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DIEZEIT
10.06.21 16:29
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17. JUNI 2021 N o 25

110065_ANZ_48x35_X4_ONP26 2 10.06.21 16:32

Die Stunde der 40-Jährigen Sie sind

In Politik, Wirtschaft und Kultur kommen sie nun an die Macht. das Volk
Aber wofür steht diese Generation, die bislang kaum zu fassen war? ENTDECKEN Wir haben 49
Menschen ausgewählt,
die Deutschland
verkörpern. Was
Titelcomposing: Beate Pietrek für DIE ZEIT (verw. Fotos, v. l.: grüne.de; Lea Aring; Christian Charisius/dpa; BMG; Erwin Elsner/dpa)

wünschen sie sich?

Politik, S. 10

Der Untergang
Roms
Überraschende Funde
in Trier zeigen, wie
das Imperium starb
Wissen, S. 33

Dämmerung
in Dresden
Annalena Baerbock, Politikerin; Paul Bethke, Unternehmer; Motsi Mabuse, Tänzerin; Jens Spahn, Politiker; Judith Schalansky, Schriftstellerin (v. l.)

CORONA NATO-GIPFEL
Was das Ausscheiden

Man lächelt wieder Es ist nicht nur China

von Christian
Thielemann über den
Kulturbetrieb verrät
Feuilleton, S. 53
Allgegenwärtig muss die Maske nicht länger sein. Überall fallen kann Biden sucht den Systemkonflikt mit Peking. Doch die autoritäre
sie aber auch noch nicht  VON ANDREAS SENTKER Gefahr für den Westen kommt nicht von außen  VON JÖRG LAU

S A
ie waren und bleiben ein Reizstoff.
Manchem wurden sie zum verlo-
ckenden Spekulationsobjekt, ande-
ren zum verhassten Maulkorb. Mal
waren selbst genähte Exemplare
der letzte Schrei, dann wurde zu
viel Kreativität wieder verboten. Beim Ausbruch
von Corona gab es viel zu wenige von ihnen,
später zu viele falsche. Doch die großen und
kleinen Maskenskandale lenken von einer nicht
neuen, aber zentralen Erkenntnis der Pandemie-
bekämpfung ab: Masken schützen. Ihr Preis ist
relativ klein, ihre Wirkung beachtlich.
Darum wurde im April 2020 die generelle
Maskenpflicht in Bussen, Bahnen und Geschäf-
ten eingeführt, bei bundesweit 1550 Neuinfek-
tionen an jenem Tag. Je dichter eine Maske ist,
desto besser schützt sie. Deshalb beschloss die
Ministerpräsidentenkonferenz am 19. Januar
2021, »die Pflicht zum Tragen von Mund-­
Nasen-Bedeckungen in öffentlichen Verkehrs-
mitteln sowie in Geschäften verbindlich auf
eine Pflicht zum Tragen von medizinischen
Masken« zu verschärfen. An jenem Dienstag
hatten sich nachweislich 12.422 Menschen in-
fiziert. Am vergangenen Sonntag gab es nur
noch 1008 Neuinfektionen, Tendenz weiter
fallend, und Bundesjustizministerin Christine
Lambrecht forderte, die Länder müssten klä-
ren, »ob und wo eine Maskenpflicht noch ver-
hältnismäßig ist, wenn die Inzidenzzahlen
niedrig sind und weiter sinken«.
Der Sommer darf uns nicht täuschen,
das Virus ist nicht verschwunden
Darin sind sich Politiker, Juristen, Epidemiolo-
gen und Virologen einig: Die strenge Verpflich-
tung zum Tragen von Masken wird mit weiter
sinkenden Infektionszahlen gelockert werden
müssen, sie ist in manchen Bereichen schlicht
nicht mehr verhältnismäßig. Zuerst draußen, da,
wo die Sonne scheint (UV-Strahlen zerstören
Viruspartikel), wo der Wind weht (hier spielen
infektiöse Aerosole keine Rolle), wo fremde
Menschen bei zufälligen Begegnungen Abstand
zu­ein­an­der halten können.
Später werden stufenweise auch im Inneren
die Masken fallen können. Zuständig für die
Maskenverordnungen sind die Länder, und das
ist gut so. Die Lockerungen müssen von Region
zu Region unterschiedlich geregelt sein – und
wie bisher von Zahlen abhängen. Wo die Inzi-
denzen niedrig und die Impfquoten hoch sind,
gibt es die größeren Freiheiten.
Aber die sommerliche Leichtigkeit darf nicht
darüber hinwegtäuschen, dass das Virus nicht weg
– und der Impfschutz noch lange nicht ausreichend
ist, um eine mögliche vierte Welle zu verhindern.
Nicht einmal die Hälfte der Bundesbürger hat die
erste Impfdosis erhalten, nur ein gutes Viertel­
bereits die zweite. Mit den bestehenden strengen
Regeln und Quarantäne-Maßnahmen ist es bisher
gelungen, eine Ausbreitung der zuerst in Indien
nachgewiesenen Delta-Variante des Virus zu ver-
hindern, die sich in der ungeimpften Bevölkerung
besonders schnell verbreitet. Ein aktueller Blick
nach Großbritannien zeigt, wie neue Virusvarian-
ten einen positiven Trend umkehren können – und
die Politik zwingen, das Versprechen von Freiheit
wieder zurückzunehmen.
Darum sind sich die Experten und viele­
Politiker in ihren Warnungen einig: Es wäre­
gefährlich, alle Schutzmaßnahmen gleichzei-
tig aufzuheben – Testpflicht, Maskenpflicht,­
Abstandsgebote.
Das Virus wird bleiben. Damit wird auch die
Maske Teil des pandemischen Landschaftsbildes
bleiben müssen. Aber diese Landschaft wird
bunter werden: In den Bussen und Bahnen
Nordrhein-Westfalens müssen die Passagiere nur
noch OP-Masken tragen. Im Baumarkt herrscht
immer noch Maskenpflicht, auf dem Parkplatz
davor nicht mehr. Denkbar, dass es nach den
Sommerferien Klassenräume gibt, in denen­
geimpfte Lehrerinnen ihren Schülern ins unver-
deckte Gesicht sehen können, und solche, in
denen alle aus Solidarität mit nicht geschützten
Lehrkräften die Maske aufbehalten.
Wie das Virus wird auch die Maske nie mehr
ganz verschwinden. Ältere und gefährdete Men-
schen werden sie spätestens dann wieder tragen,
wenn mit der Grippe-Saison auch die Corona-
Saison wieder beginnt. Ist schon jemandem auf-
gefallen, dass die Grippewelle im Winter
2020/21 nahezu vollständig ausgeblieben ist
und so viele Menschenleben allein durch­
Hygiene gerettet wurden?
Gut möglich, dass die Maske – wie in vielen
Ländern ­Asiens – ein Accessoire wird wie Schal
oder Mütze. Für die braucht es auch keine­
gesetzliche Verpflichtung. Wer empfindlich ist,
schützt sich vor Kälte. Kurzum: Die Maske fällt.
Und bleibt.
m Montag hat die Nato erst-
mals seit Langem erklärt, wie sie
die Welt sieht – und wovor sie
sich fürchtet. Das Kommuniqué
ist damit auch eine Art Bilanz
der Europatour des US-Präsi-
denten: Zehn Mal wird China im Ab­schluss­
doku­ment des Gipfels gegeißelt, das gab es noch
nie. Pekings »steigender Einfluss«, gestützt auf
atomare Aufrüstung und zunehmend aggressi-
ves Verhalten in aller Welt, alarmiert das west-
liche Bündnis.
Die Amerikaner hatten auf die harten Worte
in Richtung China gedrängt, die Europäer füg-
ten sich dem, wenn auch widerwillig. Der fran-
zösische Präsident Emmanuel Macron ließ zwar
die Bemerkung fallen, die Nato sei doch wohl
das atlantische, nicht das pazifische Bündnis,
dennoch trug er die Erklärung mit. Bloß keine
Zerwürfnisse mehr wie auf früheren Gipfeln mit
­Donald Trump!
Die Nato braucht vielleicht einen neuen
Gegner – aber eignet sich China dafür?
Das ist schwach. Die wohl wichtigste Debatte
der westlichen Außenpolitik darf man nicht
hinter Formelkompromissen verstecken. Sie
muss offen ausgetragen werden: Handelt es sich
beim Konflikt mit China um einen Streit inner-
halb des bestehenden internationalen Systems –
oder um einen Systemkonflikt zwischen alterna-
tiven Modellen? Die Europäer und die Amerika-
ner sind darüber uneins. Erstere wollen China
einbinden, Letztere setzen auf Konfrontation.
Die Nato hat sich dem nun angeschlossen.
Es mag zynisch klingen: Für ein Verteidigungs-
bündnis wie die Nato ist es keine schlechte Sache,
wenn ein neuer Gegner auftaucht. Die Allianz zieht
sich gerade ziemlich glanzlos aus dem jahrzehnte-
langen Einsatz in Afghanistan zurück, in dem
keines der hochgesteckten Ziele erreicht wurde.
Den Taliban muss man dort nach 20 Jahren das
Feld überlassen. Da kommt eine neue Gefahr am
Horizont nicht ungelegen. Chinas Aufstieg, so die
Formel, sei eine »systemische Herausforderung« für
die »regelbasierte internationale Ordnung«.
Die Antwort aus Peking ließ nicht lange auf
sich warten: Die Nato bunkere sich in einer
»Kalter-Krieg-Mentalität« ein. Das ist reichlich
polemisch, aber leider nicht ganz falsch. Die
Fixie­rung auf China, wie sie bei allen Gipfeln
der letzten Woche zu beobachten war, führt ­in PROMINENT IGNORIERT
die Irre.
Es ist falsch, die zahlreichen tatsächlichen
Konflikte des Westens mit Peking zu einem
ideologischen Showdown zu stilisieren, wie es
US-Präsident ­Biden tut: Demokratien, sagt er
bei jeder Gelegenheit, stünden heute in einer
existenziellen Konfrontation mit Autokratien,
repräsentiert durch China.
Die herrschende KP Chinas ist aber nicht die
Anführerin eines alternativen Gesellschaftsmodells.
Sie will, anders als einst die Sow­jet­union, ihre Ord-
Arm und Reich
nung nicht exportieren. Wie denn auch? Die KP »Wie wichtig wäre es Ihnen, reich
wird in wenigen Tagen 100 Jahre alt und recht- zu sein?« lautet eine Umfrage in
fertigt ihre Herrschaft mit einem kruden Ideologie- sieben westlichen Ländern. Oben-
mix aus Maoismus, Nationalismus und Staatskapi- an steht Italien, wo 40 Prozent der
talismus, dessen Attraktivität sich für den Rest der Männer und 34 Prozent der Frau-
Welt in sehr engen Grenzen hält. China unter- en gerne reich wären. Weit unten
drückt die eigenen Bürger, verfolgt Minderheiten, (mit 26 und 18 Prozent) stehen
bedroht Taiwan und Hongkong und versucht, die die Deutschen. In allen Ländern
Meinungsfreiheit weltweit einzuschränken. Es setzt sind die Frauen bescheidener.
auch knallhart seine geoökonomischen Interessen Oder klüger, weil sie wissen, dass
durch, mit Einschüchterung, Knebelverträgen, Reichtum und Glück genau zwei
geistigem Diebstahl. Paar Schuhe sind.  GRN .
Das alles muss deutlich benannt und einge-
hegt, wo möglich auch zurückgedrängt werden. Kleine Fotos (v. o.): Nishant Choksi;
Matthias Creutziger; Westend61/Imago
Eine Aufgabe für die Nato ist es nicht. Die Nato
ist selbst kein Bündnis lupenreiner Demokraten
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG,
(siehe das Mitgliedsland Türkei). Und sie hat 20079 Hamburg
genug damit zu tun, die Bündnispartner in Ost- Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail:
europa vor Russland zu beschützen. Polen und DieZeit@zeit.de, Leserbriefe@zeit.de
die baltischen Länder sind darum auch dagegen, ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de;
das Bündnis nun auf China auszurichten. Sie ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de
fürchten, dass die Nato aus den Augen verliert,
wofür sie gebraucht wird: Bündnisverteidigung ABONNENTENSERVICE:
und Abschreckung. Tel. 040 / 42 23 70 70,
Fax 040 / 42 23 70 90,
Es gibt noch einen Grund, sich nicht in­ E-Mail: abo@zeit.de
einen Kampf mit China hineinzusteigern, wie
es Joe ­Biden tut – darin seinem Vorgänger nicht PREISE IM AUSLAND:
unähnlich. Es ist eine Selbsttäuschung, die heu- DK 64,95/FIN 8,70/E 7,30/
CAN 7,80/F 7,30/NL 6,90/
tige Gefährdung der freiheitlichen Demokratie A 6,20/CH 8.50/I 7,50/GR 7,80/
auf den Aufstieg Chinas zurückzuführen. Die B 6,90/P 7,60/L 6,90/H 3190,00
größte Gefahr für den Westen ist nicht die Kon-
o
N 25
kurrenz des chinesischen Modells.
Die Krise der Demokratie kommt überhaupt
nicht von außen, sondern von innen, durch­
politische und soziale Polarisierung und den
7 6. J A H RG A N G C 7451 C
selbst verschuldeten Verfall der Institutionen. Sie
kann auch nur im Innern bekämpft werden.
25
Beide Leitartikel finden Sie zum Hören
unter www.zeit.de/vorgelesen 4 190745 105903
2 POLITIK
Foto: Steffi Loos/action press
Die Grünen finden nicht so recht in diesen Wahlkampf hinein. Das hat auch mit den eigenen Schwächen zu tun  VON ROBERT PAUSCH
W
ie lang im Jahr 2021 ein
Hype-Zyklus dauert, lässt
sich gerade ziemlich prä-
zise bemessen: 48 Tage.
So viel Zeit lag zwischen
einem Cover des Spiegels,
auf dem Anna­lena Baer­
bock strahlte (»Die Frau für alle Fälle«), und
einem­Online-Kommentar in demselben Medium
(»Das war’s«), in dem ihr empfohlen wurde,
schleunigst auf die Kanzlerkandidatur zu ver­
zichten. Sie habe ohnehin keine C ­ hance mehr.
Die Sache sei entschieden.
Na dann ...
Aber selbst wenn man den journalistischen
Übertreibungseifer abzieht, bleiben immer noch
die Zahlen. Und die sind für die Grünen, nun ja,
brutal. Im aktuellen Deutschlandtrend verliert die
Partei sechs Prozentpunkte. Baer­ bocks Beliebt-
heitswerte krachen um zwölf Punkte zusammen.
Von der populärsten Bewerberin ums Kanzleramt
stieg Baer­bock ab zur unbeliebtesten, während
sich Armin Laschet durch konzentriertes Nichts-
tun auf den ersten Platz emporgedämmert hat.
Und als wäre das alles noch nicht genug, trafen
sich die Grünen am Wochenende zu einem Par-
teitag, von dem ein Si­gnal ausgehen sollte, aber
am Ende vor allem ein Wort hängen blieb:­
Scheiße. Zwar bezog sich der Wutschnauber von
Anna­lena Baer­bock bloß auf eine kleine Stolperei
am Ende ihrer Rede. Aber es passte zu gut zur
merkwürdigen Lage, in der sich die Grünen der-
zeit befinden.
Die anderen Parteien führen einen Wahl-
kampf, bei dem man denken könnte, es gehe da-
rum, die Grünen nach 16 Jahren endlich aus dem
Kanzleramt zu vertreiben. Die Partei wiederum,
die 2005 zuletzt einen Bundesministersessel aus
der Nähe betrachtet hat, wird angegriffen für die
Konsequenzen einer Klimapolitik, die alle ande-
ren ebenso beschlossen haben. Und bevor die­
Union bei ihrer Programmvorstellung am Wo-
chenende überhaupt zu erkennen geben wird,
weshalb sie das Land eigentlich regieren will (au-
ßer um zu regieren), sind die Grünen bereits ein-
mal aufgestiegen und abgestürzt.
Spricht man in diesen Tagen mit Grünen-Poli-
tikern, hört man Sätze, die man eigentlich nur von
den anderen kannte. Von einem »Schockmoment«
ist die Rede, von »Horrorwochen«. Immer wieder
hört man die Selbstbeschwörung, nun bloß nicht
in Panik zu verfallen. Denn der Zeitraffernieder-
gang der letzten Wochen mag sich zu einem Teil
mit gesellschaftlicher Nervosität und medialer­
Eigenlogik erklären lassen. Es finden sich aber
auch ein paar tiefere, unangenehme Wahrheiten,
die die Grünen besser zur Kenntnis nehmen soll-
ten, wenn sie den Wahlkampf nicht verlieren­
wollen, noch bevor er so richtig begonnen hat.
Das grüne Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck
Seltsam unvorbereitet
Da ist zunächst die sogenannte Lebens­ lauf­
debat­te, die zu mindestens drei Vierteln bizarr ist,
zu einem Viertel aber bedrohlich. Bizarr sind jene
Gelegenheitsinquisitoren, die sich auf Twitter
oder in Plagiatsjägerforen zusammengefunden ha-
ben. Da geht es dann allen Ernstes um den Ver-
dacht, Baer­bock habe die Formulierung, dass es
für die Bekämpfung des Klimawandels eines
»Ehrgeizes von epischem Ausmaß« bedürfe, von
Joe ­Biden abgekupfert. Oder – kein Scherz – um
die Quadratmetergröße des Trampolins, auf dem
sie als Jugendliche gesprungen sein soll (neun
Quadratmeter oder drei?). Oder – ebenfalls kein
Scherz – darum, dass zu dem geplanten Doktor-
arbeitsthema von Baer­ bock zuvor bereits eine­
ähnliche Dissertation erschienen war. Es wäre­
immerhin der erste Fall eines Plagiats, das nie er-
schienen ist.
Das Problem allerdings besteht darin, dass
Baer­ bocks aufgehübschter Lebenslauf und ihre
viel zu spät gemeldeten Zusatzeinkünfte unmittel-
bar ins Zentrum ihrer eigenen Erzählung treffen:
die der detailversessenen, immer bestens vorberei-
teten Politikerin. Baer­bock sei jemand, die einen
nachts um halb eins anrufe, weil sie sich da noch
mit völkerrechtlichen Spezialfragen beschäftige, so
lautete eine Lieblingsanekdote, die ihre Unter-
stützerinnen insbesondere in den Wochen der
Kandidatenentscheidung in allen Variationen ven-
tilierten. War auch das einfach übertrieben? Und
wie unsicher – und unerfahren – ist eine Kandida-
tin, die ihren eigenen Lebenslauf künstlich an­
dicken muss?
Dass diese Fehler passieren (und dann nur
scheibchenweise zugegeben werden), verweist auf
ein tiefer liegendes Problem: die »strukturelle
Überforderung des Apparats«, wie es ein Stratege
der Grünen formuliert. Im Vergleich zum Konrad-­
Adenauer-Haus ist die Grünen-Parteizentrale
(schon architektonisch) weniger ein Schlachtschiff
als eine etwas zu groß geratene WG mit vielen
neuen Mitbewohnern, die die Macken der ande-
ren erst noch kennenlernen müssen.
Viel ist derzeit von »Ressourcenproblemen« die
Rede, was auch daran liegt, dass die entscheidenden
Leute in der Partei sowie weite Teile der Mitarbeiter-
schaft in den vergangenen Wochen vor allem damit
beschäftigt waren, den Parteitag vorzubereiten, also:
mit überaus verhandlungsfreudigen Mitgliedern über
einzelne Formulierungen der insgesamt 3300 Än-
derungsanträge zu diskutieren. Zuletzt verbrachte die
Parteiführung jeden Tag mehrere Stunden mit Sit-
zungen, in denen die Antragslage final durchgewalkt
wurde. Zoom-Meetings mit der Basis wurden bis-
weilen für 21 Uhr angesetzt und endeten gegen Mit-
ternacht. Manche Spitzengrüne überlegten sogar,
Talkshow-Auftritte abzusagen, weil das, wie es eine
formuliert, »zeitlich einfach nicht zu packen ist«. Bei
der ­Union dagegen schreiben die Generalsekretäre
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
(beziehungsweise deren Mitarbeiter) das Programm, wurde: Nein, nein, das Konstruktive stehe schon Grund für Optimismus. Das liegt zum einen an
und am Ende wird es vom Parteivorstand beschlossen. an erster Stelle. der ­Union, deren Kampagne jenen Effekt herbei-
Damit gewinnt man zwar keinen Preis für bürger- Nun allerdings wird das Umarmen als Mentali- führt, den sich die Grünen wünschen: eine Polari-
schaftliches En­gage­ment, aber möglicherweise eine tät und Methode zur Falle. »Uns gelingt es nicht sierung zwischen Beharrung und Veränderung,
Bundestagswahl. wirklich, in die Offensive zu kommen«, sagt ein zwischen Aufbruch und Weiter-so. Um die Wahl
Wirklich bedrohlich sind für die Grünen jedoch Mitglied der Parteiführung, was zweifellos eine zu gewinnen, brauchen die Grünen keine 50 Pro-
nicht in erster Linie die organisatorischen, sonderntreffende Zustandsbeschreibung ist, aber eben zent, sondern vielleicht 30. Und es könnte durch-
die strategischen Schwächen, die sich zuletzt offen-auch ein echtes Problem. Denn zur Umarmung aus sein, dass der Teil der Gesellschaft, der sich von
braucht es immer zwei. Und eine ­Union, die vor
barten, zum Beispiel in der Benzinpreisdebatte. Baer­ der Mischung aus Aggressivität (Paul Ziemiak)
allem damit beschäftigt ist, Kothäufchen-Emojis
bock hatte erklärt, was eigentlich alle wissen – dass und Apathie (Armin Laschet) nicht angesprochen
der steigende CO₂-Preis auch zu einem steigenden über Anna­lena Baer­bocks Kopf zu photoshoppen fühlt, ungefähr so groß ist.
Benzinpreis führen werde. Prompt warfen ihr die sowie die Konsequenzen ihrer eigenen Klimapoli- Hinzu kommt, dass es für die ­Union nicht
politischen Gegner all das vor, was sie den Grünen tik zu leugnen – will man die wirklich umarmen? leicht werden wird, ihre eigenen Widersprüche
schon immer vorwerfen wollten: Arroganz, Pendler- Die Benzinpreisdebatte, sagt ein erfahrener Stra- auszuhalten: Das Paris-Abkommen rhetorisch zu
feindlichkeit, kalte Enteignung der Autofahrer und tege, hätte man nur in der Offensive gewinnen kön- bejahen und praktisch zu verneinen, die soziale
so weiter. nen. Also: die CDU als Besserverdienerpartei kritisie- Frage ständig zu stellen, ohne sie beantworten zu
Man kann das unehrlich finden, weil Baerbocks ren, die den Sprit teurer macht, aber kein Konzept für wollen – das geht vielleicht ein paar Wochen lang
Position hier ziemlich genau auf der Linie der einen sozialen Ausgleich hat – noch bevor die An- gut, aber gewiss nicht drei Monate.
griffe gegen die Grünen gerichtet werden. Das wäre Die momentane Schwäche von Annalena Baer­
überraschend gewesen und im Übrigen auch zutref- bock kehrt überdies eine Stärke der Grünen her-
fend. Aber für eine solche Attacke fehlt den Grünen vor. Nämlich die Tatsache, dass sie trotz anfäng­
zumindest bislang, ja was eigentlich? Der Mut? Der licher Unstimmigkeiten nach der Kandidatinnen-
Wille? Die Zeit? Vermutlich von allem etwas. kür noch immer über ein Team verfügen. Nach-
Eine Portion So finden die Grünen nach ihrer Kandidatenkür
noch immer nicht so recht in diesen Wahlkampf
dem sich Baer­bock in den vergangenen Wochen
im Kleingedruckten verheddert hatte, gelang es
Angriffsunlust hinein. Gegen die shit posts der ­Union, das taktische
Missverstehen, haben sie bislang kein Mittel gefun-
Robert Habeck auf dem Parteitag, die Perspektive
zu weiten. »Wer das Klima schützt, schützt die
und Nöligkeit den. Stattdessen dominieren vor allem in den mitt-
leren Etagen der Partei zwei Stimmungslagen: Er-
Freiheit«, lautete die zentrale Botschaft seiner
Rede, was einerseits die historische Wucht des
schütterung und Beleidigtsein. Karlsruher Richterspruchs zum Gegenstand der
sind die Gefahren Da gibt es eine Ex-Ministerin, die einem Jour­
nalisten nach einem harmlosen Tweet gezieltes­
politischen Aus­ein­an­der­set­zung machte. Anderer-
seits folgte Habeck damit einer bewährten Strate-
für die Grünen »Grünen-Bashing« unterstellt. Einen Landesminister,
der nach der putzigen Anzeigenkampagne der Ini-
gie: Als die Grünen etwa zu Beginn der Corona-
Krise in die Defensive gerieten, sprachen sie immer
tiative Neue Soziale Marktwirtschaft davon spricht, wieder von einer krisenfesten Gesellschaft, die sich
dass diese Leute »das Land brennen sehen« wollten. verändern müsse, um zu bewahren, was ihr lieb
Und es gibt überhaupt überraschend viele Grüne, die sei. Ihr strategischer Fluchtpunkt lag im Überbau.
sich nach der vermurksten Benzinpreisdebatte darü- Kein Wunder also, dass einige in der Partei nun
Groko-Beschlüsse liegt. Aber ein Wahlkampf ist ber beklagen, die Position der Partei sei in den­ Habecks Rolle betonen. »Robert ist gerade jetzt
kein Wahrheitswettbewerb, und so war es erstaun- Medien verkürzt wiedergegeben worden. enorm wichtig«, sagt ein Mitglied der Parteifüh-
lich zu sehen, wie bibbernd die Grünen plötzlich Es sind die ersten Anflüge einer mentalen Tritti- rung. Er dürfe nur bloß nicht zu hell strahlen.
im Gegenwind standen. Mehrmals versuchten sie nisierung. Dass die anderen böse sind, die eigenen Auch Annalena Baerbock spricht in ihrem
ihre Konzepte zum sozialen Ausgleich des steigen- Konzepte dagegen gut und die Leute selbst schuld, Buch, das in diesen Tagen erscheint, vom Grund-
den CO₂-Preises zu erklären, nie drangen sie da- wenn sie sie nicht verstehen – das war ungefähr die sätzlichen. Von Visionen und Veränderungsplänen
mit durch. Offensichtlich gab es keine kommuni- Geisteshaltung, die 2013 dazu beitrug, dass sich die für das Land. Das alles ist naturgemäß ein bisschen
kative Strategie, keine griffigen Formeln, was wie- Grünen und ihr damaliger Spitzenkandidat Jürgen weniger überbauambitioniert als bei Robert Ha-
derum erstaunlich ist. Denn eine Benzinpreis-­ Trittin zwar selbst prima fanden, aber am Ende bei beck, aber für eine Frau, bei der zuletzt jedes Wört-
Besserverdiener-Debatte ist kein Wahlkampf-­ acht Prozent landeten. Zwar hat sich die Partei seit- chen durchleuchtet wurde, ist die Entscheidung,
Voodoo, sondern ungefähr das Erste, was einem dem grundlegend verändert. Dennoch warnen weit- so viele Wörter auf einmal zu veröffentlichen, eine
einfällt, wenn man sich als grüner Stratege für­ sichtige Grüne davor, die Fehler von damals zu wie- durchaus gewagte Operation.
einen Moment in den Kopf von CSU-General­ derholen. Denn Wahlkampf bedeutet auch, per- Ob das am Ende genügt, um tatsächlich die
sekretär Markus Blume hineinversetzt. manent ungerecht behandelt zu werden, aber so tun Kanzlerin zu stellen? Vielleicht, vielleicht auch
Der Erfolg der Grünen seit 2018 basierte auch zu müssen, als würde man es gar nicht bemerken. nicht. Klar ist jedenfalls: Die momentane Stärke
darauf, dass sie in der Opposition so staatstragend Operative Überforderung, kommunikative der ­Union ist nicht gewachsen, sondern eher gelie-
agierten, als würden sie seit Jahren regieren. Kon- Schwächen, dazu eine Portion Angriffsunlust und hen. Und bis zur Bundestagswahl sind es von die-
struktiv-kritisch nannten sie diese Haltung, und Nöligkeit: Das sind die Gefahren für die Grünen, sem Donnerstag an gerechnet noch 101 Tage. Zeit
wenn man im Gespräch mit Spitzen-Grünen dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl. genug also für mindestens zwei ­Hypes.
dazu versehentlich kritisch-konstruktiv sagte, Doch weil Politik ein paradoxes Geschäft ist,
konnte es passieren, dass man sanft korrigiert bietet die aktuelle Situation für die Grünen auch  www.zeit.de/vorgelese
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
N
ein,
dass wir
uns zu früh freu-
en könnten oder zu
sehr – diese Gefahr be-
steht in Wahrheit nicht.
Das ist zwar der Vor-
wurf, den jeder fürchten muss, der in diesen
Tagen den absehbaren Sieg über Covid-19
feiern möchte. Vergisst man dabei, heißt es
dann, nicht die hochansteckende indische
Variante, die drohende vierte Welle, die
schlimme Lage in Südasien, Lateinamerika
oder Afrika? Doch in Wirklichkeit ist von
diesen Risiken und Problemen recht viel die
Rede. Worüber ein weit stärkeres Tabu zu
liegen scheint, sind im Gegenteil die guten
Nachrichten: wie stabil zumindest die rei-
chen westlichen Länder durch die Pandemie
gekommen sind – und was für einen stau-
nenerregenden Beweis menschlicher Kraft
die Bekämpfung dieser Seuche bei allen­
Opfern, Fehlern und Ungerechtigkeiten
letztlich doch darstellt.
Man muss sich die geradezu apokalyp­
tischen Ängste ins Gedächtnis zurückrufen,
die vor gut einem Jahr, im Frühjahr 2020,
mit der Ausbreitung des Coronavirus ver-
bunden gewesen sind. Bei Amazon waren
damals Bücher über die Spanische Grippe
ausverkauft, die Influenza-Epidemie der Jah-
re 1918 bis 1920, der 50 bis 100 Millionen
Menschen zum Opfer gefallen sein sollen –
ein Vielfaches der Kriegstoten des Ersten
Weltkriegs, die wahrscheinlich größte Kata-
strophe der dokumentierten Geschichte, aus
der historischen Erinnerung fast komplett
verschwunden. Das waren die Dimensionen,
in denen im vergangenen Jahr gedacht und
gefürchtet wurde.
Es ging dabei nicht bloß um die konkrete,
physische Krankheit, die man vor allem in
den Schreckensbildern aus Bergamo vor Au-
gen hatte. Sondern im Hintergrund stand
die Frage nach der sozialen und politischen
Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften,
nach den möglichen demoralisierenden und
entsolidarisierenden Folgen der Epidemie.
Wenn Angela Merkel in ihrer präzedenzlosen
Fernsehansprache vom 18. März 2020 den
Zweiten Weltkrieg als geschichtliche Ver-
gleichsgröße für die Covid-Herausforderung
aufrief, dann erinnerte sie genau an dieses
umfassende Zerstörungspotenzial: Ein Krieg
vernichtet nicht nur Leben, sondern die ge-
samte Ordnung des Lebens. Er ist die ulti-
mative Negation des Sozialen.
Das las man damals auch in den Seuchen-
schilderungen von der griechischen Antike
bis zu Albert Camus’ modernem Klassiker
Die Pest von 1947: Der letzte, eigentliche
Fluchtpunkt der Krankheit ist nicht einfach
eine überwältigende Zahl von Opfern, son-
dern die Auflösung der sozialen Bande, der
Zusammenbruch der Gemeinschaftlichkeit.
Im Schatten der permanenten Todesangst
werden die Menschen haltlos, egoistisch und
letztlich verbrecherisch. In seiner Darstellung
der Epidemie (wahrscheinlich handelte es
sich um Typhus), die ab 430 vor Christus
Athen verwüstete, hat der Historiker Thuky-
dides jenen Begriff geprägt, mit dem Sozial-
Abb. [M]: Phil Leo/Michael Denora/Getty Images
forscher bis heute den Zerfall gesellschaft­
licher Ordnung bezeichnen: Anomie, wört-
lich: Gesetzlosigkeit. Mit der Seuche droht
der Rückfall in vorzivilisatorische Zustände,
in die Barbarei.
Natürlich hat kein Politiker und kein Epi-
demiologe in der Corona-Krise offiziell sol-
che Szenarios entwickelt. Aber Visionen von
Kontrollverlust und Überforderung des Ge-
POLITIK 3
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Das große Chaos ist ausgeblieben, Wissenschaft
und Bürgersinn triumphieren über die Seuche. Was also kann
man aus der Pandemie lernen?  VON JAN ROSS
haftigsten Beispiel
sehen, wozu es gut ist,
eine hoch entwickelte moder-
ne Gesellschaft zu sein, über erst-
klassige Forscher und leistungsfähige Unter-
nehmen zu verfügen und, wenn es nötig ist,
meinwesens haben uns insge- gewaltige Finanzmittel auf den Punkt mobi-
heim ständig begleitet. Dass etwa in Bei alledem haben wir den wich- lisieren zu können. Es war ein Musterbeispiel
Großbritannien der erste Lockdown zu spät tigsten Erfolg des Corona-Kampfes noch gar für die keineswegs ausgereizten, durchaus
verhängt wurde, hing unter anderem damit zu- nicht erwähnt: die sensationell schnelle Ent- nicht überholten Segnungen des Fortschritts.
sammen, dass die Regierung »Verhaltensermü- wicklung und Anwendung hochwirksamer Das sollten wir uns merken für den Augen-
dung« fürchtete. Man müsse, so die Theorie, Impfstoffe. Niemand hatte damit gerechnet; zu blick, in dem der Kulturpessimismus wieder
die Freiheitsbeschränkungen kurz halten und Beginn der Pandemie wurde immer wieder auf einmal an uns nagt und die Regression zur
dürfe nicht zu früh damit anfangen, denn lan- das Aids-Virus verwiesen, gegen das nach Jahr- Versuchung wird.
ge würden die Leute sich dergleichen nicht zehnten intensiver Forschung noch immer Was kann, was wird man aus der Corona-
gefallen lassen. Deutschland wiederum erleb- keine Vakzine zur Verfügung steht. Der Impf- Krise lernen? Einer der stärksten Eindrücke
te im Herbst und Winter 2020 seinen kollek- stofftriumph ist aber auch deshalb so enorm, von Albert Camus’ großartigem Pest-Roman
tiven Schreckmoment, eine plötzliche Angst weil seine Bedeutung über den unmittelbaren steht am Schluss – es ist die Aussicht darauf,
vor der Unregierbarkeit, so gelähmt wirkte Einsatz gegen Covid-19 hinausreicht und eine dass die Krankheit eines Tages wiederkehren
das Land unter einer resignierten Kanzlerin symbolische, um nicht zu sagen gattungs­ wird, dass sie nur schläft und nie endgültig
und einer zerstrittenen Ministerpräsidenten- mäßige Dimension besitzt: Dies war einer je- besiegt werden kann, dass alle Erleichterung
konferenz. Es fühlte sich an, als würde der ner Augenblicke, in denen die Menschheit flüchtig und brüchig bleibt. Es wird wieder
Boden von Jahrzehnten verfassungsmäßiger zeigen musste, was sie kann – und sie hat es geschehen. In der Realität freilich kommt die
Routine unter der Republik wegsacken. Co- geschafft, mit jener atemverschlagenden Bril- Komplikation hinzu, dass wir nie genau wis-
rona hat uns mehr als einmal an den Rand lanz, zu der sie in ihren Mozarts und Marie sen, was »es« eigentlich ist. Nach der Erfah-
echter System- und Überlebenszweifel ge- Curies zum eigenen Erstaunen immer wie- rung von Covid-19 werden neue Anstren-
bracht. der fähig ist. Man wird sich an die Entwick- gungen zur Pandemie-Prävention unternom-
Keine dieser Sorgen jedoch hat sich lung der Corona-Vakzine mit dem eigen- men werden, hoffentlich auch zur generellen
letztlich bestätigt. Nirgendwo in der west­ tümlichen Stolz erinnern, der auch den Ge- Stärkung des Gesundheitswesens, und das ist
lichen Welt sind Verfassungen, Sozialord- danken begleitet, dass »der Mensch« die ganz richtig so. Aber mitten in diesen Verbes-
nungen oder moralische Gefüge in die Geheimnisse des Atoms entschlüsselt hat serungsarbeiten mag sich herausstellen, dass
Brüche gegangen. Nicht nur haben die Ge- oder zum Mond zu fliegen vermag. die nächste globale Katastrophe eine ganz
sundheitssysteme dem Druck der Pande- Kein Zweifel, dass diese Hoffnungs­ andere ist. Vielleicht ein chinesisch-amerika-
mie weitgehend standgehalten. Auch die botschaften nicht die ganze Wahrheit über nischer Krieg? Oder eine Kernschmelze der
Bürger haben nicht etwa die Nerven ver- die Pandemie sind. Von einem auch nur Weltwirtschaft, weil die Menschheit das Zu-
loren und verrücktgespielt. Sie haben sich annähernd global gleichmäßigen Roll-out trauen in den Kapitalismus verliert? Oder
ohne Panik und ohne viel Murren Masken der Impfungen kann nicht die Rede sein, womöglich (wahrscheinlich?) etwas, woran
aufgesetzt und x-mal am Tag die Hände die Länder des Südens und ihre Bevölke- weder der Autor noch seine Leserin gerade
gewaschen, ihren Kindern beim virtuel- rungen bleiben schwer benachteiligt, und denken.
len Schulunterricht geholfen und Friseur- der fehlende Schutz für die Armen der Das Wichtigste ist daher nicht, sich auf
besuche oder Hochzeiten verschoben. Welt bedroht im Gegenzug auch die Rei- diese oder jene einzelne Bedrohung mög-
Die Briten, von denen Boris Johnson in- chen, indem er dem Virus ein weites Ex- lichst perfekt vorzubereiten. Das Wichtigste
stinktiv angenommen hatte, dass sie mit perimentierfeld für die Ausbildung mög- ist, sich überhaupt auf böse Überraschungen
bockigem Freiheitswillen gegen Lock- licherweise aggressiver Mutationen zur gefasst zu machen, widerstands- und reak­
down und Maskenzwang rebellieren Verfügung stellt. Dass speziell der Westen tions­fä­hig zu sein. Darum sind Forschung,
würden, haben sich nicht nur mit stoi­ keinen Anlass zur Selbstzufriedenheit be- Wissenschaft und überhaupt intellektuelle
scher Geduld den Anti-Corona-Regeln sitzt, hat sich besonders in den ersten Neugier so entscheidend – nicht weil man
unterworfen – sie brauchten nach den Monaten der Corona-Krise gezeigt, als damit verlässlich wüsste, was auf uns zu-
ersten Lockerungen sogar überraschend Europa und Nordamerika die Ausbrei- kommt, sondern weil sie drehbare Geschütze
lange, um wieder in die U-Bahn zu tung des Virus wesentlich weniger er- sind, die der menschliche Geist dorthin wen-
steigen oder die Geschäfte zu betreten. folgreich eindämmen konnten als asiati- den kann, von wo ihm unerwartet die nächs-
Was den seuchenbedingten Sittenver- sche Länder wie Taiwan oder Südkorea – te Gefahr entgegenkommt. Darum ist aber
fall angeht, so beschränkt er sich in vollkommen demokratische Länder, wie zum Beispiel auch, wie die Vereinigten Staa-
Deutschland vorerst auf ein paar Skan- man hinzufügen sollte, weil die west­ ten in der Pandemie schmerzlich erfahren
dale bei der Maskenbeschaffung und lichen Schwächen gern als un­ver­meid­ haben, ein belastbares soziales Netz unent-
bei der Abrechnung in Corona-Test- liche oder jedenfalls natürliche Neben- behrlich – damit Menschen ihr Verhalten
zentren: schwerlich Belege für einen folgen der Freiheit entschuldigt werden. auf Bedrohungssituationen einstellen kön-
dramatischen gesamtgesellschaftlichen Schließlich darf man nicht vergessen, nen (zum Beispiel, indem sie der Arbeit fern-
Moralkollaps. wie viel von der glimpflichen Pande- bleiben), ohne Angst vor Not und Verelen-
Dem ökonomischen Einbruch mie-Bilanz einfach der begrenzten Ge- dung zu haben. Nötig ist nicht zuletzt ein
durch Covid-19 stand die Welt mit- fährlichkeit des Erregers zu verdanken Staat, der wirklich ein »Gemeinwesen« ist,
nichten hilflos gegenüber: Die Fi- ist: Gott weiß, wie wir dastünden, den alle seine Bürger als ihren eigenen ver-
nanzminister haben in knappster wenn die Ansteckungskraft oder die stehen, der also auch seine Minderheiten er-
Frist gigantische Summen zur Stüt- Tödlichkeit des Coronavirus wesent- reicht und dem sie vertrauen – denn sonst
zung der seuchengeschädigten Volks- lich höher wären. werden sie seinen Informationen nicht glau-
wirtschaften mobilisiert, und laut Trotzdem gibt es Grund zur Er- ben und seinen Instruktionen nicht folgen.
seriösen Pro­gno­sen soll auf das Pan- leichterung – und zur Zuversicht, was Vor allem jedoch braucht man eine Ge-
demie-Tief ein kraftvoller globaler
Aufschwung folgen. Auch politisch Die Mehrheit hat die Bewältigung künftiger Krisen an-
geht. Besonders der Impferfolg ist
sellschaft, die es erträgt, dass sie nicht alles
unter Kontrolle hat, die Schicksalsschläge
ist die Bilanz keineswegs ohne eine nicht nur ermutigende, sondern
sich eben nicht
verkraften und überleben kann. Das hat,
Hoffnung: Den führenden Dema- auch lehrreiche Erfahrung. Viele im wenn man so will, eine harte und eine weiche
gogen unserer Tage, D ­onald wohlhabenden Westen haben sich Seite. Die harte ist eine gewisse Bereitschaft
verhetzen lassen
Trump, hat sein irrlichterndes angewöhnt, mit mehr als einem zum kollektiven Zusammenbeißen der Zäh-
Agieren in der Corona-Krise Amt Schuss zivilisationskritischen Snobis- ne. Die weiche bedeutet: Verhältnisse schaf-
und Macht gekostet. Die Mehrheit mus auf den wissenschaftlichen und fen, in denen Menschen Fehler zugeben und
seines Wahlvolks hatte sich unter technologischen Fortschritt zu bli- einander Fehler verzeihen können. Also ein
dem Eindruck der Covid-Kata- cken und bei den Früchten mensch- öffentliches Leben mit möglichst wenig Gift
strophe durchaus nicht leichter licher Naturbeherrschung in erster und Galle, Gruppenmisstrauen und Kultur-
verhetzen lassen, sondern war im Linie an Umweltzerstörung und kampf. Wenn wir das hinbekommen, wer-
Gegenteil skeptischer und kriti- Ressourcenverbrauch zu denken. den wir es auch beim nächsten Mal durch-
scher geworden. Hier nun ließ sich einmal am leib- stehen – was immer »es« ist.
4 POLITIK
Paris
FR A NK R EICH
Provence-Alpes-
Côte d’Azur
Aix-en-Provence
Marseille
Foto: Patrick Aventurier/abaca press/ddp
Letzter Test
Bei den Regionalwahlen in Frankreich steht das Schicksal der Konservativen auf dem Spiel  VON ANNIKA JOERES UND MATTHIAS KRUPA
R
enaud Muselier ist ein jovialer Juniabend nach Aix-en-Provence gereist und be- bezuschusst. Und Renaud Muselier ist nicht zufällig Bislang sind Marine Le Pen und der Linke Jean-
Typ, und dass er gerade den wich- sucht eines der umstrittensten Museen des Landes. kurz vor dem Wahltag hierhergekommen. Der­ Luc Mélenchon die einzigen Kandidaten, die sich
tigsten Kampf seines politischen Das »Nationale Konservatorium zur Erinnerung Regionalpräsident führt einen zunehmend drama­ offiziell erklärt haben. Auch dass Emmanuel Ma-
Lebens führt, merkt man dem an die Franzosen in Nordafrika« widmet sich der tischen Abwehrkampf gegen die seit Jahren immer cron wieder antreten wird, gilt als sicher. Alles an-
62-Jährigen nicht an, als er am französischen Kolonialzeit in Algerien. Die Aus- stärker werdende radikale Rechte. Tatsächlich rech- dere hingegen ist unklar. Die Regionalwahlen ge-
vergangenen Montag in Aix-en- stellung erinnert ziemlich unkritisch an die pieds net sich der RN gute Chancen aus, die Wahl in winnen damit den Charakter von Vorwahlen. Vor
Provence eine Ausstellung be- noirs, die »Schwarzfüße«, wie die Franzosen ge- Provence-Alpes-Côte d’Azur zu gewinnen. Es wäre allem für die französischen Konservativen haben sie
sucht. Muselier trägt ein Lederarmband mit Silber- nannt werden, die in Algerien siedelten und das die erste Region, in der die Partei von Ma­rine Le Pen eine beinahe existenzielle Bedeutung.
schnalle um sein Handgelenk, die braunen Haare Land bis 1962 besetzt hatten. Ihre Rolle ist bis ­heute regierte. Fast 40 der vergangenen 60 Jahre wurde Frank-
locker nach hinten gewellt, das weiße Hemd oben umstritten. In Algerien gelten sie als potenzielle Anders als die deutschen Bundesländer besitzen reich von Konservativen regiert, fünf der bislang
offen. Er wird umringt von einer Traube junger Kriegsverbrecher und Kolonialisten, in Frankreich die Regionen (in allen dreizehn wird gewählt) in acht Präsidenten der Fünften Republik stammen
Leute, die ihm Redezettel und Wasser reichen. Eine hingegen sehen viele sie noch immer als aufrechte Frankreich nur wenig Kompetenzen. Die Regional- aus ihren Reihen. Die Namen der Partei wechselten
Frau bedrängt ihn, er möge besser für sie und ihre Diener der Nation. Vor allem Ma­rine Le Pen und regierungen entscheiden etwa darüber, wie viele oft, mittlerweile nennen sie sich Republikaner (LR).
Familie sorgen. Sie seien »Kinder des französischen ihre Partei, der Rassemblement National (RN), weiterführende Schulen es wo geben soll, welche Aber egal unter welchem Namen, die Konservativen
Militärs«. Muselier nickt verständig. halten das Andenken an die pieds noirs hoch. ­Ma­ Firmen gefördert werden und wie häufig die Re- blieben unverzichtbar – eine staatstragende Partei,
Der konservative Politiker ist Präsident der süd- rines Vater, Parteigründer Jean-Marie Le Pen, hatte gionalzüge verkehren. Trotzdem ist die Anspan- vergleichbar mit der CDU in Deutschland.
französischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. einst als Fallschirmjäger im Algerienkrieg gedient. nung groß. Denn schon in zehn Monaten steht die In den Regionen und auch in den Kommu-
Am kommenden Sonntag finden in Frankreich Re- Das Museum in Aix-en-Provence wurde erst vor nächste und ungleich größere Entscheidung an: Im nen sind die Republikaner noch immer stark ver-
gionalwahlen statt, und Muselier möchte wieder- wenigen Jahren eröffnet, die Regionalregierung hat Frühjahr 2022 wird in Frankreich ein neuer Präsi- treten. Doch die Regionen spiegeln eine poli­
gewählt werden. Deshalb ist er an diesem heißen den sandsteinfarbenen, kubusförmigen Klinkerbau dent gewählt – oder eine Präsidentin. tische Ordnung wider, die es im Grunde genom-
men nicht mehr gibt. In zwölf Regionen regieren
ANZEIGE bislang Konservative oder Sozialisten; auf natio-
naler Ebene hingegen haben die beiden traditio-
nellen Parteien der rechten und linken Mitte zu-
letzt kaum noch eine Rolle gespielt. Bei der Prä-
sidentenwahl 2017 standen Emmanuel Macron,
ein für Frankreich eher untypischer Liberaler,
und die radikale Ma­rine Le Pen in der entschei-
denden zweiten Runde; im nächsten Jahr könnte
sich dieses Duell wiederholen.
Renaud Muselier führt deshalb gleich in mehr-
facher Hinsicht einen stellvertretenden Kampf. Nur
wenn sich die Republikaner bei den Regionalwah-
len gegen den RN behaupten, dürfen sie sich bei
der Präsidentenwahl im kommenden Jahr über-
haupt eine Chance ausrechnen. Zugleich müssen
sie die Frage beantworten, wie sie diese politische
Konkurrenz bestehen wollen – und mit wem sie
bereit sind, sich zu verbünden.
Der Südwesten Frankreichs ist bekannt für
seine Strände in Saint-Tropez, den roten Teppich
beim jährlichen Filmfestival in ­Cannes und seine
provenzalischen Weingüter. Aber der weitaus grö-
ßere Teil der rund fünf Millionen Menschen in der
Region lebt entweder in rasterförmigen Industrie-
gebieten oder kleineren Bergdörfern. Viele arbeiten
in Hotels und Restaurants, auf Baustellen für neue
Ferienwohnungen und Zweitsitze wohlhabender
Pariser oder auch an den Hafendocks der Metro-
pole Mar­seille. Die sozialen Spannungen sind groß,
davon haben in den vergangenen Jahren vor allem
die radikalen Rechten profitiert.
Bei der Regionalwahl 2015 lag der RN (da-
mals hieß er noch Front National) mit 40 Pro-
zent zunächst weit vor allen anderen Parteien.
Doch ähnlich wie die Präsidentenwahl werden
auch die Regionalwahlen in zwei Runden ent-
schieden. Damals unterstützten die Sozialisten
im zweiten Wahlgang die Konservativen und ver-
hinderten so, dass die Nichte von Ma­rine Le Pen,
die noch weiter rechts stehende Marion Maréchal,
Regionalpräsidentin wurde.
In diesem Jahr ist der Hauptgegner von Renaud
Muselier ein alter Bekannter. Thierry Mariani, der
Spitzenkandidat des RN, war einmal Minister
unter Nicolas Sarkozy; und bei der Regionalwahl
2010 stand er noch an der Spitze der konservativen
Partei. Muselier und Mariani sind fast gleich alt,
früher sind sie oft gemeinsam aufgetreten. Im Ge-
gensatz zu den meist jungen, lautstarken Männern,
die in den Städten den Wahlkampf des RN orga-
nisieren, ist Mariani stets akkurat frisiert und falten-
frei gekleidet wie ein Banker. Wenn er in Interviews
erklärt, warum er nun für den RN antritt, umspielt
ein Lächeln seine Lippen: Das heutige Programm
von Le Pen sei vergleichbar mit dem der konser-
vativen Partei von 1992; rassistische oder faschis­
tische Motive könne er nicht erkennen.
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Tief im Süden:
Marine Le Pen (Mitte)
und ihre
Parteifreunde
bringen die
gemäßigte Rechte
in Bedrängnis
Für Marine Le Pen ist Mariani ein Glücksfall.
Seit der Niederlage gegen Macron bemüht sie
sich um ein moderates Auftreten. Marianis Kan-
didatur zeigt, wie weit sie mittlerweile in das La-
ger der Konservativen vorgedrungen ist. Auch in
der Region Hauts-de-France in Nordfrankreich
kandidiert ein ehemaliger Parteifunktionär der
Konservativen für den RN, auch dort rechnet
sich Le Pens Partei gute Chancen aus. Für die
Republikaner hingegen entsteht ein strategisches
Problem: Es wird für sie sehr viel schwerer, sich
gegenüber dem RN abzugrenzen, wenn in dessen
Reihen ehemalige Konservative kandidieren.
Die Programme, mit denen die Kandidaten
in die Regionalwahlen ziehen, sind meist wenig
aussagekräftig. Zu eng ist der politische Spiel-
raum, den die Regionalregierungen haben.
Thierry Mariani schlägt vor, in Kantinen min-
destens 50 Prozent lokale Produkte anzubieten;
Muselier verspricht kostenlose Binden und Tam-
pons für Schülerinnen. Und beide kündigen an,
künftig deutlich mehr Züge auf der meist über-
füllten Strecke zwischen der italienischen Grenze
und Marseille fahren zu lassen.
Dafür ist die persönliche Auseinandersetzung
zwischen den ehemaligen Parteifreunden umso
gereizter. Muselier hat seinen Gegner öffentlich
»unterbemittelt« und einen »Hochstapler« ge-
nannt; Mariani drohte, den früheren Weggefähr-
ten wegen Verleumdung und Falschaussagen zu
verklagen. Obwohl sie einander seit Langem du-
zen, haben Mariani und Muselier im Wahlkampf
wieder angefangen, sich öffentlich zu siezen.
Renaud Muselier ist Sportmediziner und hat
früher eine Klinik geleitet. In der Ausstellung in
Aix-en-Provence geht es auch um die »Kolonial-
medizin«. Die französischen Ärzte werden als
Heilsbringer dargestellt, die »abergläubische
Muslime« geheilt hätten. Muselier schaut inte-
ressiert. »Ärzte sind wirklich so wichtig für eine
Gesellschaft«, sagt er. Mit dem Besuch in dem
umstrittenen Museum will er weit rechts stehen-
de Wähler für sich gewinnen. Gleichzeitig ver-
sucht er mit Blick auf den zweiten Wahlgang, ein
möglichst breites Bündnis gegen den RN zu
schmieden. Deshalb finden sich auf seiner offe-
nen Wahlliste auch mehrere Kandidaten der­
Präsidentenpartei La Ré­ pu­
blique en M ­ arche
(LReM). Die Macronisten sind nach wie vor nur
schwach im Land verankert und spielen bei den
Regionalwahlen lediglich eine Nebenrolle.
Dass Muselier ihre Unterstützung sucht, er-
scheint daher auf den ersten Blick als kluger
Schachzug. Doch in seiner eigenen Partei ist die
Zusammenarbeit höchst umstritten; fast hätten
die Republikaner Muselier dafür sogar aus der
Partei geworfen. Denn in den Augen vieler Kon-
servativer ist Macron genauso gefährlich wie Le
Pen, vielleicht sogar gefährlicher. Seit er regiert,
hat Macron keine Gelegenheit ausgelassen, die
Republikaner zu schwächen – und ihnen so die
politische Mitte streitig zu machen, die sie früher
einmal besetzt hatten. Jede Zusammenarbeit mit
der Präsidentenpartei sei »ein Abkommen wider
die Natur«, hatte ein parteiinterner Gegenspieler
Museliers verkündet.
Der politische Spielraum für die franzö­
sischen Konservativen ist eng geworden. Von
rechts außen bedrängt sie Le Pen, die Mitte hat
Macron besetzt. Sollte er selbst die Regionalwahl
in Südfrankreich verlieren, sagt Muselier im Ge-
spräch mit der ZEIT, werde es die Republikaner
vielleicht bald gar nicht mehr geben. Das Ende
der konservativen Partei ist zumindest nicht
mehr ausgeschlossen. »Das geht dann ganz
schnell«, sagt Renaud Muselier.
 www.zeit.de/vorgelese
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Neue Regierung
Kann Israels Demokratie
jetzt heilen?
Z
u den vielen Dingen, die in Israel
jetzt neu sind, gehört auch das: An-
ders als alle seine Vorgänger trägt
der frisch ins Amt gewählte Pre-
mierminister Naftali Bennett eine
Kippa. Israelischen Medien zufolge befestigt
er sie mit doppelseitigem Klebeband auf sei-
nem baren Haupt. Was wie eine Nebensäch-
lichkeit klingt, könnte sich als folgenreiches
Symbol erweisen: Denn in der israelischen
Gesellschaft haben Farbe, Form und Größe
der Kippa häufig eine Bedeutung, auch ob sie
gehäkelt ist oder aus Samt. Im Fall des 49-jäh-
rigen Bennett ist sie ein politisches Bekennt-
nis: Er bekennt sich zum Lager der national-
religiösen Siedler, für ihn gehört das Land
zwischen Jordan und Mittelmeer den Juden
und nicht den Arabern.
Bennett ist gelungen, woran zahllose Oppo-
sitionspolitiker vor ihm gescheitert sind: Er hat
Benjamin Netanjahu als Premier abgelöst, der
seit Jahren die israelische Politik dominierte.
Dazu hat Bennett eine ideologisch disparate
Koalition gebildet. Mit ihm sitzen künftig Lin-
ke, Moderate und sogar arabische Islamisten
am Kabinettstisch. Es ist kein politisches Pro-
jekt, keine Klimawende oder Rentenreform, die
diese ungleichen Partner zusammenhält. Sie
eint die Wut auf Netanjahu, die allerdings ganz
unterschiedliche Gründe hat: Die Moderaten
erzürnen Netanjahus Korruptionsaffären, die
Araber seine rassistischen Tiraden und Bennett
selbst, der unter Netanjahu einst als Minister
diente, dessen brachialer Umgang mit ehema­
ligen politischen Verbündeten.
Es hat funktioniert, Netanjahu ist weg, vor-
erst zumindest. Und Israel erreichen Glück-
wünsche aus der ganzen Welt: So wie die US-
Amerikaner nach vier schmerzlichen Jahren
Donald Trump aus dem Amt gewählt hätten,
sei es nun auch den Israelis gelungen, ihren
Trump, also Netanjahu, loszuwerden, heißt es
Neues Wahlprogramm
Welches Deutschland will
die CDU?
A
lle reden über ihr Programm –
nur die ­Union hatte immer keins.
Bevor das Bild von der entkern-
ten, erschöpften und ratlosen
Partei zum Running Gag jeder
Talk­show wird, soll es nun am kommenden
Montag so weit sein: Gemeinsam wollen die
Parteispitzen von CDU/CSU mit Kanzler-
kandidat Armin Laschet und dem bayerischen
Ministerpräsidenten Markus Söder die Sache
endlich aus der Taufe heben.
Erste Entwürfe kursieren in Berlin – noch
ohne den Feinschliff der Generalsekretäre und
mit Vorsicht zu genießen – zumal dort, wo sich
der Vermerk »finanzwirksam« oder gar »finanz-
intensiv« findet. Dennoch lässt sich aus den
neun Kapiteln mit Überschriften wie »Moder-
ner Staat« oder »Klimaneutrales Industrieland«
auch zwischen den Zeilen herauslesen, wie die­
Union auf das Deutschland blickt, das sie nun
16 Jahre lang entscheidend geprägt hat. Wo sie
sich verändert – und wo sie sich treu bleibt:
eine konservative Partei eben.
Einen Satz wie »Neuer Wohlstand ist mehr als
das Bruttoinlandsprodukt« hätte man von der
CDU der Nullerjahre, Merkels wirtschaftslibera-
ler Reformer-Phase, kaum erwarten dürfen.
»Nachhaltigkeit ist die Grundlage unseres poli­
tischen Handelns«, heißt es jetzt. Bis 2045 soll
das Land klimaneutral werden, 2050 die ganze
Welt – man fragt sich, wo diese Energie all die
Jahre gewesen ist. Und wo sie jetzt plötzlich her-
kommen soll. CO₂-Preis, »Innovation statt Ideo-
logie, Anreize statt Verbote« – der nationale, euro-
In die ZEIT-Ausgabe der vergangenen Woche
haben sich zwei Fehler eingeschlichen.
Auf Seite 6 stand in einem Beitrag mit dem
Titel »Was, wenn viele sich nicht impfen lassen
Der neue Premierminister Naftali Bennett
(r.) mit seinem Vize Jair Lapid
jetzt. Auch wenn dafür zwölf Jahre nötig gewe-
sen seien, hätten sich die Institutionen be-
währt. Und dass trotz des Konflikts mit den
Palästinensern nun eine arabische Partei an der
Regierung teilhabe, sei doch historisch. Die
ramponierte israelische Demokratie könne
nun heilen. So kommentieren internationale
Zeitungen und viele europäische und amerika-
nische Politiker.
Tatsächlich ist die Lage komplexer, aus zwei
Gründen. Der erste steckt in der fragilen Ar-
chitektur der neuen Koalition: Die insgesamt
acht Regierungsparteien mit ihren nun insge-
samt 27 Ministern stehen sich in fundamenta-
len politischen Fragen teils konträr gegenüber.
Es ist also nicht absehbar, ob sie sich überhaupt
bei irgendeiner der dringend nötigen Refor-
men einigen können. Ob sie die teils prekäre
ökonomische Situation der jungen Erwachse-
nen im Land verbessern, das häufig marode
Bildungssystem ausbauen und die in weiten
Teilen der Gesellschaft unbeliebten Ultra­
orthodoxen integrieren können. Auch ist es
gut möglich, dass die Koalition in den ersten
päische und schließlich weltweite Emissions-
handel steht im Zentrum der Unions­stra­te­gie. Bei
der ­Union muss niemand sein Leben ändern.
Ein muskulöser Staat ist gewünscht, aber kein
übergriffiger. Den »Macherinnen und Machern«
wird im Auftaktkapitel ein »Entfesselungspaket«
von der Bürokratie und den Vergaberechts-Fall-
stricken in Aussicht gestellt. Mehr Menschen
sollen sich den »Traum vom Eigenheim« erfüllen
können. »Weltspitze bei der Steuerbelastung und
Weltspitze bei der Wettbewerbsfähigkeit – das
passt auf Dauer nicht zusammen.« Die Steuern
sollen nicht erhöht werden, der Soli möglichst
bald ganz abgeschafft werden, von der wohl not-
wendigen Rente mit 68 ist keine Rede, trotzdem
will die ­Union die Schuldenbremse einhalten.
Einige Wahrheiten sind dem Unions­wäh­ler of-
fenbar nicht zuzumuten.
Im Kapitel zur inneren Sicherheit geht es
erwartungsgemäß robust zu: Mehr Videoüber-
wachung im öffentlichen Raum, Fußfesseln,
automatisierte Gesichtserkennung, Bodycams –
Straftätern, Gefährdern, Terroristen und Clans
werden die Instrumente des Rechtsstaats ge-
zeigt. »Sie dürfen keine ruhige Minute mehr
haben.« Der Schrecken über bedrohte Feuer-
wehrleute und Sanitäter ist zu spüren. Die Kin-
desmissbrauchs-Skandale aus dem Heimatland
des Kanzlerkandidaten haben ihre Spuren hin-
terlassen: Ein lebenslanger Eintrag im Füh-
rungszeugnis der Sexualstraftäter, Herausgabe
von Bestandsdaten, digitale Fingerabdrücke
und Berufsverbote – hier ist die klassische­
Union ganz bei sich, moralisch wie technisch,
Berichtigungen
wollen«: »Welchen Anteil diese Impfgegner an
den 13,6 Millionen haben, ist schwer zu sa-
gen.« Richtig ist eine andere Zahl: »Welchen
Anteil diese Impfgegner an den elf Millionen
POLITIK 5
Analysen
Torten
der Wahrheit
VON KATJA BERLIN
Was uns richtig viel Geld
kosten wird
Wann wir mit der allgemeinen Lage
eigentlich doch ganz zufrieden sind
Monaten nach ihrer Amtsübernahme gleich
wieder auseinanderbricht – so etwas passiert in
Israel immer wieder.
Der zweite Grund liegt in der Politik gegen-
über den Palästinensern. Noch vor wenigen Klimapolitik Keine Klimapolitik Wenn wir in der Kneipe diskutieren
Wochen tobten blutige Kämpfe zwischen der Wenn wir Nachrichten lesen
israelischen Armee und Hamas-Terroristen in Wenn etwas verändert werden soll
Gaza, im Fernsehen und im Netz sah man ara-
bische und jüdische Lynchmobs, die einander
durch die Straßen jagten. Denn die israelische
Politik hat immer zwei Seiten: die Innenpoli- Wo wir in deutschen
tik, deren Machtzentrum sich gerade tatsäch- Innenstädten Angst haben Nach dem Lockdown
lich auf historische Weise verschoben hat.
Und, daneben, das weiterhin prekäre Verhält-
nis zwischen Israel und den Palästinensern.
viele Menschen
Endlich wieder
Denn was schon so lange gilt, ist heute immer Was uns Was uns
sehen
noch wahr: Israel hält seit Jahrzehnten ein Volk am meisten am meisten
besetzt, dem es neben Bildung und Kranken- freut stresst
versorgung an einer Vielzahl grundlegender
Rechte fehlt. In schlecht beleuchteten Parks
Netanjahus Erbe ist das, was seine Zermür- In Unterführungen Auf dem Fahrrad
bungsstrategie hier angerichtet hat: Er hat die
einzelnen palästinensischen Konflikte von­ein­
an­der abgetrennt, hat die Siedlungspolitik in ANZEIGE
Ostjerusalem und die Belagerung des Gaza-
streifens als voneinander scheinbar unabhängige
Probleme behandelt und versucht, den Palästi-
nensern durch gezielte Annäherung an die ara-
bischen Staaten am Golf die Unterstützung zu
entziehen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte
dieses Zwei-Rechte-System ewig fortbestehen
können. Der Gewaltausbruch, der in den ver-
gangenen Wochen selbst das israelische Kern-
land erfasst hat, zeigt jedoch, dass diese Strate-
gie nicht funktioniert.
Allerdings weist auch nichts darauf hin, dass
der neue Premier Naftali Bennett und sein Vize
Jair Lapid den Konflikt lösen wollen. Bennett
#ThisIsYourTime
war jahrelang Vorsitzender einer Siedlerpartei
und kündigte bereits in der vergangenen­
Woche in der Knesset an, den Siedlungsbau
ausweiten zu wollen. PAUL MIDDELHOFF
hier darf sie es sein. Entschieden will man ver-
schmutzten Grünanlagen entgegentreten.
Von der politischen Wärmekamera werden
inzwischen bei der U­ nion auch Gruppen erfasst,
die früher bitte draußen warten sollten. Die Zu-
lassung zur Blutspende soll künftig nur noch vom
individuellen Risikoverhalten abhängen, nicht
mehr von der sexuellen Orien­tie­rung. Menschen
mit Zuwanderungsbiografie sollen zur Einbür-
gerung ermutigt werden. Wörter wie »Rassismus«
gehörten traditionell nicht zum Repertoire der
Konservativen, passen nun aber ebenso hinein wie
der Satz »Der Rechtsextremismus ist die größte
Gefahr für unsere offene Gesellschaft«, der vor der
Gründung der AfD in der CDU sicherlich nicht
mehrheitsfähig gewesen wäre.
Die Vertriebenen – früher Kronzeugen des
Ressentiments – werden gelobt als diejenigen,
die »Brücken der Verständigung« in Europa
gebaut haben und mit ihrem »Fleiß und Ge-
staltungswillen« Vorbilder in dem von Armin
Laschet ausgerufenen »Modernisierungsjahr-
zehnt« abgäben. Die Volkspartei CDU hat mit
diesem Spektrum ihre Tore weiter geöffnet,
ohne dass man sie deshalb mit anderen Parteien
verwechseln könnte.
Bleibt die Frage, warum die Union, der es in
16 Regierungsjahren nicht gelungen ist, auch nur
für flächendeckenden Netzempfang zu sorgen,
plötzlich die »Mission Quantencomputer« oder
die Gen-Schere Crispr ins Werk setzen können
soll. Aber die Begeisterung für all das ist womög-
lich ein gutes Gegengift gegen die Mut- und
Ratlosigkeit der letzten Monate. MARIAM L AU
haben, ist schwer zu sagen.« Auf Seite 11 ist
bedauerlicherweise eine Bildunterschrift falsch.
TI S S OT WATC H E S .CO M
Das Bild zeigt Abdul Wahed Scharif, nicht
Ahmad Dschawed Sultani.  DZ
6 POLITIK
»Ein Jahr voller
Stress, Nervosität,
Überlebenskampf«
Im Exil schaut die belarussische Oppositionelle
Swetlana Tichanowskaja mit ihren Kindern Videos gegen das Vater-Vergessen,
ihre Verbündete Tatjana Chomitsch schreibt der Schwester Briefe,
die nie ankommen. Sie geben nicht auf
Als ihr Mann Sergej im Mai 2020 verhaftet DIE ZEIT: Frau Tichanowskaja, Frau Chomitsch, Sie
wurde, kandidierte Swetlana Tichanowskaja beide mussten aus Belarus emigrieren. Heute leben
an seiner Stelle ­gegen den Diktator Alexander Sie in Vilnius beziehungsweise Warschau. Wie haben
Lukaschenko. Unterstützt wurde sie von zwei Sie dieses Schicksalsjahr erlebt?
Frauen – Maria Kolesnikowa und ­Veronika Swetlana Tichanowskaja: Es war ein sehr schwieriges
Zepkalo. Das Trio wurde weltberühmt. Die Jahr. Damals im Wahlkampf waren wir alle enthu­sias­
Wahl, die massiv gefälscht wurde, hat ­ tisch. Wir haben an Veränderungen geglaubt, Mascha
Ticha­now­ska­ja mutmaßlich gewonnen. Sie hat daran geglaubt.
sieht sich als Anführerin des freien Belarus. ZEIT: Mit Mascha meinen Sie Maria Kolesnikowa,
Nach der Wahl flohen Tichanowskaja und die sich mit Ihnen zusammenschloss, um Sie bei der
Zepkalo ins Exil. Maria Kolesnikowa blieb in Wahl im August 2020 als Lukaschenkos Herausforde-
Belarus und sitzt seit September im Gefängnis. rin zu unterstützen.
Ihr werden eine Verschwörung zur ver­ Tichanowskaja: Mascha war der Motor. Sie hat mir
fassungsfeindlichen Machtergreifung und die viel beigebracht. Doch nach der Wahl brach in Belarus
Gründung einer extremistischen Vereinigung die Hölle los, das Leben wurde zum Kampf. Jeden Tag
vorgeworfen. Kolesnikowas Arbeit setzt nun eine Flut von Nachrichten über Menschen, die ge-
ihre Schwester Tatjana Chomitsch fort. Sie traf schlagen und gefoltert wurden. Ich musste versuchen,
sich in Berlin mit Swetlana Tichanowskaja. von Vilnius aus für Sergej einen Anwalt zu organisie-
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29. und 30. Juni 2021
» Das virtuelle Networking-Event für den Mittelstand
» Themenschwerpunkte: Unternehmertum, Digitalisierung und New Work
» Hochkarätige Sprecher:innen aus Politik und Wirtschaft
Auch in diesem Jahr findet das Deutsche Wirtschaftsforum digital am 29. und 30. Juni 2021 statt. Thematisch werden wieder
die großen Themen von der Pandemie und ihren Auswirkungen über die Digitalisierung, New Work bis hin zu nachhaltigem
Unternehmertum in Verantwortung für Mitarbeiter, Gesellschaft und Klimaschutz von erstklassigen Sprecher:innen abgedeckt.
Außerdem gehören praktische Exkurse, Breakout-Sessions und die virtuellen Ausstellungsstände unserer Veranstaltungspartner
zum Angebot des Deutschen Wirtschaftsforums digital.
Sprecher:innen (Auszug):
Jörg-Uwe Goldbeck Isabell Grupp Dr. Gerd Müller Ina Remmers
Geschäftsführender Geschäftsleitung / Bundesminister für Mitgründerin,
Gesellschafter, Management, wirtschaftliche nebenan.de
GOLDBECK GmbH Plastro Mayer GmbH Zusammenarbeit und
Entwicklung
Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.convent.de/dwfdigital
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Tatjana Chomitsch führt den Kampf ihrer
Schwester Maria Kolesnikowa aus Warschau fort
ren und ihm die nötigsten Dinge ins Gefängnis zu Schule und fahre zur Arbeit. Interviews, Treffen,
schicken. Dazu kamen politische Treffen, bei denen Telefonate, Gespräche mit führenden Politikern
nichts klar war und ich viel auf einmal lernen musste. und mit Bürgern in Belarus. Ich mache Pläne für
Und dann noch die Kinder! Es war ein Jahr voller Ner- den nächsten Tag, bereite Reisen vor. Wenn je-
vosität, Stress und Überlebenskampf. Aber ich wusste mand da ist, der die Kinder abholen kann, bleibe
immer, dass hinter mir Hunderttausende stehen. Man ich bis spät in die Nacht im Büro. Wenn nie-
kann nicht einfach aufhören und Pause machen. mand da ist, hole ich die Kinder ab, versuche, bei
ZEIT: Gab es Schlüsselmomente? den Hausaufgaben zu helfen. Von allem ein biss-
Tichanowskaja: Als meine Kinder anonym bedroht chen. Ich versorge sie, erzähle ihnen eine Gute-
wurden. Das war der Tag, an dem ich beinahe alles Nacht-Geschichte und gehe wieder an die Ar-
hingeschmissen hätte. Ich habe die Kinder ins Aus- beit. Die Kinder kommen im Moment viel zu
land geschickt, damit sie, falls ich ins Gefängnis käme, kurz. Das schlechte Gewissen nagt an mir. Ich
nicht im Waisenhaus landen. rede mir ein, dass unser Ziel jetzt viel wichtiger
ZEIT: Sie leben beide im Exil. Sie, Frau Tichanowskaja, und von globaler Bedeutung ist und sie mir die
haben einen Stab im litauischen Vilnius. Wie sieht Ihr kurze Zeitspanne verzeihen werden, in der ich
Tag aus? ihnen nicht genug Zeit widmen kann.
Tichanowskaja: Ich wache auf, ich mache mich fürs ZEIT: Erinnern sich die Kinder an ihren Vater?
Büro fertig. Ich wecke die Kinder, schicke sie zur Tichanowskaja: Sie vermissen ihren Papa. Abends
müssen wir uns Videos mit Sergej ansehen. Als
Sergej inhaftiert wurde, war unser Sohn schon
etwas älter, er hat daher mehr Erinnerungen an
seinen Vater. Meine Tochter war erst vier Jahre
alt. Die Erinnerungen verblassen. Also schauen
#dwfdigital wir ständig Videos und sehen Fotos wieder und
wieder an, damit das Bild nicht erlischt.
ZEIT: Schicken Sie Ihrer Tochter immer noch
Pakete und sagen, die seien von Papa, der auf
Dienstreise ist?
Tichanowskaja: Ja, natürlich. Aber ihr Bruder
hat zu ihr gesagt: Glaub bloß nicht, dass Papa
auf Dienstreise ist – Papa ist im Gefängnis. Doch
sie versteht nicht, was ein Gefängnis ist. Sie sagt
zu mir: Papa ist im Gefängnis. Dann rennt sie
los, um weiterzuspielen. Deshalb bringe ich Ge-
schenke und sage ihr, dass sie von Papa sind.
Doch mein Sohn weiß alles.
ZEIT: Fragt er Sie nach Politik?
Tichanowskaja: In der Vorstellung meines Soh-
nes ist Lukaschenko ein Mann, der Menschen
tötet und schlägt, der Papa ins Gefängnis ge-
bracht hat und von ganz Belarus bekämpft wird.
Tatjana Chomitsch: Die Kinder verstehen alles.
Sie spüren, wo das Gute und wo das Böse liegt.
Tichanowskaja: Die belarussischen Eltern scho-
nen ihre Kinder nicht mehr. Sie sagen ihnen, was
Dr. Gerd Müller ©Janine Schmitz/photothek.net ;Siegfried Russwurm ©Christian Kuppa
los ist. Und ältere Kinder verstehen, was eine
weiß-rot-weiße Fahne ist, wofür die Menschen
kämpfen. Viele Kinder kommen zu den Mahn-
wachen mit. Wir müssen ihnen sagen, dass es
Eltern gibt, die im Gefängnis sitzen, und dass
diese Eltern Helden sind. Damit die Kinder­
verstehen.
ZEIT: Frau Chomitsch, noch vor der Wahl im
August 2020 haben Sie mit Ihrer Schwester ver-
einbart, dass Maria in Belarus bleibt und Sie das
Land verlassen. Nun drohen Ihrer Schwester
Siegfried Russwurm Mimi Sewalski zwölf Jahre Haft. Hatten Sie damit gerechnet?
Präsident, Geschäftsführerin,
Bundesverband der Avocado Store GmbH Chomitsch: Wir dachten, das sei eine Ausreise
Deutschen für kurze Zeit, vielleicht für zwei Wochen. Wir
Industrie e.V. (BDI) wussten, dass es Risiken gibt. Aber wir hätten
uns nicht vorstellen können, dass Mascha eine so
lange Freiheitsstrafe drohen könnte und dieser
Kampf so lange dauern würde.
Tichanowskaja: Wir hätten nicht gedacht, dass
das Re­gime die Gerechtigkeit so auf den Kopf
Parttne
er:
stellen könnte. Mascha hat nie über einen Staats-
streich gesprochen. Man hat ihr das Wort im
Mund umgedreht.
Chomitsch: Auch bei früheren Wahlen wurden
politische Gefangene als Geiseln benutzt. Doch
21
ni 202
so viele politische Gefangene wie jetzt hat es in
d: 11 Jun
MINISTERIUM FÜR
WIRTSCHAFT, VERKEHR, den fast 27 Jahren zuvor unter Lukaschenko
Sttand
LANDWIRTSCHAFT
UND WEINBAU
nicht gegeben.
Tichanowskaja: Wir lassen den Gedanken nicht
zu, dass sie ihre Strafe bis zum Ende absitzen
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
müssen. Deshalb sind wir hier – wir sind frei.
Wir versuchen alles, damit sie nicht so viele Jahre
hinter Gittern verbringen. Doch in Belarus kön-
nen wir nicht viel tun. Die Menschen sind völlig
verängstigt. Es liegt in der Verantwortung der
EU und anderer demokratischer Länder, den
Belarussen zu helfen, wenigstens die Freilassung
der Gefangenen, vielleicht sogar Neuwahlen zu
erreichen.
ZEIT: Frau Tichanowskaja, Sie haben gesagt,
dass Sie sich nie auf einen Deal einlassen wür-
den, um Ihren Mann Sergej freizubekommen,
solange es Hunderte Sergejs in den Gefängnissen
gibt. Ein erstaunlicher Satz.
Tichanowskaja: Wir können nicht die Freilas-
sung von fünf oder gar hundert aushandeln,
während weitere vierhundert in Haft bleiben!
Nein! Die Zahl der Gefangenen wächst. Ent­
weder alle oder keiner.
ZEIT: Können Sie sich mit Ihrem Mann über
solche Fragen austauschen?
Tichanowskaja: Früher, über den Anwalt. Aber
die Gespräche wurden aufgezeichnet. Also über-
mittelt der Anwalt nun Neuigkeiten über die
Kinder oder die Eltern.
ZEIT: Schreiben Sie Sergej noch Briefe?
Tichanowskaja: Nein. Ich glaube nicht, dass ir-
gendjemand meine Briefe erhalten hat. Bei Ma-
scha kam kein einziger an. Es herrscht Zensur.
Chomitsch: Manchmal kommt etwas durch.
Nach anderthalbmonatiger Pause hat Mascha
jetzt sieben Briefe erhalten. Zu ihrem Geburtstag
gingen Hunderte Briefe an sie, aber keiner kam
an. Trotzdem ist es gut, dass sie überhaupt von
der Außenwelt hört.
ZEIT: Was wissen Sie beide über die Haftbedin-
gungen?
Tichanowskaja: Ich weiß, dass Sergej seit neun
Monaten in Einzelhaft ist. Es ist psychisch sehr
belastend, weil er mit niemandem reden kann.
Vor Kurzem wurde er in eine andere Stadt ver-
legt. Vorher gab es noch einen Fernseher, aller-
dings nur mit belarussischen Propaganda­
sendern. Doch jetzt gibt es weder Radio noch
Fernsehen. Er darf nur Bücher lesen. Wir abon-
nieren für alle Häftlinge Zeitungen.
ZEIT: Sergej sitzt in Isolationshaft, wie ist es mit
Maria, Frau Chomitsch?
Chomitsch: Mascha war am Anfang mit vielen
Frauen in der Zelle, die wie sie aus politischen
Gründen im Gefängnis saßen. Die Frauen hat-
ten gemeinsame Interessen, besprachen Projekte.
Insbesondere Mascha hatte I­deen für die Zeit
nach ihrer Freilassung, wie man den Strafvollzug
verändern müsse. Sie sieht mit eigenen Augen,
wie schlimm die Haftbedingungen sind und dass
es an elementaren Hygieneprodukten fehlt. Au-
ßerdem halfen die Frauen Mascha, die Hunderte
von Briefen zu sortieren, die sie im September
und Oktober erhalten hat. Doch jetzt sitzt sie
allein mit einer weiteren Frau in der Zelle, die
keine politische Gefangene ist. Mascha hat einen
Fernseher, es laufen die Staatssender.
ZEIT: Frau Tichanowskaja, Sie sagen, Ihr Mann
sei eine Geisel des Re­gimes. Haben Sie keine
Angst, dass er oder Maria für jede Ihrer poli­
tischen Forderungen bezahlen müssen?
Tichanowskaja: Die Frage ist eher, wie man nicht
handeln kann. Denn dann würde niemand mehr
auf die Straße gehen, und das wäre mit einem
noch höheren Preis verbunden. Was namhafte
Leute betrifft wie Mascha oder Sergej, scheint es
mir, dass das Re­gime sich bemüht, sie nicht über-
mäßig zu foltern und gefügig zu machen, denn
das würde große Resonanz hervorrufen. Je weni-
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 POLITIK 7

Verstehen Sie Putin?

Wie denken Freunde des Dialogs mit Moskau über den Druck der russischen Regierung
auf die Opposition?­Wir haben sieben befragt, sechs haben geantwortet  VON PETER DAUSEND

A
ls Frank-Walter Steinmeier noch
nicht außenpolitisch interessierter
Bundespräsident, sondern präsidialer
Außenminister war und sein künfti-
ges Auftreten stilsicher einübte, hatte
er es mit dem Gesprächsfaden. Stets musste einer
neu geknüpft oder wieder aufgenommen werden,
und nie durfte man ihn dann wieder abreißen las-
sen – schon gar nicht, wenn dieses wundersame
Ding bis nach Russland reichte.
Steinmeiers Gesprächsfaden hat sich mit der
Zeit im öffentlichen Sprechen zahlreicher Politiker
zum Dialog ausgewachsen. Wenn es heute um
Russland geht, muss dieser Dialog stets gesucht
oder vertieft werden, und niemand darf ihn, wenn
er denn mal gefunden und intensiviert ist, auf-
kündigen. Was aber, wenn man permanent redet –
und dem Gesprächspartner völlig egal ist, was
man sagt?
Ein russisches Gericht hat in der vergangenen
Woche drei Organisationen des inhaftierten Op-
positionspolitikers Alexej Nawalny als »extremis-
tisch« eingestuft und verboten. Mehreren auslän-
dischen Nichtregierungsorganisationen, darunter
drei deutschen, wurde jede Tätigkeit im Land un-
tersagt. Dutzende Russen, die sich im Frühjahr für
Foto: Gordon Welters für DIE ZEIT
offensichtlich weiter auf dem Weg zu einem will-
kürlichen, rechtlosen und autoritären Regime«.
FDP-Mann Kubicki bezeichnete das Vorgehen als
»aus bürgerrechtlicher und demokratischer Sicht
vollkommen inakzeptabel«. Zwar monierte auch
Gregor Gysi »ganz erhebliche Einschränkungen
der Demokratie in Russland«, relativierte seine
Kritik aber sehr Gysi-dialektisch: »Immerhin be-
weist dies aber auch Angst vor einer zu starken
Opposition, was ja eigentlich nicht erforderlich
wäre, wenn die Wahlen ohnehin gefälscht werden
würden.« Und: Es gebe sehr viele Staaten, in denen
überhaupt keine Opposition zugelassen werde, das
würde die Bundesregierung und die Medien aber
»viel weniger interessieren als bei Russland«.
Gysis Parteifreund Neu geht noch ein paar
Schritte weiter. Die Lage in Russland hält auch er
»zunehmend (...) für bedenklich«. Zu den Grün-
den für diese »Negativentwicklung« zählt er »die
massiven westlichen Interventionsversuche in die
inneren Angelegenheiten Russlands« – sei es durch
Sanktionen oder durch »sogenannte NGOs«. Die
Unterstützung der Revolutionen in Georgien, der
Ukraine und Weißrussland durch den Westen
hätten in Moskau »das Vertrauen in die Aufrich-
tigkeit westlicher (...) Russlandpolitik nicht gerade
meint hingegen der Liberale Kubicki – wenn man
denn wisse, was zu tun sei, wenn man »die oberste
Sprosse der Eskalationsleiter« erreicht habe. Mütze-
nich verweist auf Südafrika, »das einzige unumstrit-
tene Beispiel« für die Wirksamkeit von Sanktionen.
Ob die aktuellen Maßnahmen gegen Russland etwas
brächten, sei noch ungewiss. Nach der Annexion der
Krim und der Invasion der Ostukraine seien sie aber
zwingend gewesen. »Die Alternative, gar nichts zu
tun, hätte ich für falsch gehalten.«
Nächste Erkenntnis: Sanktionen bringen nie
etwas – aber manchmal halt doch.
Wenn Sanktionen nichts bringen, was sollte die
Bundesregierung stattdessen tun? So lautete die
dritte Frage. Den zweigleisigen Ansatz fortsetzen,
meint Mützenich: »Aufrechterhaltung und ggf. Ver-
schärfung des politischen Drucks bei gleichzeitigem
Ausloten, auf welchen Feldern der Dialog mit Mos-
kau wieder aufgenommen und vertieft werden kann.«
Schwesig möchte »als Ministerpräsidentin« der
Bundesregierung lieber keine Ratschläge geben, der
weniger skrupulöse Kubicki empfiehlt hingegen, was
auch Gysi empfehlen könnte, nämlich die »Ge-
sprächskanäle offen zu halten«. Besagter Gysi wiede-
rum setzt auf »konstruktive Gespräche und enge
Bindungen« und auf eine Art »Wandel durch Annä-

Swetlana Tichanowskaja wird vom Regime des
Diktators Lukaschenko als »Terroristin« gesucht
ger man über die Inhaftierten spricht, desto
mehr sind sie in Gefahr. Öffentlichkeit schützt.
Chomitsch: Als Mascha im September 2020
entführt wurde, war ich besorgt, dass ich ihr
mit Interviews schade. Aber Leute aus verschie-
denen Ländern haben mich bestärkt, dass Öf-
fentlichkeit notwendig ist. Dadurch wird der
Gefängnisaufenthalt etwas sicherer.
ZEIT: Was fehlt den beiden dort am meisten?
Chomitsch: Mascha vermisst vor allem die Mu-
sik. Sie spielt und singt ihre Lieblingsstücke in
Gedanken.
Tichanowskaja: Ich glaube, Sergej fehlen in der
Einzelhaft Gespräche. Das Gehirn hat nichts
zu tun, aber man muss es irgendwie beschäfti-
gen. Sergej hat angefangen, ein Drehbuch zu
schreiben. Als die Wärter davon erfuhren, nah-
men sie ihm seine Aufzeichnungen weg. Er liest
viel, aber das Licht in den Gefängnissen ist so
furchtbar, dass sich die Sehkraft stark ver-
schlechtert.
Chomitsch: Das Licht ist entweder grell oder
schummrig. Es brennt Tag und Nacht.
Tichanowskaja: Wenn die Gefangenen schlafen
wollen, ziehen sie Socken über die Glühbirnen.
Es hängt auch von den Wärtern ab. Die harten
schlagen Gefangene mit besonderer Grausam-
keit oder wecken sie nachts und fragen Namen
ab, obwohl es keinen Befehl dazu gibt. Andere
handeln streng nach Vorschrift. Am schlimms-
ten ist das Isolationszentrum Okrestino.
ZEIT: Die Minsker Haftanstalt wurde berühmt
für massenhafte Folter im vergangenen Sommer.
Tichanowskaja: Sie benutzen dort so viel Chlor
in den Zellen, dass man nicht atmen kann. Für
auf dem Filmfestival Berlinale über den roten
Teppich zu laufen?
Tichanowskaja: Das ist meine innere Überzeu-
gung, das habe ich nirgendwo gelernt. Gelernt
habe ich die verschiedenen Strukturen – was ist
die OSZE, was sind die UN? Es gibt ja so viele
Organisationen! Wer macht was? Sie müssen
sich Namen, Gesichter, Positionen und Rollen
merken. Wahrscheinlich ist es auch unmöglich
zu lernen, wie man politische Gespräche führt.
Ich komme zu politischen Versammlungen
und sage, was ich fühle. Das ist unsere Politik.
Unsere Politik bedeutet Schmerz – und darü-
ber spreche ich.
ZEIT: Frau Tichanowskaja, wir haben Sie in
den vergangenen Monaten mehrfach getroffen.
Sie sagten uns, Sie sähen sich noch nicht als
Politikerin, aber Sie würden sich dem Bild an­
nähern. Sind Sie jetzt eine?
Tichanowskaja: Ich kann nicht sagen, dass ich
eine Politikerin bin. Politik lernt man über
viele Jahre. Das Leben hat mich in diese politi-
sche Arena gebracht – nun tue ich einfach, was
ich tun muss. Aber ich werde liebend gern die
politische Laufbahn be­enden, wenn die Häft-
linge aus den Gefängnissen freigelassen werden
und wir unseren neuen Präsidenten wählen.
ZEIT: Das alles fällt Ihnen sicher schwer.
Tichanowskaja: Natürlich ist es schwer. Gerade
jetzt, da wir auf eine Verschärfung der Sanktio-
nen drängen, treffen wir auf Widerstand. Lob-
byisten arbeiten daran, Sanktionen zu verhin-
dern. Sie sagen, man müsse hier härter, aber da
weicher sein. Das kommt wahrscheinlich mit
der Erfahrung. Und ich bin doch mehr Mensch
eine Freilassung Nawalnys eingesetzt hatten, wur-
den entlassen oder verhaftet. Ziel der jüngsten
Maßnahmen gegen die Opposition ist deren Ein-
schüchterung vor der Duma-Wahl im kommenden
Herbst. Wer es wagt, gegen Präsident Wladimir
Putin zu protestieren, wird kaltgestellt.
Vier Fragen haben wir Ende vergangener Wo-
che jenen prominenten deutschen Politikern zu-
kommen lassen, die öffentlich die Sanktionen ge-
gen das Regime Putin immer wieder scharf kriti-
siert haben und die Bundesregierung bis heute
auffordern, den – ja was wohl? – Dialog mit Russ-
land zu suchen, zu vertiefen und ihn auf keinen
Fall aufzukündigen. Sechs der sieben Angefragten
– Mecklenburg Vorpommerns Ministerpräsiden-
tin Manuela Schwesig (SPD), Bundestags-Vize-
präsident Wolfgang Kubicki (FDP), der SPD-
Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, die beiden
Linken-Abgeordneten Gregor Gysi und Alexander
Neu sowie der Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck –
antworteten, nur der sächsische Ministerpräsident
Michael Kretschmer (CDU) blieb bis Redaktions-
schluss stumm.
Auf die erste Frage (»Wie beurteilen Sie das
jüngste Vorgehen?«) fanden Mützenich und Kubi-
cki die klarsten Antworten. Der SPD-Fraktions-
chef kritisierte den »klaren Verstoß gegen die UN-
Menschenrechtscharta, die Verpflichtungen des
Europarates und die Prinzipien der OSZE-­­
Char­ta«. Russland unter Putin befinde sich »ganz
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RATGEBER: Smartes Zuhause
gefördert«. Manuela Schwesig flüchtet sich ange-
sichts solcher Klarheit lieber ins Handwörterbuch
für politische Phraseologie (»Veränderungen sind
nur im Dialog zu erzielen. Dafür braucht man­
einen langen Atem«). Und Matthias Platzeck er-
kennt in den Repressionen zweierlei (»Angst und
eine gewisse Ratlosigkeit der Administration« und
»Elemente eines Generationenkonflikts«) und ver-
weist auf Diskussionen mit »russischen Partnern
und Freunden«, in denen er immer wieder sage,
»dass gerade in schwierigen Phasen (...) Mut zur
Zivilgesellschaft am Ende hundertmal besser ist,
als Angst vor ihr zu haben«.
Erste Erkenntnis: Nicht jeder, der medial als
»Putin-Versteher« gelabelt ist, hat immer Ver-
ständnis für Putin. Die Bandbreite an Reaktionen
auf jüngste Einschüchterungsmaßnahmen reicht
von scharfer Kritik (Mützenich) über perfide­
Beschwichtigung (Gysi) bis zur Übernahme rus­
sischer Propaganda (Neu).
Die Antwort auf die zweite Frage (»Sind Sanktio-
nen ein probates Mittel, um Putin zu einem anderen
Verhalten zu zwingen?«) ist schnell geliefert: viermal
Nein, einmal Ja und Nein, einmal »in Südafrika
schon«. Sanktionen hätten »keinerlei Wirkung ent-
facht« (Neu), einen »Scherbenhaufen« hinterlassen
(Platzeck), »die Situation für die Russen eher ver-
schlechtert« (Gysi), »nichts zum Positiven« bewirkt
(Schwesig) – so weit die Neins. Sie könnten »zu einem
bestimmten Zeitpunkt ein probates Mittel sein«,
herung reloaded«. Sein Parteifreund Neu erinnert an
das Interventionsverbot: »Gesellschaftliche Verände-
rungen müssen von den Menschen in dem Land ein-
gefordert und nicht von außen reinexportiert wer-
den.« Platzeck, ein Suchender, empfiehlt innehalten.
Man müsse sich, bevor man Auswege finden könne,
»erst mal einige Fragen« stellen. Etwa: »Warum tun
die Russen, was sie tun, warum haben sie eine­
völlig andere Sicht auf die letzten 20 Jahre?« An
einer von Moskau gewünschten echten Sicherheits-
partnerschaft, so sein Fazit, habe der Westen nie
Interesse gehabt.
An dieser Stelle stellt sich eine weitere Erkennt-
nis ein: Weil Putin vom Westen so maßlos ent-
täuscht wurde, muss er seinen Frust über Amerika-
ner, Deutsche, Franzosen und Briten unbedingt an
jenen Russen ausleben, die wiederum von ihm so
maßlos enttäuscht sind, dass sie ihn nicht wählen
wollen. Klingt irre logisch.
Der vierten Frage, was man tun solle, wenn der
Dialog nichts bringt, weichen gleich mehrere Be-
fragte aus. Sie kritisieren stattdessen Außenminis-
ter Heiko Maas (Gysi) oder verweisen darauf, dass
man Russland nicht »in die Arme Chinas« (Platz-
eck) treiben dürfe – ein beliebter Topos unter
Sanktions-Kritikern. Die überzeugendste Antwort
stammt von Manuela Schwesig: »Es ist richtig,
dass die Bundesregierung den Gesprächsfaden
nicht abreißen lässt.« Letzte Erkenntnis: Der
Bundes­präsident sieht das gewiss auch so.

