilze auf die Terrasse und
Mitglied des CDU-Präsidiums Und das darf keine jahrelange Hänge­ Ministerpräsident Thüringens fragen ihren besorgten Nachbarn: »Frierst du
partie werden. Ich sage aber auch, für noch, oder lebst du schon?«
einen EU-Beitritt gibt es klare Krite­
rien, und die müssen für alle Länder
»Ja, wir sollten die Ukraine als­ gleichermaßen gelten. Niemand hat »Wenn die Ukraine den EU-Kandi­
Beitrittskandidaten annehmen. Es etwas davon, wenn wir ein Land be­ datenstatus wünscht, hat das unsere
wird aber keine Abkürzung geben. vorzugt behandeln und andere zu­ Unterstützung. Allerdings reden wir
Um in die EU aufgenommen zu rückweisen, die ebenfalls unser Eu­ bei Beitrittsverfahren über Prozesse,
werden, bedarf es klarer Vorausset­ ropa verstärken wollen.« die Jahre oder gar Jahrzehnte dauern
zungen. Diese müssen selbstver­ können und ein offenes Ergebnis
ständlich auch von der Ukraine er­ Saskia Esken ist SPD-Chefin haben. Deshalb gilt es jetzt, auf EU-
füllt sein.« Ebene schnell Partnerschaftsperspek­
tiven unterhalb einer Vollmitglied­ Peter Dausend ist
Marie-Agnes Strack-Zimmermann schaft zu schaffen.« politischer
(FDP) ist Chefin des »Ich würde mir wünschen, dass die Korrespondent im
Verteidigungsausschusses im Ukraine in den kommenden Jahren Alexander Dobrindt (CSU) ist Hauptstadtbüro
Deutschen Bundestag fester Bestandteil der EU wird. Da­ Bundestagsabgeordneter der ZEIT

Quelle: Umfrage der ZEIT unter deutschen Spitzenpolitikern

 14 INHALT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Titelthema: Der Höhenflug

POLITIK Lobbyismus  Wie der US-Amerikaner Kino  »A E I O U – Das schnelle

Hal Harvey die deutschen Autokonzerne Alphabet der Liebe«, der neue Film von
Titelthema: Der Höhenflug  zu mehr Elektromobilität zwingt Nicolette Krebitz 
Die Grünen und ihr unheimlicher VON CL A AS TATJE  26 VON GEORG SEES SLEN  52
Erfolg 
VON ROBERT PAUSCH  2 Wirtschaft in einem Satz  28 Kolumne  Von unterwegs gesendet 
VON CHRISTINE LEMKE-MAT WEY  52
CDU  Wie der schleswig-holsteinische ZEIT für Geld  Geldanlage für Muslime
Ministerpräsident Daniel Günther die VON MONA LINKE  28 Ukraine  Wir Jungen kämpfen
Fotos: Julian Baumann für ZEIT Magazin; Heiko Meyer für DIE ZEIT (r.)

•4
Grünen einhegen will für ein künftiges Europa, schreibt der
VON MARIAM L AU  ZEIT für Unternehmer Was bedeutet Philosoph  ANTON TAR ASYUK  53
»Purpose« in Kriegs- und Krisenzeiten?
Iran  Hat das Atomabkommen noch VON JENS TÖNNESMANN  29 Interview  Putins Männer suchen mit

•5
eine Chance?
VON ANNA SAUERBREY 
Ukraine  Ein Interview mit dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj 6 Frankreich über Macron, Mélenchon
Mail aus Moskau  Wie russische Frauen
der Obrigkeit trotzen 
VON MICHAEL THUMANN  7 Astronomie  Großprojekte brauchen
USA  Der Oberste Gerichtshof könnte
schon bald das Recht auf Abtreibung
kippen. US-Bürgerinnen suchen nun
Hilfe in Mexiko
VON AMR AI COEN UND SAMIHA SHAF Y  8
ZEITNAH
China  Hat die neue Supermacht ihren
Karibik + Kassel = Kunst Zenit bereits überschritten? 
VON XIFAN YANG  10
Henri Nannen  Neue Funde zur
NS-Vergangenheit des »stern«-Gründers
• 30
VON GÖTZ HAMANN 
WISSEN
Jahrzehnte der Planung –
von der Zuversicht der Wissenschaftler
lässt sich lernen  trommel«. Wie geht es ihm heute mit
VON ULRICH SCHNABEL 31
Pandemie  Was haben die Corona-
Maßnahmen gebracht? Fragen an
den Epidemiologen Klaus Stöhr 
Haftbefehl nach ihm: Was denkt der
russische Schriftsteller Dmitri
Gluchowski über das Regime?  53
Reportage  Wie denken junge Linke in
und das neue Linksbündnis?
VON CL A AS OBERSTADT  54
Schauspieler  Im Alter von 14 wurde
David Bennent berühmt als Oskar
Matzerath in der Verfilmung der »Blech-
der Rolle?
• 55
VON PETER KÜMMEL 
Porträt  Wie war es damals in der

Fachhochschule  Wie das erweiterte

Jürgen von Rutenberg, Redakteur im ZEITmagazin (li.), traf in der Hitze Trinidads
Künstler, die auf der Documenta zu Gast sind. Einer von ihnen: der Schildermaler STREIT
Bruce Cayonne, dessen Arbeit es ins ruru-Haus geschafft hat. Das bunte Gebäude und
Fachkräftemangel  Braucht das Land
viele andere Ausstellungsorte der hessischen Weltkunstschau konnte unser Kunstkritiker mehr Meister statt Master? Darüber
Hanno Rauterberg schon vor der Eröffnung besichtigen  MAGAZIN UND FEUILLETON streitet der Handwerker Thomas Rath
mit der Uni-Präsidentin
Julia von Blumenthal
Europa  Soll die Ukraine EU-Beitrags-
kandidat werden? Ein Pro & Contra
VON MAT THIAS KRUPA UND
ULRICH L ADURNER 
Dausend Prozent  Missbrauchs beschuldigt – und bringt
VON PETER DAUSEND 
DOSSIER
Foto: Lena Giovanazzi für DIE ZEIT
32 Gruppe 47? Ein Besuch in Köln bei dem
Lyriker Jürgen Becker, der 90 wird 
VON PETER NEUMANN  56
Promotionsrecht die Unis herausfordert  
VON ANNA-LENA SCHOLZ  32 Literatur  In Uwe Tellkamps Roman
»Der Schlaf in den Uhren« wird der
Schule  In Freiburg lernen Jugendliche
Nationalsozialismus verharmlost
aus 80 Ländern, Konflikte zu lösen. Ihre
Mission wird gerade auf die Probe gestellt 
VON THOMAS AS SHEUER  57
VON JONAS SEUFERT  • 33 Fernsehen  Die vierte Staffel der Serie
»Borgen« zeigt das Ende der fossilen Ära 
12 Umwelt  Indigene in Nevada protestieren
VON ELISABETH VON THADDEN  58
gegen den Abbau von Lithium auf ihrem
Land. Für die USA geht es um viel
VON ANNA-THERESA BACHMANN  • 34
GLAUBEN & ZWEIFELN
13 Psychologie  Wie mache ich
meinen Frieden mit etwas? Das rät die Limburg  Ein Priester wird des
Taschentherapeutin  36
13
sich um. Wie konnte es dazu kommen?
Meine Schule des Lebens  Und welche Rolle spielte dabei Bischof
Der Hamburger Ballettdirektor Georg Bätzing? 
John Neumeier im Bildungsgespräch 37 VON K ARIN CEBALLOS BETANCUR ,

Klimakrise  Wie kommt es, dass die EVELYN FINGER UND

Infografik Avocado 48
Foto: Heinz Wedewardt/bpk

Menschen so viel über die ­ WOLFGANG THIELMANN  60

Erderwärmung wissen und so wenig ­
dagegen unternehmen?  LEO – DIE SEITE
VON FRITZ ENGEL UND FÜR KINDER ENTDECKEN
BERND ULRICH  15
Tierwohl  Leona, 9 Jahre, packt Singst du uns was, Bootsy?  Eine neue
regelmäßig auf einem Gnadenhof mit App verkauft Grußbotschaften von Stars
GESCHICHTE an  VON MARIE- CHARLOT TE MA AS  47 VON REBECCA CASATI  61

Schule des Friedens Sinkt sein Stern? Kalter Krieg  Die Analysen des
US-Diplomaten George F. Kennan
Hungersnot  Warum haben fehlende
Nahrungsmittel für Kinder besonders
Entdeckt  Der intellektuelle Kopfstoß 
VON FR ANCESCO GIAMMARCO  63
Am United World College in Freiburg lernen Jugend- Henri Nannen war vielen zeigen, wie sehr Putins Russland harte Folgen?  VON PIA SAUNDERS  47
Stalins Sowjetunion ähnelt. Ist Kennans Die schwerste Distanzbeziehung 
liche aus 80 Nationen gemeinsam. Ihr wichtigstes Journalisten lange ein Vorbild. Strategie der Eindämmung von 1947 Drei geflohene Ukrainerinnen sprechen
Fach: Völkerverständigung – weil man auch Liebe Nun wird aufs Neue über seine auch ein Rezept für die Zukunft? 
FEUILLETON über ihre im Krieg gebliebenen Männer 
VON MANFRED BERG  19 VON DMITRIJ K APITELMAN  64
lehren kann, wie der Schulleiter sagt. Aber in Zeiten Rolle im Nationalsozialismus
Kunst  Die ersten Eindrücke von der
des Krieges ist das nicht so einfach  WISSEN, SEITE 33 gesprochen  WIRTSCHAFT, SEITE 30 Documenta in Kassel zeigen:
Plötzlich Buchhändlerin  Im schotti-
VERBRECHEN Hier schätzt man alles, was ganz frei
schen Wigtown können Gäste ein
Antiquariat betreiben. Die gemütliche
vor sich hin wuchert
• 49
Wilderei  Andreas S. ist Schützenkönig, Wohnung liegt direkt über dem Laden 
IN DEN REGIONALAUSGABEN ZUM HÖREN Vater, Unternehmer. Nachts jagt er
illegal Tiere und kommt damit davon.
VON HANNO R AUTERBERG 
VON ELKE MICHEL  • 66
Erlebnis und Kritik  Zu Besuch in
ZEIT im Osten  Wenn niemand Auf der Bürenfluh hat sich Die so gekennzeichneten Bis zwei Polizisten ihn ertappen. Bayerische Landesvertretung (1) Eine
Heinrich Bölls irischem Landhaus
Bürgermeister werden will, darf BRIGIT TE WENGER zum ersten Mal Artikel finden Sie als Sie werden erschossen.  neue Serie über das schönste Bundesland
VON MITHU SANYAL  50
man in Thüringen einfach seinen verirrt. Den Orientierungslauf Audiodatei im »Premium- VON NIKL AS BES SENBACH , Deutschlands, gesehen durch die Augen
Foto: Olimpia Piccolo für ZEITmagazin

Vorschlag auf den Wahlzettel liebt sie trotzdem   20 bereich« unter K ATRIN GROTH , KIM LUCIA RUOFF UND seiner prominenten Bewohner 
www.zeit.de/vorgelesen
Der neue PEN steht für
schreiben. Eine Reportage aus TIM WINTER  20 VON LEOPOLD Z A AK  67
Aufbruchstimmung in der Literatur 
dem Wahlbüro in Waldeck  ZEIT Österreich  Die Industrie-
stadt Bruck an der Mur will grün
ANZEIGEN IN VON VOLKER WEIDERMANN  50 Wie es wirklich ist ...  sein Kind in die
VON AUGUST MODERSOHN  18 DIESER AUSGABE
werden und unabhängig von WIRTSCHAFT Zwischen Gaming und Glücksspiel: Grundschule einzuklagen 
Bei den Kommunalwahlen in russischem Gas  Bildungsangebote und VON L AUR A BODE  70
Gacha-Handyspiele 
Sachsen bleibt die AfD stark und VON SIMONE BRUNNER  18 Stellenmarkt Lohnerhöhungen  Was Arbeitnehmern
(ab Seite 40), VON FLORIAN EICHEL  50
verfehlt trotzdem ihr Ziel. Und gegen die Folgen der Inflation helfen
nun? Fragen an den Soziologen Über die Neutralität diskutiert Agenda Kultur:
• 21
würde, könnte ungewollte Effekte haben Angela Merkel im Ruhestand und die
Sie kamen, sie sahen, sie Raj Kollmorgen   19 man in Österreich nicht – weil Museen, Kunstmarkt, VON KOLJA RUDZIO  RUBRIKEN
keine Partei Wähler verprellen Bühnen (Seite 58) Rolle, die »Macbeth« dabei für sie spielt 
fraßen – Horden von VON PETER KÜMMEL  50 Leserbriefe  18
ZEIT Schweiz  Vor einem Jahr möchte  VON JOACHIM RIEDL  20 Côte d’Azur  Der Flirt der reichen
Wildschweinen haben FRÜHER
• 36
Rom erobert und plündern lehnten die Schweizer das Südfranzosen mit der extremen Rechten 
revidierte CO₂-Gesetz ab. Das Alpenporträt  Der Schweizer INFORMIERT! Mal wieder nur falscher Alarm? Über Stimmt’s?
die Mülltonnen. Aber VON ANNIK A JOERES  22
Wo steht das Land mit seiner Roland Bartholet gilt als einer der Die aktuellen Themen
drei Meldungen aus den letzten Tagen 
nicht jeder stört sich an VON ELISABETH VON THADDEN  50 Die Position 40
Klimapolitik heute?  innovativsten Seilbahnbauer der der ZEIT schon am Spritpreise  Ran an die Konzernprofite?
ihnen. Eine Fotostrecke
VON MAT THIAS DAUM UND Welt. Nun gehört sein Unterneh- Mittwoch im ZEIT-Brief, Ein Pro & Contra
men zur ehemaligen Konkurrenz Debatte Erst galt sie als Querdenkerin, Worum geht’s? 41
SAR AH JÄGGI  18 dem kostenlosen VON MARK SCHIERITZ UND
aus Südtirol  Newsletter ROMAN PLET TER  23 dann als Putin-Versteherin – jetzt soll sie
3 ½ Fragen 42
VON SAR AH JÄGGI  30 www.zeit.de/brief auch noch plagiiert haben. Ein Treffen
Telefonbetrug  Die fiese Masche mit mit der Politikwissenschaftlerin Impressum 54
den vermeintlichen Anrufen von Europol  Ulrike Guérot 
Die ZEIT inklusive aller Regional- und Wechselseiten finden Sie in der ZEIT-App und im E-Paper. VON EVA WOLFANGEL  24 VON IJOMA MANGOLD  • 51 Was mein Leben reicher macht 70

ANZEIGE

J ede
Woche in Ihre
m
Postfach
U N S E R E L I T E R AT U R C O M M U N I T Y

Neben Leseempfehlungen von Prominenten und ZEIT-Autorinnen erwartet Sie außerdem:

› Buchverlosungen & Literaturquiz › Kostenlose Hörbücher und Leseproben › Einladungen zu Events mit Autor*innen und vieles mehr

Jetzt kostenlos anmelden unter  w w w . z e i t . d e /w a s w i r l e s e n

Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

111511_ANZ_371x70_X4_ONP26 1 10.06.22 14:17

 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

DOSSIER 15

M
Manche Fragen sind zu groß für einen Artikel,
einen Autor oder zwei; wahrscheinlich braucht
man viele Jahre und viele Menschen, um sie zu
beantworten. Eine dieser Fragen lautet: Wenn die
existenzielle, dramatische und dringliche Krise im
Mensch-Natur-Verhältnis wissenschaftlich so of-
fensichtlich ist, allenthalben besprochen wird und
viele Mittel zu ihrer Behebung zur Verfügung
stehen, warum geht die Menschheit dann immer
tiefer in diese selbstzerstörerische Krise hinein?
Warum verdrängt sie, was sie fortwährend be-
spricht?
Bei der Suche nach einer Antwort stießen wir
auf einen Aufsatz von Sigmund Freud. Der hat
sich vor gut hundert Jahren schon einmal mit der
Frage befasst, was passiert, wenn eine Erkenntnis
auf psychische Abwehr trifft. In Eine Schwierig-
keit der Psychoanalyse von 1917 stellt er die Frage,
warum seine Ansätze auf so viel Widerstand sto-
ßen, sowohl bei Patienten als auch in der öffent-
lichen Wahrnehmung.
Zunächst führt Freud an, dass diese Art der
Ablehnung nicht beispiellos ist. Große, revolu-
tionäre Gedanken der Vergangenheit hätten das-
selbe Schicksal erfahren. Freud spricht von den
drei Kränkungen der Menschheit. Zunächst die
(Wieder-)Einführung des heliozentrischen Welt-
bildes durch Kopernikus im 16. Jahrhundert, die
den Menschen aus seiner zentralen Stellung im
Universum rückt: »Als sie aber allgemeine Aner-
kennung fand, hatte die menschliche Eigenliebe
ihre erste, die kosmologische Kränkung erfahren.«
Als Zweites Darwins Evolutionstheorie im 19.
Jahrhundert, die dem Menschen gezeigt habe,
dass er »nichts anderes und nichts Besseres als die
Tiere« sei. Darin besteht die biologische Krän-
kung. Und schließlich, in einer Selbstüberhö-
hung, die sich heute nur noch amerikanische
Tech-­Mil­liar­dä­re erlauben würden, setzt sich
Freud selbst als den dritten großen Revolutionär
ein, der den Menschen die empfindlichste aller
Kränkungen zufügt: die psychologische Kränkung,
dass das Ich nicht Herr in seinem eigenen Haus
ist, sondern sich mit einem Es und einem Über-
Ich herumschlagen muss.
Sicherlich ist vieles an Freuds Analyse nicht so
evident, wie er es darstellt. Man könnte auch mut-
maßen, dass es sich weniger um Kränkungen des
Menschen schlechthin handelt als um solche des
weißen, christlich geprägten Mannes. So wird sich
ein Buddhist vermutlich weniger darüber auf­
regen, mal ein Affe gewesen zu sein, und eine Frau
sich weniger darüber wundern, dass sie nicht im
Zentrum des Universums steht.
Dennoch enthält Freuds Erklärung einen
wichtigen Gedanken: Dia­gno­sen und Analysen
können neben ihrem sichtbaren Inhalt auch eine
teils verdeckte psychologische Wirkung haben,
die, bewusst oder unbewusst, Widerstand und
Abwehrreaktionen hervorruft. Die Erkenntnis
kann verstanden, aber nicht verdaut werden.
Foto: Leonardo Scotti

Was bedeutet dieser Ansatz für die Klimakrise?

Was steckt in dem Wörternebel, in den sich die
Menschen hüllen, wenn es ums Klima geht? Gibt
es etwas darin, das uns als noch bedrohlicher er-
scheinen muss als der Anstieg des Meeresspiegels,
Der italienische Fotograf Leonardo Scotti spürt in seinen künstlerischen Arbeiten der Beziehung des Menschen das Elend der Korallenriffe und Wälder, das Aus-
zu seiner Umwelt nach und der Gefährdung des Lebens auf der Erde durch den Klimawandel sterben der Arten, die Zunahme von Krankhei-
ten, die Flucht von Abermillionen Menschen vor
zu viel oder zu wenig Wasser, die Verteuerung der
Lebensmittel, die Gefährdung der Demokratie
durch ökologische Zwänge? Kurzum: Was könnte
für uns Menschen noch schlimmer sein als all das
da draußen?
All das da drinnen.
Eine Kränkung setzt etwas zu Kränkendes

Der verletzte
voraus. Alte deutsche Wörter wie Stolz oder Ehre
fallen einem ein. Leicht entzündliche Begriffe,
die uns im Alltag eher fremd geworden sind.
Doch dass wir von ihnen nur noch wenig spre-
chen, heißt nicht, dass Stolz und Ehre, Demüti-
gung und Scham uns nicht bewegen, dass sie
nicht mehr unser Handeln beeinflussen. Im Ge-

Mensch
genteil, ihre Abwesenheit im Diskurs bei gleich-
zeitiger An­wesen­heit im Gemüt macht es schwie-
riger, Kränkungen als solche zu bemerken, weil
wir uns des Stolzes, der sich gekränkt sieht, der
Selbstbilder, die gefährdet werden, nicht mehr
bewusst sind.
Unter der Oberfläche verletzt die vierte, die
ökologische Kränkung den Menschen in einer
Weise, die darüber hinausgeht, was Sigmund
Wie kann es sein, dass wir alles über die Klimakrise wissen und trotzdem Freud vor hundert Jahren analysiert hat. Sie stellt
so wenig dagegen unternehmen? FRITZ ENGEL UND BERND ULRICH haben eine Erklärung. alles infrage, was dem Menschen zu Stolz und
Ehre gereicht, sie versieht fast alle Erzählungen
Sie hat mit Stolz, Ehre und der Idylle der Normalität zu tun mit einem Fragezeichen, die der moderne

Fortsetzung auf S. 16
16 DOSSIER 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Der verletzte Mensch Fortsetzung von S. 15 mehr zu einer Art negativen Teleologie, the worst is
yet to ­come. »Das Schlimmste kommt noch.«
Mensch gern über sich selbst verbreitet. Ange­ Die kumulative Zerstörung unserer Lebensgrund­
fangen vom Gang der Geschichte über den Sinn lagen tritt in direkten Gegensatz zur kumulativen
des eigenen Lebens bis hin zum Hochgefühl der Annäherung an weltliche Utopien oder jenseitige
individuellen Freiheit. Erlösung. Durch ihre naturwissenschaftlich exakte
Messbarkeit steht sie zudem in unmittelbarem Wider­
spruch zum bislang gemessenen, konventionellen
1. Der Zweck heiligt nicht mehr Wohlstands-Indikator, dem Brutto­inlands­pro­dukt
(BIP). Die globale Erwärmung, gemessen in Grad
Menschliche Geschichte war lange an zwei Punk­ Cel­sius, und der CO₂-Anteil in der Atmosphäre,
ten aufgehängt: einem Schöpfungsmythos, der gemessen in parts per million, haben mindestens
weit in der Vergangenheit liegt, und einer Erlösung dieselbe mathematische Di­gni­tät wie das BIP – und
in der Zukunft, die uns geschenkt werden muss, stellen es somit grundlegend infrage.
durch »Gottes Gnade« oder so. Solche Mythen Der menschenfeindliche Zustand, auf den wir
sind zentral. Sie werten die alltäglichen Handlun­ uns momentan zubewegen, hat keinerlei illusori­
gen auf durch die Aussicht, dass sie einen Schritt sche oder religiöse Bestandteile, er ist nicht das
auf dem Weg zum Seelenheil darstellen. Arbeit ist Versprechen eines Zustands, der einst Realität
auf diese Weise nicht einfach eine notwendige werden könnte. Sondern eine bereits existierende,
Verrichtung, vielmehr wird sie zu einem Beitrag in täglich eskalierende Wirklichkeit, die sich nicht
einer Heilsgeschichte ver­edelt. umdeuten lässt, sondern allenfalls umgestaltet
Wie wichtig diese Einbettung in einen heils­ werden kann. Zum ersten Mal ist unser Voran­
gerichteten Gesamtkontext ist, zeigt sich schon schreiten messbar – aber weniger eine Verheißung
darin, dass mit der Säkularisierung der Gesellschaf­ als vielmehr eine Quittung.
ten und der Abschaffung des Himmels flugs neue Die Darwinsche Theorie erschien den meisten
Einbettungen entstanden. Mit der Abschaffung Menschen zunächst als Majestätsbeleidigung, bei
eines Erlösers wurde nicht auch die Erlösung abge­ genauerer Betrachtung jedoch hielt sie auch eine
schafft. Stattdessen wurde das »Ziel« der mensch­ recht hochmütige Interpretation bereit: Erst ent­
lichen Entwicklung verdiesseitigt. Im Kommunis­ wickelt sich die Natur bis hoch zum Menschen,
mus war das ein möglichst bald zu erreichender dann der sich zum Immer-besser-Menschen. Viel­
paradiesischer Zustand der Gesellschaft, im Kapi­ leicht stimmt das auch irgendwann wieder, aber
talismus ein nahezu un­er­schüt­ter­licher Fort­ jetzt, zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte, ist es
schrittsglaube, ein stetes the best is yet to c­ ome, »das eine fadenscheinige Lüge.
Beste kommt noch«. Zirkularität oder Sta­gna­tion, Das gilt auch für die Idee, das alte Steigerungs­
geschweige denn Rückschritte, darf es vielleicht projekt in neuer Gestalt einfach weiterlaufen las­
hier und da geben, aber nicht gesamtheitlich. sen zu können, wie es von der neuen Bundesregie­
Zwar haben wir längst gelernt, dass unser Fort­ rung vertreten und versucht wird. Fossile Energie
schreiten eben nicht immer Fortschritt bedeutet, wird durch regenerative ersetzt, aber ansonsten:
dass Kolonialismus, Imperialismus und Kapitalis­ Kein Auto fährt weniger, kein Flug wird ausgelas­
mus nicht stets nur Heil bringen, sondern auch sen, kein Kotelett verschwindet vom Teller.
Unheil, dass Fortschritt nicht nur Himmel, son­ Doch dieses Konzept geht weder energetisch
dern auch Hölle bedeuten kann. Und diese Lehren noch vom Ressourcenverbrauch her auf, schon gar
waren schwierig. Aber sie widersprechen nicht nicht, wenn man den Faktor Zeit mit einbezieht
dem the best is yet to ­come. oder die zweite große ökologische Krise neben
Die Klimakrise jedoch beginnt es zu unter­ dem Klima, das Artensterben. Welch ungeheure
minieren, eben weil sie sich mit keinerlei Heils­ Abwehrkräfte gegen die Kränkung da unterwegs
versprechen vereinbaren lässt. Sie folgt aus keiner sind, musste man auch erkennen, nachdem am 24.
einzelnen Handlung, ergibt sich aus keinem iso­ Februar eine fossile Diktatur ein demokratisches
lierten Dilemma, vielmehr ist sie selbst kumulativ, Land in Europa überfallen hatte. Selbst die offen­
sie ist die Summe, die mehr ist als ihre Teile. Ein­ kundige Fusion von Freiheitsschutz und Klima­
zelne Handlungen können nicht mehr darauf schutz hat die Abkehr von der fossilen Sucht nicht
hoffen, irgendwie doch Teil eines Steigerungs­ etwa dramatisch beschleunigt, sondern erst mal zu
projekts zu sein. Stattdessen stehen sie im Verdacht, einer hektischen Suche nach anderen Dealern ge­
zu einem gewaltigen Zerstörungswerk beizutragen. führt. Die Steigerung ist wie ein Fahrrad, bleibt sie
Auf diese Weise wird die Klimakrise mehr und stehen, fällt sie um.
2. Der Generationenvertrag platzt
Die kleine Schwester der Teleologie ist die Fa­mi­
lien­ge­schich­te. Den Kindern soll es einmal besser
gehen, so lautet der Stoßseufzer, die Fanfare und
das Versprechen unserer steigerungsseligen und
bis vor Kurzem steigerungsgewissen Zeit. Man
könnte natürlich fragen: Warum überhaupt? Oder
auch: Bis zu welchem Level von Wohlstand soll
dieses Versprechen eigentlich gelten, und ab wann
schadet es Kindern nur noch, wenn es ihnen noch
besser geht als ihren Eltern, denen es wiederum
besser geht als deren Eltern und so weiter? Man
könnte auch böswillig fragen, ob es sich bei die­
sem Versprechen immerwährender intergeneratio­
neller Steigerung möglicherweise bloß um eine
Ausrede für die eigene elterliche Gier handelt oder
um eine Bemäntelung des eigenen Egoismus mit
Kinderliebe.
Allerdings ändern diese Fragen nichts an der
Wirkmächtigkeit des Spruches. Gerade weil er so
mächtig ist, wirkt es so arg bedrohlich, wenn er
sich nun immer schneller ad absurdum führt.
Denn was nützt den Kindern eine sichere Rente
im Jahr 2070, wenn sich bis dahin die Erdatmo­
sphäre um drei Grad erhitzt haben sollte? Was
hilft es, wenn man genug Geld erbt, um sich an
jeden Strand der Erde legen zu können, es aber
wegen des ansteigenden Meeresspiegels keinen
Strand mehr gibt?
Mit solchen Fragen kollabiert nicht bloß die
Küchentisch-Teleologie der Familien, damit fliegt im
Grunde der ganze Generationen-Deal auf, weil die
Kinder die Eltern nur sehr schwer für die Welt ehren
können, die sie ihnen da hinterlassen.
3. Entwertetes Wissen
Die als groß gedachte Fortschrittsgeschichte der
Menschheit kann Trost, Stolz und Sinn geben –
wenn man denn daran glaubt. Die intergeneratio­
nelle Steigerung kann das auch – vorausgesetzt, die
Kinder und Enkelkinder »kaufen« diese Erzäh­
lung. Als die dritte, die kleinste Form dieser Art
von Sinn­gebung kann die eigene Biografie dienen,
wenn sie als eine Geschichte vertiefter Erfahrung,
wachsenden Wissens über die Welt und akkumu­
lierter Erfolge gelesen und erzählt werden kann.
­I did it my way! Doch ist gerade diese Geschichte
besonders fragil. Einmal, weil sie ohne die beiden
anderen genannten Steigerungsgeschichten in der
Luft hängt, vor allem aber, weil die meisten Men­
schen in den alternden Gesellschaften des Westens
ihre wichtigsten und prägendsten Erfahrungen im
vergangenen Jahrhundert gemacht und in jener
Zeit einen Großteil ihres Grundwissens über die
Welt erworben haben.
Diese Erfahrungen und dieses Wissen jedoch
werden durch das historisch neue Phänomen einer
eskalierenden Klimakrise zu verstörend großen An­
teilen entwertet. Die oft unter intellektuellen und
emotionalen Mühen aus den Katastrophen und den
Totalitarismen des 20. Jahrhunderts gewonnene Re­
gelkenntnis lässt uns verloren dastehen. Zum Beispiel
kommt in der Klimakrise das Unheil nicht mehr aus
den Untaten mächtiger verbrecherischer Individuen,
sondern aus der Untätigkeit durchaus gutmeinender
Politiker. Und ein Schritt in die richtige Richtung im
falschen Tempo ist ein falscher Schritt, weil sich in
der Zeit des Zögerns immer noch mehr CO₂ in der
Atmosphäre anreichert. Es kann auch derjenige
hysterisch sein, der angesichts der Gefahr nicht
schreit, weil Coolness nicht gegen Hitze hilft. Die
Wahrheit liegt nicht mehr in der politischen Mitte
zwischen links und rechts, sondern eher in der Mitte
zwischen Politik und Physik.
Existieren nun solche neuen Regeln, und sei es
nur zusätzlich zu den alten, so ist die Versuchung
groß, sie abzulehnen, weil sie einen erheblichen
Teil der eigenen Lebensgeschichte infrage stellen.
Darin besteht die biografische Di­ men­ sion der
Kränkung durch die Klimakrise. Oder, anders ge­
wendet, eine gewaltige Aufgabe, nämlich sich das
zusätzliche Regelwerk dieses Jahrhunderts auch
noch draufzuschaffen.
4. Eine neue biologische Enttäuschung
Wenn die Darwinsche Kränkung darin liegt, dass
der Mensch »nichts anderes und nichts Besseres als
die Tiere« ist, dann wäre es naiv, zu denken, dass
damit auch heute noch unser Naturverhältnis voll
erfasst ist. Biologisch stimmt es zwar, dass wir aus
der Natur kommen und dass wir immer Teil der
Natur bleiben – der Effekt, den ein Virus auf uns
haben kann, führt uns das täglich vor Augen. Aber
wir sind auch der Natur größter Zerstörer, ein ra­
sender, rücksichtsloser Zerstörer. Der Mensch ist
nicht nur »nichts Besseres«, sondern etwas viel
Schlimmeres. Er ist weniger potenzielles Opfer
von Naturgewalten als Gewalttäter gegen die Na­
tur. Zunächst sind nicht wir der Natur ausgeliefert,
sondern sie uns. Erst im zweiten Schritt sind wir es
dann wieder doch.
Bemerkenswert sind hier erneut nicht so sehr
die Fakten, jene Zahlen, die festhalten, wie wir die
Erde, ihre Flora und ihre Fauna schädigen. Ent­
scheidend ist, warum diese Fakten nicht zu rele­
vanten Änderungen führen. Erneut lautet der
Vorschlag: weil sie in einen überholten, der Reali­
tät widersprechenden Mythos verpackt sind. Einen
Mythos, nach dessen Grundidee der Mensch einer
mächtigen, gewaltigen Natur sein Überleben ab­
trotzen muss. Dabei ist diese Natur in weiten­
Teilen schon vermüllt, verparklandschaftet, ver­
städtert, versiegelt und ver­haus­tiert.
Ein mürber Mythos ohnehin: Jede gesunde
Veganerin ist ein Beweis, dass wir nicht mehr tö­
ten müssen, um zu leben. »Härte, um zu überle­
ben« hat sich längst in Härte gegen alles Lebende
verwandelt. Wieder zeigen uns die wissenschaft­
lichen Pro­gno­sen, dass wir den Mythos geradezu
auf den Kopf gestellt haben. Versorgungssicher­
heit wird durch unsere Ausbeutung der Erde nicht
garantiert, sondern genommen. Hungersnöte und
Wasserknappheit sind garantierte Folgen des
Klima­wandels.
Und doch werden gegen alle Offensichtlichkeit
weiter die Rituale aus einer Zeit gelebt, als der
Mensch sein Überleben tatsächlich der Natur ab­
trotzen musste, als Reiten noch Fortbewegung
und nicht Sport, als Jagen noch Nahrungsbeschaf­
fung und nicht Zeitvertreib war, als man Fleisch
vielleicht wirklich als Proteinquelle brauchte.
Rituale des Überlebens, des »Sich-der-Natur-
Widersetzens«, geraten nun zu Ritualen der Über­
legenheit, der Ausbeutung, der Vergewaltigung.
Doch was ist unnötige Gewalt gegenüber Wehr­
losem, was soll diese ritualisierte Überlegenheits­
demonstration? Sie ist der Versuch, sich in eine
alte Rolle zu flüchten, weil man sich für die neue
ja schämen müsste.
5. Die moralische Kränkung
Eines der beliebtesten Ausweich-Argumente in
den Klimadebatten des Westens geht so: »Wir
dürfen auf keinen Fall den Eindruck erwecken,
dass Klimaschutz unseren Wohlstand ein­
schränkt, sonst werden wir die Menschen in den
ärmeren Ländern niemals dazu bringen, klima­
gerecht zu wirtschaften, denn die streben ganz zu
Recht auch nach Wohlstand.« Dieses eher pater­
nalistische Argument wird gern patrouilliert von
einer im Westen neuen Ohnmachtsgeste: Aber
die Chinesen! Und die Inder! Nun, die Chinesen
emittieren bislang pro Kopf noch immer weit
weniger CO₂ als die Amerikaner. Und die Deut­
schen essen so viel Fleisch wie die Inder, also: alle
Inder zusammen.
Gegen das Argument »Wir dürfen bei der öko­
logischen Wende auf keinen Fall verzichten, denn

ANZEIGE

Informationen zu ZEIT Veranstaltungen unter www.zeit.de/veranstaltungen

Drei Fragen an Dr. Ulrike

Fotos: © Phil Dera für DIE ZEIT

Schneider, Leiterin des Else

Kröner Fresenius Zentrums
für Ernährungsmedizin

Was treibt Sie in Bezug auf den

Wie sieht eine gute Ernährung für Mensch & Umwelt aus? Es disku-
tierte ein prominent aus Wissenschaft und Politik besetztes Podium.
Die ZEIT Doctor-Veranstaltung konnte
erstmals wieder live besucht werden.
Bewährt und hybrid: Außerdem wurde
der Event per Livestream übertragen.
Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch bot sich vor
Ort im schönen Kaiserin-Friedrich-Haus in Berlin.
One Health-Ansatz und unsere
Ernährung um?
Wir sehen die direkten Folgen einer
schlechten Ernährung täglich, 20 Pro-
zent aller Krankheiten sind darauf zu- Tierhaltung pro Woche. Eine pflanz-

»Wir leben von armen Ländern

ein. Über die Hälfte der Deutschen sind nologien dringend erforderlich. »Es ist rückzuführen. Durch Industrialisierung lich betonte Ernährung ist deutlich
übergewichtig. Viele Krankheiten wie nicht leicht, das System umzugestalten.« und Globalisierung sind Lebensmittel gesünder – für uns und die Umwelt.

und auf Kosten anderer« Diabetes Typ 2, aber auch Krebsarten

Alles hängt miteinander zusammen: Bei
der Ernährung ist offensichtlich: Mensch,
Tier, Klimawandel und Umwelt müssen
zusammengedacht werden. Dass Essen
nicht nur mit Sattwerden, Abnehmen
und der individuellen Gesundheit zu tun
hat, thematisierte das ZEIT FORUM
Gesundheit am 11. Mai. Die Leitfrage der
ZEIT-Veranstaltung: »Gesund, gerecht,
global: Wie ernähren wir uns besser?«
»Was wir essen, hat Einfluss auf unsere
Gesundheit und auf die Umwelt«, betonte
Dr. Ulrike Schneider. Die Leiterin des Else
Kröner Fresenius Zentrums für Ernäh-
rungsmedizin begrüßte das Publikum live
am Veranstaltungsort in Berlin und digi-
tal an den Monitoren und steckte den
Rahmen ab. Es gelte insbesondere in
Richtung Prävention zu besprechen,
»welche geänderten Rahmenbedingun-
gen der Staat schaffen muss, damit der
Mensch sich und seine Umwelt gesund
erhält«. Über diese und viele andere Fra-
gen diskutierten die Parlamentarische
Staatssekretärin des Bundesministeri-
ums für Ernährung und Landwirtschaft
Dr. Manuela Rottmann von Bündnis
90/die Grünen, der Vizepräsident der
Welthungerhilfe und Professor für wirt-
schaftlichen und technologischen
Wandel der Universität Bonn, Prof. Dr.
Joachim von Braun, sowie Prof. Dr. Hans
Hauner, Direktor des Else Kröner Frese-
nius Zentrums für Ernährungsmedizin
der TU München. Durch die Veranstal-
tung führte Linda Fischer, Redakteurin
im Ressort Wissen von ZEIT ONLINE.
Appell für artgerechte Tierhaltung
& Reduktion des Fleischkonsums
Der interdisziplinäre One Health-Ansatz
beschäftigt sich mit der Beziehung zwi-
schen Mensch, Tier und Umwelt. Eine
»Entfremdung« hat Politikerin Manuela
Rottmann festgestellt: »Wir wissen nicht
mehr, welches Gemüse zu welcher Jah-
reszeit Saison hat und wann wir es mit
hohem CO₂-Fußabdruck einfliegen las-
sen.« Manuela Rottmann betonte, dass
»viele Faktoren außerhalb der Politik
angesiedelt sind«. Die Verbraucher:innen
hätten etwa ein großes Bedürfnis, ihren
Wocheneinkauf per Auto im Supermarkt
en gros zu erledigen. Das sei ein »Treiber
für den Verzehr von Fertignahrung«.
Diese stufen Ernährungswissenschaftler
weltweit als besonders krankmachend
und Bluthochdruck, Herzinfarkt oder
Schlaganfall korrelieren mit schlechten
Ernährungsgewohnheiten.
Besonders belastend für die Umwelt
sei die Massentierhaltung, da sie einher-
gehe mit einem hohen Einsatz von pflanz-
lichen Futtermitteln, betonte Prof. Dr.
Hans Hauner. Für ein Kilogramm Fleisch
müsste die fünffache Menge an Pflanzen
kalkuliert werden. Auch deshalb und fürs
Tierwohl wünscht sich der Ernährungs-
mediziner »eine schnelle Umstellung auf
artgerechte Tierhaltung«.
Außerdem plädierte er dringend für
eine Rückkehr in die regionale Kreislauf-
wirtschaft der 60er Jahre. »Wir leben von
armen Ländern auf Kosten anderer«. Es
wäre ein Gebot der Ethik, sich auf die
eigenen Ressourcen zu besinnen.
Wie aber kann weltweit ein System-
wandel gelingen? Beim Ernährungsfuß-
abdruck müsse man ganze Foodsysteme
betrachten, forderte der Vizepräsident
der Welthungerhilfe, Joachim von Braun.
Dazu gehörten auch die Jobs, die Märkte,
die Vernetzung mit Klima und Umwelt.
Als Beispiel nannte von Braun die Ver-
sorgung mit Obst und Gemüse. Es gebe
derzeit auf der Welt nicht genug für alle,
selbst bei gerechter Verteilung, deshalb
seien auch Innovationen und neue Tech-
Doch es sei nötig, denn jetzt schon – und
nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine –
befände sich die Welt in einer gravieren-
den Hunger- und Ernährungskrise.
Wie könnte eine nachhaltigere Ernäh-
rung überhaupt aussehen? Es herrschte
Einigkeit, dass jeder von uns seinen Obst-
und Gemüsekonsum verdoppeln und den
Fleisch- und Zuckerverzehr halbieren
müsste, um gesundheitlich zu profitieren
und den Planeten zu schützen. Doch auch
bei uns sei gar nicht genug Obst und
Gemüse vorhanden. Von Braun forderte
konkrete Lenkungsmaßnahmen von der
Politik, etwa fiskalischer Natur, aber auch
mehr positive Anreize durch Nudging.
Wenn man im Supermarkt bunte Fuß-
spuren auf den Boden male, die direkt in
die Salat- und Gemüseabteilung führen,
werde davon mehr gekauft.
Manuela Rottmann versprach ein kon-
kretes Eingreifen der Politik: Ein Werbe-
verbot für Lebensmittel, die auf Kinder
zielen, werde kommen, ebenso eine
Zuckerreduktionsstrategie. Auch soll ein
staatliches Tierhaltungskennzeichen ein-
geführt werden. Diskutiert werde die
Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse
runter-, die für Fleisch raufzusetzen.
Details zur Veranstaltung und den
Videomitschnitt finden Sie unter
www.zeit.de/forumgesundheit
bei uns billig und reichlich vorhanden,
doch die Nährstoffzusammensetzung
hat sich eher verschlechtert: zu viel
Zucker, Palmöl und Salz. Wir essen zu
viel, wir essen uns krank. Außerdem
sind Landwirtschaft und Ernährungs-
industrie zu einem Drittel für den Kli-
mawandel verantwortlich. Es ist eine
Menschheitsaufgabe, die Überlastung
der begrenzten natürlichen Ressour-
cen zu minimieren.
Wie sieht aus Ihrer Sicht eine gute
Ernährung aus?
Heute haben viele keine Zeit zum Ko-
chen und leben von hoch verarbeiteten
verzehrfertigen Lebensmitteln und
Fastfood, die überall angeboten wer-
den. Ein Problem ist dabei auch der
hohe Fleischkonsum. Wir verschwen-
den 60 Prozent der pflanzlichen Nah-
rungsmittel nur fürs Tierfutter. Welt-
weit sind sich die Experten einig: Wir
müssen zurück zu einer stärker natur-
belassenen, pflanzlich betonten Kost
mit maximal 300 bis 600 Gramm
Fleisch und Wurst aus artgerechter
Eine Veranstaltung von: In Zusammenarbeit mit:
Welche Wünsche haben Sie an
die Politik?
Die Politik muss endlich konsequent
Weichen stellen, um den Weg hin zu
einer gesunden Ernährung zu erleich-
tern. Um den Fleischkonsum zu redu-
zieren, wäre es sinnvoll, die Mehrwert-
steuer auf Fleisch zu erhöhen und die
für Obst und Gemüse zu reduzieren.
Es braucht von der Politik definierte
Rahmenbedingungen, damit eine
gesunde Wahl leichter wird. So könnte
eine Zuckersteuer dem fast eine Milli-
arde Euro schweren Werbeetat der
Süßwarenhersteller Paroli bieten. In
etwa vierzig Ländern gibt es sie schon,
und sie zeigt Wirkung. Dass gerade die
Lebensmittel am billigsten sind, die
hohe gesellschaftliche Folgekosten
durch ernährungsabhängige Krank-
heiten oder Umweltschäden verursa-
chen, muss sich ändern. Statt von den
Verbrauchern zu verlangen, bei jedem
Einkauf zum teureren Produkt zu grei-
fen, braucht es eine auf Nachhaltigkeit
ausgerichtete Preisbildung.
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 DOSSIER 17

sonst will der globale Süden diese Wende für sich
nicht« ließe sich leicht einwenden, dass es der glo­
bale Süden wahrscheinlich ganz gut fände, wenn
der reiche Norden mit seiner langen Emissions­
geschichte zugunsten der Ärmeren auf dieser Erde
auf das ein oder andere verzichtete. Doch geht es
auch hier gar nicht um irgendeinen argumentati­
ven Gehalt, sondern um die Abwehr einer schwer
erträglichen Kränkung. Denn mit ihrem Aus­
weich-Argument hüllen sich die reichen Länder
gewissermaßen in die weitaus existenzielleren Nöte
von Kongolesen und Philippinern, von den Be­
wohnerinnen Madagaskars oder Indonesiens. De­
ren Naturzerstörung kann schließlich durch das
eigene Überlebenwollen legitimiert werden, jeden­
falls besser als im globalen Norden.
Warum aber wird für uns im Norden die At­
mosphäre erhitzt, der Regenwald abgeholzt, das
Meer leer gefischt, wozu werden die Flächen ver­
siegelt und die »Nutz«tiere gequält? Für eine in der
Geschichte der Menschheit beispiellose Bequem­
lichkeit, für ebenso andauerndes wie achtloses
Fleischessen, für mehr Kleider, als man tragen
kann, für mehr Konsumgüter im Haus, als man
zählen kann, für die Beschleunigung von null auf
hundert in fünf Sekunden. Und so weiter. Wir
sind nicht rücksichtslos, um Epochales zu leisten,
sondern rücksichtslos, um Dinge zu tun, die wir
eigentlich gar nicht gut finden. Darin liegt eine ge­
waltige Selbstkränkung des (reichen) Menschen.
6. Die Bestie der Normalität
Nichts hat eine solche Macht über uns wie die
Normalität. Denn sie bedeutet ja nicht bloß die
Abwesenheit des Ungeplanten und Disruptiven,
nein, Normalität will mehr sein, nämlich Privileg
und Egalität in einem. In den reichsten Ländern
der Erde hat sich im Laufe der Geschichte etwas
als Alltag herausgebildet, das nicht nur harmlos
das eben »Übliche« bezeichnet, sondern vielmehr
einen Anspruch formuliert: auf einen für viele ge­
radezu fantastischen Luxus an Konsum, an Si­
cherheit, aber auch an Mobilität sowie an all jenen
Vergnügen, die die unterschwellige Ödnis der
Normalität aufspritzen. Wir springen per Flug­
zeug über Ozeane, und der Kaffee vibriert leise
auf den Klapptischen.
Fast alle Gesellschaften der Erde werden extrem
nervös, wenn das BIP mal nicht steigt. Stets wird
das jeweils erreichte Maximum an so gemessenem
Wohlstand sogleich zum absoluten Minimum er­
klärt. Normalität ist darum ein zutiefst wider­
sprüchliches Projekt – ein expandierendes, um
nicht zu sagen explodierendes Steigerungs­
programm und zur selben Zeit ein fast schon­
utopisch überambitioniertes Stabilitätsversprechen,
das Schutz bieten soll vor dem Extremen und vor
denkbaren Katastrophen. Nach dem Motto: So­
lange alles normal läuft, passiert auch nichts wirk­
lich Schlimmes.
Die doppelte Widersprüchlichkeit von Schutz
und Expansion sowie von Privileg und Alltäglichkeit
ist eine höchst fragile Angelegenheit. Es bedarf
enormer mentaler und logistischer Anstrengungen,
um diese Art von Normalität herzustellen oder sie
sich auch nur einzubilden. Beziehungsweise es be­
durfte. Denn nun sind wir in einer Phase der Ge­
schichte angekommen, in der die Normalität den
Schutzraum vor dem Extremen, Ungeplanten oder
gar Katastrophalen immer weniger zu bieten ver­
mag. Und, noch viel gravierender: Die Normalität
erzeugt aus sich heraus ebenjenes Extreme, Unge­
plante oder gar Katastrophale. Wir gehen arbeiten,
wir fahren Auto, wir essen, wir reisen, wohnen und
kaufen uns ab und zu was Schönes oder auch jeden
Tag – und nebenher stirbt der Regenwald, erhitzt
sich die Erde, trocknen die Flüsse aus, sterben die
für viele politische Aspekte unseres Lebens. Und zwar
überall dort, wo die politische Materie darin besteht,
die Interessen und Sorgen verschiedener Gruppen
zusammenzubringen. Menschen lassen mit sich re­
den, und wenn nicht, dann kann man sie vertrösten
oder auch mal weghören, wenn es nicht allzu viele
sind. Die Edelfäule des Kompromisses und die fade
Tröstlichkeit des Später sind für gewöhnlich unab­
dingbare Bestandteile politischer Prozesse: Klar
hätte man sich die Reformen irgendwie schneller ge­
wünscht, aber die positiven Entwicklungen in ihren
kleinen kontrollierten Schritten waren noch immer
positive Entwicklungen. Wenn es der Vater nicht bis
an die Uni schafft, dann die Tochter; wenn der Soli
dieses Jahr nicht abgeschafft wird, dann eben im
nächsten. Und das ist wichtig. Denn man kann sich
ja gut fühlen mit der Kleinheit all der Schritte in die
richtige Richtung, wenn sie garantiert, dass bloß
niemals ein großer Schritt in die falsche Richtung
kommt. Aber so ist die Klimakrise eben nicht. Die
Geschwindigkeit ist Teil der Krise.
Das Klima lässt bekanntermaßen nicht mit sich
verhandeln und orien­tiert sich nicht an unseren
Konsens­bemühungen, sondern einzig und allein an
Foto: Leonardo Scotti
keine hinreichenden Kriterien mehr, zumindest
keine klimarelevanten.
Wie viele andere Probleme der ökologischen
Kränkung, so ist auch das politische oder demo­
kratische prinzipiell durchaus lösbar. Politik und
Me­dien müssten dafür allerdings weit mehr als bis­
lang darauf achten, dass es nicht nur um die poli­
tische Mitte zwischen links und rechts oder den
Kompromiss zwischen Interessengruppen geht,
sondern auch um die Mitte zwischen subjektiven
Ansprüchen und objektiven, physikalischen Tat­
beständen sowie um die zwischen Gegenwart und
naher Zukunft. Wo Externalisierung der Neben­
folgen nicht mehr möglich ist, wird ihre recht­
zeitige Internalisierung zum Wesenskern demo­
kratischer Politik. Freiheit besteht heute immer
auch in der Abwehr kollateraler Zwänge.
8. Und alles aus Versehen
Auf der einen Seite also ahnen wir, dass der politische
Apparat sich inhärent mit der Thematik schwertut,
wir erleben die Verheerungen der Verzögerung. Auf
andererseits sind wir alle zusammen dann doch wie­
der an allem schuld. Schuld und Unschuld, Kom­
plizenschaft und Ohnmacht flackern hier auf kaum
erträgliche Weise.
Was heißt es überhaupt, zu handeln? Schließ­
lich schmiedet kaum jemand geheime Pläne für
den Klimawandel, nur: Das Verhalten der Einzel­
nen führt ihn herbei, ohne ihn zu wollen. Unser
Bild des autonomen Akteurs, der einen Entschluss
fasst und diesem Entschluss entsprechend handelt,
passt schlicht nicht auf die Realität der Klimakrise.
Eine Krise, die so fundamental und umfassend ist
wie diese, blamiert unser ganzes Wollen. Wir stol­
pern geradezu durch die nicht intendierten Folgen
unseres Tuns, wir sind deliberative Tölpel.
Und wissen es.
9. Beschämte Freiheit
Wenn es aber stimmt, dass die Menschen im tiefsten
Inneren gekränkt sind von dem, was sie selbst be­
wirken, welche Folgen hat das dann für den schönsten
politischen Begriff, den die Menschheit je erfunden
wissen, was geschehen sein musste, bevor er dies tun
konnte, und was passieren würde, sobald er es getan
hatte. Die Sicherung der Ölversorgung durch das
Militär, gegebenenfalls durch Kriege; die Subventio­
nierung von Petro-Autokratien, die dann im zweiten
Schritt mit unserem Geld unsere freiheitlichen Gesell­
schaften bedrohen; die Zerstörung von Landschaften
zur Beschaffung der Rohstoffe, die für den Bau eines
Autos benötigt werden; die Wohnraumknappheit in
den Städten nicht zuletzt wegen der Bedürfnisse des
Autoverkehrs; die Verkehrstoten; die Zerstörung von
Wäldern und Auen für die Autobahnen; die Zersie­
delung der Landschaften; die CO₂- und Stickoxid-
Emissionen; der Feinstaub vom Reifenabrieb – um
nur mal einen kleinen Ausschnitt der Kollateral-
Voraussetzungen und der Kollateralschäden des
motorisierten Individualverkehrs zu zeigen. Von
alldem wurde der Mensch bei der Ausübung seiner
automobilen Freiheit lange verschont.
Nun lässt sich argumentieren, dass wir über­
haupt nichts mehr tun könnten, wenn wir stets
und immer alle möglichen Nebenfolgen unseres
Handelns berücksichtigen müssten. Das stimmt,
der Schmetterling würde es nicht mehr wagen,
mit dem Flügel zu schlagen, wenn er wüsste, dass
er damit womöglich einen Orkan auslöst. Aller­
dings sind die Proportionen beispielsweise beim
Auto genau umgekehrt: Es müssen ständig Orka­
ne ausgelöst werden, damit am Ende ein Flügel
geschlagen werden kann. Die Nebenwirkungen
unseres Tuns sind in Wahrheit die Hauptwirkun­
gen. Und das Nichtwissen um diese Wirkungen
ist nicht der Schleier, den die Freiheit eben auch
braucht, vielmehr ist es hochgradig neurotisie­
rend; zwanghaft muss das Offensichtliche ver­
drängt werden. So verwahrlost dieser Freiheits­
begriff zum Anspruch, konsumieren zu dürfen,
ohne von den Folgen wissen und dafür einstehen
zu müssen. Er ist essenziell anti­aufklä­re­risch.
So offensichtlich das alles sein mag, so sehr
kann die Des­illu­sio­nie­rung gleichwohl schmerzen.
Weil es eine ganze Weile sehr schön war, den
Zündschlüssel zu drehen, den Fahrtwind zu genie­
ßen und nichts weiter. Nur dass es sich eben im
Nachhinein gesehen weniger um eine Freiheit
handelte als um ein vergängliches Privileg. Das
nun eben vergangen ist.
Schade eigentlich.
Kränkung und Heilung
Mit der ökologischen Kränkung wäre ein Teil je­
ner gewaltigen Kraft porträtiert, die zumindest
den westlichen Menschen davon abhält, sich mit
der Klima­ krise in der ihr eigenen Größe und
Dringlichkeit zu befassen. Die vermutete Verlet­
zung ist eben größer als die manifeste Bedrohung.
Der Mensch leidet stärker unter seiner Kränkung
als unter der Krankheit der Erde?
Was folgt daraus? Freud ging davon aus, dass
die kosmische, die biologische und die psycholo­
gische Kränkung in dem Moment an Wucht ver­
lieren, da man sie ausspricht. Das Ahnen hat mehr
Macht über unsere Psyche als das Wissen, das
Fürchten mehr als die Gefahr, das Verdrängen
mehr als das zu Verdrängende. Darauf kann man
auch bei der vierten Kränkung hoffen, immerhin
ist sie bisher nicht Teil eines breiten öffentlichen
Diskurses, allenfalls lugt sie hier und da hervor.
Doch das Aussprechen allein würde hier nicht ge­
nügen. Denn bei Freuds Kränkungen sind die
Menschen nicht dafür verantwortlich, dass die
Erde sich um die Sonne dreht, die Vorfahren des
Menschen keine Menschen waren und das Es im
Ich ein liederliches Regiment führt.
Genau das ist bei der Klimakrise anders. Sie ist
menschengemacht und durch Menschen zu lin­
dern. Man kann sich auch nicht an sie gewöhnen,

Insekten, fliehen Abermillionen Menschen vor den weil sie »von allein« immer schlimmer wird. Inso­
Fluten oder vor der Trockenheit. fern vermag man diese neue Kränkung nicht
Was ist da los? Die Normalität ist der Notfall, der durch bloßes Aussprechen und Hinnehmen zu
Alltag ist die Bestie? Nicht mal Horrorfilme sehen so heilen, stattdessen bedarf es eines anderen Tuns.
etwas vor. Die beginnen üblicherweise mit einer Karl Marx hat gesagt: »Die Philosophen haben
Idylle, bei der man schon nach wenigen Sekunden die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt
weiß, dass sie zerstört wird. Fast immer kommt dabei darauf an, sie zu verändern.« Na, das war oft

Kann die Demokratie schnell

die Störung von außen, von Zombies, A ­ liens oder falsch, weil es die Philosophie verengt hat. Bei der
Serienmördern. Und nun das: Die Idylle ist der A ­ lien, Klimakrise jedoch trifft es zu. Sie wird uns krän­
der Kühlschrank sein Raumschiff. ken, solange sie voranschreitet, man kann sie
Das kann doch wohl gefälligst nicht wahr sein! nicht weginterpretieren, nur real bremsen.

7. Die Grenzen der Politik genug handeln? Wer weiß. Eine Menschheit beispielsweise, die sich gegen die
neue Fatalität stemmt, würde sich damit eine neue
Menschheitsgeschichte schaffen, eine beschädigte,

Sie versucht es ja nicht einmal

Bisher war von Aspekten der ökologischen Krän­
kung die Rede, die uns davon abhalten, uns der
Klimakrise nüchtern zu stellen und das zu tun,
was der Größe der Problematik einigermaßen an­
gemessen wäre.
Doch nicht nur für unsere Bereitschaft zu handeln
ist der Klimawandel ein einzigartiges Problem, son­
dern generell für unsere politischen Lösungsmecha­
nismen, für das Wie des Politischen. Die Klimakrise
stellt, was Politik gar nicht gerne mag, unwegnuschel­
bare, klar quantifizierbare Anforderungen in den
Raum, und obendrein setzt sie – was Politik noch
weniger erträgt – Fristen, und zwar kurze. Zeit ist
heute kein Politik ermöglichender, sondern ein die
Politik begrenzender und strukturierender Faktor. Es
gibt nicht mehr genug Holz für eine lange Bank.
Die Frage, ob unser demokratisches System zu
langsam ist für die Klimakrise, steht schon länger im
Raum. Nicht dass man sie einfach beantworten könn­
te. Woher will man auch wissen, ob die Demokratie
schnell genug handeln kann, wenn sie es nicht einmal
ernstlich versucht? Doch wie sähe es denn aus, wenn
eine Demokratie wirklich handeln wollte? Wie genau
unterscheidet sich die Klimakrise von den Krisen und
Problemen der Vergangenheit?
Die Grundlage der vergangenen Jahrzehnte war,
dass gewollt kontrollierte Politik kontrolliert zu ge­
wollten Ergebnissen führt. Durch das Tempo der
politischen Debatte wurde auch das Tempo der­
politischen Materie bestimmt. Das gilt noch immer
unseren Emissionen. Und mittlerweile haben wir uns
so viel Zeit genommen, die uns die Natur nie gegeben
hat, dass es vom politischen Gefühl her großer, um
nicht zu sagen revolutionärer Handlungen bedarf,
um naturwissenschaftlich gesehen kleine Ergebnisse
zu erzielen. Dieselben Maßnahmen, die vor 30 Jahren
gereicht hätten, wären heute ein Tropfen auf den
mittlerweile doch sehr heißen Stein.
Diese gewissermaßen chronokratischen Verände­
rungen berühren einen Kern des Politischen. Denn
im Ausfechten der Interessen verschiedener Gruppen
hat das Verhandeln selbst, das Bürokratische, das
Langsame einen Eigenwert gehabt. Das Überführen
von blutigen Prozessen in blut­arme, gern auch mal
blutleere Verhandlungsmaterie, diese Pazifizierung
dessen, worüber geredet wird, ist einer der großen
Pfeiler einer friedlichen Gesellschaft. In der Krisen­
diplomatie gibt es den Spruch: »Solange geredet wird,
wird nicht geschossen.« Aber solange nur geredet
wird, wird weiter emittiert. Die Zufriedenheit der
Verhandelnden und ein friedsamer Verlauf sind
der anderen Seite fühlen wir uns als Einzelne ohn­
mächtig. An dieser Stelle sind wir mit einem beson­
ders schmerzlichen Kränkungsaspekt konfrontiert,
weil er so persönlich ist. Hier ahnen wir nicht nur das
Verstörende an der Klimakrise, sondern wir fühlen
es in uns selbst, sehen es in unseren Freundinnen und
Freunden, unseren Kindern oder Eltern. Cli­mate
anxiety nennt sich das dann, man sorgt sich, ohne
vorsorgen zu können. Aber diese anxiety, diese Sorge,
ist eben begründet, sie ist keine Überreaktion auf
antizipierte Ereignisse, sondern eine rationale Reak­
tion auf bewiesene Entwicklungen.
Mit anxiety kann man üblicherweise umgehen,
wenn man sich vor Augen führt, wie klein das Pro­
blem doch eigentlich ist und wie viel Kontrolle man
de facto über die Situation hat. Im Falle der Klima­
krise können wir Individuen das Problem aber gerade
nicht lösen. Als Einzelne haben wir keine Macht über
die globalen Entwicklungen. Einerseits könnte der
Hebel für jede Einzelne kaum kleiner sein (jeder
Mensch ist nur ein Acht­mil­liar­dens­tel Menschheit),
aber doch keine beschämende. Eltern, die alles in
ihrer Kraft Stehende tun, um die materiellen Voraus­
setzungen der Freiheit und des Wohl­erge­hens ihrer
Kinder zu erhalten, können mit diesen Kindern
wieder anders sprechen. Die Politik könnte sich neue
Regeln geben, die biografische Kränkung würde
durch Neugier und neues Denken relativiert, der
Mensch als planendes Wesen könnte wieder zu Ehren
kommen, indem er Eingriffstiefe und Eingriffsheftig­
keit verringert, das Wissen über die Folgen systema­
hat – die Freiheit? Für viele, für die allermeisten tisch erhöht und so den kollateralen Anteil seines
Freiheiten, die wir genießen, hat der ökologische Fall­ Tuns aktiv verringert. Er könnte nebenbei erwachse­
out unseres Tuns keine unmittelbare Wirkung:­ ner werden, indem er aufhört, wie ein trotziges Kind
Versammlungsfreiheit, Gewerbefreiheit, Meinungs­ die Nebenwirkungen seiner Konsum- und Reisefrei­
freiheit, Wahlfreiheit, Tariffreiheit, Freiheit der Be­ heit zu leugnen und damit einen der wichtigsten
rufswahl und der Wissenschaft – all diese Freiheiten Werte der Welt – die Freiheit – zu banalisieren.
bleiben weitgehend unberührt. Anders sieht es mit Ja, es handelt sich bei der ökologischen Wende
jenen Freiheiten aus, die durch ihre spezifische, im um eine der größten Transformationen in der Ge­
fossilen Zeitalter eingeübte Ausübung zur ökolo­ schichte der Menschheit. Auf der anderen Seite
gischen Zerstörung beitragen: Autofahren, Fleisch­ war diese Menschheit aber auch noch nie so wis­
essen, Vielfliegen, Überkonsum von Kleidung und send, so mächtig, so vernetzt wie heute. Die Vo­
so weiter. Mithin aller Freiheitsgebrauch, der über raussetzungen sind da, das Problem ist weder wis­
den Umweg seiner »Nebenwirkungen« zu einer senschaftlicher noch technischer Natur, sondern
Massierung von Zwängen führt. rein mental.
Bislang gelang es der Gesellschaft, dem Staat, der Man muss die vierte Kränkung also nicht ein­
Wirtschaft und der Werbung ganz gut, den Men­ fach ertragen. Man kann etwas dagegen tun, was
schen die Kollateralschäden ihres eigenen Tuns vom doch recht tröstlich ist. Und sehr würdig.
Leib zu halten und den Freiheitskonsum als einen
reinen, unschuldigen Akt erscheinen zu lassen. Der Bernd Ulrich ist stellvertretender
Mensch, der den Zündschlüssel dreht oder den An­ Chefredakteur der ZEIT. Sein Sohn Fritz Engel
lasserknopf drückt, sollte und wollte möglichst nicht promoviert in Philosophie
18
Zur Ausgabe Nr. 23
Frieden schaffen mit
weiblichen Waffen?
Kristina Lunz:
»Power sucht Frau«  ZEIT NR. 23
Mit großem Interesse las ich Kristina Lunz’
Plädoyer für eine feministische Außenpolitik.
Diese kritische Perspektive auf internationale
Sicherheitspolitik verdient in meinen Augen
Aufmerksamkeit. Am meisten macht mir in
Kriegen die Selbstverständlichkeit zu schaf­
fen, mit der Frauen, Kinder und Jugendliche
entwürdigt und verletzt werden. Die in Krie­
gen erlittene Gewalt wird unter Umständen
durch mehrere Generationen weitergegeben,
denn Kinder lernen aus dem Verhalten der
Erwachsenen, welchen sie anvertraut sind. 
SUSANNE SPÖHRER , KÜNZELSAU
Ich habe selten einen schlechteren Artikel
zum Thema Außenpolitik gelesen. So erfah­
ren wir, dass angeblich (Quelle fehlt) zehn
Männer auf eine Frau als Täter bei Gewalt­
verbrechen kommen und deshalb eine femi­
nistische Außenpolitik besser sei.
Wieso Kriminelle mit Außenpolitikern gleich­
zusetzen sind, bleibt offen. Und ebenso, wie
man Despoten wie Wladimir Putin oder
Wahnsinnige wie Adolf Hitler mit einer fe­
ministischen Außenpolitik aufhalten möchte.
Außenpolitik sollte, wie Politik generell, nicht
männlich oder feministisch, sondern sinnvoll
sein. VOLKER V. MOERS , PER E-MAIL
Die feministische Außenpolitik, die Annalena
Baerbock ankündigte, hat noch viele patriar­
chale Strukturen. So tritt Frau Baerbock etwa
für die Lieferung schwerer Waffen an die
Ukraine ein, mittels derer sie Putin »vernich­
ten« will. Diplomatie ist in der feministischen
Außenpolitik dagegen derzeit nicht gefragt.
Das konnten die Herren vor ihr besser. 
MIRIAM ABU -HESEN , K ARLSRUHE
Frau Lunz verknüpft in ihrem Beitrag die
Stellung von Frauen in einer Gesellschaft mit
deren Wirtschaftsleistung, Gesundheitsschutz,
Ernährungssicherheit und so weiter. Dadurch
wird suggeriert, dass der »Feminismus« eine
Voraussetzung dafür ist. Der Kausalzusammen­
hang könnte aber auch umgekehrt sein, die
alte Frage nach Henne oder Ei.
Das gerade noch wegen seiner feministischen
Außenpolitik gelobte Schweden reduziert
Entwicklungsgelder für Gleichberechtigung,
um ukrainische Flüchtlinge zu unterstützen.
So scheint feministische Außenpolitik ein
Luxus zu sein, den sich reiche Länder leisten,
solange ausreichend Geld da ist.
DIRK HOPPE, PER E-MAIL
Seit Beginn des Krieges beobachte ich diesen
archaischen Ablauf und bin fassungslos. Im
Großen und Ganzen: Alle Männer an die
Waffen, Frauen, Kinder und Alte in die Keller
oder auf die Flucht.
Ich habe mich gefragt, wie denn eine Alterna­
tive aussehen könnte. Ob es überhaupt Al­
ternativen dazu gibt. Was wäre wohl passiert,
wenn alle Bewohner der Ortschaften, auf die
die russische Armee gestoßen ist, aus ihren
Häusern auf die Straßen gegangen wären,
Frauen, Kinder und Alte zuerst, und nicht
gewichen wären? Wenn sie dabei nicht feind­
selig, sondern mit offenen Augen auf die
Menschen geschaut hätten, die Soldaten ge­
worden sind?  SIBYLLE RIFFEL, PER E-MAIL
BEILAGENHINWEIS
Die heutige Ausgabe enthält folgende Publikationen
in einer Teilauflage: Linvosges S.A.S., FR-75016
Paris; Pro-Idee GmbH & Co. KG, 52053 Aachen
ANZEIGE
Newsletter abonnieren und
10 € Gutschein sichern
Entdecken Sie mit uns einfach und bequem Designklassiker und exklusive Sondereditionen,
einzigartige Bücher und außergewöhnliche Kunst sowie Geschenkideen
für jeden Anlass, und profitieren Sie von limitierten Angeboten und Rabatten.
shop.zeit.de/newsletter
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg; Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser
111512_ANZ_371x80_X4_ONP26 1
LESERBRIEFE
Diva im Dilemma
Zum Interview »Russland, was du mir abverlangst!« mit Anna Netrebko  ZEIT NR. 23
Warum widmet die ZEIT der »berühmtesten
Opernsängerin der Welt« eine ganze Doppelseite?
Anna Netrebkos Nähe zu dem Verbrecher Putin
steht außer Frage. Jetzt versucht sie zurückzu­
rudern und sucht Erklärungen für ihr Verhalten
– muss diese moralische Verfehlung noch breit­
getreten werden? GUIDO BATHE, BERLIN
»In der allergrößten Not führt der Mittelweg zum
Tod« – diese »68er-Weisheit« gilt sowohl für Anna
Netrebkos Haltung zum Ukraine-Krieg und zu
Putin als auch für das Interview selbst. Wenn
hier, wie Sie schreiben, die Passagen abgeschwächt
oder sogar gestrichen wurden, »die Netrebkos
Karriere mutmaßlich schaden könnten, weil sie
den Star in Russland als zu westlich und im Wes­
ten als zu russisch oder regierungsnah erscheinen
ließen«, dann ist das kein Interview mehr.
In jeder seriösen Redaktion wird die Veröffent­
lichung in solchen Fällen abgelehnt. 
WILFRIED MOMMERT, BERLIN
Sollen heutige Studenten noch mit den Werken
von Vol­taire oder Immanuel Kant vertraut ge­
macht werden? Schließlich waren beide bekannte
Anti­semi­ten. Sollte man vor dem Studium so­
kratischer Gedanken nicht dessen Haltung zu
Kriegsverbrechen im Peloponnesischen Krieg
untersuchen?
Es ist unglaublich, wie pharisäerhaft sich auch die
ZEIT darin hervortut, bekannte Künstler zu ei­
nem modernen Autodafé in ihre Spalten zu zer­
ren, wohlwissend, dass sich bei einem falschen
Wort die ganze Moralelite auf sie stürzen wird.
Gestern hui, heute pfui. Wie es der Zeitgeist eben
verlangt.
Von einem Künstler wird heute erwartet, dass er
selbstverständlich berufliche Nachteile in Kauf
Neue deutsche Zaghaftigkeit
Jörg Lau: »Was will Scholz?«  ZEIT NR. 23
Kann die ZEIT nur noch Scholz-Bashing? Ich er­
innere mich kaum daran, einen positiven Artikel
über den Bundeskanzler gelesen zu haben.
Für mich als Leser ist diese einseitige Meinungs­
mache kaum noch zu ertragen. 
RÜDIGER PAUL, PER E-MAIL
Macht Olaf Scholz alles falsch? Nein, im Gegen­
teil, er macht fast alles richtig. Statt sich in Kriegs­
rhetorik zu ergehen und über schwere Waffen zu
schwadronieren – geliefert werden sie dennoch,
ohne das groß herauszuposaunen –, versucht
Scholz ebenso wie Emmanuel Macron den Ge­
sprächskanal zu Putin aufrechtzuerhalten. Denn
eins ist klar: Ohne die Einbeziehung Russlands
wird es im Ukraine-Konflikt weder einen Waf­
fenstillstand noch gar eine Friedenslösung geben.
DIETRICH BRIESE, BOBENHEIM AM BERG
Mir schien bisher, Deutschland als Mitglied der
Nato sei noch nicht Kriegspartei in der Ukraine.
Habe ich etwas verpasst?
Warum kann auf der ersten Seite der ZEIT nach
Kriegszielen gefragt werden in einem Krieg, der
erklärterweise nicht geführt werden soll? Wollen
Sie einen?
Ich hoffe von Herzen, dass Herr Putin nicht auf
die Idee kommt, sich im Krieg mit Deutschland
zu befinden. Beim Zustand unserer Bundeswehr,
die sich an erfolglosen Auslandseinsätzen betei­
ligte, anstatt etwas für die Verteidigung zu tun,
wäre das unser aller Ende. 
WOLFGANG PET TER , BERLIN
nimmt und sich opfert für das gute Gewissen der
westlichen Wohlstandsbürger.
Wenn die Kunst nicht mehr ausschließlich für
ihre Werke zuständig ist, sondern auch noch für
die Politik, die Geschlechterfrage und das Klima,
dann wüsste ich nicht, wodurch wir uns angeb­
lich von China oder Nordkorea unterscheiden!
ACHIM HAUCK , BAD SÄCKINGEN
Ich bin kein Operngänger und habe deshalb auch
keine besondere emotionale Bindung zu Anna
Netrebko. Trotzdem fand ich die Fragen teilweise
suggestiv bis inquisitorisch. Da wird von einer
eher unpolitischen Russin verlangt, ihren gewähl­
ten Präsidenten als Diktator zu bezeichnen, ob­
wohl hinter ihm nach Meinung selbst westlicher
Beobachter die Mehrheit steht.
A XEL VOS S , PER E-MAIL
Sich auf die Position zurückzuziehen, man sei ein
unpolitischer Mensch, erscheint mir sehr naiv
und nicht haltbar für einen Menschen, der derart
in der Öffentlichkeit steht und sich selber medial
als Galionsfigur aufgebaut hat.
MARLIES HAVENETH-PAUL, BREMEN
Geht es denn nicht auch – und besonders in der
Oper – um äußere und innere Unterdrückung,
um Helden und Tyrannen?
Aber es kann auch nicht jeder ein Held sein.
GOT THARD PAULUS , STAIG
Die bestialisch Ermordeten von Butscha würden
sich in ihren frischen Gräbern umdrehen (sofern
sie diese letzte Gnade überhaupt erhalten haben),
wenn sie die Titelgeschichte in der ZEIT lesen
könnten. 
PROF. WOLFGANG VON SCHEIDT, AUGSBURG
Woher kommt die deutsche Zaghaftigkeit? Zu­
nächst hatte es den Anschein, als liege die Ursache
in der Mutlosigkeit von Kanzler Olaf Scholz und
in seinen mangelnden Fähigkeiten als Krisen­
manager. Doch die immer neuen, teilweise haar­
sträubenden Rechtfertigungen für die Verweige­
rung der von der Ukraine gewünschten schweren
Waffen lassen erahnen, dass es noch andere
Gründe geben muss.
Beim Besuch einer SPD-nahen Veranstaltung vor
einigen Tagen wurde mir klar, in welchem Di­
lemma sich Olaf Scholz befindet: Die Vertreter
einer mittlerweile recht wohlhabenden Arbeit­
nehmerschaft bauen massiv Druck auf, alles zu
vermeiden, was den Krieg in die Länge ziehen
könnte. Sie haben sich im vergangenen Jahrzehnt
ununterbrochenen Wachstums an einen hohen
Lebensstandard gewöhnt. Der ist offenbar wich­
tiger als ein umfassender Sieg der Ukraine.
Doch es ist mittlerweile bekannt, dass ein Waf­
fenstillstand mit Gebietsgewinnen für Putin nur
ein Schritt auf seinem Weg Richtung Westen sein
wird. Daher wird es allerhöchste Zeit für uns, den
Gürtel enger zu schnallen.
THORSTEN WASMUTH , WARDENBURG
Wer hat die Ukrainer ermuntert, in ihre Verfas­
sung den Nato-Beitritt zu schreiben? Wer hat seit
2014 die Ukraine massiv aufgerüstet und ihre
Soldaten militärisch ausgebildet?
Wer hat in der Nato das Sagen und orchestriert
die ganze Kampagne, die auch in Deutschland
läuft?
JETZT 10 €
GUTSCHEIN
SICHERN!
ZEIT-Edition »Hotels zum Verlieben«
42,90 €* | Bestell-Nr. 40721
Es geht doch wirklich nicht darum, was Putin
dieser ­Grande ­Dame abverlangt, sondern um die
Frage, was Putin der Welt und insbesondere der
Ukraine abverlangt. Da spielt Frau Netrebko
doch nur eine ganz und gar untergeordnete Ne­
benrolle, die keine besondere Beachtung verdient.
ROL AND Z AHN , K ARLSRUHE
Eine Berichterstattung im Feuilleton wäre okay
gewesen, aber auf der Titelseite der ZEIT erwarte
ich keine Künstlerin, die sich schwergetan hat,
sich glaubhaft von Putin zu distanzieren.
Unerträglich!  INGRID WIT TMANN-VOLK , PER E-MAIL
Es reicht nicht, Russen zu bestrafen wie Anna
Netrebko oder Valery Gergiev, die nicht gegen
Putin aufstanden, sondern wir müssen auch die­
jenigen wertschätzen, schützen und fördern, die
es bereits taten. Ihnen sollten wir eine Plattform
geben. RICHARD GR AF, KÖNIGSTEIN IM TAUNUS
»Meine Lippen, die küssen so heiß ...« – wie oft
schon habe ich diese edelste aller Darbietungen
von Weiblichkeit durch Anna Netrebko angehört
und zugesehen, wie sie zur Musik von Franz
Lehár Pirouetten dreht. Was hat diese Ausnahme­
künstlerin der Welt schon alles geschenkt!
Und all das sollte vorbei sein, nachdem sie in
München und New York hinausgeworfen wurde
und daraufhin selbst alle Auftritte absagte? Muss­
te sie sich wirklich von der Welt als Freundin von
Putin geächtet fühlen?
Diesen Bann hat die ZEIT mit ihrem Interview
gebrochen. Hier erfährt die ganze Welt, dass Anna
Netrebko ihre Menschlichkeit bewahrt und als
unpolitischer Mensch bereit ist, der Kunst weiter
zu dienen. Möge dieser friedliche Akt andere in­
spirieren! GERHARD LEMPENAU, STUT TGART
Sie wissen doch auch, dass der Ost-Rand der
Nato ein Baby der USA ist. Deutschland hat hier
immer Zurückhaltung und Deeskalation betrie­
ben, meist zusammen mit den Franzosen. Das
war Deutschlands Führungsrolle, die jedoch jetzt
über den Haufen geworfen wurde.
Dennoch muss Deutschland nicht automatisch
zum Sprachrohr für amerikanische Kriegspolitik
werden. Wenn der amerikanische Präsident Joe­
Biden bei den midterm elections im November
2022 zur ­lame duck wird, wird die Ukraine ganz
schnell jeden Kompromiss annehmen, der nur
irgendwie erträglich ist. Und meinen Sie wirk­
lich, dass mit einer »Führungsrolle« Deutschlands
vorher noch ganz geschwind ein Sieg über die
russischen Eindringlinge erzielt werden kann?
UWE MANNKE, STUT TGART
Die ZEIT-Korrespondentin Amrai Coen unter­
hält gute Beziehungen zur amerikanischen Na­
tional Rifle Association, wie ich ihrem Interview
(»Ich besitze nur 25 Waffen«) entnehmen konnte.
Diese Verbindung zur Waffenlobby könnte man
doch nutzen, um eine Sammelaktion in den USA
zu initiieren. Das wäre gleich dreifach von Vor­
teil: Amerika würde damit ein bisschen sicherer,
und die Ukraine könnte ukrainische Frauen mit
Waffen versorgen, damit sie sich gegen russische
Schützen und Vergewaltiger verteidigen können.
Und auch Olaf Scholz wäre endlich aus dem
Schneider: Er müsste nicht mehr nach neuen
Ausreden suchen, warum er keine Waffen liefert.
JOHN STEVENS , BAD MÜNSTEREIFEL
Set zur Gin-Herstellung
49,90 €* | Bestell-Nr. 33331
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Weitere Leserbriefe finden Sie unter
blog.zeit.de/leserbriefe
Kummerland
Hauptbahnhof
Claas Tatje: »Skandalös und
unprofessionell«  ZEIT NR. 23
Jetzt ist es »endlich« da, das 9-Euro-Ticket!
Kurz darauf ereignet sich ein schweres Zug­
unglück bei Garmisch-Partenkirchen mit
fünf Toten und zahlreichen Verletzten.
Die Bahn pfeift auf dem letzten Loch!
KL AUS P. JAWOREK , BÜCHENBACH
Der europäische Schienenverkehr ist ein
komplexes vernetztes System, bei dem sich
Störungen an unterschiedlichen Stellen aus­
wirken. Will man dies vermeiden, dann sind
Entscheidungen zu treffen, die vertiefte Fach­
kenntnisse über den Zusammenhang des
Betriebes, des rollenden Materials und der
Infrastruktur verlangen. Diese Kompetenz ist
aber nicht gegeben, wenn ein Politiker zum
Vorstand für Infrastruktur ernannt wird.
DR . HANS-JÜRGEN BANGEN , IMMENSTA AD
Ich denke: ICEs sollten unbedingt pünktlich
sein. Überholgleise würden uns allen guttun
und den Streit zwischen Güterzug und Nah­
verkehrszug entschärfen. Es gibt ICE-Trassen,
aber es sind (gefühlt) zu wenige. In New York,
wo die U-Bahn auf vier Gleisen fährt, don­
nern die schnellen Züge in der Mitte durch,
während der Local stoppt. Selbst die Englän­
der können es: Kommt man von Heathrow
Airport, dann fährt die U-Bahn (Piccadilly)
an der langsameren S-Bahn (District) vorbei.
Ich komme gerade aus Japan: Local und
Rapid nutzen teilweise mehrere Gleise, und
der Shinkansen fährt auf Stelzen oder auf
einer eigenen Trasse.
Wer traut sich hier, ernsthaft eine Verdoppe­
lung der Gleise zu fordern? Am Anfang, als
der ICE eingeführt wurde, gab es eine Dis­
kussion über eigene Trassen, mit bekanntem
Ausgang. Magnetschwebebahnen wurden
mit demselben Argument an die Wand ge­
drückt.
Es irritiert mich, dass dieses Land keine Zu­
kunftsentwürfe mehr kann. 
IVO TEWS , AS SOCIATE PROFES SOR IN STRUCTU -
R AL BIOLOGY, SOUTHAMPTON , U. K .
Der Klage über die vielen verkauften Bahn­
hofsgebäude kann ich nicht zustimmen. Ein
kleinerer Haltepunkt braucht kein Bahnhofs­
gebäude, denn im Normalfall hält sich nie­
mand lange dort auf. Er braucht einen Wind-
und Wetterschutz in Form eines Wartehäus­
chens und funktionierende Fahrkartenauto­
maten. Ein nettes Plus wäre es, etwas Verzehr­
bares erwerben zu können, aber auch dafür
braucht man kein Gebäude im Besitz der
Deutschen Bahn.
Viel wichtiger ist, dass auch kleine Halte­
punkte tatsächlich angefahren werden. Wenn
sie, wie zuletzt, reihenweise stillgelegt werden
und die Züge durchfahren, dann ist das ver­
kehrspolitisch fatal. 
CORINNA FRIESEN , BONN
IHRE POST
erreicht uns am schnellsten unter der
E-Mail-­Adresse leserbriefe@zeit.de. Mit der
Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
Ihren Brief in der ZEIT, deren digitalen Aus­
gaben und im Leser-Blog auf www.zeit.de
unter Nennung Ihres Namens und des
Wohnortes zu veröffentlichen. Für den
Inhalt sind Sie als Einsender verantwortlich;
die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung
und redaktionelle Bearbeitung vor. Zudem
können Sie die Texte der ZEIT auf Twitter
diskutieren und uns auf Face­book folgen.
BalanceBoard »das.Brett«
100,00 €* | Bestell-Nr. 31432
10.06.22 11:04
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
D
er Beitrag in der Zeitschrift
Foreign Affairs ist nicht na­
mentlich gezeichnet, »By X«
lautet die Autorenzeile, die
Wirkung des Artikels aber
ist enorm. In geschliffenen
Sätzen schildert der anonyme
Verfasser, mit wem man es im Kreml zu tun habe:
Die Moskauer Machthaber betrachteten jede
Opposition als illegitim und von äußeren Feinden
gelenkt. Sie strebten nach totaler Kontrolle im In­
nern und pflegten den Mythos einer permanenten
Bedrohung von außen. Ihre Außenpolitik sei ge­
prägt von Doppelzüngigkeit. Was als Wahrheit aus­
ge­geben werde, ändere sich mitunter von Woche zu
Woche, von Monat zu Monat. Bezüglich seiner
Ziele aber denke der erste Mann im Kreml in his­
torischen Dimensionen.
Der Kreml-Herrscher, den »Mister X« beschreibt,
ist Josef Stalin. Die Analyse – Titel: The Sources of
Soviet conduct – erschien vor genau 75 Jahren, im
Juli 1947. Hinter dem Pseudonym verbarg sich der
amerikanische Russland-Experte ­George F. Kennan,
der seine Gedanken zu den »Ursprüngen des sowje­
tischen Verhaltens« als hoher Diplomat nur anonym
publizieren konnte.
Bereits im Februar 1946, als viele Amerikaner
noch auf den Fortbestand der Anti-Hitler-Koalition
hofften, hatte der US-Geschäftsträger in Moskau
eine als »langes Telegramm« berühmt gewordene
Analyse der Kreml-Politik an das ­State Department
in Washington gesandt. Wie sein Aufsatz von 1947
liest sie sich beängstigend aktuell: Stalin und die
sowjetischen Machthaber seien von einem tief in der
russischen Geschichte verwurzelten Misstrauen und
einem Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem
Westen besessen, von dem sie sich bedroht und ver­
achtet fühlten. Nichts fürchteten sie so sehr wie den
offenen Austausch mit der Welt, der den »archai­
schen« Charakter ihrer Herrschaft entlarven könnte.
Die entscheidende Triebkraft der sowjetischen Poli­
tik ist nach Kennans Einschätzung nicht das »Feigen­
blatt des Marxismus«, sondern ein paranoides Sicher­
heitsstreben, das nach der Vernichtung aller poten­
ziellen inneren und äußeren Gegner trachte. Deshalb
ordne der Kreml die wirtschaftliche Entwicklung des
Landes der Aufrüstung und der Erweiterung seines
territorialen Machtbereichs unter. In Ländern außer­
halb seines direkten Einflussbereichs bediene sich
Moskau verdeckter Subversion.
Anders als die Nazis, schreibt Kennan,
seien die Sowjets keine Abenteurer
George Frost Kennan, 1904 geboren, tritt mit Anfang
zwanzig in den diplomatischen Dienst ein, früh spe­
zialisiert er sich auf Russland, studiert russische Ge­
schichte in Berlin. In den Dreißigerjahren bekleidet
er Posten in Riga, Prag und Moskau, wohin er 1944
nach weiteren Stationen zurückkehrt. Kaum jemand
in den USA dürfte bei Kriegs­ende einen tieferen Ein­
blick in die russische Politik gehabt haben.
Die Prognose, die er 1946 stellt, ist so düster wie
hellsichtig: Stalins Sow­jet­union sei ein »politischer
Feind«, der keinen dauerhaften Modus Vivendi mit
den USA akzeptieren werde, sondern fanatisch das
Ziel verfolge, ihre soziale Stabilität und internatio­
nale Stellung zu zerstören. Dennoch hält der Diplomat
einen Krieg nicht für unvermeidlich, denn anders als
die Nazis seien die Sowjets keine Abenteurer. »Sie
verschließen sich der Logik der Vernunft, aber sie
verstehen die Logik der Macht.« Zudem sei die Sow­
jet­union schwächer als der Westen. Ob das kom­
munistische Re­gime innerlich gefestigt sei, müsse sich
erst noch erweisen. Kennan hofft, die Sow­jet­union
werde irgendwann an inneren Widersprüchen und
imperialer Überdehnung zerbrechen.
Rund ein Jahr nach dem »langen Telegramm«
finden seine Thesen Eingang in die amerikanische
Politik: Am 12. März 1947 wirbt US-Präsident H ­ arry
S. Truman vor dem Kongress um Zustimmung für
ein Hilfspaket in Höhe von 400 Millionen Dollar für
Griechenland und die Türkei. Beide Länder haben
um amerikanische Militär- und Wirtschaftshilfe
nachgesucht, um sich gegen kommunistische Auf­
stände und Subversion zu wehren. Der Präsident
mahnt, dass es bei der Abstimmung um weit mehr
gehe als um die Stabilisierung zweier Länder im Süd­
osten Europas. Alle Nationen der Welt, verkündet
Truman, stünden vor der Entscheidung zwischen
Freiheit und Demokratie auf der einen Seite und
Terror und Unterdrückung auf der anderen. Es sei die
Pflicht der USA, »den freien Völkern« beizustehen.
Obwohl er die Sow­jet­union nicht ausdrücklich nennt,
besteht kein Zweifel daran, gegen wen sich die
»Truman-Doktrin« richtet.
Die Strategie heißt Eindämmung, containment,
ein Begriff, den Kennan in seinem X-Essay eta­bliert.
Dahinter steht die Einsicht, dass die USA gegen die
Sowjetisierung der Gebiete östlich der Elbe machtlos
sind. Eine weitere Ausdehnung der sowjetischen Ein­
flusssphäre aber soll unbedingt verhindert werden.
Truman setzt dazu auf wirtschaftliche Stabilisierung
und militärische Stärke. Im Juni 1947 unterbreitet
US-Außenminister G ­ eorge C. Marshall seinen Plan
zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft.
Doch ohne militärische Abschreckung, davon ist man
in Washington überzeugt, lässt sich die sowjetische
Bedrohung nicht eindämmen.
Ähnlich sieht es Winston Churchill: Am 5. März
1946 hält der britische Ex-Premier in Anwesenheit
des US-Präsidenten seine berühmte Rede in Fulton,
Missouri, in der er die wirkmächtige Metapher vom
»Eisernen Vorhang« prägt. Auch Chur­chill betont,
GESCHICHTE
Der Kreml-Versteher
»Cool and collected« – gelassen und gefasst: George F. Kennan 1952 in Paris
Vor 75 Jahren verfasste der US-Diplomat George F. Kennan eine Analyse der
Moskauer Politik, die aktueller nicht sein könnte – und prägte damit über
Jahrzehnte die Strategie der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg  VON MANFRED BERG
er glaube nicht, dass die Sowjets den Krieg wollten,
aber der Westen müsse zusammenstehen, um Freiheit
und Demokratie zu sichern. Aus eigener Erfahrung
wisse er, dass die Russen nichts so sehr bewunderten
wie die Macht und nichts so sehr verachteten wie
militärische Schwäche.
Welch überragende Bedeutung das containment
für die US-Außenpolitik gewinnt, zeigt sich 1949 bei
der Gründung der Nato. Zum ersten Mal in ihrer
Geschichte brechen die USA mit dem seit den Tagen
­George Washingtons geheiligten Grundsatz, keine
dauerhaften Allianzen zu schließen. Die Nato soll
mehr als ein herkömmliches Militärbündnis sein: eine
transatlantische Wertegemeinschaft. Der 1955 ge­
gründete Warschauer Pakt der Ostblockstaaten ist
dagegen ein Zwangsbündnis, das nötigenfalls durch
sowjetische »Bruderhilfe« zusammengehalten wird
– so wie 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und
1968 in der Tschechoslowakei.
Eindämmung bedeutet allerdings auch, dass der
Westen die Blockgrenzen respektiert. Der US-Sender
Radio Free ­Europe ermutigt 1956 zwar den unga­
rischen Volksaufstand gegen die sowjetischen Besat­
zer, ein militärisches Eingreifen des Westens kommt
jedoch nicht infrage. Denn seit die USA 1949 durch
die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe
ihr nukleares Monopol verloren haben, beruht das
containment auf einem Gleichgewicht des Schreckens,
das einen rasanten Rüstungswettlauf befeuert. Anfang
der Sechzigerjahre verfügen die beiden Supermächte
zusammen über mehr als 20.000 Nuklear-Spreng­
köpfe. Das Prinzip der »gesicherten gegenseitigen
Vernichtung« macht jeden Angriff zum kollektiven
Selbstmord: Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter!
Obwohl die Welt im Kalten Krieg mehrfach am Rand
111404_ANZ_71x100_X4_ONP26 1
des Untergangs steht – 1962 in der Kuba-Krise oder
im September 1983, als das sowjetische Frühwarn­
system fälschlich einen Erstschlag der USA meldet –,
hält die prekäre Balance bis zum Schluss.
Von Anfang an ist die Eindämmungs-Strategie
umstritten. Die amerikanische Linke plädiert für eine
Fortsetzung der sowjetisch-amerikanischen Zusam­
menarbeit aus dem Zweiten Weltkrieg. Die antikom­
ANZEIGE
Jetzt am Kiosk!
Oder gratis lesen:
www.zeit.de/zg-heft
13.05.22 10:53
Foto: Granger/Shutterstock
munistische Rechte dagegen verurteilt Kennans
containment-Idee als »unmoralisch« (so der Republi­
kaner John Foster ­Dulles), denn sie gebe die Völker
Osteuropas dem Kommunismus preis. Stattdessen
brauche es ein aktives Rollback. Doch auch während
der Regierungszeit Eisen­howers, dem ­Dulles von
1953 bis 1959 als Außenminister dient, bleibt das
Versprechen auf Befreiung Rhetorik.
In der Geschichtsschreibung zum Kalten Krieg
streiten sich seit Jahrzehnten »Traditionalisten«, die
im containment eine erfolgreiche Strategie gegen
den Expansionismus des Sowjetsystems sehen, mit
»Revisionisten«, die Washington für den Kalten Krieg
verantwortlich machen. Erst die aggressive Haltung
Trumans, schreibt der Historiker Arnold Offner, habe
aus einem »schwierigen Verbündeten« einen Feind
gemacht. Die Protagonisten der Eindämmung, lau­
tet ein Hauptargument der Revisionisten, hätten die
kommunistische Gefahr übertrieben, um unter dem
Banner des Antikommunismus die Hegemonie des
US-Kapitalismus zu sichern. Während der Historiker
John ­Lewis Gaddis dem containment attestiert, es
habe zwischen den Supermächten einen »langen
Frieden« ermöglicht, verweisen Kritiker auf die Mi­
litarisierung und Globalisierung der Eindämmung,
die Amerika in Korea und Viet­nam in verlustreiche
Kriege verstrickt und weltweit an autoritäre Regime
und Diktatoren gekettet habe.
George F. Kennan erlebte die gesamte Geschichte
des Kalten Krieges mit – er starb 2005 im Alter von
101 Jahren –, und er verfolgte viele Entwicklungen
mit Skepsis und Argwohn. Konkrete Empfehlungen,
wie die »geschickte und wachsame Eindämmung«,
die er 1947 forderte, umzusetzen sei, hat er in
seinen Analysen nicht gegeben. Nur eines galt für
19
ihn sein Leben lang: Die Sow­jet­union war in seinen
Augen nicht primär eine militärische, sondern eine
politische Bedrohung, der Amerika und der Westen
die Stärke des eigenen Gesellschaftsmodells ent­
gegensetzen mussten. Kennan gehörte daher zu
den frühen Kritikern eines militärischen containment
und der atomaren Hochrüstung. Das amerikanische
En­gage­ment in Viet­nam betrachtete er als schweren
strategischen Irrtum. So blieb ausgerechnet Kennan,
der mit seinen Analysen eine Doktrin formuliert
hatte, die bis 1989/90 die US-Außenpolitik be­
stimmte, im Grunde ein politischer Außenseiter. In
den Neunzigerjahren warnte er eindringlich vor
einer Ost­erwei­te­rung der Nato, die Russland un­
nötig provozieren werde. Kennan wusste um die
Empfindlichkeit der Moskauer Machthaber: 1952
wurde er als Botschafter aus der russischen Haupt­
stadt abberufen, nachdem er die UdSSR indirekt mit
Nazi-Deutschland verglichen und die Sow­jet­union
ihn zur Persona non grata erklärt hatte.
Putins Russland ähnelt immer mehr
Stalins Sowjetunion
Hätte sich nach dem Ende des Kalten Krieges tatsäch­
lich eine liberale Weltordnung durchgesetzt, wären
die Debatten über Kennans ­Ideen heute nur noch
von historischem Interesse. Doch spätestens seit dem
russischen Überfall auf die Ukraine stellt sich die
Frage, ob die Geschichte der Eindämmung Lehren
für den Umgang mit einem Russland bereithält, das
unter Wladimir Putin immer mehr der Sow­jet­union
Stalins ähnelt und dessen aggressiver territorialer
Revisionismus, wie ­George Kennan es 1946 be­
schrieb, in antiwestlichem Ressentiment und groß­
russischem Nationalismus wurzelt. Unmittelbar nach
Beginn des Ukraine-Krieges plädierte Ivo Daalder,
ehemaliger US-Botschafter bei der Nato, in F ­ oreign
Affairs für eine »Rückkehr zu einer robusten Politik
der Eindämmung«, die auf militärischer Abschre­
ckung, wirtschaft­licher Entkoppelung und politischer
Isolierung des Putin-Regimes beruhen müsse. Ein
konsequentes containment, lautet Daal­ders Pro­gno­se,
werde in »fünf bis zehn Jahren den notwendigen
inneren Wandel in Russland« herbeiführen.
Aber hat der Westen so viel Zeit? Auch Putin
kennt die Geschichte des Kalten Krieges und weiß,
dass Russland einen Wirtschaftskrieg und ein neues
Wettrüsten nicht lange durchhalten kann. Die
Aggression gegen die Ukraine begründet er ja aus­
drücklich damit, der »Eindämmung« durch die Nato
präventiv entgegentreten zu müssen. Seine Hoffnung,
der »dekadente« und gespaltene Westen werde nicht
die Kraft finden, sich ihm in den Weg zu stellen, hat
sich vorerst als Fehlkalkül erwiesen. Und ob er auf
ein russisch-chinesisches Bündnis hoffen kann, ist
ungewiss. Der Kreml-Herrscher hat sich in eine Lage
manövriert, in der ihm nur eine Trumpfkarte bleibt:
die nukleare Erpressung.
Wie im Kalten Krieg stellt sich dadurch die
bange Frage, ob die Logik der Abschreckung den
Atomkrieg verhindern kann. Eine Garantie dafür
gibt es nicht. Dass der Kreml auf den Niedergang
der Sow­jet­union in den Achtzigerjahren nicht mit
einer Flucht nach vorn reagierte, war vielleicht
nur dem historischen Glücksfall namens Michail
Gor­ba­tschow zu verdanken, den Putin als Haupt­
schuldigen für die »größte geopolitische Katastrophe
des 20. Jahrhunderts« inbrünstig hasst. Doch welche
Alternative hat der Westen?
Eine direkte Kriegsbeteiligung ist wohl aus­
geschlossen, sosehr sich die Ukrainer dies wünschen.
Und eine Hinnahme der russischen Aggression ist
genauso wenig eine Option wie eine Rückkehr zum
deutschen Mantra, Wandel durch »Dialog« und
Handel herbeiführen zu wollen. Solange Putin an
der Macht und Russland eine Diktatur ist, dürften
Misstrauen und die Vorbereitung auf den worst ­case
die westliche Russland-Politik bestimmen.
Kennan mahnte in seinem berühmten Aufsatz
von 1947 eine langfristige Strategie im Umgang mit
der Sow­jet­union an, deren politische Führer, wie er
schreibt, den Feind genau musterten. Anzeichen von
Schwäche, durch den Verlust der Fassung etwa,
würden gnadenlos registriert. Es gelte daher, »cool and
collected« zu bleiben, gelassen und gefasst.
Ob eine neue Eindämmungspolitik Erfolg haben
kann, wird dabei, wie vor 75 Jahren, entscheidend
von den USA abhängen: Ohne die Führungsstärke,
die militärische Macht und das nukleare Arsenal
Amerikas gibt es keine glaubwürdige Abschreckung.
Doch im Unterschied zum Kalten Krieg, als das con-
tainment von einem breiten Konsens getragen wurde,
sind die USA heute politisch tief gespalten.
Die Biden-Regierung steht fest zur Nato und zu
Amerikas Bündnisverpflichtungen, ebenso jene
Republikaner, die sich in der Tradition Ronald
Reagans sehen. Das Trump-Lager dagegen hat
aus seiner ideologischen Wahlverwandtschaft mit
Putin nie einen Hehl gemacht und bestreitet, dass
Amerikas nationale Interessen in der Ukraine auf
dem Spiel stehen. ­Donald Trump ist das genaue
Gegenteil von »cool and collected«. Erst hat er offen
seine Bewunderung für Putins Gerissenheit be­
kannt, ihn dann aber als Mörder beschimpft und
über den Einsatz von Atomwaffen spekuliert. Man
mag sich kaum ausmalen, wie die Politik der USA
aussähe, säße er noch im Weißen Haus. Seine
Chance auf einen Wahlsieg am 5. November 2024
aber ist leider real. Es wäre gewiss ein Freudentag
für Wladimir Putin.
Manfred Berg ist Professor für Amerikanische ­
Geschichte an der Universität Heidelberg
20
VOM JÄGER
ZUM
MÖRDER
Andreas S. auf dem Weg in Untersuchungshaft.
Er soll Yasmin B. und Alexander K. erschossen haben
Der Fall bewegte die Republik: Anfang des Jahres tötete ein
Wilderer mutmaßlich zwei Polizisten. Nun beginnt der
Prozess gegen Andreas S. und seinen Komplizen.
Warum war ihm nicht längst das Handwerk gelegt worden?
VON NIKLAS BESSENBACH, KATRIN GROTH, KIM LUCIA RUOFF UND TIM WINTER
V
ielleicht war die Hasenjagd einer
der ersten Momente, in denen
Andreas S.’ Erbarmungslosigkeit
sichtbar wurde. Er war damals
21 Jahre alt, Bäcker, in seiner
Freizeit ging er zur Jagd, so wie
an jenem Tag im Oktober 2004,
über den sich in Gerichtsurteilen nachlesen lässt:
Als er an diesem Nachmittag seine Bockdoppel-
flinte anlegte, konnte er das Gelände nicht über-
blicken, sein Ziel nicht richtig sehen und drückte
dennoch ab. Statt der Beute traf er seinen Jagd-
freund in die Brust, in den Hals und ins linke
Auge und verletzte ihn. Mehrere Instanzen müh-
ten sich danach mit der Frage ab, ob einer wie An-
dreas S. eine Waffe führen dürfen sollte.
Das Landgericht Saarbrücken kam 2006 zu
dem Schluss: Andreas S. hatte leichtfertig mit sei-
ner Waffe hantiert. Mehr noch: Vor Gericht hatte
er sich mehr um seine Waffenbesitzkarte und seine
Jagdpacht gesorgt als um das Schicksal des Geschä-
digten. Er offenbarte damals eine Gefühlskälte, die
Jahre später anderen zum Verhängnis werden soll-
te. Vor Gericht wurde S. zu einer Geldstrafe ver-
urteilt und musste seine Waffen abgeben. Aller-
dings nur vorübergehend.
18 Jahre später, am 31. Januar dieses Jahres,
wurden eine Polizistin und ein Polizist an der
Kreisstraße K 22 nahe Kusel in Rheinland-Pfalz er-
schossen. Es ist ein Fall, der bundesweit für großes
Erschrecken sorgt, weil die 24-jährige Polizei­
anwärterin Yasmin B. und der 29-jährige Ober-
kommissar Alexander K. einfach nur ihren Dienst
taten: Sie wollten, das teilen Ermittlungsbehörden
später mit, nachts um kurz nach vier Uhr zwei
Männer kontrollieren, die ihnen merkwürdig vor-
kamen. Einer der Männer war gerade dabei, ein
Wildschwein in Richtung ihres weißen Transpor-
ters zu wuchten, in dem bereits Damhirsche und
Rehe aufgehängt waren, dicht an dicht, an silber-
nen Haken. Sie sind mutmaßliche Wilderer.
Das Polizeipräsidium und die Staatsanwalt-
schaft Kaiserslautern haben die Funksprüche aus
der Nacht veröffentlicht. 4.19 Uhr: Oberkommis-
sar Alexander K. meldet »dubiose Personen«. 45
Sekunden später ein zweiter Funkspruch: »Komm
schnell, die schießen, die schießen, komm schnell.
Wir sind zwischen Ulmet und –.«
Laut Staatsanwaltschaft traf um 4.32 Uhr Ver-
stärkung ein. Yasmin B. habe da auf dem Asphalt
gelegen. Aus nächster Nähe soll einer der Männer
ihr mit einer doppelläufigen Schrotflinte in den
Kopf geschossen haben. Als er kurz vor seiner
Flucht bemerkt, dass sie noch lebt, schießt er er-
neut aus nächster Nähe. Ihr Kollege Alexander K.
liegt einige Meter entfernt tot im Straßengraben.
Die mutmaßlichen Täter werden noch am
selben Tag gefasst. Der eine heißt Florian V., er
hat gestanden, am Tatort gewesen zu sein. Er gilt
als Gehilfe in dieser Nacht. Der andere als
Haupttäter, der geschossen haben soll. Sein
Name: Andreas S.
Kommende Woche beginnt vor dem Land­
gericht Kaiserslautern der Prozess gegen beide.
Florian V., 33 Jahre, wird gewerbsmäßige Jagdwil-
derei und Strafvereitelung vorgeworfen. Andreas
VERBRECHEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Fotos [M]: dpa; Thomas Wieck/BILD (l.)
Mit 21 Jahren pachtete Andreas S. sein eigenes Jagdgebiet. Er verlor es, weil er einen Jagdfreund anschoss
S., inzwischen 39 Jahre alt, ist wegen zweifachen Jahren bin ich Millionär.« 2017 eröffnet er einen darauf gibt die den Betrieb gänzlich ab. Auch das 33 Jahre alt. Seit Jahren wechselt er von Leih­
Mordes angeklagt und sitzt in Untersuchungshaft. Wildhandel, eine Ein-Mann-Firma. In der Auslage Gewerbe mit dem Wild hat S. abgemeldet. arbeitsfirma zu Leiharbeitsfirma. Der Polizei ist er
Er soll getötet haben, um Wilderei zu vertuschen. seiner Bäckereifilialen liegen von nun an auch Trotzdem verkauft er weiter. Zwischen Septem- wegen mehrerer Betrugsdelikte bekannt.
Offenbar auch, um später weitermachen zu kön- Wildschweinwurst und Hirschsalami. ber 2021 und Januar 2022 soll S. laut Staats­ Das Saarland ist klein, sagen Jäger aus der Re-
nen. Die Staatsanwaltschaft nennt das: »Habgier«. In der Lokalpresse ist oft von Andreas S. als anwaltschaft um die 80.000 Euro umgesetzt ha- gion, man kennt sich, man bekommt viel von­
Die ZEIT hat mit Dutzenden Personen aus Wohltäter die Rede. Mal gibt er Brot oder Kuchen, ben, wahrscheinlich mit gewilderten Tieren, die er einander mit. Deshalb ist es kein Zufall, dass­
dem Umfeld von Andreas S. und Florian V. ge- mal hilft er beim Sammeln von Spenden. In einem etwa an einen Wildgroßhändler und mindestens Andreas S. gleich gegenüber von Florian V.s
sprochen, mit Jägern und Kollegen sowie Perso- Zeitungsartikel heißt es: »Immer wieder zeigt die einen Marktstand verkaufte. Die Geschäfte sind Wohngebäude ein und aus geht – er nutzt eine
nen, die mit den Ermittlungen zu tun haben. Sie Bäckerei durch Spendenaktionen ihr soziales En- illegal. Offenbar fällt das niemandem auf. Nicht Kühlkammer im Keller eines Jägers, der Thomas
zeichnen das Bild eines Mannes, der sich mehr gagement.« Dazu ein Foto von S. mit einer Spenden­ den Kunden, nicht den Behörden. W. heißt. Der, so erzählen es Nachbarn, half S.
nahm, als ihm zustand. Wo Andreas S. an Grenzen dose – inzwischen ist sein Gesicht verpixelt. manchmal beim Zerlegen der Beute.
kam, übertrat er sie. Sein Anwalt antwortet auf Spricht man mit denen, die in der Bäckerei ge- S. hatte nur scheinbar keinen Zugang zu Im Herbst 2021 ist Andreas S. auf der Suche
einen umfangreichen Fragenkatalog nicht, ebenso arbeitet haben, zeigt sich noch eine zweite Seite des Waffen mehr, seine Frau verwahrte sie nach einem neuen Gehilfen, der ihm zur Hand
wenig der Anwalt von Florian V. Unternehmers. Oft kam ihr Gehalt zu spät oder geht. Er lernt Florian V. kennen. Vermutlich lief
Die Recherchen ergeben, dass Andreas S. wie- gar nicht, erzählen sie, und auch, wie Andreas S. Nach dem Mord an Yasmin B. und Alexander K. eine gemeinsame Jagd so ab: S. schießt, V. sucht
derholt ins Visier der Polizei geraten war, 15-mal willkürlich Kündigungen aussprach. Allein zwi- laden die Abgeordneten des Landtages zwei das Wild mit einer Wärmebildkamera und
wurde S. angezeigt, mindestens zweimal wegen schen 2018 und 2021 hat das Arbeitsgericht Saar- Waffen­experten ein, sie wollen wissen, ob die un- schleppt es zum Transporter. Zehn Euro pro Stück
Wilderei. Wieso konnte er derart oft Grenzen land 41 Verfahren gegen ihn geführt. teren Jagdbehörden des Regionalverbandes Saar- soll Florian V. dafür bekommen haben. Das be-
überschreiten? Und dabei mit Waffen hantieren? Ein Mann, der vor einiger Zeit in einer der brücken, des Landkreises Neunkirchen und des stätigen Personen, die mit den Ermittlungen ver-
Bäckereien gearbeitet hat, berichtet der ZEIT von Saarpfalzkreises Fehler gemacht hatten. Sie alle traut sind. Seinen Komplizen verpasst S. Spitz­
Andreas S., sagen Jäger, könne aus 100 den Zuständen in den Backstuben, er bittet da- waren zeitweise zuständig und beteuern nun, ge- namen wie »Messer-Jocke« und »Blut-Svente«, so
Metern das Rot vom Streichholz schießen rum, seinen Namen nicht zu nennen, dann rea- setzeskonform gehandelt zu haben. Die Experten steht es in den Ermittlungsakten, offenbar inspi-
giert er nicht mehr auf Nachfragen. Er kennt­ kommen zu einem anderen Schluss: Sie sprechen riert von den Figuren aus Astrid Lindgrens Pippi in
Vor dem Einfamilienhaus der Familie S. in Spiesen-­ Andreas S. von der angsteinflößenden Seite. Im von »gravierenden rechtlichen Fehleinschätzun- Taka-Tuka-Land. »Pippi«, so soll sich Andreas S.
Elversberg, einer Gemeinde nahe Saarbrücken, Gespräch zeigt er Handyfotos von Stockflecken gen« und einem »Vollzugsdefizit«. Die Behörden selbst genannt haben – nach einem Mädchen also,
etwa 60 Kilometer vom Tatort entfernt, steht noch auf Arbeitsflächen, abgelaufenen Milchpackungen, hätten durchgreifen müssen. das sich nie an die Regeln der Erwachsenen hält.
der Kühlanhänger, aus dem die Polizei verkaufs- unhygienischen Zuständen. Als es darüber zum Über Jahre hinweg gehen immer wieder An- Drei Monate vor der Ermordung von Yasmin
fertiges Fleisch im Wert mehrerer Tausend Euro Streit kam, soll Andreas S. ihm eine Patronenhülse zeigen gegen S. ein. Meistens gelingt es ihm, sich B. und Alexander K. wird Andreas S. nahe der
heraustrug. Ein grüner Geländewagen parkt da- vor das Gesicht gehalten haben. Ob er wisse, soll rauszureden. So wie 2017, als drei Anzeigen ein- tschechischen Grenze von einer Polizeistreife auf-
neben, er ist vollgestopft mit Jagdtrophäen und Andreas S. ihn gefragt haben, was die mit seinem gingen. Jedes Mal hat er Alibis: von befreundeten gegriffen. Passanten hatten beobachtet, wie er ein
Lieferkisten. Andreas S. wohnt hier mit seiner Kopf machen würde? Der Anwalt von Andreas S. Jägern und seiner Ehefrau. Die Ermittlungen wer- erlegtes Tier in seinen Transporter zerrte.
Frau und den vier Kindern. Nachbarn beschreiben äußert sich zu dem Vorfall auf Anfrage nicht. den jedes Mal eingestellt. Im selben Jahr be- Aus Gesprächen und Informationen der Er-
ihn als freundlich, viel mehr fällt ihnen nicht zu Im März 2019 brennen vier Wagen von An- kommt S. seinen bislang letzten Jagdschein be- mittlungsbehörden lässt sich rekonstruieren, wie
ihm ein. Die Hecken hier sind hoch, die Ge­ dreas S.’ Bäckerei. Im selben Jahr meldet S. einen willigt. 2020 läuft er aus. Wegen der verschiede- Andreas S. und Florian V. in der Nacht des 31.
spräche kurz. Einbruch mit einem angeblichen Schaden von nen Gerichtsverfahren, die gegen ihn laufen, be- Januar mutmaßlich flüchteten: Nach dem letzten
Die Ehefrau, Sarah S., ist für die ZEIT nicht zu 50.000 Euro. Die Versicherung glaubt ihm nicht. kommt er keine Verlängerung. Sein Antrag galt tödlichen Schuss fuhren sie davon, kamen jedoch
sprechen. Auch sie ist, wie ihr Ehemann, Jägerin. Die Polizei ermittelt wegen Versicherungsbetrug, als »schwebend«. Das heißt auch: Die Behörden nur wenige Kilometer weit. Der Motor versagte.
Laut Staatsanwaltschaft sollen beide Tatwaffen auf später auch wegen Insolvenzverschleppung. Im haben ihn auf dem Schirm. Sie baten Thomas W., sie abzuschleppen. In Sulz-
sie gemeldet gewesen sein. Deshalb wird gegen sie März 2020 ist die Bäckerei insolvent, S. verkauft Spätestens als Andreas S. seine Waffen weggab, bach wuchteten sie die toten Tiere in die Kühl-
wegen fahrlässiger Tötung und Verstoßes gegen sie an eine Firma, die seiner Frau gehörte. Kurz hätten bei den Behörden die Alarmglocken schril- kammer von Thomas W. Zur selben Zeit war die
das Waffengesetz ermittelt. ANZEIGE len müssen. Aus einer Auflistung des Landkreis­ Fahndung der Kriminalpolizei in vollem Gange.
Das Sulzbacher Schützenhaus liegt im Wald, tages Saarland geht hervor, dass S. nur scheinbar Hubschrauber kreisten. Um 10.19 Uhr stellte die
ein langes, flaches Gebäude. Lothar Knoch steht in nicht mehr über Waffen verfügte: Als sein Jagd- Bundeswehr auf dem Truppenübungsplatz Baum-
dem Raum, in dem auch Andreas S. früher schie-
ßen übte. Knoch trainierte die Jugend, er hat viele JETZT AM KIOSK! schein auslief, verkaufte er seine Waffen, bis seine
Frau sie kurz darauf zurückkaufte, auf ihre eigene
holder, der unmittelbar an die Kreisstraße 22
grenzt, ihre Schießübung ein, um die Fahndung
Jungen und Mädchen kommen und gehen sehen. Waffenbesitzkarte eintragen ließ und mit in das nicht zu behindern. Am Tatort fand die Polizei
S. fiel auf, als er mit 14 in den Verein eintrat: »Der gemeinsame Haus nahm. Die Behörde hätte die Andreas S.’ Papiere. Das Bild des lächelnden­
hat nicht zum ersten Mal eine scharfe Waffe in der Familie kontrollieren können, sicherstellen, dass Bäckereichefs lief als Eilmeldung über die Nach­
Hand gehalten«, sagt Knoch. Ein geselliger Typ, nur die Ehefrau und nicht Andreas S. Zugriff richtenticker.
ein netter Junge sei S. damals gewesen, sagt er. auf die Waffen hat. Doch so eine Kontrolle hatte Am Nachmittag stellt sich Thomas W. der­
Und auch: »Als Psychologe habe ich wohl versagt.« es nicht gegeben, räumt die Behörde gegenüber Polizei, er gilt als Zeuge. Florian V. wird später
Ein anderer Jäger erzählt, wie Andreas S. schon als der ZEIT ein. Als die Polizei im Februar 2022 in festgenommen.
Kind neben seinem Vater auf dem Hochstand saß. seinem Haus einrückt, findet sie: fünf Kurz- und zehn Andreas S. hatte Komplizen, die ihm beim Ja-
Er könne aus 100 Metern das Rot vom Streichholz Langwaffen, ein Repetiergewehr, eine Armbrust. gen halfen, Zugang zu Waffen verschafften, als er
schießen. Vergleicht man die Kontrollen der saarländischen keine mehr führen durfte. Er hatte Helfer, die von
Mit 16 Jahren macht S. den Jagdschein, im Landkreise, fällt Neunkirchen, wo Andreas S. und seinen Geschäften gewusst haben müssen. Und es
frühestmöglichen Alter. Knoch bekommt ihn von NEU seine Ehefrau leben, als eines der Schlusslichter auf: gab Behörden, die sich nicht sonderlich zuständig
da an immer seltener zu Gesicht. Als S. 21 Jahre alt Gerade einmal fünf Waffenschränke wurden im ver- fühlten. Auch diesmal würde er davonkommen,
ist, pachtet er ein Jagdgebiet. Die Jagd komme für gangenen Jahr kontrolliert, und das, obwohl es mehr daran schien Andreas S. offenbar zu glauben.
ihn an erster Stelle, dann lange nichts, dann Frau als 2000 Waffenbesitzende gibt. Denn rekonstruieren lässt sich auch: Während
und Kinder, soll S. zu jemandem gesagt haben, der Der Ort, an dem Andreas S. seinen Handlanger die halbe Republik nach dem Polizistenmörder
aus Angst nicht namentlich genannt werden will. fand, ist ein trostloser. An einer Straßenecke in sucht, steht Andreas S. in weißer Metzgerschürze
Eigentlich ist S. von Beruf Bäcker in fünfter Oder gratis lesen: Sulzbach, einer Kleinstadt nahe Saarbrücken, steht im gefliesten Keller am Zerlegetisch und verarbei-
Generation. 2016 übernimmt er den Betrieb von ein ehemaliges Hotel, in dem heute Obdachlose, tet die Beute der Nacht.
seiner Mutter, schafft neue Verkaufswagen an. Vor www.zeit.de/zv-heft Geflüchtete und Sozialhilfeempfänger leben. Auch Gegen 17 Uhr stürmt ein Spezialeinsatz­
einer Bekannten soll er geprahlt haben: »In fünf Florian V. hat dort eine Wohnung bezogen. Er ist kommando die Kühlkammer.
111508_ANZ_71x100_X4_ONP26 1 07.06.22 15:53