Endlich WLAN in allen Ecken

das geringste Fehlverhalten muss man in Ar-
rest. Man kann geschlagen und entkleidet wer-
den, nur weil man einem Wärter eine Frage
gestellt hat. Dort sitzen Professoren, IT-­
Spezialisten, Musiker, Künstler, Journalisten,
Ärzte, Menschenrechtsaktivisten. Körperlich hält
man wahrscheinlich viel aus, aber moralisch
wird man gedemütigt. Da sagen sie einem: Du
bist ein »Politischer«, du wirst krepieren.
ZEIT: Wenn Sie zurückblicken: Hätten Sie an-
ders handeln können? Gab es Fehler?
Tichanowskaja: Natürlich hätte ich in einigen
Situationen anders handeln können. Ich hätte
bleiben können, wie Mascha. Ich hätte mehr
Druck auf die EU ausüben können, als es noch
die großen Demonstrationen gab, damit die
Sanktionsliste schmerzhafter für das Re­ gime
ausgefallen wäre. Es gab zu wenig Druck.
Chomitsch: Das liegt nicht nur an uns ... Jeder,
der im Sommer und Herbst 2020 an Protesten
beteiligt war, wird gesucht und eingesperrt.
Wenn nicht für Jahre, dann kurzzeitig wegen
administrativer Vergehen. Das Re­gime steckt
Leute ins Gefängnis, weil sie weiß-rot-weiße
Vorhänge aufhängen und weiß-rot-weiße So-
cken tragen. Die Menschen waren auf dieses
Ausmaß an Gewalt nicht vorbereitet. Sie waren
sehr wütend, als sie sahen, was mit ihren Ange-
hörigen und Freunden geschah. Aber der Pro-
test ist nicht in Gewalt ausgeartet. Es war eine
Revolution der Würde. Das ist die größte Leis-
tung der Menschen: Der Protest verlief von An-
fang an friedlich und positiv.
Tichanowskaja: Wir sind nicht wie das Re­gime
geworden, trotz der Gewalt. Die Grenze zur
Gesetzlosigkeit hat das Re­gime überschritten.
Es hat alle Gesetze missachtet. Es hat angefan-
gen, sein eigenes Volk zu ermorden.
ZEIT: Sie sagten, dass Sie viel gelernt haben.
Gehört dazu auch, dass Sie es abgelehnt haben,
als Politikerin. Solange du für jeden Menschen
da draußen Schmerz empfindest, drehen sich
deine Gedanken immer um sie. Deine ganze
Politik basiert auf Gefühlen. Aber Politik muss
wohl kaltblütig sein. Ich weiß es nicht. Ich
habe es für mich selbst noch nicht wirklich he-
rausgefunden.
ZEIT: Seit fast einem Jahr warnen Sie eindring-
lich vor der Gefahr, die von Lukaschenko aus-
Der neue WLAN-Standard Wi-Fi 6 sorgt nicht TOP-BERATUNG
geht. Aber erst nach der Entführung des Akti- nur für eine schnellere Datenübertragung, sondern UND -SERVICE
visten Roman Protassewitsch aus einem Flug- auch für ein stabiles, flächendeckendes Netz.
zeug bewegt sich viel. Ist das nicht bitter? Wir entwickeln mit Ihnen die optimale Lösung für Ihre
Chomitsch: Diese Geschichte hat der Welt vor Wohnsituation und helfen Ihnen bei der Einrichtung:
Augen geführt, dass Lukaschenkos Vorgehen Bestens für die Zukunft gerüstet dern bleiben dauerhaft im Netz verbun-
nicht nur das Problem von Belarus ist. Uns Mit dem neuen WLAN-Standard Wi-Fi 6 den – egal, wie häufig Sie sich zwischen in Ihrem Telekom Shop, unter 0800 33 03000
wurde gesagt, dieser Autokrat sei unsere in- surfen Sie nicht nur signifikant schneller Ihren Räumen oder Etagen bewegen. und telekom.de/heimvernetzung
nere Angelegenheit. Wir haben gesagt, nein, als bisher, sondern können nun auch viel Neben dem Speed Home WLAN gibt es
er ist eine Bedrohung für die ganze demokra- mehr Geräte ohne Qualitätsverlust außerdem auch gleich den passenden
tische Welt. miteinander verbinden – selbst in Um- Router der neuesten Generation: Der
Tichanowskaja: Mir kommt es so vor, als seien gebungen mit einer hohen WLAN-Dichte Speedport Smart 4 erlaubt im WLAN Darf’s noch etwas mehr sein?
wie z. B. in Mehrfamilienhäusern. Perfekt, sensationelle Geschwindigkeiten von bis
die Europäer abgestumpft, denn es passiert so
viel auf der Welt. In Belarus scherzen wir: Hört um gleichzeitig Datenströme mit höchster zu 6.000 MBit/s und dient gleichzeitig als DIGITAL HOME SERVICE
auf mit eurer Besorgnis, starken Besorgnis und Kapazität und Geschwindigkeit zu emp- Mesh- und Smart-Home-Basis. Zudem
sehr starken Besorgnis. Es ist an der Zeit, zur fangen. Obendrein wird durch Opti- besteht der Router aus recyceltem Kunst- Das dauerhafte Rundum-sorglos-Paket fürs Heimnetz:
Tat zu schreiten! Ich hoffe sehr, dass die EU mierungen des Sendeverhaltens die Ak- stoff und wird nach Vermietung wieder
jetzt Zähne zeigen wird. kulaufzeit der verbundenen Geräte aufbereitet. • Problemlösung, Installation, Datensicherung – auch
ZEIT: Sie haben uns im Herbst gesagt, dass Sie verlängert. nach der Ersteinrichtung
Ihr altes Leben zurückwollen. Beste Voraussetzungen für • Je nach Paket sogar mit Vor-Ort-Service
Tichanowskaja: Ich will ein ruhiges Leben, aber Voller Empfang auf Schritt und Tritt Smart Home
es gibt keinen Grund mehr für mich, zu Hause Der brandneue Mesh-Repeater der Ein gut funktionierendes Heimnetz bildet • Beratung unabhängig vom Internetanbieter
zu bleiben. Es wird eine Menge zu tun geben, Telekom, Speed Home WLAN, garantiert auch die ideale Grundlage, um Ihr Zu- oder Betriebssystem
wenn wir einen neuen Präsidenten haben. Vie- dank des neuen Standards eine optimale hause zu einem Smart Home zu ma-
les wird sich ändern müssen, die Gesellschaft WLAN-Abdeckung in Ihrem Zuhause. Bei chen. Entdecken Sie eine Vielzahl prakti-
Mehr unter 0800 33 05500 oder JETZT
wird sich sprunghaft weiterentwickeln. Man der Mesh-Technologie erzeugen mehrere scher Alltagshelfer wie Kameras oder telekom.de/digital-home-service NEU
muss nicht Präsident sein, um nützlich für sein Zugangspunkte ein flächendeckendes Bewegungsmelder, die Ihr Zuhause noch
Land zu sein. Wenn ich in der Politik gebraucht WLAN. Ihre Geräte müssen sich daher sicherer und energieeffizienter machen –
werde, werde ich wohl dabei sein müssen. nicht immer wieder neu einwählen, son- ganz einfach per App steuerbar.
Die Fragen stellten
Alice Bota und Michael Thumann
8 POLITIK
Außen grün,
innen rot
Der Klimaschutz trifft vor allem die Armen, wird
oft argumentiert. Es gibt aber längst Konzepte, wie
sich das verhindern lässt  VON PETRA PINZLER
L
ange schien es eine Art Grundge- tigkeit – also um das, was eine Gesellschaft zusam- der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus mit einem stetig steigenden Preis belegt werden, damit
setz zu sein, dass die Klimakrise menhält oder auseinandertreibt. dem Hinweis in die Debatte, dass auch unter einem immer weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.
zwar die Erde verändern kann, Die Größe des Themas erklärt vielleicht ein wenig Unionskanzler die Benzinpreise steigen würden. Die Die große Koalition hat damit bereits begonnen:
aber nicht den deutschen Wahl- die Härte der Auseinandersetzung – und das Durch- entscheidende Frage also lautet: Macht mehr Klima- Seit Anfang des Jahres gilt ein Preis für den CO₂-
kampf. Seit jedoch die Grünen in einander. Da forderte die grüne Kandidatin Annalena schutz wirklich Menschen ärmer – und kann man Ausstoß im Verkehr und beim Heizen von 25 Euro
Umfragen für einen Moment ganz Baerbock höhere Preise für Benzin. Und umgehend etwas dagegen tun? pro Tonne – der soll bis 2025 auf 55 Euro steigen.
nah ans Kanzleramt gerückt wa- stellte sich der Sozialdemokrat Olaf Scholz vor die Die ökonomische Logik der Angelegenheit ist Die meisten Wissenschaftler halten das aller-
ren, steckt die Republik im Klimawahlkampf. Autofahrer und warnte vor Frust. Unionschef Armin schnell erklärt: Wenn man eine Sache schützen will, dings für nicht ambitioniert genug. Der CO₂-
Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Men- Laschet sieht den »Traum vom Sommerurlaub« ge- dann muss sie teurer werden. In diesem Fall bedeutet Preis müsse deutlich höher werden, sagt Veronika
ge an CO₂ in der Atmosphäre, sondern um Ge- fährdet, wenn der Flug nach Mallorca mehr als 70 das: Soll die Atmosphäre nicht übermäßig verschmutzt Grimm vom parteiunabhängigen Sachverstän­
winn und Verlust, Gerechtigkeit und Ungerech- Euro koste. Nur kurze Zeit später grätschte allerdings werden, muss der Ausstoß von Treibhausgasen mit digen­rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-
lichen Entwicklung. Nur dann könnten die
ANZEIGE Klima­ ziele erreicht werden, weil nur dann
schnell alternative Technologien entwickelt wür-
den, Menschen klimafreundlichere Autos kauf-
ten oder gleich das Fahrrad nähmen, auf Flüge
verzichteten, das Haus dämmten oder beim­
1: neuen Dach die Solarpanels mitplanen würden.
2 02 rt ! So weit die Theorie, in der Praxis gilt: Reiche
h l ie
s wa form Menschen schaden dem Klima viel stärker als arme.
ta g i n Reiche fahren in der Regel dickere Autos und müs-
d e s S ie sen deswegen häufiger tanken. Sie leben in größeren
n n
B u ei be Wohnungen, also heizen sie mehr. Sie fliegen häu-
l
3 Monate DIE ZEIT
B figer in den Urlaub, jedenfalls die meisten von ih-
nen. Der Sachverständigenrat macht diese Rech-
nung auf: Das oberste Einkommenszehntel pustet
fast dreimal so viel CO₂ in die Luft wie das un-
lesen und 35 % sparen!
terste. Der Pro-Kopf-Ausstoß eines wohlhabenden
Menschen beträgt durchschnittlich fast 20 Tonnen
im Jahr, der eines armen knapp sieben Tonnen.
Das bedeutet: Ein höherer CO₂-Preis trifft die
Einkommensoberen absolut betrachtet stärker (weil
sie mehr fliegen oder heizen). Das ist allerdings nur
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Als Dankeschön erhalten Sie ein hochwertiges Geschenk Ihrer Wahl! im Alltag verbunden sein (weil sie schlicht weniger
Geld zur Verfügung haben, um höhere Ticket-
preise oder Heizölrechnungen auszugleichen). Ein
Mieter kann außerdem, anders als ein Hausbesitzer,
nicht so einfach auf alternative Technologien aus-
weichen, ein neues E-Auto kaufen, ein Solarmodul
auf das Dach setzen oder seine Wohnung dämmen
und so Energiekosten einsparen.
Doch bei der Suche nach der gerechten Lasten-
verteilung muss noch etwas berücksichtigt werden:
inkl. Nichtstun macht die Gesellschaft auch nicht fairer.
ZEITmagazin Im Gegenteil. Die Klimakrise wird die bereits be-
stehende soziale Schieflage noch verschärfen. Schon
heute sterben beispielsweise in jeder Hitzewelle
viele ältere Menschen in beengten Wohnverhält-
nissen. In internationalen Vergleichsstudien liegt
Deutschland bei den Hitzetoten mit an der Spitze.
Wenn es also nicht gelingt, die Erderwärmung zu
stoppen, dann werden auch solche Ungerechtig-
keiten in der Zukunft an Schärfe gewinnen. Das sind
gerade für Menschen mit geringem Einkommen
schlechte Aussichten. Und auch für deren Kinder.
Auf dem Papier haben die meisten Parteien
die verschiedenen Dimensionen des Problems
erfasst. Und so findet sich in den Wahlprogram-
men von Grünen, SPD, FDP und Linken eine
ganze Reihe von Ideen, wie das Klima geschützt
und zugleich soziale Schieflagen gemildert wer-
den können – wenn auch in unterschiedlich
Geschenk konkreter Form. Da soll der öffentliche Nah­
verkehr ausgebaut werden, der Strompreis sinken,
zur Wahl es sollen die Pendlerzuschüsse steigen oder alle
Bürger eine Klimaprämie bekommen.
Wissenschaftler haben für alle Maßnahmen
ausgerechnet, wem sie eher nützen. Eine noch
großzügigere Entfernungspauschale beispiels-
weise hilft eher der Mittelschicht – auch wenn
Anhänger gern als Argument den armen Pendler
bemühen. In der Realität aber nutzen Geringver-
diener viel häufiger öffentliche Verkehrsmittel
und fahren nicht so weite Strecken, wenn sie das
Auto nutzen, so das Ergebnis einer Studie des
unter:
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Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
040/42 23 70 70*
(DIW). Ihnen würde tendenziell der Ausbau des
www.zeit.de/13wochen
öffentlichen Nahverkehrs also mehr nutzen.
Die Senkung des Strompreises wiederum
aße, Hamburg käme allen Verbrauchern zugute, allerdings de-
Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstr
Print Stud. Anbieter: Zeitverlag Gerd nen mit einer hohen Stromrechnung mehr. Die
angeben: 1993728 Print · 1993729
*Bitte die jeweilige Bestellnummer
Ärmeren würden vor allem von der Einführung
des sogenannten Klimagelds profitieren – eine
pauschale Zahlung, die jeder Bürger erhalten
110078_ANZ_220x290_X4_ONP26 1 08.06.21 08:10
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Vorbild Melone:
Klimaschutz kann sozial
abgefedert werden
würde. Die SPD will eine solche Transferleistung
Foto: imago
prüfen, bei der FDP steht sie ohne nähere Aus-
führungen im Wahlprogramm, und für die Grü-
nen ist sie zentraler Bestandteil der Klimapolitik.
Wie sich die Union im Falle eines Wahlsieges
entscheiden würde, ist noch unklar. Armin Laschet
hat sich für die Erhöhung der Pendlerpauschale aus-
gesprochen, was eher Menschen mit mehr Geld
hilft. Im Entwurf für das Wahlprogramm wird
zudem die Senkung des Strompreises in Aussicht
gestellt. Zu den Heizkosten sagt die Union bisher
nichts. Erst kürzlich wehrte sie sich gegen den Vor-
schlag der SPD, die CO₂-Steuer zwischen Ver-
mietern und Mietern aufzuteilen, und so zahlen
Letztere sie allein. Das begünstigt tendenziell die
Mittelschicht und die Besserverdienenden. Um das
Programm ganz genau durchzurechnen, fehlen aber
noch zu viele Informationen.
Das gilt auch für das Programm der FDP und
der SPD. Die Sozialdemokraten wollen den Strom-
preis senken, zudem die Einführung eines Klima-
bonus zumindest prüfen. Vor allem aber setzen sie
darauf, dass durch massive staatliche Investitionen
die öffentliche Infrastruktur ausgebaut wird. Die
Überlegung: Wenn dann beispielsweise mehr Men-
schen schnell auf Fahrrad, Bus, Bahn oder E-Auto
umsteigen, kann das Klima geschützt werden, ohne
dass der CO₂-Preis schnell weiter steigen muss. Das
wiederum führe zu weniger sozialen Verwerfungen.
Ob das funktioniert, lässt sich vor allem deshalb
nicht vorhersagen, weil neue Radwege und Schie-
nenverbindungen in Deutschland erfahrungsgemäß
nicht von heute auf morgen entstehen.
Das grüne Programm ist das mit Abstand de-
taillierteste. Politisch hatte sich das zuletzt eher
als Fluch erwiesen, weil sich die Konkurrenz da-
ran abarbeiten konnte, ohne selbst konkret zu
werden. Die Ökopartei setzt gleich an mehreren
Stellschrauben an: Der CO₂-Preis soll deutlich
nach oben – und zugleich der Strompreis sinken
(damit beispielsweise mehr Menschen schnell
auf elektrische Autos umsteigen). Zudem soll
mehr investiert und ein Bürgergeld eingeführt
werden: 75 Euro pro Kopf.
Das Mercator Institute on Global Commons
and Climate Change (MCC) – ein Berliner For-
schungsinstitut – hat die Wirkungen analysiert und
kommt zu folgendem Ergebnis: Wenn der CO₂-
Preis schon 2023 bei 60 Euro liegt, wie es die Grü-
nen in ihrem Wahlprogramm fordern, kann das,
kombiniert mit einer Klimaprämie, die Ärmeren
entlasten – weil der staatliche Zuschuss die Zusatz-
ausgaben an der Tankstelle oder beim Heizen mehr
als wettmacht. Ein gut verdienendes Ehepaar
(netto 82.194 Euro) ohne Kinder mit zwei Autos
würde dann 153 Euro im Jahr draufzahlen. Eine
normal verdienende Familie (netto 41.798 Euro)
mit zwei Kindern und Auto bekäme 12 Euro he-
raus, die arme Rentnerin (netto 7443) 60 Euro. Die
Rechnung setzt voraus, dass das Verhalten sich nicht
verändert. Passiert das doch, fahren die Menschen
etwa weniger Auto, bleibt mehr Geld übrig.
Klar ist aber auch: Selbst ausgeklügelte Kom-
pensationsmodelle können nicht verhindern, dass
es in Einzelfällen zu sozialen Härten kommen kann.
Das gilt zum Beispiel für Leute mit geringem Ein-
kommen, die trotzdem weite Strecken mit dem
Auto fahren oder in großen Häusern mit alten Hei-
zungen leben. Für diese Menschen müsste es dann
spezielle Förderangebote geben. Die Frage ist aller-
dings, wie groß dieser Personenkreis ist. Die meisten
Forscher sagen: nicht besonders groß. Der Ferien-
flug beispielsweise ist in den meisten Fällen ein
Privileg der Mittelschicht, die sich höhere Ticket-
preise auch eher leisten beziehungsweise sich spar-
samere Autos anschaffen kann – dafür aber auf
andere Dinge wird verzichten müssen.
Denn auch das gehört zur Wahrheit: Wenn
weniger CO₂ in die Atmosphäre entweichen soll,
dann muss – zumindest bis alternative Technolo-
gien zur Verfügung stehen – irgendjemand weniger
beziehungsweise sauberer fahren oder fliegen. Die
Frage ist, wie es dabei möglichst gerecht zugeht.
Vielleicht kann man gute Klimapolitik mit einer
Wassermelone vergleichen. Außen knallgrün und
innen sanft rot.
 DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 POLITIK 9

Mahmoud Jumaa Die Familie Jumaa

droht in Syrien der ist in einem
Zwangsdienst Asylbewerberheim
in der Armee des in Neumünster
Diktators Assad untergekommen

Ankommen? Unmöglich
Aus Angst davor, in ihre alte Heimat abgeschoben zu werden, verlassen syrische Flüchtlinge Dänemark. Die Familie Jumaa
sucht jetzt in Schleswig-Holstein Asyl  VON PAUL MIDDELHOFF UND FREDERIK TILLITZ

D
as Schlafzimmer der Eltern
ist leer. Nur eine Matratze
liegt noch auf dem Boden,
für Mahmoud. Die ande­
ren sind fort. Seine Mutter
Afaf, sein Vater Fawsi und
seine drei jüngeren Ge­
schwister sind schon ausgezogen aus dem Rei­
henhaus. Die Familie Jumaa verlässt nicht nur
das Städtchen Kirke Hyllinge nahe Kopenhagen.
Sie verlässt Dänemark. Denn sie fühlt sich nicht
mehr sicher in diesem Land.
Mahmoud bleibt zurück. Er ist 23 Jahre alt.
Als sie im Jahr 2015 aus dem Libanon hierher­
kamen, dachten die Jumaas, sie hätten es endlich
geschafft; dass ihre Flucht vor dem Assad-Re­gime
in Syrien hier enden würde. Mahmoud begann
genau feststellen, ob die Familie Jumaa einer von
wenigen Einzelfällen ist oder ob es tatsächlich zu
einer größeren Ausreisebewegung unter den ins­
gesamt 44.000 Syrern kommt, die zurzeit in­
Dänemark leben.
Mutter Afaf Jumaa und die Kinder sagen, sie
hätten in Neumünster Asyl beantragt und warte­
ten nun auf ihren Bescheid. Auf Nachfrage er­
klärt ein Sprecher des Innenministeriums von
Schleswig-Holstein: »In Zuständigkeit des Landes­
amtes für Zuwanderung und Flüchtlinge befin­
den sich diesbezüglich derzeit sieben Personen.«
Sieben syrische Flüchtlinge, die aus Dänemark
eingereist sind und in Schleswig-Holstein Asyl
beantragt haben. Das klingt nicht nach viel. Aber
der Sprecher sagt auch: »Hierbei ist zu beachten,
dass die aus Dänemark nach Schleswig-Holstein
Sprache, und benehmt euch. Dann dürft ihr blei­
ben. All das haben wir gemacht, und trotzdem müs­
sen wir das hier jetzt erleben.« Mahmoud wird
nicht nach Deutschland umziehen. Weil er im
wehrfähigen Alter ist und ihm im Falle einer Ab­
schiebung der Zwangsdienst in der Armee des syri­
schen Diktators Assad droht, ist es unwahrschein­
lich, dass ihm sein Aufenthaltsstatus entzogen wird.
Auch will er in Dänemark bleiben, um seine Aus­
bildung abzuschließen. Und: Er will nicht schon
wieder ganz von vorn anfangen müssen.
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Nicht weit entfernt vom Asylheim der Jumaas in
Neumünster liegt das Friedrich-Ebert-Kranken­
haus. Dort teilt sich Sara, 22, die älteste Tochter der
Familie, ein Zimmer mit zwei älteren Damen. Sara
hat Lähmungserscheinungen, sie sitzt im Rollstuhl.
Weder die Ärzte in Dänemark noch die in Deutsch­
land wissen genau, was ihr fehlt. Ein Schock könnte
die Ursache gewesen sein, sagen sie. Sara trägt ein
schwarzes Kopftuch und eine blaue Atemmaske, sie
spricht mit leiser Stimme: »Ich kann mich an kei­
nen genauen Vorfall erinnern. Nur an das Geräusch
von den Bomben und die Leichen in den Straßen.
Die Straßen waren voller Blut und toter Menschen.«
Verifizieren lassen sich diese Angaben nicht. Aber
dass Sara an einer Krankheit leidet, ist offenkundig.
Wie es mit Mahmoud, Sara und dem Rest der
Familie weitergeht, kann derzeit niemand sagen.
Die Jumaas müssen abwarten, was aus ihnen wird.
Wieder einmal.
Siehe auch Wissen, Seite 40
»Wann ist Ihr Geburtstag, Rafik Schami?«

eine Lehre zum Schlachter in Roskilde, 20 Auto­
minuten vom Haus seiner Eltern entfernt. Seine
Geschwister gingen auf die dänische Schule. So
sollte es sein, ihr neues Leben als Familie.
Am letzten Wochenende im Mai räumt Mah­
moud die Habseligkeiten seiner Familie zusam­
men. Am Schuppen im Garten lehnt ein grauer
Teppich, hinter der Tür stehen Plastiksäcke.
»Das erinnert mich daran, wie wir aus dem Liba­
non aufgebrochen sind. Da wussten wir auch
nicht, wie es weitergehen soll«, sagt Mahmoud.
Sein Vater, der vorübergehend in einer kleinen
Wohnung in Roskilde lebt, pendelt noch hin und
her zwischen Dänemark und Deutschland, Mah­
mouds Mutter und die Geschwister sind schon
ganz umgezogen. Sie wollen nicht auf die Ent­
scheidung der dänischen Behörden warten. Denn
NEU!
einreisenden Personen nicht zwingend bei schles­
wig-holsteinischen Behörden vorsprechen.« Das
heißt: Es kann gut sein, dass noch mehr Men­
schen gekommen sind, die aber bislang keinen
Asylantrag gestellt haben. Weil sie dazu bislang
nicht gekommen sind. Oder weil sie Angst ha­
ben, zurück nach Dänemark geschickt zu wer­
den, zurück auf null.
Auf die Frage, wie die Bundesregierung den
harten Kurs der Dänen beurteilt, erhält man ak­
tuell keine aussagekräftige Antwort. Das Auswär­
tige Amt, das in diesen Fragen zuständig wäre,
verweist auf das Bundesinnenministerium. Dessen
Beamte schicken einen kargen Dreizeiler zurück NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL MIT MELATONIN
und verweigern weitere Auskunft mit Verweis auf
die Persönlichkeitsrechte der Geflüchteten. Doch
dürfte die Bundesregierung nicht glücklich darüber

ANGENEHM SCHNELLER EINSCHLAFEN1

die überprüfen gerade ihre Aufenthaltsgenehmi­
gung. Den Jumaas könnte es ähnlich gehen wie
etwa 500 anderen Syrern, die laut den Behörden
im Jahr 2021 ihre Aufenthaltsgenehmigung ver­
lieren werden und dadurch von einer Abschiebung
bedroht wären. Und zurück nach Syrien – oder in
ein Abschiebezentrum – wollen sie auf keinen Fall.
Deshalb sind sie erneut geflüchtet. Dieses Mal
nicht übers Mittelmeer, sondern über die Grenze
im Süden Dänemarks, nach Schleswig-Holstein.
Ausgerechnet Dänemark. Das Land, das so
lange als Vorbild für eine gelungene, großzügige
Einwanderungspolitik galt, erlässt nun immer
härtere Gesetze im Umgang mit Flüchtlingen.
Zuerst verkündete der dänische Rat für Flücht­
lingsfragen im Februar 2021, dass Abschiebungen
in die Region rund um Damaskus künftig mög­
lich seien. Er brach mit dem EU-weiten Konsens,
dass niemand in das Bürgerkriegsland zurückge­
schickt werden könne, weil es dort noch immer zu
gefährlich sei (ZEIT Nr. 17/21). Schon der dama­
lige Entschluss wurde vom Außenminister der
USA und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen kritisiert; das Europaparlament rügte
die Entscheidung in einer Resolution. Nun bele­
gen Recherchen der ZEIT: Aus Angst vor immer
schärferen Regeln verlassen syrische Flüchtlinge
von sich aus das Land. Auf der Suche nach echter
Sicherheit ziehen sie weiter in andere EU-Staaten.
Auf dem Parkplatz eines Asylbewerberheims
in Neumünster steht der rote Nissan von Fawsi
Jumaa, Mahmouds Vater. Gerade holt er seine
Frau Afaf und die beiden jüngsten Kinder ab,
Youssef und Rayan. Die Familie will einen Aus­
flug machen, trotz allem. Dafür ist Fawsi quer
durch Dänemark gefahren, über die deutsche
Grenze und bis hierher. Er versuche, so oft wie
möglich seine Familie zu besuchen, sagt er. So­
bald das Reihenhaus in Kirke Hyllinge ausge­
räumt ist, will auch er in Deutschland leben.
»Für meine Frau und mich war es eine sehr
schwere Entscheidung, Dänemark zu verlassen.
Aber die Angst, abgeschoben zu werden, war zu
sein, dass die verschärften Gesetze aus Kopenhagen
nun dazu führen, dass Geflüchtete wie die Jumaas
nach Deutschland weiterflüchten. Deren Schicksal
steht damit auch für die immer noch riesigen
Defizite der europäischen Flüchtlingspolitik.
Auf der deutschen Seite scheint derzeit nie­
mand wirklich daran zu glauben, dass die Syrer
WICK ZzzQuil Gute Nacht ist ein innovativer Weichgummi mit Melatonin. Er ent-
aus Dänemark wirklich gute Aussichten auf ­
einen positiven Asylbescheid hierzulande haben.
hält zusätzlich Vitamin B6 und Pflanzenextrakte aus Kamille, Lavendel und Baldrian.
Das Dublin-Abkommen schreibt vor, dass
Flüchtlinge in dem EU-Staat ihren Asylantrag
stellen müssen, den sie zuerst betreten haben.
Stellen sie danach noch einen weiteren Antrag,
droht ihnen, dass sie in den Erststaat zurückge­
Ein Weichgummi vor dem Schlafengehen kann dabei helfen,
schickt werden. Dänische Juristen hingegen ar­
gumentieren, dass in diesem Fall ein anderer EU-
angenehm schneller einzuschlafen.1
Staat trotzdem Asyl gewähren könne, wenn er
feststelle, dass Dänemark seine internationalen
Verpflichtungen nicht einhalte: »Im Fall der Sy­
• Ohne Gewöhnungseffekt
rer in Dänemark kann es durchaus sein, dass an­
dere EU-Staaten sie nicht hierher zurückschi­
• Ohne Müdigkeit am nächsten Tag
cken. Das gilt vor allem für EU-Staaten, in denen
unabhängige Gerichte die Verhältnisse für Asyl­
bewerber in anderen EU-Staaten prüfen.
Deutschland würde seinerseits riskieren, inter­
nationale Verpflichtungen zu verletzen, wenn
es Flüchtlinge zurückschickte«, sagt Thomas Das neue WICK ZzzQuil
Gammeltoft-Hansen, Professor für Internationa­
les Recht an der Universität Kopenhagen. Gute Nacht ist exklusiv
Die dänische Regierung hält sich mit solchen
Abwägungen nicht auf. Der dänische Minister nur in der Apotheke erhältlich!
für Ausländer- und Integrationsangelegenheiten
Mattias Tesfaye, selbst Sohn eines äthiopischen
Einwanderers, erklärt der ZEIT: »Wenn man sei­
ne Aufenthaltsgenehmigung entzogen bekommt, WICK ZzzQuil Gute Nacht von der weltweiten
liegt es daran, dass man kein Recht auf Schutz
hat. Und dann muss man Dänemark verlassen. Nr. 1* Schlaf-Marke ZzzQuil.
Es ist ganz normal, dass wir nicht wissen, wohin
die Menschen gehen. Wir fordern ja nicht, dass
sie auf Wiedersehen sagen, bevor sie abreisen.«
Derweil verschärft die Regierung die Einwan­
derungsgesetze immer weiter: Ende Mai stimmte
das Parlament für die Errichtung von Asylzentren
MAT-DE-OTHER-21-000033

groß. Die Unsicherheit hat schon genug an unse­ außerhalb Dänemarks. Wer den dänischen Staat
Fotos: Frederik Tillitz für DIE ZEIT

rer Familie gezehrt«, sagt er.
Andere syrische Flüchtlinge in Dänemark be­
stätigen, dass die Jumaas keine Ausnahme seien:
Fast jeder kennt jemanden, der jemanden kennt,
der in einen anderen Staat gegangen ist. Die
Rede ist von Deutschland, Schweden und den
Niederlanden. Belegen lassen sich solche Aus­
sagen nicht. Deshalb lässt sich derzeit auch nicht
um Asyl bittet, könnte der neuen Regelung zu­
folge in eines der Lager, etwa in einem afrika­
nischen Drittstaat, geflogen werden. Wieder kri­
tisieren die UN und zahlreiche Menschenrechts­
1
Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen.
* IQVIA quarterly Global OTC Insights; OTC3 13A3 SLEEPING
organisationen das Vorgehen scharf. PRODUCTS, full year 2020.
»Wir haben genau das getan, worum wir ge­
beten wurden, als wir hier ankamen«, sagt Mah­
moud Jumaa. »Macht eine Ausbildung, lernt die
10
Wofür stehen Sie?
Ein Projekt von ZEIT und ZEIT ONLINE bringt Deutschland digital zusammen:
49 ganz verschiedene Menschen sprechen in den Monaten bis zur Wahl darüber, was das Land bewegt  VON ANNA MAYR UND NELE SPANDICK
»Ich habe ein gutes, teils aufregendes Leben
gelebt. Jetzt erwarte ich erst mal nicht mehr
so viel. Dass ich meine Wohnung behalten
kann, ist mein größter Wunsch. Ich bin 50
Jahre alt und geschieden, spiele auf hohem
Niveau seit 30 Jahren Billard und hoffe, das
noch so lang wie möglich tun zu können.«
Hartmud Lamprecht, Taxifahrer, 50 Jahre
»Ich bin ein Grünen-Wähler in der
unterfränkischen Provinz. Nachhaltigkeit
war mir schon immer wichtig, auch weil ich
auf dem Land lebe und möchte, dass die
Natur hier erhalten bleibt.«
Günter Stäblein, Hausmeister, 61 Jahre
»Als Geisteswissenschaftlerin und
Therapeutin ist es mir wichtig, Menschen
ganzheitlich zu sehen und zu unterstützen.
Ich bin Fußpilgerin und liebe es, wandernd
unterwegs zu sein. Politisch bin ich
sehr interessiert und fühle mich
zurzeit keiner Partei wirklich verbunden.«
Angelika Kanters,
Bildungsreferentin, 61 Jahre
»Zum einen bin ich der Ausländer, der mit
Slang redet, jeden in der Nachbarschaft
kennt und viel Wert auf die Familie legt.
Zum anderen bin ich der Deutsche, der sich
auf seine Arbeit, seine Ziele und das Mit­
ein­an­der konzentriert. Ich vereine das in
mir. Beides kann ich gut, aber nie perfekt.«
Furkan Uzun,
Mitarbeiter im Autohaus, 24 Jahre
»Was mich am meisten ausmacht, ist mein
soziales Umfeld: meine Freunde und Fami-
lie. Ich sehe mich als loyalen Freund und
Kollegen, der versucht, Gutes zu tun und für
andere da zu sein. Besonders herausragende
oder hervorstechende Identitätsmerkmale
sehe ich bei mir eigentlich nicht. Ich hatte
eine glückliche Kindheit in Chemnitz, bin
dann mit 21 aus beruflichen Gründen aufs
Land gezogen und habe einfach mein Leben
so gelebt, wie ich es für richtig halte.«
Philipp Auerbach, Mitarbeiter im Vertrieb,
32 Jahre
Ein Experiment von ZEIT und ZEIT ONLINE im Wahljahr:
»Ich bin Teil einer Generation, die mit
Internet und sozialen Medien aufgewachsen
ist. Ich ernähre mich schon lange
vegetarisch, Tierschutz ist mir wichtig.«
Sarah Haase, studiert Philosophie und Politik
auf Lehramt, 23 Jahre
»Ich bin durch und durch Millennial, vor
Corona war ich auf vielen Partys, und ich
lasse alle so leben, wie sie leben wollen. Ich
habe eine typisch deutsche Arbeiterbiografie,
habe aber in meinem Leben ganz
unterschiedliche gesellschaftliche Milieus
kennenlernen können. Früher spielte mein
Mi­gra­tions­hin­ter­grund dabei keine Rolle,
doch er wird immer wichtiger.«
Kaan Öktem, Spediteur, 28 Jahre
»Mein sonst sehr aktives Leben ist
durch Corona stark eingeschränkt gewesen.
Diese Lebensrealität – alt und trotzdem
aktiv – kam in letzter Zeit zu wenig vor in
der öffentlichen Debatte.«
Jürgen Burlaga, Rentner, 66 Jahre
»Ich bin nach 47 Arbeitsjahren seit einem
Jahr Rentner. Bin gerne in der Natur,
Familienmensch und Camper. Vor der
Glotze und im Internet verbringe ich schon
auch einige Zeit. Und, ja, ich bin immer
noch gerne individuell mit Auto, Traktor
und Fahrrad unterwegs. Auch der Herd ist
vor mir nicht sicher. Kurzum,
ich fühle mich wohl in Deutschland.«
Klaus Neumann,
Maschinenbautechniker, 65 Jahre
»Ich bin eine Liberale. Ich finde,
man sollte wieder mehr
Eigenverantwortung übernehmen.«
Dagmar Fleury-Erne, arbeitet in der
Immobilienbranche, 51 Jahre
POLITIK
»Es ist mir wichtig, ins Theater gehen
zu können und zu reisen. Einen großen
Teil meines Seins macht aus, dass ich
alleinerziehende Mutter eines Teenagers
bin und immer gearbeitet habe.
Außerdem war ich schon
Vegetarierin, als den Begriff noch
fast niemand kannte.«
Julia Magg, Sozialpädagogin, 49 Jahre
»Ich habe mich in meinem Leben aus
gesellschaftlichen Vorstellungen und
Kategorien herausgeschält, ich möchte mich
da nicht mehr hineinbegeben.
Ich stehe für den Wandel, denn ich bin
mitten in einem Veränderungsprozess.«
Anja Siebald,
gründet gerade ein Start-up, 49 Jahre
»Ich wehre mich gegen das Patriarchat, des-
wegen würde man mich wohl als Feministin
bezeichnen. Aber mir fällt es schwer, mich
einer Gruppe zuzuordnen. Meine Eltern
hatten klare Vorstellungen davon, wie wir
Kinder unser Leben führen sollen, deswegen
ist mir die Freiheit heute besonders wichtig.«
Thi Trang Nhung Schilling,
Marketingleiterin einer Kletter- und
Boulderhallenkette, 33 Jahre
»Ich habe meiner Meinung nach kein
besonderes Merkmal, auf das ich mich
reduzieren würde. Wenn ich es dennoch
müsste, würde ich mich vermutlich als junge,
›linksversiffte‹ Feministin beschreiben.«
Indra Nichau, studiert Erziehungswissenschaften
und arbeitet in einem
Corona-Testzentrum, 25 Jahre
»Ich zeige, dass es nicht den einen richtigen
Weg für das Leben geben muss. Ich habe
drei verschiedene Ausbildungen gemacht und
bin heute bei Deutschlands größtem
Versicherungsmakler tätig. Man muss sich
selbst treu bleiben und offen sein. Mit
meinem außergewöhnlichen Lebensweg
kann ich Menschen inspirieren.«
Florian Vögtle, Hörgeräteakustiker, Speditions-
kaufmann und Versicherungsfachmann, 33 Jahre
»Ich bin einerseits ein Türke – aber auf der
anderen Seite auch ein deutscher Beamter.
Meine Identität ist eine Mischung aus zwei
Kulturen. Und das ist auch gut so.«
Tuğberk Incel, Teamleiter beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, 30 Jahre
»Mir ist wichtig, zu überleben ohne
Ellenbogentaktik, Konsumgeilheit
und verlogenen Reichtum
auf Kosten anderer auf diesem Planeten.«
Martin Josef Birk,
Lebenskünstler, 50 Jahre
»Ich scheine immer ein wenig ab der Norm,
manchmal nur knapp am Raster vorbei.
Schnell berühre ich bürgerliche Grenzen, den
Blick von Rande könnte man deshalb als ei-
nen Teil meines Tagesgeschäfts bezeichnen.
Fühle mich in jeder Gesellschaftsschicht
wohl, jedoch nie wirklich zugehörig.«
Britta Getreu, arbeitslos, 51 Jahre
»Ich habe den Zweiten Weltkrieg überlebt,
meine Eltern sind damals gestorben.
Deswegen sind mir gegenseitige Hilfe und
Einsicht in Notwendigkeiten wichtig.
Wer etwas ändern will, muss etwas tun.«
Renate Starck-Tillmanns,
Rentnerin, 86 Jahre
»Ich bin eine ägyptische Berlinerin, die
amerikanische Einflüsse hat. Ich bin in
Kanada aufgewachsen, in einer vielfältigen
Umgebung. In Berlin war ich auf dem
Französischen Gymnasium. Erst viel später
habe ich verstanden, was ich für ein Glück
hatte, so aufzuwachsen. Ich kann mich
überall zugehörig fühlen, denn ich kenne
nichts anderes als Diverstität.«
Shaimaa Taleb,
in Ausbildung zur Erzieherin, 38 Jahre
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
»Ich bin hauptsächlich mit asiatischen Heil-
methoden beschäftigt, was einen wichtigen Teil
meiner Identität ausmacht. Dadurch sehe ich
das Konstrukt Mensch und Umwelt als eine
Einheit. Darunter fallen auch die Emotionen
der Menschen, die gerade unter den Einschrän-
kungen des letzten Jahres sehr gelitten haben.«
Patrick Ruhnke,
Allgemeinmediziner, 43 Jahre
»Ich bin eine Frau von den Philippinen mit
vielen Plänen für die Zukunft. Aktuell pflege
ich eine alte Frau und möchte Kranken-
schwester werden. Bevor ich nach Deutsch-
land kam, habe ich viele schlimme Erfah-
rungen gemacht. Hier ist jetzt mein zweites
Zuhause, und ich finde toll, entscheiden zu
können, was ich mit meinem Leben mache.«
Teresa Agoncillo (Name geändert),
besucht Deutschkurse, 33 Jahre
»Vor allem bin ich Vater inzwischen
erwachsener Kinder und Ehepartner als
Teamplayer. Ich gehöre zu den Babyboo-
mern, also zu einer Generation, die ihren
Kindern einige Probleme hinterlässt, wie die
Rentenfinanzierung. Konsum und
Oberflächlichkeit sind nicht mein Ding.«
Achim Schmelcher,
Datenanalyst gegen Kreditbetrug, 55 Jahre
»Meine Tochter bezeichnet mich als ›alten,
weißen Cis-Mann‹. Ich sage: Ich bin weit
gereister Ingenieur, jetzt Rentner. Weil ich
gute Einblicke in die Lebensmittelindustrie
hatte, esse ich einige Produkte nicht mehr,
kämpfe aber trotzdem schwer mit meinem
Gewicht. Seit Jahren begeisterter Radfahrer,
aber kein Kampfradler, sondern auch noch
Besitzer eines alten, sparsamen Diesel-Pkw.«
Carsten Hohnsbehn, Rentner, 66 Jahre
»Ich bin Spät-68er, habe die Love-and-
Peace- und Flower-Power-Bewegung
mitbekommen. Und auch heute stehe ich
dafür ein. Wir müssen wieder lernen, wie
man miteinander umgeht.«
Bertram Meyer,
Rentner, 66 Jahre
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Es war schon einigermaßen energiezehrend in den
vergangenen Monaten, dass sich jede kleinste In­
teressensgruppe zu Wort meldete, um Anerken­
nung für die eigenen, individuellen Probleme ein­
zufordern. Die Innengastronomiebetreiberinnen,
die Abiturienten, die Ferienwohnungsbesitzer in
Mecklenburg-Vorpommern, die Hartz-IV-Emp­
fängerinnen, die systemirrelevanten Eltern von
Kita-Kindern, die Ostdeutschen. Sie alle fühlten
sich irgendwie anders, besonders, vor allem be­
sonders benachteiligt im pandemischen Gesche­
hen. Bei den meisten von ihnen mochte das sogar
zutreffen.
»Ich bin in einer großen Familie auf dem
Bauernhof aufgewachsen, und mir wurde
mitgegeben, für andere da zu sein. Das habe
ich beibehalten bis ins Alter. Erst jetzt – mit
75 – schaffe ich es – immer öfter –, auch
für mich etwas zu tun.«
Therese Hofer, Rentnerin, 75 Jahre
»Ich bin Deutscher, hetero, Rentner und
alleinstehend. Mir war es immer wichtig,
für mich und meine Familie zu sorgen.«
Bernd Hösch,
gelernter Mess- und Regelungsmechaniker,
72 Jahre
»Ich bin in erster Linie Familienvater. Ich
nehme mir viel Zeit, meinen Kindern den
Entfaltungsfreiraum zu geben, den sie
verdient haben. Ansonsten sehe ich mich
nicht als außergewöhnlich. Ich versuche, das
Leben und seine Herausforderungen in erster
Linie rational zu meistern.«
Manfred Jansky,
Anwendungsentwickler, 38 Jahre
»Ich bin fünffache Mutter. Bis vor wenigen
Jahren war mein Leben durch Verzicht und
Kampf geprägt. Alleinerziehend und
berufstätig zu sein hat mir einiges
abverlangt, mich aber auch stark gemacht.«
Sabine Zimmer,
arbeitet in der Montage, 54 Jahre
»Ich bin sehr konservativ aufgewachsen,
zu Hause hat nur eine Meinung gegolten.
Auch im Militärdienst habe ich mich einge­
zwängt gefühlt. Deswegen war es mir im­
mer wichtig, selbstbestimmt Entscheidun­
gen treffen zu können und auch anderen
das zu ermöglichen – ob in der Erziehung
meiner Tochter oder als Teamleiter.«
Hans Schwarz, Rentner, 73 Jahre
49 Menschen, die das Land abbilden
Gleichzeitig hat die Pandemie dazu geführt, dass
nicht mehr nur das eigene Leben gesehen wurde,
sondern auch das der anderen. Man blickte ein biss­
chen aufmerksamer auf die Nachbarn in den ver­
gangenen Monaten: Hat da jedes Kind ein eigenes
Zimmer? Haben die wohl noch einen Job? Oder ei­
nen Balkon? Damit einher ging, dass alle auch ein
bisschen aufmerksamer auf sich selbst schauten: Was
habe ich eigentlich? Von welchen Problemen bleibe
ich verschont, worunter leide ich? Wie relevant ist
mein Beruf, wie resilient sind meine Kinder? 2020
war ein Jahr der Bewusstwerdung – klingt schmalzig,
gehört aber dazu.
Fotos: Simon Koy, Kalpesh Lathigra, Thomas Pirot, Julia Sellmann, Marzena Skubatz, Thomas Victor, Lucas Wahl
»Wenn ich versuchen wollte, mich in
Schubladen einzuordnen, würde ich
sagen: Ich bin im urbanen, linksliberalen
Bildungsbürgertum sozialisiert. Sehr wichtig
für mich ist aber auch meine Religion:
Ich glaube definitiv an Gott und war bis zu
meinem letzten Umzug aktives
Mitglied einer kleinen lutherischen Kirche.«
Daniel Leube,
Freiwilligendienstler, 19 Jahre
»Ich bin eine alte Frau und habe schon
viel erlebt. Ich bin kritisch und oft
unbequem. Früher war ich links, Konserva­
tismus war für mich ein Schimpfwort.
Heute unterscheide ich je nach Thema,
welche Position ich einnehme, und möchte
mich dafür nicht entschuldigen.«
Gabriele Zaki,
arbeitet für die Flugsicherung, 65 Jahre
»Ich mache seit über zehn Jahren sehr
ehrgeizig Bodybuilding und habe einen
kleinen, aber sehr festen Freundeskreis. In der
Schule und Ausbildung habe ich oft
Ungerechtigkeit erfahren, was Noten und
Jobchancen anging, deshalb ist
Gerechtigkeit ein wichtiges Thema für mich.«
Michael Pöltl,
Sachbearbeiter, 28 Jahre
»Als Frau mit ostdeutscher Sozialisation ist
es für mich wichtig, beruflich erfolgreich
und trotzdem für meine Kinder immer
präsent und ansprechbar zu sein. Das ist ein
Lebensmodell, das immer noch recht selten
in Deutschland gelebt wird. Ich lebe
ländlich, aber stadtnah. Der direkte Kontakt
zur Natur ist für mich wichtig und
gibt mir immer wieder neue Energie.«
Susanne Trabandt,
Architektin, 54 Jahre
»Mir ist es wichtig zu handeln, statt nur zu
reden. Vor sechs Jahren habe ich gekündigt,
seitdem bin ich Privatier und lebe die Hälfte
des Jahres in Südafrika. Dort versuche ich,
soziale Projekte umzusetzen.«
Wolfgang Irmert, Privatier, 58 Jahre
POLITIK
ZEIT ONLINE rief im März dieses Jahres Lese­
rinnen und Leser auf, sich für ein großes Experiment
zu bewerben: Gesucht wurden 49 Deutsche, die das
Land vertreten sollten. Eine Gruppe von Menschen,
die sich genau so zusammensetzt wie die 80 Millionen
Bürgerinnen und Bürger. 22 Prozent von ihnen sind
Rentner, 26 Prozent wohnen in einer Kleinstadt, 10
Prozent auf dem Dorf. 8 Prozent sind reich. 28 Pro­
zent finden, der Zuzug von Flüchtlingen nach
Deutschland sollte unterbunden werden. Etwa 60
Prozent wollen, dass Einkommen und Wohlstand
zugunsten der einfachen Leute umverteilt werden.
In der Statistik nennt man so eine Gruppe eine »quo­
»Ich bin queer, nichtbinär und in
Ostdeutschland aufgewachsen, komme aus
einer Arbeiter*innenfamilie, bewege mich in
der Hamburger Bubble, hinterfrage und
lerne gern, bin neugierig. Als nichtbinäre
und Transperson erfahre ich häufig
Ungerechtigkeiten. Sei es institutionell,
wenn Gesetze nicht reformiert werden, oder
im gesellschaftlichen Zusammenleben, wenn
ich in Bewerbungsgesprächen nach
meinen Geschlechtsorganen gefragt werde.«
Lilo Becker,
Veranstaltungskaufperson, 22 Jahre
»Ich bin sehr naturwissenschaftlich
und mathematisch interessiert. Somit gehe
ich vielleicht an manche Themen anders
heran als andere.«
Clara Staats, Schülerin, 17 Jahre
»Ich denke viel darüber nach, wie mein
Verhalten in verschiedenen Aspekten
meines Lebens von zukünftigen
Generationen wahrgenommen wird und
wie ich es verbessern kann.«
Tihomir Ivanković,
Krankenpfleger, 38 Jahre
»Als vierfache Mutter, lange Jahre selbststän­
dig, seit zwei Jahren verwitwet, finde ich
mich in der Mitte der Gesellschaft wieder.«
Ute Stadelmann,
Zahntechnikmeisterin, 56 Jahre
»Ich bin Studentin, irgendwo zwischen
allem. Keinen hundertprozentigen Plan für
die Zukunft, aber eine ungefähre Vision.
Hoffentlich kann ich mein Leben genießen
und einen Beitrag leisten, die Gesellschaft
ein winziges bisschen besser zu machen.«
Lea Bug, studiert Safety and Security
Management, 19 Jahre
tentreue Stichprobe« – sie ist nicht repräsentativ, es
lohnt sich aber, ihr zuzuhören, weil sie Stimmungen
und Debatten verdeutlichen kann. Mehr als 30.000
Menschen hatten sich beworben, um bei diesem Ex­
periment dabei zu sein. Ein Algorithmus filterte die
49 heraus, die gemeinsam das Land in allen abge­
fragten Merkmalen am besten abbilden.
Diese 49 Menschen werden ZEIT und ZEIT
ONLINE durch die kommenden Monate begleiten.
Sie werden miteinander über Politik diskutieren, über
Umweltschutz und Einwanderung. Reporter werden
manche von ihnen besuchen und näher kennenler­
nen. Um zu verstehen, was sie gerade bewegt. Jeder
»Ich war beim Mauerfall zwölf Jahre alt.
Dennoch habe ich viel vom Ostberliner
Savoir-vivre mitbekommen. Das heißt: Ich
sehe mich als Pragmatiker und finde für
alles eine Lösung. Auch dass ich die Dinge
erst mal skeptisch betrachte und kritisch
hinterfrage, mag daran liegen.«
Antje Seferovic,
Fremdsprachenkorrespondentin, 43 Jahre
»Einen großen Teil meiner Identität macht
meine Herkunft aus. Als Tochter einer
alleinerziehenden Mutter im Niedriglohn­
sektor, die heute in Rente ist und an Alters­
armut leidet, bin ich in Armut aufgewach­
sen und habe auch dadurch – rückblickend
– viele Nachteile erfahren, insbesondere im
Hinblick auf Bildung. Dass ich heute bin,
wo ich bin, liegt nur daran, dass ich immer
wusste, wie ich später nicht leben möchte.
Und weil ich auch Glück hatte. Ich versu­
che, immer sehr demütig und dankbar auf
alles zu blicken und nichts meines heutigen
Lebens als selbstverständlich hinzunehmen.«
Tanja Kälberer,
Versicherungsmaklerin, 42 Jahre
»Ich bin ein Kind der Siebzigerjahre.
Damals haben Menschen Skandale
in Talkshows produziert, weil sie für ihre
Meinung einstanden. Ich habe es als
befreiend empfunden, dass jemand
gegen die verstaubten Fünfzigerjahre
aufsteht, deswegen sind mir bis heute
Meinungsfreiheit und Ehrlichkeit wichtig.«
Ulrike Neubauer, Mediengestalterin, 63 Jahre
»Ich bin eine in Nürnberg geborene, nach
mehreren durch den Beruf des Ehemannes
bedingten Umzügen in der niedersächsi­
schen Provinz sesshaft gewordene Seniorin.
Anpassungsfähig zu sein war also viele Jahre
in meinem Leben wichtig. Wissen­schafts­
affin, vielseitig interessiert, ein Bücher­
wurm, bin ich eine typische Vertreterin des
gerne belächelten Bildungsbürgertums.
Wobei ich mir dieses Bildungsbürgerliche
als westdeutsches, weibliches Arbeiterkind
aus einer sozialdemokratisch geprägten
Familie im Nachkriegsdeutschland wirklich
habe erkämpfen müssen.«
Ruth Röttenbacher,
Hobbymalerin, 71 Jahre
11
der 49 ist wegen einer Kombination von 20 demo­
graphischen Merkmalen in die Gruppe aufgenom­
men worden, etwa wegen des Alters, einer politischen
Haltung oder des Einkommens. Zu Beginn jedoch
wollten wir von den 49 wissen, was sie eigentlich
selbst sehen, wenn sie sich von außen betrachten:
Sind sie Repräsentanten ihrer Schicht, ihres Berufs
– oder sind ihnen ganz andere Dinge wichtig? Auf
diesen Seiten lesen Sie die Antworten, die die 49
gaben, auf die komplizierte Frage: Wofür stehen Sie?
Mehr über die 49 erfahren Sie auf
www.zeit.de/die49
»Ich bin Demokrat und Anhänger von
grüner, gerechter und transparenter Politik,
in der auch künftige Generationen mit­ein­
an­der leben können und die Gleichstellung
der Geschlechter selbstverständlich ist.
Veränderungen waren immer Teil meines
Lebens. Mein Ziel ist es gerade, wieder eine
adäquate Anstellung zu finden.«
Paul Droßard,
verlor seinen Job als Geschäftsführer kurz vor
der Pandemie, 61 Jahre
»Meine Identität wurde hauptsächlich
durch meine Kindheit in der DDR (behütet
und unbeschwert) und die Wendejahre, in
denen ich dann meine eigene Familie hatte,
ziemlich geprägt. Ich musste viele Schwie­
rigkeiten überwinden: Scheidung,
Neuorientierung im Beruf und
alleinerziehend mit geringem Einkommen.«
Gabriele Görms, Verwaltungsmitarbeiterin im
Schulamt, 58 Jahre
»Für manche meiner Bekannten bin ich
unbequem, da ich mich oft nicht mit den
›allgemeinen und konservativen‹ Ansichten
anfreunden will, sondern meine Meinung
offen vertrete. Dadurch, dass ich eine Ost­
deutsche bin, sehe ich manche politischen
Entscheidungen durch eine ›geteilte Brille‹.«
Bärbel Manke, Rentnerin und engagiert in
der Flüchtlingshilfe, 68 Jahre
»Ich bin Pendlerin, wohne mit meinem
Freund in Landshut und fahre zur Arbeit
nach München. Mir ist es wichtig, offen
und herzlich auf Menschen zuzugehen.«
Ana Maria Weber,
Patentanwaltfachangestellte, 23 Jahre
»Vor etwa 20 Jahren bin ich in meinen
Geburtsort zurückgezogen, weil ich dort
einen Großteil meiner Freizeit verbracht
habe und mir bewusst wurde, wie tief ich
dort verwurzelt bin. Mein Leben dreht sich
um meine Lebensgefährtin, meine Arbeit,
meine Familie und meinen Hund.«
Stefan Lange,
Leitet eine IT-Abteilung, 50 Jahre

12
Ist das Lieferkettengesetz
JA.
Es hilft – und müsste
sogar noch strenger sein
Firmen in aller Welt profitieren von den brutalen Men­
schenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung an
der muslimischen Volksgruppe der Uiguren. Das wissen
wir unter anderem aufgrund der Recherchen von an­
gesehenen Thinktanks wie dem Australian Strategic­
Policy In­ sti­
tute oder dem Center for Strategic and­
Inter­national Studies in Washington. Zu den Profiteuren­
gehören deutsche Unternehmen wie Volkswagen, BMW,
Hugo Boss, Adidas, BASF und Siemens.
Seit dem Jahr 2017 werden schätzungsweise 1,8 bis
drei Millionen Uiguren, Kirgisen, Kasachen und ande­
re unter grausamen Haftbedingungen willkürlich von
der chinesischen Regierung in Internierungslagern fest­
gehalten. Zeitgleich hat die chinesische Regierung
verschiedene Zwangsarbeitsprogramme ins Werk ge­
setzt. Nach Ansicht einer Reihe von renommierten in­
ternationalen Rechtsexperten erfüllen diese Menschen­
rechtsverbrechen, die sogar Zwangssterilisation, Verge­
waltigung und Folter einschließen, die Kriterien eines
Völkermordes an den Uiguren. Zu diesem Ergebnis
kamen auch mehrere Parlamente, darunter jene in
Großbritannien und den Niederlanden, sowie die­
US-Regierung. Die Uiguren sind ein turksprachiges
Volk im Nordwesten Chinas mit einer mehr als tausend
Jahre alten Kultur.
Das vom Bundestag in der vergangenen Woche ver­
abschiedete »Gesetz über die unternehmerischen Sorg­
faltspflichten in Lieferketten« soll Menschenrechte bes­
ser schützen und auch sicherstellen, dass Unternehmen
nicht zu Komplizen dieser Verbrechen an unserer
Volksgruppe werden. Das ist­
eigentlich zu begrüßen. Aller­
dings wurden aufgrund hefti­
ger Widerstände aus dem­
Wirtschaftsministerium und von
Wirtschaftsverbänden wichtige
Bedingungen eines effektiven
Lieferkettengesetzes verwässert
oder ganz gestrichen. Dazu­
hätte vor allem eine zivilrechtli­
che Haftungspflicht der Unter­
Dolkun Isa, nehmen gehört. Konkret: Wer
53, ist der Menschen schadet, muss sie
Präsident des dafür entschädigen.
Weltkongresses Auch was die Sorgfalts­
der Uiguren. pflichten für Unternehmen­
1994 floh der betrifft, bleibt das Gesetz
Aktivist aus schwach: Nur für direkte Zu­
China, seit 2006 lieferer sind Unternehmen un­
ist er deutscher mittelbar verantwortlich – bei
Staatsbürger indirekten Zulieferern müssen
sie lediglich im Fall »substanti­
ierter« Kenntnis über mögliche Menschenrechtsverlet­
zungen tätig werden. Die Verantwortlichkeit bleibt da­
mit hinter Leitlinien, wie sie die Vereinten Nationen
und die OECD formuliert haben, zurück. Sie greift
deutlich zu kurz, vor allem bei Risikosektoren wie der
Textilindustrie mit komplexen Lieferketten, in denen
uigurische Zwangsarbeit weitverbreitet ist. Mehr als 80
Prozent der chinesischen Baumwolle etwa werden in
Ostturkistan (dem Teil der chinesischen Provinz Xin­
jiang, der vor allem von Uiguren bewohnt wird) her­
gestellt, was 20 Prozent der globalen Pro­duk­tion aus­
macht. Zudem finden viele Menschenrechtsverletzun­
gen in der Lieferkette für die Solarindustrie statt, weil
im Polysilizium-Abbau uigurische Zwangsarbeiter ein­
gesetzt werden.
Auch bezieht sich das Lieferkettengesetz nur auf
Unternehmen mit mindestens tausend Mitarbeitern –
als ob Lieferketten von mittleren und kleinen Unter­
nehmen, von denen es in Deutschland besonders viele
gibt, nicht auch mit Menschenrechtsverletzungen be­
haftet sein können. Besonders in Risikobranchen für
uigurische Zwangsarbeit wie der Solarpanel-, der
Schuh-, Textil- sowie der Techindustrie sind häufig
kleine und mittlere Unternehmen tätig. Sie vom Liefer­
kettengesetz auszunehmen heißt, weite Teile der deut­
schen Industrielandschaft von der Verpflichtung auf
den Menschenrechtsschutz zu befreien. Betroffene ha­
ben so kaum eine Möglichkeit, deutsche Unternehmen
zur Verantwortung zu ziehen. Schuld daran ist neben
der Wirtschaftslobby nicht zuletzt die Partei von Kanz­
lerin Angela Merkel: Auf das Drängen der U ­ nion hin
wurde die zivilrechtliche Haftung aus dem Gesetzent­
wurf gestrichen.
Sicher, trotz dieser gravierenden Schwächen ist das
Lieferkettengesetz ein wichtiger Paradigmenwechsel –
freiwillige Richtlinien der Unternehmen, die sie oft aus
Image­ grün­den erließen, werden abgelöst durch klare
staatliche Vorgaben.
Aber in der Substanz reichen sie nicht aus.
Wir Uiguren hoffen nun, dass die EU die Regeln bei
der Sorgfaltspflicht und der zivilrechtlichen Haftung
nachschärft. Vor allem müssen auch kleine und mittlere
Unternehmen in das europäische Lieferkettengesetz mit
aufgenommen werden sowie ein wirksamer Schaden­
ersatz­mecha­nis­mus für Geschädigte.
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
STREIT
der richtige Weg? NEIN.
Künftig sind Firmen für Menschenrechts- und Umweltvergehen Es ist nur ein politisches
sämtlicher Lieferanten verantwortlich. Der Streit darum geht weiter Ablenkungsmanöver
Vor einigen Wochen war ich zugegen, als die Bundesregie­
rung mit einer Delegation aus Saudi-Arabien verhandelte,
wie sich das deutsche duale Ausbildungssystem dorthin
exportieren ließe. Wieso auch nicht – wir liefern auch Indus­
triegüter an den Golf, wir kaufen Öl von dort. Wir pflegen
gute Beziehungen. Aber war da nicht etwas? Die Menschen­
rechtssituation in Saudi-Arabien, die Todesstrafe? Darüber
kein Wort zwischen den Delegierten. Das passt in ein Mus­
ter: Wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen
anzuprangern, duckt sich die deutsche Politik weg – und
bürdet die Aufgabe der Industrie auf.
Lange hat sich das nicht mehr so manifestiert wie im
Lieferkettengesetz: Ab 2023 schreibt es Firmen Verant­
wortung für die Vorlieferanten ihrer Vorlieferanten zu, zu
denen sie kein Vertragsverhältnis haben und deren Ein­
bindung in die Lieferkette sie praktisch nicht überschauen
können. Dieses Gesetz erzeugt vor allem Bürokratie.
Um den Irrweg am Beispiel des mittelständischen Unter­
nehmens Pepperl+Fuchs zu zeigen: Für den Bau unserer
Sensoren kaufen wir bei 1500 Lieferanten aus aller Welt
rund 100.000 verschiedene Rohwaren ein. Für jede davon
müssen wir uns künftig in einer Kette von bis zu sieben
Stationen rechtlich verbindlich bestätigen lassen, dass sie
sauber hergestellt wurden. Wir produzieren Unmengen
Papier – auch in Betrieben, die erkennbar keine Verletzung
von Umweltstandards oder Menschenrechten verschulden.
Heute schon sind 50 unserer 6000 Mitarbeiter nur mit
»Governance-Themen« beschäftigt: Aufgaben, die keiner
Wertschöpfung, sondern der Kontrolle immer neuer Regeln
dienen. Und das sind ja in der Elektroindustrie keine Hilfs­
kräfte – wir setzen qualifizierte
Ingenieurinnen und Ingenieure
ein, um unsere eigene Deindus­
trialisierung voranzutreiben. Was
wir brauchen, um im Wettbewerb
mit China bestehen zu können,
sind Innovationen. Unsere Spitzen­
fachkräfte beschäftigen wir statt­
dessen mit Restriktionen.
Wenn das Lieferkettengesetz
2023 in Kraft tritt, werden sich
geschätzt weltweit fünf weitere Gunther Kegel
Leute bei uns nur darum küm­ ist CEO des
mern, nachzuweisen, dass wir Mannheimer
Dinge nicht tun – dabei verbieten Sensorikherstellers
es nicht nur Moral und Gesetz, Pepperl+Fuchs
sondern schon die technische und Präsident des
Komplexität, unsere Produkte von ZVEI – des
Zwangsarbeitern fertigen zu las­ Verbandes der
sen. Oder gar von Kindern! Hier Elektro- und
liegt ein Webfehler des Liefer­ Digitalindustrie
kettengesetzes: Es stellt sämtliche
Unternehmer und sämtliche Arten der Wertschöpfung
unter Generalverdacht, anstatt gezielt die schwarzen ­Schafe
zu verfolgen. Und die sind ja meist bekannt.
Natürlich: Völlig ausschließen kann niemand, dass etwa
ein Nebenprodukt wie Verpackungsmaterial eines zuge­
lieferten Kabelteils durch uigurische Hände gegangen ist.
Aber wie soll dieses Gesetz das verhindern? Wer in einem
politischen Straflager von Zwangsarbeitern fertigen lässt,
ist ein Verbrecher. Der wird mir in seine rechtsverbind­
lichen Auskünfte schreiben, was er will – denn Verbrecher
lügen. Die einzige Möglichkeit, das aufzudecken, wäre die
persönliche Inaugenscheinnahme in sogenannten Liefe­
ranten-Audits. Aber bei Ketten aus Tausenden Lieferanten
und Sublieferanten ist das schlicht nicht möglich.
Schon seit 2014 müssen wir uns beim indirekten Einkauf
von Metallen von unseren Vorlieferanten nachweisen lassen,
dass wiederum ihre Vorlieferanten keine Mineralien aus
Konfliktminen verarbeiten. In einer bis zu siebengliedrigen
Kette stellen wir uns Zettel aus: Wir sind sauber. Dadurch
haben wir noch nicht einen einzigen Fall aufdecken können.
Kein Wunder: Wer keine Skrupel hat, mit Warlords zu ar­
beiten, hat sie auch nicht beim Fälschen von Papieren.
Um wirklich zu zeigen, dass wir Menschenrechtsverlet­
zungen, etwa an Uiguren, nicht akzeptieren, müsste die
deutsche Politik sich ehrlich machen: Was ist uns das volks­
wirtschaftlich wert? Sie könnte dann etwa durch Handels­
abkommen nur Firmen Zugang zum EU-Markt gewähren,
deren Heimatländer gewisse Standards sicherstellen. Oder
sie könnte Einfuhrzölle für progressive Länder senken.
Aber mal im Ernst: Wenn schon die Geschäfte in Saudi-
Arabien klare politische Ansagen verbieten – der Export
dorthin beträgt unter ein Prozent unseres Außenhandels –,
lassen die riesigen Geschäftsvolumina mit China erst recht
keinen Diskurs zu. Der chinesische Markt ist für fast alle
deutschen Mittelständler mit internationaler Ausrichtung,
von Großkonzernen ganz zu schweigen, heute schon wich­
Illustration: Sucuk & Bratwurst; kl. Fotos: privat tiger als der Heimatmarkt. Ein Verbot von Warengeschäften
mit China wäre für viele von ihnen existenzbedrohend.
Das weiß die Bundesregierung, also macht sie es sich
Lieferkettengesetz bequem: Statt selbst wirksam zu handeln, verlangt sie von
Unternehmen, sich mit Ländern wie China anzulegen.
Die Regelung, die der Bundestag vorige Woche verabschiedet hat, gilt von 2023 an für Unternehmen mit mindestens Doch gerade der Mittelstand hat weder die Ressourcen noch
3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein Jahr später bereits ab einer Betriebsgröße von 1000 Leuten. die Durchsetzungskraft und in der absolut überwiegenden
Künftig müssen diese Firmen bei direkten Zulieferern, anlassbezogen auch bei indirekten, Risiken für Menschen­ Zahl auch keine begründete Veranlassung dafür. Die Politik
rechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermitteln und nötigenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen müsste erst einmal selbst vorangehen.

DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Die ganze Welt befindet sich gerade inmitten
einer großen Debatte über Leben und Tod. Und
Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle.
Trotz all der Versprechungen der Pharma-
konzerne – die über eine monopolartige Kon-
trolle über die Covid-19-Impfstoffe verfügen –
erreicht die Produktion der Vakzinen bis heute
bei Weitem nicht das erforderliche Ausmaß.
Um die Weltbevölkerung adäquat schützen zu
können und die Ausbreitung des Virus zu stop-
pen, sind zehn bis 15 Mil­liar­den Dosen Impf-
stoff erforderlich. Dass die G7-Staaten gerade
beschlossen haben, bis Ende des kommenden
Jahres 2,3 Mil­liar­den Impfdosen an ärmere
Länder abzugeben, reicht also bei Weitem nicht
aus, selbst wenn es tatsächlich dazu kommt.
Angesichts der nach wie vor sehr begrenzten
Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen in
vielen Ländern der Welt ist es höchste Zeit, die
Impfstoffproduktion hochzufahren. Um dies
zu erreichen, bedarf es einer Aushebelung des
ganz bewusst undurchdringlich gestalteten
Netzes von Patenten, Urheberrechten, Ge-
schäftsgeheimnissen, Industriedesign und an-
deren Formen von Barrieren. Die Pharma-
konzerne haben dieses Netz zum Schutz ihres
geistigen Eigentums an den Impfstoffen auf-
gebaut. Ihr Ziel ist es, so eine monopolartige
Kontrolle über Covid-19-Vakzinen und damit
verwandte Medikamente an sich sowie über das
Produktionsvolumen aufrechtzuerhalten.
Es ist dieser gesamte Mechanismus, der für
die weltweiten Lieferengpässe verantwortlich
ist. Solange die erforderliche, vorübergehende
Ausnahmeregelung nicht beschlossen wird,
werden sich die Engpässe bei der Produktion
von Covid-19-Impfstoffen nicht beseitigen und
wird sich die Verteilung von Impfstoffen welt-
weit nicht fair gestalten lassen.
Juristisch betrachtet erfordert dies die
vorübergehende Aufhebung einiger Be-
stimmungen im Rahmen des Übereinkom-
mens über handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums (Trips) der
Welthandelsorganisation (WTO). So kom-
plex diese Thematik klingen mag, eines
steht unumstößlich fest: Wenn uns dieses
vorübergehende Aufhebungsmanöver nicht
sehr bald gelingt, werden viele Menschen in
Entwicklungsländern vor 2023 oder sogar
noch länger keine Impfung gegen Covid-19
erhalten.
Angesichts dieser Tatsache klingen die von
deutschen Regierungsvertretern und seitens der
Illustration: Karsten Petrat für DIE ZEIT; kl. Foto: dpa
EU gern geäußerten Bekenntnisse, dass Covid-
Impfstoffe ein »universelles Gut« seien und
»niemand sicher ist, bis alle sicher sind«, bes-
tenfalls hohl. Solange diese Position nicht über
bloße Lippenbekenntnisse hinausgeht, wird die
Pandemie weiter ungebremst wüten. Dement-
sprechend steigt die Wahrscheinlichkeit, dass
unter den verschiedenen Virusvarianten, die
um den Globus zirkulieren, ein impfstoffresis-
tenter Stamm auftauchen wird. Damit wiede-
rum steigt die Gefahr, dass die ganze Welt auf
einen neuerlichen Lockdown zusteuert.
»Eine Demokratie, in der
nicht gestritten wird, ist keine.«
Was bei der Debatte über den richtigen Kurs
im Umgang mit den Covid-19-Impfstoffen
überrascht: dass es ausgerechnet die deutsche
Regierung unter Führung von Angela Merkel
ist, die sich bisher einer rationalen Lösung­
widersetzt. Das ist deshalb überraschend, weil
sich die Deutschen grundsätzlich zugutehalten,
immer sehr rücksichtsvoll gegenüber den In-
teressen anderer Nationen, wenn nicht sogar
der Weltgemeinschaft insgesamt zu agieren.
Noch erstaunlicher ist wohl, dass sich in-
nerhalb Deutschlands nur relativ wenige
Menschen der zentralen Rolle ihrer eigenen
Regierung bewusst sind, die einer zügigen
Lösung in diesem spezifischen Fall im Wege
steht. Der EU kommt in dieser anhaltenden
Debatte eher die Rolle eines Schutzschildes
oder Blitzableiters zu. Sie kann sich erst für
die vorübergehende Aufgabe des geistigen­
Eigentums an Covid-19-Impfstoffen ausspre-
chen, wenn die deutsche Bundesregierung
ihre Position ändert.
Die wirtschaftlichen Kosten dieser Starr-
köpfigkeit für die ganze Welt, ganz zu schwei-
gen von den Verlusten an Menschenleben,
werden enorm sein. Der Internationalen Han-
delskammer zufolge könnten sich die Kosten
auf bis zu 9,2 Billionen US-Dollar belaufen,
wenn den Entwicklungsländern kein eigen-
ständiger Zugang zu den Covid 19-Vakzinen
verschafft wird. Die Hälfte dieser Kosten wird
D
übrigens in den Industrieländern entstehen.
eutschland würde mit
den Konsequenzen sei-
ner aktuellen Haltung
zu leben haben. Um
es deutlich zu sagen:
Mit seiner unbeug­
samen Position stellt
sich Deutschland auf die falsche Seite der
Geschichte. Die deutsche Haltung ist nicht
nur aus moralischer Warte unverständlich,
sondern gefährdet auch die wirtschaftliche
Sicherheit rund um den Globus. Obendrein
stellt sich die Bundesregierung gegen die
Weltgesundheitsorganisation, den Papst, das
Europäische Parlament und Ärzte ohne
Grenzen, um nur einige gewichtige inter­
nationale Akteure zu benennen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich
vor den deutschen Konsulaten in den Ver­
einigten Staaten sowie in der EU und vor
deutschen Botschaften weltweit Demonstran-
ten zu Mahnwachen versammeln, um die
Namen von Covid-Toten zu verlesen.
Die Erinnerung daran, welche Länder im
Sommer 2021 nicht bereit waren, bei dieser
Schicksalsfrage der Rettung von Menschenleben
Priorität einzuräumen, wird lange währen.
Umso mehr, als die Nationen, die den Pharma-
konzernen jetzt die Stange halten, sich auch
aktiv am Fortspinnen von deren dubiosen
Narrativen beteiligen. Hierzu gehört etwa die
Behauptung, die durchaus rassistische und
neokolonialistische Untertöne hat, dass Produ-
Online mitdiskutieren: Mehr Streit finden Sie unter zeit.de/streit
HELMUT SCHMIDT
Die deutsche
Regierung
nimmt die Welt
als Geisel
Der Patentschutz für Covid-Impfstoffe muss dringend
ausgesetzt werden. Die Pandemie wird wüten,
solange Angela Merkel das verweigert  VON JOSEPH E. STIGLITZ
zenten in Entwicklungsländern entweder nicht
die Fähigkeit hätten, Covid-19-Impfstoffe
herzustellen, oder dass es dort einfach keine
qualifizierten Produktionsanlagen gebe.
Treffen diese Behauptungen zu? Nein. Wie
eine Gruppe von Gesundheitsexperten kürzlich
in einem Artikel in der Zeitschrift Foreign ­Policy
über Afrika vermutete, »könnten Firmen wie
Biovac und Aspen in Südafrika, das Institut
Pasteur im Senegal und Vacsera in Ägypten­
Fabriken schnell umrüsten, um mRNA-Impf-
stoffe herzustellen«. Obendrein gibt es auch
Weltklasse-Produzenten in Indien, Bangla-
desch, Pakistan sowie in Lateinamerika, auf die
man zum Ausbau der Impfstoffversorgung
zurückgreifen kann. Dem südafrikanischen
WTO-Botschafter zufolge haben Pro­duk­tions­
exper­ten der WTO-Generaldirektorin mit-
geteilt, dass allein im Jahr 2021 eine Mil­liar­de
zusätzliche Impfstoffdosen hergestellt werden
könnten, falls existierende Produzenten aus
dem globalen Süden in den Produktionsprozess
einbezogen würden.
Wichtig ist auch, zu wissen, dass die immer
wieder aufgestellte Behauptung, die chemisch
synthetisierten mRNA-Impfstoffe seien sehr
schwer herzustellen, nicht zutrifft. Sie sind
tatsächlich einfacher herzustellen als Impf-
stoffe wie die von AstraZeneca beziehungs­weise
Johnson & Johnson, die auf lebende Zelllinien
angewiesen sind, welche sich über längere Zeit
in speziell konstruierten Behältern replizieren
müssen. Darüber hinaus bestätigte ein ehe­
maliger Manager von Moderna, dass es auf
Basis von genügend Technologietransfer und
Know-how-Austausch möglich sein sollte, eine
moderne Fabrik für die mRNA-Impfstoff-
Produktion innerhalb von drei oder vier Mo-
naten einzurichten. Das ist durchaus realistisch.
Wer das nicht glaubt, sollte sich daran erinnern,
dass BioNTech und Forscher rund um die Welt
vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie
einschlägige Erfahrungen mit der Erforschung
und Entwicklung von mRNA sammelten, aber
noch keine einzige Dosis eines mRNA-Impf-
stoffs produziert hatten. Auf dieser Basis gelang
es BioNTech zusammen mit Pfizer in weniger
als sechs Monaten, alle erforderlichen Schritte
zu entwickeln, um genug Impfstoff für kli­
nische Studien an Menschen herzustellen.
Ein weiterer Teil der Mythenbildung auf-
seiten der Pharmakonzerne und ihrer staat­lichen
Unterstützer ist die Behauptung, dass Engpässe
bei Lieferketten das eigentliche Problem seien,
nicht das Festklammern am geistigen Eigentum.
Letzterer spielt bei den weltweiten Produktions-
engpässen eine elementare Rolle. Die in diesem
Zusammenhang gern aufgestellte Behauptung,
dass die USA – trotz ihres großzügigen Auf-
tretens auf der internationalen Bühne zu-
gunsten einer vorübergehenden Aufhebung
des geistigen Eigentums an den Covid-Impf-
stoffen – durch ihre Exportbeschränkungen die
wahre Ursache des Impfstoffmangels seien,
wurde mittlerweile ebenfalls hinreichend wi-
derlegt. Die weltweiten Produktionsengpässe
hängen eben eng mit dem Beharren auf dem
geistigen Eigentum zusammen.
Nun muss man bei allem berechtigten Fokus
auf Deutschland auch feststellen, dass Deutsch-
land nicht die einzige Nation ist, die sich gegen
den weitreichenden internationalen Konsens
stellt. Andere Nationen verstecken sich bequem
hinter der Opposition der Bundesregierung,
obwohl man zugleich beobachten kann, dass
die Liste der Nationen, die die Aussetzung in
diesem spezifischen Fall ablehnen, in den letzten
Wochen massiv geschrumpft ist. Sie besteht
nur noch aus Großbritannien, der Schweiz und
– wegen des Einstimmigkeitsprinzips in der
EU und der fehlenden Zustimmung Deutsch-
lands – der Europäischen ­Union. Mit Aus-
nahme dieser drei Akteure sind sich die Natio-
nen der Welt der grundlegend ethischen Natur
E
der Wahl bewusst, die sie zu treffen haben.
in prinzipielles Umdenken
ist möglich – dies belegt das
Beispiel der Vereinigten
Staaten. Die USA haben
ihre Position am 5. Mai ge-
ändert, als die Biden-Harris-
Regierung die nationalis-
tisch motivierte Haltung von D ­ onald Trump
aufgab. Zu den anderen Nationen, die sich
mittlerweile für eine vorübergehende Ausset-
zung des geistigen Eigentums in diesem einen
Fall ausgesprochen haben, gehören Japan,
Australien, Kanada, Taiwan und Neuseeland.
Aus deutscher Sicht von besonderer Relevanz
ist die Kursumkehr der französischen Regie-
rung. Ein wichtiger Befund kommt hinzu:
Viele dieser Länder haben ebenso wie
Deutschland bedeutende pharmazeutische
Industrien. Insgesamt unterstützen mittler-
weile mehr als 120 WTO-Mitgliedsstaaten
diesen Schritt.
Die aktuelle Situation ist auch deshalb
schwer nachzuvollziehen, weil eine Ausset-
zungsentscheidung am rechtlichen Rahmen-
werk für Eigentumsrechte nichts Wesentliches
ändert. Das seit Langem eta­blier­te System von
Zwangslizenzen belegt dies. Es setzt ja nicht die
gesamte Wirkung des Patents aus, sondern er-
möglicht es Drittfirmen, auf Grundlage einer
angemessenen Vergütung unter Verwendung
der Patente anderer Firmen zu produzieren.
Der Hauptgrund, warum eine Aussetzung der
geistigen Eigentumsrechte in diesem besonde-
ren Fall so elementar wichtig ist, besteht ganz
einfach darin, dass niemand die Zeit hat, Hun-
derte von Zwangslizenzen zu verhandeln. Nur
per Aussetzung könnten die Transaktions­
kosten gesenkt werden, was den gesamten
Produktionsprozess beschleunigen würde. Dies
ist angesichts der Dringlichkeit der Bekämpfung
von Covid-19 von entscheidender Bedeutung.
Ein solcher Schritt hätte positive Wirkungen
auf Regierungsausgaben für das Gesundheits-
wesen auf der ganzen Welt. Der US-Pharma-
konzern Pfizer etwa, der für 2021 einen Impf-
stoffumsatz von 26 Mil­liar­den US-Dollar pro­
13
gnos­ti­ziert, informierte seine Investoren kürz-
lich über seine Pläne, Booster-Impfungen für
Covid-19 in wohlhabenden Ländern künftig
für 175 US-Dollar pro Dosis zu verkaufen,
wenn die während der ursprünglichen Pande-
miephase gültige Preisgestaltung von 20 US-
Dollar pro Dosis endet. Solche Preise sind für
Entwicklungsländer ein budgetäres Todesurteil.
Und sie stellen selbst für reiche Länder einen
Skandal dar. Denn dort haben die Steuerzahler
bereits Mil­liar­den an Pharmakonzerne über-
wiesen, um diese überhaupt erst in die Lage zu
versetzen, die Impfstoffe zu entwickeln. Das galt
zunächst für die Erforschung und Prüfung von
Covid-19-Impfstoffen und anschließend für die Joseph E. Stiglitz
von Regierungen getätigten Vorbestellungen. ist Wirtschafts-
Während der Pandemie haben Regierungen Nobelpreisträger
mehr als 112 Mil­liar­den US-Dollar an Pharma- und Professor an
der Columbia
unternehmen überwiesen, hauptsächlich für die
Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen. University in
Welchen Sinn ergibt es für Regierungen New York. Er war
unter solchen Umständen, zuzulassen, dass eine Chefökonom der
einzige Branche, die Pharmaindustrie, letztlich Weltbank und
die gesamte Weltwirtschaft gefährdet? Wirtschafts­
Dies gilt auch im engeren deutschen Kon- berater von
text. Es gibt Hinweise darauf, dass BioN­Tech Bill Clinton in
dem US-Pharmakonzern Pfizer exklusive dessen Zeit als
Produktionslizenzen für die ganze Welt mit US-Präsident
Ausnahme von Deutschland, der Türkei und
China erteilt hat. Das würde faktisch bedeuten,
dass die deutsche Regierung vorrangig als
Stütze der kommerziellen Interessen von Pfizer
dient, also einem amerikanischen und nicht
etwa einem deutschen Unternehmen. Man
fragt sich, ob die deutsche Bundesregierung
diese Ironie schon in vollem Maß erkannt hat.
Schließlich ist es auch falsch, zu argumen-
tieren, dass eine vorübergehende Aussetzung
des geistigen Eigentums in diesem Fall faktisch
zum Diebstahl medizinischer Innovationen aus
Deutschland führen würde. Die Inhaber des
geistigen Eigentums, in diesem Fall die deut-
sche Firma BioN­Tech, erhalten ja weiterhin
Lizenzgebühren oder andere Zahlungen nach
dem nationalen Recht der Nutzerländer.
Aus all diesen Gründen ist der derzeitige
deutsche Widerstand gegen die vorübergehende
Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte an
den mRNA-Impfstoffen schwer zu verstehen.
Zumal die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel aktuell riskiert, ihren guten weltweiten
Ruf und vielleicht sogar ihr politisches Ver-
mächtnis in der Schlussphase ihrer 16-jährigen
Amtszeit zu untergraben.
Es ist meines Erachtens höchste Zeit, dass
die deutsche Regierung erkennt, wie sie we-
gen des Einstimmigkeitsprinzips der WTO
faktisch die ganze Welt als Geisel nimmt.
Bis die deutsche Seite ihre Position ändert,
wird die Pandemie ungebremst wüten. Dem-
entsprechend groß ist das Risiko, dass die ganze
Welt auf einen weiteren Lockdown zusteuert.
Wenn es dazu kommt, was wird Deutsch-
land dann sagen? Es wäre kein Ergebnis, mit
dem eine deutsche Regierung ernsthaft in
die Geschichtsbücher eingehen möchte.
 14
Foto: Gordon Welters für DIE ZEIT
Zwischen Selbstbewusstsein und Verzweiflung
In Berlin waren Swetlana Tichanowskaja (2. v. re.) und Tatjana Chomitsch (2. v. li.),
um die Spitzen der deutschen Politik über die Lage in ihrem Heimatland zu unterrichten.
Daneben hatten die beiden führenden Vertreterinnen des freien Belarus Zeit für ein
langes Gespräch mit den ZEIT-Redakteuren Alice Bota und Michael Thumann – darüber,
wie das Exil-Leben sie selbst und die Revolution verändert  POLITIK, SEITE 6
Foto: Christian Bobst
Die lieben Verwandten
Im Senegal bestimmt die Großfamilie den
Alltag. Sie ist Segen und Last, sie bringt Solidarität
hervor, aber auch Korruption. Eine Reportage
über eine mächtige Tradition, die Menschen zugleich
reicher und ärmer macht  DOSSIER, SEITE 15
Foto: Robert Fischer
Lothar Matthäus im Inter-
view: Der Weltfußballer
erzählt von seinen ersten
Kicks in Herzogenaurach
– und erklärt, wie er
den Star-Fußball von heute
sieht
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sondern das ganze Leben besser machen.
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ZEITNAH
IN DEN REGIONALAUSGABEN
ZEIT im Osten  In dieser Woche
hört die Stasi-Unterlagen-­
Behörde auf zu existieren. Alle
Akten gehen ins Bundesarchiv
über  VON ANNE HÄHNIG  19
Ein wissenschaftliches Zentrum
soll den Osten erforschen – und
ein wenig stolz machen. Fragen
an dessen Erfinder
Matthias Platzeck   20
ZEIT Schweiz  Die Zürcher
Bestseller-Autorin Michèle Roten
glaubte, ihr Kopf bestimme, wie
sie lebe. Bis sie merkte: Ihr restli-
cher Körper ist eigentlich viel
mächtiger  VON B . ACHERMANN  18
Das CO₂-Gesetz ist auch geschei-
tert, weil ihm ein klares Ziel fehlte.
Dabei gibt es das längst: Netto-
Null bis 2050  VON M . HÄNGGI  19
Die ZEIT inklusive aller Regional- und Wechselseiten finden Sie in der ZEIT-App und im E-Paper.
Foto: Photodisc/Getty Images
Griechenlands Küste ist 15.000
Kilometer lang. Die schönsten
zwei liegen besonders abgeschieden.
Eine Wallfahrt an den Egremni
Beach  ENTDECKEN, S. 66
Christoph Simon erinnert sich an
einen Besuch bei seinem verehrten
Vorbild, dem Schriftsteller
Gerhard Meier  
ZEIT Österreich  Ein Wiener
Schwesternpaar hat eine groß an-
gelegte Studie zur Situation der
Pflegekräfte in der Corona-Krise
durchgeführt. Ein Interview   18
Nach langer Zwangspause beein-
druckt das Wiener Akademie-
theater mit einem neuen Stück
über den Philosophen Wittgen-
stein  VON JOACHIM RIEDL  20
Das Alpen-Porträt  Der Grazer
Keywan Riahi ist der einfluss-
reichste Klimaforscher der Welt.
Ein Gespräch über Systemwechsel,
Rasenmäher-Sharing und globale
Ungerechtigkeiten  
INHALT
Titelthema: Die Stunde der 40-Jährigen
POLITIK
Grüne  Warum Annalena Baerbock und
ihre Partei so schwer in den Wahlkampf
•2
hineinfinden 
VON ROBERT PAUSCH 
Corona  Wir sind noch mal davon­
gekommen: Wie der Westen über die
Pandemie triumphiert hat  VON CHRISTINE LEMKE-MAT WEY UND
VON JAN ROS S  3 Mindeststeuern  Wie man in der
Frankreich  Bei den Regionalwahlen
entscheidet sich die Zukunft der
konservativen Partei  Rüstungsexporte  Der Konflikt
•4
VON ANNIK A JOERES UND
MAT THIAS KRUPA 
Israel  Auch die neue Regierung unter
Premier Naftali Bennett wird die Demo-
kratie nicht schnell reparieren können 
VON PAUL MIDDELHOFF 
CDU  Die Union hat doch ein
Wahlprogramm – aber es bleibt vage  Lieferanten sorgen
VON MARIAM L AU  5 VON JONAS GERDING 
Osteuropa  Interview mit zwei
führenden Vertreterinnen des freien
Belarus, Swetlana Tichanowskaja und
Tatjana Chomitsch  6 Kino  Ute Adamczewskis Dokumentar-
Russland  Was deutsche Politiker über
die Menschenrechtsverletzungen denken 
VON PETER DAUSEND  7
Klimaschutz  Ökologisch und sozial –
wie passt das zusammen?  Katharina Döbler »Dein ist das
VON PETR A PINZLER  8
Dänemark  Weil syrische Flüchtlinge in
unserem Nachbarland nicht mehr
willkommen sind, flüchten manche ein
zweites Mal – nach Deutschland  »Hegels Welt«
VON PAUL MIDDELHOFF UND
FREDERIK TILLITZ 
49 Deutsche  Eine Stichprobe von
49 Menschen soll die Frage beantworten:
Wie geht es den Menschen im Land,
was bewegt sie? Ein Projekt von
ZEIT ONLINE  10
STREIT
Lieferkettengesetz  Künftig sind Firmen
für Menschenrechts- und Umweltvergehen
ihrer Lieferanten und Vorlieferanten ­
verantwortlich. Ist das der richtige Weg?
Ja, sagt Dolkun Isa vom Weltkongress
der Uiguren. Nein, sagt Gunther Kegel
vom mittelständischen Unternehmen
Pepperl+Fuchs. Ein Pro und Contra 12
Corona-Impfstoffe  Mit ihrer Weige-
Traumstrand
rung, den Patentschutz auszusetzen,
nimmt die deutsche Regierung die Welt
als Geisel  Entdeckt  Drohnen im Wahlkampf
VON JOSEPH E . STIGLITZ  13
DOSSIER
Afrika  Kaum etwas prägt den Alltag der
Menschen auf dem Kontinent so sehr
wie das Leben in der Großfamilie. Eine
Reportage aus dem Senegal  auf das Auf und Ab der Hormone
VON ANGEL A KÖCKRITZ  15
ZUM HÖREN
GESCHICHTE
Die so gekennzeichneten
Artikel finden Sie als Vertriebene  Nach mehr als 20 Jahren
Audiodatei im »Premium- Debatte eröffnet in Berlin das ­
20 bereich« unter Dokumentationszentrum Flucht, ­
www.zeit.de/vorgelesen Vertreibung, Versöhnung  Staatsbibliothek zu Berlin 
VON JÖRG L AU  19
ANZEIGEN IN
DIESER AUSGABE
Bildungsangebote und VERBRECHEN
Stellenmarkt
Missbrauch  In einer schwäbischen
(ab Seite 41),
Agenda Kultur:
Pflegefamilie werden jahrelang zwei
Museen, Kunstmarkt, Mädchen gequält. Eine Psycho­
therapeutin warnt das zuständige
Bühnen (Seite 58)
Jugend­amt – doch niemand glaubt ihr  dem Bad fliegt. Ein Interview
FRÜHER VON JACQUELINE SCHREIL  20
INFORMIERT!
Die aktuellen Themen WIRTSCHAFT
der ZEIT schon am
Mittwoch im ZEIT-Brief, Wohnen  Eine große Befragung von
dem kostenlosen ZEIT und ZEIT ONLINE zeigt,
Newsletter wie sich die Situation der Mieter durch
32 www.zeit.de/brief
die Pandemie verändert hat 
VON LEON KIRSCHGENS ,
• 21
JENS TÖNNESMANN UND
SASCHA VENOHR 
Ab dem
1. 7. in der
ZEIT
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Rente  Werden wir länger arbeiten ­ Pop  Fritzi Ernst kombiniert Klavier
müssen? Ein Faktencheck  und kluge Introspektion – jetzt erscheint
• 23
• 52
VON KOLJA RUDZIO  ihr neues Album »Keine Termine« 
VON MARTIN EIMERMACHER 
Geschlechtergerechtigkeit Ein
Streitgespräch zwischen der Klassische Musik  Warum Christian
Aufsichtsrätin Fränzi Kühne und dem Thielemanns Vertrag als Chefdirigent an
ehemaligen Deutsche-Bank-Chef der ­Sächsischen Staatskapelle nicht
Hilmar Kopper  24 verlängert wird 
MARTIN MACHOWECZ  53
Schweiz auf die Pläne der G7 reagiert 
Kunst  Die dunklen Seiten der ­
VON MAT THIAS DAUM  26
Documenta – eine Ausstellung im
Deutschen Historischen Museum
im Südchinesischen Meer in Berlin 
VON HANNO R AUTERBERG  54
beschert deutschen Unternehmen
einen Auftragsboom  Kolumne  Über den Linden 
VON HAUKE FRIEDERICHS  27 VON MA XIM BILLER  54
5 ZEIT für Unternehmer Pop  Ein Gespräch mit dem Musiker
Wie kleine Firmen für gute Van Dyke Parks über den langen Weg
Bedingungen bei ihren weltweiten seiner Karriere  55
 
28 Theater  Frank Castorf inszeniert
Erich Kästners »Fabian« am Berliner
Zwei Allgäuer Unternehmen werden zu Ensemble 
Pionieren für Nachhaltigkeit  VON THOMAS E . SCHMIDT  55
VON CAROLYN BR AUN  29
• 56
Klimaschutz  Ein Gespräch mit film »Zustand und Gelände« 
dem Physiker Anders Levermann VON SABINE HORST 
über kluge Regeln für eine
klimafreundliche Wirtschaft  31 Roman  Melissa Broder
»Muttermilch«  VON SAR AH PINES  57
SPORT
Reich«  VON HANS-PETER KUNISCH  57
Fußball und Gesundheit  Ein Gespräch
Auszeichnung  In Berlin erhält ­
mit dem Psychologen der Nationalelf
Jürgen Kaube den Deutschen
über die Nöte von Fußballprofis nach
dem beinahe töd­lichen Drama von
Sachbuchpreis für sein Werk ­
Kopenhagen  32 VON ALEX ANDER CAMMANN  57
9
Daniel Engelbrecht brach zweimal auf Erzählungen  Ingo Schulze
dem Spielfeld zusammen. Er vermutet, »Tasso im Irrenhaus« 
dass viele Spieler unerkannte Herz­ VON HUBERT WINKELS  58
probleme haben 
VON MARC WIDMANN  32
GLAUBEN & ZWEIFELN
WISSEN Umfrage  Auf ZEIT ONLINE haben
wir unsere Leser nach ihrem Verhältnis
Archäologie  Vom Ende des Römischen zur Religion gefragt – und danach, was
Reichs erzählen tausend Särge unter ihnen in der Pandemie Halt gegeben hat 
einer Trierer Kirche  VON ANN-KRISTIN TLUST Y  60
VON URS WILLMANN  33
Gesundheit  Das Wichtigste beim ENTDECKEN
plötzlichen Herzstillstand kann jeder tun 
VON JAN SCHWEITZER  34 Titelthema: Gibt es eine »Generation
Baerbock?«
Ministeramt  Ein Gespräch mit der Begegnungen mit nicht ganz
Justizministerin Christine Lambrecht repräsentativen Vierzigjährigen 
über ihre neue Rolle als Familien­ VON STEFANIE FL AMM  61
ministerin  35
 
Biologie der Frau  Die Forschung VON ANNA MAYR  64
weiß über­raschend wenig über die Wer ist eigentlich ...  der Junge, der
Menstruation 
• 65
VON SAR AH KOLDEHOFF  38
meinen Steppenwolf will? 
VON SEBASTIAN DALKOWSKI 
Als Leistungssportlerin profitiert die Reise  Der lange, hürdenreiche Weg an
Triathletin Laura Philipp davon, sich meinen griechischen Traumstrand 
VON K ARIN CEBALLOS BETANCUR  66
einzustellen 
• 39
VON BRIGIT TE WENGER  Schaukeln mit Aussicht – eine neue Idee
bringt Schwung ins Tessin 
Meine Schule des Lebens Ein VON MARLON RUSCH  67
Bildungsgespräch mit dem Erzähler
Rafik Schami  40 Frag doch Ella  Warum wird nur mein
Mann für etwas geehrt, was wir beide
Infografik  Die wiedereröffnete leisten?  69
50
Wie es wirklich ist ...  in Zeiten der
Pandemie mit dem Chor einen
LEO – DIE SEITE Corona-Hit zu landen 
FÜR KINDER VON CARSTEN GERLITZ  70
Freibad  Schwimmmeister Wolfgang
Werthschulte weiß, wie man das See-
RUBRIKEN
pferdchen schafft – und wofür man aus Leserbriefe  18
• 33
49
Der Zweifel 
• 37
FEUILLETON Stimmt’s? 
Bitcoin  Vom Spekulations­objekt und Die Position  41
Umweltproblem zur neuen politischen
Bewegung  Worum geht’s?  42
VON IJOMA MANGOLD  51
3 ½ Fragen 43
Antisemitismus  Zum Vorwurf gegen Impressum 54
die Publizistin Carolin Emcke 
VON JENS JES SEN  51 Was mein Leben reicher macht 70
ist anders.
14.06.21 15:55

In weiten Teilen Afrikas leben Menschen in Großfamilien. Häufig gilt: Je mehr Kinder, Cousins, Nichten und Tanten unter einem Dach, desto besser. Im Senegal
hat ANGELA KÖCKRITZ beobachtet, wie so die Gesellschaft zusammengehalten wird – und die wirtschaftliche Entwicklung ausgebremst  FOTOS: CHRISTIAN BOBST
M
orgens um fünf ist sie los­
gerollt, erzählt sie. Wie
jeden Tag hat sie ihren
Rollstuhl mit der Kraft­
ihrer Arme an rußenden
Bussen und Taxis vorbei­
manövriert, ist fliegenden
Händlern und Schlaglöchern ausgewichen, bis sie
ihre Stelle im Zentrum der senegalesischen Haupt­
stadt Dakar erreichte. Dort ist immer viel Stadt­
volk unterwegs, Männer in eleganten Hemdklei­
dern, Damen in bunten Kostümen, ambulante
Obstverkäufer, ihre Ware in Kisten auf dem Kopf
balancierend, Schulkinder in Uniform. Awa Fall
ließ ihre Tasse mit den Münzen klimpern. Ab und
an habe jemand ein paar weitere Münzen hinein­
fallen lassen, erzählt sie. Doch die meisten Men­
schen seien einfach an ihr vorübergezogen.
Jetzt ist es Abend, und Awa Fall ist zurück in
ihrem Zimmer, das sie sich mit zwei Freundin­
nen teilt, Rollstuhlfahrerinnen wie sie. Es liegt
im Erdgeschoss eines Mietshauses. Drei Betten,
ein Schrank, eine Plastiktüte mit Habseligkeiten.
An die Wand haben sie Fotos von sich gehängt,
auf denen sie, perfekt frisiert und aufwendig­
geschminkt, aussehen wie Prinzessinnen.
Awa Fall ist 40 Jahre alt und hat ein freund­
liches rundes Gesicht, in ihrem weiten Kleid mit
Leopardenmuster wirkt sie robust und zerbrech­
lich zugleich. Sie erzählt, wie sehr sie sich dafür
schämt, betteln zu müssen – »ich, mit all meinem
Stolz. Viel lieber würde ich arbeiten.« Schneidern
würde sie gerne, Schmuck fertigen, doch jedes
Mal, wenn sie nach einer Arbeit fragt, bekommt
sie eine Absage, sagt sie.
Eine falsch verabreichte Spritze war es, die ihr im
Kindesalter die Fähigkeit zu gehen raubte. Vielleicht
bei einer Impfung, Awa Fall weiß es nicht. Sie stammt
DOSSIER
Hassane Diagne bezahlt Strom, Gas, Essen und Schulgebühren für 19 Verwandte
Lieb und teuer
aus einem Dorf etwa 200 Kilometer entfernt. Als ihre
Eltern starben, zog sie mit ihren beiden Freundinnen
in die Millionenmetropole. »Es war ein Schock.« Da
war niemand, der auf sie gewartet hatte, niemand,
den sie kannten, sie schliefen unter freiem Himmel.
Inzwischen können die drei zwar ihr Zimmer mieten,
aber ihre Einnahmen beim Betteln schwanken be­
drohlich. Jetzt, in der Pandemie, halten besonders
viele Menschen ihr Geld beisammen. »Es gibt Tage,
da haben wir nicht genug, um uns abends etwas zu
essen zu machen«, sagt Awa Fall.
Eine Rollstuhlfahrerin, die sich in einer afrika­
nischen Großstadt mit Betteln durchschlägt. Man
könnte denken, brutaler kann ein Kampf ums
Dasein kaum sein. Man könnte denken, Awa Fall
muss all ihre Energie und all ihre kärglichen finan­
ziellen Mittel aufwenden, um für sich selbst ein
einigermaßen erträgliches Leben zu sichern. Aber
hier im Senegal sind die Dinge nicht immer so, wie
sie für den westlichen Blick zu sein scheinen.
Awa Fall zog damals nach dem Tod der Eltern
nach Dakar, weil sie sieben jüngere Geschwister hat.
Egal wie wenig sie sich leisten kann, immer schickt
Awa Fall Geld heim zu ihnen ins Dorf. Mal vergeht
eine Woche bis zum nächsten Transfer, mal dauert es
länger; mal sind es umgerechnet acht Euro, mal ist es
mehr. Auch eine kranke Tante lebt von ihrer Unter­
stützung. Fragt man sie, warum sie das tut und was
das für sie bedeutet, zuckt Awa Fall mit den Schultern:
»Ich will eben meiner Familie helfen.« Acht Ver­
wandte – sie sorgt für mehr Menschen als die meisten
Alleinverdiener im wohlhabenden Deutschland.
Über die ökonomische Lage Afrikas ist viel nach­
gedacht worden. Unzählige Artikel, Stu­dien, Bücher
spürten den Gründen nach, warum es den Menschen
hier im Durchschnitt finanziell schlechter geht als
denen auf anderen Kontinenten. Meist wurden
diese Texte verfasst von westlichen Forscherinnen und
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Forschern, meist erschienen sie in Zeitschriften und
Verlagen in Europa und den USA. Um die ungerech­
te globale Wirtschaftsordnung geht es darin, um den
Raubbau an den afrikanischen Rohstoffen, von dem
neben internationalen Konzernen nur eine schmale
einheimische Elite profitiert, um die fehlende Indus­
trialisierung, um Korruption und Misswirtschaft.
»Seit dem Morgen der Unabhängigkeit ist Afrika als
der Kontinent beschrieben worden, der einen Fehl­
start hingelegt hat und seitdem am Abdriften ist: ein
sterbendes Ungeheuer«, schreibt der senegalesische
Philosoph Felwine Sarr, einer der wichtigsten post­
kolonialen Denker Afrikas, in seinem Buch Afro­topia.
»Die Anwesenheit der Menschen auf der Erde wird
nur noch vermittelt über das Bruttosozialprodukt
oder die Weltmarktposition zur Kenntnis genom­
men.«
Um die Großfamilie geht es in den Stu­dien
meistens nicht.
Es gibt in Dakar viele Menschen wie Awa Fall.
Die Putzfrau, die die Nachbarn anpumpen muss,
um sich und ihre Kinder zu ernähren, aber Geld an
Onkel und Tanten schickt. Den Wachmann, der
mit seinem kleinen Lohn nicht nur Frau und­
Kinder, sondern Dutzende Familienmitglieder­
ernährt. Die Studentin, die mit einem Job nicht
nur ihr Studium finanziert, sondern auch die­
Familie ihres Bruders. Awa Falls Mitbewohnerin­
nen geben ebenfalls einen großen Teil von dem,
was sie erbetteln, an Verwandte. Und oft wandert
das Geld dann weiter, an noch entferntere Ver­
wandte. Immer muss es fließen, nie darf es ruhen.
Kaum etwas prägt den Alltag vieler Menschen in
Afrika so sehr wie das Bewusstsein einer besonderen
Verpflichtung gegenüber der eigenen Verwandtschaft.
Die Großfamilie, sie ist Segen und Last, Geschenk
und Bürde. Sie bringt Solidarität hervor und Miss­
gunst, Glück und Verzweiflung. Sie macht das Leben
15
der Menschen reicher und ärmer zugleich, und wer zu seinem eleganten Haus. Als er die Tür öffnet,­
wüsste das besser als Hassane Diagne? beginnt ein einziges großes Hallo. Mehrere Kinder
werfen sich auf ihn, Cousins klopfen ihm auf die
Hassane Diagne sorgt dafür, dass das Geld in­ Schultern, Mutter und Großmutter winken ihm von
Bewegung ist. Tag für Tag organisiert er die große der Couch zu, seine Schwester und eine seiner beiden
Umverteilung. Diagne, 36 Jahre alt, steht in seinem Ehefrauen wollen wissen, wie sein Tag war. Hassane
kleinen Laden, dessen Scheibe eine Reihe von Auf­ Diagne genießt all das Durch­ein­an­der­rufen und U ­ m­
klebern mit Firmenlogos ziert: Western U ­ nion,­ ein­an­der­wuseln, das merkt man ihm an. 19 seiner
Money­Gram, O ­ range M­ oney, Wari. Lauter Anbieter Verwandten leben in dem Haus und in der Wohnung,
von Geldtransfers. Diagne hat sich alles hier drinnen die er zusätzlich angemietet hat.
genau überlegt. Die unauffällige Wasserflasche, in der Er kommt für die Lebenshaltungskosten auf,
Zettel mit muslimischen Versen aufgelöst sind, ein für Strom, Gas und Essen. Er zahlt die Privatschu­
Zauber zum Anlocken möglichst vieler Kunden. Der len für vier eigene Kinder und sechs Neffen, allein
Spiegel, in dem die Kunden, während sie auf ihr Geld dieses Schulgeld beläuft sich auf umgerechnet
warten, wie beiläufig die Produkte hinter sich sehen, mehr als 530 Euro monatlich. Außerdem über­
die Diagne auch noch anbietet. ­Creme, Parfüm, weist auch er wie die Bettlerin Awa Fall Geld in das
Schulhefte. »Die paar Sekunden Adrenalin, wenn der Heimatdorf seiner Familie, zu unzähligen weiteren
Kunde sein Geld bekommt, will ich ausnutzen«, sagt Verwandten – und zu Menschen, die nicht mit
Hassane Diagne und lacht. Er ist ein witziger Typ mit ihm verwandt sind, denen er sich aber ebenfalls
warmen Augen, der das Debattieren und die Gesel­ verpflichtet fühlt, weil sie aus demselben Ort stam­
ligkeit liebt. Mit 20 eröffnete er sein erstes Cybercafé, men. »Wenn du ein hilfsbereiter Sohn bist«, sagt
ständig denkt er über neue Ge­schäfts­ideen nach. Hassane Diagne, »bist du der Sohn von allen.«
Diese hier war eine ziemlich gute. Diagne kann Ob tagsüber bei der Arbeit oder abends zu Hause,
sich über Kundenmangel nicht beklagen. Wer bei ständig klingelt sein Telefon: »Heyyyyy, dass du auch
ihm Geld abholt, hat es meist von Verwandten, mal anrufst!«, sagt Hassane Diagne dann. Oder:
wer Geld einzahlt, schickt es meist an Verwandte, »Hallloooo, was für eine Überraschung!« Manche
sagt er. Und für jeden Transfer bekommt Hassane Bittsteller sind bedürftig, andere bequem, manche
Diagne eine Provision. Er hat auch noch ein paar sind bescheiden, andere anspruchsvoll. Die einen sind
Nebengeschäfte, insgesamt verdient er im Monat bedrohlich erkrankt, die anderen hätten gern einen
mehr als 3000 Euro, das ist viel in einem Land, in größeren Flachbildfernseher. Diagne hat noch zwei
dem das Durchschnittseinkommen bei 1300 Euro ältere Brüder, die in den USA leben und ihm helfen,
liegt – im Jahr. »Ich könnte leben wie ein Euro­ all diesen Menschen etwas zukommen zu lassen. Aber
päer«, sagt Diagne. Wäre da nicht das, was er »das das meiste übernimmt er.
System« nennt. Die Großfamilie. Hassane Diagne Hassane Diagne ist ein geborener Unterneh­
selbst hat natürlich auch eine. Und die braucht das mer. Er würde gern Neues wagen, Arbeitsplätze
ganze Geld wieder auf. schaffen, investieren. Dafür müsste er Kapital­
Nach der Arbeit schließt Diagne seinen Laden mit
dicken Schlössern ab. Er steigt in sein Auto und fährt Fortsetzung auf Seite 16
 16 DOSSIER 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Was der Sozialstaat nicht leistet, übernimmt die Großfamilie

Foto: Christian Bobst für DIE ZEIT

Kinder aus Großfamilien ziehen oft kilometerweit unbeaufsichtigt herum Mbene Ndao (rechts) verwaltet die Ersparnisse von 300 bis 400 Frauen