WIRTSCHAFT
Hey Boss, ich
brauch mehr Geld!
Die Inflation wächst rasant, nun wollen viele Arbeitnehmer und die Gewerkschaften ebenso starke Lohnerhöhungen.
Haben sie eine Chance, das durchzusetzen? Und wird das zu noch höheren Preisen führen?  VON KOLJA RUDZIO
T
rillerpfeifen lärmen,
rote Fahnen flattern
im Wind, bengalische
Feuer verbreiten den
Geruch von Schwarz-
pulver: Warnstreik im
Hamburger Hafen.
Hunderte Hafenar-
beiter in neongelben
und orangefarbenen
Westen drängen sich am Freitag vergangener
Woche auf einem Parkplatz vor dem Burchard-
kai, einem Containerterminal. Ein ver.di-Funk-
tionär wendet sich am Mikrofon an die Arbei-
ter und schimpft, das Angebot der Arbeitgeber
sei »kackendreist«.
Fragt man einige der Männer (es sind über-
wiegend Männer) im Getümmel, drücken sie sich
weniger derb aus, aber die Botschaft ist dieselbe.
»Die wollen uns mit zwei, drei Prozent mehr Lohn
abspeisen, das ist lächerlich«, sagt etwa Sebastian
Kalkowski. Der Hafenfacharbeiter erzählt, er
fahre jeden Tag 30 Kilometer zur Arbeit und
zahle allein fürs Tanken jetzt 200 bis 300 Euro
mehr im Monat. »Ich will auf jeden Fall einen
Ausgleich für die Inflation«, sagt er. Nach aktuel-
lem Stand hieße das: mindestens sieben, eher acht
Prozent mehr Lohn. Und tatsächlich fordert ver.
di für die Hafenarbeiter eine Vereinbarung, die
den Anstieg der Preise voll ausgleicht. Auf einem
Plakat ist ein unförmiges, hässliches Wesen mit
Stielaugen zu sehen, daneben die Losung:­
»Inflationsmonster stoppen!«
Kann das ver.di, kann das den Gewerkschaften
gelingen? Werden sie so kräftige Lohnabschlüsse
durchsetzen, dass die Arbeitnehmer problemlos
die gestiegenen Preise bezahlen können? Fast die
Hälfte aller Beschäftigten arbeitet in einem tarif-
gebundenen Betrieb. Und natürlich stellt sich
auch für alle anderen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer die Frage, ob sie bei der nächsten
Gehaltsverhandlung ein so dickes Plus heraus-
holen können, dass sie ihre Kaufkraft wieder­
zurückgewinnen. Der Fachkräftemangel in vielen
Branchen begünstigt die Verhandlungsposition
der Arbeitnehmer.
Und wenn nun die Gewerkschaften und Mil-
lionen Einzelne Erfolg haben und die Löhne auf
breiter Front steigen – führt das womöglich dazu,
dass sie die Inflation noch weiter anheizen. Denn
höhere Löhne bedeuten auch höhere Kosten für
die Unternehmen, und das kann wiederum die
Preise für deren Angebote treiben, warnen man-
che Experten. Es bestehe die Gefahr einer soge-
nannten Lohn-Preis-Spirale, erklärte kürzlich
Foto: Fabian Bimmer/Reuters
etwa Michael Hüther, der Chef des arbeitgeber-
nahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Bei
einer Umfrage der Verbände der Familienunter-
nehmer und der Jungen Unternehmer gaben 89
Prozent der Befragten an, sie befürchteten so eine
Entwicklung. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz
+ 7,9 %
Inflationsrate (Mai)
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
21
Warnstreik am vergangenen Freitag im Hamburger Hafen:
Die Arbeiter wollen einen Ausgleich für die Teuerung
erklärte in einer Bundestagsrede, man müsse auf- mit der Inflation steigender Löhne (»scala­ rechnen können. Im Januar, als die Inflation Es sind derzeit eher die Arbeitgeber, die sich
passen, dass die Inflation nicht dauerhaft steige mobile«, zu Deutsch: Rolltreppe). Allerdings schon zu traben begonnen hatte, erklärte­ für Scholz’ Vorschlag erwärmen. In manchen
– und kündigte an, in einer sogenannten konzer- gilt dieses System als mitverantwortlich dafür, Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis zu den Tarifrunden argumentieren sie auch schon mit
tierten Aktion gemeinsam mit den Tarifpartnern dass die Inflation in Italien in den Achtziger- anstehenden Tarifverhandlungen noch: »Am dem Verweis auf das Geld vom Staat. So rech-
eine Lösung zu suchen. jahren bis auf 22 Prozent kletterte. Anfang der Ende muss ein Entgeltplus oberhalb der Teue- nete der Zentralverband der deutschen See­
Die Lohnpolitik in Zeiten hoher Inflation Neunzigerjahre wurde es abgeschafft. rungsrate stehen.« Dann kam mit dem Ukraine-­ hafenbetriebe den Hafenarbeitern vor, dass das
kann kompliziert sein. Einerseits erwarten die Ver.di-Chef Frank Werneke wendet sich Krieg die Unsicherheit über die Gasversorgung. eigene Angebot für eine Lohnerhöhung­
Arbeitnehmer mehr Geld, um die gestiegenen gegen diese Idee. Die Löhne fest an die Infla­ Die Chemiegewerkschaft und die Arbeitgeber zusammen mit den Entlastungen der Regie-
Lebenshaltungskosten bezahlen zu können. tion zu binden sei kein von seiner Organisation beschlossen, die Tarifrunde bis zum Herbst zu rung ausreiche, um die Kaufkraft zu sichern.
Andererseits können hohe Lohnzuwächse­ favorisiertes Modell, sagt er der ZEIT. Schließ- unterbrechen. Einmalzahlungen sollen bis­ Bei den Arbeitern am Hamburger Hafen
ihrerseits die Preise befeuern, dann ist nichts lich sollten Tarifabschlüsse auch die Entwick- dahin die Teuerung ausgleichen. löste das am vergangenen Freitag Empörung
gewonnen. Im schlimmsten Fall wird jeder­ lung der Produktivität berücksichtigen. Eines Aber was ist danach? Gilt dann der Satz des aus. »Die wollen uns die staatlichen Entlastun-
Zugewinn vom Inflationsmonster, das die strei- sei aber klar: »Wir wollen in den kommenden Gewerkschaftschefs noch? Vassiliadis lässt diese gen, die wir mit unserem Steuergeld selbst­
kenden Hafenarbeiter doch eigentlich stoppen Tarifrunden die Preissteigerungsrate ausglei- Frage unbeantwortet. »Gut wäre ein gesamtgesell- finanzieren, beim Lohn anrechnen«, schimpfte
wollen, gleich wieder aufgefressen. chen, das ist unser Anspruch.« Ob das gelinge, schaftliches Bollwerk gegen die Inflationswelle«, etwa Hendrik Jermies, ein Containerbrücken-
Diese Gefahr ist besonders groß, wenn die hänge davon ab, wie viele Mitglieder die­ lässt er nur schriftlich übermitteln. Gefragt seien fahrer. »Das ist doch an Dreistigkeit nicht mehr
Preise steigen, weil Öl, Gas und andere Roh- Gewerkschaft in der jeweiligen Branche mobi- die Europäische Zentralbank, die Bundesregie- zu toppen!«
stoffe sich verteuern, die aus dem Ausland nach lisieren könne. Bei den Hafenarbeitern stehen rung, die Tarifpartner und auch die Unterneh- Auch ver.di-Chef Werneke betont: »Die
Deutschland geliefert werden. In diesem Fall die Chancen gut, von ihnen sind etwa 70 Pro- men. Das klingt nicht nach einer Kampfansage. staatlichen Entlastungspakete können nur eine
wird der hiesigen Volkswirtschaft Kaufkraft zent gewerkschaftlich organisiert, und ihre­ Überbrückungshilfe bis zur nächsten Tarifrunde­
entzogen. Verlangen die Beschäftigten von­ Arbeitgeber können keinen Streik gebrauchen, Die Gewerkschaften wollen sich nicht sein. Dauerhaft steigende Preise müssen aber
ihren Arbeitgebern Lohnaufschläge, die diese da sich ohnehin schon die Schiffe in der Nord- von der Politik reinreden lassen durch dauerhaft steigende Löhne ausgeglichen
Entwicklung vollständig ausgleichen, steigt bei see stauen. Dagegen hat die Dienstleistungsge- werden.« Dass die Gewerkschaften also etwa
denen der Druck, ihre eigenen Preise zu erhö- werkschaft bei den Versicherungsangestellten, Ist womöglich die konzertierte Aktion, die Bun- wegen des Tankrabatts ihre Wünsche­
hen. Denn auch den Firmen fehlt das Geld, das die sie auch vertritt, zuletzt den Inflationsaus- deskanzler Scholz wiederbeleben möchte, eine herunterschrauben, ist nicht zu erwarten.
ins Ausland abfließt. Richtig in Fahrt kommt gleich verfehlt, wie Werneke einräumt. »Tarif- Lösung? Der Begriff geht auf den ehemaligen Ohnehin ist – bisher – wenig von überzoge-
die Lohn-Preis-Spirale schließlich, wenn die erhöhungen um sieben Prozent innerhalb eines SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller zurück. nen Tarifforderungen zu erkennen. »Von einer
Arbeitnehmer fest damit rechnen, dass die­ Jahres sind herausfordernd«, sagt er, »aber der Er meinte damit angesichts der steigenden­ Lohn-Preis-Spirale sind wir noch meilenweit
Inflation dauerhaft steigt – und sie deshalb volle Lohnausgleich ist unser Ziel.« Inflation in den Sechzigerjahren einen Deal des entfernt«, meint Sebastian Dullien, Chef des
immer höhere Lohnabschlüsse verlangen. Andere Gewerkschaften sind da zurückhalten- Staates mit den Tarifparteien: Ihr überzieht gewerkschaftsnahen Instituts für Makroöko-
der. Zwar verhandelt die IG Metall derzeit für die nicht bei den Löhnen, dafür helfen wir mit Geld nomie und Konjunkturforschung in Düssel-
Der IG-Metall-Chef spricht von Stahlindustrie und fordert dort stolze 8,2 Prozent vom Staat, um die Wirtschaft zu stützen. Doch dorf. Und Timo Wollmershäuser vom Ifo-­
einer »Profit-Preis-Spirale« mehr Lohn, doch spricht sie selbst von einer der Vorstoß von Olaf Scholz, nach diesem Vor- Institut sowie dessen Kollege Torsten Schmidt
»Sonderkonjunktur« mit glänzenden Gewinnen bild neue Absprachen zu treffen, stößt bei den vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschafts-
So weit die Theorie. Die Frage ist, ob sie die in der vergleichsweise kleinen Branche (90.000 Gewerkschaften auf wenig Begeisterung. forschung sagen: Wir sehen keine Anzeichen
Realität von heute beschreibt. Sicher ist, dass Beschäftigte). Wie viel die Gewerkschaft in der Aus ihrer Sicht war die konzertierte Aktion für eine inflationstreibende Lohnentwicklung.
die Inflation tatsächlich zu einem großen Teil im Herbst beginnenden Tarifrunde für die vier schon beim ersten Mal ein großer Fehlschlag. Selbst die Experten der Bundesbank, die­
auf gestiegenen Preisen für Öl- und Gasimporte­ Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektro- Zwar hielten sich die Gewerkschaften damals darauf spezialisiert sind, Inflationsgefahren auf-
beruht. »Der Gewinner ist das Ausland«, sagt branche fordern wird, ist dagegen noch nicht ent- tatsächlich einige Zeit mit ihren Lohnforde- zuspüren, erklären in einer aktuellen Konjunk-
Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des schieden. IG-Metall-Chef Hofmann hat in Inter- rungen zurück, aber die Mitglieder wurden un- turanalyse, dass sogenannte Zweitrundeneffekte
Ifo-Instituts in München. views erklärt, seine Gewerkschaft habe das Wohl zufrieden, es kam zu wilden – also nicht von – also erhöhte Lohnforderungen aufgrund der
Gewerkschafter behaupten, dass viele Unter- des ganzen Landes im Blick und orientiere sich der Gewerkschaft organisierten – Streiks. Und Inflation – in nächster Zeit nur eine »begrenzte
nehmen die Gelegenheit aber auch für eigene nicht am momentanen Stand der Inflation, son- um die Basis wieder einzufangen, schraubten Rolle« spielen dürften. Nach ihrer Prognose wer-
Preiserhöhungen nutzten und enorme Gewinne dern immer am Inflationsziel der Europäischen die Gewerkschaften später ihre Forderungen den die Bruttolöhne in diesem Jahr um 4,3 Pro-
erwirtschafteten. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann Zentralbank. Das liegt bei zwei Prozent pro Jahr. erst recht hoch, im öffentlichen Dienst zum zent steigen und im kommenden Jahr um 4,5
spricht deshalb von einer Profit-Preis-Spirale. Zu- Tatsächlich liegt die Teuerung in Deutschland Beispiel auf 15 Prozent. Statt Stabilität und Prozent. Das reicht nicht aus, um den Anstieg der
mindest Teile der Gewerkschaften sind daher fest aktuell aber bei 7,9 Prozent. Außerdem verlangt Ruhe gab es am Ende noch härtere Konflikte. Preise auszugleichen. Erst 2024 rechnen die Bun-
entschlossen, einen vollen Ausgleich für die der IG-Metall-Chef einen Tarifvertrag mit einer »Die Erfahrungen von damals will heute desbanker wieder mit steigenden Reallöhnen
sprunghaft gestiegene Teuerung zu erkämpfen. Laufzeit von zwei Jahren. Dafür bringt er eine niemand mehr wiederholen«, sagt ver.di-Chef (dann um knapp zwei Prozent).
Die Verhandlungskommission der Hafen- Lohnforderung ins Spiel, die bei etwa sieben Werneke. Auch Metall-Boss Hofmann hat­ Insgesamt sieht es also nicht danach aus,
arbeiter verlangt sogar eine feste Kopplung der Prozent liegen könnte. Das klingt nach viel, ist erklärt, er wolle sich nicht von der Politik in die dass die Beschäftigten auf Gehaltserhöhungen
Gehälter an die Preissteigerung. Vierteljährlich aber, auf zwei Jahre gerechnet, keineswegs üppig. Tarifpolitik reinreden lassen. Dass Scholz den hoffen können, die das gestiegene Preisniveau
solle künftig geschaut werden, wie sich die Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein, Begriff der konzertierten Aktion verwendet, komplett ausgleichen. In manchen Branchen
Teuerungsrate entwickelt hat, so ihre Forde- dass es innerhalb der Metallindustrie auch Firmen finden viele Gewerkschafter »sehr unklug«. Die und bei Unternehmen, die besonders große
rung. Dann würden die Löhne automatisch gibt, denen es schlecht geht, vielen Zulieferern Gespräche mit der Regierung – darauf legt Gewinne erzielen, ist aber mehr möglich.
angepasst. Bei den Konkurrenten in Antwer- der Autoindustrie zum Beispiel. man bei der IG Metall Wert – könnten erst­ Auch die Hafenarbeiter dürfen hoffen:
pen und Rotterdam gebe es so etwas schon, Und auch bei Deutschlands drittgrößter Ge- beginnen, nachdem die Gewerkschaft nächste Nach ihrem Warnstreik legten die Arbeitgeber
sagt die Verhandlungsführerin Maya Schwie- werkschaft, der Industriegewerkschaft Bergbau, Woche einen Beschluss zu ihrer Tarifforderung ein neues Angebot vor. Es soll nun einem­
gershausen-Güth. Einige Streikende im Ham- Chemie, Energie (IG BCE), ist längst nicht aus- verabschiedet hat. Dann könne man gerne dis- Gehaltsplus von 6 bis 7,9 Prozent entsprechen.
burger Hafen nennen auch Italien als Vorbild. gemacht, dass die Beschäftigten mit einer vollen kutieren, was die Politik noch alles zur Entlas-
Dort existierte einst ein System selbstständig Kompensation für die galoppierende­Inflation tung der Bürger beitragen solle.  www.zeit.de/vorgelesen
+ 4,3 % + 8,2 %
erwarteter Anstieg der Löhne 2022 aktuelle Lohnforderung für die Stahlindustrie ZEIT- GRAFIK/Quelle: Bundesbank, IG Metall
22 WIRTSCHAFT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Rechts am Jachthafen
Ausgerechnet bei reichen Südfranzosen von der Côte d’Azur
verfangen die Versprechen der autoritären Parteien  VON ANNIKA JOERES

H
ier fielen einst rote Rosen für Bri-
gitte Bardot vom Himmel, und
bis heute steuern im Sommer die
Jachten von Millionären und Mil-
liardären aus der ganzen Welt die
Hafenbucht des Ortes an: Saint-
Tropez an der französischen­
Riviera ist Wiege und Klischee des internationalen
Jetsets, hell ist es hier und schön. Am vergangenen
Sonntag aber wurde es wieder einmal hässlich. Da tri-
umphierten in Saint-Tropez rechtsextreme Kandida-
ten, zum wiederholten Mal: In der ersten Runde der
Parlamentswahlen brachten es die Parteien Rassem-
blement National von Marine Le Pen und Reconquête!­
des verurteilten Rassisten Éric Zemmour im Wahl-
kreis, in dem Saint-Tropez liegt, zusammen auf fast 50
Prozent der Stimmen. Beflügelt vom Erfolg, denkt
Zemmour nun offen darüber nach, eine Allianz im
rechten und rechtsextremen Lager zu schmieden – und
damit das Modell zu kopieren, das Linke, Grüne,­
Sozialisten und Kommunisten am Wahlabend so­
erfolgreich gemacht hat.
Nupes heißt dieser Zusammenschluss auf der Lin-
ken unter dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon,
der nach der ersten Runde der französischen Parla-
mentswahlen gleichauf liegt mit Ensemble!, dem Wahl-
bündnis von Präsident Emmanuel Macron. Nupes und
Ensemble! kamen auf je rund 26 Prozent der Stimmen.
Damit wird es für Macron im zweiten Wahlgang am
19. Juni knapp, seine Mehrheit in der Nationalver-
sammlung zu verteidigen.
Ein Blick auf die rechten, reichen Hochburgen im
Süden des Landes erklärt, welche immensen Kräfte eine
politische Allianz auch auf der anderen Seite des Par-
teienspektrums freisetzen könnte. Denn die Wählerpo-
tenziale der rechtsextremen Parteien ergänzen sich.
Tag schreibt sie, sie sei bereit, schriftlich Fragen zu be-
antworten. Außerdem hängt sie der Mail drei Bilder von
sich mit ihren Hunden und Katzen an. Also dann, ein
vorsichtiges Herantasten:
Madame Bardot, glauben Sie, dass Sie für Ihren gro-
ßen Kampf, die Sache der Tiere, hier in der Region oder
eher woanders mehr Unterstützer finden?
»Für den Tierschutz ist das Departement Var, Hoch-
burg der Jäger, nun wirklich kein Vorbild!«
Mögen Sie noch in Saint-Tropez leben, oder träu-
men Sie davon, woanders zu wohnen?
»Ich hasse es, was aus Saint-Tropez geworden ist,
dem Ort, den ich einst so geliebt habe.«
Was halten Sie von Éric Zemmour? Warum hat er so
viel Erfolg in der Region von Saint-Tropez?
»Éric Zemmour hat die Statur eines autoritären
Staatschefs, den Frankreich bitter nötig hätte.«
Einen autoritären Führer, nach diesem sehnen sich
Umfragen zufolge viele Franzosen. Der einstige Fern-
sehjournalist Zemmour kam in Prognosen vor der Prä-
sidentschaftswahl im April auf 15 Prozent der Stimmen.
Dabei war er damals schon als verurteilter Hetzer be-
kannt, der unter anderem eine Geldstrafe hatte zahlen
müssen, nachdem er minderjährige Flüchtlinge vor
Millionenpublikum als »Kriminelle, Mörder und Ver-
gewaltiger« beschimpft hatte. Sein Programm ist noch
ausländerfeindlicher als das von Marine Le Pen, bei-
spielsweise wollte er zunächst nicht einen einzigen
ukrainischen Flüchtling aufnehmen.
Auch seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind
marktradikaler als Le Pens: Für Überstunden sollen keine
Abgaben mehr fällig werden, er will Umweltgesetze ab-
schaffen und die Unternehmensbesteuerung senken. Erb-
schaftsteuer sollen nur noch fünf Prozent aller Franzosen
zahlen, Parkgebühren sollen gesenkt und Tempolimits
aufgehoben werden. Die entgangenen Einnahmen für den
Staat will sich Zemmour von den Ärmsten zurückholen,
unter anderem sollen Flüchtlinge nach seinem Willen

Fotos: Christophe Simon/AFP/Getty Images; privat (l.); Denis Allard/opale.photo/laif (u.)

Die Schauspielerin Brigitte Bardot sagt, dass
Frankreich einen autoritären Staatschef nötig habe
Marine Le Pens Rassemblement National punktet in
ärmeren Städten und Vororten, Éric Zemmours Pro-
gramm von einem alten Frankreich, in dem noch die
Todesstrafe verhängt wurde und Umweltnormen ge-
nauso unwichtig waren wie Rechte für Geflüchtete,
verfängt in vielen wohlhabenden Orten. Ganz beson-
ders in Saint-Tropez: In der Stadt selbst war Zem-
mour der Kandidat mit den meisten Stimmen. Dass
er es trotzdem nicht in die Stichwahl schaffte, lag nur
an seinem etwas schwächeren Abschneiden im gesam-
ten Wahlkreis.
Aber wieso sind so viele reiche Franzosen so rechts?
Wer viel hat, kann viel verlieren – aber unklar bleibt
doch, inwiefern Menschen sich deshalb freiwillig einem
verurteilten Rassisten anvertrauen. Zur Klärung also
eine Spurensuche, im Juni, an der Côte d’Azur, in den
Tagen vor der Parlamentswahl.
Die wohl berühmteste Einwohnerin von Saint-­
Tropez ist Brigitte Bardot. In den Sechzigerjahren
wurde­die Schauspielerin als Göttin tituliert, als
schönste­Frau der Welt, verehrt von Männern von Gun-
ter Sachs bis Serge Gainsbourg. Bardot setzt sich inzwi-
schen für Tierrechte ein, lebt mit Hunderten Hunden,
Katzen, Pferden, Ponys, Eseln, Ziegen, Hühnern und
Enten auf dem Anwesen »La Madrague« in den Hügeln
von Saint-Tropez. Neben ihrem glühenden Eifer für
den Tierschutz ist sie in der Vergangenheit vor allem
mit rechtsextremen Äußerungen aufgefallen. Ihre­
bedingungslose Liebe zu Tieren, so lässt sich aus ihren
öffentlichen Bekundungen schließen, deckt sich nicht
mit ihrer Liebe zu Menschen.
Es ist inzwischen einige Zeit her, dass die 87-Jährige
ein Interview gegeben hat – man kann es ja trotzdem
mal versuchen. Auf eine Anfrage per Mail reagiert Bar-
dot überraschend schnell und offen: Nach nur einem
keine medizinische Versorgung erhalten.
Mit diesem Programm holte Zemmour im Präsi-
dentschaftswahlkampf hinter dem dann letztlich doch
wiedergewählten Emmanuel Macron bedrohlich weit
auf – bis der Ukraine-Krieg bei vielen Franzosen die
Sehnsucht nach einem beschützenden Staat wieder­
erweckte. Zemmours Versprechen wurden damit im
Wahlkampf für viele unattraktiver. Trotzdem sehen­
Politikwissenschaftler auch in Zukunft Potenziale für
seine Partei. Auch Zemmour selbst bleibt kämpferisch:
Im Widerstand gegen die »patriotische Bourgeoisie« rief
er am vergangenen Wochenende dazu auf, zusammen
mit den konservativen Republikanern und dem­
Rassemblement National zu kooperieren.
Die Wähler beider Parteien äußern sich heute schon
ähnlich, viele Le-Pen- und Zemmour-Wähler betonen
gleichermaßen ihre Angst vor dem »Vorstadtgesindel«
und hängen der rassistischen Theorie des »grand rem-
placement« an, wonach die christliche Bevölkerung
durch eine muslimische ersetzt werden solle.
»In Nizza ist nur noch ausländisches Gesindel unter-
wegs«, sagt etwa Alain Mourguy, ein verrenteter Ver-
triebsdirektor, der rauchend in einer Hafenbar in der
Gemeinde Saint-Jean-Cap-Ferrat sitzt, obwohl er­
eigentlich im benachbarten Nizza wohnt. Hier aber,
behaup­tet Mourguy, hätte er seine Ruhe vor denen.
Die Halbinsel Saint-Jean-Cap-Ferrat liegt 100 Kilo-
meter östlich von Saint-Tropez. Hier, in einer der
reichsten Gemeinden Frankreichs, hat sich bei den Prä-
sidentschaftswahlen jeder Fünfte Zemmour als künfti-
gen Staatschef gewünscht. Hinter hohen Pinien sind
hektargroße Anwesen versteckt, nur vereinzelt blitzen
Türme prächtiger Villen hervor. Offenbar fühlen sich
ihre superreichen Bewohner bedroht: Hunderte Meter
lange Stahlzäune umgeben ihre Parks, auf vielen Pfäh-
len sind Überwachungskameras montiert, vor manchen
Portalen steht rund um die Uhr Sicherheitspersonal.
»Als Franzose fühle ich mich nicht mehr zu Hause«,
redet sich Alain Mourguy in der Hafenbar in Rage:
Selbst in der Nationalmannschaft spielten ja nur noch
diese »vielen Afrikaner«.
Später an diesem Nachmittag in Saint-Jean-Cap-
Ferrat wird eine ältere Dame, die ihren Pudel spazieren
führt, sagen: Sie sei froh, hier auf einer »zumeist weißen
Insel« zu wohnen. Sie wolle Zemmour wählen, damit
aus Saint-Jean-Cap-Ferrat nicht eine »lausige Vorstadt«
werde wie viele andere, sagt sie. Ihren Namen will sie
nicht nennen, aus »Angst vor Jugendbanden«.
Menschen wie der Pudel-Dame oder Alain Mourguy
verspricht Zemmour, wieder für »Ordnung« zu sorgen,
aber auch für straffe Hierarchien, bei denen Polizei und
Präsident durchgreifen. Das passt gut zusammen, denn
hierarchisch geht es auch in diesem Luxusort zu: Ab
und zu biegen Anwohner auf dem Rücksitz schwerer
Limousinen in die Einfahrten der Anwesen ein. Ihre
Anstreicher, Gärtner, Putzfrauen und Köche parken in
zerbeulten Kleinwagen auf den menschenleeren Stra-
ßen, für sie ist häufig ein eigener, nur zu Fuß passierba-
rer Eingang reserviert. Viele von ihnen haben nordafri-
kanische Wurzeln. Nach Sonnenuntergang kann man
beobachten, wie sie abreisen aus diesem Viertel mit den
duftenden Hecken und Palmen. Sehr wahrscheinlich
geht es zurück in die ärmeren Vororte von Nizza.
Cogolin ist ein Ort mit 10.000 Einwohnern, zehn
Kilometer westlich von Saint-Tropez. Schon seit acht
Die Halbinsel Saint-Jean-Cap-Ferrat
gehört zu den wohlhabendsten Gegenden Frankreichs
Jahren wird Cogolin von einem Bürgermeister des
rechtsextremen Rassemblement National regiert. An
diesem Abend im Juni, drei Tage vor der Parlaments-
wahl, hat nun Éric Zemmour in Cogolin zu einer­
öffentlichen Versammlung geladen. Es ist schwül, den
hundert Neugierigen auf den Plastikstühlen unter
freiem­Himmel rinnen Schweißperlen von der Stirn.
Zemmour, in türkisfarbenen Jeans und weißem Hemd,
schlängelt sich zwischen Touristen und Anhängern zur
Bühne durch, ein hagerer kleiner Mann mit Brille.
»Macron bereitet eine massive Islamisierung vor«, setzt
Der Rechtspopulist Éric Zemmour überzeugt
in Saint-Tropez massenhaft Wähler
er seine Rede an. Wäre er, Zemmour, Abgeordneter,
würde er ein Gesetz einbringen, um Antirassisten und
Feministinnen nicht mehr in die Schulen zu lassen – er
werde sie »am Eingang blockieren«. Schließlich perver-
tierten sie französische Kinder. Das Publikum johlt.
Zemmours Zuschauer hier in Cogolin sind weiß,
viele Rentner, viele Männer, ältere Herren, die während
der Rede Kämme aus Gesäßtaschen ziehen, um ihre
Haare von einem Ohr zum anderen zu streichen. Im
Publikum hängen viele Goldkettchen mit Kreuzen um
weiße Hälse – Zemmour hat überdurchschnittlich viele
streng katholische Wählerinnen und Wähler. Sie ­mögen
seine Positionen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe,
vielleicht auch seine archaische Aussage, wonach Män-
ner nun einmal »Raubtiere« seien und Feministinnen
ihn »kastrieren« wollten, wie er einst schrieb.
Zemmours Wählerschaft lebt von Stereotypen,­
Applaus wird an diesem Abend immer dann laut, wenn
Zemmour Zugewanderte für schlechte Nachrichten der
vergangenen Wochen verantwortlich macht: Dass kürz-
lich im Champions-League-Finale zwischen Real­
Madrid und dem FC Liverpool im Stade de France
Chaos herrschte und viele Fans nicht ins Stadion­
kamen, war ihm zufolge nicht etwa die Schuld der
schlecht organisierten Polizei, wie es inzwischen sogar
der zuständige Präfekt zugegeben hat – Schuld hatte
laut Zemmour das »Gesocks« aus den Vorstädten.
Gesocks aus den Vorstädten, diese Phrase gefällt den
Menschen in Cogolin an der Côte d’Azur. Die Region
hinkt hinterher in der Zeit, und die rechtsextremen
Abgeordneten könnten diesen Rückwärtsdrall noch­
zementieren. »Nostalgie ist kein Verbrechen«, ruft Zem-
mour ins Mikrofon, die Leute klatschen.
Auch Brigitte Bardot sehnt sich nach dem Saint-
Tropez von früher zurück. Am liebsten wolle sie weg-
ziehen, weit weg, schreibt sie noch in ihrer Mail, aber in
ihrem Alter sei das schwierig. Ihre Stimme hat sie Éric
Zemmour am vergangenen Sonntag trotz seiner Auto-
rität nicht gegeben, dafür missachte er die Rechte von
Tieren zu sehr, erklärte sie. Bardot stimmte für die aus-
sichtslose Tierpartei.

Reich wählt rechts Wahlkreis: Saint-Jean-Cap-Ferrat Wahlkreis: Saint-Tropez

Stimmen für die Rechtsparteien
Rassemblement National (Marine Le Pen) 32 % 68 % 48 % 52 % Rechtsparteien andere Parteien
und Reconquête (Éric Zemmour)
im ersten Wahlgang der Parlamentswahl ZEIT- GRAFIK/Quelle: Franz. Innenministerium
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 WIRTSCHAFT 23

Rekordpreise an der Tankstelle

Foto: Norman Hoppenheit für DIE ZEIT

Der Ort, an dem die Deutschen gerade viel Geld lassen

Ran an die Konzerngewinne?

Auf den Unsinn folgt nun also Willkür. Schon die Ent- kein grüner Minister abschöpfen wollen, aber sind das Wenn etwas läuft wie eine Ente, schwimmt wie eine Unternehmen wegreguliere (die übrigens in vielen
scheidung der Bundesregierung, angesichts steigender nicht auch Gewinne auf Basis von sozial zweifelhafter Ente und quakt wie eine Ente, dann handelt es sich Fällen ohnehin nur an die Aktionäre ausgeschüttet
Kraftstoffpreise mit einem Tankrabatt drei Monate lang Rohstoffförderung, die der Parteibasis morgen schon in aller Regel um eine Ente. Die großen Mineralöl- werden). Oder wie es konservative Ökonomen gern
jeden an der Zapfsäule erworbenen Liter Sprit zu sub- bestrafungswürdig sein könnten? Und dann ist man konzerne haben allein im ersten Quartal dieses Jahres formulieren: Das »Vertrauen in den Standort« würde
ventionieren, war aus ökonomischer und verteilungs- noch nicht bei der Frage, welcher Gewinn denn ange- mehr als doppelt so viel verdient wie im Vorjahrzeit- Schaden nehmen. Wenn das so wäre, dann würde in
politischer Sicht vollkommen widersinnig: weil durch messen ist für Unternehmen und welches Politbüro das raum. Die Raffinerien verdienen heute an jedem Fass Italien oder Großbritannien niemand mehr investie-
den Zuschuss die Nachfrage nach Diesel und Benzin festlegen soll. Ein Land, das diese Frage planwirtschaft- Öl, das sie verarbeiten, mehr als sechsmal so viel wie ren. Diese Länder haben die Übergewinnsteuer be-
sogar steigt, was wiederum den Preis treibt, und weil lich beantwortet, wird nicht viel Wohlstand schaffen. im Schnitt der vergangenen Jahre. Wenn Christian reits eingeführt beziehungsweise planen es.
vermögende im Vergleich zu ärmeren Haushalten be- Tatsächlich machen Ölkonzerne gerade hohe Gewin- Lindner also sagt, man könne nicht klar definieren, In den USA war eine solche Abgabe sogar schon
sonders und unnötigerweise davon profitieren. Nun ne. Es ist aber bemerkenswert, dass selbst der Bundeswirt- »was ein Übergewinn ist«, dann mag das auf einer während des Zweiten Weltkriegs in Kraft, dennoch
sind die Spritpreise trotz Rabatt im historischen Ver- schaftsminister deren Entstehung nicht ganz richtig ein- theoretischen Ebene zutreffen. ist das Land danach zur Supermacht aufgestiegen.
gleich weiterhin hoch, sodass führen- ordnet, obwohl er dagegen vorgehen In der Praxis aber gilt: Während Die Investoren wissen offensichtlich
de Politiker der Regierungsparteien will. So beklagt Robert Habeck, dass in der Ukraine Krieg ist und die zu unterscheiden zwischen einem
angesichts vermuteter Krisengewinne
der Mineralölkonzerne eine soge- NEIN! die Tankstellenpreise stärker gestiegen
seien als die Preise für Rohöl. Dabei ist
Bevölkerung in Deutschland unter
den steigenden Preisen leidet, ma- JA! gezielten Eingriff in einer Notsitua-
tion und Willkür. Mit Vertrauen
nannte Übergewinnsteuer fordern das erklärbar: Es fehlt an Raffinerie- chen sich die Mineralölkonzerne die verhält es sich so: Man kann es nicht
oder ein schärferes Wettbewerbsrecht. kapazitäten, um das Rohöl aufzube- Taschen voll. Das ist auch nicht messen, deshalb eignet es sich gut
Die Forderung nach einer Extra- Das Bauchgefühl reiten, weil viele Raffinerien in Russ- überraschend: Die Senkung der Das Geld zur als diskursive Allzweckwaffe. In der
steuer mag von der Unzulänglichkeit von Ministern land stehen. Was eine Extrasteuer sicher Mehrwertsteuer im vergangenen Entlastung Realität ist dann alles meistens ein
der eigenen Politik ablenken, schließ- nicht wäre: ein Anreiz, um hierzulande Jahr wurde – das zeigen zahlreiche wenig komplizierter.
lich sind Ölkonzerne dankbare Sün- rechtfertigt in neue Kapazitäten zu investieren. wissenschaftliche Studien – auch ärmerer Haushalte Die Lage jedenfalls ist diese: An-
denböcke in der politischen Exkulpa- keine juristische Es lässt sich also festhalten, dass nicht komplett an die Verbraucher muss irgendwoher gesichts steigender Preise für die all-
tionsliturgie. Das Preisproblem lösen nicht nur Gewinnerwartungen von weitergegeben. Warum sollte es gemeine Lebenshaltung müssen
würde eine Übergewinnsteuer aber Willkür Unternehmen, sondern auch politi- beim Tankrabatt anders sein? kommen Haushalte mit wenig Einkommen
nicht. Vielmehr steigert sie den Unsinn sche Entscheidungen zu den hohen Nun sind Gewinne erst einmal entlastet werden, und das Geld dafür
der jüngsten Kraftstoffpolitik zur Will- Preisen beitragen: Der Tankrabatt nicht schlecht. Man kann mit dem muss irgendwoher kommen. Am
kür, was mutmaßlich nicht rechtssicher und ökonomisch führt zu mehr Nachfrage, und die Klimapolitik sorgt Geld sinnvolle Dinge anstellen: Maschinen anschaffen, Ende ist es deshalb egal, ob der Staat die übermäßigen
betrachtet ganz sicher schädlich ist. zu Recht dafür, dass Investitionen in fossile Technik in Forscher einstellen. Expandieren eben. Die Ölindustrie Gewinne über höhere Steuern abschöpft, wie es die
Beginnen wir mit der Willkür. Mal angenommen, Sie Europa keine Zukunft haben. sollte aber gerade nicht expandieren, sondern schrump- SPD will – oder über eine Verschärfung des Kartell-
investieren wie die Eigentümer des Pharmaherstellers Bleibt – neben gezielter Hilfe für Menschen mit wenig fen. Weil es besser wäre, wenn das Öl im Boden bleibt, rechts, wie sie Wirtschaftsminister Robert Habeck
BioNTech während der Corona-Pandemie viel Geld und Geld, die auf das Auto angewiesen sind – noch das Wett- statt verbrannt zu werden. Damit nicht noch mehr (Grüne) plant. Bislang können die Wettbewerbshüter
entwickeln einen Impfstoff. Doch dann kommt ein Po- bewerbsrecht. Wenn es Preisabsprachen zwischen den Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Deshalb führt nur eingreifen, wenn die Konzerne ihre Preise verbote-
litiker, der sagt: Moment, Pandemie ist Krise, und Pan- Ölkonzernen gibt, lässt es sich in Stellung bringen. Bislang auch das Argument in die Irre, Maßnahmen gegen die nerweise absprechen. Dieser Nachweis ist aber oft
demiegewinn ist Krisengewinn! Also abschöpfen! Welchen konnte das Kartellamt einen solchen Beweis aber nicht Sonderprofite der Ölindustrie seien eine Attacke auf schwer möglich. Deshalb soll künftig schon interveniert
Grund hätten Sie als Unternehmer noch, in diesem Land führen. Robert Habeck hat nun angekündigt, das Kartell- innovative Unternehmen wie den Pharmahersteller werden können, wenn die Preise etwa für einen Liter
ein weiteres Mal ein Risiko einzugehen? Bei der Ölför- recht verschärfen zu wollen und notfalls die Zerschlagung BioNTech, der mit seinen hohen Einnahmen etwa Benzin an der Tankstelle sehr schnell aneinander an-
derung sind diese Risiken beträchtlich. Der Mineralölkon- von Unternehmen zu ermöglichen. Wenn derlei Maß- Krebsmedikamente entwickelt. Niemand will so einem geglichen werden.
zern Exxon Mobil zum Beispiel hat wegen Investitionen nahmen rechtswidriges Verhalten unterbinden, sind sie Unternehmen etwas wegnehmen. Aber Shell zum Bei- Warum die FDP eine neue Steuer schlecht findet,
in die Ölförderung 46 Milliarden Dollar Nettoschulden. womöglich angemessen. Doch rechtswidriges Verhalten spiel schon. Oder TotalEnergies. jedoch letztlich nicht minder interventionistische
In einem rechtsunsicheren Raum der Besteuerung muss bewiesen werden. Sonst gilt wie bei der Steuer: Der Nicht sehr viel überzeugender ist das Argument, neue Kartellgesetze gut, muss Christian Lindner sei-
nach Bauchgefühl kann es morgen auch andere treffen. Bauch eines Ministers und seine Angst vor dem Tank- niemand werde mehr in Deutschland investieren, nen Wählern erklären – aber egal: Hauptsache, es
Übergewinne mit Solaranlagen etwa würde heute sicher kunden rechtfertigen keine Willkür.  ROMAN PLET TER wenn der Staat einfach so die Gewinne einzelner passiert etwas.  M ARK SCHIERITZ

Wenn der Markt zu stark wird

Der Staat ist nicht machtlos. Derzeit werden mehrere Instrumente diskutiert, um die Macht von Konzernen zu schwächen. Ein Überblick  VON MARK SCHIERITZ

Das hat der Tankrabatt erreicht: In
Deutschland wird neu über das Verhältnis
von Wirtschaft und Staat diskutiert. Weil
die Benzinpreise trotz der staatlichen
Steuer­nachlässe hoch sind, diskutieren­
Politiker jetzt über die Gewinne der Mine-
ralölkonzerne. Dabei tauchen immer neue
Fragen auf. Längst geht es nicht mehr nur
um krisenbedingte Sonderprofite, sondern
es geht grundsätzlich um den Umgang mit
der Marktmacht privater Unternehmen.
Behalten die Konzerne den
Tankrabatt ein?
Fest steht: Nach der Einführung des Nach-
lasses sind die Spritpreise zunächst gefallen.
Allerdings sind sie vorher auch gestiegen.
Und sie steigen nun weiter. Ein Liter Super
kostet im Schnitt heute wieder so viel wie
Ende April. Das bedeutet aber nicht
zwangsläufig, dass die Ölkonzerne den Zu-
schuss komplett für sich behalten. Denn es
könnte auch sein, dass Benzin ohne den
Rabatt noch teurer wäre. Kraftstoff wird
aus Rohöl gewonnen, und auch die Rohöl-
preise sind gestiegen. Um abzuschätzen,
wie viel von dem staatlichen Geld – die
Maßnahme kostet rund drei Milliarden
Euro – in den Kassen der Konzerne ver-
schwindet, müsste man solche Faktoren
herausrechnen.
Das ist aufwendig und bisher nicht ge-
schehen. Es gibt allerdings Indizien. Laut
Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigen
Daten des Bundeskartellamts, dass der Ben-
zinpreis stärker gestiegen ist als der Preis von
Rohöl. Dies deute darauf hin, dass sich die
Mineralölkonzerne zumindest einen Teil des
Rabatts sicherten. Das würde zu Studien
passen, in denen die Mehrwertsteuersenkung
im Jahr 2020 untersucht wurde. Das Leibniz-
Institut für Wirtschaftsforschung in Halle
kommt zu dem Ergebnis, dass im Fall von
Benzin nur 40 Prozent und im Fall von Die-
sel nur 80 Prozent der Steuerersparnis an die
Kunden weitergegeben worden sind. Die
Lehre daraus wäre die Einführung einer
Sondersteuer.
Was soll eine
Sondersteuer bringen?
Sie soll es dem Staat ermöglichen, die­
Sondergewinne der Energiekonzerne abzu-
schöpfen – also mögliche Einnahmen aus
dem Tankrabatt, aber auch alle als über-
mäßig deklarierten Gewinne. So sieht es
ein Entschließungsantrag vor, den das Land
Bremen in der vergangenen Woche im
Bundesrat eingebracht hat. Als Vorbild gilt
Italien. Dort wurde eine Übergewinnsteuer
bereits eingeführt. Sie gilt für Energiekon-
zerne, deren Umsatz um mindestens zehn
Prozent über dem Umsatz des Vorjahrs
liegt. Der Steuersatz liegt bei 25 Prozent,
damit will die Regierung rund 6,5 Milliar-
den Euro einnehmen und so die Entlastun-
gen für Haushalte mit niedrigem Einkom-
men finanzieren.
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass
eine solche Steuer auch in Deutschland ein-
geführt wird. Die gesetzliche Grundlage
müsste von Bundesfinanzminister Christian
Lindner ausgearbeitet werden – und der ist
dagegen. Er hält eine Übergewinnsteuer für
kontraproduktiv und verfassungsrechtlich
problematisch. Die FDP hat außerdem ver-
sprochen, keine Steuern zu erhöhen.
Warum soll das Kartellrecht
verschärft werden?
Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Ro-
bert Habeck ist auch eine Reaktion auf das
absehbare Scheitern einer Übergewinnsteuer.
Habecks Staatssekretär Sven Giegold argu-
mentierte schon in seiner Zeit als Europa-
parlamentarier, dass zu viel Marktmacht den
Verbrauchern schadet. Die Idee dahinter:
Auf gut funktionierenden Märkten sorgt Was soll sich am
der Wettbewerb dafür, dass übermäßige Kartellrecht ändern?
Gewinne überhaupt nicht erst anfallen und
deshalb auch nicht weggesteuert werden Habeck will deshalb eine »missbrauchs­
müssen. Denn wenn ein Unternehmen ver- unabhängige Entflechtungsmöglichkeit« ein­
suchen würde, seine Waren oder Dienstleis- führen. Das klingt harmlos, bedeutete aber:
tungen überteuert anzubieten, dann würde Konzerne könnten präventiv zerschlagen
sich ein Wettbewerber einen Vorteil ver- werden, um Märkte aufzubrechen, allerdings
schaffen können, indem er den Preis des nur als »Ultima Ratio«, wie es in einem Pa-
Konkurrenten unterbietet. pier des Ministeriums heißt. Zudem soll es
Das Problem ist nur, dass Märkte in aller den Kartellbehörden erleichtert werden, als
Regel nicht von sich aus gut funktionieren. übermäßig erkannte Gewinne abzuschöpfen.
Weil es Monopolisten gibt, gegen die Wett- Das ist auch bislang schon möglich, aber in
bewerber nichts ausrichten können beispiels- der Geschichte der Bundesrepublik noch nie
weise. Deshalb überwacht das Bundeskartell- geschehen, weil die rechtlichen Hürden
amt das Marktgeschehen und greift ein, wenn dafür sehr hoch sind. Diese abgeschöpften
Unternehmen zu mächtig werden oder die Gewinne flössen in die Staatskasse, aber eben
Preise untereinander absprechen. So weit die nicht über höhere Steuern wie bei der Über-
Theorie. In der Praxis ist es nicht immer ganz gewinnsteuer, sondern über Kartellstrafen.
einfach, den Firmen solche Absprachen nach- Eine Änderung des Kartellrechts hat po-
zuweisen. Manchmal sind sie – wie etwa im litisch größere Chancen auf Umsetzung als
Fall der Tankstellen – auch nicht nötig, weil Steuererhöhungen, weil auch die FDP zu-
die Betreiber die Preise der Konkurrenz ganz mindest prinzipiell für mehr Wettbewerb
einfach in Erfahrung bringen können. Sie sind auf den Märkten ist. Bundesfinanzminister
ja überall angeschrieben. Nach Einschätzung Lindner hat Habecks Vorstoß auch schon
des Wirtschaftsministeriums begünstigt genau begrüßt. Im Gesetzgebungsverfahren dürf-
das ein sogenanntes »Parallelverhalten«: Wenn te es dennoch erhebliche Auseinanderset-
wenige Anbieter das Marktgeschehen domi- zungen geben, weil insbesondere die Er-
nieren, werden die Preise ohne explizite Ab- leichterung der Gewinnabschöpfung eini-
sprache angeglichen. gen Liberalen zu weit geht.
24
Hier
spricht die
Polizei
Telefonbetrüger geben sich als
Beamte von Europol
aus, um Geld zu erbeuten.
Unsere Autorin hat mit
einigen gesprochen – und mit
einem Opfer, das mehr
als 30.000 Euro verloren hat 
VON EVA WOLFANGEL
E
uropol-Ermittler James Martin,
Dienstnummer GB2314, hat eine
schlechte Nachricht. Fall Nummer
LDCW70108: »Schreiben Sie mit!«
Der strenge Ermittler lässt keinen
Zweifel daran, dass ich in massiven
Schwierigkeiten stecke, nachdem er
mich an einem Nachmittag im Mai nach meinem
Namen und den letzten drei Ziffern meiner Aus-
weisnummer gefragt und mich aufgefordert hat, das
Großraumbüro zu verlassen. Alles, was er sage, sei
schließlich vertraulich. Was er schildert, ist schreck-
lich: Ein total verbeultes Auto mit Blutspuren sei im
Süden Berlins gefunden worden – angemietet auf
meinen Namen. Zudem seien mehrere Konten auf
meinen Namen eröffnet worden, über die Geld­
wäsche betrieben worden sei. Drogenmilieu. »Was
haben Sie dazu zu sagen?«, herrscht er mich an.
Solche Anrufe erhalten gerade viele Menschen in
Deutschland, das Muster ist ähnlich: Die Anrufer tun
so, als riefen sie beispielsweise vom Europäischen
Polizeiamt Europol an, und setzen auf Einschüchte-
rung. Das Bundeskriminalamt nennt zwar keine
Zahlen, warnt aber vor der Masche. Die Bundesnetz-
agentur hat allein in diesem Jahr schon mehr als
ANZEIGE
Bayern
Live im Sofitel Bayerpost
München, am 5. Juli 2022
Programm und
kostenfreie Anmeldung
Premium Partner:
zeitfuerunternehmer.de
WIRTSCHAFT
16.000 Beschwerden über gefälschte Europol-­Anrufe weichzuklopfen und Zugang zu meinem Konto zu
registriert – wöchentlich kämen derzeit 1500­ bekommen. Die Männer haben Antworten auf jede
Beschwerden hinzu, so eine Sprecherin. Frage, sie sind ausdauernd und kreativ. Ihre
Die Europol-Masche ist nicht der einzige Trick. Im Geschichte­endet damit, dass nun mein Geld gerettet
April warnte der Bundesverband der Verbraucherzen- werden müsse, indem ich es auf ein sicheres Konto bei
tralen vor Anrufen von angeblichen Mitarbeitern des Europol transferiere. Ich kann mir durchaus vorstellen,
Supports von Microsoft, die per Telefon oder über dass Leute ihnen glauben.
gefälschte Warnhinweise am PC Zugriff auf Com- Schließlich wollen mich die Anrufer überzeugen,
puter erlangen wollen. Das Bundesamt für Sicherheit Teamviewer auf dem Computer oder Anydesk auf
in der Informationstechnik (BSI) warnt gerade vor dem Handy zu installieren. Das sind Programme, die
sogenannten Spoofing-Anrufen, bei denen den Ange- es anderen erlauben, mitzuverfolgen, was auf dem
rufenen sogar die Telefonnummer des BSI angezeigt Bildschirm geschieht. Solche Tools sind hilfreich,
wird. Die Behörde warnt »eindringlich« davor, den wenn man beispielsweise den Support seines Arbeit-
Anrufenden persönliche Daten mitzuteilen oder deren gebers in Anspruch nehmen will und den Mitarbeiter
Aufforderungen nachzukommen. der IT kennt, können aber eben auch von Krimi-
Als sich der vermeintliche James Martin von Euro- nellen missbraucht werden. So weit will ich nicht
pol bei mir meldet, lege ich nicht auf, obwohl das BKA gehen, ich schiebe technische Probleme vor: Mir
dies dringend rät – stattdessen heuchle ich einen fehle ein Passwort, mein Computer spucke eine Warn-
Schock, denn ich will wissen, wie die Geschichte meldung aus. Mit vielen Vorschlägen versuchen mir
weitergeht. Also spiele ich mit, erfinde Name, Aus- James Martin und sein Kollege, der »Senior Investi-
weisnummer, Beruf und Familie. Der Ermittler am gator« Mark Silver, zu helfen, das Passwort zu finden.
Telefon ist ein Erpresser, sein Englisch hat eine indi- Sie schlagen mir Ausreden vor, mittels derer ich mei-
sche Färbung, genau wie das all seiner Kollegen, mit nen Mann nach dem Passwort fragen soll (»Sag ihm
denen er mich im Laufe unseres einstündigen Ge- doch, dein Kind hat etwas verstellt!«). Denn ich darf
sprächs mehrfach verbindet. Alle versuchen, mich auch mit meinem Mann nicht über den Fall reden.
Die exklusive Konferenz für
Unternehmer:innen
Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise sowie
die Herausforderungen der Digitalisierung –
als Unternehmer:innen stehen Sie vor komplexen
Anforderungen – beruflich, persönlich und
gesellschaftlich. Wir laden Sie herzlich ein, sich
zu informieren und untereinander und mit
Expert:innen zu folgenden Themen auszutauschen:
· New Work & Diversitymanagement
· Unternehmensfinanzierung & -nachfolge
· Energiesicherheit & Resilienz
Partner: Aussteller:
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Illustration: Sandro Rybak für DIE ZEIT
»Mit niemandem«, sagt Martin. »Wir wissen nicht, daran, dass es so nicht mehr missbraucht werden
wer in deinem Umfeld der Täter ist.« kann. Erst dann und nach einer zurückgezogenen
Wie so eine Geschichte schlimmstenfalls weiter- Überweisung habe ihre Bank angerufen und gefragt,
gehen kann, weiß Miriam Peters zu erzählen. Sie ist ob »alles okay« sei. Es ist der einzige Sicherheits-
Mitte 30, arbeitet als Vertretungsprofessorin für mechanismus, der während der zwei Tage greift.
Internationales Management an einer deutschen Doch genau auf diesen Anruf haben die Täter Peters
Uni und heißt eigentlich anders. Weil es ihr unange- vorbereitet, sodass die nun tatsächlich denkt, die
nehm ist, dass sie auf einen Anrufer hereingefallen Bank arbeite gegen sie – und nur sagt: Alles in Ord-
ist und mehr als 30.000 Euro verloren hat, möchte nung. Die Bank lässt es laufen. So schildert Peters
sie nicht mit ihrem wahren Namen genannt werden. den Ablauf, die Comdirect will sich nicht zu kon-
Wie ihr Fall verlief, lässt sich zwar nicht im kreten Kundenbeziehungen äußern, teilt aber mit,
Detail überprüfen, ihre Schilderungen sind aber dass »Transaktionen, die vom Kunden selbst ver-
aus Sicht von Ermittlern plausibel. Außerdem legt anlasst werden«, in dessen Verantwortung liegen.
sie mir Dokumente vor, die ihre Darstellung stüt- Wise bestätigt die Vorgänge. Ein auffälliges
zen: Kontoauszüge, Anruflisten auf ihrem Smart- Muster habe man aber nicht festgestellt, so die
phone, Schriftwechsel mit Behörden, Banken und Pressesprecherin. Deshalb hätten die technischen
Plattformen, dazu eine Audio-Aufnahme des letzten Systeme nicht gegriffen. Zudem sei das Zielkonto­
Gesprächs mit den Tätern. kein Konto bei Wise gewesen, weshalb sich das
Als die Betrüger Peters am 3. März erstmals an- Geld auch nicht zurückholen lasse.
rufen, ist sie gerade im Ausland. Sie erzählen die
gleiche Geschichte wie bei mir: Ein auf ihren­ Das BKA rät, bei solchen
Namen angemeldetes Auto mit Blutspuren und Anrufen sofort aufzulegen
Drogen sei gefunden worden. Es habe sie nicht über-
rascht, dass jemand offenbar ihre Identität g­ eklaut Erst am dritten Tag sei der Schwindel aufgeflo-
habe, erzählt sie mir. »Ich weiß, dass ich durch gen, erzählt Peters, als sie Europol zurückgerufen
meine politisch sensitive Forschung gefährdet bin.« habe – unter der echten Nummer der Behörde.
Die Betrüger reden ihr ein, sie könne bald ohne Die Dame am Telefon habe ihr gesagt, Europol
gültigen Ausweis und ohne Zugang zu ihrem habe damit nichts zu tun. Peters erfährt: Mit
Konto­im Ausland festsitzen. »Die kochen einen so technischen Tricks ist es möglich, die Nummer
richtig hoch«, erinnert sie sich. »Ich habe zwei Tage zu ändern, die auf dem Display erscheint.
in deren Realität gelebt.« Also installiert sie Any- Peters versucht sofort, Bitpanda und Wise zu
desk, denn der Anrufer will ihr dabei helfen, das erreichen. Doch beide haben lediglich ein Kon-
Geld zu transferieren. Es müsse schnell gehen, sagt
der Anrufer, die Bank sei kurz davor, ihr Konto zu
taktformular. Bei Bitpanda dauert es drei Stunden,
bis überhaupt jemand auf ihre Nachrichten reagiert.
sperren, weil es für Geldwäsche genutzt werde. Es
könne sein, dass sich ihre Bank telefonisch melde:
Es sei nicht möglich, Transfers von Kryptowährun-
gen zurückzuholen, lautet die Antwort, die Peters
In diesem Fall solle sie nichts über ihre Zusammen- dokumentiert hat. Bitpanda schließt ihren Account
arbeit mit Europol sagen. und teilt ihr mit, sie könne auch in Zukunft keinen
Das Opfer überweist bereitwillig
Account mehr eröffnen. »Wie kann es sein, dass
Bitpanda sich so aus der Verantwortung stiehlt?«,
Tausende Euro nach Singapur fragt Peters. »Wieso kann man dort mit einem
neuen Account knapp 20.000 Euro in Echtzeit
Ganz unverdächtig ist Peters die Sache nicht. überweisen?« Aus ihrer Sicht ist das eine direkte
Deswegen habe sie parallel gegoogelt, ob es eine Dienstleistung für Kriminelle. Die Täter hätten sehr
Warnung gab von Europol vor dieser Art von genau gewusst, wie sie vorgehen müssen.
Anrufen, erklärt sie mir. Aber Anfang März ist sie Bitpanda erklärt auf Nachfrage, man bedaure,
eines der ersten Opfer. Nirgends habe sie einen dass Peters Opfer eines Betrugs geworden sei, »diese­
Hinweis auf die Masche gefunden. Auch die­ Angelegenheit hat jedoch nicht mit Bitpanda,
Telefonnummer von Europol überprüft sie. Sie unserer Infrastruktur oder unseren Sicherheitsstan-
ist richtig, die Anrufliste ihres Handys belegt das. dards zu tun«. Kunden würden ausführlich aufge-
Die Täter haben ihr Vertrauen gewonnen. klärt darüber, dass Kryptotransaktionen endgültig
Zwei Tage lang bearbeiten sie Peters jetzt, mög- und nicht rückholbar seien. Auch die Gefahr von
lichst viel Geld von ihrem Konto aus ins Ausland betrügerischen Anrufen werde thematisiert.
zu transferieren. Sie telefonieren mit ihr, sie chat- Gerade die Option, große Summen in Echt-
ten per WhatsApp, und sie überwachen ihr zeit transferieren zu können, ist für Kriminelle
Smartphone mit Anydesk. Am 2. März beispiels- interessant. Denn die Zeit spielt gegen sie, wie
weise um 16.49 Uhr schreibt ihr »Richard« per Christina Lekati erklärt. Die Sicherheitsforscherin
WhatsApp: »Ich melde mich morgen und sage und Psychologin der Schweizer Sicherheitsbera-
dir, wie du den Rest deines Geldes sichern tungsfirma Cyber Risk hat sich damit beschäftigt,
kannst. Mach dir keine Sorgen!« Er ergänzt: wieso Angriffe wie der auf Miriam Peters erfolg-
»Vergiss nicht, du darfst mit niemandem über reich sind, obwohl sie auf Dritte mitunter­
den Fall sprechen! Wirklich mit niemandem.« unplausibel wirken. »Unter Zeitdruck setzt das
Die Täter machen auch klar: Es muss schnell kritische Denken aus«, sagt Lekati. Dazu kommt
gehen. Mittels Anydesk leiten sie Peters an, zunächst die Furcht. »Wenn man in einem Zustand der
knapp 7000 Euro in Etappen von meist 1000 Euro Angst ist, will man da raus.« Miriam Peters selbst
mit dem Dienst Wise auf zwei Konten in Singapur sagt: »Du bist psychisch so kompromittiert, du
zu überweisen. Wise ist ein beliebter Online-Trans- hast keine Ressourcen mehr.«
fer-Service, der Transaktionen über Grenzen für Beim hessischen LKA, das sich Peters Falls an-
vergleichsweise geringe Gebühren ermöglicht. Das genommen hat, will man die Ermittlungen und
Unternehmen sitzt in London. deren Erfolgsaussichten nicht kommentieren.
Als eine Transaktion per Wise länger dauert als Das BKA rät, bei solchen Anrufen sofort aufzule-
üblich, machen die Betrüger Druck und leiten gen. Zudem ist es möglich, betrügerische Anrufe
Peters zu Bitpanda. Die Kryptohandelsplattform bei der Bundesnetzagentur zu melden, die ­Anrufe
des gleichnamigen Wiener Unternehmens ermög- zumindest innerhalb Deutschlands nachverfol-
licht es, mit wenigen Klicks Bitcoin zu kaufen und gen kann. Wer auf die Anrufer reinfällt, sollte
sofort an andere Empfänger weiterzuleiten. Das tut sich zudem auch bei der Polizei melden.
Peters nach eigener Darstellung. Mit rund 19.000 Legt man nicht auf, kann es mindestens­
Euro von ihrem Bankkonto bei der Comdirect- unangenehm werden. So wie in meinem Telefo-
Bank und 5000 Euro ihrer Barclays-Kreditkarte nat mit Mark Silver. Als ich kein Geld überweise,
kauft sie Kryptowährungen und leitet sie an eine schreit er mich nur noch an. Er werde jetzt sofort
Adresse weiter, die sie von den Anrufern erhält. mein Konto sperren und meinen Ausweis­
Sie folgt auch dem Rat der Anrufer, ihr Com­ annullieren. Ich würde verhaftet. Ich schreibe
direct-Tagesgeldkonto aufzulösen, in dem Glauben fleißig mit – die Polizei wird es interessieren.
 ANZEIGE | DESTINATION
KREUZFAHRTENGALAPAGOS
| Ein Spezial des Zeitverlags 1

Die häufigste
Tölpelart auf dem
Galapagos-Archipel
ist der Blaufußtölpel.
Die Vögel sind beim
Beutefang äußerst

GALAPAGOS
gewandte Flieger
und Taucher (oben).

Auf den schwarzen

Lavafelsen sind die
leuchtend roten
Klippen-Krabben
nicht zu übersehen
(links).

Afrika hat die »Big

Five«, die Galapa-

Es ist eines der letzten Naturparadiese dieser Erde: der Galapagos- gos-Inseln die »Big
15«. Zu diesen zählt
auch der Santa-Fe-
Archipel. Erleben Sie mit Hurtigruten Expeditions atemberaubende Drusenkopf (links
unten).

Tier- und Naturszenarien, wie es sie so nirgendwo anders zu sehen gibt.

Das beste Motiv für ein Abenteuer
»Riesenschildkröte auf 12 Uhr!«
Seelenruhig zupft das impo-
sante Reptil einige Grashalme
ab und lässt sich dabei von
neugierigen Menschenblicken
nicht beirren. Schließlich ist
es, genau wie etliche andere
faszinierende Tiere – darunter
Leguane, Albatrosse, Seebären,
Rochen, Riff haie und diverse
Tölpelarten – hier zu Hause,
auf den Galapagos-Inseln. Der
Archipel im Pazifi k gilt als
eines der letzten Naturparadie-
se dieser Erde und ist das Ziel
einer unvergesslichen Reise
mit Hurtigruten Expeditions.
arten nur hier in einer einzigarti-
gen natürlichen Umgebung über-
leben konnten und überleben
können. Das macht diese Inseln
zu einem besonderen Reiseerleb-
nis für alle, die eine spektakuläre
wie gleichermaßen fremde und
atemraubende Flora und Fauna
erleben möchten und dies gut
aufgehoben in bestens ausge-
bildeter wie auch fachkundiger
Begleitung. So hat das deutsch-
sprachige Expeditionsteam von
Hurtigruten Expeditions eine
Route zusammengestellt, die –
verteilt auf elf Tage – etliche, ge-
wiss unvergessliche Höhepunkte
Unvergesslich
dürfte die Be-
gegnung mit
einer Galapagos-
Bei Schnorchel-
und Tauch-
ausflügen vor
den Küsten der
Galapagos-Inseln
bekommt man oft
tierische Gesell-
schaft und dies
beispielsweise in
Form der Grünen
Meeresschild-
kröte.
Einmalige Eindrücke in
atemraubender Kulisse
Baltra, Mosquera, San Cristobal,
Santa Fe, Plaza Sur, Santa Cruz,
Espanola, Eden und Seymour
Norte – gleich neun Galapagos-
Inseln umfasst die Route, und
ein jedes Eiland bietet mit seiner
außergewöhnlichen Kulisse die
Möglichkeit, wahrlich einmali-
ge Eindrücke zu sammeln. Ins-
besondere Hobbyfotografi nnen
und -fotografen dürften kaum
von ihrer Passion lassen, werden
sie doch eine Vielzahl an faszi-
nierenden Motiven entdecken,
die sie so noch nirgendwo anders
vorgefunden haben und auch
nirgendwo anders vorfi nden
werden. Ob beispielsweise Blau-
Schön gehört, was hier los ist?
der Galapagos-Albatros, der Ga- ne Schiff, welches klimaneutral Mit den Hurtigruten berichtet beispielsweise von son-
lapagos-Pinguin oder auch der operiert, überzeugt als neustes eigenen Landungs- nenhungrigen Seelöwen, die sich
booten, Kajaks,
Galapagos-Seebär, sind übrigens Mitglied der Hurtigruten Ex- Paddleboards und nur wenige Meter entfernt von
endemisch, das heißt, dass sie peditions-Flotte mit seinem der zur Verfügung den Menschen am Strand aalen,
tatsächlich nur auf dem Archipel modernen Komfort. Auch ist es gestellten Schnor- von den wagemutigen Landun-
chelausrüstung kann
beziehungsweise sogar nur auf dank seiner angenehm über- man den Wundern gen der riesigen Albatrosse, von
einer einzigen Insel vorkommen, schaubaren Größe – so bietet es der Natur noch unzähligen Meeresschildkröten,
ein Stück näher
wie es bei dem Santa-Fe-Drusen- maximal 90 Gästen Platz – derart die einen beim Schnorcheln be-
kommen.
kopf der Fall ist. Die Einmalig- wendig, dass auch abgelegene gleiten, aber auch von der Histo-
keit gilt fast selbstredend ebensoLagunen erkundet werden kön- rie des Archipels – und in diesem
für einige Pflanzen, darunter der nen. Überdies gibt es nur Außen- Zusammenhang von der Bedeu-
Lavakatus, die Darwin-Baum- kabinen, sodass sich die vorbei- tung des Themas »Nachhaltig-
wolle oder der Scalesia, der ziehende Natur aus nächster Was haben ein Espresso und unglaubliche Farbwelt faszi- keit«. Laut Klaus Fielsch erlebt
»Sonnenblumenbaum«. Um all Nähe genießen lässt. Und egal, die Galapagos-Inseln gemein? niert mich immer wieder an den man auf den Galapagos-Inseln in
diese Besonderheiten wahrlich ob all das Gesehene per Foto »12.5 Knoten« gibt die Antwort. Galapagos-Inseln«, sagt Klaus einer Woche so viel wie sonst mit-
ins rechte Licht zu rücken, reist festgehalten oder aber »nur« im Dabei handelt es sich um den Fielsch, und dies in der neunten unter in einem Jahr, weswegen er
sogar extra ein Fotograf mit und Gedächtnis abgespeichert wird: eigenen Podcast von Hurtig- Folge des Hurtigruten-Podcasts den Trip gerne mit einem Espres-
verrät Tipps und Tricks für die Es sind farbgewaltige Bilder, un- ruten, der einen mitnimmt in »12.5 Knoten«. Aufgewachsen in so vergleicht – stark konzentriert
besten Landschafts- und Tier- vergessliche Eindrücke, bleiben- faszinierende Urlaubswelten. Ecuador, lebte Fielsch mehr als auf das Wesentliche, in diesem
fotos. de Erinnerungen. Darauf kann 14 Jahre auf den Inseln und be- Fall auf einmalige Eindrücke. 
man guten Gewissens eine Wette »Das türkisfarbene kristallklare gleitet heute als Expeditionslei-
Deutschsprachiges Team und abschließen. Wasser, das pechschwarze Lava- ter auch die Reisenden von Hur- Alle Folgen von
überschaubare Passagierzahl PS: Allein noch bis Dezember gestein, die knallroten Felsen- tigruten Expeditions auf ihren »12.5 Knoten«
Der Experte ist Teil des deutsch- dieses Jahres gibt es 13 Abfahrts- Krabben, die weißen Strände Entdeckungstouren. Im Podcast unter www.
sprachigen Expeditionsteams der termine. Für Kurzentschlossene und zwischendurch mal eine erzählt er bereits ein wenig darü- hurtigruten.de/
»MS Santa Cruz II«. Das moder- kann es bereits im Juli losgehen. Kolonie Blaufußtölpel – diese ber, was es alles zu Erleben gibt, podcast

Galapagos und
Riesenschildkröte fußtölpel bei ihrem Balzgehabe,
sein. Die wohl Meerechsen bei der Futtersuche,
bekanntesten
Tiere der Insel- Seelöwen bei einem genüssli-
gruppe können chen Sonnenbad, Fregattvögel
bis zu 250 Kilo bei der Aufzucht ihrer Jungen

Wetten sollte man am besten
Machu Picchu
wiegen.
oder natürlich die Riesenschild-
kröten, wie sie grasen und sich in
Pfützen suhlen – grandiose Sze-
narien zu denen auch auf Santa
beinhaltet. Neben der Erkundung Cruz der Besuch der Charles-

Am Ziel der Träume

nur, wenn man sich sicher ist.
Und so selten dies in der Re-
gel der Fall ist – geht es um eine
von Ecuadors Hauptmetropole
Quito, deren historische Altstadt
mit ihrer klassischen Kolonial-
Darwin-Forschungsstation ge-
hört. Mehr als 200 Forschende
und Freiwillige sind hier tätig,
Alle
©Hurtigruten, ©GoGa

Reise zu den Galapagos-Inseln, architektur zum UNESCO-Welt- und es können zum Beispiel

Flüge
sind eindrucksvolle Naturszena- kulturerbe zählt, und neben Schildkrötenbabys in Brutkästen
rien, wie man sie sonst nirgend- dem Besuch des Nationalparks beobachtet werden. Darüber
wo anders auf der Welt erleben Cotopaxi, dessen Herzstück der hinaus gibt es die berühmten inklusive
kann, tatsächlich mit Sicherheit gleichnamige 5.897 Meter hohe Darwinfi nken, jene Vögel, die
garantiert. Der Grund dafür ist Berg ist, einer der höchsten ak- als Grundlage für Darwins Evo-
die geschützte isolierte Lage des tiven Vulkane der Erde, steht die lutionstheorie dienten.
Archipels, wodurch zahlreiche Reise ganz im Zeichen des Gala- Etliche Tierarten, die es auf
verschiedene Tier- und Pflanzen- pagos-Archipels. der Reise zu sehen gibt, etwa
Expeditions-
Insel
Mit einer kleinen, exklusiven Gruppe e r- Seymour Mosquera GALAPAGOS-INSELN
kunden Sie das überwältigende Machu Picchu Norte
Seereise
Baltra
und die artenreichen Galapagos-Inseln.
Für das »Extra« am Erleben Insel
Edén SANTA
Plaza
Sur Punta Pitt Juli 2022 bis
CRUZ Santa Fé
Um den Naturwundern der Galapagos-Inseln Hurtigruten Expeditions Dezember 2023
SAN
Ihre Vorteile – für Sie inklusive Puerto
wirklich näher zu kommen, sind Landgänge, Puerto
Ayora
Baquerizo
Moreno
CRISTÓBAL
· Alle Flüge, Übernachtungen sowie Transfers Bahía
Wanderungen und vor allem auch Aktivitäten · VIP-Lounge am Flughafen Baltra und Quito Punta Suarez
Gardner
ESPAÑOLA
wie Kajakfahrten, Schnorcheln – inklusive · Deutschsprachiges Expeditionsteam
· Landgänge in kleinen Gruppen mit
dem kostenlosen Verleih von Neopren- lizenzierten Galapagos-Guides
13
Frühbucher-Preis
Santa Cruz ECUADOR
anzügen – sowie Fahrten mit dem Glas- · Fahrt mit dem Inca-Rail, Führung durch Machu Picchu Quito Tage ab 10.990 € p.P. *
· Aktivitäten wie Schnorcheln, Kajakfahren, Stand-up- GALAPAGOS-
bodenboot im Angebot enthalten und Paddeln, Glasbodenbootfahren und Wanderungen INSELN Guayaaquil PERU Inklusive aller Flüge
· Kleines Schiff für max. 90 Passagiere
werden von erfahrenen Guides betreut. · Vollpension mit Tischgetränken an Bord
Machu
Picchu Informationen im Reisebüro,
Lima
· Wasser, Kaffee und Tee ganztägig an Bord verfügbar Tel. (040) 874 087 11 oder
COTOPAXI- Cusco
· Kostenloses WLAN an Bord NATIONALPARK
hurtigruten.de/galapagos

Buchen Sie jetzt

IMPRESSUM Verlag: ZEIT Verlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Helmut-Schmidt-Haus, 20095 Hamburg; Geschäftsführung: Hurtigruten GmbH • Große Bleichen 23 • 20354 Hamburg
Dr. Rainer Esser; Art Direction: Kay Lübke, Dietke Steck; Realisierung: Studio ZX GmbH – Ein Unternehmen der ZEIT Verlagsgruppe,
Veranstalter der Reisen ist die Hurtigruten Global Sales AS
Geschäftsführung: Dr. Mark Schiffhauer, Uta Schwaner; Projektmanagement: Fritz Lüders; Redaktion: Nicole Maibaum; Lektorat: Egbert
Scheunemann; Grafik: Sonja Feldkamp; Bilder: Hurtigruten Chief Sales Officer ZEIT Verlagsgruppe: Corinna Hohenleitner Head of Langkaia 1 • 0150 Oslo • Norwegen *Frühbucher-Preis. Limitiertes Kontingent.
Travel & Tourism: Sandra Lindemeier, Tel. 040/32 80-359, sandra.lindemeier@zeit.de; Anzeigenpreise: Preisliste Nr. 16 vom 1. Januar 2022
Hergestellt in Kooperation mit: Hurtigruten GmbH, Große Bleichen 23, 20354 Hamburg, Germany
26
E Der mächtigste
s gibt Menschen, die wirken immer
kleiner und weniger mächtig, je näher
man ihnen kommt. Und es gibt Men­
schen, bei denen es genau andersherum
ist. So ein Mensch ist Hal Harvey. Je
mehr Organisationen man nach seinem
Namen durchforstet, je mehr Aufsätze
und Bücher man von ihm liest, desto größer wirkt er.
Am Ende steht eine Gewissheit: Hal Harvey, 61 Jahre
alt, US-Amerikaner und der breiten Öffentlichkeit un­
bekannt, ist einer der mächtigsten Lobbyisten der Welt.
Allerdings vertritt er nicht, wie man das bei einem
mächtigen Lobbyisten vielleicht vermuten würde, die
Interessen der Öl- oder Autoindustrie, sondern die ihrer
Gegner. Er kämpft gegen qualmende Diesel- und­
Benzinfahrzeuge und für erneuerbare Energieträger.
Man sieht ihn jedoch nicht auf Demonstrationen,
auch in Talkshows ist er nicht zu Gast. Hal Harvey
wirkt aus dem Schatten heraus, mit sehr viel Geld und
sehr viel Einfluss.
Hal Harvey hat Organisationen aufgebaut, ohne die
der Dieselskandal von Volkswagen 2015 nie bekannt
geworden wäre. Ohne Harvey rollten heute nicht mehr
als 800.000 Elektroautos allein auf deutschen Straßen.
Selbst als das Europaparlament vergangene Woche be­
schloss, dass in der EU von 2035 an keine Verbrennungs­
motoren mehr zugelassen werden dürfen, hatte das mit
Harvey zu tun.
Viele Lobbyisten achten darauf, dass nicht an die
Öffentlichkeit gelangt, wie sie ihre Interessen in den
opaken Maschinenräumen der Macht durchsetzen. Hal
Harvey tut das nicht. Bei einem Treffen in Berlin erzählt
er, wie er über Jahrzehnte Kampagnen orchestriert, Stif­
tungen gegründet und Vertraute in die richtigen Positio­
nen gebracht hat – bis in die obersten Etagen des Bundes­
wirtschaftsministeriums. Jetzt sind seine Leute an der
Regierung und übersetzen seine Ideen in Politik.
Die Methode Harvey globalisiert die amerikanische
Tradition der Thinktanks, sogenannter Denkfabriken. In
den USA arbeiten ganze Heerscharen von Politikdenkern,
die nach einem Sieg ihrer Partei in die Ministerien der
Regierung einziehen – und in Oppositionszeiten in Denk­
fabriken überwintern, um Konzepte für die Zukunft an
der Regierung zu erarbeiten. Harvey allerdings gehört zu
keiner Partei. Ihm geht es nicht darum, politische Pro­
gramme durchzusetzen. Er will den Klimawandel stoppen.
Wie Harvey vorgeht, lässt sich an einem Vorgang
zeigen, der als Dieselskandal in die deutsche Wirtschafts­
geschichte einging, nachdem aufgeflogen war, dass Auto­
mobilkonzerne bei Abgaswerten betrogen hatten. Um die
Jahrtausendwende hatte Harvey davon gehört, wie
schlecht nationale Regierungen ausgestattet und unter­
einander vernetzt waren, wenn es um die Verschärfung
von Abgasregeln für Autos ging. In China beispielsweise
hätten damals Dutzende Lobbyisten der globalen Öl- und
Autoindustrie den einen staatlichen Angestellten bearbei­
tet, der für die Entwicklung von Abgasvorschriften zu­
ständig war.
Das wusste Harvey von Michael Walsh, der früher bei
der kalifornischen Umweltbehörde tätig war. Also er­
möglichte Harvey seinem Landsmann 2001 die Grün­
dung des International Council on Clean Transportation
(ICCT), einer Organisation, in der sich Regulierungs­
experten aus der ganzen Welt zusammentun sollten. 2015
war es dieser ICCT, der die Abgasmanipulationen bei den
Dieselfahrzeugen von Volkswagen aufdeckte und den
deutschen Autokonzern damit in die schwerste Krise
seiner Geschichte stürzte und die Karriere des Chefs
Martin Winterkorn jäh beendete. »Ohne Hal Harvey
hätte es den ICCT niemals gegeben. Ich kenne nieman­
den, der sich so effizient und zugleich in so breiter Weise
mit Klimaschutz beschäftigt hat«, sagt Walsh heute. Das
Muster, nach dem Harvey schon damals vorging und das
sein Wirken bis heute kennzeichnet, beschreibt der Deut­
sche Axel Friedrich, der ebenfalls an der Gründung des
ICCT beteiligt war, so: »Wir hatten die Idee, Hal Harvey
das Geld.« Nur bei Volkswagen wissen sie offenbar bis
heute nicht, welcher Mann hinter der Organisation steckt,
die ihre Dieselbetrügereien aufdeckte. Auf Nachfrage
können weder VW-Markenchef Ralf Brandstätter noch
VW-Cheflobbyist Thomas Steg mit dem Namen Hal
Harvey irgendetwas anfangen.
Wer also ist dieser Mann?
Harvey wuchs im St. Moritz der Vereinigten Staaten
auf: in Aspen, Colorado. Seine Eltern waren nicht nur
Landwirte, sondern auch Skilehrer und schickten ihre
sechs Kinder bei jeder Gelegenheit auf die Piste. »Das war
ihre Art, uns loszuwerden«, erzählt Harvey bei dem Treffen
morgens um acht in der Lobby der Berliner Mandala Suites
(»Ich bin ein Frühaufsteher«). In Berlin pflegt er sein Netz­
werk – trifft Lobbyisten, Wissenschaftler und Politiker.
Man könnte nun erwarten, dass Harvey von schmel­
zenden Gletschern in den Rocky Mountains berichtet, die
ihm den Klimawandel vor Augen führten, doch das tut er
nicht. Er berichtet von einem anderen Erweckungserleb­
nis, von seiner Musterung.
Der damalige US-Präsident Jimmy Carter hatte An­
fang der 1980er-Jahre gerade die Wehrpflicht wieder
eingeführt. Als Harvey zur Tauglichkeitsprüfung muss­
te, sei ihm bewusst geworden, dass all die drohenden
Konflikte, in die die Soldaten geschickt würden, auch
mit Öl zu tun hatten. »Ich wusste, wir müssen ganz
schnell weg davon«, sagt er. Harvey wurde nicht ein­
gezogen, er begann ein Studium in Stanford: Energie­
technik, Physik und Politik. Damals sei ihm klar ge­
worden, so erzählt er zumindest heute, »dass der Aus­
stieg aus den fossilen Brennstoffen der Schlüssel zu so
vielem sein würde: Energiesicherheit, Luftverschmut­
zung, Klimawandel, nationaler Sicherheit«.
Nach dem Studium, erzählt Harvey, arbeitete er für
Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für eine
stärkere Kontrolle von Atomwaffen einsetzten. So lernte
er viele Stiftungen kennen. Darunter waren auch so ein­
flussreiche wie die Rockefeller Foun­da­tion und der Pew
Charitable Trust. Ihre Vermögen stammten aus dem
Nachlass von Milliardärsfamilien, die als Philantropen
die Welt nach ihren Maßstäben verbessern wollten – und
überdies damit Steuern sparen konnten.
Ende der 1980er-Jahre taten sich der Pew Charitable
Trust und die Rockefeller Foundation zusammen und
heuerten Harvey an. Er sollte eine neue Stiftung gründen
WIRTSCHAFT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Titelthema
mit dem Ziel, Amerikas Energiehunger zu verringern,
die Energy Foundation. »Das war die erste philantro­
pische Stiftung, die sich mit Klimaschutz beschäftigte«,
sagt Harvey.
Er selbst zerlegte 1992 seinen alten Ford Escort. Er
baute den Motor aus, die Bremsen, die Aufhängung und
Grüne der Welt
das Getriebe. Dann schweißte er ein Batteriegehäuse­
zusammen und setzte 18 Batterien ein. Fertig war das­
Elektroauto. »Ich bin damit fünf Jahre zur Arbeit gepen­
delt, Spitzengeschwindigkeit 100 km/h.« Solarzellen auf
dem Dach luden das Auto auf: »Damit hatte ich ein Null-
Emissions-Fahrzeug.«
Durch derlei Pragmatismus wurde Harvey bald in der
Welt der Stiftungen bekannt. »Hal denkt durch und durch
wie ein Ingenieur: Wie kann ich mein Ziel am effizientes­
Der Amerikaner Hal Harvey verteilt weltweit Hunderte Millionen Euro ten erreichen?« Das sagt Paul Brest, der langjährige Präsi­
an Organisationen, die Programme für Regierungen dent der William und Flora Hewlett Foundation, die nach
dem Mitgründer des IT-Riesen Hewlett-Packard und
schreiben – und in Deutschland Staatssekretäre stellen  VON CLAAS TATJE seiner Ehefrau Flora benannt ist und laut Selbstbeschrei­
bung »Ideen vorantreibt und Institutionen unterstützt,
um eine bessere Welt zu fördern«. Im Jahr 2020 stand ihr
dafür ein Vermögen von mehr als 13 Milliarden Dollar
zur Verfügung.
Brest führte die Stiftung von 2000 bis 2012. Zu seinen
wichtigsten Aufgaben gehörte es anfangs, das Umwelt­
programm der Hewlett-Stiftung stärker auf den Klima­
schutz auszurichten. »Wir suchten jemanden mit viel
Erfahrung auf diesem Gebiet, und Hal war genau der
Richtige dafür«, sagt Brest in einem Videogespräch. Im
Jahr 2002 machte er Harvey zum Leiter des Umwelt­
programms.
Für Harvey selbst wird die Hewlett Foundation zur
Basis all seine weiteren Vorhaben und Projekte werden.
Unermüdlich baute Harvey sein Netzwerk aus Stiftun­
gen, Thinktanks und anderen Organisationen aus. Bereits
1999 hatte er einen chinesischen Ableger der von ihm ini­
tiierten Energy Foundation gegründet. Nun vernetzte er
sich auch in Europa. Er erkannte, dass ihm das Geld der
Philantropen einen großen Wettbewerbsvorteil verschaff­
te. In der Studie Design to Win, die sich mit erfolgver­
sprechenden Strategien zur Lösung großer globaler Pro­
bleme befasste, heißt es 2007: »Politiker sind fixiert auf die
nächste Wahl, Unternehmenschefs auf die nächsten
Quartalszahlen. Im Gegensatz dazu können Philantropen
in ganz anderen Zeithorizonten denken und größere Ri­
siken eingehen.« Harvey zählte zu den Auftraggebern.
Eine weitere Kernbotschaft: Philantropen könnten viel
leichter als Politiker grenzüberschreitend und sektorüber­
greifend tätig werden. »Genau das wird gebraucht, um die
globale Erwärmung zu bekämpfen«, heißt es in der Studie.
Die Autoren entwarfen eine Blaupause, wie sich mithilfe
von Philantropen der gesellschaftliche Diskurs beein­
flussen ließe. Sie identifizierten vier Regionen – die USA,
die EU, China und Indien. Und fünf Sektoren – Energie,
Industrie, Immobilien, Verkehr, Forstwirtschaft. Auf
diese sollte sich das Lobbying konzentrieren.
Es war die Zeit, als Al Gores Film Eine unbequeme
Wahrheit, der vor dem Klimawandel warnte, zwei Oscars
bekam. Hal Harvey will den Klimawandel nicht beschrei­
ben, sondern verhindern.
2008 gründete er die Climate Works Foundation. Fi­
nanziert wird sie in erster Linie von der Hewlett Founda­
tion. Sie stellte ihr 500 Millionen Dollar für den Klima­
schutz zur Verfügung.
Ebenfalls 2008 unterstützte Harvey die Gründung der
European Climate Foundation in den Niederlanden, 2021
wurde er Präsident der neu ins Leben gerufenen und welt­
weit tätigen Climate Imperative Foundation mit einem
Jahresbudget von 180 Millionen Dollar.
Auch in Deutschland ist Harvey aktiv. Seit 2012
bringen die Denkfabriken Agora Energiewende und
seit 2016 die Agora Verkehrswende das Kapital zweier
sehr ähnlich denkender Männer zusammen: Hal Harvey
und Bernhard Lorentz.
Agora – so hieß der zentrale Versammlungsplatz der
Städte im antiken Griechenland. Ein solcher Debattenort
sollte auch im modernen Deutschland entstehen. In der
Selbstbeschreibung der Agora Energiewende heißt es: »Als
Thinktank und Politiklabor teilen wir Wissen mit Akteu­
rinnen und Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
und Zivilgesellschaft und streben gleichzeitig einen pro­
duktiven Austausch von Ideen an.«
Um das in Deutschland ins Werk zu setzen, war Lorentz
genau der Richtige. Er ist ein Tausendsassa im Berliner
Politbetrieb und duzt sein Gegenüber schneller als man
»Guten Tag!« sagen kann. Mit ähnlicher Konsequenz wie
Harvey hat Lorentz die von ihm seit 2008 geleitete­
Mercator-Stiftung auf den Klimaschutz fokussiert. Die
Foto: Nicholas Albrecht für DIE ZEIT
von den Erben des Metro-Handelskonzerns ins Leben
gerufene Stiftung hatte sich mit Forschungsaufträgen und
Projekten bis zu Lorentz’ Start um Völkerverständigung
und Bildungsgerechtigkeit gekümmert. Als Lorentz den
Chefposten übernahm, reiste er nach Kalifornien, weil ihm
ein Besuch bei Hal Harvey und Paul Brest empfohlen
worden war. Von ihnen lernte er das Handwerk strategi­
scher Philantropie: Ziele setzen und sie radikal verfolgen.
Ein wichtiges Ziel für Lorentz war der Klimaschutz. So
Hal Harvey, 61, erdachten Harvey und Lorentz die Agora-Thinktanks und
Ende Mai in den finanzierten sie mit ihren Stiftungen. Das Konzept be­
Headlands vor den Toren schreibt Lorentz im Gespräch so: Der Diskurs werde von
San Franciscos. den Stiftungen durch empirische Studien vorbereitet und
Von Kalifornien aus dann in Politik übersetzt. Am besten, indem man die Mit­
orchestriert er arbeiter der Thinktanks direkt im Ministerium platziere.
ein Netz aus Stiftungen Dieser Plan ist aufgegangen. Ein Referatsleiter im
und Thinktanks Bundesumweltministerium berichtet der ZEIT freimütig
davon, dass das Ministerium ohne die Expertise der Agora-
Experten aufgeschmissen wäre. Und der neue Staats­sekretär
im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck ist Patrick
Graichen, der bis zu seiner Berufung Geschäftsführer der
Agora Energiewende war.
Umgekehrt erhält die Agora Energiewende Geld von
der Regierung: Vom Umweltministerium 2021 rund 1,3
Millionen Euro, vom Wirtschaftsministerium knapp
900.000 Euro. Mehr Geld bekam der Thinktank von
Harvey und seinen Freunden: 3 Millionen Euro von der
Mercator Stiftung, 2,4 Millionen Euro von der Climate
Imperative Foundation und 1,7 Millionen Euro von der
European Climate Foundation.
Harveys politisches Perpetuum mobile versorgt also
längst nicht mehr nur US-Stiftungen und Denkfabriken,
sondern ist auf der ganzen Welt aktiv. Allein das durch die
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 WIRTSCHAFT 27

Der Höhenflug

Aufdeckung des Diesel-Betrugs bekannte ICCT

wurde seit 2007 mit mehr als 20 Millionen Dollar
von der Hewlett-Stiftung unterstützt.
Der lange Arm des Hal Harvey troautos. »Doch sowie ich einen Vorschlag gemacht
habe, kam postwendend die Gegenstudie«, sagt er.
Etwa Ende 2021, als Transport and Environment vor­
Vor zwei Jahren riefen Harvey und Lorentz au­ Wie der Amerikaner die europäische Klimapolitik beeinflusst rechnete, dass synthetische Kraftstoffe »so umwelt­
ßerdem die Stiftung Klimaneutralität ins Leben. belastend wie Benzin« seien.
Wieder hatte Lorentz die Idee und Harvey das Die NGO beschäftigt in Brüssel mehr als 80
Geld. Allein das im Lobbyregister des Deutschen Leute und wurde allein 2020 von Harveys European
Bundestags angegebene Budget für direktes Lobbying Climate Foundation mit 1,7 Millionen Euro aus­
betrug 2021 rund 2,5 Millionen Euro – gänzlich fi­ Gründung finanzielle gestattet. Auch die Climate Imperative Foundation
nanziert von der Climate Imperative Foundation. Unterstützung kündigte Spenden für Transport and Environment
Zum Vergleich: Das Lobby-Budget von BMW, einem Hal Harvey Energy an, noch ehe die neue Stiftung überhaupt eine über­
Unternehmen mit mehr als 100 Milliarden Euro Innovation sichtliche Homepage hatte.
Umsatz und knapp 120.000 Beschäftigten, betrug Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolben­
1,8 Millionen Euro. Geschäftsführer der Stiftung leitet das 2012 gegründeter energie- und maschinen am Karlsruher Institut für Technologie,
Ideengeber Geldgeber
Klimaneutralität ist neben Lorentz ein früherer Umweltprogramm schrieb Anfang Juni mit Kollegen einen offenen Brief,
mit Sitz in San Francisco
Staatssekretär des Umweltministeriums, Rainer Baa­ von 2002 bis 2008 den mehr als 300 Wissenschaftler unterzeichnet
ke, in Berlin als »Mister Energiewende« bekannt. haben. »Eine technische Diskussion ist wiederholt
Schon unter Jürgen Trittin arbeitete er als Staatssekre­ gar nicht gewünscht«, klagt er: In dem Brief warnen
tär von 1998 bis 2005 im Umweltministerium, dann die Wissenschaftler vor einer Glorifizierung der Elek­
wechselte er zur Deutschen Umwelthilfe und später tromobilität. Es sei nach heutiger Kenntnis unmög­
als erster Direktor zur Agora Energiewende. Von dort lich, so schreiben sie, den Fahrzeugbestand komplett
ging es zurück ins Wirtschaftsministerium und zu elektrifizieren, ohne die Batterien dann mit dre­
schließlich zur Stiftung Klimaneutralität. Hewlett Foundation Climate Imperative ckigem Kohlestrom zu laden.
Auch Lorentz wechselte munter seine Posten. Von Sie wurde 1966 gegründet Foundation Harvey selbst hat einmal vor einer Verengung auf
der Stiftung in die Privatwirtschaft. Erst zur Wirt­ und hat mittlerweile ein Die 2021 gegründete einzelne Lösungen gewarnt. In seinem 2018 erschie­
schaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (in dem Vermögen von 13 Milliarden Organisation hat ein nenen Buch Designing Climate Solutions heißt es: »Es
Gebäude hat die Stiftung Klimaneutralität bis heute Dollar. Das Geld fließt Jahresbudget von 180 Mio. $. sollte nicht festgelegt werden, dass eine bestimmte
ihren Sitz), im Februar 2022 zum Rivalen Deloitte. zunehmend in den Klima- Hal Harvey ist Präsident. Motorkonstruktion verwendet wird. Das lässt Un­
Seine Aufgabe: die Leitung des Geschäftsbereichs schutz. ternehmen den größten Spielraum für Innovationen.«
Klima-Strategie. Doch das ist lange her. Heute wirkt Harvey deutlich
Die Verflechtung der Stiftung trägt Früchte. Energy Foundation entschiedener: »Es stört mich nicht, wenn die Gesetz­
Lorentz, der wie Harvey im Beirat der Stiftung sitzt, Harveys erste Stiftung geber sich für E-Autos entscheiden. Das ist der
erzählt stolz, wie Konzepte seiner Vordenker de­ wurde 1991 gegründet. schnellste und einfachste Weg Richtung Dekarbo­
ckungsgleich von der Regierung übernommen nisierung. Mit jedem neuen Windrad und jeder neu
worden seien. Das lässt sich nachlesen. Zur Bundes­ installierten Solarzelle wird das Elektroauto ein
tagswahl empfahl die Stiftung Klimaneutralität in kleines bisschen sauberer.«
einem gemeinsamen Papier mit Agora Verkehrs­ Climate Works Privat fährt Harvey heute einen BMW i3. Aus­
wende und Agora Energiewende: »Für den Ausbau Foundation gerechnet. Denn BMW ist der letzte deutsche Auto­
der Windenergie an Land werden in allen Ländern 2008 ruft Harvey diese bauer, der sich nicht voll und ganz der Elektromobi­
durchschnittlich zwei Prozent der Fläche bereitge­ Stiftung ins Leben, die lität verschrieben hat, sondern der Wahlfreiheit: Der
stellt.« Und weiter: »Die Genehmigungsverfahren bisher nach eigenen Angaben Kunde soll entscheiden, mit welchem Motor er in
werden in einem Windenergie-­an-­Land-­Gesetz neu mehr als 1,3 Milliarden Richtung Klimaneutralität fahren möchte. Die
geregelt.« Im Januar kündigte das Wirt­schafts­mi­nis­ Dollar verteilt hat. E-Mobilität nun per Gesetz zu verordnen, hält der
te­rium als Sofortmaßnahme zum Klimaschutz ein BWM-Chef Oliver Zipse für sehr riskant. »Die
Wind-an-Land-Gesetz an. Nachzulesen auf der sachliche und ganzheitliche Diskussion kommt bei
Homepage: »Mit dem Wind-an-Land-Gesetz wer­ dem Thema zu kurz«, teilt der Automanager der
den wir zwei Prozent der Landesfläche für Wind­ ZEIT mit. Er sorgt sich um neue Abhängigkeiten.
energie reservieren.« Stiftung Schon heute verfügt China über den Großteil an
Die Stiftung Klimaneutralität, die Agora Energie­ Klimaneutralität seltenen Erden, die für die Batterieproduktion nötig
wende und die Agora Verkehrswende fordern im sind. Zentrale Fragen seien unbeantwortet, etwa »wie
Kooperiert seit 2020 mit
Sommer 2021: »Es werden die erforderlichen Instru­ Europa den strategischen Zugang zu den entschei­
anderen Denkfabriken.
mente geschaffen, um den Bestand an Elektro-Pkw Gründungsziel: Wege zur
denden Rohstoffen für die E-Mobilität sicherstellen
bis 2030 auf mindestens 14 Millionen zu steigern.« Klimaneutralität aufzu- will. Wenn die EU Vorreiter der nachhaltigen Mobi­
Im Mai 2022 verkündet die Regierung auf ihrer zeigen. lität sein will, dann muss die Verfügbarkeit dieser
Homepage: »Die Bundesregierung fördert die Trans­ Materialien gesichert sein – oder uns drohen neue
European Climate
formation, sodass Deutschland zum Leitmarkt für Abhängigkeiten.«
Elektromobilität und zum Innovationsstandort für Foundation Den Namen Hal Harvey hat Zipse nach eigenen
autonomes Fahren wird … Ziel sind mindestens 15 2008 gegründete Stiftung, Angaben noch nie gehört. Die Folgen von Harveys
Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.« die »die Kraft effektiver Arbeit dürfte der BWM-Chef aber bald spüren.
Bundestagsabgeordnete und Europaparlamenta­ Philanthropie« für den Vergangenen Mittwoch um 18.10 Uhr drückt der
rier werden von den Satelliten-Organisationen des Klimaschutz nutzen will. Europaabgeordnete Jens Gieseke auf einen Knopf
Hal Harvey geradezu bombardiert mit immer neuen Das Budget 2020: über 120 auf seinem Pult im Straßburger Parlament. Er stimmt
Zahlen, Studien und Broschüren. Milllionen Euro. damit gegen das Verbot von Verbrennungsmotoren
Jens Gieseke ist einer von ihnen. Der 51-jährige ab 2035. Er setzt sich allerdings nicht durch, denn
ZEIT- GRAFIK: Mario Mensch/Quelle: Eigene Recherche

Emsländer ist seit 2014 Mitglied im Europaparla­ eine Mehrheit von 339 der 612 Abgeordneten ent­
ment. Am 15. September 2021 wurde Gieseke zum scheidet anders.
Berichterstatter der konservativen EVP-Fraktion für Wenige Minuten nach der Abstimmung ver­
das Gesetz zur »Revision der CO₂-Flottengrenz­ schickt die NGO Transport and Environment eine
werte für Pkw« ernannt. Die technische Formulie­ Pressemitteilung und fordert die EU-Umweltmi­
rung wirft eine sehr politische Frage auf: Sollen auch nister auf, bei ihrem Treffen am 28. Juni »das ef­
nach 2035 Autos mit Benzin und Diesel über die fektive Enddatum für den Verkauf neuer Ver­
Straßen rollen dürfen? brennungsmotoren zu bestätigen«. Transport and
Hunderte von Terminanfragen habe er bekom­ Environment informierte auch Hal Harvey per
men von NGOs, Verbänden und Herstellern, sagt Mail über die Abstimmung. Er war da gerade in
Gieseke. »Ich habe gar nicht die Zeit, jedes Mal zu seiner Heimat San Francisco, erzählt er tags darauf
recherchieren, wer hinter den Organisationen am Telefon. Noch ist nicht ausgemacht, ob die Re­
steckt.« Seine Erfahrung: »Wenn eine NGO Ter­ ICCT Transport & Environment Agora Agora Clean Energy gierungen dem Verbrennerverbot auch zustim­
mine anfragt, wird von den meisten Abgeordneten Energiewende Verkehrswende Wire men, doch für den Moment nennt Hal Harvey das
blind der Stempel draufgemacht: Die haben ein 2001 gegründete Dachverband rund 50 Entwickelt seit 2002 wissen- Gegründet 2013, ist es Abstimmungsergebnis des EU-Parlaments »fan­
öffentliches Interesse.« Forschungseinrichtung, die europäischer Umweltorga- schaftlich belastbare und politisch 2016 mit anderen Akteuren nach eigenen Angaben ein tastisch«. Wie hatte Hal Harvey beim Treffen
Gieseke sprach sich dafür aus, neben dem Batterie­ technische und wissen- nisationen. Wurde 1989 umsetzbare Wege zur Grundlagen dafür schaffen, gemeinnütziger und Ende April in Berlin noch gesagt: »Man muss die
betrieb von Fahrzeugen auch synthetische Kraftstoffe schaftliche Analysen erstellt gegründet und verfolgt das Transformation von Energie- den deutschen Verkehrssek- überparteilicher Dienst für globalen Bedrohungen in konkrete Lösungen
als Option zu erwägen, weil diese mittelfristig wo­ und mit Umweltbehörden Ziel klimaneutraler und Industriesystemen in tor bis 2045 vollständig zu Journalisten und die übersetzen.« Das sei zwar ziemlich harte Arbeit.
möglich besser für das Klima sein könnten als Elek­ zusammenarbeitet. Mobilität. Richtung sauberer Energie. dekarbonisieren. interessierte Öffentlichkeit. »Aber wenn dir das gelingt, grenzt es an Zauberei.«

ANZEIGE

Über 200 Bewertungen

Pflasteraufbereitung mit Langzeitschutz! Über 6500 Kunden jährlich

4,7
Reinigung mit bis zu 100° C Neuverfugung mit Fair und seriös - schriftliche
DIE STEINPFLEGER werden im
heißem Wasser (350 BAR Druck) unkrauthemmendem Fugenmaterial Angebote und Topbewertungen Schnitt mit 4,7 von 5 Sternen
bei bewertet.
Gleichzeitige Absaugung von Langzeitschutz dank ca. 75 % günstiger als eine
Fugenmaterial und Schmutzwasser Steinpfleger-Protect-Imprägnierung Neuverlegung

Auch mit Unkrautschutz!