Fortsetzung von Seite 15 nicht mehr als durchschnittlich drei Kinder. In Der Senegal ist alles andere als ein f­ailed ­state. die in der Fremde zu Geld gekommen waren und seien es Tausende Kontakte. Ständig kommen neue
Mittel- und Westeuropa heirateten Männer und Verglichen mit den Nachbarländern, ist er eine sich nun in ihrer alten Heimat Senegal Häuser­ hinzu, manche werden vererbt. »Wenn meine Groß-
ansparen oder einen Kredit bei der Bank bedienen Frauen bereits damals später als im Rest der Welt, stabile Demokratie. Doch im Alltag der meisten errichten ließen. Prächtige Strandvillen in Rosa mutter mit der Großmutter einer anderen Frau eine
können. Natürlich habe er wie die Geschäftsleute zwischen dem 25. und 29. Lebensjahr. Und weil Bürgerinnen und Bürger, im Alltag von Menschen und Gelb. Paläste der Sehnsucht. Sie stehen nicht Freundschaft aufgebaut hat, dann ist es an mir und
in den reichen Ländern gelernt, Investitionen zu die Menschen damals keine hohe Lebenserwar- wie der Bettlerin Awa Fall, dem Unternehmer weit von seinem kleinen Zimmerchen entfernt. deren Enkelin, diese Beziehung zu pflegen«, sagt sie.
kalkulieren und Kostenpläne zu erstellen, sagt er. tung hatten, lebten gar nicht so häufig drei Gene- Hassane Diagne und dem Maurer Mali Dieng, Schaut Mali Dieng nachts aus dem Fenster, sieht Und: »Kontakte sind viel wichtiger als Geld.«
»Doch das System zwingt dich, es nicht zu tun.« rationen unter einem Dach. spielt der Staat keine große Rolle. Und das hat er manchmal junge Menschen in die riesigen, bunt Im Senegal ist das eine vom anderen nicht im-
Die Kosten der Großfamilie sind nicht einfach Glaubt man dem britischen Sozialanthropolo- auch mit der kolonialen Vergangenheit zu tun. bemalten Holzboote steigen, mit denen sie sich auf mer leicht zu trennen.
nur hoch; vor allem sind sie unkalkulierbar. Kran- gen Jack Goody, wurde die Macht der europäi- Einerseits gelang es damals der Kolonialmacht die ein- bis zweiwöchige Reise Richtung Kanaren Das alte System der gegenseitigen Hilfe, der
kenhausrechnungen. Geburten. Begräbnisfeiern. schen Großfamilie schon gebrochen, als die Kirche tatsächlich, den Senegal unter ihre Gewalt zu bringen. machen. Viele kommen nie an. Die, die es schaffen, Geschenke und Gefälligkeiten: Es durchzieht die
Ständig will irgendwer was, aber was genau, folgt in der Spätantike ihren Einfluss auf dem Konti- Auf dem Land vernachlässigten Männer die Felder »stehen unter großem Erfolgsdruck«, sagt Julia Stier, Gesellschaften vieler afrikanischer Länder. Sogar
keiner betriebswirtschaftlichen Logik, sondern der nent festigte. Die christliche Moral verdammte der Großfamilien und begannen, auf eigene Rech- die am Wissenschaftszentrum Berlin die Mi­gra­tion Verwandtschaftsverhältnisse werden ausgeweitet.
chaotischen Logik des Lebens. »Ein afrikanischer Scheidung, Konkubinat und die für Großfamilien nung Erdnüsse anzubauen, die sie an die Unterhänd- von Westafrikanern nach Deutschland erforscht. Die Menschen stellen dann Frauen als ihre Mütter vor,
Unternehmer kann es sich nicht erlauben, zu spa- typische Heirat unter entfernten Verwandten, sie ler der Franzosen verkauften. Sie arbeiteten jetzt Großfamilie in der Heimat erwartet finanzielle Unter- die eigentlich Tanten, Nebenfrauen des Vaters
ren. Deine Kosten sind deine Kosten.« stärkte das Band der Eheleute – und damit die kaum mehr für das Gemeinwohl der Familie. Teile stützung. Offiziell machen die Überweisungen aus oder Nachbarinnen sind. »Meine Mama sagte im-
Diagne hat zwei Bankkontos, dauernd fließt Kernfamilie. Davon profitierte die Kirche wirt- der alten sozialen Ordnung zerfielen. Anderswo in dem Ausland zehn Prozent des senegalesischen Brut- mer: Egal, wo du hingehst, such dir eine Mama.
Geld von ihnen ab, dauernd muss er sich anstren- schaftlich, denn ihr wurde nun oft das Vermögen Afrika vollzog sich ein ähnlicher Wandel. toinlandsproduktes aus, in­offi­ziell könnte es doppelt Sei nie individualistisch, weder in der Armut noch
gen, sie zu füllen. Wenn er nicht in seinem Laden kinderloser Paare oder Witwen überschrieben, das Andererseits ließ sich das westliche Staats­ so viel sein, sagt Stier. im Reichtum.« So erzählt es Mariama Ndoye, eine
steht, repariert er zusätzlich Computer und arbei- vorher bei Verwandten gelandet wäre. modell nicht einfach so einer anderen Kultur auf- In der Corona-Krise ist der Geldfluss schmaler senegalesische Schriftstellerin. Sie sagt: »Verwandt-
tet als IT-Spezialist, er verkauft Computerzubehör Nördlich des Mittelmeers bildete sich über zwingen. Den Franzosen fehlte es an Geld und geworden. Dieng bekommt keine Jobs mehr. Seine schaft liegt nicht nur im Blut, sie ist ein Ver­halten.«
und betätigt sich als Agent für Immobilien und Jahrhunderte der europäische Wirtschaftsmensch, Personal, ihr Einfluss auf die Bevölkerung blieb Frau ist krank, eine Rente haben sie nicht. Was Wenn jeder theoretisch der Verwandte von­
Autos. Alles für die Großfamilie. Hassane Diagne, der sich auf seinem Weg in die Moderne aus sozia- begrenzt. Das Alte wurde nicht durch das Neue ihnen bleibt, ist die Hilfe durch die erwachsenen jedem anderen sein kann, entsteht etwas sehr
der Mann, der so viel verdient wie nur wenige len Bindungen löste, aus Traditionen und Ge- ersetzt, der So­zial­mensch verwandelte sich nicht in ihrer sieben Kinder. Manchmal geben ihnen auch Kostbares: sozialer Zusammenhalt. Wärme. Nähe.
Menschen im Senegal, hangelt sich von Ausgabe meinschaften, und immer individualistischer wur- einen Wirtschaftsmenschen nach europäischem die Nachbarn Geld. Denn das Gebot der per­sön­ Verbundenheit.
zu Ausgabe und leiht sich manchmal Geld von de. Südlich des Mittelmeers herrschte weiter der Vorbild. Ein Sowohl-als-auch entstand, etwas ganz lichen, direkten Solidarität in einem Land, in dem Man kann es sehen, wenn die Rollstuhlfahrerin
Freunden, ohne dass seine Verwandten etwas da- Homo socius vor. Der So­zial­mensch. Eigenes zwischen dem alten Gemeinsinn in der ein anonymer, bürokratischer So­zial­staat fehlt – Awa Fall sich zur Mittagspause mit anderen Roll-
von erfahren. Hassane Diagne sagt: »Das Einkom- So nennt ihn Abdoulaye-Bara Diop. Der sene- Großfamilie und einem neuen kapitalistischen im Senegal ist es nicht auf Verwandte begrenzt. stuhlfahrerinnen trifft. Dann sitzen sie auf einer
men, das ich erziele, gehört mir nicht. Das, was galesische Soziologe hat die Gesellschaftsstruktur Egoismus. Zwischen Tradition und Veränderung. Matte am Straßenrand, essen, lachen, plaudern.
wir haben, fließt nur durch uns hindurch. Ich bin der Wolof untersucht, der größten von 20 Ethnien Zwischen der Logik des Clans und einem west­ Mit der Würde einer Bankdirektorin sitzt Mbene Wann immer eine von ihnen krank wird, eine
derjenige, der es weiterleitet.« im Senegal. Ihre Vorstellung davon, was Reichtum lichen Staatsmodell. Ndao, 63 Jahre alt, auf einer bunten Matte in einem Hochzeit oder Taufe zu feiern hat, legen alle zu-
Diagne hat es nie anders kennengelernt. Sein mitt- ist, findet sich in vielen Gegenden Afrikas. Reich- »Wir haben die Moderne gelebt, sie abgelehnt, Rohbau am Meer. Neben ihr steht eine große Kale- sammen, um die Rechnung zu zahlen.
lerweile verstorbener Vater, ein Bauer, war der Erste tum, das ist für die Wolof traditionell in erster­ angenommen, dekonstruiert, rekonfiguriert«, sagt basse, ein aufgeschnittener Flaschenkürbis. Um sie Man kann es erahnen, wenn man den Unter-
aus dem Dorf, der mit seiner Familie den Schritt in Linie Reichtum an Menschen. die Soziologin Fatou Sow. »Wir haben die Moder- herum haben zwei Dutzend Frauen Platz genommen. nehmer Hassane Diagne fragt, ob er nicht manchmal
die Hauptstadt wagte – und damit zur Anlaufstelle Das liegt nach Überzeugung von Wissenschaftlern ne transformiert.« Eine Marktverkäuferin, auf dem Rücken ein Kind das Bedürfnis habe, allein zu sein. Die Frage über-
für alle wurde, die ihm folgten. Immer mehr Ver- an der arbeitsintensiven Landwirtschaft in Westafri- Wenn viele Senegalesen es heute vermeiden, Steu- in einem Tuch, steht auf und wirft lässig drei rascht ihn. »Ich bin nun mal gerne von Menschen
wandte vom Land zogen bei ihnen ein, der Vater ka: Mehrere Frauen und viele Kinder bedeuteten in ern zu zahlen, dann deshalb, weil der Staat für sie 10.000-Franc-Scheine in die Kalebasse, insgesamt umgeben«, sagt er. »Ich glaube an die Großfamilie.«
sorgte für sie. Als Hassane zehn war, sandte der Vater vorkolonialen Zeiten mehr Arbeitskräfte auf den immer noch ein Importprodukt aus Europa ist, sagt etwa 46 Euro. Als Nächstes ist eine Unternehmerin Man bekommt auch eine Ahnung davon, wenn
ihn zurück ins Dorf, fünf Jahre blieb Hassane dort. Feldern, im Haushalt und in der Pflege. Sie ermög- Ahmadou Aly Mbaye, Ökonom und Rektor der Uni- dran, sie zahlt für ihre Nachbarin mit, »die ist heute der Maurer Mali Dieng von seinem Viertel erzählt,
Noch heute werden Kinder oft monatelang in die alte lichten einem Mann, Allianzen mit anderen Groß- versität Cheikh Anta Diop. »Sie verstehen ihn nicht verhindert«. Dann eine Hausfrau. Ma­dame Ndao wo mitten in der Großstadt jeder jeden kennt. So
Heimat der Eltern geschickt, Hassane Diagne nennt familien zu schließen, sie verliehen Pres­tige. Die als ihren Staat.« So fehlen ihm die Möglichkeiten, ein ruft jede einzeln auf, nickt und schaut streng. Neben gut wie alle seiner Aufträge werden auf Vertrauens-
es »Impfung auf die senegalesische Art«. Eine Imp- Söhne des Patriarchen lebten mit ihren Familien auf System der sozialen Absicherung aufzubauen. ihr sitzt ihre Assistentin. Am Ende ist die Kalebasse basis abgeschlossen. Menschen wie er, die im
fung gegen die Versuchungen der Großstadt, gegen dessen Grundstück, sie bestellten mit ihm die Felder, Als der Maurer Mali Dieng ein junger Mann war, prall gefüllt mit knapp zwei Millionen westafrikani- infor­mel­len Sektor arbeiten, haben fast keine­
Individualismus und Vereinzelung. bildeten eine Wirtschafts- und Versorgungseinheit, in der Zeit nach der Unabhängigkeit vor sechs Jahr- schen Franc, mehr als 3000 Euro. Chance, einen Geschäftspartner, der nicht zahlen
In Dakar leben durchschnittlich acht Menschen die Dutzende, manchmal mehr als hundert Personen zehnten, da hoffte er auf einen handlungsfähigen Mbene Ndao, eine Dame von resolutem ­Charme, will, vor einem Gericht zu verklagen. Trotzdem
in einem Haushalt zusammen und draußen auf dem umfasste. Das Über­leben des Clans stand über allem, Staat. Auf einen Staat, der ihm zu Sicherheit und verwaltet mehrere Tontines, sogenannte Sparzirkel bekommen sie ihr Geld.
Land noch viel mehr – in Deutschland sind es weni- der Einzelne hatte sich der Familienhierarchie unter- bescheidenem Wohlstand verhelfen und das Ver- für Frauen. Bei dieser Tontine, der Ma­dame Ndao Und man erlebt es, als die Geldverwalterin M ­ bene
ger als zwei Menschen, und in fast jedem zweiten zuordnen. Alles wurde geteilt. sprechen zahlreicher internationaler Experten­ den Namen »Der große Gewinn« gegeben hat, zah- Ndao am Abend zur Hochzeitsfeier einer Nachbarin
deutschen Haushalt wohnt nur eine Person. Im­ Das war die Welt, die die Europäer vorfanden, erfüllen würde, das man damals allerorten hören len alle Teilnehmerinnen jedes Mal den gleichen geht. Über 100 Frauen haben sich in einer Gasse
Senegal leben 35 Prozent der Verheirateten in Viel­ als sie sich ab dem 15. Jahrhundert an den Küsten konnte: Afrika gehört die Zukunft. Und eine Zeit Betrag ein. Dann teilen sich zwei von ihnen die versammelt, eine großartiger gekleidet als die andere.
ehe, so wie Hassane Diagne mit seinen beiden Ehe- des Senegal niederließen, um mit Sklaven zu han- lang sah es gar nicht so schlecht aus. »Es gab senega- Gesamtsumme. Auf lange Sicht gesehen erhalten Wer keinen Goldschmuck besitzt, hat ihn sich irgend-
frauen, und jede Senegalesin bekommt durchschnitt- deln. Erst im 19. Jahrhundert drangen die Franzo- lesische ­ Industriebetriebe und Baufirmen, ich­ die Frauen also genauso viel, wie sie in die Kale- wo geliehen. Wem die schicke Handtasche fehlt, hat
lich 4,9 Kinder – in Deutschland sind es 1,5. sen ins ganze Land vor. Sie wollten dessen Ressour- arbeitete für eine von ihnen und hatte einen festen basse gelegt haben. Der Vorteil liegt darin, dass die eine von einer Freundin bekommen. Es ist der Teil
»Die Kleinfamilie existiert im Senegal nicht«, cen ausbeuten, die Kolonie sollte vor allem Erd- Vertrag«, erzählt Dieng. Er zahlte Steuern. »Damals Frauen überhaupt sparen können. Das ist keine der Feier, bei dem Verwandte, Freundinnen und
sagt die Soziologin Fatou Sow von der Universität nüsse liefern. Sie bauten Eisenbahnen, schufen habe ich ein gutes Leben gehabt.« Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem nur Nachbarinnen ihre Geschenke an die Mutter der
Cheikh Anta Diop in Dakar. »Selbst wenn eine Verwaltungsbezirke, gründeten Schulen. Ihre Un- In den 1970ern jedoch stürzte der Senegal nach wenige ein Konto bei einer Bank haben. Kommt ein Braut übergeben, die Braut selbst hat ihre eigene
Familie als Kernfamilie lebt, reichen die Bande der tertanen, die Senegalesen, sollten lernen, wie Fran- einer Dürre in eine Rezession. Die Weltbank und Verwandter oder Bekannter und bittet um Geld, Feier ganz in der Nähe. Auf dem Boden stapeln sich
Solidarität weit über den Haushalt hinaus.« zosen zu sprechen, zu fühlen und zu leben – was der Internationale Währungsfonds schrieben der können ­Ma­dame Ndaos Frauen gesichtswahrend Berge von Tüchern, Küchentöpfen, Teekannen und
Und Solidarität heißt eben, nicht nur im Fall auch bedeutet hätte, nicht polygam zu sein, also in Regierung vor, das Land für den Weltmarkt zu antworten: Ich muss leider meine Tontine bedienen! Teegläsern. Manche Frauen trommeln auf umge-
von Hassane Diagne: Der Druck zur ständigen kleineren Familien zu leben. Das hat nicht funk- öffnen, damit es mehr Produkte exportieren konn- Im Hauptberuf ist Ndao Masseurin für Reiki, drehten Plastikbottichen, andere tanzen, und eine
Umverteilung macht es schwierig, einen Plan für tioniert. te. Die senegalesische Industrie aber war der Kon- auch im Senegal gibt es die japanische Heilkunst. Mit Sängerin stachelt alle mit kreischendem Crescendo
die eigene Zukunft zu entwerfen. kurrenz nicht gewachsen: Importe aus dem Aus- den Tontines verdient sie kein Geld, aber das heißt an, noch mehr zu schenken: »Jetzt kommen die
Mali Dieng, 67 Jahre alt, ein schmaler Mann mit land begannen den heimischen Markt zu über- nicht, dass die Sparzirkel nur irgendein Hobby wären: beiden Gattinnen des Onkels! Wollen wir doch mal
Lange glaubten Soziologen und Historiker, dass ruhiger Stimme, der lange als Maurer gearbeitet schwemmen. »In den folgenden Jahrzehnten hat Sie steigern Bekanntheit und Reputation. Ndao ver- sehen, welche der beiden großzügiger ist. Die erste?
sich auch in Europa der Alltag der meisten Men- hat, sitzt mit seiner Frau in ihrer türkis gestriche- ein Unternehmen nach dem anderen dicht­ waltet die Einlagen von 300 bis 400 Frauen, außer- Die zweite? Und jetzt, hiiiier, eine alte Freundin der
schen in der Großfamilie abspielte – und dass sich nen Stube auf dem Bett. Die beiden teilen sich in gemacht«, sagt Dieng. »Auch das, in dem ich ge- dem leiht sie zahlreichen weiteren Frauen ihr eigenes Brautmutter, was hat sie mitgebracht?«
das erst änderte, als um 1800 der Siegeszug der Dakar mit anderen Familien ein kleines Haus arbeitet habe.« Reguläre Jobs fielen weg. Heute Geld – ganz ohne Zinsen, das untersagt der Islam. Mit dramatischer Geste zieht die alte Freundin
Industrialisierung die Menschen in die Städte gleich hinter dem Atlantikstrand. Dieng schaut entfallen 96 Prozent der Arbeitsplätze auf den­ »Doch wenn du etwas Gutes tust, wird dir Gutes einen Geldschein nach dem anderen empor, hält ihn
trieb, wo sie in Fabriken oder Büros arbeiteten und auf den Fernseher, in dem der Staatspräsident ge- informellen Sektor. Fast alle Handwerker, Verkäu- widerfahren«, sagt sie. Auf diese Weise ist sie zu einer vor aller Augen ins Licht und wirft ihn der Brautmut-
in Etagenwohnungen lebten, Mann und Frau und rade eine Rede auf Französisch hält, der Amts- ferinnen und Fahrer arbeiten ohne Versicherung, einflussreichen Persönlichkeit geworden, die sogar ter in den Schoß – während neben ihr in all dem
wenige Kinder. sprache im Senegal. Mali Dieng versteht kaum ohne Rentenanspruch, ohne die Erwartung, dass von Politikern hofiert wird – sie erhoffen sich von ihr Gewusel eine Schwester der Braut säuberlich in einem
Inzwischen weiß man: Schon viel früher war Französisch, so wie die Mehrheit der Senegalesen, der Staat für sie da ist. Sie zahlen keine Steuern. eine Wahlempfehlung. Heft notiert, wer wie viel gegeben hat.
die Kleinfamilie in Europa verbreitet. Es gab zwar die Alltagssprache im Land ist Wolof. »Der Staat«, Noch vor Kurzem war Mali Dieng einer von Laut dem französisch-nigrischen Anthropologen Im Senegal haben viele Frauen ein Büchlein
Großfamilien, vor allem unter Wohlhabenden sagt Dieng und wirft einen langen Blick auf den ihnen. Er bekam seine Aufträge von einer Gruppe Olivier de Sardan haben Menschen in Afrika sehr viel wie dieses. Es hilft, bei all den Geschenken nicht
und Adligen, aber im 11. Jahrhundert zum Bei- deklamierenden Präsidenten, »ist sehr, sehr weit Menschen, die auch in der neuen Zeit noch den größere soziale Netzwerke als Asiaten, Europäer, den Überblick zu verlieren. Bei nächster Gelegen-
spiel hatten Familien in einem von Historikern von uns entfernt. Die Unterstützung durch die sozialen Aufstieg schafft. Nur eben anderswo: in Amerikaner. Und zwar ganz analog, jenseits von Face­ heit wird die Empfängerin der Geberin ein äqui-
untersuchten ländlichen Gebiet in Frankreich Familie und die Gemeinschaft ist viel wich­tiger.« Europa. Dieng jobbte als Maurer für Mi­gran­ten, book und In­sta­gram. Ma­dame Ndao schätzt, bei ihr valentes oder teureres Geschenk geben, das dann

HINTER DER GESCHICHTE

Die Autorin dieses Dossiers lebte von 2017 bis 2020 als
ZEIT-Korrespondentin in Dakar. Dort fiel ihr auf, wie
sehr ihr gerade geborener Sohn von den Senegalesen ­
geherzt wurde. Egal ob junger Mann oder alte Frau, ob
Kellner im Restaurant oder Zollbeamtin – sie wollten den
Kleinen auf den Arm nehmen, mehr über die Familie der
Autorin erfahren und erzählten von ihrer eigenen.
Unsere Autorin fragte sich: Was hat es mit dem Familien-
SENEGAL sinn der ­Senegalesen auf sich? Im vergangenen Herbst
Dakar forschte sie im Rahmen eines zweimonatigen »Journalist in
Residence«-Programms am Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung zu Großfamilien und Migration
im Senegal. Später kehrte sie für die ZEIT nach Dakar
zurück, um die Menschen für diese Reportage zu treffen.
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 DOSSIER 17

Die Solidarität schlägt oft um in Stress

Die meisten Fischer in Dakar arbeiten ohne Vertrag im informellen Sektor Hassane Diagne betreibt einen Laden für Geldtransfers

wiederum mit einem Gegengeschenk beantwortet
wird. Und so geht es weiter, ein Leben lang. Auch
solche Geschenkbeziehungen werden manchmal
von Generation zu Generation vererbt.
Früher ging es dabei um kleine Summen, um
den traditionellen Geist des Tauschens. Inzwi-
schen hat sich jedoch der Wert der Geschenke
mancherorts so hochgeschraubt, dass einige F
­ rauen
sich verschulden, um ihrer Verpflichtung nachzu-
kommen. Die Regierung hat versucht, diesen
Brauch gesetzlich einzudämmen – aber das küm-
mert niemanden. Das traditionelle Hin und Her
der Gefälligkeiten hat sich mit dem modernen
Geist des Kapitalismus verbunden. Es ist monströs
geworden. Die Solidarität schlägt oft um in Stress.
Darunter leiden viele. Die Parlamentarierin, die
von allen Seiten bestürmt wird, ihre Cousins,
Nichten und Nachbarn einzustellen – in der Poli-
tik führt der Zwang zur persönlichen Hilfe oft zu
Korruption und Nepotismus. Der gut verdienende
Mitarbeiter einer Entwicklungshilfe-Organisation,
der angesichts unzähliger Bittsteller einen Burn-
out erleidet. Der junge Mann, der nach seiner
Europareise einen Monat lang sein Telefon aus-
schaltet, weil zu viele Bekannte fragen, ob er ihnen
Turnschuhe oder ein ­iPhone mitgebracht hat.
Als Gnilane Kane, 36 Jahre alt, gelernte Juristin,
Mutter einer Sechsjährigen und eines Neugeborenen,
an der Uni ihren zukünftigen Mann kennenlernte,
einen Informatiker, waren sich die beiden schnell
einig: Wir wagen es. Wir wohnen alleine. Als Klein-
familie, ohne Eltern und Onkel und Cousinen. In-
zwischen trifft man in Dakar häufiger junge Paare,
die frei sein wollen von den Ansprüchen der Familie.
Die ihre Kinder erziehen wollen, ohne dass sich je-
mand einmischt. Die sagen: Mehr als zwei oder drei
Kinder können wir uns in der Stadt gar nicht leisten.
Nach der Hochzeit vor sieben Jahren bezogen
Kane und ihr Mann ein gemütliches Apartment in
Meeresnähe. Eine Mittelklasse-Idylle, radikal anders
als die Welt der Großfamilie, in der Gnilane Kane
aufwuchs. Ihre Mutter, erzählt sie, kochte stets in­
rauen Mengen, immer kam irgendwer spontan zum
Essen vorbei. Gnilane und die anderen Kinder zogen
unbeaufsichtigt herum, und keiner machte sich
Sorgen, weil jeder jeden kannte. Der Vater lebte
polygam und war fast immer abwesend. »In so einer
Welt lernst du zu teilen«, sagt Gnilane Kane.
Heute leben sie und ihr Mann zwar wie geplant
als Kleinfamilie – aber auch sie unterstützen­
Gnilanes Schwester und Schwägerin und deren
Familien finanziell.
Je länger man Gnilane Kane zuhört, desto deut-
licher spürt man ihre Ambivalenz. Einerseits schätzt
sie dieses Leben. Andererseits scheint sie zu bedauern,
dass ihre Kinder nicht mit der gleichen Offenheit
aufwachsen wie sie selbst. Als Kind war es für sie
normal, bei allen möglichen Menschen auf dem
Schoß zu sitzen. Ihre Tochter macht das nicht. Das
europäische Familienmodell ist für viele junge Sene­
ga­le­sen ein I­ deal, die Anonymität und die Atomisie-
rung westlicher Gesellschaften sind es nicht.
Hassane Diagne, der Besitzer des Geldtransfer-
ladens, würde gern in etwas investieren, das es im
Senegal noch nicht gibt, sagt er. Alte Menschen
werden hier bislang zu Hause versorgt und ­gepflegt,
wie es schon immer war. Sie leben ­zusammen mit
Kindern und Enkelkindern, ­bekommen mensch-
liche Wärme von ihren Familien.
Das könnte sich ändern, glaubt Diagne. Hätte
er die ­Chance, Kapital anzusparen, dann würde er
das erste senegalesische Altenheim aufbauen. »Eine
sichere Investition.«
Und was würde er mit den Gewinnen machen?
»Die wären natürlich für meine Familie.«
Vielleicht werden Gnilane Kane und ihr Mann
irgendwann einmal zu denen gehören, die in eine
senegalesische Seniorenresidenz einziehen. »Wir
haben beschlossen, alles zu tun, damit wir als Rentner
nicht auf unsere Kinder angewiesen sind.« Ihre Toch-
ter Anastasie entwickle sich ganz anders als sie selbst
damals, sagt Kane. Sie renne nicht unbeaufsichtigt
mit Freunden durchs Quartier. Die Verbindung zu
ihrem Vater sei viel enger. »Wir reden mehr darüber,
was sie sieht, wir sind uns näher. In ihrem Alter ver-
brachte ich die ganze Zeit mit anderen Kindern. Ich
würde nicht sagen, dass sie intelligenter ist, aber sie
ist aufgeweckter. Sie stellt mehr Fragen.«
Doch als Anastasie vor einigen Jahren anfing,
in die Kita zu gehen, sagte ihre Erzieherin zu­
Gnilane Kane: »Deine Tochter teilt nicht gerne.«
Mitarbeit: Babacar Fall (nicht verwandt mit Awa
Fall, der Rollstuhlfahrerin aus diesem Dossier)

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18 LESERBRIEFE 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Zur Ausgabe Nr. 23 Weitere Leserbriefe finden Sie unter

blog.zeit.de/leserbriefe

Wo bleiben Sikhs
und Atheisten?
J. Wagner: »Lernen, was die
Die Kinder waren es nicht Mehr
Genügsamkeit, bitte
Interview »Für Wachstum
Mitschüler glauben«  ZEIT NR. 23 Zum Titelthema: »Der falsche Verdacht«  ZEIT NR. 23 braucht es Migration«  ZEIT NR. 23

Der Beitrag über den Religionsunterricht am
Kurt-Tucholsky-Gymnasium, der nicht nach
Religionen trennt, ist interessant. Das Projekt
trägt sicher dazu bei, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu stärken.
Allerdings würde dem Denken Kurt Tuchols­
kys (Protestant mit jüdischen Wurzeln) noch
mehr Verständnis gewidmet, wenn man auch
humanistisch orientierte Agnostiker und Athe­
is­ten eingebunden hätte. In den Kirchen und
Religionsgemeinschaften wächst die Zahl de­
rer, die nicht mehr glauben können. 
DIETHER SIEGHART, PER E-MAIL
Offenbar gibt es in dieser Klasse nur Musli­
me, Christen, Aleviten und Juden, aber zum
Beispiel keine Hindus, Buddhisten, Sikhs
oder gar Atheisten. Doch gehört mehr als die
Hälfte der Hamburger Bevölkerung keiner
religiösen Gemeinschaft an. Diese Art des­
Religionsunterrichts ist für die Kinder der
konfessionsfreien Mehrheitsgesellschaft unzu­
mutbar. Insofern kann er kein Zukunfts­
modell für Deutschland sein.
GISEL A SCHRÖDER , PER E-MAIL
Was mich ein wenig befremdet, ist, dass in
diesem Bericht der Ethikunterricht, der seit
vielen Jahren in vielen Bundesländern erteilt
wird, mit keinem Wort Erwähnung findet. Er
Endlich bekommt das viel zu lange vernachlässigte
Thema Kinder in der Pandemie Raum im Wissens­
teil. Bitte mehr davon!
Nur wenn es ins öffentliche Bewusstsein dringt,
dass die Kinder nicht die Treiber der Pandemie
sind und dass sie in ihrem Leben und ihren Bil­
dungschancen hierzulande unverhältnismäßig
stark eingeschränkt wurden und werden, kann
sich etwas ändern!  BRIT TA JOCHAM , PER E-MAIL
Die in dem Artikel dargelegten Erkenntnisse de­
cken sich mit den Erfahrungen, die wir an unse­
rer Schule, einem kleinstädtischen Gymnasium
mit knapp 700 Schülern, gemacht haben: Seit
November wurden unsere Schüler getestet, erst
im Rahmen einer deutschlandweiten Studie,
dann auf freiwilliger Basis und schließlich ver­
pflichtend. Und von Anfang an zeichnete sich
deutlich ab: Nur sehr vereinzelt fielen Schüler
»positiv« auf, die Ansteckung erfolgte nachweis­
lich im familiären Umfeld, ein Weitertragen der
Infektion durch Kontakte mit Mitschülern gab es
nicht. Nebeneffekt der flächendeckenden Tests:
Wir erreichen indirekt auch die Familien, die sich
von selbst nur zögerlich einem Testverfahren un­
terziehen. Die Organisation der Selbsttests an
Schulen, die man so ganz nebenbei zum Schul­
alltag auch noch stemmt, leistet aus unserer Sicht
einen wertvollen Beitrag. 
WALTR AUD SELLIER , DIDAKTIKLEITERIN AM CHRISTIAN
VON MANNLICH- GYMNASIUM , HOMBURG
Schon lange herrscht wissenschaftlicher Konsens
darüber, dass Kinder keine Pandemietreiber sind,
sich aber genauso anstecken und das Virus genau­
so verbreiten wie Erwachsene. Ist ja auch voll­
kommen klar: Corona traf auf eine Bevölkerung,
die noch nie Kontakt mit einem solchen Virus
hatte, und daher waren alle Bevölkerungsgruppen
gleich empfänglich für das Virus – anders als bei
einer Grippe. Und da die Anzahl der Kontakte in
Kindergärten und Schulen sehr hoch ist, musste
entsprechend in den Schulen und Kitas gehandelt
werden. Als Vater dreier Kinder fühlte ich mich
äußerst unwohl, als während der Pandemie die
Klassen noch offen waren und keine Masken­
pflicht im Klassenzimmer herrschte. 
DR . BERNARD LEPETIT, KONSTANZ
Es ist gut, dass Sie auf die Fehleinschätzungen in
Sachen Kinder hinweisen.
Sie machen es sich aber zu einfach, wenn Sie die
Schulschließungen einseitig internen Streitigkei­
ten in der Union zuschreiben – hier wäre durch­
aus mediale Selbstkritik angemessen gewesen. Die
Sorge vor den Schulen als Pandemietreiber wurde
gerade auch in den Medien angeheizt – leider war
auch die ZEIT hier keine Ausnahme.
FLORIAN LEIBOLD, BONN
Die modernen mRNA-Impfstoffe sind viele Jahre
an Tieren, aber nur wenige Monate an Menschen
getestet worden.
Es könnte durchaus ein Restrisiko geben: viel­
leicht stellen wir in ein paar Jahren fest, dass die
neuen Impfstoffe schwere Krankheiten auslösen.
Deswegen haben die Impfstoffe auch nur eine
Notfallzulassung. Was, wenn dieser unwahr­
scheinliche, aber medizinisch mögliche Fall ein­
tritt? Sollte man vielleicht also nur Notfälle mit
einem Impfstoff impfen, der nur eine Notfall­
zulassung hat – also sehr alte und schwer vor­
erkrankte Menschen?
Es sind doch schon große Studien mit Medika­
menten in Arbeit, die gute Hoffnungen machen,
dass man damit schwere Verläufe mildern kann.
Wäre es jetzt also nicht angebrachter, die neuarti­
gen Impfstoffe nicht mehr zu benutzen bei jünge­
ren und gesunden Menschen, sondern diese im
Krankheitsfall lieber mit den Medikamenten zu
behandeln?  EVA DUST, CELLE
Das Interview mit dem FDP-Politiker Christian
Dürr zeigt, wie wenig man sich hierzulande um
die Integration kümmert. Seit Jahren keine Kon­
zepte, wie sich Kinder, die in Deutschland als
Flüchtling aufwachsen, schulisch gut eingliedern
können, inklusive ihrer Eltern.
Wir leben in getrennten Welten. Da ich seit
Jahren mit selbigen Kindern arbeite, sehe ich,
wie sehr sie vernachlässigt werden.
Bitte mehr in andere Länder sehen, wo es
besser funktioniert! 
HILKE RUSCHMEYER , SOLTAU
Das Gesellschaftsmodell des Christian Dürr
lässt sich auf die Formel reduzieren, dass
Wirtschaftswachstum nur mit Bevölkerungs­
wachstum zu erreichen ist. Wer den Horizont
etwas weitet, wird unschwer erkennen, dass
dieses Rezept langfristig nicht aufgehen kann.
Herr Dürr müsste zumindest darüber nach­
denken, wie viele Menschen wohl in hundert
Jahren in Deutschland wohnen sollen. Eine
Zahl, bitte!
Wir brauchen ein neues Modell, welches die
ökologischen Vorteile einer stagnierenden oder
auch rückläufigen Bevölkerungsgröße positiv
wertet und die Wirtschaft von der Notwendig­
keit des ewigen Bevölkerungswachstums ab­
koppelt. Die »überalterte Gesellschaft«, das all­
gegenwärtige Schreckgespenst, ist ein letztlich

»Tatort«-Kommissare, übernehmen Sie!

kann in unserer von Multikulturalität ge­
zeichneten Gegenwart als ein taugliches Mit­
tel zur Förderung von Inklusion und Integra­
tion gelten. Er schützt vor einseitigem Dog­
matismus und ist zugleich eine wirksame
Prophylaxe gegen Vorurteile, Lügen und
Hass. Schülern mit Migrationshintergrund
gibt er die Chance, unsere Grundwerte ken­
nen- und schätzen zu lernen. 
DR . VOLKER PFEIFER , STAUFEN
Mehr als anstößig
Zu den minderwertigen Masken
des Ministers Spahn  ZEIT NR. 23
Es ist erschütternd zu lesen, mit welcher
Nachlässigkeit die Maskenbeschaffung seitens
des Bundesgesundheitsministeriums erfolgte.
Ganz zu schweigen von dem Korruptions­
verdacht, der im Raum steht.
Es ist in meinen Augen kriminell, solche
»Scheinmasken« noch im Verkehr zu belassen
Hans Holzhaider: »Das Gericht hat immer recht«  ZEIT NR. 23
Der Fall des Manfred Genditzki ist exemplarisch
für die verheerende Unfähigkeit der deutschen
Strafjustiz im Umgang mit eigenen Fehlern. Ju­
risten sind Menschen, und Menschen machen
Fehler. Unser Justizsystem negiert diese Tatsache
hartnäckig. Das Konzept einer institutionell ver­
ankerten Fehlerkultur erfährt dort immer noch
weitgehende Ablehnung. Justitia trägt eine Augen­
binde, damit sie ohne Ansehen der Person urteilt.
Gegen eigene Fehler darf sie die Augen nicht ver­
schließen.  PROF. DR . ACHIM CL AUSING, MÜNSTER
Was bringt Richter und Richterinnen dazu, von der
Schuld eines Angeklagten absolut überzeugt zu sein,
wenn es weder gesicherte Beweise noch ein erkenn­
bares Motiv gibt?! Damit wird die gebotene Un­
schuldsvermutung außer Kraft gesetzt – und »in
dubio pro reo« gilt dann auch nicht mehr! Unerträg­
lich anmaßend!  UDO BAUER , WEDEL
Am heutigen deutschen Strafverfahrensrecht ent­
spricht fast nichts mehr rechtsstaatlichen Ge­
sichtspunkten, wie sie im Grundgesetz festgelegt
wurden: Mit dem Eröffnungsbeschluss muss der
später urteilende Richter bereits zu dem Ergebnis
kommen, dass mit einer Verurteilung des Ange­
schuldigten, des späteren Angeklagten zu rechnen
ist. Andernfalls erlässt der Richter den Eröff­
nungsbeschluss (Paragraf 199) nicht.
NIKOL AUS ORLOP, ALLING
Richter verkörpern offenbar den einzigen Berufs­
stand, der für seine Fehler nicht zur Rechenschaft
gezogen wird. Jeder Arzt, der einen Kunstfehler
macht, jeder Konstrukteur, dessen Flugzeug ab­
stürzt, jeder Autofahrer, der einen Unfall ver­
ursacht, muss für seine Taten einstehen. Nur ein
Richter nicht.
Natürlich können die obersten Gerichte korrigie­
rend eingreifen. Aber da das nur für Rechtsfehler
gilt und nicht für die Beweisführung, kommt es
im Namen der Rechtssicherheit zu menschlichen
Katastrophen.  WERNER TOPORSKI , BAD HOMBURG
Hiermit rufe ich Tatort-Autorinnen und -Autoren
auf, über diesen Fall ein Drehbuch zu schreiben.
Mögen die Alt-Rocker/Hippie-Kripo-Beamten-­
Darsteller Nemec und Wachtveitl mit ihrem gesund-
rebellischen Menschenverstand die bayerische Justiz
derart der Peinlichkeit überführen, dass es sich ge­
waschen hat.  RENÉE MARIA KR AEMMER , FREIBURG
unvermeidliches, aber tröstlicherweise auch
vorübergehendes Phänomen.
DR . CHRISTIAN VOLL, PAS SAU
Herr Dürr macht den gleichen Fehler, den
Politiker*innen seit rund 60 Jahren machen:
Er betrachtet Einwanderungswillige im We­
sentlichen als Arbeitskräfte und verkennt, dass
sie Menschen mit politischen, kulturellen und
religiösen Traditionen und Normen sind.
Ein Punktesystem für die Einwanderung ist
im Prinzip gut, es müsste meines Erachtens
aber sichergestellt werden, dass keine Men­
schen einwandern, die Frauen, Schwule und
Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften
oder gar Atheisten für minderwertig und die
Demokratie für keine gute Staatsform halten.
DR . ULRICH WILLMES , PADERBORN
Krisen können dauerhaft nicht durch immer
mehr Wachstum und Migration gelöst wer­
den! Was wir brauchen, ist etwas mehr Ge­
nügsamkeit. Deutschland braucht keinen
Bevölkerungszuwachs. Wir sind heute schon
zu viele. WOLF LÜBCKE, PER E-MAIL
Das demografische Problem der Menschheit

Zu viel Verehrung für Superwoman

und nicht zurückzurufen und vernichten zu
lassen. Kriminell, weil wissentlich die Anste­
ckungsgefahr der Anwender in Kauf genom­
men wird.  GERNOLD ROTH , ALSFELD
Dass dabei noch Millionenprovisionen an­
politisch gut vernetzte Gschaftlhuber gezahlt
werden, ist mehr als anstößig und ein grob
fahrlässiger Umgang mit Steuergeldern. Aber
dass nicht zugelassene und ungeeignete Ware
nicht vernichtet, sondern dem Gesundheits­
wesen als »Spende« angedreht wird, ist
schlicht verantwortungslos und kriminell. 
HANS-J. GILLER , LICHTENFELS
BEILAGENHINWEIS
Die heutige Ausgabe enthält folgende Publikationen
in einer Teilauflage: In pact media GmbH, 10178
Berlin; Presse- und Informationsamt der Bundes­
regierung, 10117 Berlin.
Matthias Geis/Tina Hildebrandt über Annalena Baerbock: »Feines Zittern im Gegenwind«  ZEIT NR. 23
Die Annalena-Baerbock-Verehrung der ZEIT
nimmt quasireligiöse Züge an. Sie weisen auf Jour­
nalisten hin, die bei der Befragung von Frau Baer­
bock »seltsam aufgestachelt wirken«, als ginge es vor
allem darum, den Verdacht zu widerlegen, »die
Medien seien vergrünt«. Die ZEIT braucht diesen
Verdacht nicht zu widerlegen. Es ist offenkundig,
dass Sie Annalena Baerbock ins Kanzleramt schrei­
ben wollen. Von der ZEIT erwarte ich mehr Neu­
tralität und Sachlichkeit. E DMUND SCHEUERN, NEWEL
Der Artikel war sehr erhellend und fair, insbeson­
dere auch die Bemerkungen über Kritiker, die
einmal das »Verbieten« kritisch beleuchten und
dann wieder den »mangelnden Mut zum Verbie­
ten«, die quasi mit nichts zufrieden sind außer
einer Art Kreuzung aus Engel und Superwoman.
Für den von der ZEIT stark thematisierten Fehler
(die verspätete Angabe der Nebeneinnahmen) ist
Baerbock nun lange genug »in Sack und Asche«
gegangen. Die Verdächtigungen, die Meldungs­
verspätung sei absichtlich oder doppelmoralisch
erfolgt, sind doch absurd! Unser Land und die
Welt haben ganz andere und größere Sorgen als
diesen Fehler.  PETER SELMKE, PER E-MAIL
Als 76-jähriger langjähriger Wähler der Grünen
hatte ich die Kandidatur von Annalena Baerbock
zunächst begrüßt. Nach der Aufdeckung der
mangelnden Sensibilität in Bezug auf die per­
sönlichen Angaben sollte sie aber Robert Habeck
den Vortritt lassen.
Damit würde sie den moralischen Ansprüchen
der Partei Glaubwürdigkeit verleihen und die
lässt sich nicht durch Migration lösen, ebenso
wenig wie das ökonomische Problem der
Alters­vorsorge. Für eine gute Zukunft braucht
es beides: Konsumverzicht und verantwor­
tungsvolle Elternschaft. 
DR . GERNOT GWEHENBERGER , DORNACH
weiterhin offene Flanke für Angriffe der Gegner
schließen. Nur Annalena Baerbock kann den
Schaden für die Partei und für sich selbst ab­
wenden!  DR . WERNER KÖBEL, SCHL ANGENBAD IHRE POST
Wo findet man in all den Berichten über Anna­lena erreicht uns am schnellsten unter der
Baerbock etwas darüber, was sie geleistet, in wel­ E-Mail-­Adresse leserbriefe@zeit.de. Mit der
chem Amt sie sich bewährt hat? Reicht es tatsächlich Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
aus, kämpfen zu können oder zu zittern aus Angst, Ihren Brief in der ZEIT, deren digitalen Aus­
etwas Falsches zu tun? Hat sie – außer einigen Jura­ gaben und im Leser-Blog auf www.zeit.de
vorlesungen – eine Ausbildung? Angela Merkel und unter Nennung Ihres Namens und des
all ihre Vorgänger konnten vor ihrer Wahl Leistung Wohnortes zu veröffentlichen. Für den
und Bewährung nachweisen. Jeder Wähler, gleich Inhalt sind Sie als Einsender verantwortlich;
welcher Partei, muss wenigstens die Einsicht haben, die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung
dass der Einzug ins Kanzleramt ohne eine gewisse und redaktionelle Bearbeitung vor. Zudem
Bewährung ein immenses Risiko darstellt.  können Sie die Texte der ZEIT auf Twitter
BERNHARD V. STRENGE, NEUKIRCHEN diskutieren und uns auf Face­book folgen.

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Fotos v. l. n. r.: Urban Zintel, Laurence Chaperon,
Maximilian Probst | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius
GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg

Robert Habeck und Annalena Baerbock sind noch immer beide Vorsitzen-
de der Grünen. Kanzlerkandidatin ist nun aber Annalena Baerbock, obwohl
Habeck doch nach eigener Aussage nichts mehr wollte, »als dieser

»EINE STUNDE ZEIT MIT

Republik als Kanzler zu dienen«. Welche Rolle sieht Robert Habeck nun
für sich – im Wahlkampf und möglicherweise am Kabinettstisch? Und mit
welchem Koalitionspartner würde er dort am liebsten sitzen? Darüber
diskutieren mit ihm Tina Hildebrandt, Chefkorrespondentin der ZEIT, und

ROBERT HABECK« Roman Pletter, stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts der ZEIT.

Beginn: 17.00 Uhr | Livestream auf ZEIT ONLINE sowie über die Facebookseiten von
ZEIT und ZEIT ONLINE | Informationen unter: www.zeit.de/veranstaltungen
Robert Habeck Tina Hildebrandt Roman Pletter
Folgen Sie uns: @ZEITvst |   @zeit_veranstaltungen
22. JUNI 2021 · LIVESTREAM
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Eine Veranstaltung von: www.freunde.zeit.de

110079_ANZ_371x80_X4_ONP26 1 11.06.21 13:28

DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Ein Haus für die Unbehausten
E
in bewegendes Zeugnis ganz zu­
Beginn der Ausstellung im neuen
Dokumentationszentrum scheint
zunächst gar nichts mit der Erfah-
rung der deutschen Vertriebenen
zu tun zu haben. Huyen Tran
Chau, die Anfang der Achtziger-
jahre aus Vietnam übers Meer geflohen ist, erzählt
nüchtern und eindringlich, wie sie mit 48 weiteren
Flüchtlingen auf einem lecken Boot dahintrieb, den
Tod vor Augen: »Wir warteten auf ein Wunder.«
Das Wunder trat ein. Die Verzweifelten wurden
von der Cap Anamur gerettet, dem Schiff des deut-
schen Journalisten und Aktivisten Rupert Neudeck.
Neudeck, dessen Hilfsorganisation »Ein Schiff für
Vietnam« mehr als 10.000 Boatpeople retten konnte,
hatte 1945 selbst mit seiner Mutter und vier Ge-
schwistern aus Danzig fliehen müssen. Das eigene
Schicksal, hat er später bekannt, habe ihn zeitlebens
bei seinem Engagement für die Menschenrechte
angetrieben. Nur durch Zufall nämlich waren die
Neudecks nicht auf die Wilhelm Gustloff geraten, das
ehemalige »Kraft durch Freude«-Traumschiff, auf
dem deutsche Flüchtlinge über die Ostsee evakuiert
werden sollten. Am 30. Januar 1945 wurde das Schiff
von einem sowjetischen U-Boot versenkt, mehr als
9000 Menschen ertranken. Der Untergang wurde
zur deutschen Opfergeschichte schlechthin, zuletzt
in Günter Grass’ Novelle Im Krebsgang von 2002. Ein
verrostetes Bullauge der Gustloff, geborgen aus 48 Me-
ter Tiefe, kann man nun in einer Vitrine der Aus-
stellung in Berlin sehen, gleich neben der Hörstation
mit den Zeitzeugen-Erinnerungen.
Die Verschränkung der Biografien Neudecks und
Hyuens ist nur ein Beispiel dafür, wie überraschend
und anregend das neue Museum sein Thema angeht
und wie es unterschiedlichste Erfahrungen miteinan-
der verknüpft, um das Leid der deutschen Vertriebe-
nen in die Globalgeschichte von Flucht und Ver-
treibung einzuweben, die bis heute andauert. Zur
feierlichen Eröffnung am 21. Juni wird Bundeskanz-
lerin Angela Merkel sprechen, am 20. ist Weltflücht-
lingstag – gewiss kein Zufall. Vom 23. Juni an steht
das Haus dann allen offen, Eintritt frei.
Nach der giftigen Kontroverse um das richtige
Gedenken an das Schicksal der Vertriebenen ist es
beglückend zu erleben, wie sich im umgebauten
»Deutschlandhaus« am Anhalter Bahnhof, wo früher
die Landsmannschaften des Bundes der Vertriebenen
ihre Büros hatten, Aufklärung und Andenken wech-
selseitig befördern. Immer wieder ist in den gut
zwanzig Jahren, die um dieses Projekt gerungen
wurde, bezweifelt worden, dass das bei diesem Thema
und an diesem Ort überhaupt möglich sei: an deut-
sches Leid zu erinnern, ohne das durch Deutsche ver-
ursachte Leid zu relativieren.
Gleich an der ersten Station der Ausstellung wird
der richtige Ton gesetzt. Hier kommen Flüchtlinge
aus den deutschen Ostgebieten, aus den Balkan-
kriegen der Neunzigerjahre und aus Vietnam zu
Wort, und oft sind es eher beiläufige Sätze, die den
Besucher in die Geschichte hineinziehen. »Am
schlimmsten war die Stille«, sagt etwa Doris Festersen,
die den Dauerbeschuss der Stadt Königsberg durch
die Rote Armee als Kind im Keller erlebte, bevor die
Familie sich auf die Flucht begeben musste. An den
Lärm der Bomben hatte sich das Mädchen gewöhnt,
in den Pausen kam die Panik.
GESCHICHTE
Hans Schiller, dessen Familie es aus Litauen nach
Pommern verschlug, bevor sie von dort ein zweites
Mal fliehen musste, fasst die Ablehnung durch die
Alteingesessenen am Ankunftsort in die lakonischen
Worte: »Wir waren nicht so gelitten, wie man das
erwartet hatte.« Die Einheimischen habe die Ankunft
der Schillers »nicht gerade fröhlich« gemacht. Man
ahnt die massive Ablehnung, die dem Kind aus dem
Osten seitens der »Volksgenossen« entgegenschlug.
Mehr braucht es nicht, um die Nazi-Propaganda zu
entlarven, dass durch die Annexionen, Kriege und
Umsiedlungen in Osteuropa »Volksdeutsche« »heim
ins Reich« geholt worden seien.
Die Ausstellungsmacher unter der Leitung der
Historikerin Gundula Bavendamm arbeiten mit
allen Mitteln der modernen Museumspädagogik,
ohne je überwältigen zu wollen. Den emotionalen
Kern der Schau bilden die authentischen Relikte des
Verlusts und der Entrechtung.
Da ist der Mantel mit Pelzkragen, den eine
schwangere Frau auf dem Treck zur Entbindung
anbehielt, der brutalen Kälte wegen; eine Armbinde
mit dem »N« für Nemec (»Deutscher«), wie sie ent-
rechtete Sudetendeutsche tragen mussten; ein typi-
scher Leiterwagen, auf dem beim überstürzten Auf-
bruch alle Habseligkeiten der Familie Ferger aus
Kroatien unterkommen mussten. Da ist einer der
Hunderttausenden Hausschlüssel, die in vergeblicher
Hoffnung auf Rückkehr mitgenommen wurden; da
ist das Besteckmesser, das die Mutter der 16-jährigen
Irmgard Jech auf die Flucht mitgab, damit sie sich
verteidigen könnte. Diese exemplarischen Gegen-
stände aus der riesigen Sammlung des Hauses werden
in der Ausstellung nicht fetischisiert. Sie sind immer
mit konkreten Schicksalen verbunden, die einen
Strang der Geschichte fassbar machen.
Drei Zahlen verdeutlichen die Herausforderung,
vor der das Dokumentationszentrum stand: Etwa
14 Millionen Deutsche verloren am Ende des Zwei-
ten Weltkriegs ihre Heimat, bis zu 700.000 starben
nach neuen Schätzungen infolge von Flucht und Ver-
treibung, mehr als 12,5 Millionen mussten in der
Bundesrepublik und der DDR integriert werden.
Letzteres zeigt, nebenbei bemerkt, dass es immer
schon eine Lüge war, dass Deutschland »kein Ein-
wanderungsland« sei.
Wer eine solch gewaltige Umwälzung darstellen
will, braucht Mut zur Reduktion, selbst auf den ins-
gesamt 6000 Quadratmetern des neuen Hauses. Die
Unterteilung der Dauerausstellung in zwei Etagen
hat man dabei geschickt genutzt: Bevor die Besucher
im zweiten Stock auf die Objekte aus der deutschen
Vertreibungsgeschichte stoßen, stellt die erste Etage
den internationalen Kontext her.
Man erfährt hier an Beispielen aus aller Welt, wie
der moderne Nationalstaat, gepaart mit der Idee einer
ethnisch und kulturell homogenen Bevölkerung, zur
Grundlage von Ausgrenzung wird. Man erfährt, wie
Krieg und Gewaltherrschaft die Drangsalierung von
Minderheiten begünstigen, vom Genozid an den
Armeniern im Osmanischen Reich bis zu den Kon-
flikten im heutigen Myanmar. Und man erfährt, wie
das Völkerrecht sich in Reaktion darauf weiterent-
wickelt hat, von der Legitimation des »Bevölkerungs-
austauschs« (im Vertrag von Lausanne, 1923) hin zur
Ächtung »ethnischer Säuberungen« und der Imple-
mentierung eines Rechts auf Rückkehr (im Abkom-
men von Dayton, 1995). Eine digitale Installation
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Erinnerungen an die verlorene Heimat im Osten:
Vitrine aus der Dauerausstellung
macht Fluchtwege über die Jahrzehnte sichtbar, bis
Nach mehr als hin zu den Routen, über die syrische Flüchtlinge
20 Jahren Debatte 2015 nach Europa gelangt sind. Eindringlich wird
auch die Entwicklung des Flüchtlingslager-Kom-
wird in Berlin plexes dokumentiert, vom Provisorium der Baracken-
städte mit ihren »Nissenhütten« bis zu jenen per-
das neue manenten Megacitys der Rechtlosen, wie sie heute
»Dokumentations- vielerorts im Nahen Osten bestehen. Derart vorberei-
tet, betritt man die obere Etage.
zentrum Flucht, Dort rücken die Deutschen zunächst als Ver-
treiber in den Blick. Die NS-Volkstumsideologie und
Vertreibung, die Besatzungsherrschaft sind in zentralen Zeugnissen
präsent, ebenso die Deportation und Vernichtung
Versöhnung« eröffnet. der europäischen Juden, die Aufhetzung der Sudeten-
Es schafft etwas, deutschen, die Kriegsverbrechen im Partisanenkrieg,
die Verwüstung Polens und der Vernichtungsfeldzug
das viele für gegen die Sowjetunion. Dies alles bildete die Voraus-
setzung für die Pläne der Alliierten, die deutsche
unmöglich hielten  Frage im »Geist von Lausanne« zu lösen: durch Um-
siedlung und Vertreibung.
VON JÖRG LAU Erst danach folgt der Hauptteil der Ausstellung,
in dem die Konsequenzen dieser Politik für die deut-
schen Minderheiten in Ost- und Westpreußen, im
Sudetenland, in Bessarabien und im Baltikum an
einzelnen Schicksalen anschaulich werden. Die wil-
den Vertreibungen, die präventive Flucht, die orga-
nisierten Deportationen, Evakuierungen, Enteig-
nungen, Entrechtungen, die Vergewaltigungen, das
Massensterben – der ganze Schrecken findet sich hier
repräsentiert. Danach geht es um die Eingliederungs-
modelle der beiden deutschen Staaten: die Ent­
deckung der Vertriebenen als politische Klientel vor
allem der Unionsparteien in der Bundesrepublik, die
Das zum Museum umgebaute Tabuisierung ihres Leids hinter dem verharmlosenden
»Deutschlandhaus« Etikett »Umsiedler« in der DDR.
am Anhalter Bahnhof Etwas zu kurz kommt nach alldem eine wichtige
Lektion für die Einwanderungsgesellschaft der­
heutigen Bundesrepublik: Die Vertriebenen waren
Agenten der Modernisierung ihrer Aufnahme­
gesellschaften, besonders in Westdeutschland – den
Trachten­gruppen und dem revisionistischen Geschrei
vieler ihrer Verbandsvertreter zum Trotz. Sie wirbel-
ANZEIGE ten die althergebrachte konfessionelle Ordnung
durcheinander. Und sie halfen die Dynamik des
Wirtschaftswunders zu entfesseln, denn wie alle Mi-
Jetzt am Kiosk! granten mussten sie ihren Fleiß permanent beweisen,
um Anerkennung zu finden.
Das ist erst im vergangenen Jahrzehnt so recht ins
Bewusstsein gerückt, vor allem dank der Forschung
des Historikers Andreas Kossert (Kalte Heimat, 2008;
Flucht, 2020), der mit der Lüge aufgeräumt hat, es
habe gegenüber den Vertriebenen eine solidarische
Willkommenskultur geherrscht. Sie waren tatsächlich
so unwillkommen wie die meisten Flüchtlinge in der
Menschheitsgeschichte. Das Trauma, alles verloren
zu haben – und die Erfahrung, die Berechtigung zum
»Lastenausgleich« in einem erniedrigenden Verfahren
beantragen zu müssen, in dem die Vertriebenen oft
genug wie Schmarotzer und Sozialbetrüger behandelt
wurden –, belastet die Betroffenen bis heute. Oft
werden noch deren Nachkommen das Gefühl nicht
los, nirgends richtig dazuzugehören.
Auch darum ist es so wichtig, dass es nun diesen
Ort gibt. Das Dokumentationszentrum sammelt die
Oder gratis lesen: Geschichten der Vertriebenen in einem Archiv, es
www.zeit.de/zg-heft macht sie in Zeitzeugen-Interviews zugänglich, und
es bietet Interessierten Hilfe beim Ausfüllen der Lü-
cken in der eigenen Familiengeschichte. Das Wort
17.05.21 10:47
19
Fotos: Markus Gröteke/Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
»Versöhnung« im Stiftungsnamen bezieht sich zwar
auf die von den Deutschen überfallenen europäischen
Nachbarn. Man kann es aber auch als Aufruf zu einer
innerdeutschen Aussöhnung verstehen.
Zum Glück, muss man sagen, hat die ganze Sache
so lange gebraucht: Die ursprüngliche Idee für ein
»Zentrum gegen Vertreibungen« hatten 1999 die Ver-
triebenenverbände aufgebracht, angeführt von der
CDU-Politikerin Erika Steinbach, die heute die AfD
unterstützt. Steinbach hatte als Bundestagsabgeord-
nete gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie
gestimmt. Dass ihre Familie erst durch die NS-Besat-
zung nach Polen gekommen war, verheimlichte sie,
bis es durch Recherchen polnischer Journalisten ans
Licht kam. Für Versöhnungsgesten gegenüber den
östlichen Nachbarn war sie jedenfalls die Falsche.
In Polen, Tschechien und Ungarn erregte das
Projekt denn auch schnell den Verdacht, hier sollten
die deutschen Opfer aus dem Kontext des Vernich-
tungskriegs gelöst, die deutschen Verbrechen relati-
viert und womöglich Restitutionsansprüche begrün-
det werden. Die Vorwürfe waren verständlich, aber
schon damals überzogen. Denn der Co-Sponsor des
Projekts, der Sozialdemokrat Peter Glotz, hatte von
Anfang an eine universalistische Botschaft im Sinn:
Ihm ging es immer auch um die Kritik des Ethno­
nationalismus (der gerade erst in den Balkankriegen
wieder sein hässliches Haupt geregt hatte) und um
die Dekonstruktion der Wahnidee eines ethnisch
homogenen Nationalstaats.
Auch der geplante Standort Berlin geriet nun in
die Kritik. Sarajevo, Breslau und Prishtinë wurden
als Alternativen vorgeschlagen. Erst als sich die­
große Koalition 2008 des Themas annahm und
die »Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung«
gründete, kam die Sache voran. Ein »sichtbares
Zeichen«, so die vage Aufgabenstellung, sollte her.
Der Streit ging dennoch weiter: Erbittert wurde um
die Besetzung des Stiftungsrats gerungen, denn die
Äußerungen einiger Vertriebenenfunktionäre hatten
Befürchtungen wiederaufleben lassen, es gehe ins-
geheim doch um Schuldumkehr.
Kein geschichtspolitisches Projekt, außer dem
2005 eröffneten Denkmal für die ermordeten Juden,
war so umstritten. Zwischen diesem und dem Do-
kumentationszentrum gibt es eine unausgesprochene
Beziehung: Ohne das Holocaust-Mahnmal wäre es
kaum möglich, in der Hauptstadt an die deutschen
Vertreibungsopfer zu erinnern. Das ist die geschichts-
politische Dialektik der Anerkennung, die sich in der
Ausstellung widerspiegelt, die der Vorgeschichte der
Vertreibungen großes Gewicht beimisst. Das neue
Museum am Anhalter Bahnhof ist, so gesehen, ein
Stück steingewordener Debatte. Es hat die Lehre aus
der umkämpften Geschichte des Projekts gezogen
und in das Ausstellungskonzept integriert.
Die deutschen Vertriebenen galten lange als Ewig-
gestrige, woran ihre Verbandsvertreter nicht unschul-
dig waren. Im Licht der letzten Jahre erscheinen sie
zunehmend als Boten einer Gegenwart, in der »in
uns allen ein Flüchtling steckt« (Rupert Neudeck).
Flüchtlinge und das, was sie erleben, schreibt der His-
toriker Andreas Kossert, »führen uns vor Augen, wie
zerbrechlich unsere scheinbar so sichere Existenz ist«.
Leid und Verlust, Abschiednehmen und An-
kommen sind universale Themen. Gut, dass es dafür
jetzt einen Ort mitten in der Hauptstadt gibt, ein
Haus für die Unbehausten.
20
»Wir sind von der Familie alle schwer
hinters Licht geführt worden«
N
ormalerweise achtete
Harry S. penibel da-
rauf, dass seine Frau
aus dem Haus war, be-
vor er das Mädchen
mit in sein Büro nahm.
Bevor er ihr mal wieder
sexuelle Gewalt antat,
sie mal wieder zu Oral-
verkehr mit ihm zwang. Doch an diesem Tag
platzte Ute S. herein, als Vanessa* mit herunterge-
lassener Hose dastand. Harry S. hatte noch ver-
sucht, das Mädchen aus dem Büro zu scheuchen,
doch da war seine Frau bereits im Flur. Sie schrie
ihren Mann an, das schon, doch danach ging es so
weiter wie zuvor. Jede einzelne Woche. Als wäre
nichts passiert.
So erinnerte sich Vanessa, als sie 2017 bei der
Polizei darüber sprach, was ihr in dieser Familie
angetan worden war. In dieser Familie aus dem
Tübinger Umland, die nach außen die perfekte
Fassade aufgebaut hatte: die Mutter in der Pflege
tätig, ihr Ehemann Elektriker, zwei leibliche Kin-
der, ein Hund. Diese Familie, die immer wieder
Kinder zur Tagespflege nahm. 2006 kamen dann
drei Vollpflegekinder, ein kleiner Junge und zwei
Mädchen, eine davon Vanessa, damals fünf Jahre
alt. Das Jugendamt baute jahrelang auf die ach so
so­zial engagierte Familie. Bis alles aufflog.
Dem Pflegevater Harry S., einem 65-jährigen
Mann mit grantigem Blick, wurde am Tübinger
Landgericht im Frühjahr der Prozess gemacht.
Mindestens fünf Jahre lang, vielleicht auch länger,
soll er seine beiden Pflegetöchter Vanessa und­
Natalja* sexuell missbraucht haben. Auch kinder­
porno­grafische Aufnahmen soll er von den damals
minderjährigen Mädchen (Jahrgang 1999 und
2001) gemacht haben. Wann genau das alles be-
gann, ist unklar, aber bis mindestens Ende 2016
soll Harry S. die Taten begangen haben, er bestrei-
tet sie bis heute. Schweigend folgte er dem Prozess,
schweigend rauchte er in den Pausen. Ein un-
scheinbarer Mann, über den auch der Vorsitzende
Richter am Ende sagte, man wisse gar nicht, wer
dieser Harry S. überhaupt sei.
Aber vielleicht ist diese Frage inzwischen auch
gar nicht mehr so entscheidend. Längst sind andere
Protagonisten in den Fokus gerückt. Zum einen
Ute S., die ihre Pflegekinder ebenfalls misshandelt
haben soll, körperlich wie seelisch. Zum anderen
das Tübinger Jugendamt, das die Eheleute S. trotz
jahrelanger Mahnungen gewähren ließ. Die leitende­
Oberstaatsanwältin bemerkte an einem der Prozess­
tage, der Angeklagte sei längst zu einer Rand­figur
in seinem eigenen Fall geworden.
Die Fassade der Familie S. beginnt im Januar
2017 zu bröckeln. Da wird Vanessa, inzwischen
15 Jahre alt, in einem Zug Richtung Stuttgart
ohne Fahrschein erwischt. Sie ist auf der Flucht
vor ihren Pflegeeltern, es ist bereits ihr dritter Aus-
reißversuch. Das Mädchen fasst Vertrauen zu der
Schaffnerin und erzählt ihr von den Schlägen in
der Pflegefamilie. Als die Frau ihr empfiehlt, sich
ans Jugendamt zu wenden, folgt Vanessa dem Rat.
Und tritt so eine Lawine los.
Sie will jetzt endlich ihre Lebensgeschichte er-
zählen. Und sie hat sich vorbereitet. Auf einen
MP3-Player hat sie eine ausführliche Sprachnach-
richt eingesprochen. Die Jahre in der Familie seien
»der blanke Horror« gewesen, heißt es da, und:
»Ute hat einen derartigen Hass auf mich.« Harry
S. habe Vanessa »schon immer sexuell belästigt«.
Mit Berührungen habe es angefangen, dann hät-
ten sich die Übergriffe gesteigert, bis es zu erzwun-
genem Oral- und Analverkehr gekommen sei.
Die beiden deutlich älteren leiblichen Kinder
seien von Ute und Harry S. bevorzugt worden.
Vanessa und Natalja hingegen hätten kaum Frei-
raum bekommen, dafür Schläge. Den ganzen Tag
hätten die Pflegetöchter in der Küche sitzen und
häkeln müssen, ihre Zimmer hätten sie nur zum
Schlafen nutzen dürfen. Nagellack, Make-­ up,
Haarefärben, Rasuren: alles tabu. Samstags, wenn
Ute S. beim Einkaufen war, habe Harry S. Vanessa
in sein Büro zitiert. Sie erinnert sich an breite
Männerhände mit breiten Fingernägeln, die sie bei
den Übergriffen im Intimbereich kratzten. Harry
S. habe außerdem pornografische Fotos und Vi-
deos aufgenommen. Von dem Missbrauch habe
Ute S. gewusst, spätestens seit sie Vanessa dieses
eine Mal mit heruntergelassener Hose aus dem
Büro habe gehen sehen.
Zu diesem Zeitpunkt lebte die ältere Pflege-
tochter Natalja schon seit vier Jahren nicht mehr
bei Harry und Ute S.: Sie war mit einer akuten
Magersucht in eine Psychiatrie gekommen und
hatte sich dann geweigert, in die Familie zurück-
zukehren.
Als Ute S., eine kleine Frau mit kurzen Haaren
und wachem Blick, im Januar 2021 im Prozess
gegen ihren Mann in den Zeugenstand tritt, zögert
sie keine Sekunde, auszusagen. Und zeichnet das
Bild einer liebevollen Familie, in der alle ein »tolles
Verhältnis« zu­ein­an­der gehabt hätten. Die Pflege-
kinder hätten sich schnell eingelebt. Der Vorsit-
zende Richter legt der Pflegemutter kinderporno-
grafisches Material vor, sie erkennt Vanessa darauf.
VERBRECHEN
In einer schwäbischen Pflegefamilie werden jahrelang zwei Mädchen
sexuell missbraucht, körperlich und seelisch misshandelt.
Eine Psychotherapeutin warnt das zuständige Jugendamt – doch niemand
glaubt ihr  VON JACQUELINE SCHREIL
Aus den gequälten Mädchen sind inzwischen Frauen geworden, die bis heute leiden
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mein
Mann gemacht haben soll.«
Dass es sich bei Ute S. womöglich selbst um
eine Täterin handelt, legen die Schilderungen der
älteren Pflegetochter Natalja nahe. Bei der Polizei
sagte sie aus, die Frau habe den Mädchen Vor-
würfe für das gemacht, was sie »mit sich machen
ließen«. Aber auch sonst sei Ute S. grausam ge­
wesen. Beim Frühstück habe die Pflegemutter eine
Eieruhr auf zehn Minuten aufgezogen – länger
durfte das Essen nicht dauern. Unter Zeitdruck zu
essen war für die magersüchtige Natalja eine schier
unüberwindbare Aufgabe. »Die Ute« habe dem
Mädchen auch diktiert, was es in sein Tagebuch
schreiben sollte: schlechte Dinge über die leibliche
Mutter, mit der sie Kontakt hielt. Dem Familien-
hund habe Ute S. Plüschtiere zum Zerbeißen hin-
geworfen, die Natalja von ihrer leiblichen Mutter
bekommen hatte. Einmal habe Harry S. Nataljas
Kopf gewaltsam unter Wasser gedrückt.
Die Aussagen von Vanessa und Natalja stuft eine
aussagepsychologische Gutachterin als erlebnis­
basiert und glaubhaft ein. Die Sachverständige
stellt während des Prozesses zudem fest, Natalja
habe sich aus der Familie raushungern wollen. Aus
einer akuten Essverweigerung habe sich die­
Magersucht entwickelt. Obwohl das Mädchen
schwerstkrank aus dieser Familie kam, untersuchte
das Tübinger Jugendamt die Situation der verblei-
benden Pflegekinder nicht weiter.
In den Mittelpunkt des Verfahrens rückt das
Jugendamt schließlich mit dem Prozessauftritt der
Psychotherapeutin Heidrun Overberg, bei der
Natalja einst in Behandlung war. Vor sich hat sie
neun dicht beschriebene DIN-A4-Seiten abgelegt.
Sie will nichts vergessen. Entschlossen schildert
109955_ANZ_71x100_X4_ONP26 1
Illustration: Marianna Gefen für DIE ZEIT
Overberg, wie sie jahrelang versuchte, das Tübin-
ger Jugendamt auf Missstände in der Pflegefamilie
aufmerksam zu machen. Overberg lernte die da-
mals zehnjährige Natalja 2009 kennen, als sie bei
dem Mädchen eine leichte Form des Asperger-
Syndroms dia­gnos­ti­zier­te. Sie habe von Anfang an
Verhaltensauffälligkeiten bei der Kleinen festge-
stellt, »die sehr klar auf Misshandlungen hinwei-
sen«. So habe Natalja Traurigkeit, Verzweiflung,
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04.05.21 16:22
Schuldgefühle und ein extrem negatives Selbstbild
zum Ausdruck gebracht. »Mir war schnell klar:
Hier ist ein Kind in großer Not.«
Der Tübinger Jugendamtsleiter Bernd Hille-
brand, an den sich die Therapeutin wandte, habe
sich allerdings »von Anfang an sehr abweisend und
distanziert verhalten«. Pflegemutter Ute S. habe
die Therapie des Mädchens bei Overberg abge-
brochen, als sie gemerkt habe, dass sie »sehr genau
hinschaute«, so die Therapeutin.
Jahrelang bringt Overberg ihre Bedenken beim
Amt vor. Doch alles sei »einfach weggewischt wor-
den«, wie sie sagt. Eines Tages habe der Jugend-
amtsleiter sie schließlich aufgefordert, ihre Be-
fürchtungen zu konkretisieren. Die Psychothera-
peutin arbeitet eine 40-seitige Dokumentation
aus, in der sie Ute S. unter anderem Misshand-
lung, Gehirnwäsche und eine systematische Ent-
fremdung Nataljas von ihrer leiblichen Mutter
vorwirft. Der Jugendamtsleiter schickt das Gut-
achten samt der beigelegten Rechnung zurück, mit
der Begründung, er habe es nicht in Auftrag ge­
geben. So verfährt auch die damalige Tübinger
Sozialdezernentin Ulrike Dimmler-Trumpp, nach-
dem sie ebenfalls Post von Overberg erhalten hat.
Die leibliche und sorgeberechtigte Mutter Na-
taljas klagt schließlich am Familiengericht auf
Herausnahme ihrer Tochter aus der Pflegefamilie,
doch das Begehren wird 2012 abgelehnt. Im Auf-
trag des Familiengerichts erstellt der Psychiater
Gunther Klosinski ein Gutachten, das Overberg
heute als fatale Fehleinschätzung bezeichnet. Der
ehemalige Tübinger Lehrstuhlinhaber für Kinder-
und Jugendpsychiatrie kommt zu dem Schluss, die
Pflegemutter sei gut erziehungsfähig. Natalja sei
von Verlustängsten geprägt und habe mehrfach ge-
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
äußert, sie wolle bei Ute S. bleiben. Daher emp-
fiehlt Klosinski, das Kind dort zu lassen.
Die Psychotherapeutin Overberg sagt vor Ge-
richt, Ute S. habe Natalja eingebläut, was sie vor
dem Gutachter sagen sollte: »Das Kind hat ihm
gegenüber gebetsmühlenartig wiederholt, dass es
bei der Pflegemutter bleiben will. Dass Klosinski
das nicht aufgefallen ist, verstehe ich nicht.« Klo-
sinski wehrt sich auf Nachfrage der ZEIT gegen
den Angriff: Overberg ramponiere seinen Ruf, ihre
Reaktion sei verbittert. Was den beiden Mädchen
in der Pflegefamilie S. widerfahren sei, sei jedoch
»absolut tragisch«. Sein Gutachten zeige, dass alles
passieren könne und man letztendlich niemandem
in den Kopf schauen könne.
Allerdings betont Klosinski, er habe dem Fami-
liengericht damals ausdrücklich empfohlen, den
Kontakt zwischen Natalja und ihrer leiblichen
Mutter auszubauen. Dieser Empfehlung kam das
Familiengericht nicht nach, es setzte sogar das
Umgangsrecht der leiblichen Mutter aus, die das
Kind nach einem Vorschlag des Jugendamts in
Tagespflege gegeben hatte, um ihrer Arbeit als Er-
zieherin nachgehen zu können. Ute S. hatte die
Kindsmutter dann später überredet, Natalja be-
fristet in Vollzeitpflege zu geben. Da die Mutter
einen gewalttätigen Ex-Partner hatte, vor dem sie
sich fürchtete, willigte sie ein. Sie habe ihre Toch-
ter in Sicherheit bringen wollen. Stattdessen kam
sie zu Ute und Harry S.
Ein Jahr nachdem sich Natalja aus der Pflege­
fami­lie gehungert hat, bittet Heidrun Overberg
2014 schließlich um ein Gespräch mit dem Tü-
binger Landrat Joachim Walter. Auch der Jugend-
amtsleiter und die Sozialdezernentin kommen
dazu. Overberg schildert erneut ihre Bedenken
und empfiehlt nachdrücklich, auch Vanessa und
den kleinen Jungen aus der Familie zu nehmen –
ohne Erfolg. »Ich sprach wie gegen eine Mauer«,
sagt sie vor Gericht. Natalja sei »für ihr Leben ge-
schädigt«. Die inzwischen 22-Jährige habe eine
Rückentwicklung gemacht und sei sozial-emotional
»auf dem Stand eines siebenjährigen Kindes«. Für
Overberg ist Ute S. die misshandelnde Haupt­
täterin, das äußere sich auch darin, dass Natalja bis
heute »panische Angst vor der Ute« habe.
Und dann sagt sie noch einen Satz: »Das Ju-
gendamt hat völlig versagt.«
Man sei den Mahnungen durchaus nachgegan-
gen, sagt Landrat Walter der ZEIT. Es habe aber
immer plausible Erklärungen gegeben. Blaue Fle-
cke auf Nataljas Oberschenkeln hatte die Kinder-
klinik etwa auf Judo und Reiten zurückgeführt.
Und das Jugendamt hatte sich jahrelang auf die
frühere Entscheidung des Familiengerichts ge-
stützt, der auch das Gutachten des Psychiaters
Klosinski zugrunde lag. Overbergs Vorwürfe seien
für haltlos erklärt worden. »Wir erkennen im Mo-
ment nicht, wo wir hätten wirklich einhaken kön-
nen.« Daher blieb auch Vanessa bei Familie S.
»Das Bild war für uns schlüssig. Letztendlich sind
wir von der Familie alle schwer hinters Licht ge-
führt worden.« Schuld sind immer die anderen.
Als Vanessa 2017 die Vorwürfe gegen Harry S.
äußert, wird das Mädchen zwar aus der Familie
genommen, eine Anzeige erstattet das Jugendamt
aber zunächst nicht. Es prüft den Sachverhalt erst
einmal selbst und konfrontiert Harry und Ute S.
mit den Vorwürfen. Erst nach mehreren Wochen
erfolgt die Anzeige. Die Oberstaatsanwältin kon-
statiert vor Gericht fassungslos, dass Harry S. vom
Amt gewarnt worden sei und so »massenhaft Zeit«
gehabt habe, das kinderpornografische Material zu
löschen. Das habe zu einem Beweismittelverlust
geführt, »der jedem Ermittler die Haare zu Berge
stehen lässt«. Nur einen Bruchteil der gelöschten
Daten konnten die Ermittler rekonstruieren. Das
sei »an der Grenze zur Strafvereitelung«.
Ute S. wird wahrscheinlich keine strafrecht­
lichen Konsequenzen fürchten müssen – Körper-
verletzungsdelikte verjähren nach fünf Jahren. Mit
der Klärung der Frage, ob das Jugendamt nun­
juristische Fehler gemacht hat, hat das Sozial­
ministerium in Stuttgart das Tübinger Regierungs-
präsidium beauftragt. Dieses konnte nach »gründ-
licher Prüfung« letztlich »keine durchgreifenden
Rechtsfehler« feststellen. Gleichwohl sehe man im
Ministerium im Rückblick »die Auswahl der Pflege­
familie (...) als sehr kritisch an«.
Natalja lebte lange in einer Einrichtung für
psychisch kranke Menschen, inzwischen ist sie in
eine eigene Wohnung gezogen, kommt dort aber
nur schlecht zurecht. Die 19-jährige Vanessa
macht eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sie
ist laut der Psychotherapeutin Heidrun Overberg
auf einem guten Weg.
Und Harry S.? Der streitet weiterhin alles ab.
Mitten im Prozess war der Angeklagte plötzlich
verschwunden und erst nach vier Tagen wieder
aufgetaucht. Er habe sich im Wald versteckt, weil
er den Druck nicht mehr ausgehalten habe, erklärt
er. Verurteilt hat ihn das Tübinger Landgericht zu
einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Das
Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Harry S. hat
Revision eingelegt.
*Die Namen der Kinder wurden geändert
 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

WIRTSCHAFT Der große ZEIT-Mietermonitor

21

Zu klein, zu laut, zu teuer

Die Pandemie hat die Wünsche an das eigene Zuhause verändert. Das zeigt eine Umfrage von ZEIT und ZEIT ONLINE
unter Tausenden von Mietern in Deutschland  VON LEON KIRSCHGENS, JENS TÖNNESMANN, SASCHA VENOHR UND ASUKA GRÜN (GRAFIK)

»Uns würde ein Woran der Umzug

Fotos: Anna Shapiro für DIE ZEIT

beschissenes scheitert

42 %
Zimmer mehr
reichen. Aber das
ist hier in Dresden
der Mieter sagen, sie müssten eigentlich
nicht zu bezahlen. umziehen. Es gelinge ihnen nicht, weil*...

Wir könnten
höchstens aufs
Dorf ziehen«
53 %
Mann, 35, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern
auf 70 Quadratmetern und zahlt 700 Euro warm

... sie trotz Wohnungssuche nichts

Bezahlbares finden
Wen die
Angst befällt
Jeder vierte Mieter befürchtet, sich in
absehbarer Zeit die Miete nicht mehr
31 %
leisten zu können. Besonders
verbreitet ist diese Sorge unter jenen,
die beruflich von der Corona-Krise ... sie einen teuren neuen Mietvertrag
betroffen sind scheuen, obwohl sie mehr Platz brauchen

Anteil an den Befragten (in Prozent) ...

... insgesamt 26 22 %
... in
Kurzarbeit 32
... sie trotz Suche keine freie
Wohnung finden
... mit
43
Jobverlust

Wo das Glück zu finden ist 7%

Anteil der Befragten (in Prozent) unter 5000 5000 bis 20.000 bis 100.000 bis mehr als ... sie in ihrem Wohnumfeld zu sehr
Einwohner unter 20.000 unter 100.000 unter 500.000 500.000 verwurzelt sind
2019 2021
2019 2021
In kleineren Orten sind (sehr)
zufrieden 51
73 62 72
60 69 64 68 61 65 5%
Mieter heute zufriedener mit
mit der ... sie einen teuren neuen Mietvertrag
ihrer Wohnung als vor der Wohnung
Corona-Pandemie. Auffällig scheuen, obwohl ihre Wohnung
ist auch, dass zwar 12 % der (gar) nicht 8 12 10 12 10 10 11 11 mittlerweile zu groß ist
18 14
Befragten mehr Konflikte in zufrieden

5%
ihrer Nachbarschaft erlebt
haben, aber 35 % mehr 2019 2021
Solidarität. Die Zufrieden-
73 69 64 63 64 ... sie aus Kostengründen an ihrem
heit mit den Nachbarn ist (sehr) 54 57 62 62 62
tendenziell eher gestiegen. zufrieden mit Mietvertrag festhalten, obwohl sie in
den Nachbarn eine altersgerechte Bleibe ziehen wollen
*Mehrfachnennungen möglich; Prozentangaben bezogen
(gar) nicht 16 10 13 20 18 15 12 15 15 auf Befragte, die umziehen wollen, aber mindestens einen
zufrieden 33 Grund angegeben haben, warum sie es nicht tun

Wenn die Wohnung zum Büro wird Unter den Mietern, die zu
mehr als 30 % im Homeoffice Die Umfrage
arbeiten, können...
vor der Pandemie aktuell
Anteil der Befragten Wie verändert die Pandemie die Lage der
(in Prozent)
58 % Vor der Pandemie arbeiteten 6 % 55 % Mieterinnen und Mieter in Deutschland?
Um das herauszufinden, haben ZEIT ONLINE
der Mieter an vier bis fünf ohne Probleme zu Hause arbeiten. und die ZEIT im Februar 2021 rund 6400 Menschen
50 %
Tagen pro Woche im Home- befragt. Marktforschungs-Experten des Instituts

28
office, jetzt sind es 50 %
28 % Statista Q haben diese Daten ausgewertet und nach
soziodemografischen Merkmalen repräsentativ
fehlt der Platz, um vernünftig gewichtet, sodass die Befragung valide Rückschlüsse
15 12 daheim arbeiten zu können. auf die Lage von Mietern im Alter von 18 bis 69
5 6 6 6 2 5 6 Jahren in Deutschland zulässt. Zudem lassen sich die
gar nicht bis zu einen Tag ein bis zwei zwei bis drei drei bis vier vier bis fünf
Tage
11 % Ergebnisse mit denen einer ersten Befragung 2019
vergleichen. Viele Befragte haben geschildert, wie sie
Arbeitszeit im Homeoffice würden deswegen sogar weiter ihre Situation erleben (siehe nächste Seite). Ihre Ein- Lesen Sie auf der nächsten Seite:
(umgerechnet auf eine Fünftagewoche) weg ziehen vom Arbeitgeber. drücke finden Sie unter: www.zeit.de/mietermonitor Verschärft sich die Mietenkrise?
 22
Kämpfen um jeden Quadratmeter
Was Mieter derzeit erleben – und was das für die Wohnungskrise bedeutet  VON LEON KIRSCHGENS, JENS TÖNNESMANN UND SASCHA VENOHR
Fotos: Anna Shapiro für DIE ZEIT (2); Leon Kirschgens (u.)
Zhanna Semichova und Stanislav Kozinin mussten um ihre Bleibe bangen. Hier sind sie in ihrer Küche ...
Z
ehn Jahre lang war Hartmut Kasper
seine Wohnung gut genug. Sie lag in
einem Mehrfamilienhaus, mitten in
Bochum. Die Innenstadt mit ihren
Läden und Cafés: keine zwei Kilo­
meter entfernt. Auch sein Arbeitsplatz
war zu Fuß erreichbar. 45 Quadrat­
meter, gut bezahlbar von seinem Gehalt als Kranken­
pfleger. Aber dann kam Corona, die Stadt machte
dicht. Draußen blickte Kasper jetzt in misstrauische
Augen seiner Nachbarn. Er mied die engen Busse und
fühlte sich unwohl, wenn er im Supermarkt Schlange
stand. Also blieb er drinnen. »Während der Pandemie
bleibt einem in der Stadt fast nichts mehr übrig, als
durchs Fenster aufs nächste Haus zu starren«, sagt der
62-Jährige, »was macht man denn da?«
Ja, was macht man da? Diese Frage wird gerade oft
gestellt. Aber nur wenige finden Antworten, die sich auch
umsetzen lassen. Das zeigt eine Befragung von ZEIT
ONLINE und der ZEIT unter rund 6400 Mieterinnen
und Mietern im Alter von 18 bis 69 Jahren. Das auf
Statistikdaten spezialisierte Institut Statista Q hat sie so
ausgewertet, dass sich repräsentative Aussagen treffen
lassen (siehe Kasten Seite 21). Viele Befragte haben ihre
Erfahrungen geteilt, einige zitieren wir hier anonym,
manche haben wir persönlich zu ihrer Lage befragt.
Unter ihnen Hartmut Kasper aus Bochum, aber auch
eine Familie mit einem umfunktionierten VW-Bus aus
München und ein Paar in Not aus Düsseldorf.
Was viele verbindet: Vier von zehn Befragten sagen,
dass sie eigentlich umziehen müssten. Manche hätten
gerne ein kleineres, manche ein altersgerechtes Domizil.
Öfter als vor der Pandemie mangelt es an Platz: 31 Pro­
zent der Umzugswilligen finden ihre Wohnung zu klein.
Doch eine neue Bleibe zu finden ist schwierig – auf
ein Inserat kamen beim Portal Immobilienscout zuletzt
im Schnitt 33 Anfragen, in Berlin sogar 155. Es bedeu­
tet auch meist: mehr Miete. Kurzum, in der Pandemie
haben viele Menschen einen Lockdown im doppelten
Sinne erlebt: Sie mussten in ihren vier Wänden bleiben,
statt rauszugehen – und anstatt umzuziehen.
Die Folge: Viele Menschen wollen raus aus den
Städten. Sie suchen ihr Glück dort, wo sie mehr Platz
haben – etwa in den Speckgürteln oder stadtnahen Re­
gionen. Und sie wollen andere Unterkünfte als früher:
größere und grünere. Die neuen Wünsche fallen in eine
Zeit, in der die Lage auf dem Wohnungsmarkt ohnehin
angespannt ist. Das zeigt eine aktuelle Studie der Hans-
Böckler-Stiftung auf Basis der Daten des Mikrozensus.
Danach haben die Bewohner jedes zweiten Mieter-Haus­
halts nicht den Platz, der im Sozialrecht als angemessen
gilt, oder sie zahlen mehr als 30 Prozent ihres Einkom­
mens für die Miete – aus Sicht von Experten eine kritische
WIRTSCHAFT
Der große ZEIT-Mietermonitor
Schwelle. Selbst in schrumpfenden Städten entspanne
sich die Situation nicht, so die Autoren der Studie.
In der ZEIT-Umfrage antwortet ein Mann aus
einer Kleinstadt in Bayern auf die Frage nach
seiner Mietsituation: »Günstige Miete, allerdings
eine Bruchbude. Zu wenig Platz für drei Kinder.
Es fehlt ein Zimmer. Nur ist eine größere
Wohnung selbst mit unseren guten Gehältern fast
nicht zu bekommen. Bei einem Kauf wären wir
bei 1,2 Millionen Euro. Das geht einfach nicht.«
Eine Frau aus Thüringen sagt: »Um mehr Geld
für Ausflüge zu haben, haben wir uns an einen
Kompromiss gewöhnt: Das Wohnzimmer ist
Elternschlafzimmer und Arbeitszimmer in einem.
Allerdings hat die Pandemie die Vor- und
Nachteile vertauscht: Eine größere Wohnung wäre
besser, Ausflüge sind sowieso kaum drin.«
Viele Apartments in der Stadt verlieren in der Pandemie
ihren Charme – doch kehrt sich das nicht wieder um,
sobald der Ausnahmezustand endet?
Stefan Carsten glaubt das nicht. Carsten ist Stadt­
geograf und Zukunftsforscher, viele Kommunen suchen
seinen Rat, mal spricht er dann über die Zukunft der
Uckermark, mal über die von Kleinstädten am Beispiel
von Alsfeld, mal über die der Region Gießener Land. Im
Videocall zeigt er, wie zentral er in Berlin lebt: Durch das
Fenster ist die Volksbühne zu sehen, über den Rosa-
Luxemburg-Platz kurven Autos. Der Lärm sei zurück,
sagt Carsten, im Lockdown sei es viel ruhiger gewesen.
In der Pandemie hat er mit seiner Familie die Wälder
Brandenburgs entdeckt und dort jene »Freiheits­
momente«­erlebt, die ihnen die Stadt verwehrte.
Früher seien Menschen in die Zentren gezogen, weil
sie die Städte »spüren« wollten, sagt Carsten: die Nähe
zu anderen, zur Arbeit, zum Vergnügen. Aber das Leben
in Großstädten werde schon seit einigen Jahren negativer
dargestellt und als weniger attraktiv empfunden. Corona
markiert eher einen Höhepunkt einer Entwicklung als
ihren Beginn: »Fast alles, was eine Stadt ausmacht, hat
während der Lockdowns nicht mehr funktioniert.«
Besonders begehrt seien nun suburbane Orte, in de­
nen man wohnen, arbeiten und etwas erleben könne –
keine reinen Schlafstädte, sondern »multifunktionale
Orte«. Sie entfachen einen Sog, den Carsten »de­zentrale
Konzentration« nennt.
Dazu kommt, dass Menschen andere Ansprüche
an ihre Bleibe stellen: Im April 2021 etwa gingen
beim Portal Immoscout24 doppelt so viele Anfragen
für Mietimmobilien mit einer Fläche von mehr als
150 Quadratmetern ein wie ein Jahr zuvor. Auch Im­
mobilien mit Garten oder Balkon waren zuletzt ge­
fragter; unter kaufwilligen Interessenten sogar um bis
zu 50 Prozent.
Die ZEIT-Befragung zeigt, wo die Menschen danach
suchen sollten: Je kleiner der Ort, umso zufriedener sind
die Befragten mit ihrer Wohnfläche. Lage. Lage, Lage?
Die verliert an Bedeutung.
Das hat Folgen. Laut dem Forschungs- und Bera­
tungsinstitut Empirica steigen die Mieten im Umland
seit gut zwei Jahren stärker als in den Städten. Eine his­
torische Trendwende, die auch Daten des Immobilien­
dienstleisters Value bestätigen. Gemessen am Niveau von
2012 sind Mieten im Speckgürtel sogar stärker gestiegen
als jene in Großstädten. Anders gesagt: Die Zentren
mögen noch teurer sein, aber die Ränder holen rasant auf.
Wer Hartmut Kasper, den Krankenpfleger, heute be­
sucht, muss aus Bochum rausfahren, fast 20 Kilometer
über Landstraßen und Serpentinen, nach Bommern,
einem Örtchen an der Ruhr. Kasper öffnet die Tür zu
einem Apartment in einem frei stehenden Haus; er führt
auf den Balkon, zeigt den Garten, dahinter grüne Hügel.
Zwar kann der 62-Jährige jetzt nicht mehr zur Arbeit
spazieren, sondern braucht eine halbe Stunde mit dem
Auto. Aber dafür merke er hier von der Pandemie wenig,
sagt Kasper, »und ich gewinne auch mental Abstand zu
meiner Arbeit, ich schlafe viel besser«.
Verstärkt wird der Sog nach draußen durch das
Homeoffice. Phasenweise zu Hause zu arbeiten kann
guttun – aber auch schwierig werden, wenn der Platz
fehlt. Fast jeder dritte Befragte, der mindestens eineinhalb
Tage pro Woche zu Hause arbeitet, erklärte in der ZEIT-
Umfrage, er müsse eigentlich in eine größere Wohnung
umziehen, um vernünftig zu Hause arbeiten zu können.
Und jeder sechste Großstädter, der seit der Pandemie
frisch im Homeoffice arbeitet, könnte sich nun vorstel­
len, in ein attraktiveres Wohnumfeld zu ziehen. Auch
wenn der Arbeitsplatz dann weiter entfernt wäre.
Eine Frau aus Baden-Württemberg schreibt: »Ich
bin 2020 Mutter geworden, mein Mann und ich
teilen uns das Homeoffice und die Kinderbetreuung.
Die Situation ist manchmal frustrierend, doch wir
sind auch dankbar: Meine Pendelstrecke beträgt
sonst pro Weg 140 Kilometer.«
Ein Mann aus Nordrhein-Westfalen berichtet:
»Aufgrund der aktuellen Situation haben wir ein
Haus in ländlicher Umgebung gekauft, zusätzlich
erwarten wir ein Kind. Das Homeoffice ist in
Zukunft großer Bestandteil meines Arbeitslebens,
hoffentlich.«
Ein Haus zu kaufen gelingt den wenigsten. Stephan von
Criegern hat die Suche danach schon aufgegeben. Ihn
hat die Pandemie nach eigenen Worten an den »Rand
des Machbaren« gebracht: »Manchmal wollte ich in ein
Kissen brüllen, so anstrengend war das.« Der 38-Jährige
und seine Frau leben mit ihren beiden Kindern in Mün­
chen, für 92 Quadratmeter und drei Zimmer zahlen sie
1568 Euro warm. Er arbeitet bei einem Digitalunter­
nehmen, sie in der Verwaltung. Gerettet hat die beiden
ihr VW-Bus, den sie sich vor Corona zugelegt hatten –
eigentlich als Ersatz dafür, dass eine bezahlbare Bleibe
mit Garten in München kaum zu finden ist.
Im März vergangenen Jahres parkte von Criegern den
Wagen vor der Tür des Mehrfamilienhauses, ließ ein
Kabel vom Balkon herunter und fing an, an einem
Klapptisch im Bus zu arbeiten. Manchmal saß er um
sechs Uhr früh darin, manchmal blieb er bis Mitternacht;
oft wechselten er und seine Frau sich auf die Minute
genau ab, damit sie an Meetings teilnehmen konnte,
während er mit dem Sohn am Esstisch Hausaufgaben
machte. »Bequem«, sagt von Criegern, »war das nicht.«
Viele suchen jetzt nach neuen Konzepten. Der Kon­
zern Deutsche Wohnen hat in einer ehemaligen Bank­
filiale in Berlin einen Co-Working-Space eingerichtet,
seine Mieter können ihr Zuhause so um ein nahes Büro
ergänzen. Die Region Stuttgart plant ein Co-Working-
Projekt namens Next Office, um Menschen aus Vororten
die Pendelei zum Büro in Stuttgart zu ersparen.
Nur: Solche Ideen werden die Lage so schnell nicht
verbessern. Die Not ist groß, die Mieten steigen seit
Jahren, die Zahl der Sozialwohnungen hat sich seit 2006
fast halbiert. In der ZEIT-Umfrage befürchten zwar 2021
etwas weniger Menschen als 2019, sich ihre derzeitige
Miete auf absehbare Zeit nicht mehr leisten zu können,
aber immerhin noch jeder Vierte gibt diese Sorge an.
Eine Frau aus NRW berichtet: »Traurig, aber
wahr: Die Suche nach einer Wohnung für vier
Personen blieb jahrelang völlig aussichtslos. Erst zu
Hartmut Kasper ist umgezogen
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
dritt hatten wir eine Chance. Nach jahrelanger
sehr unglücklicher und belastender Wohnsituation
haben wir so eine kleine und einfache, aber sehr
gemütliche und ruhige Wohnung gefunden.«
Ein Mann aus Sachsen sagt: »Obwohl meine Frau
und ich Vollzeit arbeiten, ist es uns als Familie mit
zwei Kindern nicht möglich, eine Immobilie zu
erwerben oder günstig zu mieten. In unserer Stadt
wird zwar sehr viel gebaut, aber es gibt nur zwei
Extreme: Sozialwohnungen, für die wir zu viel
verdienen, oder überteuerte Wohnungen der
sogenannten gehobenen Mittelklasse.«
Wie groß der Bedarf ist, kann Axel Gedaschko gut er­
klären, der Präsident des Bundesverbandes der deutschen
Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Im Jahr
... und das ist ihre Aussicht
2020 wurden in Deutschland 306.000 Wohnungen
fertig gebaut, fast fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor –
trotz Pandemie. Eigentlich bemerkenswert. Aber die
Immobilien wurden zumeist vor Corona geplant, der
Platz fürs Homeoffice war selten mitgedacht worden.
Viel schwerer ins Gewicht fällt aber: »Wir bauen zu
wenig«, sagt Gedaschko, »und wir bauen zu teuer.«
Deutschland brauche 320.000 neue Wohnungen pro
Jahr, darunter 80.000 neue Sozialwohnungen und
60.000 einfache und günstige Unterkünfte. Allerdings
sei das kaum zu schaffen, weil die Baukosten seit 2010
um 81 Prozent gestiegen seien, die Einkommen aber nur
um 36 Prozent. Die Corona-Krise sorge dafür, dass
Handwerker rar und Baustoffe teuer seien. Und dann
verlange die Politik, dass Immobilien energetisch saniert
werden, damit der Gebäudebestand bis 2050 klima­
neutral ist; dafür müsste sich das Sanierungstempo ver­
doppeln. Der Boom der Speckgürtel, die Gedaschko
»Muskelringe« nennt, könne höchstens die Lage in den
Zentren etwas entspannen. »Das alles wird nicht auf­
gehen, sondern zu höheren Preisen führen«, warnt er.
Gedaschko fordert eine Wohnraumoffensive und
viele Milliarden Euro für klimaneutrale Sanierungen,
damit die Warmmieten nicht um mehr als 50 Cent pro
Quadratmeter steigen. Woher das Geld dafür kommen
soll? »Alle Parteien mogeln sich vor der Bundestagswahl
um konkrete Antworten herum«, sagt Gedaschko.
Auf dem Mietertag des Deutschen Mieterbundes
vergangene Woche ließ sich beobachten, wie viel Kon­
fliktpotenzial in dem Thema steckt: Der CDU-General­
sekretär Paul Ziemiak pries die in dieser Legislatur­
periode gebauten 1,2 Millionen Wohnungen als »ziem­
lich großen Schluck aus der Pulle« – obwohl die schwarz-
rote Regierung in ihrem Koalitionsvertrag 2017 noch
1,5 Millionen versprochen hatte. SPD-Kanzlerkandidat
Olaf Scholz warb für ein Mietenmoratorium in Städten
mit angespannter Lage, Grünen-Chef Robert Habeck
forderte eine dauerhafte Mietpreisbremse und erklärte
die »Mietenkrise« zur »sozialen Frage schlechthin«.
Stanislav Kozinin, Zhanna Semichova und ihr Sohn
standen schon einmal vor dem Nichts. Die Familie lebt
in einem Mehrfamilienhaus in Düsseldorf, 63 Quadrat­
meter für 720 Euro warm. Wenn Kozinin über die ver­
gangenen Monate spricht, dann landet seine Faust auf
dem Küchentisch. Er zeigt ein Schreiben seines Ver­
mieters: Nach drei nicht gezahlten Mieten sehe man sich
gezwungen, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
Zuvor hatte die Pandemie das Leben des Paars durch­
einandergebracht: Kozinin hatte bei einer Restaurant­
kette gearbeitet, die Insolvenz angemeldet hatte. Monate­
lang habe er keinen Lohn erhalten, auch Kurzarbeitergeld
sei nicht angekommen, sagt er. Erst im Sommer 2020
hatte Kozinin wieder Arbeit gefunden und die aus­
stehenden Mieten abzahlen können. Der Vermieter ließ
sich auf eine »Wiedereinsetzung ins Mietverhältnis« ein,
drohte aber mit sofortigem Rauswurf, falls die Familie
erneut in Rückstand gerate.
Und das, obwohl der Bundestag für die Monate April
bis Juni 2020 ein Moratorium beschlossen hatte, wonach
Mieter nicht gekündigt werden durften, sofern sie wegen
der Corona-Krise nicht zahlen konnten. Erst auf An­
frage der ZEIT erklärte das Unternehmen nun, die Kün­
digung werde nachträglich getilgt, das Vorgehen ent­
spreche nicht dem eigenen Anspruch. Stanislav Kozinin
wird es freuen. Er putzt jetzt Treppenhäuser, arbeitet als
Haushaltshilfe und kellnert in einem Restaurant.
www.zeit.de/vorgelese
 DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Wer hat Angst vor dieser Zahl?
Später in Rente – das ist unnötig und unsozial, behaupten die Wahlkämpfer vieler Parteien. Ein Faktencheck  VON KOLJA RUDZIO
D
er gesetzlichen Rente drohen
»schockartig steigende Finan-
zierungsprobleme« – und zwar
schon ab 2025, in nur vier
Jahren. Davor warnte der
Wissenschaftliche Beirat beim
Bundeswirtschaftsministerium
vergangene Woche in einem Gutachten. Es brau-
che Reformen, etwa eine höhere Altersgrenze,
sonst könnten die Zuschüsse in die Rentenkasse
bald den Bundeshaushalt »sprengen«.
Die Reaktion fiel heftig aus. Olaf Scholz, Vize-
kanzler, Bundesfinanzminister und SPD-Kanzler-
kandidat, etwa behauptet, die Wissenschaftler
hätten »falsch gerechnet«, ihre Lösungsvorschläge
seien »unsozial«, und überhaupt wolle er das The-
ma lieber mit »echten Experten« diskutieren. Ist
also alles ein Irrtum? Gibt es gar kein Problem mit
der Rente?
1.
Klafft bald ein Loch in der
Rentenkasse?
Wenn es »unechte« Experten sind, die vor einem
Problem in der Rentenkasse warnen, dann sind
das ziemlich viele. Dem Wissenschaftlichen Beirat
des Wirtschaftsministeriums gehören 39 Professo-
rinnen und Professoren an, darunter auch sonst
von der SPD hoch geschätzte Ökonomen wie
Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das
Gutachten erarbeitet hat eine Gruppe um Axel
Börsch-Supan, einen der bekanntesten Renten­
experten des Landes. Und im Beirat wurde das
Gutachten, so berichtet es dessen Vorsitzender,
nach ausführlicher Diskussion einstimmig verab-
schiedet. Offensichtlich sind sich die Wissen-
schaftler bei diesem Thema also weitgehend einig.
Etliche andere Fachleute sind ebenfalls besorgt.
So spricht der Sachverständigenrat, auch bekannt als
Rat der Wirtschaftsweisen, von einer Gefahr für die
»Tragfähigkeit« des Rentensystems. Die Bundesbank
sieht »erheblichen Druck auf die Rentenfinanzen«
zukommen, und auch die von der Regierung vor drei
Jahren eingesetzte Kommission Verlässlicher Gene-
rationenvertrag stellte fest, es stünden »erhebliche
finanzielle Mehrbelastungen« bevor, das Renten-
system müsse »neu justiert« werden.
Illustration: Jamie Cullen für DIE ZEIT
In den vergangenen zehn Jahren war die Situa-
tion noch geradezu paradiesisch. Da zahlten die
Babyboomer in die Rentenkasse ein, also eine­
Generation, der besonders viele Menschen ange-
hören. Es gab deshalb, so sagen Fachleute, eine­
»demografische Atempause«.
Damit ist es bald vorbei. In den kommenden
zehn Jahren sorgt die gleiche Generation für eine
demografische Atemnot. Dann gehen diese­
geburtenstarken Jahrgänge nämlich in Rente.
Aus einem Überschuss an Beitragszahlern wird
innerhalb weniger Jahre ein Übermaß an Zah-
lungsempfängern. Und weil im Umlagesystem
der gesetzlichen Rente kein Geld zurückgelegt
wird, heißt das: Die wenigen Angehörigen der
nachfolgenden Generation müssen mit ihren
Beiträgen und Steuern für die vielen aus der Zeit
des Babybooms aufkommen.
Ändert man nichts an den Regeln, führt das zu
drastisch steigenden Beiträgen, warnt der Wissen-
schaftliche Beirat. Heute müssen vom Lohn eines
Arbeitnehmers 18,6 Prozent an die Rentenkasse
abgeführt werden, in 15 Jahren wären es schon 23
Prozent, mit weiter steigender Tendenz. Daneben
würden wohl auch die Beiträge für die Kranken-
und Pflegeversicherung kräftig steigen.
Zugleich müsste das Rentenniveau fallen. Heu-
te erhält ein sogenannter Standardrentner – das ist
jemand, der 45 Jahre lang gearbeitet und immer
durchschnittlich verdient hat – 48 Prozent des
Durchschnittslohns als Rente. Das entspricht nach
Abzug von Sozialbeiträgen derzeit weniger als
1400 Euro, ist also schon nicht üppig. Künftig
würde das Niveau dieser Standardrente nach­
Berechnung des Beirats immer weiter sinken, in
zehn Jahren auf 46 Prozent des Durchschnitts-
lohns, fünf Jahre später auf 44 Prozent und dann
weiter Richtung 42 Prozent. Das entspräche heute
nicht einmal 1200 Euro im Monat. Kurzum: Läuft
alles weiter wie gehabt, gehen die Beiträge durch
die Decke, und die Renten schrumpfen (nicht­
absolut, aber im Verhältnis zu den Löhnen).
2.
Müssen wir die Rente mit 68 einführen?
Für den ehemaligen Arbeitsminister Franz Münte-
fering (SPD) war die Sache klar: Wenn die Men-
schen immer älter werden, müssen sie auch länger
arbeiten. »Da muss man kein Mathematiker sein.
Da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen:
Wir müssen etwas machen«, lautete der Spruch,
mit dem er für die Rente mit 67 warb. Damals,
2007, beschloss die große Koalition, die Alters-
grenze für die volle Rente bis zum Jahr 2031
schrittweise von 65 auf 67 Jahre anzuheben.
Nun schlagen die Berater des Wirtschafts­
ministeriums vor, die Altersgrenze dauerhaft daran
zu koppeln, wie sich die Lebenserwartung entwi-
ckelt. Steigt die Lebenserwartung um ein Jahr, soll
das Renteneintrittsalter um acht Monate angeho-
ben werden, so ihr Vorschlag. Bei dem Tempo, in
dem sich die Lebenszeit bisher verlängert habe,
heißt es in dem Gutachten, würde voraussichtlich
im Jahr 2042 die Rente mit 68 gelten.
81 % der Deutschen halten es für wahrscheinlich, dass das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus weiter angehoben wird
WIRTSCHAFT 23
Kein anderer Punkt in dem Expertenpapier (das »voraussichtlich eher nicht«. Noch klarer formulieren Millionen Einwanderer ins Land kommen (und­
weitere Lösungsansätze nennt) hat für so viel Auf- es die Wirtschaftsweisen: Nähme man Selbst­stän­dige Arbeit finden), um die Rente zu finanzieren. Das sind
regung gesorgt wie dieser. Nicht nur bei Olaf Scholz. und Beamte in die Rentenversicherung auf, ändere mehr, als es 2015 während der Flüchtlingskrise waren.
»Das ist der asoziale Oberhammer«, erklärte die Par- das »nichts an der Tatsache, dass in Zukunft weniger Realistisch erscheint das nicht.
teichefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, und Beitragszahlerinnen und -zahler für mehr Rentne- Solche Rechnungen zeigen: Die drohende
forderte den Wirtschaftsminister auf, das Gutachten rinnen und Rentner aufkommen müssen«. Finanzklemme ist so groß, dass sie sich nicht lösen
»zu kassieren«. So weit ging Peter Altmaier (CDU) Das Problem: Wenn die Selbstständigen und die lässt, wenn man nur einen oder wenige Hebel an-
nicht, beeilte sich aber mitzuteilen, er sei gegen jede Beamten einzahlen, erwerben sie auch Ansprüche an fasst. Man muss wohl alle verfügbaren nutzen –
Erhöhung des Rentenalters über 67 hinaus. Ähnlich die Rentenkasse. Und weil es bei ihnen eine ähnliche statt nur einen bis zum Anschlag umzureißen.
äußerte sich Alexander Dobrindt, der Chef der CSU- demografische Schieflage gibt wie in der übrigen Im aktuellen Gutachten werden dafür auch eini-
Landesgruppe im Bundestag. Bevölkerung, ändert sich am Grundproblem wenig. ge neue Vorschläge genannt. So könnte man das
Kaum zur Sprache kam dabei, dass diese Reform Bei den Beamten kommt noch hinzu, dass der Staat Rentenniveau zumindest bei besonders üppigen
erst weit in der Zukunft wirken würde. Zudem for- in einer langen Übergangszeit gleichzeitig für die Renten leicht senken, während man kleine und mitt-
dern die Wissenschaftler ausdrücklich, dass es einen Pensionen aufkommen müsste wie für einen Teil der lere Renten davon verschont. Schließlich profitieren
sozialen Ausgleich für Menschen geben müsse, die neuen Rentenbeiträge. Der Sachverständigenrat Menschen mit hohen Einkommen meist überdurch-
aus gesundheitlichen Gründen nicht so lange durch- befürchtet deshalb »erhebliche fiskalische Probleme«. schnittlich stark vom Rentensystem, weil sie im
halten. Und statt einer ganz starren Altersgrenze emp- Man kann also aus guten Gründen fordern, Schnitt älter werden als Geringverdiener.
fehlen sie auch, mehr Spielraum für einen individuel- dass alle in die gesetzliche Rentenversicherung auf- Einige Parteien (FDP, Grüne, SPD) sprechen sich
len Rentenbeginn zu geben. genommen werden. Nur sollte man eher nicht­ für die Idee aus, an die Rentenmaschine noch etwas
Trotz der Ablehnung durch die Wahlkämpfer erwarten, dass dadurch auf magische Weise die­ Neues anzubauen: eine Art Staatsfonds, der Geld für
halten Ökonomen wie DIW-Chef Fratzscher ein Finanzmisere verschwindet. das Alter an der Börse anlegt. Das ähnelt der Riester-
höheres Rentenalter für unausweichlich. Aber »in Rente, wäre aber eben nicht privat organisiert. So ein
der Politik«, sagte er vergangene Woche in einem 4. Instrument haben etwa Norwegen und Schweden
Fernsehinterview, »will jetzt keiner wirklich den schon. Auch das könnte Teil einer Lösung sein. Aller-
Menschen reinen Wein einschenken«. Viele Bür- Was gibt es noch für Möglichkeiten, um die dings braucht es viele Jahre, bis sich das Investment
gerinnen und Bürger ahnen das offenbar. In einer Rente zu stabilisieren? auszahlt. Deshalb kann es nur langfristig helfen – und
Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut­ müsste jetzt angepackt werden.
Civey für die ZEIT durchgeführt hat, gaben 81
Prozent der Befragten an, sie hielten es für wahr- Man kann sich das Rentensystem wie eine riesige 5.
scheinlich, dass das Renteneintrittsalter über die Maschine vorstellen, die Geld einsammelt und ver-
bisher vorgesehenen 67 Jahre hinaus erhöht wird. teilt. An dieser Maschine gibt es ein halbes Dutzend Kann es auch ganz anders kommen?
Nur 13 Prozent halten das für unwahrscheinlich. wichtige Hebel (und noch einige kleinere), mit denen Wie sicher sind langfristige Prognosen?
sich ihre Funktionsweise verändern lässt. Zu den
3. wichtigen Hebeln gehören etwa der Beitragssatz, das
Rentenniveau oder ein Zuschuss aus dem Bundes- Wie sich die Renten entwickeln, hängt von vielen
Wäre das Problem gelöst, wenn Beamte haushalt. Zwei dieser Hebel haben SPD und Union Faktoren ab. Arbeiten künftig noch mehr Frauen?
und Selbstständige in die Rente einzahlen festgebunden. Das Rentenniveau darf nicht unter 48 Werden wieder mehr Kinder geboren? Kommen
müssten? Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 viele Zuwanderer ins Land (und finden Arbeit)?
Prozent steigen. So ist es bis zum Jahr 2025 gesetzlich All das beeinflusst die Ergebnisse von Modellrech-
vorgeschrieben. Diese »doppelte Haltelinie« soll den nungen, wie sie der Beirat, die Bundesbank oder
In der Literatur, in Film und Theater gibt es manch- Bürgern Sicherheit geben. der Sachverständigenrat erstellt haben. Und zu-
mal eine völlig überraschende und eigentlich sehr Doch sie schafft auch Probleme. Wenn diese mindest bei den Szenarios, die in sehr weiter Ferne
unwahrscheinliche Wendung zum Guten. Plötzlich Hebel kaum noch bewegt werden dürfen, muss liegen – einige reichen bis 2060 –, ist alles andere
fällt die Lösung für einen schwierigen Konflikt prak- man bei den anderen umso radikaler zupacken. als sicher, dass sie tatsächlich genauso eintreten.
tisch vom Himmel. Seit dem antiken Drama ist das Der Beirat hat ausgerechnet, wie stark man etwa Doch die demografische Atemnot beginnt
unter dem Begriff des Deus ex Machina bekannt. den Zuschuss vom Bund erhöhen müsste, wenn eben viel früher, schon 2025. Und da sind große
Auch in den Diskussionen über die Rente taucht oft die doppelte Haltelinie auf Dauer festgeschrieben Überraschungen unwahrscheinlich. Manche
eine Lösung nach diesem Muster auf. Der Deus ex bleiben sollte. Schon heute fließen 28 Prozent des Trends, auf die man hoffen könnte, sind zudem in
Machina der Rentendebatte ist der Vorschlag,­ Bundeshaushalts in die Rentenkasse, langfristig den Modellen längst berücksichtigt. So geht das
Beamte, Selbstständige, Politiker und andere Berufs- müssten es dann über 60 Prozent sein. Für andere Gutachten des Beirats davon aus, dass die Frauen-
gruppen sollten in das System einzahlen, dann wären Aufgaben bliebe wenig Geld übrig. erwerbstätigkeit weiter steigt (auf den zweithöchs-
alle Probleme gelöst. Der Bochumer Ökonom Martin Werding hat für ten Wert in Europa) und dass weiterhin viele Zu-
Experten sind da leider skeptisch. So äußerte etwa weitere Hebel der Rentenmaschine ähnliche Berech- wanderer nach Deutschland kommen (über
die Regierungskommission Verlässlicher Generatio- nungen vorgelegt. Unterstellt ist dabei immer, dass 200.000 pro Jahr). Es gibt also wenig Grund, eine
nenvertrag durchaus Sympathie für den Gedanken, ein einziges Instrument benutzt wird, um die Rente völlig andere Entwicklung zu erwarten. Und die
aus Gerechtigkeitsgründen Beamte und Politiker in zu stabilisieren. Wäre das zum Beispiel die Alters- angeblichen Rechenfehler? Eine Anfrage der ZEIT
die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. grenze für die Rente, müsste sie auf 77 Jahre steigen. dazu lässt Olaf Scholz unbeantwortet.
Aber dass das ein Mittel sei, um die Rente nachhal- Und gäbe es nur die Option, für mehr Zuwanderung
tiger zu finanzieren, stimmt nach ihrer Einschätzung zu sorgen, müssten jedes Jahr zwischen 1,3 und 1,7  www.zeit.de/vorgelese
 24
»Schauen Sie mich bitte nicht so an!«
DIE ZEIT: Herr Kopper, Sie haben von 1989 bis 1997
die Deutsche Bank geleitet. Damals war das fast eine
reine Männerwelt. Haben Sie sich je gefragt, warum?
Hilmar Kopper: Ganz so schlimm war es nicht. Die
Deutsche Bank war immerhin die erste Dax-Gesell-
schaft mit einer Frau im Vorstand.
ZEIT: Sie meinen Ellen Schneider-Lenné, die von
1988 bis 1996 für das Auslandsgeschäft der Bank ver-
antwortlich war. Über sie sagten Sie einmal: »Sie war
einfach unser bester Mann.« War das ein Scherz?
Kopper: Überhaupt nicht. Sie war von der Pike auf
Bankfrau und leitete bei uns einen ganz wichtigen Be-
reich. Damals hatten wir keinen Mann, der es besser
gekonnt hätte. Auch sonst waren wir an Frauen ge-
wöhnt, weil 60 Prozent der Bankmitarbeiter Frauen
waren. Ich rede übrigens nicht gendergerecht. Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter, diese Dopplungen meide ich.
Fränzi Kühne: Ich merke das schon.
ZEIT: Frau Kühne, Sie haben 2008 mit zwei Partnern
die Digitalagentur »Torben, Lucie und die Gelbe­
Gefahr« gegründet. Heute sitzen Sie in zwei Auf­sichts­
räten. Wie viele mächtige Frauen sind Ihnen auf Ihrem
Weg begegnet?
Kühne: Anfangs relativ viele. In der Agentur sowieso,
und auch in den Marketingabteilungen unserer Kun-
den hatte ich oft mit Frauen zu tun. Dennoch kam es
vor, dass uns geraten wurde, lieber einen
Mann zu einer Präsentation bei einem Kun-
den zu schicken. Etwa als wir mal vor dem
Aufsichtsrat eines Kunden eine Digitalstrate-
gie präsentieren sollten und bei uns eine Frau
für das Projekt verantwortlich war.
ZEIT: Mit welcher Begründung?
Kühne: Weil der Aufsichtsrat es nicht ge-
wohnt sei, dass dort eine Frau auftrete. E
­ inem
Mann werde zudem eher geglaubt. Wir­
haben trotzdem die Projektleiterin hinge-
schickt und den Auftrag bekommen.
ZEIT: Herr Kopper, Sie haben sehr viel Auf-
sichtsratserfahrung.
Kopper: Ich habe nachgezählt: Ich saß in 29
Aufsichtsräten, davon in 8 als Vorsitzender.
ZEIT: Haben Sie da auch so etwas erlebt?
Kopper: Nein. Wer so eine Meinung öffent-
lich vertritt, der hat sich als Gesprächspartner
disqualifiziert.
ZEIT: Herr Kopper, könnten Sie sich vor-
stellen, Frau Kühne als Chefin zu haben,
wenn Sie heute noch einmal jung wären?
Kopper: Ja, warum denn nicht?
ZEIT: Es war in Ihrer Zeit unüblich, eine
Frau als Chefin zu haben. Sowieso war die
Führungskultur anders. Wie müssen wir uns
eine Vorstandssitzung der Deutschen Bank
in den Neunzigerjahren vorstellen?
Kopper: Anders als heute hat man sich­
damals im Vorstand nicht geduzt. Die Aus-
nahme waren angelsächsische Kollegen.
Kühne: Man war auch nicht befreundet?
Kopper: Doch, es gab Freunde. Mit denen
hat man sich auch geduzt, aber niemals in der
Sitzung. Und natürlich trugen wir Krawatte.
Immer. Es wäre undenkbar gewesen, wenn
einer ohne angekommen wäre. Dann hätten
wir gedacht, er sei ausgeflippt.
ZEIT: Frau Kühne, glauben Sie, dass Sie
damals bei der Deutschen Bank Karriere
gemacht hätten?
Kühne: Nein. Diese Distanz und dieses
Hocharbeiten in einer Hierarchie wären nichts für
mich gewesen. Ich habe die Agentur zusammen mit
zwei meiner besten Freunde gegründet und glaube,
dass es auch deshalb so gut funktioniert hat. Wir haben
uns alle geduzt und trugen bei Präsentationen das, was
wir sonst auch trugen, also Jeans und Turnschuhe.
Kopper: Solche bunten Vögel aus der Werbung hielten
bei uns auch manchmal Präsentationen. Die schätzten
und bewunderten wir. Glauben Sie nicht, dass wir über
die Welt, in der wir lebten, immer glücklich waren.
ZEIT: Zu Ihren Zeiten saßen auch so gut wie keine
Frauen in den Gremien.
Kopper: Es gab wenig qualifizierte Frauen. Wenn Sie
einen Bankvorstand ernennen wollten, mussten Sie
sich das bei der BaFin genehmigen lassen. Denen hät-
ten Sie mal ein paar Frauen vorschlagen sollen! Die
hätten die Hände über dem Kopf zusammengeschla-
gen, die hatten ja selbst keine Frauen.
ZEIT: Sie meinen, das war so, weil die Frauen nicht
qualifiziert genug waren?
Kopper: Ich formuliere es mal so: Die Firmen haben
sich möglicherweise nicht ausreichend bemüht, ihrem
weiblichen Nachwuchs das mitzugeben, was sie zu
den allerobersten Positionen befähigt hätte. Wir
glaubten in der Tat, wir hätten keine.
Kühne: Wahrscheinlich herrschte bei Ihnen damals
eine Kultur, auf die Frauen gar keine Lust hatten.
Immer die Einzige zu sein in so einem Gremium,
immer die Exotin, das ist auch schwierig.
Kopper: Frauen, die das können und wollen, wachsen
nicht auf der grünen Wiese. Aber wir robbten uns
langsam heran. Deshalb sollten unsere Haupt­filial­
direk­to­ren auch überlegen, ob sie bei der nächsten Be-
förderungsrunde nicht mehr Frauen nach vorne brin-
gen. Das dauerte aber zehn Jahre.
Kühne: Wenn man schon damals begonnen hätte,
Frauen systematisch als Führungskräfte aufzubauen,
dann wären heute viel mehr von ihnen ganz oben. Im
Dax sind nur zwölf Prozent der Vorstände Frauen. Es
Fotos: Felix Schmitt für DIE ZEIT
gibt eine einzige Vorstandschefin.
Kopper: Ich kenne ein, zwei Fälle, da wurde das sehr
wohl versucht. Was passierte? Sie verliebte sich­
unsterblich, bekam anderthalb Kinder, und das war’s
dann. Ich sag das ohne Vorwurf. Es war eben so.
Kühne: Was wäre so schlimm daran gewesen, eine
Frau mit Kindern in den Vorstand zu holen?
Kopper: Gar nichts. Die Frauen wollten von sich aus
nicht mehr.
ZEIT: Was halten Sie von einer Quote für Vorstände?
Kopper: Ich bin gegen alle Quoten. Der Staat soll sich
da heraushalten.
ZEIT: Die schon existierende Frauenquote für Auf-
sichtsräte lehnen Sie also auch ab?
Kopper: Da zählen die Vertreter der Arbeitnehmer
mit, weshalb diese Quote schnell erfüllt ist. Man
muss halt Frauen finden, die das auf Arbeitgeberseite
machen wollen.
Kühne: Aber die gibt es doch! Die Frauen, die das ma-
chen wollen, sind da. Das hat die Quote gezeigt. Wir
haben sie seit 2016 – und auf einmal sind da 30 Pro-
zent Frauen im Aufsichtsrat.
Kopper: Aufsichtsrat ist ja auch viel leichter als Vor-
stand. Die müssen nicht genauso qualifiziert sein.
Die haben das Geschäft nicht zu leiten, sondern zu
überwachen.
ZEIT: Frau Kühne, wie stehen Sie zur Frauenquote?
Kühne: Ich habe das lange ähnlich gesehen wie Herr
Kopper. Meine Haltung als Unternehmerin war ­immer:
Wer die beste Leistung bringt, schafft es auch an die
Spitze. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass Män-
ner Menschen befördern, die ihnen ähnlich sind, und
das sind meist andere Männer. Es braucht die Quote,
damit Frauen für Spitzenposten überhaupt erst in­
Betracht gezogen werden. Und die Kultur eines Unter-
nehmens ändert sich erst dann, wenn mindestens
30 Prozent der Führungskräfte weiblich sind.
ZEIT: Führen Frauen denn anders, Herr Kopper?
Kopper: Frauen haben erstaunlicherweise mehr Zivil-
courage. Männer lavieren oft herum, weil sie Angst um
ihre Karriere haben, wenn sie in einem Gremium mit
19 anderen etwas Falsches sagen.
ZEIT: Ist das nicht auch ein Klischee, Frau Kühne?
Kühne: Ich glaube schon auch, dass Frauen einen an-
deren Blick haben.
Kopper: Meine damalige Frau war meine beste Berate-
rin in Personalfragen. Wenn ich als Aufsichtsrat irgend-
wo einen Vorstand zu bestellen hatte, habe ich zugese-
hen, dass sie ihn vorher bei einem Abendessen kennen-
gelernt hat. Danach hat sie oft gesagt: Der ist bestimmt
sehr tüchtig, aber menschlich wirst du mit dem keine
Freude haben. Und bums, war es passiert!
Kühne: Mir geht es darum, dass bessere Entscheidun-
gen getroffen werden, wenn viele unterschiedliche
Menschen zusammenkommen.
Kopper: Das sehe ich auch so. Die Mischung macht’s.
ZEIT: Sie wollen sagen, Diversität war Ihnen bei der
Besetzung von Vorstandsposten schon damals wichtig?
Kopper: Ja. Unterschiedliche Kenntnisse und Tem-
peramente. Ich habe das an beruflichen Hintergrün-
den festgemacht.
ZEIT: Und an der Persönlichkeit?
Kopper: Natürlich. Ich habe immer danach geschaut,
wie breit der Horizont der Kandidaten ist, ob sie sich
für Kunst, Musik und Literatur interessieren. Wichtig
ist auch die Fähigkeit, sich zu artikulieren – und der
Wille dazu. Was nützt der beste Kopf, wenn er seinem
Inhalt nicht beredt Ausdruck verleihen kann? Man
braucht im Aufsichtsrat solche Leute.
Kühne: Wenn ich mir die Vorstände im Dax an-
schaue, dann sehe ich lauter mittelalte westdeutsche
Männer. Was soll daran vielfältig sein?
ZEIT: Herr Kopper hat es ohne Studium zum Vor-
standssprecher gebracht. Ist das nicht auch Vielfalt?
Kühne: Herr Kopper war ja von Anfang an bei der
Deutschen Bank und hat sich durch die Hierarchien
nach oben gearbeitet.
Kopper: Stimmt. Ich war nie anderswo. 49 Jahre
Deutsche Bank.
WIRTSCHAFT 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Hilmar Kopper, Kühne: Und das ist sehr typisch. Ich bin der Mei-
nung, dass es in den Vorständen auch Menschen mit
Kühne: Wie hat Ihr berufliches Umfeld reagiert, als
Sie zum ersten Mal Vater wurden?
einst Chef der nicht so linearen Karrierewegen geben muss. ZEIT: Wie war das bei Ihnen, Herr Kopper?
ZEIT: Herr Kopper, Sie waren Aufsichtsrat bei Kopper: Ich habe ein dreizeiliges Glückwunschschrei-
Deutschen Bank, Daimler-Benz, Siemens, Lufthansa, RWE, Linde, ben vom Direktor bekommen. Das war’s.
Bayer und Dutzenden anderen Konzernen. Sie ver- ZEIT: Frau Kühne, wie war das bei Ihnen?
und Freenet- körperten wie kaum ein anderer die Deutschland Kühne: Als ich meinen Mitgründern von meiner ersten
Aufsichtsrätin AG, das Netzwerk mächtiger Männer, das über Jahr-
zehnte die deutsche Wirtschaft lenkte. War das im
Schwangerschaft erzählte, haben sie mich gefragt, ob
ich die Firma ruinieren wolle. Dabei bin ich sehr schnell
Fränzi Kühne Sinne der Vielfalt? wieder zurückgekehrt: zwei Wochen nach der Geburt
Kopper: Die Deutsche Bank besaß damals viele­ meiner Tochter. Ich habe sogar ein Zimmer neben­
über Frauen im Aktien­­pa­ke­te und war Hausbank einer Menge­ unserem Büro gemietet, in dem ich sie zwischendurch
Unternehmen. Eine Verpflichtung dieser Beziehun- gestillt habe. In dieser Zeit bekamen wir Besuch vom
Vorstand, Babys gen war, dass man sich um die Firmen kümmerte Chef des New Yorker Werbenetzwerks, an das wir die
im Büro und die und auch in den Aufsichtsrat ging.
Kühne: Das finde ich schwierig. Wie will man bei
Agentur kurz zuvor verkauft hatten. Als er mich sah,
war er sehr überrascht. Er ließ sich Fotos zeigen und
Frage, welche diesen Querverbindungen noch Distanz wahren? fragte, ob ich mit so einer hübschen Tochter nicht
Kopper: Vergessen Sie nicht, dass es sich zum Teil um schnell ein zweites Baby bekommen und mit den Kin-
Vielfalt es wirklich Mandate handelte, die seit vielen Jahrzehnten von der dern und dem Hund zu Hause bleiben wolle. Da war
Deutschen Bank wahrgenommen wurden. ich wirklich wütend.
braucht Kühne: »Das haben wir schon immer so gemacht« ist ZEIT: Herr Kopper, wäre es bei der Deutschen Bank
für mich kein Argument. vorstellbar gewesen, ein Baby mit ins Büro zu bringen?
Kopper: Heute finden Sie kaum noch ein aktives Vor- Kopper: Ich habe das nie erlebt. Aber es wäre sicher
standsmitglied, das in einen Aufsichtsrat geht. Viel- nicht verboten gewesen. Hunde habe ich erlebt im
leicht ein Mandat, aber der Vorsitz? Viel zu viel Arbeit
Büro. Dann müssen doch auch Babys möglich sein.
und Zeitaufwand! ZEIT: Ihre frühere Vorstandskollegin Ellen Schnei-
ZEIT: Frau Kühne, Sie sind Aufsichtsrätin beim Inter- der-Lenné war kinderlos, oder?
netanbieter Freenet und können als solche über Per- Kopper: Ja. Sie war Gott sei Dank auch nicht verhei-
sonalfragen mitbestimmen. Warum sitzt im Freenet- ratet und fühlte sich insofern nicht gebremst.
Vorstand keine Frau? ZEIT: Was wäre passiert, wenn sie ein Kind bekom-
Kühne: Das hat sich historisch so entwickelt. Die heu- men hätte?
tigen Vorstände sind vertraglich gebunden und bestellt.Kopper: Dann hätte sie ein Problem gehabt. Aber wir
Sobald es möglich ist, werden wir Frauen in den Vor- hätten verständnisvoll reagiert. Es war doch purer Ego-
stand bringen. ismus, dass wir sie in den Vorstand geholt haben. Viele
ZEIT: Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde glaubt, Männer haben Scheu, eine Frau in ihren Kreis zu lassen.
dass es nicht zur großen Finanzkrise gekommen wäre, Sie denken, dass sich dann alles ändert. Aber sie hat nie
wenn Lehman Brothers damals Lehman Sisters gewe- die Rolle der zarten Dame gespielt. Sie war eine robuste,
sen wäre. Hat sie recht? couragierte Frau. Westfälin, also wort- und trinkfest.
ZEIT: Frau Kühne, Sie haben Ende 2020
eine zweite Tochter bekommen. Wie haben
Sie mit Ihrem Partner ausgehandelt, wie Sie
die Betreuung Ihrer Kinder aufteilen?
Kühne: Weil er sich auf das erste Kind so
gefreut hat und beruflich nicht so viel m
­ achen
wollte, ist er ein halbes Jahr zu Hause geblie-
ben. Heute teilen wir uns die Betreuung zur
Hälfte, aber wenn eines der Kinder krank
wird und ich eine Aufsichtsratssitzung habe,
dann ist klar, dass er sich kümmert.
ZEIT: Herr Kopper, Sie haben drei erwach-
sene Kinder. Stand es für Sie je zur Debatte,
für sie eine Zeit lang zu Hause zu bleiben?
Kopper: Sie werden es nicht glauben, aber
meine Frau verdiente als Bibliothekarin an-
fangs mehr als ich. Ich habe die Tatsache­
allerdings genutzt, um beim Filialleiter erst
einmal auf den Tisch zu hauen und eine­
Gehaltserhöhung einzufordern.
ZEIT: Wer kümmerte sich um die Kinder?
Kopper: Nachdem das erste Kind da war,
ging meine Frau noch zwei Tage die Woche
arbeiten. Nach dem zweiten Kind sagte sie:
Ich will zu Hause bleiben. So toll war ihr
Beruf nicht, dass sie glaubte, darin die Erfül-
lung ihres Lebens zu finden. Das ist bei Frau
Kühne mit ihrer Firma etwas anderes. Jetzt
schauen Sie mich bitte nicht so an! Wir reden
vom Jahre des Herrn 1963. Es war einfach so.
ZEIT: Haben Sie nach der Geburt Ihrer
Kinder ein paar Wochen freigenommen?
Kopper: Nein. Aber ich habe sie gebadet
und Windeln gewechselt, weil meine Frau
eine Allergie gegen gewisse Waschmittel
hatte. In Babypflege bin ich gut.
ZEIT: Hätten Sie gern mehr Zeit mit Ihren
Kindern verbracht?
Kopper: Das habe ich leider erst im Rück-
blick bemerkt. Damals dachte ich, alles wun-
derbar. Irgendwann stellte ich fest, dass aus
den Kindern Lulatsche geworden waren ...
ZEIT: ... und Sie das ganz verpasst hatten?
Kühne: Wahrscheinlich schon. Frauen hätten bei Kopper: Leider. Wir sind in all den Jahren zum Beispiel
Lehman eher gesagt: Moment mal, hier stimmt­ nur zweimal zusammen verreist. Mehr als eine Woche
etwas nicht. Urlaub am Stück gab es nicht. Man arbeitete wie ein
ZEIT: Frauen sind die besseren Menschen? Berserker. Man fühlte sich der Bank verpflichtet und
Fränzi Kühne, Kühne: Das nicht. Aber solche männlich geprägten glaubte, es wäre egoistisch, sich der Familie zu widmen.
38, hat die Systeme können nur gesprengt werden, wenn es ein Daran ist auch meine Ehe gescheitert. Wer sich nach
Social-Media- Korrektiv gibt. 39 Jahren scheiden lässt, tut das nicht ohne Grund.
Agentur TLGG ZEIT: Was glauben Sie, Herr Kopper? ZEIT: Die Einstellung zur Familie hat sich bei den
mitgegründet, Kopper: Ich halte es für dasselbe dämliche Vorurteil Männern heute verändert, oder?
aber inzwischen wie andersherum. Kopper: Ja. Wenn ich die jungen Ehepaare beobachte,
verlassen und sitzt ZEIT: Sie haben für Aufsehen gesorgt, als Sie die 50 bin ich manchmal doch ganz angetan davon, wie hin-
nun in zwei Millionen Mark, die der Deutschen Bank nach der­ gebungsvoll die Männer den Kinderwagen schieben.
Aufsichtsräten Insolvenz des Bauunternehmers Jürgen Schneider ver- ZEIT: Herr Kopper, jetzt kommen noch zwei weitere
loren gingen, als »Peanuts« bezeichneten. Wäre das­ Fragen, die Frau Kühne oft beantworten musste. Ers-
einer Frau nicht passiert? tens: Können Sie ein Vorbild für andere Männer sein?
Kopper: Keine Ahnung. Ich hätte auch »chicken feed« Kopper: Nein. Wenn überhaupt, dann nur für deren
sagen können. Das hat im Amerikanischen dieselbe Karriere. Und zwar weil ich es ohne Studium geschafft
Bedeutung, nämlich: Kleinigkeit. Ich finde aber, wir habe. Nach dem Abitur konnte ich nicht studieren,
ziehen das Frauenthema derzeit zu hoch. Wir sollten es weil mein Bruder schon studierte. Mein Vater ließ sich
Hilmar Kopper, nicht als den entscheidenden Faktor für die Zukunft dann von einem Bridge-­Part­ner beraten, was der Junge
86 Jahre, war der deutschen Wirtschaft betrachten. machen soll, und der sagte: Banklehre, das schadet nie.
acht Jahre lang Kühne: Oh, das tue ich aber. Hat auch nicht geschadet.
Vorstands­ Kopper: Ja? ZEIT: Zweitens: Sind Sie nur so weit gekommen, weil
sprecher der Kühne: Absolut. Sie ein Mann sind?
Deutschen Bank Kopper: Gut, dann machen Sie mal. Aber es braucht Kopper: Nein! Ich sage das so impulsiv, aber ich habe
und Multi- Zeit, das muss sich entwickeln. darüber eigentlich noch nie nachgedacht.
Aufsichtsrat, ZEIT: Frau Kühne, haben Sie noch Zeit? ZEIT: Zum Schluss eine Frage an Sie beide. Herr Kop-
unter anderem Kühne: Nein, zumindest nicht hundert Jahre. So lange per, Frau Kühne, hat sich dieses Interview für Sie­
bei Daimler dauert es, bis wir im bisherigen Tempo ein ausgewoge- komisch angefühlt?
nes Geschlechterverhältnis in den Vorständen haben. Kopper: Ja, sehr!
ZEIT: Sie haben das Buch Was Männer nie gefragt Kühne: Überhaupt nicht.
werden geschrieben, in dem Sie Männern Fragen
stellen, die Frauen oft hören. Welches ist Ihre liebs- Das Gespräch führten
te Frage? Ann-Kathrin Nezik und Lisa Nienhaus
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KREUZFAHRTENALASKA
| Ein Spezial des Zeitverlags 1

ALASKA
Unendliche Weiten, unberührte Natur und eine artenreiche Tierwelt:
Der Prince William Sound zeigt die atem-
beraubende Natur Alaskas (ganz links).
Auf den Spuren der Geschichte entdeckt
man in Wrangell faszinierende Totempfahl-
kunst (ganz oben).
Der Copper River ist bei Anglern bekannt für
Reisen Sie mit Hurtigruten Expeditions durch die »Inside Passage« seine reichhaltigen Lachsschwärme (oben).
In der Wildnis der Misty Fords hat auch so
und entdecken eine der spektakulärsten Fjordküsten dieser Erde. manch Weißkopfseeadler sein Zuhause (links).
Gesellig und recht putzig zeigen sich Seeotter
gerne in der Küstennähe von Alaska (links).

Willkommen in der Wildnis am Rande der Welt

NICOLE MAIBAUM
In rund 365 Tagen kann es so
weit sein: Bären fischen sich
dicke Lachse aus dem Wasser,
riesige Eislandschaften ziehen
vorüber, Weißkopfseeadler krei-
sen majestätisch am Himmel,
gigantische Gletscher und Fels-
wände ragen vor einem empor,
indigene Völker erzählen von
ihrer Kultur und erläutern ihre
beeindruckenden Totempfähle.
Alles live, alles in Farbe, alles
hautnah erlebbar. Man muss sich
nur auf ein Abenteuer einlassen
und mit Hurtigruten Expediti-
ons durch die »Inside Passage«
reisen, die faszinierende Fjord-
küste von Alaska.
Ein Synonym für unberührte
Wildnis, für eine artenreiche Na-
tur- und Tierwelt, für gigantische
Eislandschaften, atemraubende
Fjorde, urwüchsigen Regenwald,
gastfreundliche Einwohner und
eine spannende Historie? Ein Sy-
nonym für Abenteuer? Das gibt es.
Es ist »Alaska«. Fünfmal größer als
Deutschland, mit mehr Tieren als
Menschen, mehr als drei Millionen
Seen, mehr als 100.000 Gletschern,
mehr als 3.000 Flüssen und mit
insgesamt 17 Nationalparks be-
eindruckt dieser f lächenmäßig
Tiefe Fjorde und
kilometerhohe Berge
größte US-Bundesstaat vor allem
durch seine einzigartige Flora und
Fauna. So stehen denn auch zwei
Drittel Alaskas unter Naturschutz.
Diese außergewöhnliche Vielfalt
an faszinierender Natur, wild le-
benden Tieren und verschiedens-
ten kulturellen Einflüssen selbst
zu begreifen ermöglicht die Reise
mit Hurtigruten Expeditions durch
die Inside Passage. Entlang an der
für viele weltweit schönsten Fjord-
küste und in Begleitung des erfah-
renen deutschsprachigen Expedi-
tionsteams an Bord der »MS Roald
Amundsen« wird man in den zwei
Wochen gewiss zahlreiche Eindrü-
cke sammeln, die man so schnell
– wenn überhaupt jemals – nicht
vergisst. Denn auf dieser Route reiht
sich Highlight an Highlight …
Von der pulsierenden kanadi-
schen Küstenmetropole Vancou-
ver aus steuert das Schiff die atem-
raubende Wildnis der Misty Fjords
an. Als Teil des Tongass National
Forest sind sie ein unberührter
Küstenabschnitt mit Nadelbäu-
men, tiefen Fjorden und majestä-
tischen schneebedeckten Gipfeln.
Die Berge ragen hier fast senkrecht
über die Fjorde empor und errei-
chen eine Höhe von bis zu 1.000
Metern. Auf den Bergkämmen oder
an den Hängen leben Bergziegen,
Braunbären, Schwarzbären und
Elche, in den Gewässern alle fünf
Arten von Pazifi schem Lachs so-
wie Fluss- und Seeotter, Seelöwen,
Orcas und Weißfl ankenschweins-
wale. Weiter geht es in den Hafen
der historischen Stadt Wrangell, wo
es am Strand alte, in Stein gemei-
ßelte Petroglyphen zu entdecken
gibt, es geht zu den Fjorden Tracy
Arm und Endicott Arm, mit den
größten Tummelplätzen für See-
hunde, und dem »kleinen Norwe-
gen« in Petersburg mit dem Devils
Thumb, der größten Felswand von
ganz Nordamerika. Auch Haines
liegt auf der Strecke, wo im Ver-
hältnis zur Einwohnerzahl mehr
Künstler als in jeder anderen Stadt
im Südosten zu Hause sind, und
so locken die örtlichen Galerien
und Werkstätten mit geschnitzter
Totempfahlkunst, Silberarbeiten,
Skulpturen, Fotografien und aller-
Totempfahlkunst
und Silberarbeiten
hand Kreativem mehr. Ebenso zieht
Haines als »Tal der Adler« zahlrei-
che Weißkopfseeadler an. Damit
aber nicht genug: Denn neben der
Stadt Sitka, die ebenso von den
Einflüssen der russischen Kultur Auf der Weiterfahrt ins moder- Neugierig geworden, aber ange-
wie von der Kultur der Tlingit ge- ne Anchorage können mit hoher sichts der Corona-Pandemie noch
prägt wurde, gehören auch die Icy Wahrscheinlichkeit auch die in zögerlich? Nun, zum einen handelt
Bay, wo drei imposante Gletscher Alaska beheimateten Dall-Scha- es sich bei »MS Roald Amundsen«
riesige Eisschollen in die Bucht kal- fe beobachtet werden. Dafür ist um ein Schiff von angenehm über-
ben, der Prince William Sound mit diese Reise zu gewaltig, zu viel- schaubarer Größe. Im Gegen-
den legendären Ivy-League-Glet- fältig, zu faszinierend – und auch satz zu den riesigen Cruisern mit
Mehr als 3.000 schern und Seward, das Tor zum zu exklusiv. So bietet Hurtigruten nicht selten mehreren Tausend
Flüsse, mehr als Kenai-Fjords-Nationalpark mit ei- Expeditions im kommenden Jahr Passagieren sind es bei »MS Roald
100.000 Gletscher, nem der größten Eisfelder Alaskas auch nur vier Abfahrtstermine an. Amundsen« lediglich 265 Kabi-
zum Programm. In Seward wird Für den »Kurs Nord« von Vancou- nen. Auch steht die Sicherheit der
mehr als drei
schließlich ausgeschiff t, und per Gäste für Hurtigruten Expeditions
Millionen Seen – Transfer geht es nach Anchorage. an erster Stelle. So wurden die
Klare Hygiene-Norm
Alaska muss nicht Unterwegs wird jedoch noch ein- ohnehin bereits hohen Hygiene-
mal im Wildlife Center gestoppt,
und eine erfahrene standards noch einmal erweitert.
nach Superlativen
ein von Bergen und Gletschern deutschsprachige Crew Von allen Gästen und Besatzungs-
haschen, sondern umgebenes Schutzgebiet, in dem mitgliedern wird beispielsweise
setzt sie mit einer sich insbesondere verwaiste oder ver nach Anchorage sind dies der vor Antritt der Reise ein COVID-
atemraubenden verwundete Tiere rehabilitieren 20. Mai 2022 und 13. Juni 2022, für 19-Test mit negativem Ergebnis
Natur. können. Hier sollte man das Fern- den »Kurs Süd« von Anchorage verlangt. Zudem sorgen konse-
glas und/oder den Fotoapparat – nach Vancouver der 31. Mai 2022 quente Reinigungsverfahren an
wie auch sonst auf der Reise – am und 24. Juni 2022. Beide Reisen Bord für eine absolut saubere Um-
besten immer griff bereit haben, mit »MS Roald Amundsen« – übri- gebung. Interne, aber auch externe
denn mit etwas Glück zeigen sich gens eines der weltweit ersten Hy- Kontrollen stellen dies sicher. 
Bären, Bisons, Elche, Karibus, Hir- brid-Expeditionsschiffe (siehe Text
sche, Adler, Eulen, Moschusochsen unten) – versprechen 14 Tage voll Weiteres unter
und eine Vielzahl von Vögeln. mit unvergleichlichen Erlebnissen. www.hurtigruten.de/gesundheit

Tierisch was los

Bären und Bergziegen, Wölfe und
Walrosse, Elche und Moschusochsen
sowie natürlich Weißkopfseeadler und
gleich acht verschiedene Walarten –
Alaska fasziniert durch seine viel-
fältige Tierwelt. Auch bei einer Reise
durch die »Inside Passage« mit Hurtig-
ruten Expeditions wird man feststellen:
Hier ist wahrlich der Bär los!

Nachhaltig auf Kurs

©Adobe Stock/majk101 © Dan Avila

NICOLE MAIBAUM
Atemraubende Natur- und Tier-
welten erleben, ohne diesen zu
schaden – das ist ein großes
lungen sowie ein Gym und ein 150 das nach ihm benannte Schiff ganz
Meter langer Outdoor Running und gar für unvergessliche Expe-
Track?! Natürlich könnte man auch ditionen konzipiert. Daher hat es
von der großzügig gestalteten »Ex-auch nur Außenkabinen, zahlrei-
plorer Lounge & Bar« erzählen, in che davon mit eigenem Balkon,

Anliegen von Hurtigruten
Expeditions. So ist »MS Roald
Amundsen« auch eines der bei-
den weltweit ersten Hybrid-Ex-
VORFREUDE
der man bei einem erlesenen Glas sodass spektakuläre Eindrücke
Wein beste Aussichten hat auf die garantiert sind, die einem gewiss
spektakuläre Fjordküste Alaskas?! nachhaltig in Erinnerung bleiben.
Oder aber man berichtet gleich von Apropos: »MS Roald Amund- RUSSLAND

AUF Alaska
peditionsschiffe. Es ermöglicht dem modernen »Science Center«, sen« punktet nicht nur mit ange- BERING-
STRASSE Nome 66° 3
3′ N
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26
Die G7-Staaten wollen globale Mindeststeuern einführen. Was bedeutet das für ein Land wie die Schweiz?  VON MATTHIAS DAUM
D
ie Empörung klang etwas
aufgesetzt, das Fluchen ge-
gen das böse Ausland rituell.
Ernst Stocker, der gelernte
Landwirt, der heute die Fi-
nanzen des Kantons Zürich
verantwortet, wurde vergan-
gene Woche im Schweizer Radio über die neuen
Steuerpläne der größten Industrienationen der
Welt befragt. Als Antwort polterte er drauflos:
»Es geht hier um einen Angriff auf den Steuer-
standort Schweiz.«
Sein eigener Kanton Zürich wäre gar nicht von
den neuen Regeln betroffen: US-Präsident Joe Biden
und seine G7-Amtskollegen wollen 15 Prozent als
weltweiten Mindestsatz einführen, aber Zürich ver-
langt schon heute von den dort ansässigen Firmen
fast 20 Prozent des Gewinns. Die G7-Pläne sollen
auch nur für Unternehmen gelten, die jährlich mehr
als 750 Millionen Euro umsetzen.
Aber Stocker, ein Politiker der Schweizerischen
Volkspartei, ist gleichzeitig der Chef aller kantonalen
Finanzdirektoren. Deshalb empört er sich mit für
Kantone wie Basel-Stadt, wo die Pharmariesen Roche
und Novartis sitzen, und für Nidwalden und Zug,
deren Steuersätze bei lediglich 13 beziehungsweise
12 Prozent liegen.
Mit den Niedrigsteuern dürfte bald Schluss sein.
Trotzdem bahnt sich eine Entwicklung an, die man
nach dem Protest des Politikers Stocker gar nicht er-
warten würde: Unterm Strich dürfte die Schweiz von
der Biden-Steuer sogar profitieren.
»Wir wollen das Spiel ändern«, kündigte die
amerikanische Finanzministerin Janet Yellen Anfang
April an. Die Staaten sollen nicht länger mit mög-
lichst niedrigen Steuern um Firmen buhlen, sondern
mit ihrer Infrastruktur oder lokalen Fachkräften lo-
cken. Einem solchen Welt-Steuerregime könnte sich
die Schweiz nicht entziehen: Würden internationale
Firmen in der Schweiz trotzdem niedriger besteuert,
müssten Tochter- oder Muttergesellschaften in den
anderen Ländern entsprechend mehr an den Staat
abgeben. So ist es vorgesehen, quasi als Ausgleich.
Joe Biden und Janet Yellen sind den Schweizer
Finanzpolitikern, Bankern und Steuerberatern zwei
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WIRTSCHAFT 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Neue Schlupflöcher gesucht
alte Bekannte. Als die USA in der Finanzkrise von Schweiz ein heftiger innenpolitischer Streit voraus.
2008 ihre taumelnden Banken mit Abermilliarden Aber dass sich das Land den neuen internationalen
Dollar stützen mussten, suchten sie nach Möglich- Spielregeln unterwerfen muss, war unbestritten.
15 keiten, um dieses Geld wieder einzutreiben. Dazu
mussten sie das Schweizer Bankgeheimnis knacken.
Das liegt zum einen am neuen Ton. Peer Stein-
brück, Parteifreund und ein Amtsvorgänger von
Prozent Mit Klagedrohungen gegen Finanzinstitute und den Finanzminister Scholz, wollte noch die »Kavalle-
globale Mindest- schwarzen Listen der Industrieländer-Organisation rie« in die Alpen reiten lassen und so die hinterzo-
steuer planen OECD setzten sie das Land so lange unter Druck, genen Steuern eintreiben. Das kam schlecht an.
führende Politiker bis das Bankgeheimnis fiel. Der Vizepräsident in Aber zum anderen hat die Schweiz auch gelernt,
Washington hieß damals Joe Biden, die Chefin der was sie eigentlich ausmacht. »Wenn weltweit überall
12
US-Notenbank war Janet Yellen. die gleichen Steuern gelten würden, müsste der
Auch ihretwegen beteiligt sich die Schweiz seit Schweiz daraus keinen Nachteil erwachsen«, sagte
2018 gemeinsam mit über 100 weiteren Ländern am zum Beispiel Finanzminister Ueli Maurer, kurz nach-
Prozent sogenannten automatischen Informationsaustausch. dem Biden Ende April die Schweiz in einer Rede vor
beträgt der Banken und Behörden teilen Kundendaten über die dem Kongress als Steueroase bezeichnet hatte und
Steuersatz im Landesgrenzen hinaus, um Steuerflüchtige zu ent- die Pläne seiner Administration erstmals durchsicker-
Kanton Zug decken. Einzig die USA wollen bis heute nur Infor- ten. »Der Wettbewerb wird weitergehen. Die Steuern
mationen erhalten, aber keine rausrücken, obwohl sind nicht das einzige Element«, sagte Maurer.
sie die Transparenzinitiative angezettelt haben. Sie Ein Standort misst sich auch an der guten Infra-
würden sonst ihre eigenen Steueroasen trockenlegen, struktur, den erstklassigen Hochschulen, dem stabi-
etwa den Bundesstaat Delaware. len politischen System, der außerordentlich hohen
Bei der global einheitlichen Gewinnsteuer ma- Lebensqualität. Von allem hat die Schweiz reichlich.
chen nun allerdings alle mit. Die USA und Hoch- Dazu kommt: Der finanzielle Schaden für die
steuerländer wie Frankreich oder Deutschland wollen Schweiz wird mit der neuen Steuerregel nicht allzu
so Löcher stopfen, die die Corona-Krise in ihre groß sein. In einer internen Analyse rechnet das
Haushalte gerissen hat. Finanzministerium mit jährlichen Steuerverlusten
»Das ist eine schlechte Nachricht für Steueroasen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Auch
in aller Welt«, sagte der deutsche Finanzminister Olaf bei den Wirtschaftsverbänden und unter Steuer­
Scholz (SPD). Tatsächlich ist diese »Steuerrevolution« experten gibt man sich relativ gelassen: Von heute
– nochmals Scholz – für die Schweiz ärgerlich. Ihr auf morgen werde keine der betroffenen 200 bis 300
Finanzplatz hat sich nach der Finanzkrise verpflichtet, Firmen abwandern. Wohin auch, das neue Regime
streng gegen Besitzer von Schwarzgeld vorzugehen. soll schließlich in allen westlichen Ländern gelten.
Foto (Ausschnitt): Holly & John/plainpicture
Und erst 2019 hat das Land, wiederum unter aus­ Trotzdem wird schon jetzt eifrig nach neuen
ländischem Druck, seine komplizierten Unter­ Schlupflöchern gesucht. Was ließe sich alles in
nehmenssteuern umfassend reformiert. die 15 Prozent Gewinnsteuern einkalkulieren?
Die OECD, die Europäische Union und die G20 Umweltabgaben, Forschungsaufwände? Das wird
wollten damals nicht länger akzeptieren, dass die aus- schwierig, sagen Experten. Also fordern die Wirt-
ländischen Holdinggesellschaften in der Schweiz auf schaftslobbyisten bereits staatliche Subventionen
Gewinne, die sie im Ausland erwirtschaften, viel für die Unternehmen. So sollen die Kantone einen
weniger Steuern bezahlen müssen als auf Gewinne, Teil der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen,
die sie in der Schweiz machen. Das sogenannte­ wenn eine Firma einen Forscher anstellt. Oder der
Holdingprivileg musste weg, nach mehr als 100 Staat soll direkt Forschung und Entwicklung in
Jahren. Dafür haben die meisten Kantone – als eine den Unternehmen finanzieren, wenn sie in ihren
Steuerlandschaft im Umbruch
Art Ausgleichsmaßnahme – die Gewinnsteuersätze Schweizer Standort investieren.
gesenkt. Dieser Firmensteuer-Reform ging in der Geld dafür hätte die Schweiz genug.
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Indien

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Golf von chinesisches
Bengalen Meer

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Ozean
Indonesien

Australien

Mit Flugzeugträgern wie der »Liaoning« erschreckt China seine Nachbarn Wichtige Abnehmer von Rüstungsgütern deutscher Firmen (in schwarz)

Lukrative Manöver
Militärische Konflikte zwischen der Volksrepublik China und ihren Nachbarländern werden häufiger.
Deutsche Rüstungsfirmen verdienen glänzend daran  VON HAUKE FRIEDERICHS

A
m Dienstag hat Taiwans Luft-
waffe einen Alarm ausgelöst.
Das Radar zeigte 28 Maschi-
nen aus China an, darunter
Bomber und Kampfjets, die
in die Luftverteidigungszone
eindrangen. Abfangjäger wur-
den alarmiert und Boden-Luft-Raketen scharf
gemacht. China erhebt einen Hoheitsanspruch
über Taiwan und schließt eine Eroberung der
24-Millionen-Einwohner-Insel nicht aus. Am
Ende fiel aber kein Schuss.
Trotzdem haben solche militärischen Provoka-
tionen aus China erhebliche Folgen – nicht zuletzt
für die deutsche Rüstungsindustrie. Staaten wie
Singapur, Australien, Südkorea und Indonesien, die
an den Meeren rings um China liegen, gehören zu
den wichtigsten Abnehmern deutscher Rüstungs-
technik, neben Nordafrika und den Nato-Staaten.
Sie kaufen hierzulande Kriegsschiffe, Fahrzeuge,
Radarsysteme und Aufklärungssensoren, um sich
gegen mögliche Aggressionen der Volksrepublik zu
wehren. Wann immer China seine militärische
Macht demonstriert, steigen in der Branche die
Gewinnerwartungen.
Das ist neuerdings häufig der Fall. Im April
kündigte die chinesische Marine zum Beispiel an,
dass sie künftig regelmäßige Manöver vor Taiwans
Küste abhalten will. Im gleichen Monat demons-
trierte die Volksbefreiungsarmee ihre Stärke vor der
japanischen Küste: Der chinesische Flugzeugträger
Liaoning kreuzte in unmittelbarer Nähe der japa-
nischen Fünf-Meilen-Zone und dem US-Marine-
beschränkungen gibt wie in anderen Wachstums-
regionen der Kriegswirtschaft, zum Beispiel Libyen
und Syrien.
Im Gegenteil: Das Aufrüsten ist politisch er-
wünscht. Bereits im Dezember 2020 hatten sich die
Nato-Außenminister zu einer Arbeitssitzung zu
China getroffen. Auch Vertreter aus Australien,
Japan, Neuseeland und Südkorea nahmen daran
teil. Die Außenminister vereinbarten, »die Resilienz
von Alliierten und Partnern« in der Pazifik-Region
weiter zu stärken, was in der Diplomatensprache
heißt, den Verbündeten beim Aufrüsten zu helfen.
Diesen Kurs trägt auch die deutsche Regierung
mit. In seinen im Sommer 2020 erstmals erlassenen
»Leitlinien zum Indo-Pazifik« spricht das Aus-
wärtige Amt »von stark zunehmenden Rüstungs-
dynamiken« in der Weltregion. Im »Lichte der je-
weiligen Bedarfslage« sollen »weitere Länder des
Indo-Pazifiks in die Ertüchtigungsinitiative« ein-
bezogen – also deren Streitkräfte mit Rüstungstech-
nik aus Deutschland unterstützt – werden. Zu den
Partnern des Westens in der Region gehören vor
allem Südkorea, Japan, Australien und Taiwan. An
diese Staaten dürften die Exporte weiter steigen.
Unterseeboote aus Kiel sind weltweit für
ihren lautlosen Antrieb bekannt
So verkündete Rolls-Royce Power Systems mit
Hauptsitz in Friedrichshafen im April, dass bis
Ende 2022 sechs Motoren nach Taiwan ausge­
liefert werden. Dort baut die Werft CSBC­
Corporation die Antriebe in neue Patrouillen-
berichtet es das Rüstungsfachblatt Janes. Die Deut-
schen hätten dort für die Beschaffung von U-Booten
des Typs 214 geworben.
»Was sich gerade in Asien zusammenbraut, droht
für die Menschheit zum perfekten Sturm zu werden«,
sagt Alexander Lurz, Greenpeace-Sprecher für Frieden
und Abrüstung. Für die deutsche Rüstungsindustrie
hingegen sei es »das perfekte Geschäft: Großmächte
auf Konfrontationskurs, zahlreiche Brandherde, und
die Beteiligten sind auch noch finanzkräftig.« Verant-
wortlich dafür seien zu laxe Vorgaben der beteiligten
Ministerien: »Eine verantwortungsvolle Bundesregie-
rung würde der Industrie Mäßigung bei der Geschäfts-
akquise nahelegen.« Doch das sei nicht der Fall.
Beispiel Taiwan: Bereits 2018 und 2019 geneh-
migte die Bundesregierung Ausfuhren von Kompo-
nenten für U-Boote und Kriegsschiffe dorthin. Im
ersten Halbjahr 2020 gab sie zudem den Export von
Rüstungstechnik in Höhe von 36,5 Millionen Euro
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frei. Die Namen der Produzenten und die genauen
Produkte nennt das zuständige Bundeswirtschafts-
ministerium nicht.
Zwei weitere Profiteure sind jedoch bekannt. Die
Gabler Maschinenbau GmbH aus Lübeck liefert Kom-
ponenten wie Ausfahrgeräte für den U-Boot-Bau.
»Unsere Exporte in den Pazifikraum machen circa
20 Prozent des Umsatzvolumens aus«, teilt Gabler mit.
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 90 Pro-
zent der koreanischen U-Boot-Flotte ausgerüstet, und
weitere Aufträge wurden in Aussicht gestellt. Seit dem
vergangenen Jahr betreibt Gabler seine Website auch
auf Koreanisch. Eine Weltkarte auf der Homepage
zeigt »Länder mit Gabler Naval Technologie in ihrer
U-Boot-Flotte«. Darunter sind die üblichen Abneh-
mer: Indien, Pakistan, Taiwan, Südkorea, Singapur
und Indonesien.
Eine ähnlich illustre Kundenliste nennt Atlas Elek-
tronik aus Bremen für seine U-Boot-Sensoren: Indien,
Indonesien, Pakistan und Südkorea stehen darauf. Für
den Markt in Südostasien hat Atlas Elektronik eine
eigene Tochter in Delhi gegründet. Atlas Elektronik
India unterstütze die Verkaufsaktivitäten der Gruppe
in Indien und Südkorea, teilt das Unternehmen mit.
Bald will die deutsche Marine sogar selbst Prä-
senz im Pazifikraum zeigen. Die Fregatte Bayern
wird im Sommer eine sechsmonatige Reise begin-
nen, die auch ins Südchinesische Meer führen soll.
Zu den Aufgaben des Kriegsschiffes gehört es nach
Auskunft der Bundesmarine, für die Freiheit der
Seewege einzutreten und die Partner in der Region
zu stärken. Auf eine Durchfahrt der Straße von
Taiwan verzichte man aber, teilte jüngst das Vertei-
digungsministerium mit.
China sieht diesen Seeweg als sein Hoheitsgebiet
an. Die deutschen Rüstungsexporte nach Taiwan
und in andere Staaten der Region verärgern die Re-
gierung in Peking wohl schon genug.

stützpunkt Okinawa. Liaoning ist ein Monster von
einem Schiff, das 2012 seine Jungfernfahrt hatte,
seit 2017 ist mit Shandong noch ein weiterer Träger
dieser Klasse fertig. Bis 2039 sollen mindestens drei
weitere zur Flotte stoßen. Über 260 Milliarden
US-Dol­lar gab die Volksrepublik allein 2019 für
Rüstung aus, hat das Internationale Kon­ver­sions­
zentrum Bonn (BICC) ausgerechnet. Sie liegt auf
Reporter
boote für die taiwanesische Küstenwache ein.
Mit der Werft verbinde den deutschen Antriebs-
bauer »eine langjährige Kunden-Lieferanten-­
Beziehung«. Rolls-Royce Power Systems liefert
fertige Produkte und leistet auch technische Un-
terstützung, etwa bei der Projektplanung künfti-
ger Systeme.
Doch das ist längst nicht alles. Bis 2027 will die

Platz 2 hinter den USA.
Torpedos und Radarsysteme made in
Germany sind seit Jahren im Einsatz
Spätestens diese Woche steht chinesische Aufrüs-
tung wieder im Fokus der westlichen Politik: Auf
dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der 30
Nato-Staaten an diesem Montag in Brüssel sprach
US-Präsident Joe Biden von »neuen Herausforde-
rungen« im Umgang mit China und Russland.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte in
einem Interview mit dem kanadischen Sender CBC,
China habe den zweithöchsten Verteidigungsetat,
die größte Marine der Welt und investiere massiv in
neue militärische Ausrüstung. Die chinesischen
Fortschritte etwa bei den autonomen Waffensyste-
men und der künstlichen Intelligenz könnten »die
Natur der Kriegführung auf eine Art verändern,
wie wir sie noch nicht gesehen haben«. Das be-
treffe »unsere Sicherheit«, sagte Stoltenberg.
Vor Ort im Pazifikraum ziehen die Staaten be-
reits Konsequenzen und investieren in Waffen und
Verteidigungsprodukte. U-Boot-Komponenten,
Torpedos und Radarsysteme made in Germany sind
dort bereits seit Jahren im Einsatz, und mit Chinas
Aufrüstung steigt der Bedarf. 2019 genehmigte die
Bundesregierung Rüstungsausfuhren von mehr als
1,2 Milliarden Euro in den Pazifikraum.
Neuere Zahlen hat die Regierung in Berlin noch
nicht vorgelegt, die Konzerne schweigen meist zu
ihrer Auftragslage, aber aus vertraulichen Gesprä-
chen ist überall in der Branche zu erfahren: Die
Umsätze werden steigen und relativ gesehen auch
wichtiger. Ein Vorteil für die Lieferanten liegt darin,
dass es für den Pazifikraum kaum Waffenexport-
gesucht
taiwanesische Küstenwache 141 neue Schiffe bauen
lassen. »Viele davon werden mit mtu-Motoren der
Baureihen 4000 und 8000 fahren – und damit die
bestehende Flotte von Schiffen der taiwanesischen
Küstenwache mit mtu-Motoren deutlich vergrö- (m/w/d)
ßern«, heißt es bei Rolls-Royce Power Systems. »Im
Pazifikraum gehören zu unseren Kunden unter
anderem Behörden und Streitkräfte in Australien,
Japan, Singapur und Südkorea. Die Küstenwachen
und Navies dieser Länder verfügen ebenfalls über
Schiffe mit mtu-Motoren.«
Auch die Daegu, eine moderne Lenkwaffen-
Fregatte der südkoreanischen Marine, wird von
mtu-Technik aus Friedrichshafen angetrieben. Das Stories schreiben, die nachhallen. Etwas bewegen. Von den Besten der
122 Meter lange Kriegsschiff wurde 2018 in Dienst Branche lernen. Sich ein Jahr ohne Kompromisse dem Schreiben widmen.
gestellt, sieben weitere könnten folgen. Neue Be-
stellungen von mtu-Motoren sind damit wahr- Idealismus und Abenteuer. Du hast erste Erfahrungen im Journalismus
scheinlich. Und dann ist da noch der Kunde Indien: gesammelt, jetzt willst du vorankommen, als Mensch, als Autor:in.
mtu-Motoren der Baureihe 8000 seien in allen
Hochseepatrouillenschiffen installiert, die in den
vergangenen Jahren in Indien gebaut wurden, heißt
es beim Hersteller.
So profitieren Unternehmen vom Bodensee bis
in den Norden vom Rüstungswettlauf in Fernost. Bist du bereit für
Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) aus Kiel
hat vier U-Boote an Singapur verkauft. Die Unter- die Reportageschule Jetzt bis zum
seeboote aus Kiel sind weltweit für ihren lautlosen
Antrieb bekannt. Bei einer Übung mit der amerika- in Reutlingen? 15. August
nischen Flotte tauchte ein deutsches Boot einmal
ganz in der Nähe eines Flugzeugträgers auf – ohne bewerben
dass die Amerikaner die Deutschen entdeckt hatten.
Im Gegensatz zu den riesigen Atom-U-Booten sind reportageschule.de
die U-Boote von TKMS kleiner und für den Einsatz
im flachen Küstengewässer geeignet.
Im Frühjahr war eine Delegation von TKMS
zudem in der indonesischen Hauptstadt Jakarta, so
28
Foto: Lebensbaum
Bald müssen große Unternehmen prüfen, ob ihre Lieferanten Menschenrechte verletzen. Einige kleine Firmen tun das heute schon freiwillig  VON JONAS GERDING
B
eim Rucksackhersteller Deuter be­
gann das Umdenken schon vor
zehn Jahren. Damals berichtete die
»Kampagne für Saubere Kleidung«
über skandalöse Arbeits­be­din­gun­
gen bei den Zulieferern großer
Outdoor-Marken: miserable Löh­
ne, Überstunden ohne Ende, keine Mitbestim­
mungsrechte für die Arbeiterinnen und Arbeiter.
Deuter selbst hat es damals nicht erwischt, es
gab keine Enthüllungen über das Unternehmen. Auf­
gewacht ist es trotzdem und hat begonnen, sich
seine Zulieferer genauer anzuschauen. »Das war ein
schmerzhafter Prozess für beide Seiten«, erzählt ­Marco
Hühn. Er ist bei dem Mittelständler für unternehme­
rische Verantwortung zuständig. »Deuter musste sich
eingestehen, dass doch nicht alles so ist wie erhofft.«
Obwohl das Unternehmen aus Gersthofen bei Augs­
burg bei manchen Textilfirmen seit zwei Jahrzehnten
seine Rucksäcke einkaufte, hatte es sich nicht überall
mit den Verhältnissen vor Ort beschäftigt.
Um das zu ändern, ist Hühn in den vergangenen
Jahren viel durch Asien gereist. Zum Beispiel zu einer
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„Ich liebe es, Metall und meiner Firma
eine besondere Form zu geben.“
Fördern, was NRW bewegt.
Melanie Baum, Geschäftsführerin Baum Zerspanungstechnik,
fertigt anspruchsvolle Dreh- und Frästeile nach Kundenwunsch –
mit zufriedenen Mitarbeitern und modernen Maschinen. Die nötige
Finanzierung ermöglichte ihr die NRW.BANK.
Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/baum
ZEIT für Unternehmer
Gute Bohne
Färberei in China. »Das war dort unter aller Kano­
ne«, sagt er. Stoffe seien mit per- und polyfluorierten
Chemikalien wasser- und schmutzabweisend ge­
macht worden. Diese sogenannten PFC werden
später nicht nur über die Outdoor-Rucksäcke in der
Natur verteilt, sie schaden auch der Gesundheit der
Arbeiter. »Die Stoffe waren nicht richtig gelagert, Ar­
beiter haben mit Handschöpfkelle das PFC in die
Maschinen gegeben«, sagt Hühn. »So eine Fabrik
kannst du gar nicht mehr in der Lieferkette haben.«
Tatsächlich gab es Fälle, da blieb Deuter nur der Ab­
bruch der Geschäftsbeziehungen. Seit 2020 sind alle
Deuter-Produkte PFC-frei.
Die Firma macht freiwillig, wozu die Bundes­
regierung nun Unternehmen in Deutschland zwin­
gen wird: sich genauer mit den Zuständen bei den
Lieferanten zu beschäftigen und Fragen zu stellen.
Etwa: Arbeiten dort Kinder? Erhalten die Arbeiter
gleichen Lohn für gleiche Arbeit? Sind sie vor Ge­
fahren ausreichend geschützt? Ab 2023 müssen
Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern ih­
ren Zulieferern diese Fragen stellen, ab 2024 sind
auch solche mit über 1000 Mitarbeitern betroffen.
WIRTSCHAFT
Das Gesetz, das offiziell Sorgfaltspflichtengesetz
heißt, verlangt von den Firmen, das Risiko von Ver­
stößen bei ihren Zulieferern zu analysieren und
Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen vorzubeugen
oder Abhilfe zu schaffen. Das gilt für ihre direkten
Lieferanten und im Falle von konkreten Anhalts­
punkten auch bei den Lieferanten der Lieferanten
und gegebenenfalls sogar bei deren Lieferanten.
Deuter fällt mit seinen 120 Mitarbeitern in
Deutschland nicht unter das Gesetz, kümmert sich
aber dennoch – nicht zuletzt, um seinen guten Ruf
zu schützen. Allein ist die Firma damit nicht. Zu
den Vorreitern gerade bei den kleineren Firmen ge­
hören oft Bio-Unternehmen, die sich bereits früh im
Ausland nach fairen Waren umschauten.
Etwa die Ulrich Walter GmbH, die die Marke
Lebensbaum vertreibt. Zum Verbund gehört auch
die Kaffeerösterei Niehoff. Deren Geschäftsführer
Thomas Busjan reist mindestens einmal im Jahr
nach Mexiko. Er trifft dann Menschen, die dort die
Kaffeebohnen pflücken. »Wer den Ursprung kennt,
der hat die Dinge anders im Fokus«, sagt er, per Vi­
deo zugeschaltet aus dem westfälischen Gronau.
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Lebensbaum gibt es seit Ende der 1970er-
Jahre. Busjans Vorgänger hatten sich vergeblich
nach fair und ökologisch erzeugtem Kaffee umge­
schaut und sich dann selbst auf den Weg gemacht,
erzählt er. »Die beiden haben sich in den Flieger
nach Mexico City gesetzt und sich dann nach und
nach durch die Kaffee-Region gearbeitet.« Von
manchen der Kooperativen und Farmen lässt sich
die Firma seit nun über 40 Jahren beliefern.
Heute verkauft der Unternehmensverbund
über den Bio-Fachhandel und einen Internet­
shop Kaffee, Gewürze und Tee. Also Produkte
aus Regionen, in denen oftmals auch Kinder
bei der Feldarbeit mit anpacken, Arbeiter
sitten­widrige Löhne erhalten und nicht aus­
reichend vor Unfällen geschützt sind. Die Kun­
den von Lebensbaum vertrauen jedoch darauf,
dass Busjan sein Versprechen einhält und Kaf­
fee verkauft, der dem selbst erklärten Anspruch
gerecht wird, »ökologisch« und »sozial« zu sein.
Darauf beruht das Geschäftsmodell. In Ko­
lumbien unterstützt das Unternehmen daher
etwa Kaffeebauern mit Schulungen oder in In­
dien Teepflücker mit Abnahmegarantien.
Durch den engen Kontakt zu den 15 Produ­
zenten in den Anbauländern will Busjan in der
Lage sein, Missstände zu entdecken und zu behe­
ben – so, wie es das Lieferkettengesetz vorsieht.
In Mexiko zum Beispiel hat es länger Probleme
gegeben: »Ursprünglich haben die Saisonarbeiter
ihre Kinder immer mit in die Felder genommen,
gar nicht zum Arbeiten, sondern damit sie unter
Aufsicht waren.« Lebensbaum hat daher den Bau
einer Kinderkrippe und einer Schule finanziert
und bezuschusst deren Betrieb, hat außerdem
einen Schulbus für den Weg zur weiterführenden
Schule angeschafft. Und das als Mittelständler mit
gerade mal 200 Beschäftigten.
Bei Unternehmen wie Deuter und Lebens­
baum ist das Image für den Endkunden wichtig.
Haas Magnettechnik hingegen, ein Wiesbadener
Familienunternehmen, 21 Mitarbeiter, beliefert
Industriekunden. Außerdem ist in den Magneten,
die in Form von Folien, Bändern, Taschen und
Greifwerkzeugen die Fabrikhallen verlassen, ein
umstrittenes Metall der seltenen Erden verbaut:
Neodym, begehrt für seine unschlagbare Energie­
dichte. Dennoch steht auf der Homepage der
Firma seit Wochen: »Das Lieferkettengesetz kann
kommen.«
Christopher Haas hat die Firma 2013 mit 38
Jahren von seinem Vater übernommen. Nach­
haltiges, vor allem auch soziales Wirtschaften,
das sei ein möglicher Wettbewerbsvorteil, dach­
te er sich damals. Also fragte er unter anderem
seinen Zulieferer in China nach dem Ursprung
des Neodyms. »Betretenes Schweigen« sei die
erste Reaktion gewesen, dann hätten seine Ge­
schäftspartner erklärt, dass die Metallschmelzen
noch erkundet werden könnten, zu den Minen
jedoch kein Zugang bestünde. Durch eine
Internet­recherche wusste Haas jedoch von mög­
lichen Missständen vor Ort. »Beim Abbau von
Neodym werden radioaktive Stoffe freigesetzt.
Manchen Berichten zufolge sind Arbeiter da nur
durch Gummistiefel geschützt, das Material wird
mit einer Säure aus den Steinen rausgeholt«, sagt
er. »Von A bis Z ist da alles dabei, auch Kinder­
arbeit, Umweltverschmutzung, Menschenrechts­
verletzungen.« Nur: Ob das Neodym aus einer
solchen Mine kommt oder aus einer besser geführ­
ten, das konnte Haas nicht in Erfahrung bringen.
Nach dem Lieferkettengesetz ist ein Unter­
nehmen verpflichtet, auch bei den Zulieferern
der eigenen Lieferanten gegen Menschen­
rechtsverstöße vorzugehen – allerdings müssten
sie dafür schon ganz konkrete Anhaltspunkte
haben. Ob die bei Haas’ eher grundsätzlichem
Verdacht vorliegen, ist zu bezweifeln. Aber
selbst wenn: Was müsste ein Unternehmen
tun, um dann seiner Sorgfaltspflicht nachzu­
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Das Unternehmen
Lebensbaum verspricht
seinen Kunden, dass
auch bei den
Kaffeebauern hohe
Standards eingehalten
werden
kommen? Da formuliert das Gesetz recht un­
scharf: Zum Beispiel solle es Kontrollen durch­
führen, die Zulieferer unterstützen, dem Risiko
vorzubeugen oder es zu vermeiden – es könnte
aber auch einfach einer entsprechenden Initia­
tive beitreten.
Haas sagt: »Jenseits des unmittelbaren Zuliefe­
rers hört mein Einfluss auf.« Eine 100 Prozent
saubere und sichere Lieferkette hält er für schwie­
rig, insbesondere, weil China mit 70 Prozent den
Markt der seltenen Erden beherrsche. »Da bin ich
pragmatisch«, sagt er und plädiert für Ehrlichkeit.
»Ich kann Kunden sagen, was wir in den Liefer­
ketten haben, ich kann sagen, was wir ändern
können – aber auch, was wir nicht können.«
Auch Deuter musste sich vor zehn Jahren erst
einen Überblick verschaffen. Das Unternehmen hat
zwei Hauptlieferanten mit Fabriken in Vietnam,
Myanmar und China. Bei ihnen wird das End­
produkt, Rucksäcke beispielsweise, geschnitten und
vernäht. Von da verästelt sich die Lieferkette, in
Firmen, die Stoffe weben, färben und vorverarbeiten.
Heute kennt der Rucksackhersteller seine rund 50
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AKTUELLEN AUSGABE:
Elektroautos:
Die Chinesen
kommen
AB FREITAG IM HANDEL
Zulieferer und Sublieferanten bis zu den Spinnereien.
Ob diese auch saubere Rohstoffe einkaufen, über­
prüft Deuter nicht selbst, sondern verlässt sich auf
Zertifikate.
Die Kosten für die Sorgfaltspflichten seien schwer
zu beziffern, sagt Hühn, schätzt aber, dass sie 10 bis
15 Prozent vom Verkaufspreis eines Rucksackes aus­
machen. Das lohne sich: »Das hat seine positiven
Aspekte, weil die Lieferanten sehen, dass wir bereit
sind, langfristig mit ihnen zusammenzuarbeiten und
sie weiterzuentwickeln.« Der vietnamesische Zu­
lieferer zum Beispiel sei vor 25 Jahren mit ein paar
Nähmaschinen auf einem ehemaligen Flughafen­
gelände gestartet. Durch die Partnerschaft mit Deu­
ter habe er sich zu einem zertifizierten Zulieferer
gemausert, beschäftige heute 3800 Menschen. In
Deutschland falle er ab dem nächsten Jahr selbst
unters Lieferkettengesetz.
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DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 WIRTSCHAFT 29

ZEIT für Unternehmer

Foto: Moment/Getty Images

Grünes Bier
Die Brauerei Härle aus
dem Allgäu ist der
größte Hersteller von
Bio-Bier in Baden-
Württemberg und
hat auch in der
Verarbeitung von
Hopfen CO₂ reduziert

Zwei Allgäuer Unternehmer werden zu Pionieren im Klimaschutz. Der Weg dahin war gar nicht so schwer  VON CAROLYN BRAUN

L
eutkirch im Westallgäu. Einge- gangenen zehn Jahren niemanden überzeugen auch fest: Heute seien die kritischen Stimmen leiser nen vermeiden. Und es brauche eben auch Ver- Weber. Für den Brauer Härle hat sich das gerechnet.
bettet in die grünen Hügel der können, diesem Beispiel zu folgen. Die meisten geworden, die Stimmung drehe sich. braucher, die lieber bei klimaneutralen Produzen- Dafür brauchte es aber Zeit. Vor fast 20 Jahren hat er
Voralpen, im Hintergrund die Investitionen in den Klimaschutz rechnen sich Will man aber den gesamten Mittelstand­ ten einkaufen. auf Bio umgestellt, heute profitiert er davon. Wäh-
Silhouetten des Hochgebirges. laut Hetzer zwar auch betriebswirtschaftlich, begeistern, brauche es finanzielle Anreize, wie die »Wir müssen das so sehen: Es werden endlich rend der Biermarkt schrumpft, wächst dieses Seg-
Eine denkmalgeschützte Alt- nach ein bis vielleicht auch mal fünf Jahren. Das CO₂-Steuer, sagt Härle, die jenen Unternehmen Firmen belohnt, die sich wirklich um Reduzierung ment – und seine Brauerei ist inzwischen der größte
stadt, gut 11.000 Einwohner dauert den meisten aber wohl zu lange. Vorteile verschafft, die klimaschädliche Emissio- ihres CO₂-Fußabdrucks bemühen«, sagt Eicke­ Hersteller von Bio-Bier in Baden-Württemberg.
und gleich zwei Unternehmen, Eine höhere CO₂-Steuer könnte als Beschleu-
die sich guten Gewissens klimaneutral nennen niger für den Klimaschutz wirken: »Wir müssen ANZEIGE
können: die Traditionsbrauerei Härle und der Emissionen hoch bepreisen«, fordert Hetzer.
Sensorik-Hersteller elobau. Denn: »Wir zahlen für unseren Abfall oder unser
Wenn sich in einer Kleinstadt in Baden- Abwasser, das sind wir gewöhnt. Warum sollte
Württemberg gleich zwei ökologische Vorreiter der Ausstoß von CO₂ gratis sein?« Aktuell liegt
finden, ist die Lage vielleicht doch nicht so düs-
ter, wie eine aktuelle Studie der Technischen
die CO₂-Steuer bei 25 Euro pro Tonne, bis 2025
soll sie auf 55 Euro steigen. Das reiche bei Wei-
vr.de
Universität Dresden im Auftrag des Rats für tem nicht, findet er.
Nachhaltige Entwicklung schätzt: Demnach fris- Selbst der Bundesverband mittelständische
teten mehr als drei Millionen deutsche Unter- Wirtschaft (BVMW) stärkt den Unternehmer in
nehmen »eher ein Schattendasein im Hinblick dieser Ansicht. Zumindest dessen Kommission
auf ihre Nachhaltigkeitsorientierung« – bei für Energie und nachhaltiges Wirtschaften. Die-
knapp 3,3 Millionen Firmen in Deutschland im ser Kommission sitzt Eicke Weber vor, ein
Jahr 2019 ein vernichtendes Urteil. Dabei sei der 72-jähriger Physiker, der bis 2016 Leiter des
Mittelstand wegen kurzer Entscheidungswege Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme
und langfristiger Planungshorizonte »prädesti- war und in dieser Funktion Mitglied und auch
niert dafür, von der Energiewende zu profitie- Senator in dem Verband ist.
ren«, sagt Katharina Reuter, Geschäftsführerin
beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft »Warum sollte der Ausstoß von CO₂
(BNW). Sie glaubt sogar, dass der Mittelstand gratis sein?«, fragt der Unternehmer
bei dem Thema viel weiter sei als die Politik und
viele Verbände. Und der warnt keineswegs vor den katastrophalen
Tatsächlich ist Eigennutz ein gutes Motiv fürFolgen für die kleinen und mittleren Unternehmen
Klimaschutz. Und doch waren die Beweggründe durch steigende CO₂-Preise, sondern sagt: »Wie
der Pioniere in Leutkirch anfangs ganz andere. weit die Energiekosten durch steigende CO₂-­Preise
Michael Hetzer von elobau war 2009 nach oben gehen, hängt ja davon ab, inwieweit die
getrieben von der Angst vor dem Klimawandel Unternehmen CO₂-freien Strom kaufen, ihre
und seinen Folgen. Der 53-Jährige, dessen Energieeffizienz verbessern und auf CO₂-freie
Vater die Firma 1972 gegründet hatte, erinnerte Energieträger umsteigen.« Weber wäre kein Ver-
sich an bis zu anderthalb Meter Schnee in seiner bandsvertreter, wäre er mit allen energiepolitischen
Allgäuer Kindheit, die er schon lange nicht Entscheidungen einverstanden. Er kritisiert bei-
mehr erlebt hatte. Deshalb wurde der heutige spielsweise die seit 2014 geltende anteilige EEG-
Beiratsvorsitzende der Holding der elobau- Umlage auf den Eigenverbrauch, die sogenannte
Gruppe aktiv. Sonnensteuer, die den Mittelstand unfair belaste,
Sein Unternehmen fertigt Sensorik, Sicher- oder widersprüchliche gesetzliche Vorgaben rund
heitstechnik und Bedienelemente für Maschi- um Ladeinfrastrukturen, die Unternehmen entmu-
nenbauer und Nutzfahrzeughersteller. Ein Spe- tigten, eigene E-Ladesäulen aufzustellen. Seine

eht
zialist wie viele andere in Baden-Württemberg – Analyse: »Die momentane Gestaltung des Strom-
und doch ein ganz untypischer Unternehmer,
der sagt: »Da muss man halt auch zwischendurch
markts nimmt zu viel Rücksicht auf fossile Strom-
versorger, die nicht willens sind, sich an die verän-

un g e n t s t
bereit sein, auf zwei, drei Prozent Umsatzrenditederten Bedingungen anzupassen.«

e B e ra t
Gut
zu verzichten.« Die Ökologisierung seines­ Das kann man Gottfried Härle nicht vorwer-

ch
Betriebs wuchs hingegen schnell. 2009 startete

o
fen. Der Leutkircher ist in vierter Generation

n d n
das Unternehmen, und schon seit 2010 »liefern Chef der 1897 gegründeten Brauerei Clemens

wir unseren Kunden bis vors Werktor ein klima-
neutrales Produkt – und das, obwohl sie es nicht
bestellt haben«. Hetzer hält sich an den Grund-
g . U
Härle, 35 Beschäftigte, rund sieben Millionen
Euro Umsatz, die Produktion ist seit 2009 kli-
maneutral. Für den Vertrieb gilt das nicht, denn

im D ia lo
ek t .
satz »vermeiden, vermindern, kompensieren«. die zwölf Lastwagen gibt es nicht als zuverlässige
E-Varianten. 23 Euro pro Tonne CO₂ zahlt er

r im D ial
besse
Selbst der Fahrtweg der Mitarbeiter wird deswegen, freiwillig, 10.000 Euro pro Jahr –­
in der Klimabilanz berechnet dabei könnte er die Zertifikate für einen Bruch-
teil davon bekommen.
Der erste Schritt ist dabei immer die Klimabi- Das sind sie wieder, die drei Schritte: vermei-
lanz, nach der 80/20-Regel. Denn einer Faustre- den, vermindern, kompensieren. Nur die absolut
gel zufolge sorgen 20 Prozent der Einflussfakto- unvermeidbaren Emissionen sollten mit Geld
ren für 80 Prozent der Wirkung. Hetzer hat als kompensiert werden, findet auch er. Denn die
Erstes seinen Strombezug überdacht, eine Solar- Zertifikate sind inzwischen so günstig, dass die
anlage installiert und auf Ökostrom umgestellt. Wettbewerbszentrale mit Abmahnungen und
Nur da, wo es gar nicht anders geht, sollte der Unterlassungsklagen gegen Firmen vorgeht, die Wer aus derselben Region kommt, spricht die gleiche
CO₂-Fußabdruck des Unternehmens mit einge- sich als »klimaneutral« bezeichnen, obwohl sie Sprache. Genau wie unsere Mitglieder, Kundinnen und
kauften Zertifikaten kompensiert werden: Im ihre Emissionen nicht verringert haben. Kunden sind wir tief in der Region verwurzelt und
Falle von elobau sind das die Einkaufsteile, die Gottfried Härle hingegen hat 2008 eine Feue- kennen als mittelständische Banken die Bedürfnisse der
derzeit nicht klimaneutral zu haben sind. Aber rungsanlage für Holzhackschnitzel errichten las- regionalen Unternehmen besonders gut. Wir beraten
auch die Frage, mit welchem Verkehrsmittel die sen, mit einer Kapazität von knapp 800 Kilowatt, authentisch und auf Augenhöhe und bringen ge-
meinsam den Fortschritt dorthin, wo er am schönsten
Mitarbeiter zur Arbeit kommen, spielt eine­ dem Wärmebedarf von etwa 80 Einfamilien-
ist: direkt vor die eigene Haustür.
Rolle. Danach, wie sie in die Firma gekommen häusern. Damit hat er die vorherige Ölfeuerung
sind, werden sie jeden Morgen beim Stempeln mit einem jährlichen Verbrauch von rund
gefragt – anonym natürlich. 120.000 Liter Heizöl ersetzt und spart damit 350
Mit seiner Haltung ist Hetzer ein Unikat Tonnen CO₂.
»Was hat es gekostet? Und was hat es gebracht?«, Gleich nachdem er Anfang der Neunziger-
das seien die ersten beiden Fragen, die ihm­ jahre als Juniorchef in die Brauerei einstieg, ver-
Unternehmerkollegen in der Regel stellten. Und: öffentlichte er, wie viel Abfall sie verursachte.
Auch wenn er vorrechnen könne, dass es mehr »Der junge Härle macht die Brauerei kaputt«,
gebracht als gekostet habe, habe er in den ver- habe es damals geheißen, erzählt er, stellt aber
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AM WASSER
| Ein
| Ein
Spezial
Spezial
desdes
Zeitverlags
Zeitverlags 2

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AM WASSER
Ahoi, neues Wohnglück!
NICOLE MAIBAUM
Beispiele finden sich deutsch- Wunsch vom Wohnen am Wasser.
landweit: Sei es etwa in Düs-
seldorf der Kaiser-Friedrich- in der Hand den Blick über das
Ring im Stadtteil Oberkassel beruhigende Blau schweifen las-
mit seiner direkten Rhein-
lage, in Hamburg die Stadt-
teile Harvestehude und Pö-
seldorf in unmittelbarer Nähe Plätschern hören, den Horizont
zur Alster oder in Berlin der im Blick ein Gefühl von Weite
noble Villenvorort Wannsee
im Bezirk Steglitz-Zehlendorf
– in allen genannten Vierteln
erzielen Wohnimmobilien
seit Jahrzehnten Spitzenwerte
und unterliegen mit ihrem
Ausnahmestatus aufgrund
ihrer außergewöhnlichen
Lage nicht nennenswerten
Wertschwankungen. Gleiches
gilt für Domizile an Nord- und
Ostsee. Wohnen am Wasser
hat in seiner Exklusivität eine
Tradition, die aufgrund aktu-
eller attraktiver Neubaupro-
jekte auch in Zukunft Bestand
haben wird.
Es baut sich etwas zusammen
und dies im ganzen Land. Ange-
sichts der ungebrochen hohen
Nachfrage nach attraktivem
Wohnraum, und dies insbeson-
dere in Großstädten, geben die
Kommunen mächtig Gas. So
wurden beispielsweise in Ber-
lin im vergangenen Jahr rund
20.500 neue Baugenehmigungen
für Wohnungen erteilt, in Mün-
chen waren es um die 11.500, in
Hamburg mehr als 10.100, in Köln
mehr als 3.600. Insgesamt ge-
nehmigten die Bauämter im Jahr
2020 den Bau von rund 368.400
Wohnungen. Ausgehend von
einem ohnehin bereits hohen
Niveau wurden damit nochmals
2,2 Prozent mehr Wohnungen ge-
nehmigt als im Vorjahr. Auffällig
bei all den regen Bautätigkeiten:
IMPRESSUM Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: ZEIT Verlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Helmut Schmidt Haus, Speersort 1, 20095 Hamburg Geschäftsführung: Dr. Rainer Esser Art Direction: Kay Lübke, Dietke Steck Realisierung:
TEMPUS CORPORATE GmbH – Ein Unternehmen des ZEIT Verlags; Projektmanagement: Elena Matinski; Grafik: Sonja Feldkamp; Redaktion: Nicole Maibaum, Lektorat: Egbert Scheunemann; Bilder: iStockphoto.com – Dedy Setyawan / golero
Produktmanagement: Alexandra Franz Chief Sales Officer ZEIT Verlagsgruppe: Áki Hardarson Sales Director Public Sector & Finance: Katharina Laabs, Tel.: 040 / 32 80 4763, katharina.laabs@zeit.de; Anzeigenpreise: Preisliste Nr. 66 vom 1.1.2021
Etliche der aktuellen Projekte ver-
wirklichen den weitverbreiteten
sogar mit dem eigenen kleinen
Boot eine Runde drehen oder zur
Morgens mit der Kaffeetasse
Entspannung die Angel auswer-
fen: Wohnen am Wasser – ob in
einer Ferienimmobilie direkt an
den deutschen Küsten, in einer
sen, an heißen Sommertagen
die Beine im erfrischenden Nass
Villa am See, einem Hausboot auf
dem Kanal oder einer modernen
kühlen, in der Stille das seichte
Wohnung im Mehrparteienkom-
plex mit eigenem Bootsanleger
– ist nicht nur ein enormes Plus
und Freiheit spüren, vielleicht in puncto Lebensqualität, son-
dern auch laut Expertenmeinung
ein wertstabiles Investment. So
hat Catella Research vor einigen
Monaten die Wasserlagen in der
Republik einmal genauer unter
die Lupe genommen. Konkret be-
»Die Wert- trachtete Catella Research in der
steigerungen von Analyse zum einen ehemalige in-
Wasserlagen sind dustriell genutzte Hafenanlagen,
die zum Wohnen umgenutzt wer-
im Schnitt sogar den, in denen ein gewaltiges Flä-
größer als in chenpotenzial schlummert und
innerstädtischen die sich in Quartierskonzepte am
effektivsten einfügen – sie haben
›In-Wohnvierteln‹«.
das größte Preispotenzial. Zum
anderen städtebauliche Neubau-
projekte, für die neue (künstli-
che) Wasserflächen geschaffen
werden. Klassische, bisher un-
bebaute Wassergrundstücke sind
am seltensten zu finden – oftmals
auch wegen naturräumlicher
Belange. Im Ergebnis der Unter-
suchung heißt es schließlich:
»Die Wertsteigerungen an Was-
serlagen sind im Schnitt nicht
nur größer als im Stadtgebiet,
sondern auch größer als in inner-
städtischen ›In-Wohnvierteln‹«.
Fünf der zehn größten Wertstei-
gerungen sieht Catella Research
bei Projekten in Berlin.
Wohnadressen in
Wassernähe, wie
hier beispielsweise
in der Rummels-
burger Bucht in
Berlin, verzeichnen
im Schnitt höhere
Preis- und Wert-
steigerungen als
manch ein Domizil
in Innenstadtlage.
Apropos: Die Hauptstadt steht fast
exemplarisch für den derzeitigen
Bauboom am Wasser. So entsteht
zum Beispiel in Spandau bis zum
Jahr 2025 direkt an der Oberha-
vel das neue Quartier »Waterkant
Berlin« mit rund 2.500 Wohnun-
gen. In Köpenick, genauer gesagt
Ein Investment mit
maritimem Mehrwert
in der Ortslage Wendenschloss
am Langen See, bieten im Rah-
men des Projekts »Achterdeck«
um die 190 Wohnungen bald
ein neues Zuhause, und in Ber-
lin-Grünau wächst bis 2024 am
Ufer der Dahme das nachhaltige
Quartier »52° Nord«. Weiter und
weiter könnte die Liste fortgeführt
Sonnige Aussichten
werden – in Berlin, aber auch etwa
in Köln mit dem Projekt »Mühl-
Werfen festverzinsliche Wertpapiere
heimer Hafen«, in Hamburg mit
dem neuen Stadtteil Grasbrook
mittlerweile kaum noch Rendite ab,
gegenüber der östlichen Hafen-
City, wo ab 2023 die Bagger anrol-
bewegt sich diese beim Neukauf einer
len und mehrere Tausend Wohn-
einheiten geschaffen werden
Ferienimmobilie an der Nord- oder
sollen, und natürlich nicht zu Ostseeküste derzeit meist zwischen
vergessen das Hafenrevitalisie-
rungs-Projekt »Überseequartier 2 und 5 Prozent. Bei günstigen Kauf-
Bremen«, das mit einer Fläche
von rund 300 Hektar nicht nur preisen und ganzjähriger Vermietung
Deutschlands größtes Vorhaben
ist, sondern auch eines der derzeit sind sogar Renditen von bis zu 6 Pro-
größten innerstädtischen Stadtent-
wicklungsprojekte in ganz Europa. zent möglich, wie der vor wenigen
Angesichts der Vielzahl an
Projekten in den verschiedens- Wochen veröffentlichte »Ferienimmo-
ten deutschen Städten, der Wert-
stabilität und Beliebtheit ebenso bilien Marktbericht Deutschland 2021«
wie des hohen exklusiven Wohn-
komforts verwundert es kaum,
der Engel & Völkers AG ergab. Über-
dass Wohnen am Wasser auch
ein wesentlicher Teil der städ-
dies unterstreicht der Be-
tebaulichen Zukunft ist. Dies
unterstreicht der vom Lehrstuhl
richt deutlich die enorme
für Planungstheorie und Stadt-
entwicklung der RWTH Aachen
Nachfrage nach Immo-
verfasste Bericht »Besondere bilien in Wassernähe. Nordseeinsel Langeoog
Wohnformen«. Veröffentlicht zur
Ferienimmobilie
Internationalen Bauausstellung
Berlin 2020 (IBA 2020), die jedoch
So gehört beispielsweise als Kapitalanlage
aus finanziellen Gründen im Vor- neben der Insel Sylt der
feld abgesagt wurde, heißt es hier:
»Das Thema Wohnen am Was- Tegernsee in Bayern zu
ser ist aktueller denn je. Die Ha-
fen- und Wasserareale der Städte den teuersten Stand-
durchlaufen seit einigen Jahren
Transformationsprozesse und orten für Ferienhäuser
entwickeln sich zunehmend zu
integrierten Quartieren.« Anders mit Preisen von bis zu
gesagt stellen Immobilien am
Wasser eine offensichtlich ziem- zehn Millionen Euro, Verkauf von 48 Zimmern und
Apartments im Upstalsboom
HOTEL TOM BROK
lich sichere Wertinsel im städti-
schen Wohnraum dar und bieten gefolgt vom Starnberger
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überdies ein maritimes Flair –
unmittelbar vor der Haustür, wie
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DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
»Begrenzen, was wir nicht mehr wollen«
Der Klimaforscher Anders Levermann hat eine Idee, mit der die Ökowende besser gelingen könnte:
DIE ZEIT: Herr Levermann, jetzt streitet Deutsch­
land schon wieder um Spritpreise statt um die
große Klimawende. Anscheinend gibt es keine
kraftvolle Vision von Nachhaltigkeit, auf die sich
viele Menschen einigen können. Da kommen Sie
und sagen, Sie hätten eine solche Erzählung parat,
und zwar aus der Physik.
Anders Levermann: Hinter dem Streit steht die
große Frage, wie leben wir unseren unendlichen
Bewegungsdrang in der Endlichkeit unseres Plane­
ten aus? Und diese Endlichkeit ist real. Das Maß,
in dem wir die Atmosphäre oder die Ozeane belas­
ten können, ist begrenzt. Bei CO₂ spüren wir das
schon längst. Mittlerweile auch bei so etwas wie
Mikroplastik. Oft wird dann gerufen, Verzicht sei
die Lösung, der Rückzug ins Weniger. Aber die
Menschen haben diesen inneren Antrieb, aus dem
heraus sie statt weniger mehr machen, Neues
schaffen, als Gesellschaft wachsen wollen – auch
jenseits von Wirtschaft und Geldverdienen.
ZEIT: Grenzen einzuhalten und sich doch immer­
fort weiterzubewegen: Wie geht das zusammen?
Levermann: Es gibt eben nicht nur die zwei Extre­
me, hier Wohlstand und Wachsen, da Ökologie
und Schrumpfen. Vielmehr existieren jede Menge
dritte Wege durch den Fakt, dass wir als Gesell­
schaft nicht auf einer geraden Linie laufen, wie das
durch eine Zahl wie den Reichtum beschrieben
wird, sondern dass wir tatsächlich in einer Welt
leben, in der Wachstum in viele Dimensionen
möglich ist. Und das meine ich nicht metapho­
risch, sondern mathematisch.
ZEIT: Also gibt es nicht nur eine Dimension des
Mehr oder Weniger, Menschen können sich in
verschiedenen Dimensionen weiterentwickeln.
Levermann: Genau. Und das machen wir auch
schon von jeher, etwa in der Musik. Jede Ge­ne­ra­
tion versucht sich kulturell von der vorherigen ab­
zugrenzen, sie erfindet eine neue Musik und ver­
bessert sie für sich selber, aus ihrer Sicht. Aber es
gibt keine Maßzahl, die sagt, diese Musik ist fünf­
mal besser als jene. Oder Miles Davis sei besser als
Mozart, weil er später kam.
ZEIT: Und wofür steht dieses Beispiel jetzt?
Levermann: Dahinter steht das Prinzip des Wach­
sens in die Vielfalt: dass die Dinge nicht immer
höher, schneller oder weiter werden, sondern besser.
Und dieses »besser« ändert sich mit der Zeit. Le­
bensentwürfe sind heute sehr unterschiedlich und
passen nicht mehr auf eine gerade Linie wie viel­
leicht noch vor einer Generation – unser Wachstum
ist eines in die Vielfalt. Und in dieser Vielfalt ist der
Raum, den wir brauchen. Das können Sie überall
beobachten, in Wirtschaft wie Kultur. In der Physik
erkennen wir dieses Prinzip immer dann, wenn wir
unendliches Wachstum im endlichen Raum erzeu­
gen: das Prinzip der Faltung. Man setzt einem Sys­
tem klare Grenzen, nicht kleinteilig, sondern größt­
möglich – wie etwa eine maximale Menge CO₂-
Ausstoß oder ein Verbot von Plastik ab einem be­
stimmten Jahr. Solange das System diese klaren
Grenzen erkennt, baut es sie ein. Die Dynamik
sieht dann oft so aus, dass man erst auf einem be­
stimmen Pfad wächst, dann der Grenze nahe­
kommt – und umbiegt und sich weiterentwickelt.
ZEIT: Es kann also nicht nur um so etwas wie das
Volkseinkommen gehen. Denn da ist eine Grenze
eine Grenze. Punkt.
Levermann: Eine solche Größe ist halt eindimen­
sional. Aber nach meiner Wahrnehmung der ge­
sellschaftlichen Diskussion werden die Antriebe
der Menschen gerade wesentlich vielfältiger ...
ZEIT: ... jedenfalls bei denen, denen es relativ gut
geht und die ein nachhaltiges Leben führen.
Levermann: Ja, aber nicht nur bei denen. Das Prin­
zip der Faltung kann das Narrativ für eine neue
Gesellschaftsdynamik sein, das die planetaren
Grenzen vereint mit der sozialen Freiheit, sich zu
bewegen. Genau wie Vogelschwärme wissen, dass
sie nicht ins All fliegen und nicht in den Ozean, so
können sich auch die Menschen frei im Wissen
dieser Grenzen des Erdsystems bewegen ...
ZEIT: ... und CO₂-frei bauen oder digitale Ge­
meinschaften gründen, okay. Aber so spannend
das klingt: In Ihrer Theorie wissen die Menschen
wie die Vögel um diese Grenzen und loten sie gar
nicht erst aus. Teile der Wirtschaft verhalten sich
aber eher so, dass wir erst hart an die Grenzen pral­
len müssen, um ihre Existenz wahrzunehmen.
Levermann: Mag sein, aber das würde die Bewe­
gung unterbrechen und allen schaden. Beim CO₂-
Preis ist die Grenze ja schon Realität, aber nehmen
wir mal eine andere Grenze: Firmen sollen nicht so
groß werden, dass sie ein Monopol darstellen. Das
ist weitgehend Konsens. Derzeit haben wir dafür
Kartellämter, die genau so eine Wand darstellen,
an die Firmen schlagen. Dann sagt das Kartellamt,
nein, ihr dürft nicht fusionieren, oder nein, wir
splitten euch auf. Das schränkt die dynamische
Freiheit der Firmen unglaublich ein. Wenn Sie
aber eine Grenze setzen, die von vornherein klar
sichtbar ist, wie zum Beispiel mit einem Steuer­
system, das monopolistische Firmengrößen be­
straft, dann würden Konzerne beginnen sich auf­
zusplitten, ehe sie zu groß werden.
ZEIT: Gestatten Sie eine grundlegende Frage: Vor
150 Jahren übernahm die Ökonomie ihre theore­
tischen Grundlagen von der damaligen Physik.
Das wird ihr heute immer wieder vorgehalten, weil
die Theorie zu schematisch und menschenfern sei.
Warum sollten die Ökonomen jetzt noch einmal
Physikern wie Ihnen folgen?
Er will sich den inneren Antrieb jedes Menschen zunutze machen
Levermanns Botschaft: Auch wo es Zäune gibt, sind die Entwicklungsmöglichkeiten unendlich groß
Levermann: Es gibt eine gemeinsame Sprache von
Ökonomie und Physik, eine Form des Erfassens
der Wirklichkeit, und das ist die Mathematik.
Vielleicht kann man jetzt den nächsten Schritt
machen und den universellen mathematischen
Gedanken der Faltung nutzen, um zu verstehen:
Wie kriegen wir es hin, dass wir die Freiheit nicht
aufgeben, während wir uns im begrenzten Raum
bewegen? Entscheidend ist, dass es im Endlichen
unendlich viel Entwicklungsraum gibt.
ZEIT: Entwicklungsraum?
Levermann: Ja, und dieser Entwicklungsraum ist
der einzige Ort, wo wir nicht nur ungestüm wach­
sen dürfen, sondern sogar müssen, weil wir noch
unglaublich viel zu entwickeln haben. Allein um
die ganzen Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen – das
Klimaproblem ist ja nur der Anfang –, brauchen
wir Innovationen. Und die Ökonomen wissen es
am besten: Knappheiten, wie sie durch Grenzen
entstehen, schaffen Innovationen.
ZEIT: Sind wir nicht längst dabei, solche Faltun­
gen zu vollziehen?
Levermann: Ja, sind wir. Und das macht mir­
Hoffnung.
ZEIT: Der amerikanische Forscher Andrew McAfee
hat einen Bestseller geschrieben mit der These, dass
in führenden Volkswirtschaften der Fluch des Ma­
terials überwunden wurde und tatsächlich immer
mehr Wohlstand mit immer weniger Ressourcen
erzielt wird. Das wäre eine Wende.
Levermann: Eine kleine, ja. Wir haben aber noch
andere Grenzen als nur die der Ressourcen oder
Emissionen. Wir brauchen Grenzen für die Un­
gleichheit, damit die Gesellschaft nicht zerfällt. Sie
haben vollkommen recht, die ganze Zeit vollziehen
sich solche Wenden an Grenzen, aber wir haben sie
noch nicht zum Prinzip erhoben, soviel ich weiß.
ZEIT: Was heißt das dann für die Politik? Im
Wahlkampf werden verschiedene Programme
etwa zur Nachhaltigkeit verhandelt. Wenn wir
Ihre Erzählung akzeptieren, was müssten die Par­
teien verändern?
Levermann: Das Entscheidende ist, keine Angst
vor Verboten zu haben – ohne aber Mikromanage­
WIRTSCHAFT
ment zu betreiben. Vielmehr soll in großen Di­
mensionen verboten werden, was die Gesellschaft
nicht will. Keine CO₂-Emissionen. Kein Mikro­
plastik. Keine Riesenkonzerne. Grenzen, die trans­
parent sind und die Freiheit lassen, dass Markt
und Gesellschaft die Probleme kreativ lösen.
ZEIT: Nicht wenige Klimaschützer und Wachs­
tumskritiker würden sagen, Mensch, Kreuzfahrten
sollten wir lassen ...
Levermann: ... das ist Mikromanagement.
ZEIT: Wie verbietet man also richtig?
Levermann: Man verbietet, was man nicht will,
und nicht das, von dem man glaubt, dass es ver­
ursacht, was man nicht will. Nehmen wir als Bei­
spiel das Fliegen. Es ist selbst nicht das Problem,
sondern der CO₂-Ausstoß; wenn Sie den bepreisen
und senken, dann werden die einen aufgeben und
andere mit Innovationen kommen. Take-away-
Essen ist nicht das Problem, sondern dass es in
Plastik einpackt wird. Wird Plastik verboten oder
zu teuer, kommt es zu Innovationen. Bloß kein
Mikromanagement, bitte, dann wird es intranspa­
rent für die Bevölkerung, und dann sagen die Leute
schnell, alles sei so kompliziert und ungerecht,
man könne gar nichts mehr ausrichten.
ZEIT: Haben an der Stelle etwa erhebliche Teile
der Grünen eine falsche Neigung?
Levermann: (lacht) Im Moment ist es Mode, auf
die Grünen zu schimpfen, aber tatsächlich gehen
die ja schon ziemlich lange die richtigen Themen
an. Es gibt in allen Parteien Leute, die Mikro­
management wollen. Und in manchen Parteien gibt
es auch welche, die sich gegen Mikromanagement
Der Physiker
Anders Lever-
mann, 48, forscht
und lehrt in
Potsdam und
New York
31
wahrnehmen kann. So etwas wie das blitzschnelle
Nano-Trading an der Börse wäre damit wider­
sinnig. Eine Transaktionsteuer zieht hier eine
Grenze ein und verhindert Explosionen. Auch in
dem Fall wäre die steuerliche Maßnahme kein
Selbstzweck, sondern setzte eine Grenze zur­
Finanzstabilität.
ZEIT: Ist in dieser Denkweise quantitatives Wachs­
tum noch möglich?
Levermann: Ja. Ich forsche gerade über eine Um­
satzsteuer für zu große Konzerne. Die splitten sich
dann halt auf in kleinere Firmen, und der Wert
insgesamt steigt noch an. Das Problem ist ja nicht,
dass das Geld mehr wird, sondern dass die Umwelt
geschädigt wird oder dass zu viel Macht in die
Hände einzelner Unternehmen kommt.
ZEIT: Können wir bei Klimaneutralität auch noch
wachsen?
Levermann: Klar. Nur eben anders, per Innovation
durch transparente und vorhersagbare Knapphei­
ten jener Dinge, die die Erde zerstören.
ZEIT: Ihnen schwebt anscheinend ein mutiger
Staat vor im Sinne, dass er höchst umstrittene
langfristige Grenzen setzt. Aber auch ein Staat, der
sich ansonsten zurückhält und die Wirtschaft wirt­
schaften lässt, oder?
Levermann: Ja, ein Staat, der grundsätzliche Ent­
scheidungen des Volkes tatsächlich umsetzt und
kein Mikromanagement betreibt.
ZEIT: Ist das nicht eine naive Vorstellung von Poli­
tik – zumal, weil die Demokratie heute durch­
Populisten bedroht wird?
Levermann: Gerade heute ist das wichtig, weil wir
die wenigen großen Ziele tatsächlich offen disku­
tieren können und müssen. Schon früher gab es
Vorgaben, von denen einige heute faktisch außer
Kraft gesetzt werden. Zum Beispiel, dass alle Bür­
ger vor dem Gesetz gleich sind und die gleiche
Entscheidungskraft haben. Das gilt nicht mehr,
wenn Kinder aus ärmeren oder bildungsferneren
Schichten auch wieder bildungsferner und ärmer
sind. Und beim Klima sagen alle, das solle ge­
schützt werden. Tatsächlich fehlt es aber an Maß­
nahmen. Wir müssen also reden.
ZEIT: Sie sprechen aber auch der Unsicherheit das
Wort. Gerade geht die Wirtschaft nach der Pande­
mie in die Vollen, und Sie sagen, lasst uns Grenzen
ziehen, und dann gucken wir mal, was mit dem
Fotos: August Östberg; Lucas Oleniuk/Toronto Star/Getty Images (u.)
Wohlstand genau passiert? Man darf bezweifeln,
dass diese Botschaft verfängt.
Levermann: Unser Zeitalter ist das des Chaos im
positiven Sinne – wie beim Internet, wo wir ein­
fach ungeplant ein riesiges Netzwerk kreiert ha­
ben. Auf der einen Seite steht die ganze Diversität
des Internets wie auch die des Lebens, und auf der
anderen Seite stehen diese Systemgrenzen, die den
Leuten immer klarer werden. Die Vereinigung
dieser zwei Aspekte ist jene Faltung, die Kreativität
und Wachstum schafft.
ZEIT: Und was geschieht sonst?
Levermann: Sonst wird man versuchen, sich mit
Befreiungsschlägen zu retten und etwa sagen, wir
müssen Technologien verbieten und alles, was
Konsum bedeutet, denn anders kriegt man die
Null-Emission nicht hin. Oder man sagt, wir ma­
chen einfach weiter, hoffen auf ein Wunder in der
Technologie oder im Klimasystem und kommen
schon irgendwie durch. Diese Befreiungsschläge
aussprechen, aber in Wirklichkeit gar keine Grenz­ funktionieren aber nicht.
setzung wollen. ZEIT: Beides gibt es heute schon. Haben Sie mit
ZEIT: Will eine Partei bis 2025 die Zahl der To-go- Ökonomen darüber gesprochen?
Becher halbieren, ist das falsch, oder? Levermann: Ja, mit unterschiedlichen Reaktionen.
Levermann: Ich bin kein Politiker und will denen Eigentlich ist es für einen marktorientierten Men­
nicht in ihr Handwerk pfuschen, das schon schen ein kleiner Schritt zu sagen, Knappheiten
schwierig genug ist. Entscheidend ist, dass Gren­ gab es schon immer, jetzt generieren wir ein paar
zen gezogen werden, die transparent sind. Damit zusätzliche aus rationalen Gründen.
wir dann eine Faltung der Welt hinkriegen. Dann ZEIT: Welche Grenzziehungen sind auf Ihrer per­
reagiert natürlich noch die Industrie und sagt, sönlichen Prioritätenliste oben?
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was ist freiheit
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nein, wir brauchen länger. Man muss auch Sozial­ Levermann: Klimawandel steht oben. Dann die
ausgleich einbauen; das ist alles Teil des gesell­ Monopolisierung, über die wir gesprochen haben
schaftlichen Verhandelns. und die die Demokratie untergräbt, schließlich
ZEIT: Bleiben wir kurz beim Klima. Ist nicht die natürlich die soziale Frage.
eigentliche Grenze, die zu ziehen ist, ein hoher ZEIT: Und welche Grenzen setzt man da?
CO₂-Preis? In dem Fall eine Untergrenze. Levermann: Da bin ich kein Experte. Aber ich
Levermann: Es geht darum, kein CO₂ mehr aus­ denke, ein Mensch sollte in einem Jahr nicht
zustoßen, nicht um den Preis. Der Emissions­ mehr verdienen als ein anderer im ganzen Le­
handel macht genau das. Es gibt eine feste Menge ben. Und man sollte vererben dürfen, aber nicht
an CO₂, die pro Jahr ausgestoßen werden darf. alles an eine Person. Wir brauchen Grenzen der
Und diese Menge wird über die Zeit auf null ge­ Ungleichheit. Egal wie genau, entscheidend ist
fahren. Daraus entsteht dann ein steigender CO₂- dieses: Man soll nicht das begrenzen, was man
Preis, und Firmen gewinnen, wenn sie schnell aus als Grund für einen Missstand vermutet, son­
dem CO₂ aussteigen. dern das, was wir als Gesellschaft nicht mehr
ZEIT: Beispiel Steuern. Was bedeutet das Bild von wollen. Das ist so herum einfacher und transpa­
der Faltung für die Steuerpolitik? renter für diejenigen, die es zu entscheiden ha­
Levermann: Ein naiver Physiker wie ich würde ben: für uns alle.
denken, der Wert von Firmen sollte sich nicht
schneller ändern können, als der Mensch es Das Gespräch führte Uwe Jean Heuser
32 SPORT 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Während der Fußball-Europameisterschaft und der Olympischen Spiele erscheinen Sonderseiten

Fotos: Philipp Reinhard/DFB; Baumann/imago (u.)