HRER!
MARKTFÜORTE
45 STAND IT
BUNDESW
E Prenofreibe&fuläncvehrbein?dlich
st
• ko hrtskosten!
• ohne Anfa

Wie wir arbeiten? – Unser Erklärfilm auf: www.die-steinpfleger.de

28 WIRTSCHAFT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Wirtschaft in einem Satz »Wo kann ich als Muslim Geld anlegen
ohne Zinsen?«
Warum lang, wenn es auch kurz geht? Was diese
Woche sonst noch los war fragt Michael Yilmaz*

Geliefert: Die Deutsche Post erhöht zum

Juli die Paketpreise für Privatkunden
Gescheitert: Im Mai ist die Zahl der
ZEIT für Geld
Lieber Herr Yilmaz,
Firmenpleiten gegenüber April um gut acht wenn ich zynisch auf Ihre Frage antwor-
ten wollte, würde ich sagen: Legen Sie Ihr
Prozent gestiegen, teilt das Statistische Geld doch auf ein Sparbuch – da bekom-
men Sie garantiert keine Zinsen! Aber ge-
forme Alternativen, die man unter dem
Begriff Islamic Banking zusammenfasst.
Die KT-Bank in Deutschland, eine Toch-
ter der türkischen Kuveyt-Türk-Beteili-
gungsbank, ist zum Beispiel eines von
weltweit rund 500 Instituten, die Immo-
des Risikos. Gewissermaßen wird damit
für die Erträge etwas »geleistet«.
Doch es gibt Grenzen: Glücksspiel­
unternehmen, Tabak- und Alkoholprodu-
zenten, Rüstungsunternehmen und Waf-
fenhersteller, aber auch Finanzdienstleister

Bundesamt mit Geholfen: Arbeitsminister holfen wäre Ihnen damit wohl nicht.
Denn ich gehe mal davon aus, dass Sie
nicht nach irgendeiner unrentablen Anla-
Hubertus Heil (SPD) will den Zugang zum ge suchen, mit der Sie Ihrem Geld beim
Wertverfall zusehen können. Sie möchten
Ihr Geld vermehren, jedoch ohne dabei
Kurzarbeitergeld für weitere drei Monate gegen die Gebote Ihres Glaubens zu ver-
stoßen. Sie brauchen ein Finanzprodukt,
das Ihnen Gewinne einbringt, aber nicht
erleichtern Getrunken: Mit 23 Millionen in Form von Zinserträgen.
Denn Zinsen sind der islamischen Leh-
bilienkredite ohne Kreditzinsen anbieten.
Dazu erwirbt die Bank die Immobilien für
wie Banken gelten als sündhaft. Das haben
sich die Investmenthäuser dieser Welt
den Käufer, der anschließend den Preis in längst zunutze gemacht: Ähnlich wie für
Raten abstottert. Umsatz macht die Bank
über Preisaufschläge, das heißt, sie ver-
nachhaltige Anleger, die keine Anteile von
umweltverschmutzenden oder menschen-
kauft die Immobilie etwas teurer an den rechtsverletzenden Firmen in ihrem De-
Kreditnehmer, als es bei einem normalen
Darlehen der Fall wäre.
pot wissen möchten, gibt es Scharia-kon-
forme Fonds, die alle umstrittenen Bran-
Auch ein paar Investmenthäuser sind chen ausschließen, die den Glaubensregeln
vor einiger Zeit in den Markt mit den
glaubenskonformen Anlagen eingestie-
des Islams entgegenlaufen.
Wie so oft hat das reine Gewissen je-

Hektolitern verkauften Brauereien aus re zufolge tabu – ganz egal, ob Sie sie nun
einnehmen oder selbst bezahlen. Für Sie als
gläubigen Muslim in einem westlichen
Bayern 2021 mehr Bier als solche aus Land schrumpft damit die Palette an Fi-
nanzprodukten und -dienstleistungen er-
heblich: Kreditkarten sind tabu, ebenso
anderen Bundesländern Gegängelt: Ein der Spülmaschinenkauf auf Pump, außer-
dem müssen Sie auf Immobiliendarlehen
und Baufinanzierungen verzichten. Was
Drittel aller Büroangestellten hierzulande Ihr Erspartes angeht, scheiden Festgeld-
und Tagesgeldkonten aus, außerdem Ren-
gen und verkaufen beispielsweise Sukuk.
Das ist eine Art Mischprodukt aus An-
doch seinen Preis: In einem nach Scharia-
Kriterien gefilterten Fonds stecken meist
leihe und Private Equity, in das Anleger weniger Aktiengesellschaften als in einem
etwa über Fonds investieren können. Das
Geld fließt nicht an Staaten oder Unter-
konventionellen Fonds. Das heißt, Sie be-
kommen die Schwankungen an der Börse
nehmen, die genug Zinsen zahlen, son- stärker zu spüren. Im MSCI World Islamic
dern in Werte wie Immobilien oder In-
frastrukturprojekte. Sukuk-Anleihen lau-
etwa stecken nur um die 400 Unterneh-
men, im klassischen MSCI World sind es
fen für eine festgelegte Zeit, dann erhal- mehr als 1600. Im Falle des islamischen
ten die Investoren ihre Einlagen zurück
und, hoffentlich, einen Teil der Gewinne.
MSCI World mussten Anleger in den ver-
gangenen Jahren aber nicht nur Abstriche

darf grundsätzlich nicht vom Homeoffice tenversicherungen und Anleihen, Privat-
kredite oder andere Formen der Schuldver-
schreibung, bei denen Sie als Gläubiger
aus arbeiten, hat eine Umfrage ergeben von anderen Zinsen verlangen würden.
Illustration: Arne Bellstorf für DIE ZEIT
Anders als bei normalen Bonds ist vorher in Sachen Risikostreuung machen, sondern
also unklar, wie profitabel das Ganze für auch beim Gewinn: Der lag seit 2012 bei
den Anleger sein wird. »nur« 110 Prozent Rendite inklusive Divi-
Die besten Renditeaussichten haben denden – statt 160 Prozent bei einem ver-

Bevor Sie nun verzagen: All das heißt
nicht, dass Sie Ihr Erspartes unterm Kopf-
Gewerkelt: Handwerksbetriebe setzten im kissen aufbewahren müssen. Denn neben
westlich geprägten Banken und Finanz-
gläubige Investoren am Aktienmarkt. Der gleichbaren konventionellen Indexfonds.
gilt als halal, also nach islamischen Grund-
sätzen erlaubt, denn Anleger werden über
Investitionen zu Miteigentümern einer
Ihre Mona Linke

gesellschaften gibt es auch Scharia-kon- Aktiengesellschaft, tragen also einen Teil * Name geändert
ersten Quartal des Jahres 16 Prozent mehr
um als im gleichen Zeitraum des Vorjahres In unserer Kolumne beantworten wir jede Woche eine Geldfrage. Es schreiben im Wechsel: Die freie Autorin Mona Linke und
der langjährige ZEIT-Autor Rüdiger Jungbluth. Stellen Sie Ihre Fragen unter: www.zeit.de/geldfrage

ANZEIGE

IMMOBILIEN  
KANADA
GRUNDSTÜCKE IN KANADA
direkter Blick auf die Bucht und den Atlantik,
z.B. 11.547 m², Hanglage, Süd-West Ausrichtung,
Lighthouse Road in Port Bickerton, Nova Scotia,
Sie können direkt bauen, kein Bauzwang,
provisionsfrei, direkt vom Eigentümer
Preis 69.000 CAD (ca. 50.500 EUR)
Web und Email: info@atlantic-touch.ca

DIE BESONDERE IMMOBILIE GESUCHE

Redakteurin/Lektorin, 54, stud., sucht
charm. kleines Domizil/Einliegerwhg. als
Inspiration; gern auch m. Gesellschaft, gern
am Wasser. Bin regelm. in HH.
2022forus@fantasymail.de

Das Gefühl von Zuhause Kontakt für Anzeigenkunden

EIN BEITRAG VON
FINGERHUT HAUS
Was macht aus einem Haus ein
Zuhause? Die Bewohner. Damit
sich Fingerhut-Kunden in ihren
eigenen vier Wänden zuhause
fühlen, setzt Fingerhut auf ein
Höchstmaß an Sorgfalt, Kön-
nen und Qualität. Traditionelles
Handwerk mit über 115 Jahren
Erfahrung kombiniert mit inno-
vativer Technologie – das Ergeb-
nis: Zukunftsfähige Häuser, die
ihren Bewohnern ein echtes Zu-
hause bieten. Geplant und ge-
baut von Meistern ihres Faches
aus besten Materialien. Finger-
hut baut ausschließlich mit ge-
prüften, heimischen Hölzern
bester Qualität und verwendet
040 / 32 80 454
SO INDIVIDUELL
WIE IHR
FINGERABDRUCK Malte.Geers@zeit.de   
Häuser von der Stange? Nicht
bei Fingerhut. So unterschied-
lich die Bewohner, so indivi-
duell geplant sind Fingerhut-
Häuser. Die ganz persönlichen
Wünsche der Kunden stehen
hier an erster Stelle.
KONTAKT
Fingerhut Haus GmbH & Co. KG
Hauptstraße 46
57520 Neunkhausen/Ww
Tel. (02661) 95 64-0
info@fingerhuthaus.de
www.fingerhuthaus.de
ausschließlich Dämmstoffe ohne
chemische Bindemittel.
Fingerhut Haus – individu-
eller Hausbau mit ökologischer
Verantwortung. 

Ich ruf’ da jetzt mal an.

Unverbindliche Visualisierungen
GRANDAIRE Berlin – Leben in einem Einzelstück
EIN BEITRAG DER
STRATEGIS AG
Sieben Wohnobjekte, die wie limitierte
Kunstwerke von ihrem zukünftigen Mäzen
entdeckt werden wollen: In unvergleichli-
cher Gestaltung, jedes mit seinem ganz
eigenen Charakter, erschaffen an einem
zentralen Ort und doch nur wenigen Men-
schen zugänglich. Hoch über einer der
spannendsten Metropolen Europas.
Das GRANDAIRE befindet sich in der
Voltairestraße, im Spannungsfeld zwi-
schen historischem Klosterviertel und
legendärem Alexanderplatz, umgeben
von urbanen Highlights wie dem Branden-
burger Tor und dem Regierungsviertel, der
berühmten Flaniermeile Unter den Linden
und der Friedrichstraße. Ob Konzerthaus
am Gendarmenmarkt, Museumsinsel oder
Großer Tiergarten, die nahe liegenden
Ziele sind zahlreich.
Die Masterpieces in der 19. und 20. Etage
des GRANDAIRE bilden auf rund 150 bis
über 300 m2 Wohnfläche den erhabenen
Abschluss des ersten neuen Wohnturms in
Berlin-Mitte. An den repräsentativen Haus-
eingang schließt sich eine beeindruckende,
rund 6 Meter hohe Lobby mit Concierge und
Gästelounge an. Ob auf dem Weg ins Private,
In Zeiten, in denen man übber die wirklich
wichtiggen Dingge nachdenkkt: Wir informieren
Sie gerne über das Leben in unseren
Augustinum Seniorenresid denzen.
das hauseigene Gym oder doch in den gro-
Augustinum – Sie entscheiden.
ßen gemeinschaftlichen Dachgarten mit
Kitchen-Lounge – das Willkommen beginnt
hier. Provisionsfreier Verkauf – Musterwoh-
Tel. 0800 22 12345
nung im Objekt – Termine nach Vereinbarung Wir freuen uns auf Ihren Anruf.
Kontakt
STRATEGIS AG
Tel. +49 30 44353-150
kontakt@grandaire.berlin
www.grandaire.berlin
Augustinum Seniorenresidenzen
Tel. 0800 22 12345
www.augustinum.de
 DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Vielen Unternehmern geht es heute nicht mehr nur ums Geld verdienen, sie definieren einen Zweck, Leitbilder und Werte.
In Krisenzeiten zeigt sich: Damit lassen sich auch umstrittene Entscheidungen rechtfertigen  VON JENS TÖNNESMANN
M
an kann nur erahnen, wie sehr
Thomas Bruch und sein Sohn
Matthias in diesen Tagen hadern:
raus aus Russland? Oder bleiben,
trotz des anhaltenden Kriegs in
der Ukraine? 19 Lebensmittelmärkte schließen –
oder offen halten? 9900 Mitarbeiter weiterbezah-
len – oder sich selbst überlassen?
Die beiden Bruchs, der 72-jährige Thomas
und der 38-jährige Matthias, stehen hinter der
Handelskette Globus aus St. Wendel im Saarland,
die seit 2005 in Russland Geschäfte macht und
dort 2020 einen Umsatz von mehr als einer Mil­
liar­de Euro erzielt hat. Aber bei Globus legt man
Wert darauf, dass es nicht nur ums Geld geht: Das
Unternehmen hat ein »Leitbild« definiert, in dem
es sich als »Ort von Entwicklung von, mit und für
Menschen« bezeichnet und seine »gelebte Verant-
wortung für Mensch, Natur und Unternehmen«
betont. Und es hat acht Werte formuliert,
»Menschlichkeit« etwa und den »Mut zum Den-
ken aus der Zukunft«.
ANZEIGE
LESEN SIE IN UNSERER
AKTUELLEN AUSGABE:
Genie und Irrtum:
Das Phänomen
Elon Musk
AB FREITAG IM HANDEL
Solche Leitbilder und Werte haben sich viele
Firmen gegeben. Das zeigt die große Mittelstands-
studie von ZEIT für Unternehmer und der Stiftung
»In guter Gesellschaft« (siehe Transparenzhinweis am
Textende). Für die Studie hat das Analyse- und Bera-
tungsunternehmen aserto 400 Unternehmerinnen
und Unternehmer aus ganz Deutschland befragt
(siehe Kasten am Textende). Ein Ergebnis: Drei von
vier Befragten möchten anderen ein Vorbild sein. Nur
eine kleine Minderheit hat für ihre Unternehmen
weder ein Leitbild (Erklärung des eigenen Selbstver-
ständnisses) noch eine Unternehmensphilosophie
(Werte und Normen, die das Handeln prägen) oder
einen sogenannten Pur­pose definiert – also einen
höheren Zweck, der über die reine Ge­winn­orien­tie­
rung hinausgeht. Der deutsche Mittelstand hat sich
offenbar längst abgewendet von der Doktrin des
amerikanischen Ökonomen Milton Friedman, wo-
nach es auch für die Gesellschaft am besten ist, wenn
die Firmen ihre Gewinne maximieren. »The business
of business is business«? Von wegen.
Im Gegenteil, wer Werte formuliere, schaffe nach
innen eine gute Basis für die Zusammenarbeit und
könne sich nach außen positiv gegenüber Kunden
positionieren, schreibt ein Teilnehmer der Mittel-
Foto: Sergey Ponomarev/NYT/Redux/laif
standsstudie. »Menschen arbeiten weniger für Geld
und mehr für ein why«, findet einer, der in gemein-
samen Werten ein Bindemittel für die Belegschaft
sieht. Ein anderer ist überzeugt, dass ein Pur­pose
dabei helfe, Mitarbeiter zu gewinnen, ein Leitbild
ein gutes Betriebsklima schaffe und eine Unter-
nehmensphilosophie schnellere Entscheidungen
ermögliche. »Ich komme aus einem deutschen In-
dustriekonzern«, schreibt ein Umfrageteilnehmer.
Raus aus Russland?
Dort habe er erlebt, dass der formulierte Pur­pose
nur aus »leeren Worten für die Galerie der Me­dien
und der Aktionäre« bestanden habe. Als Einzel-
unternehmer wolle er von dieser »rückgratlosen
PowerPoint-Gesellschaft« wegkommen.
Das ist allerdings gar nicht so einfach. Dominic
Veken beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie
Unternehmer einen Sinn finden und ihn leben
können. Er arbeitet bei der Agentur Bright­House,
die zur Boston Consulting Group gehört, außerdem
lehrt er Unternehmensphilosophie an der Univer-
sität der Künste in Berlin. Dass der Begriff Pur­pose
so inflationär verwendet werde, sei eine »ziemliche
Katastrophe«, sagt er. Oft handele es sich um ober-
flächliche Formeln, die nur dem Marketing dienten.
Oder sie sollten plakativ Talente anlocken in einer
Zeit, in der Fachkräfte oft gut bezahlte Stellen
kündigen, um sich auf die Suche nach sinnstiften-
den Jobs zu machen – ein Phänomen, das auch als
Great Resignation bezeichnet wird.
Wer aber als Unternehmer Sinn bieten wolle,
sagt Veken, müsse herausfinden, welches Problem
das Unternehmen in der Welt löse, und dafür die
Wünsche und Bedenken von Eigentümern, Be-
schäftigten, Kunden und der Gesellschaft gleicher-
maßen ergründen. Das sei eine »archäologische
Arbeit«. Aber nur so lasse sich ein Zweck finden,
der »wie der Nordstern« Orien­tie­rung biete. »Einen
Pur­pose zu definieren ist also nicht leicht«, sagt
Veken, »aber ihn zu leben ist noch schwerer.« Das
gelte gerade in Zeiten, in denen man globalen
Krisen ausgeliefert sei »wie eine Flipperkugel«.
Wie also halten ein Purpose oder ein Leitbild
stand, wenn auf einmal ein Krieg tobt, die Preise
für Energie und Rohstoffe steigen, Lieferketten
reißen und ein Markt wegbricht? Werden die Wer-
te zugunsten der Wirtschaftlichkeit hintangestellt
– und tritt an die Stelle des Strebens nach einem
höheren Sinn erst mal der Kampf ums Überleben?
Die Situation sei komplexer, als sie manchem
erscheinen möge. So sagt es Andreas Ronken, der
Chef der Schokoladenfirma Ritter Sport, die ein
Leitbild und Werte formuliert hat. Und einen Pur­
pose, der lautet: »Das Richtige tun, um wirklich
gute Schokolade zu kreieren«. Aber was gerade
richtig ist, sieht das Unternehmen anders als viele
Menschen im Land: Ende März erklärte Ritter
Sport, weiterhin Schokolade nach Russland zu
liefern, seinem nach Deutschland wichtigsten Ab-
satzmarkt. Dafür gab es viel Kritik, Ronken sprach
sogar von einer »Hetzjagd«. Dabei habe man
jahrelang faire und nachhaltige Lieferketten mit
Kakaobauern in Westafrika, Mittel- und Südame-
rika aufgebaut – und viele von ihnen würden bei
einem Lieferstopp für Russland »einen Großteil
ihrer Existenzgrundlage« verlieren.
Offenbar stehen ein Purpose und ein Leitbild
einem En­gage­ment in Russland trotz des Kriegs
nicht im Weg – sie können sogar dabei helfen, es zu
rechtfertigen. Ganz ähnlich handhaben es die
Bruchs aus St. Wendel. Eine Anfrage für ein Ge-
spräch darüber, wie das Leitbild von Globus Orien­
tie­rung bei der Frage bietet, ob man im russischen
Markt weiter präsent sein werde, hat die Firma zwar
nicht beantwortet. Auf Nachfrage erklärt Globus
aber schriftlich, dass man entschieden habe, die
Investitionen in die Lebensmittelmärkte vor Ort
»drastisch« zu reduzieren. Man konzentriere sich
auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebens-
mitteln, und dabei handele es sich fast nur um lo-
kale und regionale Waren. »Somit hätte eine Schlie-
ßung unserer Märkte ohnehin keine sanktionierende­
Wirkung«, schreibt Globus. »Im Gegenteil: Die
Gefahr, dass die Globus-Märkte zwangsverstaatlicht
und autark weiterbetrieben würden, wäre hoch.«
Zudem trage das Unternehmen ja für seine Ver-
käuferinnen und Kassiererinnen und deren Fami-
lien in Russland Verantwortung.
Und wie wichtig sind wirtschaftliche Gründe?
Das Geschäft in Russland war laut der letzten
Firmenbilanz hochprofitabel. Diese Erträge seien
in der Vergangenheit in neue Lebensmittelmärkte
und die Mitarbeiter vor Ort investiert worden,
WIRTSCHAFT 29
ZEIT für Unternehmer
Bürotürme des
Geschäftsviertels
»Moskau City«
in der russischen
Hauptstadt
ANZEIGE
Ausschüttungen an die Gesellschafter habe es
nicht gegeben, schreibt Globus. Man verstehe
sich »als Werte- und Verantwortungsgemein-
schaft, in der Gewinne kein Selbstzweck sind,
sondern Saatgut für die Zukunft«.
Max Viessmann hat sein Purpose geholfen, eine
radikale Entscheidung für die Zukunft zu treffen.
Im März veröffentlichte der Chef des Heizungs-
bauers Viessmann auf Linked­In ein eindrückliches
Bild. Darauf zu sehen: das Kiewer Büro- und
Logistikzentrum, es steht in Flammen. »Bomben
der russischen Armee haben es vollständig zer-
stört«, sagt der Unternehmer, der kurz nach
Kriegsbeginn mit seinen Vorstandskollegen nach
Polen flog, um seinen »Familienmitgliedern« – so
nennt er seine 13.000 Beschäftigten – vor Ort zu
helfen. Viessmann erzählt, wie Mitarbeiter an-
geboten hätten, die 40 Kolleginnen und Kollegen
aus der Ukraine und ihre Angehörigen aufzuneh-
men. Und wie die Belegschaft, die Firma, die
Viessmanns und ihre Stiftung zusammen mehr als
eine Million Euro gespendet hätten.
Schwieriger war eine andere Frage: Wie umgehen
mit dem Geschäft in Russland, wo Viessmann seit
2015 Heizkessel herstellt? Gibt es einen Weg, den
politischen Druck zu verstärken und zugleich der
Verantwortung gegenüber den rund 200 Mitarbei-
tern am Standort Lipezk gerecht zu werden? Das sei
»der Zielkonflikt«, sagt Viessmann.
Und da kommt der Purpose von Viessmann
zum Tragen. Er lautet: »Wir gestalten Lebensräume
für zukünftige Generationen.« Fragt man Max
Viessmann danach, wie dieser Zweck in Kriegs-
zeiten sein Handeln prägt, fallen ihm mehrere
Dinge ein. Er hat sich vorgenommen, in den nächs-
ten drei Jahren eine Mil­liar­de Euro in die Produk-
tion von Wärmepumpen und die Entwicklung
grüner Klimalösungen zu investieren. Für mehr
Klimaschutz, aber auch, um Europa geopolitisch
unabhängiger zu machen, »beides hilft nachkom-
menden Generationen«.
Schon am Tag nach der russischen Invasion
„Ich liebe es, Metall
entschied Viessmann, keine Waren und Ersatz-
teile mehr nach Russland zu liefern und keine
Produkte mehr von dort zu beziehen. Allerdings
zahlt Viessmann seinen Beschäftigten in Lipezk
weiterhin die Löhne aus. »Wir sind der Ansicht: und meiner Firma eine
Das ist Putins Krieg – und nicht der Krieg unse-
rer Fa­mi­lien­mit­glie­der«, sagt er. Und betont, dass
ein Aspekt bei dieser Entscheidung keine Rolle
besondere Form zu geben.“
gespielt habe: Umsatz und Gewinn, der eige­ne
Fördern, was NRW bewegt.
wirtschaftliche Erfolg.
Die Mittelstandsstudie ist eine Initiative von
ZEIT für Unternehmer und »In guter Gesell­
schaft – Stiftung für zeitgemäßes Unternehmer­
Melanie Baum, Geschäftsführerin Baum Zerspanungstechnik,
tum«. Die Stiftung finanziert die Durch­
führung der Befragung sowie ihre wissen­ fertigt anspruchsvolle Dreh- und Frästeile nach Kundenwunsch –
schaftliche Auswertung durch das Analyse- mit zufriedenen Mitarbeitern und modernen Maschinen. Die nötige
und Beratungsunternehmen aserto. Es stellt Finanzierung ermöglichte ihr die NRW.BANK.
die Ergebnisse der Redaktion in anonymisierter
Form unentgeltlich zur Verfügung, auf ihre
redaktionelle Veröffentlichung hat die
Stiftung keinerlei Einfluss. Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/baum
Das Magazin
Detailergebnisse der Studie und weitere
Themen finden Sie in der neuen Ausgabe
von ZEIT für Unternehmer, dem
Wirtschaftsmagazin aus der Redaktion der
ZEIT, das gerade erschienen ist.
Infos: www.convent.de/zfu
30 WIRTSCHAFT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Sinkt
sein Stern?
Henri Nannen war vielen Journalisten lange
ein Vorbild. Nun wird aufs Neue über
seine Rolle im Nationalsozialismus gesprochen 
VON GÖTZ HAMANN

D
er Mann ist seit mehr als 25
Jahren tot. Zu Lebzeiten war
er ein Großer, aber das ist
lange her, und viele werden
sich an seinen Namen kaum
erinnern: Henri Nannen.
Nannen hat das Magazin
stern gegründet, doch es wäre einfallslos, ihn einen
einflussreichen Journalisten zu nennen: 1969 flog
Nannen mit Bundeskanzler Willy Brandt nach
Moskau, als dieser seine neue Ostpolitik verhandel-
te. Als Brandt ein Jahr später am Ehrenmal für die
Toten des Warschauer Ghettos seinen historischen
Kniefall tat, stand Nannen wieder neben ihm. Sein
stern war damals die auflagenstärkste Illustrierte welt-
weit, und wenn man so will, betrieb der Journalist
mit seinem Magazin ein bisschen Weltpolitik, indem
er Brandts Außenpolitik unterstützte und zugleich
für die Liberalisierung der deutschen Gesellschaft
warb. Seine Titelgeschichte aus dem Jahr 1971, in
der mehrere Hundert Frauen bekannten: »Ich habe
abgetrieben«, wirkt bis heute nach, hat sie doch
wesentlich dazu beigetragen, ein modernes Recht
der Frauen auf Abtreibung durchzusetzen.
Seither haben sich Schichten aus Staub und Zeit-
geschehen über den realen Nannen gelegt.
Er wurde so etwas wie ein alter Göttervater des
Journalismus, dessen Büste im Regal steht. Bis vor
fünf Wochen. Denn Nannen ist auch ein Mann des
20. Jahrhunderts, und für die gilt: Kein Lebenswerk
ist ausgedeutet, kein Urteil endgültig gefällt. Wer im
Nationalsozialismus erwachsen war, über den kann
noch immer etwas Unbekanntes auftauchen, und
wenn das geschieht, werden Schuld und Verant-
wortung neu verteilt.
Vor Kurzem sind also Flugblätter mit antisemiti-
schen Motiven aus der NS-Zeit aus den Archiven
geholt worden, für die Nannen sehr wahrscheinlich
mitverantwortlich war. Die investigative Redaktion
strg_f, die sich vor allem mit Videos an Zuschauer
unter 30 wendet und zum Norddeutschen Rundfunk
(NDR) gehört, hat darüber berichtet.
Deshalb wird nun erneut über Nannen verhandelt,
über seinen Journalismus und was der wert war, und
Weil er ein junger Mann war, dem zum Widerstand
der Mut fehlte. Oder wie Nannen es selbst formu-
lierte: Es sei sich damals »halb wie ein Schwein« vor-
gekommen«, aber er habe »kein Outcast« sein wollen.
Ein war ein junger Opportunist, und er war ehrgeizig.
2. Stopp: An der Ostfront, 1941
Diese Haltung prägt auch Nannens Zeit in der Wehr-
macht. Gleich zu Kriegsbeginn wird er einberufen,
zunächst als Funker. Ein Jahr später wechselt er in
eine Propaganda-Kompanie der Luftwaffe, mit heu-
tigen Worten: eine Abteilung für Kriegs-PR. Er
macht noch eine Ausbildung zum Bordschützen und
kämpft dann an der Ostfront im heutigen Belarus,
in Russland und in der Ukraine. Unter anderem fliegt
er einen Angriff auf Charkiw.
Als Rundfunk-Berichterstatter soll er die Siege der
Wehrmacht in einer heute schwer erträglichen ­Weise
bejubeln. Und das tut Nannen: »Die Sowjets springen
aus ihren Löchern, rennen hierhin und dorthin,
werfen sich zu Boden ... mit einem Male ist da unten
Leben, ist da ein wildes Durcheinander von Men-
schen, Wagen und Panzern – und nun gibt es Ziele
für unsere Bomben.«
Schon während des Krieges klingt Nannen in
privaten Briefen jedoch anders. Er ist kein blinder
Überzeugungstäter, schon damals nicht, und Ende
der Siebzigerjahre schreibt er im stern: »Wer sich nicht
die Augen und Ohren zuhielt und das Gehirn ab-
schaltete, dem blieb nicht verborgen, daß hier das
perfekte Verbrechen seinen Weg nahm. Wir hätten
es wissen müssen, wenn wir es nur hätten wissen
wollen. Wer Soldat im Osten war, dem konnten die
Judenerschießungen, die Massengräber und beim
Rückzug die ausgebuddelten und verbrannten Lei-
chenberge nicht verborgen bleiben. Ich jedenfalls,
ich habe gewusst, daß im Namen Deutschlands wehr-
lose Menschen vernichtet wurden, wie man Unge-
ziefer vernichtet. Und ohne Scham habe ich die­
Uniform eines Offiziers der deutschen Luftwaffe
getragen. Ja, ich wusste es, und ich war zu feige, mich
dagegen aufzulehnen.«

Fotos: Charles Wilp/bpk; STRG_F/Funk/NDR (u.)

was heutiger Journalismus wert ist, der sich auf Nan-
nen beruft. Aber je länger die NS-Zeit zurückliegt,
umso schwerer wird es, solche Funde einzuordnen,
umso eher können sie zur Munition in einer gesell-
schaftspolitischen Debatte werden.
Seit der Veröffentlichung sind viele Artikel er-
schienen, die nahelegen oder andeuten, Nannen sei
doch ein ziemlicher Nazi gewesen.
»Nazi-Vergangenheit des ›Stern‹-Gründers: Holt
Henri Nannen vom Sockel« (Süddeutsche Zeitung).
»Auflage ging vor Aufarbeitung« (Frankfurter All-
gemeine Zeitung).
»Nannen: Seine Rolle als Chef einer SS-Propa-
ganda-Einheit« (NDR).
»Als Markenzeichen eines kritischen, unabhängi-
gen Journalismus kann Henri Nannen jedenfalls
nicht mehr verstanden werden«, so weit geht Jens
Jessen auf ZEIT ONLINE.
Die Debatte zieht Kreise weit über das Bild des
stern-Gründers in der Geschichte hinaus. Denn eine
der besten Ausbildungsstätten für Journalismus ist
nach ihm benannt: die Henri-Nannen-Schule in
Hamburg (an der auch die ZEIT-Verlagsgruppe
beteiligt ist). Und einer der wichtigsten Preise für
guten Journalismus trägt ebenfalls seinen Namen:
der Henri-Nannen-Preis. Kommende Woche wird
er wieder verliehen. Der stern hat inzwischen eine
umfassende Recherche in eigener Sache angekündigt.
Auch der Verlag Gruner + Jahr, der den stern heraus-
gibt, will sich in den kommenden Tagen äußern.
Es ist also an der Zeit, wieder mal den deutschen
Fahrstuhl zu besteigen und in die NS-Zeit hinunter-
zufahren. Der Fahrstuhl muss 1939 bei Nannen in
München halten, 1941 in der damaligen Sowjet-
union und 1944 in Italien. Auf dem Weg zurück in
die Gegenwart hält er gelegentlich in der Nachkriegs-
zeit. Nur so lassen sich die Fundstücke einordnen.
1. Stopp: München, 1939
Henri Nannen, damals Mitte 20, lebt als Journalist in
München und schreibt als Kunstkritiker über die
»Große Deutsche Kunstausstellung«, in der von den
Nazis gefeierte Künstler ausgestellt werden. Die Ma-
ler der Brücke, der klassischen Moderne und natürlich
alle anderen deutsch-jüdischen Künstler waren als
»entartet« aussortiert, ihre Werke auszustellen war ver-
boten. Was übrig blieb, kommentiert Henri Nannen
so: »Die Erneuerung des deutschen Menschen aber
ist das Werk des Führers, ... (er) hat ... unser Volk
wieder fest gegründet auf den unerschütterlichen
Grund der Herkunft und des Blutes, aus dem letzten
Endes auch die Kunst ihre Nahrung empfängt ...«.
Nannen hat sich nach dem Krieg zu diesem Ar-
tikel »beschämt und unumwunden« bekannt, das
waren seine Worte. Wieso er überhaupt so schrieb?
3. Stopp: Italien, 1944
Die letzte Kriegsstation von Nannen waren Rom
und Bevilacqua in Italien, und dort entstanden jene
Flugblätter, über die die Reporter von strg_f nun
berichtet haben. Obwohl der Krieg im Grunde ver-
loren war, organisierte die SS eine letzte Propaganda-
Offensive. Für die damalige Zeit war es ein High-
tech-Unterfangen mit dem Ziel, noch einmal die
Massen zu manipulieren, nur dieses Mal eben nicht
die Deutschen, sondern die alliierten Soldaten. Die
SS betrieb psychologische Kriegsführung und woll-
te den Willen der Gegner brechen. Entsprechend
drastisch sind die Flugblätter:
»Gentlemen ziehen Blondinen vor. Aber Blondi-
nen mögen keine Krüppel.«
»Es ist ein Krieg der Reichen – aber die Armen
kämpfen ihn.«
Die Propaganda ging so weit, dass Anleitungen
zur Selbstverstümmelung über den alliierten Truppen
abgeworfen wurden. Die Botschaft: Wer von euch
sofort nach Hause will – hier ist ein Weg.
Ihre Operation nannte die SS »Südstern«: Aus
Berlin rollte dafür eigens ein Zug an, auf dem eine
mobile Druckerei installiert war, mit Redaktions-
waggon, Stereotypie, Druckerpresse, Material- und
Mannschaftswagen. Und es wurden unter Leitung
der SS verschiedene Spezialisten aus der Wehrmacht
zusammengezogen, Drucker, Texter, Illustratoren,
Rundfunksprecher und Tontechniker, auch Henri
Nannen von der Luftwaffe. Ein Teil der Einheit be-
trieb dann einen Radiosender, andere wie Nannen
produzierten eine Frontzeitung und entwarfen Hun-
derte von Flugblättern in englischer Sprache, von
denen sie viele mit einem Stern und einer Nummer
signierten, quasi als Leistungsnachweis des »Süd-
sterns« für die SS-Oberen in Berlin. So lassen sie sich
bis zum Kriegsende auf den Monat genau datieren.
Man muss wissen: Alle Kriegsparteien haben da-
mals solche Feindpropaganda verbreitet, auch die
Sowjets und die Alliierten. Die aktuellste Analyse dazu
stammt von den Philologen Tobias Roth und Moritz
Rauchhaus. Letzterer sagt: »Die deutschen Flugblätter
aus Italien stechen heraus. Sie waren aufwendig ge-
staltet und bebildert, oft vielfarbig gedruckt. Diese
Texte und Illustrationen entfalten bis heute eine grau-
same Wirkung.« An manchen Tagen seien mehrere
Motive in sechsstelliger Auflage gedruckt und über
feindlichen Truppen verteilt worden. »Man muss sich
das als tagesaktuelle Arbeit vorstellen, die prompt auf
das jeweilige Kriegsgeschehen reagierte«, ergänzt Roth.
Nannen soll bei dieser Arbeit laut einem Zeitzeu-
gen eine führende Rolle eingenommen haben. Er sei
»der Boss« gewesen – obwohl er nicht bei der SS war
und bloß ein Leutnant, also der rangniederste Offi-
Henri Nannen,
Die Flugblätter
Quellenlage
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben
vor allem Privatleute jene Flugblätter
gesammelt, die zu Propaganda-
Zwecken über feindlichen Truppen
abgeworfen wurden. Einige
verkauften oder vermachten ihre
Sammlung später der Staatsbibliothek
zu Berlin. Dort sind sie einzusehen.
Literatur
Einen guten Überblick liefern auch
die Philologen Moritz
Rauchhaus und Tobias Roth:
Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs
Mehrfach wiederholte Propaganda-
Botschaft: Die Juden seien
die eigentlichen Kriegstreiber
* 25. Dezember 1913 in Emden, † 13. Oktober 1996 in Hannover
zier. Wie ist das zu deuten? Nach allem, was bekannt
ist, bestand die Gruppe der Texter und Illustratoren
in einer Propaganda-Kompanie aus höchstens einem
Dutzend Männern. Ein Nannen hat dort sicher Ein-
fluss genommen, unabhängig von seinem Rang. Des-
halb ist auch seine Mitarbeit an antisemitischen
Motiven so plausibel, die zum abscheulichen Stan-
dardrepertoire im Nationalsozialismus gehörten.
Auf einem der Flugblätter, das im Beitrag von
strg_f zu sehen ist, wird ein luxuriöses Auto gezeigt,
auf dem ein Davidstern prangt, während im Hinter-
grund amerikanische Soldaten sterben. Für wen, so
die Botschaft, kämpft ihr wirklich? Wer profitiert von
diesem Krieg? Klar, die Juden! Ein anderes Flugblatt
zeigt einen Soldatenfriedhof mit Hunderten von
Kreuzen, nur an einem hängt ein Davidstern. Rauch-
haus hat keinen Zweifel, dass Nannen diese Motive
mitverantwortet hat. Zugleich ist er erstaunt über die
aktuelle Debatte: »Gerade diese beiden antisemiti-
schen Flugblätter waren lange bekannt. Sie wurden
bereits in mehreren Bildbänden veröffentlicht, und
auch wir zeigen sie in unserem Buch.«
Was bleibt dann überhaupt von der Recherche von
strg_f? Es waren nicht nur zwei antisemitische Moti-
ve, keine Einzelfälle, es gab mindestens ein halbes
Dutzend. So verdüstert sich das Bild von Nannen im
Zweiten Weltkrieg tatsächlich noch ein Stück.
Nannen war ein Nazi-Propagandist. Ob er ein
überzeugter Nationalsozialist war oder nur Oppor-
tunist, bleibt beim Blick auf die bekannten Quellen
letztlich offen. Aber er hat bis zum Ende seinen Teil
zum System beigetragen, er war das Gegenteil eines
Widerstandskämpfers wie etwa Klaus Mann. Der
Schriftsteller wanderte in die USA aus und nahm die
dortige Staatsbürgerschaft an, um als Propaganda-
Soldat der USA gegen die Nazis zu kämpfen. Am
Ende stand er, wenn man so will, Henri Nannen
direkt gegenüber.
Umso klarer ist, was Nannen nach Kriegsende,
im Alter von 32 Jahren, für Konsequenzen gezogen
hat: Im Gegensatz zu den meisten Deutschen hat er
seine Mitschuld nicht verschwiegen und maßgeblich
zum Aufbau einer liberalen Medienlandschaft bei­
getragen. Allerdings ist auch wahr, dass er bald nach
dem Krieg einige ausgewiesene frühere Nazis in sei-
nem Umfeld beschäftigt hat.
Auf die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts
zu blicken heißt zu akzeptieren, wie egoistisch und
schuldhaft Menschen gehandelt haben und wie
schwach sie waren – zugleich aber wertzuschätzen,
was sie nach Ende der Diktatur für die Bundesrepu-
blik geleistet haben. Dieser Spannung können die
Deutschen nicht entkommen. Und wie schwer es
manchen Berichterstattern heute fällt, diese Span-
nung auszuhalten und ihr Publikum für die Grau-
töne zu sensibilisieren, erkennt man an der Recher-
che von strg_f: Die Redakteure haben den Weg ge-
wählt, ihre Funde grell auszuleuchten. Was Nannen
entlasten könnte – wie etwa seine eigenen Äußerun-
gen über seine Zeit im Nationalsozialismus –, wird
weggelassen oder höchstens gestreift, und Nannens
Verantwortung für die antisemitischen Flugblätter
wird als maximal angenommen. In einem Beitrag,
der 20 Minuten lang ist, wäre mehr möglich.
Zu seinen Lebzeiten war Henri Nannen ein
bedeutender, charismatischer, manchmal genialer
und oft autoritärer Chefredakteur. Aber erst nach
seinem Tod wurde er ins nahezu Grenzenlose
überhöht. Wer fragt, wie das geschehen konnte,
darf nicht nur auf Nannen schauen. Die Entwick-
lung begann, als es dem deutschen Journalismus
im beginnenden Internetzeitalter zunehmend
schlechter ging, als die sozialen Medien dem Jour-
nalismus die alleinige Deutungshoheit über die
öffentlichen Debatten entrissen. Da entstand die
Sehnsucht, neu zu bestimmen, wofür Journalis-
mus steht, was ihn abhebt und ausmacht. In dieser
Zeit wurden die Gründerfiguren des Nachkriegs-
journalismus hervorgeholt und poliert, bis sie glatt
waren und glänzten. Auch Henri Nannen.
www.zeit.de/vorgelesen

Astronomie ․ Corona ․ Promotion ․ Schule ․ Umwelt ․ Bildungsgespräch ․ Infografik: Avocado
A
ls
im Jahr
1248 der Grund-
stein des Kölner
Doms gelegt wurde,
konnten die Bau-
meister nicht vorhersagen, wie lange
die Errichtung der Kathedrale dauern
würde. Sie wussten zwar, wie sie die
Sache anzugehen hatten und wie ihre
Kirche aussehen sollte. Doch ob der
Bau wirklich gelingen würde oder ob
ihnen die Gelder ausgehen, die Arbei-
ter davonlaufen oder ob Kriege das be-
reits Errichtete zerstören würden – das
wussten sie nicht. Sie konnten nur da-
rauf hoffen, dass nachfolgende Gene-
rationen ihr Werk beenden würden.
Ihr kühnes Vorhaben baute letztlich
auf ein Fundament aus Zuversicht.
Dasselbe gilt für die Astronomie.
Wer die unendlichen Weiten des Alls
erforschen will, braucht ähnlich viel
Zukunftsglauben wie die mittelalterli-
chen Baumeister. Das zeigen zwei­
astronomische Großprojekte, die in
diesen Tagen Schlagzeilen machen.
Das eine ist das James Webb Space­
Telescope, das nach jahrzehntelangem
Bau mittlerweile im Weltall schwebt
und demnächst offiziell in Betrieb ge-
nommen werden soll. Damit erreicht
das größte, komplexeste und teuerste
wissenschaftliche Weltraumprojekt al-
ler Zeiten endlich sein Ziel. Das andere
ist das nicht minder ambitionierte Ein-
stein-Teleskop, das Gravitationswellen
auffangen soll und erst am Anfang sei-
ner Geschichte steht.
Vergangene Woche vereinbarten
europäische Astronomen auf einer
Konferenz in Budapest hoffnungsfroh
eine Kollaboration zum Bau dieses
Einstein-Teleskops – mitten in einer
Kriegs- und Krisenzeit, in der fraglich
ist, ob das Geld für ein solches Groß-
gerät jemals bewilligt wird, ob die nöti-
gen Materialien trotz brüchiger Liefer-
ketten beschafft werden können und
ob die europaweite Kooperation die
nächsten Jahrzehnte überdauert. Dass
die Wissenschaftler diesen Beschluss
– ausgerechnet! – in Ungarn fassten,
kann man wahlweise als Weltfremdheit
interpretieren oder als Ausdruck unge-
brochener Zuversicht: Trotz aller Kon-
flikte, so die Botschaft der Himmels-
forscher, geht die Ergründung des Alls
weiter, widmet sich die Menschheit
den großen Fragen nach dem Woher
und Wohin.
Das Einstein-Teleskop steht damit
dort, wo vor mehr als dreißig Jahren
das Webb-Teleskop startete. 1989 be-
gann dessen Planung – damals existier-
te noch die Sow­ jet­union, im Kreml
amtierte Michail Gor­ ba­
tschow, und
der Bundeskanzler hieß Helmut Kohl.
Einige Jahre später saß ich als junger
Journalist dem US-Astronomen Alan
Dressler gegenüber, der das Planungs-
komitee für das neue Beobachtungs­
gerät leitete. Dabei erteilte mir der
Amerikaner eine eindrückliche Lektion
in Sachen Zuversicht.
Zunächst erläuterte Dressler die au-
ßergewöhnlichen Fähigkeiten seines ge-
planten Teleskops. Es sei geeignet, nach
außerirdischem Leben und nach be-
wohnbaren Planeten zu suchen; dann
schwärmte er davon, dass man vielleicht
Foto: Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg (Ausschnitt)
»in hundert Jahren eine Rakete bauen
könnte, die einen in weiteren hundert
Jahren dahin bringt« (ZEIT Nr. 8/97).
Auf meine zweifelnde Frage, ob das
nicht völlig illusionär sei, entgegnete
Dressler: Sicher, die heutige Technik sei
davon weit entfernt; aber er verstehe
nicht, warum gerade Europäer solchen
Ideen gegenüber skeptisch seien.
Schließlich seien sie es doch
gewesen, die fünfhundert
Jahre lang an ihren
Kathedralen ge-
baut hät-
Würde man den Kölner Dom noch einmal bauen, kostete das zehn Milliarden Euro – so viel wie heute das
James-Webb-Teleskop. Das moderne Fenster ins All, 1,5 Millionen Kilometer von uns entfernt, geht demnächst in Betrieb.
WISSEN
ten. »In
den USA
nehmen wir
normalerweise kein
Projekt in Angriff, das
länger als zwei Jahre dauert«,
scherzte Dressler. »Ihr Jungs habt
den Langzeitrekord.«
Daran musste ich denken, als vor
wenigen Tagen bekannt wurde, dass
das Webb-Teleskop im All mit einem
Mikrometeoriten kollidiert war. Kleine
Bruchstücke hätten ein Segment des
18-teiligen Hauptspiegels getroffen,
meldete die Nasa, und für eine Schreck-
sekunde hielt die Astronomen-Com-
munity den Atem an. Dann kam die
Entwarnung: Die Funktion des Tele-
skops sei nicht beeinträchtig, alles laufe
nach Plan.
»Wir wussten immer, dass das Webb
den Bedingungen im All standhalten
muss, inklusive grellem ultraviolettem
Licht und geladenen Sonnenpartikeln,
kosmischer Strahlung von exotischen
galaktischen Quellen und gelegentli-
chen Treffern durch Mikrometeoriten«,
erklärte Technikmanager Paul Geith-
ner. Aber genau dafür habe man das
Webb-Teleskop ausgelegt, mit genü-
gend Reserven, um »die Leistung für
seine anspruchsvolle wissenschaftliche
Mission selbst nach vielen Jahren im
Weltall zu sichern«.
Dabei war der Weg zum Erfolg des
James Webb Space Telescope (JWST)
– wie so oft bei ambitionierten Groß-
projekten – von zahlreichen Hinder-
nissen und Pannen gesäumt. Die Kos-
ten stiegen von ursprünglich anvisier-
ten 500 Millionen Dollar nach und
nach um das Zwanzigfache auf zehn
Milliarden Dollar. Die Ingenieure
mussten mehrmals umplanen, neuarti-
ge Materialien entwickeln, technische
Schwierigkeiten überwinden und einen
zwischenzeitlichen Finanzierungsstopp
überstehen. Auch Naturgewalten be-
drohten das Projekt: Während der Vi-
brationstests in Los Angeles ereignete
sich ein Erdbeben – kurz nach einem
heiklen Transport des kostbaren Geräts
von einer Halle in die nächste. Und
als das hochempfindliche Gerät in
Houston 2017 seinen letzten Vakuum-
test absolvierte, tobte draußen Hurri-
kan Harvey. (ZEIT Nr. 23/21)
Mit unendlicher Zähigkeit räumten
die Techniker und Wissenschaftlerin-
nen eine Schwierigkeit nach der ande-
ren aus dem Weg. Schließlich gelang
am ersten Weihnachtstag 2021 der (ur-
sprünglich für 2007 geplante) Start.
Als die Ariane-Rakete mit dem gut­
verpackten JWST vom europäischen
Raumfahrtbahnhof im südamerikani-
schen Kourou erfolgreich abhob, war
die Erleichterung unter Astronomen
groß. »Halleluja!«, jubelte Dressler, der
längst emeritiert ist, aber mit seinem
Projekt noch immer mitfiebert.
Nach dem Start war das Teleskop 1,5
Millionen Kilometer im All unterwegs,
bis es seinen Bestimmungsort erreichte,
in der Nähe des sogenannten La-
grange-Punkts L2, der sich
stets in vierfacher Mond-
entfernung über der
Nachtseite der
Erde befin-
det.
Das Sternbild Skorpion ist aufgrund seiner südlichen Lage in Mitteleuropa nur im Sommer zu sehen. Diese Aufnahme entstand in Kroatien
Unsere Quellen
Erste Bilder des Webb-Teleskops veröffentlicht die Nasa auf ihrer Website. Weitere Quellen dieser Ausgabe finden Sie unter www.zeit.de/wq/2022-25
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Seither
verlaufen
alle Tests zur
Zufriedenheit der
Ingenieurinnen und In-
genieure. Anfang Juli soll das
JWST endlich offiziell in Betrieb
genommen werden.
An seinem fernen Außenposten
wird es vor allem infrarote Wärme-
strahlung einfangen. Die Suche nach
bewohnbaren Planeten ist dabei nur
eines von mehreren wissenschaftlichen
Zielen. Unter anderem geht es darum,
bis in die Anfangszeit des Universums
vor 13 Milliarden Jahren zurückzu-
schauen. Das Licht der ersten Sterne
aus dieser Zeit kommt wegen der ra-
schen Ausdehnung des Alls heute als
extrem schwache Wärmestrahlung bei
uns an. Und die lässt sich nur fern der
Erde beobachten, weil sonst die irdische
Wärme alle kosmischen Signale über-
strahlt. Deshalb muss das Infrarot-Tele-
skop möglichst weit entfernt von unse-
Die
rem Planeten seine Arbeit aufnehmen.
Anders verhält es sich mit dem Ein-
stein-Teleskop, das die Europäer jetzt
planen. Das muss nicht hinaus ins
Ausdehnung All – sondern tief unter die Erde. Etwa
200 bis 300 Meter unter der Erdober-
fläche soll es die geheimnisvollen Gra­
des Horizonts
vi­ta­tions­wel­len auffangen. Diese ha-
ben selbst eine Geschichte voller Hoff-
nung und Enttäuschung geschrieben:
Sie beginnt mit Albert Einstein, der
1916, mitten im Ersten Weltkrieg, aus
seinen Formeln ihre Existenz ableitete.
Wenn im Weltall extrem schwere Mas-
Großprojekte wie sen in Schwung geraten – etwa
Schwarze Löcher oder große Neutro-
das James-Webb-Teleskop nensterne –, dann sagt die Relativitäts-
theorie voraus, dass sich dadurch der
trotzen allen Krisen Raum selbst verändert; ihn durchläuft
und überdauern so manches gewissermaßen ein Raumzittern. Die-
ses sei jedoch so fein, erklärte Einstein
Forscherleben. damals, dass es sich wohl niemals­
werde nachweisen lassen.
Von dieser Zuversicht der In den Sechzigerjahren wagte der
Physiker Joe Weber den Versuch den-
Wissenschaft lässt noch. Mit tonnenschweren Metall­
sich gerade jetzt viel lernen  zylindern suchte er das Raumzittern zu
messen – und wurde zunächst offen-
VON ULRICH SCHNABEL bar fündig. Kurzzeitig galt Weber als
Held der Astrophysik. Dann rechneten
Physiker nach und stellten fest, dass
die angeblich gemessenen Signale
nicht zu Einsteins Theorie passten.
Andere Kollegen versuchten, seine
Daten zu reproduzieren, und scheiter-
ten. Aus dem Held wurde ein Außen-
seiter, der verbissen immer weiter ex-
perimentierte, aber von niemandem
mehr ernst genommen wurde. Das ge-
samte Feld geriet in Verruf. »Gravitati-
onswellen galten als esoterisch«, erin-
nert sich der Physiker Harald Lück
vom Max-Planck-Institut für Gravita-
tionsphysik in Hannover.
Einige wenige glaubten jedoch un-
gebrochen an einen Erfolg. Der Physiker
Heinz Billing etwa verkündete öffentlich,
er wolle so lange am Leben bleiben, bis
die Gravitationswellen nachgewiesen
seien. Der 1914 geborene Billing
sollte recht behalten, auch
wenn er dazu 102 Jahre
alt werden musste:
Im September
2015 ge-
lang
31
mit dem Li-
go-Detektor in
den USA erstmals
der direkte Nachweis
von Gravitationswellen.
Seither gilt das einst abseitige
Forschungsfeld wieder als hot topic.
Denn es hebt die Beobachtung des
Kosmos auf eine ganz neue Stufe: Zu-
vor konnte man Sterne, Galaxien und
andere Himmelskörper nur sehen – mit
bloßem Auge oder mit Teleskopen im
elektromagnetischen Spektrum; nun
kann man sie mithilfe von Gravitati-
onswellen auch hören – zwar nicht im
tatsächlichen, aber im übertragenen
Sinne.
Denn das Raumzittern gleicht eher
einem akustischen Impuls als einem
optischen. Deshalb sind die Instru-
mente, die ihn auffangen, auch keine
Teleskope im üblichen Sinne. Sie glei-
chen eher Mikrofonen, die aufzeich-
nen, wie der Raum schwingt.
Dazu ist aber eine gigantische Ap-
paratur nötig: Das Einstein-Teleskop
soll aus drei je zehn Kilometer langen
Röhren bestehen, die tief in den Un-
tergrund getrieben werden, um alle
Erschütterungen an der Erdoberfläche
abzuschirmen. Laserlicht soll durch
die luftleeren Röhren sausen und zwi-
schen gekühlten Siliziumkristallen hin
und her jagen. Würde die Apparatur
von einem Raumzittern durchdrun-
gen, veränderte sich die Laufzeit des
Lichts minimal – und das könnte man
nachweisen.
Die erwartbaren Effekte sind unvor-
stellbar klein: Eine Strecke von einem
Kilometer Länge würde von einer Gra-
vitationswelle um den hundertmilli-
onsten Teil eines Atomdurchmessers
verändert.
Immerhin: Das Einstein-Teleskop
soll zehnmal genauer messen können
als heutige Detektoren. Damit, so die
Hoffnung der Forscherinnen und
Forscher, ließe sich die Entstehungs-
geschichte Schwarzer Löcher besser
ergründen ebenso wie die Struktur
des Weltalls unmittelbar nach dem
Urknall.
Doch bevor es so weit ist, müssen
erst einmal banale irdische Probleme
gelöst werden. Die Aufgaben lauten:
Standort finden, Finanzierung sichern,
Politiker überzeugen.
Bisher sind vor allem zwei Regionen
als Standorte in der Diskussion – Sardi-
nien und das Dreiländereck zwischen
Deutschland, Belgien und den Nieder-
landen. Jüngst hat sich auch die sächsi-
sche Lausitz ins Gespräch gebracht, die
ein neues Zentrum der Himmelsfor-
schung werden möchte (ZEIT Nr.
17/22). Denn ähnlich wie beim Kölner
Dom – mit dem die Stadt Köln heute
untrennbar verbunden ist – hoffen viele,
dass der Ruhm solcher Großprojekte
auch auf die Region abfärbt.
Noch härter als die Standortent-
scheidung dürfte jedoch das Gerangel
um die Finanzierung werden. »Die
amerikanischen Kollegen haben es da
einfacher«, sagt Harald Lück, der jetzt
Vorsitzender des Kollaborationsrats für
das Einstein-Teleskop ist. In den USA
habe man nur mit ein oder zwei Geld-
gebern zu tun. »Europa ist so hetero-
gen, dass Sie mindestens zehn Fi­
nanzierungseinrichtungen überzeugen
müssen.«
Das heißt: Die Astronomen brau-
chen vor allem Zuversicht und Durch-
haltewillen. Lück hofft, dass vielleicht
in zehn oder fünfzehn Jahren das Ein-
stein-Teleskop in Betrieb gehen könn-
te, sagt aber selbst: »Das ist jetzt opti-
mistisch gedacht.«
Der Kölner Dom brauchte übrigens
632 Jahre bis zur Vollendung im Jahr
1880. Auch beim Einstein-Teleskop ist
es gut möglich, dass weder Sie noch
ich je erfahren werden, welche
Ergebnisse es einmal lie-
fern wird. Doch die
Wette auf die
Zukunft
gilt.
32 WISSEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Corona ․ Promotion

Vor allem Politiker warten auf diesen Bericht: Die Auswertung der Pandemie-Maßnahmen.
Fragen an den Sachverständigen Klaus Stöhr

Kommt jetzt die Sommerwelle

kostet und wie groß Stöhr: Impfungen für die Vulnerablen, Medi-
DIE ZEIT: Herr Stöhr, 2003 waren Sie an der gefällt werden, ohne dass man viele Daten die sozialen Span- kamentenvorräte und das Gesundheitswesen.
Auslöschung des ersten Sars-Ausbruchs füh- hatte. Umso wichtiger ist es, die Maßnah- nungen sind, wird Man sollte überlegen, ob man die Impfzentren
rend beteiligt. Damals war Christian Drosten men fortlaufend zu bewerten, um fragen zu man etwas anderes noch beibehalten möchte. Beim Impfstoffkauf
in einem Ihrer Teams. Nun sind Sie nach sei- können: Was war hilfreich, was kontrapro- machen, als wenn wird gerade ein strategischer Fehler gemacht.
nem Ausscheiden als Nachfolger in den duktiv – und wie soll es weitergehen. man sagt, ich ZEIT: Welcher?
Corona-­Sachverständigenausschuss berufen ZEIT: Geben Sie uns da schon mal einen Aus- möchte die gesund- Stöhr: Man setzt keine gesundheitsökonomi-
worden. Hat Sie das überrascht? blick? Wie steht es um die Begleitforschung? heitlichen Auswir- schen und medizinischen Prioritäten. Der­
Klaus Stöhr: Nein. Ich denke, die CDU hat Stöhr: Für mich persönlich ist das recht ein- kungen minimieren Gesundheitsminister sagt: Jeder, der einen­
mich vorgeschlagen wegen meiner Erfahrung deutig: Wenn man unsere nun vorhandene zu einem wirtschaft- bestimmten Impfstoff oder einen kombinier-
in der Seuchenbekämpfung, Impfstofffor- Datenbasis mit dem Ausland vergleicht, wo lich und gesellschaftlich ten Impfstoff wünscht, soll ihn bekommen.
schung und Epidemiologie. es ja auch nicht vor Daten sprudelt, hat sich vertretbaren Preis. Das ist Gesundheitspolitik nach Laune der­
ZEIT: Bereits Ende dieses Monats soll der Aus- die Bundesregierung nicht mit Ruhm bekle- ZEIT: Gerade fürchten viele Patienten. Aber ohne Wissen, wo die Immun-
schuss einen Bericht vorlegen, der die nicht ckert. eine Sommerwelle. Wie blicken lücke in der Bevölkerung ist, impft man wo-
pharmazeutischen Maßnahmen zur Bekämp- ZEIT: In welchen Bereichen sehen Sie das Sie auf die zweite Jahreshälfte? möglich an der Notwendigkeit vorbei. Falls die
fung der Pandemie bewertet. Können Sie dazu hiesige Krisenmanagement noch kritisch? Stöhr: Positiv. Selbst dieses Frühjahr, Bundesregierung keine Studie finanziert, um
überhaupt noch etwas Neues beitragen? Stöhr: Mit die gravierendste Maßnahme wa- bei sehr hohen Infektionszahlen, ist das Ge- diese Immunlücke festzustellen, werde ich das
Stöhr: Die Kapitel sind nach langer Arbeit be- ren wohl die Grundschul- und Kita-Schlie- sundheitswesen nie an die Belastungsgrenze ge- in den nächsten Tagen initiieren. Dann kann
reits in der Endfassung oder finalisiert. Ich ßungen. Die vorliegenden Daten, inwieweit kommen. Seitdem ist die Zahl der natürlich Im- man mit den richtigen Impfstoffen die beson-
hoffe aber, mindestens etwas beitragen zu Schulschließungen und Maskenpflicht an munisierten und Geimpften gestiegen. Ich gehe ders gefährdeten Altersgruppen anvisieren,­
können, um die Wiederholung der schlimms- Schulen wirksam waren, sind niederschmet- fest davon aus, dass es auch im Herbst und gezielt informieren und Angebote machen.
ten Fehler in der Zukunft zu vermeiden. ternd. Winter zu keiner flächendeckenden Überlastung ZEIT: Das US-Unternehmen Moderna hat an-
ZEIT: Das ist es, was die Analyse der Sachver- ZEIT: Heißt das, es hat gar nichts gebracht? im Gesundheitswesen kommen wird. gekündigt, dass sein an Omikron angepasster
ständigenkommission leisten muss? Stöhr: Na ja, jede Maßnahme hat einen ge- ZEIT: Wie lange schützt die Impfung noch? Booster effektiver sei als der herkömmliche.
Stöhr: Ja. Meine Erwartung ist, dass sich aus wissen positiven Effekt. Die Frage ist nur, zu Stöhr: Die Impfung bleibt zentral: Der jetzige Stöhr: Was Moderna getan hat – und auch an-
ihr konkrete kurz- und mittelfristige Hand- welchem Preis? Und anders als bei anderen Impfstoff schützt weiterhin ausgezeichnet gegen dere Unternehmen tun – ist der erwartete und
lungsempfehlungen ableiten lassen. Bereichen gab es hier bereits 2020 Daten, schwere Verläufe. Ein Booster für die Vulnerab- richtige Schritt. Man sollte Impfstoff verwen-
ZEIT: Wie läuft die Evaluierung ab? auch aus Deutschland: Die wurden konse- len vor dem Winter ist sicherlich angezeigt. den, den man der aktuell kursierenden Variante
Stöhr: Sie besteht aus drei Säulen. Erstens quent negiert. Man blieb bei der Stigmatisie- Aber: Der Immunschutz bleibt unvollständig angepasst hat. Das wird in Zukunft notwendig
wird bewertet, welches Wissen zu Beginn der rung der Kinder entgegen besseren wissen- ohne die natürliche Immunität durch Infektion. sein. Allerdings wird auch der herkömmliche
Pandemie vorhanden war und wie es strate- schaftlichen Wissens. Mit erheblichen negati- ZEIT: Auf welche Infektionszahlen müssen wir Impfstoff bei Omikron noch gut wirksam sein.
gisch genutzt wurde. Es war zum Beispiel im- ven Konsequenzen für die Kinder. uns in der kälteren Jahreszeit einstellen? ZEIT: Ende des Winters werden wir drei Jahre
mer klar, dass es keinen Impfstoff geben kann, ZEIT: Was muss die Evaluation leisten, damit Stöhr: Da gibt es Unwägbarkeiten, auch weil es Pandemie vollhaben. Wie lange geht das noch?
der Infektion und Ausscheidung vollständig wir in Zukunft besser aufgestellt sind? sicherlich noch viele ohne natürliche Immuni- Stöhr: Das Ende der Pandemie vollzieht sich
verhindert. Dass sich alle, auch geimpfte Per- Stöhr: Sie muss Antworten darauf geben, wie tät in Deutschland gibt. Kommt eine Variante, auf zwei Ebenen. Medizinisch ist sie vorbei,
sonen, infizieren würden. Dass diese Infektio- stark welche Maßnahmen die Krankheitslast die die Immunität unterläuft? Dann wird es wenn die Auswirkungen einer Infektion ver-
nen notwendig sind für eine breite Immunität bei welchen Kollateralschäden reduziert h­ aben genau wie bei der Influenza eine heftige Welle gleichbar mit denen anderer Atemwegserkran-
und das Ende der Pandemie. – angefangen von Schul- und Kita-Schließun- geben. Oder wird der Immunschutz nur um 5 kungen sind. Gesellschaftlich ist sie vorbei,
ZEIT: Und zweitens? gen, Masken für Grundschulkinder bis zu bis 30 Prozent unterlaufen? Alles andere – eine wenn das Ende in den Köpfen ankommt. Eine
Stöhr: Muss gefragt werden, auf Grundlage Ausgangssperren, Quarantäne, Kontakt-­ noch ansteckendere und zugleich gefährlichere große Aufgabe für die Politik ist es, die Relatio-
welcher Erkenntnisse, Daten und Fakten man Nachverfolgung, Grenzschließungen. Erst Variante – wäre eine extreme Überraschung. nen wieder ordentlich zu setzen. Ich sehe immer
sich für bestimmte Interventionen entschie- dann kann man in Zukunft gezielt die effi- Nicht unmöglich, aber höchst unwahrschein- noch Radfahrer ohne Helm, aber mit Maske.
Abbildungen: Sven Hoppe/dpa (u.); Anne Gerdes/ZEIT Grafik

den hat. Drittens wären die gesundheitlichen zientesten Methoden auswählen. lich. Wir müssen uns auf eine herausfordernde
Auswirkungen zu prüfen: Wie viele Infektio- ZEIT: Sie beschäftigen sich auch mit den Ne- Winterwelle einstellen, aber sie wird keinesfalls Das Gespräch führte
nen, Krankenhaus-Behandlungen, Todesfälle benfolgen der Maßnahmen. über das hinausgehen, was wir jetzt im Februar Ulrich Bahnsen
hat jede einzelne oder die Kombination der Stöhr: Genau, mit den wirtschaftlichen Fol- und März gesehen haben.
Interventionen verhindert? Haben wir eine gen zum Beispiel. Die gehören zum Gesamt- ZEIT: Da waren die Infektionszahlen enorm.
gute Nachverfolgung gemacht, Infektionen bild. Auch die Frage: Wie sehr belasten die Stöhr: Ja. Aber wichtig ist: Die Schere zwischen
Der Virologe und
dabei abgewendet? Maßnahmen unsere freiheitlich-demokrati- Infektionen und schweren Erkrankungen wird
Epidemiologe
ZEIT: Haben Sie genug Daten dafür? sche Ordnung, das Leben in der Gesellschaft? immer weiter auseinandergehen. In Portugal
Klaus Stöhr, 63,
Stöhr: Gute Frage, die mit in die Evaluation Ohne diese Kenntnisse kann man keinen­ gibt es gerade so viele Fälle wie in keinem ande-
leitete bei der
gehört: Inwieweit hat die Bundesregierung guten Kompromiss finden. ren Land Europas, doch auf den Intensivstatio-
WHO die SARS-
eine die Pandemie begleitende Forschung­ ZEIT: Was ist dafür noch notwendig? nen liegen pro 100.000 Einwohner etwa ge-
Forschung;
erfolgreich initiiert? Begleitende Wirksam- Stöhr: Es fehlt an einem strategischen Ziel in nauso viele Menschen wie in Deutschland.
heute ist er
keitsevaluierung gehört zur Seuchenbekämp- der Pandemiepolitik. Wenn das Ziel ist, sämt- ZEIT: Was muss auf jeden Fall vorbereitet wer-
freier Berater
fung. Anfangs mussten Entscheidungen­ liche Infektionen zu verhindern, egal, was es den für den kommenden Winter?

Die schnelleren Läufer

ANZEIGE

Fachhochschulen, die Doktortitel vergeben – kann das funktionieren? Ein Gutachten sagt Ja
und setzt mit seinen Ergebnissen die Universitäten unter Druck  VON ANNA-LENA SCHOLZ
Ein Gleichnis: Schreitet eine elegante Dame den hochkarätigen Kommission, die das hessische Pro- versitäten bieten Forschung und Lehre im ganzen
Die FernUniversität
roten Teppich entlang. Kommt von hinten eine motionsmodell evaluiert hat. Fächerspektrum. Sie verteidigen ihre Sonderstellung:
– das Original junge Joggerin angerannt. »Dieser Teppich ist Und das sieht so aus: Die Doktorandenbetreu- ein Promotionsrecht für alle führe zu einer Eineb-
nicht für dich bestimmt«, sagt die Dame. »Ich ung ist nicht allein bei den Professoren angesiedelt, nung oder gar zu Niveauverlust.
weiß«, ruft die Joggerin, rollt den roten Teppich sondern an insgesamt sieben Promotionszentren Tatsächlich sind halbseidene Mini-Doktoren wohl
ein und zieht an ihr vorbei. mit thematischen Schwerpunkten: »Soziale A ­ rbeit« nicht zu befürchten. Vielmehr betonen die Gut-
Die Dame, das sind die 120 Universitäten in etwa, oder »Angewandte Informatik«. Diese Zen- achter, die Betreuung an den Promotionszentren gehe

Dein Fernstudium: Deutschland. Die Joggerin, das sind die 243 Fach-

hochschulen. Und der rote Teppich – das ist ein
Exklusivrecht, das die Universitäten seit Jahrhun-
immer gut betreut! derten für sich beanspruchen: das Promotions-
recht. Nur sie dürfen Doktorgrade verleihen und
entscheiden, wem später eine wissenschaftliche
Karriere offensteht. Die Fachhochschulen fanden
das irgendwann nicht mehr fair: Auch hier bilden
Ob telefonisch, per Mail oder persönlich – Professoren Studierende aus, auch sie entwickeln
Forschungsprojekte, werben Gelder ein, veröffent-
wir sind für dich da. lichen Fachaufsätze. Warum sollten sie keine Dok-
Studieren neben Beruf, Freizeit und Familie – wir helfen dir dabei, alles unter einen Hut zu toranden betreuen dürfen? Hessen entschied sich
bekommen. Mit über 45 Jahren Erfahrung in der Fernlehre hast du mit der FernUniversität daher 2016 zu einem Experiment: Unter strengen
eine starke, kompetente Partnerin an deiner Seite. Als staatliche Anbieterin bieten wir an- Auflagen durften die dortigen Fachhochschulen
spruchsvolle und breitgefächerte Studienmöglichkeiten an fünf Fakultäten mit hochwer- ins Doktorbusiness einsteigen. Schon bald schlos-
tigen Abschlüssen. Informiere dich jetzt! sen sich andere Länder an: Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt, inzwischen sind es zehn, weitere
wollen folgen.
fernuni.de/info Nun erschien in dieser Woche ein Gutachten,
das über den Fortgang dieses Experiments ent-
scheidet – und die akademische Landschaft auf
lange Sicht prägen wird. 33 Seiten, verfasst von einer
tren wiederum hängen an bestimmten Vorausset-
zungen. Es müssen mindestens zwölf forschungs-
starke Professoren beteiligt sein, die jährlich eine
bestimmte Summe an Drittmitteln eingeworben
und einschlägig publiziert haben. Die Evaluation
umfasste Berichte, eine kursorische Auswertung
der Dissertationsprojekte und Besuche der Kom-
missionsmitglieder.
Die Botschaft des Gutachtens an die Fachhoch-
schulen: Läuft bei euch! Die bisherigen Leistungen
seien »beachtlich«, man rate zur Fortführung. Da-
für werden Empfehlungen formuliert – so sollten
an den Promotionszentren etwa wissenschaftliche
Beiräte eingerichtet werden, alle sieben Jahre solle
eine erneute Evaluation stattfinden, und die Ent-
lastung von der Lehre für jene, die Dissertationen
betreuen, solle einheitlich gestaltet werden. Eine
handhabbare To-do-Liste.
Es geht aber um mehr. Eigentlich herrscht im
deutschen System Arbeitsteilung: Die Fachhoch-
schulen bilden praxisnah aus, vor allem in den­
Bereichen Technik und Gesundheit. Und die Uni-
teils »über die bislang üblichen Standards hinaus«.
Heißt: Sie ist sogar besser als an den Unis, wo man-
cher Professor seine Doktoranden ohne Aufsicht
durchwinkt. Auch rein quantitativ sind die FH-Docs
keine Bedrohung, es werden in den kommenden
Jahren kaum mehr als ein paar Dutzend Doktoran-
den pro Jahr an den Fachhochschulen promovieren.
Trotzdem ist das Ganze ein Politikum. Schwer
lastete der Druck auf den Fachhochschulen, sich zu
beweisen. Doch ihr Ego wächst, ihre Vorteile treten
immer deutlicher hervor, nicht zufällig haben in-
zwischen viele ihren biederen Namen abgeworfen
und sich umbenannt in »Hochschule für Angewand-
te Wissenschaften«. Diese HAW – und ihre Promo-
tionszentren – sind kleiner, agiler, lösungsorientierter.
Damit sprechen sie besonders viele Studierende ohne
akademischen Bildungshintergrund an, erschließen
die wissenschaftliche Arbeit einer neuen gesellschaft-
lichen Gruppe. Mit der vorliegenden Evaluation also
verkehrt sich der Druck – er senkt sich auf die Uni-
versitäten. Ihre Promotionshoheit hat jetzt Konkur-
renz. Die Unis sollten ihre Laufschuhe auspacken.
 DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 WISSEN 33

Schule

Zwei Jahre Zeit zum

Lernen, Streiten,
Philosophieren –
Schülerinnen und
Schüler des Robert-
Bosch-College in
Freiburg

Die Friedensschule und der Krieg

Am United World College in Freiburg machen Jugendliche aus 80 Ländern gemeinsam ihren Abschluss und suchen nach
neuen Wegen, um Konflikte zu lösen. Jetzt wird dieses Ideal auf die Probe gestellt  VON JONAS SEUFERT

A
ls Lisa ihren Mut zusammen- kennt und achtet, so die Hoffnung des Reformpäda- näher ist.« Das klingt kitschig, wäre da nicht Nod- eine Chatgruppe gegründet und freute sich, als so des Balkankriegs seien bis heute spürbar. »Ich glaube,
nahm und Mariia in der Kanti­ gogen Kurt Hahn, der als Gründer der Schule gilt, ders eigene Geschichte. viele zum Treffpunkt kamen. so wird es in der Ukraine auch sein.«
nen­schlange ansprach, war der wird Konflikte friedlich austragen. Dem gelingt es Nodder wuchs als Weißer mit allen Privilegien Seit dem Überfall Russlands organisiert Mariia Auch der Lehrer Mikayel Minasyants, genannt
Krieg, der sie lange sprachlos am Ende vielleicht sogar, sich über Grenzen und Ideo- im südafrikanischen Apartheidsystem auf. Als Mahnwachen, sie spricht auf Schulveranstaltungen, ­Mike, hat von seinen Erfahrungen im Krieg erzählt.
gemacht hatte, schon knapp logien hinweg zu verständigen. Lehramtsstudent brach er mit dem Re­gime, ver- hält Kontakt zur ukrainischen Community in Frei- An einer anderen Schule wäre das vielleicht unge-
einen Monat alt. Sie habe eine Lisa und Mariia schätzen sich, aber Freundin- weigerte den Kriegsdienst und floh nach Lesotho. burg. »Am Anfang habe ich mich schuldig gefühlt, wöhnlich. »Ich finde diesen Austausch wichtig«, sagt
Idee, sagte Lisa zu Mariia. Ob nen seien sie nicht, sagen sie. Sie sehen sich gele- In den Folgejahren arbeitete er an Schulen, die weil viele Menschen in der Ukraine gerade bedeu- er. »Ich wollte zeigen, dass ich keine Maschine bin,
sie Lust auf eine Aktion habe. gentlich, tauschen sich aus über Hausaufgaben schwarze und weiße Jugendliche zusammenbrach- tendere Dinge tun als ich«, sagt sie. »Sie opfern so die den ganzen Tag Dinge von den Schülern verlangt.«
Lisa Volkova kommt aus Moskau. Mariia Horo- oder den Unterricht. Über den Angriff Russlands ten, und lernte als Lehrer Nelson Mandela kennen, viel, und ich bin hier in Deutschland und habe­ Minasyants wuchs in Armenien auf, das mit dem
dyska stammt aus der Nähe von Lwiw im Westen der auf die Ukraine sprachen sie lange nicht. Dabei der eine dieser Schulen besuchte. alles, was ich brauche.« Zwei Freunde seien an die Nachbarland Aserbaidschan seit Langem um die
Ukraine. Vermutlich wären die beiden 18-jährigen krachte er am Morgen des 24. Februar gleicher­ Woran Nodder auch heute noch glaubt: Erst im Front gegangen, sagt Mariia. »Aber wir reden nicht Region Bergkarabach kämpft. Die Armenier sagen
Schülerinnen sich nie begegnet, über tausend Kilo- maßen in die Leben der beiden Schülerinnen. täglichen Umgang mit­ein­an­der werden die Menschen so oft, ich rede mehr mit ihren Familien.« Ihre Arzach. Als der Krieg 2020 wieder ausbrach, unter-
meter trennen ihre Heimatstädte. Seit einem Jahr »Eigentlich bin ich eine extrovertierte Person«, erkennen, dass sie mehr verbindet, als sie trennt. Stimme bricht, dann wechselt sie das Thema. richtete Minasyants schon in Freiburg. Aserbaidschan
aber besuchen Lisa und Mariia dieselbe Schule, das sagt Mariia. »Aber nach der Nachricht wollte ich Diese Mission hat ihn aus den antirassistischen­ Seit Ausbruch des Krieges diskutieren die Schüler gewann die Kontrolle über einen großen Teil der
Robert-Bosch-College in Freiburg im Breisgau. nur mit meinen engen Freundinnen sein.« – »Ich Schulen in Südafrika an ein United World College un­ter­ein­an­der: Wie soll man auf die Gewalt reagie- Gebiete, seitdem kann Minasyants die Gräber eines
Die Schule ist Teil eines internationalen Netz- wollte nur noch schlafen, nicht in der Realität in Swaziland geführt – und 2014 nach Freiburg. ren, die Russland in die Ukraine trägt? Mit Gegen- Teiles seiner Familie nicht mehr besuchen.
werks, der United World Colleges (UWC), 18 gibt es sein«, sagt Lisa. Aber Nodder ist auch ein Realist: »Die Tatsache, gewalt? Ist man dann noch Pazifist? Manchmal, sagt Minasyants ist gerne Lehrer am Robert-Bosch-
weltweit. Jugendliche aus 80 Nationen lernen in Lisa und Mariia sind nicht zu Gegnerinnen ge- dass es diese Schule gibt, wird kein Jota daran ändern, Mariia, falle es ihr schwer, die Diskussionen auszuhal- College, er schätzt die kleinen Klassen, den Fokus auf
Freiburg zwei Jahre gemeinsam, büffeln worden wie die Länder, aus denen sie dass Russland der Ukraine einen Krieg aufzwingt.« ten. »Das ist für mich nicht kontrovers«, Nachhaltigkeit. Aber Minasyants ist
Mathe, Biologie oder die Grundlagen kommen. Beide verurteilen den Krieg, Nodder hat den Lehrplan nach dem Überfall sagt Mariia. Gewalt zur Verteidigung auch skeptisch geworden, was den An-
globaler Politik für einen internationa- beide wollen, dass er so schnell wie Russlands nicht über den Haufen geworfen, dafür ist sei notwendig. »Vielleicht gibt es bald spruch der Schule betrifft. Es sei gut,
len Schulabschluss. Vor allem aber ler- möglich aufhört. Und doch sei da dieses er zu straff. Aber er hat Lisa, Mariia und den anderen kein Land mehr, in das ich zurück- dass die Schüler lernten, dass sie etwas
nen sie hier, sich über kulturelle, religiö- Unbehagen gewesen, sagen sie. Das Jugendlichen Gelegenheit und viel Zeit gegeben, in kehren kann.« verändern könnten, sagt er. Und doch:
se oder soziale Barrieren hinweg zu Gefühl, der anderen nicht zu nahe tre- Schulversammlungen ihre Perspektive zu teilen, auf Was viele der Jugendlichen erkannt »Wir werden unsere Mission nicht er-
verständigen. Den anderen zu respek- ten zu wollen. »Ich habe nicht gefragt, Demos zu gehen, Aktionen zu starten. Zwei der haben: Es ist ein Privileg, den Frieden füllen.« Eine nachhaltige und eine
tieren, auch wenn die Meinungen oft wie es Mariia geht«, sagt Lisa. »Ich wuss- Schul­autos brachten Hilfsgüter in die Ukraine, zwei als philosophische Übung zu betrachten. friedliche Welt? Minasyants hat den
grundverschieden sind. Hier, am idyl- te ja, es wäre nicht okay gewesen, wenn ukrainische Geflüchtete wohnen auf dem Schul­ Viele von Lisas und Mariias 180 Mit- Glauben daran verloren.
lischen Berghang, wo früher ein Kloster mich das jemand gefragt hätte.« gelände. Der Krieg ist immer wieder Thema im schülern sind mit Krieg aufgewachsen. Vor einigen Monaten ging eine
stand, treffen queere Jugendliche auf Als sie schließlich in der Schlange in Politikunterricht. Und die Diskussionen gehen in Da ist Inas, der im Irak vor dem »Isla- Nachricht durch das Netzwerk der
Mariia, 18, kommt Lisa, 18, stammt aus
Gleichaltrige, denen die Ehe zwischen der Kantine auf­ein­an­der­tref­fen, reden den Pausen und auf den Zimmern weiter. Etwa zur mischen Staat« fliehen musste. Da ist United World Colleges: Die insgesamt
aus der Nähe von Russland, wuchs in
Mann und Frau heilig ist. Schwarze sie und vereinbaren, etwas zu tun, ge- Frage, wann der Krieg zwischen der Ukraine und Ruba aus Syrien, die mit den täglichen 18 Schulen, verstreut auf der ganzen
Lwiw in der Ukraine Moskau auf
Schüler geben weißen Lehrkräften ras- meinsam. Lisa kann häkeln, Mariia Russland anfing. War es wirklich der 24. Februar? Schüssen im Bürgerkrieg groß wurde. Welt, sind für den Friedensnobelpreis
sismuskritische Workshops. Oder sie kann organisieren, sie hat Kontakte zu Mariia aus der Ukraine sagt: »Krieg ist in meinem Da ist Philémon aus der Demokrati- nominiert. Ein norwegischer Parlamen-
streiten alle gemeinsam darüber, ob Innovation die Initiativen in der Ukraine. So entstehen gehäkelte Land seit 2014.« Seit der Annexion der Krim und schen Republik Kongo, der sich unter seinem Bett tarier hat die UWC-Bewegung dafür vorgeschlagen.
Klimakrise löst – oder nur die Überwindung des Schlüsselanhänger, kleine Wale in Gelb und Blau. dem Beginn der Aus­ein­an­der­set­zun­gen im Osten der versteckte, wenn sich draußen die Rebellengruppen Im Direktorenzimmer der Schule schüttelt sich
Kapitalismus. Oft beginnen die Diskussionen im Un- Wale, sagt Lisa, seien friedliche Wesen, die Friedens- Ukraine. Deshalb nutzt Mariia auch einen anderen beschossen. Oder Miranda aus Mexiko, die auf dem Laurence Nodder: »Diese Nominierung ist mir pein-
terricht, häufig gehen sie danach weiter, im Schul­ wächter der Meere. Die beiden Mädchen verkaufen Begriff für die Ereignisse der vergangenen Monate. Weg zur Schule regelmäßig Leichen an einer Brücke lich.« Klar, das sei eine Anerkennung, aber es gebe
garten, in der Kantine, auf den Sofas in den Gemein- sie auf dem Schulgelände, spenden das Geld an das Sie sagt: vollständige Invasion. hängen sah – ein Zeichen der Abschreckung durch Leute, die viel mutigere Arbeit für den Frieden leis-
schaftsräumen. Ukrainische Rote Kreuz. Die Russin Lisa hingegen spricht von Krieg. Zu die Drogenkartelle. teten. Sie sollten den Preis bekommen. »Schauen Sie
Lisa und Mariia haben, wie alle hier, ein an- Es ist eine symbolische Aktion, eine kleine Geste Hause in Moskau könnte sie allein dafür verhaftet Vielleicht liegt der Wert der Verständigung am sich um«, sagt Nodder. »Das ist eine bequeme Orga-
spruchsvolles Auswahlverfahren durchlaufen, haben nur. Und doch ist sie Ausdruck einer Debatte, die das werden, denn dort ist nur von einer Spezialoperation United World College in Freiburg in ihrer Unmittel- nisation, wir arbeiten in einem sehr sicheren Umfeld.«
Essays geschrieben, in Gesprächen Fragen beant- UWC in Freiburg seit Ende Februar fest im Griff hat. des Militärs die Rede. Weil Lisa Repressionen fürch- barkeit. Die Jugendlichen sprechen wenig über Das Schuljahr ist gerade zu Ende gegangen, bis
wortet. Was bei der Auswahl für einen Platz am UWC Der Krieg traf nicht nur die beiden Schülerinnen, er tet, wurde für diesen Text ihr Name geändert. Schlagzeilen oder Statistiken. Sie reden von Vätern, August sind Ferien. Mariia wird zu ihrer Familie in
nicht zählt, ist Geld. Niemand schaut, ob die Eltern wurde zur Herausforderung für das gesamte College. In Russland, sagt Lisa, sei sie unpolitisch aufge- Schwestern, Tanten oder Freunden, die Dinge erlebt den Westen der Ukraine fahren. Sie will ihre Eltern
viel oder wenig verdienen. Wer ausgewählt wird, die Schule des Friedens und der Völkerverständigung zu wachsen. Doch als Jugendliche wunderte sie sich haben, die sich andere nicht vorstellen können. Sie und die Tausenden Geflüchteten unterstützen, die
Schulgebühren aber nicht zahlen kann, bekommt ein sein – sind das am Ende nur gut klingende Floskeln? zunehmend über die Regierung, besonders nach dem reden von Trauer, Angst, Wut und Hoffnung. Der momentan in ihrer Stadt unterkommen.
Stipendium. Mehr als 90 Prozent der Schülerinnen Im zweiten Stock des Schulgebäudes, in einem Giftanschlag auf den Oppositionspolitiker Alexej Krieg, das sind ihre eigenen Geschichten. Lisa wird in diesem Sommer nicht nach Russland
und Schüler in Freiburg haben eines, bei rund einem Seitenflügel direkt neben dem Lehrerzimmer, sitzt Nawalny im Jahr 2020. »Ich dachte: Irgendetwas läuft Die Schule beschließt, all diesen Erfahrungen reisen. Fast alle Routen sind geschlossen, und die Ge-
Drittel deckt das Stipendium sogar die vollen Kosten, Laurence Nodder an einem Besprechungstisch. falsch. Wenn die Regierung sich im Recht sähe, mehr Raum zu geben. In einer Aktionswoche ent- fahr ist zu hoch, dass sie nicht wieder nach Deutsch-
das sind rund 33.000 Euro pro Schuljahr. Der Schulleiter, 63, ist ein freundlicher Mann im würde sie ihre Kritiker nicht so loswerden wollen.« stehen Interviews und ein Podcast. Mariia organisiert land zurückkehren kann.
Das Leitthema der Freiburger Schule ist Nach- Sommerhemd. Die Türen seines Büros sind immer Sie diskutierte mit ihren Eltern und Freunden, ver- mit Freundinnen eine Ausstellung im Eingangs­ Im Herbst werden acht weitere Schülerinnen und
Fotos: Lena Giovanazzi für DIE ZEIT

haltigkeit, der Kampf gegen die Klimakrise. Doch offen, er will, dass die Jugendlichen jederzeit zu folgte die Proteste in sozialen Medien. In Deutsch- bereich der Schule. Sie befragen Schüler und Lehrer Schüler aus der Ukraine, Russland und Belarus an
seit dem 24. Februar, seit Russland die Ukraine an- ihm kommen können. land ging sie zum ersten Mal selbst auf Demonstra- aus Venezuela, aus dem Irak, Armenien und Bosnien, das Robert-Bosch-College kommen. Schulleiter Lau­
gegriffen hat, wurde die Schule so stark wie nie zuvor »Unser Ansatz ist ein naiver«, sagt Nodder. Und tionen: zuerst zu Klimaprotesten in Freiburg, dann sie schreiben Texte, drucken Fotos aus und kleben rence Nodder hat Stipendien für sie organisiert. Er
auf den Gründungsmythos der UWC-Bewegung zitiert kurz darauf Nelson Mandela. »Ich erinnere zu Mahnwachen und Protesten gegen den Krieg. alles auf buntes Tonpapier, darüber die Titel: Emanas, weiß, das wird den Krieg nicht beenden. Aber auch
zurückgeworfen: Nie wieder Krieg. mich, wie er sagte: Die Leute werden nicht mit Und Lisa ist nicht die Einzige. Mariia sagt, am Inas’, Mariams, ­Mikes Geschichte. diese Jugendlichen werden sich ihre Geschichten er-
Als das erste United World College 1962 in ­Wales Hass geboren, ihnen wird der Hass beigebracht. Tag nach dem Angriff Russlands seien rund hun- »Von Emana aus Bosnien-Herzegowina habe ich zählen – und vielleicht etwas finden, das sie verbindet.
entstand, waren die Schrecken des Zweiten Welt- Und wenn man Hass lehren kann, kann man auch dert Mitschüler auf eine Kundgebung in der Frei- gelernt, dass man Frieden nicht einfach mit einem
kriegs noch nicht lange vorbei. Wer den anderen Liebe lehren, weil sie dem menschlichen Herzen burger Innenstadt gegangen. Sie hatte kurz vorher Vertrag herstellen kann«, sagt Mariia. Die Traumata www.zeit.de/vorgelesen

Mehr Wissen
Auf vier Kontinenten sind 18 United World Colleges entstanden. Jedes Jahr lernen dort mehr als 10.500 Jugendliche aus aller Welt und absolvieren das
zweijährige Programm International Baccalaureate (IB). Welchen Einfluss diese Erfahrung auf das Denken und Handeln der Absolventen nimmt, ob sie
sich auch später für Frieden, Verständigung und Nachhaltigkeit einsetzen, wird derzeit in einer Studie der Harvard-Universität untersucht.
34 WISSEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Umwelt

Fotos: Carolyn Cole/Los Angeles Times/Polaris/laif (2x); Gabriella Angotti-Jones/The New York Times/Redux/laif (u. r.); ZEIT-Grafik/Quelle: Statista 2021/USGS 2022
16 Millionen Jahre
altes Land –
die Aktivistin
Daranda Hinkey auf
dem Thacker Pass

Lithium im
Rohzustand (links).
Indigene am Ende
eines Protesttages
in Humboldt County,
Nevada (rechts)

Denen das Land gehört

Lithium ist weltweit begehrt, es steckt in Batterien, Glas, Schmierstoffen. In Nevada soll das weiße Gold jetzt im großen Stil
abgebaut werden – gegen den Protest der Indigenen. Für die USA geht es um viel  VON ANNA-THERESA BACHMANN

W
o heute Nevadas Grenze
mit dem US-Staat Ore-
gon im Wüstenstaub ver-
schwimmt, entlud sich
vor rund 16 Millionen
Jahren ein enormer Druck.
Landmassen hoben sich,
Magma drängte nach oben, bis die Kruste platzte
und ein Supervulkan 1000 Kubikkilometer Asche
und Lava in Richtung Himmel spie. Aufgetürmtes
Gestein krachte in sich zusammen und formte­
einen 40 Kilometer langen, ovalen Kessel.
So gewaltig das Getöse gewesen sein mag, unter
dem damals die McDermitt Caldera entstand,
umso stiller ist es heute an ihrem Südzipfel. Hier
liegt, eingefräst zwischen zwei rotbraunen Bergket-
ten, der Thacker Pass. In unzähligen Tupfen über-
zieht Wüstenbeifuß das Land: silbergrüne Sträu-
cher, die nach Salbei und süßem Senf duften und in
denen sich Gabelantilopen, Zwergkaninchen und
Schlangen tummeln. »Dieses Land ist tief mit unse-
rer Kultur und Religion verbunden«, sagt Daranda
Hinkey, 24. Die Pauite-Shoshonin ist eine von vie-
len Indigenen, Naturschützerinnen und Umwelt-
aktivisten, die dieses entlegene Paradies vor den
Baggerschaufeln bewahren wollen.
Unter den verschlungenen Wurzeln der Sträu-
cher schlummert ein Schatz, der sich nach der Ent-
stehung der Caldera in Jahrmillionen gebildet hat:
das größte Lithiumvorkommen der USA. Das
Leichtmetall ist ein unverzichtbarer Rohstoff für
die Batterien von Elektroautos; der Bedarf an Li­
thium wird sich laut Schätzungen der Internationa-
len Energieagentur (IEA) bis zum Jahr 2040 ver-
vierzigfachen. Auf dem Thacker Pass will eine
Minen­gesell­schaft das »weiße Gold« nun heben.
Was hier im Norden Nevadas ausgefochten wird,
ist ein Kampf, der stellvertretend für viele weitere
steht – in Chile, Spanien oder auch in Serbien, wo im
­Januar ein großes Projekt zum Lithium-­Abbau nach
dem Protest der Anwohner vorerst gestoppt wurde
(ZEIT Nr. 23/22). Überall wirft der Streit dieselben
widersprüchlichen Fragen auf: Gelingt die Rettung
der Welt von morgen nur durch die Zerstörung der
gegenwärtigen Umwelt? Wer zahlt den Preis für die
grüne Zukunft? Und ist die überhaupt so grün?
Wer auf dem Thacker Pass nach Antworten sucht,
findet sich auf einem Plateau wieder, von dem aus man
die gesamte Wüstenlandschaft überblicken kann. Im
Herbst 2021 brennen hier Tabak und Zedernzweige
in den Flammen eines kleinen Feuers, Trommeln und
Gesänge schallen hinab ins Tal. Daranda Hinkey steht
umringt von 100 Indigenen und Umweltaktivisten in
der Hitze, ihre Augen verborgen hinter einer Sonnen-
brille. In einer Hand hält sie ein Mikro, in der anderen
ihr Smart­phone. »Der Tag brach gerade an, als wir das
Indianerlager erblickten«, liest Hinkey vom Display
ab. »Alle schliefen. Wir schnallten unsere Karabiner
ab, lockerten unsere Revolver und galoppierten ins
Lager der Wilden, deren Wickiups wir im Ritt mit
unseren Kugeln durchlöcherten.«
Es sind die Erinnerungen eines Soldaten, der
1865 dabei gewesen sein soll, als seine Einheit hier
im Gebirgspass mehrere Dutzend Pauite massakrier-
te. Nicht Thacker Pass nennen Hinkey und ihre
Stammesmitglieder diese Gegend, sondern »Peehee
Mu’huu« – verrotteter Mond. So überlieferten es
ihre Vorfahren, die nach der Jagd ins Lager zurück-
kehrten und die Eingeweide ihrer Frauen und­
Kinder im Wüstenbeifuß verstreut fanden.
Im Erdreich, da sind sich viele Indigene sicher,
lagert nicht nur Lithium. An diesem heiligen Ort