Der Psychologe
Hans-Dieter
Hermann hier im
EM-Trainingslager,
arbeitet seit 2004
für den DFB.
Zuvor betreute er
Judoka und
Skirennfahrer

»Fußball, Tore, Siege – all das wird unwichtig«

Hans-Dieter Hermann, Psychologe der Nationalelf, über die Nöte von Fußballprofis nach dem beinahe tödlichen Drama von Kopenhagen

DIE ZEIT: Am vergangenen Wochenende brach der Christian Eriksen – es sei denn, sie kennen sich aus würde es wirken, wenn eine Mannschaft ohne diese kommt erst danach und kann zunächst auch als hen. Vielleicht können sie sich damit motivieren
29-jährige Däne Christian Eriksen beim EM-Vor- einem Verein. Als Nationalspieler sehen sie sich­ Gewissheit wieder auf den Platz ginge. Unabhän- große Leere empfunden werden. und denken: Wie spielen jetzt für Christian. Es
rundenspiel gegen Finnland zusammen. Sein Herz jedoch auf Augenhöhe, sie sind auf eine gewisse Art gig davon ist es wichtig, dass eine Mannschaft­ ZEIT: Die dänischen Spieler haben die Uefa für kann so eine neue Sinnzuschreibung entstehen. Es
blieb stehen, er wurde wiederbelebt. Was löst ein so Kollegen. Der Gedanke, dass es sie genauso erwi- zunächst einen gemeinsamen Standpunkt findet. die angebotenen Optionen kritisiert. Sie sollten ist schwierig. Die Dänen können ja auch nicht ein-
dramatisches Ereignis bei den Mitspielern aus? schen kann, bedrückt sie natürlich auch. ZEIT: Was bedeutet das genau? entweder zwei Stunden später weiterspielen oder fach das Turnier verlassen und abreisen, auch wenn
Hans-Dieter Hermann: Einen Schock und ein­ ZEIT: Als Christian Eriksen auf dem Platz behan- Hermann: Die Hilflosigkeit und das Unbegreifli- am Vormittag des nächsten Tages noch einmal an- manche es wohl am liebsten tun würden.
Gefühl der extremen Hilflosigkeit. Die Spieler­ delt wurde, bildeten seinen Kollegen einen Kreis che versetzen die Spieler in große Unsicherheit. treten. Ist eine Mannschaft in diesem Schockzu- ZEIT: Wieso hat das Thema weltweit eine so große
begegnen dem Tod in ihrem jungen Alter normaler- um ihn und hakten sich dabei unter. Geschieht so Die Mannschaft muss zusammenkommen und stand überhaupt in der Lage, eine solche Entschei- Aufmerksamkeit erhalten?
weise ja noch nicht. Den Umgang mit einer S­ itu­ etwas intuitiv in einem Team? sprechen. Jeder Spieler verarbeitet den Schock per- dung angemessen zu treffen? Hermann: Die Zuschauer haben diese Situation un-
ation wie dieser haben sie nicht trainiert. Zusätzlich Hermann: Es war ein trauriger Anlass und doch sönlich, und gleichzeitig muss sich die Mannschaft Hermann: Es gibt Bereiche, in denen sagt man: erwartet und direkt miterlebt, und viele beziehen es
wird die Aufarbeitung erschwert, weil Christian eine sehr verbindende Reaktion. Fußballer schüt- positionieren: Wo stehen wir? Wo stehen die ande- Möglichst schnell weitermachen, dann ist es auch natürlich auch auf sich selbst. Jedem ist klar, dass es
Eriksen anscheinend nicht vorerkrankt war. zen häufig das Persönliche auf dem Platz, indem ren? Was bedeutet das alles für uns? Dieser Aus- bald wieder vergessen. Dieses Prinzip funktioniert so etwas gibt, dass man plötzlich umfallen kann.
ZEIT: Es fehlt der Zusammenhang zwischen­ sie sich zum Beispiel die Hand vor den Mund hal- tausch muss angeleitet werden. aber in diesem Kontext nicht. Die Partie am selben Aber bei gesunden, jungen Menschen in einem
Ursache und Wirkung? ten, wenn sie sich etwas zurufen, denn es gab ja ZEIT: Dänemarks Kapitän Simon Kjaer sorgte sich Tag zu Ende zu spielen, erlebten die Spieler als Wettbewerb wie einer Europameisterschaft im Fuß-
Hermann: Genau, das kann Angst auslösen, jeder schon Lippenleser. So verbergen sie ihre Worte vor als Erster um den kollabierten Mitspieler, er orga- Überforderung. Es wäre aber auch am nächsten ball, umgeben von Ärzten, durchgecheckt – hier­
kann sich jederzeit selbst in einem solchen Zustand der Öffentlichkeit. Das machen sie bewusst. Der nisierte den Sichtschutz und tröstete auch noch die Morgen sicherlich nicht besser gewesen. Die Spie- erwartet man das nicht. Es bedient bei manchen
wiederfinden. Hinzu kommt die per­sön­liche Ver- Schutzkreis um Eriksen war vermutlich ein schnel- Lebensgefährtin Eriksens. Als das Spiel zwei Stun- ler hätten wohl nicht wirklich geschlafen. Es gab Menschen leider auch den Voyeurismus. Aber sobald
bundenheit. Einen Flugzeugabsturz oder einen ler Reflex. Die Spieler wollten nicht, dass die Öf- den später wieder angepfiffen wurde, führte Kjaer keine Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Es klar wird, dass es um Leben und Tod geht, handelt es
Verkehrsunfall nimmt man in den Nachrichten zur fentlichkeit einen der ihren so sieht. Diese Szenen seine Mannschaft zurück auf den Platz. Bald­ fehlte die Zeit, die Welt neu zu sortieren. sich um das Persönlichkeitsrecht eines hilflosen
Kenntnis, das berührt, aber das Ereignis bleibt sollten nicht von Teleobjektiven eingefangen wer- darauf ließ er sich auswechseln, weil er nicht mehr ZEIT: Was bedeutet das, die Welt neu sortieren? Menschen, der im schlimmsten Fall gerade stirbt.
doch weit weg. Wenn es einen Freund oder einen den. Sie haben ihre Mannschaftssphäre und den spielen konnte. Können Sie das nachvollziehen? Hermann: Eine Mannschaft muss darüber spre- Dieser Mensch darf nicht mehr gezeigt werden.
nahen Verwandten trifft, dann ist das natürlich viel Mitspieler geschützt. Hermann: Ja klar. Das war eine nachvollziehbare, chen, ob ein Erfolg in einem EM-Spiel jetzt tat- ZEIT: Was lässt Leute trotzdem lange hingucken?
mehr als eine Nachricht. Die Spieler fühlen das ZEIT: Wie betreut man eine Mannschaft kurz sehr menschliche Reaktion. Kjaer hat allen an- sächlich als wichtig wahrgenommen werden kann. Hermann: Das tun ja nicht alle, und darüber wurde
Erlebte nach. Sie sind mitten in der Situation drin. nach einem solchen Erlebnis? deren geholfen, aber ich vermute: In dem­ Ein solches Erlebnis löst eine Werteverschiebung auch schon viel diskutiert. Aber da der Tod unser
ZEIT: Gilt das auch für die gegnerische Mann- Hermann: Hier ist ja Gott sei Dank nicht der Moment, in dem es wieder um ihn ging und aus. Fußball, Punkte, Tore, Siege – all das wird zu- unabwendbares Schicksal ist, setzen wir uns damit
schaft, für die Fans im Stadion und die Zuschauer schlimmste Fall eingetreten, Christian Eriksen hat darum, nach diesem Erlebnis erfolgreich Fuß- nächst einmal sehr unwichtig. auseinander, wenn wir in eine solche Situation
zu Hause vor dem Fernseher? überlebt. Seine Nachricht aus dem Krankenhaus ball zu spielen, war er psychisch erschöpft. In ZEIT: Eriksen hat seine Mannschaftskollegen kommen – auch als Zuschauer. Manche schauen
Hermann: Starke Betroffenheit wird durch räumli- hat das Team auf der moralischen Ebene entlastet. einer solchen Situation Verantwortung zu über- mittlerweile gebeten, für ihn zu spielen. Er werde dann bewusst weg, und andere meinen eben leider,
che, persönliche oder zeitliche Nähe ausgelöst. Die Indem er signalisierte, ihr könnt weiterspielen, das nehmen ist eine konstruktive Art, sich in den ihnen zuschauen. Hilft das? möglichst viel mitbekommen zu müssen.
finnischen Spieler empfinden keine persönliche ist in meinem Sinn, war zumindest die Ebene des Prozess einzubringen. Dieses Verhalten verhin- Hermann: Ja, das könnte eine Brücke sein, mehr
Verbundenheit, sie sind nicht befreundet mit­ Pietätlosen nicht mehr vorhanden. Wie gefühlskalt dert jedoch erst mal die Eigenreflexion. Die aber auch nicht. Der Schock bleibt erst mal beste- Die Fragen stellte Cathrin Gilbert

»Angst, schlimmer als jeder Schmerz«

Daniel Engelbrecht brach zweimal auf dem Spielfeld zusammen. Er fürchtet: Viele Fußballer haben unerkannte Herzprobleme  VON MARC WIDMANN

Dieses Torkeln erkannte Daniel Engelbrecht sofort. Körper. Du hast das Gefühl, als wäre jemand anderes Verein mehr tun müsste für die Sicherheit seiner Aber eine Herzmuskelentzündung wie bei mir­ Fußballprofi, der mit einem implantierten Defibril-
Diese letzten Schritte vor dem Kollaps, wenn »der in deinem Körper drin, du kannst ihn nicht mehr Spieler. Zwei Tage vor seinem Zusammenbruch erkennt man damit im Zweifel gar nicht. Dafür lator in der Brust auflief.
Motor schon nicht mehr läuft«, wie er das nennt. steuern«, sagt er. »Und dann macht sich eine Angst 2013 habe er seinen Vertrag in Stuttgart unter- muss man schon ein MRT machen.« Kurz nach seinem Comeback wurde er in eine
Wenn das Herz nicht mehr schlägt, aber die Beine breit, die schlimmer ist als jeder Schmerz.« schrieben. Dazu absolvierte er den üblichen medi- Eine genauere Untersuchung hätte seine Karriere Partie eingewechselt. Er schoss in der Nachspielzeit
noch ein paar Schritte machen, ehe man wegsackt. Auch zu ihm rannten die anderen Spieler herbei, zinischen Check, mit Belastungs-EKG. Die­ gerettet, davon ist Engelbrecht überzeugt. Selbst nach das Siegtor und war für einen Moment glücklich.
Am vergangenen Samstag war er plötzlich wieder da, einer schlug ihm ins Gesicht und rief seinen Namen. Untersuchungen seien ohne Befund gewesen. seinem Zusammenbruch habe lange keiner erkannt, Doch er bemerkte schon bald, dass sein Körper im
dieser Moment. Engelbrecht saß mit Freunden in Engel, so nannten sie ihn. Nach 10 oder 15 Sekunden »Aber das reicht eben nicht«, glaubt Daniel dass sein Herz krank war. Zwei Wochen später stand Vergleich zu früher allenfalls noch 80 Prozent zu
einem Restaurant, im Fernsehen lief das Spiel Däne- sei er wieder zu sich gekommen und habe sich gefragt, Engelbrecht. Was ihm passierte, beschäftigt ihn bis er wieder auf dem Feld, kollabierte fast erneut – erst leisten vermochte. Und er spürte seine ständige
mark gegen Finnland. Er sah diesen wackeligen Gang wo er war. Wohl ein Hitzschlag, vermuteten die­ heute. »Im Fußball fließt viel Geld. Und dann dann kam er auf die Intensivstation. Dort hätten die Angst. »Ich bin jeden Tag zum Training gegangen
des dänischen Mittelfeldspielers auf dem Bildschirm, Betreuer, es war ein heißer Tag. Zehn Minuten spiel- wird an Sachen wie der medizinischen Abteilung Ärzte festgestellt, dass sein Herzmuskel entzündet sei. und wusste nicht, ob ich das überhaupt überlebe.«
und sofort sei es ihm kalt den Rücken runtergelaufen, te der Stürmer tatsächlich weiter, bis der Trainer ihn gespart, weil man nicht den Aufwand betreiben Vermutlich hatte er einen Infekt verschleppt. Dann setzte sein Herz ein zweites Mal aus. Er
erinnert sich Engelbrecht, noch bevor seine Freunde auswechselte. Weil Engelbrecht immer noch torkelte. will, das Herz komplett zu untersuchen. Man Daniel Engelbrecht fürchtet: So etwas passiert spielte für den TSV Steinbach gegen Homburg, in
merkten, was auf dem Platz passierte. »Schon wäh- »Ich hatte das Glück, dass der liebe Gott an diesem macht in der Regel nur einen grobmotorischen nicht nur ihm. »Ich wette, dass es zig Fußballer gibt, der Regionalliga Südwest, diesmal rettete ihn der
rend Christian Eriksen torkelte, dachte ich: Oh Gott, Tag gesagt hat: Steh wieder auf«, sagt der 30-Jährige Test, ein Belastungs-EKG und denkt, das reicht. die eine Herzmuskelentzündung verschleppt haben Defibrillator, ein Gefühl sei das gewesen, wie innerlich
nicht das Herz!«, sagt Engelbrecht. »Und dann bricht heute. Andere sind nach ihrem Herzstillstand in einem – und der eine oder andere hat vielleicht bleibende zu verbrennen. Elf Stunden dauerte seine sechste und
er genauso zusammen wie ich.« Spiel gestorben, Nationalspieler wie Marc-Vivien Foé Schäden.« Denn der Konkurrenzdruck wachse stän- letzte Herz-OP im Jahr 2017. Danach ließ Daniel
Daniel Engelbrecht torkelte genauso. Er lief auch aus Kamerun und Miklós Fehér aus Ungarn.­ dig. Die Ausbildung der jungen Fußballer werde Engelbrecht seinen Traum endlich los.
Als einziger
einem Einwurf entgegen, es war der 20. Juli 2013 Abdelhak Nouri von Ajax Amsterdam überlebte mit immer besser, die Leistungsdichte größer, fast jeder Er arbeitet heute als Scout für eine Agentur und
deutscher
beim Drittligaspiel der Stuttgarter Kickers gegen Rot- schweren Hirnschäden und wurde zu einem Pflegefall. sei ersetzbar. Für die Spieler heiße das: »Niemand darf berät junge Spieler. Seine wichtigsten Ratschläge:
Fußballprofi
Weiß Erfurt. Er sackte bäuchlings auf den Rasen, die Daniel Engelbrecht sind drei Dinge geblieben: schwächeln.« Deshalb trainierte auch er immer weiter, Nehmt euch Auszeiten. Lasst euch im Zweifel auf
spielte Daniel
Bilder gleichen sich auf gespenstische Weise. Engel- die Angst, die ihn bis heute bei jeder Belastung wenn er sich krank fühlte. »Für diesen Fehler werde eigene Kosten von einem Arzt gründlich durchche-
Engelbrecht
brecht kollabierte lautlos, ohne Schmerzen. Er habe begleitet, ein Defibrillator in der Brust – und ein ich bis an mein Lebensende büßen müssen.« In die cken. Und trainiert nicht, wenn ihr krank seid. Nie.
mit implantiertem
nur gespürt, wie ihm schwindelig geworden sei, er leiser Zorn, den man erst spürt, wenn man sich Bundesliga wollte er trotzdem um jeden Preis. Als sein
Defibrillator und
hörte die Zuschauer nicht mehr, ihm wurde schwarz länger mit dem sehr freundlichen Mann unterhält. vernarbtes Herz nicht mehr mitspielen wollte, ver- Siehe auch Wissen, S. 34
Schutzpanzer
vor Augen. »Du verlierst die Kontrolle über deinen Denn Engelbrecht ist überzeugt, dass so mancher suchte er, es zu zwingen. Er war der einzige deutsche Was tun beim plötzlichen Herzstillstand?

Archäologie ․ Familie ․ Medizin ․ Bildungsgespräch ․ Infografik: Bibliotheken
Diese Fliege
profitierte vom
Untergang Roms
In der Gruft einer Trierer Kirche stießen Archäologen auf tausend Särge.
Bei deren Erforschung folgen sie ungewöhnlichen Spuren. Zum Beispiel dem
A
ls Vegetarierinnen fressen Bie-
nen Pollen und Nektar. Die
Leibspeisen anderer Insekten er-
scheinen uns weniger appetit-
lich: Sie verstoffwechseln, was
gestorben ist. Oder sie nutzen
verwesende Biomasse als Brut-
stätte. Der Leichnam ist noch frisch, da landet
schon die Schmeißfliege und legt in Körperöffnun-
gen oder an wunden Stellen ihre Eier ab. In ge-
blähten Leibern trifft man auf Aaskäfer – die sich
als Räuber an Schmeißfliegenlarven gütlich tun.
Stutzkäfer finden sich ein, Pelz-, Schinken- und
Speckkäfer. Die Käsefliege schlüpft. Jedes dieser
Insekten hat Vorlieben bezüglich des Verwesungs-
grads von Körpern. Auch Asseln, Motten und
Spinnentiere sind dabei.
Das Wissen darüber, wann in den Monaten
und Jahren nach dem Ableben eines Organismus
welches Getier das Aas heimsucht, machen sich
Forensiker zunutze, um mehr über die (womöglich
verbrecherischen) Umstände des Todes und die
Fotos: Pitopia/Mauritius [M]; Rudolf Voigtländer (u.); ZEIT-Grafik
Liegezeit eines Leichnams zu erfahren. Manchmal
vermitteln die Winzlinge den Forscherinnen und
Forschern aber noch viel größere Geschichten als
nur die vom Ende einer einzelnen Seele. Sie erzäh-
len vom Sterben eines Weltreichs.
Augusta Treverorum bildete vor fast zweitausend
Jahren eines der Zentren des damals mächtigsten
Staats der Welt. Später hieß die Stadt Treveris, heu-
te ist das rheinland-pfälzische Trier stolz auf sein
hohes Alter und seinen römischen Ursprung. Die
verbliebenen Baudenkmäler sind Unesco-Welt­
kulturerbe: Porta Nigra, Amphitheater, Kaiser­
thermen, Dom oder Konstantin-Basilika sind be-
rühmte steinerne Zeugen jener großen Epoche, in
der die Stadt an der Mosel mit 50.000 Einwohnern
Mehr Wissen:
»Der Untergang des Römischen Reiches« – die Landesausstellung 2022 in Trier wird die epochalen Ereignisse an drei Standorten
beleuchten: Rheinisches Landesmuseum, Museum am Dom und Stadtmuseum Simeonstift (25. Juni bis 27. November 2022)
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
WISSEN
33
Schmeißfliegen sind besonders schnell
zur Stelle, wenn jemand stirbt
Der Zweifel
Und der Drosten
geht an ...
D
Die Berliner Charité braucht demnächst
einen Anbau – um darin alle Medaillen,
Urkunden und geschliffenen Glaspokale
unterzubringen, die ihr Starvirologe
Christian Drosten dieser Tage so einholt.
Grimme Online Award. Deutscher
Radio­ preis. Urania-Medaille. Leibniz-
Medaille. Eduard Buchner Preis. Ehren-
preis des Bundesverbands der Kommu-
nikatoren. Sonderpreis für Wissenschafts­
kommunikation. Sonderpreis der Deut-
schen Forschungsgemeinschaft. Bundes-
verdienstkreuz. Hochschullehrer des Jah-
res. Manager des Jahres. Berliner des
Jahres. Fehlt noch was?
Der Mann kann viel. Er forscht, erklärt,
hinterfragt, ordnet ein. Er publiziert in
hochrangigen Fachjournalen, er twittert,
er streitet sich mit der Bild-Zeitung. Und
schon 2003 identifizierte Drosten das
Coronavirus Sars-CoV. Er kennt das Biest
wie seine Laborkitteltasche, und wenn
diese Pandemie jemals endet, dann auch
ein bisschen seinetwegen.
Ehre also, wem Ehre ... Wobei: Wer
Speiseplan aasfressender Insekten  VON URS WILLMANN ehrt hier eigentlich wen? Die Relevanz
einer Auszeichnung verhält sich immer
proportional zum Glamour der zu eh-
renden Person. Je toller der Drosten,
desto doller die Preisverleiher.
Ausnahmetalente und große Geister
die größte römische Siedlung nördlich der Alpen wurden analysiert. Aktuell untersucht ein von der im Windschatten der Kaiserresidenz.« Diese Elite gab es in der Wissenschaft schon immer,
war. In der Spätantike wurde Trier Kaiserresidenz. Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes wünschte, ad sanctos bestattet zu werden – in der Personenkult aber war ihr (meist) fremd.
Von hier aus wurde ein Gebiet verwaltet, das sich Projekt an den Grabinventaren die »Frühchristlichen Nähe von Märtyrern und Heiligen, was Schutz Und auch die Öffentlichkeit ließ ihre
von Schottland bis nach Nordafrika erstreckte. Als Bestattungstraditionen«. Und 2022 wird das Museum und Hilfe im Jenseits versprach. Forscher einfach machen, halb desinte-
Konstantin der Große von 306 bis 316 um die­ am Dom Trier die Befunde öffentlich präsentieren, Die Textilrestauratorin Reifarth hat zusammen ressiert, halb vertrauend. Die vielen Aus-
Alleinherrschaft im Römischen Reich kämpfte, tat im Rahmen einer Landesausstellung: Der Untergang mit Anthropologen, Forensikern, Archäobotani- zeichnungen für einen Virologen, all die
er das meistens von Trier aus. des Römischen Reiches. kern, Materialanalysten und Historikern in den Scheinwerfer und das Konfetti markie-
Um zu erfahren, was damals geschah, kann man Die Geschichte Triers ist auch die des frühen vergangenen Jahren die Inhalte vieler Gräber unter- ren etwas Neues: eine Popularisierung
sich auch abseits der großen Monumente einfinden, Christentums im gallisch-germanischen Raum. Vom sucht. 98 Individuen, ein Zehntel der Toten, sind der Wissenschaft, den Wunsch nach
auf dem Gelände der St. Maximin-Schule. Im Ge- 3. Jahrhundert an amtierten Bischöfe in der Stadt. interdisziplinär erforscht, ihre Schicksale und Nähe. Wir sind Drosten.
bäude der ehemaligen Abteikirche St. Maximin Der römische Kaiser Konstantin und seine Mutter Krankheiten dokumentiert: Karies, Skorbut, Schä- Leider gibt es auch eine andere Seite
wird heute Basketball Helena (später: heilige del- und Rippenfrakturen, Mittelohrentzündungen der, nun ja, Medaille. Die Masse der Aus-
gespielt. Ein Seitenein- Helena) förderten die oder der Endzustand der Wirbelsäulen. Ein Fazit: zeichnungen schmälert die Spezifik der
gang aber führt noch Gemeinde. Auf sie geht Hier liegt nicht die damals hart arbeitende Bevölke- Leistung. Und die Überhöhung einzelner
immer in die Vergangen- der Bau der ältesten Kir- rung begraben. Spitzenforscher schafft genau jene Distanz
heit. Über eine schmale che Deutschlands zurück. Die Kindergräber bestätigen, dass sich hier eine zwischen Wissenschaft und Gesellschaft,
Treppe geht es hinab in Der Grundstock des Oberschicht bestatten ließ. An zwei Dritteln der die eigentlich eingeebnet werden soll. In
den Untergrund. Stel- heutigen Trierer Doms Körper fanden sich auffällig viele Spuren von Siech- Deutschland gibt es rund 50.000 Pro­
lenweise muss man sich wurde errichtet, als Ma- tum. Die bis zu neun Wachstumsstillstände oder fessorinnen und Professoren. Bestimmt
ducken, bis sich hinter ximinus von 329 bis 346 die »aufgelockerte Knochenstruktur infolge von sind noch einige weitere gute Hochschul-
einigen Winkeln ein rie- die Kirchengeschäfte in Blutarmut« bedeuten als Befund aber gerade nicht, lehrer, Managerinnen und sogar Berliner
siger Raum öffnet. 62 der Stadt führte. dass die hier begrabenen Heranwachsenden vom darunter. ANNA-LENA SCHOLZ
Meter ist das Gewölbe Nach diesem frühen Schicksal besonders hart getroffen gewesen wären.
lang. Eine gigantische Bischof ist St. Maximin Der Anthropologe Wolf-Rüdiger Teegen von der  www.zeit.de/vorgelese
Gruft, gefüllt mit rund benannt. Der Ort liegt TU München beurteilt diese »unspezifischen
tausend Sarkophagen. Eng neben- und übereinander liegen unweit der Porta Nigra, Stressmarker« anders. Die Kinder der Eliten star- Transparenzhinweis:
Die Särge aus Sandstein die Särge von St. Maximin außerhalb der ehema­ ben oft eben nicht unmittelbar an den Folgen ihrer Die Auszeichnung »Hochschullehrer
wurden noch in römi- ligen Stadtmauer. Das erlittenen Krankheiten – sondern überlebten dank des Jahres« verleiht der Deutsche
scher Zeit hierherge- Grab des Namensgebers besserer Ernährung und Versorgung. Hochschulverband jährlich
bracht. Und manche erst nach der großen Wende – selbst, so vermutet man, ist eines der ersten, an­ Einer der Steinsärge wurde vor mehr als dreißig mit Unterstützung des Zeitverlags
als Westrom untergegangen war. denen man beim Betreten der Gruft vorbeikommt. Jahren mit einer Glasfront versehen. Dahinter ruht
Die Dimensionen dieser Gruft waren einst noch Dahinter stehen die Sarkophage eng gedrängt und »Schneewittchen«. Der Name provoziert die Vor-
größer. Der überdachte Friedhof – im Fachjargon über­ein­an­der­ge­sta­pelt. Bei der Klientel, die hier stellung einer schönen, fast noch lebendigen jungen
Coemeterium, lateinisch für Ruhestätte – war hundert ihre ewige Ruhe fand, handelt es sich um einen Toten. Stattdessen liegt da ein dunkles, längliches un-
Meter lang, dreißig Meter breit. Seit 1978 werden die Teil der damaligen Oberschicht. Konkret um den ansehnliches Häufchen. Den Kosenamen haben die
Überreste des subterranen Monumentalbaus archäo- frühen christlichen Adel. Oder wie Nicole Reifarth
logisch erschlossen. Inschriften, Münzen, Schmuck von der Universität Köln es ausdrückt: »Die Elite Fortsetzung auf S. 34
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Diese Fliege profitierte ...  Fortsetzung von S. 33
Forscher den spärlichen Überresten gegeben, nach­
dem der Sarkophag von einem Bagger versehentlich
zerstört und mit einer Glasscheibe repariert worden
war. Bei dem Missgeschick kam zum Vorschein, was
nach all den Verwesungsprozessen im sauren Mikro­
klima unter dem Stein­deckel von der Frau übrig ist:
die Knochen nur noch Pulver, ein paar Zähne. Doch
wo einst der Kopf war, erkennt man goldenes­
Gewebe – ein Hauch von Exklusivität.
Wie erfährt man aber etwas über die Toten,
wenn alle Spuren verschwunden sind? Hier nun
kommen die Insekten in einer längeren Indizien­
kette ins Spiel. In einigen Steinsärgen nämlich
fand Reifarth zwar keinerlei Textilien mehr, aber
haufenweise Puparien – die harten, verlassenen
Hüllen von Fliegenlarven. An den Puparien hafte­
ten violette Auflagerungen, die Brom enthalten.
Als Quelle dieses chemischen Elements kommt in
erster Linie Purpur infrage. Diese Substanz ist­
einer der teuersten Farbstoffe der Welt, gewonnen
aus dem Sekret von Purpurschnecken. Seiner Ex­
klusivität wegen war er im alten Rom zeitweise für
das Färben von Senatorenschärpen reserviert.
Auch dank der im Aas herangewachsenen Maden
– sie hatten sich von den bunten Textilfasern er­
nährt – lässt sich in St. Maximin nachweisen, wo­
rin die frühen Christen sich hatten bestatten­
lassen: in sündhaft teuren Gewändern.
Zu den rätselhaftesten Funden zählen winzige
Nägel, die den Verstorbenen ins Jenseits mitgegeben
wurden. Manche vermuten in dem Brauch die alte
Form eines heidnischen Ritus. Andere glauben, die
Nägel sollten die Toten »im Grab festhalten«; das
Eisen verhinderte die Wiederkehr der Ahnen als
Zombies. Oder garantierten die Nägel symbolisch
den Schutz der Toten? Eine als Drohung zu verste­
hende Grabinschrift aus der Kaiserzeit lässt dies ver­
muten: Quicumque hinc clavos ex emerit in oculos sibi
Römisches
Reich
figat – »Jeder, der die Nägel hier herausnimmt, der
bohre (sie) sich (selbst) in die Augen«.
Von dem in Sarkophag Nummer 279 Liegen­
den ist etwas mehr übrig geblieben als von Schnee­
wittchen. Deutlich erkennbar immerhin noch: die
einstigen Umrisse der Leiche und einige Haare.
Weniger deutlich: ein Stück vom Kiefer und das
rechte Stirnbein. Mehr als das spärlich erhaltene
mumifizierte Körpergewebe verraten die Dinge,
die dem Toten mit ins Grab gegeben wurden. Ho­
belspäne sind erhalten – Weißtanne aus dem
Schwarzwald. Ebenso Teile der seidenen, rötlich
gefärbten Tunika mit eingewebten Zierstreifen aus
Purpurwolle. Das exklusive Kleidungsstück ist mit
besonderer Webtechnik hergestellt – Blöckchen­
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WISSEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Archäologie
Trier und das
Römische Reich
damast. Dafür brauchte man, wie vom Kaiser Mittelalter. Dort fanden die Forscher, sagt Nicole
Diokletian überliefert ist, die damals teuersten Reifarth, »ganze Teppiche aus toten Schmeißfliegen
Webstühle. Auch die Weber waren die besten auf den Skeletten« – und deutlich weniger Buckel­
unter den Fachkräften, fast doppelt so hoch be­ fliegen als vor dem Untergang.
zahlt wie die Weber für Halbseide. Was steht dahinter? Der Unterschied hat mit
Offenkundig finden sich in dieser Gruft also die dem Zustand einer Leiche und den Fressgewohn­
Luxusgüter einer sehr gut sortierten Handelsmacht. heiten der Insekten zu tun. Kommt eine Leiche
Trier Gewerbeflächen
Gewerbeflächen
Porta
Porta Nigra
Nigra St.
St. Maximin
Maximin
Die gleichen Stoffe gab es auch am Ostrand des unter normalen Umständen in den Sarg, kriegt
Römischen Reichs, in Palmyra im heutigen Syrien. sie meist schnell Besuch von den Schmeißfliegen.
Speicher
Speicher Außerdem belegen die Gräber die ausgeklügelte, Diese gelten als Erstbesiedler. Frucht- und­
professionelle Bestattungskultur der Römer. Statt Buckelfliegen lassen sich mehr Zeit. Und erst mit
auf Hobelspäne bettete man Leichen mitunter in der Austrockung, der Mumifizierung des Leich­
Dom
einen Gipsbrei – wohl um die Verwesungsgerüche nams kommen Speckkäfer oder die Raupen der
Dom zu minimieren. Man wickelte die Toten in harz­ Teppichmotte vorbei – sie besitzen das Enzym
Tempel
Tempel Therme
Therme am
am
am getränkte Tücher oder übergoss sie im Brust­ Keratinase, mit dem sich die zähe Haut abbauen
am Moselufer
Moselufer Viehmarkt
Viehmarkt Palastbezirk
Palastbezirk bereich mit aromatischen Balsamen – noch ist lässt. Wenn sie an der Reihe sind, hat sich die
unklar, ob es sich bei dem Prozedere um eine Schmeißfliege längst wieder aus dem Staub ge­
Frühform der Letzten Ölung handelte oder auch macht – eine vertrocknete Hauthülle ist für die
Römerbrücke
Römerbrücke Circus
Circus da um eine Intervention zur Verbesserung des Mundwerkzeuge der Maden zu hart.
Kaiser-
Kaiser-
Raumklimas in der schlecht gelüfteten Gruft. Dass sich in den antiken Sarkophagen also kaum
Barbarathermen
Barbarathermen
thermen
thermen Ab einer bestimmten Zeit wechseln nun die Schmeißfliegen fanden, liegt – so eine These der
Forum
Forum Bestattungspraktiken. In den Steinsärgen finden Forscher – am Harz, mit dem die professionellen
sich andere Inhalte: Es fehlen die Myrtenzweige. römischen Bestatter die Toten behandelten. Genau
oselel
Tempelbezirk
Tempelbezirk
Heublumen und Stroh statt Späne aus dem dieses Elixier nutzen auch harzende Pflanzen selbst
Mos
am
am Altbachtal
Altbachtal Amphitheater
M
Amphitheater Schwarzwald. Weniger Seide, kein teurer Purpur zur Abwehr schädlicher Insekten. Das Harz in den
Tempel
Tempel am
am mehr, die Goldfäden nicht mehr so fein wie frü­ Gräbern von St. Maximin hatte denselben Effekt.
Herrenbrünnchen
Herrenbrünnchen her. Der einheitliche Dress­code fürs Jenseits ver­ Es hielt Schmeißfliegen von der menschlichen Bio­
A
Allttbbaacchh schwindet exakt in der Zeit des Untergangs. Am masse ab. Stattdessen kamen die spät besiedelnden
Ende des 4. Jahrhunderts setzt das Einfallen ger­ Buckelfliegen zum Zug.
manischer Stämme dem Weströmischen Reich Mit dem Niedergang Roms verschwand diese
immer stärker zu. Das grenznahe Trier ist als Praxis der Einbalsamierung. Die Leichen gingen
im
im 4
4 Jhd.
Jhd. n.
n. Chr.
Chr. Residenzstadt nicht mehr zu halten. Der Sitz der ohne harzige Schutzhülle ins Jenseits – und die
250
250 m
m gallischen Präfektur wird nach A ­rles verlegt. Schmeißfliege konnte sich wieder ungehindert in
Fränkische Heere verwüsten mehrmals die Stadt, den sterblichen Überresten des Kirchenadels an
um 485 hat sich das Reich der Merowinger die die Eiablage machen.
ganze Region einverleibt. Was die Forscherinnen und Forscher in der
Zur Freude der Calliphoridae und der Mus­ Gruft ergründen, deckt sich mit den Befunden der
cidae. Die Familien der Schmeißfliegen und der Archäologen in den oberirdischen Ruinen. Hun­
Echten Fliegen (zu denen auch die Stubenfliege
zählt) gehören zu den Profiteuren des damaligen
derte antiker Austernschalen fanden sich im Dom­
bezirk von Trier. Um diese kulinarische Vorliebe
Trier
Wikipedia
Wandels – zumindest hier in der Gruft unter der der Elite zu befriedigen, bedurfte es der gigantischen
Atlas,Wikipedia
Kirche St. Maximin. Während nämlich Anthro­ Handelsinfrastruktur der Römer. Die frische­
Weströmisches pologen die amorphen menschlichen Überreste Muschel lässt sich nämlich nur vierzehn Tage lang
Weströmisches
DierckeAtlas,
zum Zeitpunkt
Reich zum
Reich Zeitpunkt unter die Lupe nahmen und Nicole Reifarth sich transportieren. Im Eilversand wurde sie in rö­
an die feinstoffliche Untersuchung der Gewän­ mischer Zeit von der Atlantikküste nach Trier ver­
Quelle:Diercke
seines Untergangs
seines Untergangs
(476 n.
(476 n. Chr.)
Chr.) der machte, schaute sich der Forensiker Jens schickt, tausend Kilometer weit.
Amendt die entomologischen Spuren besonders Mit dem Untergang des Reichs kollabierte das
Gerdes,Quelle:
Oströmisches
Oströmisches
genau an – und die Insekten wussten zu erzählen. kaiserliche Transportsystem, das die ganze römische
Reich
Reich
In den spätantiken christlichen Elitegräbern, Welt erschlossen hatte – die geliebte Leckerei ver­
AnneGerdes,
Weitere
Weitere Gebiete,
Gebiete, angelegt vor dem Aus der Römer in Germanien, schwand von der Speisekarte. Gezwungener­maßen
die
die zur
zur Zeit
Zeit der
der finden sich, wenn überhaupt, nur Spuren von­ machten sich die Trierer – nun quasi als Franken –
GRAFIK:Anne
größten
größten Aus-
Aus-
Buckelfliegen, die sich mitunter durch kleinste nichts mehr aus Austern.
ZEIT-GRAFIK:
dehnung
dehnung
(117
Ritzen metertief in die Erde graben. Große Ab­ Die Schmeißfliege hatte es da besser. Mit dem
(117 n.
n. Chr.)
Chr.) noch
noch
zum wesende dagegen: Schmeißfliegen. Umgekehrt ver­ Untergang des Reichs bekamen die Maden von
zum Reich
Reich gehörten
ZEIT-
gehörten
hält es sich bei den Bestattungen aus dem frühen St. Maximin ihre Delikatesse zurück.
Beherzt helfen
Beim plötzlichen Herzstillstand stehen zwischen Leben und Tod wenige
Minuten. Schnelles Eingreifen ist einfach. Man muss es nur tun 
VON JAN SCHWEITZER
Nur selten geht es so glimpflich aus wie am ver­ Um die Menschen dazu zu bringen, etwas zu
gangenen Wochenende bei Christian Eriksen. tun, sollte man ihnen zuallererst sagen, was sie
Denn nur selten stehen Sanitäter oder Ärzte be­ nicht tun müssen. Sie müssen keine Mund-zu-
reit, wenn jemand bewusstlos umfällt wie der­ Mund-Beatmung durchführen, es reicht eine
dänische Fußballer im EM-Spiel gegen Finnland. simple, aber kräftige Herzdruckmassage. Vorher
Dabei zählen in diesen Momenten Minuten, es sollten sie die Atemwege des Betroffenen frei
Jetzt die F.A.Z. abonnieren und geht um Leben oder Tod. machen, seinen Kopf nach hinten strecken und
verlässlich informiert bleiben. Warum es Eriksen plötzlich umriss und er den Rettungsdienst rufen. Das jedoch wissen
Ab 14,90 Euro/4 Wochen – wiederbelebt werden musste, war bei Re­dak­ viele Menschen noch immer nicht. Sie denken,
freiheitimkopf.de tions­schluss noch nicht bekannt. In den aller­ bei einer Wiederbelebung müsse man immer
meisten Fällen ist es aber das Herz, das von­ auch beatmen – und lassen es gleich ganz, weil
einem Augenblick auf den anderen nicht mehr sie sich davor ekeln.
richtig pumpt. Oft ist ein Infarkt die Ursache Um Leben zu retten, braucht also niemand
dafür, auch Rhythmusstörungen spielen häufig spezielle Kenntnisse, eine Auffrischung des Erste-­
eine Rolle. Der Körper wird dann nicht mehr
mit Blut versorgt, das empfindliche Gehirn
Hilfe-Kurses etwa, den viele vor Jahrzehnten zu
ihrem Führerschein belegt haben. Auch die
auch nicht, die Betroffenen verlieren das­ Angst davor, etwas falsch zu machen, ist un­
Bewusstsein. Das passiert nicht so selten: Mehr begründet. Denn eine Herzdruckmassage ist ein­
als 65.000 Menschen in Deutschland sterben fach: Man muss nur den Ballen der einen Hand
jedes Jahr an einem plötzlichen Herztod, ­180 auf die Mitte der Brust legen, den der anderen
pro Tag. Hand wiederum darauf und dann mit Kraft
Es könnten deutlich weniger sein. Es müsste nach unten drücken, und zwar deutlich tiefer, als
nur immer etwas getan werden, wenn jemand es meist in Filmen oder Serien zu sehen ist, ein
plötzlich zu Boden geht. Und zwar von jeder paar Zentimeter (etwa fünf ) sollten es schon
und jedem, die es mitbekommen. sein. Eine schlechte Nachricht aber gibt es: Man
Illustration: Oriana Fenwick für DIE ZEIT
Im Durchschnitt dauert es in Deutschland sollte sehr häufig drücken, 100- bis 120-mal in
nämlich knapp sieben Minuten, bis in solch­ der Minute, also etwa zweimal in der Sekunde.
einer Situation ein Rettungswagen eingetroffen Diese wenigen Dinge sollten die Menschen
ist. Diese Wartezeit ist zu lang, um untätig­ wissen. Man muss sie ihnen sagen, gleich von
danebenzustehen. Schon nach drei Minuten Anfang an, in den Erste-Hilfe-Kursen in der
etwa kann das Gehirn geschädigt sein. Die­ Schule oder beim Führerschein, und immer mal
sogenannte Laien-Reanimationsquote hierzu­ wieder durch Aufklärung und Kampagnen in
lande liegt aber nur bei etwa 40 Prozent, deut­ Bussen und Bahnen, bei der Arbeit, auf öf­fent­
lich unter dem europäischen Durchschnitt von lichen Plätzen. Es kann anstrengend sein, Leben
58 Prozent. zu retten, schwer ist es nicht.
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 WISSEN 35

Familie

»Da bin ich

einfach nur
sprachlos«
Die Justizministerin Christine Lambrecht
leitet nun auch das Familienministerium.
Ein Gespräch über ihre Doppelrolle, den Streit
um die Kinderrechte und die Frage, was die

Foto: Madlen Krippendorf für DIE ZEIT

SPD Familien noch anzubieten hat

Christine Lambrecht, 55, kümmert sich seit dem Rücktritt von Franziska Giffey auch um die Themen des Familienministeriums

DIE ZEIT: Frau Lambrecht, auf einer Skala von
1 bis 10, wie kinderfeindlich ist Deutschland?
Christine Lambrecht: Da sind wir etwa bei einer
2, wenngleich ich nicht glaube, dass so eine Skala
sonderlich aussagekräftig ist. Es gibt noch Hand-
lungsbedarf, aber wir stehen viel besser da als vor
20 Jahren, als es kaum Kita-Plätze und Angebote
für frühkindliche Bildung gab. Mich freut, dass
wir Kinder heute als eigenständige Persönlich­
keiten wahrnehmen, die eigene Bedürfnisse haben
und nicht nur ein Anhängsel ihrer Eltern sind.
ZEIT: In den vergangenen 15 Monaten haben
Familien und Kinder das anders erlebt. Wie sie
durch die Pandemie kamen, war größtenteils­
Privatsache. Verstehen Sie, dass es viele Menschen
irritiert hat, dass Familienministerin Franziska
Giffey so kurz vor der Wahl hingeschmissen hat
und Ihre Partei entschied, den Posten bis Septem-
ber nicht neu zu besetzen?
Lambrecht: Es ist völlig richtig, dass die vergan-
genen Monate für viele Familien besonders
schwierig waren. Es stimmt aber nicht, dass das
Werteordnung – einen ganz anderen Stellen-
wert bekommen. Das hätte konkrete Auswir-
kungen gehabt.
ZEIT: Welche?
Lambrecht: Ich denke da an eine Reihe von Miss-
brauchsfällen, bei denen das Recht der Kinder
auf Anhörung nicht von allen Gerichten und
Verwaltungen berücksichtigt wurde. Wenn das
Anhörungsrecht des Kindes in der Verfassung
verankert ist, schärft sich das Bewusstsein für
seine Bedeutung. Eine Grundgesetzänderung
hätte ein klares Signal an Legislative, Exekutive
und die Judikative gesendet: Leute, passt auf bei
all euren Entscheidungen, berücksichtigt, was
die Kinder euch zu sagen haben!
ZEIT: Hat es dem familienpolitischen Profil der
SPD geschadet, mit der CDU zu regieren?
Lambrecht: Wir haben in der großen Koalition
unter den Familienministerinnen Manuela
Schwesig und Franziska Giffey viel erreicht. Ich
denke etwa an den Kita-Ausbau und an zeitge­
mäße Verbesserungen beim Elterngeld. Aber klar,
Veränderungsdruck vom Bundesverfassungsgericht
ausgehen, nicht von der Politik.
Lambrecht: Das ärgert mich total! Die Reform wird
kommen, dennoch blockiert die Union.
ZEIT: Die FDP dagegen scheint Ihnen mit progres-
siven Ideen davonzugaloppieren. Sie kann sich eine
multiple Elternschaft mit bis zu vier Elternteilen
vorstellen. Geht das der SPD zu weit?
Lambrecht: Als Familienministerin ist mir wichtig,
welche Auswirkungen solche Konstellationen auf das
Kind haben. Persönlich bin ich der Meinung, dass
ein Kind eine gewisse Stabilität braucht.
ZEIT: In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die
SPD zu sogenannten Verantwortungsgemeinschaf-
ten, die es in Frankreich seit 1999 gibt. Was hat es
damit auf sich?
Lambrecht: Das bedeutet nichts anderes, als dass
Menschen auch außerhalb einer Ehe füreinander
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Verantwortung übernehmen können. Etwa wenn
zwei verwitwete Freundinnen im Alter füreinander
sorgen wollen. Oder wenn eine Alleinerziehende ihr
Kind mit einem Freund großziehen möchte. Wir
können es gar nicht hoch genug schätzen, wenn
Menschen füreinander einstehen wollen, und sollten
ihnen ermöglichen, sich dabei rechtlich abzusichern.
ZEIT: Ist das denn ein drängendes Thema?
Lambrecht: Die Gesellschaft ist oftmals viel weiter,
als wir es in der politischen Diskussion sind – weil
die Menschen diese neuen Modelle längst so mit­
ein­an­der leben. Ich fühle mich in der SPD auch bei
solchen Themen richtig gut aufgehoben, weil wir
offen für gesellschaftliche Neuerungen sind und sie
intensiv diskutieren.
ZEIT: ... aber selten gut kommunizieren. Hat das
Stimmentief der SPD auch damit zu tun, dass ihre
Ideen nicht mehr bei den Menschen ankommen?
Lambrecht: Ich würde mir wünschen, dass wir über
unsere Erfolge deutlicher, lauter und vielleicht auch
ein bisschen stolzer reden. Das Recht auf einen
Ganztagsplatz an den Grundschulen zum Beispiel
haben wir gerade noch durchgesetzt, so wie viele
andere Themen aus dem Koalitionsvertrag auch.
ZEIT: Dennoch wollen Sie nicht mehr für den
Bundestag kandidieren. Warum nicht?
Lambrecht: Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich in
der SPD, vorher war ich in der Anti-Atomkraft-
Bewegung engagiert. Mit 19 bin ich Stadtverord-
nete geworden und habe in den Neunzigern in
meiner Kommune eine Kita für unter Dreijährige
erkämpft. Ich bin seit 23 Jahren Abgeordnete. Jetzt
ist es Zeit für etwas Neues.
Das Gespräch führten
Jeannette Otto und Johanna Schoener

DAS HAUS DER WOCHE

Familienministerium nicht besetzt ist. Ich neh-
me diese Funktion in vollem Umfang wahr – zu-
sätzlich zu meinen Aufgaben als Justizministerin.
Dazu habe ich mich bewusst entschieden, auch
weil es schon vorher große Schnittmengen zwi-
schen den Ministerien gab.
ZEIT: Es bleibt das Signal, Familie lässt sich­
nebenbei erledigen. Eine Botschaft, mit der Mil-
lionen Eltern gerade in der Krise alleingelassen
wurden, als sie im Homeoffice auch Kinder­
betreuung und Homeschooling wuppen sollten.
Lambrecht: Wenn der Rücktritt von Franziska
Giffey mitten in der Legislaturperiode geschehen
wäre, würde ich allen Kritikern recht geben. Aber
jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, werden die
Aufgaben im Justizministerium weniger, die­
großen Gesetzesvorhaben sind abgearbeitet. Ich
kann mich also gut um die Themen des Familien-
ministeriums kümmern und werde das mit vollem
Engagement auch bis zum letzten Tag tun.
ZEIT: In Ihrer neuen Doppelrolle haben Sie­
gerade eine bittere Niederlage einstecken müssen.
Die Kinderrechte werden in dieser Legislatur­
periode nicht mehr ins Grundgesetz aufgenom-
men, ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag
von CDU und SPD. Woran ist es gescheitert?
Lambrecht: Wir haben lange und hart verhandelt,
innerhalb der Koalition und mit der Opposition.
Es wurden sämtliche Varianten durchgespielt, wo
im Grundgesetz die Kinderrechte stehen könnten
und mit welcher Formulierung. Uns als SPD und
mir persönlich war es wichtig, dieses Vorhaben
jetzt endlich umzusetzen. Es war aber immer klar,
dass wir einen Kompromiss brauchen, weil wir für
eine Grundgesetzänderung eine Zweidrittel­
mehrheit in Bundesrat und Bundestag benötigen.
Wir haben einen Regierungsentwurf vorgelegt,
aber in den Verhandlungen im Bundestag waren
weder die Opposition noch die Union bereit, ihre­
Haltung zu überdenken. Daran ist es am Ende­
gescheitert.
ZEIT: Und die SPD hat nichts falsch gemacht?
Stimmen aus Ihren eigenen Reihen sagen, man
sei viel zu weit von der eigenen Position abge­
wichen, der Kompromiss hätte keinen Fortschritt
erzielt und die Kinderrechte nicht gestärkt.
Lambrecht: Unser Formulierungsvorschlag war
der kleinste gemeinsame Nenner, für mich aber
gerade noch vertretbar. Mit der Union war nicht
mehr zu machen.
ZEIT: Wäre dieser kleinste gemeinsame Nenner
denn mehr gewesen als reine Symbolpolitik?
Lambrecht: Ja, die Rechte der Kinder hätten
durch die Verankerung im Grundgesetz – unserer
es waren auch dicke Bretter zu bohren.
ZEIT: Welche meinen Sie?
Lambrecht: Allein, wenn ich daran denke, wie
schwer es war, ein Gesetz durchzusetzen, durch
das hochqualifizierte Frauen stärker in Vorstän-
den berücksichtigt werden müssen. Da bekamen
wir vom Koalitionspartner zu hören: Die Unter-
nehmen haben genug mit den Folgen der Pande-
mie zu tun, jetzt kommt ihr uns auch noch mit
den Frauen! Da bin ich einfach nur sprachlos. Das
ist ein Frauenbild, das ich längst überwunden
glaubte. Es erinnert mich an die Zeit, als die Auf-
gaben im Haushalt und in der Kinderbetreuung
klar den Frauen zugeordnet waren und der Ehe-
mann großen Einfluss auf ihre Erwerbstätigkeit
nehmen konnte. Noch in den Siebzigerjahren war
das geltendes Recht und wurde erst 1977 durch
eine SPD-Regierung geändert. Dieser Kampf ist
noch gar nicht so lange her.
ZEIT: Welche Familienpolitik bekommt man
von der SPD heute?
Lambrecht: Uns ist wichtig, dass Menschen sich
frei entscheiden können, wie sie leben wollen.
Wir wollen niemandem vorschreiben, wie eine
Familie auszusehen hat. Unsere Aufgabe ist es,
dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen
für die verschiedenen Lebensmodelle stimmen.
ZEIT: Und tun sie das? Bei gemischtgeschlecht-
lichen Paaren wird der Ehemann automatisch als
Elternteil in die Geburtsurkunde eingetragen,
auch wenn er biologisch nicht der Vater ist. Auch
bei unverheirateten Paaren können Männer die
Vaterschaft unkompliziert anerkennen ...
Lambrecht: ... während in Zwei-Mütter-Fami­lien
die Partnerin das Kind erst adoptieren muss,­
damit Rechtssicherheit für die Eltern und das
Kind besteht, richtig. Das hätte ich gern neu­
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geregelt in dieser Legislaturperiode. EIN BEITRAG DER putzte Holzhausfassaden) sind einstofflich Kontakt
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ZEIT: Warum haben Sie es dann nicht getan?
Klimawandsysteme stehen für diffusionsof- GmbH & Co. KG
Lambrecht: Ich habe ein Gesetz vorgelegt – aber Afham 5, 94496 Ortenburg
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te im Firmendenken sind die Gesundheit und energieeffiziente Ein- und Mehrfamilienhäu-
solchen Konstellationen mal vorstellen: Ange- bauten inspirieren und informieren
das Wohlbefinden für die Menschen, die die ser, Gewerbe- und Wohnungsbauten. »Alles
nommen, die biologische Mutter stirbt, dann Holzhäuser bewohnen, sowie die Wertbestän- aus einer Hand« heißt die Devise – von der
Sie sich über »richtig gut bauen
und wohnen mit Sonnleitner« unter
muss das Kind von ihrer Ehefrau erst adoptiert digkeit und Sicherheit, die sie ein Hausleben Beratung, der Planung bis hin zum schlüssel- www.sonnleitner.de
werden. Ein solches Verfahren kann sich über lang begleiten und Ihnen »gut tun« müssen. fertig ausgebauten Eigenheim. Schon aus
Jahre hinziehen und sehr belastend sein. Jedes Ob in Vollholzoptik oder verputzt oder eine Qualitätsgründen ist Ortenburg ausschließli-
eheliche Kind sollte die gleiche rechtliche­ Kombination aus beidem – Sonnleitner reali- cher Produktionsstandort für Häuser, Fenster
siert Ihre individuellen Vorstellungen. Die pa- und Wintergärten sowie frei geplante Innen-
Stellung haben, egal ob es eine Ehe von Mann tentierten Klimawandsysteme »TWINLIGNA®« einrichtungen. Fachberater und Baubiologen
und Frau oder von zwei Frauen ist. (speziell für sichtbare Massivholzfassaden) beantworten gerne Ihre Fragen über gesundes
ZEIT: Zum Abstammungsrecht gibt es inzwi- und »MONOLIGNA®« (entwickelt für ver- Bauen und Wohnen des Holzfertigbaus.
schen eine Reihe von Klagen, am Ende wird der
 36 WISSEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Materialforschung Schule

Hier steht’s!
Wenn Sie nur ein Buch über
Bildungspolitik lesen könnten ...
Ganz am Ende, auf Seite 136, fängt Ralf Dahren-
dorf an zu träumen: wie denn eine Welt aussähe,
»Wenn ein in der ein Bürgerrecht auf Bildung verwirklicht
Politiker in Ungnade wäre. Wäre das eine moderne Gesellschaft, in der
alle über Bildung reden? In der es Spaß gemacht
fällt, liegt es meist hat, die Schule zu besuchen? In der Menschen
an einem zwielichtigen ihr Lebensglück finden und viele sich so­zial und
Hinterzimmer-Deal, politisch »wirksam beteiligen«, wie es dort heißt?
Klingt nach Wolkenschieberei – ist es aber
einer außerehelichen nicht. Denn eine Utopie war für Dahrendorf
Affäre oder Gerüchten »nicht mehr als der sich radikal gebärdende
Fotos: Eye Of Science/SPL; Karlheinz Schindler/dpa (r.); ZEIT-Grafik
Dahrendorf schrieb sein Buch mitten im Kal-
ten Krieg. Der Westen war sputnikgeschockt, es
fehlten Abiturienten, Lehrerinnen und Ingenieure,­
es grassierten Systemkonkurrenz und die Furcht
vor dem Ende des wirtschaftlichen Aufstiegs.
Dahrendorf schrieb die Serie in eine auf­
geheizte Debatte hinein, viele Diskursmuster
kennt man bis heute. Alle forderten mehr Bildung;
die einen sahen aber »Lehren und Lernen als
Haushalt und als Investition«, die anderen warn-
ten vor der »Bildungskatastrophe«, die in den »na-

Doppel­gänger des Status quo«.
über einen Dahrendorf wollte etwas umsetzen. Er forderte­
Sexualfetisch. Nicht eine große Reform, eine Bildungsrevolution von
in Deutschland, wo oben mit dem Ziel, viel mehr Menschen den Zu-
gang zu Gymnasien und Hochschulen zu er-
der dunkelste möglichen: mehr Bildung für mehr Menschen.
Fleck auf der Ehre Wer nur ein Buch über Bildungspolitik lesen
kann, sollte Bildung ist Bürgerrecht lesen. Ralf
eines Politikers eine Dahrendorf veröffentlichte im Winter 1965 eine
schlampige Fußnote sechsteilige Serie in der ZEIT (alle Teile sind in
in seiner den Quellen dieser WISSEN-Ausgabe verlinkt);
kurz darauf wurde sie zum Buch. In diesem­
Doktorarbeit ist.« »Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik« ana-
lysiert Dahrendorf, woran das Bildungswesen der
Philip Oltermann (*1981) Sechzigerjahre leidet, wie man »mehr Bildung«
ist Chef des Berliner theoretisch fundiert – und schließlich umsetzt.
Büros des »Guardian« Dahrendorf, mit damals 36 Jahren der »hoch-
Durchschaut: Die Maske begabte Überflieger«, als den ihn seine Biografin
Franziska Meifort beschreiben wird, war Sozio-
logie-Professor in Tübingen; später wurde er
Chaos, das schützt. Unter dem Elektronenmikroskop sieht man, wie sich die Politiker, Public Intellectual und Rektor der
London School of Economics. 1993 erhob ihn
Kunststofffasern der N95-Maske winden, falten und überlagern. So bilden die Queen zum Lord. Am 17. Juni vor zwölf
sie ein engmaschiges Netz, das Aerosole besser als andere Fasern zurückhält. Jahren verstarb er.
tionalen Notstand«, gar den »Untergang« führe.
Diesen Ängsten setzte Dahrendorf einen­
positiven, liberalen Entwurf entgegen: das Recht
auf Bildung, das jeden befähigt, sich als Staats-
bürger einzubringen. Der Staat muss Bildung
nicht nur anbieten, sondern sich darum kümmern,
dass Menschen sie auch nutzen: auch die Arbeiter-
kinder, die Landbevölkerung, die Katholiken,
besonders die Mädchen, die sich seither von­
Bildungsverlierern zu Bildungsgewinnerinnen
gewandelt haben. »Aktive Bildungspolitik« nannte­
Dahrendorf das – gezielte Veränderungen durch
Forschung, durch Planung und Politik.
Das »Bürgerrecht auf Bildung« wurde ein
prägender Begriff des Bildungsaufbruchs und
ist es bis heute geblieben. Was später »Bildungs-
republik« hieß oder »Chancenland«, stand schon
bei Dahrendorf. Zwei Dinge jedoch hatte er
unterschätzt: wie schnell das Bildungswesen
wächst. Und wie lahm es sich reformiert. Gerade
deshalb sollte man Bildung ist Bürgerrecht heute
wieder lesen – und dieses Bürgerrecht als Arbeits-
auftrag für die Reformen der Zukunft ver-
stehen.  MANUEL J. HARTUNG

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 DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Biologie
Stimmt’s?
Gehirnzellen können sich
nicht erneuern
Im Jahr 1999 schrieb ich in der Stimmt’s-­
Kolumne (Nr. 16) noch, die »kleinen grauen
Zellen« würden sich im Lauf des Lebens nicht
erneuern, man müsse mit der Ausstattung aus-
kommen, mit der man geboren werde. Das galt
damals als ausgemachte Sache unter Hirn­
forschern, allerdings war schon wenige Monate
zuvor eine Arbeit erschienen, die diese schein-
bare Gewissheit in Zweifel zog.
Tatsächlich nämlich hatten Forscher am
Salk In­sti­tute for Biological Studies im ameri-
kanischen La Jolla die Gehirne Verstorbener
untersucht und dabei im sogenannten Hippo-
campus die Existenz von Stammzellen nach-
weisen können – Zellen also, die noch die­
Fähigkeit haben, sich zu teilen und weiter aus-
zudifferenzieren. In dieser Hirnregion, genauer
im Gyrus dentatus, werden auch bei erwach-
senen Menschen ständig neue Zellen gebil-
det, schlossen die Forscher in ihrer Veröffent-
lichung im Fachmagazin ­Nature Medi­cine.
In diesem Teil des Gehirns werden unter
anderem die Sinneseindrücke, die auf uns ein-
Abb.: bpk; ZEIT-Grafik
strömen, in dauerhafte Erinnerungen umge-
wandelt. Es wurde spekuliert, dass diese neuen
Zellen dazu beitragen könnten, frische Erleb-
nisse von ähnlichen, bereits bekannten zu­
unterscheiden.
www.zeit.de/vorgelese
Diese Woche fragt Christian Stemmer aus München.
Und worauf suchen Sie eine Antwort? Schreiben Sie an: DIE ZEIT, Wissen-Ressort,
20079 Hamburg, oder stimmts@zeit.de. Das Archiv: www.zeit.de/stimmts
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WISSEN 37
Chemie
O
C CH3
H N
Die Nachricht wurde in den folgenden­
Jahren auch von populären Medien aufge­
griffen, teilweise mit euphorischem Tenor. Das »1. Das Modenland
Nachlassen der Hirnfunktion im Alter sei kein (Frankreich). –
Schicksal, hieß es, und es häuften sich die
Tipps, wie man mit körperlichem Training 2. Das Land der
und richtiger Ernährung die Bildung dieser Launen (England). –
neuen Zellen fördern könne. 3. Ahnenland
Inzwischen wird die Sache unter Wissen-
(Spanien). –
CH3
schaftlern wieder etwas nüchterner betrachtet.
Neue Zellen allein bedeuten ja nicht, dass das 4. Prachtland
Hirn mehr leistet und sich besser erinnert –
wichtig ist, wie diese Zellen mit anderen ver- (Italien). –
netzt werden. Und dass es wirklich so viele 5. Das Titelland
neue Zellen sind, wird in jüngeren Studien (Deutschland [...]).«
wieder bezweifelt. Eine Studie von Forschern
der University of California in San Francisco,
veröffentlicht 2018 in ­Nature, fand eher wenige Immanuel Kant
dieser Exemplare: »Wir kommen zu dem (1724–1804),
Schluss, dass die Bildung junger Neurone in
den ersten Lebensjahren rapide nachlässt.«
Die Bildung neuer Nervenzellen im Gyrus
deutscher Philosoph, in
»Anthropologie in
pragmatischer Hinsicht«
Gesprächsstoff: Dimethylformamid
dentatus von Erwachsenen sei extrem selten.
Wie sähe eine Welt ohne Dimethylformamid aus? Zumindest weniger
Das menschliche Gehirn unterscheide sich da
von dem von Mäusen und Affen. bunt, denn es steckt in Farben und Lacken. Die chemische Industrie
Es besteht also noch Forschungsbedarf. Wir nutzt Dimethylformamid als Lösungsmittel. Allerdings kann es
sollten daher vorerst schonend mit den Zellen
umgehen, die wir haben. CHRISTOPH DRÖS SER die Leber schädigen und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.
Zudem werden die etwa 225.000 jährlich verwendeten Tonnen auf
Erdölbasis hergestellt. Ein möglicher Ersatz ist das aus Pflanzenabfällen
hergestellte und wohl weniger schädliche Dihydrolevoglucosenon.
Eine australische Firma will davon erstmals 1000 Tonnen produzieren.
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38 WISSEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Medizin

Geschichte
der Regel Viele Mythen,
wenig Wissenschaft
Obwohl sie jeder zweite Mensch regelmäßig bekommt, weiß die Forschung bislang
nur überraschend wenig über die Menstruation  VON SARAH KOLDEHOFF
Antike
Religiös wird die
Menstruation als Strafe für
Evas Sündenfall
interpretiert. Plinius der
Ältere (23–79 n. Chr.) sieht
Menstrualblut als Grund­
lage für neues Leben, für
wichtiger hält er aber den
männlichen Samen.
Eigentlich sei das Blut
giftig – die Frauen
überlebten, weil sie gegen
das Gift immun seien.

Aufklärung
Jean-Jacques Rousseau
(1712–1778) erklärt die
Menstruation zur Folge von
mangelnder Bewegung,
zu vielem Essen und
eingeschränkter Sexualität.

1827
Foto (Ausschnitt): Karoliina Norontaus/plainpicture; ZEIT-Grafik (Quelle: Gesundheitsinformation.de)

Die Eizelle wird als Grund

für die Menstruation
entdeckt. Die langsam Pro
wachsende Bedeutung der ge
Gynäkologie ab Mitte des ste
ro
19. Jahrhunderts fördert n
die Erforschung der
Menstruation, auch wenn
weiterhin noch viele
Ös trogen
Mythen kursieren.

19. Jhdt. Menstruation Eisprung

Die Periode wird von
einigen Medizinern als 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Tage
krankhafter Zustand
beschrieben – die
Schwangerschaft dagegen sei
der natürliche Zustand der
Frau, jede Eizelle solle
befruchtet werden.
Vor allem die beiden Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron bestimmen den Zyklus der Frau.
Besonders hartnäckig hält Er dauert nur bei etwa 15 Prozent genau 28 Tage – die hier skizzierten Abläufe sind exemplarisch
sich das Krankheitsbild

Hysterie. Lange glaubte
man, deren Ursache liege in
der Gebärmutter
(altgr. »hystéra«). Häufig
werden Frauen als hysterisch
bezeichnet, die nicht der
gesellschaftlichen Norm
entsprechen. Erst zum Ende
des Jahrhunderts wird
die Diagnose nach und nach
aus medizinischen
Werken entfernt.
20. Jhdt.
Der Irrglauben, es gebe
ein Menstruationsgift
(»Menotoxin«), existiert
schon seit Jahrhunderten.
Erst 1958 wird er widerlegt.
Im 20. Jahrhundert
dürfen Frauen
während ihrer Periode lange
nicht Blut spenden. Ebenso
wird diskutiert, ob Frauen
in Foto- und Röntgen­
laboren arbeiten dürfen, da
Gefahr bestehe, dass die ­
Bilder Schaden nähmen.
Die Zyklusforschung in der
NS-Zeit fokussiert sich vor
allem auf die Gebärfähigkeit
der Frau – die Nazis wollen
»eierstockstabile« Frauen.
2017
Eine Studie der Uni-Klinik
Zürich widerlegt ein altes
Vorurteil und zeigt, dass es
keinen Zusammenhang
zwischen der Periode und
einem schlechteren Arbeits­
gedächtnis oder einer
mangelhaften Aufmerksam­
keit (»period brain«) gibt.
M
enstruierende Frauen, da war vior: Der Menstruationszyklus wirke sich besonders stark Dabei sei die Menstruation eigentlich für die medizi­ lich auswirken – diese Annahmen seien aber nie syste­
sich der Kinderarzt Belá auf Stimmung, Sexualverhalten und Vitalzeichen aus. nische Forschung ein »Glücksfall«, sagt Beate Ditzen. matisch wissenschaftlich überprüft worden, Hormone
Schick vor 100 Jahren sicher, Auch die Zwischenergebnisse der Apple-Studie klingen Denn am weiblichen Zyklus lasse sich bilderbuchartig würden häufig geschätzt und nicht gemessen.
seien giftig. Blumen zum­ für die meisten Frauen erwartbar: Unabhängig von der Zusammenhang zwischen Hormonen, Verhalten Neben den mentalen sind auch die physiologischen
Beispiel würden verwelken, Alter, Gewicht, Herkunft oder Wohnort leiden mehr und Empfinden untersuchen. Ditzen ist Neuropsy­ Folgen des Zyklus nicht ausreichend untersucht. Mens­
wenn man sie in die Hand als 60 Prozent der Frauen während ihrer Blutung an chologin an der Universität Heidelberg. Mit ihrem truationskrämpfe etwa sind nicht nur ein sehr verbrei­
derer gebe, die gerade ihre Unterleibskrämpfen, Blähungen und Müdigkeit. Mehr Team hat sie zum Beispiel herausgefunden, zu wel­ tetes Symptom. Sie können sogar so schmerzhaft sein
Periode haben. Erst 1958 wurde seine Theorie vom als die Hälfte der Teilnehmerinnen berichtete von Akne chem Zeitpunkt die Herzschlagrate besonders wenig wie ein Herzinfarkt. Das Schmerzempfinden selbst ist
angeblichen »Menstruationsgift« Menotoxin wissen­ und Kopfschmerzen, auch Durchfall und Schlafstörun­ vom Zyklus bestimmt wird. Mit dieser Erkenntnis dabei kulturell bestimmt. Schmerzen, so hören es schon
schaftlich widerlegt. Der Mythos von der toxischen gen wurden häufig als Symptome genannt. können mehr Frauen in klinische Studien aufgenom­ junge Mädchen, gehörten zur Periode nun einmal dazu,
Frau hingegen überlebte. Bis in die Siebzigerjahre Diesen Auswertungen steht ein großes Feld des men, bei denen der Herzschlag eine Rolle spielt. sie müssten sie aushalten.
durften Frauen während ihrer Periode kein Blut­ Nichtwissens gegenüber; es betrifft vor allem die Ditzen will das Thema mit ihren Forschungen aus Diese Normalisierung eines körperlichen Problems
spenden, weil diese angeblich den Abbau von roten Grundlagenforschung, sie steht noch ganz am An­ der Nische holen und damit indirekt auch kultur­ hat Folgen für die Forschung, wie Caroline Criado-Perez
Blutkörperchen begünstige. fang. Beispielsweise wurden laut dem Publikations­ geschichtliche Vorurteile bekämpfen. Etwa jenes, in ihrem Buch Unsichtbare Frauen aufzeigt. Demnach
Jeder zweite Mensch auf der Welt durchläuft den portal Re­search­Gate bislang fünfmal mehr Studien zu dass Frauen während ihrer Periode Opfer ihrer Emo­ untersuchten Forscherinnen und Forscher 2013, ob
monatlichen Zyklus, insgesamt etwa 450 Mal im­ Erektionsstörungen beim Mann veröffentlicht als tionen seien – also quasi nicht ganz zurechnungs­ Viagra auch bei Menstruationskrämpfen wirksam sein
Leben. Doch überraschenderweise weiß man immer zum prämenstruellen Syndrom (PMS), auch wenn fähig. Im 19. Jahrhundert wurde die Ursache für könnte; die ersten Ergebnisse waren vielversprechend.
noch nur wenig darüber, was genau bei der Mens­ die erektile Dysfunktion deutlich seltener vorkommt. weibliche Hysterie der Gebärmutter zugeschrieben, Dann allerdings sei die Finanzierung des Forschungs­
truation passiert: Wie beeinflusst sie den Hormon­ Solche Forschungslücken haben Folgen: Frauen wer­ bis heute halten sich joviale Scherze: Die hat halt projekts eingestellt worden, schreibt Criado-Perez. Und
haushalt? Wie verändert sie die körperlichen Funk­ den noch immer aus bestimmten klinischen Studien ihre Tage. Einen direkten Zusammenhang zwi­ das, obwohl dem Pharmakonzern damit hohe Gewinne
tionen, die Leistungsfähigkeit, die Stimmung, das ausgeschlossen, weil ihre Menstruation die Ergebnisse schen ­hormonellen Schwankungen und psychischen­ entgangen sein dürften. Die Begründung: Monatliche
Sexualverhalten? Erst seit einiger Zeit widmet sich die verfälschen soll. Ob diese Annahme in jedem Fall Symptomen gebe es jedoch nur bedingt, so Ditzens­ Schmerzen seien kein Gesundheitsrisiko.
Forschung diesen Fragen. stimmt, weiß man allerdings nicht. Manche Stu­dien Erkenntnis. Längst nicht alle Frauen leiden unter Für viele Frauen sind sie aber genau das. Zum Bei­
Zum einen verliert die Menstruation zunehmend ihr orien­tie­ren sich aus diesem Grund ausschließlich an starken zyklusbedingten Stimmungsschwankungen. spiel, wenn die Schmerzen durch Endometriose be­
Tabu: Instagram-Fotos zeigen Frauen in blutiger Unter­ Männern, obwohl auch deren Körper Hormon­ Psychische Störungen gar wie die Prämenstruelle­ gründet sind – eine Erkrankung, die mit dem Zyklus
wäsche, neue Hygieneprodukte wie Menstruationstassen schwankungen durchlaufen. dysphorische Störung, die mit extremer Reizbarkeit zusammenhängt. Seit 2002 betreibt die Gynäkologin
stehen in den Drogeriemärkten. 2015 begann bei der Dass die Menstruation schlecht erforscht ist – wie und starker Depressivität verbunden ist, werden nur Sylvia Mechsner am Endometriosezentrum der Berliner
Läuferin Kiran Gandhi am Tag vor dem Marathon ihre überhaupt Frauen medizinisch gesehen un­ ter­ sehr selten dia­gnos­ti­ziert. Charité Grundlagenforschung zu der Erkrankung, die
Periode – sie startete ohne Tampon und ließ das Blut erforscht sind –, ist historisch begründet. In ihrem Auch die Neuropsychologin Alicia Munk beschäf­ bei betroffenen Frauen heftige Schmerzen auslöst.
laufen, für alle sichtbar. Gerade Sportlerinnen reden­ 2002 veröffentlichten Buch Die unpässliche Frau­ tigt sich mit den mentalen Folgen der Menstruation. Mechsner fand heraus, dass sich durch Endometriose
inzwischen offensiver über die Frage, wie der Zyklus ihr beschreiben die Sozialwissenschaftlerinnen Gudrun 30 bis 40 Prozent der gesunden Frauen zeigten in­ Nerven im ganzen Bauchfeld entzünden können. Die
Training beeinflusst (siehe nächste Seite). Maierhof und Sabine Hering, wie die Menstruation ihren Studien Symptome eines prämenstruellen­ Erforschung dieser Krankheit steht noch am Anfang; so
Zudem eröffnet die Digitalisierung durch Mens­ jahrhundertelang instrumentalisiert wurde, um­ Syndroms. In ihrem Labor an der Universität Gießen weiß man nur wenig darüber, wie stark sie die Frucht­
truations-Apps neue Wege der Datengewinnung. Damit Frauen Schwäche und mangelnde Arbeitsfähigkeit zu erforscht sie, wie sich der Zyklus mit und ohne­ barkeit beeinflusst.
notieren die Nutzerinnen nicht nur, wann sie ihre­ attestieren. Die Vorurteile klingen abstrus – und­ hormonelle Verhütung auf Hirnströme, Emotionen Und die Forschung ist aufwendig, weil dafür Gewebe­
Periode haben, sondern auch die Dauer, Intensität, ihr waren doch lange Konsens. und Sexualverhalten auswirkt. Das Projekt ist auf­ proben entnommen werden müssen. Sylvia Mechsner
Befinden. So veröffentlichte die Fachzeitschrift ­Nature Wegen ihrer monatlichen Blutung galten Frauen wendig, denn Munks Versuchspersonen dürfen nicht sagt allerdings, Forschungslücken seien auch ein Abbild
Human Behavior kürzlich eine Studie, in der die Daten von Grund auf als krank – als Ideal­zu­stand hin­ die Pille nehmen, müssen jünger als 35 Jahre alt sein, der Geschlechterverhältnisse. Finanzierung für ihre­
von 3,3 Millionen Frauen ausgewertet wurden, die ihren gegen galt die Schwangerschaft. Bekam ein Mäd­ regelmäßig ihre Periode haben – und sofort ins Labor Forschung zu bekommen sei nach wie vor schwierig,
Zyklus zuvor mit der App Clue dokumentieren hatten. chen schon früh seine erste Periode, wurde dies als­ kommen, sobald ihr Eisprung erfolgt. kritisiert die Gynäkologin. Obwohl viele Mechanismen
Apple führt derzeit gemeinsam mit der Harvard-­ Hinweis auf lüsterne Gedanken und Masturbation­ Als sie ihr Projekt konzipierte und die vorliegen­ der Entzündung unbekannt seien, habe sich »in den
Universität die Women’s Health Study durch, in der die gedeutet. Lange auch behaupteten Mediziner, Be­ den Forschungsdaten recherchierte, sei sie schockiert letzten zehn Jahren am klinischen Interesse an der­
Daten von mehr als 10.000 Frauen einfließen. Sie­ rufstätigkeit und geistige Arbeit würden zu Mens­ gewesen, sagt Munk: »Es ist absurd, wie viele grund­ Erkrankung nichts geändert«. Mechsner glaubt: »Wenn
müssen dafür Informationen über ihren Zyklus in ihr­ trua­tions­stö­run­gen führen. Bis weit ins 20. Jahr­ legende Fragen noch nicht geklärt sind.« So werde Männer Endometriose hätten, wenn sie vor lauter
iPhone oder ihre Apple-Watch eintragen. hundert erfolgte die Erforschung der Menstruation zwar bislang überall angenommen, dass sich die­ Schmerzen ihr Studium abbrächen oder ihre Arbeit nicht
Bislang sind die Ergebnisse dieser Studien aber recht vor allem mit Blick auf die Gebärfähigkeit – nicht Sexualhormone Östradiol, Testosteron und Progeste­ erledigen könnten, wäre das vermutlich längst stärker
bescheiden. So lautete das Fazit in ­Nature Human Beha- aber auf das Wohlbefinden der Frauen. ron je nach Verhütung und Zyklusphase unterschied­ problematisiert – und auch gelöst worden.«
 DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Die Triathletin Laura Philipp hat sich wie kaum eine andere damit beschäftigt,
wie der Zyklus die Leistungsfähigkeit beeinflusst  VON BRIGITTE WENGER
W
enn Laura Philipp ihre
Periode hat, geht sie
schwimmen. Andere
Frauen igeln sich an­
solchen Tagen zu Hause
ein, mit einer Wärm­
flasche auf dem Bauch,
null Bock, irgendetwas zu tun. Laura Philipp aber
geht in die Schwimmhalle des Olympiastütz­
punktes Heidelberg, springt ins Wasser und krault
los. Vier Kilometer Techniktraining. »Training für
den Kopf«, wird sie später sagen. Ihre Mens­trua­
tion ist kein Hindernis für sie.
Laura Philipp ist eine der besten Triathletinnen
der Welt, sie wurde Vierte bei der Ironman-Welt­
meisterschaft 2019 in Hawaii. 3,86 Kilometer
Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195
Kilometer Laufen – das ist ihr Job. Im Training orien­
tiert sie sich an ihrem Zyklus: Sie versucht, das Beste
aus dem Auf und Ab ihrer Hormone herauszuholen,
indem sie die Trainingseinheiten den vier Phasen
anpasst, die sich – wie Frühling, Sommer, Herbst und
Winter – zyklisch wiederholen. Damit ist Philipp
eine Pionierin in Deutschland. Zwar ­zeigen Studien,
dass Spitzensportlerinnen effizienter trainieren und
zugleich Verletzungen verhindern können, wenn sie
ihren Hormonzyklus in den Trainingsplan einfließen
lassen. Doch für einen eindeutigen Eintrag ins Lehr-
buch ist die Studienanzahl noch zu klein.
Laura Phillip sieht nicht aus wie eine Profi-
schwimmerin, eine Spitzenradfahrerin oder eine
Marathonläuferin, keine Muskelpakete, keine­
dürre Taille. Es sind ihre inneren Werte, die sie zur
Iron­ woman machen: die Motivation, alles aus
dem Körper rauszupressen – und die Fähigkeit,
Sauerstoff umzusetzen wie die besten Ausdauer-
sportlerinnen der Welt. »Früher gab es Tage, da
lief bei mir alles zäh. Es war, als ob ich gegen ein
unsichtbares Gummiband ankämpfen musste. An
diesen Tagen habe ich alles infrage gestellt«, erzählt
sie. »Irgendwann habe ich gemerkt, dass sich diese
Tage regelmäßig wiederholen. Krass, dachte ich,
das hat mit meinem Zyklus zu tun!«
Wie besessen hat Laura Philipp alles aufgesogen,
was sie über den Zusammenhang zwischen weib­
lichem Zyklus und sportlicher Leistung finden­
konnte. Zum Beispiel, dass ihr Körper zwischen
Mens­trua­tion und Eisprung besonders gut auf Trai-
ningsreize reagiert. In dieser ersten Zyklushälfte steigt
der ­Östrogenspiegel an, die Gebärmutterschleimhaut
wird aufgebaut, die Frau ist voller Energie, der Körper
schreit nach Partnersuche – wie im Frühling. In
dieser Phase plant Laura Philipp viele intensive Kraft-
und Lauftrainings, es ist die Zeit des Muskelaufbaus,
viel Erholung braucht sie dann nicht.
Die Sportwissenschaft behandelte Frauen lange
wie »kleine Männer«. Trainingspläne waren einfach
etwas weniger streng, etwas weniger hart, etwas­
weniger lang. Dass die breiteren Hüften der Frau zu
X-Beinen und damit zu mehr Knieverletzungen
führen, dass die Hochs und Tiefs der weiblichen­
Geschlechtshormone den Körper der Frau beein-
flussen – solche Unterschiede werden erst seit der
Jahrtausendwende sportwissenschaftlich untersucht.
Aus verschiedenen Gründen: Erstens wurde Frauen-
sport lange belächelt oder gar verboten, was Unwissen
nach sich zog. Noch heute wird, zweitens, der Sport
von Männern dominiert, die Strukturen hinken
anderen Bereichen der Gesellschaft hinterher. Und
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drittens sind Frauen kompliziert, oder konkreter: Ihr
110084_ANZ_71x100_X4_ONP26 1 10.06.21 13:16
Hormonzyklus und die daraus folgenden Stimmungs- das daran, dass ihr Becken zu breit für den
schwankungen erschweren die Vergleichbarkeit der Fahrradsattel wird –, damit steigt das Risiko für
Resultate. Forscher machen deshalb lieber keine Stu­ Verletzungen. Sie muss sich an ihrem unteren
dien mit menstruierenden Leistungssportlerinnen – Trainingsziel orien­tie­ren, was der ehrgeizigen
die Folgen sind Wissenslücken zwischen den Ge- Athletin schwerfällt. Es ist einfach nicht die
schlechtern, auch Gender-Data-Gap genannt. Doch ideale Zeit für Höchstleistungen. Aber auf
WISSEN 39
Medizin
»Mein Körper Apps für
die Regel
zieht mit mir mit«
Clue & Flo
heißen die beiden wohl be-
liebtesten Zyklus-Apps.
Laura Philipp kann nicht auf die Wissenschaft den Wettkampfkalender kann Philipp natürlich­ Schwimmen ab. Und ich bin schneller außer Damit dokumentieren
warten. Für sie geht es jetzt um Höchstleistungen. keinen Einfluss nehmen. Sie versucht, es gelassen Atem«, sagt Laura Philipp über das Training, das Nutzerinnen ihre Blutung,
Als Profisportlerin kennt Philipp ihren Körper zu sehen: »Wenn unsere Weltmeisterschaft, der sie gerade in der Schwimmhalle absolviert hat. Stimmung, Energie und
extrem gut, sie spürt sogar, wenn das Ei springt. Ironman Hawaii, in meine zweite Zyklushälfte Nervös mache sie das aber nicht. »Ich glaube Temperatur.
Ein Zwacken im Unterbauch. Die Zeit um den fällt, mache ich mich nicht verrückt.« Nur ein, auch nicht, dass ich an einem Wettkampftag
Eisprung ist wie der­ zwei Prozent ihrer Leistungs- meine Periode bekommen würde«, sagt sie. »Vor FitrWoman
Sommer, das Ei bereit zur kraft blieben auf der Strecke. einem Wettkampf steigt die Anspannung, ich ist ein Perioden-Tracker, der
Befruchtung. Die Frau hat »Wichtig ist, dass ich mich ändere Ernährung und Training, ich bin fokus- Sportlerinnen dabei hilft, je
sogar ein kleines Hoch an im Kopf nicht einschränke.« siert. Ich bin sicher, dass mein Körper den Zyklus nach Zyklusphase optimal
Testosteron, dem Hormon, Tatsächlich – das Weni- verlängern und die Periode verzögern würde. zu trainieren. Dazu macht
das Männer stark macht. ge, was Wissenschaftlerin- Mein Körper zieht mit mir mit.« die App Vorschläge für
Jetzt wäre ein Wettkampf nen und Wissenschaftler mit Das Gute am Zyklus ist: Es geht auch wieder Training und Ernährung.
perfekt. Jeden Morgen vor gutem Gewissen über Zy- bergauf, mit den Hormonen, mit der Stimmung,
Foto: James Mitchell; ZEIT-Grafik
dem Aufstehen misst Philipp klus, Frauen und Sport sagen mit der Trainierbarkeit. Frauen sind keine k­ leinen myNFP
ihre Körpertemperatur und können, ist: Die Hormon- Männer. Der weibliche Hormonzyklus hat sein Auf ist eine Verhütungs-App.
kontrolliert in der Unter- schwankungen beeinflussen und Ab, ist nicht flach wie der ­Hormonspiegel des NFP steht für »natürliche
wäsche ihren Scheidenaus- Trainierbarkeit und Verlet- Mannes. Das macht ihn kompliziert, aber auch Familienplanung«. Sie soll
fluss, den Zervixschleim. zungsanfälligkeit, aber nicht spannend. Er gehört für Sportlerinnen in den Trai- die fruchtbaren Tage
Mit dem Eisprung steigt die die Leistungsfähigkeit. ningsplan wie Puls und Wattleistung. bestimmen. Dafür wird
Temperatur um bis zu ein Mit dem Absacken der Für die Triathletin Laura Philipp ist der regel- neben Angaben zu
Grad, und der Zervixschleim Laura Philipp gehört zu den weiblichen Geschlechtshor- mäßige Zyklus mit Eisprung und Menstruation Blutungen und körperli-
ist jetzt nicht mehr klebrig, besten Triathletinnen der Welt mone am Ende des Zyklus ihr monatlicher Gesundheitscheck. »Krass«, sagt chen Symptomen unter
sondern fadenziehend – setzen Schmerzen und de- sie, »ich musste 30 Jahre alt werden, um diese anderem auch die
spinnbar wie Eiweiß. Die Spermien könnten jetzt pressive Stimmungen ein. Das Ei ist ungenutzt, Dinge über meinen Körper zu lernen.« Sie musste Konsistenz des Cervix-
super zum Ei flutschen. der biologische Sinn der Hormonachterbahn un- sich viele Fragen selbst beantworten – und ist der schleims dokumentiert.
Mit ihrem Mann und Trainer Philipp Seipp erfüllt, Frauen ziehen sich zurück. »Wenn ich Wissenschaft damit einen Schritt voraus. Ähnlich funktioniert Lady
spricht sie über ihren Zyklus wie über die Früh- meine Tage habe, kann ich die Körperspannung Cycle, die aber nur auf
stücksflocken oder darüber, wer den Abwasch schlechter halten, meine Beine sinken beim www.zeit.de/vorgelese Android-Geräten läuft.
macht. Tabu ist hier nichts. Das ist im Frauen-
sport anders. Sogar in der Teamgarderobe verste- ANZEIGE
cken Frauen ihre Tampons, wissen nicht, ob
Kolleginnen mit der Pille, der Spirale oder natür-
lich verhüten, und mit den – meist männlichen
– Coaches über Bauchkrämpfe und schlechte
Stimmung zu sprechen ist unangenehm.
»Das kann und darf nicht sein«, sagt Adrian
Rothenbühler, Leichtathletiktrainer in der
Schweiz. Auch er hat Frauen lange wie Männer
trainiert, bis seine Athletinnen einfach nicht mehr
besser wurden, anders als die Männer. Rothen-
bühler hat nach einem Unterschied gesucht,
wurde auf den weiblichen Zyklus aufmerksam
und ist in der Schweiz zum Vorreiter für das­
zyklusgesteuerte Training geworden.
Für die Trainerausbildung hat er ein Drei-
Stufen-Modell skizziert: Zuerst sollte über­
Menstruation und Verhütung gesprochen werden
(Stufe 1), dann ein Zyklus-Tagebuch geführt und
was ist freiheit
eine schwache Phase im Training akzeptiert­
werden (Stufe 2), erst dann sollen Sportlerinnen
ihre Hormone für eine Leistungssteigerung­
nutzen (Stufe 3). »Zyklusgesteuertes Training ist
ein High-End-Produkt«, sagt Rothenbühler, »ich
bin schon froh, wenn Sportlerin und Trainer über-
haupt das Tabu brechen.«
Der Zyklus zeigt Laura Philipp, ob sie sich DIE FREIHEIT DES EIGENEN LEBENSWEGES
womöglich überlastet. Wird er unregelmäßig,
kann es sein, dass sie ihrem Körper zu viel­
abverlangt – dann könnte sie in eine Negativ-
Was ist Freiheit?
spirale abrutschen. Sie kann nicht verstehen,
dass andere Sportlerinnen diese Zeichen aus- Was macht mich glücklich? Es sind Fragen wie diese, die Felix von der Laden sich immer wieder
schalten und den natürlichen Hormonhaushalt gestellt hat. Und das nicht nur in einem Jahr, in dem das Thema Freiheit die ganze Bundesrepublik
zum Beispiel mit der Antibabypille durch­ein­ beschäftigt – nie haben wir nach Fragen zum Thema „Freiheit“ öfter gegoogelt als im Mai 2021.
an­der­brin­gen. Klar, synthetische Hormone re-
duzieren Bauchschmerzen und können helfen,
die Blutung so zu steuern, dass sie nicht auf Seit zehn Jahren veröffentlicht der 26-jähri- setzen. Durch meine Videos möchte ich an-
einen Wettkampftag fällt. ge Kölner Felix von der Laden Videos auf dere Menschen inspirieren, selbst Anregun-
Doch Gynäkologinnen bestätigen, dass die YouTube und hat bei seiner täglich wachsen- gen zum Glücklichsein zu finden – sei es
hormonelle Verhütung die Knochen der Frau
den Community einen Riesenerfolg. Hier durch einen neuen Job oder ein neues Hobby.
schwächt, falls der Zyklus vor der Einnahme der
erzählt Felix, welche Fragen er sich stellt. Wenn meine Videos den Zuschauern Momen-
Pille noch nicht regelmäßig war. Außerdem unter­
te des Glücks bescheren, sie unterhalten und
bindet die Pille die natürlichen Hormonschwan-
Freiheit bedeutet für mich erst mal ganz all- inspirieren, ist das für mich ein großes Kom-
kungen, macht das Östrogen-Hoch in der ersten
Zyklushälfte platt, Frauen können es deshalb nicht gemein die Freiheit, Entscheidungen treffen pliment.
zu können und nicht einfach nur irgendetwas
für den Muskelaufbau nutzen.
Die zweite Zyklushälfte nach dem Eisprung,
das sind die Tage, an denen Laura Philipp gegen
machen zu müssen und dem Trott sprichwört-
lich hinterherzulaufen. Freiheit heißt, dass
wie finde ich meinen traumberuf
das unsichtbare Gummiseil ankämpft. »In meiner man sich überhaupt diese Fragen stellen Ich bin sehr glücklich, heute das tun zu kön-
extrovertierten, lustvollen ersten Zyklushälfte kann: Was möchte ich machen? Was gefällt nen, was ich tue – Menschen mit meinen Hat sein Hobby zum Beruf gemacht:
mir? Was möchte ich erreichen und was erfüllt Videos zu unterhalten und Fragen zu stellen. Youtube-Creator, Rennfahrer und Gründer
plane ich oft Termine für die zweite Zyklus-
hälfte – und dann bereue ich es.« In der Zeit von mich? Diese Freiheit bedeutet für mich ein Aus einem Hobby neben der Schule ist mitt- Felix von der Laden
­Eisprung bis Menstruation möchte die Profitriath- ganz großes Privileg. Gleichzeitig bringt sie lerweile ein großes Business geworden, das
letin Philipp am liebsten drinnen bleiben. Das ist auch eine Verantwortung mit sich, denn wir mich unglaublich auf Trab hält. Der Weg
ganz natürlich, denn der Östrogenspiegel sackt möchten sie gut nutzen. dahin war gar nicht immer einfach – ich Leute von Beginn an mitzunehmen – meine
ab, dafür steigt das Progesteron. Der Körper der musste zum Beispiel auch meinen Eltern Community und Zuschauer entdecken so
Frau bereitet sich auf eine mögliche Schwanger- was macht glücklich erklären, warum ich die Uni erst mal abbre- mit mir ganz neue Themen und werden
schaft vor. Frau kennt das: Sie hat Lust auf Scho- che, aber es hat sich gelohnt. Angefangen selbst inspiriert.
kolade (schwankender Blutzucker), ihr ist warm, Oft stelle ich mir die Frage, was mich eigent- hab ich mit Gaming-Videos, was ich auch
sie ist durstig (höhere Körpertemperatur), sie lich glücklich macht und was mich zufrieden immer noch gern mache, aber ich habe mich Felix ist seinem Herzen gefolgt, hat sich Vie-
braucht mehr Ruhe (hoher Progesteronspiegel). stellt. Es bringt ja nichts, wenn man vielleicht auch immer selbst neu ausprobiert und es les durch Recherchen selbst angeeignet und
Kurz: Alles fällt nicht mehr so leicht. nach außen hin den tollsten Job hat, aber ist mir gelungen, die Zuschauer auch für einfach gemacht – heute hat er mit seiner
Anstatt gegen ihren Körper anzutreten, selbst gar nicht zufrieden ist. Auch viel Geld, neue Themen zu begeistern. Events, Reisen, Arbeit großen Erfolg und lebt seinen Traum.
schraubt Philipp jetzt den Trainingsplan runter.
ein tolles Auto oder andere Statussymbole Longboards, Autos und Motorsport – es ist Wenn auch in dir neue Fragen aufkommen,
Nach dem Eisprung geht es darum, die zuvor
können niemals Glück und Zufriedenheit er- ganz viel dabei. Wichtig ist es mir immer, die leg einfach los.
aufgebaute Muskulatur zu erhalten und dem
Körper mehr Ruhe zu geben. Die Bänder und
Sehnen sind jetzt beweglicher – Philipp merkt
Jede Suche bringt dich weiter
40
DIE ZEIT: Herr Schami, Sie sind einer der be-
kanntesten Erzähler Deutschlands. Was macht
eine gute Geschichte aus?
Rafik Schami: Sie muss wie ein Zauber wirken und
die Leser wieder zu Kindern machen, die sich fas-
zinieren lassen. Eine gute Geschichte nimmt einen
mit auf eine Reise.
ZEIT: Sie wuchsen in der Altstadt von Damaskus
auf. Wie waren Sie als Kind?
Schami: Eher still. Nicht sehr temperamentvoll.
Auch war ich oft krank und deshalb nicht beson-
ders sportlich. Ich habe viel gelesen. Wenn ich
nicht las, hockte ich vor dem Radio.
ZEIT: Wann haben Sie bemerkt, dass Sie Ge-
schichten erzählen können?
Schami: Meinem Arabisch-Lehrer ist aufgefallen,
dass ich gut frei reden konnte. Er hat mich immer
dazu ermuntert. Mit meinen Geschichten habe ich
dann auch die Menschen im Viertel unterhalten –
auch die Mädchen. Oder zumindest eine, aber das
reicht ja.
ZEIT: Sie haben sich einfach auf die Straße gestellt
und Geschichten erzählt?
Schami: Es war üblich, abends noch mal rauszu­
gehen. Unsere Straße war zu schmal für Autos.
Man hockte ungestört vor dem Haus, auf der Tür-
schwelle oder kleinen Hockern. So entstanden
zwanglose Erzählrunden. Nach und nach kamen
immer mehr Leute. Jugendliche, manchmal auch
Erwachsene. Es ging reihum. Ohne Zwang.
ZEIT: Ihr Arabisch-Lehrer scheint sehr zugewandt
gewesen zu sein. Eher ungewöhnlich für einen
Lehrer in den Fünfzigern.
Schami: Ich besuchte eine Eliteschule der katholi-
schen Kirche in Damaskus. Die Lehrer waren da
hochqualifiziert. Allerdings schickte mein Vater
mich in der 4. Klasse in eine Klosterschule in den
Libanon. Er war Bäcker, hatte mehrere Läden,
aber bestand aus irgendeinem Grund darauf, dass
einer seiner Söhne Pfarrer werden soll. Als mein
großer Bruder aus dem Kloster floh, er seilte sich
aus dem Fenster ab, musste ich hin.
ZEIT: Wie erging es Ihnen dort?
Schami: Schulsprache war Französisch. Es war ver-
boten, Arabisch zu sprechen. Wer sich nicht daran
hielt, bekam ein »Signal« zugesteckt. Das war ein
rundes Stück Holz mit einem S drauf. Das musste
man schnell wieder loswerden, sonst wurde man
bestraft. Die Folge war, dass man die Mitschüler
aushorchte, ob sie Arabisch redeten, heimlich. Die
Pfarrer haben uns Kinder zu Spitzeln erzogen.
Wenn man das Signal nicht loswurde, musste man
sein Abendbrot im Korridor essen. Auf Knien. Die
anderen gingen an einem vorbei und lachten. Soli-
darität gab es nicht.
ZEIT: Mussten Sie oft auf Knien essen?
Schami: Vielleicht drei-, viermal. Ich war ängstlich
damals, eingeschüchtert. Ich habe dann auch ge-
spitzelt, so ist man als Kind. Ich war nicht besser
als die anderen. Eine zusätzliche Härte für mich
war: Ich war in einem fremden Land.
ZEIT: Wie lange haben Sie das ausgehalten?
Schami: Es war nicht immer so schlimm. In der
Klosterbibliothek habe ich viele Stunden verbracht.
Dort habe ich Jules Verne gelesen. Ich bin aber
nach drei Jahren krank geworden. Eine eitrige­
Meningitis. Ich hatte ständig Kopfschmerzen. Im
Sommer mussten wir auf die Felder und ernten:
Weizen, Orangen. Ich konnte oft nicht mehr, die
Pfarrer haben nur gesagt, das ist Faulheit. Ich hatte
Glück, dass mein Vater zu Besuch kam. Er sah
mich an und sagte: Du siehst schlecht aus, was ist
los? Er brachte mich ins Krankenhaus, ich kam
dort auf die Intensivstation, es war wirklich knapp.
ZEIT: Mussten Sie danach zurück?
Schami: Ich habe meinem Vater gesagt: Wenn du
mich zwingst, dahin zu gehen, bringe ich mich um.
Er war geknickt, aber es war für ihn erledigt. Auch
der Wunsch, dass aus einem seiner Söhne ein­
Pfarrer wird. In meiner alten Schule habe ich mich
dann für Englisch als Fremdsprache entschieden.
ZEIT: Mit der Kirche waren Sie danach durch?
Schami: Ja, mit der Kirche schloss ich ab. Aber­
Jesus hat mich immer noch fasziniert. Sein muti-
ges Auftreten. Es hat mich nicht interessiert, ob er
wirklich Gottes Sohn ist. Aber Jesus als Person, der
in einem Imperium Romanum versucht, ohne Ge-
walt Widerstand zu leisten, und einen so starken
Gerechtigkeitssinn hat, war beeindruckend.
ZEIT: Sprachen Sie mit Ihrem Vater über Politik?
Schami: Politik war durch die vielen Putsche­
Dauerthema. Mein Vater war gegen jedweden
Krieg und insofern politisch. Sein Satz »Niemand
außer Gott hat das Recht, das Leben eines anderen
zu beenden« war für mich lehrreicher als ein Buch
mit tausend Seiten. Mein Vater konnte sehr streng
sein. Er war aber auch ein stiller Mann, ein Leser,
von ihm habe ich die Liebe zum Buch.
ZEIT: Galt das auch für Ihre Mutter?
Schami: Sie war eine weise Frau. Analphabetin,
aber klüger als mein Vater. Sie war die Erzählerin.
Sie stammt aus einer armen Familie, war Haus-
mädchen in Damaskus. Mit meiner Mutter hörte
ich oft zusammen Radio.
ZEIT: Was hörten Sie sich an?
Schami: Tausendundeine Nacht. Nachts, das Radio­
gerät stand im Schlafzimmer meiner Eltern.
ZEIT: Viele Geschichten aus Tausendundeine
Nacht sind recht unverblümt, was Sex angeht.
Nicht unbedingt das, was man sich als Junge mit
seiner Mutter anhören möchte, oder?
Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren. Er studierte Chemie, arbeitete als Lehrer und schrieb parallel erste Geschichten.
Zensur und drohender Militärdienst zwangen ihn ins Exil. Seit 1971 lebt er in Deutschland. Er promovierte in Heidelberg,
entschied sich aber für die Literatur. Seine Bücher wurden in 33 Sprachen übersetzt. In Kürze erscheint ein neuer Erzählband.
WISSEN
Meine Schule des Lebens
Wann ist Ihr Geburtstag,
Rafik Schami?
»Da bin ich mir selbst
nicht ganz sicher«
Der Schriftsteller über seine Kindheit in Syrien, das Leben im Exil
und warum er die »Buddenbrooks« von Hand abschrieb
Schami: Das waren natürlich entschärfte Versio- wollte ich Geschichten recherchieren und in den
nen. Ich bin dennoch nach jeder Sendung aufge- langen Sommerferien schreiben.
regt ins Bett gegangen und habe mir ausgemalt, ZEIT: Ging der Plan auf?
wie die Geschichte weitergeht. Schami: Zunächst ja. Ich habe wirklich gern unter-
ZEIT: Lagen Sie richtig? richtet. Und ich habe geschrieben.
Schami: Ich lag immer daneben. Kinder suchen ZEIT: Auch veröffentlicht?
nach Harmonie. Geschichten sind aber nie har- Schami: Nein. Nur zwei Geschichten. Dann be-
monisch. Dieses Hören der Erzählung, das Nach- gann die Zensur. Mein Lektor sagte: Du musst in
denken über deren Struktur und das Reproduzie- die Partei eintreten. Damals, Ende der Sechziger,
ren waren wirklich eine gute Schule. Anfang der Siebziger, war gerade die panarabische
ZEIT: Dennoch haben Sie erst Chemie studiert. Baath-Partei an die Macht gekommen. Ich sagte:
Wie kam es dazu? Nein, ich gehe nicht in die Politik.
Schami: Mein Vater meinte, man könne von­ ZEIT: 1971 haben Sie Syrien für immer verlassen.
Literatur nicht leben. »Such dir einen anständigen War Zensur der einzige Grund?
Beruf.« Chemielehrer war ein angesehener Beruf, Schami: Es war ein Grund. Ich hatte mit Freunden
also habe ich Chemie studiert. Vielleicht auch, eine Wandzeitung in der Altstadt gegründet. ­Lyrik,
weil ich als Kind oft krank war, es interessierte Satire, ab und zu waren ein paar kritische Fragen
mich, wie Medikamente wirken. Ich hatte dabei an die Regierung dabei. Das hat gereicht. Nach
einen simplen Plan: Neben meinem Lehrerjob drei Jahren wurde sie verboten.
Stationen:
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
ZEIT: Sie sind einer der meistgelesenen deutsch-
sprachigen Autoren. Wie haben Sie sich das litera-
rische Schreiben beigebracht?
Schami: Ich habe meine Freunde gefragt: Wer ist
der beste deutsche Autor? Thomas Mann, sagten
viele. Ich habe daraufhin die Buddenbrooks ab­
geschrieben. Von Hand. Um ein Gefühl für die
Sprache zu bekommen.
ZEIT: Wirklich? Seite für Seite?
Schami: Ja, Satz für Satz. Und immer innegehalten
und mich gefragt, wie konnte er das so genau und
poetisch ausdrücken? Es ist ein geniales Werk.­
Danach schrieb ich Heine und Tucholsky ab. Bei
meinen ersten Schreibversuchen haben mir aber
auch sehr die Lektoren geholfen.
ZEIT: Hatten Sie in Deutschland das Gefühl: Ich
werde nicht nach meiner Persönlichkeit beurteilt,
sondern nach meiner Herkunft?
Schami: Das habe ich anfangs öfter erlebt. Hast du
ein Kamel zu Hause, wurde ich gefragt. Oder eine
Freundin wollte wissen: Wenn ich einmal fremd-
gehe, wirst du dann ein Messer nehmen? Oft war es
Unkenntnis, aber es klang rassistisch. Es sind­
Fragen, die einen beleidigen können. Als Araber ist
man übrigens auch automatisch Muslim.
ZEIT: Hat es Ihnen geholfen, dass Sie Christ sind?
Schami: Indirekt. Ich musste nichts Neues lernen.
Ich konnte sagen: Das Christentum kann ich euch
beibringen, das haben wir exportiert, gute Qualität,
hält bis heute. Dann lacht man gemeinsam.
ZEIT: Was heißt Heimat für Sie?
Schami: Heimat lässt sich nicht an Orten fest­
machen. Ich lebe in Deutschland und träume von
Damaskus. Noch heute. Meine Gasse, Damaskus
und das Bergdorf Malula spielen eine wichtige
Rolle für mich. Kindheit und Jugend sind Teile
der Grundmauer von Heimat. Ich brauchte in
Deutschland lange, um mich zu Hause zu fühlen.
Ich flüchtete mich in die Arme der deutschen
Sprache. Sie nahm mich auf. Von da an sagte ich:
Die deutsche Sprache ist meine Heimat. Meine
Freunde, meine Familie sind meine Heimat.
ZEIT: Wenn Sie heute nach Deutschland kämen,
wie würde es Ihnen ergehen?
Schami: Es wäre schwerer. Niemand hat damals
Syrer angegriffen. Das war undenkbar. Vielleicht
hat mal ein Nazi geschrien: Hau ab! Aber Anschläge
gegen Wohnheime? Nein, das gab es nicht.
ZEIT: Sie haben in Heidelberg in Chemie promo-
viert, haben Sie auch als Chemiker gearbeitet?
Schami: Ich habe kurz bei einem Pharmakonzern
gearbeitet, aber gekündigt und mich für die Litera-
tur entschieden. Mein Abteilungsleiter schimpfte
mich einen verrückten Kerl. 15 Jahre später kam er
zu einer Lesung. Du hast die richtige Entscheidung
getroffen, sagte er.
ZEIT: Sie haben einen Sohn, wie sind Sie als Vater?
Fotos: Felix Schmitt für DIE ZEIT (Vorlage unten: privat) Schami: Die Angst meines Vaters, dass man ohne
Autorität nicht erziehen kann, ist fehl am Platz.
Man kann mit Vernunft und Bestimmtheit er­
ziehen. Es ist mir gelungen, das Vatersein in
Freundschaft umzuwandeln. Das hätte ich aber
ohne meine Frau und meinen Sohn nicht geschafft.
ZEIT: Wer hat zu Hause vorgelesen?
Schami: Meine Frau, vor allem Astrid Lindgren
und Liselotte Welskopf-Henrich, eine DDR-­
Autorin. Meine Frau machte das exzellent. Vor­
lesen ist eine Kunst. Ich musste meinem Sohn­
Geschichten erzählen, auch wenn ich nach einer
Lesung todmüde nach Hause kam. Er hat übrigens
Literatur- und Filmwissenschaften studiert ...
ZEIT: Als Sie 1971 in Deutschland ankamen,­
hatten Sie in Ihrem Gepäck auch einen Stapel­
Manuskripte. Skizzen für Geschichten. Zehren Sie
noch immer davon?
Schami: Ja, es ist noch viel Stoff da.
ZEIT: Was muss ein gebildeter Mensch wissen?
Schami: Man muss die Neugier bewahren. Wenn
Sie neugierig sind, werden Sie viel lesen, Wissen
sammeln. Manche behaupten, sie würden ja lesen,
wenn sie bloß die Zeit dazu hätten. Ich sage: Nein,
Zeit hast du. Ein Raucher sagt auch nicht, ich
würde rauchen, wenn ich Zeit hätte.
ZEIT: Wir sind jetzt neugierig zu erfahren, wann
genau Sie 75 werden.
Schami: Da bin ich mir selbst nicht ganz sicher.
Angeblich am 23. Juni.
ZEIT: Angeblich?
Schami: Ich muss zwischen Anfang März und Ende
April auf die Welt gekommen sein. Meine Mutter
meinte, es war noch während der Aprikosenblüte,
mein Vater war der Überzeugung, dass die Bäume
ZEIT: Was war der andere Grund? schon Früchte trugen. Das genaue Geburtsdatum
Schami: Der Militärdienst. Als Chemiker hätte ich war zu dieser Zeit in unserem Kulturraum nicht so
in die Abteilung für Chemiewaffen gehen müssen. wichtig. Mein Vater ging erst im September zum
Das wollte ich auf keinen Fall. Amt und sagte, ich sei vor wenigen Wochen gebo-
ZEIT: Wieso flohen Sie nicht in den Libanon? ren worden. Der syrische Beamte legte dann ein-
Schami: Die syrischen Geheimdienste waren auch fach den 23. Juni als Geburtstag fest.
da aktiv, jeden Monat wurden Leute entführt und ZEIT: Dann gratulieren wir schon einmal und
nach Syrien gebracht. Ich wollte nach Frankreich, fragen: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?
wurde aber abgelehnt. In der deutschen Botschaft Schami: Ich wünsche mir, dass meine Frau und
waren sie sehr freundlich. Es war Zufall, dass ich mein Sohn gesund bleiben. Dass Corona ver-
nach Deutschland kam. schwindet, ich will endlich einmal wieder kochen
ZEIT: Gab es keine Alternative zum Exil? mit Freunden. Und ich wünsche mir, dass Assad
Schami: Das Exil hat mir Damaskus geraubt, aber und alle arabische Diktaturen verschwinden. Ganz
dafür Freiheit geschenkt; ich habe hier zum ersten bescheiden, wie Sie sehen.
Mal gespürt, was die Freiheit des Wortes bedeutet.
In Syrien gab es immer rote Linien. Hier kann ich Das Gespräch führten Katharina Menne
einen Protagonisten in meinen Büchern sagen las- und Arnfrid Schenk. In unserer Gesprächsreihe
sen, der syrische Präsident ist ein Zuhälter. So etwas »Meine Schule des Lebens« erzählen prominente
hätte mich in Syrien das Leben kosten können. Menschen von ihrem Bildungsweg
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
STELLENMARKT
Wettbewerb macht Wissenschaft unfrei
Die permanente Konkurrenz zwischen den Forschungsorganisationen bedroht deren Autonomie  VON PETER-ANDRÉ ALT
Seit der Jahrtausendwende dominieren weltweit
neoliberale Prinzipien, die auch das Wissen­
schaftssystem konditionieren. Sie fordern Leis­
tung im Gegenzug zu staatlicher Finanzierung,
steigende Absolventenzahlen, technologisch ver­
wertbare Forschungsergebnisse, Transparenz der
Organisation und eine effektive Steuerung der
institutionellen Ziele. Sämtliche dieser Kriterien
sind out­ put­
orien­
tiert, und das entscheidende
Instrument, mit dessen Hilfe sie umgesetzt­
werden, ist der Wettbewerb.
Die Frage, ob Wettbewerb der Wissenschaft
nutzt oder schadet, ist oft erörtert worden. Wer
sie beantworten möchte, sollte vom Aspekt der
Wissenschaftsautonomie ausgehen. Als grund­
rechtlich verbürgter Wert stellt sie die Freiheit
Foto: David Ausserhofer/HRK
vor staatlichen Eingriffen, wirtschaftlichen­
Interessen, sozialen Repressionen oder ideolo­
gischer Indienstnahme sicher. Sie bildet keinen
»Zweck zu etwas«, sondern die zentrale Bedin­
gung guter Wissenschaft. Zwar hat sich das
Wissenschaftssystem in den letzten zwei Jahr­
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Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vertritt die Interessen der
deutschen Hochschulen gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit
(www.hrk.de).
Die HRK sucht zum 1. Oktober 2021 einen
Referenten (m/w/d)
für den Arbeitsbereich
Studien-, Kapazitäts- und allgemeine Rechtsangelegenheiten.
Zu den Aufgaben gehören die Erarbeitung hochschulrechtlicher Positi-
onen, insbesondere in den Bereichen Zulassungs- und Kapazitätsrecht,
Ausbildungsförderung und studentische Sozialangelegenheiten, die
Prüfung weiterer rechtlicher Fragestellungen mit Hochschulbezug so-
wie die Vertretung der HRK in hochschulpolitischen Gremien.
Die Stelle wird in Vollzeit (zunächst befristet für zwei Jahre) besetzt. Die
Vergütung erfolgt nach TV-L West, EG 13. Nach Ablauf der Befristung
steht die Übernahme der Referatsleitung mit einer Vergütung nach
TV-L West, EG 14 in Aussicht. Dienstort ist Berlin.
Einstellungsvoraussetzungen sind:
Erste und zweite juristische Staatsprüfung (zusammengefasst mit einer
Gesamtpunktzahl von mindestens 15 Punkten), Kenntnisse des deut-
schen Hochschul- und Wissenschaftssystems, sehr gute
Englischkenntnisse und sehr gute Kenntnisse aller gängigen Officean-
wendungen.
Darüber hinaus sind wünschenswert:
Kenntnisse im Hochschulzulassungs- und Hochschulkapazitätsrecht,
im Prüfungs- und Hochschulrecht sowie im Urheberrecht und Berufs-
erfahrung in der Hochschulverwaltung auf dem Gebiet des
Hochschul- und Prüfungsrechts.
Wir suchen eine engagierte und entscheidungsfreudige Persönlichkeit,
die aufgrund ihrer kommunikativen Fähigkeiten zu überzeugen weiß.
Das Arbeiten im Team ist dabei selbstverständlich. Eine schnelle Auf-
fassungsgabe, eine hohe Organisationsfähigkeit, insbesondere im Fall
von Arbeitsspitzen, sowie ein besonderes Maß an Initiative und Verant-
wortungsbewusstsein runden Ihr Profil ab.
Die HRK setzt sich für die Beschäftigung schwerbehinderter Men-
schen ein. Daher werden schwerbehinderte Bewerber (m/w/d) bei
entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Wir gewährleisten die berufliche Gleichstellung der Geschlechter.
Wir freuen uns auf Ihre elektronische Bewerbung, zusammengefasst in
einer pdf-Datei, unter Angabe der Kennziffer 01-24-21 bis zum
06.07.2021 (Eingangsdatum) an die Geschäftsführerin der Stiftung zur
Förderung der Hochschulrektorenkonferenz, Frau Monika Dilba, Ahr-
straße 39, 53175 Bonn, bewerbung@hrk.de.
Wir begleiten Sie bei Ihrer
Bei uns finden Sie die Ausschreibungen zu mehreren
Leitungspositionen in Theatern und Museen.
www.kulturkarriere.de/jobs
DIEZEIT
Die Position
zehnten mit wachsender Anwendungs- und­
Effi­zienz­orien­tie­rung weitreichend verändert,
doch ist der Wert der Autonomie bisher nicht
durch andere Kategorien ersetzt worden. Inte­
ressanterweise heißt das nicht, dass er wirklich
unverändert geblieben ist; vielmehr unterliegt
er einer Umdeutung, die erhebliche Konse­
quenzen hat.
Konkurrenz spielte schon früher in der Wis­
senschaft eine Rolle. Seit dem 18. Jahrhundert
war wissenschaftlicher Wettbewerb eine Form
der Reputations- und Einflusskonkurrenz, die
sich auf die fachöffentliche Aus­ein­an­der­set­zung
zwischen Einzelnen bezog. Der Disziplinen­
streit, der Methodendisput, die Diskussion ab­
weichender Hypothesen und Theorien bildeten
ein Element des akademischen Systems. »Die
Konkurrenz« beruhe, schrieb Georg Simmel
1903, »auf dem Prinzip des Individualismus«. Peter-André Alt
Im wilhelminischen Deutschland artete diese­ ist Präsident der Hochschulrektoren-
individualistische Form der Konkurrenz zuwei­ konferenz und Professor
len aus, wenn wissenschaftliche Kontrahenten für Deutsche Literaturwissenschaft
Das Aufgabengebiet der Graduiertenakademie ist die Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses und die akademische Personalent-
wicklung an der Universität. Wir suchen unbefristet zum nächstmög-
lichen Zeitpunkt eine/n
Referentin/Referent (m/w/d)
Graduiertenakademie (E 13 TV-L, 100 %)
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• Konzeptionelle Weiterentwicklung, Umsetzung und Evaluation der
Angebote für Postdocs und JuniorprofessorInnen
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management
• Beratungserfahrung mit den Zielgruppen
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Sprache
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Eine abwechslungsreiche Aufgabe in einem motivierten Team, eine
unbefristete Beschäftigung nach TV-L inkl. aller Vorteile der (Sozial-)
Leistungen des öffentlichen Dienstes, betriebliche Altersvorsorge
und Gesundheitsförderung, attraktive Fort- und Weiterbildungsmög-
lichkeiten, flexible Arbeitszeiten, Möglichkeit zur Telearbeit sowie
einen Zuschuss für den öffentlichen Nahverkehr (JobTicket BW).
Weitere Informationen zu Aufgaben und Profil finden Sie auf
https://uni-tuebingen.de/universitaet/stellenangebote/freie-stellen/.
Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berück-
sichtigt. Die Stelle ist grundsätzlich teilbar.
Richten Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Bewerbungsunter-
lagen bitte per Mail bis zum 11.07.2021 in einem einzigen PDF-
Dokument an die Leiterin der Akademischen Personalentwicklung/
Graduiertenakademie, Frau Regina Rapp, regina.rapp@
uni-tuebingen.de. Frau Rapp steht Ihnen unter +49 7071/29-72500
für Rückfragen gerne zur Verfügung.
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Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Organisations-
entwicklerin/Beraterin, einen Organisationsentwickler/Berater
für das Team Entwicklung im neugegründeten Stabsbereich
Organisationskultur im Bistum Hildesheim.
Bewerbungen erbitten wir per E-Mail bis zum 16.07.2021 an
bewerbung@bistum-hildesheim.de.
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feldern finden Sie auf unserer Website
www.stellenangebote.bistum-hildesheim.de
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Wöchentlich aktuelle Stellenangebote per E-Mail erhalten.
Mit dem Jobnewsletter
5 jobs.zeit.de
41
ge­gen­ein­an­der die Gerichte bemühten, ihre Förderzyklen ersetzt. Die Konsequenzen sind
bürgerliche Ehre in Zweifel zogen und Kampa­ bekannt: Der Wettbewerb überhitzt sich, die
gnen zur Vernichtung des Gegners führten. Abhängigkeit von Antragserfolgen wächst.
Solche Strukturen des individuellen wissen­ Und die Wissenschaftsautonomie? Sie e­ rfährt
schaftlichen Antagonismus sind heute selten eine bisher unbekannte Funktionalisierung,
geworden. Der Grad der Zusammenarbeit ist denn sie soll Wettbewerbsvorteile durch Kreati­
gewachsen, Teamplay scheint auch für die­ vitätsnischen und Spielräume ermöglichen. For­
Wissenschaft wichtiger denn je. Vorbei sind die mal wirft das zweifellos ein Problem auf. Wenn
aggressiv geführten Aus­ein­an­der­set­zun­gen um nämlich Autonomie als Mittel zur Verbesserung
Anerkennung, die noch bis in die Siebzigerjahre der Leistungsfähigkeit einer wissenschaftlichen
hinein manche Fächer prägten. Einrichtung dient, hat sie ihre ursprüngliche
Der wissenschaftliche Wettbewerb, der heu­ Zweckfreiheit verloren. Sie ist ein Instrument,
te zählt, findet primär zwischen Institutionen das etwas Konkretes bewirken soll, aber kein
statt. Er gilt weiterhin der Reputation und dem Wert an sich. Wo früher in einem institutionell
Status, aber vor allem bezieht er sich auf quanti­ freien Wissenschaftssystem der Druck persön­
tative Ziele – Ranking-Ergebnisse, Drittmittel­ licher Reputationskonkurrenz herrschte, da­
bilanz, Patent- und Zitationszahlen, Preisgelder besteht jetzt der Druck des institutionellen
und Zuwendungen von Sponsoren. Dieser neue Wettbewerbs bei insgesamt kooperativeren­
Wettbewerbstyp entstand in der Wissenschaft Arbeitsformen, die allerdings als Mittel zum
durch Verteilungsmodelle unter Knappheits­ Zweck der Leistungssteigerung eingesetzt­
bedingungen. Schrumpfende Grundbudgets werden. Ein Ausweg aus dieser dialektischen
wurden durch Programme mit kurzzeitigen­ Zwickmühle ist bis heute nicht in Sicht.
MAX PLANCK INSTITUTE FOR GRAVITATIONAL PHYSICS
(ALBERT EINSTEIN INSTITUTE)
The Max Planck Institute for Gravitational Physics (Albert Einstein
Institute) is the world‘s largest research institution dedicated to
the general theory of relativity and all its implications. The
institute has locations in Potsdam and in Hannover.
For our location in Potsdam, we are seeking to fill a permanent position for a
Die Max Weber Stiftung
Third-Party Funds Officer / Project Manager (m/f/d) Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland
sucht für die Leitung ihres
You will be the contact person and advisor for the scientific departments and
research groups at the Potsdam site on all questions related to national and Orient Instituts Beirut
international third-party funding matters. You will also assume project management
zum 1. Oktober 2022 eine/n neue/n
tasks to support the directors in Potsdam and be the coordinator of the Inter-
national Max Planck Research Schools at the AEI Potsdam. More specifically:
Your duties:
Direktorin/Direktor.
 Proactively identifying funding opportunities and informing scientists at the
Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Einmalige Wiederbestellung ist möglich.
Potsdam site about current and possible future funding programs.
Die Position wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen
 Advising and supporting scientists at the Potsdam site during the application
analog Besoldungsgruppe W 3 BBesG zzgl. Auslandsbezüge vergütet.
phase for third-party funding.
 Supervising the administration on third-party funding including independent Der Direktor/die Direktorin ist für die wissenschaftliche Arbeit und die
coordination, organization and implementation of workflows. Verwaltung des Instituts verantwortlich. Er/sie konzipiert und leitet die
 Advising and supporting scientists at the Potsdam site during the preparation Forschungsvorhaben des Instituts und die sonstigen zur Erfüllung der
and submission of scientific projects to the Max Planck Society. Aufgaben erforderlichen Maßnahmen. Er/sie vertritt das Institut nach
 Advising and supporting the directors and the research group leaders at the
außen und pflegt die Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen in
Potsdam site in the management of project finances, in particular through der Region.
regular budget reports. Participation in the monitoring of the institute‘s budget.
 Supporting the managing (or deputy managing) director at the Potsdam site
Voraussetzungen für die Bewerbung sind:
in the preparation and follow-up of the AEI board of directors’ meetings. • Habilitation oder eine gleichwertige Qualifikation in Arabistik,
 Supporting the directors and research group leaders in the management of Iranistik, Islamwissenschaft, Semitistik, Wissenschaft vom
scientific affairs. Christlichen Orient, oder verwandten, regional bezogenen kultur-
 Coordination of the activities of the International Max Planck Research
und sozialwissenschaftlichen Fächern;
Schools (IMPRS) at the Potsdam site, including the interactions with the • einschlägige Publikationstätigkeit;
university partners and with the IMPRS at the Hannover site. • Erfahrung in der Region;
 Supporting the directors and research group leaders at the Potsdam site in
• einschlägige Sprachkenntnisse;
negotiating consortium agreements, and organizing scientific conferences. • Kompetenzen in der Wissenschaftsorganisation;
 Communicating with the general administration of the Max-Planck-Society
• Organisations-, Diversity- und Führungskompetenz sowie
regarding grants, scientist’s appointments and university contracts.
Teamfähigkeit.
Required qualifications: • Erfahrung in der Einwerbung und Leitung von drittmittelfinanzierten
 Completed a university degree (Master or preferably Ph.D.) in the natural
Forschungsprojekten.
sciences, and several years of relevant professional experience, ideally in a
responsible position at the interface between research and administration. Die Max Weber Stiftung strebt die Erhöhung des Anteils von Frauen in
Leitungsfunktionen an und fordert deshalb qualifizierte Frauen nachdrück-
 It is preferable if the candidate has already management experience in
public-funded research institutions or other non-profit organizations. lich auf, sich zu bewerben. Frauen werden nach Maßgabe des Bundes-
 Knowledge of national and international research framework programs, gleichstellungsgesetzes bei gleicher Qualifikation vorrangig berücksichtigt.
funding structures and mechanisms, as well as, third-party funds management Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Schriftenver-
and public budget law.
 Experience in scientific work in research institutions and in projects and
zeichnis mit Kennzeichnung drei besonders aussagekräftiger Publika-
science management.
tionen, davon mind. eine Monographie, die mitgeschickt werden sollen
 Excellent leadership, personnel management and coaching skills.
[in elektronischem Format]) sowie eine ca. fünfseitige Darstellung der
 Excellent project management, planning, and problem-solving skills. anvisierten Institutskonzeption sind per Email als pdf-Dateien bis zum
 Excellent communication and interpersonal skills. 23. Juli 2021 zu richten an:
 Excellent German and English language skills, both written and spoken.
Max Weber Stiftung
Your personal profile: z. Hd. der Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des OI Beirut,
You contribute to an efficient implementation of all work processes through precise Prof. Dr. Claudia Derichs, bewerbung@maxweberstiftung.de
working methods, paying attention to details, with sense of responsibility and
negotiation skills. We expect a friendly and professional behavior, interest in the
scientific work of the institute and a strong understanding of the needs of publicly
funded research institutions.
Our offer:
We offer you a responsible and multifaceted job in an international working
environment, extensive opportunities for further education, and an excellent
working atmosphere in a friendly and committed team. Flexible working hours
and the compatibility of career and family with the institute‘s own childcare
facilities are of course an important matter for us.
Remuneration and social benefits are based on the public service collective
agreement (TVöD), according to qualifications up to pay group 13.
The Max-Planck-Society is committed to employing more severely disabled
people. We value diversity and therefore welcome all applications – regardless
of gender, nationality, skin color, origin, religion and ideology, disability, age,
sexual orientation and identity.
For more information about our institute, please visit www.aei.mpg.de. If you
have any questions, please do not hesitate to contact our Head of Administration,
Florian Keller, at florian.keller@aei.mpg.de.
Are you interested? Then we look forward to receiving your online application.
Please upload your complete application documents combined into a single
PDF by July 31, 2021 on our applicant portal: https://jobs.aei.mpg.de
Please note the data protection information on:
https://www.aei.mpg.de/515110/privacy-policy.
Max-Planck-Institute for Gravitational Physics
Am Muehlenberg 1  14476 Potsdam-Golm
www.aei.mpg.de
Die Kulturbetriebe Dortmund suchen eine*n
Leiter*in (m/w/d) für das
Museum Ostwall im Dortmunder U.
Weitere Informationen: dortmund.de/karriere
42 STELLENMARKT 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Hochschulwelt