OREGON Wofür Lithium verwendet wird

3

Li
NEVADA McDermitt
McDermitt
Caldera
USA 95 Paradise
Valley
Thacker
Pass Project Lithium 74 % 14
2 2 1
4
3
NEVADA 20 km
6,941 Batterien
Batterien Keramik und Glas Schmierstoffe Polymere Metallpulver für Gussindustrie Luftaufbereitung andere
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
sind auch die malträtierten Knochen ihrer Ah-
nen vergraben. Und da sollen sie auch bleiben,
findet Hinkey. Es käme einer Friedhofsschän-
dung gleich, ausgerechnet hier einen 120 Meter
tiefen Tagebau auszuheben.
Um das Projekt zu verhindern, ist Hinkey ins
60 Kilometer entfernte Fort-McDermitt-Reservat
gezogen. Hier, am Ort ihrer Kindheit, hat die­
geplante Mine die 300 Reservatsbewohner ge-
spalten. Heilige Stätte hin oder her – die­
kanadische Betreiberfirma Lithium Americas
verspricht viele Jobs und will ihren Angestellten
nach Inbetriebnahme ein Jahresgehalt von umge-
rechnet 57.000 Euro zahlen. Das ist viel Geld im
ländlichen Nevada, erst recht im Fort-McDermitt-
Reservat, wo rund jeder Fünfte arbeitslos ist und
nur fünf Prozent der Erwachsenen einen Hoch-
schulabschluss wie Hinkey haben.
Laut Aussage von Lithium Americas sind 50 Re-
servatsbewohner bereit, sich auf diesen Deal ein-
zulassen. Aus Sicht Hinkeys hingegen schreibt das
Projekt die brutale Geschichte fort, in der ihre Vor-
fahren weißen Siedlern und deren Gier nach Boden-
schätzen weichen mussten: »Wir Indigenen müs-
sen endlich aufhören, uns von anderen ausnutzen
zu lassen«, sagt sie. Mit einigen ihrer Stammes­
mitglieder hat sie eine Interessenvertretung namens
People of Red Mountain gegründet, die zu Protes-
ten und Gedenkveranstaltungen aufruft.
Unterstützung bekamen die People of Red
Mountain von Max Wilbert und Will Falk. Aus-
gestattet mit Zelten, Kochtöpfen und Plakaten,
besetzten die beiden Umweltaktivisten erstmals
im Januar 2021 das zukünftige Minen­areal und
sind seither mit Unterbrechungen immer wieder
vor Ort. Anfang 2021, in den letzten Tagen der
Trump-Administration, genehmigte das dem­
Innenministerium unterstellte Landverwaltungs-
amt die Li­thium­mine auf dem Thacker Pass. Es
war nicht das einzige umstrittene Bergbau- und
Energieprojekt auf öffentlichem Land, das kurz
vor Joe B
­ idens Amtseinführung abgesegnet wurde.
Dass der Demokrat Biden gegen die Entschei-
dung seines Vorgängers angeht, wie er es bei ande-
ren Projekten getan hat, ist unwahrscheinlich. Zwar
sind indigene Rechte Teil seiner politischen Agen-
da. Aber Elektromobilität ist es eben auch – als Teil
von Bidens Klimastrategie. 2030 soll landesweit
die Hälfte aller verkauften Pkw und Pick-up-
Trucks elektrisch fahren. Ein dichtes Netz aus
Ladestationen und eine eigene Batterieproduktion
sollen Verkauf und heimische Produktion ankur-
beln (und nebenbei China vom Markt drängen).
Und weil dafür kritische Rohstoffe wie Lithium
unabdingbar sind, will Biden das noch immer
gültige Minengesetz aus den Zeiten des Gold-
rauschs reformieren und neue Lizenzen an Berg-
baugesellschaften vergeben – vorausgesetzt, ihre
Förderung ist »nachhaltig« und »verantwortungs-
voll«, wie es aus dem Innenministerium heißt.
Was bedeutet die orale Tradition der
Indigenen angesichts eines Megaprojekts?
Die Aktivisten Falk und Wilbert sehen darin ein
Paradox: Wieso sollen uns ausgerechnet Industrien
retten, die zum Großteil zur menschengemachten
Klimakrise beigetragen haben? Das klappe nicht,
glauben die beiden, auch nicht mit neuester Tech-
nologie und einer großen Portion Greenwashing.
Beide haben sich der radikalen Umweltbewegung
Deep Green Re­sis­tance (DGR) angeschlossen.
»Wir möchten glauben, dass unser Leben mit
all der Leichtigkeit und dem Komfort weitergehen
kann«, schreibt Wilbert in einem Buch, das er zu-
sammen mit anderen DGR-Aktivisten veröffent-
licht hat. Windkraft, Solaranlagen – auch er habe
sich lange daran festgeklammert. Doch es sei nicht
unsere Art zu leben, die wir vor dem Untergang
bewahren müssen, sondern der Planet, der unsere
Existenz erst ermöglicht. Wilberts und Falks Plan
zur Rettung der Welt läuft auf die Abschaffung der
industriellen Zivilisation hinaus. Autos kommen
in diesem Szenario nicht vor, auch keine elektri-
schen mit Lithium-Ionen-Batterie.
Das Versprechen vom emissionsfreien Fahren
dient den DGR-Aktivisten vielmehr als Beleg für
ihre Thesen. Online mobilisieren sie Gleich­
gesinnte, sich ihrem Protestcamp anzuschließen
und den Thacker Pass zu verteidigen. Notfalls
indem sie sich den Baggern in den Weg stellen.
Zudem berät der studierte Jurist Falk die People
of Red Mountain und Stammesmitglieder der
Reno-Sparks Indian Colony, die ebenfalls histo-
rische Ansprüche auf den Thacker Pass erheben,
im Rechtsstreit gegen das Minenprojekt.
Ein gemeinsamer Vorwurf der Indigenen: Das
BLM und Lithium Americas hätten die Stämme
in der Peripherie der geplanten Mine nicht aus-
reichend konsultiert. Erst nach der Projektgeneh-
migung hätten viele Indigene von der Mine er-
fahren – was das Verwaltungsamt und die Minen-
gesellschaft bestreiten. Auch um das Massaker im
Wüstenbeifuß wird gestritten. Ob das Blutvergie-
ßen wirklich stattgefunden hat, wisse man nicht,
sagen die einen. Die Geschichte sei von den Paiute
schließlich nur mündlich überliefert worden. Und
Wo es abgebaut wird
Produktion in 1000 t
USA - Bolivien
Argentinien 6,2
Australien 55
Brasilien
1,5
Chile 26
China 14
Portugal 0,9
Simbabwe 1,2
WISSEN 35
Umwelt
was bedeute schon orale Tradition im 21. Jahr- thiummetall. Dafür habe man in den letzten beiden Beifußhühner seit 1965 um 80 Prozent geschrumpft. und die Aktivisten aus dem Protestcamp mittlerweile
hundert angesichts eines Megaprojekts? Niemand Jahren im Labor »Tausende kleine Tests« zur Erzauf- In den letzten Jahren wurden viele öffentliche Gelder zerstritten haben. Von »unüberbrückbaren Differen-
habe sich die Mühe gemacht, den Hinweisen da- bereitung durchgeführt, erklärt Tim Crowley von Li- in die Hand genommen, um die Tiere vor dem Aus- zen« ist die Rede. In Zukunft wollen Diranda Hinkey
rauf nachzugehen, antworten die anderen. thium Americas. Weitere Untersuchungen sollen folgen. sterben zu retten. Diese Anstrengungen würden auf und ihre Stammesmitglieder ohne Will Falk und Max
Deshalb verbrachte der Anwalt Falk viel Zeit Weil die geplante Fördermethode der Thacker-Pass- dem Thacker Pass nun zunichtegemacht, sagt Fuller: Wilbert gegen den neuen Goldrausch ankämpfen.
damit, schriftliche Beweise für das Massaker auf- Mine ebenfalls viel Schwefelsäure benötigt, sollen täg- »Während sich die Welt in einer Klimakrise befindet, Kürzlich fanden in Nevada in der Nähe des
zuspüren. Dabei stieß er unter anderem auf die lich 5800 Tonnen dieser Säure in einer eigenen Fabrik schreitet gleichzeitig das Artensterben voran. Wir Fort-McDermitt-Reservats wieder Probebohrun-
Erinnerungen jenes Soldaten, der angeblich die hergestellt werden, direkt neben dem Tagebau. So steht müssen beide Krisen lösen, um einen bewohnbaren ANZEIGE
Wickiups, die traditionellen Behausungen der es im Abschlussbericht über mögliche Umweltein- Planeten an zukünftige Generation übergeben zu
Paiute, mit seinem Revolver durchlöcherte. Die flüsse der Mine. Schwefel ist meist ein Abfallprodukt können.« Deswegen sollten die Standorte neuer Berg-
Zeilen hat ein amerikanischer Gewerkschafts-
führer in seiner Autobiografie niedergeschrieben,
der Öl- und Gasindustrie. Mit überschüssiger Wärme
aus der Säureproduktion wollen die Betreiber eigenen
bauprojekte gut überlegt sein, es müsse besser recycelt
und mehr Geld in Forschung investiert werden, um
Jetzt am Kiosk!
gemeinsam mit der Erzählung eines Paiute, der Strom erzeugen. Trotzdem setzt die Produktion im Alternativen zu Lithium zu schaffen.
das Massaker überlebt haben soll. Die undatier- Passgebirge insgesamt mehr als 150.000 Tonnen CO₂- Solche Alternativen sind tatsächlich in Arbeit, zum
ten Augenzeugenberichte ähneln Zeitungsarti- Äquivalente pro Jahr frei – so viel wie die 19.000 Ein- Beispiel in Form von Natrium-Ionen-Akkus: Sie kom-
keln vom September 1865, die von einem An- wohner einer deutschen Kleinstadt. Zudem verbraucht men nicht nur ohne Lithium, sondern auch ohne
griff durch Kavalleriesoldaten auf Indigene in die Mine 12.200 Liter Wasser – pro Minute. Und das Kupfer, Kobalt, Nickel und Grafit aus. Vergangenes
der Nähe des Gebirgspasses berichten. Von rund für eine Förderdauer von mehr als 40 Jahren. Jahr gab der größte Batteriehersteller der Welt – der
30 getöteten Paiute und etlichen Verletzten ist Solche Zukunftsaussichten treiben auch Edward chinesische Konzern CATL – bekannt, 2023 mit der
darin die Rede. Aber unklar ist, ob der histo­ Bartell um. Als der Viehzüchter seine Ranch mit Berg- Massenproduktion starten zu wollen. Doch bis große
rische Tatort innerhalb des 73 Quadratkilometer blick vor 13 Jahren kaufte, glaubte er, endlich mehr Automarken Natrium-Ionen-Akkus verbauen, könn-
großen Minen­areals liegt oder außerhalb. Platz für sich und seine 600 Rinder gefunden zu haben. ten noch Jahre vergehen – Zeit, die wir angesichts eines
Sorgen machte sich Bartell zunächst nicht, als sich neue steigenden Meeresspiegels und von Stürmen und Wald-
In Deutschland will man sogar Lithium Nachbarn ankündigten. Das änderte sich, als ein Gut- bränden nicht mehr hätten, sagt Glenn Miller.
aus Thermalwasser gewinnen achter für Lithium Americas ausrechnete, dass der Der emeritierte Umweltwissenschaftler der Uni-
Wasserstand in Bartells Brunnen um mehr als drei versität Reno in Nevada ist eigentlich kein Freund der
Eine archäologische Untersuchung, die vor Bau- Meter absinken könnte. Im schlimmsten Fall könnten Bergbauindustrie. Seit Jahrzehnten kritisiert Miller die
beginn vorgeschrieben ist, könnte Klarheit brin- Minenabfälle das Grundwasser für die nächsten 300 Umweltbelastungen durch Nevadas Gold- und Kup-
gen. Doch davor haben wiederum viele Indigene Jahre belasten, unter anderem mit giftigem Arsen. »Sie ferminen. Er war Mitbegründer einer der Naturschutz-
Angst: Der heilige Boden könnte entweiht wer- preisen die Mine als grünes Energieprojekt an«, sagt Organisationen, die gegen die Thacker-Pass-Mine
den, die Knochen würden möglicherweise zer- Bartell. Mittlerweile ist der Rancher vom Gegenteil klagen. Doch inzwischen ist Miller ausgetreten. Oder hier bestellen:
stört. Auf Anfrage der ZEIT versichert Tim überzeugt und sieht seine Existenz bedroht. »Die Thacker-Pass-Mine ist eine der harmlosesten, www.zeit.de/sprachen
Crowley, Vizepräsident für Regierungsangele- »Was wir gerade mit Lithium erleben, wird als neu- die ich in 35 Jahren gesehen habe«, sagt Miller. Positiv
genheiten und Gemeindebeziehungen bei Lithi- er Goldrausch bezeichnet. Das sollten wir als Warnung sei zum Beispiel, dass Lithium Americas den Tagebau
um Americas, dass Stammesmitglieder vom verstehen«, sagt Kelly Fuller, die zum Zeitpunkt der nach der Förderung wieder zuschütten und nicht, wie gen statt. Das nächste Projekt. Diesmal war der
41989_ANZ_71x100_X4_ONP26 5
Fort-McDermitt-Reservat als Beobachter bei den Recherche für das Western Water­sheds Project arbeite- oft üblich, mit enormem Wasserverbrauch fluten will. Auftraggeber aber nicht Lithium Americas,31.05.22
son- 13:28
Grabungen hinzugezogen würden. Sollten »un- te. Die NGO ist Teil eines Naturschutzbündnisses, das Natürlich sei so eine Mine ein massiver Eingriff in die dern eine australische Minengesellschaft. Die will
erwartete Artefakte« zum Vorschein kommen, neben den Indigenen und dem Rancher Bartell vor Ge- Natur, sagt Miller. Und Indigene müssten Gehör fin- Lithium nicht nur im Süden der McDermitt Cal-
werde man sie den N ­ ative Americans übergeben. richt gegen das Baggern auf dem Thacker Pass kämpft. den. Doch für ihn fällt die Kosten-Nutzen-Rechnung dera abbauen; bald soll es auch am Nordzipfel­
Bei der indigenen Opposition bleibt das Miss- Das Bündnis kritisiert die – aus seiner Sicht über- zugunsten des Projekts aus: Wenn Lithium nicht auf damit losgehen.
trauen trotzdem groß. Ihre Versuche, die Ausgra- stürzte – Bewilligung der Mine. Auch der Standort sei dem Thacker Pass mit seinem reichen Vorkommen
bungen per einstweilige Verfügung zu stoppen und fatal: Jedes Jahr im Frühling balzen sich in den Sträu- abgebaut werde, dann eben dort, wo man Umwelt- www.zeit.de/vorgelesen
damit Zeit im laufenden Verfahren zu gewinnen, chern Beifußhühner, fasanenartige Hühnervögel, deren und Arbeitsstandards schlecht kontrollieren könne.
sind bislang gescheitert. Die vorgelegten Beweise Männchen für ihren tiefen Kullergesang bekannt sind. Das sei unterm Strich schädlicher. Die Recherche zu diesem Artikel wurde unterstützt
für das Massaker seien »zu spekulativ«, entschied Weil Mensch und Industrie immer mehr Platz Der Protest gegen das Projekt geht unterdessen durch ein Transatlantic Media Fellowship der
das Bundesbezirksgericht in Nevada. brauchen, ist der Bestand der geräuschempfindlichen weiter – auch wenn sich die People of Red Mountain Heinrich-Böll-Stiftung, Washington, D. C.
Neben der befürchteten Zerstörung kultureller
und religiöser Stätten warnen Gegner vor der Um- ANZEIGE
weltbelastung durch die Mine. Dabei verweisen sie
auf Regionen wie das »Lithium-Dreieck« zwischen
Bolivien, Argentinien und Chile, wo das Leicht-
metall bereits im großen Stil abgebaut wird. Dort
lagern laut dem United ­States Geological Survey
rund 50 Millionen von insgesamt 89 Millionen
Tonnen der weltweit vermuteten Ressourcen. Jedoch
unterscheidet sich der Abbau je nach Vorkommen;
damit variieren auch die Umwelteinflüsse.
Im Lithium-Dreieck rings um die extrem tro-
ckene Atacama-Wüste wird das Leichtmetall aus
Sole gewonnen. Das Salzwasser wird dazu aus Bohr-
löchern an die Oberfläche gepumpt und in Ver-
dunstungsbecken aufgefangen. In mehreren Stufen
werden darin Elemente wie Sulfate, Kali- und Ma­
gne­sium­sal­ze ausgefällt, bis man die nun lithium-
reiche Sole in einer Anlage zu Lithiumcarbonat und
Lithiumhydroxid weiterverarbeiten kann. Trotz
Hitze dauert die Verdunstung bis zu 18 Monate.
Das Verfahren steht seit Jahren im Verdacht, das
Ökosystem der Region aus dem Gleichgewicht zu
bringen: Zum einen braucht man zur Lithiumauf-
bereitung raue Mengen an Süßwasser. Zum anderen
wird befürchtet, dass durch das Hochpumpen des
Salzwassers kostbares Süßwasser aus dem Umland
der Salaren nachströmt, sich mit dem Salzwasser
mischt und der Grundwasserspiegel absinkt. Jedoch
ist dieser Zusammenhang noch umstritten, es
werden mehr unabhängige Studien benötigt.
Das meiste Lithium wird aber nicht in Südame-
rika, sondern in Australien abgebaut. Allein 2021
waren es 55.000 Tonnen. Im Westen des Landes
lagern große Vorkommen des Lithiumminerals
Spodumen, das Minenbetreiber unter und über
Tage fördern. Die Weiterverarbeitung erfolgt vor
allem in China mittels Acid-Roast-Verfahren. Da-
bei durchläuft das Spodumen-Konzentrat einen
chemischen Prozess unter Zugabe von Hitze,
Schwefelsäure, Natriumkarbonat und Kalziumoxid.
Am Ende bleibt auch hier Lithiumcarbonat übrig,
das zu Lithiumhydroxid weiterverarbeitet werden
kann und in der asiatischen Batterieproduktion
landet. Ein Nachteil dieser Methode ist ihr enormer
Energieverbrauch. Das Verfahren benötigt Tem-
peraturen von mehr als 1000 Grad Celsius – wozu
in China oft fossile Energien eingesetzt werden.
Wegen der steigenden Nachfrage versuchen
neben den USA derzeit weitere Länder, ihre Li­
thium-­Pro­duk­tion hochzufahren oder selbst ins
Geschäft einzusteigen. Dabei wird auch auf unkon-
ventionelle Vorkommen und Fördertechniken ge-
setzt. In Deutschland etwa, wo es noch keine eigene
Förderung gibt, soll Lithium aus Thermalwasser im
Oberrheingraben und aus Zinnwaldit im Erzgebirge­
gewonnen werden. Auf dem amerikanischen­
Thacker Pass wiederum lagert das weiße Gold im
Tonboden – pro Jahr sollen hier 66.000 Tonnen
Lithiumcarbonat-Äquivalent gehoben werden, das
entspricht umgerechnet rund 12.000 Tonnen Li-
vermutete Ressourcen in Mio. t
21
Argentinien 19
Chile 9,8
USA 9,1
Australien 7,3
China 5,1
Kongo 3
Kanada 2,9
Deutschland 2,7 Stand: 2021
36 WISSEN
Körpereinsatz (1/6) Die Taschentherapeutin
Müll gegen Verschmutzung Wie mache ich meinen
Frieden mit etwas?
Wer diese Frage stellt, hat den wichtigs­
ten Schritt schon getan: Der besteht
nämlich in der Erkenntnis, dass einen
etwas beschäftigt oder emotional aus der
Bahn geworfen hat – und dass man über
dieses Problem nicht mehr so viel nach­
denken will.
Seinen Frieden kann man mit den
unterschiedlichsten Dingen machen. Das
beginnt mit vermeintlichen Petitessen
wie der zertrümmerten Lieblingstasse,
geht über Unzufriedenheit mit Nase,
Hüften oder sonstigen Körperteilen, bis
zum Tod der Großmutter, von der man
sich nicht richtig verabschiedet hat.
Bei kleineren Ärgerlichkeiten im All­
tag ist es nützlich, sich zu fragen: Wie
wichtig ist das eigentlich noch in einer
Woche? In einem Monat? In einem Jahr
oder vielleicht in zehn Jahren? Diese Fra­
gen helfen, die wahre Größenordnung
eines akuten Problems zu erkennen. Die
kaputte Lieblingstasse wird mein Leben
in einem Jahr wohl nicht mehr groß be­
einträchtigen, wahrscheinlich schon nach
einer Woche nicht mehr.
Es gibt aber auch die Dinge, bei de­
nen man gar nicht so richtig merkt oder
merken will, dass man seinen Frieden
mit ihnen machen muss. Ein typisches
Beispiel sind Trennungen in Beziehun­
gen. Belastend ist meist nicht rasende
Wut oder Eifersucht auf den Neuen
oder die Neue. Es sind eher die Selbst­
vorwürfe – die Fragen, ob man das nicht
hätte kommen sehen oder etwas hätte
anders machen müssen.
Diese unangenehmen Gefühle und
Gedanken verdrängen viele lieber erst ein­
mal, statt sie bewusst wahrzunehmen und
sich mit ihnen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das
aber ist die Voraussetzung, um sie auch
In ihrem Kostüm aus weggeworfenen Plastikflaschen Umweltbewusstsein, klagt Ndele. Nur einige private irgendwann ruhen lassen zu können.
und -behältern protestiert die Künstlerin Sarah Ndele Initiativen kümmerten sich um das Problem. Eine der Freunde und Freundinnen trösten­
gegen den überbordenden Müll in Afrikas größter Folgen: Überschwemmungen, weil das Regenwasser einen gern mit dem Hinweis, dass alles
Stadt Kinshasa. Hier leben 17 Millionen Menschen, kaum noch abfließen kann. »Kiadi Kibeni« heißt ihr bestimmt auch sein Gutes habe. Das ist
die täglich rund 1500 Tonnen Plastikmüll produzieren. Kostüm, »Es ist so traurig«. Ndeles Hoffnung: Die schon richtig – nach dem Guten zu­
Es gebe weder eine geordnete Entsorgung noch ein Recycling-Wirtschaft habe hier eine große Zukunft.
Hier beantwortet ein Team von Psychologinnen und Ärztinnen Fragen, die Menschen
In dieser Serie zeigt der belgische Fotograf Kris Pannecoucke Künstler aus der Demokratischen im Alltag auf der Seele liegen. Dieses Mal: Babette Renneberg, Professorin
Republik Kongo, die Missstände in den Bereichen Klima, Umwelt und Gesundheit anprangern für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Freien Universität Berlin
ANZEIGE
Stimmt’s?
In der Gefahr entwickeln wir
übermenschliche Kräfte
FEMALE LEADERSHIP Als Paradebeispiel für dieses Phänomen
wird gern eine Mutter genannt, deren
Kind unter ein Auto gerät – und plötz­
IN DIGITALISIERUNG lich ist die zierliche Frau in der Lage, das
anderthalb Tonnen schwere Gefährt an­
zuheben und das Kind zu befreien. Wo­
UND TECHNIK her nimmt sie diese Kraft?
Man muss nicht das Wort »über­
menschlich« bemühen, um die wirklich
erstaunlichen Leistungen zu erklären,
die Menschen entwickeln, wenn sie an­
30. JUNI 2022  ·  ONLINE deren in einer Notsituation zu Hilfe­
eilen. Ohne die Bewunderung für diese
Heldinnen und Helden zu schmälern:
Sie heben ja nicht das ganze Auto in die
Luft, sondern lupfen es an einer Seite an,
oft muss nicht einmal ein Rad vom­
Boden abgehoben werden. Die dafür
nötige Kraft beträgt nur einen Bruchteil
des Gewichts des Wagens.
Trotzdem – in Gefahrensituationen
können die meisten von uns mehr leisten
Pandemie, Klimawandel, Digitalisierung, Mobilitätswende: Speaker:innen u. a.: Prof. Dr. Dr. Ayad Al-Ani, assoziiertes als im Alltag. Das liegt daran, dass es sehr
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg
Die Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Das Mitglied, Einstein Center Digital Future | Anne Kjaer Bathel, schwierig bis unmöglich ist, hundert
betrifft auch die Arbeitswelt. CEO & Co-Founder ReDI School of Digital Integration | Prozent unserer maximalen Muskelkraft
abzurufen. Dieser Selbstschutzmechanis­
Wer sind die Female Leaders, die sich den Herausforderun- Dr. Daniela Gerd tom Markotten, Vorständin für Digitalisierung mus des Körpers bewahrt uns vor
gen stellen und den Fortschritt bei Digitalisierung und und Technik, Deutsche Bahn AG | Martin Seiler, Vorstand
Muskel­rissen und Knochenbrüchen. Be­
Technik vorantreiben? Die Vielfalt und Empowerment in Personal und Recht, Deutsche Bahn AG
wegungsforscher schätzen, dass Durch­
ihrer Führungsrolle leben? Was zeichnet sie aus, und wie Ort: Online | Beginn: 17.00 Uhr | Die Teilnahme ist kostenlos schnittsmenschen ihren Muskeln etwa
gehen sie vor? 65 Prozent der Höchstleistung abfor­
dern, wenn sie glauben, sich maximal
Gemeinsam mit hochkarätigen Speaker:innen und Vertre- anzustrengen. Selbst trainierte Gewicht­
ter:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren heber kommen nur auf 80 Prozent.
wir über Chancen des Wandels, über die Zukunft der Arbeit, Anmeldung und mehr Informationen: In Gefahrensituationen setzt die so­
über gute und nachhaltige Führung. www.zeit.de/femaleleadership genannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion
www.zeit.de/vorgelesen
Eine Veranstaltung von: Partner:
Diese Woche fragt Petra Nöcker aus Schwarzach.
Und worauf suchen Sie eine Antwort? Schreiben Sie an: DIE ZEIT, Wissen-Ressort,
20079 Hamburg, oder stimmts@zeit.de. Das Archiv: www.zeit.de/stimmts
111510_ANZ_220x220_X4_ONP26 1 13.06.22 13:40
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
suchen ist aber erst der zweite Schritt.
Davor muss man für sich annehmen,
dass etwas Schlimmes passiert ist. Eine
Kollegin von mir sagt immer: Akzep­
tanz ist die große Schwester der Verän­
derung. Ich finde dieses Bild sehr tref­
fend. Wenn ich meinen inneren Frieden
mit etwas mache, will ich ja etwas ver­
ändern: Ich will gelassener werden,
nicht mehr so viel über Vergangenes
grübeln und dadurch letztlich an Frei­
heit gewinnen.
Wer sich bewusst zu diesem Schritt
entscheidet, kann verschiedene Tech­
niken anwenden, zum Beispiel sich fra­
gen, ob die verstorbene Großmutter­
gewollt hätte, dass man sich jetzt so
grämt – vermutlich eher nicht, es hilft ja
niemandem.
Wenn man sich über eine andere Per­
son geärgert hat, hilft auch die Technik
des In-die-Schuhe-des-anderen-Tretens,
sich etwa zu fragen: Warum hat die an­
dere mir so etwas Gemeines an den
Kopf geknallt? Bei genauerem Hinsehen
kommt womöglich heraus, dass sie sich
bedroht gefühlt hat. Dadurch wird die
Person plötzlich viel kleiner – und mein
Ärger auch. Und ja, es hilft durchaus,
selbst bei schlimmen Schicksalsschlägen
nach dem Positiven Ausschau zu halten.
Manchmal muss man sich natürlich
einfach eingestehen, dass man einen
Fehler begangen hat, der nicht wieder­
gutzumachen ist.
Ich selbst kann das inzwischen ziem­
lich gut. Ich habe im Lauf meines Be­
rufslebens gemerkt, dass es viel besser ist,
meine Fehler zuzugeben, als mir ständig
Gedanken darüber zu machen. Ich bin
eben nicht perfekt.
Wir reden in Deutschland immer
viel von Fehlerkultur. Würden wir sie
wirklich leben, hätten viele von uns
mehr inneren Frieden.
Aufgezeichnet von Hanna Grabbe
unseres Körpers ein. Ein ganzes Arsenal
von Hormonen wird ausgeschüttet und
ermöglicht es uns, schnell und kraftvoll
zu reagieren: Adrenalin lässt Herz und
Lunge stärker arbeiten, so gelangt mehr
Sauerstoff in die Muskulatur. Cortisol
mobilisiert Energiereserven des Körpers.
Und Endorphine wirken wie körper­
eigene Schmerzmittel, sodass wir die
Warnungen vor der Leistungsgrenze
nicht mehr wahrnehmen.
Diese Phänomene sind schwer im
Labor zu testen – man kann ja schlecht
Kinder unter Autos festklemmen und
dann die Reaktion ihrer Eltern beob­
achten. Im Jahr 1961 ließen amerika­
nische Forscher Testpersonen im Labor
Zugübungen mit dem Unterarm ma­
chen. Die Probandinnen und Pro­
banden wurden angewiesen, dabei die­
maximale Kraft einzusetzen. In einem
zweiten Versuch wurde dann hinter­
ihrem Rücken überraschend eine Start­
pistole ab­ge­feuert, oder jemand brüllte
sie an. Die Körperkraft stieg um 10 bis
15 Prozent.
Es ist durchaus sinnvoll, dass uns die
Maximalkraft normalerweise nicht zur
Verfügung steht. Das musste im Jahr 2006
der Amerikaner Tom B ­ oyle schmerzlich
erfahren. Er hatte einen Jugendlichen
befreit, der unter einem Chevrolet Cama­
ro eingeklemmt war. Dabei biss B ­ oyle
seine Zähne derart stark zusammen, dass
anschließend acht von ihnen gebrochen
waren. CHRISTOPH DRÖS SER
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
DIE ZEIT: Herr Neumeier, Sie haben viel in Russ-
land gearbeitet und genießen als einer der weni-
gen Ballett-Choreografen aus dem Ausland dort
große Anerkennung. Wie verändert der Krieg das
Ballett?
John Neumeier: Es ist eine Tragödie. In der Ballett-
geschichte ist Russland sehr wichtig, einer der
Wendepunkte meines Lebens war die Begegnung
mit der russischen Lehrerin Vera Volkova. Seit
ich mit dem Hamburg Ballett 1981 im damaligen
Leningrad den Sommernachtstraum inszenierte
– eine Revolution in streng sowjetischen Zeiten –,
habe ich eine künstlerische und menschliche­
Verbindung zu Russland. Als es etwa nach dem­
Homosexuellengesetz hieß, man solle nicht mehr
nach Russland, ging ich als Homosexueller gerade
dorthin, um das, was ich bin, zu verkörpern.­
Dieser Krieg macht all das hinfällig.
ZEIT: Ihre Verbindung ist zerstört?
Neumeier: Ich weiß nicht, ob ich je wieder nach
Russland gehe. Wir nehmen in der Ballettschule
jetzt Schüler aus der Ukraine auf und machen mit
ukrainischen Tänzern ein Projekt. Aber wenn
Ukrainer nicht mit Russen, nicht zu russischer
Musik tanzen dürfen, stirbt die Kunst.
ZEIT: Warum war ausgerechnet die Begegnung
mit der russischen Lehrerin Vera Volkova ein­
solcher Wendepunkt in Ihrem Leben?
Neumeier: Mein Werdegang ist sehr untypisch.
Vor meiner Tanzausbildung studierte ich Engli-
sche Literatur und Theaterwissenschaften, obwohl
ich den Drang zum Tanz verspürte. Aber meine
Familie hatte nichts mit Tanz zu tun. Wichtig war
der Jesuitenpater Father John Walsh. Er führte die
Theaterabteilung an der Marquette University in
meiner Heimat Milwaukee und sah Tanz als wich-
tigen Teil der Theaterwissenschaft. Bei meinem
ersten Training sagte er: »Was machst du hier? Du
bist ein Tänzer!« Also nahm ich dreimal die Woche
Unterricht bei einer Ballettlehrerin an der Univer-
sität, die anderen Tage fuhr ich nach den Vorle-
sungen mit dem Zug nach Chicago zum Ballett-
Training. Nach dem Diplom wollte ich nach Ko-
penhagen, weil jene Vera Volkova dort Ballett-
meisterin war – und erfuhr, dass man als Ausländer
dort nicht bleiben konnte. Ein Drama.
ZEIT: Wieso wollten Sie zu einer russischen Lehre-
rin, die Sie noch gar nicht kannten?
Neumeier: Ich hatte eine Freundin vom New York
City Ballet gefragt: Wer ist die beste Tanzlehrerin
der Welt? Sie antwortete: Vera Volkova in Kopen-
hagen. Also wollte ich dorthin. Europa faszinierte
mich sowieso, etwa die Malerei der Renaissance.
ZEIT: Kannten Ihre Eltern Europa?
Neumeier: Nein. Europa war für sie nur »der alte
Kontinent«. Dabei hatte meine Mutter für mein
Gefühl lebendige polnische Wurzeln – sie sprach
auch Polnisch –, mein Vater deutsche.
ZEIT: Jetzt haben Sie uns immer noch nicht ver-
raten, wie Sie zu Vera Volkova kamen?
Neumeier: Da ich nicht nach Kopenhagen konnte,
musste ich an die Royal Ballet School in London.
Die Mentalität einer englischen Schule in den frü-
hen Sechzigerjahren war kühl. Mehr noch, kalt.
Kein Klima für mich. So nahm ich Kontakt zu
Vera Volkova auf und fuhr in den Osterferien nach
Kopenhagen. Da blühte ich auf – dabei hatte ich
den Glauben an mich gerade wieder verloren.
ZEIT: Warum?
Neumeier: Ich dachte nach dem Diplom, ich müs-
se mich darauf konzentrieren, klassischer Tänzer
zu sein, um Erfolg zu haben. Das konnte aber gar
nicht funktionieren, weil ich eigentlich so viele In-
teressen hatte: Studium, Theaterarbeit, Choreo-
grafie, Bühnenbild, Kostüme. Vera Volkova er-
kannte das und sagte bei einem Spaziergang: Ko-
penhagen hat gute Tänzer, aber keinen Choreogra-
fen. Du könntest einer sein. Ich sagte: Das bin ich.
ZEIT: Was hat Sie denn überhaupt zum Tanz­
geführt?
Neumeier: Meine ersten Eindrücke kamen von
Musical-Filmen. Den ersten sah ich, da war ich ge-
rade vier Jahre alt. Ich liebte die Bewegungen und
die Musik. Aber wenn die Darsteller redeten, fand
ich es langweilig und konnte nicht mehr still sitzen.
ZEIT: Das war aber kein Ballett.
Neumeier: Nein, aber es gab Kompanien, die auf
Tournee nach Milwaukee kamen. Das erste Bal-
lett, das ich dort zusammen mit meiner Mutter
gesehen habe, war Coppélia. Der Vorhang geht auf,
und eine Frau mit einem rosa Tutu betritt die Büh-
ne. Ich fand das so schön! Ich wusste ja nicht, wie
ein Ballett vor sich geht, ich dachte nur: Gott,
bitte lass sie nicht stehen bleiben und sprechen,
dann ist alles kaputt.
ZEIT: Hatte Ihre Mutter eine Beziehung zum
Ballett?
Neumeier: Nicht direkt. Meine Mutter war Haus-
frau, aber auch eine sehr gute Schneiderin. Sie
nähte einer Cousine von mir Kostüme für den
Tanzunterricht. Das hat sie auch für meine ersten
Auftritte getan.
ZEIT: Und was hat Ihr Vater zum Ballett gesagt?
Neumeier: Er war Seemann. Am Ende Kapitän.
Aber keiner, der zur Offiziersschule gegangen war,
sondern jemand, der sich hochgearbeitet hat. Und
weil er ein sehr offener Mann war, fand er das mit
dem Ballett irgendwie faszinierend. Er war jeden-
falls nicht dagegen.
ZEIT: Sie kamen 1962, mit 23 Jahren, an die R ­ oyal
Ballet School in London und waren auf dem bes-
Geboren wurde John Neumeier am 24. Februar 1939 in Milwaukee, USA. Weil er fürchtete, nach dem Wehrdienst mit 23 Jahren zu alt
für die Royal Ballet School in London zu sein, machte er sich drei Jahre jünger. Später war Neumeier Tänzer in Stuttgart, dann Direktor
in Frankfurt und seit 1973 in Hamburg. 2007 wurde sein wahres Alter bekannt – als die Stadt seinen 75. Geburtstag feiern wollte.
WISSEN
Meine Schule des Lebens
Wie choreografieren Sie,
John Neumeier?
»Ich löse mich von allem,
was ich weiß«
Der Hamburger Ballettdirektor über Musicals in Milwaukee, das kühle
England – und warum er lieber ewig probt, anstatt Opium zu rauchen
ten Weg, Tänzer zu werden – trotzdem gerieten Solotänzerin vom Stuttgarter Ballett, kam in den
Sie in eine Sackgasse. Wie kamen Sie da raus? Saal. Hinterher sagte meine Lehrerin: Wollen Sie
Neumeier: Die Direktorin war Ninette de Valois. nicht dorthin gehen? Ich hatte noch nie von Stutt-
Bei unserer Abschlussvorstellung tanzte ich eine gart gehört, aber der Chef der Kompanie, John
Hauptrolle, und Madame de Valois fragte nach Cranko, schrieb mir einen sehr netten Brief.­
meinen Plänen. Ich sagte, dass ich nach Amerika Ninette de Valois wiederum kam von besagter
zurückgehen würde. Und sie: Du musst zu George! Tournee wieder – ganz die kühle Engländerin,
ZEIT: George Balanchine, der legendäre Choreo- ging sie auf dem Flur lächelnd an mir vorbei. Kein
graf und Chef des New York City Ballet ... Wort von George. Da unterschrieb ich in Stutt-
Neumeier: Madame de Valois versprach mir, mit gart. Ein paar Tage später hielt Madame de Valois
ihm zu reden. Ich dachte: Wow! Aber wenige Tage auf dem Gang inne und sagte: Ach übrigens, Sie
später hatte ich Volkstanzunterricht, ich übte ge- können nach New York. Kann ich nicht, antwor-
rade eine polnische Mazurka. Marcia Haydée, eine tete ich – ich habe bei John Cranko unterschrie-
Ewig jung
37
dernen Tanz interessiert, an der Erfindung eigener
Bewegungen. Das ist für mich bis heute der Kern
von Choreografie. Cranko war kein Bewegungs-
choreograf, er war ein Konstrukteur, der klare
Dramaturgien erstellte. Ich spürte meine eigene
Richtung also schon stark, und da ist es mit jedem
Meister schwer.
ZEIT: Hat Cranko Sie gefördert?
Neumeier: Nicht direkt. Es gab in Stuttgart einen
Ballett-Freundeskreis, der manchmal das Schau-
spielhaus buchte, um jungen Choreografen eine
Bühne für ihre Werke zu geben. Dieser Bühne
verdanke ich meine Karriere. Meine Choreogra-
fie hieß Haiku und war zwölf Minuten lang. Die
Kostüme hatte ich entworfen und genäht, die
Geschichte war einfach: Eine arme Fischerfrau
hat einen Fächer. Klappt sie ihn auf, ist sie schön.
So begegnet sie einem hübschen Jungen. Dann
geht der Fächer zu, und sie ist wieder arm und
hässlich. Da taucht der Junge erneut auf, eben-
falls als armer Fischer. Er nimmt den Fächer:
Happy End. Die Essenz von allem, was ich später
gemacht habe, steckt in diesen zwölf Minuten.
Es geht um Schichten, den Gegensatz von Innen-
und Außenwelt. Diese Komplexität fasziniert
mich im Tanz. Cranko mochte das Werk übri-
gens nicht.
ZEIT: Woher nahmen Sie die Inspiration für Ihre
Choreografien?
Neumeier: Am Ende ist es immer die Musik. Na-
türlich bin ich beeinflusst von Literatur, der ich in
meinem Studium an der Marquette University in
Milwaukee begegnet bin. Seither liebe ich Gedich-
te. Neben japanischen Haikus war Rilke für mich
sehr wichtig. Eines meiner ersten Ballette ist in-
spiriert von Rilkes Roman Die Aufzeichnungen des
Malte Laurids Brigge.
ZEIT: Steht das Wort am Anfang einer neuen
Choreografie? Oder die Musik?
Neumeier: Das Erlebnis! Das, was in mir bleibt
von dem, was ich gelesen, erfahren, gehört habe.
Manche Werke verfolgen mich. Wie die Mat-
thäus-Passion. Als ich sie 1964 zum ersten Mal
hörte, wusste ich, dass ich sie choreografieren
will – 15 Jahre später klappte es.
ZEIT: Wie kann man sich den Moment vorstellen,
wenn Sie eine neue Choreografie entwerfen? Sie
haben ganz viel in sich aufgenommen, aber noch
keine Bewegung …
Neumeier: Den Prozess zu beschreiben ist einfach
und schwer zugleich. Ich choreografiere durch Im-
provisation. Wenn ich in den Ballettsaal gehe, wo
die Tänzer sind, löse ich mich von allem, was ich
weiß, es bleiben nur Musik und Raum. Ich sage:
die Musik, bitte! Dann vergesse ich, dass jemand
da ist, bewege mich unbewusst. Oft weiß ich nach-
her nicht, was ich gemacht habe. Ich mache es
noch mal, immer noch unbewusst, aber anders,
Fotos: Daniel Feistenauer für DIE ZEIT; Ingrid von Kruse/Agentur Focus (u.)
ich spüre nur, was in mir ist. Irgendwann schaue
ich die Tänzer an, ob ich bei ihnen erkenne, was
ich gespürt habe.
ZEIT: Wie wissen Sie, dass es gut ist?
Neumeier: Weil es mich bewegt. Individualität ist
wichtig für mich in einer Choreografie. Dem Ge-
fühl eine körperliche Form geben. Und in Tänzern
zu erkennen, dass es sie bewegt, was ich mache, ist
wunderbar.
ZEIT: Gibt es in Ihrem Umfeld Menschen, die
Ihnen ehrlich sagen, wenn Ihre Choreografie nicht
gelungen ist?
Neumeier: Meine Mitarbeiter versuchen, mir mit
ehrlichen Beurteilungen zu helfen, wobei sie sicher
verstehen, unter welchem Stress ich stehe. Wenn
ich aber die Arbeiten junger Choreografen ansehe,
sage ich nie, dass es schlecht ist oder anders sein
muss. Ich stelle nur Fragen: Wie versteht ihr das?
Was soll ich dabei denken? Willst du wirklich so
viel Rauch auf der Bühne haben?
ZEIT: Sie sind seit 1973 Ballettdirektor in Ham-
burg, haben hier ein Ballettzentrum, eine Ballett-
schule und eine Stiftung gegründet. Wie finden Sie
bei all den Aufgaben noch Zeit, an neue Kreationen
zu denken?
Neumeier: Ich könnte behaupten, dass ich heim-
lich Opium rauche und dann Ideen bekomme.
Die Wahrheit ist, dass ich heute um 11.30 Uhr
eine Probe habe und mich darauf freue. Ich habe
noch diesen Hunger, diese Neugier. Ja, ich höre
zum Ende der nächsten Spielzeit als Direktor auf.
Aber nicht, weil ich nicht mehr kann, sondern weil
es rational zu sein scheint. Kein anderer hat
50 Jahre eine Kompanie geleitet, und ich werde
dann 84 Jahre alt sein. Das ist ziemlich lang, auch
wenn es mir nicht so vorkommt. Ich finde es klug,
zu sagen: Okay, ich fange was anderes an.
ZEIT: Und wenn Sie selbst noch mal ganz an den
Anfang blicken, auf den jungen John – was wür-
den Sie ihm heute sagen, käme er in Ihre Ballett-
ben. Womit sie auch glücklich war, weil auch er schule?
einst am Royal Ballet Tänzer gewesen war. Neumeier: Erst mal nichts. Ich würde ihn beob-
ZEIT: Das Stuttgarter Ballett wurde in den 1960er- achten, ihn machen lassen und ihm nicht alle
Jahren unter dem Südafrikaner John Cranko welt- Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Denn
berühmt. Die Leute sprachen vom »Ballettwun- ohne sie kann er nicht ermessen, ob sein Weg­
der«. Sie haben dort Ihre ersten Schritte als Cho- richtig ist.
reograf gemacht. Hat Cranko Sie inspiriert?
Neumeier: Sein Ballett »Antigone«, das ich bei­ Das Gespräch führten Rudi Novotny
einer Tournee des Royal Ballet in Chicago gesehen und Samiha Shafy
hatte, fand ich fantastisch. Deswegen war ich froh
und neugierig, nach Stuttgart zu gehen. Hand- In unserer Gesprächsreihe
werklich, in Bezug auf Pas de deux, habe ich viel »Meine Schule des Lebens« erzählen prominente
von Cranko gelernt. Ich selbst war auch am mo- Menschen von ihrem Bildungsweg
 ANZEIGE | MOST
NAME WANTED
SONDERTHEMA
EMPLOYER
| Ein2022 | Ein
Spezial desSpezial
Zeitverlags
des Zeitverlags 21

MOST WANTED
EMPLOYER 2022

Arbeit ist das halbe Leben, sagt
der Volksmund, und Statistiken
bestätigen diese Einschätzung.
Abgesehen vom Schlafen und
Essen verwendet die Mehrzahl
der Deutschen etwa die Hälfte
der Tageszeit auf Job und Frei-
zeitaktivitäten. Kolleginnen und
Kollegen sieht man dadurch mit-
unter häufiger als Familie und
Freunde – kein Wunder, dass ein
guter Arbeitsplatz wichtig ist.
Als die Pandemie vor zwei Jahren
das öffentliche Leben plötzlich
zum Stillstand brachte, änder-
te sich für viele Büroangestellte
der gewohnte Arbeitsalltag. Kü-
chen verwandelten sich in Büros,
Schlafzimmer wurden bei Online-
Meetings zu Konferenzräumen,
und so manches Sofa stellte sich in
Kombination mit angewinkelten
Knien als angenehmer Bürostuhl
mit Schreibtisch heraus. »Für die
Arbeitswelt wurde die Corona-
Pandemie zu einem Digitalisie-
rungsbooster«, fasst Claudia Ricci
zusammen, die am Fraunhofer
Institut für Arbeitswirtschaft und
Organisation
(IAO) in Stutt-
gart zukunfts-
fähige Formen
der Arbeit er-
forscht. »Allein
durchs Auspro-
bieren haben Vie-
le ihre Vorbehalte
gegen Arbeit auf Dis-
tanz abgebaut: Damit
sind die ersten Weichen
für eine Kulturverände-
rung in den Unternehmen
gestellt.«
Die Erfahrungen mit Home-
office, virtuellen Teams, Video-
konferenzen und einem Alltag
ohne Fahrten ins Büro dürften die
Ansprüche der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer nachhaltig
verändert haben. Laut einer Studie
des Marktforschungsunternehmens
Forsa im Auftrag von Xing E-Re-
cruiting berichteten 2022 mehr als
die Hälfte der befragten 200 Firmen
von größeren Problemen bei der
Personalsuche als vor der Pande-
mie. Außerdem beobachtete jeder
fünfte Arbeitgeber eine gestiegene
Fluktua-
tion in Zeiten
der Lockdowns –
und das trotz der mit der Situa-
tion verbundenen Unsicherheiten.
»Wir erleben eine Zeitenwende auf
dem Arbeitsmarkt«, schlussfolgert
Frank Hassler, Vorstand der XING-
Muttergesellschaft NEW WORK SE,
aus den Studienergebnissen. »Un-
ternehmen müssen sich heute bei
Talenten bewerben, nicht umge-
kehrt.«
D e r
Arbeitgebermarkt
hat sich zum Arbeitnehmermarkt
gewandelt. Dadurch können sich
viele Menschen aussuchen, wo
sie tätig sind, und sie überlegen
sich entsprechend genau, wo und
unter welchen Voraussetzungen
sie gerne arbeiten möchten. Die
künftigen Arbeitgeber werden ei-
nem gründlichen Check unterzo-
gen
– und
d a b e i
nutzen die
Bewerberinnen
und Bewerber Be-
wertungsportale wie
kununu oder Glassdoor.
Die interne Sicht der Mit-
arbeitenden, die auf Arbeitgeber-
Bewertungsplattformen gebündelt
wird, stellt eine wichtige Ergänzung
zur Selbstdarstellung der Unter-
nehmen dar. Denn, so das Ergebnis
der Employer Telling Studienreihe
»Club der Gleichen« zur Arbeit-
geberkommunikation: Viele Unter-
nehmen beschreiben sich mit
oftmals austauschbaren Beschrei-
bungen wie »weltweit, führend,
international«. Dadurch lassen sie
sich für Au-
ßenstehende
kaum voneinander
unterscheiden.
Um potenziellen Be-
werberinnen und Bewerbern
mehr Orientierung bei der Wahl
ihres Arbeitgebers zu bieten, ha-
ben sich Arbeitgebersiegel etabliert.
Macht ein Arbeitgeber die Qualität
seiner Angebote transparent und
lässt sie gegebenenfalls dokumentie-
ren, zeigt dies, dass er seine Arbeits-
läufe systematisch plant und steuert,
und dass ihm die Qualität wichtig
ist. Dabei fokussieren sich unter-
schiedlichste Arbeitgebersiegel auf
vielfältige Aspekte eines Unterneh-
mens. Manche Siegel stellen schwer-
punktmäßig heraus, wie stark z. B. in
einem Betrieb auf die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf geachtet wird,
andere wiederum zeigen inwiefern
dem jeweiligen Mitarbeitenden
Flexibilität im Büro eingeräumt
wird – etwa durch Gleitzeiten oder
die Möglichkeit des Homeoffice.
Ferner nehmen Arbeitgebersiegel
unter die Lupe, welche Bedingun-
gen Berufseinsteigerinnen oder Be-
rufseinsteiger erwarten. Können
sie an regelmäßigen Fort- und Wei-
terbildungen teilnehmen? Stehen
ihnen genügend Ansprechpartner
zur Verfügung, um einen Platz im
Team zu fi nden? Weil Arbeitgeber-
siegel wertvolle Unterstützung bei
der Suche nach einem geeigneten
Die ZEIT Job bieten, hat die ZEIT Verlags-
Verlagsgruppe gruppe in Zusammenarbeit mit
hat in der Arbeitgeber-Bewertungsplatt-
Zusammenarbeit form kununu das Arbeitgeber-
siegel »Most Wanted Employer«
mit der
entwickelt. In diesem Zusammen-
Arbeitgeber- hang wurden durch eine Analyse
Bewertungsplatt- von mehr als einer Million Unter-
form kununu das nehmen für 2022 erstmalig die
Arbeitgebersiegel 1.000 beliebtesten Arbeitgeber in
»Most Wanted Deutschland ermittelt. Diese eint
als eines von mehreren Krite-
Employer«
rien, dass die Mitarbeitenden das
entwickelt. Unternehmen so gut fi nden, dass
sie es Freunden und Bekannten
als Arbeitsplatz weiterempfehlen
würden. Ein Vertrauensbeweis
mit großer Aussagekraft, der ent-
sprechend eine Grundlage für das
Arbeitgebersiegel der ZEIT-Verlags-
gruppe darstellt. 

So wurden die

TOP 50
1.000 beliebtesten
Unternehmen 35
Deutschlands ermittelt: Beratung/Consulting 36
mitNORM GmbH EDV/IT
Analysiert wurden mehr als eine 1 34 Cisco Systems GmbH
Million Unternehmen und mehr Dienstleistung Personalwesen & -beschaff ung
als 4,9 Millionen Bewertungen flaixible gmbh 37
equal personal GmbH & Co. KG
von Arbeitnehmenden auf der Dienstleistung
Internet-Plattform kununu. 2 CHG-MERIDIAN AG
33
Finanzen
tecis Finanzdienstleistungen AG Bildung/Universität/FH/Schulen 38
dispo-Tf Education GmbH
Beratung/Consulting
3 it-economics GmbH
32
Personalwesen & -beschaff ung
Energie
Rund 1.300 Maximum Personalmanagement GmbH
ONTRAS Gastransport GmbH
39

Unternehmen Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung
4 Steuerring
erfüllten die EDV/IT
31
Lohn- und Einkommensteuer
Auswahlkriterien: slashwhy GmbH & Co. KG Personalwesen & -beschaff ung Hilfe-Ring Deutschland e.—V.
PS Direkt GmbH & Co. KG
… Deutsches kununu
5 40
Firmenprofil Personalwesen & -beschaff ung
30
Handel/Konsum
… einen Score von ilomed GmbH Marketing/Werbung/PR Streit Service und Solution GmbH & Co. KG
hsp Die Fundraiser GmbH
mindestens 3,5 Sternen
6 41
(von 5) auf kununu.com 29
Recht EDV/IT
… mindestens eine Kirkland & Ellis International LLP EDV/IT SAP Deutschland SE & Co. KG
Weiterempfehlungsrate Garmin Deutschland GmbH 
von 66 Prozent
… mindestens 70 Mitarbeitende-
Die 7
Beratung/Consulting
28
EDV/IT
42
Beratung/Consulting
cronos Unternehmensberatung GmbH Cpro Industry Projects & Solutions GmbH
Bewertungen, davon 7 in den
letzten 12 Monaten
Ermittlung 8
AEB SE
43
… einen Mindest-Mitarbeitende- der Top 50 Elektro/Elektronik
Advantest Europe GmbH
27
Dienstleistung
Forschung/Entwicklung/Wissenschaft
The Mobility House GmbH
Bewertungs-Score von 3,5 – HTW/O SALES.FORCE! GmbH
auch im Schnitt der 9 44
letzten 12 Monate. Internet/Multimedia
26
Beratung/Consulting
TechDivision GmbH Personalwesen & -beschaff ung DIGITALL Nature Germany GmbH
HAPEKO Hanseatisches Personalkontor
10 Deutschland GmbH 45
Finanzen Dienstleistung
25
Alle 1.000 Unternehmen, FORMAXX AG Tintschl AG
Ermittlung der Energie
1.000 beliebtesten die es ins finale Ranking 11 Netze BW GmbH 46
Arbeitgeber geschaff t haben, Vereine Tourismus/Hotel/Gastronomie
24
Gewichtung von definierten
erreichten einen Score Kindernothilfe e.—V.
Immobilien
tristar GmbH

Kriterien für die Berechnung von über 4 Sternen. DAHLER & COMPANY
12 47
des Gesamt-Scores (maximal Franchise GmbH & Co. KG
EDV/IT Beratung/Consulting
5 Sterne) für das finale Ranking: Nagarro ES GmbH
23
abat AG
… Weiterempfehlungsrate 13 Personalwesen & -beschaff ung 48
(vierfach gewichtet) EDV/IT
KBS Group GmbH
EDV/IT
… Mitarbeitende- SVA System Vertrieb Alexander GmbH
22
Vector Informatik GmbH
Bewertungs-Score in den Energie
Der maximale Score bei 14 49
letzten 12 Monaten HanseWerk AG
den 1.300 Unternehmen Gesundheit/Soziales/Pflege Telekommunikation
(vierfach gewichtet)
Felten Personalservice GmbH Interxion Deutschland GmbH
lag bei 5, der niedrigste 21
… Anzahl an Mitarbeitende-
Score lag bei 3,41. Personalwesen & -beschaff ung
Bewertungen in den 15 50
HR7 GmbH The Job Factory
letzten 12 Monaten Marketing/Werbung/PR Dienstleistung
(zweifach gewichtet). Unicorn Factory Media GmbH JobRad GmbH
20

16 Finanzen
DVAG Deutsche Über diesen QR-Code geht es zum
Personalwesen & -beschaff ung kompletten Ranking der 1.000 belieb-
Vermögensberatung
Office Events P & B GmbH testen Unternehmen Deutschlands:
17 19
Medien Energie
SUPER RTL Fernsehen Open Grid Europe
GmbH & Co. KG GmbH (OGE)
18
EDV/IT
codecentric AG
www.zeit.de/angebote/
mwe-2022
 3
2 Ein Spezial
KUNUNU: ARBEITGEBER-
BEWERTUNGSPORTALE
Laut der aktuellen Trendence-
Studie von Forschenden aus
Österreich informieren sich
mehr als 73 Prozent der Job-
suchenden über Arbeitgeber-
Bewertungsplattformen wie
kununu. Für Arbeitgeber kann
das eine Chance sein.
Die Bewertungsplattform kunu-
nu gibt es seit 2007 in Deutsch-
land, Österreich und der
deutschsprachigen Schweiz. Auf
dem Portal mit der wellenför-
migen Schrift im Firmennamen
teilen Angestellte, Ex-Mitarbei-
tende, Lehrlinge, Praktikantin-
nen oder Praktikanten ihre Er-
fahrungen. Sie vermitteln durch
ihre subjektive Einschätzung ein
differenziertes Bild des jeweili-
gen Unternehmens und drücken
beispielsweise ihre Zufrieden-
heit auf einer Skala von 1 bis 5
(für sehr gut) in Sternchen aus
– und zwar in Kategorien wie
Karriere und Gehalt, Unterneh-
menskultur sowie Arbeitsum-
gebung und Vielfalt. Außerdem
gibt es Angaben zu bestimm-
ten Benefits, etwa zu flexiblen
Arbeitszeiten, Weiterbildungs-
angeboten oder besonderen be-
trieblichen Gesundheitsmaß-
nahmen. Dank standarisierter
Fragebögen besteht zusätzlich
Raum für persönliche Erfahrun-
gen. »Durch die interne Sicht auf
einen Betrieb helfen die Angaben
denjenigen, die eine neue Stelle
suchen, bei der Entscheidung,
ob die Firma zu ihnen passt«,
sagt kununu-CEO Nina Zimmer-
mann. »Oder jenen, die eine Ge-
haltserhöhung anstreben und
sich dafür vorbereiten möchten.
Unser Name, aus dem afrikani-
schen Suaheli stammend, bedeu-
tet dabei so viel wie ›leeres Blatt‹.
Denn Arbeitssuchende haben in
aller Regel keine Lust mehr, sich
auf ›leere Blätter‹ zu bewerben.«
Unternehmen im Profil
Get the future you want –
bei Capgemini
SCORE: 4,41
BRANCHE: IT-BERATUNG
HAUPTSITZ: BERLIN
MITARBEITERZAHL: ÜBER 340.000
IN MEHR ALS 50 LÄNDERN
Als eines der weltweit führen-
den IT-Beratungsunternehmen
treibt Capgemini mit innovativen
IT-Lösungen die digitale Trans-
formation branchenübergreifend
voran und arbeitet aktiv an einer
integrativen und nachhaltigen
Zukunft. Das Unternehmen ist
fest davon überzeugt, dass der
geschäftliche Wert von Techno-
logie von und durch Menschen
entsteht. Mit einer tiefgehenden
Expertise in den Bereichen Cloud,
Data, KI, Konnektivität, Software,
Digital Engineering und Platt-
formen holt das Unternehmen
Kunden dort ab, wo sie sich auf
ihrem Transformationsweg befin-
den und begleitet sie von der
Strategieentwicklung und dem
Design bis hin zur Umsetzung
und dem Geschäftsbetrieb.
Egal, ob Berufseinsteiger*in
oder erfahrene*r Professional –
Capgemini hält immer Ausschau
nach neuen Talenten und bietet
Jobs in den Berufsfeldern Software
Engineering, IT-Architektur, Cloud,
Projektmanagement, Business
Analyse, SAP, Salesforce, Customer
Experience und Cybersecurity. Dich
erwarten ein inspirierendes Team,
flexible Karrieremöglichkeiten
sowie die Freiheit, mit deiner Arbeit
für dich und andere Perspektiven
zu schaffen. Wenn du Freiheit
schätzt und nutzt, Vertrauen
mit Verantwortung begegnest
und ohne enge Führung dein
Potenzial entfaltest, dann bist du
bei Capgemini genau richtig.
KONTAKT
Capgemini Deutschland
Recruiting Team
career.de@capgemini.com
capgemini.de/karriere
Bislang haben Jobsuchende und
Bewerbende auf kununu mehr
als sechs Millionen anonyme
Angaben zu Arbeitgeber-Bewer-
tungen, der Unternehmenskultur
und ihrem Gehalt gemacht. Laut
der österreichischen Trendence-
Studie zur Arbeitnehmerzufrie-
denheit wird es problematisch,
wenn die Diskrepanz zwischen
Selbstdarstellung und Bewertun-
gen auf Portalen wie kununu sehr
auseinandergeht. Wirbt ein Ar-
beitgeber in seiner Stellenanzeige
etwa mit einer ausgewogenen
Work-Life-Balance, zahlreiche
Mitarbeitende beklagen im Inter-
net jedoch das Fehlen einer sol-
chen Ausgeglichenheit zwischen
Beruf und Privat, fällt das unan-
genehm auf. Genauso wenn sich
ein Unternehmen Nachhaltigkeit
auf die Fahnen geschrieben hat, im
eigenen Büro in Sachen Umwelt-
schutz aber eher rückständig ist.
Bei negativer Kritik dürfte sich
so ein Arbeitgeber wünschen,
das Feedback einfach löschen zu
können. Doch das ist im Regelfall
weder möglich – noch nötig. Denn
auch von einer weniger positiven
Rückmeldung auf dem Arbeit-
geber-Bewertungsportal kann
ein Unternehmen profitieren,
sagt Nina Zimmermann. »Denn
die Firmenleitung erfährt unge-
schminkt, wie es den Mitarbeiten-
den im eigenen Betrieb geht, und
das bietet Potenzial zur Verbesse-
rung.« Voraussetzung sei, sich den
Rückmeldungen zu stellen. »Be-
schweren sich beispielsweise zehn
Leute einer bestimmten Fachab-
teilung über ein zu geringes Ge-
halt, lässt sich das nicht mit dem
Unmut einiger weniger erklären,
sondern diese zehn Meinungen
stehen höchstwahrscheinlich re-
präsentativ für 100 vergleichbare
Wahrnehmungen im Kollegium.
Solche Hinweise sollten ernst ge-
nommen werden, wenn man län-
IU Internationale
Hochschule
SCORE: 4,44
BRANCHE: BILDUNG
HAUPTSITZ: ERFURT
MITARBEITERZAHL: > 3000
Die IU Internationale Hochschule ist
Deutschlands größte Hochschule.
Als dynamisch wachsende, staatlich
anerkannte, private Hochschule ist
sie mit über 85.000 Studierenden
und 3.000 Mitarbeitenden an mehr
als 20 Standorten deutschlandweit
vertreten. Das Studienangebot
umfasst zahlreiche deutsch- und
englischsprachige Studiengänge
im Dualen Studium, Kombistudium
und Fernstudium.
KONTAKT
IU Internationale Hochschule
recruiting@iu.org
www.iu-careers.com
gerfristig Unzufriedenheit und
Abwanderung von Personal ver-
meiden möchte.«
Der Trendence-Untersuchung
zufolge bewerben sich 46 Prozent
der Studienteilnehmenden auch
dann bei einem Unternehmen,
wenn sie Widersprüche zwischen
der Selbstdarstellung des Unter-
nehmens auf der Konzernseite
und dem Feedback der Mitarbei-
tenden auf Bewertungsportalen
zur Kenntnis nehmen. Häufig
greifen sie laut der Studie die über
die Bewertungsplattform gesam-
melten Informationen aber im
»Durch
Gespräch auf und konfrontieren
die Ansprechpartner mit ihren
Bewertungs- Bedenken. »Auch das ist gut, denn
das Unternehmen hat dann die
portale erfährt Möglichkeit, im Dialog Stellung
die Firmenleitung zu beziehen und seine Sicht der
ungeschminkt, Dinge zu schildern«, sagt Nina
wie es den Zimmermann. »Vielleicht sind
Mitarbeitenden im Prozesse im Wandel, oder die
Rückmeldung wird zum Anlass
eigenen
für Veränderung genommen.«
Betrieb geht.
Da sich Arbeitnehmer-Be-
Solche Hinweise wertungsportale wie kununu
sollten ernst ge- und glassdoor in Zusammenhang
nommen werden, mit der Außenwahrnehmung der
wenn man Unternehmen längst zur festen
längerfristig Größe entwickelt haben, rät Nina
Zimmermann Firmenleitungen,
Unzufriedenheit
proaktiv mit dem Feedback umzu-
und Abwanderung gehen. Im Hinblick auf die eigene
von Personal Unternehmenskultur sei Trans-
vermeiden parenz das Gebot der Stunde. »In
möchte.« einer Welt, in der Unsicherheiten
durch die Corona-Krise oder den
Nina Zimmermann,
CEO Kununu Ukraine-Krieg verstärkt werden,
brauchen wir in den Firmen ver-
stärkt flexible, selbstreflektierte
Menschen, die sich kritisch mit
dem auseinandersetzen, was an
sie herangetragen wird, und die
offen kommunizieren. Trans-
parenz und Flexibilität schaffen
Vertrauen. Und dieses Vertrauen
wird sich sicherlich auf den Be-
wertungsplattformen wie kununu
niederschlagen.«  legen, was für das Unternehmen,
Benefits
Homeoffice
Flexible Arbeitszeiten
Gute Anbindung
an den Nahverkehr
Fortbildungen
Barrierefreiheit
Kantine
Betriebliche
Altersvorsorge
Mitarbeiterevents
Betriebsarzt
IMPRESSUM Verantwortlich für den
redaktionellen Inhalt: ZEIT Verlag Gerd
Bucerius GmbH & Co. KG, Helmut Schmidt
Haus, Speersort 1, 20095 Hamburg;
Geschäftsführung: Dr. Rainer Esser;
Art Direction: Kay Lübke, Dietke Steck;
Produktmanagement: Nils Strähuber;
Realisierung: Studio ZX GmbH – Ein
Unternehmen der ZEIT Verlagsgruppe,
Geschäftsführung: Dr. Mark Schiffhauer,
Uta Schwaner; Projektmanagement:
Stefanie Eggers; Grafik: Sonja Feldkamp;
Redaktion: Carola Hoffmeister; Lektorat:
Egbert Scheunemann; Illustrationen:
iStockphoto.com Chief Sales Officer ZEIT
Verlagsgruppe: Corinna Hohenleitner
Head of Client Development: Angelika
Brandenstein-Wendt, 040 / 3280 5800,
angelika.brandenstein-wendt@zeit.de;
Anzeigenpreise:Preisliste Nr. 16 vom 1.
Januar 2022
Das Beste aus zwei Welten:
»KPMG fleXwork«
EIN BEITRAG VON
KPMG AG
SCORE: 4, 20
BRANCHE: STEUERBERATUNG/
WIRTSCHAFTSPRÜFUNG
HAUPTSITZ: BERLIN
MITARBEITERZAHL: > 12. 200
BENEFITS:
Die Pandemie hat den Trend zu
flexiblem und mobilem Arbei-
ten verstärkt. Was New Work bei
KPMG bedeutet, erläutert Vera Elter,
CHRO des Unternehmens.
Wie hat sich flexibles Arbeiten bei
KPMG in der Pandemie bewährt?
Flexibles Arbeiten war schon
immer Teil der Unternehmens-
DNA. Aber ich bin stolz, was die
Teams während der Pandemie
möglich gemacht und welche
hervorragende Arbeitsleistung
sie gezeigt haben. Arbeiten im
Home Office hat durch die Pan-
demie einen neuen Stellenwert
bekommen und ist nicht mehr
wegzudenken. Aber statt starrer
Vorgaben zum Home-Working
wurde den Teams eine Guidance
an die Hand gegeben, um festzu-
NEW
WORK
KLAR, WIR HABEN DIE ZAHLEN IM BLICK.
ABER AUCH, WIE SIE ENTSTEHEN.
Audit & Assurance | Tax & Legal | Advisory
karriere.bdo.de
BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts, ist Mitglied von BDO International Limited, einer britischen
Gesellschaft mit beschränkter Nachschusspflicht, und gehört zum internationalen BDO Netzwerk voneinander unabhängiger Mitgliedsfirmen.
BDO ist der Markenname für das BDO Netzwerk und für jede der BDO Mitgliedsfirmen. © BDO
Ein Spezial
des Zeitverlags | MOST
des Zeitverlags | NAME
WANTED
SONDERTHEMA
EMPLOYER | ANZEIGE
Vera Elter, CHRO
des Wirtschafts-
prüfungs- und
Beratungsunter-
zu erleben, all das ist unverzicht-
bar – vor allem für Mitarbeitende,
die neu an Bord kommen. Von-
nehmens KPMG, einander lernen durch Zuhören,
setzt auf flexibles
Arbeiten: »One
gemeinsamen Brainstorming am
size fits all – passt Flipchart oder über die Schulter
nicht mehr«. schauen hat eine andere Qualität
als durch Training angeeignetes
Wissen. Gerade das Commitment
für kontinuierliches Lernen ist
zentral und ein generationen-
übergreifendes Versprechen.
Wie umfassend ist mobiles Ar-
beiten, es geht ja über Home-
Working hinaus?
Beim mobilen Arbeiten kann auch
mal ein professioneller Arbeits-
ort außerhalb des Home Offices
gewählt werden. In einem zeit-
lich befristeten Rahmen ist dies
auch aus dem Ausland möglich.
Welche Anforderungen hat dieses
Maß an Flexibilität - insbeson-
dere das Arbeiten im Ausland?
Dabei sind verschiedene Aspekte
zu berücksichtigen, zum Beispiel
die Einhaltung von Compliance-
Anforderungen in Bezug auf Steu-
ern und Sozialversicherung, aber
die Kunden und den gemein- auch die Ausgestaltung geeigneter
samen Erfolg am besten ist. Prozesse oder die Anforderungen
Ziel ist also eine Kombination aus an das Arbeitsumfeld.
Arbeiten in Präsenz und virtuell? Was sind die Vorteile dieses
Das flexible Arbeitsmodell – »KPMG Arbeitsmodells?
fleXwork – Eine Arbeitswelt, die Persönliche Zusammenarbeit leis-
zu dir passt« soll je nach Situa- tet einen wichtigen Wertbeitrag für
tion das Arbeiten beim Kunden, unternehmerischen Erfolg, aber
im Büro und mobiles Arbeiten auch für die persönliche Entwick-
ermöglichen. Die Teams müssen lung der Mitarbeitenden. Daher wird
dazu die Gestaltung der Zusam- das Arbeiten beim Kunden und in
menarbeit abwägen. Ziel ist es, die Niederlassungen auch weiterhin
besten Ergebnisse für Kunden und »Flexible der wichtigste Bestandteil der Un-
für eine nachhaltige Geschäfts- ternehmens- und Lernkultur sein.
Arbeitsstrukturen
entwicklung zu erreichen sowie Gleichzeitig werden flexible Arbeits-
den Bedürfnissen der Mitarbei- und virtuelle strukturen heutzutage erwartet.
tenden gerecht zu werden. Neben Zusammenarbeit KPMG stell sich auf diese Bedürf-
dem Arbeitsort heißt fleXwork aber sind längst nisse ein und nutzt die Flexibili-
auch, Flexibilität in Arbeitszeit- Bestandteil unserer tät gleichermaßen als Chance auf
modellen entlang verschiedener Arbeitswelt.« Kundenanforderungen noch schnel-
Lebensphasen zu ermöglichen. ler und besser zu reagieren. 
Welche Rolle spielen dabei per-
sönliche Kontakte, die ja in der KONTAKT
Kirsten Kronberg-Peukert
Pandemie häufig fehlten?
Klingelhöferstr. 18 · 10785 Berlin
Diese wurden in den letzten Jah- Tel. (0800) 5764 562
ren schmerzlich vermisst. Denn recruiting@kpmg.com
der Austausch im Büro oder beim www.kpmg.de/karriere
Kunden, gemeinsames Lernen,
gemeinsam Ideen zu entwickeln,
gemeinsam Erfolge zu feiern, Men-
schen kennenzulernen und die
Unternehmenskultur von Kunden

40
STELLENMARKT
Die Position:
In Köpfe statt in Kühe investieren!
Seit 35 Jahren fördert das Erasmus-Programm den europäischen Austausch. Jetzt muss es mutig weiterentwickelt werden  VON JOYBRATO MUKHERJEE
Mit Start des Erasmus-Programms vor 35 Jah-
ren ging Europa auf seine jungen Bürgerinnen
und Bürger einen großen Schritt zu. Studie-
rende für Europa zu gewinnen, das war das Ziel
inmitten einer Krise der Europäischen Gemein-
schaft. Nach den wirtschaftlichen Erfolgen in
den 1950er-Jahren war die europäische Idee
dreißig Jahre später ins Stocken geraten, der
Begriff »Eurosklerose« ging um.
»Man verliebt sich eben nicht in einen Bin-
nenmarkt«, brachte der damalige Kommissions-
präsident ­Jacques Delors die fehlenden Emo-
tionen auf den Punkt. Neben der Direktwahl des
Europaparlaments setzte er auf den Ausbau der
Programme für die Jugend. Und tatsächlich: Am
15. Juni 1987 begann die Kommission in junge
Menschen und das gegenseitige Kennen- und
Verstehenlernen zu investieren, anstatt nur in
Kühe, wie es der damalige Kommissar Manuel
Marin pointiert in den Verhandlungen zum
Erasmus-Programm formulierte, als klare Ab-
grenzung zur europäischen Agrarpolitik.
ANZEIGE
Leipzigs dynamische Entwicklung mit einer engen
Zusammenarbeit der Fachbereiche und einer
systematischen Bürgerbeteiligung liegt uns am
Herzen. Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg
bildet die strategische Stadtentwicklungspolitik im
Sinne der „Leipzig-Charta“. Sie können gemeinsam
mit uns die Zukunft der Stadt in herausgehobener,
verantwortungsvoller Position aktiv mitgestalten:
Die Stadt Leipzig sucht ab dem
1. November 2022 eine/-n:
Beigeordnete/-n für
Allgemeine Verwaltung (m/w/d)
Beigeordnete/-n für das Dezernat
Wirtschaft, Arbeit und Digitales
(m/w/d)
und ab dem 1. Dezember 2022 eine/-n:
Beigeordnete/-n für das Dezernat
Soziales, Gesundheit und Vielfalt
(m/w/d)
Fühlen Sie sich angesprochen? Dann bewerben Sie
sich! Weitere Informationen zu den Aufgaben, Anfor-
derungen und Rahmenbedingungen finden Sie unter:
 www.leipzig.de/stellenangebote
LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur
in Westfalen
Bei der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur
in Westfalen mit Sitz in Münster ist zum nächstmöglichen
Termin eine Stelle als
wissenschaftliche:r Referent:in
(w/m/d)
(EG 14 TVöD; Kenn-Nr. 57/22)
im Referat Praktische Denkmalpflege mit 19,50 Wochen-
stunden befristet bis zum 31.12.2025 zu besetzen.
Den ausführlichen Ausschreibungstext der Stelle finden
Sie unter: www.lwl.org/LWL/Der_LWL/Jobs.
Bitte richten Sie Ihre Bewerbung unter
Angabe der Kennnummer 57/22 bis zum
11.07.2022 (Eingangsstempel LWL)
an den
Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL)
LWL-Haupt und Personalabteilung
48133 Münster
www.lwl.org
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Es hat funktioniert: Nach zwölf Millionen Verbindung und der Mehrsprachigkeit beitragen.
europäischen Auslandsaufenthalten, geschätzten EU Kommission, Mitgliedsstaaten und Euro-
einer Million Babys aus Erasmus-Beziehungen, päisches Parlament haben mit der Verdopplung
über zwei Mil­liar­den Euro für deutsche Hoch- des Erasmus-Budgets bis 2027 auf 28 Mil­liar­den
schulen und der Einbindung aller Bildungsberei- Euro die richtigen Weichen gestellt. Dabei gilt es
che ist Erasmus+, so heißt es heute, das Programm nun folgende Punkte zu beachten:
Foto: Sebastian Wilke/DAAD
zur Förderung einer europäischen Identität. Es ist 1. Mehr Austausch junger Menschen in Eu-
Sinnbild für Europas Einsatz für die heranwach- ropa: Mobilität ist unerlässlich für die Entwick-
senden Generationen – mithin: für die Zukunft. lung einer gemeinsamen Identität. Sie muss
Heute brauchen wir Erasmus mehr denn je: für alle zugänglich sein, nachhaltig und mit
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat der umweltschonenden Verkehrsmitteln geschehen.
EU zwar eine Rückbesinnung auf die Kraft der Dazu gehört auch eine umfassende und intelli-
Einheit gebracht. Die Fliehkräfte aber sind damit gente digitale Vor- und Nachbereitung.
nicht gebändigt. Erasmus hat zur Einigung Joybrato Mukherjee 2. Förderung der Mehrsprachigkeit: Um
Europas beigetragen, sie sogar mitgeprägt: Oft ist Präsident des sich zu verstehen, zu wertschätzen, gar zu
ging die Teilnahme eines Staates an Erasmus Deutschen Akademischen lieben, muss man die Sprache des anderen
seinem Beitritt zur EU um viele Jahre voraus. Austauschdienstes, sprechen. Wir brauchen deshalb mehr Unter-
Natürlich ist Erasmus kein Vademecum für zu dem die Nationale stützung beim Spracherwerb bei Studienauf-
die Herausforderungen der EU, aber es kann – Erasmus-Agentur gehört enthalten im Ausland – oder noch besser: direkt
mutig weiterentwickelt – noch viel zu einem Erasmus-Sprachkurse als eigenes Angebot. Und
Europa der Gemeinsamkeiten, der kritisch-kon- dies nicht nur für das Englische, sondern auch
struktiven Aus­ein­an­der­set­zung, der emotionalen für weitere europäische Sprachen.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge
e.V. ist das bundeszentrale Forum der öffentlichen und
freien Träger der Sozialen Arbeit in Deutschland.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. sucht ab 1. Juli 2022
befristet bis 28.02.2026 und in Teilzeit (29,25 Wochenstunden) für das Arbeitsfeld
I / Grenzüberschreitende Sozialarbeit, Internationaler Sozialdienst (ISD) einen
Willkommen an der Hochschule Anhalt, einer der forschungsstärksten Hoch-
Volljuristen (w/m/d) schulen des Landes. Im Herzen Mitteldeutschlands bieten wir als innovative
Hochschule Forschung und Lehre auf internationalem Niveau sowie beste
Studien- und Lebensqualität. Mit mehr als 80 Studiengängen schaffen wir
Die ausführliche Stellenausschreibung sowie weitere Informationen über uns
finden Sie unter www.deutscher-verein.de. individuellen Freiraum zur Entwicklung von Persönlichkeiten und bereiten etwa
7.500 deutsche und internationale Studierende vor allem auf eines vor: einen
Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis zum 22.06.2022 bevorzugt über unser Karriere- gelungenen Berufsstart.
portal https://karriere.deutscher-verein.de oder per E-Mail an personalstelle@ Am Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick-
deutscher-verein.de oder schriftlich an Deutscher Verein für öffentliche und private lung der Hochschule Anhalt, Standort Bernburg, ist zum frühestmöglichen
Fürsorge e.V., Personalwesen, Michaelkirchstraße 17/18, 10179 Berlin. Zeitpunkt die Professur
Ernährungslehre
(Bes.-Gruppe W3)
zu besetzen.
Aufgabengebiet:
Die Professur ist auf dem Gebiet der Ökotrophologie und Ernährungstherapie
profilbestimmend, deshalb trägt sie eine über das Berufungsgebiet hinaus-
gehende Verantwortung für die Koordinierung des Themengebietes in Lehre
und Forschung im Fachbereich.
Der Stelleninhaber (m/w/d) hat das Gebiet der Ernährungslehre anwendungs-
orientiert und auf den Bereich der Humanernährung bezogen, in Lehre und
Am Lehrstuhl für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor
unter der Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner ist zum 1. Oktober Forschung zu vertreten. Innovative Ernährungsweisen stehen im Mittelpunkt
der Professur. Dabei sind Lehrveranstaltungen aus den Themengebieten Human-
2022 eine halbe Stelle für
ernährung, Angewandte Ernährungswissenschaft, Diättherapie und den angren-
wissenschaftliche Mitarbeiter (m/w/d) zenden Fachgebieten anzubieten. Die Professur verlangt ein hohes Engage-
ment bei der Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten, studen-tischen
in Entgeltgruppe 13 TV-L (50 %) für die Dauer von drei Jahren (bis 30.09.2025) Projekten und Exkursionen sowie bei der strategischen Weiterentwicklung der
Studienangebote.
zu besetzen.
Weitere Informationen zur Stellenausschreibungen finden Sie unter: In der angewandten Forschung steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit
https://www.uni-speyer.de/universitaet/personal/stellenangebote mit Unternehmen und Fachverbänden sowie mit weiteren Fachgebieten der
Hochschule Anhalt im Vordergrund. Die aktive Mitarbeit bei der Einwerbung
Schwerbehinderte werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt. und Umsetzung von Drittmittelprojekten und von Forschungs- und Entwick-
lungsvorhaben wird erwartet.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen werden bis zum 31. Juli 2022 unter
Angabe der Kennziffer 1522 erbeten an: Deutsche Universität für Verwal- Die Hochschule Anhalt besitzt das Promotionsrecht für den Bereich „Life
tungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2, 67346 Speyer. Sciences“, die Mitwirkung des Stelleninhabers (m/w/d) im Promotionszentrum
Elektronische Bewerbungen bitte nur im PDF-Format in einer Datei und
ohne ausführbare Links (bewerbung@uni-speyer.de).
wird erwartet.
Eine internationale Vernetzung im Themengebiet der Professur ist ausdrücklich
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung. erwünscht.
Die Universität Speyer im Internet: www.uni-speyer.de Ebenso gehört die aktive Mitarbeit in den Gremien der akademischen Selbst-
verwaltung zu den Aufgaben der Professur.
Anforderungsprofil:
Es wird eine auf dem Berufungsgebiet ausgewiesene Persönlichkeit (m/w/d)
Wir halten Ausschau nach: mit wissenschafts- und anwendungsbezogenen Kenntnissen und Erfahrungen
in der Ernährungsphysiologie und Ernährungsepidemiologie gesucht. Der
Bewerber (m/w/d) kann auf ein einschlägiges wissenschaftliches Hochschul-
studium im Berufungsgebiet (z. B. Ernährungswissenschaften, Ökotrophologie,
Medizin oder vergleichbar) mit abgeschlossener Promotion verweisen.
Erfahrungen in der Lehre und in der Betreuung von akademischen Abschluss-
W2 Kommunikations- arbeiten werden vorausgesetzt.
Der zukünftige Stelleninhaber (m/w/d) verfügt über eine hohe Expertise in der
systeme und Hoch- Einwerbung und Durchführung von nationalen und internationalen Koopera-
tions- und Drittmittelprojekten mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis. Er
frequenztechnik kann einschlägige Veröffentlichungen und eine gute internationale Vernetzung
zu den genannten Schwerpunkten aufweisen.
Sichere Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache werden genauso
vorausgesetzt, wie interkulturelle Kompetenzen.
Die Professur ist zum nächstmögli- Einstellungsvoraussetzungen:
Die formalen Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 35 Hochschul-
chen Zeitpunkt an der Fakultät für gesetz des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA).
Die Berufung in ein Professorenamt erfolgt erstmalig bei Erfüllung der Voraus-
Ingenieurwissenschaften der Hoch- setzungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Die Probezeit beträgt in der
Regel drei Jahre. Nach erfolgreich absolvierter Probezeit erfolgt die Berufung
schule Wismar unbefristet in Vollzeit in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf Vorschlag des Fachbereichsrates
zu besetzen. nach Zustimmung des Senats.
Die Hochschule Anhalt strebt eine Erhöhung des Anteils an Frauen am
wissenschaftlichen Personal an und fordert Frauen nachdrücklich auf, sich zu
Nachfragen bitte an bewerben. Für Schwerbehinderte gelten bei gleicher Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung die Bestimmungen des SGB IX.
andreas.ahrens@hs-wismar.de Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Darstellung des
wissenschaftlichen Werdeganges einschließlich der Lehrtätigkeit, Darstellung
der fachpraktischen Tätigkeit sowie Liste der Forschungs- und Publikations-
tätigkeiten, Zeugnisse/Urkunden – Abitur, Hochschulabschluss, Promotion, ggf.
Bewerbungen bitte bis zum Habilitation) werden innerhalb von acht Wochen nach Er-scheinen dieser
Anzeige erbeten an den Präsidenten der Hochschule Anhalt.
31.07.2022 als PDF-Dokument an Bitte schicken Sie uns dazu eine E-Mail mit Betreff „Ernährungslehre“ an
personalabteilung@hs-wismar.de bewerbung@hs-anhalt.de. Sie erhalten von uns einen persönlichen Upload Link
für Ihre digitalen Bewerbungsunterlagen.
unter dem Stichwort 78 400 013
Die komplette
Am Fachbereich Sozial- und Bildungswissenschaften der Fachhochschule Potsdam
Ausschreibung auf wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein*e
www.hs-wismar.de/
Akademische*r Mitarbeiter*in (w/m/d)
stellen
in dem Projekt „Die ländlichen Bildungs-
umwelten junger Geflüchteter in der
Hochschule Wismar betrieblichen Ausbildung“
University of Applied Sciences: Vergütung bis Entgeltgruppe 13 TV-L
Kennziffer 27/2022
Technology, Business and Design
im Umfang von 40 Wochenstunden befristet bis zum 30. September 2024 gesucht.
Den ausführlichen Ausschreibungstext finden Sie auf unserer Homepage unter:
www.fh-potsdam.de/hochschule-karriere/karriere/stellenangebote-fh-potsdam
3. Sicherheit und klare Finanzierung für die
Europäischen Hochschulen, die transnational
arbeiten und in der gesamten EU anerkannte
Bildungsabschlüsse ermöglichen. Zu Recht hat
Emmanuel Macron 2017 die Vision echter
Europäischer Hochschulen skizziert. Diese
nun entstehenden Leuchttürme der Hoch-
schullandschaft gilt es zu unterstützen und aus-
zubauen, sie machen Europa für Studierende
und Forschende erlebbar. Als Teil des Erasmus-­
Programms brauchen sie eine auskömmliche
Finanzierung und eine dauerhafte Perspektive.
Investitionen in junge Köpfe und der Aus-
tausch innerhalb der EU schaffen dabei nicht
nur mehr Verständnis für­ ein­an­
der, sie sind
auch ein Beitrag zur Stärkung der EU im schär-
fer werdenden globalen Wettbewerb.
Wenn wir also am 15. Juni 2037 gemeinsam,
leicht gealtert und nach überstandener Midlife-
Crisis auf 50 Jahre Erasmus blicken, sollten wir
grenzüberschreitend sagen: Gut, dass wir noch
mehr in Köpfe investiert haben – anstatt in Kühe.
An der KUNSTAKADEMIE DÜSSELDORF
ist im Fachbereich Kunst zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Professur (W3) für Bildhauerei
zu besetzen.
Die Kunstakademie Düsseldorf, gegründet 1773, ist eine bedeutende Hochschule für Bildende
Kunst mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung.
Gesucht wird eine international anerkannte Künstler*inpersönlichkeit, die ein herausra-
gendes künstlerisches Werk nachweisen kann, das einen wesentlichen Beitrag zur Kunst
der Gegenwart darstellt und die befähigt ist, eine künstlerische Klasse im Ateliersstudium in
freier Unterrichtung zu leiten.
Die Einstellungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 29 KunstHG NRW. Neben den allgemei-
nen dienstrechtlichen Voraussetzungen sind u.a. ein abgeschlossenes, in der Regel künst-
lerisches Studium und herausragende künstlerische Leistungen erforderlich. Abweichend
davon kann eine Berufung auch aufgrund des Vorliegens einer besonderen Befähigung zu
künstlerischer Arbeit erfolgen. Von den Bewerberinnen und Bewerbern wird erwartet, dass
sie die künstlerische Lehre in beiden an der Akademie angebotenen Studiengängen – “Freie
Kunst” und “Kunst im Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen” – wahrnehmen. Die Teil-
nahme an der akademischen Selbstverwaltung und Mitgestaltung der Hochschule wird als
selbstverständlich vorausgesetzt.
Die Kunstakademie Düsseldorf versteht sich als eine Hochschule der Chancengleichheit und
tritt für personelle Vielfalt ein. Die Ausschreibung wendet sich an Menschen aller Geschlech-
ter (m/w/d). Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderung und ihnen Gleichgestellten
sind besonders willkommen und werden bei gleicher Eignung bevorzugt. Frauen werden bei
gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht
in der Person eines Mitbewerbenden liegende Gründe überwiegen.
Bitte senden Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen inkl. Nachweise zu Ausbil-
dung, Werdegang und zur pädagogischen Eignung bis zum 13.07.2022 in einer pdf-Datei
(bewerbung@kunstakademie-duesseldorf.de) an den
Rektor der Kunstakademie Düsseldorf
Eiskellerstraße 1
40213 Düsseldorf
Bitte beachten Sie unsere Erklärung zum Datenschutz unter https://www.kunstakademie-
duesseldorf.de/datenschutz.
Über 7.000 junge Menschen studieren und forschen in attraktiven Studien-
gängen an der Hochschule Trier. Wir sind die forschungs- und drittmittelstärkste
Hochschule für angewandte Wissenschaften in Rheinland-Pfalz. Damit bieten wir
sehr gute Bedingungen für die Durchführung von Projekten mit der regionalen und
überregionalen Wirtschaft.
Im Fachbereich Technik am Hauptcampus in Trier ist zum Wintersemester
2023/2024 nachfolgende Stelle zu besetzen:
W2-Professur
für das Lehrgebiet
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Quantitative BWL
Für diese Professur suchen wir eine engagierte Persönlichkeit, die nach einem
Studium der Betriebswirtschaft, in verantwortlicher Position außerhalb des
Hochschulwesens umfassende praktische Industrieerfahrung mit Produktbezug
erworben hat und diese nun in Lehre und angewandter Forschung an unsere
Studierenden weitergeben möchte.
Das Aufgabenspektrum dieser Stelle umfasst zuvorderst die Lehre zu Themen der all-
gemeinen Betriebswirtschaftslehre für Ingenieurstudiengänge. Deshalb ist eine
starke technische Orientierung von Vorteil. Des Weiteren sollen Lehrveranstaltungen
zu klassischen Themen der Betriebswirtschaft für Wirtschaftsingenieure und
Allgemeinen Maschinenbaugehalten werden. Beispielhaft seien hier Statistik, Mar-
keting, Operations Research, Bilanzierung genannt. Wir erwarten ein Lehrkonzept
vorzugsweise auch für Digitale Formate. Die Lehrveranstaltungen sind in deutscher
und in englischer Sprache zu halten. Darüber hinaus erwarten wir die Bereit-
schaft zur Übernahme von Lehrveranstaltungen außerhalb des eigenen Lehrge-
biets sowie zur Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung.
Als Fachbereich bieten wir ein professionelles, kollegiales und unterstützendes
Umfeld mit vielen Freiräumen für die Durchführung angewandter Forschungs-
und Transferprojekten.
Darüber hinaus bietet auch die Hochschule Trier in ihrer Gesamtheit diverse
innovative und zukunftsorientierte Forschungsmöglichkeiten sowie internatio-
nale und interdisziplinäre Kooperationsmöglichkeiten. Allen ihren Beschäftig-
ten stellt die Hochschule ein umfassendes Weiterbildungsangebot zur Verfü-
gung. Überdies ist sie als familienfreundliche Hochschule zertifiziert und bietet
vielfältige Kinderbetreuungsangebote sowie Unterstützung und Beratung durch
ihren Familienservice und den Dual Career Service.
Das Land Rheinland-Pfalz und die Hochschule Trier vertreten ein Betreuungs-
konzept, bei dem eine hohe Präsenz der Lehrenden am Hochschulort erwartet
wird.
Weitere allgemeine Informationen sind im Internet abrufbar unter:
http://www.hochschule-trier.de/go/Stellenausschreibung
Qualifizierte Frauen werden ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert. Schwer-
behinderte sowie Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen nach § 2 Abs. 3
SGB IX werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.
Rückfragen richten Sie bitte an den Vorsitzenden der Berufungskommission,
Herrn Prof. Dr.-Ing. Armin Wittmann (A.Wittmann@hochschule-trier.de) oder
das Sekretariat (Tel. +49 651 8103-241).
Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, Nachweise
über den beruflichen Werdegang, Publikationsverzeichnis, kurze Skizze Ihres
Lehrkonzeptes) senden Sie bitte schriftlich in elektronischer Form (als eine zu-
sammengefasste PDF-Datei, mit dem Vornamen und den Nachnamen benannt,
z. B. thomas-meier.pdf) bis zum 31.07.2022 an die Präsidentin der Hochschule
Trier. Die Datei ist abzulegen auf der gesicherten Plattform Seafile der Hoch-
schulen des Landes Rheinland-Pfalz:
https://seafile.rlp.net/u/d/bd5453b023b94580b22d/
Präsidentin der Hochschule Trier, Postfach 1826, D-54208 Trier
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Studium generale
BEOBACHTET VON JULIAN FIEBACH
früher
heute
ANZEIGE
Die Technische Universität Braunschweig besetzt am Institut für Mechanik und Adaptronik in der
Fakultät für Maschinenbau zum nächstmöglichen Zeitpunkt die
Tenure-Track-Professur für
„Funktionsintegration in der Produktionstechnik“
BES.-GR. W1 mit Tenure Track nach W2
Die Professur umfasst in Lehre und Forschung die Adaptronik und Funktions-
integration, speziell das Themenfeld der funktionsintegrierten und funk-
tionsintegrierenden Produktions-, bzw. Kreislaufproduktionstechnik. Die
gewünschten Tätigkeitsfelder der Professur in der Forschung sollen dabei
möglichst viele der folgenden Bereiche abdecken:
▪ Techniken und Methoden zur Funktionalisierung und Funktionsintegration
▪ Charakterisierung von Funktionsmaterialien und strukturmechanische
Modellbildung funktionsintegrierter Multi-Materialbauteile
▪ Integrierte sensorisch-basierte Zustandsdetektion von komplexen Produkten
▪ Techniken und Methoden der Funktionalisierung und Funktionsintegration:
Ermöglichung / Unterstützung von Trenn- und Rückführungskonzepten am
Ende des Produktlebenszyklus
▪ Werkstoff- und Bauteilintegrierte Funktionen/Technologien für die Kreislauf-
produktion komplexer Produkte
Die erwartete Forschungsausrichtung soll vor allem einen ausgeprägten Beitrag innerhalb der
produktionstechnisch orientierten Forschungszentren Open Hybrid LabFactory (OHLF) und Battery
LabFactory (BLB) sowie dem Niedersächsischen Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik (NFF)
und dem Niedersächsischen Forschungszentrum für Luftfahrt (NFL) leisten.
Bitte senden Sie Ihre Bewerbung bis zum 15.07.2022 ausschließlich über das
Bewerbungsportal der TU Braunschweig.
Das Bewerbungsportal sowie die vollständige Stellenausschreibung finden
Sie unter: www.tu-braunschweig.de/stellenmarkt
At the University of Lübeck a
Professorship (W3) for Chemistry
with collegial leadership is to be filled at the Institute for Chemistry
and Metabolomics in the University Section of Natural Sciences for an
unlimited period, to begin in October 2023. Reference is made to §§ 61
and 63 of the Higher Education Act of the State of Schleswig-Holstein.
The University of Lübeck has a strong research focus on human
medicine-centred life sciences. To further strengthen this focus the UzL
seeks a chemist with international visibility and expertise in human in-
fection research, preferably virology. The professorship is intended to
complement the research activities of the UzL in the area of infectiolo-
gy-related chemical biology including but not limited to protein design,
glycobiology or structural biology.
The responsibilities include research and teaching as well as the pro-
motion of early-career scientists.
The successful candidate will contribute to teaching of inorganic, bio-
physical and organic chemistry in bachelor‘s and master‘s degree
programs (including state examinations). It is expected that applicants
acquire German language skills by the third year of employment. The
University of Lübeck puts emphasis on an excellent supervision of stu-
dents and doctoral candidates, and expects high levels of engagement
from teaching staff.
A PhD is an employment prerequisite. Additionally, applicants must in-
clude evidence of further scholarly achievements as a junior professor
or a post-doctoral researcher, or of equivalent scholarly achievements,
which may also fall outside of a university context.
In the case of equal qualification, ability, and professional achievement,
women are granted primary priority. Applicants with a severe disability
and the appropriate qualifications are granted priority.
We explicitly welcome the applications of people with a migration back-
ground. We explicitly renounce the submission of CV photographs and
request that applicants adhere to this policy.
Further information regarding the necessary application documents
and the application process can be found under:
https://www.uni-luebeck.de/structure/sektionen/sektionenmint/
berufungsverfahren-stellen.html
Applications with the customary documents – curriculum vitae, copies
of diplomas/degrees, scientific career development, list of publications,
three selected publications, disclosure of teaching and project experi-
ence, and a brief statement of research and teaching philosophy – are
to be submitted by 27.07.2022 to the
Office of Appointments MINT
berufungen@uni-luebeck.de
Die Universität Passau steht für exzellente Forschung und innovative Lehre.
An der durch Weltoffenheit und Vielfalt geprägten und international aus-
gerichteten Universität sind am Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit
Schwerpunkt Vergleichende Regierungslehre (Prof. Dr. Lars Rensman) zum
1. Oktober 2022 verschiedene Stellen als
Wissenschaftliche Mitarbeiterin /
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (w/m/d)
zu besetzen.
Nähere Informationen finden Sie unter www.uni-passau.de/universitaet/
stellenangebote/.
STELLENMARKT 41
Worum geht’s ... in der humanitären Logistik?
VON CHRISTINE PRUSSKY
Das sagt die Professorin Das sagt die Studentin Gut zu wissen
Nahrung, Kleidung, Unterkünfte – in der humanitären­ Ich mag Zahlen und organisiere gern. Seit meiner Ausbil- Fach: Humanitäre Logistik ist ein Spezialgebiet der inter­
Logistik geht es darum, wie man Hilfsgüter in kürzester Zeit dung zur Industriekauffrau beschäftige ich mich mit Logistik, natio­na­len Logistik und damit ein Ableger der Betriebswirt-
in Kriegs- oder Katastrophengebiete bringt. Das ist eine erst im BWL-Bachelor, jetzt im Master. Lieferketten ent- schaftslehre. In dem Fach sind viele Unterdisziplinen vereint,
komplexe Managementaufgabe: Regierungen, Behörden, scheiden in der humanitären Logistik über Leben und Tod. darunter die Gesundheits- und die Ernährungswissenschaft,
internationale Hilfsorganisationen und Freiwillige müssen Die richtigen Hilfsgüter müssen schnell vor Ort sein. Spenden die Psychologie, die Politik- und Rechtswissenschaft sowie
kooperieren und Ressourcen teilen. Am besten ist es, Güter und ehrenamtliches En­gag­ement sind wichtig – um sie effek- das Katastrophenmanagement.
präventiv in den Regionen zu lagern. Den Vorteil hatten wir, tiv zu bündeln, braucht es Professionalität. Mein Stu­dium
als Russland im Februar die Ukraine angriff. Nach der Krim- bietet mir auch ganz praktisches Wissen: Aktuell unterstütze Beruf: Stellen gibt es vor allem in internationalen Hilfs­
Annexion 2014 waren Transportketten und Lager aufgebaut ich im Praktikum das UN-Welternährungsprogramm für die organisationen wie dem Roten Kreuz und bei den Verein-
worden – eine Leistung der humanitären Logistik. Region Äthiopien. ten Nationen. Im Zuge des Klimawandels und des zu er-
wartenden Anstiegs an klima- und wetterbedingten Krisen
Maria Besiou ist Professorin für Humanitäre Logistik Silke Boysen studiert Global Logistics and Supply Chain und Katastrophen wird die Expertise künftig zunehmend
an der Kühne Logistics University Hamburg Management an der Kühne Logistics University Hamburg gebraucht.
FAKULTÄT FÜR BIOLOGIE
An der Fakultät für Biologie ist zum 01.04.2023 eine
An der Hochschule München ist an der Fakultät für Elektrotechnik und
Informationstechnik ab dem Wintersemester 2023/2024 oder später
folgende Stelle zu besetzen: Professur (W3) für
Systematische Zoologie
W2-Professur für Leistungselektronik (Lehrstuhl)
(m/w/d) zu besetzen.
Kennziffer: BV 0474 Die Professur ist mit den Aufgaben eines Direktors bzw. einer
Direktorin (m/w/d) der Bayerischen Staatssammlung für Zoologie
Erfahren Sie mehr in der detaillierten Stellenausschreibung unter: verbunden. Gesucht wird ein erfahrener Wissenschaftler oder
https://stellen.hm.edu/rfhzd eine erfahrene Wissenschaftlerin (m/w/d) mit ausgeprägten
Management- und Führungsqualitäten und einem breiten Netzwerk
Bewerben Sie sich über unser Online-Portal bis zum 18.07.2022.
im Sammlungs- und Universitätsumfeld. Der erfolgreiche Bewerber
Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen! oder die erfolgreiche Bewerberin (m/w/d) wird die strategische
Weiterentwicklung der Sammlung vorantreiben, insbesondere im
Hinblick auf die digitale Transformation und Kooperationen mit
universitären Partnern. Weitere Voraussetzungen sind Erfahrungen
LEHREN – FORSCHEN – NEU ENTDECKEN in der sammlungsbezogenen Forschung und Drittmitteleinwerbung.
KOMMEN SIE ALS PROFESSOR_IN AN DIE JADE HOCHSCHULE Ein Forschungsschwerpunkt in einem Bereich der Systematischen
Zoologie wird erwartet, eine Einbindung der Forschung in einen
geplanten Forschungscluster „Adaptations to changing environ-
ments“ ist von Vorteil. In der Lehre wirkt die Professur in den
Bachelor- und Masterstudiengängen an der Fakultät für Biologie mit.
Die Fakultät für Biologie ist im Biozentrum des High-Tech Campus
Martinsried gemeinsam mit anderen Lebenswissenschaften der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Max-Planck-
Gesellschaft und dem Helmholtz Zentrum München angesiedelt.
Innerhalb der Fakultät für Biologie stehen Service-Einheiten für
High-Performance-Computing, Genomics, Bioanalytik, Elektronen-
Die Jade Hochschule in Wilhelmshaven, Oldenburg und Elsfleth zeichnet sich durch innovative Ansätze, mikroskopie, Lichtmikroskopie, Proteomics und Metabolomics zur
kooperative Zusammenarbeit und eine zugewandte Haltung aus. In allen Bereichen fördert die Hochschule Verfügung.
Kompetenz und Vielfalt.
Die LMU möchte eine hervorragend ausgewiesene Persönlichkeit
Fachbereich Bauwesen Geoinformation Gesundheitstechnologie in der Abteilung Bauwesen gewinnen, die ihre wissenschaftliche Qualifikation im Anschluss an
am Campus Oldenburg: ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie eine überdurchschnitt-
liche Promotion oder eine vergleichbare besondere Befähigung durch
Professur (m/w/d) für das Gebiet Geotechnik international sichtbare, exzellente Leistungen in Forschung und
Bes.-Gr. W2 | Kennziffer BGG 58 Lehre nachgewiesen hat.
Bewerbungsschluss: 14. Juli 2022
An der Fakultät Landbau/Umwelt/ Bei einer Einstellung im Beamtenverhältnis darf das 52. Lebensjahr
Chemie sind zum Sommersemester Fachbereich Architektur am Campus Oldenburg: zum Zeitpunkt der Ernennung noch nicht vollendet sein. In drin-
2023 die
genden Fällen können hiervon Ausnahmen zugelassen werden.
Professur (W2) Professur (m/w/d) für das Gebiet Theorie und Geschichte
Botanik/Ökophysiologie des gebauten Raumes Die LMU strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen in Forschung
der Pflanzen (m/w/d) Bes.-Gr. W2 | Kennziffer A 17 und Lehre an und bittet deshalb Wissenschaftlerinnen nachdrücklich,
(Chiffre DD L05) sich zu bewerben.
Bewerbungsschluss: 11. August 2022
und die
Fachbereich Wirtschaft am Campus Wilhelmshaven: Schwerbehinderte werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher
Professur (W2) Eignung bevorzugt.
Obstbau/Baumschule Professur (m/w/d) für das Gebiet
(m/w/d)
(Chiffre DD L13) Digitales Informationsmanagement, Die LMU bietet Unterstützung für Doppelkarriere-Paare an.
zu besetzen. insbes. Anwendungssysteme im Tourismus Bewerbungen (mit Lebenslauf, strukturiertem Schriftenverzeichnis,
Bewerbung: Bitte richten Sie Ihre Bes.-Gr. W2 | Kennziffer W 86 kurzem Abriss der laufenden und künftigen Forschungsvorhaben,
Bewerbung schriftlich unter Angabe
der Chiffre mit aussagekräftigen Nachweis der Lehrerfahrung, Kopien relevanter Zeugnisse und
Bewerbungsschluss: 28. Juli 2022
Unterlagen per E-Mail bis zum Urkunden und maximal fünf ausgewählten Sonderdrucken), adres-
11.09.2022 an:
siert an den Dekan der Fakultät für Biologie, Herrn Prof. Dr.
bewerbung@htw-dresden.de BEWERBUNGEN AN jade-hs.de
Dario Leister, Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität
nähere Infos erhalten Sie unter:
www.htw-dresden.de/jobs München, Großhaderner Str. 2, 82152 Planegg-Martinsried, können
E-Mail: berufungen@jade-hs.de (zusammen mit der ausgefüllten Vorlage unter https://www.bio.lmu.
de/organisation/dekanat/) bis zum 15. Juli 2022 elektronisch unter
Die Stellenausschreibungen finden Sie unter dem Link https://dekanat.bio.lmu.de/letterbox eingereicht werden.
Scan me! jade-hs.de/professuren
An der Fachhochschule Bielefeld sind im Fachbereich Sozialwesen
BITTE BEACHTEN
zum 1. März 2023 folgende Professur zu besetzen
Anzeigen- / Druckunterlagenschluss Print-Online-Stellenanzeigen:
Montag der W2-Professur für das Lehrgebiet
Recht im Sozialwesen,
Erscheinungswoche,
Schwerpunkt Teilhabe von Menschen
An der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, Fakultät für
mit Behinderung und Betreuungsrecht
14 Uhr
Wirtschaftswissenschaften, ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine
W2-Professur „Öffentliches Recht, insbesondere Aufgaben
Energie- und Umweltrecht“ Die Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber soll in den Studiengängen
Andrea.Brandhoff@zeit.de 040/32 80396 zu besetzen. des Fachbereichs, insbesondere der Sozialen Arbeit und Pädagogik
der Kindheit das Lehrgebiet Rechtswissenschaften, vorrangig
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
rechtliche Aspekte der Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie
tu-freiberg.de/wirtschaft/karriere/
der rechtlichen Betreuung vertreten.
stellenausschreibungen/ausschreibungen/
oder direkt über den QR-Code. Ausführliche Informationen zum Stellenangebot finden Sie unter:
www.fh-bielefeld.de/jobs.
Bewerbungen richten Sie bitte bis zum 20.07.2022 an die
TU Bergakademie Freiberg, Dezernat für Personalangelegenheiten,
Bewerbungen
09596 Freiberg bzw. per E-Mail an Bitte senden Sie Ihre Bewerbung unter Angabe der Kennzahl
bewerbungen@tu-freiberg.de 4/2022/1A bis zum 24.06.2022 an die Fachhochschule Bielefeld,
Dekan des Fachbereichs Sozialwesen, Prof. Dr. Michael Stricker,
Interaktion 1, 33619 Bielefeld.
Wir freuen uns auf Ihre
aussagekräftige Bewerbung!
42 STELLENMARKT 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Die Zahl 3½ Fragen an: Cornelia Woll

27.400
1.
Was brauchen Sie heute im Beruf,
was Sie im Studium nicht gelernt haben?
Delegieren können. Mein Studium der Politik­
wissenschaft hat mich nur begrenzt in Teams
Gasthörer besuchten eingebunden, bei denen Effizienz und Arbeits­
teilung wichtig waren. Managementerfahrung
2. 3. 3½.
Was hat Sie während eines akademischen Lektüre muss sein. Welche? Und sonst so?
Auslandsaufenthaltes besonders beeindruckt? Ich lese gerne Recherchen zu Wirtschafts­ ... gewöhne ich mich nach
Mein Studium habe ich an der University of skandalen oder zu Aufstieg und Fall von meinem Wechsel von Paris
Chicago begonnen und wurde dort sehr geprägt Unternehmen. Empfehlen kann ich John an die kurze Mittagspause.
von der Nahbarkeit der Professoren. Auch als
Erstsemester konnten wir selbstverständlich mit
Prestons Fall: The Mystery of Robert Maxwell
oder Patrick Radden Keefes Empire of Pain:
Ein Arbeitsessen von zwei
Stunden ist hier selten, in

im Wintersemester an der Universität bedeutete meist Doktoran­

denbetreuung. Wissenschaftler wollen oft
Nobelpreisträgern über alle Themen sprechen.
Es war normal, in Sprechstunden Kursinhalte
The Secret History of the Sackler Family.
Oft brauche ich allerdings mehrere Tage
Frankreich Alltag!

Probleme selbst durchdringen und vertrauen nachzuholen. In Frankreich mangelt es den Auszeit, um wirklich in Lektüre einzutauchen
deutsche Hochschulen nur selten Lösungsvorschlägen anderer. Erst in
der Universitätsverwaltung habe ich gelernt,
Professoren oft schon am Büro, um Studenten
zu empfangen. An deutschen Unis fehlt meist
und die Arbeit hinter mir zu lassen. Cornelia Woll, 44, ist seit
März Präsidentin
Quelle: Verantwortung zu teilen, Arbeit abzugeben und die Zeit zur intensiven Betreuung. der Hertie School in Berlin
Statistisches Bundesamt nicht jede Frage selbst beantworten zu wollen.

ANZEIGE Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter ZEIT WISSEN³ unter www.zeit.de/wissendrei

TECHNISCHE HOCHSCHULE NÜRNBERG

GEORG SIMON OHM
Innovation braucht Vielfalt
Als Professor*in an der TH Nürnberg haben Sie ein einzigartiges berufliches
Umfeld. Als große Hochschule bieten wir Ihnen viele Möglichkeiten, Ihre Tätig-
keit flexibel zu gestalten. Ihre innovativen Ideen in Lehre und Forschung und
Ihre Mitwirkung in strategischen Projekten prägen das Profil unserer Hoch-
schule mit.
Bei uns agieren Sie vernetzt in kollegialen Teams. Sie arbeiten mit Studierenden
in innovativen Lehr- und Lernformaten und begleiten aktiv ihre Persönlichkeits-
entwicklung. Sie bringen Ihre Kompetenz in interessante und gesellschaftlich
relevante Vorhaben ein. Sie sind hochschulweit und international interdisziplinär
vernetzt. Der Transfer Ihrer Erkenntnisse in die Praxis schafft einen Mehrwert
für die Menschen – so gestalten Sie den technologischen und gesellschaft-
lichen Wandel aktiv mit.
An der Fakultät Verfahrenstechnik ist zum Sommersemester 2023 oder später eine
Professur der BesGr W 2 zu besetzen.
Professur für das Lehr- und Forschungsgebiet
Anlagenplanung und Anlagenbau in der Ver-
fahrenstechnik
Interessiert?
Dann unternehmen Sie den nächsten Schritt und verwirklichen Sie
Ihre beruflichen Ziele mit uns! Weitere Einzelheiten zum Aufgaben-
gebiet sowie zu den Einstellungsvoraussetzungen finden Sie unter
https://karriere.service.th-nuernberg.de/yzvoa.
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung bis zum 13. Juli
2022. Bitte nutzen Sie ausschließlich unser Online-Bewerbungsportal.
Bei Fragen zur Professur steht Ihnen gerne Prof. Armin Beier (Tel. 0911 5880-1468)
zur Verfügung.
Werden Sie Professor*in an der TH Nürnberg und erfahren Sie mehr zu unseren
Angeboten und zum Berufungsverfahren unter den FAQ.
www.th-nuernberg.de
W2-Universitätsprofessur
(Tenure Track W2)
Kunststoffe in der
Kreislaufwirtschaft
Fakultät für Maschinenwesen
Die RWTH Aachen ist eine der Exzellenzuniversitäten Deutschlands
und genießt weltweit ein hohes Ansehen in Forschung und Lehre.
Zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird an der Fakultät für Maschinen-
wesen eine W2-Universitätsprofessur besetzt, die das Fach Kunst-
stoffe in der Kreislaufwirtschaft in Forschung und Lehre vertritt.
Ziel der neu eingerichteten Professur ist die Schaffung der wissen-
schaftlichen Basis für die Transformation von einer linearen zu einer
zirkulären Kunststoffwirtschaft. Gesucht wird ein Experte oder eine
Expertin in der chemischen Verfahrenstechnik bzw. im Chemieinge-
nieurwesen mit Schwerpunkt Kunststoffrecycling.
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.rwth-aachen.de/jobs/professuren
Bewerbungsfrist ist der 13.07.2022.
TECHNISCHE HOCHSCHULE NÜRNBERG
An der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und
Theologie ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
W2-Professur mit Tenure Track
oder W3-Professur für Geschichte
moderner Gesellschaften
zu besetzen.
Gesucht wird ein*e national wie international ausgewiesene*r
Wissenschaftler*in mit einem Schwerpunkt in der Geschichte
moderner Gesellschaften (19./20. Jahrhundert). Eigene For-
schungen und Lehrerfahrungen im Bereich der europäischen
Geschichte in ihren globalen Bezügen sind erforderlich, ein
zusätzlicher Schwerpunkt in einer nicht-europäischen Weltregion
ist erwünscht. Erwartet wird die aktive Mitwirkung im SFB 1288
„Praktiken des Vergleichens“ und ein Engagement in anderen
laufenden oder geplanten Verbundprojekten innerhalb und außer-
halb der Fakultät. Die Bielefelder Abteilung für Geschichts-
wissenschaft versteht sich als Ort einer theoriegeleiteten
und interdisziplinär ausgerichteten historischen Forschung.
Dementsprechend soll der/die Stelleninhaber*in für kultur-
und sozial-geschichtliche, praxeologische sowie sozialwissen-
schaftliche Ansätze aufgeschlossen sein und die Zusammen-
arbeit mit der Bielefelder Fakultät für Soziologie, u.a. im Rahmen
der Bielefeld Graduate School in History and Sociology, pflegen
und ausbauen. Erwartet wird zudem eine aktive Beteiligung an
den strukturellen und profilbildenden Reformen der Fakultät.
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hoch-
schulstudium, pädagogische Eignung, qualifizierte Promotion
in den Geschichtswissenschaften oder einem verwandten Fach
sowie darüber hinaus zusätzliche wissenschaftliche Leistungen,
die ausschließlich und umfassend im Berufungsverfahren bewertet
werden (§ 36 HG). Im Falle der Besetzung als W2-Professur
erfolgt die Einstellung zunächst auf fünf Jahre befristet; nach
Ernennung wird eine Zielvereinbarung formuliert. Bei positiver
Evaluierung im letzten Jahr erfolgt die Umwandlung in eine
unbefristete W3-Professur. Die Tenure-Evaluationen sind in den
Satzungen zur Durchführung W2-Professuren mit Tenure-Track
geregelt. W2 Tenure-Track-Professuren sind an der Universität
Bielefeld als gleichberechtigte Besetzungsvariante fest etabliert.
Tenure-Track-Professor*innen wird ein zielgruppenspezifisches
Personalentwicklungsprogramm angeboten, das Unterstützung
bei der Ankommensphase und bei der Vorbereitung der Tenure-
Evaluation bietet.
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter und ihnen gleich-
gestellter behinderter Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Die Fakultät betrachtet die Gleichstellung von Frauen und
Männern als eine wichtige Aufgabe, an deren Umsetzung der/
die zukünftige Stelleninhaber*in mitwirkt. Die Universität
Bielefeld ist für Ihre Erfolge in der Gleichstellung mehrfach
ausgezeichnet und als familiengerechte Hochschule zertifiziert.
Sie freut sich über Bewerbungen von Frauen. Dies gilt in
besonderem Maße im wissenschaftlichen Bereich sowie in Technik,
IT und Handwerk. Sie behandelt Bewerbungen in Überein-
stimmung mit dem Landesgleichstellungsgesetz. Die Universität
Bielefeld fördert Dual Career-Paare und unterstützt diese mit
einem Serviceangebot bei der Gestaltung eines gemeinsamen
Arbeits- und Lebensmittelpunkts.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf,
Publikationsverzeichnis mit Kennzeichnung der zehn wichtigsten
Veröffentlichungen, fünfseitiges Lehr- und Forschungskonzept,
Verzeichnis der Lehrveranstaltungen, Kopien akademischer
Zeugnisse) reichen Sie bitte bis zum 15.07.2022 online über
das Berufungsportal der Universität Bielefeld ein:
https://berufungen.uni-bielefeld.de
Kontakt:
Universität Bielefeld
Dekan der Fakultät für Geschichtswissenschaft,
Philosophie und Theologie
Im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften der Universität
Osnabrück ist folgende Professur (m/w/d) zum nächstmöglichen
Zeitpunkt zu besetzen:
„Geschichte des Mittelalters“
(Bes.Gr. W2)
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte in einer
PDF-Datei bis zum 27.07.2022 an den Dekan des Fachbereichs
Kultur- und Sozialwissenschaften, Herrn Prof. Dr. Hajo Holst
(dekanatfb1@uni-osnabrueck.de).
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung.
Das Fachgebiet Sachunterricht des Fachbereichs Erziehungs- und
Kulturwissenschaften sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n
wissenschaftliche*n Mitarbeiter*in (m/w/d)
(Entgeltgruppe 13 TV-L, 100 %)
auf unbestimmte Zeit.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte in einer
PDF-Datei bis zum 13.07.2022 an: mobrink@uni-osnabrueck.de
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.uni-osnabrueck.de/stellenangebote
The Faculty of Environmental Sciences at TU Dresden and the Leibniz-Institut für ökologische Raum-
entwicklung e.V. (Leibniz Institute of Ecological Urban and Regional Development) invite applications for the
Chair of Spatial Information and Modelling
associated with the
Head of the Research Area
Spatial Information and Modelling
at the Leibniz Institute of Ecological Urban and Regional Development (IOER)
in a joint appointment procedure according to § 62 (2) of the Act on the Autonomy of Institutions of Higher
Education in the Free State of Saxony (SächsHSFG) to be filled by January 1, 2023.
The appointment is initially limited to five years. In the event of a positive evaluation by the IOER, the
employment contract at the IOER is to be made permanent. For the duration of the employment relationship at
IOER you (m/f/x) will be appointed to the chair and granted the status of a university lecturer at TU Dresden.
The Faculty of Environmental Sciences unites - unique in Germany - the three environmentally related scientific
fields of forestry, geosciences and hydrosciences under one roof. The interdisciplinary and international orien-
tation creates great synergy potentials. Overarching focal points are the monitoring and modelling of the Earth
system at global, regional and local scales, as well as the sustainable development of the human habitat. For
more than 20 years, there has been close cooperation with the IOER in research and teaching.
The IOER is a non-university research center and a member of the Leibniz Association. As a leading center for
advanced spatial sustainability science, it develops cross-scale spatial information, analysis tools and knowledge,
as well as policy- and planning instruments that enhance adaptive and transformative capacities in spatial
contexts. To that effect, the Institute strives to elucidate the internal and external sustainability orientations of
individuals, organizations and society, as well as their embeddedness in socio-ecological-technological spatial
configurations. The IOER promotes gender equality and values the diversity of its team. It is certified by Total-
E-Quality.
You will be responsible for managing the IOER research area "Spatial Information and Modelling", including
the research data infrastructure "IOER-Monitor" located here. This will likely be expanded into a research data
center from 2023 (subject to funding approval, with nine full-time positions on a permanent basis). At the same
time, the subject area of "Spatial Information and Spatial Modelling" at TU Dresden is to be represented with
two SWS. We expect you to be willing and able to teach in English. Teaching is to be provided in Master's
degree programs at TU Dresden (in particular Spatial Development and Natural Resource Management, Geography,
Geoinformatics Technologies). This includes the supervision of master theses and dissertations, especially within
the framework of the Dresden Leibniz Graduate School (DLGS), which is run jointly with the IOER. We expect your
active participation in the further development of the cooperation between TUD and IOER.
You should have an international reputation for outstanding scientific work in the field of spatial information and
modelling and have experience in university teaching and supervision of young scientists. We expect comprehen-
sive theoretical, methodological and practical knowledge in the following areas:
l monitoring and analysis methods of land use, settlement and building stock and ecosystem services in urban,
regional and/or landscape development.
l spatial modelling and scenario development
An der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf ist zum nächstmögli-
chen Zeitpunkt die Position
der Kanzlerin/des Kanzlers
(Vollzeit, unbefristet)
zu besetzen.
Die Fliedner Fachhochschule mit aktuell 2.000 Studierenden ist
eine aufstrebende, private, staatlich anerkannte Fachhochschule in
Düsseldorf-Kaiserswerth, die in der Bildungstradition der Kaisers-
werther Diakonie wurzelt. Sie bietet derzeit in den Fachbereichen
Gesundheit & Pflege sowie Soziales & Bildung 9 Bachelor und
6 Master Studiengänge an.
Als Leiterin/Leiter der Hochschulverwaltung trägt die Kanzlerin/der
Kanzler die Personalverantwortung für das nichtwissenschaftliche
Personal der Hochschule. Sie/er wirkt als Mitglied des Rektorats an
der strategischen Weiterentwicklung des kirchlich-diakonischen
Profils der Hochschule mit; die Mitgliedschaft in einer christlichen
Kirche (ACK-Klausel) wird daher erwartet. Zudem ist die Kanzle-
rin/der Kanzler eine/r der vertrauensvoll miteinander agierenden
Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer der die Hochschule tragen-
den gGmbH.
Um den hohen Anforderungen der Studierenden, Lehrenden und
Forschenden gerecht zu werden, kommt der Professionalisierung
einer serviceorientierten Verwaltung eine maßgebliche Rolle zu.
Von der Kanzlerin/dem Kanzler wird daher erwartet, dass sie/er
unter Nutzung der eingeführten Hochschulsoftware Verwaltungs-
prozesse optimiert, standardisiert und kontinuierlich weiterent-
wickelt. Zugleich trägt sie/er insbesondere Verantwortung für die
Wirtschaftsführung der Hochschule unter Einschluss eines Control-
lings und Forderungsmanagements sowie für Satzungen, Ver-
tragsangelegenheiten und das Prüfungswesen. Ihr/sein besonde-
res Augenmerk hat ferner der Digitalisierung und dem Bau- und
Liegenschaftsmanagement zu gelten. Vorausgesetzt wird zudem
die engagierte Mitarbeit in Hochschulgremien und Ausschüssen.
Sie verfügen über:
• ein abgeschlossenes Hochschulstudium
• eine nachgewiesene Führungskompetenz und Leitungserfahrung,
insbesondere in Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung oder
Rechtspflege
• Erfahrungen mit maßgeblichen Haushalts- und Finanzfragen ein-
schließlich des Steuerwesens
• die Fähigkeit zu unternehmerischem Denken und Handeln
• eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Verhandlungsge-
schick und eine auf die speziellen Belange der Hochschule gerich-
tete Sozialkompetenz
• hohe Eigenmotivation und -initiative.
Wünschenswert sind ferner Kenntnisse über Hochschulstrukturen
und des Hochschulrechts.
Für die Stelle ist eine der Aufgabenstellung in einer privaten Hoch-
schule entsprechende, angemessene Vergütung vorgesehen. Be-
werbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht und werden
bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen ge-
eigneter Menschen mit Behinderung und Gleichgestellter im Sinne
des § 2 Abs. 3 Teil 1 SGB IX sind ebenfalls erwünscht.
Die Fliedner Fachhochschule wird bei diesem Besetzungsverfahren
durch die Personalberatung Leaders In Science unterstützt. Ihre Be-
werbung senden Sie bitte bis einschließlich Montag, 8. August
2022 ausschließlich per E-Mail (maximal drei Dateianhänge) an
Frau Anne Schermer unter schermer@leaders-in-science.de.
Ihre Daten werden streng vertraulich, ausschließlich im Rahmen
Ihrer Bewerbung und gestützt auf das deutsche Datenschutzrecht
bearbeitet. Mit Ihrer Bewerbung geben Sie uns das Einverständnis,
Ihre Daten zu bearbeiten und mit der von uns beauftragten Perso-
nalberatung auszutauschen.