Chancen Worum geht’s ... in der Automobilwirtschaft?

STELLEN IN DIESER AUSGABE:
Das sagt der Professor
Universitäten: 41 % Automobilwirtschaft ist BWL für die Autobranche. Wir beob-
achten den Markt, erkennen Trends und ziehen Rückschlüsse,
Fach- und private die für die Unternehmensführung relevant sind. Menschen wol-
len individuell mobil sein – damit verdient die Branche ihr Geld.
Illustration: Doreen Borsutzki für DIE ZEIT
VON CHRISTINE PRUSSKY
Das sagt die Studentin
Ich bin mit Autos aufgewachsen und fand sie immer schon toll.
Allein die Technik! Ständig wird sie verbessert und an ihr gefeilt.
Jetzt geht es darum, von den fossilen Antrieben wegzukommen.
Ich glaube, dass Wasserstoff-Fahrzeuge die Zukunft sind. Für
Gut zu wissen
Studium: An Universitäten konnte sich die Automobilwirtschaft
als betriebswirtschaftliche Spezialdisziplin nicht durchsetzen.
Dafür findet man das Fach an einer ganzen Reihe von Hoch-
schulen für Angewandte Wissenschaften – und damit auch ein

Hochschulen: 36 %
Rund 70 Millionen Autos werden jährlich weltweit hergestellt
und verkauft, das Gros mit fossiler Antriebstechnik. Wenn ich
Sonstige: 23 % sehe, wie manche Unternehmen auf Autos mit alternativen An-
trieben umstellen, macht mich das nachdenklich. Die Umstel-
lung ist politisch getrieben, vermeintlich ökologisch inspiriert –
und derzeit nur dank Subventionen wirtschaftlich tragfähig.
Carsten Röh ist Professor für Automobilwirtschaft
an der Hochschule Landshut
E-Autos fehlt aktuell noch die Lade-Infrastruktur. An meinem
Studium mag ich die Kombination von Wirtschaft und Technik.
Leider lassen sich viele Frauen genau davon abschrecken. In
meinem Jahrgang sind wir nur zwei. Dabei ist das Studium mach-
bar, wenn man fleißig ist. Dass ich vor dem Studium eine Aus-
bildung zur Kfz-Mechatronikerin gemacht habe, hilft mir.
Viktoria Forstner studiert im sechsten Bachelorsemester
Automobilwirtschaft und -technik an der Hochschule Landshut
Bachelor- und Masterstudienangebot.
Arbeitsmarkt: Wer Automobilwirtschaft studiert hat, ist natür-
lich für einen Posten in der Autobranche prädestiniert, bringt
aber auch das betriebswirtschaftliche Rüstzeug mit, um sich in
anderen Branchen zu behaupten. Automobilmanager und
-managerinnen arbeiten meist in großen Konzernen oder in
Autohäusern. In der Filialleitung können sie mit einem monat-
lichen Bruttoverdienst zwischen 2900 und 4300 Euro rechnen.

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WISSEN3 44 Namen,
Die Stadt Trier Die Stadt Trier
Ein
n Team – weltweit Nachrichten die Sie sich als
sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens September 2021, eine/n sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens September 2021, eine/n
aus Hochschule Arbeitgeber
Die Akademie Auswärtiger Dienst in Berlin sucht
Hauptamtliche Beigeordnete / Hauptamtliche Beigeordnete / Wissenschaft,
Hauptamtlichen Beigeordneten Hauptamtlichen Beigeordneten
zum frühestmöglichen Zeitpunkt merken sollten:
eine Dozentin / einen Dozenten (w/m/div) Scientific
für öffentliches Recht
für den Geschäftsbereich Bürgerdienste, Sicher- für den Geschäftsbereich Kultur, Tourismus und Community Arne Andreas Alpers
heit und Ordnung, Immobilienmanagement und Weiterbildung (Kulturdezernent/in) Vergütungsgruppe E 14 TVöD-Bund Heidi Arndt  Karolina Bobsin

Innenstadt (Ordnungsdezernent/in) in Vollzeitbeschäftigung befristet bis zum 31.07.2024 Jetzt kostenlos abonnieren:
Eirik Burkhard  Sylvia Burow
Zum Geschäftsbereich der/des Beigeordneten gehören die Bereiche Kultur Jule Christiansen
(Museum, 3-Sparten-Theater, Tuchfabrik, Amt für Kultur, Wissenschaftliche
(Kennzeichen Nr. 14-2021) www.zeit.de/wissendrei
Zum Geschäftsbereich der/des Beigeordneten gehören die Bereiche Lucy Paulina Sophie Döhring
Bürgerdienste, Brand-, Zivilschutz und Rettungsdienst, Ordnungsamt, Bibliothek/Stadtarchiv), Tourismus, Weltkulturerbe sowie das Bildungs- und Näheres zur Bewerbung, insbesondere zu den einzureichenden Maximilian Dreißig  Lorenzo Franke
Rechtsamt sowie Immobilienmanagement, Innenstadt und Einzelhan- Medienzentrum (Volkshochschule, Musikschule, Stadtbücherei, Kommuna-
les Bildungsmanagement) mit ca. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unterlagen und Nachweisen finden Sie unter www.diplo.de 1 montags & donnerstags Edda Frühauf  Georg Gaentzsch
del mit ca. 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Nele Lu Gerlach  Saruhan Gürsoy
in der Rubrik „Karriere-Stellenangebote“
Blanca Carolin Hahn  Elina Marleen Hahn
Die Wahl erfolgt für die Dauer von acht Jahren unter Berufung in das Be- Die Wahl erfolgt für die Dauer von acht Jahren unter Berufung in das Be- oder direkt unter http://stellenangebote.diplo.de.
Emilia Harmuth  Jacob Janssen
amtenverhältnis auf Zeit. Die Besoldung richtet sich nach der Kommunal- amtenverhältnis auf Zeit. Die Besoldung richtet sich nach der Kommunal-
Besoldungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz. Danach ist Jörn Henrik Bernhard Janssen
Besoldungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz. Danach ist
das Amt bei der Einwohnerzahl der Stadt Trier den Besoldungs- das Amt bei der Einwohnerzahl der Stadt Trier den Besoldungs- Elisa-Christin Keßner
gruppen B3/B4 LKomBesVO zugewiesen. Außerdem wird eine gruppen B3/B4 LKomBesVO zugewiesen. Außerdem wird eine Johannes Maximilian Kier
steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung gezahlt. steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung gezahlt. Die „Jugendhilfe Oberbayern“ sucht Sarah Christine Klee  Yurii Kniaziev
für ihre Kindertageseinrichtungen eine Bennet Koenes  Delia Catharina Krisch
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind bis zum 30. Juni 2021 Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind bis zum 30. Juni 2021 (Aus-
schlussfrist) an den Oberbürgermeister der Stadt Trier, Herrn Wolfram Leibe, Geschäftsbereichsleitung (m|w|d) Clara-Marie Künnemeyer
(Ausschlussfrist) an den Oberbürgermeister der Stadt Trier, Herrn Wolfram Antonia Lukowski  Paul Marnitz
Leibe, - persönlich - , Rathaus, Am Augustinerhof, 54290 Trier, - persönlich - , Rathaus, Am Augustinerhof, 54290 Trier, zu richten.
Lars Johann Mau
zu richten. Leonie Anna-Chris Abelina Niemann
Die Vorstellungsgespräche finden voraussichtlich in der Zeit vom
Die Vorstellungsgespräche finden voraussichtlich in der Zeit 09. Juli 2021 bis 11. Juli 2021 statt. Verantwortung ▪ Gestaltung ▪ Management ▪ Zukunft Friedrich Wilhelm Ortmann
Manus Pankow  Maikel Jacinto Pedro
vom 09. Juli 2021 bis 11. Juli 2021 statt.
Magdaleina Rees
Florian Richter  Paul Seidelmann
www.trier.de/stellenangebote www.trier.de/stellenangebote David Tack  Dag Einar Tiedemann
Karsten Alexander Wahl
Hao Wang  Bjarne Wegener
BITTE BEACHTEN Mathilda Caroline Weilandt
Anzeigen- / Druckunterlagenschluss Print-Online-Stellenanzeigen: Anorte Wendt  Merle Wichner
Tim Moritz Willebrand

Montag der Erscheinungswoche, 14 Uhr Abitur 2021

Gesamtschnitt: 1,7
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Fakultät Angewandte Naturwissenschaften ren Erfahrungen sind wir in digitaler Lehre, mit internationalen
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Die Zahl
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Über
Illustration: Doreen Borsutzki für DIE ZEIT
der Dax-Konzerne
wollen nach dem
Lockdown Home-
­office anbieten
Quelle: »WirtschaftsWoche«
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Die Technische Hochschule Ulm ist eine Hochschule
für Angewandte Wissenschaften mit rund 4.000
Studierenden. Sie bietet zukunftsweisende und
praxisnahe Studienprogramme mit ausgezeichneter
Betreuung.
Zum 01.09.2021 oder später ist folgende Professur-
vertretung (50 %) der Bes. Gr. W2 befristet bis
31.08.2024 zu besetzen:
„BWL mit dem Schwerpunkt
Unternehmensführung und
Entrepreneurship“
Kenn-Nr. 2021-05
Wir begrüßen insbesondere Bewerbungen von Persönlichkeiten,
die über Erfahrungen im Bereich digitaler Geschäftsmodelle und
betriebswirtschaftlicher Anwendung von Data Science verfügen.
Nähere Informationen erhalten Sie auf unserer Web-
seite: www.thu.de/Stellenangebote
In der Fakultät III Sprach- und Kulturwissenschaften ist im Institut für
Slavistik zum 01.10.2022 / zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
W2-Professur (m/w/d) für
Slavistische Sprachwissenschaft
zu besetzen.
Vorausgesetzt werden:
(1) Überdurchschnittliche Promotion im Bereich slavistische Sprach-
wissenschaft mit Schwerpunkt Russisch oder Polnisch
(2) Habilitation (oder Äquivalent) im Bereich slavistische Sprachwis-
senschaft mit Schwerpunkt Russisch oder Polnisch
(3) Ein Arbeitsschwerpunkt in mindestens einem der Bereiche
Kontaktlinguistik und Spracherwerbsforschung, wobei der areal-
bezogene Ansatz deutlich erkennbar sein muss – nachzuweisen
durch Publikationen
(4) Vertrautheit mit einschlägigen sprachwissenschaftlichen Theorien
sowie einschlägigen kontakt-, sozio- und/oder psycholinguistischen
Methoden – nachzuweisen durch Publikationen
(5) Befähigung und Bereitschaft, den arealen Schwerpunkt des Insti-
tuts (neben Russisch und Polnisch auch Belarussisch und Ukrai-
nisch) aktiv mitzugestalten − nachzuweisen durch ein max. dreisei-
tiges Forschungskonzept
(6) Befähigung, das Fach slavistische Sprachwissenschaft in seiner
Breite in der Lehre zu vertreten, nachgewiesen durch einschlägige
Lehrveranstaltungen
(7) Deutschkenntnisse nahe an Muttersprachkenntnissen
(mindestens C1)
(8) Erfahrungen im Bereich der Drittmitteleinwerbung sowie in der
internationalen Zusammenarbeit
Erwünscht sind außerdem Erfahrungen im Bereich der interdisziplinä-
ren Zusammenarbeit.
Wir suchen eine Person, die in der Forschung Projekte entwickelt und
verfolgt, die an den bestehenden fakultären sprachwissenschaftlichen
Arbeitsbereich „Sprachkontakt/Spracherwerb/Sprachverarbeitung“
und dadurch perspektivisch an die sprachwissenschaftliche Hörfor-
schung anschlussfähig sind und die das areale Profil des Instituts für
Slavistik in Forschung und Lehre stärken. Zu den Aufgaben in der Leh-
re gehören die Koordination der sprachwissenschaftlichen Lehre im In-
stitut und die Durchführung sprachwissenschaftlicher Lehrveranstal-
tungen in allen Studiengängen, die das Institut betreibt oder an denen
es mitwirkt. Erwartet wird auch die Mitwirkung an bestehenden natio-
nalen und internationalen Kooperationen, insbesondere die Fortset-
zung und Weitentwicklung von Partnerschaften des Instituts mit Uni-
versitäten in Russland, Polen, Belarus und der Ukraine, zum Nutzen für
Forschung und Lehre. Da die Universitäten Bremen und Oldenburg
durch einen Kooperationsvertrag verbunden sind, wird eine aktive Mit-
arbeit an der Kooperation erwartet. Erwartet wird schließlich die aktive
Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung.
Die Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 25 NHG. Zur
Erhöhung des Frauenanteils sollen Bewerberinnen bei gleichwertiger
Qualifikation bevorzugt berücksichtigt werden. Schwerbehinderte
Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.
Die Stelle ist teilzeitgeeignet.
Bewerbungen (mit Lebenslauf, Zeugnissen, Schriftenverzeichnis, Be-
richt über die bisherigen Forschungsaktivitäten mit Drittmitteleinwer-
bungen der letzten 5 Jahre, Forschungskonzept, Übersicht über bisher
abgehaltene Lehrveranstaltungen, Vorträge) sowie die fünf wichtig-
sten einschlägigen Schriften (darunter die Qualifikationsschriften) sind
unter Angabe des Kennworts „W2-Slavistik“ bis zum 31.07.2021
einzureichen. Ihrer Bewerbung ist außerdem die Unterlage „Profilbogen“
(https://uol.de/fk3/profil-und-struktur/unterlagen-zum-herunterladen) bei-
zufügen. Die Bewerbung ist bevorzugt per E-Mail in Form einer einzi-
gen PDF-Datei zu richten an das Präsidium der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg, z. H. der Dekanin der Fakultät III, 26111 Olden-
burg (E-Mail: prof-bewerbung.FK3@uni-oldenburg.de). Im Betreff der
E-Mail ist das o. g. Kennwort anzugeben.
www.uol.de
3½ Fragen an: Anna Neubauer
1.
Was brauchen Sie heute im Beruf, Welches wissenschaftspolitische Problem
was Sie im Studium nicht gelernt haben?
Das Jura-Studium ist bekanntlich recht
lässt sich ohne Geld lösen?
Es ist keine Frage von Geld, die zunehmende
theoretisch ausgelegt. Meines, das Regulierung und Bürokratisierung der
zugegebenermaßen lang her ist, hat mich nicht
vorbereitet auf die vielen praktischen Fragen,
Wissenschaftslandschaft aufzuhalten und
wieder stärker wissenschaftliche Inhalte in den
die der Aufbau der Geschäftsstelle des
Hamburg Institute for Advanced Study (HIAS)
Vordergrund zu stellen. Dies würde den
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
mit sich bringt, auf Personalführung, auf das
so wichtige Ausloten von Handlungs­spiel­
mehr Luft geben, ihre Forschungsvorhaben
zu verfolgen.
räumen für kreative Entscheidungen.
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter ZEIT WISSEN³ unter www.zeit.de/wissendrei
W2-Professur. Kennzahl 1428
Software-Entwicklung
Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik
Bewerbung bis zum 17.09.2021
Einstellung zum Wintersemester 2022/2023
Die Hochschule Karlsruhe (HKA) ist eine der größten
und forschungsstärksten Hochschulen für angewandte
Wissenschaften in Baden-Württemberg. Ihre Leidenschaft für exzellente
Lehre und innovative Forschung macht sie aus und spiegelt sich in sehr
guten Rankingergebnissen wider. Sie arbeitet eng mit der regionalen und
überregionalen Wirtschaft zusammen. Sie steht für Vielfalt, Innovation,
Nachhaltigkeit, internationale Ausrichtung, und das Miteinander – im
Mittelpunkt ihrer Entwicklung stehen daher Studierende und Beschäftigte.
Wir suchen
Die Tätigkeit umfasst Aktivitäten in Lehre und Forschung in den Bereichen
moderne Programmiersprachen und Software-Entwicklung. Ein Schwer-
punkt liegt in der Einführung in die objektorientierte Programmierung.
Es wird Kompetenz und Engagement beim Aufbau von eigenen Schwer-
punkten im Bereich der Forschung und Entwicklung vorausgesetzt,
um das Profil im Rahmen der Masterstudiengänge der Fakultät für die
Studierenden noch attraktiver zu gestalten.
Gewünscht sind darüber hinaus vertiefte Kenntnisse und praktische
Erfahrungen auf dem Gebiet der Modellierung und Programmierung
paralleler und nebenläufiger Systeme. Gesucht wird eine Persönlichkeit,
die ihre in der Forschung und in der beruflichen Praxis erworbene
Kompetenz für unsere Studierenden nutzbar machen kann.
Die Hochschule Karlsruhe ist eine der drittmittelstärksten Hochschulen
für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg. Der weitere
Ausbau der angewandten Forschung ist deshalb anerkanntes Ziel der
Hochschule. Sie geht davon aus, dass der Stelleninhaber (m/w/d) sich
aktiv an der angewandten Forschung beteiligt und Drittmittel einwirbt.
Darüber hinaus besteht die Pflicht zur Beteiligung an der Grundlagenaus-
bildung. Der Stelleninhaber (m/w/d) muss bereit sein, auch Vorlesungen
in fachlich benachbarten Gebieten zu übernehmen. Die Fähigkeit, Lehr-
veranstaltungen in englischer Sprache durchzuführen wird ebenso
vorausgesetzt wie die Bereitschaft zur Online-Lehre.
Einstellungsvoraussetzungen
Die Einstellungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren
sind geregelt in §§ 47, 49, 50 des Gesetzes über die Hochschulen in
Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz – LHG) vom 30. März 2018.
Einzelheiten finden Sie in der ausführlichen Stellenausschreibung unter:
https://www.h-ka.de/stellenangebote
Weitere Informationen
Die HKA strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und
Lehre an. Sie bittet daher qualifizierte Interessentinnen nachdrücklich
um ihre Bewerbung.
Schwerbehinderte Bewerber (m/w/d) werden bei entsprechender Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt.
Bewerbungen
Ihre Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte unter Angabe der Kennzahl
bevorzugt elektronisch (PDF-Format, eine Datei) an
Hochschule Karlsruhe
Personal
Postfach 2440, 76012 Karlsruhe
Telefon +49 (0)721 925-1030
bewerbung.professoren@h-ka.de
Mit Ihrer Bewerbung stimmen Sie der internen Verarbeitung Ihrer Daten zu
Zwecken der Durchführung des Bewerbungsprozesses gemäß der Euro-
päischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Gesetzes zum
Schutz personenbezogener Daten (Landesdatenschutzgesetz − LDSG) zu.
Besuchen Sie die Homepage der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinfor-
matik unter: https://www.h-ka.de/die-hochschule-karlsruhe/fakultaeten/
informatik-und-wirtschaftsinformatik/ueberblick
Die Technische Universität Braunschweig besetzt in der Fakultät für Lebens-
wissenschaften zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
W1-Juniorprofessur ohne tenure track für
Zellmetabolismus
Die neu eingerichtete Juniorprofessur soll die Forschungslinie metabolische
Wirt-/Pathogen-Interaktion unterstützen. Gesucht werden Kandidat*innen mit
Erfahrungen im Bereich Zellmetabolismus, Massenspektrometrie und Biochemie.
Besonders im Fokus soll der Metabolismus von Immunzellen während der In-
fektion stehen. Wünschenswert wäre Erfahrung im Bereich 13C metabolische
Flussanalyse, LC-MS, GC-MS sowie biostatistische Datenanalyse der Messdaten.
Die Bewerber*innen sollen in den oben genannten Gebieten international aus-
gewiesen sein. Erwartet werden Engagement beim geplanten Aufbau eines
drittmittelgeförderten Forschungsverbunds, Publikationen in international aner-
kannten Fachzeitschriften sowie sehr gute Leistungen in der Lehre. Internationale
Forschungserfahrung ist sehr erwünscht.
In der Lehre wird die Juniorprofessur in dem Masterprogramm der Fakultät für
Lebenswissenschaften der TU BS mit einem Lehrdeputat von 4 SWS ange-
siedelt werden.
Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis zum 11.07.2021 an Herrn Prof. Dr. Christoph
Jacob, Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften, TU Braunschweig, nur über
das Onlinebewerberportal der TU Braunschweig.
Die vollständige Stellenausschreibung und den Link zum Bewerberportal finden
Sie unter: www.tu-braunschweig.de/stellenmarkt
STELLENMARKT
Hochschulwelt
2. 3.
Lektüre muss sein. Welche?
Aus Anlass einer – durch Corona leider jäh
ausgebremsten – Reise nach Israel habe ich
einen kurzen Ausflug in die zeitgenössische
israelische Literatur unternommen und kann
daraus unter anderem die Werke von Eshkol
Nevo, Ayelet Gundar-Goshen und Ari Shavit
sehr empfehlen.
An der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie ist frühestens zum 1. April
2022 folgende durch das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaft-
lichen Nachwuchses (Tenure-Track-Programm) geförderte Stelle zu besetzen:
Juniorprofessur für Global Dynamics of
Resource Use and Distribution
(W1 mit Tenure Track auf W2)
Der/Die künftige Stelleninhaber/-in soll über ein überdurchschnittlich sichtbares
Forschungsprofil zu globalen Dynamiken verfügen, die sich aus der Nutzung und
Verteilung von Ressourcen ergeben, und an zentraler Stelle in ihrer/seiner Forschung
Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und damit zusammenhängende Aushandlungs-
prozesse adressieren. Das Spektrum der Ressourcen, deren Nutzung und Verteilung
untersucht werden soll, ist bewusst breit gefasst. Es kann mineralische Rohstoffe und
Grundwasser ebenso umfassen wie natürliche Ressourcen in den Meeren, Sonne und
Wind als Energiequellen sowie die Technologien, die zu ihrer Erschließung erforder-
lich sind. Weiterhin denkbar sind Ressourcen in Form von und Zugang zu Bildung,
Gesundheit, Finanzen, politischer und sozialer Macht sowie kulturellem Kapital.
Forschungserfahrung in mindestens zwei Weltregionen wird vorausgesetzt, wovon
mindestens eine im Globalen Süden liegen sollte.
Zu den Aufgaben gehört die Mitwirkung am MA Global Studies und am BA/MA
Kulturwissenschaften sowie an der Promotionsausbildung in der Graduate School
Global and Area Studies. Die Professur soll eine Brücke von den Forschungsverbün-
den des Leipzig Research Centre Global Dynamics zu den Lebens-, Umwelt- und
Klimawissenschaften schlagen.
Erwartet werden empirische Forschung und eine international sichtbare Publikation-
stätigkeit in Buch- oder Aufsatzform sowie theoretisch-methodologische Beiträge zu
Disziplinen und Ansätzen im Bereich der Global Studies (Globalgeschichte, Soziologie
Globaler Ungleichheiten, International Studies u. ä.). Erwartet werden gemeinsam
mit der Bewerbung Überlegungen zur Stärkung und Erweiterung der Verbundfor-
schung an der Universität Leipzig.
Eine ausführliche Stellenbeschreibung mit weiteren Informationen zu den Erwar-
tungen an den/die zukünftige/-n Stelleninhaber/-in, die persönlichen Vorausset-
zungen eines/einer erfolgreichen Bewerber/-in sowie rechtliche Grundlagen für die
Berufung, einzureichende Unterlagen und Ausführungen zum Datenschutz finden
Sie unter http://www.uni-leipzig.de/universitaet/stellen-und-ausbildung/stellenaus-
schreibungen/hochschullehrer-und-leiter.html
Die Universität Kassel ist eine dynamische Universität mit rund
25.000 Studierenden. Sie hat ein außergewöhnlich breites Profil
mit den Kompetenzfeldern Natur,Technik, Kultur und Gesellschaft.
Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Institut für Berufsbil-
dung ist baldmöglichst die folgende Stelle zu besetzen:
W3-Professur (m/w/d)
„Berufs- und Wirtschaftspädagogik“
Kennziffer Zum frühestmöglichen Zeitpunkt wird eine forschungsstarke
34121
und lehrerfahrene Persönlichkeit gesucht, die in Form einer
vorgezogenen Nachfolge das von der derzeitigen Stelleninhabe-
rin aufgebaute Fachgebiet fortführt. Von dem / der zukünftigen
Stelleninhaber*in wird erwartet, dass er / sie das Fach Berufs- und
Wirtschaftspädagogik in Forschung und Lehre in ganzer Breite
vertritt, wobei besondere Schwerpunkte in Forschung und Lehre
in mindestens zwei der folgenden Gebiete liegen sollen:
l Berufsbildungstheorie
l Nationale und internationale Berufsbildungspolitik
l Management von Bildungseinrichtungen (inkl. berufliche
Schulentwicklung)
l Professionalisierung des Berufsbildungspersonals
l Empirische Berufsbildungsforschung (qualitativ und/oder
quantitativ) mit Bezug zur gesellschaftlichen Organisation von
Beruf und Arbeit
Die künftige Stelleninhaberin / der künftige Stelleninhaber soll ihre
/ seine Expertise durch relevante national und nach Möglichkeit
international begutachtete Publikationen in hochrangigen Zeit-
schriften belegen. Erwartet werden nationale und / oder internati-
onale Forschungsaktivitäten mit einer entsprechenden Vernetzung.
Vorausgesetzt wird die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln.
Die Bereitschaft zur wissenschaftlichen Vernetzung innerhalb
der Universität, insbesondere in den Fachbereichen Wirtschafts-
wissenschaften und Erziehungswissenschaften wird ebenso
vorausgesetzt, wie die aktive Beteiligung an mindestens einem
der Forschungsschwerpunkte des Fachbereichs.
Die Lehraufgaben sind in den Bachelor- und Master-Lehramtsstu-
diengängen L4 (mit den beruflichen Fachrichtungen Gesundheit,
Wirtschaft & Verwaltung, Metalltechnik und Elektrotechnik) zu
erfüllen. Die Lehre des Fachgebiets erfolgt dabei innerhalb des
`Bildungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Kernstudiums´ der
Universität Kassel, aktuell mit den inhaltlichen Schwerpunkten
„Einführung in die Berufs- und die Wirtschaftspädagogik“, „Insti-
tutionen der beruflichen Bildung mitgestalten“ sowie „Fördern,
Diagnostizieren und Beraten in der Berufsbildung“.
Die Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung gehört zu
den Dienstaufgaben. Die künftige Stelleninhaberin / der künftige
Stelleninhaber hat u. a. die Leitung des Prüfungsamtes Berufs-
und Wirtschaftspädagogik inne, verbunden mit dem Vorsitz im
Prüfungsausschuss Berufs- und Wirtschaftspädagogik.
Voraussetzungen:
Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen und Leistungsanfor-
derungen gemäß §§ 61, 62 des Hessischen Hochschulgesetzes
(HHG).
Insbesondere werden die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit,
in der Regel nachgewiesen durch eine Habilitation oder habili-
tationsäquivalente Leistungen sowie pädagogischer Eignung
vorausgesetzt.
Für Rückfragen steht Prof. Dr. Patrick Spieth,Tel.: +49 561 804-2991,
E-Mail: fb07-dekan@uni-kassel.de, zur Verfügung.
Weitere Informationen zum Aufgaben- und
Anforderungsprofil finden Sie im Internet
unter: https://stellen.uni-kassel.de/kad3m
Bewerbungsfrist: 29.07.2021
43
3½.
Und sonst so?
Der sich nun deutlich abzeichnende
Silberstreif am Horizont, die
»Post-Corona-Zeit«, wird es endlich
ermöglichen, die Fellows des
HIAS wieder in Präsenz in Hamburg
zu versammeln – mit Abstand
und vor allem persönlich!
Anna Neubauer ist Generalsekretärin
des Hamburg Institute for
Advanced Study
Mit rund 8.000 Beschäftigten in den unterschiedlichsten Berufsgruppen ist die
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz einer der größten
Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz. Wir betreuen über 300.000 Patienten jährlich -
und sind gleichzeitig eine bedeutende Forschungs- und Ausbildungsstätte.
Als Maximalversorger bieten wir Interessierten vielfältige Möglichkeiten, sich
fachlich und persönlich weiter zu entwickeln.
Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt
eine Juniorprofessor_in (m/w/d)
für Massenspektrometrie-basierte
Metabolomik
(analog Bes.-Gr. W 1 LBesG mit Tenure-Track nach W 2)
Von der Stelleninhaber_in wird ein ausgeprägtes Potential erwartet, das Gebiet
der Massenspektrometrie-basierten Metabolomik in Forschung und Lehre
(einschließlich wissenschaftlicher Weiterbildung) zu vertreten. Die Professur ist
Teil des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderten Forschungskerns DIASYM und mit der Leitung einer gut ausge-
statteten Nachwuchsgruppe (LC-MS Plattform, 1 Postdoc, 2 Doktoranden und 1 TA)
verbunden. Ziel ist zudem die enge Zusammenarbeit mit den Forschungs-
zentren für Immuntherapie (FZI), Translationale Vaskuläre Biologie (CTVB)
und Translationale Neurowissenschaften (FTN) sowie mittelfristig die Etablierung
einer Metabolomics Core Facility am Paul-Klein-Zentrum für Immunintervention.
Weitere Kooperationsmöglichkeiten bieten sich in Form regionaler Forschungs-
verbünde wie z.B. ReALity, dem SFB1292, dem Leibniz-Institut für Resilienz-
forschung (LIR) und HI-TRON. Daher gehören Kooperationsfähigkeit sowie
erste Erfahrungen in der Personalführung und der Netzwerkkompetenz zum
Anforderungsprofil der Professur.
Zu den wissenschaftlichen Aufgaben der ausgeschriebenen Position gehört
die Entwicklung und Anwendung von massenspektrometrischen Methoden
zur Identifikation und Quantifizierung von Metaboliten. Die Stelleninhaber_in
soll damit am Beispiel der Herzinsuffizienz einen Beitrag zur Entwicklung,
Implementierung und Anwendung systemmedizinischer Ansätze leisten und
Methoden und Workflows entwickeln, die Anwendung auf eine Vielzahl von
Forschungsfragen im Bereich der quantitativen Biomedizin finden können.
Dementsprechend werden umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der
Massenspektrometrie-basierten Metabolomik vorausgesetzt. Darüber hinaus
ist Kompetenz im Bereich datenunabhängiger Messmethoden von Vorteil.
Für die Auswertung der Daten sind umfassende Kenntnisse im Bereich der
bioinformatischen Auswertung und softwaregestützten Zuordnung von Strukturen
eine wesentliche Voraussetzung. Entsprechende Expertise ist durch wissen-
schaftliche Leistungen (Publikationen und Drittmitteleinwerbungen) zu belegen.
Weiterhin setzt die Professur die Beteiligung an der Lehre in den Masterstudien-
gängen Biomedizin, Epidemiologie und Angewandte Bioinformatik voraus. Es
wird erwartet, dass die zukünftige Stelleninhaber_in sich im Rahmen der Mainz
Research School of Translational Biomedicine (TransMed) aktiv in die wissen-
schaftliche Nachwuchsförderung von Naturwissenschaftler_innen und
Mediziner_innen einbringt. Daher wird der Nachweis der pädagogischen
Eignung gemäß § 54, Satz 1, Ziffer 2 HochSchG Rheinland-Pfalz vorausgesetzt.
Bewerber_innen müssen neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraus-
setzungen die in § 54 HochSchG geforderten Einstellungsvoraussetzungen
erfüllen. Zudem gelten die Voraussetzungen gem. § 55 HochSchG.
Vorgesehen ist eine Einstellung in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zur
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das Dienst-
verhältnis von Juniorprofessor_innen mit Tenure-Track ist zunächst auf sechs
Jahre befristet. Im vierten Jahr findet eine Leistungsbeurteilung mit orientierendem
Charakter statt. Im Anschluss an die Juniorprofessur ist eine dauerhafte
Übertragung einer Professur (analog Bes.-Gr. W2 LBesG) vorgesehen, wenn
sich die Stelleninhaber_in nach Maßgabe der einschlägigen hochschulrechtlichen
Regelungen (Evaluationsverfahren) bewährt hat und die allgemeinen dienst-
rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei erfolgreichen Bewerbungen
von Personen, die sich bereits in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit
befinden, ist eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses gemäß § 20 Abs. 2
Universitätsmedizingesetz möglich.
Das Land Rheinland-Pfalz, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und
die Universitätsmedizin vertreten ein Konzept der intensiven Betreuung der
Studierenden und erwarten eine hohe Präsenz der Lehrenden an der Universität.
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist bestrebt,
den Anteil der Frauen am wissenschaftlichen Leitungspersonal zu erhöhen
und bittet daher insbesondere Wissenschaftlerinnen, sich zu bewerben.
Schwerbehinderte werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Zudem ist die Universitätsmedizin Mainz Mitglied im Dual-Career-Netzwerk
Metropolregion Rhein-Main und unterstützt Partner_innen neu einzustellender
Spitzenkräfte bei ihrer Stellensuche.
Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (Anschreiben, Lebenslauf,
Zeugnisse, Urkunden, Forschungskonzept) einschließlich des Nachweises
der bisherigen Lehrtätigkeit (inkl. Lehrzertifikate, ggf. Lehrevaluationen),
Drittmitteleinwerbungen und Publikationen bis zum 08.07.2021 ausschließlich
per E-Mail und nach Möglichkeit in einer Datei (PDF) zu richten an den
Wissenschaftlichen Vorstand der Universitätsmedizin
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Herrn Univ.-Prof. Dr. U. Förstermann,
E-Mail: bewerbung.um@uni-mainz.de, Telefon: 06131/17-9892
Ihrer Bewerbung fügen Sie bitte ferner das ausgefüllte Formblatt zu Forschung
und Lehre bei, das auf der Homepage als Download zur Verfügung steht oder
im Ressort Forschung und Lehre angefordert werden kann.
http://www.um-mainz.de/rfl/ueber-uns/aktuellestermine/stellenausschreibungen
Im Fachbereich Biologie/Chemie der Universität Osnabrück ist
folgende Juniorprofessur (m/w/d) zum nächstmöglichen Zeit-
punkt zu besetzen:
Juniorprofessur für Chemie/Schwerpunkt
Nanomaterialien
(Bes. Gr. W1)
Gesucht wird eine herausragende Persönlichkeit mit einem attrak-
tiven Forschungsprogramm in der Materialchemie, welches eine
Beteiligung am Forschungszentrum für zelluläre Nanoanalytik
Osnabrück (CellNanOs) und an der interdisziplinären Forschungs-
initiative „Nano/Bio“ an der Schnittstelle zwischen Nanomaterialien
und Lebenswissenschaften zulässt.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wissen-
schaftlicher Werdegang, Schriftenverzeichnis, Forschungsvorhaben,
Verzeichnis der bisher abgehaltenen Lehrveranstaltungen) richten
Sie bitte in elektronischer Form (in einer PDF-Datei) bis zum
15.07.2021 an den Dekan des Fachbereichs Biologie/Chemie
der Universität Osnabrück, Herrn Prof. Dr. Chadi Touma unter
folgender E-Mail-Adresse: dekanfb05@uni-osnabrueck.de.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.uni-osnabrueck.de/stellenangebote

An der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der
Universität Bielefeld ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Professur (W2)
für Kunstpädagogik
zu besetzen.
Die*der zukünftige Stelleninhaber*in vertritt das Fach Kunst-
pädagogik in Forschung und Lehre einschließlich seiner Bezüge
zur Kunstdidaktik, Kunstwissenschaft und Kunstpraxis in seiner
gesamten Breite.
Im Fach Kunst- und Musikpädagogik werden Bachelor- und
Masterstudiengänge im Bereich der Lehrerbildung (Grund-
schule, Grundschule mit integrierter Sonderpädagogik,
Sekundarstufe I) und der außerschulischen Kulturvermittlung
angeboten. Die integrative Ausrichtung verlangt nach einer
Persönlichkeit mit Kommunikations- und Teamfähigkeit und
der Bereitschaft zum vernetzten Arbeiten. Vorausgesetzt wird
weiterhin die Bereitschaft zu Forschung im Bereich der schul-
bezogenen Kunstpädagogik, wobei neben der forschungs-
methodischen Breite im integrativen Fach anschlussfähige
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte erwartet werden
(kunstspartenübergreifende ästhetische Bildung, Inklusion,
interkulturelle Kunstpädagogik, mediale und digitale Aspekte
künstlerischen Lehrens und Lernens etc.).
Neben der Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung
wird die Unterstützung von Kooperationen mit den Hochschulen,
Universitäten und Kultureinrichtungen in OWL vorausgesetzt.
Erwartet wird zudem die Bereitschaft zur Kooperation mit
dem Department Fachdidaktiken und kulturelle Bildung, dem
Department Kulturwissenschaft und der Bielefeld School
of Education (BiSEd), sowohl in der Lehre als auch bei der
Entwicklung von Forschungsprojekten und Verbundforschungs-
anträgen. Im Zuge der Internationalisierungsbestrebungen der
Universität ist das Fach Kunst- und Musikpädagogik am Auf-
und Ausbau internationaler Kooperationen interessiert.
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hoch-
schulstudium für das Lehramt im Fach Kunst (oder vergleichbare
Qualifikation), pädagogische Eignung, eine herausragende
wissenschaftliche Qualifikation, nachgewiesen durch die
Qualität einer Promotion, sowie zusätzliche wissenschaftliche
Leistungen im Bereich der Kunstpädagogik, die ausschließlich
und umfassend im Rahmen des Berufungsverfahrens bewertet
werden (§ 36 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 HG NW). Lehrerfahrungen in
Schule und Hochschule werden vorausgesetzt. Erfahrungen
im Einwerben von Drittmitteln sowie in der außerschulischen
Kunstvermittlung (z. B. Museumspädagogik) sind erwünscht.
Die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft betrachtet
die Gleichstellung von Frauen und Männern als eine wichtige
Aufgabe, an deren Umsetzung die*der zukünftige Stellen-
inhaber*in mitwirkt.
Aussagekräftige Bewerbungen sollen bestehen aus: Anschreiben,
Lebenslauf, Zeugnissen, Publikationsliste mit Kennzeichnung
von bis zu 10 wichtigsten Publikationen im Sinne der
Ausschreibung, Aufstellung der Forschungsaktivitäten und ggf.
eingeworbener Drittmittel, Übersicht über künstlerisch-
praktische Tätigkeiten, Liste der erbrachten akademischen
Lehrveranstaltungen, Lehrevaluationen sowie einem zwei-
seitigen Forschungs- und Lehrkonzept.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 12.08.2021 online über
das Berufungsportal der Universität Bielefeld ein:
https://berufungen.uni-bielefeld.de
Kontakt:
Universität Bielefeld
Dekanin der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Postfach 10 01 31
33501 Bielefeld
E-Mail: dekanin.lili@uni-bielefeld.de
Bewerbungsunterlagen werden nach Abschluss des Auswahl-
verfahrens vernichtet.
Auskünfte erteilt Prof. Dr. Johannes Voit, Fachsprecher Kunst-
und Musikpädagogik (johannes.voit@uni-bielefeld.de).
Bitte beachten Sie, dass Gefährdungen der Vertraulichkeit und
der unbefugte Zugriff Dritter bei einer Kommunikation per
unverschlüsselter E-Mail nicht ausgeschlossen werden können.
Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen
Daten finden Sie unter
http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Aktuelles/
Stellenausschreibungen/2019_DS-Hinweise.pdf.
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter
und ihnen gleichgestellter behinderter
Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Die Universität Bielefeld ist für ihre Erfolge in
der Gleichstellung mehrfach ausgezeichnet und
als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Sie
freut sich über Bewerbungen von Frauen. Dies
gilt in besonderem Maße im wissenschaftlichen
Bereich sowie in Technik, IT und Handwerk. Sie
behandelt Bewerbungen in Übereinstimmung
mit dem Landesgleichstellungsgesetz.
TALENTE TECHNIK ZUKUNFT
Die Technische Hochschule Mittelhessen gehört mit über 18.000
Studierenden zu den größten Hochschulen für angewandte Wis-
senschaften in Deutschland.
Zur Verstärkung unseres Kollegiums sind am Campus Gießen im
Fachbereich Wirtschaft zwei W2-Professuren mit folgenden Fach-
gebieten zu besetzen:
ALLGEMEINE BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE MIT
DEM SCHWERPUNKT DIGITAL MARKETING
Bewerbungsende: 1. August 2021
Ref. Nr. B 21-023
ALLGEMEINE BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE MIT
SCHWERPUNKT NACHHALTIGKEIT
Bewerbungsende: 1. August 2021
Ref. Nr. B 21-022
Detaillierte Informationen zu den zu besetzenden Professuren –
insbesondere die sich aus den §§ 61 und 62 HHG ergebenden Ein-
stellungsvoraussetzungen des Landes Hessen - entnehmen Sie
bitte unserer Homepage unter: karriere.thm.de
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein
Anliegen. Im Rahmen des audits „familiengerechte
Hochschule“ arbeiten wir an der Weiterentwicklung
entsprechender Strukturen.
www.uni-flensburg.de
DAS DUALE HOCHSCHULSTUDIUM
MIT ZUKUNFT.
Die Europa-Universität Flensburg ist eine lebendige Universität in kontinuierlicher Entwicklung, in der die Diszipli-
nengrenzen überschreitende Teamarbeit eine prominente Rolle spielt. Wir arbeiten, lehren und forschen für mehr
Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Vielfalt in Bildungsprozessen und Schulsystemen, Wirtschaft und Gesellschaft,
Kultur und Umwelt. Die Europa-Universität Flensburg bietet ein weltoffenes Arbeitsumfeld, das interkulturelles
Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) zählt Die Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg bietet
Verständnis fördert und Internationalität gemeinschaftlich lebt.
Im Institut für Sprache, Literatur und Medien der Europa-Universität Flensburg ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt
mit ihren derzeit rund 34.000 Studierenden (an 9 Standorten an ihren beiden Standorten Ravensburg und Friedrichshafen
und 3 Campus) und 9.000 kooperierenden Unternehmen und ein dreijähriges duales Studium zum Bachelor of Arts, Bachelor
im Seminar für Germanistik folgende Stelle zu besetzen:
sozialen Einrichtungen zu den größten Hochschulen des Landes. of Engineering und Bachelor of Science. Hervorragende Aus- Professur für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache
stattung, intensives Lernklima sowie das attraktive Umfeld der
(Bes.-Gr. W3)
Bodenseeregion zeichnen unsere Standorte aus.
Kennziffer 012236
AN DER DHBW RAVENSBURG CAMPUS FRIEDRICHSHAFEN SIND ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN
Die Professur soll das Fach Deutsch als Zweit- und Fremdsprache in Forschung und Lehre in der gesamten Brei-
ZEITPUNKT FOLGENDE ZWEI STELLEN ZU BESETZEN: te, insbesondere auch mit Blick auf transnationale und interkulturelle Prozesse, vertreten.
Neben der fachlichen Ausgewiesenheit werden von der gesuchten Person Schwerpunktsetzungen im Bereich der
Professur für Elektrotechnik
Mehrsprachigkeitsforschung und/oder Interkulturalitätsforschung erwartet. Des Weiteren gehört zum Verantwor-
tungsbereich der Professur die Weiterentwicklung didaktischer Perspektiven für das Fach. Vorausgesetzt werden
zudem Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln sowie breite Lehrerfahrung in der Hochschule. Wün-
Kennziffer: 2020_RV_T_2
schenswert sind daneben ausgewiesene Kompetenzen in der Hochschuldidaktik, Erfahrungen in interkulturellen
Studiengängen, Lehrerfahrungen in anderen Bildungsinstitutionen sowie die Bereitschaft zur Mitwirkung in Selbst-
verwaltungsgremien der Universität.
Zu den Aufgaben der Professur gehören die Organisation und Durchführung der Lehre im Bachelorstudiengang
Professur für Elektrotechnik
Bildungswissenschaften sowie in allen germanistischen Master-Lehramtsstudiengängen. Zudem verantwortet die
Professur das Zertifikatsstudium DaF/DaZ und einen eigenen Lernbereich im Rahmen des Masterstudiums für das
Lehramt an Grundschulen. Die Professur ist außerdem beteiligt am Bachelor-Teilstudiengang Bildung, Erziehung,
Kennziffer: 4/47
Gesellschaft in Bezug auf den sprachsensiblen Fachunterricht in sprachheterogenen Lerngruppen. Erwartet wer-
den des Weiteren die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Forschung und Lehre sowie die Mitwirkung in einem der
universitären Forschungszentren und die Unterstützung bei der Profilierung der Universität.
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium, fachbezogen eine qualifizierte Pro-
motion und zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die durch eine Habilitation, eine erfolgreich zwischenevalu-
Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir zwei kommunika- die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit in der Selbstverwaltung ierte Juniorprofessur oder durch gleichwertige wissenschaftliche Leistungen erbracht sein können, sowie weitere
tive und teamorientierte Persönlichkeiten, die das Fachgebiet der Hochschule sowie ein Engagement in der kooperativen einschlägige qualifizierte Veröffentlichungen. Im Übrigen gelten die §§ 61–63 des Hochschulgesetzes des Landes
Elektrotechnik sowohl im Bereich der Grundlagen als auch in Forschung vorausgesetzt. Es wird erwartet, dass sich der*die Schleswig-Holstein.
weiterführenden Veranstaltungen vertreten. Zum Aufgaben- Stelleninhaber*in an der DHBW in den betriebenen Forschungs-, Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne die Sprecherin des Seminars für Germanistik Prof. Dr. Tatjana Zybatow
(tatjana.zybatow@uni-flensburg.de).
gebiet gehören neben der Konzeption und Durchführung von Innovations- und Transferaktivitäten einbringt. Bei Eignung ist
Lehrveranstaltungen auch die wissenschaftliche Leitung von mittelfristig die Übernahme einer Studiengangsleitung in der Am Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (biat) der Europa-Universität Flensburg ist zum 01.03.2023 folgende
Stelle zu besetzen:
Laboren und die Betreuung von studentischen Arbeiten und Elektrotechnik möglich.
Projekten. Idealerweise besitzen Sie tiefergehende Kennt- Die Stelle wird nach W2 vergütet. Die Bereitschaft, den Wohnsitz Professur (Bes.-Gr. W3)
nisse und berufliche Erfahrung in einem der Themenfelder:
Automation, Energie- und Umwelttechnik, Nachrichten- und
in der Region zu nehmen, wird als selbstverständlich voraus- für die beruflichen Fachrichtungen Metalltechnik und
gesetzt.
Antennentechnik oder Fahrzeugelektronik. Zusätzlich wird Fahrzeugtechnik und deren Didaktiken
Einstellungsvoraussetzungen: Kennziffer 022221
Vorausgesetzt werden gemäß § 47 LHG ein abgeschlossenes Wissenschaftlerinnen. Schwerbehinderte und Gleichgestellte
Wir suchen eine Persönlichkeit mit berufswissenschaftlichen und -didaktischen Forschungsschwerpunkten in den
Hochschulstudium, besondere wissenschaftliche Befähigung werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt. Für telefo- beruflichen Fachrichtungen Metalltechnik und/oder Fahrzeugtechnik.
(in der Regel Promotion), pädagogische Eignung sowie nische Auskünfte steht Ihnen Herr Prof. Dr.-Ing. Kibler, Tel. 07541
Vorausgesetzt werden der Abschluss eines lehramtsbezogenen Studiums in einer der beiden beruflichen Fach-
mindestens fünf Jahre berufspraktische Erfahrung, davon 2077-241 gerne zur Verfügung. richtungen Metalltechnik oder Fahrzeugtechnik, eine qualifizierte Promotion sowie schulpraktische Erfahrungen.
mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs. Die Darüber hinaus werden Erfahrungen in der Durchführung von Forschungsprojekten und in der Einwerbung von
Bitte richten Sie Ihre Bewerbung bis zum 16.07.2021 unter Drittmitteln erwartet. Es werden eine Habilitation, eine erfolgreich zwischenevaluierte Juniorprofessur oder der
Bereitschaft an der wissenschaftlichen Entwicklung teilzuhaben,
Angabe der Kennziffer an: Nachweis gleichwertiger wissenschaftlicher Leistungen sowie weitere qualifizierte Publikationen vorausgesetzt.
insbesondere durch Forschung und wissenschaftliche Weiter- Im Übrigen gelten die §§ 61–63 des Hochschulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein.
bildung, setzen wir voraus. Erwartet wird ein besonderes Maß Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg
Die Professur soll die beruflichen Fachrichtungen Metall- und Fahrzeugtechnik und deren Didaktiken in Forschung
an Engagement, Kooperationsbereitschaft mit den beteiligten Rektorat
und Lehre vertreten. Es wird die Bereitschaft erwartet, innerhalb und außerhalb der Europa-Universität Flensburg
Unternehmen und sozialen Einrichtungen sowie die Bereit- Postfach 11 69 an Forschungsverbünden und -kooperationen mitzuarbeiten, im Bereich der Forschung fachübergreifend zu ko-
88181 Ravensburg operieren sowie Lehrveranstaltungen in englischer Sprache durchzuführen. Zu den Aufgaben gehört die Lehre in
schaft zur Gremienarbeit.
Masterstudiengängen des „Master of Vocational Education – Lehramt an beruflichen Schulen“. Eine Bereitschaft
Bei Erfüllung der Voraussetzungen ist die Übernahme in Weitere Informationen zur Dualen Hochschule Baden- zur Mitwirkung in den Selbstverwaltungsgremien der Universität wird erwartet.
das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Professor*in Württemberg Ravensburg finden Sie im Internet unter www. Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gern der stellvertretende Sprecher des Instituts, Prof. Dr. Axel Grimm (axel.grimm@
nach einer dreijährigen Bewährung im Beamtenverhältnis ravensburg.dhbw.de sowie zu den allgemeinen Bedingungen uni-flensburg.de).
auf Probe möglich, falls das Lebensalter bei Einstellung das unter www.lbv.landbw.de.
Die Europa-Universität Flensburg weist in der Statusgruppe der Hochschullehrenden eine ausgewogene Ge-
47. Lebensjahr, in Ausnahmefällen das 52. Lebensjahr, nicht
schlechterrelation (m/w) auf und möchte in ihren Beschäftigungsverhältnissen die Vielfalt der Biografien und Kom-
übersteigt. petenzen weiter fördern. Ausdrücklich begrüßen wir es, wenn sich Menschen mit Migrationshintergrund bei uns
bewerben. Personen mit einer Schwerbehinderung werden bei entsprechender Eignung vorrangig berücksichtigt.
Die DHBW strebt eine Erhöhung des Anteils der Profes- Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen wie Zeugniskopien und Darstellung der bisherigen Forschungs- und
sorinnen an und begrüßt deshalb die Bewerbung von Lehrtätigkeit richten Sie bitte unter Angabe der Kennziffer bis zum 15.07.2021 (Eingangsdatum) an den Präsiden-
ten der Europa-Universität Flensburg, Herrn Prof. Dr. Werner Reinhart, persönlich/vertraulich, Auf dem Campus 1,
24943 Flensburg. Bei einer Bewerbung in elektronischer Form wird darum gebeten, diese in max. zwei PDF-Da-
teien an bewerbung@uni-flensburg.de zu übersenden. Bei Bewerbungen in Papierform oder auf einem Speicher-
medium (CD-ROM oder USB-Stick) weisen wir darauf hin, dass diese nach Abschluss des Verfahrens nicht zu-
rückgesandt werden. Auf die Vorlage von Lichtbildern/Bewerbungsfotos verzichten wir ausdrücklich und bitten
daher, hiervon abzusehen.
Europa-Universität Flensburg
Auf dem Campus 1
24943 Flensburg
Willkommen an der Hochschule Osnabrück, der größten Fachhochschule Niedersachsens!
An drei Standorten bieten wir rund 100 Studiengänge mit Praxisbezug, eine beeindruckende
tionen
Lehr- und Forschungsstärke sowie individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Unsere Studierenden u n d Innovaukunft.
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profitieren von der wissenschaftlichen und beruflichen Expertise der Lehrenden, unserer lichke nswer
internationalen Vernetzung und einem modernen Hochschulmanagement. Zur Unterstützung Persön r eine lebe
– fü
suchen wir Menschen, die innovativ handeln und ein Leben lang neugierig bleiben wollen.
In der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik der Hochschule Osnabrück sind zum Mit 6.000 Studierenden in Technik und Wirtschaft sowie 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestalten
nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Professuren der BesGr. W 2 zu besetzen: wir Zukunft. Auf unserem modernen Campus, eingebettet in eine wirtschaftsstarke und attraktive Region
im Herzen Bayerns, qualifizieren wir junge Menschen wissenschaftlich und arbeiten an Innovationen.
PROFESSUR FÜR MECHATRONIK Im Rahmen der High-Tech-Agenda Bayern bauen wir die Lehr- und Forschungskompetenz unserer
Kennziffer IuI 165 – P0621 Hochschule weiter aus.
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die in der langjährigen beruflichen Praxis tiefe Kenntnisse und
Erfahrungen auf dem Gebiet der Mechatronik und der anwendungsorientierten Regelungstech-
nik gesammelt hat. Weiterhin sind profunde Kenntnisse in der Modellbildung und Simulation
mechatronischer Systeme gefordert. Außerdem werden Erfahrungen in der Integration von Werden Sie Teil unseres Erfolges
Sensoren und Aktoren sowie in der industriellen Anwendung mechatronischer Systeme,
z. B. bei der Inbetriebnahme von Maschinen oder Anlagen, erwartet.
Voraussetzungen sind der Abschluss eines entsprechenden ingenieurwissenschaftlichen
als Professor (m/w/d) im Berufungsgebiet
Hochschulstudiums der Mechatronik, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik oder eines
vergleichbaren Studiengangs. Die besondere Befähigung zu vertiefter selbstständiger wissen-
schaftlicher Arbeit ist durch eine überdurchschnittliche Promotion oder überdurchschnittliche
promotionsadäquate Leistungen nachzuweisen. Außerdem ist der Nachweis pädagogisch-
didaktischer Eignung nötig sowie eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufspraxis, davon
Intermodale Mobilität und Künstliche Intelligenz (Forschungsprofessur)
mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereiches in einem Industrieunternehmen.
Big Data-Technologien (Forschungsprofessur)
PROFESSUR FÜR PROZESSLEITTECHNIK
Kennziffer IuI 166 – P0621 Integrale Fahrzeugsicherheit und ein Grundlagenfach aus dem
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die in der langjährigen beruflichen Praxis tiefe Kenntnisse und Maschinenbau
Erfahrungen auf dem Gebiet der Prozessleittechnik in der industriellen Produktion gesammelt
hat. Weiterhin sind profunde Kenntnisse in der Steuerung und Regelung von Produktionsanla-
gen gefordert. Darüber hinaus sollen profunde Kenntnisse in der Modellbildung und Simulation Software-Architekturen und Distributed Computing
von Produktionsanlagen vorliegen.
Grundsätzliche Voraussetzungen sind der Abschluss eines entsprechenden ingenieurwissen- Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik
schaftlichen Hochschulstudiums des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der technischen
Informatik oder eines vergleichbaren Studiengangs. Die besondere Befähigung zu vertiefter Biotechnologie und Management
selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit ist durch eine überdurchschnittliche Promotion oder
überdurchschnittliche promotionsadäquate Leistungen nachzuweisen. Außerdem ist der
Nachweis pädagogisch-didaktischer Eignung nötig sowie eine mindestens fünfjährige Internes und Externes Rechnungswesen
einschlägige Berufspraxis, davon mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereiches in
einem Industrieunternehmen.
Medienpsychologie und Digital Marketing
Die ausführlichen Stellenbeschreibungen und die Qualifikationsanforderungen entnehmen Sie
bitte unserer Homepage: www.hs-osnabrueck.de/stellenangebote
Corporate Social Responsibility und Unternehmensführung
Ihre Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte in elektronischer Form – möglichst als ein PDF –
unter Angabe der Kennziffer bis zum 15.07.2021 an folgende Adresse:
Präsident der Hochschule Osnabrück
Postfach 1940 l 49009 Osnabrück
berufungen@hs-osnabrueck.de Technische Hochschule Ingolstadt, Esplanade 10, 85049 Ingolstadt #futurenow – Arbeiten an der THI
www.hs-osnabrueck.de Stellendetails unter www.thi.de/karriere/wen-wir-suchen
KONTAKT FÜR ANZEIGENKUNDEN
Das Netzwerk 4.0 der 18 Musikhochschulen besetzt in seiner zentralen Sie möchten Ihre Anzeige elektronisch übermitteln und
Serviceeinheit 8 Stellen als haben noch Fragen? Dann rufen Sie uns gerne an oder schreiben uns:
An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof ist an der
Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (m/w/d)
0931 / 6001758
Fakultät Interdisziplinäre und Innovative Wissenschaften baldmöglichst
eine Professur der Besoldungsgruppe W2 zu besetzen: Das Netzwerk 4.0 wird ab dem 01.08.2021 durch die „Stiftung Innovation
in der Hochschullehre“ gefördert. Es ermöglicht durch die Bereitstellung
IT-Management einer Supportstruktur Innovationen im Bereich der (digitalen) Lehre und
1 zeit@anzeigeneingang.de
mit Schwerpunkt Gesundheitswirtschaft des Qualitätsmanagements an Musikhochschulen und fördert deren Informationen zum Datenversand per Upload finden Sie unter:
Umsetzung. 5 www.anzeigeneingang.de
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
www.hof-university.de/karriere
Die ausführliche Beschreibung finden Sie unter
Campus Hof | Alfons-Goppel-Platz 1 | 95028 Hof https://www.hfm-detmold.de/die-hochschule/freie-stellen/ und hier:
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Die Hochschule am Meer
Unsere maritim geprägte Hochschule Bremerhaven wird als staatliche Fach-
hochschule von rund 3.000 Studierenden besucht. Wir befinden uns an der
Mündung zur Weser in die Nordsee und bieten auf unserem architektonisch
anspruchsvollen Campus 25 Bachelor- und Masterstudiengänge mit größten-
teils maritimen Schwerpunkten in den Bereichen Technologie, Management
und Informationssysteme. Unsere gut mit der regionalen Wirtschaft vernetzte
„Hochschule am Meer“ wurde mehrfach für innovative Lern- und Lehransätze
ausgezeichnet. Dies haben wir vor allem unseren hoch qualifizierten und enga-
gierten Lehrenden zu verdanken.
Zum nächstmöglichen Termin haben wir vorbehaltlich der Bereitstellung der
Haushaltsmittel zur Erweiterung des betriebswirtschaftlichen Lehrangebots in
grundständigen und dualen Studiengängen im Fachbereich Management und
Informationssysteme der Hochschule folgende Stelle zu besetzen:
Professur (W 2) (w/m/d)
für das Fachgebiet
Betriebswirtschaftslehre mit dem
Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik
(Kennz. BWL/WINF)
Für diese suchen wir eine hervorragend qualifizierte Persönlichkeit, die in deut-
scher und englischer Sprache die IT-gestützte Anwendung quantitativer Me-
thoden und Analysen auf betriebswirtschaftliche Themen, insbesondere aus
der Logistik und Produktionswirtschaft, in Lehre und Forschung vertritt. Dies
schließt die Übernahme von Grundlagenveranstaltungen der Betriebswirt-
schaftslehre in deren Vollzeitstudiengang und von Lehrveranstaltungen in einer
neu geplanten dualen Studiengangsvariante ebenso ein wie die Betreuung stu-
dentischer Projekte, Abschlussarbeiten, Praxis- und Auslandsphasen.
Die Professur ist überwiegend dem Studienbereich „Betriebswirtschaftslehre“
zugeordnet und kann auch in anderen fachgebietsrelevanten Studienbereichen
eingesetzt werden und den verstärkten Digitalisierungsbedarfen und -chancen
in allen Teildisziplinen der BWL Rechnung tragen. Aktuelle Kenntnisse im Be-
reich ERP und Business Data Analytics sind erwünscht. Ferner obliegt dieser
Professur die Leitung des Labors Betriebliche Informations- und Kommunika-
tionssysteme.
Für die Lehre setzen wir voraus, dass Sie Freude an der Lehre und am Einsatz
innovativer Lehrformen unter den Rahmenbedingungen einer Fachhochschule
haben und unser Konzept einer kompetenzorientieren Lehre mit Einbindung
der regionalen Wirtschaft mit uns weiterentwickeln. Hervorragende Englisch-
kenntnisse in Wort und Schrift sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, englisch-
sprachige Lehrveranstaltungen anzubieten, setzen wir ferner voraus.
Für die Besetzung dieser Professur sind Führungserfahrungen im Bereich Wirt-
schaftsinformatik, insbesondere der Konzipierung und Umsetzung von Digita-
lisierungsprozessen in Unternehmen unabdingbar.
Ferner erwünschen wir eine hohe Forschungsexpertise und Bereitschaft zu
Forschung und Transfer im zu besetzenden Fachgebiet, welche auch durch
bereits vorhandene Erfahrungen im Bereich der anwendungsorientierten For-
schung zum Ausdruck kommt.
Zudem erwarten wir eine Beteiligung an Gremien der Selbstverwaltung und ein
engagiertes Mitwirken bei der Weiterentwicklung und Sicherstellung der Lehr-
und Betreuungsangebote und beim Aufbau und der Pflege von Praxis- und
Hochschulkontakten national und international.
Einstellungsvoraussetzungen sind neben der Erfüllung der allgemeinen beam-
tenrechtlichen Voraussetzungen
• ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium der Wirt-
schaftswissenschaften oder Wirtschaftsinformatik bzw. angrenzender
Fachdisziplinen
• pädagogische Eignung für die Lehre an einer Hochschule, die in der Regel
durch Erfahrungen in der Lehre, Ausbildung oder Teilnahme an entspre-
chenden Fort- oder Weiterbildungen nachzuweisen ist,
• die Bereitschaft zu hochschuldidaktischer Fortbildung,
• eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel
durch eine qualifizierte Promotion nachgewiesen wird,
• sowie besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung
wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens
fünfjährigen einschlägigen beruflichen Praxis, von der mindestens drei
Jahre außerhalb des Hochschulbereichs ausgeübt worden sein müssen.
Eine Wohnsitzverlegung an den Hochschulstandort bzw. in das Land Bremen
wird erwartet.
Im Sinne des Leitbildes der Hochschule wünschen wir uns Bewerberinnen und
Bewerber, die offen für Fragen der Geschlechtergleichstellung und Diversität
sind. Wenn Sie außerdem über wissenschaftliche Neugier, Eigeninitiative und
ausgeprägte Sozialkompetenz verfügen und Freude an der Arbeit mit jungen
Menschen haben, freuen wir uns ganz besonders auf Ihre Bewerbung.
Um den Frauenanteil bei den Lehrenden zu erhöhen, sind Frauen bei gleicher
Qualifikation vorrangig zu berücksichtigen, sofern nicht in der Person eines
Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Die Hochschule Bremerhaven for-
dert deshalb Frauen ausdrücklich auf, sich zu bewerben. Schwerbehinderten
Bewerberinnen bzw. schwerbehinderten Bewerbern wird bei im Wesentlichen
gleicher fachlicher und persönlicher Eignung der Vorrang gegeben. Bewerbun-
gen von Menschen mit einem Migrationshintergrund werden begrüßt.
Nähere Informationen zu berufungsorganisatorischen Fragen können gerne an
Prof. Dr. Gerhard Feldmeier gerichtet werden (gfeldmeier@hs-bremerhaven.
de). Auskünfte zum fachlich-inhaltlichen Profil der Professur erteilt Prof. Dr.
Claas Legenhausen (clegenhausen@hs-bremerhaven.de).
Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte bis spätestens
15.07.2021 direkt über unser Online-Bewerbungsportal (stellen.hs-bremer-
haven.de). Ihre Bewerbungsunterlagen werden nach Abschluss des Auswahl-
verfahrens vernichtet.
Der Rektor
der Hochschule Bremerhaven
An der Karlstadt 8
27568 Bremerhaven
Die Universität des Saarlandes
ist eine Campus-Universität mit
internationaler Ausrichtung und
ausgeprägtem Forschungsprofil.
Im Bereich Wirtschaftswissenschaft der Fakultät für Empirische Humanwissenschaften und
Wirtschaftswissenschaft der Universität des Saarlandes ist zum Wintersemester 2021/22 eine
Professur für Quantitative Methoden (W2)
(Kennziffer W1896)
zu besetzen.
Der/Die Stelleninhaber/-in (m/w/d) kann in der Forschung eine Ausrichtung auf moderne
Methoden der angewandten Mathematik oder Statistik mit wirtschaftswissenschaftlichem
Bezug aufweisen. Die Professur nimmt eine Brückenfunktion zu den verschiedenen
Schwerpunktbereichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung ein und soll diese
ergänzen. Insbesondere wird eine quantitative Untermauerung des neu geschaffenen
Nukleus Digitale Transformation der Betriebswirtschaftslehre erwünscht. Idealerweise sollte
der/die Stelleninhaber/-in daher in modernen Methoden der statistischen Datenanalyse
ausgewiesen sein. Die Einwerbung von Drittmitteln ist ausdrücklich erwünscht.
In der Lehre ist die gesamte Breite mathematischer und statistischer Grundlagenfächer für
Bachelor- und Master-Studierende der Wirtschaftswissenschaft abzudecken. Eine Beteiligung
an der methodischen, fachübergreifenden Doktorandenausbildung ist erwünscht.
Die Universität des Saarlandes versteht Internationalisierung als Querschnittsaufgabe.
Wir erwarten daher die Beteiligung an Aktivitäten zur weiteren Internationalisierung der
Universität. Die Zusammenarbeit im Rahmen bestehender internationaler Kooperationen (z. B.
mit Partnern der Europäischen Hochschule Transform4Europe (www.transform4europe.eu)
und des Universitätsverbunds Universität der Großregion (www.uni-gr.eu)) soll fortgeführt
und ausgebaut werden und wird besonders unterstützt.
Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraus-
setzungen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung, besondere
Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion
nachgewiesen wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die in der Regel durch
eine Habilitation (Venia legendi in BWL, Mathematik oder Statistik), habilitationsäquivalente
Leistungen oder im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht wurden.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 15. Juli 2021 im Online-Berufungsportal der
Universität des Saarlandes ein: www.uni-saarland.de/berufungen. Bitte laden Sie Ihre
Bewerbungsunterlagen als ein PDF-Dokument von max. 10 MB u. a. mit folgenden Inhalten
hoch: Anschreiben (adressiert an Dekan der Fakultät für Empirische Humanwissenschaften
und Wirtschaftswissenschaft), Lebenslauf (mit Angabe der privaten Anschrift (inklusive
Telefon und E-Mail-Adresse)), Zeugnisse, Schriftenverzeichnis, ein Überblick über die
bisherige Lehr- und Forschungstätigkeit (inkl. Lehrevaluationen, falls vorhanden), Höhe und
Art der eingeworbenen Drittmittel, ein jeweils zweiseitiges Lehr- und Forschungskonzept
und Ihre drei wichtigsten Publikationen der letzten fünf Jahre.
Die Universität des Saarlandes strebt nach Maßgabe ihres Gleichstellungsplans eine
www.uni-saarland.de
Erhöhung des Anteils von Frauen in diesem Aufgabenbereich an. Sie fordert daher Frauen
nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Im Rahmen Ihrer Bewerbung um eine Stelle an der Universität des Saarlandes (UdS)
übermitteln Sie personenbezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere Datenschutz-
hinweise gemäß Art. 13 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zur Erhebung und
Verarbeitung von personenbezogenen Daten (www.uni-saarland.de/datenschutz). Durch
die Übermittlung Ihrer Bewerbung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise der
UdS zur Kenntnis genommen haben.
STELLENMARKT
Die IU Internationale Hochschule ist eine dynamisch wachsende, staatlich anerkannte, private
Hochschule. Das Studienangebot umfasst deutsch- und englischsprachige Studiengänge im
Dualen Studium, Kombistudium und Fernstudium.
Durch unser starkes Wachstum suchen wir aktuell an einigen unserer
deutschlandweiten Standorte
PROFESSOREN (m/w/d) für verschiedene Fachbereiche:
Advanced Nursing Practice
Artificial Intelligence
Betriebswirtschaftslehre
Culinary Management
Data Management
Data Science
Game Design
Gartenbau
Immobilienmanagement
Immobilienwirtschaft
Informatik
IT Management
Journalismus
Kindheitspädagogik
Marketing mit Customer Centricity
Marketing mit Schwerpunkt Growth Hacking
Marketingmanagement
Mediendesign
Modemanagement
Pflege
Pharmamanagement
Pharmatechnologie
Physician Assistant
Soziale Arbeit
Wirtschaftsinformatik
Wir freuen uns auf Ihre Online-Bewerbung unter www.iubh-karriere.de.
Weitere Informationen zur IU finden Sie unter www.iu.de.
Die Fachhochschule Erfurt ist eine familiäre, moderne und praxisorientierte
Campus-Hochschule mit einer stark ausgeprägten fachlichen Vielfalt.
Die „Grüne Fakultät“ mit den Fachrichtungen Landschaftsarchitektur, Garten-
bau und Forstwirtschaft sieht sich besonders den Belangen der notwendigen
gesellschaftlichen Transformation, der langfristigen Nachhaltigkeit, dem Klima-
schutz und der Strukturverbesserung im ländlichen Raum im Sinne der Ent-
wicklung nachhaltiger Landnutzungsformen verpflichtet.
In der Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst ist zum nächst-
möglichen Zeitpunkt die
Professur
für Kultur- und Betriebssysteme
im nachhaltigen Pflanzenbau
zu besetzen.
Allgemeine Hinweise zur Stelle:
1 Stelle, Besoldungsgruppe W 2, Kennziffer G6
Die Stelle steht unbefristet zur Verfügung. Bei der ersten Berufung zur Profes-
sorin oder zum Professor erfolgt die Beschäftigung grundsätzlich befristet für
drei Jahre. Ausnahmen hiervon und das Verfahren zur Umwandlung des Be-
amt* innenverhältnisses auf Zeit in ein Beamt*innenverhältnis auf Lebenszeit
entnehmen Sie bitte § 86 Abs. 2 Thüringer Hochschulgesetz (ThürHG).
Inhalte der Stelle:
l Die*Der zukünftige Stelleninhaber*in soll die Gebiete der Kultursysteme und
der Betriebsführung im nachhaltigen Pflanzenbau (ökologisch, ökonomisch
und sozial) in der Lehre und der anwendungsorientierten Forschung
vertreten. Dabei sollen die Vielfalt der gartenbaulichen Systeme und auch
der Ressourcenschutz berücksichtigt werden.
l Der Einsatz erfolgt in der Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und
Forst fachrichtungsübergreifend, vorwiegend jedoch in den Studiengängen
Bachelor „ Gärtnerischer Pflanzenbau“ und Master „Nachhaltiger Pflanzen-
bau in Forschung und Praxis“.
l Weiterer Ausbau von Kooperationen mit Praxispartner*innen in Thüringen
l Bereitschaft zur Einarbeitung in angrenzende Themenfelder der Fachrich-
tung zur Übernahme von Lehrveranstaltungen
Zudem wird die Bereitschaft zur Konzeption und Durchführung englisch-
sprachiger und interdisziplinärer Lehre, zu eigenen Forschungsaktivitä-
ten, internationaler Zusammenarbeit, aktiver Beteiligung in der Selbst-
verwaltung sowie die Erfüllung weiterer Aufgaben nach § 83 ThürHG
erwartet. Einzelheiten können unter www.fh-erfurt.de nachgelesen werden.
Unsere Anforderungen an Sie:
l abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich Gartenbau oder Pflanzen-
bau (Diplom UNI, Master) oder einer vergleichbaren Studienrichtung sowie
die besondere Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit, die in der Regel
durch eine Promotion nachgewiesen wird
l Freude am Umgang mit Studierenden
l profunder wissenschaftlicher Hintergrund (Promotion) in Kultur- und
Betriebssystemen im nachhaltigen Pflanzenbau und anschließende mehr-
jährige Tätigkeit, idealerweise im Gartenbau
l Kenntnisse und mehrjährige praktische Erfahrungen im nachhaltigen An-
bau sowie in der Betriebsführung, vorzugsweise in den Sparten Gemüse-
bau und/oder Zierpflanzenbau
l grundlegende Kenntnisse in klimaneutralem Wirtschaften und im Ressour-
censchutz
l Erfahrungen bei der Wissensvermittlung
l Erfahrungen in der Drittmittelakquise sowie der Durchführung und Auswer-
tung von Forschungsprojekten
Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Berufung ergeben sich aus § 84
ThürHG.
Weitere Erwartungen an die*den künftigen Stelleninhaber*in
l Interesse an der Implementierung und Durchführung moderner Lehrveran-
staltungen in einer interdisziplinär ausgerichteten „Grünen Fakultät“
l Freude an der Entwicklung und Umsetzung studierendenorientierter, zeit-
gemäßer hochschuldidaktischer Methoden
Was wir Ihnen bieten:
l Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Sie können Ihre Arbeitszeit weitgehend
flexibel gestalten,
l zentral gelegener Campus in Erfurt, der Thüringer Landeshauptstadt, in
der Sie sehr gute Wohn- und Freizeitbedingungen vorfinden,
l tatkräftige Unterstützung in Ihren Lehr- und Forschungsvorhaben durch
die Fachhochschule Erfurt.
Bewerbungshinweise:
Wir wünschen uns mehr Frauen in Lehre und Forschung an unserer Hoch-
schule und freuen uns daher besonders über Bewerbungen von Interessentinnen.
Menschen mit Schwerbehinderung werden bei gleicher Eignung bevorzugt
eingestellt.
Vorstellungskosten können nicht erstattet werden. Ihre Bewerbungsunterla-
gen reichen Sie bitte in Kopie ein, da nach Abschluss des Verfahrens die Unter-
lagen nicht berücksichtigter Bewerber*innen vernichtet werden. Bei gewünschter
Rücksendung bitten wir um Beilage eines ausreichend frankierten Rückumschlages.
Ihre schriftliche Bewerbung mit aussagefähigen Unterlagen (Lebenslauf, aka-
demische Urkunden, Arbeitszeugnisse, Veröffentlichungsliste) richten Sie bitte
unter Angabe der Kennziffer: G6 bis zum 25.07.2021 an:
Rektor der Fachhochschule Erfurt
Postfach 45 01 55
99051 Erfurt
E-Mail: rektorat@fh-erfurt.de
Wir verarbeiten die von Ihnen übermittelten personenbezogenen Daten nach
§ 27 ThürDSG.
45
An der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und
An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg Theologie (Abteilung Philosophie) der Universität Bielefeld ist
ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle für eine/einen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Universitätsprofessorin/Universitätsprofessor (m/w/d)
der BesGr. W2 mit Tenure-Track auf W3
für Finanzwirtschaft mit dem Professur (W3)
Schwerpunkt Climate Finance für Praktische Philosophie
zunächst in einem Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sechs
Jahren zu besetzen. Bei positiver Tenure-Evaluierung erfolgt die Berufung
in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf einer Stelle der BesGr. W3.
zu besetzen.
Die Regularien des Augsburger Tenure Track-Modells finden Anwendung.
Die Bewerbung von qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Gesucht wird eine international sichtbare Persönlichkeit
Nachwuchswissenschaftlern (m/w/d) wird ausdrücklich begrüßt.
(w/m/d), die den Bereich der Praktischen Philosophie in
Der Fokus der Professur liegt auf dem Umgang mit finanzwirtschaftlichen Forschung und Lehre exzellent vertreten kann.
Risiken des Klimawandels sowie der Entwicklung entsprechender An-
passungs- bzw. Vermeidungsmaßnahmen für Unternehmen, Regulatorik, Erwartet werden Forschungsschwerpunkte in zwei der drei
Politik und Gesellschaft aus finanzwirtschaftlicher Sicht. Die Bewerber-
innen und Bewerber (m/w/d) sollten daher über sehr gute Erfahrungen
Bereiche Normative Ethik, Metaethik und Angewandte
Ethik. Erwartet werden ein eigenständiges Forschungsprofil,
im Bereich betriebswirtschaftliche Finanzwirtschaft und bereits mindes-
tens gute Erfahrungen im Bereich Sustainable Finance verfügen. exzellente Forschungsleistungen sowie eine internationale
Die Professur ist Teil des neu gegründeten interdisziplinären Zentrums
begutachtete Publikationstätigkeit. Erwartet wird zudem eine
für Klimaresilienz der Universität Augsburg (siehe https://www.uni-
augsburg.de/de/forschung/einrichtungen/institute/zentrum-fur-klimares-
inhaltlich stimmige Passung der Forschungsschwerpunkte zur
Bielefelder Philosophie, die das Profil der Abteilung Philosophie
ilienz/). Mittelfristiges Ziel des Forschungsschwerpunkts ist die Akquise
sowohl inhaltlich stärken als auch komplementär erweitern.
und Durchführung wissenschaftlich hochrangiger Verbundvorhaben.
Erwartet wird die Bereitschaft, sich in bestehenden oder
Daher sollte die zukünftige Stelleninhaberin/der zukünftige Stellenin-
haber (m/w/d) Expertise in der Einwerbung und Durchführung von Dritt- künftigen interdisziplinären Forschungszusammenhängen zu
mittelprojekten aufweisen können. Es wird eine interdisziplinäre Koope- engagieren und am Aufbau neuer Verbundprojekte mitzuwirken.
ration mit den anderen Professuren des Schwerpunkts erwartet. Die
Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber (m/w/d) soll den Forschungs- Erwartet werden neben Erfahrungen in der Einwerbung (und
schwerpunkt aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive bedienen. Leitung) von Drittmittelprojekten die Bereitschaft, sich aktiv
Gesucht wird eine Wissenschaftlerin/ein Wissenschaftler (m/w/d) mit und engagiert um Drittmittelprojekte im Bereich Praktische
quantitativer Ausrichtung und dem Potenzial, ein international sichtbares Philosophie zu bemühen.
Profil aufzubauen. Die Professorin/Der Professor (m/w/d) ist dem Cluster
Finance, Accounting, Controlling & Taxation (FACT) zugeordnet. Zu Der/die Stelleninhaber*in lehrt in allen BA- und MA-Studien-
den Aufgaben in der Lehre gehört die Mitwirkung in den Bachelor- und gängen der Philosophie. Erwartet wird Lehrerfahrung in der
Masterstudiengängen. Didaktische sowie pädagogische Fähigkeiten
sind notwendige Voraussetzungen. Wünschenswert sind einschlägige Praktischen Philosophie sowie die Fähigkeit und Bereitschaft,
Erfahrungen in der (englischsprachigen) Lehre und in der Betreuung von flexibel und breit über den eigenen Forschungsfokus hinaus
wissenschaftlichen Abschlussarbeiten. Die Fähigkeit und Bereitschaft zu sowohl zu Sachthemen als auch zur Geschichte der Praktischen
digitaler Lehre wird vorausgesetzt.
Philosophie zu lehren. Erwartet wird die Bereitschaft zu intra-
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium, oder interdisziplinärer Kooperation in der Lehre.
pädagogische Eignung, besondere Befähigung zu wissenschaftlicher
Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen Erwartet wird Erfahrung und Engagement in der Nachwuchs-
wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die durch eine förderung sowie die Bereitschaft, im Rahmen der Abteilung
Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen nachge-
wiesen oder im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht wurden.
Philosophie der Universität in Forschung, Lehre und Selbst-
verwaltung eine aktive und gestaltende Rolle zu übernehmen.
In das Beamtenverhältnis kann berufen werden, wer das 52. Lebensjahr
Erwartet wird zudem Kompetenz und Engagement in der
noch nicht vollendet hat, ansonsten ist eine Einstellung im Rahmen eines
privatrechtlichen Dienstverhältnisses möglich. Gestaltung einer Arbeitsumgebung unter den Gesichtspunkten
von Gender und Diversity.
Die Universität Augsburg strebt die Erhöhung des Anteils von Frauen in
Forschung und Lehre an und bittet deshalb Wissenschaftlerinnen nach- Gewünscht ist die Bereitschaft zur fakultätsübergreifenden
drücklich, sich zu bewerben. Für alle Fragen zur Gleichstellung finden
Sie die Kontaktdaten der Frauenbeauftragten der Wirtschaftswissen-
Vernetzung mit der „Professur für Ethik der Medizin“ bzw.
schaftlichen Fakultät unter: https://www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/ der „Geschichte und Wissenschaftstheorie der Medizin“.
wiwi/dekanat/frauenbeauftragte/ Gewünscht ist Offenheit und Engagement für community
Die Stelle ist für schwerbehinderte Menschen geeignet. Schwerbehin- outreach zu Fragen von Moral und Ethik.
derte Bewerberinnen und Bewerber (m/w/d) werden bei ansonsten im
Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes philo-
bevorzugt eingestellt. sophisches Hochschulstudium, pädagogische Eignung und
qualifizierte Promotion im Bereich der systematischen
Bei allgemeinen Fragen zur Bewerbung und Ausschreibung können Sie
analytischen Praktischen Philosophie sowie zusätzliche
sich an Herrn Prof. Dr. Marco Wilkens (marco.wilkens@wiwi.uni-augs-
burg.de), Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, wenden. wissenschaftliche Leistungen nach der Promotion im Bereich
Schriftliche Bewerbungen (Deutsch oder Englisch) mit den üblichen der Praktischen Philosophie gemäß § 36 Abs. 1, Ziff. 4 HG NRW,
Unterlagen (Motivationsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse/Urkunden, die zur Übernahme der Professur qualifizieren. Bewerbungen
Schriftenverzeichnis, Auflistung von Drittmitteleinwerbungen, Liste der
aus dem Ausland sind willkommen. Fremdsprachige
durchgeführten Lehrveranstaltungen, Forschungs- und Lehrstatement
Bewerberinnen und Bewerber sollen in der Lage sein, neben
sowie bis zu drei relevante Publikationen) sind bis zum 21. Juli 2021
englischsprachigen Seminaren nach einer ca. zweijährigen Über-
an den Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Universität
Augsburg, 86159 Augsburg zu richten. Neben der schriftlichen Bewer- gangsfrist auch Lehrveranstaltungen auf Deutsch abzuhalten.
bung erwarten wir eine identische Kopie der Bewerbung in genau einer
PDF-Datei (max. 8 MB) unter dekanat@wiwi.uni-augsburg.de. Es werden Bewerbungen berücksichtigt, die neben den üblichen
Unterlagen – Lebenslauf, Lehrveranstaltungs- und Schriften-
verzeichnis mit Kennzeichnung von bis zu zehn wichtigen
Publikationen, Kopien akademischer Zeugnisse – eine etwa
zweiseitige Darstellung des eigenen Forschungsprofils, die
auch zukünftige Forschungsprojekte präsentiert, und ein zwei-
seitiges Lehrkonzept enthalten.
Wir bieten zum nächstmöglichen Zeit-
Die Bewerbung kann in deutscher oder englischer Sprache
punkt eine
verfasst sein. Weitere Informationen zur Universität Bielefeld
W2-Professur für „Öffentliches Recht mit finden Sie auf unserer Homepage unter www.uni-bielefeld.de/
Schwerpunkt Sozialrecht“ Bewerbungen werden vorzugsweise per E-Mail in einem
an der Fakultät I (Management und Recht) einzigen pdf-Dokument bis zum 18.07.2021 erbeten an:
Mit der Professur ist die Vertretung des Öffentlichen Rechts, insbesondere bewerbung-gephth@uni-bielefeld.de oder postalisch an:
des Sozialrechts (SGB II, SGB VIII und SGB XII mit Bezügen zum SGB I
und SGB X), in Lehre und angewandter Forschung verbunden. Erwartet Universität Bielefeld
wird ein hohes Engagement beim innovativen Ausbau des Lehr- und Weiter- Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
bildungsangebots der Hochschule sowie bei der Entwicklung und Durch-
– Der Dekan –
führung anwendungsbezogener Projekte.
Postfach 100 131
Voraussetzung ist der Abschluss der Ersten und Zweiten juristischen
33501 Bielefeld
Staatsprüfung mit überdurchschnittlichem Ergebnis. Berufserfahrung auf
dem Gebiet des Sozialrechts sowie Publikationen sind wünschenswert. Bitte verzichten Sie auf Bewerbungsmappen und reichen Sie
Die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen (insbesondere Promotion
sowie mindestens fünfjährige berufliche Praxis, davon mindestens drei ausschließlich Fotokopien ein, da die Bewerbungsunterlagen
Jahre außerhalb des Hochschulbereichs) ergeben sich aus § 47 des nach Abschluss des Auswahlverfahrens nicht zurückgesandt
Landeshochschulgesetzes. werden können.
Unsere Hochschule ist die größte Hochschule für den öffentlichen Dienst
des Landes und bietet ein vielfältiges und innovatives Tätigkeitsfeld. Bitte beachten Sie, dass Gefährdungen der Vertraulichkeit und
der unbefugte Zugriff Dritter bei einer Kommunikation per
Die vollständige Stellenausschreibung finden Sie auf unserer
unverschlüsselter E-Mail nicht ausgeschlossen werden können.
Homepage https://www.hsludwigsburg.de/einrichtungen/
personalabteilung/stellenausschreibungen.html) Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen
Über Ihre aussagekräftige Bewerbung würden wir uns freu-
Daten finden Sie unter:
en, die Sie bitte bis 28.07.2021 ausschließlich online in
unser Bewerberportal eingeben. https://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Aktuelles/
Stellenausschreibungen/2019_DS-Hinweise.pdf
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter
und ihnen gleichgestellter behinderter
Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Am Institut für Erziehungswissenschaft der Fakultät für Bildungswis- Die Universität Bielefeld ist für ihre Erfolge in
senschaften der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ist die Stelle der Gleichstellung mehrfach ausgezeichnet und
einer/eines
als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Sie
Universitätsprofessorin/Universitätsprofessors für freut sich über Bewerbungen von Frauen. Dies
Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt gilt in besonderem Maße im wissenschaftlichen
Historisch-Pädagogische Anthropologie Bereich sowie in Technik, IT und Handwerk. Sie
behandelt Bewerbungen in Übereinstimmung
gemäß § 98 UG zu besetzen. Das privatrechtliche Arbeitsverhältnis mit dem Landesgleichstellungsgesetz.
auf Basis des Angestelltengesetzes wird mit der Universität unbefristet
eingegangen. Das Beschäftigungsausmaß beträgt 100%. Die Fakultät betrachtet die Gleichstellung von
Frauen und Männern als eine wichtige Aufgabe,
AUFGABEN sind vor allem:
an deren Umsetzung der/die zukünftige
Die Stelleninhaberin/der Stelleninhaber soll das Fach „Erziehungs- Stelleninhaber*in mitwirkt.
wissenschaft“ mit einem Schwerpunkt in Historisch-Pädagogischer
Anthropologie in theoretischer und empirischer Perspektive vertreten.
Dabei ist die Wechselwirkung von anthropologischen Vorstellungen
mit Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsverständnissen zentral.
Erwartet werden Methodenvielfalt, Transdisziplinarität und Internatio-
nalität in Forschung und Lehre.
Die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck strebt eine Erhöhung
des Frauenanteiles an und lädt deshalb qualifizierte Frauen zur Be-
werbung ein. Frauen werden bei gleicher Qualifikation vorrangig auf-
genommen.
Bewerbungen müssen bis spätestens 28.07.2021 jedenfalls in elek-
tronischer Form an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Fa-
kultäten Servicestelle, Standort Innrain 52f, A-6020 Innsbruck
(fss-innrain52f@uibk.ac.at) eingelangt sein.
Für diese Position ist eine Einreihung in die Verwendungsgruppe A1
des Kollektivvertrages für Arbeitnehmer/innen der Universitäten und
ein Mindestentgelt von € 5.321,70/Monat (14 mal) vorgesehen. Ein in
Abhängigkeit von Qualifikation und Erfahrung höheres Entgelt und die
Ausstattung der Professur sind Gegenstand von Berufungsverhand-
lungen. Darüber hinaus bietet die Universität zahlreiche attraktive Zu-
satzleistungen (http://www.uibk.ac.at/universitaet/zusatzleistungen/).
Die verbindliche Langfassung (veröffentlicht im Mitteilungsblatt vom
16.06.2021) mit allen näheren Informationen finden Sie unter:
https://www.uibk.ac.at/fakultaeten-servicestelle/standorte/innrain52f/berufungen
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Tilmann Märk
Rektor
46
Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät – Institut für
deutsche Sprache und Linguistik
Das Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) und die Humboldt-Universität
zu Berlin (HU) besetzen zum 01.10.2022 an der Sprach- und literaturwissenschaftlichen
Fakultät, Institut für deutsche Sprache und Linguistik (IdSL), eine
W3-S-Professur für „Allgemeine Sprachwissenschaft“
verbunden mit der Stelle eines*einer
Direktors*in (m/w/d) des Leibniz-Zentrums Allgemeine
Sprachwissenschaft (ZAS)
Die Berufung erfolgt in einem gemeinsamen Verfahren von ZAS und HU bei reduzierter
Lehrverpflichtung (in Höhe von 2 LVS) an der HU.
Das ZAS ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut unter dem organisatorischen
Dach der Geisteswissenschaftlichen Zentren Berlin e.V. (GWZ) und Mitglied der Leibniz-
Gemeinschaft.
Die Stelle soll mit einer Person besetzt werden, die das ZAS als Wissenschaftliche*r
Direktor*in (m/w/d) leitet, mit dem deutschen und internationalen Wissenschaftssystem
bestens vertraut ist und die Forschung des Zentrums nach innen und außen, insbesondere
auch an der Schnittstelle von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik repräsentiert.
Das wissenschaftliche Profil der Professur vertritt die Breite des Faches Allgemeine
Sprachwissenschaft unter Berücksichtigung moderner theoretischer Modellbildung
und zeitgemäßer empirischer Methoden in den Forschungsbereichen des ZAS (https://
www.leibniz-zas.de/de/forschung/forschungsbereiche). Die gesuchte Persönlichkeit ist
international führend in der allgemein-linguistischen Theorie- und Methodenentwicklung
und verfügt über außerordentliches innovatives Potential in der Erschließung und
Etablierung neuer Forschungsfelder. Sie vertritt die Allgemeine Sprachwissenschaft
in Forschung und Lehre an der HU und kooperiert mit den linguistischen Professuren
der Fakultät u. a. im Rahmen von Verbundprojekten wie dem SFB 1412 „Register“.
Darüber hinaus wird die aktive Mitwirkung an weiteren bestehenden und zukünftigen
Forschungsverbünden am Wissenschaftsstandort Berlin/Brandenburg erwartet.
Die Person betreibt eine programmatische und strukturelle Weiterentwicklung der
Forschungsbereiche des ZAS vor dem Hintergrund der bestehenden Verbindung von
Grundlagenforschung und gesellschaftlich relevanten Anwendungsperspektiven und trägt
so zum nachhaltigen Erfolg und der inhaltlichen Weiterentwicklung des Forschungsprofils
des ZAS bei.
Der/die wissenschaftliche Direktor*in ist zusammen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern
für die Gesamtleitung der Geisteswissenschaftlichen Zentren Berlin e.V. (GWZ)
verantwortlich, der Aufgabenbereich ergibt sich aus der Satzung der GWZ in der
jeweils geltenden Fassung (https://www.gwz-berlin.de/workspace/dokumente/gwz_
satzung_210212.pdf).
Die Aufgabe ist verbunden mit der Verpflichtung, zwei LVS am IdSL der HU Berlin zu
leisten; weitergehendes Engagement für die HU ist erwünscht.
Die Anforderungen für die Berufung gemäß § 100 des Berliner Hochschulgesetzes
müssen erfüllt werden. Führungskompetenz und Erfahrung in der Leitung von
Forschungseinrichtungen bzw. Forschungsverbünden und Erfahrung im Aufbau und
Betrieb von Forschungsinfrastrukturen sind ebenso erforderlich wie Erfahrung in der
strategischen Planung, Akquisition und Durchführung von nationalen und internationalen
Forschungsprojekten sowie im Wissenschaftsmanagement.
Die Humboldt-Universität strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung
und Lehre an und fordert qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich auf,
sich zu bewerben. Bewerbungen aus dem Ausland sind ausdrücklich erwünscht.
Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund sind ausdrücklich erwünscht.
Bewerbungen richten Sie bitte mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Kopien
von Zeugnissen und Urkunden, Verzeichnis der Veröffentlichungen, Darlegung der
universitären Lehrerfahrungen und der eingeworbenen Drittmittel) sowie mit einer
Skizze künftiger Forschungs- und Entwicklungsperspektiven für das ZAS (für 1–2
Evaluierungsphasen, d. h. 7–14 Jahre; auf bis zu 5 Seiten) bis zum 29.07.2021 unter
Angabe der Kennziffer PR/005/21 an die Humboldt-Universität zu Berlin, Dekan der
Sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät, Herrn Prof. Stefan Kipf, Unter den
Linden 6, 10099 Berlin oder bevorzugt per E-Mail zusammengefasst in einer PDF–Datei
an berufungen.sprachlit@hu-berlin.de. Da wir Ihre Unterlagen nicht zurücksenden, bitten
wir Sie, Ihrer Bewerbung nur Kopien beizulegen.
Die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) ist
mit mehr als 11.000 Studierenden, 230 Professor*innen sowie über 680
Mitarbeiter*innen eine der größten Hochschulen für angewandte Wissen-
schaften in Bayern.
An der OTH Regensburg sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt drei
Professuren
der Bes.-Gr. W 2 für folgende Lehrgebiete zu besetzen:
In der Fakultät Elektro- und Informationstechnik:
Selbstlernende und
Adaptive Systeme
In der Fakultät Informatik und Mathematik:
Informatik mit dem
Schwerpunkt Internet of Things
– Lehrformen wird vorausgesetzt.
Wirtschaftsinformatik mit dem
Schwerpunkt Enterprise Architecture
Die OTH Regensburg ist mit dem TOTAL E-QUALITY-Prädikat für vorbildlich
an Chancengleichheit und Diversity orientierter Personal- und Hochschul-
politik ausgezeichnet. Bewerbungen von Frauen sind demzufolge ausdrück-
lich erwünscht.
Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei ansonsten im
Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung bevorzugt eingestellt.
Die ausführlichen Stellenausschreibungen mit den jewei-
ligen Einstellungsvoraussetzungen finden Sie unter
www.oth-regensburg.de/hochschule/jobs-karriere oder
direkt über den QR-Code.
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunter-
lagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Nachweise über
den beruflichen Werdegang und die wissenschaftlichen
Arbeiten) über unser Online-Portal bis zum 18.07.2021.
Wir suchen
INSPIRIERENDE
ZUKUNFTSGESTALTER
Professur (W 2) für Datenbasierten Journalismus
mit den Schwerpunkten Fact Checking und
Medienforensik
Start zum 01.10.2021 Kennziffer:
2021-19-RJO6
Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz, Virtual-Reality-Technologie und mehr –
an der jungen, bestens etablierten Hochschule Ansbach beschäftigen wir uns
in Forschung und Lehre mit zukunftsweisenden Themen in den Bereichen
Wirtschaft, Medien und Technik. Dabei stehen Studierende, Lehrende und
Beschäftigte der Hochschule stets im Mittelpunkt. Mit 3.500 Studierenden in
31 Studiengängen bieten wir ein exzellentes Angebot als moderner Arbeitgeber.
Bitte bewerben Sie sich bis Weitere Informationen unter
spätestens 11.07.2021 über www.hs-ansbach.de/service/
unser Online-Portal. hochschule-als-arbeitgeber
STELLENMARKT
Die Universitätsmedizin Tübingen ist Bestandteil der Exzellenzuniversität Tübingen. Sie bietet
medizinische Leistungen auf höchstem Niveau und deckt das gesamte Spektrum moderner
Medizin, Forschung, Lehre und Krankenversorgung ab.
An der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen ist in der Abteilung Innere Medizin I eine
W2-Professur für Klinische Infektiologie und
Translationale Mikrobiomforschung (w/m/d)
zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Angestelltenverhältnis zu besetzen. Die Professur steht
nach § 50 (2) Nr. 5 LHG zur Förderung besonders qualifizierten Nachwuchses befristet für 6
Jahre zur Verfügung.
Klinische Schwerpunkte der Professur sind die Therapie und Prävention von Infektionskrankheiten
sowie die Implementierung von Infektionskontrollmaßnahmen, beispielsweise im Bereich des
Antibiotic Stewardship.
Der Stelleninhaber/die Stelleninhaberin soll insbesondere auf dem Gebiet der klinischen und
funktionellen Mikrobiomforschung in den Bereichen Antibiotikaresistenzen, Ausbreitung von
Infektionserregern und damit assoziierten malignen Erkrankungen international durch kompetitive,
innovative Forschung, entsprechende hochrangige Publikationen sowie umfangreiche Drittmittel-
einwerbungen ausgewiesen sein und das Fach Klinische Infektiologie in Forschung, Lehre und
Krankenversorgung vertreten.
Bereitschaft und Engagement zur Mitgestaltung der Schwerpunkte Infektionsforschung und
Tumorforschung der Medizinischen Fakultät als auch eine aktive Beteiligung an laufenden
und geplanten Forschungsverbünden der Universität Tübingen, insbesondere dem DZIF
(Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Standort Tübingen), dem Exzellenzcluster CMFI
(Controlling Microbes to Fight Infection), dem Exzellenzcluster iFIT (Individualisierung von
Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer
Zielstrukturen) und dem M3-Forschungsinstitut (Malignom, Metabolom, Mikrobiom), werden
vorausgesetzt.
Die engagierte und aktive Mitgestaltung der Lehre in den Studiengängen der Medizinischen
Fakultät wird erwartet. Die Lehrverpflichtung beträgt 9 Semesterwochenstunden.
Einstellungsvoraussetzungen sind eine Qualifikation als Facharzt/-ärztin für Innere Medizin,
die Habilitation oder eine gleichwertige Qualifikation sowie nachgewiesene didaktische Eignung.
Die Universität Tübingen strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen in Forschung und Lehre
an und bittet deshalb entsprechend qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich um eine
Bewerbung. Qualifizierte internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind aus-
drücklich aufgefordert, sich zu bewerben.
Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Bitte reichen Sie Ihre kompletten Bewerbungsunterlagen über das Berufungsportal der
Medizinischen Fakultät unter https://berufungsportal.medizin.uni-tuebingen.de bis zum
29.07.2021 ein.
Rückfragen können an den Dekan gerichtet werden.
Dekan der Medizinischen Fakultät der
Eberhard Karls Universität Tübingen
Herrn Professor Dr. rer. nat. Bernd Pichler
Geissweg 5/1
72076 Tübingen
Philosophisch-Historische
Fakultät
W3-Professur „Philosophie unter besonderer
Berücksichtigung der Geschichte der Philosophie“
PHILOSOPHISCHES INSTITUT | ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN ZEITPUNKT
Gesucht wird eine international ausgewiesene und vernetzte Persön-
lichkeit. Von dem Inhaber/der Inhaberin der Stelle wird neben einem
Schwerpunkt in der Geschichte der Philosophie eine systematische
Forschungsausrichtung in einem oder mehreren philosophischen
Kerngebieten erwartet (z. B. Ästhetik, Begriffsgeschichte, Philosophie
des Geistes, Logik, Sprachphilosophie, Handlungstheorie). In der
Lehre wird eine systematische und historische Breite erwartet.
In der Forschung wird die interdisziplinäre Kooperation innerhalb der
geisteswissenschaftlichen Fakultät erwartet. Darüber hinaus ist eine
Kooperation des Stelleninhabers/der Stelleninhaberin mit anderen
Fakultäten und Fächern erwünscht, etwa über die Plattform des
Internationalen Zentrums für Kultur- undTechnikforschung (IZKT) oder
über das Stuttgart Research CenterText Studies. Engagement im
universitätsinternen Forschungsschwerpunkt „Intelligente Systeme“
z. B. im Kontext des neu gegründeten Stuttgart Research Focus Inter-
change Forum for Reflecting on Intelligent Systems (IRIS) ist erwünscht.
Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen der §§ 47 und 50 Landes-
hochschulgesetz Baden-Württemberg.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (einschließlich Darstellung
des wissenschaftlichen Werdegangs, Schriften- und Lehrveranstaltungs-
verzeichnis, Auflistung der eingeworbenen Drittmittel, Forschungs- und
Lehrkonzept, Sprachkenntnisse) werden bis zum 07.07.2021 erbeten
an Dekanat der Philosophisch-Historischen Fakultät, Keplerstraße 17,
70174 Stuttgart, möglichst als PDF-file per E-Mail an management@
f09.uni-stuttgart.de. Bitte seien Sie sich bei der Übersendung ihrer
Bewerbung per unverschlüsselter E-Mail der Risiken der Vertraulichkeit
und Integrität ihrer Bewerbungsinhalte bewusst.
Die Universität Stuttgart verfügt über ein Dual Career Programm zur
Unterstützung der Partnerinnen und Partner berufener Personen.
Nähere Informationen unter: www.uni-stuttgart.de/dual-career
Die Informationen zur Erhebung von personenbezogenen Daten nach
Artikel 13 DS-GVO können Sie unter dem nachstehenden Link einsehen:
www.uni-stuttgart.de/datenschutz/bewerbung
Die Universität Stuttgart möchte den Anteil der Frauen im wissenschaftlichen
Bereich erhöhen und ist deshalb an Bewerbungen von Frauen besonders
interessiert. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt.
TALENTE TECHNIK ZUKUNFT
Die Technische Hochschule Mittelhessen gehört mit über 18.000 Studie-
renden zu den größten Hochschulen für angewandte Wissen-
schaften in Deutschland.
Zur Verstärkung unseres Kollegiums ist am Campus Friedberg im
Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen (WI) zum nächstmög-
lichen Zeitpunkt folgende Stelle zu besetzen:
W2-PROFESSUR
mit dem Fachgebiet
LIFE CYCLE ASSESSMENT UND CIRCULAR ECONOMY
Bewerbungsende: 15. Juli 2021
Ref. Nr. B 21-018
Detaillierte Informationen zu der zu besetzenden Professur – ins-
besondere die sich aus den §§ 61 und 62 HHG ergebenden Ein-
stellungsvoraussetzungen des Landes Hessen – entnehmen Sie
bitte unserer Homepage unter: karriere.thm.de
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein
Anliegen. Im Rahmen des audits „familiengerechte
Hochschule“ arbeiten wir an der Weiterentwicklung
entsprechender Strukturen.
Die Universität des Saarlandes
ist eine Campus-Universität mit
internationaler Ausrichtung und
ausgeprägtem Forschungsprofil.
English version at uni-saarland.de/stellen
Zahlreiche Forschungseinrichtungen im Umfeld der Universität und die gezielte Förderung
von Verbundprojekten machen die Universität des Saarlandes zu einem idealen Umfeld für
Innovation und Technologietransfer.
In der Fachrichtung Biowissenschaften der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät
der Universität des Saarlandes am Standort Saarbrücken ist zum nächstmöglichen Zeit-
punkt eine
Professur für Molekular- und Zellbiologie (W3)
(Kennziffer W1902)
zu besetzen.
Wir suchen eine/-n hervorragende/-n und international sichtbaren Zellbiologin/Zellbiologen
(m/w/d), vorzugsweise mit einem starken Fokus auf Säugetierzellen. Besonders er-
wünscht ist die Untersuchung des Zellstoffwechsels und der Stoffwechselkontrolle
von Zellprozessen, idealerweise mit starkem Interesse an Einzelzellstudien. Von dem/
der erfolgreichen Bewerber/-in wird erwartet, dass er/sie aktiv zur Entwicklung eines
Forschungsschwerpunkts zu diesem Thema beiträgt. Die Professur wird im Zentrum
für Human- und Molekularbiologie (ZHMB) angesiedelt sein und der/die erfolgreiche
Bewerber/-in soll aktiv zu den laufenden und zukünftigen Forschungsschwerpunkten
beitragen und diese stärken. Die enge Interaktion mit dem Zentrum für Bioinformatik,
dem Zentrum für Biophysik und der Medizinischen Fakultät wird gefördert. Ein intensiver
Austausch mit den wissenschaftlichen Einrichtungen im Umfeld der Universität wie dem
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saar (HIPS) und dem Leibniz Institut
für neue Materialien (INM) und eine aktive Beteiligung an der Ausarbeitung gemeinsamer
Schwerpunktprojekte im Rahmen der Zukunftsstrategien der Universität werden erwartet.
In der Lehre soll die Professur das Fach in den Bachelor- und Master-Studiengängen der
Human- und Molekularbiologie vertreten. Eine Unterstützung der Lehre in angrenzen-
den naturwissenschaftlichen Fachrichtungen ist üblich. Erwartet werden zudem inno-
vative Lehrkonzepte für alle curricularen Stufen (Bachelor, Master, Promotion) sowie die
Bereitschaft zur englischsprachigen Lehre, zur engagierten Betreuung von Abschluss-
arbeiten sowie zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraus-
setzungen ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Biologie oder ein fachlich
ähnlicher Abschluss, pädagogische Eignung, besondere Befähigung zu wissenschaftlicher
Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen wird, sowie
zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die in der Regel durch eine Habilitation, habili-
tationsäquivalente Leistungen oder im Rahmen einer positiv evaluierten Juniorprofessur
erbracht wurden. Positiv bewertet werden Originalpublikationen in führenden Zeitschriften
eine sichtbare Internationalität und nachgewiesene Drittmittelakquise sowie bestehende
Erfahrung in der Personalführung und akademischen Selbstverwaltung.
Die Universität des Saarlandes versteht Internationalisierung als Querschnittsaufgabe. Wir
erwarten daher die Beteiligung an Aktivitäten zur weiteren Internationalisierung der Uni-
versität. Die Zusammenarbeit im Rahmen bestehender internationaler Kooperationen, z. B.
mit Partnern der Europäischen Hochschule Transform4Europe (www.transform4europe.eu)
und des Universitätsverbunds Universität der Großregion (www.uni-gr.eu) soll fortgeführt
und ausgebaut werden und wird besonders unterstützt.
Die Universität des Saarlandes strebt nach Maßgabe ihres Gleichstellungsplans eine
Erhöhung des Anteils von Frauen in diesem Aufgabenbereich an. Sie fordert daher Frauen
nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Informationen über die Fakultät NT und die Fachrichtung Biowissenschaften sowie das
ZHMB sind zugänglich via Internet. Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 15.07.2021
im Online-Berufungsportal der Universität des Saarlandes ein: www.uni-saarland.de/
berufungen. Bitte laden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen als ein PDF-Dokument von max.
10 MB u. a. mit folgenden Inhalten hoch: Anschreiben (adressiert an den Dekan der
Fakultät NT, Herrn Prof. Dr. Jörn Walter), Lebenslauf (mit Angabe der privaten Anschrift
www.uni-saarland.de
(inkl. Telefon und E-Mail-Adresse), Urkunden und Zeugnisse, Schriftenverzeichnis, ein
Überblick über die bisherige Lehr- und Forschungstätigkeit (inkl. Lehrevaluationen, falls
vorhanden), Höhe und Art der eingeworbenen Drittmittel, ein jeweils zweiseitiges Lehr-
und Forschungskonzept und Ihre drei wichtigsten Publikationen der letzten fünf Jahre.
Im Rahmen Ihrer Bewerbung an der Universität des Saarlandes übermitteln Sie personen-
bezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere Datenschutzhinweise gemäß Art. 13
Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zur Erhebung und Verarbeitung von personen-
bezogenen Daten (www.uni-saarland.de/datenschutz). Durch die Übermittlung Ihrer Bewer-
bung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise der UdS zur Kenntnis genommen
haben.
Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität
Jena besetzt zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
W3-Professur für Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre/Marketing (m/w/d)
Die Kandidatin/Der Kandidat vertritt das Fach Marketing in den Bachelor- und
Masterstudiengängen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in seiner
ganzen Breite, basierend auf einem quantitativ empirischen Forschungsansatz.
Die Kandidatin/Der Kandidat hat akademische Exzellenz mittels erfolgreicher
Publikationen in einschlägigen, internationalen Zeitschriften mit Begut-
achtungsverfahren demonstriert und verfügt über internationale Forschungs-
kooperationen. Eine erfolgreiche Einwerbung kompetitiver Drittmittel sowie
Führungskompetenz und Erfahrungen in der (Ko-)Betreuung des wissenschaft-
lichen Nachwuchses werden erwartet.
Eine Beteiligung an den Forschungsschwerpunkten der Fakultät und der
Friedrich-Schiller-Universität Jena (http://www.uni-jena.de/forschung.html)
ist erwünscht. Erwartet werden ferner die Durchführung von Forschungs-
projekten auf nationaler und internationaler Ebene sowie die aktive Mitarbeit
in der akademischen Selbstverwaltung.
Ein nachhaltiges Engagement in der Weiterentwicklung der Studiengänge und
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Studium, pädago-
gische Eignung, eine Promotion und eine Habilitation oder gleichwertige wissen-
schaftliche Leistung im Themenfeld. Die Ernennung als Professorin oder
Professor erfolgt im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, sofern die gesetz-
lichen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena strebt eine Erhöhung des Anteils von
Frauen in Forschung und Lehre an und bittet deshalb qualifizierte Wissen-
schaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte Menschen
werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugnis- und Urkundenkopien, Schriften-
verzeichnis (mit Kennzeichnung der fünf wichtigsten Publikationen), Dokumen-
tation der Lehrtätigkeit und -evaluationen und Listen zu Vortrags- und Dritt-
mittelaktivitäten werden bis zum 25. Juli 2021 elektronisch (als PDF < 2MB)
erbeten an:
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
Professor Dr. Christian Pigorsch
Carl-Zeiß-Straße 3
07743 Jena
dekanat@wiwi.uni-jena.de
An der Fakultät Physikalische Technik/Informatik ist zum
01.09.2022 folgende Stelle (m/w/d) unbefristet zu besetzen:
Professur für
Biomedizinische Technik / Medizinische
Elektronik und Radiologische Technik - W2
Kenn-Nr.: Zw PI 71
Sind Sie an dieser Stelle interessiert?
Dann informieren Sie sich gern ausführlich auf unserer Home-
page: https://www.fh-zwickau.de/service/stellen/
Bitte richten Sie Ihre Bewerbung unter Angabe der Kenn-Nr.
bis zum 28.07.2021 an bewerbung.professur@fh-zwickau.de
bzw. postalisch an
Westsächsische Hochschule Zwickau
Rektorbüro
Kornmarkt 1
D-08056 Zwickau
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Die Christian-Albrechts-Universität will mehr qualifizierte Frauen für
Professuren gewinnen.
Am Botanischen Institut der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen
Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist zum 01.04.2022
eine
W 2-Professur
für Pflanze-Umwelt-Interaktionen
(Nf. Prof. Dr. Bilger)
zu besetzen.
Die/Der zukünftige Stelleninhaber*in soll das Fachgebiet der Plastizität
von Kormophyten in der Interaktion mit der Umwelt in Forschung und
Lehre vertreten.
Wir suchen eine hoch motivierte, durch hochrangige Publikationen und
erfolgreiche Drittmitteleinwerbung wissenschaftlich ausgewiesene Per-
sönlichkeit mit einem starken Hintergrund im Bereich der molekularen
Mechanismen der pflanzlichen Plastizität bei multifaktoriellen (biotischen
und abiotischen) Interaktionen. Dieses können beispielsweise epige-
netische, RNA-vermittelte oder posttranslationale Regulationsprozesse
sein. Die Bereitschaft zur Mitarbeit in „Kiel Plant Center“ als Teil des
Forschungsschwerpunktes „Kiel Life Science“ wird erwartet. Koopera-
tionen im Rahmen der verschiedenen Kieler Forschungsinitiativen und
mit den außeruniversitären Partnerinstituten, wie dem GEOMAR oder
dem MPI für Evolutionsbiologie, sind wünschenswert.
Die zu besetzende Professur soll die Botanik in der Lehre der Bachelor-
und Master-Studiengänge der Biologie umfassend vertreten. Sehr gute
Kenntnisse der heimischen Flora und die Bereitschaft zur Durchfüh-
rung von Exkursionen werden erwartet.
Auf die Einstellungsvoraussetzungen des § 61 des Hochschulgesetzes
des Landes Schleswig-Holstein wird hingewiesen. Nähere Informationen
hierzu finden Sie auf der Homepage www.berufungen.uni-kiel.de. Weitere
Informationen über die zu besetzende Stelle und die Forschungseinheit
erteilt Prof. Dr. Dietrich Ober (dober@bot.uni-kiel.de).
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist bestrebt, den Anteil der
Wissenschaftlerinnen in Forschung und Lehre zu erhöhen und fordert
deshalb entsprechend qualifizierte Frauen nachdrücklich auf, sich zu
bewerben. Frauen werden bei gleichwertiger Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt.
Die Hochschule setzt sich für die Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen ein. Daher werden schwerbehinderte Bewerber*innen bei
entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Ausdrücklich begrüßen wir es, wenn sich Menschen mit Migrations-
hintergrund bei uns bewerben.
Auf die Vorlage von Lichtbildern/Bewerbungsfotos verzichten wir aus-
drücklich und bitten daher, hiervon abzusehen.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, derzeitiges For-
schungsprofil und zukünftiges Forschungskonzept, Listen der wissen-
schaftlichen Veröffentlichungen, Verzeichnis der Lehrveranstaltungen,
Lehrerfahrungen und Drittmitteleinnwerbungen, Kopien akademischer
Zeugnisse) werden unter Angabe der Privat- und Dienstadresse mit
Telefonnummer und E-Mail bis zu um 29.07.2021 (vorzugsweise in
elektronischer Form in einer PDF-D
Datei an berufungen@mnf.uni-kiel.de)
erbeten an den Dekan der Mathe ematisch-Naturw rwissenschaftlichen
rw
w
Fakultät, Christian-Albrechts-Un niversität zu Kiel, 24098 Kiel.
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„Chancen durch Bildung“ ist das gelebte Motto der Frankfurt
University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Internationalität,
Diversität und gesellschaftliche Verantwortung sind ihre Werte.
Sie versteht sich als Institution des Lebenslangen Lernens sowie
als innovative Forschungs- und Entwicklungspartnerin der Region.
Unsere über 16.000 Studierenden und ca. 900 Mitarbeitenden
in Lehre, Forschung und zentralen Serviceeinheiten sind ihre
Gestalter/-innen.
Wir suchen Persönlichkeiten, die auf der Grundlage einer über-
durchschnittlichen Promotion ihre umfassenden praktischen
Erfahrungen aus ihrer beruflichen Position in die Lehre und
Forschung an unserer Hochschule einbringen wollen. Praxisnähe,
interdisziplinäre Ausbildung, internationale Ausrichtung und
regionale Einbindung prägen unser Profil. Exzellente Qualität von
Lehre und Forschung ist unser Anspruch.
Lehren und forschen an einer dynamischen Hochschule
für angewandte Wissenschaften am
Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften!
Im Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften
ist folgende Stelle zum Sommersemester 2022 zu besetzen
Professur für das Fachgebiet:
Hochfrequenztechnik (m/w/d)
(Bes. Gr. W2 HBesG)
Kennziffer: P10/2021
Die Stelleninhaberin/Der Stelleninhaber soll das Fachgebiet
Hochfrequenztechnik in den Studiengängen der Elektrotechnik
vertreten. Insbesondere sollten industrielle sowie praktische
Erfahrungen auf folgenden Gebieten vorliegen: Hoch- und
Höchstfrequenztechnik, Feldtheorie, Antennentechnik, Elektro-
magnetische Verträglichkeit und Elektromagnetische Umwelt-
verträglichkeit. Das Engagement in der anwendungsorientierten
Forschung in mindestens einem der oben genannten Gebiete wird
vorausgesetzt. Außerdem wird die Beteiligung in der Lehre bei
den Grundlagen der Elektrotechnik sowie in den oben genannten
Gebieten, auch für andere Studiengänge, erwartet. Die wissen-
schaftliche Qualifikation ist durch ein einschlägiges Studium und in
der Regel durch eine Promotion nachzuweisen. Auskünfte erteilt
Herr Prof. Dr. Trick per E-Mail unter: trick@fb2.fra-uas.de
Den vollständigen Ausschreibungstext entnehmen Sie bitte
unserer Homepage:
www.frankfurt-university.de/stellenangebote
Informationen gem. Art. 13 DS-GVO für Bewerbungen auf Stellen-
ausschreibungen finden Sie unter:
https://www.frankfurt-university.de/index.php?id=5184
Bewerbungen mit den üblichen aussagefähigen Unterlagen (inkl.
Publikationsverzeichnis, Projekte, Darstellung bisheriger Lehr- und
Forschungstätigkeit) werden bis 15.07.2021 unter Angabe der
Kennziffer per E-Mail erbeten an:
personal-prof-beamt@hr.fra-uas.de
Präsidenten der
Frankfurt University of Applied Sciences
Personal und Organisation
Nibelungenplatz 1, 60318 Frankfurt
www.frankfurt-university.de
Wissen durch Praxis stärkt
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
KATHOLISCH-THEOLOGISCHE FAKULTÄT
An der Katholisch-Theologischen Fakultät ist zum nächstmög-
lichen Zeitpunkt eine
Professur (W3) für Kirchenrecht,
insbesondere Verwaltungsrecht,
Verkündigungs- und Sakramentenrecht,
Vermögensrecht sowie
Kirchliche Rechtsgeschichte
(Lehrstuhl)
zu besetzen.
Die Inhaberin oder der Inhaber der Professur (m/w/d) wird das
Fachgebiet Kirchenrecht, insbesondere Verwaltungsrecht, Verkündi-
gungs- und Sakramentenrecht (ohne Eherecht), Vermögensrecht
sowie Kirchliche Rechtsgeschichte, in Forschung und Lehre in
seiner ganzen Breite vertreten. In der Lehre wird die Mitwirkung
an allen Studiengängen der Katholisch-Theologischen Fakultät und
insbesondere des Klaus-Mörsdorf-Studiums für Kanonistik erwartet.
Zu den Aufgaben der Lehrstuhlinhaberin oder des Lehrstuhlin-
habers (m/w/d) gehört auch die Übernahme der Leitung des Klaus-
Mörsdorf-Studiums für Kanonistik im Wechsel mit den beiden
anderen kanonistischen Lehrstühlen.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) möchte eine
hervorragend ausgewiesene Persönlichkeit gewinnen, die ihre
wissenschaftliche Qualifikation im Anschluss an ein abgeschlos-
senes Hochschulstudium in Katholischer Theologie sowie eine
überdurchschnittliche Promotion oder eine vergleichbare besondere
Befähigung in Katholischer Theologie oder kanonischem Recht
durch international sichtbare, exzellente Leistungen in Forschung
und Lehre nachgewiesen hat.
Bei einer Einstellung im Beamtenverhältnis darf das 52. Lebensjahr
zum Zeitpunkt der Ernennung noch nicht vollendet sein. In drin-
genden Fällen können hiervon Ausnahmen zugelassen werden.
Die LMU strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen in Forschung
und Lehre an und bittet deshalb Wissenschaftlerinnen nachdrück-
lich, sich zu bewerben.
Schwerbehinderte werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher
Eignung bevorzugt.
Die LMU bietet Unterstützung für Doppelkarriere-Paare an.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wis-
senschaftlicher Werdegang, Schriftenverzeichnis, Verzeichnis der
bisherigen Lehrveranstaltungen) sind bis zum 15. Juli 2021 beim
Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Geschwister-
Scholl-Platz 1, 80539 München, einzureichen. Gleichzeitig senden
Sie Ihre Unterlagen bitte in Dateiform (pdf) an: dekanat@kaththeol.
uni-muenchen.de.
Die Europäische Fachhochschule (EUFH) ist eine staatlich anerkannte Hoch-
schule in freier Trägerschaft. Alle Studiengänge sind von renommierten
Akkreditierungsagenturen exzellent bewertet worden. Die Europäische
Fachhochschule in den Hochschulbereichen Gesundheit und Soziales
bietet für Zukunftsberufe im Gesundheits- und Sozialwesen Bachelor- und
Masterstudiengänge an verschiedenen Standorten in NRW, Berlin und MV an.
Zur Verstärkung unseres Teams am Hochschulbereich Gesundheit und Soziales
sind folgende Stellen zu besetzen:
Professur für Erziehungswissenschaften
Schwerpunkt Grundschule (m/w/d)
(mindestens 0,5-Stelle) am Standort Berlin
Professur für Erziehungswissenschaften
Schwerpunkt Grundschule (m/w/d)
(mindestens 0,5-Stelle) am Standort Rostock
Details zu Ihren Kernaufgaben und zu der von uns gewünschten Expertise
sowie zu Ihren Eignungsvoraussetzungen finden Sie auf unserer Internetseite
https://geso.eufh.de/service-hochschule/karriere.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
EU | FH GmbH
Dekanin für den Fachbereich Angewandte Gesundheitswissenschaften
Frau Prof. Dr. Ina Zwingmann
E-Mail: i.zwingmann@eufh.de
Telefon: 0381 8087-268
Bitte senden Sie Ihre elektronischen Bewerbungsunterlagen sowie Ihre
Gehaltsvorstellung bis zum 15. Juli 2021 an:
Europäische Fachhochschule Rhein / Erft GmbH
Hochschulbereich Gesundheit & Soziales
Werftstraße 5
18057 Rostock
E-Mail: bewerbung-hsbg@eufh.de
An der Hochschule Neubrandenburg – University of Applied Sciences – ist im
Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management eine
W2-Professur „Pflegewissenschaft
mit den Schwerpunkten Beratung
und Praxislernen“
(all genders welcome)
Kennziffer: 151002/ 2021
frühestens zum 01.03.2022 zu besetzen.
Informationen über die Hochschule Neubrandenburg
– sowie diese Stellenausschreibung finden Sie im
Internet unter: https://www.hs-nb.de/hochschule/
aktuelles/karriere/
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Crossmedial gespielt: Ihre Ausschreibung
Jede Stellenanzeige im ZEIT STELLENMARKT finden Sie auch digital auf jobs.zeit.de und bei academics.
STELLENMARKT
An der Rechtwissenschaftlichen Fakultät der Westfälische Wilhelms-
Universität Münster ist zum 1. April 2022 eine
W3-Professur für Kriminologie
(NF Prof. Dr. Klaus Boers)
zu besetzen.
Der/Die zukünftige Stelleninhaber/-in soll insbesondere das Fach Krimi-
nologie unter Berücksichtigung des internationalen Forschungsstandes
in Forschung und Lehre vertreten. Wünschenswert wäre zudem die Be-
reitschaft zur Mitwirkung in den strafrechtlichen Lehrveranstaltungen.
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium,
die besondere pädagogische Eignung und Befähigung zu wissenschaftlicher
Arbeit, die in der Regelung durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen
wird. Darüber hinaus sind zusätzliche wissenschaftliche Leistungen er-
forderlich, die im Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder
einer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher
Mitarbeiter an einer Hochschule oder außeruniversitären Einrichtung oder
im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit in Wirtschaft, Verwaltung
oder in einem anderen gesellschaftlichen Bereich im In- und Ausland
erbracht worden sind.
Die WWU Münster tritt für Geschlechtergerechtigkeit ein und strebt eine Er-
höhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbungen
von Frauen sind ausdrücklich erwünscht. Frauen werden bei gleicher
Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt,
sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.
Die WWU hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Menschen mit Beeinträchtigung
zu beschäftigen. Bei gleicher Qualifikation werden Bewerber*innen mit
anerkannter Schwerbehinderung bevorzugt eingestellt.
Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugnissen, Schriftenverzeichnis und Ver-
zeichnis der bisher durchgeführten Lehrveranstaltungen werden bis zum
30.07.2021 per E-Mail oder auf dem Postweg an:
Westfälische Wilhelms-Universität
Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Dekan Prof. Dr. Mathias Casper
Universitätsstraße 14 – 16
48143 Münster
E-Mail: dekan03@uni-muenster.de erbeten.
www.uni-muenster.de
Die Universität des Saarlandes
ist eine Campus-Universität mit
internationaler Ausrichtung und
ausgeprägtem Forschungsprofil.
Im Bereich Wirtschaftswissenschaft der Fakultät für Empirische Humanwissenschaften
und Wirtschaftswissenschaft der Universität des Saarlandes ist zum Sommersemester
2022 eine
Professur (W3) für Nationalökonomie,
insbes. Makroökonomie und Europäische
Wirtschaftspolitik
(Kennziffer W1897)
zu besetzen.
Der/Die Stelleninhaber/-in (m/w/d) weist in der Forschung eine Ausrichtung auf makro-
ökonomische und wirtschaftspolitische Fragestellungen mit ausgeprägt europäischem
Fokus auf. Die Professur ergänzt die verschiedenen Schwerpunkte des Bereichs Wirt-
schaftswissenschaft und soll zudem eine Brückenfunktion zur gesellschaftswissenschaft-
lichen Europaforschung innerhalb der Fakultät ausüben. Die Ausschreibung richtet sich an
Persönlichkeiten, die sich durch eine klare europäische Positionierung in Bezug auf
Forschung und akademischen Werdegang und eine ausgeprägte Vernetzung innerhalb der
europäischen Wissenschaftsgemeinschaft auszeichnen. Erwartet werden ein breit auf-
gestelltes, anwendungsorientiertes Forschungsprofil mit entsprechenden Publikationen in
anerkannten Zeitschriften des Faches sowie Erfahrung in der Einwerbung von Drittmitteln.
In der Lehre soll das Fach in allen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen der Fakultät
angeboten werden. Die Bereitschaft zur Durchführung von Lehrveranstaltungen sowohl
in deutscher als auch englischer Sprache und zum weiteren Ausbau der Beziehungen zu
Universitäten in Europa und der Welt werden vorausgesetzt. Die Universität des Saarlandes
versteht Internationalisierung als Querschnittsaufgabe. Wir erwarten daher die Beteiligung
an Aktivitäten zur weiteren Internationalisierung der Universität. Die Zusammenarbeit im
Rahmen bestehender Kooperationen, z. B. mit dem neugegründeten Cluster für Europa-
forschung (CEUS), mit Partnern der Europäischen Hochschule Transform4Europe (www.
transform4europe.eu) und des Universitätsverbunds Universität der Großregion (www.uni-
gr.eu) soll fortgeführt und ausgebaut werden und wird besonders unterstützt.
Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraus-
setzungen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung, besondere
Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion
nachgewiesen wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die in der Regel durch
eine Habilitation, habilitationsäquivalente Leistungen oder im Rahmen einer Juniorprofessur
erbracht wurden.
Die Universität des Saarlandes strebt nach Maßgabe ihres Gleichstellungsplans eine
Erhöhung des Anteils von Frauen in diesem Aufgabenbereich an. Sie fordert daher Frauen
nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 15. Juli 2021 im Online-Berufungsportal der
Universität des Saarlandes ein: www.uni-saarland.de/berufungen. Bitte laden Sie Ihre
Bewerbungsunterlagen als ein PDF-Dokument von max. 10 MB u. a. mit folgenden
Inhalten hoch: Anschreiben (adressiert an den Dekan der Fakultät für Empirische
Humanwissenschaften und Wirtschaftswissenschaft), Lebenslauf (mit Angabe der privaten
Anschrift (inklusive Telefon und E-Mail-Adresse)), Zeugnisse, Schriftenverzeichnis, ein
www.uni-saarland.de
Überblick über die bisherige Lehr- und Forschungstätigkeit (inkl. Lehrevaluationen, falls
vorhanden), Höhe und Art der eingeworbenen Drittmittel, ein jeweils zweiseitiges Lehr- und
Forschungskonzept und Ihre drei wichtigsten Publikationen der letzten fünf Jahre.
Im Rahmen Ihrer Bewerbung um eine Stelle an der Universität des Saarlandes (UdS)
übermitteln Sie personenbezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere Datenschutz-
hinweise gemäß Art. 13 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zur Erhebung und
Verarbeitung von personenbezogenen Daten (www.uni-saarland.de/datenschutz). Durch
die Übermittlung Ihrer Bewerbung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise der
UdS zur Kenntnis genommen haben.
An der Technischen Hochschule Bingen ist zum nächstmöglichen
Zeitpunkt im Fachbereich 2 eine
W2-Professur Mathematik
und Data Science (m/w/d)
für die Anwendung in den Ingenieur- und Naturwissenschaften
unbefristet zu besetzen.
Die Professur vertritt die Fachgebiete Mathematik und Data Science
in Lehre und angewandter Forschung. Gesucht wird eine durch
praktische und wissenschaftliche Tätigkeiten ausgewiesene Persön-
lichkeit mit einschlägiger Ausbildung und mindestens fünfjähriger
beruflicher Praxis (davon mindestens drei Jahre außerhalb des
Hochschulbereichs).
Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben, finden Sie die ausführliche
Stellenausschreibung mit dem Anforderungsprofil und nähere
Informationen unter: https://www.th-bingen.de/
hochschule/karriere/stellenangebote/
Wir freuen uns über Ihre aussagekräftige Bewerbung
bis 20.07.2021. Bitte reichen Sie Ihre aussagekräftige
Mitglied des Best Practice-Clubs
Bewerbung über unser Bewerbungsportal ein.
ZEIT STELLENMARKT
An der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt die neu eingerichtete
W 3-PROFESSUR FÜR
EXPERIMENTELLE SCHLAG-
ANFALLFORSCHUNG (W/M/D)
zu besetzen.
Der/Die zukünftige Stelleninhaber*in vertritt das Fach Experimentelle Schlag-
„Mittelalterliche Geschichte”
anfallforschung in Forschung und Lehre. Die Professur wird mit der Leitung
der neu zu schaffenden Abteilung für Experimentelle Schlaganfallforschung
Kennziffer
betraut, die am Mannheim Center for Translational Neuroscience (MCTN,
www.umm.uni-heidelberg.de/mctn) mit seinen vorklinischen und klinischen
neuromedizinischen Professuren angesiedelt werden wird.
Der/Die zukünftige Stelleninhaber*in soll hervorragende wissenschaftliche
Leistungen mit internationaler Sichtbarkeit auf dem Gebiet der Experimentellen
Schlaganfallforschung aufweisen. Gesucht wird eine international ausgewiesene
Persönlichkeit, die mit innovativen wissenschaftlichen und methodischen
Ansätzen den Forschungsschwerpunkt Translationale Neurowissenschaften
mit seinen Profilbereichen neuronale Signalwege, Neuroplastizität und Neuro-
inflammation verstärkt und weiterentwickelt. Eine enge Kooperation mit den
Arbeitsgruppen des European Center for Angioscience (ECAS, www.umm.
uni-heidelberg.de/ecas) ist ebenso erwünscht wie die Verstärkung des SFB
1366 „Vascular Control of Organ Function“ (https://www.sfb1366.de/). Darüber
hinaus wird erwartet, dass sich der/die erfolgreiche Kandidat*in an weiteren
existierenden und zukünftigen Verbundforschungsvorhaben der Forschungs-
schwerpunkte „Translationale Neurowissenschaften“ und „Vaskuläre Biologie
und Medizin“ der Medizinischen Fakultät Mannheim sowie an den weiteren
Forschungsschwerpunkten der Medizinischen Fakultät Mannheim und
an Verbundforschungsvorhaben der Universität Heidelberg aktiv beteiligt.
Darüber hinaus soll der/die zukünftige Stelleninhaber*in sich engagiert in die
neurowissenschaftliche Lehre im Rahmen des Modellstudiengangs MaReCuM
einbringen.
Voraussetzung für die Bewerbung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium,
die Promotion sowie nach § 47 Abs. 2 Landeshochschulgesetz die Habilitation,
die erfolgreich evaluierte Juniorprofessur oder eine vergleichbare wissen-
schaftliche Qualifikation. International sichtbare, exzellente Leistungen in
Forschung und Lehre, einschlägige Leitungserfahrungen, erfolgreiche Dritt-
mitteleinwerbung und didaktische Kompetenz werden ebenso erwartet wie
Kooperations- und Führungsfähigkeit und Engagement in der akademischen
Selbstverwaltung.
Die Stelle steht unbefristet zur Verfügung. Bei Erfüllung der allgemeinen beam-
ten- und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen erfolgt die Berufung in das
Professorenamt in der Regel direkt in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen sind - entsprechend der „Bewer-
ber-Leitfaden Formatvorlage“ und dem „Bewerber-Formblatt“ der Medizini-
schen Fakultät Mannheim für W 3-Professuren (https://www.umm.uni-heidel-
berg.de/karriere/berufung/) - bis zum 15. Juli 2021 an Herrn Prof. Dr. med.
Sergij Goerdt, Dekan der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität
Heidelberg, Universitätsmedizin Mannheim, 68135 Mannheim, zu richten.
Die Universität Heidelberg steht für Chancengleichheit und Diversität.
Wir bitten qualifizierte Frauen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwer-
behinderte werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt. Informationen
zu Stellenausschreibungen und zum Datenschutz finden Sie unter
www.uni-heidelberg.de/stellenmarkt.
Das Umweltbundesamt (UBA) sucht für das Fachgebiet V 1.5 „Energiedaten,
Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien – Statistik
(AGEE-Stat)“ mit Arbeitsort in Dessau-Roßlau – Bauhausstadt im Dessau-
Wörlitzer Gartenreich – eine*n
Wissenschaftliche*n Mitarbeiter*in
Das Arbeitsverhältnis beginnt so bald wie möglich und ist unbefristet.
Ihre Aufgaben:
• Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zu Energiedaten
im Kontext Klimaschutz und Energiewende
• Auswertung, Analyse und Anwendung nationaler und internationaler
Energiestatistiken und -daten zu Deutschland
• Verschneidung und Modellierung von Energiedaten für konkrete Frage-
stellungen zur Erfüllung nationaler, europäischer und internationaler
Energie- und Emissionsberichterstattungspflichten
• Mitarbeit bei der Führung und Weiterentwicklung des Informationssystems
ENERDAT sowie weiterer Energiedatensysteme als Datenbasis für die
internationale Energie- und Emissionsberichterstattung
• Mitwirkung in nationalen, EU- und internationalen Gremien zu
Energiedaten und -statistik
• Mitwirkung bei der Fachinformation und Öffentlichkeitsarbeit zu
Energiedaten
Ihr Profil:
• abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium (Master, Uni-
Diplom) der Ingenieurwissenschaften, Energietechnik, Umwelttechnik,
Umweltinformatik, Mathematik, der Wirtschafts- oder Politikwissen-
schaften oder einer vergleichbaren Fachrichtung
• sehr gute Kenntnisse der amtlichen Energie-Statistik, einschlägiger
Verbandsstatistiken und regelmäßiger Veröffentlichungen zum Thema
• routinierte Erfahrungen in der Bearbeitung komplexer Datenmengen
in Excel und relationalen Datenbanken und im Bereich Datenpflege,
-berechnung und -modellierung
• Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Arbeiten, zu Kreativität und
Problemlösungskompetenz
• Fähigkeit, präzise und verständlich Texte zu formulieren und komplexe
Sachverhalte übersichtlich grafisch darzustellen
• Bereitschaft zur präzisen, termingebundenen Arbeitsweise
• hohes Maß an Team- und Kommunikationsfähigkeit
• gute deutsche und englische Sprachkenntnisse
Dotierung: Entgeltgruppe 13 TVöD (Tarifgebiet Ost)
Bewerbungen von Beamtinnen*Beamten werden im Einzelfall geprüft.
Kenn.-Nr.: 27/V/21 • Bewerbungsfrist: 08.07.2021
Wir würden uns freuen, wenn wir Ihr Interesse
geweckt haben. Nähere Informationen und den
Volltext zu dieser und anderen Stellenausschrei-
bungen des Umweltbundesamtes finden Sie
unter www.umweltbundesamt.de
Umweltbundesamt | Postfach 1406 | 06813 Dessau-Roßlau
Professur
WISSENSCHAFT DER SOZIALEN
ARBEIT, INSBESONDERE
TEILHABEFORSCHUNG
Bewerbung mit den üblichen Unterlagen, unter Angabe der Stellennummer 235,
senden Sie bitte bevorzugt über das Bewerbungsportal oder per Post bis spätestens
16. Juli 2021 an die Hochschule Ravensburg-Weingarten, Rektor Herrn Prof. Dr. Spägele,
Postfach 30 22 in 88216 Weingarten
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie auf unserer Website:
www.rwu.de/stellen
47
Die Universität Kassel ist eine dynamische Universität mit rund
25.000 Studierenden. Sie hat ein außergewöhnlich breites Profil
mit den Kompetenzfeldern Natur,Technik, Kultur und Gesellschaft.
Im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Fachgruppe Geschichte
ist in Verbindung mit dem Akademievorhaben ‚Burchards Dekret
Digital‘ zum nächstmöglichen Zeitpunkt die folgende Stelle zu
besetzen:
W 3 - Professur (Akademie-Professur) (m/w/d)
Bei der Professur handelt es sich um eine gemeinsam von der
34122
Universität Kassel und der Akademie der Wissenschaften und der
Literatur in Mainz initiierte Stelle, die zur stärkeren Vernetzung der
beiden Institutionen beitragen soll.
Gesucht wird eine Forscherpersönlichkeit, die das Fachgebiet
“Mittelalterliche Geschichte” in Lehre und Forschung in der gesamten
Breite und in allen Studiengängen vertritt. Erwartet werden hervor-
ragende wissenschaftliche Leistungen in mindestens zwei epochalen
Schwerpunkten der Geschichte des Mittelalters, die in einschlägigen
Publikationen nachgewiesen sind. Erwünscht ist eine kulturhistorische
Schwerpunktsetzung. Begrüßt werden Erfahrungen oder Interessen
im Bereich der digitalen Geschichtswissenschaften. Eine Bereitschaft
zur wesentlichen wissenschaftlichen Mitwirkung im Akademievor-
haben ‘Burchards Dekret Digital’wird erwartet. Perspektivisch ist
gewünscht, dass weitere Verbundprojekte zwischen der Universität
Kassel und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in
Mainz angestoßen werden.
Die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an den Forschungsschwer-
punkten und -initiativen des Fachbereichs, insbesondere im Fach
Geschichte, wird ebenso vorausgesetzt wie die Fähigkeit zum inter-
disziplinären und internationalen wissenschaftlichen Arbeiten.
Erfahrungen in der Einwerbung und Durchführung von Drittmittel-
projekten werden erwartet. Bei der Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses wird die Mitarbeit insbesondere im Bereich der
strukturierten Doktorandenausbildung erwartet. Die Mitwirkung an
der akademischen Selbstverwaltung gehört zu den Dienstaufgaben.
Voraussetzungen:
Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen und Leistungsanforde-
rungen gemäß §§ 61, 62 des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG).
Insbesondere: Die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, in der
Regel nachgewiesen durch eine Habilitation oder habilitations-
äquivalente Leistungen sowie pädagogischer Eignung.
Für Rückfragen steht Prof. Dr. Anne-CharlottTrepp,Tel.: +49 561 804-
3171, E-Mail: anne-charlott.trepp@uni-kassel.de, zur Verfügung.
Weitere Informationen zum Aufgaben- und
Anforderungsprofil finden Sie im Internet
unter
Bewerbungsfrist: 29.07.2021
Eine qualitativ hochwertige Lehre, intensive Forschungstätigkeit, eine
starke internationale Ausrichtung und das eigenständige Promoti-
onsrecht zeichnen uns aus. Auf unserem für seine Architektur preis-
gekrönten Campus finden knapp 10.000 Studierende, mehr als 160
Professor*innen sowie ca. 750 Beschäftigte attraktive Lern-, Lehr- und
Arbeitsbedingungen vor.
An der Hochschule Fulda besetzen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt im
Fachbereich Lebensmitteltechnologie eine
Professur (W2)
für das Lehrgebiet
Lebensmitteltechnologie/
Technologie pflanzlicher Lebensmittel
Vollzeit, Beamtenverhältnis
Bewerbungsende: 16.07.2021
Detaillierte Informationen zu Aufgabengebiet, Anforderungs-
profil sowie Bewerbungsmodalitäten finden Sie unter:
hs-fulda.de/stellenangebote
Die Kunstakademie Münster – Hochschule für Bildende Künste – ist ein Ort
künstlerischer Praxis und ihrer Reflexion in unterschiedlichen wissenschaftlichen
Kontexten. Ihre Studierenden verteilen sich in etwa zur Hälfte auf den Studiengang
Freie Kunst und die lehramtsbezogenen Studiengänge für das Fach Kunst an den
allgemeinbildenden Schulformen.
Zum Sommersemester 2022 ist eine
Professur für Kunstdidaktik (W2)
zu besetzen.
Die Einstellungsvoraussetzungen basieren auf § 29 Kunsthochschulgesetz NRW
und umfassen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung
und besondere, im Hinblick auf die Forschungs- und Lehraufgaben aussage-
kräftige Ausbildungsvoraussetzungen und wissenschaftliche Leistungen. Diese
werden durch die Qualität einer einschlägigen Promotion und in der Regel durch
Habilitation bzw. habilitationsäquivalente Leistungen belegt. Berufserfahrungen im
schulischen Lehramt sind ausdrücklich erwünscht, kunstpädagogische Praxiser-
fahrungen in aussagekräftigem Umfang sowie Erfahrungen in der Hochschullehre
Voraussetzung. Bisherige Tätigkeiten in der Hochschulselbstverwaltung werden
ebenfalls positiv gewichtet.
Gesucht ist eine überzeugende kunstdidaktische Position in Forschung und Lehre,
die das Fach in seiner Breite vertreten kann. Das Praxissemester als obligatorisches
Element des Lehramtsstudiums in der Masterphase hat eine zentrale Bedeutung.
Die Studierenden sollen ihren individuellen künstlerischen Erfahrungshorizont in
der Entwicklung ihres spezifischen Professionsverständnisses als Kunstlehrer*in
produktiv machen können. Deshalb sollte es Ihre kunstdidaktische Forschungs-
erfahrung Ihnen ermöglichen, dieses Studienelement zu betreuen und auf hohem
hochschuldidaktischem Niveau weiterzuentwickeln. Grundlagentheoretische Fun-
dierung und eine ausgesprochene produktive Anschlussfähigkeit mit Innovations-
anspruch an die schulische kunstpädagogische Praxis sind uns wichtig. Lehr- und
Forschungsausrichtungen, die sich im Kontext der ästhetischen, künstlerischen/
kulturellen oder inklusiven Bildung verorten können, böten den Vorteil, auch
weiterhin bildungswissenschaftliche Anteile in das Studienangebot der Kunstaka-
demie integrieren zu können. Das Thema Digitalisierung auf der Höhe des kunstpä-
dagogischen Diskurses positiv aufgreifen zu können, wäre uns zudem willkommen.
Ihre Aufgaben umfassen:
• Kunstdidaktische Lehre in allen Studienphasen der lehramtsbezogenen
Bachelor-Master-Studiengänge
• methodisch-vorbereitende und begleitende Lehre im Sinne eines
„forschenden Lernens“ im Praxissemester im Fach Kunst
• Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung und in Gremien
zusammen mit Universität und Bezirksregierung im Rahmen der
kooperativen Lehramtsstudiengänge
Die Kunstakademie Münster versteht sich als eine Hochschule der Chancen-
gleichheit und tritt für personelle Vielfalt ein. Die Ausschreibung wendet sich an
Menschen aller Geschlechter (m/w/d). Frauen werden ausdrücklich zur Bewerbung
aufgefordert. Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei gleicher
Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Mit Ihrer Bewerbung stimmen Sie der weiteren internen Verarbeitung Ihrer Daten
zu dienstlichen Zwecken gemäß der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung
(DS-GVO) und des Landesdatenschutzgesetzes zu.
Beteiligen Sie sich an der zukünftigen Entwicklung der künstlerischen Lehramts-
ausbildung an der Kunstakademie wie auch der Hochschule insgesamt in einem
höchst anregenden und abwechslungsreichen Arbeitsumfeld.
Wir freuen uns auf ihre aussagekräftige Bewerbung, die Sie in digitaler Form (in
einer zusammenhängenden pdf-Datei) bis zum 31.08.2021 senden an die
Rektorin der Kunstakademie Münster, rektorat@kunstakademie-muenster.de.
Weitere Informationen finden Sie unter www.kunstakademie-muenster.de
48
Mannheim University of Applied Sciences
Die Campus-Hochschule Mannheim mit über 5.000 Studierenden
bietet ein familienfreundliches und lebenswertes Umfeld inmitten
der Metropolregion Rhein-Neckar.
Zum Sommersemester 2022 oder später ist in der Fakultät für
Elektrotechnik folgende Stelle zu besetzen:
Professur „Vernetzte Sensorik für
Automotive und Industrial IoT“
Bes. Gr. W2 (Stellen-Nr. 752)
Die/Der Bewerber*in soll über Fachkenntnisse im Bereich
der Vernetzung von Sensoren (z. B. Protokolle, Standards,
Sicherheit) verfügen. Ein im industriellen Umfeld erlangter,
fundierter Erfahrungsschatz auf dem Gebiet Automotive und/
oder Industrial IoT wird erwartet.
Neben der Übernahme deutsch- und englischsprachiger
Lehrveranstaltungen in dem oben genannten Fachgebiet ist
auch die Mitwirkung an der Ausbildung im Grundlagenbereich
vorgesehen. Die Bereitschaft, sich im Bereich Forschung und
Entwicklung zu engagieren, ist erwünscht.
Nähere Auskünfte erteilt Prof. Dr. Seitz, Tel. 0621 292-6267,
m.seitz@hs-mannheim.de.
Die Bewerbungsfrist endet am 18.07.2021. Den vollständigen
Ausschreibungstext finden Sie auf unserer Homepage unter:
www.hs-mannheim.de/stellenangebote.
At the Faculty of Computer Science, the Institute of Theoretical Computer Science, invites applications for the
Chair (W3) of Algorithmics
to be filled from April 1, 2023.
You will represent the subject area „Algorithmics“ in research and teaching. In research, you should have made
lasting contributions to one or more topical subareas of the field of Algorithmics, such as algorithmic analysis of
large data sets; algorithm engineering; algorithmic network analysis; algorithmic game theory; computational geo-
metry; complexity and computability; online algorithms; randomized, approximative, or parametrized algorithms;
string algorithms. International publications and contacts as well as the active participation in research projects in
one or several of the above-mentioned areas are of particular importance. Your tasks in teaching include lectures
in German and English language within the scope of the denomination of the chair in undergraduate and graduate
studies of the Bachelor, Master, and Diploma courses at the Faculty of Computer Science as well as at related
faculties. Moreover, the supervision of Bachelor, Master and PhD theses is required. Your willingness to start and
continue interdisciplinary cooperation projects within the diverse technical and scientific community in Dresden
− especially with member institutions of DRESDEN-concept − and other faculties of TU Dresden (mainly from the
School of Engineering Sciences) is of special importance. Participation in academic self-administration within the
boards of the Faculty of Computer Science and of TU Dresden is required.
We expect very good teaching skills, the ability and willingness to offer courses in English as well as experience.
Proficiency in German is not a prerequisite for appointment. However, we expect you to acquire sufficient lan-
guage skills in German to conduct teaching and administrative tasks within two years of appointment. You are
able to prove excellent international publications, international contacts as well as the successful supervision of
PhD students. You should exhibit experience in the acquisition and management of third-party-funded projects.
Applicants must fulfil the employment qualification requirements of § 58 of the Act on the Autonomy of Institutions
of Higher Education in the Free State of Saxony (SächsHSFG). Further info see: http://tu-dresden.de/vacancy/8504.
An der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, Institut für Anglistik und Amerikanistik,
ist an der Professur für Großbritannienstudien zum 01.10.2021 eine Stelle als
wiss. Mitarbeiter/in / Doktorand/in
(bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen E 13 TV-L)
für 3 Jahre (Beschäftigungsdauer gem. WissZeitG), mit 50% der regelm. wöchentl. Arbeitszeit u. dem Ziel der eigenen
wiss. Weiterqualifikation (i.d.R. Promotion), zu besetzen. Zur Mitarbeit in Lehre, Forschung u. akad. Selbstverwaltung
werden Bewerber/innen mit überdurchschnittl. wiss. Hochschulabschluss der Anglistik/Amerikanistik gesucht.
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter: https://tu-dresden.de/stellenausschreibung/8510.
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The Mathematical Institute of the University of Münster, Germany,
invites applications for an
Associate Professorship
in the area of geometric non-linear partial differential equations
Salary level W2
The position will start on 1 October 2021 or as soon as possible thereafter.
The appointment is for five years. In exceptional cases the position may
be tenured.
The successful candidate will strengthen and broaden our existing
research groups in geometry and applied analysis by pursuing their
own independent research program and engaging with these closely
related groups. The professorship will also be directly connected to and
supported by the Humboldt Professorship of Gustav Holzegel.
In addition, a visible contribution to develop and consolidate a strong
branch in geometric partial differential equations within the local M.Sc.
program is expected. The successful candidate will find excellent working
conditions in a thriving research atmosphere and fully benefit from the
research infrastructure of Mathematics Münster.
Requirements are a doctoral degree in pure mathematics or a closely
related area, as well as a strong track record in high-level research
including publications in internationally recognized journals
commensurate with the academic age. A strong background in the
analysis of the Einstein equations and/or geometric analysis is highly
desirable. Teaching experience at the undergraduate and graduate level
(again commensurate with the academic age) is also highly desirable.
The University of Münster is an equal opportunity employer and
is committed to increasing the proportion of women academics.
Consequently, we actively encourage applications by women. Female
candidates with equivalent qualifications and academic achievements
will be preferentially considered within the framework of the legal
possibilities.
The University of Münster is committed to employing more staff with
disabilities. Candidates with recognised severe disabilities who have
equivalent qualifications are given preference in hiring decisions.
Applications should contain a cover letter, CV, publication list, research
plan relating to the research of Mathematics Münster and a teaching
portfolio. Please apply no later than 31 July 2021 by sending your
application in a single pdf file by email to mathdek@uni-muenster.de.
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17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Die Universität des Saarlandes
ist eine Campus-Universität mit
internationaler Ausrichtung und Philosophisch-Historische
ausgeprägtem Forschungsprofil.
Fakultät
English version at uni-saarland.de/stellen
Zahlreiche Forschungseinrichtungen im Umfeld der Universität und die gezielte Förderung
von Verbundprojekten machen die Universität des Saarlandes zu einem idealen Umfeld für
Innovation und Technologietransfer.
W3-Professur „Praktische Philosophie“
In der Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität des Saarlandes ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt eine
PHILOSOPHISCHES INSTITUT | ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN ZEITPUNKT
Professur (W3) (m/w/d) für Mathematik mit Gesucht wird eine international ausgewiesene und vernetzte Persönlich-
dem Schwerpunkt Analysis keit, die in einem oder mehreren Kernbereichen der Praktischen Philo-
sophie (Ethik, politische Philosophie, Metaethik etc.) forscht. Die Inhaberin/
(Kennziffer W1895) Der Inhaber dieser Professur soll die praktische Philosophie in der Lehre
zu besetzen. in ihrer systematischenTiefe und historischen Breite vertreten.
Wir suchen eine in Forschung und Lehre herausragende, international sichtbare
Persönlichkeit, deren Forschungsausrichtung im Bereich Analysis liegt mit gutem
In der Forschung wird die interdisziplinäre Kooperation innerhalb der
Anbindungspotential an das Forschungsprofil der Fakultät, insbesondere auch zur
Informatik. Darüber hinaus werden Aktivitäten zum Einwerben von Drittmitteln und geisteswissenschaftlichen Fakultät erwartet. Darüber hinaus ist eine
Aufgeschlossenheit gegenüber Kooperationen im vorhandenen wissenschaftlichen Kooperation des Stelleninhabers/der Stelleninhaberin mit anderen
Umfeld der Universität des Saarlandes vorausgesetzt.
Fakultäten und Fächern erwünscht, etwa über die Plattform des Inter-
Es wird eine umfassende Beteiligung an der Analysis-Ausbildung für Mathematikstudierende
nationalen Zentrums für Kultur- undTechnikforschung (IZKT) oder über
(einschließlich der Lehramtsstudiengänge) sowie in Serviceveranstaltungen erwartet. Von
den Bewerberinnen und Bewerbern werden neben herausragender wissenschaftlicher das Stuttgart Research CenterText Studies. Engagement im universi-
Qualifikation sehr gute didaktische Fähigkeiten und Engagement in der Lehre erwartet. tätsinternen Forschungsschwerpunkt „Intelligente Systeme“ z. B. im
Die Vorlesungssprachen sind Englisch, bzw. in Bachelorveranstaltungen, Deutsch. Wir Kontext des neu gegründeten Stuttgart Research Focus Interchange
erwarten in angemessener Zeit gegebenenfalls den Erwerb der deutschen Sprache.
Forum for Reflecting on Intelligent Systems (IRIS) ist erwünscht.
Die Universität des Saarlandes versteht Internationalisierung als Querschnittsaufgabe.
Wir erwarten daher die Beteiligung an Aktivitäten zur weiteren Internationalisierung der
Universität. Die Zusammenarbeit im Rahmen bestehender internationaler Kooperationen, Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen der §§ 47 und 50 Landes-
z. B. mit Partnern der Europäischen Hochschule Transform4Europe und des hochschulgesetz Baden-Württemberg.
Universitätsverbunds Universität der Großregion soll fortgeführt und ausgebaut werden
und wird besonders unterstützt.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (einschließlich Darstellung
Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen
Voraussetzungen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Eignung, des wissenschaftlichen Werdegangs, Schriften- und Lehrveranstaltungs-
besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität verzeichnis, Auflistung der eingeworbenen Drittmittel, Forschungs-
einer Promotion nachgewiesen wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die
und Lehrkonzept, Sprachkenntnisse) werden bis zum 07.07.2021 erbeten
in der Regel durch eine Habilitation, habilitationsäquivalente Leistungen oder im Rahmen
einer Juniorprofessur erbracht wurden. an Dekanat der Philosophisch-Historischen Fakultät, Keplerstraße 17,
70174 Stuttgart, möglichst als PDF-Datei per E-Mail an management@
Die Universität des Saarlandes strebt nach Maßgabe ihres Gleichstellungsplanes eine
f09.uni-stuttgart.de. Bitte seien Sie sich bei der Übersendung ihrer
Erhöhung des Anteils von Frauen in diesem Aufgabenbereich an. Sie fordert daher Frauen
nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei Bewerbung per unverschlüsselter E-Mail der Risiken der Vertraulichkeit
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
und Integrität ihrer Bewerbungsinhalte bewusst.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 29. Juli 2021 im Online-Berufungsportal der
Universität des Saarlandes ein: www.uni-saarland.de/berufungen. Bitte füllen Sie die
Online-Synopse aus und laden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen als ein PDF-Dokument Die Universität Stuttgart verfügt über ein Dual Career Programm zur
(bitte max. 10 MB) hoch. Bitte fügen Sie Ihrer Bewerbung die folgenden Unterlagen bei: Unterstützung der Partnerinnen und Partner berufener Personen.
Anschreiben (adressiert an den Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik, Herrn Nähere Informationen unter: www.uni-stuttgart.de/dual-career
Univ.-Prof. Dr. Thomas Schuster, Fakultät für Mathematik und Informatik, Universität des
Saarlandes, Campus, 66123 Saarbrücken) unter Angabe der privaten Anschrift (Telefon
und E-Mail), Lebenslauf mit einer Darstellung des wissenschaftlichen Werdegangs, Die Informationen zur Erhebung von personenbezogenen Daten nach
www.uni-saarland.de
Publikationsverzeichnis, Darstellung der bisherigen und geplanten Forschungs- und Artikel 13 DS-GVO können Sie unter dem nachstehenden Link einsehen:
Lehrtätigkeiten, Liste der eingeworbenen Drittmittel, Kopien der Urkunden. Bei Rückfragen
zu dieser Professur kontaktieren Sie bitte Univ.-Prof. Dr. Mark Groves (E-Mail: groves@
www.uni-stuttgart.de/datenschutz/bewerbung
math.uni-sb.de).
Im Rahmen Ihrer Bewerbung um eine Stelle an der Universität des Saarlandes übermitteln
Sie personenbezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere Datenschutzhinweise
Die Universität Stuttgart möchte den Anteil der Frauen erhöhen. Frauen
gemäß Art. 13 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zur Erhebung und Verarbeitung
von personenbezogenen Daten (www.uni-saarland.de/datenschutz). Durch die Übermittlung werden deshalb ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert. Schwerbehinderte
werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt. Die Einstellung erfolgt durch die
Ihrer Bewerbung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise der Universität des
Saarlandes zur Kenntnis genommen haben. Zentrale Verwaltung.
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28 vegetarische Rezepte kindgerecht erklärt,
damit Ihre Kinder mit dem angebauten Gemüse
auch selber kochen können.
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 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
H I E R AU S R E I S S E N!

49

A B E N T E U E R F Ü R K I N D E R

»Geh du mal lieber ins Flache«

Endlich dürft ihr wieder ins Freibad! Wolfgang Werthschulte hat fast sein ganzes Leben am Beckenrand verbracht.
Er ist Schwimmmeister und kennt sich bestens mit Arschbomben und verlorenen Schlüsseln aus. Und er weiß, wofür man rausfliegt

DIE ZEIT: Herr Werthschulte, Sie sind seit Da alles zu beobachten, schafft einer allein Ring stellen, Luft anhalten, runter in die

Fotos: Getty Images [M]; privat (l.); Science Photo Library (u.); Illustration (Ausschnitt): Leonie Mathis
45 Jahren Schwimmmeister. Kaum einer ohnehin nicht. Wir sind immer zu dritt Hocke ­gehen, fertig.
kennt sich also so gut aus im Freibad wie Sie. draußen und wechseln alle halbe Stunde den ZEIT: Wie haben Sie selbst schwimmen
Ganz ehrlich: Sehen Sie, wenn jemand ins Platz – damit man nicht müde wird. Auch, gelernt?
Becken pinkelt? damit man zwischendurch mal aus der­ Werthschulte: Meine Oma hat mich und
Wolfgang Werthschulte: Nein. Und ich finde Sonne kommt. meinen Bruder immer genommen und ist
das auch nicht so schlimm. Weil das Chlor im ZEIT: Sie sind Schwimmmeister, die meisten­ mit uns zum Hallenbad gelaufen, zu Fuß.
Wasser die Keime abtötet. sagen aber Bademeister. Stört Sie das? Das war so fünf Kilometer weg. Wenn wir
ZEIT: Was stört Sie denn dann? Werthschulte: Nein, gar nicht. Das ist ja kein gut trainiert haben, sind wir mit dem Bus
Werthschulte: Wenn wir gerade einen Men­ Schimpfwort. Ganz offiziell sind wir Fachan­ zurückgefahren; wenn wir schlecht waren,
schen retten, und da stehen Leute im Weg gestellte für Bäderbetriebe. So heißt der Lehr­ mussten wir zurücklaufen. Also haben wir im
oder haben das Handy gezückt. Das nervt. beruf. Aber so kann uns ja keiner ansprechen. Wasser alles gegeben. Wir wollten ja nicht
ZEIT: Wann werfen Sie jemanden aus dem ZEIT: Können Sie überhaupt mit jemandem laufen.
Bad? reden, wenn Sie die ganze Zeit aufpassen ZEIT: Wie oft mussten Sie laufen, bis Sie
Werthschulte: Zum Beispiel wenn Jugend­ müssen? schwimmen konnten?
liche ins Wasser springen, und genau da Werthschulte: Klar, aber wenn Leute mich Werthschulte: Wir sind selten gegangen. Ich
schwimmen andere Menschen. Das kann ge­ was fragen, dann beobachte ich weiter das hatte mit fünf Jahren mein Bronzeabzeichen.
fährlich sein. Wir sind die Freibadpolizei. Das Wasser. Ich antworte dann so zur Seite­ ZEIT: Noch mal ein paar Fragen dazu, wie
müssen wir im Blick haben. gedreht und schau denen nicht in die Augen. man sich im Schwimmbad am besten­
ZEIT: Was sagen Sie denen dann? Das sag ich aber auch dazu, damit es nicht verhalten sollte: Wie stehen Sie zum Bei­
Werthschulte: Lasst das sein. Beim ersten und unhöflich wirkt. spiel zu Arschbomben?
beim zweiten Mal ermahne ich sie freundlich, ZEIT: Warum sind Sie überhaupt Schwimm­ Werthschulte: Find ich super. Haben wir
beim dritten Mal fliegen sie raus. meister geworden? als Kinder im Freibad auch gemacht. Später
ZEIT: Dürfen die dann nie wiederkommen? Werthschulte: Ich hab als Kind 500 Meter als Schwimmmeister hab ich sogar Arsch­
Werthschulte: Wenn sie nur Blödsinn ma­ vom Freibad weg gewohnt, und wir waren je­ bomben-­Wettbewerbe veranstaltet.
chen, kriegen sie einen Tag Hausverbot. Aber den Tag da, von der ersten bis zur letzten ZEIT: Eis im Becken?
wer Schränke aufbricht, den zeigen wir an. So Stunde. Egal wie das Wetter war. Zu Beginn Werthschulte: Geht gar nicht. Aus hygieni­
jemanden lassen wir auch mal ein Jahr lang der Sommersaison hat meine Mama für mich schen Gründen darf keiner im Wasser essen.
nicht mehr rein. und meinen Bruder eine Jahreskarte geholt, Da drück ich auch kein Auge zu.
ZEIT: Abgesehen vom Rauswerfen – was ist wir brauchten die aber nie vorzuzeigen, die ZEIT: Voll angezogen im Wasser?
Ihr Job? kannten uns da alle. Da sagte Werthschulte: Geht auch nicht. Ich weiß ja
Werthschulte: Morgens, wenn der Schwimmmeister schon nie, was in den Klamotten drinhängt, Essen­
das Bad aufmacht, ziehen wir mal: Kannst du mithelfen? Das reste oder so­. Es sei denn, es sind spezielle
als Erstes Proben aus allen Be­ Freibad wurde damals über so Schwimm­shirts, die gegen die Sonne helfen.
cken. Wir müssen schauen, ob einen kleinen Bach gefüllt. Wir Die dulden wir.
das Wasser badetauglich ist. mussten dann die Frösche ein­ ZEIT: Glas am Beckenrand?
Wir kontrollieren, ob die Rut­ fangen. Mich hat aber auch die Werthschulte: Das ist nur auf der Wiese­
schen funktionieren, ob die Du­ Technik interessiert und die erlaubt, am Beckenrand könnte es kaputt­
schen in Ordnung sind, die Toi­ vielen Kurse. gehen. Und dann gibt es Scherben, und man
letten sauber. Wir müssen er­ ZEIT: Sie nehmen ja auch die kann sich verletzen. Müssen alle weg.
kennen, wenn Motoren kaputt Wolfgang Werthschulte Seepferdchenprüfung ab. Mal ZEIT: Reiterkämpfe im Wasser?
sind, die das Wasser im Bad ist 63 und aus Kempen ehrlich: Wie viele schummeln Werthschulte: Unterbinden wir rigoros.
heizen. Wir wechseln Chlor­ da? Wenn der, der oben auf der Schulter sitzt,
flaschen, wir organisieren Schwimmkurse, Werthschulte: Da kann man nicht be­ hintenüberfällt und den anderen am Hals
und wenn einer einen Unfall hat, dann müssen scheißen. festhält, kann es zu bösen Verletzungen­
wir wissen, was zu tun ist. Schwimmmeister ZEIT: Also ich hab als Kind beim Ring­ kommen.
müssen alles im Bad im Blick haben. tauchen schon ein bisschen getrickst und mir ZEIT: Verlorene Schlüssel?
ZEIT: Haben Sie schon mal jemandem das den Ring auf den Fuß gelegt ... Werthschulte: Finden wir täglich. Stündlich.
Leben gerettet? Werthschulte: Die Aufgabe ist ja, im schulter­ Bitte am Arm oder in der Tasche lassen! Und
Werthschulte: Natürlich hab ich schon Leute tiefen Wasser einen Ring rauszuholen. Bei keine teuren Sachen mit auf die Wiese neh­
aus dem Wasser geholt und wiederbelebt. Aber mir gibt es eine Regel: Der Kopf muss unter men, sondern am besten in einem Wertfach
mein Job ist auch, zu verhindern, dass es so Wasser sein. Wer das nicht schafft, hat das einschließen.
weit kommt. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass Seepferdchen nicht verdient. Aber wenn man ZEIT: Jetzt freuen sich alle auf eine Freibad­
ein Nichtschwimmer ins Schwimmerbecken dabei ein bisschen nachhilft und den Ring an saison – und Sie hören auf und gehen in
gehen will, sag ich dem: Geh du mal lieber da­ die Füße legt, dann ist das schon okay. Rente. Was machen Sie, wenn Sie bald so
hinten ins Flache. ZEIT: Wie überwindet man sich denn am ganz privat in einem Schwimmbad sind?
ZEIT: Sie müssen auf vieles gleichzeitig besten dazu, unterzutauchen? Werthschulte: Mir eine stille Ecke suchen,
schauen. Klingt, als müssten Sie sich stunden­ Werthschulte: Ich erklär den Kindern immer: wo mir keiner auf die Nerven geht.
lang sehr konzentrieren ... Was machst du denn, wenn du dich morgens
Werthschulte: Schon, aber das ist Übung. wäschst? Das ist hier nichts anderes, einfach Die Fragen stellte
Und in unserem Freibad gibt es fünf Becken. Wasser im Gesicht. Also: einen Fuß auf den Gegen so einen Paketsprung ins Wasser hat der Schwimmmeister nichts einzuwenden Maria Rossbauer

MOMENT MAL! DAS ZEIT LEO-SUCHBILD VERRÜCKTE VIECHER

Wie wichtig sind die Kinderrechte? Wo steckt die Gurke? Tiefkühl-Tierchen

Machen wir einen Spieleabend, oder gucken diesem Land stehen. Seit der vergangenen Eigentlich kennt man das nur aus Fantasy- Besonderes: Er ist ständig gefroren, darum
wir einen Film? Wohin fahren wir im Ur­ Woche ist aber klar: Wird doch nichts. Geschichten: Tiere, die viele Tausend Jahre sagen Fachleute auch Permafrost-Boden. Das
laub? Können wir mehr unverpackte Lebens­ Die Politikerinnen und Politiker der ver­ lang eingefroren waren – und dann, frisch Forscherteam hat die Proben im Labor auf­
mittel kaufen, damit weniger Müll entsteht? schiedenen Parteien konnten sich nämlich aufgetaut, quietschfidel herumwuseln. Lebe­ getaut, mitsamt den Rädertierchen darin.
Viele Kinder in Deutschland dürfen in ihren nicht einigen, wie genau die Kinderrechte im wesen, die einmal quer durch die Zeit reisen, Mit einer komplizierten Messtechnik stellten
Familien mitbestimmen. Oft ist es Eltern Grundgesetz stehen sollen. In dieser wichti­ aus der Vergangenheit zu uns sie fest: Die Tiere müssen min­
wichtig, dass schon die Jüngsten eine Mei­ gen Gesetz-Sammlung etwas zu ändern oder ins Heute – in die Zukunft. destens 24.000 Jahre alt sein!
nung haben und die auch äußern. Wenn es zu ergänzen ist immer kompliziert. Bei den Nun haben Forscherinnen und Da haben selbst die Wissen­
gut läuft, gehen diese Kinder in eine Schule, Kinderrechten waren die Parteien etwa un­ Forscher tatsächlich genau sol­ schaftler und Wissenschaftle­
wo sie ebenfalls die ­Chance haben, sich ein­ terschiedlicher Meinung darüber, ob ihr bei che Tiere aus der Vergangen­ rinnen gestaunt. Keiner von
zumischen. Manche tun das sogar in ihren bestimmten Themen gefragt werden sollt heit entdeckt. ihnen wusste vorher, dass ein
Dörfern und Städten, wo sie in Kinderparla­ oder ob euer Wohl an erster Stelle kommen Die Viecher, um die es geht, Rädertierchen so lange frost­
menten mitarbeiten. müsste. Mehr als zwei Jahre lang haben Poli­ heißen Rädertierchen. Sie sind schlafen kann!
Und was ist daran so besonders? Eigent­ tiker um Wörter und Formulierungen ge­ winzig klein, kaum dicker als Jetzt ist natürlich die große
lich nichts! Denn seit mehr als 30 Jahren gibt rungen. Der Vorschlag, der zuletzt bespro­ ein menschliches Haar. Unter Frage: Wenn diese kleinen Vie­
es die Kinderrechte der Vereinten Nationen. chen wurde, war dann allerdings echt dem Mikroskop sehen sie ein Zwei unverfrorene cher das können – würde das
Darin ist festgelegt, dass ihr besonders ge­ schlapp. Fachleute sagen, richtig verändert bisschen aus wie halb durch­ Rädertierchen auch mit Menschen klappen?
schützt, gefördert und gehört werden sollt. hätte der für Kinder nichts. sichtige Glibberwürmer mit Könnte man sich einfrieren
Auch Deutschland hat diese Kinderrechte Es ist also sogar gut, dass der Schlaffi-­ Hast du jetzt auch so richtig Lust aufs Freibad? einem Wuschelkopf. Sie leben überall – im lassen und tatsächlich darauf hoffen, in
vor langer Zeit anerkannt, und in diesem Vorschlag weg ist. So kann man jetzt noch mal Dann los! Von uns gibt es mit etwas Glück ein Wasser, in der Erde, auf Bäumen. 24.000 Jahren gefunden und wieder auf­
Jahr sollte es noch einen Schritt weiter gehen: von vorne beginnen, neu – und besser – for­ cooles Handtuch dazu. Die Tiefkühl-Tierchen haben die Wissen­ getaut zu werden? Bisher ist das Stoff für
Eure Rechte sollten ins Grundgesetz ge­ mulieren. Und bis dahin mischt ihr euch ein­ schaftler gefunden, als sie in Sibirien, im Fantasy-Geschichten. Die Forscher versuchen
schrieben werden – das Buch, in dem die fach weiter ein und sagt schön laut eure Mei­ So geht’s: Über diesem Text siehst du den Nord­ osten Russlands, Proben des Bodens erst mal herauszufinden, wie so ein Räder­
wichtigsten Regeln fürs Zusammenleben in nung. Ist ja schließlich euer gutes Recht!  K AT Ausschnitt eines Bildes aus dem aktuellen ZEIT sammelten. Der Untergrund dort ist etwas tierchen das schafft.  MRO
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50 WISSEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Infografik: Bibliotheken

Unter den Linden 8

o
N
Sie ist Schatztruhe, Co-Working-Space – und die größte wissenschaftliche Universalbibliothek
Deutschlands. Nach 15 Jahren Sanierung öffnet die Staatsbibliothek zu Berlin nun wieder ihre Türen  625
VON ANNA-LENA SCHOLZ (RECHERCHE) UND CYPRIAN LOTHRINGER (INFOGRAFIK)

Schätze Lesesäle Lipman-Regal

1 2 3
Die Staatsbibliothek (Stabi) beherbergt
museumsgleich einen Schatz an
Weltwissen. Hier werden drei der neun
vollständig erhaltenen Handschriften des
Nibelungenliedes aufbewahrt,
80 Prozent aller Musikautographe von
Bach, die Nachlässe von Schriftstellern wie
Herder, Eichendorff und Humboldt.
Dazu kommen Karten, Globen, Atlanten.
4 5
1 Das Herzstück des Hauses ist der große
Lesesaal: ein 36 Meter hoher Kubus,
neu gestaltet vom Architekten HG Merz.
Auf 9000 Quadratmetern befinden sich
279 Arbeitsplätze. Zudem gibt es mehrere
Sonderlesesäle für Raritäten wie Karten
und Handschriften (»Rara«).
2
6
Als das Gebäude errichtet wurde, von
1903 bis 1914, war diese stählerne
Regalkonstruktion ein technischer
Meilenstein: Neben der Last von bis zu
drei Millionen Büchern trägt sie auch
die Fassaden und das Dach. Die Regale
sind insgesamt 10 Kilometer lang
und durchziehen die 7. bis 13. Etage.

Förderband Rara-Lesesaal
5
7
Quer durch das Gebäude
verlaufen Förderbänder 7
von 1500 Metern Länge.
Bestellt ein Nutzer ein
Buch, wird es darauf
in einer Kiste zur Abhol­
station transportiert.

4 Allgemeiner Lesesaal

Treppenhalle und Vestibül

Fundament Tresormagazin Quellen

Die Stabi ruht im Unterhalb des Lesesaals lagern Über ihre
Berliner Torfboden auf besonders sensible Schätze bei Geschichte und
2700 Holzpfählen, 18 Grad, 50 Lux Lichtstärke und ihr Gebäude
die seit 1995 nach und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Sie informiert die
Staatsbibliothek
nach ersetzt wurden. Von sind nicht regulär versichert, da sie
zu Berlin auf
2005 bis 2020 wurde das unersetzbar sind. Bei einer ihrer Website:
Gebäude für 470 Mio. Herausgabe zu Forschungszwecken staatsbibliothek-
Euro generalsaniert. wird ein theoretischer Wert fest­ berlin.de
Finanziert wird sie von gesetzt, etwa 180.000 Euro pro Blatt
Bund und Ländern. Bach-Autograph oder 25 Millionen Zahlreiche
Euro für die Gutenberg-Bibel. weitere Fragen
haben zudem
die Pressestelle
sowie das
Brunnenhof Bundesamt für
Bauwesen und
Raumordnung
beantwortet.

Auch die British

3 Library und
die Library of
Congress geben
auf ihren Web­
Haupteingang sites Auskunft.
Dort gibt es
außerdem, wie
bei der Stabi
Berlin, viele
Brandschutz Schätze
vollständig
Wenn es brennt, muss es schnell gehen. In der Stabi digitalisiert zur
verlaufen daher sogenannte Trockenleitungen, die Ansicht.
sich mit Wasser füllen lassen, noch bevor die
Feuerwehr eintrifft. Im Tresormagazin gibt es eine Links zu diesen
Gas-Löschanlage: Innerhalb von 15 Minuten müssen und weiteren
Quellen finden
die Mitarbeiter den Raum verlassen, bevor das Gas
Sie bei ZEIT
das Tresormagazin füllt und den Brand erstickt. ONLINE unter
www.zeit.de/
wq/2021-25

Häuser Besucher Bücher

Die Berliner Staatsbibliothek verteilt sich auf drei Standorte Ein Vergleich mit den beiden größten Pro Jahr wächst der Bestand der Stabi
mit unterschiedlichen Sammelschwerpunkten Bibliotheken der Welt (pro Jahr) um etwa 100.000 Bücher

887.000 12 Mio.
Unter den Linden Staatsbibliothek zu Berlin (alle drei Häuser) Staatsbibliothek zu Berlin

Mitte
Berlin
1.600.000 13,5
Potsdamer Straße British Library (UK) British Library (UK)
Die Kinderseite
der ZEIT
Speichermagazin
finden Sie auf
1.900.000 39 der vorigen Seite
Library of Congress (USA) Library of Congress (USA)

FEUILLETON
D
ie größte Stärke des
Bitcoin ist seine­
Fähigkeit, intellektuell
zu faszinieren. Man
könnte sagen: Er ist
das Gegenteil von
dummem Geld. Er
verdankt sich einer neuen Technologie,
doch nichts wäre er ohne die ideelle Ener­
gie, mit der er seit seiner Erfindung vor
zwölf Jahren weltweit die klügsten Köpfe
anfixt. Es ist eine politisch-technologische
Idee, die das Zeug dazu hat, das Banken­
system hinwegzufegen, Menschen, die noch
nie ein Konto hatten, Zugang zu einem
weltweiten Zahlungssystem zu ermöglichen,
die Macht der Zentralbanken herauszu­
fordern, Schutz vor Inflation zu bieten,
kurz, die Welt zu einem besseren Ort zu
machen. »Fix the m ­ oney, fix the world«,
heißt es selbstbewusst in Bitcoin-Kreisen,
weil die digitale Währung für ihre Anhän­
ger mehr ist als nur ein hochvolatiles Spe­
kulationsobjekt (dass sie das für viele auch
ist, versteht sich von selbst). Man muss
diesen Bekenntnissen zur Weltverbesserung
nicht glauben, aber wer verstehen will,­
warum sich die Idee des Bitcoin wie Feuer
verbreitet, kommt am utopischen Glutkern
der neuen Währung nicht vorbei.
Gewöhnlich sind es linke Bewegungen, die
sich Weltverbesserungsutopien auf die Fahnen
schreiben – ein rundheraus linkes Projekt ist
der Bitcoin nicht. Er ist aber auch kein rechtes
Projekt, sondern verhält sich neutral zu seiner
politischen Deutung oder Indienstnahme.
Das mag daran liegen, dass ein neues Geld­
system, vergleichbar anderen Infrastrukturen
wie zum Beispiel dem Internet, zu basal ist,
um in einer schlichten Rechts-links-Dicho­
tomie aufzugehen.
Vielleicht kann man es so sagen: Es gibt
ein eher links-anarchistisches und ein eher
rechts-libertäres Lager in der Bitcoin-­
Community. Letzteres hasst die Inflation und
bezieht sich in seinen Argumenten auf die
Ökonomen der Österreichischen Schule, auf
Hayek und Mises; Ersteres hingegen hasst
Überwachung und beruft sich auf die anar­
chistischen Cypherpunks, die in ihrem­
berühmten Manifest von 1992 in der Krypto­
grafie (also in der Chiffrierung, cypher ist
englisch für Chiffre) die Rettung vor der­
Totalüberwachung im Internet sahen. In die­
sem Umfeld ist die Idee eines digitalen Geldes
erstmals aufgekommen. Die beiden Bewegun­
gen leben aber nicht ne­ben­ein­an­der­her, son­
dern haben von­ein­an­der gelernt und festge­
stellt, dass die Synthese gut funktioniert. Die
Anarchisten begannen, sich mit Geldtheorie
zu befassen, die Libertarians entdeckten den
utopischen Kampfgeist. ­Wie beim Dynamit
erzeugt die Zusammenführung ­zweier unter­
schiedlicher Stoffe erhebliche Sprengkraft.
Um das Ausmaß dieser Sprengkraft zu ver­
stehen, muss man sich mit der Blockchain-
Technologie befassen, auf der der Bitcoin
fußt. Das Internet hat die Welt komplett
umgekrempelt, weil es plötzlich möglich war,
Information weltweit und in Echtzeit zu ver­
schicken. Was man bisher hingegen nicht
digital verschicken konnte, war Wert, vulgo:
Geld. Denn das Internet ist eine Kopier­
maschine. Wenn ich ein Urlaubsfoto an einen
Freund schicke, versende ich eine Kopie des
Bildes. Das Foto bleibt auf meinem Com­
puter. Das ist bei Fotos (Information) kein
Problem, bei Geld hingegen schon. Wenn ich
es an jemanden verschickte, und es wäre in
Wahrheit nur eine Kopie, würde das zu seinem
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17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
unmittelbaren Wertverfall führen. Deshalb
sind fast alle elektronischen Zahlungsver­
fahren, die die Welt vor dem Bitcoin kannte,
von Visa bis PayPal, immer durch einen In­
termediär vermittelt, durch eine dritte Partei,
die Buch führt und sicherstellt, dass die Sum­
me aus der einen Bilanz verschwindet, sowie
sie der anderen Bilanz gutgeschrieben wird.
Das heißt aber auch: Wir sind nie Herren
unseres Geldes, sondern vertrauen uns Dritten
an. Das missfiel den Cypherpunks. Sie waren
zum größten Teil Programmierer und Mathe­
matiker. So entstand das Tor-Netzwerk, mit
dem es seither möglich ist, unerkannt im Netz
zu surfen. Für die ganze informationelle
Selbstbestimmung, das war den Cypherpunks
klar, bedurfte es aber auch eines Geldsystems
im Internet, das dezentral und vor dem Ein­
griff von Staaten und Konzernen sicher war.
Das war die Geburtsstunde eines Traums.
Wie verhindere ich bei einer dezentralen
Datenbank, dass jemand sein Geld zweimal
ausgibt, wenn es keine Zentralinstanz mehr
gibt, die die Gültigkeit der Transaktionen
validiert? Die Lösung für dieses Problem ist
die Blockchain. Sie ist eine geniale Lösung
und so komplex, dass sie sich einer knappen
Darstellung leider entzieht. Erfunden hat sie
eine Figur namens Sa­to­shi Nakamoto, die
2008 das ­White ­Paper für den Bitcoin ins
Netz stellte, in den ersten Jahren selbst Bit­
coins schürfte und sich auf Foren mit Gleich­
gesinnten austauschte, bevor sie sich 2011
zurückzog und nichts mehr von sich hören
ließ. Das Einzige, was wir wissen, weil der
Bitcoin Open ­Source ist und jeder alle Trans­
Illustration: Javier Jaén für DIE ZEIT
aktionen jederzeit einsehen kann: Nakamoto
hat etwa eine Million Bitcoins geschürft. Er
oder sie hat diese seither nicht mehr ange­
rührt. Würde er/sie diese Bitcoins verkaufen,
wäre er/sie heute einer der reichsten Menschen
der Erde. Doch weder Ruhmsucht noch
Geldgier scheinen die Stifterfigur zu bewegen.
In der Bitcoin-Mythologie spricht man von
Für seine Anhänger ist der Bitcoin eine Antwort auf sehr viele Probleme dieser Welt der »unbefleckten Empfängnis«.
In den frühen Tagen sollte der Bitcoin ein
Zahlungssystem sein. Zuletzt hat sich aber die
Rede vom digitalen Gold durchgesetzt: Der
Bitcoin wird vor allem als Wertaufbewah­
Das schlaue
rungsmittel betrachtet, weil er deflationär ist.
Es wird nicht mehr als 21 Millionen Bitcoins
geben, das ist in seinem ­Code verankert. Der
Bitcoin ist also knapp wie Gold. Er ist die
digitale Erfindung von Knappheit. Das Gold
hat seinen Wert, weil es knapp und schwer zu
Gold
schürfen ist. Das gilt genauso für den Bitcoin.
Um Bitcoins zu »schürfen«, bedarf es hoher
Rechnerleistungen, der Energieverbrauch –
darauf hat sich zuletzt die Fundamentalkritik
gegen das digitale Geld konzentriert – ist
enorm. Man könnte sagen: Der Bitcoin baut
buchstäblich die archaisch-schmutzigen Berg­
werk-Bedingungen einer Goldmine in der
digitalen Sphäre nach.
Der Bitcoin ist mehr als nur ein Spekulationsobjekt Im Kern des Glaubensbekenntnisses der
und ein Umweltproblem: Er ist eine neue politische Bitcoiner steht Dezentralität. Der Bitcoin ist
Peer-to-Peer, ein Netzwerk, das keine Steue­
­Bewegung der radikalen Dezentralität rungsinstanz kennt. Was der Bitcoin ist, be­
stimmt die Mehrheit der Netzwerkteilnehmer.
  VON IJOMA MANGOLD Deswegen ist er auch schwer anzugreifen, zum
Beispiel durch Regierungen. Es gibt nicht den
einen Kopf, den man abschlagen könnte, um
das Ungeheuer auszuschalten – man müsste
schon das Internet selbst abstellen.
Man hat über das Internet gesagt, es folge
dem Prinzip »Kill the middle­ man!«. Das
stimmt nur eingeschränkt: Es hat die alten
Mittelsmänner abgeschafft, um an deren
Fortsetzung auf S. 52
DEM ALLTAG EINFACH SEA CLOUD SPIRIT SEA CLOUD
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51
Dummerweise ist
Wahlkampf
Warum man mit dem
Vorwurf des Antisemitismus
sparsam umgehen sollte
V
Vielleicht ist es nicht überflüssig, aus gege­
benem Anlass noch einmal darauf hinzuwei­
sen, dass nicht alles Antisemitismus ist, was
mit diesem Etikett versehen wird. Stellen Sie
sich vor, Sie bekommen ein Päckchen, auf
das irgendjemand, sagen wir der General­
sekretär der CDU, mit dickem Filzstift in
schwarzer Schrift »Antisemitismus« geschrie­
ben hat. Sie öffnen das Päckchen, finden aber
nur das Manuskript einer Rede, die vor auf­
geheizter Wahlkampfstimmung, Falschnach­
richten und der Möglichkeit populistischer
Hetze gegen Klimaforscher warnt. Dürfen Sie
Ihrer intuitiven Lektüre trauen, oder müssen
Sie sich, im Lichte der krakelig angebrachten
Warnung, Ihr armes Hirn zermartern, ob Sie
nicht doch eine j­ udenfeindliche Pointe über­
sehen haben, womöglich von eigenem, tief
sitzendem Anti­semitismus irregeführt?
Dummerweise befinden wir uns tatsäch­
lich im Wahlkampf, und die Publizistin­
Carolin Emcke hat tatsächlich auf dem­
Parteitag der Grünen eine solche Rede­
gehalten, auf die der CDU-Generalsekretär
und einige konservative, besser gesagt: popu­
listische Medien mit besagter Etikettierung
reagiert haben. Begründung: Verharmlosung
des Holocausts. Da Carolin Emcke von­
Mechanismen öffentlicher Manipulation ge­
sprochen hat, die jederzeit gegen ­missliebige
Gruppen eingesetzt werden können, gegen
Klimaforscher wegen ihrer unbequemen­
Botschaft ebenso wie in unrühmlicher Ver­
gangenheit gegen Juden, habe sie einen­
kleinen Nachteil (Rufbeschädigung) mit­
einem Menschheitsverbrechen in eins gesetzt.
Das hat sie selbstverständlich nicht. Wenn
festgestellt wird, dass sich zwei Dinge in einem
Punkt überschneiden, ist damit keineswegs
gesagt, noch nicht einmal angedeutet, dass sie
sich in allen Punkten ­gleichen.
Eine Verharmlosung des Holocausts durch
inflationäre Vergleiche zu fürchten ist ohne
jede Frage berechtigt, sie ist sogar eine gefähr­
liche Tendenz unserer Gegenwart, aber in
diesem Falle ist es nicht ­Carolin Emcke, die
ihr Vorschub geleistet hat. Es sind die Kritiker,
die ohne jeden genaueren Befund alles, was
ihnen irgend missfällt, als Antisemitismus
bezeichnen. Eine Beschuldigung, die im
Lichte der deutschen Geschichte zu den am
schwerwiegendsten überhaupt gezählt wer­
den muss, als mechanisch einsetzbare Be­
schimpfung zu verwenden ist die eigentliche­
Verhöhnung der Opfer. Wollen der
CDU-General­sekretär und die Springer-
Presse wirklich, dass der Antisemitismus­
vorwurf zu einer rhetorisch gängigen Münze
wird, auf die man am Ende nur noch mit­
einem resignierten Achselzucken reagieren
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52 FEUILLETON 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Das schlaue Gold  Fortsetzung von S. 51

Stelle die neuen Plattformen zu setzen – Uber, Amazon, hingegeben. Ihm war klar, dass das unrealistisch war,
Airbnb. Erst der Bitcoin killt wirklich den middle­man, er hielt es aber im Interesse der Freiheit zumindest für
weil er völlig dezentral ist. Der Bitcoin ist eine­ einen schönen Gedanken. 30 Jahre nach seinem Tod
Bedrohung für die Plattform-Ökonomie. ist der Traum eines Geldes, das nicht durch Regierun­
Für Andreas Antonopoulos, einen der charisma­ gen manipuliert werden kann, praktisch umsetzbar.
tischsten Bitcoin-Herolde, ist der Bitcoin das Geld der Man muss diese Ideenverknüpfung nicht billigen,
Unterprivilegierten: An die zwei Mil­liar­den Menschen aber wer die Bitcoin-Bewegung verstehen will, kommt
besitzen kein Bankkonto, sind also in einem fundamen­ um diesen Umkipp-Moment nicht herum, in dem die
talen Sinne von der Weltwirtschaft ausgeschlossen. sozialen Energien aus Occupy Wall Street in die
Hingegen, so Antonopoulos, genüge ein altes Nokia- Krypto-­Ökosphäre flossen. Es ist ein zentrales Narrativ.
Handy, um eine Bitcoin-Transaktion durchzuführen. Das Nachdenken über Geld ist ohnehin zu einem
Und: Auf 700 Mil­liar­den Dollar schätzt die Weltbank neuen Trend geworden, vermutlich aus Ermüdung
die sogenannten Remittances, die Gelder, die Migran­ über zu viel ­woke Identitätspolitik. Zuerst hieß das
ten in ihre Herkunftsländer überweisen. Ein großer neue Zauberwort: MMT – Modern ­Money Theory.
Teil dieser Transfers läuft über Western ­Union, das bis Die MMT ist eine klassisch linke Theorie, die dem
zu 20 Prozent Gebühren verlangt – von den Ärmsten Staat Ungeheuerliches an Steuerungskompetenz im
der Gesellschaft. Namen der sozialen Gerechtigkeit zutraut und die im
Gelddrucken das Mittel der Wahl für eine Politik der
Eine Währung nur Umverteilung sieht. Der Bitcoin ist die libertäre Gegen­
für starke Nerven position zur MMT: Die Unsummen, die die Zentral­
banken in die Märkte pumpen, bleiben aus ihrer Sicht
Doch trotz ihres radikal demokratischen Anspruchs stets im Finanzsystem hängen, sorgen nur dafür, dass
Fritzi Ernst, 32,
läuft die Bitcoin-Gemeinde manchmal in die Falle des Häuserpreise und Aktienkurse steigen (Vermögens­
kombiniert Klavier
Personenkults. Das hängt vermutlich mit der extremen preisinflation), also die bereits Reichen noch reicher
und kluge
Volatilität zusammen: Wie jedes Geld ist der Bitcoin werden, während der kleine Mann auf seinem Spar­
Introspektion zu
rein fiktiv, er hat den Wert, den die Menschen ihm buch mit Negativzinsen und Inflation rechnen muss.
eingängigem Pop
zuschreiben. Weil er aber anders als Gold nicht auf eine Voller Abscheu gebrauchen Bitcoiner das Wort In­

Foto: Frederike Wetzels

mehrtausendjährige Geschichte, die Vertrauen schafft, flation. Weil so viele autoritäre Regime (von China
zurückblickt, weiß keiner, ob die Fiktion nicht wie eine abgesehen) Inflationsregime sind, ist der deflationäre
Blase platzen könnte. Die Nerven liegen blank. In Bitcoin in Ländern wie Nigeria oder der Türkei ein so
dieser Situation wird jeder Zuspruch selig umarmt. Als großes Versprechen. Und so wurde vermutlich zum
Tesla vor einem halben Jahr als eines der ersten börsen­ ersten Mal in der Geschichte Deflation zur Parole einer
notierten Unternehmen den Bitcoin in die eigene­ rebellischen Politikbewegung, die auf Systemsturz setzt.