GEORG SIMON OHM Postfach 10 01 31 l Innovative methods of geoinformatics (e.g. Spatial Data Science, GeoAI, Machine Learning, Explorative

33501 Bielefeld
Innovation braucht Vielfalt Bitte beachten Sie, dass Gefährdungen der Vertraulichkeit und
der unbefugte Zugriff Dritter bei einer Kommunikation per
Geovisualization, Participatory Modelling, Decision Support Systems) to work on these aspects and in close
connection with national and international (Research) Spatial Data Infrastructures.
We are looking for a personality with experience in the relevant subject areas and research fields, as well as a
recognizably high demand for innovation in research and teaching. We expect suitable evidence for:
l success in the independent acquisition of third-party funding (especially DFG, BMBF, EU Horizon), project

Als Professor*in an der TH Nürnberg haben Sie ein einzigartiges berufliches unverschlüsselter E-Mail nicht ausgeschlossen werden können. management and implementation.
l extensive publication activity in international peer-reviewed journals and other relevant media
Umfeld. Als große Hochschule bieten wir Ihnen viele Möglichkeiten, Ihre Tätig- Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen l participation in international, European and national committees, associations and networks
keit flexibel zu gestalten. Ihre innovativen Ideen in Lehre und Forschung und Daten finden Sie unter: l experience in staff management and in leading working groups

Ihre Mitwirkung in strategischen Projekten prägen das Profil unserer Hoch-
schule mit.
Bei uns agieren Sie vernetzt in kollegialen Teams. Sie arbeiten mit Studierenden
in innovativen Lehr- und Lernformaten und begleiten aktiv ihre Persönlichkeits-
entwicklung. Sie bringen Ihre Kompetenz in interessante und gesellschaftlich
relevante Vorhaben ein. Sie sind hochschulweit und international interdisziplinär
vernetzt. Der Transfer Ihrer Erkenntnisse in die Praxis schafft einen Mehrwert
für die Menschen – so gestalten Sie den technologischen und gesellschaft-
lichen Wandel aktiv mit.
An der Fakultät Bauingenieurwesen ist zum Sommersemester 2023 oder später eine
Professur der BesGr W 2 für das Lehr- und Forschungsgebiet
Digitale Methoden und Geomatik im Bauwesen
https://uni-bielefeld.de/uni/karriere/2019_DS-Hinweise.pdf
QUEREINSTIEG IN DEN LEHRERBERUF
für Germanisten | Historiker | Physiker
l ability to work together in an interdisciplinary manner, ability to work in a team, and strong social skills
l very good knowledge of English (C2) and German (at least C1); further language skills are an advantage.
You will be recruited at the IOER in Dresden and will be employed for an initial period of five years at the IOER
on the basis of an employment contract under private law with remuneration corresponding to grade W2, salary
scale W to § 34 of the Saxon Civil Pay Scale Act. You will take on scientific management tasks at the IOER. For
the duration of the existence of the employment relationship on IOER, you will be appointed Professor of Spatial
Information and Modelling at TUD and you are granted the membership status of a university lecturer at TUD.
The appointment is made according to the Thuringian model pursuant to § 62 (2) of the Act on the Autonomy
of Institutions of Higher Education in the Free State of Saxony (SächsHSFG); no civil service or employment
relationship is established with TUD. Applicants must fulfil the employment qualification requirements of § 58
SächsHSFG.
For questions please contact the chairwoman of the joint appointment committee Prof. Dr. Alexandra Weitkamp
(phone +49 351 463-37115, email: alexandra.weitkamp@tu-dresden.de and Prof. Dr. Marc Wolfram, Director
of IOER, email: m.wolfram@ioer.de).
TU Dresden and the IOER seek to employ more female professors. Hence, we particularly encourage women
to apply. Applications from candidates with disabilities or those requiring additional support are very welcome.
The university is a certified family-friendly university and offers a Dual Career Service. If you have any ques-

zu besetzen.
Chemiker | Biologen | Mathematiker
Ingenieure | Informatiker (m/w/d)
mit Diplom (Uni.), Magister, Staatsexamen oder Master
Interessiert?
Weitere Einzelheiten zur Stellenausschreibung entnehmen Sie bitte Werden Sie
der Website der TH Nürnberg unter
https://karriere.service.th-nuernberg.de/oqz59.
Oberstufenlehrer*in an Waldorfschulen
 Intensivkurs Oberstufe – Ausbildung an Schule und
Bitte nutzen Sie ausschließlich unser Online-Bewerbungsportal. Wir Seminar innerhalb eines Schuljahres (Förderung mit
freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung bis zum 12. Juli 2022. Bildungsgutschein möglich) oder
Bei Fragen zur Professur steht Ihnen gerne Prof. Dr. Alexander Weidelener (Tel. 0911  2-jähriges Blockstudium – berufs- oder studienbegleitend
5880-1133) zur Verfügung.
Lehrerseminar für Waldorfpädagogik
Brabanter Straße 30 · 34131 Kassel · Telefon (0561) 20 75 68-0
Werden Sie Professor*in an der TH Nürnberg und erfahren Sie mehr zu unseren Ange-
boten und zum Berufungsverfahren unter den FAQ. www.lehrerseminar-forschung.de
www.th-nuernberg.de Weitere Informationen auf jobs.zeit.de
tions on these or related topics, please contact the Equal Opportunity Officer of the Faculty of Environmental
Sciences (apl. Prof. Doris Krabel, phone +49 351 463-31857), the Equal Opportunities Officer of the IOER
(Ulrike Schinke, phone +49 351 4679 203), the Representative of Employees with Disabilities at TU Dresden
(Roberto Lemmrich, phone +49 351 463-33175) or the Representative of Employees with Disabilities of the
IOER (Kerstin Ludewig, phone +49 351 4679 247).
Please send your application in English with a curriculum vitae in
table form, a description of your scientific career, a list of third-
party funds raised, a description of the research concept for the
desired chair, a list of teaching activities, teaching evaluation
results, an overview of the supervision of theses, a list of publi-
cations, copies of certificates or references for doctorates and degrees, copies of employer's references and
a letter explaining your motivation for applying by August 11, 2022 (stamped arrival date of the university
central mail service applies) to: TU Dresden, Dekan der Fakultät Umweltwissenschaften, Herrn Prof.
Dr. Hans-Gerd Maas, Helmholtzstr. 10, 01069 Dresden, Germany and in electronic form via the TU
Dresden SecureMail Portal https://securemail.tu-dresden.de by sending it to dekanat.uw@tu-dresden.de.
Please submit copies only, as your application will not be returned to you.
The application documents will be made available to the relevant committees of TUD and the IOER. Representatives
appointed by both institutions will take part in the application presentations and interviews.
Reference to data protection: Your data protection rights, the purpose for which your data will be
processed, as well as further information about data protection is available to you on the website:
https: //tu-dresden.de/karriere/datenschutzhinweis.
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 STELLENMARKT
At Hamburg University of Technology (TUHH), the following position is to be filled,
starting in the summer term 2023.
JUNIOR PROFESSORSHIP (W1) WITH
TENURE TRACK TO FULL PROFESSORSHIP (W3)
IN THE FIELD OF
ETHICS IN TECHNOLOGY
Ref. No. P2208
New technologies, despite their potential benefits, usually raise a myriad of concerns and ethical
questions. Autonomous vehicles, for example, use algorithms to respond to potential accidents. The
development of technologies, especially those related to artificial intelligence and digitalisation,
must keep the ethical, legal and societal dimensions in mind. Against this background, it is crucial
to develop and promote the relevant skills and knowledge that will enable engineering students
and researchers to comprehensively understand and analyse the ethical dimensions of technology
development and its governance.
With this Junior Professorship the TUHH aims to strengthen research and teaching in the domain of
ethics and its applications in technology. The post-holder will support TUHH research and teaching
at the interface of philosophy and technology. Relevant areas of research include, but are not
restricted to, the following topics related to ethics in technology and engineering:
For the full job posting with information
on teaching, gender equality, hiring • Ethics in automation, autonomy, artificial intelligence, big data and information technology
requirements, and a link to • Ethics in design and development of safety and security systems technologies
the application portal, please visit • Ethics in logistics and supply chains
tuhh.de/faculty-recruiting • Privacy and security information management
• Ethics in biological and medical technologies
The deadline for applications • Climate change and social-ecological transformations
is Juli 28, 2022. Applicants should preferably have an experienced background at the intersection of philosophy and
technology. Based on this interdisciplinary background, the successful applicant will initiate and
conduct novel collaborative research with other TUHH institutes and external research institutions.
The candidate is expected to be actively involved in teaching basic and advanced courses in
different degree programs of TUHH, particularly in mechanical engineering, electrical engineering,
industrial engineering, and computer science. The ability to teach in German is an advantage. The
candidate should be willing to raise third-party funds.
TUHH.DE This Junior Professorship is financed by the Joint Federal Government-Länder Tenure-Track Programme.
Die Universität Paderborn ist eine leistungsstarke und international orientierte
Campus-Universität mit rund 20.000 Studierenden. In interdisziplinären
Teams gestalten wir zukunftsweisende Forschung, innovative Lehre sowie den
aktiven Wissenstransfer in die Gesellschaft. Als wichtiger Forschungs- und
Kooperationspartner prägt die Universität auch regionale Entwicklungs-
Die Fakultät Bauingenieurwesen und Umwelttechnik
strategien. Unseren über 2.500 Beschäftigten in Forschung, Lehre,
Technik und Verwaltung bieten wir ein lebendiges, familienfreundliches und der Technischen Hochschule Deggendorf bietet folgende Stelle
chancengerechtes Arbeitsumfeld mit kurzen Entscheidungswegen und viel- der Bes.Gr. W2:
fältigen Möglichkeiten.
Gestalten Sie mit uns die Zukunft!
Professur (d/m/w)
In der Fakultät für Kulturwissenschaften am Institut für Katholische Theologie ist für das Lehrgebiet „Wasserbau und Siedlungswasserwirtschaft“
zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Professur zu besetzen:
zum Wintersemester 2022/23
W3-Universitätsprofessur (w/m/d)
Systematische Theologie
Mehr Infos unter
Die*Der zukünftige Stelleninhaber*in soll das Fach Systematische Theologie in
www.th-deg.de/arbeiten-an-der-thd
der Breite in Lehre und Forschung vertreten.
Zu den Aufgaben der*des Stelleninhaber*in gehören:
• Forschung im Bereich Dogmatik und Fundamentaltheologie; erwünscht sind
Forschungserfahrungen im Bereich religiöser Pluralität, insbesondere im
Dialog der abrahamitischen Religionen
• Lehre im Fach Systematische Theologie/Dogmatik und Fundamentaltheologie,
insbesondere in den vom Institut bzw. von der Fakultät angebotenen
Bachelor- und Master-Lehramtsstudiengängen sowie im Anteilsfach
„Komparative Theologie der Religionen“ im Zwei-Fach-Bachelor-Studiengang
und im Anteilsfach „Theologien im Dialog“ im Master-Studiengang Kultur und
Gesellschaft
• Kooperation mit dem Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissen-
schaften, insbesondere mit dem Seminar für Islamische Theologie und der
Professur für Jüdische Studien und im Kontext des jüdisch-christlichen Dialogs
• Kooperationen und Initiativen für nationale und internationale Forschungs-
vorhaben
• Mitarbeit in der universitären Selbstverwaltung
Erwartet werden:
• Eine überdurchschnittliche Promotion in Katholischer Theologie im Fach
Systematische Theologie, möglichst mit Schwerpunkt Dogmatik und
Fundamentaltheologie
• Eine Habilitation oder vergleichbare wissenschaftliche Leistungen im Fach
Systematische Theologie, möglichst mit Schwerpunkt Dogmatik und
Fundamentaltheologie
• Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln Die Universität Paderborn ist eine leistungsstarke und international orientierte
• Erfahrungen in der lehramtsspezifischen universitären Lehre Campus-Universität mit rund 20.000 Studierenden. In interdisziplinären
• Erfahrungen in der schulischen und/oder außeruniversitären Bildungsarbeit Teams gestalten wir zukunftsweisende Forschung, innovative Lehre sowie den
aktiven Wissenstransfer in die Gesellschaft. Als wichtiger Forschungs- und
Einstellungsvoraussetzungen: Kooperationspartner prägt die Universität auch regionale Entwicklungs-
§ 36 Abs. 1 Ziff. 1–4 HG NRW (abgeschlossenes Hochschulstudium, strategien. Unseren über 2.500 Beschäftigten in Forschung, Lehre,
pädagogische Eignung, einschlägige Promotion und zusätzliche wissenschaft-
Technik und Verwaltung bieten wir ein lebendiges, familienfreundliches und
liche Leistungen).
chancengerechtes Arbeitsumfeld mit kurzen Entscheidungswegen und viel-
Die Universität Paderborn strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen als Hoch- fältigen Möglichkeiten.
schullehrerinnen an und fordert daher qualifizierte Wissenschaftlerinnen nach-
Gestalten Sie mit uns die Zukunft!
drücklich zur Bewerbung auf. Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich er-
wünscht und werden gem. LGG bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher In der Fakultät für Kulturwissenschaften, Musikwissenschaftliches Seminar Det-
Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mit- mold/Paderborn ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende auf 5 Jahre befris-
bewerbers liegende Gründe überwiegen. Ebenso ist die Bewerbung geeigneter tete Professur zu besetzen:
Schwerbehinderter und Gleichgestellter im Sinne des Sozialgesetzbuches
Neuntes Buch (SGB IX) erwünscht. W2–Universitätsprofessur (w/m/d)
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen werden bitte unter Angabe der
Kennziffer 4922 bis zum 13.07.2022 online über das Bewerbungsportal der Uni- (Akademie-Professur) für Digitale
versität Paderborn erbeten: https://bewerbung.uni-paderborn.de/stellen/4922
Musikphilologie / Digital Humanities
Informationen zur Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten finden Sie
unter: https://www.uni-paderborn.de/zv/personaldatenschutz. Die Professur ist eine gemeinsam von der Universität Paderborn und der
Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, eingerichtete Stelle, die
Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften
im Rahmen der Weiterqualifizierungsinitiative der Union der deutschen
Universität Paderborn Akademien steht und zur stärkeren Vernetzung der beiden Institutionen
Warburger Str. 100 beitragen soll. Die*Der Stelleninhaber*in soll die Digital Humanities im
33098 Paderborn Fachgebiet Digitale Musikphilologie in der Forschung und auch in der Lehre
(z. B. Schwerpunkt Digitale Musikedition im MA-Studiengang Musikwissen-
www.upb.de schaft; Edirom Summer School; Digital Humanities) interdisziplinär vertreten.
Kernaufgabe der Akademie-Professur ist dabei die Mitarbeit im Akademie-
vorhaben „Beethovens Werkstatt: Genetische Textkritik und Digitale Edition“
und perspektivisch dessen Leitung. Im fakultätsübergreifenden Profilbereich
„Digital Humanities“, der digitale Forschungsaktivitäten zahlreicher Fächer
bündelt und die entsprechenden Einrichtungen und -projekte miteinander
vernetzt, spiegelt sich ein disziplinenübergreifendes offenes Verständnis von
Digital Humanities als Querschnittsthema. Das Zentrum Musik – Edition –
Medien (ZenMEM) und das Musikwissenschaftliche Seminar Detmold/Paderborn
sind führend bei der Entwicklung von Methoden und Werkzeugen digitaler
Musikedition.
Im Dezernat III – Studium und Lehre der Universität Tübingen ist zum 01.09.2022 die Die*Der Stelleninhaber*in soll die Profilierung des Standorts Detmold/
Paderborn im Bereich der Musikkodierung weiter ausbauen; eine zentrale Rolle
Leitung für die Abt. Arbeitsstelle Hochschuldidaktik spielt hier die Weiterarbeit am internationalen Standard der Music Encoding
Initiative, die Entwicklung von Methoden und Werkzeugen der Musikkodierung
(m/w/d, 100 %, E 14 TV-L) und -analyse sowie der Visualisierung. Dem Grundgedanken von Open Science
unbefristet zu besetzen. folgend soll die Professur im intensiven fachlichen Austausch mit anderen
einschlägigen Forschungsprojekten stehen, beispielsweise im Rahmen der unter
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung begleiten und gestalten lehrbezogene dem Dach der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz
Qualifizierungs- und Entwicklungsprozesse für Hochschullehrende aller akademischer Status- koordinierten Musikeditionsvorhaben, und eine in der Forschungsrichtung
gruppen sowie für studentische TutorInnen und MentorInnen. Sie beraten Lehrende im Quali-
bedeutende Anlaufstelle sein. Vorausgesetzt werden fachliche Expertise, belegt
fikationsprozess als auch zur Mediendidaktik und zum E-Learning. Zum Aufgabenspektrum durch eine Promotion im Fach Musikwissenschaft und weitere, für das
gehören Fortbildungsangebote und Beratungen „on demand“ u. a. für Institute und Einrichtungen Fachgebiet der Professur einschlägige Publikationen (inkl. Veröffentlichungen
an der Universität, ein Fortbildungsprogramm für studentische TutorInnen (überfachlich und von Forschungsdaten und Forschungssoftware), internationale Vernetzung
fachbezogen) sowie die Mitwirkung in diversen universitätsinternen Netzwerken und Projekten. sowie Erfahrung in der Einwerbung und Durchführung drittmittelfinanzierter
Neben der Platzierung und Sichtbarmachung des Themas Lehre in der Hochschulöffentlichkeit Forschungsprojekte. Erwartet werden ein hohes Maß an Kooperationsbereit-
spielt die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die Lehre (u.a. internationale Kooperation schaft und aktives Engagement bei der Einwerbung von Drittmitteln. Erwartet
und digital unterstützte Lehre) eine entscheidende Rolle. In ihrer Schnittstellenfunktion steht wird ebenfalls die Mitarbeit in den Gremien der universitären Selbstverwaltung.
die Abteilung im Austausch mit allen Beteiligten in den Fächern, zentralen Einrichtungen, der
Verwaltung sowie der Hochschulleitung.
Einstellungsvoraussetzungen: § 36 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 HG NW (abgeschlossenes
Hochschulstudium, pädagogische Eignung, einschlägige Promotion und zusätz-
Zudem ist die Abteilung Mitglied im Hochschuldidaktikzentrum Baden-Württemberg (HDZ). Im liche wissenschaftliche Leistungen)
Rahmen dieses landesweiten Netzwerks wird u.a. ein hochschuldidaktisches Qualifizierungs- Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht und werden gem. LGG
programm gemeinsam entwickelt und durchgeführt. bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt,
Für die Leitung dieser Abteilung suchen wir eine Persönlichkeit, die nachweislich in der Lage sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Die
ist, innovative Themen in der Lehre zu erkennen, aufzugreifen und entsprechend Neu-/Weiter Bewerbung geeigneter Schwerbehinderter und Gleichgestellter im
entwicklungen zu gestalten sowie Vernetzungs-, Integrations- und Verwaltungsprozesse ziel- Sinne des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) ist erwünscht.
orientiert zu steuern, bildungs- und hochschulpolitische Entwicklungen aufzugreifen und mit Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen werden unter Angabe der Kennziffer
hochschuldidaktischen Themen und Qualifizierungsanforderungen zu verbinden. 5183 bis zum 27.07.2022 online über das Bewerbungsportal der Universität
Weitere Aufgaben und Voraussetzungen finden Sie auf: https://uni-tuebingen.de/universitaet/
Paderborn erbeten: https://bewerbung.uni-paderborn.de/stellen/5183
Informationen zur Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten finden Sie
stellenangebote/freie-stellen/
unter: https://www.uni-paderborn.de/zv/personaldatenschutz.
Die Stelle ist grundsätzlich teilbar. Frauen werden ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert.
Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt be- Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften
rücksichtigt. Universität Paderborn
Warburger Str. 100
Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte bis zum 07.07.2022 per E-Mail in
33098 Paderborn
einem PDF-Dokument (max. 4 MB) an dezernat-studium-und-lehre@zv.uni-tuebingen.de. Für
Rückfragen steht Ihnen die Dezernentin Frau Lucia Vennarini gerne unter 07071/29-74206
www.upb.de
zur Verfügung.
43
Die Rhein-Main-Universitäten (RMU) suchen zum nächstmöglichen
Zum nächstmöglichen Termin ist, vorbehaltlich der Freigabe der Haushalts-
mittel, an der Hochschule Bremen eine Professur - Besoldungsgruppe W2 - Zeitpunkt eine_n
(w/m/d) für das Fachgebiet „Produktionstechnik und Fertigungsverfahren”
Kennziffer: FK5-M1/21-1 zu besetzen. Geschäftsführer_in (w/m/d)
Ihr Profil zunächst befristet bis zum 31.12.2025.
Abschluss eines einschlägigen ingenieurwissenschaftlichen Hochschulstudiums
und einer aussagekräftigen Promotion, mehrjährige wissenschaftliche und Die Rhein-Main-Universitäten (RMU) sind die strategische Allianz der
praktische Erfahrungen zum Schwerpunkt Produktionstechnik und Fertigungs- Technischen Universität Darmstadt, der Goethe-Universität Frankfurt
verfahren.
und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Mit über 100.000
Informationen zur Stelle, Berufungsvoraussetzungen, zum Datenschutz, zur Gleich-
stellung, sowie Hinweise für Menschen mit Schwerbehinderung und Migrations- Studierenden und rund 1.500 Professor_innen kooperieren sie in
hintergrund, finden Sie unter: www.karriere.bremen.de oder www.hs-bremen. Forschung, Studium und Lehre, im Wissenstransfer und in der Admi-
de/prof-produktionstechnik . nistration. Die renommierten Forschungsuniversitäten gestalten Frank-
Ihre Bewerbung inkl. Unterlagen richten Sie bitte unter Angabe der o. g. furt-Rhein-Main als integrierte und global sichtbare Wissenschafts-
Kennziffer bis zum 15.07.2022 per E-Mail als zusammengefass- region. Weitergehende Informationen zu den RMU finden Sie unter:
te PDF-Datei (Größenbegrenzung 25 Mbyte) an das Dezernat www.rhein-main-universitaeten.de
Personalangelegenheiten: professur@hs-bremen.de.
Hochschule Bremen Die Rhein-Main-Universitäten stehen vor einem ambitionierten und
Neustadtswall 30 weitreichenden Prozess der weiteren Entwicklung und Vertiefung der
28199 Bremen Allianz. Das Direktorium (die Präsidien der drei Universitäten) richtet
daher eine Geschäftsstelle der Rhein-Main-Universitäten in der Rechts-
form einer gGmbH (in Gründung) ein, für die mit dieser Ausschreibung
ein_e Geschäftsführer_in gesucht wird. Die Geschäftsführung wird
direkt mit der_dem Sprecher_in des Direktoriums (eine_r der Präsi-
dent_innen der Universitäten) zusammenarbeiten und eine zentrale
Funktion für die strategische Entwicklung der Allianz innehaben.
Im Fachbereich VI – Raum- und Umweltwissenschaften – der Universität Trier ist zum Ihre Aufgaben:
nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Stelle zu besetzen: • Aufbau und Leitung der Geschäftsstelle der RMU mit voraussichtlich
vier weiteren Mitarbeitenden
W3-Professur für Kultur- und • Unterstützung des Direktoriums der RMU in der strategischen und
Politische Geographie (m/w/d) organisatorischen Leitung und Entwicklung der RMU
(Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) • Verantwortung für die Betreuung der Gremien der RMU
• Verantwortung für das Monitoring und die Steuerung der zentralen
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter: strategischen Entwicklungsprojekte und Kooperationsformate der
www.stellen.uni-trier.de RMU, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Präsidiums-
Bewerbungen sind in einer einzigen pdf-Datei bis zum 01.08.2022 mitgliedern und Einheiten der Universität
erwünscht an dekfb6@uni-trier.de • Verantwortung für die strategische Kommunikation und Vernetzung
der RMU innerhalb der Universitäten, mit Partner_innen und in die
Öffentlichkeit (einschließlich Pressearbeit, Social Media, Veranstal-
tungen)
• Schaffung von Sichtbarkeit der Geschäftsstelle an allen drei
Universitäten
• Konzeptionierung und Besetzung der weiteren Stellen der Geschäfts-
stelle
• Personalführung und Budgetverantwortung
• Enge Zusammenarbeit mit dem Hessischen Ministerium für
Wissenschaft und Kunst und dem Ministerium für Wissenschaft und
Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz
Mit zwölf Fakultäten, rund 13.000 Studierenden und 1.000 Beschäf- Unsere Anforderungen:
tigten zählt die Ostfalia zu den größten Fachhochschulen in Nieder- • Sie haben ein universitäres Hochschulstudium mit überdurchschnitt-
sachsen. In über 70 Studiengängen an den Standorten Salzgitter, lichem Erfolg abgeschlossen und verfügen über eine mehrjährige
Suderburg, Wolfsburg und Wolfenbüttel werden unsere Studie-
renden fundiert und interdisziplinär ausgebildet und individuell
Erfahrung im Wissenschaftsmanagement. Sie haben berufliche Erfah-
rungen in einigen der folgenden Bereiche des Wissenschaftsmanage-
betreut. Unseren Beschäftigten bieten wir vielseitige Aufgaben ments: Kooperationsmanagement, Forschung, Studium und Lehre,
und Gestaltungsmöglichkeiten sowie ein leistungsförderndes Förderung von Wissenschaftler_innen der frühen Karrierephase,
und familienfreundliches Arbeitsumfeld. Transfer, Kommunikation und Marketing. Berufliche Erfahrung im
Projektmanagement setzen wir voraus.
An der Fakultät Fahrzeugtechnik, Campus Wolfsburg , sind zum nächstmög-
lichen Termin folgende W2-Professuren zu besetzen: • Sie kommunizieren stilsicher mündlich und schriftlich, auch in Eng-
lisch, an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik, Adminis-
Professur tration und Öffentlichkeit.
Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik • Sie bringen Eignung für und idealerweise Erfahrung in Personalfüh-
rung und Teamentwicklung mit.
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die sich darauf freut, Fachkompetenz und
berufliche Erfahrung in die Ausbildung von Studierenden einzubringen. Die*Der • Ihr Profil kombiniert eine strukturierte Arbeitsweise mit Belastbarkeit
Stelleninhaber*in soll die Professur in Lehre und angewandter Forschung und sicherem, verbindlichen Auftreten.
vertreten. In der Lehre sind in den Bachelorstudiengängen insbesondere die • Sie haben einen klaren strategischen Blick und können sich leicht in
Lehrveranstaltungen „Batterie- und Brennstoffzellentechnik” „Wasserstoff- unterschiedliche institutionelle Kulturen und Praktiken von Koopera-
technologie und -wirtschaft“, „Thermodynamik“ und „Strömungslehre“ sowie
im Masterstudiengang die Lehrveranstaltung „Batteriezelltechnologie“ durch tionspartnern eindenken.
die Professur zu vertreten. Die Bereitschaft zur Übernahme von Lehrveran- • Sie bringen eine hohe interkulturelle und soziale Kompetenz mit.
staltungen, die in fachlicher Nähe zu diesem Lehrgebiet stehen bzw. die zum • Sie sind bereit, häufige Termine in Präsenz an den Standorten der
Grundlagenbereich der Bachelorstudiengänge der Fakultät Fahrzeugtechnik RMU wahrzunehmen.
gehören, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die*den zukünftige*n
Stelleninhaber*in. Ferner soll die*der Stelleninhaber*in durch die Übernahme
Wir bieten Ihnen eine herausfordernde und abwechslungsreiche Tätig-
von anwendungsorientierten Forschungsvorhaben zum Beispiel im Bereich
Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik oder regenerativer Energieerzeugung keit im Bereich des Wissenschaftsmanagements mit breiten Gestal-
zur weiteren Profilierung der Fakultät und damit auch der Hochschule sowie tungsmöglichkeiten und hoher Eigenverantwortlichkeit in einer kultu-
zur Drittmitteleinwerbung beitragen. Als forschungsstarke Hochschule unter- rell vielfältigen Metropolregion mit hoher Lebensqualität. Wir bieten
stützen wir Sie bei Ihrem Engagement in der anwendungsorientierten For- eine flexible Lösung im Hinblick auf den Arbeitsort.
schung. Des Weiteren wird die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit in der Selbst-
verwaltung der Hochschule erwartet. Die Vergütung erfolgt in einem außertariflichen Angestelltenverhältnis
Stellenbezogene Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium und orientiert sich an der Entgeltgruppe EG 14 des öffentlichen Dien-
der Ingenieurwissenschaften, Materialwissenschaft, Verfahrenstechnik, Natur-
stes. Es wird eine Erhöhung des Frauenanteils in Leitungspositionen
wissenschaften oder eines vergleichbaren Studienganges, pädagogisch-
didaktische Vorerfahrungen (idealerweise durch Lehrveranstaltungen mit angestrebt. Qualifizierte Frauen werden deshalb nachdrücklich aufge-
Studierenden nachzuweisen), die besondere Befähigung zu vertiefter selbst- fordert, sich zu bewerben. Schwerbehinderte werden bei ansonsten im
ständiger wissenschaftlicher Arbeit (idealerweise durch eine überdurchschnitt- Wesentlichen gleicher Eignung und Qualifikation bevorzugt. Wir sind
liche Promotion nachzuweisen) sowie fachbezogene und anwendungsorientierte ein Ort der Vielfalt und begrüßen qualifizierte Bewerbungen von Men-
Berufserfahrungen im zu übernehmenden Lehrgebiet. Einschlägig sind Berufs-
erfahrungen, z. B. in den Bereichen Wasserstofftechnik, -wirtschaft, Brennstoff- schen mit unterschiedlichen Hintergründen. Teilzeitbeschäftigung ist
zellen- oder Energiespeichertechnik. Wünschenswert ist es, wenn die*der grundsätzlich möglich.
Stelleninhaber*in die einschlägigen Berufserfahrungen im Umfeld der Mobilitäts-
technologien in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Produktion oder Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis zum 17.07.2022 mit den üblichen
Materialforschung erworben hat. Ferner werden von der*dem Stelleninhaber*in Unterlagen per E-Mail in einem einzigen PDF-Dokument an:
Kenntnisse in einem, idealerweise in mehreren der nachfolgenden Bereiche
koordination@rhein-main-unis.de
gewünscht: Recycling, Ressourceneffizienz, nachhaltige Werk- und Rohstoffe
und/oder Materialverwendung und Produktentwicklung über den gesamten Für Rückfragen zu dieser Position steht Ihnen Dr. Matthias Adam
Produkt-Lebenszyklus. (TU Darmstadt) unter der Rufnummer 06151/16-20569 gerne zur
Fachliche Fragen zur Position beantwortet Ihnen gerne Herr Prof. Dr. Max Verfügung.
Ehleben (m.ehleben@ostfalia.de).
Professur
Nachhaltige Produktentwicklung und
Materialkreisläufe
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die sich darauf freut, Fachkompetenz und
berufliche Erfahrung in die Ausbildung von Studierenden einzubringen. Die*Der
Stelleninhaber*in soll die Professur in Lehre und angewandter Forschung
vertreten. In der Lehre sind in den Bachelorstudiengängen insbesondere die
Lehrveranstaltungen „Recycling“, „Nachhaltigkeit“, „Fertigungstechnik“, „Kunst- Am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz
stofftechnik“ und „Werkstoffkunde“ sowie im Masterstudiengang die Lehrver-
anstaltung „Kunststoffe im Automobilbau“ durch die Professur zu vertreten. Halberstadt ist folgende Professur zu besetzen:
Die Bereitschaft zur Übernahme von Lehrveranstaltungen, die in fachlicher
Nähe zu diesem Lehrgebiet stehen bzw. die zum Grundlagenbereich der W2-Professur für Verwaltungsrecht, Schwerpunkt Kommunalrecht
Bachelorstudiengänge der Fakultät Fahrzeugtechnik gehören, ist eine unab- - Wiederholungsausschreibung -
dingbare Voraussetzung für die*den zukünftige*n Stelleninhaber*in. Ferner soll
die*der Stelleninhaber*in durch die Übernahme von anwendungsorientierten
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie
Forschungsvorhaben zum Beispiel im Bereich Kunst- und Verbundkunststoffe,
Recycling, Kreislaufwirtschaft oder Ressourceneffizienz zur weiteren Profilierung unter: www.hs-harz.de/stellenausschreibungen/
der Fakultät und damit auch der Hochschule sowie zur Drittmitteleinwerbung
beitragen. Als forschungsstarke Hochschule unterstützen wir Sie bei Ihrem
Engagement in der anwendungsorientierten Forschung. Des Weiteren wird
die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit in der Selbstverwaltung der Hochschule
erwartet. ZEIT STELLENMARKT
Crossmedial gespielt:
Stellenbezogene Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes ingenieurwissen-
schaftliches Hochschulstudium der Ingenieurwissenschaften, Materialwissenschaft,
Kunststoff-, Recycling- oder Umwelttechnologie oder eines vergleichbaren
Studienganges, pädagogisch-didaktische Vorerfahrungen (idealerweise durch
Ihre Ausschreibung
Lehrveranstaltungen mit Studierenden nachzuweisen), die besondere Befähigung
zu vertiefter selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit (idealerweise durch eine
überdurchschnittliche Promotion nachzuweisen) sowie fachbezogene und
anwendungsorientierte Berufserfahrungen im zu übernehmenden Lehrgebiet.
Einschlägig sind Berufserfahrungen, z. B. in den Bereichen der nachhaltigen Jede Stellenanzeige im ZEIT STELLENMARKT finden Sie auch digital
Produktentwicklung mit Kunst- und Verbundwerkstoffen und/oder der Recycling-
und Kreislaufwirtschaft. Wünschenswert ist es, wenn die*der Stelleninhaber*in auf jobs.zeit.de und bei academics.
die einschlägigen Berufserfahrungen im Umfeld der Mobilitätstechnologien in
den Bereichen Forschung & Entwicklung, Produktion oder Materialforschung
erworben hat. Ferner werden von der*dem Stelleninhaber*in Kenntnisse in
einem, idealerweise in mehreren der nachfolgenden Bereiche gewünscht:
Biokunststoffe, nachhaltige Werk- und Rohstoffe, Materialverwendung und
Produktentwicklung über den gesamten Produkt-Lebenszyklus und/oder
Methoden der Life-Cycle-Analysen unter Berücksichtigung sozioökonomischer
Randbedingungen und integrativer Aspekte der geteilten Produktnutzung
(Sharing) und der Gemeinwohlwirtschaft.
Fachliche Fragen zur Position beantwortet Ihnen gerne Herr Prof. Dr. Ingo
Johannsen (i.johannsen@ostfalia.de).
Für diese Professuren gelten die nachfolgenden allgemeinen Hinweise:
Die Einstellungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 25 des Niedersächsischen
Hochschulgesetzes (NHG) und sind einem Merkblatt zu entnehmen, das unter
www.ostfalia.de/cms/de/d2/stellenausschreibungen/professuren/ eingesehen
werden kann.
Die Hochschule arbeitet gemäß ihres
Strategiekonzeptes an der Umsetzung
des Gleichstellungsauftrages. Deshalb
sind Bewerbungen von Frauen besonders
erwünscht. Bei Rückfragen steht das Gleich-
stellungsbüro der Hochschule unter 05331/939-17000 zur Verfügung. Bei gleicher
Eignung erfolgt die bevorzugte Einstellung von schwerbehinderten und diesen
gleichgestellten Menschen. Um dies zu gewährleisten, ist ein Hinweis auf die
Schwerbehinderung oder deren Gleichstellung im Bewerbungsanschreiben
oder Lebenslauf unerlässlich. Die Stellen sind teilzeitgeeignet.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (siehe Merkblatt Einstellungsvoraus-
setzungen) bitten wir bis zum 08.09.2022 per Post (Datum des Posteingangs-
stempels) an die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften (Hochschule
Braunschweig/Wolfenbüttel), Salzdahlumer Str. 46 / 48, 38302 Wolfenbüttel
oder in elektronischer Form per E-Mail (bitte nur in einer PDF-Datei bis 5 MB) an
die Berufungsbeauftragten der Hochschule (berufungsbeauftragte@ostfalia.de)
zu richten.
An der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der
Universität Bielefeld sind zum 01.03.2023 folgende Stellen zu
besetzen:
1. Professur (W2) für die Didaktik
der deutschen Literatur
Die*Der zukünftige Stelleninhaber*in vertritt innerhalb der
Germanistik die Didaktik der deutschen Literatur in ihrer
gesamten Breite. Er*Sie ist besonders ausgewiesen für die
Didaktik der Sekundarstufen.
Im Zentrum von Forschung und Lehre stehen empirisch zu beant-
wortende Fragen einer Literaturdidaktik, die sich medienspezifisch
ausdifferenziert. Dabei soll eine Orientierung am literarischen
Gegenstand, gerne in historischer Perspektive, erkennbar sein
und es sollen auch Fragen zur Inklusion basierend auf einem
weiten Heterogenitätsbegriff beantwortet werden. Eine Sensi-
bilität für Fragen der Kulturvermittlung ist ebenso erwünscht
wie eine Zusammenarbeit mit der Sprachlichen Grundbildung
(Grundschullehramt), der Germanistischen Literaturwissenschaft
und der Germanistischen Sprachdidaktik. Einschlägige Erfah-
rungen in der Hochschullehre und bei der Einwerbung von
Drittmitteln sind nachzuweisen.
Der*Die zukünftige Stelleninhaber*in beteiligt sich an der Lehre
in den fachdidaktischen Modulen aller Bachelor- und Master-
studiengänge des Studienfachs Germanistik. Erwartet werden
darüber hinaus die Mitwirkung bei Prüfungen, die Beteiligung
an der akademischen Selbstverwaltung und die Bereitschaft
zur Kooperation innerhalb der Bielefeld School of Education
(BiSEd) und des Departments Fachdidaktiken und kulturelle
Bildung, sowohl in der Lehre als auch bei der Entwicklung von
Forschungsprojekten und Verbundforschungsanträgen.
Einstellungsvoraussetzungen sind gemäß § 36 HG NRW ein abge-
schlossenes Lehramtsstudium mit Unterrichtsfach Deutsch
(Sekundarstufe I/II; Erstes Staatsexamen/Master of Education),
die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die
durch die Qualität der Promotion nachgewiesen wird, schul-
praktische Erfahrung und/oder schulnahe Forschungsleistungen,
pädagogische Eignung, die durch eine entsprechende Vorbildung
nachgewiesen oder ausnahmsweise im Berufungsverfahren
festgestellt wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen,
die ausschließlich und umfassend im Berufungsverfahren be-
wertet werden.
Auskünfte erteilt Prof. Dr. Maximilian Benz, Sprecher des Studien-
fachs Germanistik (maximilian.benz@uni-bielefeld.de).
2. Professur (W1) mit Tenure Track
nach W2 oder eine Professur (W2)
für Kinder- und Jugendliteratur
Die*Der zukünftige Stelleninhaber*in vertritt innerhalb der Sprach-
lichen Grundbildung die fachwissenschaftliche Grundlagen-
forschung zur Kinder- und Jugendliteratur mit individueller
Schwerpunktsetzung.
Mit Blick auf Lehre und Forschung ist darzulegen, inwiefern
in der Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur
auch historische und mediale Aspekte Berücksichtigung finden.
Darüber hinaus eröffnen literarhistorische wie theoretische
Schwerpunkte verschiedene Anbindungsmöglichkeiten an die
fakultätsinternen Departments für Literaturwissenschaft, Kultur-
wissenschaft sowie Fachdidaktiken und kulturelle Bildung. Dabei
müssen auch Fragen zur Inklusion basierend auf einem weiten
Heterogenitätsbegriff beantwortet werden.
Eine Kooperation mit den Masterstudiengängen Kulturvermittlung
und Interdisziplinäre Medienwissenschaft ist ebenso erwünscht
wie die Reflexion auf Möglichkeiten ästhetischer Bildung. Der*die
zukünftige Stelleninhaber*in beteiligt sich an der Lehre in allen
Bachelor- und Masterstudiengängen des Studienfachs Sprach-
liche Grundbildung. Zu den Dienstaufgaben gehören neben Lehre
und Forschung auch die Mitwirkung in der akademischen Selbst-
verwaltung und in der Bielefeld School of Education (BiSEd).
Einstellungsvoraussetzungen sind gemäß § 36 HG NRW ein abge-
schlossenes Hochschulstudium in einem einschlägigen Fach
(zum Beispiel Germanistik/Deutsch), die besondere Befähigung
zu wissenschaftlicher Arbeit, die durch die Qualität der Promotion
nachgewiesen wird, pädagogische Eignung, die durch eine ent-
sprechende Vorbildung nachgewiesen oder ausnahmsweise im
Berufungsverfahren festgestellt wird, sowie ergänzend spezifisch
für die Berufung auf eine W2-Professur zusätzliche wissenschaft-
liche Leistungen, die ausschließlich und umfassend im Berufungs-
verfahren bewertet werden.
Die Einstellung erfolgt als W1-Professur zunächst befristet auf
3 Jahre, mit der Möglichkeit zur Verlängerung um weitere 3 Jahre
nach positiver Zwischenevaluation. Im Fall einer positiven Evalua-
tion ist die anschließende Übernahme auf eine unbefristete
W2-Professur vorgesehen (Tenure-Track-Option). Tenure-Track-
Professuren sind an der Universität Bielefeld als gleichberechtigte
Besetzungsvariante fest etabliert. Tenure-Track-Professorinnen/
Professoren wird ein zielgruppenspezifisches Personalentwicklungs-
programm angeboten, das Unterstützung bei der Ankommens-
phase und bei der Vorbereitung der Tenure-Evaluation bietet.
Auskünfte erteilt Prof. Dr. Friederike Kern, Sprecherin des Studien-
fachs Sprachliche Grundbildung (friederike.kern@uni-bielefeld.de).
Die Fakultät betrachtet die Gleichstellung von Frauen und
Männern als eine wichtige Aufgabe, an deren Umsetzung
der*die zukünftige Stelleninhaber*in mitwirkt.
Die Universität Bielefeld ist für ihre Erfolge in der Gleichstellung
mehrfach ausgezeichnet und als familiengerechte Hochschule
zertifiziert. Sie freut sich über Bewerbungen von Frauen. Dies
gilt in besonderem Maße im wissenschaftlichen Bereich sowie
in Technik, IT und Handwerk. Sie behandelt Bewerbungen in
Übereinstimmung mit dem Landesgleichstellungsgesetz.
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter und ihnen gleich-
gestellter behinderter Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Bewerbungen sollen bestehen aus: Anschreiben, Lebenslauf
mit Darstellung des wissenschaftlichen Werdegangs, insge-
samt 3-seitiges Forschungs- und Lehrkonzept, Verzeichnis der
Veröffentlichungen mit Kennzeichnung von bis zu 10 im Sinne
der Ausschreibung wichtigsten Publikationen, Aufstellung der
Forschungsaktivitäten und ggf. eingeworbener Drittmittel,
Verzeichnis der durchgeführten Lehrveranstaltungen sowie
sonstige Nachweise der Lehrqualifikation. Von der Einreichung
von Schriften bitten wir zunächst abzusehen.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 15.07.2022 online über
das Berufungsportal der Universität Bielefeld ein:
https://berufungen.uni-bielefeld.de
Kontakt:
Universität Bielefeld
Dekanin der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Postfach 10 01 31
33501 Bielefeld
E-Mail: dekanin.lili@uni-bielefeld.de
Bewerbungsunterlagen werden nach Abschluss des Auswahl-
verfahrens vernichtet.
Bitte beachten Sie, dass Gefährdungen der Vertraulichkeit und
der unbefugte Zugriff Dritter bei einer Kommunikation per
unverschlüsselter E-Mail nicht ausgeschlossen werden können.
Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen
Daten finden Sie unter:
https://uni-bielefeld.de/uni/karriere/2019_DS-Hinweise.pdf
Young, modern and
research-oriented:
The University of Potsdam
(UP) has firmly established itself
within the scientific landscape
since its founding in 1991.
The university is a prominent
economic factor and engine
of development for the region.
It is highly successful in
acquiring external funds, has
received multiple awards
for its teaching, and has
a very service-oriented
administration. About 22,000
students and 3,000 faculty and
staff members work and study
at its three campuses – Am
Neuen Palais, Griebnitzsee,
and Golm – located in one of
Germany’s most scenic areas.
The Hasso Plattner Institute
(HPI) is unique in the
German university landscape.
Academically structured as the
independent Faculty of Digital
Engineering at the University of
Potsdam, HPI unites excellent
research and teaching with
the advantages of a privately
financed institute and a
tuition-free study program.
Please submit your application by July 17, 2022 to
https://www.uni-potsdam.de/de/digital-engineering/aktuelles/ausschreibungen
Global denken,
interdisziplinär forschen:
Leibniz leben!
Universalität, Diversität und Interdisziplinarität sind unsere Stärken.
Mehr als 30.000 Studierende, drei Exzellenzcluster, 5.000 Beschäf-
tigte und mehr als 150 Institute: Mit einer hervorragend ausgebau-
ten Infrastruktur bietet die Leibniz Universität Hannover Raum für
innovative Lehr- und Forschungsbedingungen auf Spitzenniveau in
einem breiten Fächerspektrum.
An der Naturwissenschaftlichen Fakultät ist folgende Position
der BesGr. W2 NBesO mit Tenure Track nach BesGr. W2 NBesO
baldmöglichst zu besetzen:
Universitätsprofessur (m/w/d) für
Biofabrikation für Wirkstofftestung
Bewerbungen werden erbeten bis zum 13. Juli 2022.
Den vollständigen Text der Ausschreibung entnehmen
Sie bitte dem Internet unter:
www.uni-hannover.de/de/jobs/5285/
© K. Fritze
The University of Potsdam, Digital Engineering Faculty, a joint faculty
with the Hasso Plattner Institute for Digital Engineering gGmbH
(HPI), invites applications for a joint professorship under the
Thuringian Model with the Hasso Plattner Institute for Digital Engi-
neering gGmbH (HPI) to be filled as soon as possible:
Professorship (W 2) for Digital Technology,
Governance, and Policy
The Hasso Plattner Institute (HPI) and the Digital Engineering Faculty (DEF) are dedicated to
interdisciplinary research in computer science and digital technologies. As part of the current
growth initiative at the HPI and the DEF, we are looking for candidates with an internationally
acclaimed research and teaching profile.
We seek a candidate with an academic profile in governance and public policy combined with
at least one digital technology field like cybersecurity, artificial intelligence, IT entrepreneurship,
platforms, platform economy, or open tech. The aim of this professorship is to translate
findings into governance, corporate, and organizational practice.
We expect the candidate to focus her/his research on administrative reforms with a good
governance perspective in developing countries (according to the OECD DAC list). In addition,
the candidate must address research questions around topics such as digitalization and
innovation while taking principles like “leave no one behind,” multi-actor partnerships, and
boundary-spanning approaches into account.
The candidate must demonstrate excellent achievements in the following areas:
• Teaching on policy and governance design and/or one of the above-mentioned digital
technology fields with excellent evaluation results
• Strong and outstanding publication track record in international conference proceedings
and journals
• Collaboration and networking with academic institutions in the field of governance, public
policy, or digital technology
• Very good language proficiency in German and for DAC listed countries (English and a
second language)
• Academic degrees
• Supervision and guidance provided for bachelor’s, master’s, and Ph.D. theses
Furthermore, experience in the following areas would be an asset:
• Experience in academic consulting or equivalent activities commissioned by governments,
think tanks, NGOs, etc. in the field of public policy advice as well as on-the-ground experience
in OECD DAC countries
• Working with and/or leading interdisciplinary research teams
• Development and structuring of knowledge exchange projects, such as executive education
programs and other educational measures with participants from academics, politics,
government, corporations, and civil society
• Acquisition of third-party funds for research collaboration projects
• Involvement in academic self-government
We are looking for a team-oriented and committed individual. Further responsibilities include
course development and teaching on the undergraduate and graduate levels within the degree
programs of the DEF. Applicants must have a doctoral degree in public policy / political science,
information management, innovation and technology management, business administration,
economics, or computer science.
We offer excellent opportunities for researchers to develop their research and teaching skills
even further. The Digital Engineering Faculty and the HPI provide excellent opportunities
through their Research Schools and Schools of Design Thinking and Entrepreneurship to reach
out to relevant partner universities. We offer an inclusive and family-friendly environment.
This position is funded by the German Corporation for International Cooperation (GIZ) for a
period of 5 years.
For further information, please contact Prof. Dr. Falk Uebernickel
(falk.uebernickel@hpi.uni-potsdam.de).
The joint professorship is being filled under Thuringian Model, with a teaching obligation
according to Section 40 (9) of the Brandenburg Higher Education Act (Brandenburgisches
Hochschulgesetz, BbgHG) at the University of Potsdam. An employment contract will
be concluded between Hasso Plattner Institute for Digital Engineering gGmbH (HPI) and the
professor. The right to use the title of “Professor” as a professional designation is granted for
the duration of the employment relationship.
The hiring process is subject to the requirements set forth in Section 41 subsection 1 no. 1 - 3,
4a and 4c of the Brandenburg Higher Education Act (BbgHG). The appointment procedure is
conducted in accordance with Section 40 BbgHG.
The University of Potsdam and the Hasso Plattner Institute for Digital Engineering gGmbH (HPI)
aim to increase the proportion of women in research and teaching and therefore expressly
invite qualified female candidates to apply. The University of Potsdam and the Hasso Plattner
Institute for Digital Engineering gGmbH (HPI) value the diversity of their members and pursue
the goals of equal opportunities regardless of gender, nationality, ethnic and social origin,
religion/belief, disability, age, sexual orientation or identity. In the case of equal qualification,
women and people with a severe disability will be given preferential consideration in
accordance with Section 7 (4) BbgHG. We explicitly welcome applications from abroad and
from individuals who will enrich the diversity of our university and represent a variety of
individual backgrounds and experiences.
Am Mathematischen Institut der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ist eine
W3-Professur Reine Mathematik
zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen.
Diese Professur ist für das Profil des Mathematischen Instituts von besonderer
Bedeutung. Gesucht wird ein*e Wissenschaftler*in, der*die auf einem aktuellen
Gebiet der Reinen Mathematik international ausgewiesen ist und das beste-
hende Spektrum der Mathematik am Mathematischen Institut der Universität
Bonn ergänzt und bereichert.
Der*die zukünftige Stelleninhaber*in wird Mitglied des Hausdorff Center for
Mathematics sein, einem Exzellenzcluster der Deutschen Forschungsgemein-
schaft. Beteiligung an der Einwerbung weiterer Drittmittelprojekte wird erwartet.
Die Lehre ist im Fach Mathematik in allen Phasen des Studiums in deutscher
und/oder englischer Sprache zu erbringen. Gesucht sind Kandidat*innen mit
ausgezeichneter Lehrerfahrung. Die Kenntnis der deutschen Sprache wird
nicht vorausgesetzt, aber im Laufe der ersten Jahre erwartet.
Die Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung ist Teil der Aufgaben.
Die Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 36 HG (NRW).
Die Universität Bonn setzt sich für Diversität und Chancengleichheit ein. Sie
ist als familiengerechte Hochschule zertifiziert und verfügt über einen Dual
Career-Service. Ihr Ziel ist es, den Anteil von Frauen in Bereichen, in denen
Frauen unterrepräsentiert sind, zu erhöhen und deren Karrieren besonders zu
fördern. Sie fordert deshalb einschlägig qualifizierte Frauen nachdrücklich zur
Bewerbung auf. Bewerbungen werden in Übereinstimmung mit dem Landes-
gleichstellungsgesetz behandelt. Die Bewerbung geeigneter Menschen mit
nachgewiesener Schwerbehinderung und diesen gleichgestellten Personen
ist besonders willkommen.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Forschungsplan, Publi-
kationsliste, Darstellung der Lehrtätigkeit, Kopien von Hochschulzeugnissen
und -Urkunden) sind bis zum 31. August 2022 in elektronischer Form in einem
PDF-Dokument einzureichen. Die Berufungskommission behält sich vor, auch
über diesen Termin hinaus Bewerbungen zu berücksichtigen.
Bewerbungen sind zu richten an die
Fachgruppe Mathematik
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Endenicher Allee 60
53115 Bonn
fgmathe@math.uni-bonn.de
Willkommen an der Hochschule Anhalt, einer der forschungsstärksten Hoch-
schulen des Landes. Im Herzen Mitteldeutschlands bieten wir als innovative
Hochschule Forschung und Lehre auf internationalem Niveau sowie beste
Studien- und Lebensqualität. Mit mehr als 70 Studiengängen schaffen wir
individuellen Freiraum zur Entwicklung von Persönlichkeiten und bereiten etwa
7.500 deutsche und internationale Studierende vor allem auf eines vor: einen
gelungenen Berufsstart.
Am Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick-
lung der Hochschule Anhalt, Standort Bernburg, ist zum Wintersemester
2023 die Professur
Lebensmitteltechnologie
(Bes.-Gruppe W2)
zu besetzen.
Aufgabengebiet:
Der Stelleninhaber (m/w/d) hat das Gebiet der Lebensmitteltechnologie anwen-
dungsorientiert in Lehre und Forschung zu vertreten. Innovative technologische
Lösungen stehen im Mittelpunkt der Professur. Die zu besetzende Professur
ist durch den Schwerpunkt Lebensmittelproduktion von Erzeugnissen tierischer
Herkunft gekennzeichnet.
Im Fokus der Lehrtätigkeit stehen Studienangebote wie z.B. Ökotrophologie, Food
and Agribusiness, berufsbegleitende Studiengänge der Ernährungstherapie und
ein internationaler Studiengang Sustainable Food Systems Engineering, Technology
and Business. ZentraleThemengebiete der Lehrveranstaltungen sind die allgemeine
und spezielle Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelengineering, Lebensmittel-
herstellung und Beurteilung, Economics in Food Industry, Food Technology and
Quality und angrenzende Fachgebiete sowie dazugehörige Laborpraktika.
Die Professur verlangt ein hohes Engagement bei der Betreuung von Bachelor-
und Masterarbeiten, studentischen Projekten und Exkursionen sowie bei der
strategischen Weiterentwicklung der Studienangebote.
In der angewandten Forschung steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit
Unternehmen und Fachverbänden sowie mit weiteren Fachgebieten der Hochschule
Anhalt im Vordergrund. Die Hochschule Anhalt besitzt das Promotionsrecht für den
Bereich „Life Sciences“, die Mitwirkung des Stelleninhabers wird erwartet.
Ebenso gehört die aktive Mitarbeit in den Gremien der akademischen Selbstver-
waltung zu den Aufgaben der Professur.
Anforderungsprofil:
Es wird eine auf dem Berufungsgebiet ausgewiesene Persönlichkeit (m/w/d)
mit wissenschafts- und anwendungsbezogenen Kenntnissen und Erfahrungen
in der Lebensmitteltechnologie gesucht. Diese kann auf ein einschlägiges wissen-
schaftliches Hochschulstudium im Berufungsgebiet verweisen.
Fundierte Kenntnisse und Erfahrungen mit dem aktuellen Methodenspektrum
in der Lebensmittelherstellung, insbesondere im Bereich Lebensmittel tierischer
Herkunft, werden vorausgesetzt. Erfahrungen in Unternehmen der Lebensmittel-
produktion sowie mit den Methoden der Lebensmitteluntersuchung (physikalisch,
chemisch, sensorisch) sind erwünscht.
Erfahrungen in der Lehre und in der Betreuung von akademischen Abschluss-
arbeiten sind erforderlich.
Der zukünftige Stelleninhaber (m/w/d) soll Expertise in der Einwerbung und
Durchführung von Kooperations- und/oder Drittmittelprojekten mit Partnern aus
Wissenschaft und Praxis sowie Veröffentlichungen zu den genannten Schwer-
punkten aufweisen.
Eine internationale Vernetzung im Themengebiet der Professur ist erwünscht.
Sichere Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache werden genauso
vorausgesetzt, wie interkulturelle Kompetenzen.
Einstellungsvoraussetzungen:
Die formalen Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 35 Hochschul-
gesetz des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA).
Die Berufung in ein Professorenamt erfolgt erstmalig bei Erfüllung der Voraus-
setzungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Die Probezeit beträgt in der
Regel drei Jahre. Nach erfolgreich absolvierter Probezeit erfolgt die Berufung
in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf Vorschlag des Fachbereichsrates
nach Zustimmung des Senats.
Die Hochschule Anhalt strebt eine Erhöhung des Anteils an Frauen am wissen-
schaftlichen Personal an und fordert Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben.
Für Schwerbehinderte gelten bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung die Bestimmungen des SGB IX.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Darstellung des wissen-
schaftlichen Werdeganges einschließlich der Lehrtätigkeit, Darstellung der fach-
praktischen Tätigkeit sowie Liste der Forschungs- und Publikationstätigkeiten,
Zeugnisse/Urkunden – Abitur, Hochschulabschluss, Promotion, ggf. Habilitation)
werden innerhalb von acht Wochen nach Erscheinen dieser Anzeige erbeten an
den Präsidenten der Hochschule Anhalt.
Bitte schicken Sie uns dazu eine Mail mit Betreff „Lebensmitteltechnologie“
an bewerbung@hs-anhalt.de. Sie erhalten von uns einen persönlichen Upload
Link für Ihre digitalen Bewerbungsunterlagen.
An der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Professur (W1 mit Tenure Track auf
W2) für Statistische Modellierung
zu besetzen.
Der/Die Stelleninhaber*in verstärkt den Lehr- und Forschungs-
bereich „Empirische Methoden“ an der Fakultät. Bewerberinnen
und Bewerber sollen in der statistischen Modellierung individueller
Heterogenität (z.B. mittels Mischmodellen) durch wissen-
schaftliche Leistungen hervorragend ausgewiesen sein. Ein
Fokus auf der Modellierung dynamischer Prozesse, z.B. durch
Panelmodelle, Zustandsraummodelle oder stochastische Differen-
tialgleichungen, ist von Vorteil.
Von dem/der Stelleninhaber*in wird erwartet, dass er/sie die
vielfältigen Möglichkeiten zur interdisziplinären Forschungs-
kooperation innerhalb der Universität Bielefeld aktiv nutzt.
Erwartet wird insbesondere ein Engagement im Rahmen der
Profilinitiative zum Thema Individualisierung (insb. InChangE,
JICE, SFB-TRR 212) sowie des Zentrums für Statistik (ZeSt). Zum
Aufgabenbereich der Professur gehört die Beteiligung an der
einschlägigen Lehre in den verschiedenen Bachelor- und Master-
studiengängen der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
sowie eine starke Einbindung in das im Aufbau befindliche
Profil „Data Science“ im Rahmen der BiGSEM. Nachgewiesene
Erfolge in der Einwerbung von nationalen und internationalen
Drittmitteln sind wünschenswert. Erfahrung mit der Betreuung
von Promovierenden sowie im Bereich der strukturierten Graduier-
tenausbildung sind erwünscht.
Einstellungsvoraussetzungen für die Stelle sind ein abgeschlos-
senes Hochschulstudium, die pädagogische Eignung und die
besondere Fähigkeit zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der
Regel durch die herausragende Qualität einer Promotion nach-
gewiesen wird. Die Einstellung erfolgt zunächst auf drei Jahre
befristet mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere drei
Jahre nach positiver Zwischenevaluation. Im Falle einer positiven
Tenure-Evaluation im letzten Jahr ist die anschließende Über-
nahme auf eine unbefristete W2-Professur vorgesehen (Tenure-
Track-Option).
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter und ihnen gleich-
gestellter behinderter Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Die Universität Bielefeld ist für ihre Erfolge in der Gleichstellung
mehrfach ausgezeichnet und als familiengerechte Hochschule
zertifiziert. Sie freut sich über Bewerbungen von Frauen. Dies
gilt in besonderem Maße im wissenschaftlichen Bereich sowie
in Technik, IT und Handwerk. Sie behandelt Bewerbungen in
Übereinstimmung mit dem Landesgleichstellungsgesetz.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnis-
kopien, Schriftenverzeichnis mit Kennzeichnung von bis zu 10
wichtigsten Publikationen, zweiseitiges Forschungs- und Lehr-
konzept sind als PDF-Dokument (zusammengefasst in einer
Datei) bis zum 15.07.2022 zu richten an:
karriere-wiwi@uni-bielefeld.de
oder postalisch an
Universität Bielefeld
Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Postfach 10 01 31
33501 Bielefeld
Bitte beachten Sie, dass Gefährdungen der Vertraulichkeit und
der unbefugte Zugriff Dritter bei einer Kommunikation per
unverschlüsselter E-Mail nicht ausgeschlossen werden können.
Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen
Daten finden Sie unter:
https://uni-bielefeld.de/uni/karriere/2019_DS-Hinweise.pdf
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Willkommen an der Hochschule Anhalt, einer der forschungsstärksten Hoch-
schulen des Landes. Im Herzen Mitteldeutschlands bieten wir als innovative
Hochschule Forschung und Lehre auf internationalem Niveau sowie beste
Studien- und Lebensqualität. Mit mehr als 70 Studiengängen schaffen wir
individuellen Freiraum zur Entwicklung von Persönlichkeiten und bereiten etwa
8.000 deutsche und internationale Studierende vor allem auf eines vor: einen
gelungenen Berufsstart.
Am Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick-
lung der Hochschule Anhalt, Standort Bernburg, ist zum frühestmöglichen
Zeitpunkt die Professur
Lebensmittellehre
(Bes.-Gruppe W2)
zu besetzen.
Aufgabengebiet:
Der Stelleninhaber (m/w/d) hat das Gesamtgebiet der Lebensmittellehre
anwendungsorientiert in Lehre und Forschung zu vertreten. Die zu besetzende
Professur ist durch den Schwerpunkt Lebensmittelsensorik gekennzeichnet.
Entsprechend der Schwerpunktsetzung am Standort Bernburg hat der zukünf-
tige Stelleninhaber in den Bachelor- und Masterstudiengängen insbesondere
Lehre in Modulen mit lebensmittelrelevanten Inhalten, darunter Lebens-
mittellehre, Warenkunde und Sensorik durchzuführen. Die Professur verlangt
ein hohes Engagement bei der Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten,
studentischen Projekten und Exkursionen sowie bei der strategischen
Weiterentwicklung der Studienangebote.
In der angewandten Forschung steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit
mit Unternehmen und Fachverbänden sowie mit weiteren Fachgebieten der
Hochschule Anhalt im Vordergrund.
Die Hochschule Anhalt besitzt das Promotionsrecht für den Bereich „Life
Sciences“, eine Beteiligung des Stelleninhabers am Promotionszentrum ist
erwünscht.
Ebenso gehört die aktive Mitarbeit in den Gremien der akademischen Selbst-
verwaltung zu den Aufgaben der Professur.
Anforderungsprofil:
Gesucht wird eine auf dem Berufungsgebiet ausgewiesene Persönlichkeit
(m/w/d), derenTätigkeits- und Forschungsschwerpunkt im Lebensmittel-bereich
liegt. Diese kann auf ein einschlägiges wissenschaftliches Hoch-schulstudium
im Berufungsgebiet verweisen.
Der Stelleninhaber (m/w/d) soll mit Fragen der Lebensmittelherstellung, der
Lebensmittelchemie und mit den Methoden der Lebensmitteluntersuchung
(physikalisch, chemisch, sensorisch) in Wissenschaft und Praxis vertraut sein.
Zugleich soll der Stelleninhaber (m/w/d) auch in der Lage sein, das Thema
verbraucherspezifische Anforderungen an sichere und gesunde Lebensmittel
in Lehre und Forschung zu vertreten. Besonderes Augenmerk wird auf
Erfahrungen in diesem Bereich und dabei vor allem auf die Befähigung zur
Leitung des sensorischen Panels gelegt.
Erfahrungen in der Lehre und in der Betreuung von akademischen Abschluss-
arbeiten sind erforderlich.
Ferner soll der zukünftige Stelleninhaber (m/w/d) Expertise in der Einwerbung
und Durchführung von Kooperations- und/oder Drittmittelprojekten mit Partnern
aus Wissenschaft und Praxis sowie Veröffentlichungen zu den genannten
Schwerpunkten aufweisen.
Eine internationale Vernetzung im Themengebiet der Professur ist erwünscht.
Sichere Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache werden genauso
vorausgesetzt, wie interkulturelle Kompetenzen.
Einstellungsvoraussetzungen:
Die formalen Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 35 Hochschul-
gesetz des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA).
Die Berufung in ein Professorenamt erfolgt erstmalig bei Erfüllung der Voraus-
setzungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Die Probezeit beträgt in der
Regel drei Jahre. Nach erfolgreich absolvierter Probezeit erfolgt auf Vorschlag
des Fachbereichsrates nach Zustimmung des Senats die Berufung in ein
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
Die Hochschule Anhalt strebt eine Erhöhung des Anteils an Frauen am
wissenschaftlichen Personal an und fordert Frauen nachdrücklich auf, sich zu
bewerben. Für Schwerbehinderte gelten bei gleicher Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung die Bestimmungen des SGB IX.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Darstellung des
wissenschaftlichen Werdeganges einschließlich der Lehrtätigkeit, Darstellung
der fachpraktischen Tätigkeit sowie die Liste der Forschungs- und Publikations-
tätigkeiten, Zeugnisse/Urkunden – Abitur, Hochschulabschluss, Promotion,
ggf. Habilitation) werden innerhalb von acht Wochen nach Erscheinen dieser
Anzeige erbeten an den Präsidenten der Hochschule Anhalt.
Bitte schicken Sie uns dazu eine E-Mail mit Betreff „Lebensmittellehre“ an
bewerbung@hs-anhalt.de. Sie erhalten von uns einen persönlichen Upload Link
für Ihre digitalen Bewerbungsunterlagen.
Am 01.11.2009 wurde in Bochum die bundesweit erste staatliche Hoch-
schule für Gesundheit gegründet. Die Hochschule bietet Studienplätze
in unterschiedlichen Studiengängen des Themenfeldes Gesundheit an
und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Akademisierung von Ge-
sundheitsberufen sowie zur Optimierung von Versorgungsstrukturen. Die
Hochschule sucht engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Wei-
terentwicklung der Hochschule im Zukunftssektor Gesundheit mitgestalten
möchten – interdisziplinär, innovativ und offen für neue Perspektiven.
Im Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften ist zum nächst-
möglichen Zeitpunkt folgende Professur zu besetzen:
W2-Professur ‚Public Health‘
Schwerpunkt Digital Health (w/m/d)
Ihr Aufgabengebiet
Sie vertreten im Studienbereich Hebammenwissenschaft das Fachgebiet
Public Health mit dem Schwerpunkt Digitalisierung in der Gesundheitsver-
sorgung von Frauen und Familien in Lehre, Forschung und Weiterbildung.
Darüber hinaus ist die Mitarbeit bei der organisatorischen Umsetzung und
Weiterentwicklung der Studiengänge im Studienbereich Hebammenwis-
senschaft sowie weiterer Studiengänge im Department für Angewandte
Gesundheitswissenschaften Teil der Aufgaben.
Ihr Profil
• Abgeschlossenes Studium in Public Health
• Abgeschlossene einschlägige Promotion
• Einschlägige Erfahrungen sowie didaktische Kompetenzen im Bereich
der Hochschullehre
• Einschlägige Forschungserfahrung im Bereich Public Health oder Ge-
sundheitstelematik/E-Health im hebammenwissenschaftlichen Kontext
• Einschlägige Publikationsleistungen
• Einschlägige Erfahrungen im Bereich digitaler Medizin- und Gesund-
heitstechnologien, Schwerpunkt Frauen und Familiengesundheit, ins-
besondere mit der Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen
(DiGa), medizinischen Informationsobjekten (MIO), Telemedizin und/oder
KI-Anwendungen
• Erwünscht sind Erfahrungen in der Drittmittelakquise
• Erwünscht sind Erfahrungen in der Analyse von Big Data im Zusam-
menhang mit der Erhebung und Auswertung von Gesundheitsdaten im
hebammenwissenschaftlichen Kontext
Allgemeine Aufgaben:
Die Hochschule erwartet neben den einschlägigen wissenschaftlichen
Kompetenzen, dass die Bewerbenden Kenntnisse und berufliche Erfah-
rungen mitbringen, die sie befähigen, die besonderen Herausforderungen,
die mit der Entwicklung neuer Handlungsfelder im Gesundheitswesen
einhergehen, kreativ und innovativ zu bewältigen und an einer gezielten
Professionalisierung der Gesundheitsberufe mitzuwirken. Darüber hin-
aus wird erwartet an der Weiterentwicklung und Evaluation der einzelnen
Studiengänge mitzuarbeiten und zu nationaler und internationaler Repu-
tation der Hochschule beizutragen. Die Initiierung von Forschungs- und
Drittmittelprojekten und die aktive Weiterentwicklung der einzelnen Wis-
senschaftsfelder ist eine wesentliche Aufgabenstellung der Hochschulleh-
renden. Zudem ist die engagierte Mitarbeit in der Selbstverwaltung der
Hochschule Bestandteil des Aufgabenprofils. Die Studiengänge an der
Hochschule für Gesundheit sind interprofessionell angelegt. Daher wird
eine besondere Bereitschaft und Fähigkeit zu interdisziplinärer Koopera-
tion erwartet.
Die Einstellungsvoraussetzungen des § 36 Hochschulgesetz NRW kön-
nen auf unserer Homepage unter www.hs-gesundheit.de Stichwort „Stel-
lenausschreibungen“ eingesehen werden.
Ziel der Hochschule ist es, den Anteil von Frauen in Bereichen, in denen
Frauen unterrepräsentiert sind, zu erhöhen und deren Karrieren beson-
ders zu fördern. Sie fordert deshalb einschlägig qualifizierte Wissenschaft-
lerinnen nachdrücklich zur Bewerbung auf. In diesen Bereichen werden
Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevor-
zugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines
Mitbewerbenden liegende Gründe überwiegen. Be-
werbungen von Menschen mit Schwerbehinderung
werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt berück-
sichtigt.
Fühlen Sie sich angesprochen? Dann freuen wir uns
über Ihre Online-Bewerbung bis zum 07.07.2022.
Hochschule für Gesundheit, Dezernat Personal
Gesundheitscampus 6-8, 44801 Bochum
www.hs-gesundheit.de
STELLENMARKT
45.000 Studierende, 8.000 Beschäftigte in Lehre, Forschung und
Verwaltung, die gemeinsam Zukunftsperspektiven gestalten – das
ist die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU). Eingebettet in die
Atmosphäre der Stadt Münster mit ihrer hohen Lebensqualität zieht sie
mit ihrem vielfältigen Forschungsprofil und attraktiven Lehrangeboten
Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem
In- und Ausland an.
Die WWU Münster richtet zum WS 2023/24 das Lehramt für sonder-
pädagogische Förderung (sF) mit den Förderschwerpunkten Lernen (L)
sowie Emotionale und soziale Entwicklung (ESE) ein. Die Verantwortung
der beiden Förderschwerpunkte liegt im Institut für Erziehungswissen-
schaft (FB 06) und im Institut für Psychologie in Bildung und Erziehung
(FB 07).
Am Fachbereich 06 Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften
der WWU ist im Institut für Erziehungswissenschaft zum nächstmöglichen
Zeitpunkt eine
W3-Professur (w/m/d) für Erziehungswissenschaft
mitdemSchwerpunktAllgemeineSonderpädagogik
im Kontext von Inklusion
zu besetzen. Diese Professur stellt eine von drei Professuren im Institut
für Erziehungswissenschaft sowie zwei Professuren im Institut für
Psychologie in Bildung und Erziehung dar, die den o.g. neuen Lehramts-
studiengang für sonderpädagogische Förderung tragen und ausgestalten.
Der/Die künftige Stelleninhaber:in soll die allgemeine Sonderpädagogik
unter besonderer Berücksichtigung von inklusiver Bildung und Erziehung
und ihren Bezugstheorien in Forschung und Lehre vertreten. Es besteht
eine ausgewiesene Expertise auf den Gebieten der kultur-, sozial- bzw.
erziehungswissenschaftlichen Analyse von Behinderung und Beein-
trächtigung, Gleichheit und Differenz sowie ihrer historischen, instituti-
onellen und rechtlichen Bedingungen.
Zu den Aufgaben gehören die Durchführung von Lehrveranstaltungen
in den einschlägigen Modulen der Bachelor- und Masterstudiengänge
des Lehramts sonderpädagogische Förderung sowie weiterer lehramts-
bezogener und anderer erziehungswissenschaftlicher Bachelor- und
Masterstudiengänge, die Mitwirkung am Aufbau und der konzeptionellen
Weiterentwicklung des Lehramtsstudiengangs sonderpädagogische
Förderung, die Betreuung von Studierenden in schulischen Praxisphasen,
die Abnahme von Prüfungen sowie die Mitwirkung in der akademischen
Selbstverwaltung.
Erwartet werden
• ein erziehungswissenschaftliches bzw. sonder- oder inklusions-
pädagogisches Profil in Forschung und Lehre,
• einschlägige nationale und internationale Publikationen,
• nationale und internationale Kooperationen sowie
• Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln.
Erwartet wird weiterhin eine Zusammenarbeit mit den thematisch relevanten
Arbeitsbereichen im Institut für Erziehungswissenschaft und im Institut
für Psychologie in Bildung und Erziehung sowie mit den Fachdidaktiken
im Lehramtsstudiengang sonderpädagogische Förderung.
Voraussetzungen für die Bewerbung sind nach § 36 Hochschulgesetz NRW
• ein einschlägiger überdurchschnittlicher Studienabschluss,
• eine erziehungswissenschaftlich bzw. sonder- oder inklusions-
pädagogisch einschlägige überdurchschnittliche Promotion,
• darüber hinaus sehr gute wissenschaftliche Leistungen im oben
beschriebenen Arbeitsfeld, die im Rahmen einer Habilitation,
einer Juniorprofessur oder einer Tätigkeit als wissenschaftliche:r
Mitarbeiter:in an einer Hochschule oder außeruniversitären
Einrichtung oder im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit in
Wirtschaft, Verwaltung oder in einem anderen gesellschaftlichen
Bereich im In- und/oder Ausland erbracht worden sind sowie
• hochschuldidaktische Eignung sowie Bereitschaft zur Lehre in
englischer und deutscher Sprache.
Die WWU tritt für die Geschlechtergerechtigkeit ein und strebt eine
Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewer-
bungen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht; Frauen werden
bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende
Gründe überwiegen.
Die WWU hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Menschen mit Beeinträchtigung
zu beschäftigen. Bei gleicher Qualifikation werden Bewerber*innen mit
anerkannter Schwerbehinderung bevorzugt eingestellt.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Darstellung
des wissenschaftlichen Werdegangs, Kopien der Zeugnisse, Publikations-,
Drittmittelprojektliste sowie Verzeichnis und Evaluationsergebnisse
der Lehrveranstaltungen der letzten 3 Jahre ) werden bis 31.07.2022 in
elektronischer Form (als eine PDF-Datei) erbeten an:
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Dekanin des Fachbereichs 06 Erziehungswissenschaft und
Sozialwissenschaften
Prof. Dr. UIrike Weyland
E-Mail: dek.fb06@uni-muenster.de
www.uni-muenster.de
Die Bauhaus-Universität Weimar ist eine international etablierte Universität,
die auf eine 160-jährige Geschichte zurückblickt und sich in der Tradition des
Bauhauses versteht. Sie vereint Wissenschaft, Technik, Kunst und Gestaltung.
Diese Einstellung bestimmt wesentlich das Selbstverständnis der Fakultäten
Architektur und Urbanistik, Bauingenieurwesen, Kunst und Gestaltung sowie
Medien. Die Fakultäten sind über ihre fachspezifischen Aufgaben hinaus der
interdisziplinären Zusammenarbeit sowie der Durchdringung von Praxis, Kunst
und Wissenschaft besonders verpflichtet.
Im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses ist an der Fakultät Bauingenieurwesen der Bauhaus-Universität
Weimar die
W1-Professur (mit Tenure Track nach W3)
»Natural Hazards and Structural Resilience«.
zu besetzen.
Dem Programm entsprechend richtet sich die Ausschreibung an Nachwuchskräfte
in der frühen Karrierephase, deren Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit i. d. R.
durch eine Promotion nachgewiesen ist. Zudem gelten die Einstellungsvoraus-
setzungen des Thüringer Hochschulgesetzes (§ 89 ThürHG).
Die Professur wird zunächst befristet auf drei Jahre besetzt. Nach positiver
Zwischenevaluation ist eine Verlängerung um drei Jahre vorgesehen. Auf
Grundlage einer weiteren positiven Evaluation findet nach sechs Jahren die
Überleitung auf eine W3-Professur ohne erneute Ausschreibung statt.
Die Professur widmet sich in Forschung und Lehre der Gefährdungsbeurteilung
und Risikobewertung von Bauwerken im Kontext von Naturgefahren und ist
am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau angesiedelt. Der/Die zu Berufende
sollte sich vertieft mit der tragwerksbezogenen Modellierung, Simulation und
messtechnischen Erfassung komplexer Einwirkungsbedingungen aus Natur-
gefahren beschäftigt haben. Schwerpunkte der Forschung sind die mit solchen
Einwirkungsszenarien verbundene Auslegung von Ingenieurkonstruktionen
sowie die Bewertung und Optimierung bestehender baulicher Anlagen und
Infrastruktursysteme. Dies schließt Prognosemodelle zur Quantifizierung von
Tragwerkssicherheit und Resilienz in komplexen Gefährdungsszenarien (bspw.
Multi-Hazard-Kaskaden) sowie die Behandlung globaler und regionaler Trans-
formationsprozesse wie auch die Auswirkungen des Klimawandels ein.
Die Bauhaus-Universität Weimar verfolgt eine gleichstellungsfördernde, familien-
freundliche Personalpolitik. Zu den strategischen Zielen der Universität gehört,
den Frauenanteil in Lehre und Forschung zu erhöhen. Die Universität hat das
Prädikat »TOTAL E-QUALITY« erhalten, zudem ist ihr im Professorinnen-
programm des Bundes und der Länder das Prädikat »Gleichstellung:
Ausgezeichnet!« verliehen worden. Die Bauhaus-Universität Weimar bittet daher
qualifizierte Wissenschaftlerinnen ausdrücklich um ihre Bewerbung. Weitere In-
formationen zum Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses (Tenure-Track) finden Sie unter https://www.tenuretrack.de/en/.
Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Weitere Informationen zur Bauhaus-Universität Weimar sowie die aus-
führliche Stellenausschreibung finden Sie unter www.uni-weimar.de bzw.
www.uni-weimar.de/stellen.
Bewerbungen werden unter Angabe der Kennziffer bis zum 31. Juli 2022 an die
in der ausführlichen Ausschreibung im Internet genannte Adresse erbeten.
Wir freuen uns sehr auf Ihre Bewerbung!
45
An der Fachhochschule Bielefeld ist im Fachbereich Ingenieur-
wissenschaften und Mathematik zum Wintersemester 2022/23
folgende Stelle zu besetzen
W2-Professurvertretung Die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH Regensburg)
ist mit mehr als 11.000 Studierenden, 230 Professor*innen sowie über
für das Lehrgebiet Ingenieurinformatik 680 Mitarbeiter*innen eine der größten Hochschulen für angewandte
Wissenschaften in Bayern.
In der Fakultät Elektro- und Informationstechnik sind zum nächst-
Befristet für die Dauer von 2,5 Jahren in Teilzeit (66%) möglichen Zeitpunkt drei
Aufgaben Professuren
Das Lehrgebiet wird am Campus Bielefeld vertreten und beinhaltet der Bes.-Gr. W 2 für folgende Lehrgebiete zu besetzen:
Module aus dem Studiengang Ingenieurinformatik. Industrieautomatisierung und
industrielle Bildverarbeitung
Ausführliche Informationen zum Stellenangebot finden Sie unter
www.fh-bielefeld.de/jobs. –
Selbstlernende und Adaptive Systeme
Bewerbungen –
Bitte senden Sie Ihre Bewerbung unter Angabe der Kennzahl Kommunikations- und Vernetzungs-
V3/2022/1A bis zum 23.06.2022 an die Fachhochschule Bielefeld,
Dekan des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik,
technik
Prof. Dr. Rolf Naumann per Mail an bewerbung.dekan.ium@fh-
Die OTH Regensburg ist mit dem TOTAL E-QUALITY-Prädikat für
vorbildlich an Chancengleichheit und Diversity orientierter Personal-
bielefeld.de.
und Hochschulpolitik ausgezeichnet, Bewerbungen von Frauen sind
demzufolge ausdrücklich erwünscht.
Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei ansonsten
im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
bevorzugt eingestellt.
Die ausführlichen Stellenausschreibungen mit den
jeweiligen Einstellungsvoraussetzungen finden Sie
unter www.oth-regensburg.de/hochschule/jobs-karriere
oder direkt über den QR-Code.
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftigen Bewerbungs-
unterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Nach-
weise über den beruflichen Werdegang und die wissen-
schaftlichen Arbeiten) über unser Online-Portal bis zum
24.07.2022.
Am 01.11.2009 wurde in Bochum die bundesweit erste staatliche Hoch-
schule für Gesundheit gegründet. Die Hochschule bietet Studienplätze
in unterschiedlichen Studiengängen des Themenfeldes Gesundheit an
und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Akademisierung von Ge-
sundheitsberufen sowie zur Optimierung von Versorgungsstrukturen. Die
Hochschule sucht engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Wei-
terentwicklung der Hochschule im Zukunftssektor Gesundheit mitgestalten
möchten – interdisziplinär, innovativ und offen für neue Perspektiven. Willkommen an der Hochschule Anhalt, einer der forschungsstärksten Hoch-
schulen des Landes. Im Herzen Mitteldeutschlands bieten wir als innovative
Im Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften ist zum Hochschule Forschung und Lehre auf internationalem Niveau sowie beste
nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Vertretungsprofessur zu besetzen: Studien- und Lebensqualität. Mit mehr als 70 Studiengängen schaffen wir
individuellen Freiraum zur Entwicklung von Persönlichkeiten und bereiten etwa
W2-Vertretungsprofessur 7.500 deutsche und internationale Studierende vor allem auf eines vor: einen
‚Logopädie‘ (w/m/d) gelungenen Berufsstart.
(Schwerpunkt: Methoden der Logo- Am Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung
der Hochschule Anhalt, Standort Bernburg, ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt
pädie im Fachbereich Kindersprache) die Professur
Die Professurvertretung erfolgt in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsver-
hältnis besonderer Art und begründet kein Dienstverhältnis. Die Vertre-
Landschaftsgestaltung und Gartenarchitektur
tung im Umfang von 50% ist schnellstmöglich zunächst bis einschließlich (Bes.-Gruppe W2)
August 2024 zu besetzen, mit der Option zur Verlängerung. Das Lehrde- zu besetzen.
putat beträgt entsprechend ca. 9 SWS.
Aufgabengebiet:
Bewerbungsschluss ist der 22.06.2022. Der Stelleninhaber (m/w/d) hat das Gesamtgebiet der Landschaftsarchitektur,
Die vollständige Stellenanzeige finden Sie insbesondere die Objektplanung von Grün- und Freiräumen in den Leistungsphasen
unter nebenstehendem QR-Code: 5-9 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), zu vertreten.
Hochschule für Gesundheit
Dezernat I - Personal Das Fachgebiet umfasst die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten der
Gesundheitscampus 6-8 Objektplanung und Bauleitung zwischen künstlerisch-gestalterischen, methodisch-
44801 Bochum planerischen und technisch-wirtschaftlichen Anforderungen an die Planung und
www.hs-gesundheit.de Entwicklung sowie die Leitung und Realisierung von Projekten der Landschafts-
architektur.
Die Professur verlangt ein hohes Engagement bei der Betreuung von Bachelor-
und Masterarbeiten, studentischen Projekten und Exkursionen sowie bei der
strategischen Weiterentwicklung der Studienangebote.
In der angewandten Forschung steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit
Unternehmen und Fachverbänden sowie mit weiteren Fachgebieten der Hochschule
Anhalt im Vordergrund. Die Hochschule Anhalt besitzt das Promotionsrecht für
den Bereich „Architektur und Designforschung“, die Mitwirkung des Stelleninhabers
HOCHSCHULE (m/w/d) im Promotionszentrum ist erwünscht.
FÜR ANGEWANDTE WISSENSCHAFT UND KUNST Ebenso gehört die aktive Mitarbeit in den Gremien der akademischen Selbst-
verwaltung zu den Aufgaben der Professur.
Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Mehr Informationen über den Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und
www.hawk.de Landschaftsentwicklung erhalten Sie unter www.hs-anhalt.de/loel.
Anforderungsprofil:
Gesucht wird eine auf dem Berufungsgebiet ausgewiesene Persönlichkeit
An der HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen ist an der Fakultät (m/w/d), deren Tätigkeits- und Forschungsschwerpunkt in der Planung, Leitung
Management, Soziale Arbeit, Bauen am Standort Holzminden zum nächstmöglichen und Realisierung von Projekten im Themengebiet der Landschaftsarchitektur
Zeitpunkt folgende Professur zu besetzen: und Freiraumplanung liegt, insbesondere werden Erfahrungen in der Bauabwick-
lung, aber auch im objektplanerischen Entwurf, erwartet.
PROFESSUR (W2) FÜR DAS LEHRGEBIET NORMATIVE Der Bewerber (m/w/d) kann auf ein einschlägiges wissenschaftliches Hochschul-
RAHMUNGEN SOZIALER ARBEIT studium im Berufungsgebiet (vorzugsweise in Landschaftsarchitektur, Garten-
und Landschaftsbau o. ä.) verweisen und sollte mit Fragen des Entwurfs, der
Planung und Umsetzung vertraut sein.
Die Inhaberin/ der Inhaber der Stelle vertritt das Fachgebiet Die HAWK will die beruf- Erfahrungen in der Lehre und in der Betreuung von akademischen Abschluss-
insbesondere mit folgenden Schwerpunkten: liche Gleichstellung von arbeiten werden vorausgesetzt.
Frauen und Männern be- Der zukünftige Stelleninhaber (m/w/d) soll über Erfahrungen in der Einwerbung
• Normative Rahmungen Sozialer Arbeit, vor allem in
sonders fördern. Daher und Durchführung von Forschungs-, Kooperations- und/oder Drittmittelprojekten mit
philosophisch-moralischer und ethisch-politischer Hinsicht,
strebt sie eine Erhöhung Partnern aus Wissenschaft und Praxis sowie Veröffentlichungen zu den genannten
• Ethische und politische Grundlagen disziplinärer Theorien
des im jeweiligen Be- Schwerpunkten aufweisen.
und professioneller Handlungskonzepte und deren
reich unterrepräsentier-
Anwendung in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit.
ten Geschlechts an.
Eine internationale Vernetzung im Themengebiet der Professur ist erwünscht.
Sichere Kenntnisse der deutschen und englischen Sprache werden vorausgesetzt.
Wünschenswert sind dabei internationale Bezüge und/oder
Bezüge zum Feld der Politischen Bildung/ Menschenrechtsbil-
Die HAWK versteht sich
als ein Ort der Chancen- Einstellungsvoraussetzungen:
dung.
ermöglichung. Daher Die formalen Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 35 Hochschulgesetz
Gesucht wird eine qualifizierte Persönlichkeit mit einem wird auch von Seiten der des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA).
abgeschlossenen Hochschulstudium im Themengebiet der Person, die die Professur Die Berufung in ein Professorenamt erfolgt erstmalig bei Erfüllung der Voraus-
Professur, vorzugsweise in der Sozialen Arbeit bzw. ausübt, ein gleichstel- setzungen in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Die Probezeit beträgt in der
Sozialpädagogik/ Sozialarbeit lungsorientierter und Regel drei Jahre. Nach erfolgreich absolvierter Probezeit erfolgt die Berufung
vielfaltsfreundlicher Um- in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf Vorschlag des Fachbereichsrates
Die Bewerberin/ der Bewerber muss über eine durch nach Zustimmung des Senats.
gang im Kollegium und
ausgewiesene Lehrerfahrungen bestätigte pädagogisch-didakti-
mit Studierenden als we-
sche Eignung und eine überdurchschnittliche wissenschaftliche Die Hochschule Anhalt strebt eine Erhöhung des Anteils an Frauen am wissen-
sentlicher Bestandteil
Qualifikation verfügen sowie relevante berufspraktische Erfahrun- schaftlichen Personal an und fordert Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben.
der Lehr- und Führungs-
gen im Themengebiet der Professur nachweisen. Für Schwerbehinderte gelten bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher
kompetenz vorausge-
Leistung die Bestimmungen des SGB IX.
Zu den Aufgaben der Stelleninhaberin/ des Stelleninhabers setzt. Darüber hinaus
gehört die Lehre im generalistisch angelegten Bachelor-Studien- wird von der Professur Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Darstellung des wissen-
gang Soziale Arbeit sowie im Master-Studiengang Soziale Arbeit erwartet, dass Gender schaftlichen Werdeganges einschließlich der Lehrtätigkeit, Darstellung der fach-
im sozialräumlichen Kontext. und andere Diversitäts- praktischen Tätigkeit sowie Liste der Forschungs- und Publikationstätigkeiten,
dimensionen als rele- Zeugnisse/Urkunden – Abitur, Hochschulabschluss, Promotion, ggf. Habilitation)
Das Lehrangebot wird vor allem in folgenden Modulen erbracht:
vante Teilaspekte in Leh- werden innerhalb von acht Wochen nach Erscheinen dieser Anzeige erbeten an
BA: Professionale Identitätsbildung, Disziplin und Profession, re und Forschung be- den Präsidenten der Hochschule Anhalt.
Individuum und Gesellschaft, Erziehung, Bildung, Sozialisation, rücksichtigt werden.
Diversität, Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und/oder
Bitte schicken Sie uns dazu eine Mail mit Betreff „Landschaftsgestaltung und
Personen mit Schwerbe- Gartenarchitektur“ an bewerbung@hs-anhalt.de. Sie erhalten von uns einen
Soziale Arbeit mit erwachsenen Menschen; MA: Partizipation und
Aktivierung, Diversität im sozialen Raum.
hinderung werden bei persönlichen Upload Link für Ihre digitalen Bewerbungsunterlagen.
gleicher Eignung, Befähi-
Die hier zur Ausschreibung vorgeschlagene Professur soll im gung und fachlicher Leis-
BA-Studiengang Soziale Arbeit und im MA-Studiengang Soziale tung nach Maßgabe der
Arbeit im sozialräumlichen Kontext Lehre zu normativen einschlägigen Vorschrif-
Grundlagen und Rahmungen der Sozialen Arbeit anbieten. Neben ten bevorzugt berück-
dabei relevanten Theorien und Konzepten vor allem aus sichtigt. Zur Wahrung Ih-
Philosophie (Ethik) und Politik (z.B. Menschenrechte) sollen die rer Interessen teilen Sie
normativen Dimensionen disziplinärer Theorien und bitte bereits in der Be-
professioneller Handlungskonzepte vermittelt werden. werbung mit, ob eine
Schwerbehinderung/
Außerdem wird die Bereitschaft vorausgesetzt, je nach den
Gleichstellung vorliegt.
Erfordernissen der Fakultät, angren¬zende Module in der
Lehre auch anderer Studiengänge zu übernehmen. Die Rücksendung der
Voraussetzungen sind Forschungserfahrungen und eingereichten An der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, Fakultät für
Publikationen im Fachgebiet der Professur. Erfahrungen in der Unterlagen erfolgt nur Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau, ist zum frühestmöglichen
Einwerbung von Drittmitteln sind erwünscht. Als selbstver- bei gleichzeitiger Zeitpunkt eine W3-Professur für Erzlagerstättenkunde
ständlich setzen wir Teamfähigkeit und die Bereitschaft Übersendung eines
voraus, sich zielgruppenorientiert in die Studienberatung, die ausreichend
und Geometallurgie
Vertretung der Hochschule nach außen und in die frankierten, zu besetzen.
akademische Selbstverwaltung einzubringen. Im Rahmen der adressierten
Internationalisierung werden auch Lehrveranstaltungen in Rückumschlages. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
Englisch angeboten. Andernfalls werden sie tu-freiberg.de/wirtschaft/karriere/
nach Abschluss des stellenausschreibungen/ausschreibungen/
Fachliche Fragen beantwortet Ihnen gern Frau Prof. Dr.
Bewerbungsverfahrens
Alexandra Engel (alexandra.engel@hawk.de). oder direkt über den QR-Code.
nach den Vorgaben
Die Einstellungsvoraussetzungen ergeben sich aus § 25 des des Datenschutzrech-
Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG), die tes vernichtet. Bewerbungen richten Sie bitte bis zum 15.07.2022 an die
Dienstaufgaben aus § 24 NHG. Die Stelle ist teilzeitgeeignet. TU Bergakademie Freiberg, Dezernat für Personalangelegenheiten,
Aussagekräftige Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen 09596 Freiberg bzw. per E-Mail an
(insbesondere Nachweise über Ihre wissenschaftlichen bewerbungen@tu-freiberg.de
Qualifikationen und berufspraktischen Erfahrungen sowie
Lehrnachweise) richten Sie bitte bis zum 16.07.2022 an die
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst
Hildesheim/ Holzminden/ Göttingen, Personalabteilung,
Wir freuen uns auf Ihre
aussagekräftige Bewerbung!
Über 1.000 anspruchsvolle
Stellen auch online!
Jetzt auf jobs.zeit.de
jobs.zeit.de
ANZEIGE

Wo f n d e c h
d a s G l ü c k? Philosophieren mit Kindern.
Die neue ZEIT-Edition

Glück

E n Schatz für neug er ge

und p hantas evolle K nder
Tolle Auswahl an geistreichen
Kinderbüchern. Ein originelles
und lehrreiches Geschenk
für unsere Enkelkinder!

Wahrheit Verantwortung

Neu er +
6 Büch Hefte
ach-
3 Mitm Schublade
iler
in stab

Wer mit Kindern philosophiert, erlebt ein besonderes Vergnügen!
Nachdenken über die Welt, staunen und sich wundern: Fragen, die im
gemeinsamen Gespräch entstehen, öffnen Türen zu überraschenden
Perspektiven. Die neue ZEIT-Edition »Kopfstand« bietet mit sorgfältig
ausgesuchten Geschichten und spannenden Mitmach-Heften zahlreiche
Anregungen zum Philosophieren mit Kindern im Grundschulalter.
Start frei für den gedanklichen Kopfstand!
Darauf können S e s ch freuen
6 sorgfältig ausgewählte Bilderbuchgeschichten, die einen
altersgerechten und heiteren Zugang zu den Themen Glück,
Wahrheit und Verantwortung bieten
3 eigens entwickelte Mitmach-Hefte mit vielen kreativen Bastelideen,
lustigen Wortspielen und interessanten Denkaufgaben für eine abwechs-
lungsreiche Vertiefung der philosophischen Themen
Liebevoll gestaltete, stabile Schublade, in der alle Bestandteile Platz finden
Ein ideales Geschenk für Kinder im Grundschulalter für nur 79,95 €*

Jetzt bestellen: shop.zeit.de/kopfstand

*zzgl. 4,95 € Versandkosten | Bestell-Nr.: 41754 | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

111477_ANZ_371x528_X4_ONP26 1 01.06.22 11:18

 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
H I E R AU S R E I S S E N!

47

A B E N T E U E R F Ü R K I N D E R

Leona darf
auf dem Hof
Fotos: Ansgar Dlugos für DIE ZEIT; Getty Images (u. l.)

überallhin –
und steht oft
mitten
zwischen den
Tieren

Tierisch gute Freunde

Auf einem Hof in Bergheim finden alte und kranke Hühner, Hasen und Schweine ein neues Zuhause.
Leona, 9 Jahre, besucht die Tiere jede Woche – und packt mit an  VON MARIE-CHARLOTTE MAAS

W
enn am Wiebachhof 2 Oft sind es alte Lebensmittel, die Menschen dafür, dass sie nicht auf die schmale Straße laufen. weiß, dass man sich so groß wie möglich machen Das bekommt der Hof durch Spenden. Wer
in Bergheim in Nord- hier abgeben. Der Hof von Nadine Nitz ist kein Die Hasen teilen sich ihr Gehege mit den Hühnern muss, wenn man den fauchenden Gänsen gegen- möchte, kann Pate werden und monatlich für ein
rhein-Westfalen ein normaler Bauernhof, sondern ein sogenannter und ein paar Enten, die Puten sind überall unter- übersteht, um ihnen zu zeigen, wer das Sagen hat. Tier Geld geben. Leona versucht, mehr Menschen
Auto hält und jemand Gnadenhof. Hierher kommen Tiere, die bei ihren wegs. Für Leona ist der Gnadenhof ihr liebster Ort All das hat Leona selbst herausgefunden: »Wenn für so eine Patenschaft zu begeistern. Sie erzählt an
mit einer großen Tüte alten Besitzern nicht mehr hätten weiterleben auf der Welt, sagt sie. Kennengelernt hat sie ihn vor man die Tiere genau beobachtet, erfährt man eine ihrer Schule vom Hof, bringt Freundinnen und
aussteigt, ist die Auf- dürfen. Einige sind krank, andere einfach nur alt, drei Jahren, als ihre Mutter ein Pferd hier unter- ganze Menge.« Manchmal muss sie aber auch Freunde mit. »Am Anfang sind die meisten ein biss-
regung groß und das manche haben eine Behinderung. Die meisten stellte. Das ist inzwischen fort, aber Leona ist noch einstecken. Einmal hat eine Pute sie gepickt, eine chen ängstlich«, sagt sie. »Viele waren noch nie so
Geschnatter laut: Was mag wohl darin sein? wären geschlachtet oder eingeschläfert worden, da. Gerade sucht sie nach Isabella, ihrem Lieblings- kleine Narbe am Auge ist noch zu sehen, aber Leo- nah dran an Tieren, ganz ohne Zaun.«
Altes Brot wäre toll, auch angeditschte Gurken hätte Nadine Nitz sie nicht aufgenommen. huhn: »Sie ist die Kuscheligste von allen«, sagt na findet das nicht schlimm: »Jedes Tier hat einen Die Erlebnisse auf dem Gnadenhof haben auch
sind beliebt. »Aber am besten ist Salat«, sagt Leo- Dabei ist sie gar keine Bäuerin, sondern verdient Leona, nimmt die Henne auf den Arm und ver- eigenen Charakter. Manche sind verschlafen, man- Leona verändert. Sie weiß nun, dass so manches
na, »das ist wie Weihnachten.« Das Mädchen ist ihr Geld eigentlich damit, Autos zu verkaufen. Den gräbt ihr Gesicht in deren Federn. che wild, manche neugierig, andere ängstlich. So Tier kein gutes Leben haben darf. Sie weiß auch,
natürlich nicht selbst heiß auf hartes Brot und Hof betreibt Nadine Nitz seit drei Jahren in ihrer Dann führt sie über den Hof: Sie zeigt den wie wir Menschen auch.« Und die pickende Pute? wie es sich anfühlt, wenn eins stirbt, das man gern-
Matschgemüse. »Aber die hier lieben es«, sagt Freizeit. Auf die Idee kam sie, als sie von einem Hühnerstall in einem alten Wohnwagen und die »Ich glaube, sie wollte da einfach nicht kuscheln, hat. Und weil sie einige Puten schon als Küken auf
Leona, grinst und zeigt auf die Hühner, die um Verein hörte, der Legehennen rettet. Legehennen Matschepfütze, in der sich die Schweine Rosi, sondern lieber rumlaufen«, sagt Leona. dem Schoß hatte und die Hühner fast so liebt wie
ihre Füße herumwuseln. sind Hühner, die nur leben, um für uns Menschen Trüffel und Bettyboo gerne wälzen. Die drei leben Die Tiere kommen auf verschiedenen Wegen Geschwister, isst sie kein Fleisch mehr. »Ich stelle
Das Mädchen ist 9 Jahre alt und steht regel- möglichst schnell möglichst viele Eier zu legen. seit einigen Monaten hier, weil sie in ihrem alten auf den Hof: Mal erzählen Freunde der Besitzerin mir vor, das Fleisch im Supermarkt könnte ein
mäßig zwischen dem Geflügel. So wie andere Eineinhalb Jahre lang schafft so eine Henne das, Stall nicht gut versorgt wurden, erzählt Leona und von einem Fall, mal ruft eine Tierschutzorgani- Freund von Isabella gewesen sein«, sagt Leona. »Das
Kinder zum Fußball oder Klavierunterricht ge- danach wird sie meist getötet. Der Verein, von dem beugt sich ganz nah zu den mächtigen Schweinen sation an, mal ein anderer Gnadenhof, der nicht kann ich doch nicht essen!« Mittlerweile hat sie auch
hen, besucht Leona diesen Hof. Sie schlüpft in Nadine Nitz damals erfuhr, rettet genau solche herunter. »Die haben schon unheimliche Gesich- genug Platz hat. Leona würde sich wünschen, dass ihre Mutter überzeugt, auf Fleisch zu verzichten.
Gummistiefel und alte Klamotten und hilft der Legehennen und sucht für sie einen Platz auf einem ter«, sagt sie, »aber davon darf man sich nicht täu- Nadine Nitz noch mehr Tiere aufnimmt, aber auch Wenn Leona erwachsen ist, will sie selbst einen
Besitzerin Nadine Nitz, sich um die rund 90 Gnadenhof. Nadine Nitz wollte auch helfen und schen lassen, sie sind ganz lieb und zutraulich.« ihr Hof ist voll belegt. »Wir schaffen es nicht, uns kleinen Hof haben – oder wenigstens ein paar
Tiere zu kümmern. Neben den Hühnern gibt es gründete einen eigenen Verein – Federherz. »Ich Mittlerweile kennt Leona nicht nur die Namen um mehr Tiere zu kümmern«, sagt Nadine Nitz. Tiere im Garten: Hühner, Puten und mindestens
Puten, Enten und Gänse, aber auch ein paar finde, Tiere haben das bestmögliche Leben verdient, aller Hoftiere. Sie weiß auch, wo die Puten gekrault Und nicht nur der Platz sei knapp, auch das Geld ein Häschen. Und einen anderen großen Traum
Hasen, Schweine, Schafe und Hunde. Leona wie wir Menschen«, sagt sie. werden wollen. Sie weiß, dass die Hasen – »die reiche schon jetzt oft kaum. Einige Tiere brauchen hat Leona: Sie will später als Tierfotografin arbei-
mistet deren Ställe aus, sie füllt frisches Wasser in Auf dem Hof können die Tiere sich frei bewe- dicken Brummer« – anders als die Hühner nicht regelmäßig Medikamente, manche müssen operiert ten. Tiere genau zu beobachten, hat sie auf dem
die Trink­näpfe und verteilt Futter. gen, nur ein paar Außenzäune und Tore sorgen gerne auf den Arm genommen werden. Und sie werden. Das alles kostet Geld. Gnadenhof schon ziemlich gut gelernt.

MOMENT MAL! ZEIT LEO – DAS MAGAZIN FÜR DICH ENTDECKT

Warum trifft eine Hungersnot Zeitreise mit Stadtwohnung und

Kinder besonders hart? Rüstung Stelzenhaus
Stell dir vor, du bekommst mor- Und ausgerechnet diesen Kin- Wenn Männer mit Ritterhelmen und­ Bei Oma darf man so viele Süßig- in denen die Häuser auf Stelzen
gens ein Stück Brot zum Früh- dern droht durch den Krieg in der Frauen in altmodischen Kleidern über einen keiten essen, wie man will, bei der stehen? Oder dass in einigen afri-
stück und weißt nicht, ob du an Ukraine nun noch größeres Leid. Burghof stiefeln, dann ist man vermutlich besten Freundin müssen die Schuhe kanischen Ländern viel mit Lehm
diesem Tag noch etwas anderes zu Die Ukraine liefert nämlich nor- auf einem Mittelaltermarkt gelandet. Nach- vor der Wohnungstür ausgezogen gebaut wird, weil der besonders
essen haben wirst. Und das nicht malerweise Weizen und Mais in dem viele dieser Feste wegen Corona aus- wer­den, und bei den Nachbarn gut vor Sonne und Hitze schützt?
nur an einem einzigen Tag, son- viele Länder. Getreide, aus dem fallen mussten, kann man in diesem Som- riecht es ganz anders als bei uns. Oder dass manche Menschen auf
dern über Wochen. Jeden Tag nur Mehl wird, das man etwa zum mer wieder an verschiedenen Orten in Jedes Zuhause ist einzigartig – und Hausbooten leben?
ein Stück Brot. Klingt für uns un- Brotbacken braucht. Doch durch Deutschland auf Zeitreise gehen. Denn bei das hängt nicht nur von den Men- Im Untertitel heißt dieses
vorstellbar, doch es gibt viele Kin- den Krieg kommt das Getreide diesen Festen ziehen sich die Menschen an schen ab, die darin leben, sondern Buch Vom Wohnen, Leben, Wegge-
der in der Welt, für die das alltäg- Gibt es in armen nicht mehr aus der Ukraine hinaus wie vor Hunderten Jahren, sie kochen Ge- auch von anderen Dingen: Lässt Ein Buch zum hen und Ankommen, denn es geht
lich ist. Ihre Familien sind so arm, Ländern bald – und fehlt nun überall in der Welt. richte von damals, zeigen alte Handwerks- man sich ein Haus nach den eige- Staunen und auch darum, was passiert, wenn
dass sie sich kaum Essen leisten mehr leere Teller? Wenn der Krieg andauert, wird es kunst, manchmal werden sogar Schlachten nen Wünschen bauen, oder mietet Nachdenken sich das Zuhause verändert – weil
können – und hungern müssen. noch schlimmer, weil dann erst gar nachgespielt. Besonders echt wirkt das man lieber ein paar Zimmer? man in eine andere Stadt oder gar
Für die Kinder ist das besonders schlimm, kein neues Getreide angebaut wird. Ganze, wenn ein Mittelalterfest auf einer Wohnt man in einer Wohnung in der Stadt oder in ein anderes Land zieht. Und für alle, die
noch mal mehr für die unter 5 Jahren. Denn Auch in einem reichen Land wie Deutsch- alten Burg gefeiert wird – wie zum Beispiel mit viel Platz in einem Häuschen mit Garten in den eigenen vier Wänden ein neues Zu-
wenn der Körper in diesem Alter nicht genug land müssen wir für Lebensmittel mehr be- an diesem Wochenende auf der Burg auf dem Land? Oder hat man womöglich gar hause finden und ein kleines Abenteuer erle-
Nahrung bekommt, kann er nicht wachsen zahlen. Wenn man aber in einem Land wie Rabenstein in Bayern, auf der Ehrenburg kein Zuhause und ist obdachlos? ben wollen, gibt es auch ein paar ­Ideen:
und sich nicht gut entwickeln. Wenn das über Somalia oder dem Jemen lebt und sehr arm in Rheinland-Pfalz oder im Merseburger In dem Buch Was ist Zuhause? erfährt man Wie wäre es zum Beispiel mit einer Kissen-
längere Zeit anhält, kann das sogar lebensbe- ist, kann es sein, dass man bald gar nichts Schlossgarten in Sachsen-­Anhalt. viele spannende Dinge über den Ort, an dem höhle oder einem echten Baumhaus?! PIA
drohlich sein. Christine Kahmann vom Kin- mehr zu essen kriegt. In diesen Ländern ha- Bei dir in der Nähe gibt es kein Ritter- man jeden Tag viel Zeit verbringt – über den
derhilfswerk Unicef schätzt, dass weltweit ben schon vor dem Krieg viele Menschen an spektakel? Oder erst in ein paar Monaten? man aber vermutlich nicht so oft nachdenkt. K. Scharmacher-Schreiber/L. Hesse (Ill.):
45 Millionen kleine Kinder zu leicht für ihr Hunger gelitten. Unicef fordert deswegen, Dann kannst du auch mit der aktuellen Aus- Jetzt tut man es und lernt auch noch, wie­ Was ist Zuhause? Vom Wohnen, Leben,
Alter sind. 45 Millionen – das sind viermal so dass reiche Länder mehr Geld geben, damit gabe unseres LEO-Kindermagazins ins Zuhause anderswo auf der Welt aussehen. Weggehen und Ankommen.
viele Kinder, wie in Deutschland leben. Kinder genug zu essen bekommen.  PIA Mittelalter reisen. In der Titelgeschichte Wusstest du zum Beispiel, dass es Länder gibt, Beltz & Gelberg 2022; 75 S., 15,– €; ab 7 Jahren
erfährst du in einem
Comic allerlei über
Burgen und wie das
POST VON ZEIT LEO Leben dort war. DIE OSTERRÄTSEL-GEWINNER
Jeden Freitag, pünktlich zum Wochenende, verschicken wir unsere Zu Ostern haben wir auf dieser Seite 20 Bräuche aus aller Welt vorgestellt. Aber einige waren
LEO-Post mit Rätseln, Spielen und Witzen. Diese Woche geht es Hier kannst du das erfunden. Die galt es zu entdecken, um auf die Lösung »Hasenstarke Spuernase« zu kommen.
um Geld: Wir zeigen dir einen Trick, wie du alte Münzen wieder Kindermagazin Fast tausend Kinder haben das geschafft, unter denen haben wir nun die Gewinner der Preise
glänzen lässt. Außerdem erzählen Kinder, wie sie ihr Taschengeld kostenlos testen: ausgelost und sie per E-Mail benachrichtigt. Wir gratulieren den Gewinnern – und haben einen
auf bessern. Hier kostenlos anmelden: www.zeit.de/postvonzeitleo www.zeit.de/leogratis kleinen Trost für alle anderen: Das nächste Rätsel ist schon geplant.
48 WISSEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Infografik: Avocado

o
N
Schmeckt’s noch? 677
Sie ist gesund, ökologisch aber höchst fragwürdig: Die Avocado in Zahlen 
VON JELKA LERCHE (INFOGRAFIK) UND MATS SCHÖNAUER (RECHERCHE)

Landhunger 80
Wasserverbrauch
Die Anbauflächen haben sich innerhalb Anbaufläche Die Avocado gehört zu den besonders
7.0

von zehn Jahren fast weltweit 0 durstigen Früchten. Für den

0

ha
verdoppelt. Häufig werden dafür Anbau von einem Kilogramm braucht
20
Wälder gerodet. 20 man 1000 Liter Wasser.
32

.0
9

00
ha
20 00
214 Liter/Kilo
Tomate
8.
18

00
0h
a 1
98 0

560 Liter/Kilo
Orange

Import Wachstum
2020 führte Deutschland mehr als Die weltweite Produktion von
viermal so viele Avocados ein wie Avocados hat sich in den vergangenen
noch im Jahr 2011. Jahrzehnten vervielfacht.

Quellen
Mio. t Die Ernährungs-
und Landwirt-
Australien schaftsorganisa-
2020 123.000 t 1,6 Mit 78.000 Tonnen eines der
kleineren Anbauländer,
tion der
Vereinten
1980 produzierte dieses Jahr aber so Nationen listet
viel, dass die Bauern Teile der Zahlen zu
790 Liter/Kilo Produktion und
Ernte wegwarfen. Banane Anbauflächen
auf
2017 73.000 t
Zahlen zum
Import nach
1,66 Deutschland hat
Rest das Statistische

8,1
2,39 Bundesamt
Mexiko
2014 38.000 t Informationen
0,19 USA
zum Wasserver-
0,19 Haiti brauch gibt es
0,25 Äthiopien beim Water
2020 Footprint
rasilien Network
0,27 B
ia 0,88
2011 29.000 t
32 Ken Links zu diesen
0, Kolumbien
0,61 und weiteren
Indonesien 0,66 0,68 Quellen finden
Peru Dominikanische Sie unter:
Republik 1000 Liter/Kilo www.zeit.de/
Avocado wq/2022-25
2008 19.000 t

Produktionsländer
(Mio. Tonnen, 2020)

Die Beere

400
Die Avocado ist eine Beere, In hiesigen Super­märkten ... und »Hass«,
die an einem immergrünen findet man vor allem rundlich, warzig, dunklere Die Kinderseite
Laubbaum wächst. Sie enthält kaum zwei Sorten: »Fuerte«, Schale. Benannt nach der ZEIT
Zucker, dafür viele Vitamine und birnenförmig, mit glatter dem ersten Züchter, einem finden Sie auf
ungesättigte Fettsäuren. grüner Schale ... kalifornischen Briefträger. Sorten gibt es weltweit. der vorigen Seite

FEUILLETON
Liebe Leute,
werdet Freunde!
A
n einer dieser Autoschnei­
sen, bei denen man immer
Nie waren sich Kunst und
gleich denkt, es gehe in Kas­
sel vor allem darum, Kassel
so rasch wie möglich zu ent­
kommen, hat gerade die
Kapuzinerkresse ein paar
zarte Wurzeln geschlagen. Auch Bohnen gibt es
da, sie blühen bereits, dazu einige Stängel Mais.
die am Wochenende beginnt  ihre Documenta soll man so verstehen: als Versuch, dort keineswegs streng und didaktisch zu. Alte
Ein Gemüsebeet im tosenden Nirgendwo – so
sieht sie aus, die am kommenden Wochenende
beginnende Documenta, die besonders das
Unscheinbare schätzt, auch das Vorläufige und
überhaupt ­alles, was frei vor sich hin wuchert.
An den Hang unterhalb der Documenta-­Halle
schmiegt sich neuerdings ein bengalischer Küchen­
garten. Auf der Fulda treiben schwimmende
Blumen­inseln. Tief drinnen im Rondell, einer
uralten Wehranlage, entsteht ein dunkler Dschun­
gel aus Chilipflanzen. Und selbst die wild zuge­
wachsene Kompostanlage der Karlsaue, vor zehn
Jahren bereits ein Austragungsort der Künste,
wurde wieder in Betrieb genommen. Man sieht
schon, die Bodennähe im wortwörtlichen Sinne
ist dieser Documenta wichtig.
Übrigens darf man sich hier auch selbst, ganz
körperlich, in den Kreislauf des Werdens und­
Vergehens einbringen. Dafür steht unweit der
Orangerie eine voll funktionstüchtige Kompost­
toilette, installiert auf einem Türmchen mit
Wendeltreppe – einerseits eine Skulptur, anderer­
seits die Einladung zum Defäkieren mit g­ rüner
Aussicht und ökologischem Mehrwert. Nie waren
Kunst und Leben einander näher.
Diese 15. Ausgabe der Documenta will, das
lässt sich hier am eigenen Leib erfahren, ein Ort
der Prozesse und des Produzierens sein und auf
keinen Fall eine herkömmliche Ausstellung. Das
Publikum soll kein Publikum sein, das nur­
»betrachtet« oder die Documenta »besucht«.
Vielmehr dürfen sich die Menschen als »Benutzer«
der Kunst verstehen, wie das begleitende Hand­
buch verrät. Und so wäre das Benutzen der Kom­
posttoilette schon mal ein Anfang.
Als das indonesische Kollektiv Ruangrupa vor
drei Jahren gebeten wurde, die Leitung der Do­
cumenta 15 zu übernehmen, hätten die zehn Mit­
glieder der Gruppe eigentlich abwinken müssen.
So ziemlich alles, wofür das Kasseler Großereignis
steht, wird von ihnen aus tiefstem Herzen ver­
achtet, als »hochkompetitiv, global expansiv,
gierig und kapitalistisch«. Allein die Idee, man
könne hier, in der nordeuro­päischen Provinz, die
Kunst der Welt versammeln – wie anmaßend!
Und erst das wahnsinnige Geld, 42 Millionen
Euro sind es dieses Mal, das für nur 100 Tage
Ausstellung verprasst wird. In Ruangrupas Augen
ist es ein sinnleeres Spektakel, immer wieder neue
Kunststücke zu produzieren, nur damit sie erst
beglotzt, dann in Galerien teuer verkauft und
schließlich als ­ Fetische auf ewig musealisiert
werden. Noch schlimmer: dass hier ein Staat die
künstlerischen Energien für seine Zwecke absaugt,
ein Bundes­präsident mit stolzen Reden die Schau
eröffnet und alle glauben sollen, Deutschland
habe ein weites Herz für den globalen Süden, nur
weil alle fünf Jahre eine Documenta mit kritisch-
politischem Anspruch abgehalten wird.
Warum Ruangrupa trotz der Kritik zusagte?
Weil das Kollektiv fest entschlossen ist, seiner­
seits nicht als Besucher in Kassel aufzutreten,
sondern als »Benutzer«. Die Kuratoren wollen,
so muss man es sehen, die Documenta kom­
postieren: sie auflösen und in etwas verwan­
deln, das sie für viel fruchtbarer, viel nachhalti­
ger halten als das, was sonst unter Kunst ver­
standen wird. Make friends, not art!, ruft uns
Ruangrupa zu. Das klingt kokett, ist jedoch
ganz schön ernst gemeint: Eine Documenta der
globalen Verschwisterung, darum geht es.
Dass die Kuratoren trotzdem von einer grellen
Debatte überrollt wurden, manche ihnen vor­
warfen, sie wollten Israelfeinden eine Bühne be­
reiten, und selbst der Antisemitismusbeauftragte
der Bundes­regierung zuletzt einige Bedenken
hatte, mag man in Kassel bis heute nicht begrei­
fen. Den Ruangrupa-Leuten liegt nichts ferner als
Hass und Hetze. Das Herumpolitisieren ist ihnen
fremd, selbst der U ­ kraine-Krieg oder die Pande­
mie kommen auf der Documenta nur am Rande
vor. Obwohl es stimmt, dass einige der Kuratoren
und der eingeladenen Künstler mit den Anliegen
Foto: Heiko Meyer für DIE ZEIT
des BDS, einer radikal israel­kritischen Bewegung,
sympathisieren, wird doch das, was jetzt in Kassel
zu sehen ist, nicht von irgendeinem Vernichtungs­
willen bestimmt. Das oberste Ziel heißt Einver­
nehmlichkeit.
»Lumbung« nennt Ruangrupa das, indone­
sisch für Reisscheune. Gemeint ist damit die
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
49
Idee einer Gemeinschaft, die zusammen sät und erntet Ich-muss-alles-­ gesehen-Haben. Auch vom Mis­
und ihre Vorräte sorgsam unter allen aufteilt. Das Kol­ sionierungsdrang früherer Documenta-Ausgaben
Leben so nah. lektiv lebt zwar in Jakarta, einem Moloch mit zehn Mil­ hält sich Ruangrupa, ihrer Tugendfestigkeit zum
lionen Menschen, begeistert sich aber umso mehr für Trotz, weitgehend fern.
Erste Eindrücke von der alles, was dörflichen Zusammenhalt verspricht, die Das Fridericianum, bislang das säulenbewehrte
Überwindung des kapitalistischen Gewinnstrebens und Zentrum noch jeder Documenta, haben sie zwar
Documenta in Kassel, außerdem die Befriedung von Mensch und Natur. Auch umgetauft, es heißt jetzt »Fridskul«. Doch geht es
nach eigenen Regeln ein Ekosistem zu errichten, wie sie Sofas und selbstgebastelte Regale füllen die Säle, es
VON HANNO RAUTERBERG das nennen, eine Form von Kreislaufwirtschaft, gerecht gibt eine Bibliothek, wild bekritzelte Schaubilder,
und möglichst unabhängig vom Staat. Gutes Leben ist eine Werkstatt mit Kreissäge und Akkuschraubern.
autonomes Leben. Die Kunst hingegen, sie dient. Für Kleinkinder wurde eine Tobezone mit Sand­
Auffällig, dass diese Documenta ohne den ü ­ blichen kasten eingerichtet, für Künstler eine Küche und
Theorieverhau auskommt, kein Foucault, keine Haraway, ein Schlafsaal. Klar, es ist eine Schule fürs Leben,
kein Fanon. Auch um ästhetische Fragen geht es in der da soll man auch übernachten können.
Einleitung des Handbuchs nur am Rande, dafür berichten Joseph Beuys hatte am selben Ort, genau 50
Ruangrupa akribisch, wa­ Jahre ist es her, ebenfalls eine Art von Unterricht
rum sie keine Stars einge­ abgehalten, Schultafel inklusive, um glühend für
laden haben, dafür viele die eigenen Glaubenssätze zu werben. Die jetzige
Streetworker der Kunst, Documenta pflegt lieber einen stillen Unernst, wie
mehrheitlich Kollektive wie man schon von Ferne erkennt. Die Säulen des
sie selbst. Gemeinsam lern­ Portikus sind schwarz gestrichen, darauf zahlrei­
ten sie, sich als Reisscheu­ che Sprüche, die aussehen, als hätte sie jemand mit
nen-Community zu be­ Kreide draufgekrakelt. Und als seien nun alle zum
greifen, die die Abermillio­ Mitkrakeln aufgerufen.
nen des Budgets irgendwie Während die Biennale in Venedig in diesem
gerecht verteilen musste. Jahr mit posthumanen Träumen aufwartet und
Ganz wichtig dabei: Die vor esoterischen Höhenflügen nicht zurück­
beteiligten Künstler sollten schreckt, bleibt man in Kassel auf spielerische
mit dem Geld nicht eigens Weise lösungsbewusst. Über weite Strecken ist es
Auftragsarbeiten für die eine Dokumenten-Documenta geworden, viele
Documenta produzieren. Kollektive zeigen mit Fotos, Transparenten oder
Viele von ihnen verstehen per Video, was sie daheim veranstalten. Und auch
ihre Kunst ohne­hin als ak­ dort, wo die Kunst eine ästhetische Eigenmacht
tive Solidarität: Sie arbeiten entwickelt, überwiegt oft ihr Zeugniswert. So
in den Slums von Nairobi zeigt das indonesische Kollektiv Taring Padi­
oder Bangladesch, gründen etliche Protestbanner, entstanden für Demons­
Bibliotheken, richten Sport­ trationen. Eindrückliche Bilder sind das, angefüllt
plätze ein oder werben für mit kämpferischen Figuren, die für eine bessere
Müllvermeidung. Und das, Welt eintreten. Doch wie sie da nun in einem­
so Ruangrupa, sollten die alten Schwimmbad herumhängen, ergänzt durch
Künstler bitte weiterhin eine Installation gereckter Arbeiterfäuste aus­
tun, von Documenta-Geld­ Pappe, wirkt die Kampfkunst reichlich dekorativ.
gestärkt. Als dann irgend­ Wie jene »Schaufensterauslagen«, vor denen
wann die Frage aufkam, ob Ruangrupa im Handbuch warnt.
es auch etwas gebe, das man Schon bei einem ersten, noch unvollständigen
in Kassel vorzeigen könne, Rundgang über die Documenta zeigt sich dieses
wurde kurzerhand eine­ Dilemma an vielen Orten. Überwiegend setzen
Arbeitsgruppe gegründet. die Kuratoren auf eine Kunst, die ihre Bedeutung­
Ihr lakonischer Titel: Where einem sozialen Geflecht verdankt; fehlt das­
is the art? Geflecht, wirkt vieles verloren, nicht selten blut­
Die Leitidee einer ir­ leer. Für den Massenauftrieb der Großschau – eine
gendwie organischen Kunst, Million Menschen werden erwartet – eignet sich
in der das Leben wieder zu das Reisscheunendenken nur sehr bedingt. So wie
sich selbst findet, hat am ihre Kunst möchte Ruangrupa auch ihre Docu­
Ende eine erstaunlich wild­ menta am liebsten in eine Lebensform verwan­
wüchsige Documenta her­ deln. Wie aber sollte das aussehen, eine Lebens­
vorgebracht. Das schon des­ form, zu ­erwerben per Tagesticket für 27 Euro?
halb, weil die von Ruan­ Das Leitungsteam weiß natürlich um die G ­ efahr,
grupa eingebundenen Kol­ dass die eingeladenen Kollektive in die Rolle von
lektive ihrerseits Kollektive Schmuck-Eremiten geraten, wie sie in den englischen
und Künstler einluden, so­ Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts angestellt
dass sich die Kunst nun waren. Schon damals sahen sich reiche Menschen
myzel­ artig in Kassel aus­ gerne etwas an, das nach leidensfähiger Aufrichtigkeit
breitet und eine schier un­ aussah. Heute ­werde von Künstlern oft verlangt, so
überschaubare Zahl kleiner heißt es im Documenta-Handbuch, »die ­sogenannte
und großer Orte einnimmt, Exotik ihrer eth­nischen Herkunft zu thematisieren.
alte Fabriken, zwei Unter­ Wenn der mediale Radar ihr Gebiet abtastet, um die
führungen, eine Brücke. Newsfeeds mit Geschichten über kriegsgebeutelte­
Allein 32 Spielstätten ver­ Regionen zu füttern, werden sie als ›authentische
zeichnet das Handbuch. Stimmen‹ vorgestellt.« Wo Ehtik und Ästhetik, Leben
Und zehnmal mehr Künst­ und Kunst in eins fallen, gerät das Dasein selbst allzu
lerinnen und Künstler als leicht zum voyeuristisch bestaunten Objekt.
bei einer durchschnittlichen Doch davon lässt sich Ruangrupa die stets gute
Documenta wurden dieses Laune nicht verderben. In ihren Augen konnte die
Mal eingebunden, manche Gruppe, so stellt sich heraus, viele Lumbung-Ziele
sagen, es seien 1500 Betei­ längst erreichen: Das Teilen von Erfahrungen, Kon­
ligte, andere sprechen von takten, von Geldern, das große Ekosistem der Ein­
1700. Kontrollierter Kon­ geladenen, all das hat sich längst etabliert. Für
trollverlust, das war der Ruangrupa war das Vorbereiten die eigentliche
Plan. Er scheint aufzugehen. Documenta, ihre Ernte ist eingefahren. Entstanden
Wie bei einem Festival ist dabei eine eigene kleine Kunstwelt, gerechter als
entsteht jetzt vieles aus dem die große, autonomer, sogar ausgestattet mit einer
Augenblick, es gibt Umzü­ eigenen Galerie. Auch viele Kasseler Vereine und
ge, Partys, Workshops, Initiativen haben Ruangrupa darin eingebunden,
Konzerte, eine Halfpipe für etwa die Gemeinde der Neuen Brüderkirche, gele­
Das Fridericianum die ­Jugend, vielerorts kochen die Künstler und ­laden zum gen an einer der Kasseler Auto- und ­Fluchtschneisen.
in Kassel, Essen ein. Wer will, kann eine vietname­sische Sauna be­ Man traf sich dort am vorigen Wochenende schon
traditionell das Zentrum suchen, wahlweise auch eine mit Kräutern: gemeinsam mal zum Trommel-Workshop im Innenhof, zu­
der Documenta, Schwitzen verbindet. Man kann sich natürlich auch, wie gleich wuchsen vor den Foodsharing-Tischen die
hat jetzt schwarze Säulen. üblich auf einer Documenta, mit Konflikt­herden aller Warte­schlangen. Ein kunstgieriges Publikum hätte
Der Künstler Art befassen, vor allem mit agrarwirtschaft­lichen Themen, nur gestört. Die Documenta, hier war sie schon vor
Dan Perjovschi durfte mit Bienenzucht, Milchwirtschaft, Heilpflanzen, der Ini­ der Eröffnung mit sich selbst im Reinen.
sie mit heiteren tiative ZukunftsDorf22 oder auch mit der eminent po­
Sprüchen beschriften litischen Frage, wie sich Äcker, Wälder oder ein Stein­ www.zeit.de/vorgelesen
bruch ­kollektivieren lassen. Doch mindestens genauso
wichtig ist für Ruangrupa das nongkrong, ein indonesi­ Im ZEITmagazin porträtieren wir
scher Slangbegriff fürs gepflegte Abhängen. Bloß keinen das Künstlerkollektiv Alice Yard, das zur
Kunstdruck aufbauen, Schluss soll sein mit dem Documenta eingeladen wurde
50 FEUILLETON 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Erlebnis und Kritik

LITERATUR IM ENTSTEHEN

Glückliche wie ich

Als Stipendiatin im Haus von Heinrich Böll in Irland
tippe ich Gedichte über Schafe

Das berühmte Bild von Heinrich Böll vor seinem und Nacht mit Licht erfüllen. An den Wänden hängt mich Schafe mit punkroten und blauen Flecken im
Cottage auf Achill Island zeigt ihn nicht vor seinem Kunst, Fotos von Heinrich Böll und Briefe an seine Fleece an. Eine Böll-Stipendiatin – war es Felicitas
Fotos: Karl-Heinz Raach/laif; (u. v. l.): dpa; Mauritius; ddp; AFP/Getty Images

Cottage, sondern vor dem Haus einer Nachbarin,
schließlich war er nach Irland gekommen, um Ruhe
vor der Presse zu haben. Das echte Cottage befindet
sich auf der anderen Straßenseite und ist so perfekt
von einer Fuchsienhecke verdeckt, dass Böll-Pilger
es niemals fänden, wenn nicht eine Plakette sie bit-
ten würde, die Privatsphäre der Stipendiaten im
Haus des Schriftstellers zu respektieren. Ich bin eine
dieser Stipendiatinnen, und noch bevor ich meinen
Koffer auspacken kann, steht ein Mann im Garten
und fotografiert durchs Fenster Bölls Schreibtisch,
auf den ich kaum wage, meinen Laptop zu stellen.
Wie das Raumschiff Tardis aus Doctor Who ist auch
Bölls Cottage von innen größer als von außen. Der­
Architekt Patrick Edward Carr, der es während der
Corona-Krise restaurierte, erzielt diesen Effekt durch
strategische Fenster an den Decken, die die Räume Tag
Bringen sich in Position, um im Gedicht gut zu wirken: Schafe in Irland
Familie, unterschrieben mit Hein. Das bringt ihn mir
so nahe, dass ich mich endlich an seinen Schreibtisch
setze, von dem aus ich den legen­dären Blick habe:
rechts das Moor, das sich, Atemzügen gleich, hebt und
senkt wie die Brust eines Schlafenden, links die wenigen
Häuser von Dugort und dazwischen Dugort Bay. Ich
könnte für immer aus diesem Fenster schauen und den
Schwindel spüren, der mich angesichts dieser Schön-
heit ergreift.
Seit ich als Jugendliche Bölls Irisches Tagebuch
gelesen habe, wollte ich dieses Cottage besuchen.
Damals gehörte es noch seiner Familie. 2002 kaufte
es die Böll Association – Mitglied war Clodagh
King, die Frau des Arztes mit den silbernen Finger-
nägeln aus der Geschichte Die schönsten Füße der
Welt –, und seitdem dürfen Glückliche wie ich hier
wohnen und arbeiten. Durchs Fenster schauen
Hoppe? – hat einmal gesagt, wer hier nicht schrei-
ben kann, kann nirgendwo schreiben. Und ich be-
ginne sofort Gedichte über Schafe zu tippen. Auch
die anderen Stipendiaten scheinen besonders von
den Schafen inspiriert zu sein.
Böll selbst schrieb hier mehr als 70 Kurz­
geschichten, Essays und Romane. Von Ansichten­
eines Clowns gibt es eine Achill-Fassung und eine
Kölner Fassung. Hein Böll liebte Irland, und die
Iren lieben Böll – jetzt. In den Sechzigerjahren war
ihre Begeisterung nicht ganz so ungebrochen, vor
allem die Darstellung der Armut in seinem Film
Irland und seine Kinder sorgte für Protest. Es ist
nicht einfach, über das Andere zu schreiben. Nicht
einmal für einen Literaturnobelpreisträger. Das
Ergebnis mag nicht richtig sein, aber es ist trotz-
dem wichtig.  MITHU SANYAL

DER NEUE PEN GACHA-GAMES KLASSIKER NOTFÄLLE

Menasse und Yücel Gewinnzahlen Ex-Kanzlerin, entspannt Helikopter auf der Suche

Nach Darmstadt Pech gehabt Nu is gut Falscher Alarm

So viel Aufbruchstimmung in der Die Behörden gehen gegen Warum Angela Merkel Putin hatte keinen Herzinfarkt
deutschen Literatur Handy-Glücksspiele vor »Macbeth« so schätzt und Volker Bruch bloß kein Netz

Es könnte doch zum Beispiel sein, dass der neue
PEN Berlin, der letzten Freitag gegründet wurde,
einfach so eine gute, wirkungsvolle, weithin sicht-
bare Arbeit macht, dass am Ende alle mitmachen
wollen. Es war doch schon jetzt erstaunlich, zu­
sehen, was für eine Anziehungskraft die Idee dieser
Neugründung auf viele Autoren ausübte (ich mel-
dete mich auch sofort an). Auch solche, die zuvor
nicht im Traum daran gedacht hatten, sich in einem
der Solidarität und gemeinsamen Verantwortung
verpflichteten Verein zu engagieren. Dabei unter-
scheiden sich die beien PENs in ihren Zielsetzungen
ja kaum. Es geht um Schutz und Freiheit der Kultur,
um die Unterstützung verfolgter und bedrohter­
Autorinnen und Autoren in der Welt. Es geht um
ein gemeinsames, lautstarkes, weithin vernehmbares
starkes Forum der Freiheit des Wortes. Kurzfristig
war diese Spaltung wohl nötig, um sinnlose und
kraftraubende interne Kämpfe zu beenden. Wann
hat es so eine gemeinsame Aufbruchstimmung in
der deutschen Literatur zuletzt gegeben? Langfristig
jedoch sollten die beiden PENs natürlich wieder zu-
sammenfinden und den gemeinsamen Sitz in Darm-
stadt nehmen. Wo sonst?  VOLKER WEIDERMANN
Noch so ein Gratisspiel, und wir sind ruiniert: Jüngst
gab ein bekannter Gamer mehr als zehntausend Dollar
in einem Videospiel aus, bloß um dort an einen Fünf-
Sterne-Edelstein zu gelangen; am Ende gewann er den
begehrten Stein nicht einmal. Gacha-Games heißen
solche Entertainmentangebote, die mehr Glücks- als
Computerspiel sind. Im Grunde funktionieren sie wie
Kaffeefahrten: Man darf umsonst mitmachen, muss
aber doppelt und dreifach zahlen, damit man wirklich
was zu sehen bekommt. Anstelle von Fußbadewannen
kaufen Gacha-Spieler Lose für eine Tombola, in der
das nächste Level, der nächste Held, der rettende Edel-
stein verlost wird. Man spielt darum, spielen zu dürfen.
Mit diesem verführerischen Prinzip machen Gacha-
Games Milliarden­umsätze. In Japan und den Nieder-
landen wurden sie bereits verboten, auch das EU-­
Parlament ist alarmiert.
Vor allem aber sind die Spiele ein Zeitzeichen:­
Offenbar wandelt sich gerade unser Wertbegriff.
Noch wundert man sich, was ein Fünf-Sterne-Edel-
stein zum Preis eines Kleinwagens im echten Leben
nützt. In naher Zukunft wird man womöglich um-
gekehrt fragen: Was nützt mir ein echtes Auto im
virtuellen Leben?  FLORIAN EICHEL
Kürzlich gab Angela Merkel das erste Interview nach
16-jähriger Amtszeit. Sie gab es im Theater, an der
Wirkungsstätte Bert Brechts und Heiner Müllers,
dem Berliner Ensemble. Bei ihrem Auftritt bewies
sie, dramaturgisch immer wieder Brecht (Verfrem-
dung) mit Müller (Raffung) koppelnd, lakonische
Höchstform. Auf die Frage, wie sie ihre Tage fülle,
sagte sie, dass sie viel lese, gern Shakespeare und vor
allem den Macbeth. Wenn man im Macbeth blättert,
stößt man rasch auf die Stelle, die der Kanzlerin ver-
mutlich, wir unterstellen das mal, den tiefsten Ein-
druck macht. Macbeth sagt da, vom Tod seiner Frau
erschüttert: »Aus! Kleines Licht! / Leben ist nur ein
wandelnd Schattenbild: / Ein armer Komödiant, der
spreizt und knirscht / Sein Stündchen auf der Bühn’
und dann nicht mehr / Vernommen wird. Ein Mär-
chen ist’s, erzählt / Von einem Dummkopf, voller
Klang und Wut, / Das nichts bedeutet.«
Wer sich die Sätze versuchsweise in Angela
Merkels Diktion, mit ihrer Stimme vorliest, wird
feststellen: Klingt wie für sie geschrieben! Bei »das
nichts bedeutet«, glaubt man, ein Kichern zu­
hören. Und hat ihr Macbeth am Ende nicht ganz
leise »nu is gut« gesagt? PETER KÜMMEL
So trostreich die etwas verblichene biblische Gewissheit
ist, wonach jedes Ding seine Zeit habe, also auch das
Wandern, auch das Segeln, auch das Sterben, so unklar
kann es heutzutage für eine irritierende Zwischenzeit
sein, was genau damit gemeint ist. Zum Beispiel die
Nachrichten zu Putins Endlichkeit: »Medizinischer
Notfall«, diagnostizierte die britische Sun, wie Bild be-
richtet, während andere abwinken, falscher Alarm, das
aufgefüllte Gesicht des Diktators deute eher auf W­ odka
als auf Ableben. Er habe doch den 350. Geburtstag
seines Kollegen Peters des Großen rosig gefeiert.
Ganz anders und ähnlich die Sorge um den Schau-
spieler Volker Bruch, der des Abends von Kollegen im
Hotel vermisst wurde, was einen helikopterbewehrten
Großalarm in den italienischen Alpen auslöste, bis der
Gesuchte auf 2500 Meter Höhe geortet wurde und
Entwarnung gab, no worries, hatte kein Netz! Er war
nur wie Hegels Eule der Minerva erst mit der Dämme-
rung losgezogen, Richtung Berg. Im Meer hingegen,
berichtet Der Nordschleswiger, ist ein Segler gefunden
worden. Er war 87, allein dort draußen vor Dänemark,
und so hat sein Leben ein Ende gefunden. Jedes Ding
hat seine Zeit, sogar das Sterben, das ist traurig. Auch
trostreich, hier und da.  ELISABETH VON THADDEN

ANZEIGE

01234#56 78967:;245<3=24=4>?43<7@
A48B423;<3A=24C?(DEFGIJKLJMNKOPQR
KINO  
AACHEN
Eden Palast
BREMEN
Gondel Filmtheater
GERA
Metropol-Kino
KÖLN
Lichtspiele Kalk
Neues Maxim ULM
Mephisto
Gute Filme gibt’s
nicht nur im Kino:
Neues Arena
Aschaffenburg Atlantis Filmtheater Odeon Kino Atelier
Casino Schauburg GIESSEN Theater am Weißhaus WEIMAR
Kinocenter Lichthaus Weimar

www.zeit.de/film
MÜNSTER
AUGSBURG DARMSTADT KONSTANZ Cinema
Thalia Rex Kinos GÖRLITZ CineStar Konstanz WIESBADEN
HEINE KINOBAR NÜRNBERG Caligari Filmbühne
BAMBERG DORTMUND LEIPZIG Cinecitta
Odeon Neue Schauburg HALLE/SAALE Kinobar Prager Frühling Casablanca
WUPPERTAL Fernsehserien
PUSCHKINO Regina-Palast Cinema
DRESDEN Metropolis Seicht oder suchterzeugend?
BERLIN Passage
HAMBURG WÜRZBURG
fsk Programmkino Ost OLDENBURG/O. Central
Die besten Staffeln der Saison
Union Filmtheater Schauburg Abaton Kino LICH
Zentralkino Zeise Kino Traumstern
Casablanca im Überblick.
Hackesche Höfe Kino
Kino Intimes FilmRaum OSNABRÜCK
DÜSSELDORF LÜBECK Der bessere Dreh
b-ware! Laden Kino HANNOVER CINEMA ARTHOUSE
Neues Cinema Filmhaus
Freiluftkino Hasenheide Kino am Raschplatz Wir schreiben jede Woche
Delphi PFORZHEIM
ERFURT LUDWIGSBURG
FAF Kinoklub am Hirschlachufer HEIDELBERG Caligari
Rex-Filmpalast den »Tatort« um.
Yorck Karlstor-Kino KoKi POTSDAM Warum machen Sie das?
Moviemento ESSEN LÜNEBURG
Thalia
Freiluftkino Friedrichshain Astra HEILBRONN Scala Programmkino Regisseure, Schauspieler, Drehbuchautoren
City Kino Wedding Kinostar Arthaus
FRANKFURT MAGDEBURG REGENSBURG sprechen über ihre Projekte.
STUWTXY Z[U Il Kino INGOLSTADT Kino Wintergarten
UT\[XS]]S^_S`T]a Kino Kulturbrauerei
Mal sehn
Cinema Union
Studiokino
Und – ob Drama oder Dokumentarfilm – die
Capitol Dahlem MAINZ ROSTOCK
Blauer Stern FREIBURG KARLSRUHE Palatin Kino Lichtspieltheater Wundervoll wichtigsten Kinostarts der Woche: alles unter
Kandelhof Schauburg-Theater
BIELEFELD MANNHEIM SAARBRÜCKEN www.zeit.de/film
Lichtwerk Filmtheater FÜRTH KASSEL Atlantis camera zwo
Babylon Bali Kinos

#$&01'( )*+,,- .,+/

BOCHUM MARBURG STUTTGART
Casablanca GAUTING KEMPTEN Capitol Atelier am Bollwek www.zeit.de
 !" 234561753891
1
2442 0123452
 BONN
Breitwand Colosseum
MÜNCHEN TÜBINGEN
Neue Filmbühne GELSENKIRCHEN KLEINMACHNOW Studio Isabella Arsenal
Rex Kino Schauburg Neue Kammerspiele Kino Solln Atelier
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
D
ies ist die Begegnung mit einer
Person, die in der öffentlichen
Wahrnehmung von einer post-
nationalen Europa-Visionärin
zur querdenkerischen Maßnah-
menkritikerin und schließlich
zur Putin-Versteherin geworden
ist: Ulrike Guérot. Als soziales Phänomen ist eine
solche Entwicklung eine Herausforderung für alle
Beteiligten. Wem ihre Kritik an der Corona-Politik
sauer aufstößt, fragt sich, ob er sich in ihr bereits als
glühende Europa-Verteidigerin getäuscht hat. Und
wer ihr applaudiert für ihre angriffsfreudigen Einlas-
sungen gegen eine Impfpflicht, muss irgendwie mit
ihren europapolitischen Überzeugungen k­ larkommen.
Das sind wir nicht gewöhnt, denn aus Gründen der
schnelleren Orientierung folgen wir der Faust­regel,
dass Proeuropäer Impfbefürworter, Lockdown-­
Kritiker hingegen Anhänger des Nationalstaats sind.
Eigentlich schön, wenn jemand dieses Ordnungs-
muster durcheinanderbringt. Doch es ist komplizierter.
Denn seit dem Überfall Putins auf die Ukraine gehört
Ulrike Guérot zu den lautstarken Kritikerinnen von
Waffenlieferungen an die Ukraine und wirbt um Ver-
ständnis für Russlands Sicherheitsinteressen. Jetzt k­ önnte
man sagen: Hier funktioniert die politische Sortier­
maschine wieder, denn dass Impfskeptiker Putin-Ver-
steher sind, überrascht in der guten Gesellschaft keinen.
Allerdings ist auch das nicht das Ende vom Lied, es
wird noch komplizierter, denn nun kommt eine ganz
andere Ebene ins Spiel. Ulrike Guérot, seit September
2021 Professorin für Europapolitik an der Universität
Bonn, sieht sich gerade mit zahlreichen Plagiats­
vorwürfen konfrontiert. Der Trierer Politikwissenschaft-
ler Markus Linden hat ihr in den vergangenen Wochen
in der FAZ in zwei Artikeln für zwei ihrer Bücher nicht
gekennzeichnete Übernahmen von Fremdtexten nach-
weisen können. Die inkriminierten Stellen folgen dem-
selben Muster: Guérot bezieht sich jeweils auf Bücher
von Paul Watzlawick, Marina Garcés, Albrecht von
Lucke und Mathias Greffrath, die sie explizit zitiert, um
dann im Fortlauf des Textes Passagen (teilweise durchaus
Absätze) zu übernehmen, ohne sie als Zitate auszuweisen.
Man wundert sich, weshalb jemand, der wahrlich
nicht um eigene Worte verlegen ist, sich für Copy-and-
Paste entscheidet. Je nach Wohlwollen und psycholo­
gischer Einschätzung wird man es für großzügige Schlam-
pigkeit oder für geistigen Diebstahl halten, es bleibt ein
Makel, der nicht kleinzureden ist – und der sich nun von
ihren Gegnern im Sinne der moralischen Eindeutigkeit
zu der schlüssigen Erzählung ausbauen lässt: Maßnah-
men-Kritiker sind Schwurbler und Wissenschaftsfeinde.
Logisch, dass jemand, der Christian Drosten wider-
spricht, auch plagiiert und Fake-News verbreitet.
H
ilft es Guérot da, dass ihr Buch Wer
schweigt, stimmt zu, das wochenlang
auf der Spiegel-Bestsellerliste stand,
genau von diesem vergifteten Diskurs-
klima handelt? »Es gibt«, schreibt
Guérot da, »inzwischen in der Coronadebatte eine
Geschlossenheit der politischen Mitte, einen gedank­
lichen, emotionalen und mentalen Block, der absolut
monolithisch ist und keine noch so naheliegenden
Irritationen von außen zulässt.« Oder ist auch das­
bereits eine zu wohlwollende Lesart des Buchs? Der­
Soziologe Armin Nassehi hatte im März auf Twitter
einen Absatz aus ihrem Bestseller inkriminiert und
gefragt, wem es bei diesem »autoritär-faschistischen
Sound« nicht kalt den Rücken runterlaufe.
Und tatsächlich klingt die Stelle wirklich nicht sehr
pazifistisch: »Zuerst räumen wir auf, jeder in seinem
Land«, schreibt Guérot da. Sollte sich herausstellen, dass
das Virus tatsächlich aus einem Labor gekommen sei,
müssten alle Verantwortlichen dem Internationalen
Strafgerichtshof überantwortet werden. Gerade wer­
Guérots Wahrnehmung teilt, dass es in den ersten zwei
Jahren der Pandemie zu wenig Raum für eine freie Dis-
kussion über Lockdowns und Impfpflicht gegeben habe,
fragt sich genervt, warum diese wichtige Position in so
einem schrillen Ton vorgetragen werden muss. Ist auch
das schon Effekt des vergifteten Diskursklimas?
Kurz: Ulrike Guérot, geboren 1964 im Rheinland,
Tochter eines CDU-Lokalpolitikers, ist eine paradigma-
tische Figur unserer Gegenwart. Deshalb habe ich sie um
einen Besuchstermin gebeten. Sie hat sofort zugesagt,
denn sie steht unter Druck. Sie hat einen Zwei-Fronten-
Krieg zu kämpfen. An der einen Front geht es um wissen-
schaftliche Sorgfalt, an der anderen um die Frage, ob
jemand, der den Corona-Konsens verlässt, automatisch
ein Rechtsabweichler ist.
Guérot wohnt im Berliner Stadtteil Schöneberg.
Klassischer Altbau. Das ganze Interieur in seiner­
Mischung aus Lässigkeit und Geschmack erfüllt hun-
dertprozentig die Vorstellung, die man sich von einem
arrivierten, linksliberalen Intellektuellen-Haushalt
macht: Bücherregale voller Suhrkamp-Bände, Kunst an
den Wänden, im Flur ein großes Porträt von Hannah
Arendt. Frau Guérot brüht Tee auf, während im Hinter-
grund ein Klavierkonzert von Mozart zu hören ist. »Ich
habe mal was aufgelegt, um runterzukommen.«
Dann nehmen wir Platz auf ihrem Balkon. An der
Plagiatsfront, das ist klar, muss sie einen geordneten
Rückzug antreten: »Ich entschuldige mich für meine
Verstöße gegen das Urheberrecht, ich entschuldige mich
sehr gerne öffentlich.« Und sie fügt hinzu: »Die Schande
klebt wie Pech und Schwefel an mir.«
Aber wird sich die eine Frage von der anderen trennen
lassen? Für ihre Corona-Thesen bekommt sie Applaus
von der falschen Seite. Im Februar 2021 hatte sie gegen-
über der Berliner Zeitung beklagt: »Die kritischen Argu­
mente sind während der Pandemie in eine Art Gegen-
öffentlichkeit abgewandert.« Diese Gegenöffentlichkeit
ist jetzt ihr neues Zwangshabitat, dabei ist sie Fleisch vom
Fleische genau jenes akademisch-liberalen Milieus, das
sie jetzt wie einen Paria behandelt.
Das sie exemplarisch für eine größere T­ ransformation
des politischen Gesellschaftskörpers steht, ist ihr dabei
vollkommen bewusst: »Ich hatte den gesamten liberal-
grünen Raum für meine Europa-Ideen. Das Milieu ist
mir weggebrochen in dem Moment, wo ich bei Corona
FEUILLETON 51
Ob sie Deutsche sei, wird
Ulrike Guérot oft gefragt. Ja, aber sie war
mit einem Franzosen verheiratet
auf die Seite der Freiheit gegangen bin, um es mal ein
bisschen pathetisch zu sagen. Dann habe ich auf der
›Seite der Freiheit‹ viel Zuspruch bekommen von einem
gesellschaftlichen Raum, den ich vorher nicht bedient
habe, von dem ich mich nicht instrumentalisieren lassen
möchte und der ja auch mitnichten homogen ist. Trotz-
dem stehe ich hier und sage: Wenn Björn Höcke mein
Buch gut findet, dann darf er das gut finden. Darum bin
ich noch lange nicht Björn Höcke. Das ist Hannah
Arendt: Wer sein Wort der Öffentlichkeit gibt, kann
nicht kontrollieren, was mit ihm passiert.«
Schon immer war es nicht leicht, Ulrike Guérot ein-
zuordnen. Klar, sie war eine glühende Europäerin, aber
auch eine Brüssel-Kritikerin. Sie hatte in den Neunziger-
jahren für den europapolitischen Vordenker der CDU,
Karl Lamers, gearbeitet und war CDU-Mitglied gewe-
sen, aber ihre Ideen für ein postnationales Europa fanden
dann vor allem im grünen Milieu enthusiastische­
Zustimmung. Der breiten Öffentlichkeit bekannt ­wurde
Guérot, als sie 2013 zusammen mit dem österreichischen
Schriftsteller Robert Menasse in einem manifestartigen
Text in der FAS die Europäische Republik einforderte.
2018 initiierte sie wiederum zusammen mit Menasse
und dem Theaterregisseur Milo Rau eine Kunstaktion,
bei der von zahlreichen Balkonen die Europäische­
Republik ausgerufen wurde. Man nannte sie die »Jeanne
d’Europe«, eine moderne Jeanne d’Arc, die sich furchtlos
in die Bresche schmeißt, um das Europa der Bürger zu
retten. Jahrelang flogen ihr die linksliberalen Herzen zu.
2017 schrieb sie im Spiegel: »Wer den Rechtspopulismus
besiegen will, muss Ernst machen mit Europa.« Das las
man von Konstanz bis Kiel gern.
I
hr Erfolgsgeheimnis: Sie gehörte zum Genre
freie Geister, gleichzeitig kannte sie die A
­ pparate
von innen, die Bürokratien, Thinktanks und
NGOs. Ihr Habitus war nie hölzern, sondern
immer impulsiv, ja spontihaft. Sie konnte ­Pathos
und Utopie, die große Geste lag ihr – dass die Argu-
mentationen oft mit grobem Pinsel gemalt w ­ aren,
störte niemanden, solange die Richtung stimmte.
Ulrike Guérot hat jetzt einen kleinen, bunten
Sonnen­schirm aufgeklappt. Die verspielte Farben­freude
dieses Accessoires will nicht recht zur gedrückten Stim-
mung passen. »Ich bin wund«, sagt sie. Von diesem
Balkon wird heute keine Republik ausgerufen. Guérot
muss sich erst einmal ihrer selbst versichern. Denn das
Phänomen, dass sich die politische Kartografie verändert
und man sich in einem neuen Lager wiederfindet, das
hat sie nicht erst mit Corona erlebt.
Als sie 2003 aus Washington zurückkehrte, wollte
Armin Laschet, dass sie für die NRW-Landesliste kan-
didiere. Doch die CDU war ihr da europapolitisch schon
zu brav. Sie trat aus, und ihr neues Publikum fand sich
nun vor allem im Umfeld der Heinrich-Böll-Stiftung.
Dann aber kam die europäische Staatsschuldenkrise, die
Guérot konsequent »Bankenkrise« nennt. Mit der Wort-
wahl ist schon ein ganzes Narrativ aufgerufen: Wenn der
Bankrott Griechenlands Folge der Bankenkrise ist, dann
trifft die Griechen keine Schuld.
2012 war der Punkt erreicht, an dem Guérot am real
existierenden Europa verzweifelte. Es gab keine Euro-
bonds, und Portugal, Italien, Griechenland und Spanien
wurden als »PIGS« verhöhnt. Da seien ihr die Grünen
zu sehr auf der Seite der Austeritätspolitik gewesen. Der
Einzige, der die Troika scharf als undemokratisch kriti-
siert habe, sei Gregor Gysi gewesen. Guérot sagt: »Ich
hatte mich gar nicht verändert, aber das Umfeld hatte
Foto: Julia Steinigeweg/Agentur Focus
sich verschoben, und plötzlich war ich bei den Linken,
die ich 2013 dann auch gewählt habe. Da habe ich mir
den Status einer linken Ikone erworben, den ich jetzt in
der Pandemie wieder verspielt habe.«
Wenn man sich ein Urteil über Ulrike Guérot bildet,
wird das unvermeidlich beeinflusst von den eigenen­
politischen Überzeugungen. Deswegen muss sich jetzt
auch der Reporter zu erkennen geben. Während wir auf
dem Balkon sitzen, lege ich die Karten auf den Tisch:
»Ihr Appell für mehr Debattenpluralismus in Pandemie-
fragen habe ich als wohltuend empfunden, ihre Einlas-
sungen zur Ukraine finde ich furchtbar.«
Man nannte
Sie nickt. Mit Dissens kann sie umgehen. Dies muss
man ihr lassen: Obwohl sie sehr lange auf einer Konsens-
welle ritt, geht ihr im Wellental des Dissens keineswegs
die Puste aus. Aber mich bedrückt ein anderer Sach­
verhalt: »Wenn ich, Frau Guérot, meinem linksliberalen
Freundeskreis von ihnen erzähle, dann heißt es sofort:
›Ja logisch, erst gegen die Corona-Maßnahmen, jetzt für
sie die
Russland.‹ Geht das eine aus dem anderen hervor?«
Guérot antwortet: »Ich hole mir jetzt Tabak, denn
jetzt wird es wirklich interessant und für mich auch an-
strengend.« Während sie sich eine Zigarette dreht, sagt
sie: »Das liegt daran, dass das linksliberale Milieu seit
Jahren in sich geschlossen ist und nicht mehr herum-
Jeanne d’Europe
guckt, was sonst noch da ist. Das wäre doch schön, wenn
die auch mal zur Weltwoche gehen würden und fragen:
Was denkt ihr eigentlich über Europa? Aus der
Geschlossen­heit der Blasen entsteht nichts Gutes.« Der
Freiheitsbegriff sei jetzt bei der Rechten kulturell hege-
monial, was sie zutiefst bedaure. Ihre Aufgabe sei es, das
»progressive Europamilieu« zurück zum Freiheitsbegriff
und ihre »freiheitlichen Supporter« zu Europa zu bringen.
Ihr selbst kann man nicht vorwerfen, in einer Blase
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot war ein Liebling der zu hocken. Im Gegenteil, ihre ist geplatzt. Wen sie alles
gekannt habe, der sich jetzt nicht mehr rühre! »Sagte das
Linksliberalen – jetzt gilt sie als Impfskeptikerin, Putin-Versteherin und Martin Luther? ›In der tiefsten Krise stören dich nicht
die Worte deiner Feinde, sondern es fehlen dir die ­Worte
hat in ihrem jüngsten Bestseller abgeschrieben  VON IJOMA MANGOLD deiner Freunde.‹ Die sind zum großen Teil weg. Ich
kenne ja sehr viele aus den Medien und Thinktanks, die
saßen bis vor Kurzem noch hier bei mir am Esstisch.«
Nach meinem Besuch schreibt Guérot mir eine
Mail: »Ich bin tatsächlich – und habe kein Problem
damit, das zuzugeben – eher originell oder ›geistreich‹
als sorgfältig (kann man beides sein?)«.
Vielleicht muss Ulrike Guérot das Verhältnis zwi-
schen Meinungsstärke und Sorgfalt künftig etwas feiner
balancieren. Nicht nur, was Fußnoten angeht. Denn
auch für einen fruchtbaren Corona-Diskurs hilft bei
»Ich bin tatsächlich eher originell oder ›geistreich‹ aller aufgestauten Wut zurückhaltende Sorgfalt ver-
mutlich mehr als überschäumende Hitzigkeit.
als sorgfältig (kann man beides sein?)«  www.zeit.de/vorgelesen
52 FEUILLETON 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Foto: Reinhold Vorschneider/Komplizen Film; Illustration (r.): Rachel Levit für DIE ZEIT
VON UNTERWEGS GESENDET

Frauen im
Freibad
Alles wird weiblicher. Vielleicht aber auch nicht. Plädoyer
für mehr Testosteronurlaub  VON CHRISTINE LEMKE-MATWEY

Es ist gerade viel von der Verweiblichung der Welt
die Rede, von feministischer Außenpolitik und
so weiter. Die zwei schwesterlichen Seelen in
Liebe und Abenteuer in Südfrankreich: Milan Herms und Sophie Rois meiner Brust, Frau Holz und Fräulein ­Schlüter
– beide, biologisch gesehen, zu den menstruiert
habenden Personen gehörig –, finden das gut. Sie
schätzen die Verweiblichung der Welt. Und zwar
truierende und menstruiert habende Personen,
solche also, die von Männern wahrgenommen
werden, und solche, die in Lokalen selbst als gut
zahlende Kundschaft nicht weiter auffallen und
als Schwimmer:innen in Schwimmbädern nur
stören?« Fräulein Schlüter staunte, zu einer der­
artigen Suada hatte sich ihre Schwester lange

Hübsche Sachen machen

schon deshalb, weil die Vermännlichung der Welt nicht mehr hinreißen lassen.
uns in jenen Krisen­strudel versetzt hat, in dem Das etwas einseitige schwesterliche Ge­
wir uns aktuell befinden. Womit theoretisch alles spräch trug sich in Hamburg-Eimsbüttel zu,
in bester Ordnung wäre: Frauen schätzen, was­ auf dem Weg ins Kaifu-Freibad. »Weißt du«,

mit hübschen Männern
Ein Film, in dem die Dinge nicht so kommen, wie sie vorherberechnet werden können:
»A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe« von Nicolette Krebitz  VON GEORG SEESSLEN
Es ist einer der sieben guten Gründe, ins Kino zu
gehen: Leichtigkeit. Filme, die sich um nichts
scheren als die Freude an ihrem Spiel. Filme, die
man behänderen Fußes und entspannteren Herz­
schlags verlässt, auf Wolkenschuhen womöglich.
Ein Effekt, der leider nicht lang anhält. Rasch
holt dich das Gewicht der Wirklichkeit wieder
zurück. Aber er war da, dieser Moment. Nenne es
meinethalben Glück.
A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe von
Nicolette Krebitz ist so ein Film der Leichtigkeit.
Dabei könnte man, wenn man nur die G ­ eschichte
wiedergibt, ein romantisierendes Sozialdrama
voller Bedeutung, Botschaft und Bemühung er­
warten: Sophie Rois spielt eine Schauspielerin, so
um die sechzig, die mit Bedingungen und Ergeb­
nissen ihres Berufs hadert. Sie hatte sich wohl
mehr vorgenommen, jetzt ist sie vor allem­
wütend, wenn ein Partner ihr beim Hörspiel­
sprechen zu nahe rückt oder in einer Talkshow
»nett gemeinte« Äußerungen über Alter und Aus­
sehen fallen. Außerdem hat sich ihr Mann, der
Schriftsteller, dem nichts mehr einfiel, in seinem
Arbeitszimmer erhängt. Eines Tages klaut ein
junger Kerl, noch im Teenageralter, Anna auf der
Straße die Handtasche. So fängt das an.
Kurze Zeit später steht Adrian, so heißt der
verhaltensauffällige Waisenjunge, vor Annas Tür.
Sie soll ihm Sprechunterricht wegen eines thera­
peutisch empfohlenen Schultheater­projektes ge­
ben, in dem er die Texte vernuschelt. Für die
beiden beginnt ein Spiel, in Lauten, Texten,
beim Atmen und mit Gesten, und konsequenter­
weise muss man die triste Stadt verlassen, um
am südfranzösischen Meer die Liebe und das
Abenteuer zu erkunden, das für Anna mit einer
Verhaftung endet.
Keineswegs hat sie, die reife Frau, den jun­
gen Dieb zum braven Liebhaber gemacht, der,
immerhin, die Orgasmus-Reihenfolge einhält,
»wie es sich gehört«. Vielmehr haben sich Anna
und Adrian die Outlaw-Rollen angemaßt: un
couple à part.
Alles in diesem Film ist leicht übertrieben. Die
mit offenkundigem Vergnügen betriebene detail­
reiche Ausstattung, die Kamera, die mit dem­
selben Spaß einen Bilderzitat-Reigen eröffnet, die
Montage, die in ihrem Rhythmus an den ganz
leicht verschleppten Drum-Rhythmus von Ringo
Starr in den besten Beatles-Zeiten erinnert,­
Szenen wie die, in der Adrian Anna seine beiden
love­birds schenkt – und dann dieses Lied! Oder
eine extended version der obligatorischen Nackt­
badeszene. Übertrieben die Volksbühnenhaftig­
keit des Schülertheaters (Milan Herms, der den
Adrian spielt, hat da erste Schauspielerfahrungen
gesammelt), übertrieben die pure Arschloch­
haftigkeit von Moritz Bleibtreus Talkshowgast-
Auftritt, übertrieben schließlich die ­Off-Narration
von Sophie Rois selbst, die nicht in der Ich-Form,
sondern von Anna als einer dritten Person e­ rzählt.
Und Udo Kier ist sowieso die fleischgewordene
Übertreibung – als sanfter Anker-Mensch in­
Annas Leben übertreibt er hier gar die Nicht­
übertrei­bung. All die kleinen und größeren Über­
treibungen machen den Reiz dieses Films aus und
offenbaren seine Inspirationsquelle.
Die frühen Filme der Nouvelle Vague brachen
mit der Repräsentationsformel, nach der das Kino
Menschen zeigt, die sich wie im richtigen Leben ver­
halten. Stattdessen begleitete man Menschen, die sich
inmitten von richtigem Leben verhalten wie im Kino.
Das ist ein anarchischer Befreiungsgestus, der zu­
Nicolette Krebitz’ Autoren-Regie-Konzept passt – als
Schauspielerin war sie bei der Rollenwahl nicht gar
so streng, wie es ihre Protagonistin wohl war.
Worum es geht in den Filmen der Regisseu­
rin Nicolette Krebitz? Vielleicht um den Schritt
Frauen tun, und Männer schätzen Frauen, so­
lange sie menstruieren, so circa jedenfalls. Das
wiederum ist in den Kerlen einfach drin, da
können sie wenig für.
Lange freilich hielt die feministische Ein­
tracht zwischen den Schwestern nicht. »Erin­
nerst du dich an das letzte Mal, als wir im
Müngersdorfer Stadionbad waren«, fragte Frau
Holz, die politisch Inkorrektere von beiden,
aus einem verhaltenen Realismus in die Sphären »an die mit Paddles, Pull Buoys und Flossen
des Magischen, Surrealen, Traumhaften. Wenn bewehrten Sportwalrösser, die uns auf der
die Wiederverzauberung des Alltäglichen mit Schwimmer:innenbahn regelmäßig unterpflüg­
den Mitteln, die uns normalerweise zur Verfü­ ten?« Fräulein Schlüter nickte: Ach, Köln, ja,
gung stehen, nicht gelingt, dann muss man keine schlechte Stadt. »Weißt du noch, das
eben die Grenzen von Gewohnheit und Kul­tur-­ Freibad Leopoldskron«, fuhr Frau Holz fort,
Code überspringen. In Krebitz’ Film Wild ge­ »wo der Vater mit seinen Söhnen penetranter­
lang das auf besondere Weise, da geht die Prota­ weise in der Schwimmer:innenbahn tauchen
gonistin, gespielt von Lilith Stangenberg, ganz üben musste?« Fräulein Schlüter nickte aber­
buchstäblich hinaus in den (Märchen-)Wald, mals, und ihr Blick verklärte sich: Salzburg,
zum Wolf. Und nun, in A E I O U – Das schnelle Mozartstadt, die Festspiele, ach. »Und denk
Alphabet der Liebe, wird mit einem anderen doch nur an dieses nette Lokal am Starnberger
Regel­ werk gebrochen, nämlich mit dem der See, in dem wir so lange nicht bedient wurden,
sozial­verträglichen Liebeskonstruktion in deut­ bis die letzten beiden Renken glücklich an die
schen romantischen Komödien und Dramen. zwei schmerbäuchigen Typen am Nebentisch
Es geht einfach darum, dass die Dinge nicht so verfüttert worden waren!«
kommen, wie sie vorherberechnet werden kön­ An den Starnberger See und sein Alpenpano­
nen. Neben den Nou­velle-­Vague-­Fil­men der rama dachte Fräulein Schlüter immer gern,
Sechzigerjahre sind hier die Screwballkomödien doch jetzt verstand sie nicht ganz. Ging es ihrer
der Dreißiger ein guter Bezugspunkt. In der Schwester um glücklich verfütterte Renken oder
ersten Hälfte des Films erscheint Adrian mit um eine glücklich verweiblichte Welt? Und was
seiner großen Brille und seinen ungelenk-­ hatten die einen mit der anderen zu tun? Frau
charmanten Bewegungen wie eine jungenhafte Holz stöhnte, sie hasste es, wenn sich ihre
Ausgabe von Cary Grant. Nach dem wunder­ Schwester dümmer stellte, als sie war: »Merkst
samen Verschwinden der Brille verwandelt er du nicht, dass die Verweiblichung der Welt eine
sich in eine Alain-Delon-Variation. Dass dann Schimäre des Patriarchats ist und weiter nichts?
ein Kommissar auftauchen muss, der auch nicht Eine hohle paternalistische Geste gegenüber
gerade schlecht aussieht, ist nur folgerichtig und Menschen mit aktivem Menstruationshinter­
eigentlich schon ein anderer Film. Denn »das grund, um diesen vorzugaukeln – und zwar nur
schnelle Alphabet der Liebe« ist hier ja erst bei diesen! –, man wolle sie in einem Akt vorgeb­
A wie Anfang angelangt. licher männlicher Selbstzerfleischung teilhaben
Das Kino, hat der französische Regisseur lassen an Macht, Geld und Einfluss? Was am
François Truffaut einmal gesagt, sei nichts ande­ Ende des Tages natürlich nicht der Fall ist, weil
res, als mit hübschen Frauen hübsche Sachen zu nicht sein kann, was nicht sein darf, dafür aber
machen. Warum also soll eine Filmemacherin einen erfolgreichen Keil treibt zwischen mens­
nicht hübsche Sachen mit hübschen Männern
machen? Einen Befreiungstraum vielleicht, der An dieser Stelle erscheinen
so leicht ist, dass er dem deutschen Filmdiskurs im Wechsel vier Kolumnen. Lesen Sie nächstes Mal
davonfliegt. Glücklicherweise. »Über den Linden« von Maxim Biller
hob Fräulein Schlüter nach einer kleinen Pause
an, um auch etwas zu sagen, »ich glaube, die
Spanier und die Russen sind da weiter.« Vor
Schreck blieb Frau Holz fast im Drehkreuz des
Eingangs stecken. »Die Russen?«, rief sie ihrer
Schwester hinterher, die bereits über die Liege­
wiese rannte und alles von sich warf, Kleider,
Handtuch, Schuhe. Das hatte sie im Kino so
gesehen, nur dass die Person dort der Meeres­
brandung entgegenlief und keinem 50-Meter-
Becken von 1938 und auch keine Schwester
hatte, die ihre Sachen wieder einsammelte.
»Die Spanier?«, keuchte Frau Holz, als sie sich
bei der Dusche wiedertrafen. »Analog zum
Menstruationsurlaub für Frauen«, dozierte
Fräulein Schlüter unterm Wasserstrahl, »führen
die Spanier jetzt einen Testosteronurlaub für
Männer ein. Wenn ihnen der eigene Machismo
mal wieder zu arg wird, der aktive wie der­
passive, bleiben sie einfach ein paar Tage zu
Hause. Das fördert den Geschlechterfrieden
und den in der Welt gleich mit.«
Nun war es an Frau Holz, zu staunen. Das
hatte sie nicht gewusst. Die Schwestern mach­
ten ein paar Dehnübungen, befeuchteten ihre
Schwimmbrillengläser mit Speichel und ließen
sich ins Becken gleiten. Das Wasser war kalt,
saukalt, faktisch ungeheizt. »Und was ist mit
den Russen?«, fragte Frau Holz nach zehn­
Bahnen. »Die Russen«, antwortete Fräulein
Schlüter rhythmisch, »sind die größten Freunde
von ­Personen mit Menstruationshintergründen.­
Spätestens wenn das Gasembargo kommt und
hier die ersten Eiswürfel alla Putinesca im Wasser
treiben, lassen uns die Testosteronschleudern in
Ruhe. Die haben nämlich kein Unterhautfettge­
webe gegen die Kälte, verstehst du?« Frau Holz
hätte sehr gut verstanden, wenn ihr Blick in die­
sem Augenblick nicht an einem Bademeister
hängen geblieben wäre, der seine volltätowierte
Plauze genüsslich über den Beckenrand hielt.
Die Sonne schien, und die Schweißtröpfchen,
die sich in seiner Bauchbehaarung verfingen,
funkelten in allen Spektralfarben.

ANZEIGE

OLIVIERO TOSCANI:
Mit ihrem Kaleidoskop aus Gesichtern ist die Initia­
tive »Die Deutschen des 21. Jahrhunderts« ein
Spiegel menschlicher Vielfalt und ein Beleg für die

»DIE DEUTSCHEN DES

Stärke und Weiterentwicklung der deutschen
Gesellschaft. In seinen Fotografien fängt Oliviero
Toscani die Schönheit unserer Spezies in all ihren
Farben und Nuancen ein und bekämpft damit

21. JAHRHUNDERTS«
Stereotype. Der namhafte Fotograf zwingt den
Betrachter dazu, den Blick zu weiten, zu reflek­
tieren und an der Großartigkeit der Menschheit
teilzuhaben. So wird sein Werk zum kraftvollen
Zeugnis für Diversität und Inklusion als Fundament
von Fortschritt.
Das Fotobuch »Die Deutschen des 21. Jahr­
hunderts« entstand als Teil einer Kooperation
von Generali Deutschland, Studio ZX und
der WELTKUNST, dem Kunstmagazin der ZEIT,
und ist gleichermaßen Porträt, fotografische
Recherche, Kunstwerk und kulturelles Projekt.
Jetzt bestellen unter: Format: 24 x 33 cm | 260 Seiten

www.shop.zeit.de/toscani 40,– €*
Bestell­Nr. 43209

E-Mail: zeitshop@zeit.de | Telefon: 040/32 80-101

*Zzgl. Versandkosten. Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

111513_ANZ_371x132_X4_ONP26 1 10.06.22 11:25

DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 FEUILLETON 53

Fotos: Sean Sutton/Panos Pictures/Visum; Martin Lengemann/Welt/Ullstein (u.)

Ein Ukrainer zeigt

seinem Sohn auf
der Straße ein
ausgebranntes
Militärfahrzeug

Die Vernunft der Alten ist naiv

Helmut Schmidt hätte für Putins I­ nteressen Verständnis gehabt, schrieb an dieser Stelle sein Biograf Thomas Karlauf.
Wir Jungen hingegen kämpfen für ein künftiges Europa, a­ ntwortet der ukrainische Philosoph A NTON TARASYUK

W
er Visionen hat, sollte zum Arzt hört es auch, mit dem Jahr 1989 das Ende der­ Für viele Intellektuelle der Postvisions-Gener­ die Tatsache, dass die Post­visions-­Men­ta­li­tät nicht in keinen Raum für halbherzige Schritte oder Post­
gehen«: Als 29-jähriger Ukrainer, Geschichte auszurufen. ation, etwa für Jürgen Habermas, hat dieser Kampf der Lage ist, Putin zu kontern, weil sie letzlich­ visions-­Kon­for­mis­mus. Im besten Fall werden sie zu
der mit europäischen und ins­ Für meine Generation und mich aber begann die auch irrationale Züge und beruht auf einer Art­ dieselbe Sprache sprechen: Imperiale Interessen sind eingefrorenen Konflikten führen, im schlimmsten
besondere deutschen Me­ dien Geschichte da erst: Ich gehöre zu der ersten Genera- »moralischer Erpressung«, die archaische Gefühle legitim. Die weitverbreitete Auffassung, nach der der Fall wird es um die gänzlich sinnlose Verschwendung
kommuniziert, muss ich oft an tion junger Ukrainer, die den größten Teil ihres Le- erzeugt wie den Kult des Heldentums, der angeblich russische Präsident von einer großen Idee geleitet von Ressourcen gehen.
diesen berühmten Satz von Helmut Schmidt den- bens nach dem »Ende der Geschichte« verbracht hat. durch die europäische und insbesondere durch die ist, nämlich seine Vision von Russland wieder­her­ Wenn man aber für die europäische Vision
ken. Er spiegelt die Essenz der Erfahrung einer gan- Viele von uns sind nach dem Zusammenbruch der deutsche »postheroische Mentalität«, die sich gemüt- zustellen, ist nicht mehr als eine akademische ­Illusion, kämpft, ist es auch wichtig, von den Erfahrungen
zen politischen Generation wider, die in den Jahren Sow­jet­union geboren. Mit diesem historischen Projekt lich unter dem Atomschirm versteckt hat, längst ein Versuch, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Post­visions-­Gene­ra­tion zu lernen: Die Lektion
des Zweiten Weltkriegs jung war, einer Erfahrung, haben wir nichts zu tun, nicht einmal im formalen überwunden wurde. Was gegenwärtig in der Ukraine zu erklären. ­besteht darin, dass diejenigen Visionen schädlich
die den Rahmen für die Wahrnehmung des jetzigen Sinne – wir haben weder eine Geburtsurkunde noch mobilisiert wird, erweist sich damit auch als ein In diesem Sinne hat Thomas Karlauf, der Biograf sind, die eines radikalen Umbaus des Menschen
Krieges abgibt. Sie war traumatisch, und von der einen alten Pass aus der Zeit. Wir haben in ukraini- wachsender generation gap, der Deutschland und ganz von Helmut Schmidt, in der ZEIT geschrieben, in und der Welt bedürfen. Von daher ist ein sicheres,
Überwindung dieser Traumata hängen der Fort- schen Schulen und Universitäten gelernt, wir haben Europa zerreißt. Nicht ohne Grund verkörpert die der heutigen Situation hätte der deutsche Altkanzler digi­tales, umweltfreundliches und gerechtes Euro­
gang und der Ausgang des Krieges in der Ukraine uns über die Zukunft der ukrainischen Kultur ge- deutsche Außenministerin Anna­lena Baer­bock in der Schmidt dem russischen Diktator wohl empfohlen, pa eine Vision, die schon jetzt eine konkrete, dies-
ab, der von Russland entfesselt worden ist. stritten, wir haben darüber nachgedacht, was es be- Argumentation von Jürgen Habermas die riskante, das von ihm umgekippte Schachbrett wieder auf- seitige und zugängliche nahe Zukunft bedeutet. Sie
Wenn das 20. Jahrhundert mit all seinen blutigen deutet, ein Teil Europas zu werden, indem wir trainiert moralisch geprägte Haltung einer Identifikation mit zustellen, um weiterzuspielen: Genau dies war die ist ­vision ­enough.
Schlachten, der Politik der Vernichtung und seinen haben, uns über die Anteile unserer manchmal kom- der Ukraine. Riskant vor allem, weil der Krieg gegen Strategie dieser Generation. Wenn es weder eine Manchmal, wenn ich so argumentiere, habe ich
revolutionären Bestrebungen auf eine Formel ge- plizierten und hybriden Identität einig zu werden. eine Atommacht im herkömmlichen Sinne nicht Vision noch eine eindeutige Antwort auf die Frage ein komisches Gefühl, als sei ich ein Kind, das in
bracht werden könnte, würde sie lauten: Es ging um Komischerweise ist es unser Schicksal, nicht eine gewonnen werden kann. gibt, wofür die Ukraine und Europa in diesem Krieg Anwesenheit der Erwachsenen über den Weihnachts-
die unerbittliche Konkurrenz der politischen Visio- posthistorische Generation par ex­cel­lence zu sein, Rationalität als Anti-Visions-Therapie verdient kämpfen, liegt der einzige Ausweg im Umwerfen oder mann reflektiert. Aber dann verschwindet dieses
nen. Kommunismus, Nationalsozialismus und Libe­ sondern eine Generation, die alle daran erinnert, dass allen Respekt. Doch muss man rational bis zum Ende Wiederaufstellen des geopolitischen Schachbretts. Gefühl, und die Wolken meiner Skepsis verziehen
ralismus traten ge­gen­ein­an­der an – und der totali­täre die Geschichte kein Ende genommen hat. Wir be- sein. Denn gerade die Programme, das Handeln und Aber diese Zeit ist vorbei, seit die UN-Charta den sich. Denn wir beginnen eine gemeinsame Sprache
utopische Plan, einen neuen Menschen zu schaffen, saßen die Frechheit und vielleicht waren wir auch so die Haltung der alten Generation haben zu dem Staaten der Welt eine neue Legitimität zugesprochen zu sprechen: Letztendlich gibt es nichts Unmögliches
zerstörte die alte Welt. naiv, im europäischen Projekt nicht nur einen Bausatz geführt, was heute stattfindet. Sind demgegenüber hat. Darum wird dieses Rezept nicht funktionieren. an der Idee eines gemeinsamen und offenen Europas,
Kein Wunder, dass die Generation eines Helmut rhetorischer Figuren zu sehen, sondern eine große die Offenheit, die jugendliche Zuversicht und eine Beim russisch-ukrainischen Krieg geht es um die und das hat es auch bisher nicht gegeben. Die­
Schmidt, eines Jürgen Habermas diesen Irrsinn­ Vision, die es wert ist, zum Leben erweckt zu werden: tapfere Vision Europas naiv? Diese alte »rationale Zukunft der jungen Generation Europas. Die­ Deutschen haben an der Entstehung dieser Idee maß-
hinter sich lassen wollte. Sie wurde zur europäi- ein Bund von politisch geeinten demokratischen Politik« verstehen wir Jungen als eine noch größere Herausforderungen, mit denen wir vor dem Krieg geblich mitgewirkt. Wir, die junge Generation der
schen Post­visions-­Gene­ra­tion, die vor dem Hin- Rechtsstaaten, deren Versorgung fortan über die­ Naivität, da sie zu einer abgedroschenen Macht­politik konfrontiert waren, sind bereits enorm: Der Klima- Ukraine, möchten, dass Sie dies nicht vergessen. Wer
tergrund dieser blutigen Lektionen lernte, jedwede erneuerbaren Energien zu sichern ist. Der neue Krieg ­führt, die der Devise folgt: every­thing is negotiable, wandel und die Corona-Pandemie sind die Chiffren keine Vision hat, sollte zum Arzt gehen.
Erscheinung des politischen Radikalismus miss- in Europa hat zu unserem En­gage­ment für dieses »alles ist verhandelbar«. Als sei diese Devise nicht am für die Problemgebirge, vor denen wir stehen. Der
trauisch zu behandeln. Dieses Misstrauen prägte Projekt beigetragen. Durch unsere Existenz und 24. Februar nach ewigen Verhandlungen pulverisiert Krieg lässt sie umso unüberwindlicher erscheinen. Anton Tarasyuk, 29, geboren in Donezk, hat in
die ­intellektuelle Atmos­phäre, in der unsere Lehrer unseren Kampf zeigen wir Europa, dass dieses Projekt worden. Seien wir deshalb pragmatisch und aufrichtig: Wir Kiew Philosophie studiert und arbeitet
und europäischen Mentoren aufwuchsen: Sie relevant ist, dass es bedroht wird – und dass es an uns Der von Russland entfesselte Krieg bezeugt nicht haben keine andere Wahl, wir müssen die große euro- gegenwärtig als Berater. Mit Kriegsbeginn hat er das
wirkte wie ein Anti-Visions-Therapie. Zu ihr ge- ist, es zu retten. nur Putins historischen Revanchismus, sondern auch päische Vision in die Politik zurückbringen. Es gibt Projekt »PhilosophersForUkraine« gegründet

»Es gab keine Warnung«

DIE ZEIT: Dmitri Gluchowski, wie erfuhren Sie ZEIT: Sie fanden für Putin immer sehr offene­ Über Nacht fand sich der ZEIT: Warum nun vor der Ukraine? ZEIT: Sie können sich in Russland auf viele Leser,
davon, dass Sie verhaftet werden sollen? Worte der Kritik. Sind sie nun überrascht? Gluchowski: Die Ukraine ist zu einer echten­ Fans, Follower stützen. Können die Sie schützen?
Dmitri Gluchowski: Vor gut einer Woche tauchte Gluchowski: Ja, trotz allem. Meine Kritik ­richtete russische Schriftsteller Dmitri Bedrohung für Putin geworden, weil sie vorführte, Gluchowski: Alexej Nawalny hat Millionen Unter-
die Polizei vor meiner Moskauer Wohnung auf und sich immer auf die Politik Russlands, nicht auf Gluchowski plötzlich als dass man seine politische Führung auswechseln stützer, und er musste doch ins Gefängnis. Das ist
»wollte mich sprechen«. Ich war jedoch im Ausland. mein Heimatland. Der Unterschied ist wichtig: politischer Exilant wieder. kann, und weil sie den Weg nach Westen suchte. eine reine Machtfrage. Es werden jetzt exempla­
Danach riefen sie meinen Vater an. Normalerweise Wir können nicht hinnehmen, dass sich das Re- Da geriet wirklich etwas außer Kontrolle. Putins rische Einzelne aus der Gesellschaft sowie ihr Um-
wird man vorgewarnt, in meinem Fall gab es keine gime mit dem Land in eins setzt. Putin ist nicht Was wirft man ihm vor? Antwort ist das Versprechen, die Sowjetunion feld in Furcht versetzt: »Keiner von euch ist mehr
Warnung. Meine Anwältin erfuhr, dass die Anklage Russland. Er ist auch nicht der russische Staat. wieder­herzustellen: »Wir hatten doch schon ge- sicher«, heißt das. So wird die Zivilgesellschaft Be-
bereits vor einem Monat erhoben wurde. Ich war Mein Patriotismus besteht in der Hoffnung, dass siegt, aber der Sieg wurde uns entrissen. Nun muss reich für Bereich diszipliniert, die Kunst, der Film,
längst national und international zur Fahndung sich das Land entwickelt und eine Zukunft hat. ich die verlorenen Territorien zurückgewinnen,­ das Theater, die Musik, nun auch die Literatur.
ausgeschrieben. Sie hatten alles vorbereitet und war- ZEIT: Wie sieht es mit dieser Zukunft aus? damit Russland wieder groß ist.« ZEIT: Gleich nach Kriegsausbruch sah es noch
teten einfach meine Rückkehr ab. Die Anwältin Gluchowski: Der Machthaber verschließt das Land ZEIT: Wird diese Geschichte wirklich geglaubt? nach Protesten aus. Gibt es keine mehr?
sagte: »Es sieht so aus, als könntest du nie wieder gerade in seiner Vergangenheit. Er schickt es in Gluchowski: Die russische Tragödie des 20. Jahr- Gluchowski: In einem Land, in dem es keine freie
nach Russland zurückkommen.« die Sowjetzeit zurück, in eine nostalgische, eingebil­ hunderts soll mithilfe des Mythos vom Großen Presse gibt, in dem die Menschen keine Möglichkeit
ZEIT: Was wird Ihnen vorgeworfen? dete Vergangenheit. Vater­ländischen Krieg rückgängig gemacht werden haben, die Wahrheit aus den Medien zu erfahren,
Gluchowski: Grundlage der Anklage stellt ein­ ZEIT: Glauben alle Russen daran? – das ist ein gewaltiges Instrument der Mobilisie- wurde in den vergangenen Jahren der kulturelle
sofort nach Ausbruch des Krieges erlassener Para- Gluchowski: Nein. Und wenn Putin das so macht, rung, weil 27 Millionen Russen familiär davon be- Sektor zu einem Raum, in dem man offen sprechen
graf dar, der die Herabwürdigung der russischen handelt er sich auch ein Legitimationsproblem ein: troffen sind. Dieser Mythos mit seiner emotionalen konnte. Eine Zeitlang wurde das geduldet, es
Armee – und damit des Präsidenten – zu bestrafen Er ist eine poli­tische Selbsterfindung, er setzte sich Kraft muss nichts mit der Realität zu tun haben. Er herrschte kulturell ein gewisses Tauwetter. Ja, es gab
erlaubt, und zwar mit bis zu 15 Jahren Gefängnis. selbst ein, genau wie seine Clique. Wie dem Volk wird den Menschen seit acht Jahren mit Bildern es Proteste der Kulturleute, es gab ja auch Proteste
Beweise meiner Schuld waren Instagram-Posts, in erklären, dass er da ist, bei allen Skandalen, die sich und Worten eingehämmert, ein heidnischer Kult auf den Straßen. Aber jetzt reagiert der Staat gezielt.
denen ich den Krieg als solchen bezeichnet und ­ereignen? Statt einer Erklärung tischt er diese er- Der 43-jährige Dmitri Gluchowski der Ahnenverehrung. So geht der Krieg immer ge- Was wir erleben, ist der direkte Zugriff auf den kul-
kritisiert ­hatte. Man wirft mir nun außerdem vor, fundenen Bedrohungs- und Kriegsszenarien auf, ist einer der populärsten Autoren in gen die Nazis. Überall reckt sich angeblich das turellen Sektor. Er wird nun als letzte Zone des Un-
mich der amt­lichen Untersuchung durch Flucht vom Tschetschenienkrieg über die Annexion der Russland. Dort sucht ihn die Polizei. Haupt der Nazi-Hydra wieder auf – mal abgesehen kontrollierten stillgelegt, mithilfe des Kriegsrechts.
entzogen zu ­haben. In Wirklichkeit bin ich schon Krim bis zur Ukraine. Putin ist dann der Einzige, Er lebt jetzt im Exil in Westeuropa – davon, dass Putin den Rechtsextremismus in den
seit Januar im Ausland. der das Land »schützt«. wo genau, kann er nicht verraten westeuropäischen Ländern mitfinanziert. Das Gespräch führte Thomas E. Schmidt
54
Die Jungwähler Frankreichs folgen einem linken Volkstribun, heißt es. Stimmt das?
Eine Begegnung mit der neuen Generation in Paris und in der Banlieue  VON CLAAS OBERSTADT
N
icht lange her, da war der TGV noch
so etwas wie das Symbol der franzö-
sischen Meritokratie, wo alle nach
ihrem Können den wohlverdienten
Platz in der Gesellschaft einnehmen.
Lässt man sich heute in die roten Stoffsessel fallen,
fährt immer noch das Versprechen einer Wohl-
standsgesellschaft mit. Doch betrachtet man die
poli­tischen Fliehkräfte nach rechts wie links,
scheint es, als habe dieses Bild tiefe Risse bekom-
men, vor allem in den letzten Jahren. Das Links-
bündnis um Jean-Luc Mélen­chon (Nupes), dem
Zentrum um Macron nun dicht auf den Fersen, sei
die politische Heimat der Jungwähler, war viel zu
lesen. Erneuert Nupes das alte Versprechen des
TGV-Zeitalters? Was erhoffen sich junge Franzo-
sen von ihrem Land und ihrer Zukunft? Lebt er
noch, der Glaube an die Meritokratie?
Fragt man Marion Messina, die sich mit ihrem
Debütroman Fehlstart gleich den Titel als Houelle-
becqs Erbin eingehandelt hat, fällt die Antwort ein-
deutig aus: »Frankreich stirbt«, erklärt sie, über ihren
Eiskaffee gebeugt. Wir sitzen zwischen ein paar
Tropenpflanzen, die Ventilatoren im Café in der Nähe
der Bastille drehen sich. Es ist ein heißer Tag in Paris.
Für sie gebe es zwei Frankreichs, eins der Großstadt
Paris und eins der vergessenen ländlichen Gebiete.
»Diese beiden Teile Frankreichs werden keine­
Freunde mehr. Vielleicht nie.« Spätestens mit den
Protesten der Gelbwesten, der gilets jaunes, habe sich
etwas Bahn gebrochen, das nicht mehr einholbar sei.
Der französische Traum, so etwas wie »der Amerika-
nische Traum plus Jean-Paul Sartres Bücher«, sei aus-
geträumt. »Die Meritokratie ist nur noch ein Mythos,
der dazu dient, die Armen draußen zu halten.«
Davon erzählt auch Messinas Roman, in dem
Aurélie, wie die Autorin selbst, aus einer Arbeiter­
gegend am Rand von Grenoble stammend, an den
Aufstiegsbarrieren der Gesellschaft scheitert. Von­
ihrem Jurastudium in der Kleinstadt desillusioniert,
zieht sie nach Paris, wo sie in einem Bürokomplex als
Empfangsdame landet und ihre einzige Aufgabe darin
besteht, mit einem Lächeln die sterile Eingangshalle
etwas wärmer wirken zu lassen. Ihre erste große Liebe,
Alejandro, der von einem literarischen Leben in Frank-
reich geträumt hatte, verdingt sich mit seinem Master-
abschluss als Kellner in einer Latino-Karibikbar.
Gerade die junge Generation hänge fest im
Dienstleistungssektor, beklagt Messina. Dabei fänden
sich hier »Ökonomen, Intellektuelle, Künstler, die
versuchen könnten, einen Ausweg aus der gesell-
schaftlichen Lage zu finden, aber die müssen auf dem
Roller sitzen, um Essen auszuliefern«. Gerade schreibt
die Autorin an einem neuen Roman, der in der nahen
Zukunft spielt, wo die Brüche in der Gesellschaft
noch weiter aufgerissen sind: »Die gilets jaunes waren
eine Gartenparty, im Vergleich zu dem, was kommen
wird«, prognostiziert sie. Ob sie denn Hoffnung in
das Linksbündnis um Mélenchon setze? Hoffnung
habe sie keine. »Aber die eigenen Illusionen zu ver-
lieren ist schon eine Hoffnung.«
»Wenn die Polizei kommt, dann rennst du.
Du weißt nie, was passieren wird«
An einem anderen Tag rauscht Camille Étienne nahe
dem Gare de l’Est ins Café, die wohl bekannteste
Klimaaktivistin Frankreichs. Letzte Woche war sie
noch in ­Oxford, am Wochenende auf einem Festival,
wo sie vor zehntausend Adele-Fans auf die Bühne
stieg, um gegen den Bau einer Öl-Pipeline zu­
demonstrieren. Über die 1443 Kilometer lange East
Africa Crude Oil Pipeline (Eacop), die von der ­Küste
Tansanias durch eins der artenreichsten Gebiete der
Welt bis zum Albertsee in Uganda führt, spricht sie
genauso detailliert wie von der Eisschmelze in Island.
Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906–1995)
Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-­Kammüller, Otto/Johanna Schoener (stellv.), A
Zanny Minton Beddoes, Florian Illies,
Dr. Josef Joffe
Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002)
Helmut Schmidt (1918–2015)
Vorsitzender der Chefredaktionen des
Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni di Lorenzo
Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich
Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Tanja Stelzer,
Jochen Wegner
Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle
Chefreporter: Dr. Stefan Willeke
Textchef: Dr. Christof Siemes
Geschäftsführende Redakteure: Patrik Schwarz,
Andreas Sentker
Internationaler Korrespondent: Matthias Naß
Leitender Redakteur: Hanns-Bruno Kammertöns
Redaktionsleiter Digitale Ausgaben: Götz Hamann
Parlamentarischer Korrespondent: Matthias Geis
Politik Hamburg/Berlin: Tina Hildebrandt/Dr. Heinrich Wefing Müller-­Stoy; Textchefinnen: Christine Meffert, ­Annabel Wahba;
(verantwortlich), Mark Schieritz ­(stellv.), Elisabeth Raether ­
(Seite 3), Andrea Böhm, Alice Bota, Peter Dausend, Jörg Lau,
Mariam Lau, Anna Mayr, Paul ­Middelhoff, ­Robert Pausch,
Petra Pinzler, Jan Roß, Dr. Anna ­Sauerbrey (Außenpolitik), ­
Samiha Shafy, Merlind Theile
Hauptstadtredaktion: Dorotheenstraße 33, 10117 Berlin,
Tel.: 030/59 00 48-0, Fax: 030/59 00 00 40
Streit: Dr. Jochen Bittner/Martin Machowecz (verantwortlich),
Stefan Schirmer (Korrespondent)
Dossier: Malte Henk/Wolfgang Uchatius (verantwortlich), ­
Nadine Ahr, Moritz Aisslinger, Bastian Berbner, Kerstin ­
Kohlenberg, Caterina Lobenstein, Tanja Stelzer (Autorin)
Leserbriefe: Dr. Christof Siemes (verantwortlich),
Jutta Hoffritz
Geschichte: Christian Staas (verantwortlich)
Egal, wer gewinnt
Macron auf Wahlkampftour im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois
Die drei Intellektuellen
Die 24-jährige
Camille Étienne
ist Frankreichs
bekannteste
Klimaaktivistin
Wirtschaft: Charlotte Parnack/Roman Pletter (verantwortlich),
Simon Kerbusk (stellv.), Thomas ­Fischermann, ­Sebastian Kempkens,
Hannah Knuth, Dr. Ingo Malcher, Ann-Kathrin Nezik,­Marcus ­
Rohwetter, Dr. Kolja Rudzio, Claas Tatje
Green: Dr. Uwe J. Heuser (verantwortlich), Laura Cwiertnia (stellv.),
Ricarda Richter
Unterhaltung: Cathrin Gilbert (verantwortlich)
Wissen: Andreas Sentker (verantwortlich), Rudi Novotny/­Jeannette
­ nant Agarwala, Dr. Harro
Albrecht, Dr. Ulrich Bahnsen, Fritz Habekuß, Stefanie Kara, ­
Katharina Menne, ­Maximilian Probst, Arnfrid Schenk, ­Stefan
Schmitt (Wissenschaftskorrespondent), Ulrich Schnabel,
Dr. Anna-Lena Scholz, Jan Schweitzer, Martin Spiewak, Urs Willmann
Bildungspolitischer Korrespondent: Thomas Kerstan
Junge Leser: Katrin Hörnlein (verantwortlich)
Feuilleton: Christine Lemke-Matwey/Volker Weidermann ­
(verantwortlich), Dr. Hanno ­Rauterberg (stellv.), Alexander
Cammann, Peter ­Kümmel, Ijoma Mangold (Kultur­politischer
Korrespondent), Dr. Peter Neumann, Katja Nico­­­de­mus, Nina Pauer,
Iris Radisch, Dr. Thomas E. Schmidt (Kulturkorrespondent ­Berlin),
Dr. Adam Soboczynski (Literatur; verantwortlich),
Dr. Elisabeth von Thadden (Sinn & Verstand), Lars Weisbrod
Glauben & Zweifeln: Evelyn Finger (verantwortlich)
Entdecken: Dorothée Stöbener/Moritz von Uslar (verantwortlich),
Johannes Gernert (stellv.), Michael ­Allmaier, Karin ­Ceballos Betan-
cur, ­Stefanie Flamm, Francesco Giammarco, Elke Michel, Merten
Worthmann; Besondere Aufgaben: Jutta Hoffritz
Investigative Recherche/Daten:
Leitung: Holger Stark (Print)/Karsten Polke-­Majewski (Online),­
Stellv. Leitung: Astrid Geisler (O)/Yassin Musharbash (P),
Kai Biermann (O), Anne Kunze (P), ­Christina Schmidt (P),
Tom ­Sundermann (O/Störungsmelder), Sascha Venohr (O),
Fritz Zimmermann (P);
Autor: Christian Fuchs
Verbrechen: Stephan Lebert (Reporter), Daniel Müller
ZEITmagazin:
Editorial Director: Christoph Amend; Chefredakteur: Sascha ­
Chaimowicz; Stellv. Chefredaktion: Anna ­Kemper, Emilia Smechowski,
Tillmann Prüfer; Creative Director: Mirko Borsche; Art Director: Jasmin
­Style ­Director: Claire Beermann;
Redaktion: Jörg Burger, ­Johannes Dudziak, ­Friederike ­Milbradt, ­Lena
Niethammer, Johanna Palla, Khuê Pham, Ilka Piepgras, Jürgen von
Ruten­berg; Redaktionelle Koordination: Margit Stoffels;
Gestaltung: Nina Bengtson, Mirko Merkel, Gianna Pfeifer;
Bildredaktion: Maximilian Virgili (verantwortlich i.V.), Milena Carstens,
Nora Hollstein;
Redaktion ZEITmagazin: Dorotheenstraße 33, 10117 Berlin,
Tel.: 030/59 00 48-0, Fax: 030/59 00 00 39; E-Mail: zeitmagazin@­zeit.de
Die ZEIT-App: Götz Hamann (Redaktionsleitung),
Silke Weber (stellv.); Art-Direktion: Sören Dammann, Haika Hinze,
Jasmin Müller-Stoy Betreiber: ZEIT Online GmbH
Verantwortlicher Redakteur Reportage: Henning Sußebach
Reporter: Wolfgang Bauer, Christiane Grefe, Ulrich Stock,
Henning Sußebach
FEUILLETON
Nesrine Slaoui, Marion Messina
28, hat 2021 ist 32. Ihr Roman
ihren Debütroman »Fehlstart«
»Illégitimes« erschien 2020 auf
veröffentlicht Deutsch
Autoren: Antonia Baum, Anita Blasberg, Georg Blume, Klaus ­
Brinkbäumer, Kerstin Bund, Christoph Dieckmann, Christoph Drösser,
Ronald ­Düker, Heike Faller, Ulrich ­Greiner, Jana Hensel, Dr. Gunter
Hofmann, Jens Jessen, Rüdiger ­Jungbluth, Dr. Navid Kermani, Alard
von ­Kittlitz, Angela ­Köckritz, Dr. Wolfgang Lechner, Georg Löwisch, ­
Ursula März, Dr. Susanne Mayer, Anna von Münchhausen, Gero von
Randow, ­Roberto ­Saviano, Chris­tian Schmidt-­­Häuer, Jana Simon,
Dr. Theo Sommer, Björn Stephan, Matthias Stolz, Burkhard ­
Straßmann, Tobias Timm, Jens Tönnesmann, ­Dr. Volker Ullrich
Art-Direktion: Haika Hinze/Malin Schulz (verantwortlich),
Jan Kny (stellv.); Berater der Art-Direktion: Mirko Borsche
Gestaltung: Julika Altmann, Mirko Bosse, ­Martin Burgdorff,
Mechthild Fortmann, Sina Giesecke, ­Katrin Guddat,
Annett ­Osterwold, Beate Pietrek, Philipp Schultz, Lydia ­Sperber,
Jan-Peter Thiemann, Delia Wilms
Infografik: Nora Coenenberg, Anne Gerdes, Jelka Lerche,
Matthias Schütte
Bildredaktion: Amélie Schneider (verantwortlich), Lara Huck/Jutta
Schein (stellv.), Melanie Böge, Norman ­Hoppenheit,
Anja Martens, Navina Reus, Vera Tammen, Edith Wagner­
Dokumentation: Mirjam Zimmer (verantwortlich), Davina Domanski,
Dorothee Schöndorf, ­Corinna Slotty, Dr. Kerstin Wilhelms
Korrektorat: Thomas Worthmann (verantwortlich), Oliver Voß
(stellv.), Volker Hummel, Christoph Kirchner, Anke Latza,
Irina ­Mamula, Ursula Nestler, Antje Poeschmann, ­Maren Preiß, ­
Karen Schmidt, Matthias Sommer
Schlussredaktion: Imke Kromer
Frankfurter Redaktion: Lisa Nienhaus,
Eschersheimer Landstraße 50, 60322 Frankfurt a. M.,
Tel.: 069/24 24 49 62, E-Mail: buero-frankfurt@zeit.de
Christ & Welt/ZEIT:CREDO GmbH: Georg Löwisch (Chefredak­
teur), Merle Schmalenbach (Stellv. Chefred.), Raoul Löbbert (Chef-
korrespondent), Andreas Öhler, Christina Rietz, Kilian Trotier
(Koordinator ZEIT Sinn – Wofür leben wir?); Konstanzer Straße 64,
10707 Berlin; E-Mail: redaktion@christundwelt.de
Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser, Patrik Schwarz
Chefredakteur Länderausgaben: Patrik Schwarz
ZEIT:Hamburg: Maria Rossbauer/Marc Widmann/Florian Zinnecker
(verantwortlich), Viola Diem, Frank Drieschner, Hanna Grabbe, ­
Annika Lasarzik (Newsletter Elbvertiefung), Oskar Piegsa ­
ZEIT im Osten/Korrespondentenbüro Leipzig: Anne Hähnig
(Büroleitung, verantwortlich),­­August Modersohn (stellv.), ­
Martin ­Nejezchleba; Naumburger Straße 48, 04229 Leipzig,
Tel.: 0341/492 76 13-10, E-Mail: anne.haehnig@zeit.de
ZEIT:Österreich/ZEIT International GmbH: Florian Gasser
(Büroleitung), Christina Pausackl (stellv.);
E-Mail: florian.gasser@zeit.de; Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser
ZEIT:Schweiz: Matthias Daum (Büroleitung), Sarah Jäggi (stellv.),
Barbara ­Achermann, Hirschengraben 34, CH-8001 Zürich,
Tel.: 0041-79/361 53 10, E-Mail: matthias.daum@zeit.de
Europa-Redaktion: Ulrich Ladurner, Residence Palace,
Rue de la Loi 155, 1040 Brüssel, Tel.: 0032-2/230 30 82,
Fax: 0032-2/230 64 98, E-Mail: ulrich.ladurner@zeit.de
Pariser Redaktion: Matthias Krupa, 48 bis, Rue d’Auteuil,
75016 Paris, E-Mail: matthias.krupa@zeit.de
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Wenn es um die Eacop im Spezifischen oder den überzusitzen, nach den Jahren der Diskreditierung?
Fotos: Stephane Lemouton/abaca press/ddp; u.: Aurore Marechal/ddp; Instagram; Philippe Matsas/ddp
Klimawandel im Großen geht, werden ihre Sätze­ »Es ändert nichts daran, dass ich illégitime bin, doch
schneller und erprobter. Mit dem Politiker und das ist kein Problem, ich wusste, dass ich es immer
Historiker Alexis de Tocqueville betont sie dann, bleiben werde«, sagt sie mit einem Lächeln.
dass ihre Rolle als Aktivistin außerhalb der Parteien- Ich fahre nach Clichy-sous-Bois zum Kultur-
landschaft liegt: »Wir brauchen freie Menschen in projekt Ateliers Médicis, das zu einer Art Leitstern
der Zivilgesellschaft. Das ist die Bedingung, für eine des kulturellen Wandels aufgestiegen ist, mit­
funktionierende Demokratie.« Der Verdacht erhär- wöchentlichen Konzerten und einem renommier-
tet sich: Im Land des Revolu­tionärs Robespierre ten Artist-in-Residence-Programm inmitten der
wird Politik nach wie vor eher auf den Straßen als Pariser Vorstadttristesse. Der Weg dorthin dauert
in den Palästen gemacht. vom Pariser Zentrum aus gut eineinhalb Stunden,
Man müsse die Vorstellungen in den Köpfen die Häuser sind zuerst grau und hoch, dann frei
ändern, besonders mithilfe der Kunst: »Manchmal stehend und kleinstädtisch. Die Bahn ruckelt wei-
spricht die Kunst lauter, als Worte allein es können.« ter. Gegenüber einem Block mit verrußter Fassade
­Bereits 2019 hielt Étienne eine Rede in Cannes, bei wirken ein paar Wohnblöcke wie frisch gestrichen.
der sie dazu aufrief, neue Erzählformen für die Trotz der ­Millionen an Fördergeld, die seit den Aus-
drängenden Fragen zu entwickeln. Ob sie denn schreitungen 2005 in das Viertel flossen, bemängeln
manchmal Angst habe zu scheitern? »Ich träume ­einige, hier werde der Aussichtslosigkeit nur ein
nicht davon, die Welt zu retten. Das ist nicht etwas, neuer Anstrich verpasst.
das machbar ist, das geschehen wird. Im ›Dazwi-
schen‹ liegt alles.« Sie meint damit: Jeder kleine Die Zeit macht die Leute unglücklich wie
Schritt ist wertvoll. Dann muss sie auch wieder los der Regionalzug, heißt es im Rap-Song
– zieht den Reißverschluss ihrer Patagonia-Jacke
hoch –, Interviews mit Gletscherexperten auswäh- Beim Aussteigen fallen die Polizeiautos vor dem
len, für eine Doku über die Eisschmelze in Island. Krankenhaus auf. Ich gehe an kleinen Pkw vorbei,
Weit entfernt wirkt eine grüne Utopie beim in denen breit gebaute Männer mit Schutzwesten
Blick auf den Autobahnring, der die Stadt von der sitzen. Die Ateliers Médicis liegen um die Ecke.
Banlieue trennt, wo ich die Journalistin und Schrift- Noch draußen stehend – mir wird gerade von der
stellerin Nesrine Slaoui treffe. Autos hupen, Roller Anfangsphase berichtet, auch der anfänglichen
schlängeln sich durch die kleinsten Lücken, kein Skepsis der Bevölkerung –, halten einige Mann-
Durchkommen für die Polizei, die mit Sirenen ver- schaftsbusse auf der Straße. Zur Begrüßung erklingt
sucht, sich die Bahn freizuplärren. Zuletzt erschien aus einem parkenden Auto laut französischer Rap.
Slaouis Roman Illégitimes – die »Illegitimen«, damit Dann bekommt der stellvertretende Direktor eine
meint sie alle, denen man in Frankreich stets das Nachricht: Macron stattet wohl Clichy-sous-Bois
Gefühl gibt, fehl am Platz zu sein. Dieses Gefühl einen seiner seltenen Besuche ab. Er entschuldigt
begleitet sie auf ihrem Lebensweg, der sie als Kind sich und geht sich ein Hemd suchen.
französisch-marokkanischer Arbeiter aus der Pro- Nach einer Führung durch das hauseigene­
vinz im Süden Frankreichs zur Eliteuniversität Theater treten wir auf die Dachterrasse, von der
Sciences Po in Paris führte. man auf der einen Seite Wohnhäuser, auf der­
In Apt, wo andere Urlaub machen, wächst sie anderen Seite Wald und einen kleinen Reiterhof
am Stadtrand auf, mit ihrem Vater, einem Maurer, mit Pony sieht. Idyllisch hier draußen. Dieses­
und ihrer Mutter, die als Putzkraft arbeitet. Die­ andere Bild der Vorstädte, neben der Gewalt,
Armut grabe sich in die Körper ein, sagt sie, in die nimmt auch die Ausstellung Regards du Grand
zerfurchten Hände ihres Vaters und die von Putz- Paris in den Blick. Zu sehen sind Bilder, die behut-
mittel gebleichten Hände ihrer Mutter. »Das sind sam und mit Witz das Leben in den Vorstädten
die M­ arker meines Lebens, meines Studiums. M ­ eine ausleuchten. Unter anderem im Musée Carnavalet
Eltern haben alles geopfert, damit ich zu Sciences für Pariser ­Stadtgeschichte werden die Arbeiten aus-
Po komme.« Bereits mit elf Jahren will sie Journa- gestellt. Vielleicht behauptet die Vorstadt so, über
listin werden: Im Fernsehen sieht sie die Berichte den Umweg der Kunst, ihren Platz in der­
über den Tod von Zyed Benna und Bouna Traoré Geschichte von Paris – diesmal auch an den pres-
in Clichy-sous-Bois. Als nach dem Fußballspielen tigeträchtigen Orten im Herzen der Stadt.
die Polizei anrückt, fliehen die beiden Jugendlichen Auf dem Rückweg drängt sich das Gefühl auf,
und verstecken sich in einem Umspannwerk. Sie ganz Clichy-sous-Bois sei auf den Beinen, um einen
sterben dort. Slaoui erklärt für die quartiers­ Blick auf diesen Präsidenten zu werfen. Ich sehe ihn
populaires: »Wenn die Polizei kommt, dann rennst erst später am Abend auf Bildern, wie er in Anzug
du. Du weißt nie, was passieren wird.« und Krawatte eine Breakdancerin beklatscht. Die
In der Berichterstattung vermisste sie Empathie Fahrt in die Stadt streckt sich. Man sieht viele müde
für diese Jugend aus den Armenvierteln. Spätestens, Gesichter und Gähnen und Kopfhörer in den
als dann die Vorstädte des Landes anfingen zu
brennen, wurde besonders Clichy-sous-Bois zum
Ohren, der Hip-Hop-Star Nekfeu rappt: »Le temps
rend malheureux les gens comme RER, RER« – Die
Sinnbild – für die Aussichtslosigkeit dieser Gene- Zeit macht die Leute unglücklich wie der RER, der
ration. Neu sei das alles nicht, »jede Generation hat Zug, der Clichy-sous-Bois mit Paris verbindet.
ihre Geschichte«, sagt Slaoui: 1986 ­erregte die­ Im Kontrast zum TGV früher einmal markiert
Ermordung von Malik Oussekine durch zwei Poli­ dieser Regionalexpress mit seinen ewigen Fahrzeiten
zisten großes Aufsehen. Seine Geschichte behandelt die Trennlinie zwischen der Stadt und den draußen
nun der Film Nos Frangins, der gerade in Cannes Wohnenden, den Abgehängten. Und man denkt
lief. Das jüngste Kapitel der sozialen Spaltung plötzlich: Vielleicht ist es nicht so entscheidend,
handelt von Adama Traoré, der 2016 in Polizei­ wer am Sonntag den zweiten Durchgang der­
gewahrsam starb. Wahlen gewinnt. Entweder weil der Glaube an die
Trotz heftiger Proteste äußerte Macron sich zu Politik für einige schon vor langer Zeit verloren
dessen Todesumständen lange nicht. Bis Slaoui ihn ging; weil sich ein junger Aktivismus ohnehin
für das Hip-Hop-Medium Booska-P im April ein außer­halb der Parteienpolitik bewegt; oder weil die
paar Tage vor der Wahl interviewte. Im Video­ Probleme so groß wirken, dass eine Heilsfigur allein
bekundet der Präsident Anteilnahme und seine sie nicht stemmen kann. Gewiss aber braucht es die
Hoffnung, dass die Justiz ihrer Arbeit nachkommen Kunst, um diesen zerborstenen Traum von der
werde. Wie sich das angefühlt habe, ihm gegen- Meritokratie sehen zu können.
Moskauer Redaktion: Michael Thumann,
Kutusowskij Prospekt 13, Kw. 5, Moskau 121248,
Rebekka Wiese Wochenende: Maris Hubschmid (Leitung), Viktoria
Morasch, Friederike Oertel, ­Michael Schock ZEIT Campus Online: ZEIT-LESERSERVICE
Tel.: 007-495/680 03 85, E-Mail: zeit-moskau@zeit.de Amna Franzke (verantw. Online), ­Martina Kix (verantw. Print), Berit
Mittelost-Redaktion: Lea Frehse, Rue Liban, Gemayzeh, Dießelkämper, Christoph Farkas (P), ­Katharina Meyer zu Eppendorf
Beirut, E-Mail: lea.frehse@zeit.de (P), Nina Piatscheck (P), Cathrin ­Schmiegel (P), Luisa Thomé, Theresa Leserbriefe
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg
Pekinger Redaktion: Xifan Yang, Guangming Plaza 1501, Tröndle (P) ze.tt: Tessa Högele (verantw.), Philipp Kienzl, Elif Kücük
Liangmaqiao Rd 42, Chaoyang, Beijing (Editorial Design), Celia Parbey, Alisa Schellenberg Green: Luisa Jacobs Fax: 040/32 80-404; E-Mail: leserbriefe@zeit.de
E-Mail: xifan.yang@zeit.de (verantw.), Ruth Fend, Manuel Stark Sport: Christian Spiller (Leitung),
Washingtoner Redaktion: Amrai Coen, Steffen Dobbert, Oliver Fritsch, ­Nico Horn, ­Fabian Scheler V ­ ideo: Max
Washington, DC 20009, Tel.: 001-202/617 68 77, Boenke (Leitung), ­Dilan ­Gropen­giesser (stellv.), Poliana Baumgarten,
E-Mail: amrai.coen@zeit.de Claudia ­Bracholdt, Nicolas ­Grone, Adrian Pohr, René Wiesenthal, Sven Artikelabfrage aus Suite 106, B­ uffalo,
New Yorker Redaktion: Heike Buchter, 32 Broadway, Wolters Daten und ­V isuali­s ierung: Julius ­Tröger (Leitung), Paul Blickle, ­ dem Archiv NY 14207-1306
Suite 1211, New York, NY 10004, Tel.: 001-212/­­­269 34 38, Annick ­Ehmann, Christian Endt (Senior Data Journalist), Julian Stahnke Fax: 040/32 80-404; Periodicals postage is paid at
E-Mail: ­hbuchter@newyorkgermanpress.com Design: C­ hristian Bart (Lead Designer), Adele Ogiermann E-Mail: archiv@zeit.de Buffalo, NY 14205.
ZEIT ONLINE GmbH Formatentwicklung: Mark Heywinkel SEO und Abosteuerung: Jana Postmaster:
Chefredakteur: Jochen Wegner Lavrov (Leitung), Laura Oelker (verantw. SEO), Celine Fink, Julia Grass Abonnement Send address changes to:
Stellv. Chef­r edaktion: Markus ­Horeld, ­Sebastian Horn, Leonie Seifert (verantw. Abosteuerung), Markus Mack, Kim Paulsen, Marlon Schröder DIE ZEIT € 306,80 DIE ZEIT, Data Media,
Mitglied der Chefredaktion: Monika Pilath Formate Z+: Silke ­Janovsky Social Media: Tobias Dorfer (verantw.), ­ (52 Ausgaben); P.O. Box 155, Buffalo,
Redaktionsleitung: Dr. Sasan ­Abdi-Herrle, Rieke ­Havertz, Janis Dietz, Carly Laurence, Mona Wetzel Community: Julia Meyer für Studenten € 197,60 NY 14205-0155.
Monika Pilath, Till Schwarze, Michael Stürzenhofecker (verantw.), Tülay ­Karakus, Ann-Kristin Tlusty (inkl. ZEIT Campus); Toll-free: 1-877-776 58 35
Nachrichtenredaktion: Monika Pilath (Leitung); Bildredaktion: ­Andreas Prost (Leitung), ­Dorothea Fiedler (stellv.), Lieferung frei Haus; E-Mail: service@roltek.com
Chef/in vom Dienst: Fabian ­Albrecht, Katharina ­Benning­hoff, Angelika ­ Leonie Baumeister, Norbert Bayer, Sabine ­Bergmann, Felix ­Burchardt, Digitales Abo € 5,60
Finken­wirth, Karin Geil, Sybille Klormann, Dr. Rita ­Lauter, ­­Katrin Scheib, Alexan­der Hoepfner,­­Reinhold ­Hügerich, Prisca Kranz, Nina Lüth, ­ pro Ausgabe; Abonnement Kanada
Sunrise News,
Johannes Süßmann, Claudia Thaler, Ulrike Tschirner; Caroline Scharff, Jakob Weber; Bildred. für bes. Aufgaben: ­Michael Digitales Abo für
Pfister Entwicklungs­r edaktion: ­Holger Wiebe (Leitung), Thomas 47 Silver Shadow Path,
Lisa-Marie Eckardt, ­Alexander Eydlin, Sarah Grahn, ­Alena Kammer, ­ ZEIT-Abonnenten
Anna-Lena Schlitt, Jona Spreter, Konstantin ­Zimmermann Stroth­johann (stellv.), Rose Tremlett, Leonie Wismeth, Erik Völker € 0,70 pro Ausgabe Toronto ON M9C 4Y2
Tel.: +1647-219 52 05
Red. f. bes. Aufgaben: Philip Faigle Textchefin: Meike Dülffer Data Scientists: Dr. Andreas Loos (Senior Data Analyst),
Schriftlicher Bestellservice: E-Mail: sunriseorders@bell.net
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: Marcus Gatzke/Ileana ­Grabitz Elena Erdmann
DIE ZEIT, 20080 Hamburg
(Leitung), Marlies Uken (stellv.), Frida Thurm (verantw. Gesellschaft), Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser, Christian Röpke, Enrique Tarragona
Almut Siefert (verantw. Ausland), Christian Bangel, ­Manuel Bogner, Verlag und Redaktion: Abonnentenservice: Einzelverkaufspreis
Lisa Caspari, Simone Gaul, ­Sören Götz, Tina Groll, Jan Guldner, Rieke ­ Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Helmut-Schmidt-Haus, Tel.: 040/42 23 70 70
Deutschland:
Havertz (Intern. Korrespondentin), ­Jurik Caspar Iser, Lenz ­Jacobsen Buceriusstraße, Eingang Speersort 1, 20095 Hamburg
 Fax: 040/42 23 70 90
(Demokratie), Lena Klimkeit, Judith Luig (Schule), ­Carsten Luther, Nina € 6,20
Telefon: 040/32 80-0, Fax: 040/32 71 11, E-Mail: abo@zeit.de
Monecke, Ferdinand Otto, ­Steffen Richter, Johanna Roth, Parvin ­
E-Mail: DieZeit@zeit.de; ZEIT Online GmbH: www.zeit.de
Sadigh, Dr. Michael Schlieben, K ­ atharina ­Schuler, ­Tilman ­Steffen, ­ © Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg Abonnement für Ausland:
Christian ­Vooren, ­Zacharias ­Zacharakis (Unternehmen) Kultur: ­Dirk Österreich, Schweiz und Belgien € 7,20;
Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser
Peitz (Leitung), ­Judith Liere (stellv.), Maja Beckers, ­Daniel Gerhardt restliches Ausland Dänemark DKR 69,00;
(Film), David ­Hugendick (Literatur), Nils Markwardt, ­Johannes Schnei- Marketing und Vertrieb: Nils von der Kall
DIE ZEIT Leserservice Finnland € 9,10;
der, Carolin Ströbele (TV/Medien) Wissen: Sven Stock­rahm (Leitung), Unternehmenskommunikation und Veranstaltungen: Silvie Rundel 20080 Hamburg Frank­reich € 7,80;
Herstellung/Schlussgrafik: Torsten Bastian (verantwortlich),
Elena Erdmann (Verantw. For­schungs­­daten), Robert Gast, Linda Fi- Deutschland Griechenland € 7,80;
Tim Andersson, Patrick Baden, Stefanie Fricke, Bastian Kamp,
scher, Dr. Maria Mast, Dr. Claudia Vallentin; Chefreporterin Wissen: Tel.: +49-40/42 23 70 70 Großbritannien GBP 9,50;
Dagny Lüde­mann Digital: Lisa Hege­mann (Leitung), ­Meike Laaff, ­ Jan Menssen, Oliver ­Nagel, ­Tim Paulsen, Frank ­Siemienski,
Fax: +49-40/42 23 70 90 Italien € 7,80;
Jakob von Lindern Gesundheit: Dr. Jakob Simmank/Claudia Wüsten­ Pascal Struckmann; Bildbearbeitung: Andrea Drewes, Hanno ­ Luxemburg € 7,20;
E-Mail: abo@zeit.de
hagen (Leitung), Ingo Arzt, Corinna Schöps, Dr. Florian Schumann Hammacher, Martin Hinz Nieder­lande € 7,20;
Ressort Investigative Recherche­/ Daten: siehe Printressorts
Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG, Abonnement USA Österreich € 6,50;
Ressort X: Philip Faigle (Leitung), Johannes Böhme, Philipp Daum, Kurhessenstr. 4­–6, 64546 Mörfelden-Walldorf
DIE ZEIT (USPS No. 00014259) Portugal € 7,80;
Yasmine ­M’Barek, Annabelle Seubert, Vanessa Vu Podcasts: Ole ­ Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder is published weekly
Pflüger (Leitung), Mounia Meiborg (stellv.), Jannis ­Carmesin, Simone
Schweiz CHF 8,50;
übernimmt der Verlag keine Haftung. by Zeitverlag; Slowenien € 7,80;
Gaul, Dr. Rita Lauter, Pia Rauschenberger, Fabian Scheler
Anzeigenleitung: Corinna Hohenleitner K.O.P.: Data Media (A division Spanien € 7,80;
ZEITmagazin Online, Wochenmarkt, Entdecken, Familie, Sinn: Carmen
Anzeigenstruktur: Peggy Ludwig (verantwortlich), Laura Gilica, of Cover-All Computer Services Kanarische Inseln € 7,90;
Böker ­(Leitung), Carla Baum (stellv.), Katrin Blum, ­Johannes Ehrmann,
Juliane Frisse, Wenke Husmann, Laura Sophie Jung, Matthias Kirsch, Carolina Guerra; Anzeigen-Preisliste Nr. 67 vom 1. Januar 2022 Corp.), 2221 Kenmore Avenue, Ungarn HUF 3690,00
Magazine und Neue Geschäftsfelder: Sandra Kreft
Wlada Kolosowa, Alexander Krex, Hannes Leitlein, Celina Plag, Jakob
Pontius, ­Caroline Rosales, Sara Tomšić, Fiona Weber-Steinhaus, Milena Projektreisen: Christopher Alexander
Zwerenz Arbeit: Anne-Katrin Schade (Leitung), Jana Baurmann, ­ Börsenpflichtblatt: An allen acht deutschen
David Gutensohn, Christine Haas, Hannah Scherkamp, Daniel Sander, Wertpapierbörsen ISSN: 0044-2070
 DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
David Bennent 1979 als Oskar
Matzerath in »Die Blechtrommel«
Der mit dem
Wind schimpft
David Bennent war stets mehr als ein Schauspieler – er ist
eine Symbolgestalt der deutschen Geschichte. Jetzt steht er
in Berlin wieder auf der Bühne  VON PETER KÜMMEL
W
ir sitzen schon eine W ­ eile im son-
nigen Garten des Berliner Gorki
Theaters, als David Bennent die-
se Sätze sagt: »Ich war ein kleines,
nicht sehr gesundes Kind, ich
hatte nicht diese Lebenskraft. Vor sechs Jahren
spielte ich in einem Film über Euthanasie mit. Da
wurde mir klar, dass ich diese Zeit, die Nazi-Zeit,
ziemlich sicher nicht überlebt hätte. Ich hätte als
unwertes Leben, als lebensuntüchtiger Schwächling
ge­golten.« Denn Bennent, der heute 55 ist, kam
mit einer Wachstumsstörung zur Welt – ein Um-
stand, der ihm als 14-Jährigem die Rolle des klein­
wüchsigen Oskar Matzerath in Volker Schlöndorffs
Blechtrommel-Film (1979) einbrachte.
Wie lebt man mit diesem Gedanken: Ich wäre
in meinem Land vor ein paar Jahrzehnten wahr-
scheinlich von Landsleuten ermordet worden?
Derzeit probt er am Gorki Theater ein Stück, das
ihm diese Frage stellt. Geschwister, eine Arbeit des
Regisseurs Ersan Mondtag, wird am 18. Juni ur-
aufgeführt und dreht sich um eine Nazi-Familie,
die sich im Schweigen über das eigene Verbrechen
eingerichtet hat. Man lebt in einer Villa am Wann-
see, die man preisgünstig übernahm, vermutlich,
genau wird es im Stück nicht gesagt, von ermorde-
ten Juden. Bennent spielt den Sohn der Familie,
der nach Jahrzehnten herausbekommen will, was
seine Eltern im Faschismus trieben. Mondtag
schlägt den Bogen bis zu den NSU-Morden der
Jahre 2000 bis 2006, denn, so Bennent: »Die Kra-
ke des Nationalsozialismus lebt weiter – weil es
populär und attraktiv ist, mit Ängsten zu arbeiten:
Der ­Fremde ist der Böse. Es ist erschreckend, dass
dieses Schema trotz all der Intelligenz und des
Reichtums, die wir in Deutschland haben, bei uns
funktioniert.«
Die erfolgreichste Rolle, die er je gespielt hat, den Gang eines Seemanns. Gern trägt er weite Hosen,
Oskar in Die Blechtrommel, stellt Bennent heute in-
frage. Der Autor Günter Grass war, wie sich spät in
dessen Leben herausstellte, bei der Waffen-SS. »Mein
Vater hätte mich den Film mit dem Wissen von ­heute
nicht machen lassen«, sagt Bennent. Das Schweigen
des Günter Grass über seine Vergangenheit komme
einer Lüge gleich. »Wie ein intelligenter Kopf, ein
halber Philosoph, über Jahrzehnte hin den unbe-
scholtenen Mahner spielt, der die Täter an den­
Pranger stellt – und selbst seine eigene Geschichte
verschweigt, damit komm’ ich nicht zurecht.«
Oskar Matzerath – das ist der gänzlich unnied­
liche kleine Junge, der alle Struktur um sich her zu
ANZEIGE
Jetzt am Kiosk!
Oder hier bestellen:
www.zeit.de/sprachen
zersetzen vermag mit seinem bösen Blick und seiner zu behalten. Dieser Entschluss schlug fluchartig
Glas sprengenden Stimme.
41989_ANZ_71x100_X4_ONP26 5 heute, 13:28auf den Darsteller zurück: Auch der schien­
Bennents Stimme31.05.22
41 Jahre später, klingt raspelnd, heiser und zerkratzt, verdammt, für immer als kleiner Oskar wahr­
ein wenig so, als hätte er sie damals mitzersungen.
David Bennents Oskar ist eine Symbolgestalt der
deutschen Geschichte: Der berühmteste Anarchist, klingt darin auch Herablassung an für einen, der
FEUILLETON 55
Foto: Paulina Hildesheim für DIE ZEIT; Abb. (l.): United Archives/imago
David Bennent im Gorki Theater Berlin.
Dort wird am 18. Juni das Stück »Geschwister« uraufgeführt, in dem er mitspielt
den unsere Nachkriegsliteratur hervorgebracht hat, stehen geblieben zu sein scheint in der Rolle seines sich in meinem Lieblingsland Griechenland wie eine Man bewegt sich mit Bennent im metaphysischen
gespielt von dem Sohn eines Kriegsfreiwilligen, Lebens. So ist es aber nicht. Bennent hat mit wichtigen Berserkerin. Gott sei Dank ist die Frau weg.« Oder auf Bereich. Er selbst empfindet sich eher als ein Medium
des großen Schauspielers Heinz Bennent (1921– Regisseuren gearbeitet, Grüber, Tabori, Robert Wilson, die Kampagne #allesdichtmachen, die vergangenes Jahr denn als Schauspieler.
2011), der sich als 18-Jähriger zur Luftwaffe mel- und lange Zeit gehörte er der weltreisenden Truppe des von populären Schauspielern ausgeheckt wurde, um Hat er Angst? »Die hat mein Vater mir weggenom-
dete und lebenslang unter dem Bewusstsein, ein großen Peter Brook an. Dennoch hat seine Karriere gegen die Corona-Politik zu protestieren: »­ Dahinter men. Er war zwölf, als Hitler an die Macht kam, und
Täter zu sein, litt – auch wenn er nie ein Flugzeug etwas Diskontinuierliches. Durststrecken sind ihm steckte ein vollkommen größenwahnsinniger Regis- er war 27, als er endlich Schauspieler werden konnte.
flog, sondern nur die Maschinen mit Bleibenzin nicht fremd. Wenn irgendwo im deutschen Theater- seur, der uns allen geschadet hat, dem Theater und In diesen Jahren hatte er große Angst. Danach nicht
zu waschen hatte (was seine Gesundheit schwer betrieb ein Hunger nach Glamour aufkommt, erinnert den kleinen Schauspielern. Und dann haben sich mehr. Und so hatte er mich erzogen: dass ich keine
beeinträchtigte). Heinz Bennent überlebte – als man sich allerdings, dass es da einen gewissermaßen viele weinerlich dafür entschuldigt, dass sie mitge- Angst habe.« Auch in der Zeit der Verzweiflung, vor
einer der wenigen, die sich mit ihm freiwillig ge- Unsterblichen gibt, den man engagieren könnte. So macht hatten.« vier Monaten, habe er keine Angst gehabt; er habe
meldet hatten. »Er hat«, sagt sein Sohn, »fast nicht taucht Bennent dann plötzlich im Allstar-Ensemble Doch er ist auch ein großer Schwärmer. Annalena immer noch daran geglaubt, »dass Papa mich aus der
damit leben können, dass er überlebt hat.« des Salzburger Jedermann als Mammon auf. Oder als­ Baerbock nennt er eine »standhafte, intelligente,­ Scheiße rauszieht. Von seinem Stern herab.«
Der Vater zog aus den Erfahrungen in der Diamantenhändler im Münsteraner Tatort. ruhige, gut aussehende Frau«. Auch den Kanzler lobt Das Familienprojekt, sich gegen den Wahnsinn der
Nazi-Zeit den Schluss, nie wieder einer Gruppe, David Bennent ist ein Theaternomade. Er gehört er: »Ein ruhiger, weiterdenkender Mensch. Ich glaube, Welt zu verbünden, wird nun vom Jüngsten, David,
einem Verein, einer Clique angehören zu wollen. keinem Ensemble an. Aber er hat noch heute ein enges wir haben ziemlich Glück mit unseren Politikern. allein weitergeführt (seine Schwester Anne, eine groß-
Er fand eine Frau, die Tänzerin Paulette Renou, Verhältnis zu seiner Kernfamilie – auch wenn Vater Hätten wir einen quirligen nervösen Typen, dann weiß artige Schauspielerin, hat sich von der Bühne weit­
die auch nicht dazugehören wollte; und dann und Mutter seit mehr als zehn Jahren tot sind, spricht ich nicht, wo wir jetzt wären.« gehend zurückgezogen). Über seinen Vater sagt er: »Ich
bauten die beiden sich ihren eigenen Kosmos, ihre er voll Liebe von ihnen. Auf die Frage, welche Stimme Und er preist das Gorki Theater: »Ich habe an- verliere nicht das Vertrauen, dass er irgendwie da ist.
Familie: die Kinder Anne und David wurden ge- in seinem Inneren widerhallt, sagt er: »Natürlich ist die derswo vor Premieren oft Gebrüll vonseiten der­ Jetzt kann ich zwar nicht mehr mit ihm schimpfen,
boren. Der Sohn ging nur kurz auf die Schule und Stimme meines Vaters prägend. Sie fehlt mir, weil ich Intendanz erlebt. Hier ist das anders: Man kann aber dann schimpfe ich halt mit dem Wind.«
wurde daheim von der Mutter unterrichtet. Man mit meinem Vater so wunderbar schimpfen konnte. hier streng am Horror des Stücks arbeiten, aber So zieht der ursprünglich schwächste Bennent den
lebte oft in Griechenland, in einer Fischerhütte. Wir sind beide große Schimpfer, ich konnte stunden- dann geht man raus in die Sonne, ich koch mir was Theaterkarren – in einem Land, in dem er, wäre er ein
Der Vater, sagt David, habe die Wut eines in lang am Telefon hängen und mit ihm schimpfen.« Schönes, denke an meine Mutter, denke an meinen paar Jahrzehnte früher geboren, seine Kindheit nicht
die Enge getriebenen Tiers gehabt. »Und wenn in David Bennent sagt, er sei immer noch ein großer Vater und denke nur: Schade, dass er sich diese­ überstanden hätte. Offenbar fühlt er sich geborgen.
einem Rudel ein Tier diese Wut hat, vibriert das Schimpfer. Er gehe jetzt halt in den Wald und ­schimpfe Arbeit nicht angucken kann. Ich hab starke Zweifel,
ganze Rudel – auch die Kleinen.« allein. Beispielsweise auf Angela Merkel: »Sie benahm dass er sie da, wo er jetzt ist, sehen kann.« www.zeit.de/vorgelesen
In jedem kleinen dicken Mann stecke ein
großer dünner Mann, der verzweifelt darum ANZEIGE
kämpfe, sich zu befreien – so lautet ein berühmter
Satz des Regisseurs Alfred Hitchcock. Wenn man
mit David Bennent zusammensitzt, denkt man
an den Satz. Aber man denkt ihn vom Ende her.
Der 1,55 Meter große David Bennent strahlt die
Unangefochtenheit eines Großgewachsenen aus.
Aber er hat auch den Zorn eines Mannes in sich,
der einmal gefangen war. Er hat die kompakte
Grazie eines Artisten und beherrscht den breiten
Jacken mit eckigen Schultern. Auf seinem T-Shirt
sieht man eine nackte Frau, die von Wölfen um-
schmiegt wird. An den Fingern hat er Silberringe,
deren Motive an das Finale des Horrorfilms From
Dusk Till Dawn erinnern.
Die Distanz, die sein Vater gehalten hatte, und
zwar zu allem, was nicht Familie ist, sie prägt auch
ihn. Er spricht Deutsch mit einem auf keine
Herkunft rückführbaren Akzent, er verwendet es
so, dass man eher denkt, der da spricht, hat viel-
leicht gar keine Heimat. Wobei er, so sagt er, in
Live vor Ort
Berlin doch heimisch geworden sei – und am in Hamburg
Gorki ein künstlerisches Zuhause gefunden habe. sowie per
Vor vier Monaten noch habe er die s­ chlimmste Livestream
Depression seines Lebens durchgemacht. »Ich war
ein Klumpen Unglück, ein Wrack. Ich konnte
nicht mehr weiter. Die letzten zwei Jahre hatte ich
ja, wie alle Bühnenkünstler, faktisch Berufsverbot.
Die Politiker haben mutwillig in Kauf genom-
men, ein paar Künstler zu vernichten.«
Er habe diese Zeit kaum ertragen. »Ich habe
keine Lebensgefährtin. Ich konnte also nicht sa-
gen, wir bleiben jetzt einfach wochenlang im Bett.
Die Maschinerie lief weiter – die Waffenindustrie
beispielsweise. Und die Serie Gute Zeiten, s­ chlechte
Zeiten kriegte eine Sondergenehmigung, weiter- Jetzt anmelden: 2. Juli 2022
zudrehen – die ist ja angeblich systemrelevant. Ich Melden Sie sich jetzt zur Langen Nacht der ZEIT und zum
war völlig am Ende. Ich brauche den Kontakt zum Zukunftsfestival in Hamburg an! Seien Sie dabei, wenn
Publikum.« Dann sei der Anruf vom Gorki­
Theater gekommen – Bennent empfand ihn als Giovanni di Lorenzo auf Bestseller-Autorin Eva Menasse
Rettung. »Ich fühlte mich sofort willkommen – trifft. Erfahren Sie, wie Robert Habeck die Energieversor-
anders als an manchen anderen Theatern, wo man gung in Deutschland sicherstellen will. Diskutieren Sie mit
mich als Fremden beäugte: Ach, der Bennent.« Ricarda Lang und Johannes Vogel über die Zukunft des
Ach, der Bennent – bei diesem Kollegen-­ Sozialstaats. Und erleben Sie den Podcast »ZEIT Verbrechen«
Stoßseufzer spielt sicher Neid mit, denn Bennent live auf der Bühne. Ein Programm – so facettenreich
hat als 14-Jähriger eine Art Ruhm, ja Weltruhm wie DIE ZEIT. Ausgewählte Veranstaltungen können Sie
erlangt, von dem die allermeisten in der Branche
auch per Livestream verfolgen.
nicht zu träumen wagen. Bennent stellte in der
Blechtrommel einen Mann dar, der sich geschworen
hat, für immer die Erscheinung eines Dreijährigen
Programm und Anmeldung:
www.zeit.de/zeitnacht
DIE LANGE NACHT DER ZEIT ZUKUNFTSFESTIVAL
genommen zu werden. Eine Veranstaltung in Kooperation mit: Eine gemeinsame Veranstaltung von:
Wenn Kollegen also »Ach, der Bennent« sagen,
111509_ANZ_LNdZ_220x220_X4_ONP26 1 09.06.22 15:52
56 FEUILLETON 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Literatur

Der Sound des Augenblicks

Keiner klingt wie er: Zu seinem 90. Geburtstag kehrt der Lyriker Jürgen Becker mit
gleich zwei neuen Büchern zurück. Ein Besuch in Köln  VON PETER NEUMANN

D
ie Gedichte von Jürgen Becker
beginnen schon, wenn man ihn
anruft. Eigentlich möchte man
nur einen Termin für einen­
Besuch bei ihm verabreden,
aber sofort hört man all die Te­
lefone in seinen Texten schril­
len und denkt sich: Das könnte jetzt so ein Moment
sein, in dem ein Gedicht von Jürgen Becker beginnt.
Denn seine Texte fangen immer irgend­
wo in der Mitte an, im Geschehen, bei einer
Drei Wahrnehmung, einem Sinneseindruck, beim
Kleinen und Alltäglichen: »Ging das Tele­
Stationen fon? / Ich sitze und rauche. Über Vieles wäre
zu sprechen; / die Verwirrung ist groß, bei
mir, bei dir, / bei anderen Leuten, im Par­
lament«, heißt es in dem 1977 erschienenen
Erfurter Kindheit Band Erzähl mir nichts vom Krieg. Dieser
Jürgen Becker wird Sound ist noch immer frisch. Der Krieg­
1932 in Köln geboren. aktueller denn je. Die Zeilen könnten von
Zu Kriegsbeginn zieht heute stammen.
die Familie nach Erfurt, Und auch wenn man dann, Tage spä­
die Rückkehr ins ­ ter, auf einmal vor Jürgen Beckers Tür in
Rheinland erfolgt erst Köln-Brück steht, will dieses merkwür­
1950. Die Erinnerung dige Gefühl noch immer nicht aufhören,
an den Krieg und dass man in seinen Gedichten ein und aus
die Erfahrung gegangen ist, ehe man noch ein Buch auf­
der deutschen Teilung geschlagen und eine Zeile von ihm gelesen
sind prägend für hat. Denn von ziemlich nah macht sich
Beckers Lyrik hier in der Vorstadtidylle auch schon der
Lärm der Autobahn A 4 bemerkbar, die
Gruppe 47 man aber ebenfalls bereits aus den Texten
Becker stößt spät, erst von Jürgen Becker kennt – als »Meeres­
1960, zur legendären rauschen«, als poetischen Einfall.
Autorenvereinigung um Es gibt nicht mehr viele Protagonisten
Hans Werner Richter der Gruppe 47: Neben Martin Walser, 95,
dazu. Nicht zu spät: und Hans Magnus Enzensberger, 92, gehört
Auf ihrem allerletzten Jürgen Becker zu den wenigen ehemaligen
Treffen in der Mitgliedern der legendären Autorenvereini­
»Pulvermühle« gewinnt gung um Hans Werner Richter, die heute
Becker 1967 den Preis noch vom Aufbruch der deutschen Litera­
der Gruppe 47 tur erzählen können, die in den Nachkriegs­
jahrzehnten wieder an die Tradition der
Georg-Büchner-Preis Avant­garde anschließen wollte. Vor acht
2014 erhält Becker den Jahren erhielt Becker für sein Lebenswerk
wichtigsten deutschen den Georg-Büchner-Preis. Und auch wenn
Literaturpreis. In der er aufgrund der kleinen Form meist im
Begründung der Schatten von Walser und Co. stand, gehört
Deutschen Akademie er mit seinem lyrischen Werk der letzten
für Sprache und sechzig Jahre heute zu den wichtigsten
Dichtung heißt es, Autoren der Gegenwart.
Becker habe die Nun erscheinen zu seinem 90. Geburts­
»Gattungsgrenzen von tag im Juli gleich zwei neue Bücher von ihm:
Lyrik und Prosa Die Rückkehr der Gewohnheiten, ein neuer
beharrlich neu Band mit Gedichten, und eine Werkausgabe
vermessen und mit den Gesammelten Gedichten. Sogleich
verändert« sind da wieder die Bilder von diesen­
verqualmten Männerrunden. Großschrift­
stellergehabe.
Max Frisch? »Ohne Pfeife nicht denk­
bar.« Uwe Johnson? »Ohne Pfeife nicht
denkbar.« Jürgen Becker ist ohne seine
blauen Gitanes (allerdings mit Filter)
nicht denkbar. Nach und nach verschwin­
det eine Zigarette nach der anderen im
Aschenbecher. Dass Frauen damals bei
Einmal, 1996 war das, seien sie zwei Monate
Zimmernachbarn auf Schloss Wiepersdorf gewesen,
einem Künstlerhaus draußen in Brandenburg: »Ich
erinnere mich, dass wir damals darüber gesprochen
haben, wie uns die Zeitläufte beeinflusst haben.«
Und Becker erzählt weiter: »Wir sprachen darüber,
dass man sich das gar nicht vornehmen muss, so, ich
schreibe jetzt auf, dass ich mich beauftragt fühle, die
Geschichte meiner Zeit zu schreiben. Nein, ich bleib
Dann die Nachfrage: Und wie geht es Ihnen,
Jürgen Becker, nun mit diesem Band Gesammelte
Gedichte? Was macht das mit einem, das eigene
Lebens­werk auf einmal zwischen zwei Buchdeckeln
wiederzufinden? Immerhin: ein Ziegelstein von
1100 Seiten.
Das wisse er jetzt noch nicht, sagt Becker und
wiegelt ab: »Ich habe immer eine gewisse Scheu ge­
habt vor Werkausgaben zu Lebzeiten.« Seine Idee sei
Mal unruhig in unserem Gespräch. Es ist zu spüren,
wie er versucht, sich unter Kontrolle zu halten, das
Thema nicht zu nah an sich heranzulassen. Es sei
eine merkwürdige Parallelität entstanden, so erzählt
er, zwischen seinen Kriegserinnerungen und dem
jetzigen Krieg.
Schützengräben, Panzersperren, Kellerlöcher.
Becker kennt das alles. »Ich weiß noch, wie ich auf
dem Dach unseres Erfurter Hauses durch die
Fenster­ luke rausguckte.« Pimpf sei er­
damals gewesen, im Jungvolk, mit der
Funktion eines Melders. »Ich hatte ein
Fernglas. Und schaute hoch in die Land­
schaft, zum Steigerwald. Und da sah ich
plötzlich, wie die Amerikaner im Gänse­
marsch herunterkamen.« Er sei dann run­
ter zur Hausgemeinschaft in den Keller
gelaufen und habe Nachricht gegeben.
»Eine Viertelstunde später standen sie im
Hausflur, und mein Vater ging ihnen ent­
gegen. Und da hörte ich ihn den ersten
englischen Satz sagen: I surrender.«
Die Kriegserinnerungen sind bei Jürgen
Becker nie eingeschlafen. Aber er hielt sie
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks
und dem Ende des Kalten Krieges für einen
mehr oder minder abgeschlossenen Bereich
der Erinnerung. In die Ferne gerückt.­
Poetisch kartierbar. Material für Gedichte.
Nun sei alles wieder da: »Mir kommt alles
vertraut vor. Es kehrt zurück, was ich ken­
ne an Bildern. Ich fühle mich auf eine selt­
same Art betroffen. Wieder einbezogen in
den Krieg.«
Ist das also auch ein Generations­
phänomen, dieses Zaudern und Zögern,
wenn es heute um die Lieferung schwerer
Waffen an die Ukraine geht? »Vielleicht«,
sagt Becker. Er habe zumindest V ­ erständnis
für die Zurückhaltung, mit der Olaf Scholz
in den letzten Monaten agierte. Natürlich
müsse man der Ukraine helfen. Nur sei
doch Vorsicht vor einer weiteren Eskalati­
on ebenso geboten.
Auch im neuen Gedichtband von­
Jürgen Becker sind es, wie der Titel schon
ankündigt, die alten »Gewohnheiten«,
die zurückkehren und plötzlich wieder
das Kommando übernehmen. Und wer
glaubt, das alles so oder so ähnlich schon
einmal bei ihm gelesen zu haben, ist genau
auf der richtigen Spur. Denn für Becker
heißt die Wiederholung einer Wahrneh­
mung, eines Bildes oder eines Motivs im
Gedicht nicht, dass ihm nichts mehr ein­
gefallen wäre.
Im Gegenteil: Das Wiederholen, so er­
zählt er jetzt im Gespräch, sei ganz buch­
stäblich zu verstehen, nämlich als ein
»Wieder-holen«, aber zu einer anderen
Zeit: »Ich hole ein Bild zurück, das zu­
gleich ein anderes ist.« Der Maler Max
Liebermann fällt Jürgen Becker, dem
Landschaftsdichter, bei dieser Gelegenheit
ein. Der habe in seiner Villa am Wannsee
auch immer denselben Birkenweg und
Foto: Lena Giovanazzi für DIE ZEIT

ihnen in der Gruppe 47 keine Chance ge­
habt hätten, hält Jürgen Becker für ein
»Gerücht«. Er sei aber froh, dass sich die
Zeiten und auch der Literaturbetrieb in­
zwischen geändert haben, er nennt Lyri­
Jürgen Becker: kerinnen wie Marion Poschmann, Nadja
Die Rückkehr Küchenmeister und Anja Kampmann, die
der er rauf und runter liest: »Wenn früher­
Gewohnheiten. etwas versäumt worden ist, wächst es h ­ eute
Suhrkamp umso kräftiger nach.«
Verlag, Berlin An den Wänden in Jürgen Beckers
2022; 76 S., Wohnung hängen Bilder, die von seiner
20,– €, als Frau stammen, der Malerin Rango Bohne.
E-Book 16,99 € Landschaften vor allem, Szenen im Garten. Becker
hat in seiner Lyrik nicht nur immer wieder auf die
Zersiedelung natürlicher Räume reagiert, die Land­
schaft wurde 1988 in dem Band Das Gedicht von der
wiedervereinigten Landschaft auch zum maßgeblichen
Argument für ihn, der seine Kindheit in Ost und
West, Köln und Erfurt verbracht hat, die deutsche
Teilung nicht hinzunehmen. Denn sowenig wie eine
Biografie sich in einzelne Elemente aufspalten lässt,
kann eine Landschaft durch politische Systeme zer­
teilt werden.
Früher, erzählt Becker, haben ihn die Bilder oft
inspiriert, aber seit dem Tod seiner Frau im letzten
Jürgen Becker: Herbst »schwiegen« sie. An einem Stuhl hängt noch
Gesammelte eine Tasche von ihr, ein Schal. Jürgen Becker kann
Gedichte. nichts anrühren. Auch im Atelier sei alles unverän­
Suhrkamp dert geblieben. »Mir fehlen die Gespräche, die ge­
Verlag, meinsame Arbeit im Garten, die geteilte Erfahrung.«
Berlin 2022; Wie fühlt es sich an, wenn sich das Feld um einen
1120 S., 78,– €, auf einmal lichtet, leer wird? Am Tag zuvor ist ein Kol­
als E-Book lege von ihm, der Schriftsteller Friedrich Christian
69,99 € Delius, gestorben. Er hat es aus den Nachrichten er­
fahren. Becker und Delius waren nicht eng befreundet,
auch literarisch hatten sie wenig gemeinsam. Er habe
Delius aber geschätzt, ein »sehr integrer Kollege« sei der
gewesen, so erzählt Jürgen Becker nun, »mit einer­
gewissen Eleganz, er konnte gut schreiben«.
immer dieselbe Buschreihe gemalt. Also
immer dieselben Motive. Und dennoch
sei jedes Bild ein anderes.
Es ist dieser Wechsel aus Wiederholung
und Variation, der auch den Takt in den
neuen Texten vorgibt. Denn genau so geht
es in Die Rückkehr der Gewohnheiten los:
»– fortsetzend das Selbstgespräch, und wie es
Ausflug an den Wannsee: Jürgen Becker hervorkommt / aus dem Schatten des frü­
im Literarischen Colloquium Berlin im Juni 2022 her Gesagten, an der langen Leine / von
etwas, das man Kontinuum nennt«. Es be­
ginnt mit dem »Selbstgespräch«, mit einer
»Küchentisch-Chronik«, in der sich die
bei meiner Geschichte. Und ich frage mich dabei: es jedenfalls nicht gewesen. Aber er fand den Vor­ umliegenden »Regenfelder« von einem Moment auf
Inwieweit ist die eingebettet in die Geschichte einer schlag vom Verlag ganz reizvoll, auch weil die B ­ ücher, den anderen zeitlich woanders hinbewegen, nämlich
ganzen Generation?« die er zusammen mit seiner Frau gemacht hat, und in den »Februar 40«: »Ob man / es merkt oder nicht,
Jürgen Becker ist gewiss nicht der große Chronist das eine Buch mit seinem Sohn Boris, der Fotograf fast täglich hört eine Epoche auf.«
einer »ganzen Generation«, schon gar nicht der alten ist, mit aufgenommen wurden. Doch gerade gegen Ende des Bandes spürt man,
Bundesrepublik geworden. Dafür interessiert ihn in Ein abgeschlossenes Werk also? Komisch komme wie auch dieses lebenslange Selbstgespräch bei Jürgen
seinem Schreiben und Experimentieren mit der Form es ihm schon vor: »Das Gesamtwerk sollte eigentlich Becker zerfasert, fast an ein Ende kommen will, sich
das Augenblickliche zu sehr. Hier, im allerkleinsten erst vorliegen, wenn der Autor tot ist. Aber solange er in Journalsätze auflöst, als ob das lyrische Ich die
Moment, findet er das Material für seine Texte, die sich noch schreibt, muss er dann immer um diesen Block Zeilen nicht mehr zusammengebunden bekäme.
von der experimentellen Prosa, mit der er 1967 den Preis herumschreiben. Auf dem Weg liegt eine dicke­ Aber vielleicht ist es ja auch das, worum es geht. Weil
der Gruppe 47 gewann, über die Jahre zu »Journalen« Barriere.« Trotzdem: »Wenn man nicht gerade­ auf diese Weise das Material sichtbar wird, aus dem
entwickelt haben: Journalsätze, Journalgedichte, Jour­ Martin Walser heißt und im nächsten Jahr schon Gedichte, diese Augenblicksgalaxien, entstehen? Da
nalromane. »Schreiben wie ein Tagebuch, ohne dass es zwei, drei neue Bücher schreibt, kann man so ein heißt es dann nur noch: »Die Striche der Gedanken.
ein Tagebuch ist«, nennt er selber diese Art, Bericht zu Buch in dem Alter machen.« / Im Korb gezählte Apfelsinen. / Im Schnee die
führen: »Wie ist das Wetter jetzt? Wie war die letzte Ein Thema, das Jürgen Becker neben der deutschen Fahrrad­spur der Postboten. / Helga called the panzer­
Nacht? Was habe ich geträumt?« Becker geht es um den Teilung immer wieder beschäftigt hat, egal ob er Lyrik, division. / Winzige Teilchen, riesige Haufen. /
vergehenden Tag, in dem jeder Augenblick seine Ge­ Prosa oder später als Leiter der Hörspiel­abteilung beim Nachts, wenn wir die Nachtjäger hörten. / Empört
schichte hat. »Glimpses, wie ­James ­Joyce das genannt Deutschlandfunk Radiostücke schrieb, ist der Krieg. euch, der Boden­frost bedroht den Borkenkäfer. /
hat. Leuchtzeichen.« Denn als der 1939 losging, war Jürgen Becker sieben Wir Alten sind alle zu alt geworden.«
Überhaupt wirkt Becker an diesem Nachmittag sehr Jahre alt. »Ich war, wie der Engländer sagt, war-minded. Auch wenn es im neuen Band an vielen Stellen
augenblicklich und wach. Es ist Zeit für Friesentee. Vor Hatte immer Landkarten und hab die Frontlinien abge­ nach Abschied riecht, so ist dies doch kein Spät­
uns liegt Konfekt. Und weil es von Köln nach Ostende steckt. Mit kleinen roten Nädelchen.« Er selbst hat den werk. Dafür ist Jürgen Becker zu augenblicklich, zu
nicht so schrecklich weit ist, gibt es belgische Meeres­ Krieg in Erfurt erlebt, weil sein Vater im August 1939 wach. Dafür treibt ihn zu sehr die Erinnerung an
früchte, diese marmorierten Pralinen aus heller und dorthin versetzt wurde; erst 1950 kehrte man wieder seine Kindheit zwischen Ost und West, Köln und
dunkler Schokolade, die immer bei irgendwelchen ins Rheinland zurück. Erfurt um, Bilder, die kommen und gehen. Die
Familienfesten ausliegen. »Nehmen Sie, nehmen Sie!« Bei der Frage, wie es ihm gehe, mit dem Krieg Gedichte von Jürgen Becker hören einfach nicht
Ich entscheide mich für eine Muschel. jetzt in der Ukraine, wird Jürgen Becker zum ersten auf zu sprechen.
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022 FEUILLETON 57

Literatur

Mehr als eine

rechtsdrehende
Mediensatire
Im Rummel um Uwe Tellkamps »Der Schlaf in den Uhren« ist eines glatt übersehen worden:
In dem Roman wird der Nationalsozialismus verharmlost  VON THOMAS ASSHEUER

S
chwer, so verriet Uwe Tellkamp der­ Leviathan, einem monströsen Ungeheuer. Wo arbeitet Tell- Mauer gefallen und die ganze Welt vermint worden ist, Erzähler sagen zu wollen, hätten ebenso gut Nationalso-

Foto: Heike Steinweg/Suhrkamp Verlag

Jungen Freiheit, schwer ist das Leben des
Dissidenten. Sobald ein Schriftsteller in
argloser Unbekümmertheit an den »Dis-
kursschranken« des linken Meinungs-
monopols rüttelt, drohen ihm »soziale
Sanktionen« und manches Üble mehr.
Ja, die Strafmaßnahmen sind hart. Der Sender 3sat
rückte dem unterdrückten Autor mit einem Neunzig-
Minuten-Porträt zu Leibe, und das Literarische Quartett
präsentierte Tellkamps neuen Roman Der Schlaf in den
Uhren im ZDF völlig ungeschützt Hunderttausenden
Zuchauern. Die Feuilletons der Republik brachten un-
verschämt lange Rezensionen, überwiegend kritische
(ZEIT  Nr. 20/22). Böse Zungen sprechen schon von
Tellkamp-Festspielen. Dabei steht das Werk des mund-
tot gemachten Autors in den Bestsellerlisten nicht ein-
mal auf Platz eins.
Der Schlaf in den Uhren (Suhrkamp Verlag) handelt
vom Mauer­fall, von einer Revolution und dem merk-
würdigen Stadtstaat Treva. Der Kunstgriff, den T ­ ellkamp
dabei vollführt, ist originell, aber so originell nun auch
wieder nicht. Erfunden hat ihn der Philosoph Platon,
und 2500 Jahre nach seiner Erstanwendung gehört er
immer noch zu den Standardtechniken vieler Künstler.
Gemeint ist der Höhlentrick, und er geht so: Der Autor
fingiert einen geschlossenen Erzählraum und füllt ihn
mit wahren Geschichten und bekannten Gesichtern.
Während das Publikum noch glaubt, das Werk handele
vom normalen Leben, geschehen in der narrativen
Höhle plötzlich Dinge, die in Wirklichkeit nie passiert
sind. Die Szenen beginnen sich märchenhaft zu ver-
fremden; die Realität wirkt grundlos fiktiv und das­
Fantastische scheinbar real. Wie Schatten an der Wand
zieht das eigene Zeit­alter vorüber. Man möchte nicht
darin leben.
Historiografische Metafiktion lautet der Begriff für das
Verfahren; Chris­tian Kracht ist ein Meister darin, Botho
Strauß wendete es in seinem Roman Der junge Mann an
und Peter Handke in seinem Theaterstück Immer noch
Sturm. Und Tellkamp selbst sagt über sein Werk, es sei
»ein Märchen, das Wirklichkeit hervorbringt«.
Riesig ist Tellkamps Erzählhöhle, sie hat Platz für Jahr-
hunderte. Es gibt darin keinen rettenden roten ­Faden, nur
eine Ansammlung von Episoden und Dialogen, kurz: Es
gibt unzählige Geschichten, aber keine Geschichte. Nach
dem Fall der Mauer steht die Zeit still und dehnt sich
teigig in die Fläche, so wie der Roman selbst. Die Grund­
behauptung, die Tellkamps Text­halden durchzieht, stammt
aus der späten Weimarer Republik und wurde in den
Sechzigerjahren noch einmal aufgewärmt. Es ist die These
von der Konvergenz der Systeme, der schleichenden­
Annäherung von K ­ ommunismus und Kapitalismus. Was
zur Zeit des Kalten Krieges wie ein Hirngespinst klang, das
wird für Tellkamp im Jahr 1989 wahr: Die DDR ver-
schwindet nicht, sondern löst sich in der BRD auf wie ein
Brühwürfel im Eintopf. Die Stasi »macht rüber«, und es
kommt zusammen, was zusammengehört. Sozialismus und
Liberalismus verschmelzen in einem alles kontrollierenden
kamps Chronist, der Geheimagent Fabian Hoffmann? Er eröffnet die Moderne ihre letzte Schlacht: die »Aufgabe zialisten sein können, sie sind die Vollstrecker einer
arbeitet in der »Republik der Seeungeheuer«. im Grunde«, den Kreuzzug gegen das Leben selbst. Moderne, die nur ein Ziel hat, nämlich die Neutralisie-
Deutschland als DDR 2.0 – das ist AfD-Propaganda­ Vielleicht kann man es so sagen: Das Kombinat aus rung des Lebendigen. Sogar das seinsnahe Deutschland
müll, es stinkt nach Querdenkertum und Verschwö- Stasi-Linken und Atlantikern spielt Gott und verpasst erlag ihrer Macht, es hat kollaboriert und wurde im
rungstheorie. Doch Tellkamp sichert sich ab. Hoff- der Welt im Namen der »Sicherheit« einen neuen­ Zweiten Weltkrieg schuldig. Das rechtsextreme völkische
manns politisches Herz schlägt anfangs sozialdemo­ Nomos, eine neue, synthetische Ordnung. »Wir sind Milieu, in dessen Dunstkreis Tellkamp sich bei vollem
kratisch, und wenn er beschreibt, wie raffiniert »das die Mitarbeiter des Systems, das Ihm auf Erden am Bewusstsein begeben hat, wird diese relativierenden
Volk« auf Linie gebracht wird, klingt er wie jemand, nächsten kommt, wir, die Sicherheit.« Das ikonisch Andeutungen gern lesen.
der heimlich die Bücher des linken, inzwischen bei freudlose Gesicht des heraufziehenden Zeitalters ist die Allerdings, einen Unterschied gibt es für den ­Erzähler
Rechten beliebten US-Politikwissenschaftlers Sheldon Bundeskanzlerin Anne, die im Bauch des Leviathan die wohl doch: So mörderisch die Nazis auch waren, sie
Wolin ­gelesen hat: Das gesichtslose Stadtstaats-­Monster Fäden zieht und für das wahre Leben kein Gespür hat – waren Spätlinge der revolutionären Moderne und haben
ist ein inverser Totalitarismus; es herrscht nicht mit ein Schluck Orangensaft aus einer italienischen ­Maschine, auf den kommunistischen Wahn bloß reagiert, auf die
dem Knüppel, sondern mithilfe seiner »Tausendund­ und schon ist sie mit dem »Gesamtkomplex Dasein«­ ewige Linke. Die beziehe ihre Macht bis zum heutigen
einenachtabteilung«, der Kultur- und Medien­industrie. versöhnt. So richtig lebendig sind in der Kontroll­ Tag aus der Aneignung jüdischer Quellen; noch immer
Pausenlos sind Journalisten, Theaterleute, I­ ntellektuelle moderne nur noch die zappelnden Ärmchen des Baby- macht sie die Idee der Gerechtigkeit für den Tages-
und Anstaltsinsassen von ARDZDF damit beschäftigt, oktopus in den Suppentellern der Schickeria, und kampf scharf und spaltet Deutschland mit kosmopoli-
die Regierungsmaßnahmen mit Moral einzuspeicheln vom antiken Kosmos bleibt bloß ein Plastikhimmel tischer Moral. Fabian Hoffmann hat also nichts gegen
und ans Volk zu verfüttern, damit es Flüchtende will- ­ made in ­ China. In den Kinderzimmern steht »ein Juden; ihm gefällt die schöne Judith sehr, jedenfalls­
kommen heißt und die Globalisierung Miniplane­ tarium» und »projiziert Licht- solange sie ihren Monotheismus nicht politisiert und
alter­nativlos toll findet. Manipulation der punkte an die Zimmerdecke, mit Linien einem Holofernes den Kopf abschneidet. Als exotische
Weltwahrnehmung, Entpolitisierung der zu Stern­ bildern verbunden, von lila­ Bereicherung sind Juden immer herzlich willkommen.
Politik und Herrschaft übers Imaginäre – Sternschnuppen durchrauscht«. Erst vor diesem Hintergrund erklärt sich die Erlösungs-
das ist der Trick der Macht im deep ­state Tellkamps Abrechnung mit der lücken- fantasie des Erzählers. Hoffmann, sonst würde er nicht so
Treva. Die Herrschaft der Narrative ersetzt losen Immanenz einer »abgedichteten« heißen, hofft auf das Erwachen der schlafenden Zeit in der
die Gewalt des Staates. Aus der ­»politischen Moderne ist uferlos wortreich, doch im Nacht der Moderne, er hofft auf das geheime Deutschland,
Maschine«, klagt der Erzähler, ist längst Kern recht schlicht. Er entwirft eine Welt den nationalen Kulturschatz, auf »unsere Pharaonengräber,
eine »Sprachmaschine« geworden, »eine ohne Außen, und in ihrer Höhle wirken unser Tal der Könige«. Die alten kosmischen Reiche, den
Maschine zur ­ Erzeugung und ­ Nutzung die alternativen Gesellschaftsmodelle, die »Göttern und den Toten zugetan«, faszinieren Hoffmann
von Geschichten«. das Neue Forum am Ende der DDR dis- derart, dass dem Leser der biblische Exodus, die Flucht
Hoffmanns Erzählungen sind grotesk Der Erfolgsautor kutiert hatte, irgendwie lächerlich. Nur aus der ägyptischen Sklavenhaltergesellschaft, wie ein
überzeichnet und haben doch einen­ Uwe Tellkamp, 53, wenige Figuren leisten noch Widerstand, Frevel erscheinen muss.
winzigen wahren Kern. Massenmedien, da aus Dresden zum Beispiel Meno Rohde, der »welt­ Wie gesagt – diese Retro-Utopie stammt von Tell-
hat der junge Mann ganz recht, sind nun fremde« Lektor, Zoologe und Bruder der kamps Chronisten und ist voller Zweideutigkeiten
einmal marktwirtschaftlich organisiert und Kanzlerin. Meno-Nemo-Niemand denkt und Spiegelbilder. Eindeutig ist für ihn nur die Tat­
operieren im Dunstkreis politischer Macht. In ihrer und lebt außerhalb der eta­blier­ten Bedeutungsketten, sache, dass die ewige Linke, die »Konzentrationslager,
Boulevardversion enthalten sie ein beträchtliches Ab- er liest in den Sternen, kennt das Absolute bei Schel- Krieg, Gefängnis« überlebt hat, auch künftig die­
richtungs- und Verdummungspotenzial, sie schnitzen ling, und das Sein in der Zeit (also den Schlaf in den »Verriegelungen kontrolliert, (...) bevor die Lichter ge-
Weltdeutungsschablonen, befördern die Wut auf das Uhren) kennt er auch. Und Meno ist es, der für eine löscht werden und die Nacht beginnt«. Nur ein Gott
Schwierige und inszenieren den Kapitalismus als tra­ rasche Wiedervereinigung wirbt – um das liberale­ kann diesen Erzähler noch retten; der Gott der Bibel
gisches Spektakel. Die USA, das Land der Freiheit und Chaos im Westen zu be­enden. wird es gewiss nicht sein.
der Massaker, sind hier weit fortgeschritten. Meinungs- Die alles entscheidende Frage lautet natürlich, wer Der Philosoph und Schriftsteller Karl-Heinz Ott hat
märkte und Plattformindustrien verkaufen Ressen­ für die Weltlage verantwortlich ist, für Unordnung, jüngst ein kluges Buch über reaktionäre antimoderne Wut
timents und erzeugen eine höhlenartig geschlossene Kontrollwahn und Seinsvergessenheit. In seinem R ­ oman veröffentlicht. Es handelt unter anderem davon, wie man
Welt, die man nicht verlassen, sondern nur wütend­ Der Eisvogel (2005) machte Tellkamp erste ­Andeutungen, Platons Höhlen­metapher so lange dreht und wendet, bis
ertragen kann. nun liefert er die Langversion, eine Art Urgeschichte der der Eindruck entsteht, nur eine Führungselite könne den
Ist Der Schlaf in den Uhren also bloß eine rechts­ Moderne. Deren Spuren führen ­mäandernd zurück in normalisierten Nihilismus der Gegenwart be­enden und
drehende Macht- und Mediensatire? Nein, Tellkamps­ die Achsenzeit vor zweieinhalbtausend Jahren, und erst uns zurück ans Licht der Wahrheit führen (Verfluchte­
fiktiver Stadtstaat ist der Schauplatz eines viel größeren im letzten Kapitel des Romans laufen sie zusammen: Neuzeit, Hanser Verlag). Ott schreibt auch über Ryszard
Geschehens, nur eine Höhle in der Höhle, nennen wir Ort dieser Offenbarung ist das »Allerheiligste«, eine Legutko, einen polnischen Philosophen, Platon-Kenner
sie »die Moderne«. Man bekommt sie schwer zu fassen, deutschromantische Waldlichtung, die vor 1945 ein und berüchtigten Scharfmacher der rechten PiS-Partei.
denn sie trägt alle möglichen Masken, mal eine faschis- Nazi-Jagdrevier war und danach von DDR-Bonzen in Und welchen Autor empfahl Tellkamp laut Süddeutscher
tische, mal eine kommunistische, gern auch eine atlan- Besitz genommen wurde. Nachtschwarz ist alles, und Zeitung nach einer Veranstaltung mit Thilo Sarrazin dem
tisch liberale. Doch trotz aller Unterschiede – meta­ die Art und Weise, wie die Kommunisten Jagd auf Un- Publikum zur ­Lektüre? Genau. Ryszard Legutko.
physisch gesehen verbirgt sich hinter allen Masken das- geziefer (»Kel­ler­asseln«) machen und alles Lebendige
selbe nihilistische Wesen, derselbe Wille zur Macht. Seit auslöschen, erinnert den Erzähler an ein Jahrtausend- Uwe Tellkamp: Der Schlaf in den Uhren.
je, glaubt Tellkamps Erzähler, führt die Moderne Krieg, verbrechen: Der russische Geländewagen GAZ-69 heißt Roman; Suhrkamp Verlag,
seit je entfesselt sie eine trostlose Raserei gegen alles bei ihm »Gas-69« und der Ort der Schädlingsbekämp- Berlin 2022;
Hergebrachte und Überlieferte. Nun, nachdem die fung »Birkenheide«. Die Kommu­nisten, so scheint der 904 S., 32,– €, als E-Book 27,99 €

Nachruf Freunde und Wegbegleiter trauern um

Der Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-

Prof. Dr. Gerd Glaeske

Württemberg e.V. (LaFT BW) trauert um seinen langjährigen
Geschäftsführer, guten Freund und Kollegen und engagierten
Fürsprecher und Vertreter der Freien Tanz- und Theaterszene in
Deutschland. *13.5.1945 † 27.5.2022

Alexander Opitz Wir verlieren einen wertvollen Freund und engagierten Unterstützer eines sozial gerechten
Gesundheitswesens, ein langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat von OptiMedis und Vorstandsmitglied
* 1960 † 2022 der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA).
Gerd Glaeske hat die Arbeit von OptiMedis über seine Beteiligung im Aufsichtsrat viele Jahre lang
Wir sind sehr betroffen und nehmen in tiefer Trauer Abschied. voller Herzblut begleitet, das Team unterstützt und mit unermüdlichem Engagement bereichert.
Unser Mitgefühl gilt seinem Sohn und seiner Familie. Der GAA hat er wichtige Impulse gegeben.
Wir danken dafür von Herzen und werden ihn und seine Leidenschaft für die Bedürfnisse
Wir danken Alexander für seinen unermüdlichen Einsatz, seine der Patienten sowie sein Engagement für eine evidenzbasierte Pharmazie sehr vermissen.
Leidenschaft und die Erfolge für die Freien Darstellenden Künste. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie.
Wir alle werden ihn in unseren Herzen bewahren.

Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende
Baden-Württemberg e.V.
Mitglieder, Vorstand und MitarbeiterInnen
In enger Verbundenheit:
Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V. (BFDK), Berlin
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Stuttgart
Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Dr. Renée Buck, Jochen Herdrich, Prof. Dr. Dr. h. c. Ilona Kickbusch,
Prof. Dr. Heike Köckler (Aufsichtsrat von OptiMedis), Dr. h. c. Helmut Hildebrandt,
Dr. Oliver Gröne (Vorstand von OptiMedis), das Team von OptiMedis, Prof. Dr. Bertram Häussler,
Prof. Heinz Lohmann, Prof. Dr. Dr. Alf Trojan sowie PD Dr. Katrin Farker, Dr. Holger Gothe,
Prof. Dr. Sebastian Harder, Dr. Marion Hippius, Dr. Jutta Krappweis, Dr. Udo Puteanus,
Prof. Dr. Sven Schmiedl, Dr. Ingrid Schubert (Vorstand der GAA)

Kontakt für Traueranzeign

040 / 32 80 313
  Regina.Brose@zeit.de
A
58 FEUILLETON 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Foto: Mike Kollöffel/Netflix

In den
Wechseljahren
In Dänemark liegt das Ende der fossilen Ära in Die weibliche
Moderne ist mit
weiblichen Händen: Die vierte Staffel der Serie Hitzewallungen
unterwegs:
»Borgen« zeigt jetzt der Netflix-Welt, wie das geht. Birgitte Nyborg
beim Regieren
Sie ist erschütternd gut  VON ELISABETH VON THADDEN

E
ines Tages kauert sie in einem Hinter-
zimmer ihres Ministerbüros auf einer
Liege, in eine Wolldecke gehüllt, die
Bluse zerknittert, ihre Mitarbeiter­
suchen vergeblich nach ihr, die ersten
Termine! Der Mann, der sie dann schlafend findet
und behutsam weckt, ist der Vater ihrer beiden­
erwachsenen Kinder. Er ist frühmorgens ins Minis-
terium gekommen, um mit seiner geschiedenen
Frau ein ernstes Wort über den Sohn zu sprechen:
»Er will nicht enden wie du.« Sie steht auf, glättet
die Bluse, Jackett drüber, reckt den Kopf, tritt ins
Büro, ihre Haltung friert ein, Kameras warten. Der
Arbeitstag wird unerbittlich seinen Lauf nehmen.
Termine, Termine. Birgitte Nyborg, die Außen­
ministerin Däne­marks, Mitte fünfzig, ist an einem
Tiefpunkt ihres Lebens angelangt.
Endlich, endlich also ist die vierte Staffel von
Borgen zu sehen, nach neun langen Jahren, die seit
dem Ende der dritten Staffel vergangen sind, irgend-
wie, musste ja. Von 2010 bis 2013 hatte der öffent-
lich-rechtliche Sender DR1 diese brennend realis­
tische Fiktion der dänischen Geschichte ausgestrahlt.
Die Politserie wurde zum Welterfolg: Die Hauptfigur
Birgitte Nyborg wird als Mutter kleiner Kinder und
als Politikerin der kleinen Moderaten Partei zur
Premierministerin in einer Multi-­Par­teien-­Koa­li­tion.
Vorbildlich moderierend. Der Mann hält ihr unter-
dessen ebenso vorbildlich den Rücken frei, sie selbst
lässt sich nicht minder vorbildlich beurlauben, als
ihre Tochter an Panikattacken erkrankt, sie übersteht
außerdem einen Brustkrebs, die Scheidung, das
Ausscheiden aus der Regierung, gründet eine neue
Partei, ­datet einen wunderbaren britischen ­Lover.
Immerfort bleibt bei alledem der postfossile Klima-
schutz ­Nyborgs Tiefen-Agenda. Es sind die Jahre,
in denen das kleine Dänemark tatsächlich seine
Heizungen von den fossilen Energien abkoppelt und
durch ­lokale Fernwärmenetze mit Wärmespeichern
in den Dörfern, auf Genossenschaftsbasis, bereits
einen in ­Europa noch unerhörten Weg vorwärts
beschreitet. Freiheitlich. Während 78 Prozent der
Mütter erwerbstätig sind. Borgen, das war bisher die
weibliche postfossile Moderne: geht doch.
Aber wie soll das gehen, wenn Russland die­
Ukraine überfällt? So beginnt jetzt die vierte Staffel,
die DR1 zusammen mit Netflix gedreht hat, spürbar:
Das Tempo hat sich schwindelerregend erhöht und
digitalisiert, jetzt wird telefoniert, während gesimst
und gepostet wird, und live im Fernsehen gesendet,
während analog die vertrauliche Sitzung noch läuft.
Mit dieser hochbeschleunigten Gleichzeitigkeit
halten selbst die höchstbegabten jungen Ministe­
riumsmitarbeiter im Ehrgeizmodus kaum Schritt.
Die Macht liegt inzwischen in den Händen d­ reier
Frauen, die ein­an­der nichts schenken: Katrine Føns-
mark, einst Nyborgs Spindoktorin, Mutter zweier
Schulkinder, ist nun Chefin des mächtigsten TV-
Senders, eine junge neue Premierministerin agiert
geschmeidig als kinderlose Chefin des Landes. Und
Birgitte Nyborg, biografisch schon im Post-­Baer­bock-­
Modus, Kinder aus dem Haus, aber noch immer auf
High Heels, hat alle Zeit der Welt für die Politik, bis
sie sich schlafen legt. Allein.
Dänemark ist erneut vorn: Außenpolitik ist
Energie­ politik und Sicherheitspolitik. Denn ein
gewal­tiger Ölfund auf Grönland, mitten im Klima-
wandel, unterzieht alle postfossilen Überzeugungen
dem denkbar härtesten Realitäts-Check: China kauft
sich in das Öl-Geschäft ein, während im endlosen
Weiß des grönländischen Eises ein russisches U-Boot
anlandet und die USA ihre geopolitischen Interessen
unüberhörbar anmelden. Wer über dieses Territorium
bestimmt, wem es gehört, ist offen. Und Nyborg, die
doch das Öl im Namen des Klimas und der ark­
tischen Natur in der Erde lassen will, vollzieht eine
Kehrtwende. Nicht nur eine.
Eisig und überhitzt: Die atemberaubende Kunst
dieser neuen Staffel liegt darin, den Klimawandel als
epochale Wechseljahre zu inszenieren, indem sie die
Natur Grönlands ebenso machtvoll als Protagonistin
ins Bild setzt wie die weibliche Natur der alternden
Ministerin Nyborg. Die grellweißen Eislandschaften,
konturiert durch ihre Berge und Schollen, durch
Risse und Schneeflächen, stehen noch im Zeichen
dessen, was die Grönländer die Macht der Mutter des
Meeres nennen. Und dennoch liegen diese Natur-
gewalten längst wie machtlos da, inzwischen erwärmt,
aufgebohrt, industriell zerklüftet, Ölschleier schwär-
zen die Intros wie die steigenden Fluten.
Die Ministerin indes hat mit Attacken von Hitze­
wallungen zu kämpfen, dauernd wechselt sie durch-
nässt die Business-Bluse, der Blutdruck schwankt,
und als Nyborg ihre letzte Packung Tampons weg-
geworfen hat, ereilt sie in Anwesenheit des chine­
sischen Botschafters eine Blutung, die einen um die
weißen Sessel und fortan um jede weiße Hose bangen
lässt. Plötzlich dann friert diese Frau: Auf Grönland
steht sie im Anorak mit Robbenpelz da, trägt dicke
Handschuhe, während eine junge Chinesin im dün-
nen Mäntelchen und mit bloßen Händen ungerührt
die Geschäfte führt. Da zieht die Nyborg, möglichst
unbemerkt, doch ihre Handschuhe aus.
In diesen Machtkämpfen erkaltet fast alles, fast
jede, hart und kalt sind auf dem Abendbrottisch
sogar die Kartoffeln. »Es ist, als ob ich meinen Körper
nicht mehr spürte«, sagt einmal die Nyborg zu sich
selbst wie zu einer fremden Frau, ihr Sohn faucht sie
an: »Verdammt, du bist so was von gestört«, und ihr
alter Mentor Bengt hält ihr entgegen: »Du bist mir
fremd geworden.« Die weibliche postfossile M ­ oderne
scheint am Ende zu sein.
Wenn da nicht jenes dänische Restchen wäre: In
einer entscheidenden Rede wird Nyborg betonen, dass
das moderne Dänemark vor 150 Jahren aus einer
Niederlage entstand, und man möchte jetzt hinzu­
fügen, dass Dänemark 1920 auch vorgemacht hat, wie
sich nach einem Krieg ein Grenzverlauf befrieden lässt,
auf Dauer. Zum Schluss nur so viel: Die Wechsel-
jahre sind hier nicht das Ende. Natürlich nicht.

ANZEIGE

1 8 . 0 6 . bis 24 . 0 6 . 202 2

BACKNANG Bundeskunsthalle STAATLICHE KUNSTSAMMLUNGEN DRESDEN Frankfurter Kunstverein

Galerie der Stadt Backnang
bis 10.07.2022: Maik Wolf und Olga Neuwirth/Peter Conradin Zumthor
Tel. 07191/894-477, Petrus-Jacobi-Weg 1, Di-Fr 17-19, Sa/So u. 16.6. 14-19 Uhr
BAYREUTH
Kunstmuseum Bayreuth/Altes Barockrathaus
bis 19.06.2022: Jürgen Brodwolf – Paraphrasen (Zum 90. Geburtstag)
www.kunstmuseum-bayreuth.de, Tel. 0921/7645310
BERLIN
C/O Berlin
30.04. bis 09.09.2022: Susan Meiselas . Mediations
30.04. bis 09.09.2022: Bieke Depoorter . A Chance Encounter
www.co-berlin.org, Tel. 0302844416, info@co-berlin.org, Hardenbergstraße 22-
24, 10623 Berlin, Berlin, tägl. 11-20 Uhr
Deutsches Historisches Museum
bis 21.08.2022: Karl Marx und der Kapitalismus
bis 11.09.2022: Richard Wagner und das deutsche Gefühl
bis 04.09.2022: Herlinde Koelbl. Angela Merkel Portraits 1991-2021
www.dhm.de, Hinter dem Gießhaus 3, 10117 Berlin, Mo-Mi, Fr-So 10-18, Do 10-20
Gerade erschienen:
GEMEINSCHAFTSKATALOG DER ANTIQUARE 2022
Kostenlos bei: GIAQ eG, Luxemburger Str.31, 13353 Berlin, Tel.030-4660 4908.
WWW.ANTIQUARIAT.DE,
Humboldt Forum
17.06. bis 30.10.2022: Songlines: Sieben Schwestern erschaffen Australien Aus-
stellung, Tickets online
Dauerausstellung: Ausstellung des Museums für Asiatische Kunst und
Ausstellungsbereiche des Ethnologischen Museums Neu kuratiert, Eintritt frei
Dauerausstellung: Berlin Global Berlin Ausstellung, Tickets online
Dauerausstellung: Nach der Natur Ausstellung im Humboldt Labor, Eintritt frei
Dauerausstellung: Geschichte des Ortes Schlosskeller – Videopanorama – Skulp-
turensaal, Eintritt frei
humboldtforum.org, Schlossplatz, 10718 Berlin, Mo, Mi, Do, So 10-20, Fr, Sa 10-22
Jüdisches Museum Berlin
bis 11.09.2022: „Wir träumten von nichts als Aufklärung“ –
Moses Mendelssohn
Dauerausstellung: Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland
jmberlin.de, Lindenstr. 9-14, 10969 Berlin-Kreuzberg, tägl. 10-19 Uhr
STAATSOPER UNTER DEN LINDEN
Sa 18:00, Mi 19:30 TURANDOT Premiere  / So, Fr 19:30 ELEKTRA / Do 19:30 LES
PÊCHEURS DE PERLES / BEBELPLATZ: Sa 18:00 STAATSOPER FÜR ALLE LIVE-
ÜBERTRAGUNG „Turandot“ / So 13:00 STAATSOPER FÜR ALLE OPEN-AIR-KON-
ZERT / APOLLOSAAL: Mo 20:00 KAMMERKONZERT, www.staatsoper-berlin.de,
Tel. 030 20 35 45 55, tickets@staatsoper-berlin.de, 10117 Berlin, Unter den Linden
7 Kunsthandel Hagemeier
BIBERACH
Museum Biberach
21.05. bis 16.10.2022: „Ankommen 1945 – 1960“
www.museum-biberach.de, Di, Mi, Fr-So 10-18, Do 10-20 Uhr
BIELEFELD
Kunstforum Hermann Stenner
bis 04.09.2022: Gustav Vriesen und die Entdeckung der Moderne in Bielefeld
Obernstraße 48, 33602 Bielefeld, Mi-Fr 14-18, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr
BIETIGHEIM BISSINGEN
Städtische Galerie, http://galerie.bietigheim-bissingen.de
26.02. bis 19.06.2022: „Die Weissenhofer – Playback“
Hauptstr. 60-64, Tel 07142/74483, Di-Fr 14-18, Do-20,Sa/So/Feier 11-18
BONN
FAKE-Anzeige-ZEIT.indd 1
Auktionshaus Plückbaum
24./25. Juni 2022 „351. Kunst- und Antiquitätenauktion“
Katalog unter: www.plueckbaum.de
bis 26.06.2022: DAS GEHIRN. In Kunst & Wissenschaft
bis 07.08.2022: FARBE IST PROGRAMM
bis 03.10.2022: „IDENTITÄT NICHT NACHGEWIESEN“
NEUERWERBUNGEN DER SAMMLUNG DES BUNDES
bis 16.10.2022: SIMONE DE BEAUVOIR UND „DAS ANDERE GESCHLECHT“
www.bundeskunsthalle.de, Di u. Mi 10–21, Do-So 10–19 Uhr
KUNSTMUSEUM BONN
bis 19.06.2022: Welt in der Schwebe Luft als künstlerisches Material
ab 08.05.2022: Raum für phantasievolle Aktionen Neupräsentation Sammlung
bis 21.08.2022: Glanzstück Kinderraum mit Papieren von Patricia Thoma
16.06. bis 04.09.2022: Dorothea von Stetten-Kunstpreis 2022 Junge Kunst aus
Polen
www.kunstmuseum-bonn.de, Tel. 0228/776260, H.-K.-Allee 2, Di-So 11-18, Mi-21
BOTTROP
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop
10.04. bis 10.07.2022: James Howell. Resolution and Independence. Malerei
quadrat.bottrop.de, Tel. 02041 / 37 20 30, Anni-Albers-Platz 1, 46236 Bottrop, Di-
Sa 11-17, So 10-17 Uhr
DARMSTADT
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
bis 19.06.2022: American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte
www.hlmd.de, Friedensplatz 1, Di, Do-So, Feiertag 10-18, Mi 10-20 Uhr
DORTMUND
Dortmunder U - Zentrum für Kunst und Kreativität
bis 25.09.2022: FLOWERS! Blumen in der Kunst des 20. & 21. Jahrhunderts
bis 19.06.2022: Ignacio Uriarte. Office Work MO_Schaufenster #30, Eintritt frei
bis 26.06.2022: #KunstBlumen, Eintritt frei
bis 31.07.2022: House of Mirrors: Künstliche Intelligenz als Phantasma, Eintritt
frei
bis 13.11.2022: Body & Soul Denken, Fühlen, Zähneputzen, Eintritt frei
www.dortmunder-u.de, Tel. +49 (0) 231.50-24723, info@dortmunder-u.de, Leo-
nie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund, Di, Mi 11-18, Do, Fr 11-20, Sa, So, Feiertag
11-18 Uhr
Konzerthaus Dortmund
Fr 20:15 Liederabend Anna Prohaska: Der Garten Eden – Paradise Lost,
www.konzerthaus-dortmund.de, Tel. +49 231 – 22 696 200
DRESDEN
14. MAI 2022 BIS 5. MÄRZ 2023
Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1
Dauerausstellung: Abenteuer Mensch und Dresdner Kinder-Museum
18.05.22 12:48bis 17.07.2022: Into the New. Menschsein: Von Pollock bis Bourgeois
bis 05.03.2023: FAKE. Die ganze Wahrheit
bis 06.11.2022: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Maschinen – Lernen – Menschheits-
träume www.dhmd.de, Tel. 0351- 4846400, Di-So und Feiertage 10-18 Uhr
Schloss Pillnitz, Wasserpalais, August-Böckstiegel-Str., tägl. 10 bis 18 Uhr, 03.06. bis 11.09.2022: Three Doors - Forensic Architecture/Forensis, Initiative
Mo. geschl.
19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
bis 27.07.2022: Blickwechsel. Chiharu Shiota und das Wechselspiel von Innen
www.fkv.de, Tel. 069-219314-0, Markt 44, 60311 Fft., Di, Mi, Fr-So 11-19, Do 11-21
und Außen
bis 31.10.2022: Das Forschungs- und Restaurierungsprojekt „Jean-Pierre Latz. FREIBURG IM BREISGAU
Fait à Paris“
bis 31.10.2022: Spoon Archaeology Städtische Museen Freiburg | www.freiburg.de/museen
Völkerkundemuseum Herrnhut, Goethestraße 1, 02747 Herrnhut, Archäologisches Museum Colombischlössle, Rotteckring 5,
tägl. 9 – 17 Uhr, Mo. geschl. bis 31.7.22 Habalukke – Schätze einer vergessenen Zivilisation
bis 27.11.2022: Aufbruch. Netz. Erinnerung - 300 Jahre Herrnhut Haus der Graphischen Sammlung im Augustinermuseum, Salzstr. 32,
Kunsthalle im Lipsiusbau, Brühlsche Terrasse, tägl. 10 bis 18 Uhr, Mo. geschl. bis 19.6.22 Christoph Meckel. Mensch-Sein, Kind-Sein, Ich-Sein
bis 25.09.2022: Der Schlüssel zum Leben. 500 Jahre mechanische
Museum Natur und Mensch, Gerberau 32,
Figurenautomaten
bis 22.1.23 Handle with care - Sensible Objekte der Ethnologischen Sammlung
Tel. 0351-49142000, Besuchen Sie uns auch online: www.skd.museum
Museum für Neue Kunst, Marienstraße 10a,
DUISBURG bis 9.10.22 Someone Else. Die Fremdheit der Kinder
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst FRIEDRICHSHAFEN
18.03. bis 26.06.2022: RAIMUND GIRKE – Klang der Stille. Retrospektive
www.museum-kueppersmuehle.de, Tel. +49 (0)203 301948 -11, Zeppelin Museum Friedrichshafen
office@museum-kueppersmuehle.de, Philosophenweg 55, 47051 Duisburg, Mi 14- bis 06.11.2022: Beziehungsstatus: Offen. Kunst und Literatur am Bodensee
18, Do-So, Feiertag 11-18 Uhr, Jeden Mittwoch und Sonntag öffentliche Führung Tel. 07541-38010, Seestr. 22, Öffnungszeiten unter www.zeppelinmuseum.de
um 15 Uhr
GELSENKIRCHEN
DÜSSELDORF
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Musiktheater im Revier
Präsentation der ständigen Sammlung Großes Haus: Sa 19:30 Madama Butterfly (19.00 Einführung) / So 11:00 Matinee
bis 17.07.2022: K20: Lygia Pape. The Skin of ALL SPIELZEIT 22.23 / So 20:00 Herbert Knebels Affentheater. Ausser Rand und
bis 25.09.2022: K21: Dialoge im Wandel. Fotografien aus The Walther Band / Mo 19:30 9. Sinfoniekonzert. Was mir die Liebe erzählt (19.00 Einfüh-
Collection rung) / Di 18:00 FMT schafft Begegnungen. / Do, Fr 19:30 MOVE! 2022 - Next
Tel. 0211.8381-204, K20, Grabbeplatz 5 – K21, Ständehausstr. 1, Düsseldorf, Di-Fr Level (Do Premiere) (Do 11.00 Preview) / Kleines Haus: So 18:00 Premiere:
10-18, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr
Swans / Mi 18:00 NOX - Wenn die Nacht erwacht / Do, Fr 19:30 Das Wunder-
ERLANGEN theater/ Wachsfigurenkabinett, Tel. 0209/4097200
Stadtmuseum Erlangen GÖPPINGEN
bis 18.09.2022: Vielfraß meets Butterkeks. Von der Reiselust der Wörter
www.stadtmuseum-erlangen.de, stadtmuseum@stadt.erlangen.de, Martin- Lu- Kunsthalle Göppingen
ther-Platz 9 bis 26.06.2022: Sprechende Bilder. Garphic Novel & Comic
ESSEN Marstallstr. 55, 73033 Göppingen, Tel. 07161 650-4211
www.kunsthalle-goeppingen.de, Di-Fr 13-19 Uhr, Sa, So, Feiertage 11-19 Uhr
Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein
Dauerausstellung: Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebiets HAGEN
bis 31.07.2022: Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr
Kunstquartier Hagen
bis 30.10.2022: Mustafas Traum. Fotografien von Henning Christoph
bis 07.08.2022: Emil Schumacher und die Form seiner Zeit - Kunst und Design
Führungen mit Anmeld.: Schaudepot des Ruhr Museums, Kokerei Zollverei
www.ruhrmuseum.de, Tel. 0201-24681 444, Gelsenkirchener Str. 181, tgl. 10-18 zwischen 1912 und 1999
bis 26.06.2022: Dieter Nuhr - Von Fernen umgeben. Digitale Fotografie
FRANKFURT AM MAIN
bis 26.06.2022: Frank Wiebe - Dynamic Dissolution
Historisches Museum Frankfurt www.kunstquartier-hagen.de, Museumsplatz 1, 59095 Hagen
bis 11.09.2022: Frankfurt und der NS
historisches-museum-frankfurt.de, Frankfurter Altstadt, Saalhof 1 HALLE (SAALE)
Kunsthalle “Talstrasse“
EDUARD BARGHEER AUSSTELLUNG
Frankfurt, Telefon: 069 - 29 41 21 bis 14.08.2022: Eisen- und Stahlplastik. Aspekte einer Entwicklung
info@kunsthandel-hagemeier.de Tel. +493455507510, info@kunstverein-talstrasse.de, Talstr. 23, 06120 Halle (Saa-
Liebieghaus Skulpturensammlung le), Mi-Fr 12-19, Sa, So, Feiertag 13-18 Uhr
bis 25.09.2022: MISSION RIMINI. Material, Geschichte, Restaurierung. Der Ri- Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
mini-Altar bis 28.08.2022: ANNA FRANZISKA SCHWARZBACH Friedemann-Bach-Platz 5,
bis 08.01.2023: SPLENDID WHITE. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler im 06108 Halle (Saale), www.kunstmuseum-moritzburg.de
Liebieghaus
www.liebieghaus.de, Tel. 069-605098-200, Schaumainkai 71, Di, Mi 12-18, Do 10- HAMBURG
21, Fr-So 10-18 Uhr
MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST Bucerius Kunst Forum
bis 03.10.2022: MUSEUM MMK: Marcel Duchamp 14.05. bis 11.09.2022: HERBERT LIST. DAS MAGISCHE AUGE
bis 30.10.2022: TOWER MMK: Stéphane Mandelbaum www.buceriuskunstforum.de, info@buceriuskunstforum.de, Alter Wall 12, 20457
bis 04.09.2022: ZOLLAMT MMK: Mire Lee Hamburg, tägl. 11-19, Do 11-21 Uhr
mmk.art Deichtorhallen Hamburg
Städel Museum Triennale der Photographie:
bis 19.06.2022: RENOIR. ROCOCO REVIVAL. Der Impressionismus und die fran-
bis 18.09.2022: Currency: Photography Beyond Capture.
zösische Kunst des 18. Jahrhunderts
bis 14.08.2022: Behind the Scenes.
bis 11.09.2022: Andreas Mühe. Stories of Conflict bis 04.09.2022: In der Sammlung Falckenberg (Harburg): Charlotte March.
www.staedelmuseum.de, Tel. 069-605098-200, Schaumainkai 63, Di, Mi, Fr-So www.deichtorhallen.de, Deichtorstr. 1-2, 20095 Hamburg, Di-So 11-18 Uhr, jeden 1.
10-18, Do 10-21 Uhr Do im Monat 11-21 Uhr
BREMEN
LEIPZIG
LEUTKIRCH IM ALLGÄU
Kunsthalle Bremen
bis 19.06.2022: Horst Antes. Radierungen
bis 31.07.2022: Richard Mosse
bis 13.11.2022: Remix. Einblicke in die Sammlung zeitgenössischer Kunst
MANNHEIM
HAMBURG
HAMBURGER KUNSTHALLE
bis 07.08.2022: Ernst Wilhelm Nay. Retrospektive
bis 28.08.2022: Give and Take. Bilder über Bilder. 8. Triennale der Photogra-
phie
bis 18.02.2024: Something new, something old, something desired
bis 31.12.2023: Making History. Hans Makart und die Salonmalerei des 19. Jh.
bis 21.07.2022: Von Mischwesen. Skulptur in der Moderne
METTINGEN
bis 31.12.2023: Impressionismus. Deutsch-französische Begegnungen
www.hamburger-kunsthalle.de, Tel. 040/428131200, Glockengießerwall 5, 20095
Hamburg, Di-So 10-18/Do 10-21 Uhr
Museum am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt
Benin. Geraubte Geschichte bis voraussichtlich 31.12.22
Blitzsymbol & Schlangentanz. Aby Warburg und die Pueblo-Kunst bis 8.1.23 MÜNCHEN
Archiv der Erfahrungen bis 16.10.22, www.markk-hamburg.de
Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10-18, (Do-21 Eintritt frei)
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
bis 20.08.2023: Made in China! Porzellan
bis 31.10.2022: Die Sprache der Mode
bis 16.10.2022: audio-grafisch. 16 Entwürfe und ihre Entstehung
bis 18.09.2022: Präuschers Panoptikum. Ein Bilderbuch von Herbert List
bis 28.08.2022: Dressed. 7 Frauen - 200 Jahre Mode
www.mkg-hamburg.de, Steintorplatz, 20099 Hamburg, Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr
Stiftung Historische Museen Hamburg - www.shmh.de
bis 15.08.2022: Museum f. Hamburg. Geschichte: Macht.Mittel.Geld
bis 03.10.2022: Museum der Arbeit: Streik!
bis 18.07.0222: Altonaer Museum: Close-up
bis 30.10.2022: Deutsches Hafenmuseum: Die PEKING
bis 13.02.2023: Jenisch Haus: Chiffren einer Stadt
HANNOVER
Landesmuseum Hannover
bis 28.08.2022: „die erfindung der götter. steinzeit im norden“
bis 26.06.2022: „im freien. von monet bis corinth“
www.landesmuseum-hannover.de, Tel. 0511 – 9807 686
KARLSRUHE
Badisches Landesmuseum - Schloss Karlsruhe
18.12.2021 bis 11.09.2022: Göttinnen des Jugendstils Große Sonderausstellung
03.06.2022 bis 04.06.2023: Museumshelden Von Vitrinenstars und Depothütern
www.landesmuseum.de, Tel. 0721/926-6514, Di-So, Feiertag 10-18 Uhr
KIEL
Kunsthalle zu Kiel
02.04. bis 04.09.2022: Annette Kelm. Die Bücher
21.05. bis 23.10.2022: ÜberLeben – Die Dreigroschenoper und die Kunst ihrer
Zeit
Dauerausstellung: Wildes, Wüstes, Wunderschönes. Natur im Fokus der
Sammlung
www.kunsthalle-kiel.de, Tel. 0431/8805756, info@kunsthalle-kiel.de, Düstern-
brooker Weg 1, 24105 Kiel, Di, Do-So 10-18, Mi 10-20 Uhr
KÖLN
Käthe Kollwitz Museum Köln
bis 19.06.2022: KOLLWITZ KONTEXT Das Werk hinter den Meisterwerken Aus-
stellung zum Erscheinen der neuen Kollwitz-Monographie
www.kollwitz.de, Di-So, Feiertag 11-18 Uhr, Erster Do im Monat: 11-20 Uhr
Museen der Stadt Köln:
Infos zu Ausstellungen und Veranstaltungen unter:
www.museen.koeln
Museum Ludwig Köln
bis 31.07.2022: Isamu Noguchi
bis 30.11.2023: Schultze Projects #3 - Minerva Cuevas
Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln, Di-So 10-18 Uhr, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)
bis 25.09.2022: 40 Jahre laif – 40 Positionen dokumentarischer Fotografie
An der Rechtschule, 50667 Köln, Di-So 10-18 Uhr, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Museum für Ostasiatische Kunst
bis 30.06.2022: Brennpunkt Asien. Europäische Reisediplomatie und Kolonia-
lismus in Fernost.
bis 31.08.2022: Handelsgut Global. Exportporzellan aus China und Japan
Universitätsstr. 100, 50674 Köln, Di-So 11-17 Uhr, 1. Do im Monat 11-22 Uhr
Rautenstrauch-Joest-Museum
bis 08.01.2023: I MISS YOU! Über das Vermissen, Zurückgeben und Erinnern
bis 11.09.2022: Syrien – Gegen das Vergessen MÜNSTER
Cäcilienstr. 29-33, 50667 Köln, Di-So 10-18, Do 10-20, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Römisch Germanisches Museum im Belgischen Haus
bis 09.10.2022: Rom am Rhein (Ausstellung des RGM und MiQua.
LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln im Kulturzentrum
am Neumarkt)
Cäcilienstraße 46, 50667 Köln, Mo, Mi-So 10-18 Uhr, 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
bis 16.04.2023: Die Karlsruher Passion. Ganz • Schön • Heftig
bis 23.04.2023: Sensation des Sehens. Die Sammlung Nekes: Vol. 1 Barock NÜRNBERG
Obenmarspforten, 50667 Köln, Di-So 10-18, 1. + 3. Do im Monat 10-22 Uhr
KREFELD
Kunstmuseum Krefeld
Kaiser Wilhelm Museum, Joseph-Beuys-Platz 1, Di-So. 11-17 Uhr
ab 02.04.2022: Robert Stadler, K+ Café im KWM, Sammlungssatellit #7
Haus Lange, Wilhelmshofallee 91–97, Di-So. 11-17
bis 25.09.2022: Julio Le Parc
Haus Esters, Wilhelmshofallee 91–97, Di-So. 11-17 OBERHAUSEN
bis 25.09.2022: Adolf Luther
Tel. 02151 975580, Besuchen Sie uns auch online: www.kunstmuseenkrefeld.de
KÜNZELSAU
HIRSCHWIRTSCHEUER, Museum für die Künstlerfamilie Sommer
bis 19.06.2022: SOREAL. Bernhard Betz – Andreas Ilg
OSNABRÜCK
Mi - So 11 - 17 Uhr, Eintritt frei, www.kunst.wuerth.com
MUSEUM WÜRTH
bis 03.07.2022: Ugo Dossi: Zeichen täglich 11-18 Uhr, Eintritt frei,
www.kunst.wuerth.com
ITALIEN
AUSSTELLUNG
ROM
Deutsche Akademie Rom Villa Massimo
HIGHLIGHT
25.05. bis 06.07.2022: Olevano Romano. Vermessung eines Mythos Werke von
1820 bis 2021 aus deutschen und internationalen Sammlungen., Eintritt frei
www.villamassimo.de, Largo di Villa Massimo, 1-2, Rom, Mo-Do 09:30-17, Fr
09:30-14, 02.06.2022 geschl., 29.06.2022 geschl.
LIECHTENSTEIN
VADUZ
SPECTRUM
5000 Jahre Esskultur in China
5000 years of food culture in China
9.06. – 21.08.2022
www.landesmuseum.li
ÖSTERREICH
BREGENZ
Kunsthaus Bregenz, www.kunsthaus-bregenz.at
bis 04.07.2022: KUB in Venedig – Otobong Nkanga & Anna Boghiguian Scuola
di San Pasquale, Campo San Francesco, Venedig, Eintritt frei, Mi-Mo 13-20 Uhr
WIEN
16.6.2022 – 4.9.2022
www.landesmuseum.li
MUSEUM WÜRTH 2 ROSENHEIM
bis Frühjahr 2023: Weitblick – Reinhold Würth und seine Kunst
täglich 11-18, Eintritt frei, www.kunst.wuerth.com Ausstellungszentrum Lokschuppen Rosenheim
18.03. bis 11.12.2022: EISZEIT – Mensch. Natur. Klima.
www.lokschuppen.de, tägl. geöffnet, Eine Ausstellung, die keinen kalt lässt!
Oper Leipzig ROSTOCK
Wagner 22 – Wagner-Festtage der Oper Leipzig: Mo 17:00 DIE FEEN Richard
Wagner / Di 17:00 DAS LIEBESVERBOT / Do 17:00 RIENZI, www.oper-leipzig.de Kunsthalle Rostock
22.05. bis 18.09.2022: Armin Mueller-Stahl - Alle Kunst will Musik werden
www.kunsthallerostock.de, Tel. 0381/3817000, kunsthalle@rostock.de, Hamburger
Gärkeller Brauerei Clemens Härle Straße 40, Rostock, Di-So 11-18 Uhr
03.04. bis 19.06.2022: das paradies liegt vor uns Ausstellung mit 16 Künstlerin-
nen und Künstlern im Gärkeller der Brauerei Clemens Härle, www.haerle.de SAARBRÜCKEN
88299 Leutkirch im Allgäu, Sa, So 11-17 Uhr
Saarlandmuseum - Alte Sammlung
© Bildrecht, Wien 2022
bis 16.10.2022: Zu Tisch! Die Kunst des guten Geschmacks.
www.altesammlung.de, Schlossplatz 16, T.0681.9964-234, Di-So 10-18, Mi-20
Kunsthalle Mannheim www.kuma.art
bis 03.07.2022: Hanna Nagel Saarlandmuseum - Moderne Galerie
Tel. 0621/2936423, Friedrichsplatz 4, Di, Do-So/Fei 10-18, Mi-20, 1. Mi/Monat-22h bis 14.08.2022: Helga Griffiths – Sensing the Unseen
TECHNOSEUM. Landesmuseum für Technik und Arbeit bis 04.09.2022: Katharina Grosse – Wolke in Form eines Schwertes
13.11.2021 bis 19.06.2022: ARBEIT & MIGRATION. Geschichten von hier bis 09.10.2022: Museum unserer Wünsche: Christina Kubisch – Das Glashaus
Tiziano Vecellio, gen. Tizian (1485/90–1576) | erzielter Preis 4,8 Millionen Euro
www.technoseum.de, Tel. +49 (0)621/4298-9, info@technoseum.de, Museums- bis 09.10.2022: Museum unserer Wünsche: David und Douglas Henderson –
Bulgari Ring mit Burma-Rubin, ca. 3,80 ct | erzielter Preis € 108.000
straße 1, Mannheim, tägl. 09-17 Uhr The Sea is a Big Green Lens
Andy Warhol, Acryl und Siebdrucktinte auf Lwd, 1974 | erzielter Preis € 753.000
www.modernegalerie.org, Bismarckstr. 11-15, T.0681.9964-234, Di-So 10-18, Mi-20
Draiflessen Collection SCHWÄBISCH HALL
08.05. bis 31.07.2022: Die Kunst der Wiederholung
www.draiflessen.com, Tel. 05452/9168-0, Georgstr. 18, Mi-So 11-17, jeder 1. Do-21
JOHANNITERKIRCHE BERATUNG UND
Dauerausstellung: Alte Meister in der Sammlung Würth
Di-So 11-17 Uhr, Eintritt frei, www.kunst.wuerth.com ÜBERNAHME ZUR AUKTION
Kunsthalle München: Stille Rebellen KUNSTHALLE WÜRTH
Polnischer Symbolismus um 1900 25.3.–7.8.2022, tägl. 10–20 Uhr, 20.4., 18.5., bis 26.02.2023: Sport, Spaß & Spiel in der Sammlung Würth München 22. – 28. Juni Terminvereinbarung:
15.6., 20.7. bis 22 Uhr, 089/22 44 12, www.kunsthalle-muc.de, Theatinerstr. 8 Lange Str.35, täglich 10-18 Uhr, Eintritt frei, www.kunst.wuerth.com Dorotheum Düsseldorf
Stuttgart 29. Juni
Literaturhaus München SINDELFINGEN Tel. 0211-210 77-47
19.05. bis 31.07.2022: NIKOLAUS HEIDELBACH: ORIGINALE Frankfurt 30. Juni
Dorotheum München
literaturhaus-muenchen.de, Tel. 089-291934-0, info@literaturhaus-muenchen.de, SCHAUWERK Sindelfingen Nürnberg 1. Juli
Salvatorplatz 1, tägl. 11-18 bis 19.06.2022: ORTSWECHSEL. Fotos aus der Modernen Galerie Saarbrücken Tel. 089-244 434 730
Museum Villa Stuck
Hamburg 4. Juli
bis 12.02.2023: BEN WILLIKENS. Raum und Gedächtnis
Dauerausstellung: Künstlervilla und Historische Räume von Franz von www.schauwerk-sindelfingen.de, Mi-So 11-18 Uhr Berlin 5. Juli
Stuck, Sonderausstellungen: bis 10.7.2022:
SOEST
Dresden 6. Juli www.dorotheum.com
Gustav Mesmer. Der Ikarus vom Lautertal und
28.04. bis 21.08.2022: Misha Kahn. Under The Wobble Moon - Objects From
RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner
The Capricious Age 05.06. bis 18.09.2022: Repetitive Forms (Sometimes Singular)
Tel. 089/45 55 51-0, Prinzregentenstr. 60, Di-So 11-18, 1. Fr. im Monat 11-22 Uhr, An- Leopold Museum
repetitiveforms.skk-soest.de, info@skk-soest.de, Thomästr. 1, 59494 Soest
meldung und Tickets unter www.villastuck.de Dauerausstellung: WIEN 1900. Aufbruch in die Moderne
Münchner Stadtmuseum STUTTGART 06.05. bis 29.08.2022: DER BLICK AUS DEM RAHMEN. Schenkung „Sammlung
bis 08.01.2023: Nachts. Clubkultur in München
www.muenchner-stadtmuseum.de, St.-Jakobs-Pl., T. 089/23322370, Di-So 10-18 Kunstmuseum Stuttgart Klewan“
NS-Dokumentationszentrum München bis 28.08.2022: Tobias Rehberger »I do if I don‘t« 20.05. bis 12.09.2022: FRANZ HAGENAUER
bis 10.07.2022: Gego. Die Architektur einer Künstlerin
Dauerausstellung: München und der Nationalsozialismus Wechselausstellung 20.05. bis 28.08.2022: GESCHÄFTE MIT KOPIEN. Der fotografische Kunstverlag
www.kunstmuseum-stuttgart.de, Di-So 10-18 Uhr, Fr 10-21 Uhr, Mo geschl.
Digitale Ausstellung: departure-neuaubing.nsdoku.de
Max-Mannheimer-Platz 1, 80333 München, Tel. 089-2336700, Di-So 10-19 Uhr, Otto Schmidt
ULM
www.ns-dokuzentrum-muenchen.de bis 24.07.2022: ALFRED KUBIN. Bekenntnisse einer gequälten Seele
Museum Ulm Besuchen Sie unser digitales Museum auf unserer Website und unseren Social
bis 25.09.2022: Barock in Ulm!
Media Kanälen!
bis 19.06.2022: Wir müssen reden! Die Münster-Krippe im Meinungsstreit
bis 08.01.2023: Otl Aicher 100 Jahre 100 Plakate (im HfG-Archiv) leopoldmuseum.org, Museumsplatz 1, 1070 Wien, Mo, Mi-So, Feiertag 10-18 Uhr
www.museumulm.de, Tel. +49(0)731-161 4330, info.museum@ulm.de, Marktplatz mumok- Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
9, 89071 Ulm, Di-Fr 11-17, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr bis 28.08.2022: Wolfgang Tillmans. Schall ist flüssig
Stadthaus Ulm
KUNSTAUKTION bis 18.09.2022: Getanzte Augenblicke Pina Bausch fotograf. v. Ursula Kaufmann,
bis 25.09.2022: Jesse Stecklow. Terminal
bis 21.08.2022: „nominiert….“ Vordemberge-Gildewart Stipendium 2022
1. JULI 2022 Eintritt frei
https://stadthaus.ulm.de, Mo-Mi, Fr, Sa 10-18, Do 10-20, So, Feiertag 11-18 Uhr www.mumok.at, Tel. 43-1/52500, Museumsplatz 1, 1070 Wien, Di-So 10-18 Uhr
kunsthalle weishaupt
bis 09.10.2022: Malerische Poesie - Grafiken von Chagall und Zeitgenossen
www.kunsthalle-weishaupt.de, Tel. 0731 161 4360, Di-Fr 11-17, Sa, So 11-18 Uhr
VÖLKLINGEN
WELTKULTURERBE VÖLKLINGER HÜTTE
CHRISTIAN BOLTANSKI – Die Zwangsarbeiter | Erinnerungen - Zwei Dauerin-
stallationen
bis 16.10.2022: THE WORLD OF MUSIC VIDEO
bis 06.11.2022: UrbanArt Biennale
Der Newsletter – Wofür leben wir?
www.voelklinger-huette.org, Besucherservice/Buchungen: T. 06898/9100100 Der Sinn-Newsletter stellt die tiefen Fragen des
WEIMAR Lebens und sucht nach Antworten – persönlich
und grundsätzlich. Erhalten Sie jeden Freitag-
Sprache 2022
Sprache 2022 Wo, wenn nicht in Weimar, ist das Thema Sprache zuhause?! Nicht nachmittag ausgewählte Texte rund um Sinnsuche,
Vorbesichtigung: nur die größten Dichter und Denker haben sich mit Worten und Werken der Welt- Lebensentscheidungen und Wendepunkte.
27. bis 30 Juni | 10 bis 17 Uhr literatur ein Denkmal geschaffen, auch zeitgenössische Künstler*innen und Au-
Waltherstraße 23 | 80337 München tor*innen treten in diese Fußstapfen und setzen sich kontrovers mit dem Thema www.zeit.de/sinn-newsletter
Tel 089 23 88 689 0 auseinander. Im Themenjahr 2022 fragen wir nach der Sprengkraft von Sprache,
info@scheublein.com ihren Grenzen und nach Möglichkeiten der Verständigung – beginnend im Mittel-
www.scheublein.com alter, über die Weimarer Klassik und die Moderne bis heute. In zahlreichen Vorträ-
Nymphenburger Porzellan aus einer Münchener Privatsammlung. gen, Sprachexperimenten, Debatten, Workshops und interaktiven Führungen la-
den wir Sie ein, die Bedeutung von Sprache und unseren Umgang mit ihr neu zu
entdecken. Das Programm zum Themenjahr finden Sie unter
www.klassik-stiftung.de/sprache
Jeden
Kunstmuseum Pablo Picasso Münster Tel. 03643/545-400, besucherservice@klassik-stiftung.de, Weimar Freitag
bis 18.09.2022: Andy Warhol
www.kunstmuseum-picasso-muenster.de, Di-So, Feiertag 10-18 Uhr WIESBADEN neu
LWL-Museum für Kunst und Kultur Museum Wiesbaden
06.05. bis 14.08.2022: Der Augenblick. Die Fotografin Annelise Kretschmer
bis 09.10.2022: Frank Stella
www.lwl-museum-kunst-kultur.de, Tel. Tel. 0251/5907-201, Domplatz 10, Di-So 10-
bis 23.10.2022: Wasser im Jugendstil Heilsbringer und Todesschlund
18 Uhr, 2. Freitag im Monat 10-22 Uhr
bis 05.02.2023: Vom Wert des Wassers Alles im Fluss?
bis 26.06.2022: Alles! 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden
GERMANISCHES NATIONALMUSEUM www.museum-wiesbaden.de, Tel. 0611/335-2250, Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185
bis 21.08.2022: Hans Hoffmann - Ein europäischer Künstler der Renaissance Wiesbaden, Di, Do 10-20, Mi, Fr 10-17, Sa, So, Feiertag 10-18
bis 01.10.2023: Das Mittelalter Die Kunst des 15. Jahrhunderts. Preview
WUPPERTAL
Tel. 0911-13310, Fax-200, Kartäusergasse 1, Di-So 10-18, Mi-20.30 Uhr, Mo geschl.
NEUES MUSEUM NÜRNBERG Skulpturenpark Waldfrieden / Cragg Foundation
ab 20.05.2022: Double Up! Kunst und Design mit neuen Perspektiven 19.03. bis 31.07.2022: Wilhelm Mundt, Unklumpen
www.nmn.de, info@nmn.de, Klarissenplatz, T. 0911/2402069, Di-So 10-18/Do-20 02.06. bis 21.08.2022: Tatsuo Miyajima, Changing Landscape/Changing Mu-
seum
26.05.2022 bis 01.01.2023: Andreas Schmitten, Skulpturen
LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
skulpturenpark-waldfrieden.de, Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal
bis 11.09.2022: Linda McCartney - The Sixties and more
www.ludwiggalerie.de, Tel. 0208 41249 28, Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 WÜRZBURG
Oberhausen, Di-So, Feiertag 11-18
Museum im Kulturspeicher
11.06. bis 04.09.2022: Hannah Höch. Abermillionen Anschauungen
MIK Museum Industriekultur Osnabrück www.kulturspeicher.de, Tel. 0931/32225-0, Fax -18,
24.04. bis 13.11.2022: Future Food. Essen für die Welt von morgen museum.kulturspeicher@stadt.wuerzburg.de, Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würz-
www.mik-osnabrueck.de, info@mik-osnabrueck.de, Mi-So 10-18 Uhr burg, Di 13-18, Mi 11-18, Do 11-19 Uhr, Fr-So 11-18 Uhr
41976_ANZ_90x150_X4_ONP26 1 09.05.22 13:25
60
D
er Nachmittag, an dem der
Priester Christof May be-
schließt, dass der Tod die
bessere Wahl für ihn ist als
das Leben, ist grün und blü-
hend. Es ist einer dieser­
Junitage, die einen glauben
lassen, dass es stimmt, was die Kirche verheißt: Du
darfst immer neu anfangen, du sollst hoffen trotz
aller Verzweiflung, du findest Trost, auch wenn du
dich schuldig gemacht hast.
Dieser Glaube kam abhanden am vergangenen
Mittwoch auf dem Limburger Domberg. Dort steht,
im Schatten der Basilika, auch das Bischofshaus:
außen Fachwerk, innen kühles Konferenzhaus. Hier
führte Christof May sein letztes Gespräch, mit dem
Bischof Georg Bätzing und dem Personaldezernenten
Georg Franz. Die drei Männer kannten sich gut.
Denn May gehörte zu den Hierarchen des Bistums,
als Domkapitular und Bischofsvikar für Kirchenent-
wicklung, vor allem aber als Regens für die Priester-
ausbildung. Ein Regens ist dem Bischof direkt unter-
stellt und ihm nah, denn er trägt Verantwortung für
das Herz des Bistums: die künftigen Priester. Zudem
sollte May Reformen vorantreiben helfen, die Bätzing
als Chef der Deutschen Bischofskonferenz (DBK)
durchsetzen will.
Doch ihr letztes Treffen war keines unter Glei-
chen. May wurde einbestellt und informiert, dass er
ab sofort von allen Ämtern freigestellt sei – weil ihm
sexueller Missbrauch Minderjähriger zur Last gelegt
werde. So soll die Beschuldigung gelautet haben, auch
wenn in den ersten Erklärungen des Bistums nach
Fotos: Dawin Meckel für DIE ZEIT
Mays Tod nur von »Übergriffen« die Rede war. Tat-
sächlich teilte Bischof Bätzing seinem Regens mit,
man eröffne eine kirchenrechtliche Voruntersuchung.
Dies schreiben die neuen Leitlinien der DBK zur
Missbrauchsaufklärung vor. Sie sollen verhindern,
dass kirchenintern weiter vertuscht wird.
Allerdings, das zeigt das Drama des Christof May,
sind die Regeln ein heikles Instrument: Sie sehen
nämlich auch vor, einstige Arbeitsstellen des Beschul-
digten zu informieren – um dort aktiv zu erfragen,
ob es weitere Betroffene gab. Und die Unschuldsver-
mutung? In Limburg und wegen der Nähe des Regens
zu Bätzing wäre der Fall rasch publik geworden.
Das wusste Christof May, als er an jenem Nach-
mittag aus dem Bischofshaus trat.
Noch ist unklar, wie das Gespräch verlief – und
wie es endete. Aus dem Bischofshaus heißt es, der
Regens sei am Schluss gefragt worden, ob er jetzt
jemanden habe, an den er sich wenden könne. May
habe dies bejaht. Doch warum hatte man ihm nicht
geraten, einen Beistand mitzubringen? In Limburg
wird nun gestritten, wer an der Tragödie schuld ist.
War May ein Täter? Ist er ein Opfer? Oder beides?
Es heißt, er habe einen Abschiedsbrief in seinem
Zimmer im Priesterseminar hinterlassen, von dem
der Blick auf den Dom zu Limburg fällt. Der vieltür-
mige Bau auf dem hohen Felsen sieht aus wie ein
Märchenschloss, doch seit zehn Jahren ist der Dom
berüchtigt, weil der damalige Bischof Tebartz-van
Elst einen gleichermaßen teuren wie hässlichen Neu-
bau durchsetzte. Der Skandal von damals verblasst
nun vor dem Hintergrund des neuen Dramas.
Am Mittwochnachmittag um kurz nach 16
Uhr wird Christof May bei der Polizei als vermisst
gemeldet. An der Suche nach dem Regens beteili-
gen sich Feuerwehr und DRK, mit Schiffen auf
der Lahn, mit Hubschraubern aus der Luft, mit
Hundestaffeln am Boden, stundenlang. Am Don-
nerstagmorgen wird die Leiche in einem Wald un-
Zum Gedenken an Christof May, im
Limburger Priesterseminar
weit von Limburg nahe der Stadt Runkel gefun-
den. Der zuständige Staatsanwalt hat ein Todeser-
mittlungsverfahren eingeleitet und teilt der ZEIT
mit, es gebe keine Hinweise auf Fremdverschul-
den. Von Vorwürfen »übergriffigen Verhaltens«
gegen den Priester hätten bisher weder Polizei
noch Staatsanwaltschaft Kenntnis gehabt.
Es ist schwer, nach dieser Tragödie die Balance zu
halten im Reden über May als Opfer und mutmaß-
lichen Täter. Das Bistum findet vier Tage lang, bis
zum Redaktionsschluss der ZEIT, nur dürre Worte.
Und von einem Dutzend Menschen, die den Regens
gut kannten und bereit waren, mit der ZEIT zu­
reden, will kaum einer namentlich genannt werden.
Die Angst ist, den Betroffenen unrecht zu tun, gar
die trauernden Eltern des Priesters zu verletzen.
GLAUBEN & ZWEIFELN
Ein Wald bei Eschenau, nahe Limburg, wo der Tote gefunden wurde
Der Suizid
des Priesters
In Limburg wird ein Domkapitular des Missbrauchs beschuldigt.
Bevor sein Fall öffentlich wird, bringt er sich um
  VON KARIN CEBALLOS BETANCUR UND EVELYN FINGER
So fallen wichtige Sätze anonym: Christof May
sei eine »Glanznummer« gewesen, klug und beliebt.
Doch seit er »die Seiten wechselte« vom konservativen
Tebartz-Freund zum Verfechter von Schwulenrech-
ten, hätten »viele ihn fallen lassen«. Überhaupt sei
sein Tod »eine faule Frucht der katholischen Homo-
phobie«. May sei wohl heimlich homosexuell gewe-
sen – und unter der doppelten Scham zusammen-
gebrochen: schuldig geworden zu sein an anderen
und selber falsch empfunden zu haben, wider die
kirchliche Moral.
Eine Predigt, die May im Oktober 2020 zu Ernte-
dank hielt, ging viral, nachdem eine Pfarrei in seiner
Heimat, im Westerwald, die auf YouTube übertra-
gene Messe via Facebook verbreitete. Auf beiden
Kanälen wurde sie mehr als 200.000 Mal aufgerufen.
May machte sich dafür stark, Geschiedenen und
gleichgeschlechtlichen Paaren die Sakramente zu
spenden. »Sie haben sich ihre Veranlagung nicht aus-
gesucht, und sie wollen niemanden ärgern. Muss ich
nicht diese Beziehung segnen? Sollte ich nicht froh
sein, dass jemand zu uns kommt und überhaupt noch
um Segen bittet?« Als Regens, sagt May, sei er der
Ratio fundamentalis verpflichtet, die vorsehe, dass
Menschen mit homosexuellen Neigungen nicht zum
Priester geweiht werden dürfen. »Aber ist nicht die
Frage, ob die Person redlich versucht, für das Reich
Gottes einzutreten?« Unter jedem Dach ein Ach,
diese Erfahrung habe er als Kaplan gemacht. »Wollen
wir ständig die Fassade aufrechterhalten?«
Es gibt Menschen, die glauben, dass May sich
diese Ehrlichkeit und diese Freiheit auch für sich
selbst wünschte. Die ihn kannten, beschreiben May
als herzlichen Seelsorger, bodenständig, westerwäl-
derisch, überaus intelligent. Er fuhr gern Fahrrad,
ging joggen, spielte Tuba bei den Elbtal-Musikanten.
Seine Eltern seien stolz auf ihren Sohn im Priesteramt
gewesen. Allerdings sei seine liberale Wandlung hart
für sie gewesen, »es passte nicht ins Bild«.
Doch was ist mit den längst üblich gewordenen
Zölibatsverstößen? Mit neuen Initiativen wie­
#outinchurch? Sie ändern eben nicht alles. »Was uns
in der Kirche den Garaus macht, das ist die Heuche-
lei«, sagt der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz.
Zu Eltz ist einer der wenigen, die jetzt offen reden.
Ja, es stimme, dass May sich vor Wochen ratsuchend
an ihn wandte – wegen einer schriftlichen Stellung-
nahme gegenüber dem Bistum. Darin sei es jedoch
nicht um Missbrauch gegangen, sondern um »Grenz-
verletzungen«, die viele Jahre zurücklagen. Offenbar
kamen dann noch neuere, schwerere Vorwürfe hinzu.
Menschen, die Suizidgedanken haben und unter Depressionen leiden, finden bei der Telefonseelsorge online unter
www.telefonseelsorge.de oder unter den kostenlosen Hotlines 0800-111 01 11 und 0800-111 02 22 rund um die Uhr Hilfe
Es heißt, Betroffene würden nach Mays Suizid
psychologisch betreut. Und hinter den Kulissen dis-
kutiert die Bistumsleitung: Was lief falsch? Man
wollte­den Opfern gerecht werden, aber man will mit
hartem Durchgreifen auch aus der Kritik kommen.
Die Folge: Betroffene fühlen sich weiter ausgeliefert
den Verfahren. Beschuldigte stehen nun schnell am
Pranger. Zwar scheinen die Leitlinien plausibel:­
Sobald Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen,
informiert der Bischof die Staatsanwaltschaft. Wird
die tätig, ruht das kirchliche Verfahren. Sonst leitet
der Bischof eine Voruntersuchung ein. Stellt sich der
Vorwurf als falsch heraus, ist »alles zu tun, was die
entsprechende Person rehabilitiert«. – Doch wie
Rehabilitation funktioniert, sagen die Leitlinien nicht.
Es gibt Priester, die finden jetzt: May habe seine
Opfer zu Mördern gemacht. Es sei klerikalistisch und
wenig fromm, in den Tod zu flüchten vor der dro-
henden Entehrung und dem Verlust der Ämter.
Wie war May wirklich? Nach dem Studium an
der Frankfurter Hochschule Sankt Georgen und am
Germanicum in Rom promovierte er an der päpst-
lichen Universität Gregoriana. Im Jahr 2000 zum
Priester geweiht, wurde er Kaplan in Königstein,
Der Limburger Dom, Symbol einer
andauernden Kirchenkrise
Kronberg und Wiesbaden – wo die Betroffenen­
gelebt haben sollen. Bald war er Bezirksdekan und
Geistlicher Rektor. Seit 2018 Regens und Bischofs-
vikar, seit 2019 im Limburger Domkapitel. »Je weiter
man jedoch nach oben kommt, desto einsamer wird
man«, sagt ein Weggefährte.
Ob May schuldig war oder unschuldig, die eine
Frage bleibt: Wem hätte er sich anvertrauen können?
Nachdem die Missbrauchsaufklärung durch die
Kirche jahrzehntelang blockiert wurde, wird nun
untereinander denunziert, nicht selten bekriegen sich
kirchenpolitische Kontrahenten. Früher vertuschte
die Kirche, wenn sich Betroffene umbrachten. Jetzt
ist sie sprachlos, wenn ein mutmaßlicher Täter es tut.
Am Freitagnachmittag hängen schwarze Wolken
über der Stadt, aus denen kein Regen fällt. Touristen
schieben Fahrräder über das Kopfsteinpflaster. Am
Bischofsplatz sitzt eine 83 Jahre alte Limburgerin im
Café und sagt, der Hausmeister habe ihr vom toten
Domkapilar erzählt, heute morgen. Sonst wisse sie
nichts. Sie selbst sei streng gläubig. Aber das mit dem
Missbrauch trenne sie komplett ab »von unserem
Herrgott, ich sage immer: Was kann der denn für
sein Bodenpersonal?«
Der Weg zum Limburger Priesterseminar führt
von der Altstadt mit ihren mittelalterlichen, reich
verzierten Fachwerkhäusern über die Lahn, rechts
ragen die Türme des Doms in den Himmel, umgeben
von Bäumen. Die Straße führt steil bergauf. Das
Priesterseminar ist ein schlichter Bau aus den Drei-
ßigerjahren. Hier war May zu Hause. Auf dem Park-
platz stehen nur wenige Autos. Freitags, heißt es,
seien hier meist nur ein paar Köche, Ordensfrauen
und die ukrainischen Flüchtlinge. Das Gebäude dient
als Tagungs- und Gästehaus, seit die Priestersemina-
risten die Räume nur noch unregelmäßig für Semi-
nare nutzen. Doch wenigstens hier haben sie einen
Ort, um für den toten Regens zu beten.
An der Rezeption, unter einem hölzernen Jesus
am Kreuz, steht ein gerahmtes Porträt mit schwar-
zem Trauerband, Christof May, lächelnd, in Hemd
und Jackett. Eine Mitarbeiterin sagt, sie seien bis-
her noch nicht dazu gekommen ein Kondolenz-
buch auszulegen. Das Priesterseminar ist der ein-
zige Ort in der Stadt, an dem die Bewohner in
kirchlichem Rahmen um ihren verstorbenen
Domkapitular trauern können. Diesen Mittwoch,
eine Woche nach dem Selbstmord, soll in der
Stadtkirche ein Gottesdienst mit Bischof Bätzing
stattfinden. Noch unklar ist, wo May bestattet
wird. Bei den Domherren, wie es üblich wäre?
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Die Angst des Bistums ist jetzt, Betroffene zu
brüskieren. Dass Suizid keine kirchlich akzeptierte
Option ist, erst recht nicht bei einem Priester, spielt
in den Limburger Erwägungen bislang keine Rolle.
Auch die Gesprächspartner der ZEIT erwähnen es
nicht von sich aus. Was alle bewegt, dass sind diese
Lügen. Ein Kleriker sagt, er halte den heutigen Klerus
für eine Brutstätte der Unwahrhaftigkeit.
Dominik Becker, 38, arbeitet wieder als Rettungs-
assistent, seit er im Herbst vergangenen Jahres seine
Ausbildung zum Priester abgebrochen hat, weil er
mit seinem Partner zusammenleben wollte. Als der
Theologiestudent 2016 ins überdiözesane Priester-
seminar Sankt Georgen eintrat, waren sie 30 Schüler.
Inzwischen sind es nur noch halb so viele.
Wir treffen uns am vergangenen Wochenende in
Frankfurt. Becker will über die Spannung zwischen
Anspruch und Wirklichkeit sprechen, die mit dem
Priesteramt verbunden ist. Das ist ihm wichtig. Er
hat sich handschriftlich Notizen gemacht, hält ein
rotes Klemmbrett in den Händen. Er spricht über
die Hierarchie, die Abhängigkeitsverhältnisse und
den Umgang im Klerus untereinander. »Da verlernen
viele, ihr wahres Gesicht zu zeigen«, zumal das wahre­
Leben, gemessen am Anspruch, an einem Leben nach
dem Vorbild Jesu Christi, immer defizitär sei.
Laien begegneten Priestern auch heute mit
respekt­vollem Abstand, »da ist der heilige Mann ge-
fragt«. Und durch den Zölibat fehlten eben andere,
alltägliche Dimensionen von Nähe und Halt. Schaffe­
man es nicht, all diese Hürden zu überwinden, so
Becker, werde man unglücklich. »Ich bin der festen
Überzeugung, dass das das Problem von Christof
May war.« May war sein Regens. Er erlebte ihn beim
jährlichen Semestergespräch, über die Ostertage in
Limburg, bei gemeinsamen Ausflügen. »Man merkte­
ihm an, dass er sich nach Freundschaft sehnte.« Er sei
ein Kumpeltyp gewesen. »Aber aufgrund seiner
Stellung in der Hierarchie blieb immer eine Distanz.
Er entschied ja, ob wir uns zum Priestertum eignen.«
Becker sagt, May sei »ein bisschen schockiert«
gewesen, als er ihm mitteilte, dass er doch nicht
Priester werden wolle. Wieder einer weniger. »Wo
sollen die künftig herkommen?« Becker glaubt, der
Bischof wie der Regens hätten ihn auch dann zum
Priester geweiht, wenn er sich ihnen als homosexuell
offenbart hätte. Bitter für May sei der Vorwurf gewe-
sen, er sei schwulenfreundlich, um sich beliebt zu
machen. »Er hat gesehen, die Kirche muss sich ä­ ndern,
Vergangenen Sonntag bei der Messe
im Limburger Dom
um nicht in Bedeutungslosigkeit zu versinken.«
Noch ist sie nicht bedeutungslos. Noch erwarten
die Leute von der Kirche etwas.
Die Bänke im Limburger Dom sind am Sonntag
nach der Tragödie gut gefüllt. Durch bunte Kirchen-
fenster fällt das Morgenlicht in die hohen Hallen, als
Domkapitular Georg Franz zum Altar tritt. Der Per-
sonaldezernent war beim letzten Gespräch mit May
dabei. Über den Toten sagt er der Gemeinde nur
wenige Worte: »Mit in unser Gebet hinein nehmen
wir heute die bestürzende Nachricht der vergangenen
Woche, des Todes von Dr. Christof May. Als Dom-
kapitular hat er hier in unserem Dom gewirkt und
Gottesdienste gefeiert. Es ist gut, wenn wir uns mit
unseren Gedanken, mit unseren Gefühlen, mit dem,
was uns beschäftigt, Gott anvertrauen.« Dann singt
der Chor »Kyrie eleison«. Gut möglich, dass Georg
Franz nicht mehr sagen durfte. Aber warum predigte­
kein anderer, unbeteiligter Priester? Nach der Messe
wartet kein Seelsorger an der Domtür, um die Gottes-
dienstbesucher zu verabschieden. In kleinen Gruppen
stehen sie auf dem Platz, wie verloren.
Was bleibt von Christof May? Der fahle Bau
des Priesterseminars, wo er wohnte, liegt auf der
Anhöhe wie eine leere Hülle. Nur die eigenen
Schritte hallen in der großen Eingangshalle wider.
Nach Priesterschülern, die um ihren Lehrer trau-
ern, sucht man hier vergeblich. In Limburg, im
Haus des Regens, wohnt schon lange kein einziger
mehr von ihnen. Zwei Priester wurden Pfingsten-
geweiht. Für zwei Seminaristen in Frankfurt war
May zuletzt zuständig, außerdem für sechzig Seel-
sorger und Kapläne an anderen Ausbildungsstät-
ten des Bistums. Und zu Hause in Limburg diese
Leere. Man kann sagen, May lebte im Herzen der
Kirchenkrise. Zu große Häuser, zu wenige Leute.
Und am Ende fehlte auch noch die Hoffnung.
Mitarbeit: Wolfgang Thielmann
 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

D E C K
T
N

E
N
E

Singst du uns was, Bootsy Collins?

Montage: ZEIT-Grafik (verw. Bilder: ddp; Getty Images)

In der App Cameo kann man berühmte Leute für eine Glückwunsch-Nachricht buchen. Das könnte
das Ende der Starkultur sein – oder einfach das schönste Vergnügen seit der Erfindung des Blumenstraußes 
VON REBECCA CASATI
62 ENTDECKEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Während der Godfather of Funk für das Brautpaar dichtet,

ragt hinter ihm ein zwei Meter großer, aufblasbarer Hase auf

ox
il yC
in Em
ie ler
a usp
ie Sch
ße n: D
n grü
chö
st s
Läs

W
es noch viele Anrufbeantworter und Nummer, ein Versprechen, eine Aktie Eine perfekte Gelegenheit, das Gan- einem kleinen Reim verwebt, so ist
kaum Handys gab – ließen sich ohne sind – die Menschen umgeben sich ze einmal selbst durchzuspielen, kam, das vieles zugleich: erstaunlich, er-
Zögern oder große Nachfragen darauf gerne mit ihnen, sie freuen sich, wenn als ich wenig später ebenfalls auf einer mächtigend, rührend, komisch und
ein, ein kleines Sprüchlein ins Aufnah- ihr Name fällt, und sind bereit, für sie Hochzeit eingeladen war. Ich entschied ganz, ganz groß. Und auch so, als
megerät zu formulieren. Und so ergab Geld auszugeben. Der Kunde braucht mich, für das Brautpaar eine Botschaft habe man gleich mehrere Stufen zur
es sich, dass man irgendwo anrief und nicht mehr als einen Computer, ein der Funk-Legende Bootsy Collins zu Erkenntnis übersprungen.
eine wohlbekannte Stimme vom Anruf- PayPal-Konto oder eine Kreditkarte, bestellen. Nicht weil mir bekannt gewe- You will be on the one
beantworter sagen hörte: um für die Grußbotschaft der Stars zu sen wäre, dass die Eheleute eine beson- From this day on.
Hey. This is Keanu Reeves. Please bezahlen. dere Vorliebe für P-Funk-Musik gehabt Continue to keep
leave a message for Verena. In der Rubrik »Tiere« finden sich hätten; aber eine frühere Mitbewohne- The Funk Drive alive.
Oder: übrigens diverse Pfleger mit ihren rin hatte mir immer wieder davon vor- In diesen vier Zeilen Poplyrik-Bla
Hi, this is Johnny Cash. I’m very Zöglingen, und siehe da, das Quokka geschwärmt, dass Bootsy Collins ein ist ja eigentlich alles enthalten – die
Was habt ihr für ein Geschenk?«, frag- sorry, but Bernd can’t be on the phone ist tatsächlich glücklich, zumindest genialer Bassist und ein poetischer Spaß- spezifische Situation des Brautpaars
ten wir die netten neuen Nachbarn, right now. scheint es permanent zu grinsen, und vogel sei. Wie der Mad Hatter, der ver- und ihr Glück am Hochzeitstag, die
die anderntags zu einer Hochzeit­ 25 Jahre, eine galoppierende Digi- wer auf seine Bewerbungsfotos schaut, rückte Hutmacher in Lewis Carrolls inhaltliche Rückbindung an den Ab-
fahren wollten. Was bringt man neu- talisierung und eine Pandemie später tut es unwillkürlich auch. Alice im Wunderland, aber mit psyche- sender der Grußbotschaft, der nicht
erdings mit als Gast, und worüber ist aus der Spielerei die Shout-out- Doofe Frage: Welchen Anhaltspunkt delischen Jetztzeit-Botschaften à la: aufhören wird, den Funk am Leben
freuen sich Gastgeber derzeit, nach App Cameo entstanden. Ein Shout- gibt es eigentlich dafür, dass es sich bei »Die Leute kapieren nicht, dass die zu erhalten, aber auch meine Freude
zweieinhalb Jahren Menschenabsti- out ist in der Rap-Szene oder auch in den so beeindruckenden Namen auf Erde unser Raumschiff ist.« Und mit als Schenkerin, das sprichwörtliche
nenz, Zoom-Konferenzen und gele- den sozialen Medien ein anderer Aus- Cameo nicht um Fakes, also nicht um Insignien wie Plateaustiefeln, Sternen­ excite­ment.
gentlichem Small Talk hinter Masken druck für: lobende Erwähnung, An- Doppelgänger handelt? Die so nahelie- sonnenbrille sowie paillettenbesetztem Um hier einmal den großen Bogen
über Masken? erkennung, Glückwunsch. gende wie stichhaltige Antwort: Es muss Zylinder. zu schlagen: Das Konzept »Star«, die
»Drei digitale persönliche Gruß- Cameo ist eine in Chicago ansässi- doch davon ausgegangen werden, dass Einer wie er würde, so hoffte ich, in Illusion von Übermenschlichkeit, ent­
nachrichten«, sagten die Nachbarn. ge Plattform, bei der der Kunde sol- die Anwälte des ehemaligen Boxwelt- dem eher schnöden Medium Videobot- stand parallel zur Filmindustrie in der
»Eine von der Hip-Hop-Legende Fla- che Glückwünsche, aber auch alle meisters Evander Holyfield, des briti- schaft eine festliche Stimmung her- Stummfilmära, hat sich nun, gut
vor Flav. Eine von Bootsy Collins. möglichen anderen Botschaften be- schen Brexit-Politikers Nigel Farage (??!) stellen und rüberbringen können. Au- hundert Jahre später, in das genaue
Und dann noch eine von einem stellen kann; von Prominenten, die und der Motown-Legende Smokey ßerdem erschien es mir im Anblick der Gegenteil verkehrt – nicht die Un­
Quokka.« dort ihre Dienste anbieten. Robinson längst übernommen hätten, Cameo-Website irgendwie despektier- erreichbarkeit, sondern die allseitige
Von einem was? Und natürlich wurde die App, die würden mit ihren Klienten ohne deren lich, Dionne Warwick oder Chaka Verfügbarkeit, eine scheinbare Nähe,
»Das ist so eine Art Känguru, an- die Aura »genialer Einfall« und »zu Profit so viel öffentlicher Mehrwert Khan als Handpuppen zu benutzen. die Verbrüderung des Stars mit uns
geblich das glücklichste Tier der gut und zu simpel, um wahr zu sein« generiert und Geld verdient. Vor allem kosteten deren Grußbot- wenig spektakulär lebenden und
Welt ... Kennt ihr denn die Cameo- umweht, noch weit vor ihrem mess- 2020 verdiente die Cameo-App schaften 333, respektive 618 Euro, deutlich weniger bekannten Men-
App nicht? Da kann man all so was baren Erfolg als sehr vielversprechen- immerhin hundert Millionen Dollar während die von Bootsy Collins für gut schen ist die neue Währung, die ge-
bestellen.« des Geschäftsmodell gehandelt. Nach und übermittelte 1,3 Millionen Bot- gelaunte 69 Euro zu haben war. samte Sphäre ist demokratisiert und
Die Nachbarn sind sogenannte ihrer Gründung 2016 von einem schaften. Laut dem Annual Report von So registrierte ich mich, erstellte ein monetarisiert. Wenn man sich darauf
Gründer und als solche sicherlich ten- LinkedIn-Buchhalter, einem Sportler- Bloomberg war sie 2021 eine Milliarde Konto, füllte ein Formular aus, in dem einlässt.
denziell unbeeindruckt von den immer Agenten und einem Microsoft-Pro- Dollar wert. Nur zwanzig Prozent der ich mit maximal 250 Zeichen beschrei- Deshalb muss Bootsy Collins nicht
neuen Volten der Digitalisierung. Auch grammierer kürte das Time-Magazin Einkäufe wurden dabei außerhalb der ben durfte, was Bootsy Collins tun soll- mehr bei Interviews auf Empire-­
sind sie ziemlich jung und können dem- Cameo bereits im Jahr darauf zu einer USA getätigt: Für den europäischen te (gratulieren) und tippte in das dafür Couchen in Berliner oder Münchner
zufolge gar nicht wissen, wie man früher der »50 Most Genius Companies«. So und deutschen Markt schlummert da vorgesehene Feld Informationen über Hotels sitzen, sondern darf seine Bot-
an persönliche Grußnachrichten von richtig in Schwung kam sie aber erst also noch einiges an Wachstumspoten- das befreundete Brautpaar ein; ihre schaft in seinem Haus in Cincinnati,
Stars kam. Oder besser gesagt: dass man mit der Pandemie. Vielen freischaf- zial. Marketingstrategisch ist das Kon- Namen, wie sie heiraten würden, wo sie Ohio, verkünden. Genial.
gar nicht darankam. fenden Künstlern fehlte es an Auf- zept kaum zu schlagen, denn wo sonst sich kennengelernt hatten und was sie Wir wiederum können ihn und
Es sei denn, man arbeitete bei einer trittsmöglichkeiten, Einkommen bra- sind ein Produkt und seine PR iden- meiner Ansicht nach so besonders die anderen Stars bei Cameo gratulie-
Plattenfirma oder war Kulturjourna- chen weg, sie registrierten sich des- tisch? Die Grußbotschaften verbreiten machte. Ich bezahlte die Anfrage mit ren und bei OnlyFans schlüpfrig­
list. Dann wurde man, so ein Teil der halb bei der Plattform. Andersherum sich, so könnte man sagen, in einer Art PayPal und wurde dann angewiesen, bis posieren lassen. Bei Raya können wir
Arbeit, gelegentlich in ein anonymes fehlte in dieser Zeit vielen Fans der Endlosspiegelung, wie man sie früher zu sieben Tage Geduld aufzubringen. sie daten, und bei YouTube können
Luxushotel gebeten, wo man den Kontakt zu ihren Stars – bingo. einmal, in Zeiten der Prä-Digitalisie- Akzeptierte der Prominente die Anfrage, wir ihre Gerichtsprozesse verfolgen,
buzz erlebte, den Zirkus und die Auf- Eine ziemlich unglaubliche Zahl rung, höchstens mithilfe von zwei pa- würde ich einen Link für ein Video er- wie jüngst das Jahrhundert-Gemetzel
regung also, welchen persönliche As- von 40.000 Anbietern ist mittlerweile rallel aufgeklappten Allibert-Schrank- halten, das ich downloaden, für immer von Johnny Depp und Amber Heard.
sistenten, Manager und PR-Agenten auf Cameo gelistet, Sportler, Come- Türen erzielen konnte. Beispiel: behalten und nach Belieben teilen Wir können ihre Detox-Ärzte und
um berühmte Persönlichkeiten, die dians, Film- und Fernsehstars haben Michael Rapaport, amerikanischer könnte. Würde die Anfrage nicht ak- ihre nassauernden Hausfreunde ken-
gerade etwas zu promoten hatten­ sich da, sortiert nach Genre, eingefun- Charakterschauspieler und Cameo- zeptiert, gäbe es eine Rückerstattung. nenlernen, erfahren, wann sie welche
(einen neuen Film, ein neues Album), den, ihren Preis setzen sie selbst fest. Mitglied, wird von einem Klienten Pünktlich nach sieben Tagen war Drogen nehmen, wie viele Penthäuser
zu kreieren wissen. Man durfte für Manch verblasste Mythen sind darun- namens Aaron gebucht. Dieser will die E-Mail da. Und selbst der Anblick sie besitzen und wie sie welche Haus-
eine halbe Stunde gegenüber Jack ter, aber auch zahlreiche lebende Le- seiner Freundin einen Heiratsantrag eines Quokka hätte mich nicht fröh­ tiere in ihren Limousinen zu Rock-
Nicholson oder Johnny Depp auf ir- genden. Hipster wie Rufus Wain­ machen. Wie beauftragt, nimmt licher stimmen können als das Film- festivals karren lassen.
gendwelchen Stilmöbeln Platz neh- wright, aber auch der dauerbekiffte Rapaport­dazu ein kleines selbst ge- chen, das sich hinter dem angegebe- Einerseits sind Stars durch diese
men, besprach mit ihnen aktuelle Rapper Snoop Doggy Dogg. Der golf- drehtes Filmchen als Einleitung auf nen Link verbarg: digitalen Gamechanger eben gar nicht
Rollen oder ihre neuen Songs, stell- spielende Rocker Alice Cooper, Don (»Aaron, don’t fuck this up ...«). Der langhaarige, scheinbar alters- mehr Lichtjahre entfernt, wie ihr
te einige mehr oder weniger verbo­ Johnson aus Miami Vice sowie die Aaron bekommt das Filmchen lose und unendlich gütig wirkende Name suggeriert, zumal mittlerweile
Montage: ZEIT-Grafik (verw. Bilder: Stefan Klüter; Getty Images)

tene Fragen zu ihrem Privatleben, Schauspielerin Emily Cox, die man in und spielt es seiner Freundin auf sei- Bootsy Collins nimmt mit silberner auch ganz normale Menschen als In-
schwenkte kurz auf die Weltlage und Deutschland aus der Serie Jerks kennt. nem Handy vor, ehe er vor ihr auf die Jacke, Sternenkette, Sternensonnen- fluencer in ihren Stand erhoben wer-
fragte in der 28. Minute: Könnten Sie Fast vollzählig versammelt und unter Knie geht. Dabei lassen die beiden brille und prächtigem hohen Paillet- den. Andererseits: Ist die Nähe zu ih-
mir noch schnell irgendetwas für mei- dem Rubrum »Politische Kommenta- sich wiederum filmen. Und diesen ten-Zylinder direkt vor der Kamera nen allen nicht auch nur wieder eine
nen Anrufbeantworter aufsprechen? toren« bietet auch die zwielichtige Film teilen dann sowohl Aaron als Platz. Er sitzt in einem rot gestriche- perfekte Simulation?
Tatsächlich, und das ist erst mal eine Trump-Truppe ihre Nachrichtendiens- auch Aarons Freundin wie auch der nen Kabäuschen, wahrscheinlich bei Mit den Möglichkeiten wächst
überraschende Tatsache, sind viele te an: von Rudy Giuliani (309 Euro) Schauspieler Michael Rapaport mit ihm zu Hause, in seinem Anwesen in jedenfalls der Unglaube. Mein Braut-
Hollywoodstars überrumpel- oder auch und Roger Stone (95 Euro) über An- ihren jeweiligen Communitys auf Ohio. Und wenn er, der Godfather of paar nämlich hielt Bootsy Collins,
anknipsbar für alberne Späße. Die all- thony Scaramucci (54 Euro) bis hin Cameo, Instagram und allen mögli- Funk, das Brautpaar grüßt, während mit seiner Sternenbrille, mit den
gegenwärtige Personal-Pufferzone lässt zum Sohn des Ex-Präsidenten Trump, chen anderen digitalen Kanälen. direkt hinter ihm ein zwei Meter gro- Brillantringen und dem sanften
ihren Selbstschutz-Instinkt erlahmen, Donald Trump jr. (475 Euro). »Sie hat den Antrag übrigens an- ßer, bunter, aufblasbarer Hase auf- Singsang, im Endeffekt für eine ver-
während ihr show pony-Komplex doch Eine erst mal ultimativ wirr und genommen«, twittert Michael Rapa- ragt, und wenn er seine beringten gnügliche Fälschung. Was man ent-
stets derselbe bleibt; zumindest war es beliebig wirkende Mischung von Stars port dazu. Da ist sein Honorar von Finger leise aneinanderklackern lässt, täuschend finden kann. Aber, wenn
damals so, und viele der Künstler – wir also. Sie alle eint nur, dass sie im­ 189 Dollar, abzüglich der 25 Prozent während er die ihm soufflierte Ken- man einmal kurz drüber nachdenkt,
schrieben die mittleren 1990er-Jahre, als Genre der Prominenz eine gut laufende für Cameo, doch sogar bescheiden. nenlerngeschichte meiner Freunde zu auch für den größtmöglichen Erfolg.
 ENTDECKEN 63

RICHTIG GUTE LEUTE

Francesco Giammarco entdeckt:

Den intellektuellen Kopfstoß
Mit dem Schädel zuzuschlagen, gilt als prollig – hat unter Geistesgrößen aber Tradition

N
eulich wurde ich daran
erinnert, dass im No-
vember eine Fußball-
WM in Katar beginnen
soll. Ich las, dass zu
diesem Anlass eine berühmte Statue
in Doha ausgestellt werden würde, ein
Werk mit dem schönen Namen Coup
de ­tête. Es zeigt den Moment, in dem
Er ist so brutal wie simpel: Man zielt
mit dem über den Augen liegenden
Bereich des eigenen Kopfes auf den
unter den Augen liegenden Bereich des
anderen. Wenn man beides nicht mit­
ein­an­der verwechselt, erreicht man den
gewünschten Effekt.
Der Kopfstoß hat eine animalische
Qualität. Kaum ein Tier kämpft ja mit
Unter den Menschen kommt das
aggressive An­ein­an­der­schie­ben von
Köpfen ebenfalls oft dort vor, wo sie
mit­ein­an­der in Wettstreit treten: im
Sport. Konkurriert wird dabei nicht um
­Frauen, sondern um Siege; ich nehme
an, die sind genauso gut.
Da viele Profisportler aus sogenann-
ten einfachen Verhältnissen kommen

Foto: Tereza Mundilova für DIE ZEIT

der (metaphorisch) große Fußballer
Ziné­dine Zi­dane den (wörtlich) gro-
ßen Fußballer Marco Materazzi im
Finale der WM 2006 per Kopfstoß
gegen das Brustbein umhaute. Zi­dane
flog deswegen im letzten Spiel seiner
Karriere mit Roter Karte vom Platz,
Frankreich verlor, es war ein unsterb-
licher Sportmoment.
Dass die Statue jetzt in Katar ge-
zeigt wird, ist auch deshalb interes-
sant, weil sie dort vor Jahren schon
mal stand, aber abgebaut wurde: Sie
galt in dem streng muslimischen
Land als Götzen­ verehrung. Außer-
dem fanden einige Leute, sie verherr-
liche Gewalt.
Mit dem zweiten Punkt kann ich
was anfangen. Der Kopfstoß ist unter
den vielfältigen Weisen, auf die Men-
schen ein­an­der wehtun, besonders­
erschreckend. In den meisten Kampf-
sportarten ist der head butt – manchmal
auch Glasgow kiss genannt – verboten.
seinen Armen. Unsere Cousins, die
Affen, fallen mir höchstens ein. Und
natürlich die Kängurus. Der Großteil
der Tierwelt aber ist dazu verdammt,
alle vier Extremitäten zum Laufen zu
benötigen. Da bleibt kaum anderes
übrig, als den Kopf als Waffe zu ver-
wenden. Es hilft, wenn Zähne heraus-
ragen oder Knochen aus dem Schädel
wachsen. Das nennt man Geweih.
Das Rotwild etwa ist eigentlich
eine friedliche Spezies, bis im Herbst
die Paarungszeit beginnt. Dann
Internet sehen. Mailer ist aggressiv,
schwellen die Hoden der Männchen
auf das drei­fache Gewicht an, ihre
Geweihe wachsen, und sie be­ginnen,
um Weibchen zu konkurrieren, in-
dem sie ihre Köpfe gegeneinander-
stoßen. Es gewinnen meist die Hir-
sche mit der stärkeren Nackenmus-
kulatur. Wie beim Menschen ist auch
in der Tierwelt ein dicker Nacken
Merkmal eines Individuums, mit
dem man sich nicht prügeln sollte.
– wie auch Zi­dane –, hängt dem Kopf-
stoß ein prolliges ­Image an. Dabei
findet man ihn auch in intellektuellen
Kreisen. Zumindest der US-Großautor
Norman Mailer war bekannt dafür,
Kopfstöße zu verteilen. Etwa an seinen
Kollegen Gore Vidal. Weil der schlecht
über Mailer geschrieben hatte, stieß
Mailer ihm mit dem Schädel ins Ge-
sicht – wenige Minuten, bevor beide
zusammen in einer Talkshow auftraten.
Man kann die Sendung heute im
In dieser Woche freuen wir uns über: Lars Kraume
wahrscheinlich betrunken und schafft
es, alle Gäste und das ganze Publikum Ich erinnere mich noch so gut daran, wie ich nachts um drei Erst kriege ich Panik bei der Vorstellung, was einem jungen
zu beleidigen. Immer wieder besteht er mit einem Baby auf dem Arm durch die Wohnung lief und Menschen nachts alles zustoßen kann, dann trifft mich die
auf seiner intellektuellen Größe, bis der alles nach neuem Leben roch. Jetzt ist dieses Baby 16 Jahre alt Depression aus einer ganz anderen Ecke: Was ist eigentlich mit
Moderator ihm anbietet, zwei weitere – der Junge will Gas geben, er hat gecheckt, dass es in Berlin meinem Partyleben? Es vermischen sich hier zwei Dinge – die
Stühle für seinen großen Intellekt zu wahnsinnig viele Möglichkeiten gibt auszugehen. Mein größ- Angst um das eigene Kind und der Schmerz über die eigene
holen. Das Publikum lacht, am Ende ter Horror sind Schlägereien. Mein Sohn ist total gewaltfrei verblassende Jugend. Gleichzeitig weiß ich: Das Kind rauszu-
schleicht Mailer beleidigt von der aufgewachsen, aber in Berlin gibt es eine Menge Teenager, die werfen ist sauwichtig. Wenn du dem Jungen nicht das Gefühl
Bühne. Ein schönes Beispiel dafür, dass das für eine geile Idee halten, sich gegenseitig aufs Maul zu gibst: »Geh raus, gleich ums Eck liegt das Abenteuer«, wird er
man seinen Schädel schon auch noch hauen. Ich erkläre Karl deshalb immer wieder, dass er nicht nie erwachsen. Als Eltern musst du auch mal Gelegenheit­
anders benutzen kann. jedem Deppen beweisen muss, dass er stärker oder mutiger ist. haben zu sagen: »Ich find’s richtig bescheuert, was du da machst.«

Hier entdecken jede Woche im Wechsel: Francesco Giammarco, Lars Kraume, 49, ist Regisseur. Zuletzt lief von ihm die Serie »Furia« im ZDF. Derzeit arbeitet er an einem Kinofilm über die
Alard von Kittlitz und Anna Mayr deutsche Kolonialgeschichte. Protokoll: Carolin Würfel

ANZEIGE

FASZINATION
VERBRECHEN
Echte Kriminalfälle
Warum wird ein Mensch zum Mörder? Steckt in
jedem von uns kriminelle Energie? Wie geht das
Leben nach einem traumatischen Erlebnis weiter?
ZEIT VERBRECHEN holt echte Kriminalfälle ins
Hier und Jetzt. Und blickt auf die Menschen und
ihre Motive hinter den Taten.

Sichern Sie sich ein ganzes Jahr ZEIT VERBRECHEN

zum Vorteilspreis von nur 7 € pro Ausgabe und
sparen Sie über 6 %!
Das Magazin
zum Podcast
Jetzt bestellen:
www.zeit.de/abo-verbrechen
040/42 23 70 70*
*Bitte die Bestellnummer 2063866 angeben.

111506_ANZ_371x250_X4_ONP26 1 07.06.22 15:52

64
»Er rief mich alle 48 Stunden an
und sagte: Ich bin am Leben«
Sie sind mit ihren Kindern aus der Ukraine geflohen, ihre Männer mussten bleiben. Ein Gespräch über die derzeit schwierigste Fernbeziehung der Welt
In einem georgischen Restaurant in ­
Berlin-Schöneberg treffen sich vier Frauen. Wir
wollen über ihre Ehemänner reden, die die
Ukraine nicht verlassen durften. Wie geht es
ihnen und ihren Männern? Und wie geht es
nun weiter? Anna, 31, beschließt, noch bevor
wir ­anfangen, dass es emotional zu viel ist, und
setzt sich mit ihrer fünf Jahre alten Tochter an
einen Nebentisch. Ihre Schwester Oksana Sko-
romna, 39, vor e­ inigen Monaten noch Lehrerin
an einer Schule in Kiew, bleibt dabei. Sie hat
eine 17-jährige Tochter, alle zusammen sind sie
in Leipzig untergekommen. Darina, 31, lebte
mit Mann und zwei Söhnen in Tschernihiw im
Norden der Ukraine. Jetzt ist sie mit ihren
Kindern und einem Neffen im Wedding. Um
ihren Mann, der als Soldat an der Front ist,
nicht zu gefährden, nennen wir ihren Nach­
namen hier nicht. Irina Lazer, 39, ist Sängerin
und Schauspielerin und tourt schon mit ihrem
Programm durch Deutschland. Sie ist Mutter
einer vierjährigen Tochter und lebte in ­
Hostomel, einen Steinwurf von Bu­tscha ­entfernt.
Jenem Ort, der wie kein anderer für russische
Unmenschlichkeit in diesem Krieg steht.
DIE ZEIT: Oksana, Darina, Irina, wollen Sie
uns von Ihren Männern erzählen?
Darina: Mein Mann Sascha und ich, wir kennen
uns seit dem Kindergarten. Wir sind zusammen
zur Schule gegangen. Zwischendurch haben sich
unsere Wege getrennt. Doch wir fanden immer
wieder zu­ein­an­der zurück. Verheiratet sind wir
seit zehn Jahren. Acht davon ist er nun an der
Front. Sascha meldete sich schon 2014 freiwillig,
um im Donbass zu kämpfen. Für uns ist also
schon seit acht Jahren Krieg. Er war in Luhansk
und wurde im September 2014 schwer verwun­
det. Seine Ansichten änderten sich dadurch
nicht. Sascha ging zurück an die Front, um die
Ukraine zu verteidigen. Und sagte, er könne seine
Kameraden nicht im Stich lassen. So einen patrio­
tischen Ehemann habe ich.
ZEIT: Was hat Ihr Mann vor dem Krieg ge­
macht?
Darina: Er arbeitete in einer Fabrik, die Geräte
für Kinderspielplätze herstellte.
ZEIT: Und was für ein Mensch war er damals?
Darina: Wir waren Anfang zwanzig, als der
Krieg begann. Wir liebten es, Rad zu fahren,
auszugehen, Spaß zu haben. Er war eine Froh­
natur. Der Krieg hat ihn sehr viel ernster ge­
macht. Ein Freund ist an der Front gestorben.
Andere wurden wie er verwundet.
ZEIT: Welche Verwundung hat Ihr Mann er­
litten?
Darina: Ein Schädeltrauma. Außerdem steck­
ten Glassplitter tief in seinem Kopf.
ZEIT: Und wie hat sich Sascha bei Ihrem ersten
Treffen im Kindergarten benommen?
Darina: (hell lachend, erfreut über diese etwas­
alberne Frage) Passabel!
ZEIT: Irina, wie haben Sie Ihren Mann kennen­
gelernt?
Irina: Nach meinem ersten Konzert überhaupt,
in Odessa, wurde ich für einen Auftritt nach
Dnipropetrowsk eingeladen. Und mein zukünf­
tiger Gatte, Taras, schrieb mir: Kann ich ein In­
terview mit Ihnen führen? Ich habe Ihre Musik
gehört ... Wir trafen uns mittags im Park, er mit
seiner Kamera und Mikrofon. Irgendwo läuteten
prophetische Hochzeitsglocken und machten die
Aufnahmen eigentlich unbrauchbar. Abends war
dann das Konzert, und Taras kam als Einziger.
Außer ihm war niemand da. Nur die Frau, die
mich eingeladen hatte, und ihr Kameramann.
Ich habe ihm dann das Konzert gesungen. Selt­
samerweise waren danach alle Restaurants ge­
schlossen, und so hat er mich zu sich nach Hause
auf Pelmeni eingeladen. Und als ich mich auf der
Toilette umzog, habe ich einen Ohrring verloren.
Er hat ihn später gefunden und musste ihn mir
selbstverständlich zurückbringen.
ZEIT: Selbstverständlich.
Irina: Zwei Jahre später haben wir geheiratet.
Und nun haben wir eine wunderbare Tochter.
Ich dachte damals, er sei Journalist, aber er ist
auch Philologe und schrieb seine Doktorarbeit.
Und er ist ein Musiker, der drei Instrumente be­
herrscht. Und Dokumentar­filmer. Mein Mann
entwickelt sich einfach immer weiter.
Oksana: Mein Mann heißt auch Sascha. Wir
leben seit 18 Jahren zusammen. Mein Sascha ist
neun Jahre älter als ich. Er ist ein ruhiger, reifer
Mann von bald 50 Jahren. Vergangenen Herbst
erfuhr er, dass er Diabetes hat. Danach musste er
sich etwas zurücknehmen, obwohl er auch gern
mit Freunden um die Häuser zog. Aber nun ha­
ben wir andere Probleme: Insulinmangel, Hun­
ger. Sascha arbeitet in einer Bank, als eine Art
IT-Spezialist. In seinem Alter und als Diabetiker
kann mein Mann kaum an der Front helfen.
Dennoch ließ man ihn nicht aus dem Land. Die
Leute müssen ja an ihr Geld kommen, gerade in
einer so kritischen Lage. Er ist weiter ins Büro
gefahren, als drum herum schon ­ ordentlich­
geschossen wurde. Wir haben überlegt, in Kiew
auszuharren. Aber ich merkte nach sehr kurzer
Zeit, dass mir die Kraft fehlt, das auszuhalten.
Mit dem Auto sind wir gemeinsam ins Landes­
innere gefahren, da haben wir eine Datscha. Wir
blieben drei Tage, bis ich begriff, dass ich mich
ENTDECKEN
Darina, 31, kennt den
Krieg seit acht Jahren.
Ihr Mann kämpfte
schon im Donbass
Irina, 39, lernte ihren
Mann bei ihrem ersten
Konzert kennen. Er war
ihr einziger Zuhörer
entscheiden muss, zwischen Kind und Mann.
Meine Schwester bat mich, sie mitzunehmen.
Sascha ist mit seinem Vater geblieben.
ZEIT: Wie hat Sascha reagiert, als Sie sagten,
ich fahre mit der Tochter weg?
Oksana: Wie ein Mann. Er sagte: Fahrt. Du
musst es tun, für das Kind. Danach habe ich
drei Stunden durchgeweint.
ZEIT: Irina, wie hat Ihr Mann reagiert, als fest­
stand, dass Sie mit Ihrer Tochter wegfahren?
Wie fühlten Sie sich?
Irina: Am Tag nach unserer Flucht wurden
schon Autos beschossen, schwere Artillerie kam
nach Hostomel. Die Russen, die sich aus den
Hubschraubern abseilten, liefen zwischen unse­
ren Häusern umher. Nachbarn wurden erschos­
sen. Da fuhr mein Mann uns alle zum Glück
schon in den Westen der Ukraine, in eine Stadt
Namens Sniatyn. Andere mussten bis Anfang
März ausharren, Schnee trinken, hungern. Erst
dann wurde ein richtiger Fluchtkorridor einge­
richtet. Wir blieben bis zum 5. März in Sniatyn,
dann brachte Taras uns zum Busbahnhof in
Lwiw und bestand darauf, dass wir ins sichere
Deutschland gehen. Es war eine schwere, aber
gemeinsame Entscheidung. Taras hat in Lwiw
dreimal versucht, sich freiwillig zum Militär­
dienst zu melden. Die Stadt beschloss aber, dass
er als Professor besser russische Kriegsverbrechen
dokumentieren sollte. Mit ankommenden Ge­
flohenen sprechen, Dokumente studieren, für
internationale Journalisten übersetzen. Wir fuh­
ren also, und er versprach mir, in Lwiw zu blei­
ben. Das half.
Darina: Mein Mann wurde gleich am 25. Fe­
bruar eingezogen. Er fuhr nach Kiew, und seit­
dem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Sie wur­
den zu logistischen Einsätzen durch das ganze
Land gefahren, Schützengräben ausheben und
Ähnliches. Wohin genau, weiß ich nicht. Ich
war in Tschernihiw, das wurde dann auch sehr
bald bombardiert. Die Russen haben versucht,
den Fernsehturm zu treffen, stattdessen trafen
sie den Kindergarten meines Sohnes. Ständig
feuerte die Artillerie.
Irina: Unser Kindergarten wurde auch zer­
bombt.
ZEIT: Was haben Sie gedacht und gefühlt, als
Sie zum ersten Mal hörten, dass Männer nicht
über die Grenze dürfen?
Irina: Das waren sehr widersprüchliche Gefüh­
le. Auf der einen Seite bist du um deine eigene
Welt besorgt. Mann und Kind, die Familie.
Nach unserer Hochzeit gab es nur eine einzige
Woche, in der wir getrennt waren. Als dann das
Gesetz kam, sagte er: Du verstehst doch, dass
»Wären nicht die Kinder,
ich wäre nicht gefahren«
ich nicht fahren würde, selbst wenn man mich
ließe. Damit endete diese Diskussion, ohne je
zu beginnen. Ich könnte mir das nicht verzei­
hen, sagte er. Nicht damit leben. Meinem Kind
nicht in die Augen sehen.
Oksana: (zum Reporter gewendet) Sie können
sich das nicht vorstellen. Das ist Krieg. Auch
mein Mann und sein alter Vater sagten: Wir
fahren nirgendwohin. Mein Mann und ich­
hatten vorher mal überlegt, gemeinsam nach
Deutschland zu gehen, damit er hier medizi­
nisch behandelt wird. Jetzt möchte ich nur noch
in Kiew leben. Es ist die großartigste Stadt der
Welt. Wenn der Krieg beginnt, wird alles plötz­
lich viel eindeutiger.
Irina: Die Werte werden andere.
Oksana: Und Frauen verstehen dann, dass
Männer bleiben müssen.
Irina: Ich realisierte, dass ich fahren muss. Mit
einer Klarheit, Ruhe, einer Vernunft, wie ich sie
noch nie hatte. Erst nach Tagen im Westen der
Ukraine habe ich zum ersten Mal geweint. Als
es niemand sah und das Kind nicht bei mir war.
Ich musste mich in Lwiw registrieren. Zuvor
waren wir bei Verwandten, recht abgeschieden.
Aber nun in dieser Stadt sah ich, wie das Leben
einfach weiter­geht. Die Leute gingen shoppen.
ZEIT: Haben Sie Ihrem Mann erzählt, dass aus­
gerechnet dieser Alltag Sie emotional so umge­
worfen hat?
Irina: Ja. Und ich erzähle es ihm immer noch.
Weil ich einfach nicht begreife, dass die Welt
nicht stehen geblieben ist. Er sagt, dass das Leben
nun eben ein anderes ist. Und dass wir tun müs­
sen, was wir tun können.
Darina: (zu Irina) So gut, dass Sie rechtzeitig
von dort geflohen sind.
Irina: Ich denke jeden Tag an diese Fahrt. Jetzt
singe ich hier, trete auf, demonstriere und gebe
Interviews. Versuche, der russischen Propaganda,
dem In­for­ma­tions­krieg, entgegenzutreten. Tue,
was ich kann.
ZEIT: Wie halten Sie zu Ihren Männern Kon­
takt?
Darina: Gerade ist mein Mann nach Tscherni­
hiw zurückgekehrt. Unsere Wohnung liegt in
einer Art Militärsiedlung. Und ich hatte große
Angst, dass die besonders häufig angegriffen
wird. Aber sie steht noch. Gott sei Dank haben
wir nun wieder Kontakt. Als er mit seinem
Trupp durch die Ukraine fuhr, rief er mich alle
48 Stunden an und sagte kurz: Ich bin am­
Leben. Jetzt videochatten wir meist. Manchmal
frühstücken wir zusammen am Bildschirm.
Meist drehen sich die Gespräche um die Kinder.
Er vermisst sie sehr. Die Themen Krieg und
15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25
Fotos: Paulina Hildesheim für DIE ZEIT (3); kl. Fotos: privat (3)
Politik lassen wir aus. Er ist Soldat, er darf mir
nichts erzählen. Ich frage auch nicht, ich möch­
te ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.
ZEIT: Erzählen Sie ihm von Ihren Schwierig­
keiten hier?
Darina: Natürlich. Ja. Ich weiß nicht. Der Stress
war natürlich gewaltig. Zu Hause blieb keine
Zeit zum Traurigsein. Geweint habe ich erst in
Berlin, als das Leben ruhiger wurde. So wie Irina.
ZEIT: Reden Sie über die Zukunft?
Darina: Ja. Ich möchte so sehr nach Hause, zu
ihm. (sie schweigt eine Weile) Wären nicht die
Kinder, ich wäre nicht gefahren. In der Ukraine
habe ich mich als Freiwillige engagiert, habe
Medikamente an die Soldaten verteilt. Allein
wäre ich dort zurechtgekommen. Aber die drei
Jungs, sie können nicht im Krieg aufwachsen.
ZEIT: Und haben Ihre Gespräche inzwischen
so etwas wie eine Normalität?
Darina: Nein. Ich will ihn endlich in echt wie­
der­sehen. Darüber reden wir meistens, dass
dieser Albtraum endlich vorbei sein soll.
ZEIT: Oksana, wie verlaufen die Gespräche mit
Ihrem Mann? Sie haben ihn kürzlich sogar in
der Ukraine besucht.
Oksana: Ja, wir beide hatten ausgemacht, dass
ich im Mai wiederkommen und ihn besuchen
würde. Ich würde hier alle Fragen mit der Regis­
trierung regeln, und unsere Tochter sollte ihr
Examen im Deutsch-Sprachkurs am 25. Mai
ablegen. Aber es kam anders, und ich fuhr frü­
her. Er war mit dem Vater auf dem Land und
brauchte Medikamente. Er kam dort aber nicht
weg. Ich habe also beschlossen, ihnen das Auto
zu bringen. Damit wir nach Kiew können, wo es
Medikamente gab. Drei Tage dauerte diese
schreckliche Fahrt. Am ersten Tag saß ich sech­
zehn Stunden am Steuer. An den anderen acht.
Unterwegs fuhren russische Truppen an mir
vorbei, ich sah ausgebrannte Wracks. Unser
Wiedersehen war dann – na ja, wir waren sehr
froh, aber leider nicht allein. Sascha zeigt seine
Emotionen nicht gern vor anderen Leuten. Wir
fuhren noch am selben Tag in unsere alte Woh­
nung in Kiew und verbrachten sieben gemein­
same Tage. Das waren die wunderbarsten sieben
Tage der vergangenen drei Monate. Zurück bin
ich dann mit dem Zug. Das Verabschieden war
etwas leichter als beim ersten Mal. Beim ersten
Mal spürte ich, dass er denkt, dass ich für sehr,
sehr lange Zeit weggehe. Aber ich bin eine sehr
zielstrebige Frau. Ich habe dir gesagt, dass ich
zurückkomme, und ich bin zurückgekommen.
Das Kind musste ich übrigens mitnehmen. Ich
wollte sie hierlassen. Aber sie hat mir erklärt:
Mama, ich bin 17 und habe 500 Euro gespart –
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
»In 18 Jahren waren wir
nur einen Tag getrennt«
wenn du mich nicht mitnimmst, fahre ich selbst
zu Papa.
ZEIT: Und in der Zwischenzeit? Wie sieht Ihre
Fernbeziehung aus?
Oksana: Zu Beginn rief ich jede Stunde an.
Weil es mir sehr schlecht ging. Und es mir so
wichtig war, ihn zu hören. Audio und Video.
Jetzt vielleicht zweimal täglich. Morgens und
abends. Wenn ich nun anrufe, ist er manchmal
zu beschäftigt mit Arbeit. Und mich freut es,
dass er beschäftigt ist. Dass er nicht dasitzt und
sich den ganzen Tag von den Nachrichten ver-
rückt machen lässt. Wir sprechen auch viel
über unsere Datscha. Träumen davon, wie wir
dorthin zurückkehren. Diesen Sommer schon.
Ach, und nach seinem Blutzucker frage ich oft.
Ob er auch ja das Süßzeug weglässt.
ZEIT: Und, ernährt sich Ihr Mann vernünftig
ohne Sie?
Oksana: Natürlich nicht! (alle lachen kurz auf
und wirken danach noch etwas trauriger) Aber
ich bin etwas milder, unter den gegebenen Um-
ständen. Soll er essen, was er essen will. Meine
Tochter, die hat eine furchtbare Depression von
alldem. Ich muss sie hier stützen.
ZEIT: Irina, Ihr Gatte hatte Ihnen ja verspro-
chen, in den halbwegs sicheren Gebieten zu
bleiben. Aber in Wahrheit ...
Irina: In Wahrheit ist er sofort nach Kiew ge-
fahren. Und dann weiter nach Borodjanka,­
Irpin, Hostomel – all diese Orte um Kiew, in
denen es heftige Angriffe gab. Gleich nachdem
die Russen aus Bu­tscha abgezogen waren, als nur
Journalisten reingelassen wurden, reiste er auch
dorthin, um russische Kriegsverbrechen zu do-
kumentieren. Als unser Nachbar von den Russen
erschossen wurde, er war wieder vor die Tür ge-
gangen, um anderen Nachbarn zu helfen, filmte
mein Mann das. Auch die Gesichter der betei-
ligten russischen Soldaten. Mit diesen Aufnah-
men kontaktierte er dann die ukrainischen Er-
mittler. Nach Bu­tscha hat sich Taras zum ersten
Mal seit Kriegsbeginn einen Tag freigenommen.
Er fuhr zu seiner Schwester und legte sich hin.
Zu mir sagte er: Ich kann einfach gar nicht mehr.
Ich verstehe nicht mehr, wofür irgendetwas gut
sein soll. Nun arbeitet er mit unseren Ermittlern
zusammen. Filmt. Identifiziert Leichen. Das ist
die letzte sinnvolle Arbeit, die er noch sieht.
ZEIT: Sie wussten lange nichts von dieser Ar-
beit.
Irina: Dass er das alles macht, gestand er mir
Anfang April in einer Sprachnachricht. Sagte,
dass er es nicht länger mit seinem Gewissen ver-
einbaren könne, so ein Geheimnis vor mir zu
haben. In den Wochen zuvor wimmelte er mich
ENTDECKEN
Oksana, 39, hat ihren
Mann kürzlich in der
Ukraine besucht. Sie
brachte ihm das Auto
ANZEIGE
ständig ab, meinte, er könne gerade nicht spre-
chen. Und da er auch früher oft von morgens
bis abends arbeitete, wunderte ich mich nicht zu
sehr. Das kam erst, als er gar nicht mehr ran-
ging. Weil er unter Beschuss nach Kiew gereist
war oder ohne Licht in Kellern hockte. Wie ich
nun erfuhr. Auf Telegram hat Taras eine Art di-
gitales Tagebuch angelegt. In der Gruppe lasen
davor schon seine Schwester, unser Nachbar
und zwei Schulfreunde mit. Ich war nun die
Fünfte. Und scrollte in einer Stunde durch all
seine Wochen, Gefühle, sein ganzes Seelenleben.
Seine Zweifel, ob das Leben einen Sinn hat. Ich
weinte und verstand doch, dass es sinnlos ist,
weil ich über bereits Vergangenes weinte.
ZEIT: Sie haben Ihrem Mann also keine Vor-
würfe gemacht, dass er Ihnen all das verschwie-
gen hatte?
Irina: Natürlich nicht. Also ich habe ihm schon
gesagt, dass er früher hätte ehrlich sein sollen.
Weil ich sowieso gespürt habe, dass da etwas
nicht stimmt. Bu­tscha war einfach zu viel.
Allen am Tisch steigen kurz Tränen in die Augen.
Ausgerechnet jetzt kommt das Essen. Die Kellne-
rin bringt Chachipuri, georgische Pizza mit un-
glaublich viel Käse. Sie bleibt erst einmal unange-
tastet stehen.
ZEIT: Haben Sie Angst, dass diese Schrecken
Ihren Mann so sehr verändern, dass Sie ihn
vielleicht nicht mehr wie­der­erkennen?
Irina: Ja, ich habe sehr große Angst davor. Aber
ich möchte nicht darüber nachdenken. Keiner
von uns weiß, wie unsere Psyche in einem­
Monat aussieht.
ZEIT: Darina, Sie haben schon nach den ers-
ten Jahren im Krieg im Donbass gesagt, dass
Sascha nicht mehr der Mann sei, den Sie gehei-
ratet haben.
Darina: 2015 verschwand Sascha in einem
Schacht. Von Russen eingekesselt. Dort haben
sie sich eine Weile versteckt gehalten. Keine
Nachricht. Es schien viel zu gefährlich, im be-
setzten Gebiet nach ihm zu suchen. Ich bin
dann selbst in den Donbass gefahren und habe
die Generale bekniet. Gott sei Dank haben sie
mich erhört, wir fanden ihn. Danach war er ein
anderer. Was genau im Schacht vorgefallen ist,
das weiß ich nicht.
Oksana: Mein Mann ist eigentlich ziemlich
stressresistent. Natürlich geht das alles nicht
spurlos an ihm vorüber. Zum Glück hat seine
Arbeit nicht so sehr mit dem Krieg zu tun. Aber
unser Verhältnis hat sich etwas gewandelt: Er
hat nun sehr große Angst, die Familie zu verlie-
ren. Als ich da war, sah ich, wie er jede ­Sekunde
wertschätzt, die ich an seiner Seite bin.
111517_ANZ_220x220_X4_ONP26 1
ZEIT: Gab es auch Momente, in denen Ihre
Männer Ihnen das ungute Gefühl gaben, sie­
zurückgelassen zu haben?
Oksana: Darüber kann ich nicht reden. Hinter
mir sitzt ein Mensch (sie deutet auf ihre Schwester
Anna), der in genau so einer Situation steckt.
(Anna hat die Frage mitbekommen, ihr Unterkiefer
bebt) Bei Sascha und mir war das nicht der Fall.
Aber das gibt es. Besonders in Regionen, in­
denen es relativ friedlich geblieben ist. Da fragen
manche Männer: Warum bist du gegangen?
Darina: Mein Mann und ich trennen uns seit
2014 immer wieder wegen des Krieges. Ich habe
ihm daher im Scherz gesagt: Ich habe so viele
Jahre auf dich gewartet – jetzt warte du einmal
auf mich. Aber ja, ich habe eine Bekannte aus
Tschernihiw, zu ihr hat der Mann tatsächlich
gesagt: Los, komm jetzt zurück.
Irina: Aber wohin zurück? Hostomel ist sehr stark
zerstört. Die Wohnung neben uns ist Schutt.­
Unsere steht da, als wäre nichts gewesen. Mein
Mann hat mir die Fotos geschickt. Ich kann mir
einfach nicht vorstellen, wie meine Tochter zu-
rückkehrt und all das Grauen sieht. Wie soll man
das denn einem Kind erklären? Ich habe sie ein-
mal auf den Diwan gesetzt und gesagt: Hannusya,
du musst jetzt sehr genau auf Mama, Papa und
den Onkel Präsident hören. Weil der Krieg be-
gonnen hat und Russland die Ukraine angegriffen
hat. Wenn wir jetzt nicht vernünftig sind, könn-
ten wir sterben. Das habe ich ihr Wort für Wort,
eingeflößt. Sie hat sehr genau zugehört. Ich habe
gesehen, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten –
und wie die Tränen wieder verschwanden. Seit-
dem hat sie immer auf mich gehört.
ZEIT: Wie erklären Sie ihr die Trennung von
Papa?
Irina: Ich sage, dass er unsere Ukraine verteidigt.
Dass Mamas und Kinder in Sicherheit sein müs-
sen, damit die Papas unsere Heimat verteidigen
können.
Darina: Ich habe es meinem Jüngsten, er ist fünf,
ähnlich erklärt. Er macht sich Sorgen und sagt
immer: Papa, pass auf, dass die Russen dich nicht
kriegen. Mein Sohn ist schon sehr patriotisch. In
unserem neuen Zuhause hier hängen etliche Flag-
gen, er liebt es, Soldatenuniform anzuziehen und
mit Fahnen herumzulaufen. Er wollte nicht weg
aus der Ukraine und fragt jeden Abend vor dem
Einschlafen, wann wir zurückkehren.
ZEIT: Wir sprachen über die Veränderungen an
Ihren Männern. Aber was ist mit Ihnen?
Oksana: Wir alle verändern uns. Aber bewusst
können wir noch nicht sagen, wie. Man sieht,
wie das Leben hier weitergeht, während bei uns
alles zerstört wird. Wahrscheinlich wird noch
eine schlimme Depression kommen, sobald die
Kinder uns nicht mehr so sehr brauchen.
ZEIT: Tun Sie denn Dinge, die früher Ihr Mann
erledigt hätte?
Oksana: 18 Jahre zusammen, in dieser Zeit wa-
ren wir nur einen Tag getrennt. Nun müssen er
und ich alles allein erledigen. Das ist hart.
Irina: Ich habe es mein Leben lang gehasst, Ent-
scheidungen zu treffen. Ich hatte immer das Ge-
NEU: KREATIVITÄT
Mut zu neuen Lösungen
Kreativität ist notwendig, damit wir in der Lage sind, die immer komplexer werdenden Herausforderungen
unserer Zeit zu lösen. Sie gilt als eine der vier Kernkompetenzen für das 21. Jahrhundert, neben Kollaboration,
kritischem Denken und Kommunikation. Voraussetzung für kreatives Denken und Handeln sind ein offenes
Mindset und Experimentierfreude. Wie Sie diese Fähigkeiten ganz leicht im Alltag trainieren, zeigt Ihnen dieser
Video-Kurs. Methoden und Tools von Wissenschaftler*innen und Praxistipps von Kreativschaffenden geben
Inspiration für Ihren eigenen kreativen Prozess. Sie erfahren, warum wir uns alle manchmal mehr langweilen
sollten und wie die digitale Zusammenarbeit im Team gelingt.
Der Video-Kurs »Kreativität – Mut zu neuen Lösungen«
ist einer von über 60 Online-Kursen der ZEIT Akademie.
Kurs »Kreativität« mit Prof. Dr. Sascha Friesike,
Jennifer Haase und Dr. Radwa Khalil
3 Kapitel – ca. 120 Minuten
Alle Kurse ab 19,99 € im Abo monatlich
Jetzt Video gratis testen:
www.zeitakademie.de
Anbieter: ZEIT Akademie GmbH, Buceriusstraße, Hamburg
65
fühl, dass ich die falsche treffen würde. Anfangs
habe ich ihn noch ständig angerufen, um zu­
beratschlagen. Jetzt entscheide ich meist selbst.
Darina: Mir fehlt mein Mann vor allem bei der
Erziehung der Jungs. Weil es einfach Momente
gibt, in denen ich sie nicht in den Griff kriege.
Dann rufe ich Sascha an und sage: Sprich mal
selber mit ihnen. Zu Hause hat er das ja auch
gemacht. Er unterstützt mich dann auch immer.
Außerdem hat er zu Hause gekocht, ich koche
sehr ungern, bei ihm hat es meist auch deutlich
besser geschmeckt. Das fehlt mir. Oder dass mir
mal jemand einen Tee macht. Solche Kleinigkei-
ten. Mein Mann ist sehr hausmännisch. Ob ich
mich verändert habe? Ich hing nie an materiellen
Dingen. Die Familie kam immer an erster Stelle.
Die Familie ist nun geteilt. Das zerreißt mich.
ZEIT: Eine ganze Generation getrennt von den
Vätern, wer weiß, wie lang. Was glauben Sie, was
das mit der Ukraine macht?
Irina: Dass so viele Kinder ohne Väter sein müs-
sen, das wird eine ganz andere Generation. Ich
hoffe, eine gute, resiliente. Fähig, Dinge zu erken-
nen, die anderen unzugänglich sind. Denn das
alles zu überstehen, so etwas lernt man nicht aus
einem Buch. Ich hoffe daher, dass wir starke Men-
schen großziehen. Möchte das zumindest glauben.
ZEIT: Oksana, sind Sie da auch so optimistisch?
Oksana: Ich möchte es sein. (Darina schaut bei
dieser Frage nur sehr traurig)
ZEIT: Haben Sie die deutschen Diskussionen
über Heroismus mitbekommen? Und wie schwer
sich die deutsche Gesellschaft mit ukrainischem,
meist männlichem Kriegsheldentum tut?
Irina: Ich glaube, auch das ist in gewisser Weise
die Arbeit russischer Propaganda. Welcher Hero-
ismus? Stellen Sie sich vor, die russische Armee
kommt nach Berlin und fängt an, Wohnungen
zu plündern, Menschen zu lynchen, zu vergewal-
tigen. Unmenschliches zu tun. (Irina zeigt Fotos,
die ihr Mann aus Hostomel und Bu­tscha geschickt
hat) Niemand hier würde sagen, gut, dann über-
lassen wir Berlin den Russen. Das Territorium zu
opfern heißt, die Menschen zu opfern. Das kann
man einfach nicht tun, das würde niemand tun,
das hat nichts mit Heldentum zu tun!
ZEIT: Warum fällt es der deutschen Gesellschaft
dann so schwer, diese Perspektive zuzulassen?
Irina: Weil es für sie theoretisch ist. Die Deut-
schen erleben es einfach nicht. Fordern Kompro-
misse, Friedensverhandlungen. Was heißt das?
Würden Sie Ihr Haus abgeben? Wollen Sie, dass
Ihre Frauen diese grausamen Soldaten bedienen?
Wir wissen doch, dass Russland sich an keinerlei
Regeln hält.
Darina: Die Deutschen haben offenbar Angst,
ihre Fehler aus dem Zweiten Weltkrieg zu wie-
derholen. Deswegen hat es Deutschland bei-
spielsweise auch nicht eilig, der Ukraine Waffen
zu liefern. Sie haben Angst, den Krieg zu ent-
scheiden. Angst vor den Folgen. Und ich verste-
he das sogar ein wenig. Aber wir müssen jetzt
kämpfen, mit oder ohne die Deutschen.
Das Gespräch führte Dmitrij Kapitelman
GRATIS
VIDEO
TESTEN!
09.06.22 12:52
66 REISE 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

A
Fotos: Antony Sojka-Mercalfe für DIE ZEIT

n einem freundlichen Durchschnittsfreitag wa-

che ich ganz undurchschnittlich in einer Parallel-
welt auf. Die Sonne strahlt ungewohnt grell
durch die hellen Schlafzimmervorhänge. Im
Wohnzimmer steht eine Couch in Rent­ner­beige
neben einem elektrischen Kamin, dessen Kunst-
glut sich heller und dunkler dimmen lässt. Ich
besitze einen Brotkorb, der bekleidet ist, und
zwar mit Stoff in violett-grünem Schot­ ten­
muster. An meinem Schlüsselbund baumelt ein
Plüschtier, das ich keiner bekannten Spezies zu-
ordnen kann. Ich wohne plötzlich in Schottland
und betreibe dort in einem 1000-Einwohner-
Ort einen Secondhand-Buchladen. Und ich liebe
jetzt Hunde: »Doggies Wel­come (we even ­have
treats)«, ist auf einem Schild an meiner Ladentür
zu lesen, Hunde willkommen, wir haben sogar
Leckerli. So kenne ich mich ja gar nicht.
Der Buchladen ist der Grund, warum ich aus
meiner Hamburger Journalistenwelt in diese hin­
übergerutscht bin. Zusammen mit der darüber-
liegenden Wohnung kann man ihn für ein paar
Tage mieten und führen – hier wohnen und arbei­
ten in einem anderen Alltag auf Zeit. The Open
Book, so heißt das Projekt, ist so beliebt, dass man
es meist Jahre im Voraus buchen muss. Menschen
aus aller Welt scheinen vom Buchhändlerdasein zu
träumen. Ich kann nicht behaupten, dass ich schon
immer Bücher verkaufen wollte. Aber ich lese gern.
Und ich habe bestimmt zehnmal Notting Hill ge-
sehen, mit Hugh Grant als verschroben-verträum-
tem Buchhändler, was den gesamten Berufsstand
für mich romantisch einfärbte. Außerdem ist das
Ganze doch ein fantastisches Spiel: schauen, wo
und wer man hätte sein können, wenn man im
Leben ein paarmal anders entschieden hätte, wenn
man abgebogen wäre in eine alternative Realität.
Ein Kurztrip ins Waswärewenn.

Plötzlich Buchhändlerin
Wigtown versteckt sich im Südwesten Schott-
lands; in dieser Gegend gibt es nicht viel, davon
aber jeweils reichlich: grüne Hügel, Steinmäuer-
chen, Kühe, Pferde und Schafe – und in Wigtown
selbst ein gutes Dutzend Buchgeschäfte, weswegen
der Ort den Titel »Scotland’s National Book Town«
trägt und Touristen von weit her anzieht. Jeden
Herbst findet hier außerdem ein zehntägiges Litera­
turfestival mit bis zu 30.000 Besuchern statt, und
die Festivalgesellschaft ist auch die Vermieterin des
Open Book. Harvey Lindsay, einer ihrer Mitarbei-
ter, erklärt mir am ersten Nachmittag das Wich-
tigste zum Laden. »Die Bücher sind Spenden der
anderen Buchgeschäfte«, beginnt er. Also Laden­
hüter? »Könnte man so sehen.« Na gut, hat ja keiner
gesagt, dass in dieser Welt alles einfach würde. »Die
Erlöse kommen der Festivalgesellschaft zugute«,
fährt Harvey fort, »die Preise sind mit Bleistift in
den Buchdeckeln vermerkt.« Oft ziehe es Kunden
an, wenn man die Schaufenster und den runden
Tisch in der Ladenmitte neu bestücke. Ich darf
Rabatt gewähren, öffnen und schließen, wann ich
möchte, den Laden auch dekorieren. »Nur bitte
nicht streichen! Gäste aus Wisconsin haben mal
Tür- und Fensterrahmen in einem hässlichen Braun
angemalt.« Warum so viele Menschen in einem
Buchladen arbeiten wollen, frage ich ihn noch,
bevor er geht. Er zuckt mit den Schultern: »Es hat
jedenfalls mit den Büchern zu tun. Ein Kneipen-
besitzer hat dasselbe Konzept mit seinem Pub ver-
sucht, das funktionierte nicht.«
Dann bin ich allein und schaue mich um. An
der Wand hinterm Tresen ist mit Punkten auf einer
Weltkarte markiert, woher meine Vorgänger
stammten; und überall hängen Spruchzettel, die
teils nach Buchzitat und teils nach Glückskeks
klingen. An den Regalen sind die Genres notiert;
besonders groß wirken die Bestände zu Pferden,
Politik, den ­Royals und Birdwatching. Ich atme
testhalber tief ein. Da ist er, der Duft von gealter-
tem Papier! Er beruhigt mich einerseits, weil er
nach Altersgelassenheit riecht – andererseits macht
er mich nervös: so viel Wissen, von dem ich bisher
nicht mal wusste, dass es existiert!
Ich überfliege die Buchrücken und versuche,
den Laden querzulesen. Ziehe hier und da einen
Band heraus. Freue mich über die literarische­
Gerechtigkeit, dass ich zu Adolf Hitler und Saddam
Hussein je nur ein Buch entdecke, zu John F.­
Kennedy aber drei. Lese mich fest in einem Buch
namens Scotland: the facts; entnehme ihm, dass
Schotten den Nobelpreis für die Entdeckung von
Insulin und Penicillin erhielten, Sherlock H ­ olmes
erfanden und dass in Schottland erstmals ein Säuge­
tier aus einer reifen Zelle geklont wurde (hallo,
Dolly!). Ich kaufe mir das Buch und lobe mich
selbst: schon in der ersten Stunde was verkauft.
Auch der weitere Nachmittag bleibt entspannt.
Ein Mann in Businesskleidung kommt grußlos
herein, guckt sich um, seufzt und verschwindet
wieder. Ein Hund will seine Besitzerin in den
Unsere Autorin vor ihrem Laden (oben). Drinnen ist auf einer
Karte zu sehen, woher aus aller Welt die Vorgänger
kamen. Der Weg zur Arbeit ist kurz: Die hübsche Wohnung W IGTOW N
liegt direkt darüber
Buchfestival
Das Event mit zahlreichen Lesungen und
Literaturveranstaltungen findet in diesem
Jahr vom 23. September bis 2. Oktober
statt. Tickets gibt es ab Ende Juli/Anfang
Im schottischen Wigtown kann man einen Buchladen führen. ELKE MICHEL reist für ein paar Tage in ein anderes Leben August unter wigtownbookfestival.com
DIE ZEIT N o 25 15. Juni 2022
Laden ziehen; und ich frage mich, ob der Stamm-
kunde bei mir ist, da zerrt die Frau ihn wieder
hinaus. Ein Rentnerpaar aus Ostschottland er-
wirbt zwei Bücher, und die Frau erklärt mir
ungefragt, dass es sich bei einem der Autoren um
den einstigen britischen Außenminister William
­Hague handele. Lernen von den Kunden.
Weil der Laden wie ein gewöhnliches Buch-
antiquariat aussieht und viele Kunden Touristen
sind, scheint keiner zu merken, dass ich inkom-
petent bin. Nur bei einem jungen Mann wird es
brenzlig: »Haben Sie einen Roman mit Mord?«,
will er wissen: »Ist für meine Freundin.« Hektisch
laufe ich die Belletristik-Regale ab, natürlich ist
nirgends das Genre »Romane mit Mord« aus-
geschildert – wie soll ich da was finden? Ich ziehe
das erstbeste Buch heraus, das »Mord« im Titel
hat, überreiche es ihm mit Kennermiene. Zum
Glück erkundigt er sich nicht nach dem Inhalt,
sagt nur: »Ich nehm’s.« War ich nun als Buch-
händlerin erfolgreich oder als Hochstaplerin?
Nach elf Besuchern schließe ich ab, um noch
durch Wigtown zu spazieren. Im Zentrum, wo
auch das Open Book liegt, drängen sich pastell-
farbene Häuser um den Marktplatz und einen
kleinen Park. Es gibt ein Rathaus, das für tausend
Einwohner etwas over­sized wirkt, eine graue
Steinkirche mit Hogwartsflair und überwucher-
tem Friedhof. Und nur ein paar Schritte außer-
halb weiden Schafe mit Ausblick auf eine glit-
zernde Bucht. Ein paarmal begegnet mir jemand
auf meinem Rundgang, dann werde ich gegrüßt,
als lebte ich schon lange in dieser Welt. Ansons-
ten sind die Gassen leer, überall im Ort hört man
Vogelgezwitscher, ab und an Bienensummen,
eine Blumenwiesenheimat ist das hier. Im Gehen
bastele ich mir eine Kindheit zu diesem Leben
zurecht. Erstes Wort: Haggis. Mit dreieinhalb
konnte ich lesen. Schlimmster Kindheitsunfall:
Zusammenstoß mit einem Schaf (geschoren).
Als ich Sandra McDowall auf die Idylle an-
spreche, sagt sie: »Oh, Wigtown hat auch harte
Zeiten durchgemacht!« Mit Sandra habe ich
mich abends auf einer Parkbank verabredet, weil
sie zur Festivalgesellschaft gehört und schon über
50 Jahre länger hier lebt als ich. »Wigtown war
mal der Haupt­ort der Grafschaft Wig­town­shire«,
erzählt sie, »aber im 20. Jahrhundert haben wir
diese Rolle verloren. Und dann schlossen unsere
Hauptarbeitgeber, die Whiskydestillerie und die
Genossenschaftsmolkerei. So viele Leute zogen
fort! Überall nur Leerstand.« Zum Glück schrieb
das schottische Tourismusbüro in den Neunzi-
gerjahren einen Wettbewerb aus: Ein kleiner Ort
sollte den Titel »Scotland’s National Book Town«
erhalten und durch Buchantiquariate neu belebt
werden. »Wigtown gewann, und immer mehr
Buchläden zogen in die leeren Gebäude.«
Einige Läden besichtige ich vor der Arbeit
am nächsten Morgen: Well-Read Books ver-
kauft viel Kriminalliteratur, Foggie Toddle
Books Kinderbücher. ReadingLasses hat Bü-
cher von und über Frauen sowie ein Café. Und
The Book­shop ist mit rund 100.000 Bänden
der angeblich größte Secondhand-Buchladen
Schottlands. In seinem Labyrinth aus Räumen
stößt man auf immer neue Merkwürdigkeiten:
ein Skelett mit Violine; ein Hochbett, das zu
Festivalzeiten als Notunterkunft dient. Und an
einem Regal hängt ein durchlöcherter Amazon
Kindle – den habe der Ladenbesitzer erschos-
sen, steht auf einem Schild.
So viel Deko habe ich im Open Book spontan
nicht zu bieten. Aber ich kann ja mal Harveys
Rat beherzigen und den Tisch und die Schau-
fenster neu bestücken. Für den Tisch schreibe
ich auf ein Blatt Papier: »Odd ­titles & very ­special
interest« – und lege daneben: The Working­
Women’s ­Guide to Meno­pause – ­Horse Clothing –
The Pri­vate ­Life of Plants – Britain at War in
Colour sowie The Fish Vege­ table ­
Cheese and­
Chicken Cookbook. In ein Schaufenster stelle ich
Eisenbahnbücher, weil ich im Internet gelesen
habe, die seien beliebt, dazu zeichne ich ein
Schild mit einem Zug und der Aufschrift »Trains
& Transport«. In einem anderen Fenster standen
bisher Biografien, finde ich nicht verkehrt, ich
ersetze sie aber durch Biografien über Leute,
deren Namen ich kenne, von K ­ ylie Mi­nogue bis
Giuseppe Garibaldi.
Was soll ich sagen, das Ganze führt tatsächlich
zu Reaktionen. An den folgenden Tagen schlei-
chen verschroben wirkende ältere Herren vor dem
Trains & Transport-Fenster herum. Sie sind nur
jedes Mal enttäuscht, wenn sie reinkommen und
feststellen, dass ich kein großes Eisenbahnfach-
buchsortiment habe. Und einmal stürmt ein
Mann zum Tresen, deutet auf mein Biografien-
Fenster: »Sie haben ja umdekoriert! Neulich stand
da ein Buch mit einem Kinderfoto auf dem
Cover, wo haben Sie’s hingeräumt? Ich wollte es
kaufen!« Oh, ich geh das mal suchen. Lange.
Erstaunlich, dass sich bei so wenigen Auf­
gaben immer noch was falsch machen lässt. Ich
muss ja nicht mal neue Ware besorgen oder Bü-
cher auspreisen. Das Tolle ist, dass jeder hier so-
fort drauflosarbeiten kann. Nebenbei weht durch
die offene Ladentür das Kleinstadtleben herein.
An einem Tag ist draußen ein Wochenmarkt auf-
gebaut; an einem anderen quäkt ein Dudelsack-
spieler seine Lieder, und ich beobachte entzückt,
dass es elektronische Dudelsäcke gibt, ohne
Mundstück, Strom statt Puste. Im Laufe der Zeit
Einkaufen
Eine Übersicht aller Buchläden liefert die
Seite wigtown-booktown.co.uk/bookshops.
Nette Souvenirs sind auch die Alben der
lokalen Bookshop Band, die Songs über
Bücher schreibt, thebookshopband.co.uk
REISE 67
flaniert der halbe Ort an mir vorbei, zum Super- Folge 1
Illustration: Pia Bublies für DIE ZEIT
markt schräg gegenüber oder auf Gassitour mit
Hund an der Leine, und irgendwie ist das schon
lustig, Mensch oder Hund, einer von beiden zieht
immer. Das Open Book ist eine große Entschleu- ANDESV
nigungskammer. Ich bin festgetackert, wo ich E L ER
H T
sonst weiterhetzen würde, und gucke deshalb C
genauer hin. Und weil alles neu ist, feiere ich jede
RE
RI
kleine Beobachtung. Doch irgendwann kommt
TU
BAY E
sie in den Laden geschlurft, die Frage, und hängt
am Tresen rum: Wenn man länger in dieser Welt
NG
lebt – was macht man die ganze Zeit?
»Ich gehe viel in die Natur«, sagt Jessica Fox,
39, »und morgens schwimme ich im Meer. Das
Sozialleben hier ist super, ich hab Freunde jeden
Alters, manche sind in ihren Achtzigern.« Jessica, Das schönste deutsche Bundesland braucht jetzt einen liebevollen
die mich an einem Nachmittag besucht, wirkt neuen Blick. In dieser Woche mit der Kabarettistin Luise Kinseher
nicht unschottischer als andere, blass und dunkel-
haarig und wetterbewusst gekleidet. Doch noch
vor 14 Jahren lebte sie im sonnigen Los Angeles, Bayern macht gerade eine schwere Phase durch: Menschen eine Obergrenze zu finden, wenn es
arbeitete dort für die Nasa und versuchte neben- Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg sitzt fürs Leid keine gibt.« Auch wenn er zwischen-
bei, als freie Filmemacherin Fuß zu fassen. Eines niemand aus dem Freistaat am Kabinettstisch in durch für die Fernsehkameras lachen musste,­
Tages hatte sie die Eingebung, dass sie lieber in Berlin, Markus Söder hat das schwer getroffen. einen schönen Abend hatte er nicht. »Die Rolle
einem Buchantiquariat im verregneten Schott- Denn Bayern ist schließlich das schönste Bundes- hat meinen Blick geweitet«, sagt Luise Kinseher.
land sitzen wolle. »Beim Googeln bin ich auf The land Europas. Mindestens. Eigentlich sollte das »Wir Bayern sind nicht allein auf der Welt, auch
Book­shop gestoßen und habe per Mail gefragt, klar sein. Aber vielleicht muss man den Preußen wenn die CSU das vielleicht gern so hätte.«
ob ich einen Monat mithelfen kann.« In dem das noch mal ­erklären. Also stellen wir von nun Das Bayern, wie die Mamma Bavaria es sieht,
Monat verliebten sich Jessica und der Ladenbesit- an in loser Folge prominente Bayerinnen und hat sie direkt vor ihrer Haustür. Sie wohnt im
zer in­ein­an­der, und sie zog nach Wigtown. H ­ eute Bayern vor, die uns von den schönsten Ecken ihrer Münchner Westend, der Schwanthalerhöhe, quasi
sind sie kein Paar mehr, doch Jessica ist geblieben Heimat erzählen – dieses Mal Luise Kinseher, direkt neben der echten Bavaria aus Bronze.
und hat mit einer Freundin eine Produktions- die »Mamma Bavaria«. »Wenn Sie in München sind, gehen Sie ins West-
firma gegründet. Und auch von ihrem Buch- Schön in Bayern sind ja nicht nur die Seen, die end«, sagt Luise Kinseher. »Da ist Bayern so, wie
händlertraum ist etwas übrig – das Open Book: Berge, das Offensichtliche. Schön sind auch Din- es sein soll: bunt, offen und international.«
»Ich dachte, ich kann nicht die Einzige mit­ ge, die einem nicht gleich die Google-Bildersuche Das Westend war früher das Viertel für die
diesem Traum sein. Also habe ich die Idee an die ausspuckt, wenn man »Bayern« eingibt. Das Gastarbeiter, nicht wirklich beliebt, dafür billig.
Festivalgesellschaft herangetragen. Das Gute am Schimpfen zum Beispiel. Das ist hier so schön wie Heute ist es einer der beliebtesten Stadtteile in
Open Book ist, dass man sein altes Leben nicht sonst nirgendwo. Schoaswiesn, Doagaff, wie das München mit seinen roten und grünen und gel-
aufgeben muss, so wie ich. Und man hat keinen schon klingt. Und Luise Kinseher, die kann be- ben Häusern, mit den kleinen Boazn (Sie in Nord-
Druck, Profit zu machen wie die Profis.« sonders schön schimpfen, vor allem über die CSU. deutschland würden es »Kneipe« nennen) und
Am nächsten Tag entdecke ich in einem Derbe Schimpfwörter braucht sie dafür nicht. dem Malzgeruch, der von der Augustiner-Braue-
weiteren Buchladen, dem Old Bank Book­shop, »Wenn man sich jetzt mal den Scheuer-Andi an- rei rüberzieht. Und Luise Kinseher hat jetzt ein
an einem Regal ein Schild: »Sie wollen uns Ihre schaut, dann ist das ja gar nicht so schlimm, dass Kochbuch geschrieben über die griechischen,
Bücher verkaufen? 1. Dass etwas alt ist, bedeutet kein Bayer mehr in der Regierung ist«, sagt sie. syrischen, chinesischen und bosnischen Restau-
nicht, dass es wertvoll ist. 2. Es ist nicht wertvoll, Von 2011 bis 2018 derbleckte die Kabarettis- rants in ihrer Nachbarschaft.
nur weil es selten ist – auch die Pest ist selten, und tin auf dem Nockherberg zum Starkbieranstich Über die geschmorte Lammschulter im­
keiner will sie haben.« Unter Punkt 5 wird er- die versammelte Landes- und Bundespolitik, die Opson, dem feinen Griechen mit den weißen
wähnt, dass gestapelte Enzyklopädien hervor- in der ersten Reihe sitzen und brav lachen muss- Holzmöbeln und den Köchen Christos und
ragende Nachttische abgeben, und Punkt 7 te. Derblecken, das würde man nördlich des Dimitrios, die gegen ihr Heimweh ankochen.
lautet: »Ihr Buchhändler muss Essen auf den Mains mit »die Leviten lesen« übersetzen. Das Über die kalte Ramensuppe im SAM, wo die
Tisch bringen, kann sich keinen Urlaub leisten tat sie als »Mamma Bavaria«, die etwas mildere Wände mit japanischen Zeitungen tapeziert
und wird nie in Rente gehen können.« Variante der Bavaria, die martialische Patronin sind und man fast wie im Biergarten mit den
Ja, das stimme schon so, sagt Joyce Cochrane, Bayerns, die als 18-Meter-Koloss sehr streng über anderen Gästen an langen Tischen sitzt. Und
60 Jahre alt und mädchenhaft-fröhlich, als ich sie die Münchner Theresienwiese schaut. Aber wenn über die Pita mit Kartoffel-Spinat-Füllung im
auf Punkt Nummer 7 anspreche: »Mein Mann die Mamma mal loslegt, kann das auch ganz Ćevabdžinica 10, dem Bosnier nahe der Groß-
Ian und ich können nie länger wegfahren. Und schön wehtun. markthalle und den gelben Kontorhäusern, wo
als wir vor knapp 20 Jahren aus Edinburgh her- Ihren wohl stärksten Auftritt, der sie deutsch- es so aussieht, als würde gleich Meister Eder um
zogen, haben wir unser ganzes Geld in den Laden landweit bekannt machte, hatte sie 2016. Zum die Ecke biegen. »Ich liebe das Westend«, sagt
gesteckt; der ist unsere Rente.« Ich erzähle, dass damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer Kinseher. »Man kann jeden Tag eine kleine
ich in den vergangenen fünf Tagen 74,90 Pfund sagte sie ohne eine Spur Witz: »Es ist schwer, für Weltreise machen. Und ist trotzdem daheim.«
eingenommen habe. »Oh, wir nehmen manch-
mal gar nichts ein. Und an sehr guten Tagen – tja, Text: Leopold Zaak
wir hatten mal eine Erstausgabe von ­Charles
Darwin, für das Geld konnten wir das Dach­
sanieren lassen. War aber ein einmaliger Fall.«
Doch sie liebe eben einfach Bücher. »Und es
ist so toll, zu beobachten, wie Kunden sich freu-
en, wenn sie ein jahrelang gesuchtes Buch bei uns
entdecken«, sagt Ian, 73, der dazugekommen ist.
Bisweilen vermisse er zwar Edinburgh, »das Flair ANZEIGE
dort ist internationaler. Aber wir haben ja das
Open Book. Manchmal denke ich, irgendwo in
dem Laden ist ein Portal, das Leute aus völlig
anderen Welten in unserer Kleinstadt ausspuckt.«
Es ist mein letzter Abend, und als ich aus dem www.zeitreisen.zeit.de
Old Bank Book­shop trete, leuchten schon die
Laternen. Auf dem Weg durch die dämmrigen
Straßen flackern meine Gedanken mir eine­
Zukunft in diesem Leben zusammen. Ich, hier,
als alte Frau: arm, belesen, so was von in mir
ruhend. Birdwatcherin. Spreche German-Scots.
Schwimme morgens mit Jessica im Meer. Keine
Rente, aber Stammkunden. Habe einen Hund.
Und klar, ich werde morgen ganz unjessica-
like zurückwechseln in meine alte Welt. Es war
alles nur ein Spiel; doch man kann melancholisch
werden, wenn ein Spiel zu Ende geht. Ein letztes
Mal betrete ich das Open Book, setze mich im
Halbdunkel zwischen die Regale. Atme den
Schottland
Altersbuchgeruch, streiche mit der Hand über
die zerschlissenen Rücken. Und wie ich sie so
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg | In Kooperation mit
© toni-moeckel/unsplash, playinhot/iStockphoto, monticellllo/Adobe Stock, Benjamin Ealovega |
dastehen sehe, Buch an Buch an Buch, fällt mir
Ians Satz ein: Irgendwo im Open Book müsse es Coachingreise – Aus Krisen lernen
ein Portal zu anderen Welten geben. Von wegen
Bei dieser exklusiven Coachingreise können Sie aus Krisen
nur eines, der Laden ist voller Portale.
lernen und daran wachsen. In einem luxuriösen Aktiv-
Ich ziehe wahllos ein Büchlein heraus, Steven-
Retreat in den schottischen Highlands gelangen Sie in
sons Schatz­insel. Der Einband ist abgegriffen, die
einen intensiven Austausch mit interessanten Menschen in
Seiten sind altersfleckig, vorne geht es fast aus
einer bewusst klein gehaltenen Gruppe mit maximal fünf
dem Leim, jemand hat es mit Briefmarkenresten
anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Der einfühl-
WINDROSE Finest Travel GmbH, Wallstraße 9-13, 10179 Berlin
geklebt. Wer war das, und was hat ihm das Buch
same und erfahrene Coach Mario Biel sorgt in den Grup-
bedeutet? Genug, um es zu flicken. Im Grunde
pengesprächen für den roten Faden. Ihre persönlichen
hat jedes Secondhand-Buch zwei Geschichten,
Konflikte werden aufgegriffen, durch neue Sichtweisen
den Inhalt und seine Lebensgeschichte; na, und
ergänzt und auf Ihr persönliches Zielszenario korrigiert.
ganz im Verborgenen noch die Entstehungsge-
schichte. So viele Portale hier, in so viele Dimen- Termin: 2. – 7.10.2022
sionen. Vielleicht träumen deshalb Menschen Preis: ab 2.990 €
weltweit davon, in einem Buchantiquariat zu
arbeiten; nicht aber, lieber Harvey, in einem Pub. 040/32 80-455
Bevor ich vor lauter Portalen die Ladentür
nicht mehr finde, verlasse ich das Open Book.
zeitreisen.zeit.de/coaching-schottland
Und am nächsten Tag Wigtown. Mit einem
Koffer voller Welten fällt mir das nicht schwer. IN KOOPERATION MIT:
www.zeit.de/vorgelesen
K U LT U R R E I S E GENUSSREISE MUSIKREISE
Jordanien Olivenöl Mahler-Festival
Freuen Sie sich auf sagenhafte Reisen Sie mit dem Olivenöl- Im Mai 2023 feiert die
The Open Book Orte und erleben Sie Jordanien Experten Conrad Bölicke, nach Musikstadt Leipzig Gustav
Miete für Wohnung und Laden pro Tag von einer besonderen Seite. Kalabrien und Apulien. Sie sind Mahler und sein Werk.
Es warten auf Sie u.a. die bei der Ernte dabei und Weltklasseorchester, berühmte
105 Euro (airbnb.de/rooms/7908227). ­ Felsenstadt Petra, das Tote Meer besuchen Oliviers. Außerdem Solisten und Dirigenten sind
Regelmäßig schauen, ob neue Termine frei und persönliche Begegnungen. lernen Sie die Region kennen. Teil des Reiseprogramms.
sind, und auch auf der Warteliste eintragen Termin: 1. – 9.10. | 5. – 13.11.2022 Termin: 19. – 24.10.2022 Termin: 19. – 22.5.2023
Preis: ab 3.190 € Preis: ab 1.990 € Preis: ab 2.290 €
(facebook.com/TheOpenBookWigtown)
111514_ANZ_220x220_X4_ONP26 2 13.06.22 11:39
ANZEIGE

Besonderheiten aus
unseren Manufakturen
NEU UND
CAUSSA BESONDERS
Tischleuchte »Echo«
Wie alle Produkte aus dem Hause Caussa Unsere Empfehlungen
wird auch die Tischleuchte »Echo« in
Deutschland gefertigt. Das harmonische, für den Sommer KEBE LIVING
von einer Stimmgabel inspirierte Design Genuss-Set »Zeit für fruchtige Würze«
spricht nicht nur die Sinne an, sondern Exklusives Genuss-Set aus vier ausgewählte Speziali-
sorgt für maximale Funktionalität. Der um täten und einem passenden Grubentuch: Flor de Sal aus
360 Grad drehbare und höhenverstell- Portugal, Himbeer-Balsamcreme, Olivenöl extra Ver-
bare Kopf macht aus der Leuchte ein gine aus Spanien und Bio-Waldbeersenf – ein kulinari-
Multitalent, das selbst als Deckenstrahler scher Hochgenuss aus dem Berliner Familienbetrieb
oder Leseleuchte einsetzbar ist. Die LED-
Lichtquelle lässt sich intuitiv und bequem 37,90 €*
mittels Gestensteuerung an- und aus- Bestell-Nr. 43482
schalten.
Details: Stahl und Aluminium |
Maße 34,2 x 16,2 x 10 cm (H x B x T)
379,00 €*
Bestell-Nr. 43239

FRITZ HANSEN HE Y-SIGN

Bürostuhl »Series 7™« Holztablett mit Filz
Höhenverstellbarer Schreibtischstuhl aus besonders Ideal als Begleiter oder Deko-Element auf dem
langlebigem und pflegeleichtem Essential-Leder | Beistelltisch | Eichenholz, geölt | Geöltes Eichenholz,
Design von Arne Jacobsen 5 mm dicke Wollfilz-Einlage | Maße: 47 x 37 x 6 cm
1.390,00 €* 165,00 €*
Bestell-Nr. 40336 Bestell-Nr. 41410

ANNA SYKOR A DETLEF MENARD

HAROLD’S LEDERWAREN Muranoglas-Collier »Hellrot«
Sgraffito-Vasen
Tasche »Paperbag L« Hergestellt in Deutschland | Die mustergeschützten
Die Gefäße von Anna Sykora bestechen durch ihre gefärbt und erhält mittels Sgraffito-Technik ihre linien-
In Deutschland aus 100 % pflanzlich gegerbtem Sattler- unverwechselbare Ästhetik und ihre ganz eigene Haptik. feine Gravur. So wird jedes Stück zum Unikat. | Schmuckschließen sind von schlichter Eleganz und
leder gefertigt | Großes Fach mit viel Stauraum für Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin kombiniert Höhe ca. 17 cm machen jedes Collier unverwechselbar und besonders. |
die Dinge des täglichen Bedarfs | Maße: 43 x 33 x 10 cm Handwerkstradition mit ihrer künstlerischen Handschrift. Details: Muranoglas | Perlen Ø 12 mm | Länge ca. 43 cm
136,00 €*
249,00 €* Jede Vase wird aus bestem englischen Audrey-Black- Bestell-Nr. Blau: 43183 | Weiß: 43181 | Schwarz: 43182 329,00 €*
Bestell-Nr. Cognac: 42975 | Schwarz: 42976 man-Porzellan frei auf der Scheibe gedreht, von Hand Bestell-Nr. 43069

SASH & FRITZ
»Spring Child Paket«
Pur verkostet, eröffnet sich mit dem »Wild Child
Gin« ein intensives Universum floraler, herbaler und
JAN KURTZ TUTIMA GL ASHÜT TE fruchtiger Noten. Die traditionelle Destillation gibt
Schreibtisch »Desk« ZEIT-Sonderedition »Flieger Aero Club« dem »wilden Brand« einen weichen Kern. Das Paket
ergänzt den Gin um je eine Flasche Thomas Henry
Auch als Esstisch oder Konsole einsetzbar | Exklusiv für die ZEIT | Limitiert auf 100 Exemplare |
Wild Berry und Van Nahmen Rhabarbernektar. |
Geölte massive Eiche und Linoleum | Mit Schublade | Mit einem markanten Sekundenzeiger in Blau, der sich
Inhalt: 2,2 Liter (18,16 €/1 Liter)
Maße: 74,5 x 65 x 24 cm (B x H x T) kontrastvoll vom weißen Zifferblatt abhebt
39,95 €*
759,00 €* 1.450,00 €*
Bestell-Nr. 43249
Bestell-Nr. 41141 Bestell-Nr. 43295

Jetzt bestellen unter:

www.shop.zeit.de
E-Mail: zeitshop@zeit.de | Telefon: 040/32 80-101
*Zzgl. Versandkosten | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg; Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser

111505_ANZ_371x528_X4_ONP26 1 10.06.22 13:07

ANZEIGE EIN SPEZIAL DES ZEITVERLAGS

DEN SOMMER GENIESSEN

Kurs setzen,
Portugal entdecken
Portugal, das Land im äußersten
Westen Europas, ist bekannt für
die vielen Seefahrer, die sich von
dort aufmachten, um die weite
Welt zu erkunden.
Wer schon einmal da gewe-
sen ist, mag sich womöglich
darüber wundern, wo es doch
eigentlich wenig Gründe gibt,
von hier wegzugehen.
Denn auch wenn Portugal
unter Weltenbummlern und
Globetrottern sicher kein weißer
Punkt auf der Landkarte mehr
ist, gibt es dennoch viel zu ent-
decken. Dabei überrascht das
kleine Land vor allem durch sei-
ne Vielseitigkeit und der ausge-
sprochenen herzlichen und zu-
vorkommenden Art, der auf der
Iberischen Halbinsel lebenden
Menschen.
Im Norden des Landes
kommen insbesondere Natur-
und Kulturliebhabende auf
HIGHLIGHT 5
ANGEBOTE.ZEIT.DE/
Flusskreuzfahrt mit VIVA Cruises URLAUBSKOMPASS
ENTDECKEN SIE
R E I S E - I N S P I R AT I O N E N
Ihre Kosten. Urwüchsige Land-
schaften, idyllische Dörfer und
die malerische Hafenstadt Por-
to, welche zum Weltkulturerbe
der UNESCO zählt, bieten
zahlreiche Ausflugziele und Se-
henswürdigkeiten.
An der rund 700 Kilometer
langen Atlantikküste im Wes-
ten des Landes sind dagegen
wilde Küstenlandschaften und
einige der schönsten Strände
Europas zu finden. So ist es si-
cher kein Wunder, dass gerade
hier die weltweite Surf-Elite
anzutreffen ist.

MIT DER VIVA MOMENTS DURCH DAS MOSELTAL BIS NACH TRIER

Blühender Oleander, malerische Orte und über 1.600 Sonnen-

Wald Carpe Diem-
Relaxe oder Genuss
Am wohl schönsten Fleck des
Rennsteiges liegt Masserberg
und das 4 Sterne Boutique
Hotel Residenz. Ein kleines,
sehr persönliches, geschiefertes
Fachwerkhaus mit reizendem
Charme, mit Panoramahallen­
bad und Wellnessabteilung, mit
Lounge, Wintergarten und
FondueAlm, mit Wohlfühlzim­
mern im Landhausstil & Stu­
diozimmern mit eigener Saune,
teilweise kleiner Terrasse/Bal­
kon, auf Wunsch mit NES­
PRESSO Maschine dazu echte
MEISSEN Porzellantassen. Nur
20 km weiter liegt das 4 Sterne
Boutique Hotel Schieferhof
klein und fein, direkt am Renn­
steig gelegen, mit schönem
Naturpark, mit Dampf­ und
Infrarotsauna und dem Renn­
steigbad gegenüber. In der Hei­
mat der Glasbläser – Lauscha
– und der Puppenmacher –
Sonneberg – gelegen, ein Haus
mit altem Charme und jungem
Geist, außen Tradition und
Schiefer treffen innen auf De­
sign, Kunst und kesse Ideen.
Dazu eine ehrliche Frische­
küche von echtem HandWerk,
im Gourmet­Look, die zu den
besten in Thüringen zählt.
Carpe Diem Relaxe oder
Carpe Diem Genuss
6 Tage/5 Nächte- den neuen Tag
feiern Sie mit Frühstück vom Buffet,
einen Smoothie ganz nach Ihrem
Geschmack zaubern Sie sich selbst
aus der kleinen Vitaminbar, außerdem
Panoramahallenbad, Massage(exkl.),
Worml- Empfehlung, Tipps zum Öl
ziehen oder Waldbaden u.v.m.
Relaxe- in der Residenz- schlafen
Sie im Studio mit eigener Sauna
pro Person ab 420 Euro
Genuss- im Schieferhof- abends
kulinarische Reise in 3 Gängen
pro Person im Romantikzimmer
ab 599 Euro
Boutique Hotel Residenz Masserberg
Worm&Horn Residenz OHG
Kurhausstrasse 9
98666 Masserberg
info@residenz-thueringen.de
www.residenz-thueringen.de
Boutique Hotel Schieferhof
LifeArt GmbH
Eisfelder Str. 26
98724 Neuhaus am Rwg.
info@schieferhof.de
www.schieferhof.de
stunden im Jahr – das ist nicht Italien, sondern das Moseltal mitten
in Rheinland-Pfalz. Rechts und links der Mosel bieten die Hänge
optimale Bedingungen für den Weinanbau und machen die Land-
schaft nicht nur zu einer der schönsten Weinregionen Deutschlands,
sondern auch zu einer der reizvollsten Ziele für eine Flussreise.
Mit der VIVA MOMENTS erleben Gäste bei der Reise »Märchen-
hafte Mosel« grüne Weinberge, soweit das Auge reicht und pittoreske
Städtchen mit viel Geschichte. Dabei passiert das Schiff die einzig-
artigen Moselschleifen bei Bremm und Kröv sowie zahlreiche Burgen
Kontakt & weitere Informationen:
und malerische Schlösser. Zu Fuß entdecken die Flusskreuzfahrer Die achttägige Moselreise
schließlich verschiedene Städtchen wie den kleinen Weinort Traben- ist ab 1.495 Euro pro Person
buchbar. Weitere Informationen
Trarbach. Umgeben von zahlreichen Weinanbaugebieten ist er einer in jedem Reisebüro, unter
der schönsten Orte der Gegend. Die Stadt Bernkastel zieren zahlreiche www.viva-cruises.com oder
telefonisch unter (0211) 27 40 32 50.
Fachwerkhäuser und Trier, die älteste Stadt Deutschlands, beein- Mit Ringhotels echt beim Flach-, Nah- oder Fern-
druckt durch ihre Bauten aus der Römerzeit.
Heimatgenuss erleben wandern oder von einer kultu-
Abgerundet wird der Urlaub mit VIVA Cruises durch das rellen Sehenswürdigkeit zur
VIVA All-Inclusive an Bord mit einem reichhaltigen Frühstücks- Von den Alpen bis an die See – anderen. Erleben Sie bizarre
buffet am Morgen und mehrgängigen Menüs am Mittag und Abend gelegen in den schönsten Ge- Felsformationen, lilafarbene
sowie hochwertigen Getränken der gesamten Barkarte. Auch die genden Deutschlands, Ring- Heidefelder, tiefblaue Seen,
Fotos: ©VIVA Cruises
Minibar auf den Kabinen sowie WLAN und Trinkgelder für die hotels sind immer der perfekte gehen Sie auf Entdeckungsreise
Crew sind bereits im Reisepreis enthalten. Ausgangspunkt für Ihre Ent- und lassen Sie sich von den
deckungsreise. Egal ob Rad-, vielen Höhepunkten am We-
Wander-, Kultur- oder Golf- gesrand überraschen. Und ganz
urlaub. Ob allein, zu zweit nah an den schönsten Routen
oder in einer Gruppe. Entde- findet sich garantiert das pas-
cken Sie Orte abseits vom sende Ringhotel für Ihre Tour.
Mainstream. Erleben Sie Gast- Schalten Sie nach einem
freundschaft und viel fami- ereignisreichen Tag beim Well-
URLAUB IM NATUR-CHALET DEUTSCHLAND liäres Flair. Spüren Sie das ness ab. Verwöhnen Sie sich mit
Auf rund 1.500 Metern, am Ein- Lebensgefühl der Region und ausgezeichneter, regional-
gang zur malerischen Bergterras- Wohlfühloase im Odenwald Rügen – das Haus am Meer Ihre Gastgeber haben immer typischer Küche und einem
www.traumferienhaus-odenwald.de
se von Niederthai, im Tiroler www.derMuehlenhof.de
gute Insider-Tipps auf Lager. guten Tropfen. Und erleben Sie
Modern, luxuriös, natur-
Ötztal, eröffnet sich Ihre einzig- nah. 3 SZ, 3 Bäder, Wel- Entfliehen Sie dem Alltag »Echt HeimatGenuss«.
artige Urlaubswelt. Wasser, Wald lnessbad, 30 m2 Terr.,
und erleben Sie die Heimat aus
Garten - Für Biker, Wan-
und Wiese umrahmt vom herr- derer, Naturliebhaber, ganz neuen Perspektiven. Viele weitere Reiseinspirationen
lichen Bergpanorama. Unsere Familien mit Kindern,
Deutschland lädt Sie mit sei- finden Sie auf unserer Website
Hunde nach Absprache. ringhotels.de und auf unserem
Naturchalets Stuibenfall im Ötz- nem riesigen Wander- und Blog.
tal, gebaut und ausgestattet mit Radwegenetz dazu ein, Natur
Berlin am Müggelsee 9 Appartements in zwei Häusern Ringhotels e. V.
hochwertigen, heimischen Ma- www.berlin-kastanienallee.de auf 12.000 m² Grund mit Blick auf und Kultur hautnah zu erleben. Stefan-George-Ring 22
terialien, vereinen exklusiven Natur-Chalet für 4 – 8 Personen 2-Zi.-Whg., 70 m2, EG, 4 Pers., die Rügische Bucht, 200 m zum Ufer.
Ob beim Genussradeln, Moun- D – 81929 München
ohne Verpflegung: 5 Min. z. S-Bhf., Tel. 030/64090026 Exklusive, natürliche Einrichtung, Tel. (089) 45 87 03 – 0
Komfort mit traditionellem Kaminöfen, Schwimmhalle, Block- tainbiken oder Seenradeln. Ob www.ringhotels.de
Tagespreis ab 330,– Euro
Charme. Moderne Ausstattung Frühstück & Abendessen in unserem haussauna, Infrarotkabine, Badeteich.
Gasthof gegen Aufpreis möglich. Weimar Tel. 038308 5630
mit Platz für 4 bis 8 Personen www.goethezimmer.de
WANDERN VON HOTEL ZU HOTEL
und Highlights wie Kachelofen Schöner Wohnen
Stuibenfall Chalets in Weimar.
oder Kaminofen, private Sauna Niederthai 47 Traumhafte Erwandern Sie die Region des
oder Zirben-Infrarotkabine er- 6441 Umhausen im Tiroler Ötztal, Ferienwohnungen, ETWAS BESONDERES UNESCO-Welterbe Jungfrau-
Österreich zentrale Lage, ww.leonorenhof.de
möglichen Ihren persönlichen bestens Appartement Ostseenähe Naturidyll Aletsch inmitten der Schweizer
Foto: ©Jungfrau Region

+ 43 (0) 5255 5512

Freiraum in der Natur. www.stuibenfall.at ausgestattet. Im Wald mit eigenem Badesee Bergwelt. Auf dem Eiger Trail
wandern Sie von Grindelwald
ITALIEN FRANKREICH nach Wengen und erleben die
weltberühmte Eiger Nordwand
CILENTO – SÜDITALIEN Nähe Rom, Meer und See SÜDFRANKREICH Süd-Ardèche - das Blaue Haus hautnah – ganz ohne Seil und
www.crapa.de Kleines Ferienhaus www.chateauvillarlong.com www.lemasbleu.com Karabiner!
in antikem Ambiente für
2 Personen. Dachterrasse. 2 oder 4 Nächte Private Selection Hotels & Tours
Blick auf den See. ab EUR 555.- pro Person Tel. +41 41 368 10 05
350 Euro pro Woche. Inklusive Gepäcktransport, Wellness info@privateselection.ch
Tel. 0172/8815307 und täglichem 5-Gang Abendessen www.privateselection.ch

Gardasee, Cecina Toscolano NATUR-GENUSS IM BIOHOTEL

Auf geht’s für
Kurzentschlossene
Das EALA My Lakeside Dream
in Limone schmiegt sich an das
Westufer des Gardasees und
bietet traumhafte Aussichten.
Im Haus wird auf einfache
Formen, raffinierte Details und
helle Räume gesetzt. Unauf-
dringlich luxuriös mit italieni-
schen Designerstücken, Air-
pools und Private Spas. Ergänzt
wird das Angebot durch den
privaten Strandabschnitt. Die
Liebe der Gastgeberfamilie zur
Heimat spiegelt sich überall
wider: Die 67 Zimmer sind
mit Naturmaterialien gestaltet.
Leicht, frisch und regional wird
im Alfio Ghezzi Bistrot und im
Fine Dining Senso gekocht.
Mit EALA macht die erfah-
rene Hoteliers-Familie Risatti
Träume wahr – die eigenen und
die ihrer Gäste.
Die Junior Suite Albus gibt es
bereits ab 305 Euro pro Nacht.
Sie bietet Platz für zwei Personen
und vom Balkon einen grandiosen
Blick auf den See. Die Nutzung
des 1.500 m² großen Spa ist ebenso
wie das Frühstück inklusive.
EALA My Lakeside Dream
Via IV Novembre, 86
25010 Limone Sul Garda,
Lombardei, Italien
info@ealalakegarda.com
T +39 0365 954613
www.hoteleala.it
A' Cràpa Mangia – eine historische
Hofanlage mit 9 Ferienwohnungen
für 2-8 Personen in idyllischer Natur.
Ein Ort für Entspannung, Smart Working
und Studium mit Blick über das Meer,
auf die Amalfiküste und Capri.
Tel. +39 392 9587862
Refugien in Ligurien
ligurianhideaways.com
TOSK ANA - MEERNÄHE
www.toscana-mare.de
FeHs, FeWo, Hotel +49(0)8662/9913
GRIECHENLAND
Griechenland - Peloponnes
www.perikleshills.com
Strandnahes 4-Sterne-Ferienhaus****
mit Meerblick, traumhaft & günstig,
unter deutsch-/österreichischem
Management; auch für Gruppen
buchbar.
www.gardasee-ferienwohnung.net
2-Raum-FeWo, große Terrasse,
traumh. Seeblick. T. 015204862587
Masserie in Apulien (Ostuni)
im Juli und August zu vermieten
Geeignet für 4 Pers. Anfragen über
Email: stexter@mac.com
AKTIVURLAUB
Zu Fuß! Wandern mit TCEN
www.tcen.de
Partner v. Zeitreisen, 06406-74363
SCHWEIZ
Exkl. Ferienhaus am Genfer See
www.swisslakelodge.com
Die Lodge für bis zu 12 Pers. liegt
mitten im Naturschutzgebiet der
Schweizer Riviera - nahe Montreux
und Vevey - mit herrlichem Blick auf
Berge u. Natur. 4 SUPs, Kajak, Kanu,
5 Bikes, Tischtennis, Golfausrüstung,
Grill u.v.m. stehen unseren Gästen
kostenlos zur Verfügung.
Ruhe – Wein – Kunst Beste Aussichten: Urlaub in
Im Herzen des Weingebiets Minervois, unweit Fühlen, Spüren und Berühren…
von Carcassonne, vermieten wir 13 einzigartige Willkommen in einem organischen herrlicher Sonnenlage über
Ferienwohnungen in unserem Chateau aus dem
13. Jh. auf mehr als 60 Ha mit eigenem Restau-
Land. dem Hopfensee. In den neu aus-
Feriendomizile für 2-8 Personen
rant und Infinity Pool. Tel. +33/468713216 oder Schwimmbad, Hamam Warmbad mit
gestatteten Südzimmern mit
info@chateauvillarlong.com Jaccuzzi Natur-Betten, im Hallenbad
SÜDFRANKREICH
und im großzügigen Garten-
www.auberge-du-cedre.com SPA mit Zirben-Salz-Sauna,
Dampfbad und Bergblick-
FeWo & Gästezimmer Ruheräumen – und natürlich
Luxusvilla bei Nizza HP ab 59,- € auch auf der Terrasse am
www.villasuedfrankreich.net Park & Pool
Panorama-Meerblick, Pool, von privat Montpellier Pic St Loup Natur-Schwimm-Pool – findet Sommer-Frische-Tage
3 bzw. 5 Ü/Bio-HP und
Tel. 0049 173 3020916 Tel. 0033-467 59 02 02 jeder seinen Lieblingsplatz »Sonnenschein«-Wellness-Paket
zum Entspannen. Dazu sorgen ab 513,– Euro/775,– Euro im DZ p. P.
TSCHECHIEN VERSCHIEDENES frische Bio-Küche und Behand- Biohotel Eggensberger****
lungen mit Naturkosmetik, EGGENSBERGER OHG
Enzensbergstraße 5
SUITE HOME PRAGUE
Massagen und Kneipp fürs 87629 Füssen-Hopfen
Das Familienhotel SUITE HOME PRAGUE Segelnachrichten Wohlfühlen. Unbedingt ein- am See/Allgäu
liegt zentral nahe Wentzelsplatz. von Seglern für Segler Tel. (08362) 9103-0
Geräumige Suiten mit voll eingerichteter
planen: Aktiv-Touren in die info@eggensberger.de
Küche, Tee & Kaffee, Klimaanlage, Smart Füssener Seen-Landschaft. www.eggensberger.de
LCD Sat.-TV, gratis W-LAN. Frühstück mit
warmen Speisen (frisch zubereitet). Bei
Ankunft 1 Flasche Wasser, Schokolade,
Willkommensdrink. Vorzüge bei direkter KONTAKT
Reservierung. T +420 222 230 833 FÜR ANZEIGENKUNDEN
KURT TUCHOLSKY
»Trudle durch die Welt. Touristikanzeigen
Sie ist so schön; Christiane.Topel@zeit.de 
gib dich ihr hin,
040 / 32 80 291
sie wird sich dir geben.«
040 / 32 80 471
 70 ENTDECKEN 15. Juni 2022 DIE ZEIT N o 25

Was mein
Du siehst aus, Leben reicher
WIE ES WIRKLICH IST
wie ich mich fühle macht
Auf dem Weg zur Arbeit die orange gekleideten
... sein Kind in Mitarbeiter der Müllabfuhr zu treffen, die man bei
uns auch liebevoll als Karottenballett bezeichnet.
die Grundschule Karin Rauch, Wien

einzuklagen Brückentag. Ich habe viel Zeit, die ZEIT zu lesen.

Karolina ist kein blindes Huhn. Aufgrund der Haube, die für ihre Rasse – Golden Laced Polish – typisch ist, sieht sie allerdings wirklich nicht viel. Fotografiert von Richard Bailey
Nachdem ich mit »Was mein Leben reicher
macht« durch bin, hole ich mir einen Kaffee und

E
sehe aus dem Augenwinkel, wie sich draußen­
s ging los, als meine Tochter vier Jahre alt etwas Orange­far­be­nes sehr schnell von links nach
war. Auf einmal hörte ich überall Gesprä­ rechts bewegt. Ich schaue genauer hin: Es ist ein
che über die »Einzugsschule«. In Berlin Mann von der Stadtreinigung, der das Wake­
wird den Kindern die Grundschule vom board meiner Tochter entdeckt hat – und fröhlich
Bezirk zugeteilt, nach Wohnort. Unsere Straße durch unseren Hinterhof gleitet ...
gehört zum Einzugsgebiet der besten Grund­ Björn Kluge, Berlin
schule der Gegend – aber leider nur die Seite
mit den ungeraden Zahlen. Unser Haus ist einer Ich habe eigentlich frei und bin aber gestresst­
anderen Grundschule zugeordnet, einer, die seit angesichts all der Dinge, die ich mir für diesen Tag
Jahren auf zwei Standorte verteilt ist, weil das vorgenommen habe.
neue Schulgebäude einfach nicht fertig wird. Ein älterer Herr mit einer Zeitung in der Hand
Allein das störte mich schon. Unsere Nachbarin spricht mich an. Ich denke: »Was möchte der mir
hatte ihren Sohn genau sechs Monate auf dieser nun verkaufen?« Der Herr erkundigt sich freundlich:
Schule. In dieser Zeit wurde er gemobbt, bedroht »Haben Sie ein Mobiltelefon?« Ich denke: »Ach du
und abgezockt. meine Güte, ein Handyvertreter«, und antworte
Natürlich haben wir versucht, uns ein eigenes kurz angebunden: »Ja, warum?«
Bild von der Schule zu machen. Aber das war »Ich löse gerade ein Kreuzworträtsel, und es fehlt
schwierig: Einen Info-Abend gab es nicht, zu einem mir nur noch ein ›computeranimierter Trickfilm
Gespräch schien die Direktorin nicht bereit, jede aus dem Jahr 1998 mit vier Buchstaben‹.« Ich tippe
Anfrage wurde mit einem Verweis auf die (deso­ die Frage in die Suchmaschine ein, und schon halte
late) Website beantwortet. Die andere Schule hin­ ich die Antwort in Händen: »Antz«.
gegen, die sogar näher liegt, hat mehrere Termine Manchmal sollte man einfach erst einmal zuhören.
für Gespräche angeboten, es gab Info-Veranstal­ Sandra Grundmann, Zürich
tungen, einen Tag der offenen Tür. Ich habe fast
geheult, als ich auf deren Schulhof stand. Ein rie­ Der süße Duft eines Erdbeerfeldes in der Mittags­
siges, liebevoll gestaltetes Gelände mit ganz unter­ sonne.
schiedlichen Angeboten für die Kinder. An dem Lars Janzen, Wistedt, Niedersachsen
Abend habe ich zu meinem Mann gesagt: Lass uns
nach einem Anwalt suchen. Meine fast 90-jährige Mutter, die mich mit ihrem
In Berlin sind die Leute chronisch unzufrieden Handy anruft und sagt: »Ich sitze hier auf dem
mit ihren Sprengelschulen, man kann Anträge Friedhof auf der Bank. Scheint aber noch nicht so
stellen auf Umschulung, das machen viele; und so weit zu sein. Dann geh ich jetzt noch mal für ’n paar
haben auch wir schnell jemanden gefunden, der Jährchen nach Haus.« Und dann lacht sie ihr warmes
uns half. Für 190 Euro hat er unseren Antrag über­ und so lustiges Lachen. Und ich denke: Ja, liebe
arbeitet, den musste man bis Herbst gestellt haben Mama, wenn man wie du in den wichtigen Dingen
und erklären, warum das Schulprogramm der des Lebens alles richtig gemacht hat, dann kann man
Wunschschule besser zu Kind und Familie passt. dem Tod wohl gelassen ins Gesicht ­lachen.
Dann passierte erst mal gar nichts, acht Monate Kerstin Kosboth-Engel, Weyhe, Niedersachsen
lang. Erst im Sommer bekamen wir die Ablehnung:
Die Schule habe kaum freie Plätze gehabt, die paar Folge 314 Die Sommersonnenwende in der steinzeitlichen
wenigen habe man verlost; wir hatten kein Glück Kreisgrabenanlage Goseck zu erleben und darauf
dabei. Zwei Tage lang waren wir frustriert. Dann zu warten, dass um kurz vor 22 Uhr die letzten
haben wir den Anwalt gebeten, Klage einzureichen. Lichtstrahlen durch die Öffnung der (wieder er­
Wieder mussten wir warten. Zwei Monate. richteten) Palisadenwand scheinen. Der Gedanke,
Noch zwei Tage vor der Einschulung wussten wir ZEITSPRUNG WORTSCHATZ dass an dieser Stelle schon vor 7000 Jahren Men­
nicht, ob wir einen Platz an unserer Wunschgrund­ schen die Sonne beobachteten, ist faszinierend –
schule bekommen würden. Zur Einschulung vielleicht waren sie uns gar nicht so fremd!
kamen meine Eltern und die Schwiegereltern. Die
haben uns fast in den Wahnsinn getrieben mit ihren
Mohn Eilung Rudi Schmidt, Leipzig

Fragen, was wir denn nun machen würden. Am Nach dem Abi-Ball nehmen uns unsere Schüler zur
Tag vor der Einschulung aber hat das Schulamt Wenn ein Gewitter im Anzug ist, wird After-Party mit – und zwar in einem zur rollenden
dann noch mal über vier frei gewordene Plätze es kurz vorher ganz ruhig, selbst die Disco umgebauten Linienbus. All der jugendliche
gewürfelt – und endlich waren wir dabei. Wir ha­ Vögel scheinen zu verstummen, und die Übermut entlockt meiner Kollegin einen Freuden­
ben 1400 Euro dafür bezahlt, dass unsere Tochter Luft fühlt sich drückend an, bis die schrei: »Ich bin wieder 18!«, ruft sie aus – was­
nun auf eine fantastische Schule geht, und wir ersten heftigen Windstöße die Stille vor beweist, dass wir einen der tollsten Berufe haben,
haben es keinen Tag bereut. dem Sturm durchbrechen. Diese ersten der uns auch noch selbst jung hält!
Christian Steinberger, München
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos: privat

Windstöße, die das Gewitter einleiten,

Laura Bode (Name geändert), 42, ist Ärztin in ­
pflegte meine ostpreußische Großmutter
Berlin. Sie bleibt hier anonym, weil sie nicht will, »Eilung« zu nennen. Der Ausdruck
war in der Familie und Verwandtschaft Machen Sie mit!
dass die Kinder aus der Klasse ihrer Tochter vom
Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
Einklagen wissen eine ganz selbstverständliche Vokabel teilen Sie Ihre »Wortschätze« und »Zeitsprünge« mit uns.
Als wir begannen, unser Haus zu sanieren, pflanzten uns meine für diese Vorgewitterphase, doch wann Beiträge bitte an leser@zeit.de oder an
Aufgezeichnet von Judith Luig Schwiegereltern diesen Mohn in den Garten. Inzwischen hat er sich immer ich das Wort im Freundes- Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg
zu einer stattlichen Pflanze entwickelt, deren Knospen üppige und Kollegenkreis gebrauche, ernte
Blüten hervorbringen. Leider hat mein Schwiegervater, der vor etwas ich Fragezeichen.
Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist« Die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung und redaktionelle Bearbeitung
über einem Jahr verstorben ist, diese Pracht nicht mehr erlebt. Ihrer Beiträge vor. Mit der Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
berichten möchten, Dietrich Rosenfeld,
Ihren Beitrag in der ZEIT, in der ZEIT-App, in sozialen Netzwerken oder
melden Sie sich bei uns: wirklich@zeit.de Knut Köhler, Dresden Warstein, Nordrhein-Westfalen in einem ZEIT-der-Leser-Sammelwerk zu veröffentlichen

ANZEIGE

Gratis
DIE ZEIT beherrscht testen!

jetzt fünf Sprachen Unser Angebot für ZEIT-Leser: Lesen Sie ein Sprachmagazin Ihrer Wahl gratis
Kennen Sie schon die Sprachmagazine der ZEIT-Verlagsgruppe? Egal ob Englisch, Französisch,
Spanisch, Italienisch oder Deutsch: Mit unseren Magazinen lernen Sie Sprachen auf höchstem

fließend! Niveau. Sie verbessern zielgerichtet Ihr Sprachniveau mit Übungen zu Grammatik- und
Wortschatz und erhalten spannende Einblicke in Länder, Menschen und Kulturen.

Jetzt Gratisausgabe bestellen unter:

WWW.SPOTLIGHT-VERL AG.DE/ZEIT-TESTEN