Keine Hast, nur Honig

Bilanz aufnahm, war das für den Bitcoin und seine Die Geschichte des Bitcoin ist auch eine Reaktion
Anhänger ein Ritterschlag. Als Elon Musk dann auch auf die geldpolitischen Ereignisse des vergangenen
noch verkündete, dass man seinen Tesla künftig mit Jahrzehnts: Als in der Zypernkrise 2013 die Bank­
Bitcoins bezahlen könne, war man im siebten Himmel. konten eingefroren wurden, erreichte der Bitcoin erst­
Musk wurde verehrt wie ein Heiliger. Nur dass der mals einen Wert von 100 Dollar. Als Griechenland
flatterhafte Twitter-Troll Musk wenig später »plötzlich« 2015 Kapitalkontrollen einführen musste, kostete der
die Ökobilanz des digitalen Geldes entdeckt haben Bitcoin 300 Dollar. Und seine jüngste Rallye mit einem
wollte und sich vom Bitcoin wieder distanzierte – ein Allzeithoch von knapp 63.000 Dollar im April dieses
Liebesentzug, der zu einem veritablen Kurssturz führ­ Jahres dürfte befeuert worden sein von der abermaligen Das Solodebüt von Fritzi Ernst wirft Fragen auf. Zum Beispiel: Darf man bereits im Juni
te. Seither wird Musk in der Community herzlich ge­ Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbanken
hasst. (Als er sich diese Woche wieder etwas freund­ als Reaktion auf die Pandemie.
das Popalbum des Jahres küren?  VON MARTIN EIMERMACHER

D
licher äußerte, zog der Bitcoin-Kurs prompt wieder an.)
Dass der Bitcoin sich über die Jahre immer mehr Die Kehrseite des Bitcoin ist ie tolle Musikerin Fritzi Ernst Publikum anzuzüchten. »Wir mussten aus Frank­ ein Publikum, bei dem der flüchtige Blick von der
durchgesetzt hat, hat indes mit der Krisenhaftigkeit die Ohnmacht der Staaten hat ein ebenso tolles Album ver­ furt am Main wegziehen, weil dort niemand mehr Bühne nur schwer erkennt, ob da jemand die
der Weltwirtschaft zu tun. Schaut man sich den Chart­ öffentlicht, und das sei diesem auf Konzerte geht«, so fasst dieses merkwürdige Augen zu hat, weil er während der 5. Sinfonie
verlauf des Bitcoin an, wird man schnell feststellen, Dezentralität und Selbstverantwortung werden beim Text deshalb derart grell voran­ Phänomen die junge Musikerin Fritzi Ernst zu­ eingenickt ist oder gestorben (altersbedingt).
dass er parallel zu den großen Finanzkrisen der letzten Bitcoin konkret ausbuchstabiert: Wer den Zu­gangs­ gestellt, weil es im Folgenden sammen, und um die soll es dann nun im Folgen­ Dann doch lieber Popstar werden – über ver­
15 Jahre verläuft. Erfunden wurde der Bitcoin kurz code aus 24 Wörtern zu seiner Cold Wallet, einer di­ erst einmal um etwas anderes geht. Und zwar: den endlich gehen; sie selbst übrigens geboren, als schlungene Pfade landeten sie in Hamburg beim
nach der Finanzkrise, als Antwort auf ein korruptes gitalen Offline-Brieftasche, vergisst, hat seine Coins Bevor es das Internet gab, gab es Bad Salzuflen. sich Begemanns Label noch aus Bad Salzuflen ins einschlägigen Label Buback, wo man Keine
Finanzsystem, bei dem die Banken riskante Wetten für immer verloren: Keine höhere Instanz kann ihm Der Kneippkurort im nordrhein-westfälischen Werk setzte, 1989. Die Band von Ernst, mit der Termine nun vom Goldene-Zitronen-Künstler
eingingen, ohne für die de­sas­trö­sen Folgen in die Ver­ helfen. Wenn man verstehen will, warum der Bitcoin Lippekreis wies einst nämlich eine pulsierende sie nach Hamburg zog, hieß Schnipo Schranke. Ted Gaier toll produzieren ließ. Ernst bleibt mit
antwortung genommen zu werden: Too big to fail – die eine neue politische Erweckungsbewegung mobilisiert Musikszene auf; spätere Popstars wie Bernd­ Mit ihrer Kollegin Daniela Reis, eingängigem Pop ihrem Werk jedoch – wie zuvor auch Schnipo
Staaten paukten die Banken raus und wälzten die hat, ist dieses Selbstverantwortungsethos entscheidend. Begemann betrieben hier zu einer Zeit, als weiter und klugen Texten über Depression und Urin­ Schranke – ästhetisch von Genre- wie Szene­
Folgekosten in Form von Geldentwertung und stei­ Waren bisher die progressiven neuen I­ deen tendenziell östlich die Mauer bereits wankte, das natürlich geruch spielte sie sich in die Elogen der Kritiker kodizes unbeeindruckt. Ihre Melodien sind die
gender Verschuldung auf die Gemeinschaft ab. links und zentralisierungsfreundlich (Staaten sollen das erst rückblickend legendäre Plattenlabel Fast und die Herzen der Fans; in die Charts und auf letzten Zuckungen der Labormaus, die weder
In der Bitcoin-Community trifft man deshalb nicht Kapital einschränken und die Geldströme steuern und Weltweit, mit dem man Demo­tapes von Bands die Bühne von Rock im Park und dann gar nir­ durch eifriges Laufradlaufen noch durch Kaputt­
selten auf eine auf den ersten Blick überraschende­ für Inflation sorgen, wenn es Liquiditätsengpässe gibt), wie Die Sterne fast republikweit auf den Markt gends mehr hin. Extension und Implosion, Über­ beißen der Käfigstäbe auffiel. »Alle wollen was
Politisierungsbiografie: von Occupy Wall Street zum so sind die Kinder des Bitcoin zentralisierungsskep­ warf. Nachdem sich dieses kommerziell irre er­ dehnung und Zusammenbruch – 2019 trennte erleben / Ich könnt mich übergeben«, singt Ernst
Bit­coin. Viele junge Leute, deren Herz für Occupy tisch. Freiheit heißt auch monetäre Selbstbestimmung. folgreiche Phänomen in den Norden verlagert man sich in einvernehmlicher Feindschaft. zu einem sich übersteigernden Klavier, »nein, ich
Wall Street schlug, entdeckten den Bitcoin, weil für sie Die Kehrseite dieser Selbstbestimmung: Der Bit­ hatte – irgendwann wird auch ein Bad Salzuflen Nun ist Fritzi Ernst zurück, allein; mit Kontra­ bin nicht traurig / Ich will nur überhaupt nich«.
plötzlich klar wurde, dass es Unsinn war, zu glauben, coin entzieht den Zentralbanken ihre Handlungs­ zu klein –, schimpfte man es anerkennend­ bass, Klavier und Harmonium, mit ihrem eigenen Ernst lässt uns Endverbrauchern hier das Subjekt-
man könne durch mehr staatliche Regulierung die Wall macht. Er könnte ihre Geldpolitik zu einem stumpfen Hamburger Schule. Mit ihrer Ästhetik der Ver­ Album (wie gesagt). Keine Termine heißt es, und Objekt zeitgenössischer totaler Erschöpfung­
Street entmachten, wenn in Wahrheit der Staat, die Schwert machen. Werden sich die Staaten diese Ent­ krampfung, Schrammelgitarren und mit ihren doch hat sie jetzt einige. Interviews und Planungs­ gegenübertreten, dem das Do-it-yourself-Prinzip
Zentralbanken und die Wall Street unter einer Decke machtung gefallen lassen, oder werden sie den Bitcoin deutschen Texten (keine Gesinnungsfrage; »Ich treffen für die anstehende Tour, bei denen das längst keine Selbstermächtigung mehr ist, sondern
steckten. Als die viel passgenauere Antwort erschien verbieten? Alles ist offen. Der Wahrscheinlichkeit, dass scheiß auf deutsche Texte«, sangen Die Sterne Publikum elf großartige Stücke hören wird, die verordnete Lebensform des Neoliberalismus. »Was
ihnen ein dezentrales Geld, das jedem Eigenverant­ man mit dem Bitcoin reich wird, entspricht die Wahr­ demonstrativ) prägte sie die Neunziger-Pop­ angesichts übermächtiger Anforderungen des All­ du auch machst / Mach es nicht selbst«, warnte ja
wortung abverlangte und sich nicht manipulieren ließ. scheinlichkeit, dass man sein ganzes Geld verliert. Aber kultur. Der Name Hamburger Schule verdeckt tags den Rückzug in den Kokon instrumentieren: bereits das Hamburger-Schule-Aushängeschild
Die klassische linke Intuition vermutet hinter dem der Geist dieser Idee ist erst mal aus der Flasche. Schon natürlich: Ohne die Zweigstellen in der Provinz »Hier gibt’s keine Hast, nur Honig / Und Zeit­ Tocotronic; die Band selbst ist übrigens, und hier
Begriff Eigenverantwortung vor allem rücksichtslosen erklären ihn erste Staaten wie El Salvador zum offiziel­ wäre der ganze Spaß kaum denkbar gewesen. druck sowieso nich«. schließt sich der Kreis, vor Längerem bereits aus
Individualismus und Flucht aus der Solidargemein­ len Zahlungsmittel, während ihn Länder wie Nigeria Und man könnte nun meinen, das Internet Interessant dabei ist, dass man es hier nicht mit der Hansestadt geflohen, die dank ihrer freiraum­
schaft. Solidarität wird im Wesentlichen als eine Form und die Türkei mehr oder weniger verboten haben. So müsse doch heutzutage Bad Salzuflens flächen­ kalkuliertem Diskurspop zu tun hat, der mit Sam­ fressenden Mieten mittlerweile provinzieller wirkt
staatlicher Ermächtigung begriffen. Die Bitcoin-Welt­ bereiten sich viele Bitcoiner schon auf den Rückzug in deckend ermöglichen; kulturelle Keimzellen im ples, Reminiszenzen, Pas­tiches den Kanon für die als Bad Salzuflen vor Jahrzehnten.
anschauung dreht das um: Wenn staatliche Handlungs­ die Katakomben vor. Für einen romantischen Welten­ Hinterland, aus dem man dank Breitband mit ein Eingeweihten nachbastelt – was ja auch bloß so Wo eine Millionenstadt außer Kulissen nichts
macht dazu dient, Banken zu retten und Geldguthaben retter gehört die Illegalität ja zum guten Ton. Ver­ paar Klicks am Geschehen in den Metropolen was wie Malen nach Zahlen wäre. Man kannte mehr zu bieten hat, weil die Resonanzräume
zu entwerten, dann ist staatliche Geldpolitik kein In­ mutlich aber wird es kommen, wie es auf Erden noch teilhaben kann. Diese Annahme wäre aber natür­ die Hamburger Schule, ja generell moderne Pop­ hinter den Fassaden abgerissen wurden, bleibt
strument der Gerechtigkeit. stets gekommen ist: Der Bitcoin wird die Welt nicht lich Quatsch – je vernetzter die Welt, desto ver­ musik kaum, gibt Ernst gerne bekannt, die als Fritzi Ernst und uns nur der Rückzug in das­
Das war der Moment, in dem eine zuvor noch von allen Übeln erlösen, stattdessen wird er, angemes­ ödeter die Knotenpunkte. Die Verlagerung der Studentin der Klassischen Musik (Blockflöte) viel eigene Innere und in das mystische Dunkel des
linke Jugend plötzlich die Österreichische Schule der sen reguliert, seine Existenz als neue Anlageform ir­ Produktions- und Vertriebsstruktur ins Digitale Zeit auf dem Hof der Musikhochschule in Frank­ Gegenübers: »Ich schenk dir alles Liebe / Und
Geldtheorie für sich entdeckte und in einem dezen­ gendwo in Wertparität mit Gold finden. Und vielleicht löst die reale Anbindung an Clubs und Kulturzen­ furt verbrachte, wo sie beim Rauchen ihre dama­ auch ganz viel Glück / Und wenn du das nicht
tralen Geldsystem ein Medium der Eman­zi­pa­tion und wird er den Zentralbanken dabei helfen, den Weg tren, Plattenläden und Kneipen auf, wodurch jene lige Kommilitonin und spätere Bandkollegin Reis haben willst / Dann gib’s mir halt zurück«.
Freiheit erkannte. Friedrich von Hayek hatte sich einst zurück zu einer nicht expansiven Geldpolitik zu finden. Inkubatoren wegrosten, die es erst einmal bräuch­ erstmals traf; beide gelangweilt von der Idee, stets
dem Gedankenspiel einer Privatisierung des Geldes Die meisten Dinge im Leben sind ja dialektisch. te, um Szenen, Subkultur und überhaupt ein bloß Gustav Mahler nachspielen zu müssen für  www.zeit.de/vorgelese

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Was bleibt? Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn trauert um

Mein Erbe. Prof. Dr. Martin Honecker

Für unsere Professor für Systematische Theologie und Sozialethik
Natur. an der Universität Bonn
* 2. Mai 1934 † 2. Juni 2021

Die Universität Bonn verliert mit Martin Honecker einen ihrer renommiertesten Wissenschaftler.
Seine Forschungen zur Sozialethik finden weit über die Grenzen Bonns hinaus Beachtung.
Die Evangelische Theologie hat er sowohl durch seine Arbeiten zur Ekklesiologie und zum
Kirchenrecht bereichert als auch durch seine Arbeiten zur Grundlegung der Sozialethik. Die kritische
Wahrnehmung der Bedeutung des (protestantischen) Christentums für und in Politik, Gesellschaft
und Staat mit allen Konsequenzen für Recht, Ökonomie und wissenschaftlich-technische
Liegt Ihnen auch die Vielfalt der Natur Entwicklungen im Feld der Bioethik war ihm ein stetes, leidenschaftlich vorgetragenes Anliegen.
Martin Honecker wurde 1969 an die Universität Bonn berufen und hatte zwei Mal, 1971-1973 und
besonders am Herzen?
1979-1980, das Amt des Dekans inne. Er war 1970-1991 Mitglied der Kammer für Öffentliche
Die Bienen helfen uns. Helfen Sie mit, bedrohte Tierarten Verantwortung der EKD und 1986-1998 Mitglied der Kammer für Kirchlichen Entwicklungsdienst
und Lebensräume unserer Heimat zu schützen und den der EKD. 1988-1991 war er Präsident der Societas Ethica, von 1998-2004 Mitglied der Zentralen
Ethikkommission der Bundesärztekammer und seit 1979 ordentliches Mitglied der Nordrhein-
Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Geben Sie eigene
Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. 1999 wurde Martin Honecker mit
Werte weiter: mit einem Testament zu Gunsten der
dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Martin Honecker hat sich zeitlebens für eine
gemeinnützigen Heinz Sielmann Stiftung. leidenschaftlich engagierte und gesellschaftsoffene Theologie eingesetzt. Wir sind ihm zutiefst zu
Dank verpflichtet und halten ihn als Kollegen, Lehrer und Vorbild in wertschätzender Erinnerung.
Wir fördern Natur- und Umweltschutz sowie das Natur-
erleben – ganz besonders für Kinder. Ein kostenfreier
Ratgeber zum Thema Testament und Engagement liegt Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
für Sie bereit.
Rektor und Senat Evangelisch-Theologische Fakultät
Wir freuen uns auf Ihren Anruf unter 05527 914 419. Prof. Dr. Dr. h.c. M. Hoch Prof. Dr. C. Richter

www.sielmann-stiftung.de/testament
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Christian Thielemanns Vertrag als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle wird nicht verlängert.
Was sagt das über Dresden und die Zukunft des Musikbetriebs?  VON CHRISTINE LEMKE-MATWEY UND MARTIN MACHOWECZ
Erst das Gerede, dann die Musik? Szene aus Richard Strauss’ »Capriccio« an der Semperoper mit Daniel Behle, Georg Zeppenfeld, Nikolay Borchev und Jana Mesgarha (von links)
W
er verstehen will, was es
bedeutet, dass Christian
Thielemann, einer der
wichtigsten Dirigenten
dieses Landes, in Dres­
den vor die Tür gesetzt
wurde, sollte sich noch
einmal die Schwärmereien des Anfangs vergegen­
wärtigen. Die Emotionen von 2009, dem 20. Jahr
des Mauerfalls, als verkündet wurde, dass der­
Kapellmeister aus München bald nach Sachsen
wechsle, Chefdirigent der Staatskapelle werde.
»Ein Akt von nationaler Symbolik« sei seine Ver­
pflichtung, schrieb die ZEIT auf ihrer Seite eins.
Endlich bekomme der Dirigent »das Orchester,
das er schon vor einigen Jahren verdient hätte«,
schrieb die Welt. Und die New York Times wusste
zu berichten, dass für Mr. Thielemann ein Traum
in Erfüllung gehe. Für Dresden war das ebenso.
Zwölf Jahre später hat sich die Stimmung ge­
dreht. Mitte Mai verschickte Sachsens Kultur­
ministerium eine Pressemitteilung, die Thiele­
manns Rauswurf verkündete, bemerkenswert
schmucklos. »Der Vertrag mit dem Chefdirigenten
Christian Thielemann läuft zum Ende der Spiel­
zeit 2023/2024 aus und wird nicht verlängert«,
stand da, als habe man sich von einem leidigen
Problem befreit. Was ist da passiert?
Thielemann und die Sächsische Staatskapelle, das
war eine seltene Symbiose. Einer der traditionsreichs­
ten deutschen Klangkörper trifft auf einen der tradi­
tionsbewusstesten deutschen Dirigenten. Allerdings
hat sich zwischen 2009 und 2021 die Welt doch
ziemlich verändert, auch in der Kultur. Und es gibt
Menschen in Dresden, die der Meinung sind: Män­
ner wie Thielemann seien nicht mehr die, die ein
Orchester oder ein Opernhaus in die Zukunft führen
können oder sollen. Zu ihnen gehört offenbar der
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), zu
ihnen gehört auch Barbara Klepsch (CDU), Sachsens
Ministerin für Kultur und Tourismus.
Wer die Vertreibung Thielemanns aus Dresden
rekonstruieren will, stößt auf harte Fronten. Es gibt
Thielemann-Befürworter und -Gegner, in der Stadt,
in der Oper, im Orchester, ja selbst im Orchester­
vorstand (der mit der ZEIT nicht sprechen wollte).
Wobei das nichts Dresden-Spezifisches sein dürfte
und wenig Neues: Der 62-Jährige hat stets polarisiert,
schon in Nürnberg, Berlin oder München. Das liegt
an der Entschiedenheit seines musikalischen Profils
und an seiner, nun ja, nicht eben simpel gestrickten
Persönlichkeit. »Egomane«, ja »Diktator« schimpfen
ihn die einen, »Exzentriker« sagen die anderen. Dres­
den-spezifisch hingegen ist, dass mit Thielemann
bereits der dritte Chefdirigent in Folge die Stadt un­
freiwillig verlässt. Auch der Niederländer Bernard
Haitink und der Italiener Fabio Luisi wurden so er­
folgreich vergrault, dass es keinen Weg zurück ans
Dirigentenpult der Staatskapelle gab, selbst als Gäste
nicht. Dresden profiliere sich eben gern als »Stadt der
verpassten Chancen«, spottet ein Musiker.
Titanendämmerung
Die Entscheidung, Thielemanns Vertrag nicht zu
verlängern, ist eine politische. Sie hat den gebürtigen
Berliner, so darf man sagen, völlig unvorbereitet
getroffen. Auch die Kapelle wurde weder gefragt noch
eingeweiht. Erst diesen Montagabend verständigten
sich die Musiker in einer Orchesterversammlung
darüber, wie sie zu ihrem amtierenden Chefdirigen­
ten stehen sollen (ein Prozedere, das im Blick auf
2024 eigentlich erst für Dezember vorgesehen war).
Die Stimmung, so war zu hören, sei aufgewühlt ge­
wesen, die Diskussion hitzig. Auch weil’s ans Ein­
gemachte geht: Ist ein international renommierter
Klangkörper wie die Sächsische Staatskapelle durchs
Hineinregieren in ihre ureigensten Geschäfte, in die
Wahl ihres Chefdirigenten, nicht per se beschädigt?
Welche Konsequenzen hätte ein offener Bruch mit
den politischen Entscheidern? Und läuft jetzt nicht
ein Riss durchs Orchester?
Man kann darüber mit einem Mann sprechen,
der sich empört, der tief verstört ist. Christoph Hol­
lenders ist ein Kulturbürger, wie man ihn in Dresden
backen müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe. Notar,
Münsteraner, nach 1989 an die Elbe gezogen, heute
Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Säch­
sischen Staatskapelle. Thielemanns Nichtverlänge­
rung sei »eine katastrophale Entscheidung«. Denn
Thielemann, sagt Hollenders, habe die unvergleich­
liche Fähigkeit, ein Orchester in eine solche Balance
zu bringen, dass einem fast das Herz stehen bleibe.
»Seelenmassage« nennen das auch Musiker und be­
richten von Abenden, an denen alles vollkommen
»logisch« sei, vollkommen natürlich fließe.
Doch Hollenders weiß auch: In der Kommuni­
kation mit dem Orchester und der Verwaltung
scheint Thielemann manches versäumt zu haben.
Vielleicht habe er sich in Dresden auch zu selten­
sehen lassen. Trotzdem: »Es gibt viele, die von ihm
künstlerisch enorm profitieren.« Thielemann, so
Hollenders, sei eine lebende ­Legende – und hätte als
Ehrendirigent der Staatskapelle alt werden können;
einer, über dessen Ära man noch Jahrzehnte später
sprechen würde. Doch das habe die Politik vermasselt.
Die habe auf falschen Grundlagen gehandelt und
sich von Ratgebern lenken lassen, die behaupteten,
es brauche »frischen Wind«. »Frischer Wind?«, fragt
Hollenders. »Was soll das sein? Wer soll denn kom­
men, wenn einer geht, der ein Orchester von Welt­
rang tatsächlich zu noch größerer Klasse geführt hat?«
Die Namen jedenfalls, die kursieren, knüpfen
kaum an dieses Niveau, an diese Symbiose an: Omer
Meir Wellber, 39, erster Gastdirigent in Dresden,
wechselt 2022 an die Wiener Volksoper, Daniele
Gatti, 59, ist in Rom engagiert, Franz Welser-Möst,
60, im fernen Cleveland, und weder Joana Mallwitz,
35, noch Oksana Lyniv, 43, sind bislang beim Or­
chester vorstellig geworden. Sehr viel mehr gibt die
Marktlage derzeit gar nicht her. Oder wäre eine Frau
als Chefdirigentin schon »frischer Wind« ­genug?
Barbara Klepsch, 55, die Ministerin, stammt aus
dem Erzgebirge, sie war Oberbürgermeisterin ihrer
Heimatstadt Annaberg-Buchholz und sächsische
FEUILLETON
Sozialministerin. Zu ihren Verdiensten zählt der Aus­
bau einer Städtepartnerschaft mit Weiden in der
Oberpfalz. Ins Thema Opern und Theater, hieß es
bei ihrer Bestellung 2019, müsse sie sich einarbeiten.
Fragt man sie, wieso Thielemanns Vertrag nicht ver­
längert worden sei, sagt sie, man wolle sich eben »ein
Stück neu aufstellen«. Und habe es sich nicht leicht
gemacht mit Thielemann. »Wir schätzen ihn.«
Als neue Intendantin der Semperoper ab 2024/25
hat Klepsch in der vergangenen Woche die Schwei­
zerin Nora Schmid, 42, verpflichtet. Schmid kennt
das Haus, war in Dresden Dramaturgin und Inte­
rims-Intendantin, bevor sie 2015 nach Graz wech­
selte. Dort habe sie in erster Linie »geräuschlos« ge­
wirkt, sagen informierte Kreise, und wenig riskiert.
Die Option allerdings, zeitgleich mit der Intendanz
auch die »zweite Schlüsselposition« neu zu besetzen,
die des Chefdirigenten, war für Klepsch verlockend.
Ihr Ministerium hat einen Masterplan namens
»Semper 2030« ausgebrütet, fünf Thesen, die sich
wie folgt zusammenfassen lassen: Semperoper und
Staatskapelle sollen jüngere Leute ansprechen, in
Konkurrenz zu Pop und Kino treten können, nicht
mehr nur für Touristen attraktiv sein, sondern für
die ganze Stadt und alle Sachsen. Es könne nicht
die Zukunft des Konzerts sein – so erzählt man es
in Sachsens Regierung –, wenn 100 Pinguine Beet­
hoven spielten.
Natürlich sind die sächsischen Zukunftsängste
nicht von der Hand zu weisen. Was das Klassik-­
Publikum betrifft, genügt es heute nicht mehr,
drei Abos mit Beethoven, Brahms und Bruckner
aufzu­legen oder in der Oper die Zauberflöte zu
spielen. Die Leute kommen nicht von selbst, man
muss sich schon um sie bemühen. Es fragt sich
nur, mit welchem Anspruch man das tut. Gleich­
wohl beschleicht einen in Dresden das Gefühl,
dass mit der Personalie Thielemann ein Exempel
statuiert werden soll. Offenbar geht es nicht nur
HINTER DER GESCHICHTE
»Christian Thielemann – Meine Reise
zu Beethoven« heißt das Buch, das die
Co-Autorin dieses Artikels auf
der Grundlage von mehreren Gesprächen
mit dem Dirigenten geschrieben hat.
Erschienen ist es
im Herbst 2020 bei C. H. Beck.
um ihn oder das Wohl und Wehe eines Luxus-
Klangkörpers, sondern um die Inventur eines Sys­
tems, in dem Star-Dirigenten schon lange eine viel
zu große und zu kostspielige Rolle einnehmen.
Titanendämmerung auf Biegen und Brechen?
Im Vakuum der Corona-Krise ließ sich dieses
Unbehagen gut festigen. Ohnehin kommen auf
den Musikbetrieb in den nächsten Jahren gewaltige
Herausforderungen zu, die öffentlichen Kassen
sind leer, ausgeblutet. Das wird wehtun. Die Fra­
ge, wohin die großen Institutionen steuern und
wie man sie flexibler macht, effizienter, zugewand­
ter und damit letztlich krisentauglicher, ist also nur
legitim. Müssen Stars, Sternchen und Orchester
nonstop um den Erdball jetten, wie vor Corona?
Nein. Hat Thielemann es je getan? Sowieso
nicht. Will der Abonnent auf Teufel komm raus
wissen, welches Programm ihn am 9. März 2022
in Reihe 17, Platz 45 erwartet? Unterschätzen wir
seine Neugierde nicht!
Ob freilich ausgerechnet Dresden für einen derart
kathartischen Sockelsturz die richtige Bühne bietet,
bleibt fraglich; ebenso, ob hinter den sächsischen
Kulissen, unterm Deckmäntelchen von »Exzellenz,
Innovation und Relevanz«, nicht auch andere Dinge
verhandelt werden. Persönliche Animositäten etwa
oder die Macht eines Mittelmaßes, das nicht groß
stört. Oder auch Geldfragen, das Haus soll auf einem
Defizit im niedrigen zweistelligen Millionenbereich
sitzen und glänzte in der Corona-Zeit – die die nä­
here und fernere Konkurrenz für Plattenaufnahmen
oder Streamings nutzte – durch Inaktivität.
Wissen die politisch Verantwortlichen also wirk­
lich, was sie da tun? Wie kommen sie überhaupt dazu,
sich inhaltlich derart einzumischen?
Anfang Mai führten Michael Kretschmer und
Barbara Klepsch mit Thielemann sein Entlassungs­
gespräch. Über seine Zukunft wolle man reden, hieß
es, und genau so muss es eingangs auch geklungen
haben. Dass er Dresden zu höchstem Glanz geführt
habe, unbedingt die neu zu gründenden Dresdner
Strauss-Festspiele dirigieren solle – all das breiteten
Klepsch und Kretschmer dem Vernehmen nach aus.
Und irgendwann hieß es dann wohl, mehr nebenbei:
Aber Ihren Vertrag, den verlängern wir nicht.
Dazu ist folgender Hintergrund interessant.
Schon 2017 soll Thielemanns Vertrag »scharf auf der
Kante« gestanden haben. Sachsens Kulturministerin
hieß damals Eva-Maria Stange (SPD). Der damalige
Orchestervorstand soll Stange und ihre Leute frei­
gestellt haben, ­Thielemanns Vertrag zwar zu ver­
längern, das Orchester aber wolle nicht abstimmen.
Sehr ungewöhnlich. Die Staatskapelle wählt, das ist
ihr althergebrachtes Recht, ihren Kapellmeister selbst;
der Freistaat Sachsen handelt mit dem Kandidaten
dann lediglich den Vertrag aus. Wollten die Vor­
stände beim Ministerium ganz gezielt den Eindruck
erwecken, das Orchester stehe nicht hinter seinem
Chefdirigenten? Stange soll damals auf der Wahl­
bestanden haben, und Christian Thielemann erhielt
für seine zweite Ära eine kommode Zweidrittelmehr­
53
Fotos: Ludwig Olah/Semperoper Dresden; Hermann Bredehorst (u.)
heit. Alles andere ist für die musikalische Arbeit im
Übrigen generell nicht praktikabel.
Und dann gab es 2017 noch diese E-Mail ans
Ministerium. »Erfüllungskriterien der Sächsischen
Staatskapelle Dresden i.S. Vertragsverlängerung CT«,
lautet die Überschrift, es folgt ein Katalog an Forde­
rungen, der Thielemanns Kompetenzen und Zu­
ständigkeiten beschnitten sehen will. Vor allem steht
da der Satz: »Im Falle einer Vertragsverlängerung wird
sich das Orchester bereits ab 2020 auf die Suche nach
einem Nachfolger für die Zeit nach einer 2. Amtszeit
begeben«. Absender (ohne Namen oder Unter­
schriften): »Der Orchestervorstand der Sächsischen
Staatskapelle Dresden«. Das ist keine Ankündigung,
sondern eine veritable Drohung. Wäre Christian
Thielemann davon in Kenntnis gesetzt worden,
woran sich heute niemand erinnern will, er hätte
seinen Taktstock wahrscheinlich sofort fallen gelas­
sen. Musik und Misstrauen vertragen sich schlecht.
Die Mail wanderte zu den Akten – wo man sie
2021 ohne Skrupel wieder hervorzog: Es sei doch
immer klar gewesen, dass dies der letzte ­Vertrag sei!
Fragt man Michael Kretschmer, wieso er sich­
persönlich in die Sache so involviert habe, bekommt
man wiederum viel Zuneigung für den Kapell­
meister zu hören. »Wir wollen eine ganz intensive,
herausgehobene Zusammenarbeit mit Christian­
Thielemann, über 2024 hinaus«, betont er. »Wir
haben ihm gegenüber sehr deutlich unsere Wertschät­
zung zum Ausdruck gebracht.« Ob sich die Entschei­
dung gegen Thielemann als Chefdirigenten noch
revidieren lasse? Nein, sagt Kretschmer. »Ich bin der
festen Überzeugung, dass wir die richtige Entschei­
dung getroffen haben. Und dabei werden wir auch
bleiben.« Er versichert noch, dass die Politik sich, was
­Thielemanns Nachfolge betrifft, nicht weiter ein­
mischen werde. Die Kapelle habe die Wahl, die wolle
man ihr auch nicht nehmen. Sein Ziel sei es, sagt der
Minister­präsident, »Leute zusammenzubringen, die
als Team Freude an der gemeinsamen Arbeit haben«.
Für Christian Thielemann dürfte das eine­
bestürzende Nachricht sein: Den Sachsen war es gar
nicht wichtig, wer künftig die Geschicke der Staats­
kapelle leitet. Hauptsache, er ist es nicht. Er freue sich
auf die verbleibende Zeit in Dresden, sagt der Diri­
gent am Telefon, »das Orchester und ich werden
weiterhin in schönster musikalischer und mensch­
licher Harmonie miteinander arbeiten«. Will er über
2024 hinaus in Dresden präsent sein? »Das ist eine
Frage meines Kalenders, der sich gerade in beängs­
tigender Geschwindigkeit füllt.«
Auf Arte Concert sind die Sächsische Staats­
kapelle und Christian Thielemann noch bis zum
28. ­August mit dem Heldenleben von Richard
Strauss zu sehen und zu hören. Der »Held« soll
hier kein anderer sein als Strauss selbst und also:
der Künstler in der Welt. Der letzte Satz der Ton­
dichtung heißt, halb ironisch, »Des Helden Welt­
flucht und Vollendung«. Die Dresdner spielen ihn
mehr versonnen als apotheotisch-aufrauschend.
Sie werden wissen, warum.
54 Abb.: Entwurf von Willy Guhl, © Privatsammlung/Foto: Gerhard Faller-Walzer; Illustration (r.): Rachel Levit für DIE ZEIT
FEUILLETON 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

ÜBER DEN LINDEN

Mein Freund
Shulem
Ein unvergessliches Mittagessen mit Dov Glickman, der auf
Netflix als der chassidische Familienboss Shulem Shtisel brilliert 
VON MAXIM BILLER

Neulich war ich mit dem weltberühmten Shulem
Shtisel im Borchardt, und wir haben uns seine
Kartoffeln geteilt. Er hatte Steak Tatar bestellt,
ich Kalbspaillard, und zwischen uns stand ziem-
lich lange eine kleine weiße Schüssel mit diesen
Bequem geht anders – Eternitliege, entworfen von Willy Guhl für die Documenta 1959 feinen, goldenen Borchardt-Pommes-frites, ohne
dass einer von uns beiden sie angerührt hätte. Ir-
gendwann sagte ich auf Englisch: »Ich frag mich
die ganze Zeit, ob das deine oder meine Kartof-
bald auch noch eine vierte, fünfte und sechste geben
würde. Dann sagte ich: »Ich will noch etwas ande-
res wissen, Dov. Wie schwer ist es, sich jeden Mor-
gen in der Film-Maske in einen dicken Chassiden
mit einem langen Bart zu verwandeln? Viele Is-
raelis mögen die Orthodoxen ja nicht.« »Weißt du«,
sagte er, »ich stand mal an der Fußgängerampel auf
dem Boulevard Rothschild. Links neben mir stand
ein älterer orthodoxer Herr, rechts eine schöne­

Wie frei ist frei?

feln sind.« Er guckte kurz von dem Tatar hoch,
das er gerade mit der Gabel so kunstvoll zerteilte
wie Gott das Rote Meer, und sagte mit seiner
tiefen, immer ein bisschen ironisch klingenden
Shulem-Shtisel-Stimme: »Deine Kartoffeln, meine
Kartoffeln, ist doch egal. Frag nicht, und iss!«
Eigentlich gibt es Shulem Shtisel gar nicht, je-
denfalls nicht im richtigen Leben. Es gibt aber Dov
Stets wurde die Documenta in Kassel stolz gefeiert. Ihre dunklen Seiten Glickman, den Schauspieler, den in Israel seit Jahr-
zeigen sich erst jetzt in einer Berliner Ausstellung  VON HANNO RAUTERBERG zehnten fast jeder kennt, und inzwischen kennen
ihn auch Millionen Netflix-Gojim zwischen New
junge Tel-Aviv-Lady, die plötzlich zu mir sagte:
›Bestimmt können Sie diese Typen auch nicht lei-
den, so wie ich.‹ Worauf ich sagte: ›Meine Dame,
ich hasse und liebe nur Leute, die ich kennengelernt
habe. Ihn kenne ich nicht, aber jetzt Sie, und Sie
mag ich nicht!‹« »Und was hat sie dann gemacht?«
»Ein Geräusch wie ein platzender Autoreifen,
glaube­ich.« Wir lachten. »Kennst du eigentlich
Unorthodox?«, sagte ich. »Die Serie?« »Ja«, sagte ich
mit einem bösen Grinsen, »du weißt schon, es geht
um diese junge Chassidin, die vor den üblen, fa-

F
York, Beirut und Südamerika, weil er in der besten, schistischen, IS-haften Satmarjuden aus Brooklyn
ür die neunte Ausgabe der Documenta Haftmann als ewige Weltsprache, und was nicht abs- die Biennale in Venedig ausstach. Spätestens in den verrücktesten, menschlichsten Fernsehserie der ins aufregende, weltoffene Berlin flieht und aus-
hatte sich die Künstlerin Annemarie trakt war, schien gestrig. Figürlich-realistisch malte Siebzigerjahren schienen sich die ideologischen letzten Jahre den orthodoxen Jerusalemer Familien- gerechnet dort, unter lieben Nazi-Enkeln, ihr Glück
Burckhardt 1991 etwas recht Ange- man schließlich in der DDR, und die hielt man für Fronten aufzulösen, auch Maler der DDR wie boss Shulem Shtisel spielt. Die Shtisel-Kinder findet.« Er schwieg diplomatisch, und nur seine
nehmes ausgedacht: einen Ausstel- bekämpfenswert. So besaß das I­ deal der autonomen Werner Tübke oder Willi Sitte bekamen nun ihren und Shtisel-Enkel machen den strengen, witzigen­ kleinen strahlenden Augen wurden kurz matt und
lungskatalog, der nicht schwer und Abstraktion in Wahrheit enge Grenzen. Sie verliefen Auftritt. Mit Feuer­eifer ging man daran, die Grenzen Shulem mal glücklich, mal wahnsinnig, am besten kalt. »Klingt auch wie ein Reifen, der platzt, oder?«,
teuer sein sollte, nicht vollgestopft mit krauser entlang des Eisernen Vorhangs. der Kunst immer aufs Neue niederzureißen. Die geht es ihm, wenn er raucht, die Gemara studiert sagte ich, und dann lachten wir noch lauter und
Kuratorenlyrik, dafür wahlweise mit Federn oder Dieses Dogma, dem zufolge nur das politisch Neigung zum blinden Fleck jedoch, auch das wird oder isst, und obwohl er gerade seine geliebte Frau bestellten Dessert.
Schaumstoff. Burckhardts Katalog sah aus, wie Gute auch ästhetisch wertvoll sein kann, prägt die in Berlin angedeutet, blieb der Documenta erhalten. Dvorah verloren hat, würde er gern wieder heiraten, Dov ist gerade für ein paar Wochen in Berlin,
ein Katalog aussieht, war aber in Wahrheit ein Documenta bis heute. Und prägt auch den Kanon So wurde Joseph Beuys mit seinen Erlösungs­ aber auch irgendwie nicht. Er hat einen schönen, weil er in einem ARD-Polizeiruf einen Israeli spielt.
Kissen zum Selberbasteln. in vielen westdeutschen Museen, die von ostdeut- fantasien zum Dauer- und Lieblingsgast in Kassel, hohen, schwarzen Hut, er trägt auch in der August- Vor zwei Jahren hatte er am Theater in Stuttgart eine
Gezeigt wird dieses Kissen jetzt, gut verwahrt in scher Malerei nichts wissen wollen und die Kunst niemanden schien es zu stören, dass er den eins- hitze von Jerusalem seinen dicken schwarzen Anzug, Rolle in einem Juden-gegen-Araber-Stück, auch als
einer Vitrine, auf der großen, schon im Voraus viel der NS-Zeit ängstlich meiden. Die Moderne wird tigen SS-Mann Karl Fastabend dort als seinen und bestimmt haben schon eine Menge Antisemiten Israeli. Und im September kommt er wieder aus Tel
diskutierten Documenta-Ausstellung im Deutschen begradigt, so wie Haftmann sie begradigte. Sekretär einsetzte. aufgehört, wegen ihm Antisemiten zu sein, weil er Aviv nach Berlin, große Serie, Sky, und ich bin si-
Historischen Museum (DHM) in Berlin. Hier, fern- Bei ihm wurde aus Emil Nolde, dem glühenden Und heute? Noch immer will die Documenta das Gegenteil von all den dunklen Fantasien ist, die cher, er wird weder Wernher von Braun noch An-
ab von Kassel, wird die Kunstschau selbst zum Ex- Anti­semi­ten und Hitler-Fan, ein Künstler der in- als Ort der Läuterung verstanden werden. Immer sie normalerweise mit einem gemeinen, fanatischen dreas Baader spielen. Im Polizeiruf will der Film-Dov
ponat. Es gibt ein paar Gemälde und Skulpturen zu neren Emi­gra­tion. Hingegen interessierte sich die wieder hat man sich auf Arnold Bode und Werner Orthodoxen vor ihrem inneren Auge ausleben. ein Haus zurück, das die Nazis seinen Eltern geklaut
sehen, doch mehr als um Ästhetik geht es um Ideo- Documenta für die vom NS-Regime verfolgten Haftmann berufen, die Gründungsväter. Und un- »Bestimmt würdest du gern wissen, mein haben, und die Cottbusser Kommissare denken, er
logie. Darum, welches politische Programm die Künstler bestenfalls am Rande. Haftmann verstieg gebrochen ist die Freude am hegemonialen An- Freund, ob Shulem Shtisel die Rolle meines Lebens habe jemanden umgebracht. »Dieses Haus hat mein
Documenta verfolgte. Und wie es dazu kam, dass sich sogar zu der Auffassung, »nicht ein einziger der spruch: In Kassel soll die internationale Kunst ihr ist?«, fragte Dov leise und griff mit zwei Fingern Vater gebaut«, sagte Dov plötzlich auf Deutsch zu
sie schon bald nach ihrer Gründung 1955 fest zur deutschen modernen Maler« sei Jude gewesen. Und Zentrum finden, und sei es nur für hundert Tage. vorsichtig in die kleine weiße Schüssel zwischen mir, mit diesem schönen, leichten jiddischen Ak-
kulturellen Inneneinrichtung der BRD gehörte. Das jene jüdischen Künstler, die dennoch kurzzeitig auf Natürlich verbindet sich damit ein politischer­ uns. Und bevor ich antworten konnte, sagte er laut: zent, es war natürlich sein Polizeiruf-Text, »hier bin
Wirtschaftswunderland saß, könnte man sagen, einer Auswahlliste der ersten Documenta standen, Geltungsdrang. 1955 war es der Bundespräsident »Ja, natürlich ist es das! Und es ist mir egal, dass ich aufgewachsen. 1939 konnte ich fliehen, aber alle
behaglich in der Sofaecke der Weltgeschichte. Und wurden wieder gestrichen, darunter Rudolf Levy, Theodor Heuss, der als Schirmherr auftrat und zi- mich diese Arbeit manchmal fast umbringt.­ anderen wurden nach Bergen-Belsen deportiert.«
die Documenta tat das Ihre, das Land gegen un­ den Haftmann aus Florenz kannte. Levy wurde in garreschmauchend durch die Ausstellungssäle Shtisel ...« – er schob sich so elegant wie die Königin »Und kriegt er das Haus zurück?«, sagte ich. Dov
bequeme Wahrheiten abzupolstern. Die Kissen- Auschwitz ermordet. schritt; ähnlich lässt sich die oberste Politik noch von England eine dünne, fast durchsichtige Kar- zuckte mit seinen großen, runden Schultern. »Das
Metapher trifft es ganz gut. So wurde »die antisemitische Vernichtungs- heute gern in Kassel blicken und demonstriert die toffelscheibe in den Mund – »... ist wie die Sopranos haben die Polizeiruf-Leute noch nicht entschieden«,
Hingegen geht die Berliner Ausstellung jetzt recht politik in der Einladungspraxis« fortgeführt, sagt eigene Weltläufigkeit. Selbst die schärfste Künstler- mit Tschulent und Thora, aber ohne Knarren und sagte er dann. Zum Schluss teilten wir uns stumm
schonungslos ans Werk. Akribisch zeigt sie auf, was der Direktor des DHM, Raphael Gross. Das mag kritik ist immer schon eingepreist. Lange hieß so Pasta. Shtisel ist wie ein dickes Buch mit den besten ein Schokoladenparfait und eine ­Crème brûlée. »Ist
bislang kaum bekannt war: die Verstrickung vieler überspitzt sein, denn einen dezidierten Willen etwas repressive Toleranz. Geschichten von Isaak Singer. Shtisel ist das größte Shtisel in Deutschland eigentlich auch so ein Hit
Führungsfiguren während der NS-Zeit. Werner zur Ausmerzung, und sei es nur im symbolischen Das Katalogkissen übrigens, entworfen von Glück meines Lebens!« wie in Beirut und New York?«, sagte Dov irgend-
Haftmann, dem künstlerischen Leiter, kann sie nach- Sinne, hat es in Kassel nicht gegeben. Die Strate- Annemarie Burckhardt, wurde vom Manage- Er lächelte, ich lächelte, und dabei dachte ich wann. »Nein«, sagte ich, »leider nicht.« »Warum
weisen, dass er zeitweise als Partisanenjäger in Italien gie war subtiler: Man inszenierte sich als Schau- ment der Documenta zunächst juristisch be- daran, dass ich alle drei Staffeln seines Lebenswerks nicht?« »Juden, die echte Menschen sind«, sagte
eingesetzt wurde, vermutlich beteiligt an Folter und platz des Wahren und Freien – und entzog sich kämpft. Die eigenen Markenrechte schienen be- schon zweimal gesehen hatte und – obwohl es Gott ich, »wollen sich die meisten Deutschen lieber gar
Mord (ZEIT Nr. 24/21). Er, der Kriegsverbrecher, damit jeder Art der Kritik und Selbstkritik. Die droht, schließlich war Burckhardt nicht offiziell gar nicht gab – heimlich ab und zu betete, dass es nicht erst vorstellen.«
prägte die drei ersten Documenta-Schauen. Von Documenta verhieß Läuterung, und nicht zuletzt eingeladen worden, und da könnte ja jeder kom-
deutscher Schuld war dort nie die Rede. das machte sie ungeheuer erfolgreich. men. Am Ende allerdings sah man es gelassen. An dieser Stelle erscheinen
Dafür rückte eine Kunst ins Zentrum, die sich Über die Jahrzehnte wuchs die Ausstellung über Im gut sortierten Kunsthandel ist das Kissen im Wechsel vier Kolumnen. Lesen Sie nächstes Mal
über alles Zeitgebundene erhob. Abstraktion galt sich hinaus, wurde zum Massenspektakel, das selbst weiterhin zu haben. »Mein Leben als Frau« von Antonia Baum

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Ressort X: Philip Faigle (Leitung), Julia Kopatzki, Yasmine ­M’Barek, K.O.P.: Data Media (A division of Slowenien € 7,50;
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Annabelle Seubert, Vanessa Vu; Podcasts: Ole Pflüger (Leitung), Cover-All Computer Services Spanien € 7,30;
Laura Gilica; Anzeigen-Preisliste Nr. 66 vom 1. Januar 2021
Jannis Carmesin, Simone Gaul, Dr. Rita Lauter, Mounia Meiborg Corp.), 2221 Kenmore Avenue, Kanarische Inseln € 7,80;
(verantw.), Pia Rauschenberger, Fabian Scheler; Magazine und Neue Geschäftsfelder: Sandra Kreft Suite 106, B
­ uffalo, Ungarn HUF 3190,00
Magazine (ZEITmagazin Online, ZEIT Campus Online, Arbeit, ­ Projektreisen: Christopher Alexander
Entdecken, Die Antwort, ze.tt): Carmen Böker/Leonie Seifert ­ Börsenpflichtblatt: An allen acht deutschen
(Leitung), Carla Baum (verantwortl. ZMO), Wertpapierbörsen ISSN: 0044-2070
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Van Dyke Parks, 78, ist ein Para­dies­vogel,
der im Laufe seiner langen Karriere vor ­
allem jenseits des Rampenlichts glänzte. In
den vergangenen Jahrzehnten jonglierte der
Multiinstrumentalist raffiniert mit Folk,
Jazz, Klassik und Welt­musik. Insbesondere
sein Debütalbum »Song Cycle« aus dem Jahr
1967 gilt als Klassiker der avantgardistischen
Popmusik. Mit Brian Wilson arbeitete Parks
am legendären Beach-Boys-Meisterwerk ­
»Smile«. Als ­Arrangeur, Produzent und ­
Autor half er Musikern wie Randy
Newman, Frank Z ­ appa, Joanna New­som,
Rufus Wainwright und Ringo Starr auf die
Sprünge. Jetzt ­erscheint »Van Dyke Parks
Or­chest­rates V
­ erónica Valerio: Only in ­
America«, seine Zusammenarbeit mit einer
mexikanischen Sängerin und Harfenistin.
Den Videoanruf nimmt Parks in seinem
Haus in den Hollywood Hills entgegen, er
sitzt in Latzhose und T-Shirt vor der ­
Kamera und plaudert aufgekratzt über ­
seine Arbeit.
DIE ZEIT: Mister Parks, man erzählt die wil­
desten Geschichten über Ihr bewegtes Leben.
Was ist zum Beispiel dran an dem Gerücht,
dass Sie Albert Einstein mal Stille Nacht vor­
gesungen haben?
Van Dyke Parks: Das stimmt! Damals habe ich
noch in Prince­ton gewohnt, Einstein lebte in
der Nähe. Wir Kinder zogen singend durch die
Nachbarschaft, er hat uns dann ins Haus ge­
beten. Ich konnte den Text von Stille Nacht auf
Deutsch und habe ein Solo gesungen. Einstein
gefiel das so gut, dass er seine Geige holte, um
mitzuspielen. So verbrachten wir eine Stunde in
seiner Küche und machten gemeinsam Musik.
ZEIT: Wo haben Sie denn Deutsch gelernt?
Parks: Ich war in den Fünfzigern für acht­
Wochen in München. Mein Vater betreute als
Psychologe die amerikanischen Soldaten, die
an der Befreiung des Konzentrationslagers­
Dachau beteiligt gewesen waren.
ZEIT: Sie galten bereits als musikalisches Aus­
nahmetalent, noch bevor Sie 1967 Ihr erstes
Album veröffentlichten. Die Erwartungen an
Sie müssen damals riesig gewesen sein.
Parks: Na ja, es heißt immer, dass man mich
geradezu mit Geld beworfen habe, damit ich
meine ganzen I­ deen umsetze und die Charts er­
obere. Aber das stimmt einfach nicht. Kein
Mensch hat mir je einen Swimmingpool g­ ebaut.
Ich bekam als Vorschuss gerade genug, um mich
mit dem Geld in ein Häuschen in Palm Desert
zurückzuziehen, wo ich Song ­Cycle geschrieben
habe. Und von der Wüste aus hatte ich einen
feinen, distanzierten Blick auf L.A. Das war die
Idee des Albums – und letztlich habe ich mir
diesen Außenseiterblick bis heute bewahrt.
ZEIT: Sie wurden zu einer Zeit berühmt, als die
Gegenkultur in ihrer Blüte stand. Sie haben
sich auf diese aber letztlich nie eingelassen. Als
alle nach Woodstock pilgerten, saßen Sie­
angeblich im Anzug in einem Büro. War Ihnen
Woodstock zu schmuddelig?
Parks: Ich wollte einfach nicht im Dauerregen
im Matsch schlafen, da war ich lieber Bürokrat
in einer großen Firma mit sauberen Toiletten.
Damals baute ich für Warner Brothers eine Ab­
teilung für Videotechnik auf, das war mir ein­
fach wichtiger. Aber mit der sogenannten­
Gegenkultur war ich trotzdem eng verbunden.
Beides war mir sehr wichtig: sowohl das­
»Gegen« als auch die »Kultur«.
ZEIT: Und dennoch haben Sie immer Abstand
gehalten von allen Orten, an denen sich zu viel
Aufmerksamkeit gebündelt hat.
Parks: Aber das hat es doch gerade so a­ ngenehm
für mich gemacht. Präsident Truman hat mal
Der wahre Moralist bekämpft zuerst sich selbst
Castorf im Berliner Ensemble arbeitet mittler­
weile mit anderen Gesichtern, vielleicht etwas
kürzer, nur viereinhalb Stunden lang, aber es
bleibt immer Castorf, laut und viril und rangelnd
wie beim Rugby, mit anderen Worten: Es hört nie
auf. Die Verschiebungen und Veränderungen, die
sich dabei ereignen, sind trotzdem interessant. Auf
eine verzweifelte Weise ist das à jour, dieser Fabian
ein Spätwerk, ein Spätling nicht nur eines gealter­
ten Regisseurs, sondern auch einer alt geworde­
nen, etwas morosen Gesellschaft.
Die Vorlage, also Erich Kästners Buch, das
1931 erschien und von einem jungen, ironischen
Beobachter der Sitten der endenden Republik
erzählt, von einem, der sachlich bleiben möchte,
sich trotzdem empört und schließlich »vor die
Hunde geht«, ist ein guter, aber nicht sehr guter
Roman. Er ist erotisch, aber nicht zu arg, im
Geiste links, aber nicht politisch. Er drängt sich
allerdings förmlich auf, um nach Analogien zur
Jetztzeit zu suchen, und Dominik Graf hat ihn
gerade verfilmt. Seinerzeit fällte Walter Benjamin
eines seiner stalinistischen Kunsturteile über den
Fabian: Das sei »linke Melancholie«, korrekt im
moralistischen Blick auf die Epoche, aber­
hoffnungslos, weil ohne Vertrauen auf eine­
kommunistische Zukunft.
Frank Castorf hat den Roman nicht dramati­
siert, er macht aus dem ohnehin locker kompo­
nierten Buch ein Fabian-Material, in dem sich
»Ich blieb auf Distanz«
Er veredelte die Songs der Weltstars: Der Musiker Van Dyke Parks spricht
über seine Begegnungen mit Frank Sinatra, Bono – und Albert Einstein
Rücksichtslose Psychoanalyse auf der Bühne: Frank Castorf inszeniert
Kästners »Fabian« am Berliner Ensemble  VON THOMAS E. SCHMIDT
zurechtfinden mag, wer es gelesen hat. Das ist
nicht wichtig. Was Castorf allein interessiert, ist
die politische oder nicht politische Pointe der Vor­
lage, also die Position des Moralistischen. Das
Heute kennt keinen sozialistischen Ausblick mehr,
nur noch einen unbesiegbaren Kapitalismus, der
nichts mehr verspricht und nichts mehr will, nicht
einmal mehr Böses. Verkörpert sich in Fabian,
dem Verstörten, heute nicht doch das letzte ­Echte?
Muss man nicht Moralist sein? Dann bleibt die
bittere Erinnerung an ein gesellschaftliches Jen­
seits übrig und die Rebellion gegen die bloße Fak­
tizität der persönlichen Ereignisse.
Der Moralist hat inzwischen immer recht,
weil er ein kleiner alter Holzmichel ist, der alle
anderen daran erinnert, dass es im Allgemeinen
besser zugehen solle – was alle auch gerne hören,
ohne dass es sie weiter schert. Und an diesem
trivialen Punkt mobilisiert Castorf dann doch
seine Altersradikalität: Er beklagt nicht länger,
dass es keinen linken Heroismus mehr gebe und
keine Utopien, er ziert sich auch nicht vor dem
Sittenverfall, fragt vielmehr nach dem persönli­
chen Preis für die moralistische Haltung, wenn
sie denn mehr ist als der erhobene Zeigefinger, er
steigt hinab in die Psyche, wo sich die verworfene
Welt abgelagert hat und der Ekel sich mit der
Faszination vermischt. Castorf sammelt das alles
ein, walkt und würgt es und presst es auf der
Bühne wieder aus.
FEUILLETON
Marc Hosemann (als Fabian)
und Margarita Breitkreiz
(als Cornelia)
55
gesagt: Es ist wunderbar, was man alles­
erreichen kann, wenn einem egal ist, wer dafür
im ­Rampenlicht steht. Ich blieb auf Distanz,
das war mir lieber – und ich hatte dennoch
genug ­Triumphe.
ZEIT: Sie waren immer enorm gefragt, wenn
jemand gesucht wurde, der an den Songs der
ganz großen Weltstars mitarbeitet. Ging es­
Ihnen da nur um Geld?
Parks: Nein! Es hat immer Spaß gemacht, an
ungewöhnlichen Produktionen mitzuwirken.
Dass zum Beispiel meine Arbeit mit dem­
Orchester für den U2-Song All I Want Is You
später im Mix von Gitarren und Schlagzeug­
begraben werden würde, war mir ehrlich ge­
sagt vorher klar. Ich habe mir mit dem Arran­
gement trotzdem große Mühe gegeben und
Bono in schöne Klänge eingebettet, um ihn,
umrahmt von Streichern, ­stärker herauszustel­
len. Aber ist es nicht
immer wieder das
Schicksal von Kunst,
dass sie unter die­
Räder kommt?
ZEIT: Bekommen Sie
von meinungsstarken
Künstlern wie Bono
konkrete Vorgaben,
was diese erwarten,
wenn sie Sie buchen?
Schon früh galt der Heute lebt Parks Parks: Die sind alle
1943 ­g eborene ­ in Hollywood – schlau genug, um zu
Van Dyke Parks als und macht immer wissen, dass letztlich
schillerndes Talent noch kluge Musik keiner von uns ir­
gendeine Ahnung von
irgendetwas hat. Wer
vorgibt, eine Ahnung zu haben, hat bereits ver­
loren. Man fängt immer wieder bei null an.
Aber solange meine Rechnungen bezahlt wur­
den, war mir das eh alles egal. Über meine
ganze Karriere hinweg ist meine Musik immer
mit extravaganten ­Ideen und Spie­le­reien auf­
geladen gewesen. Alle ­Musik, die ich mache,
ist kopflastig. Über alles zerbreche ich mir end­
los den Kopf: Warum? Warum? W ­ arum? Diese
Arbeit ist für mich immer w ­ ieder ein vollkom­
men meditativer Prozess. Ich bin allein in einer
dunklen Kammer mit der Musik, egal ob die
von U2 oder mir stammt. Es hilft, wenn man
nicht auf ­Anerkennung hofft.
ZEIT: Noch ein Gerücht: Stimmt es, dass Sie
Frank Sinatra damals getröstet haben, als ihm
der Erfolg der Beatles und der neuen Jugend­
kultur so schwer aufs Gemüt schlug, dass er
aufhören wollte?
Parks: Ich lief Sinatra zufällig über den Weg
und sagte ihm, dass er keinesfalls den Dienst
quittieren dürfe! Ich habe ihm dann die dama­
Fotos: Sam Emerson/Polaris/laif; Carsten Windhorst/Camera Press/ddp (r.); Matthias Horn (u.)
lige Popkultur erklärt, er hat sich dafür sogar
bedankt bei mir: »Thanks, kid, I’ve ­learned a
lot.« Dann habe ich ihm noch einen Popsong
empfohlen, der gut zu ihm passen würde.
ZEIT: Das Lied Something Stupid, das Ihr­
Bruder Carson Parks geschrieben hatte.
Parks: Genau, und das brachte Sinatra zurück
an die Spitze der Charts. Wissen Sie übrigens,
dass ich Einstein noch mal begegnet bin?
ZEIT: Tatsächlich?
Parks: Das war 1955, ich war mit einem
Freund im Kino, um Vincent ­Price in ­House
of Wax zu sehen, in 3-D. Wir saßen da alle
mit unseren 3-D-Brillen auf, und als plötzlich
eine Mumie von der Leinwand ins Publikum
zu fliegen schien, schrie jemand hinter mir
auf. Ich drehte mich um, und da saß Albert
Einstein und schüttete sich aus vor Lachen. Er
hat mich nicht wiedererkannt, aber gab mir
ein ­Autogramm.
Das Gespräch führte Christoph Dallach
Was herauskommt, ist ein Strom von Bildern Das moralistische Bewusstsein wird gepeinigt
und Texten, dramatischen Geräuschen und von den Erinnerungen an die Katastrophen der
Gesten, Gelaber & Gebrüll, wie stets, aber doch Geschichte und von den eigenen Versündigungen.
weitergetrieben, um Grenzen noch weiter zu ver­ Nichts ist eindeutig, nichts rundet sich: Castorf
wischen, zwischen dem Spiel und dem Video, betreibt eine rücksichtslose Selbst-Psychoanalyse
zwischen Sinn und Nichtsinn, dem Bedeutungs­ auf der Bühne, denn der Regisseur ist inzwischen
vollen des Stücks und dem Autobiografischen. der Schmerzensmann der Zeit. Die Schauspieler
Der Castorfsche Fleischwolf zermalmt den werden hier so etwas wie seine Äußerungsappa­
Kästner-Stoff ebenso wie die Zwanziger als kol­ raturen, ohne dass es noch was zu sagen gäbe,
lektive Erinnerungsschicht, den Film und die daher können sie nicht wirklich glänzen, keinen
Literatur – und am Ende auch ihn selbst, den individuellen ­Charme entfalten wie die Besten
Theatermann mit allen seinen Regiemarotten von ihnen damals in der Volksbühne. Castorf ­
und ausgeleierten Stilgesten, die genüsslich noch rules, und seine Akteure müssen das Theater als
einmal vorgeführt werden (das Fleisch, die Bade­ kathartische Anstalt parodieren. Aber es ist keine
wan­ne, das Blut, der Kartoffelsalat). Marc Hose­ wohlwollende Parodie mehr. Es geht jetzt nur
mann als Fabian bleibt ein Irrlicht inmitten noch um das vielstimmige, bilderwerfende Ende
dieser szenischen Fragmente, Andreas Döhler einer In­sti­tu­tion, die früher einmal für den Mo­
als Labude kann nur die Erinnerung spielen an ment Ich und Gesellschaft in einem Sinnbogen
Konstellationen, in denen es mal um »Schuld« zusammenspannte.
oder »Entscheidungen« ging. Die Frauen sind So ist Frank Castorf bei der Hermetik ange­
ein »Weibliches«, das mal zog und zerrte, aber langt, bei einer selbstzerstörenden theatralischen
immer schwierig, schwierig blieb. Ihre stärkste Hermetik als Resultat von Gesellschaftsanalyse
Phase hat die Inszenierung in der Liebes­ und Nabelschau. Der Moralist, wenn er groß und
geschichte zwischen Fabian und Cornelia­ ehrlich ist, wird zum Monstrum, das im Angesicht
(Margarita Breitkreiz): endloser Zerfall von der Verhältnisse sich selbst bekämpft und be­
Beziehung, aufgeregtes, entropisches Gefühls­ hauptet – und weiß, dass in der Selbstbehauptung
geblubber, irgendwie angefangen, irgendwie die größte Unmoral liegt. So in etwa quält sich
immer auf­hörend – aber toll am Klavier begleitet der Fabian von heute. Daneben ist es eine ganz
von Anna Wohlfarth. In dieser Welt entkommt andere Frage, ob es belebend ist, Castorf dabei
keiner mehr seinem konturlosen Ich. zuzusehen. Doch, eigentlich schon.
56
Was vom Terror übrig bleibt
I
rgendwo in Sachsen, wo die Fichten hoch
aufragen und der Fels ins Nirgendwo stürzt,
befindet sich ein kleines Monument. Fünf
politische Häftlinge sind hier gestorben, in
»Zustand und Gelände« zeigt Orte, an denen der
den Abgrund getrieben durch Folter beim
»Strafexerzieren«. »Absprungstelle siehe Totenkopf
mit Pfeil«, vermerkt die Gedenktafel pedantisch.
Der Totenkopf scheint zu fehlen, es sind Bohr­
löcher im Stein. Was will dieser Ort, der zugleich
erinnert und distanziert, vom Besucher? Die Bilder
des Films Zustand und Gelände werfen Fragen auf.
Bei den Toten im Wald handelt es sich um­
frühe Opfer des Faschismus. Der Dokumentarfilm
von Ute Adamczewski führt zurück ins Frühjahr
1933, als die Nazis, die Tinte auf der »Verordnung
zum Schutz von Volk und Staat« war noch nicht
trocken, 200.000 politische Gegner in sogenann­
ten wilden Lagern inhaftierten, zur Arbeit zwan­
gen, quälten und ermordeten – nicht die Schoah
steht hier im Fokus, aber man ahnt, dass es sich
um eine Vorstufe des KZ-Systems handelt, das
später Deutschland überzog. Viele der improvi­
sierten Lager befanden sich im Freistaat Sachsen,
wo einerseits die Arbeiterbewegung gut organi­
siert, andererseits die NSDAP stark war. Der Be­
griff »wild« weckt falsche Assoziationen von Ge­
setzlosigkeit und Heimlichkeit. Tatsächlich sperrte
die SA Kommunisten, Sozialdemokraten und­
Gewerkschafter, seltener Zeugen Jehovas und Ju­
den in Sporthallen, Jugendherbergen, Schlössern,
Fabriken und Gaststätten ein, unter den Augen
der Bevölkerung, in Zusammenarbeit mit Polizei,
Kommunalverwaltungen, Gewerbevereinen; es wur­
Abb.: Grandfilm
den Stellen ausgeschrieben, Waren geordert, Kos­
ten verrechnet. Aus dem Volkshaus Reichenbach,
wo man die Gaststube für Vernehmungen her­
gerichtet hatte, drangen die Schreie der gepeinig­
ten Häftlinge auf den Marktplatz, was eine gewisse
Unruhe erzeugte. Für Abhilfe sorgte die NS-­
Frauenschaft; sie schickte ein »dickes Federkissen,
etwa 50 Zentimeter im Quadrat«, in das die Ge­
sichter der Opfer gedrückt wurden.
Das ist fast 90 Jahre her – Zeitzeugen gibt es
nicht mehr. Zustand und Gelände ist ein Film ohne
»Protagonisten«, ohne den personalisierten narra­
tiven ­ Drive, der im Journalismus und in den­
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DI E RUHRTRIENNALE — DAS FESTIVAL DER KÜNSTE
Vom 14. August bis 25. Sep-
tember lädt die Ruhrtriennale
zeitgenössische Künstler:innen
ein, die monumentale Industrie-
architektur der Metropole Ruhr
zu bespielen. Zahlreiche Ma-
schinenhäuser, Kokereien und
Werkshallen verwandeln sich
dann in spektakuläre Bühnen.
Performancekünstlerin Florentina Holzinger © A. Bitzan
FEUILLETON
Ute Adamczewskis Dokumentarfilm
deutsche Faschismus begann  VON SABINE HORST
Auch die Relikte und Spuren
nachfolgender Generationen hält
Adamczewskis Essayfilm fest
Zu den außergewöhnlichen Aufführungsorten
der Ruhrtriennale gehören die Jahrhunderthalle
Bochum sowie das UNESCO-Welt-Kulturerbe
Zollverein in Essen. Mit ihrer industriellen Ver-
gangenheit des Bergbaus und der Stahlindus-
trie prägen sie die künstlerischen Arbeiten ent-
scheidend mit und machen die Ruhrtriennale
zu einem weltweit einzigartigen Festival. In
einem dreijährigen Rhythmus wird die Festival-
intendanz neu berufen — damit erfindet sich
die Ruhrtriennale immer wieder neu und gibt
jeder künstlerischen Leitung die Möglichkeit,
eine eigene stilgebende Programmatik und
Ästhetik zu entfalten.
Neue Intendantin: Barbara Frey
2021 übernimmt die Schweizer Regisseurin
Barbara Frey die künstlerische Leitung der
Ruhrtriennale. Zur Eröffnung ihrer Intendanz
inszeniert sie Der Untergang des Hauses
Usher und steigt mit einem mehrsprachigen
Ensemble in den Gedankenkosmos von Edgar
Allan Poe ein, der radikal wie kaum ein anderer
der Einsamkeit Ausdruck verliehen hat.
Intermediales Musiktheater
Seit seiner Uraufführung erstmalig wieder zu er-
leben ist das Musiktheater Bählamms Fest, ein
fantastisches, surreales Werk der österreich-
ischen Komponistin Olga Neuwirth für dessen
Umsetzung sie die Literaturnobelpreisträgerin
Elfriede Jelinek als Librettistin gewinnen konnte.
In Neuwirths Musik verschwimmen die Gren-
zen zwischen Gegenwart und Vergangenheit,
Mensch und Tier, Wunsch und Wirklichkeit. In-
szeniert wird das intermediale Pionierwerk vom
irischen Regieduo Dead Centre.
Theater, Tanz und Performance
Die Performancekünstlerin Florentina Holzin-
ger befragt in A Divine Comedy gemeinsam mit
einer generationsübergreifenden Besetzung
Ruhr triennale 2021–2023 | Kul tur Ruhr GmbH | Gerard-Mor tier-Platz 1, 4 4793 Bochum | Intendantin der Ruhrtriennale und Geschäftsführerin: Barbara Frey | Geschäftsführerin: Dr. Vera Battis-Reese ( V.i.S.d.P)
Dokumentarfilmsparten des Fernsehens heute
gefragt ist. Was in Sachsen geschah, entfaltet sich
in Auszügen aus behördlichen Briefwechseln,
An- und Verordnungen, Zeitungsartikeln, Tage­
büchern­und literarischen Texten, die die Schau­
spielerin Katharina Meves aus dem Off ein­
spricht. Diese Texte sind präzise und sachlich –
selbst in den Schilderungen der Gewalttaten, die
weniger politische Ranküne als den im Psycho­
logischen verankerten Sadismus des soldatischen
Mannes verraten, den Klaus Theweleit in seinem
Buch Männerphantasien beschrieben hat.
Die Orte, an denen das stattgefunden hat,
sind dagegen schwer zu entschlüsseln; sie wurden
von nachfolgenden Generationen ebenso umge­
widmet, wie die Nazis sie umgewidmet hatten,
man sieht ihnen die Verbrechen nicht an. Sanft,
aber insistierend gleitet die Kamera durch eine
an touristischen Attraktionen reiche deutsche
Kulturlandschaft, vorbei an Dörfern, aus denen
heimelig der Rauch in die Morgensonne steigt,
vorbei an mittelalterlichen Festungen und Re­
naissanceschlössern – Hohnstein, Colditz –,
durch Säle und Flure, in denen Deckenmalerei
an Beethoven und Mozart erinnert und Hirsch­
geweihe aus wer weiß welchen guten oder
schlechten Zeiten hängen. Es stapeln sich in
den Ecken aber auch moderne Konferenzstühle,
es wird in Sporthallen wieder geturnt, das Gar­
tenheim Berg­idyll bietet »Plattenservice außer
Haus« an, und Hermes liefert sowieso überall­
hin. Geschichtsvergessenheit ist die zweite the­
matische Linie des Films: Sie führt von der hilf­
losen bis fehlgeleiteten Gedenkkultur in der
sowjetischen Besatzungszone und der DDR
über die Verdrängung historischer Marker
durch die Geschäftigkeit der Nachwendezeit
bis hin zur Tatsache, dass das Vogtland, die­
Gegend um Plauen, Greiz, Reichenbach, zu­
einem ­bevorzugten Aufmarschgelände der Neo­
nazis ­werden wurde.
Ute Adamczewski hat Architektur studiert
und sich in Videoarbeiten wie Neue Ordnung –
über den Berliner Schlossplatz – bevorzugt mit
»Gebautem« beschäftigt; aktuell lehrt sie Doku­
mentarfilm an der Hildesheimer Universität. Es
Kosmisches Bühnenbild zum Tanzstück Cascade von Meg Stuart © M.Argyroglo
quer durch tänzerische, athletische und mu- mance zur Begegnung mit Kunstschaffenden
sikalische Disziplinen die kulturellen und so- aus aller Welt und der Region ein — ein intensi-
zialen Dimensionen des Todes. Ihr Ausgangs- ves Erlebnis!
punkt: Dantes Göttliche Komödie.
Außerdem mit dabei: Die Choreografin Meg
Stuart, deren Lebenswerk 2018 mit dem Gol-
denen Löwen der Venedig Biennale gewürdigt
wurde. Sie sucht in Cascade mit sieben
Tänzer:innen nach einem Halt im entro-
pischen Strom der Zeit: Kann es gelingen,
der Vergänglichkeit und Linearität der Zeit zu
widerstehen?
Insgesamt sechs Wochen lang lädt die Ruhr-
triennale mit Theater, Tanz, Musik und Perfor-
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
interessiere sie, wie sich »Gesellschaft im Mate­
riellen spiegelt«, schreibt sie zu ihrem Seminar.
Sie als historische Materialistin zu bezeichnen
ist mehr als ein Wortspiel. In Zustand und Ge-
lände erforscht sie nicht nur, wie sich Geschichte
in unserer Umgebung ablagert. Vielmehr be­
trachtet sie, was sie findet, mit dem Grauen, das
Walter Benjamin in den Thesen Über den Be-
griff der Geschichte dem historischen Materialis­
ten regelrecht abgefordert hat: »Es ist niemals
ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein
solches der Barbarei zu sein.« Dieses Bewusst­
sein drängt sich umso stärker auf, je weiter der
Film voranschreitet. Die Montage beschleunigt
sich nicht, der Tonfall ist sanft bis zum Ende, es
gibt keine dramatischen Wendungen – aber es
ist, als wäre kein Stein auf dem anderen geblie­
ben, als hätte die Regisseurin die Straße aufge­
rissen, die sich durch den schönen sächsischen
Wald windet, von Zwangsarbeitern gebaut.
Und damit liefert der Film, ob er das will oder
nicht, auch einen Kommentar zum gegenwärti­
gen Diskurs um Cancel-Culture. Man kann den
Kunstwerken und Kulturerzeugnissen im weite­
ren Sinn die Ideologie nie ganz austreiben; der
Wunsch, sich in ihrer Gegenwart sicher oder be­
stärkt zu fühlen, ist verständlich, hat aber mit
Aufklärung noch nicht viel zu tun.
Der am Anfang geschilderten Erinnerung an
den Tod der fünf Häftlinge in der Schlucht ist
ein Männerchor unterlegt: »Wie oft sind wir ge­
schritten auf schmalem Negerpfad ... Heia Safa­
ri«, ein launiger, mit Lagerfeuerromantik durch­
setzter Marsch, der die deutschen Kolonialver­
brechen in Afrika verherrlicht, als Volkslied Kar­
riere machte – Heino – und noch immer in rela­
tiver Unschuld auf You­ Tube kursiert. Die
Google-­Soft­ware könnte das sicher wegfiltern.
Aber würden wir dann nicht vergessen, wie das
Bündnis funktioniert, das der Terror mit dem
Harmlosen, der Faschismus mit dem Kitsch ein­
geht? Über die Text-Bild-Ton-Montagen in Zu-
stand und Gelände kann man unter diesem As­
pekt sehr lange nachdenken.
www.zeit.de/vorgelese
TICKETS & INFOS
Die Ruhrtriennale findet 2021 vom
14. August bis 25. September statt.
Informationen zu Programm, Kartenver-
kauf und Hotels über www.ruhrtriennale.de
und per Telefon unter+49 (0) 221 28 02 10
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 FEUILLETON 57

Literatur

Melissa Broder, 42,

wurde berühmt durch
ihren Twitter-Account
»So sad today« mit
einer Million Followern.
Foto: Patrice Normand/Leextra/Bridgeman Images

Sie lebt in
Los Angeles

Große Lust auf Himmelsspeisen

Die amerikanische Autorin Melissa Broder schreibt in ihrem Roman »Muttermilch« über eine sehr spezielle jüdische Selbstfindung  VON SARAH PINES

R
achel lebt in Los Angeles und ist Format des Geständnis-Tweets kultiviert, hat eine oder von der Arbeit, im Parkhaus oder an Straßen- ganze Leben genießen. Überrascht ertappte ich mich einen Penis. Und malt sich ständig Miriam aus:
einsam. Ihre billige Wohnung Mil­lion Follower. Wie schon die Protagonistin in ecken vor Mülltonnen, umgeben von Hitze, Fliegen bei dem Gedanken, dass sich Gott das vielleicht für »Ich stellte mir vor, wie ich in ihr Rückenfett biss
liegt in ­einem mit typischem kali- Broders Debütroman Fische (2018) ist Rachel ein und Gestank. Erst als Rachel am Sab­bat­abend bei uns wünschen würde, wenn es ihn gäbe.« und an den Rollen dort saugte, während ich ihre
fornischem Retro, mit Kacheln sad girl: Die traurige Weiblichkeit ist eine Form Miriams streng religiöser Familie eingeladen ist, fühlt Über die Spiritualität gemeinsamen Essens »hei- Arschbacken fickte.«
und Muscheln beklebten Haus. des Feminismus, der sich nicht über Selbstliebe sie sich zugehörig, glücklich und in gesundem Ver- len«, falsche Körperideale abstreifen: So etwas klingt Rachel lebt also hedonistisch, denkt nur an sich
Alles ist klapprig und etwas fanta- und Anerkennung definiert, sondern über den hältnis zum Essen, wie zuletzt als Kind, als sie mit modern. Die amerikanische Kritik preist Muttermilch und beginnt, mit ihrem Aussehen zu experimen-
sielos eingerichtet: Ikea-Bett, Ikea- zwanghaften Drang, Dinge zu sagen und zu be- ihren Großeltern in New Yorker Delis ging. denn auch in naiven, mit esoterischem Schwurbel tieren, trägt androgyne Kleidung und holziges
Stuhl, Ikea-Sofa. Essen und Kleidung kauft Rachel schreiben, die trist, peinlich oder degradierend Für Heinrich Heine, so steht es in seinem Gedicht versetzten Klischees feministischer Identitätspolitik: Männerparfum. Doch Miriam verlässt Rachel:
in Billiggeschäften, bei 7-Eleven und Subway. Auch sind. Der neurotische Umgang mit Ängsten, fal- Prinzessin Sabbath, können Juden, die ihre Das Buch sei lustbetont selbstermächti- Die Familienzwänge sind zu groß, sie soll heiraten
ihr Job ist aus Sicht der Unterhaltungsindustrie, für schen Projektionen und eingebildetem Begehren Identität verloren oder unterdrückt haben, gend, das Coming-out einer Frau, die ihre und Kinder kriegen. Und Rachel? Wird zur Butch
die L.A. steht, nichts Besonderes. Rachel arbeitet in könne, so sieht es Broder, das Selbst befreien – zu- weil sie sich assimilierten, konvertierten Begierden auf die Welt loslässt, die isst, was mit raspelkurzen Haaren und Cowboy-Gang, wird
einer Talentagentur, in der ihr Boss regelmäßig die mindest für einen Moment. oder, wie Rachel, so modern an die Gegen- sie will, schläft, mit wem sie will, aussieht, von einer gefallsüchtigen Anorektikerin zur
Schlagwörter der Stunde fallen lässt: Selbstermäch- Und so trifft der Leser von Muttermilch auf ­Rachel, wart angepasst leben, sich ihrem Jüdischsein wie sie will. »männlichen« Frauenheldin – beides Variationen
tigung, Identität, Diversität – auf die Rachel besessen von Kalorienzählen und winzigen Kleider- nur über das Essen wieder annähern. Ins- Doch auch in Broder steckt die Ironie patriarchaler Rollen. Broders wunderbare, tief-
genervt-­überlegen reagiert. Denn Identität, das ist größen, von Abführmitteln und verkniffenen Essens- besondere über Tscholent, einen traditio- eines Heinrich Heine. Muttermilch reitet gründige Ironie wendet im Fortgang der Erzäh-
Rachels Schlachtfeld. Sie hat, je nachdem, zu viel ritualen. Ihr dürrer, fettloser Körper ist Rachels nellen Eintopf der S­ abbatfeier, den es auch nicht bloß ganz vorne auf dem identitä- lung das identitätspolitische Blatt: Im Bemühen,
oder zu wenig davon. Sie ist Jüdin, aber »keine Schutzschild; er suggeriert die Kontrolle über ihr bei Miriams Familie gibt. »Himmelsspeise«, ren Wellenkamm. Denn Rachels Identi- uns vom patriarchalen Korsett zu befreien, schnü-
gute«, wie sie sagt. Denn sie ist weltlich und nahezu Leben, die sie nicht hat, nie hatte. Bis, tja, bis Rachel »koscheres Ambrosia« nennt Heine den tätsfindung ist vor allem eines: die nar- ren wir es nur noch enger, taumeln von einem Kos-
traditionslos aufgewachsen, mit einer idealkörper- auf Miriam trifft, die in einer Frozen-Yogurt-Bar ar- Tscholent, und Rachel dachte »an alle Be- zisstische Suche nach Sex, Spaß und tüm ins nächste. Und genauso soll es paradoxer­
besessenen Mutter, die sie in Dysmorphie und Ano- beitet. Die beiden verlieben sich. Miriam wird rasch standteile des Eintopfs«, während sie ihn Melissa Broder: nach Fetischen, auf die sich die eigene weise wohl sein: »Identität« ist nichts Natürliches,
rexie trieb. Rachel ist lesbisch, weiß aber nicht so das Yin zu Rachels Yang. Sie ist hellhaarig, hellhäutig, aß: »die Karotten, die Zwiebeln, das Rind- Muttermilch. Gier als ödipale Romanze projizieren sondern immer ein gesellschaftlich sanktioniertes
genau, ob das wirklich stimmt und wie sie, wenn ja, weich und fett, außerdem streng religiös. Zusammen fleisch, die Soße. Ich stellte mir das Gemü- Aus dem lässt. »Ich will sie ficken«, denkt Rachel, Konstrukt, das allenfalls natürlich erscheint. Iden-
ihre Sexualität ausleben soll. sind sie eins, fantasiert Rachel. se vor, wie es im Boden wuchs. Ich stellte Eng­l ischen von ­ wenn sie Frauen sieht, die ihr gefallen. tität ist F
­ ake, und es ist wichtig, dass sie F
­ ake ist,
Muttermilch ist der zweite Roman der amerika- Mit Miriam beginnt Rachel (koscher) zu essen, mir die grasenden Kühe vor. Alle Elemen- Karen Gerwig; Sie stellt sich Sex mit mütterlichen Frau- denn sonst wären wir im Bereich angeborener­
nischen Schriftstellerin und Bloggerin Melissa viel, immer mehr. Innerhalb kürzester Zeit nimmt te waren für sich genommen nahrhaft, aber Claassen, Berlin en vor, deren Brüste sie nach Milch ab- Essenzialismen. Identität macht nicht frei: Freiheit
Broder, die mit ihrem Mann und einem Hund, sie sechs Kilo zu, verliert die Kontrolle über Diäten noch saftiger und besser, wenn sie als 2021; 336 S., sucht. Je mehr Rachel isst, desto mehr liegt allein im kurzen Moment ihres Erschaffens –
der Gewürzgurke heißt, in Los Angeles lebt. Ihr und Essensrituale, stopft Junkfood in sich hinein, Ganzes zusammenkamen. Tscholent war 24,– €, als Sex will sie: Sie masturbiert auf dem das führt uns Melissa Broder noch einmal ein-
Twitter-Account SoSadToday, auf dem Broder das Burritos, Muffins, Donuts, hastig auf dem Weg zur zum Genießen bestimmt. Man konnte das E-Book 19,99 € Fahrrad im Fitnessstudio, erträumt sich drücklich vor.

Missionarisch unter Palmen unterwegs Der Weltgeist trinkt im Schlüterhof

Katharina Döblers Familienroman über den religiösen Kolonialismus  VON HANS-PETER KUNISCH Erstmals wurde in Berlin der Deutsche Sachbuchpreis vergeben
Kolonialismus ruft heute nur verächtliche Reaktio- sichtslos. Widerwillig heiratet sie also Heiner, einen licht sie, wie dieses sich als Reaktion auf die Natürlich kann man auch in diese überraschende stand demonstrieren zu einflussreichen Chefs in der
nen hervor. Niemand versteht mehr, warum weiße jungen Missionsverwalter, der »eine Frau braucht«. koloniale Geschichte der Familie entwickelte Wahl etwas hineindeuten. Erstmals wurde am Bewusstseinsindustrie. Die Jury unter dem Vorsitz
Menschen in weißem Leinen mit überheblichen Nach der arrangierten Hochzeit muss Marie volle (noch beide Eltern lebten als Kind in Neu­ Montag in Berlin der Deutsche Sachbuchpreis Kia Vahlands von der Süddeutschen Zeitung scherte
Gesichtern auf Veranden saßen und Abstand zu neun Jahre warten, bis Heiner sich »dort« zurecht- guinea, noch der Vater wurde Pfarrer). Döbler vergeben, jene Auszeichnung, die der Börsen­ das nicht; überhaupt hatte sie eine starke Shortlist aus
den Einheimischen hielten, wie es heute zahlreiche gefunden hat und sie zu ihm kann; da ist der Erste verlinkt die Zeiten und ermöglicht zugleich verein des Deutschen Buchhandels initiiert hat, acht intelligenten Sachbüchern zusammengestellt,
vergilbte Fotos dokumentieren. Waren sie wirklich Weltkrieg schon vorbei. Der andere Groß- Distanz. In die Vergangenheit ge- um dem Deutschen Buchpreis für den besten bei der die Entscheidung schwerfiel. Schade nur, dass
nur an Ausbeutung interessiert? vater ist verantwortlich für das »dunkle langt sie über alte Fotografien, die als Roman eines Jahres ein verkaufs- und debatten- die Humboldt-Forum-Antipoden Bé­né­dicte Savoy
Einen Einblick in den oft religiösen Hintergrund Geheimnis« der Familie. Noch unverhei- Brücke zum Gestern fungieren. Die trächtiges Non-Fiction-Pendant an die Seite zu und Hermann Parzinger mit ihren Büchern nicht
von weißem Rassismus in den Kolonien gibt Ka- ratet, wird Johann Hensolt fieberkrank, Sprache der Autorin bleibt dabei ein- stellen. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis ging dabei waren, das hätte explosiv werden können.
tharina Döblers zweiter Roman Dein ist das Reich, der eine Einheimische, die er »Martha« nennt, dringlich sanft, aber in ihrer inneren ausgerechnet im neuen Humboldt Forum an Aber bei dieser Premiere war all das nicht so wich-
den eigenen Vorfahren nachspürt. Alle Großeltern pflegt ihn, sie wird Mutter, er wird sus- Haltung unmissverständlich kritisch. Jürgen Kaubes Buch Hegels Welt (Rowohlt Berlin) tig. Denn der Ort wurde zum Hauptakteur. Diese
der 1957 in Franken geborenen Journalistin kamen pendiert, wegen Verführbarkeit »durch Katharina Döblers Roman kommt über den Philosophen und seine Epoche. Schräg neue Merkwürdigkeit auf der Museumsinsel, die bald
nämlich auf unterschiedlichen Wegen zur Neuen­ Femina«. zur richtigen Zeit, um der deutschen gegenüber vom Preußenschloss hatte Hegel an allmählich für das Publikum öffnet, bekam einen
det­tels­auer Mission, die eine zentrale Rolle in der bis Dem religiösen Kolonialismus fehlt bei Kolonialismusdiskussion Anschauungs- der von Wilhelm von Humboldt gegründeten Eventtauglichkeitstest. Man irrte neugierig durch
1919 deutschen Kolonie namens Kaiser-Wilhelms- Döbler das abfällige Herrenmenschentum material zu liefern. Schon der Buchtitel Universität gelehrt. Der schon damals schwer Lichthöfe, an Rolltreppen und pathetischen Riesen-
Land auf Neuguinea spielte. der Händler: Lange war man bieder deutet es an: Mit »Reich« sind nicht nur rumorende Weltgeist wurde vor 200 Jahren von säulen vorbei, wunderte sich über diesen gigantischen
Das Personal der Erweckten, die als geistliche Be- deutschnational. Es ging darum, die Ein- Katharina das himmlische und das Kaiserreich Berlins Mitte aus ins Visier genommen, und die Zwitter aus Kulissenzauber und Büropassage, mit
gleiteskorte der militärischen Kolonisatoren in den heimischen moralisch zu »heben«. Auf die Döbler: gemeint. Denn die Mission überlebte Humboldt-Brüder aus weißem Marmor grüßten Radfahrern und Spaziergängern. Nach all den abge-
deutschen Tropen auftauchten, bestand aus überzäh- prostitutionsverfallenen Kaufleute schau- Dein ist das den politischen Kolonialismus um Jahr- an diesem Som­mer­abend vielleicht extra wohl- sagten Messen sahen sich Buchmenschen wieder,
ligen Bauernsöhnen und Kleinbürgern, die im stän- ten die Missionare oft angewiderter als auf Reich. zehnte – und alle Großeltern wollten wollend ­herüber. fremdelnd im ungewohnten Umfeld, langsam
disch geprägten »Reich« nichts zu lachen hatten. jene, betrachteten sie als Schande für die Roman; 1933/34 dringend das neu erwachte Der ob seiner Wahl verdutzte Kaube sinnierte tratschte und trank man sich warm, man war noch
Döbler zeigt, wie die Mission Aus- und Aufstiegs- weiße Rasse. Claassen Verlag, Nazi-Deutschland erleben, mal mit vor pandemisch begrenztem und getestetem da, ja, so viel hatte sich gar nicht verändert, und ja,
möglichkeiten versprach. Dennoch war der Weg Formal fährt Döbler eine doppelte Berlin 2021; etwas Distanz, mal mit großer Nähe. Buchbranchenpublikum im Saal über die Gegen- vielleicht würde alles doch bald wieder so wie früher.
dorthin oft vom engen Herkunftsmilieu geprägt: Strategie: Indem sie parallel zur histo­ 479 Seiten, Neuen­det­tels­au, das bis heute als »Mis- wartstauglichkeit seines Helden. Mit dem FAZ- Hegels Eule der Minerva flatterte im Dämmerlicht
Marie, eine der Großmütter der Ich-Erzählerin, wäre rischen Handlung auch aus dem Leben 24,– €, sion EineWelt« überlebt hat, war letzt- Herausgeber als erstem Preisträger hatten die des Schlüterhofes zwar nicht herum. Aber dennoch
gerne Ärztin geworden, aber so etwas war völlig aus- ihrer Ich-Erzählerin berichtet, verdeut- E-Book 21,99 € lich auch rassistisch und verführbar. wenigsten gerechnet, auch weil Jurys gerne Ab- war es wohl ein Anfang. ALEX ANDER CAMMANN
58
Wenn der Ex-Dissident ausflippt
»Tasso im Irrenhaus« – Ingo Schulzes Kunsterzählungen sind überaus feinsinnig. Und doch ...  VON HUBERT WINKELS
Ü
ber bildende Kunst zu schrei-
ben ist immer eine heikle­
Sache, da sich ein Text als ein
abstrakt-symbolisches Medium
einem stofflich-sinnlichen Me­
dium an­ bequemen muss. In
der Kunstkritik darf das oft
analytisch-distanziert geschehen. Wenn aber ein
Schriftsteller mit poetischer Haltung über ein Kunst-
werk schreibt, wird aus den damit verbundenen äs-
thetischen Rückkopplungen die Kunstübung einer
gewollten Verstrickung: mit dem so anders, nämlich
materiell organisierten Schönen. Man kann es mit
jenem Bild ausdrücken, an dem Lessing die Unter-
schiede von bildender Kunst (im Raum) und Litera-
tur (in der Zeit) erläuterte: Autor und Kunstwerk
verschlingen sich mit­ein­an­der wie Laokoon und
seine Söhne mit der feindlichen Riesenschlange.
Im längsten der drei älteren Texte, von Ingo
Schulze gründlich überarbeitet, ja neu installiert
als Kunst-Erzählungen für diesen Band, gilt die
Annäherung des Ich-Erzählers tatsächlich einem
laokoonesken Monster, der »schwarzen Maschine«,
wie die Kunst­instal­la­tion von Reinhard Mucha im
Düsseldorfer Museum K21 im Text genannt wird.
Es ist so wuchtig wie sein Name Deutschlandgerät.
Schulze nähert sich ihm denkbar umständlich an:
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BACKNANG
Galerie der Stadt Backnang
bis 27.06.2021: verlängert Uta Zaumseil „Nachtflüge“
Tel. 07191/894-477, Petrus-Jacobi-Weg 1, Di-Fr 17-19, Sa/So 14-19 Uhr
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ab 11.06.2021: Der Sammler Ernst Riecker
Tel. 07191/894477, Petrus-Jacobi-Weg 5, Di-Fr 17-19, Sa/So/ 14-19 Uhr
BADEN-BADEN
27. märz — 15. August 2021
AUFBRUCH ZUR AVANTGARDE
Impressionismus
in Russland
BAYREUTH
Kunstmuseum Bayreuth / Altes Barockrathaus,
www.kunstmuseum-bayreuth.de
bis 20.06.2021: DIE BUNTE WELT der Musik! Eine Ausstellung aus dem
Plakatmuseum im/und Kunstmuseum Bayreuth Tel. 0921/7645310
BEDBURG HAU
Museum Schloss Moyland
bis 29.08.2021: Joseph Beuys und die Schamanen
www.moyland.de, Tel. 02824 9510-60, info@moyland.de, Am Schloss 4,
47551 Bedburg-Hau, Di-Fr 11-17, Sa, So, Feiertag 10-18 Uhr, Mo geöffnet, nur Parkanlage
BERLIN
Berlinische Galerie – Museum für Moderne Kunst
bis 16.08.2021: Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre
bis 16.08.2021: Marc Bauer The Blow-Up Regime.GASAG Kunstpreis 2020
bis 02.08.2021: Provenienzen Kunstwerke wandern
bis 20.09.2021: Park Platz
Dauerausstellung: Kunst in Berlin 1880–1980
www.berlinischegalerie.de, Alte Jakobstr. 124–128, 10969 Berlin, Mo, Mi-So 10-18
C/O Berlin
29.05. bis 02.09.2021: Send me an Image . From Postcards to Social Media
29.05. bis 02.09.2021: Nadine Ijewere . Beautiful Disruption
29.05. bis 02.09.2021: Anna Ehrenstein . Tools for Conviviality . C/O Berlin
Talent Award 2020
www.co-berlin.org, Tel. 0302844416, info@co-berlin.org,
Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin, Berlin, tägl. 11-20 Uhr
Deutsches Historisches Museum
bis 27.06.2021: Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall
bis 20.06.2021: Report from Exile. Fotografien von Fred Stein
bis 09.01.2022: documenta. Politik und Kunst
www.dhm.de, Unter den Linden 2, tägl. 10-18
Gerade erschienen:
GEMEINSCHAFTSKATALOG DER ANTIQUARE 2021
Kostenlos bei: GIAQ eG, Luxemburger Str.31, 13353 Berlin, Tel.030-4660 4908.
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BIELEFELD
Kunstforum Hermann Stenner
13.03. bis 15.08.2021: Hans Purrmann: Ein Leben in Farbe
www.kunstforum-hermann-stenner.de, Tel. 0521 800660-0, Obernstr. 48,
33602 Bielefeld, Mi-Fr 14-18, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr
BOCHUM
Kunstmuseum Bochum, www.kunstmuseumbochum.de
Dauerausstellung: sichtbar - Die Eigene Sammlung
bis 29.08.2021: Friederike Klotz - INWIEFERNO
ab 26.06.2021: Bochumer Künstler 2021
BONN
Bundeskunsthalle
bis 20.06.2021: HANNAH ARENDT und das 20. Jahrhundert
bis 25.07.2021: ABY WARBURG: BILDERATLAS MNEMOSYNE Das Original
bis 12.09.2021: DRESS CODE. Das Spiel mit der Mode
www.bundeskunsthalle.de, Di u. Mi 10–21, Do-So 10–19 Uhr
KUNSTMUSEUM BONN
bis 29.08.2021: ultra all inclusive - Frank Bölter Ausst. f. Kinder u. Jugendl.
bis 04.07.2021: Susan Philipsz The Calling Ausstellung im Viktoriabad Bonn
bis 05.09.2021: Sound and Silence Der Klang d. Stille i. d. Kunst der Gegenwart
bis 29.08.2021: Walter Swennen Das Phantom der Malerei
www.kunstmuseum-bonn.de, Tel. 0228/776260, H.-K.-Allee 2, Di-So 11-18, Mi-21
FEUILLETON 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
Literatur
Ein zur Kunstbeschreibung moralisch genötigter gen und ganzer Biografien im Laufe der Ge- seher schien zu bersten.« Hier kündigt sich schon das von Homer und Vergil über ­Byron und Goethe bis
Erfolgsschriftsteller schreibt an die Museums­ schichte entspricht. Als er darüber stirbt, fühlt der baldige Ende des Dissidenten an. Später erzählt zu Baude­laire angeschlagen sind, gelangt der Text
direktorin, um zu erklären, dass er mit dem Erzähler die Verpflichtung, nun statt seiner darü- dessen attraktive Witwe alles bisher über ihn Gesagte zum Thema Schweiz, dem Land der Ausstellung,
Schreiben über das Kunstwerk zögere und was das ber zu schreiben. Auch er erkennt, dass nicht ein ganz anders, neu­instal­liert eben. für den Erzähler der Inbegriff des reichen, über­
mit dem scheiternden Versuch der Kunstbeschrei- Beobachter einen Gegenstand beschreibt, sondern Viel erfahren wir über die Kunst, auch die lege­nen Westens. Er kommt auf die Trias »Geld,
bung eines anderen Schriftstellers zu tun habe, dass jedes Ding im Gebrauch ein anderes wird, Kunst der erzählerischen Verstrickung, und ihre Geld, Geld«, gefolgt von »Blut, Blut, Blut«, ver-
eines ehemaligen DDR-Dissidenten. Dieser hatte »neu­instal­liert« wird, wie es immer wieder heißt. Verwandlung im Lauf der Zeit. Es wird bald klar, klammert durch den Begriff der Geldwäsche. Man
unter seiner Ausbürgerung in den Westen vor al- Es ist bewundernswert, wie Ingo Schul- dass die komplizierte Erzählform an die fragt sich, warum eine kunst- und literatur­
lem deshalb zu leiden, weil sein Dissidentenstatus ze durch die komplizierten Arrangements Form des Deutschlandgeräts angelehnt geschichtlich aufgezäumte, existenzialistisch auf-
bald als halbherzig galt und hier im Rheinland der Maschine und seiner eigenen Erzählung ist. Jedoch bekommt man dabei das Ge- geladene Kunstmeditation diese groben Polit-
ohnehin niemanden mehr interessierte. Der Ex- führt. Doch es gibt auch ein verstörendes fühl, ein Berg gebäre eine Maus. Denn knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt.
Dissident bat nun den jüngeren Autor um eine Motiv, das sich durch diese und die beiden dass eine neue politisch-soziale Umge- In der dritten Geschichte über den sterbenden
Begutachtung des von ihm verehrten Deutsch- anderen klugen kunstverwebenden Ge- bung auch zum veränderten Blick auf Maler Johannes Grützke, einer launig-humoristi-
landgeräts in Düsseldorf, mit dem der Ältere sich schichten zieht: ein allzu simples politisches einen Begriff wie Unrechtsstaat führt, schen Nachbildung des klaustrophobischen Cha-
schon eine Weile aus zunächst undeutlichen Motiv. Bei Deutschlandgerät ist es die Hal- diese Einsicht ist im Verhältnis zur Er- rakters seiner überbevölkerten Bildräume, grübelt
Gründen herumschlägt. Es mutet wie eine Prü- tung zur Geschichte der DDR. Der Ex-Dis- zählung selbst: unterkomplex. der Erzähler: »Ich hatte ja wirklich keine Ahnung,
fung des Jüngeren an. Hier folgt eine tief ver- sident kann die westdeutsche Forderung, Etwas Ähnliches deutet sich auch in was es bedeutete, in der ehemaligen BRD gegen-
schachtelte Darstellung des gewaltigen Kunst- alle Ostdeutschen müssten bekennen, dass der Geschichte über Dela­croix’ Gemälde ständlich zu malen. Wurde man östlicher Sym-
werks durch den jüngeren Betrachter. Dazu ge- die DDR ein Unrechtsstaat war, nicht mehr Ingo Schulze: Tasso im Irrenhaus in Winterthur an. pathien verdächtigt? Wie viele Bücher hatte ich
hört, wie der alte Dissident immer wieder betont, ertragen. Als der Erzähler den Dissidenten Tasso im Wieder ist es ein Schriftsteller als Ich-­ zu lesen, um das Umfeld, in dem der Maler
dass es einmal den Deutschen Pavillon bei der in seiner Wohnung besucht, flippt der bei Irrenhaus. Erzähler, der über ein Kunstwerk schrei- Grützke agierte, zu begreifen?« Mit Lesen ist es
Biennale in Venedig ausgefüllt habe und bei der einer Anne Will-Talkshow aus, »während Erzählungen; ben soll. Auch hier spiegeln die feinsin- hier nicht getan, möchte man rufen: Loslassen!
Neu­ instal­
la­
tion im ehemaligen Plenarsaal des sich auf dem Bildschirm die Moderatorin dtv, nig entfalteten Rahmenbedingungen der Jedenfalls bei der erzählerischen Arbeit den ver-
nordrhein-westfälischen Landtags an etlichen Will mit dem dröhnenden Wort ›Unrechts- München 2021; Kunstbetrachtung – von der Anreise bis meintlichen politischen Letztgrund loslassen.
Stellen verändert worden sei. Das scheint für ihn staat‹ und ›Drei haben wir schon‹ einem 161 S., 20,– €, zum Cappuccino im Foyer – die ent- Dafür gibt es Pamphlete, Essays und Preisreden,
der Schlüssel: dass die Veränderung des Kunst- Gast zuwandte, offenbar dem vierten. als E-Book deckten inneren Bezüge aller Bildele- ein Genre, das Ingo Schulze so klug nutzt wie
werks der Veränderung der Begriffe, der Haltun- Dann schepperten die Scheiben, der Fern- 16,99 € mente. Nachdem literarische Referenzen kaum ein Künstler sonst.
1 9 . 0 6 . bis 2 5 . 0 6 . 2 02 1
Historisches Museum Frankfurt
bis 10.10.2021: Die Stadt und das Grün. Frankfurter Gartenlust
AUSTELLUNGS
historisches-museum-frankfurt.de, Saalhof 1, Di-Fr 10-18, Sa-So 11-19 Uhr
Liebieghaus Skulpturensammlung
documenta
bis 26.09.2021: BUNTE GÖTTER – GOLDEN EDITION. Die Farben der Antike
documenta
www.liebieghaus.de, Tel. 069-605098-200, Schaumainkai 71, Di, Mi 12-18,
Do 10-21, Fr-So 10-18 Uhr
HIGHLIGHT
Politics MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST
Politik und
and Art
bis 07.11.2021: TOWER MMK: Sammlung
ab 29.05.2021: Taunusanlage: Cyprien Gaillard. Frankfurter Schacht
ab 02.06.2021: ZOLLAMT MMK: Ja‘Tovia Gary. The Giverny Suite
Städel Museum
Kunst
bis 29.08.2021: Städels Beckmann / Beckmanns Städel. Die Jahre in Frankfurt
Sammlung Iveta und Tamaz Manasherov, Moskau
d
www.staedelmuseum.de, Tel. 069-605098-200, Schaumainkai 63,
Alexej von Jawlensky, Andrei und Katja, 1905
Di, Mi, Fr-So 10-18, Do 10-21 Uhr
II.
FRIEDRICHSHAFEN
Zeppelin Museum Friedrichshafen
III bis 07.11.2021: Beyond States Über die Grenzen von Staatlichkeit
Tel. 07541-38010, Seestr. 22, Öffnungszeiten unter www.zeppelinmuseum.de
4. HALLE (SAALE)
5 Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
bis 08.08.2021: La Bohème. Henri de Toulouse-Lautrec und die Meister vom
6 Montmartre
Friedemann-Bach-Platz 5, 06108 Halle, www.kunstmuseum-moritzburg.de
7
HALLE/SAALE
8
Franckesche Stiftungen
02.05. bis 13.10.2021:
IX
»Heilen an Leib und Seele. Medizin und Hygiene im 18. Jahrhundert«
Jahresausstellung - online auf www.francke-halle.de
X HAMBURG
18. Juni 2021 -
9. Januar 2022
DORTMUND ESSEN
Museum Folkwang
Konzerthaus Dortmund
Sa 20:00 Liederabend Matthias Goerne / , Di 20:00 Auryn Quartett / , Mi 19:00 bis 27.06.2021: Soham Gupta – Angst
Junge Wilde – Alexej Gerassimez / , Do 19:00 Junge Wilde – Lucas & Arthur bis 27.06.2021: STOPOVER – M.A. Photography Studies
Jussen mit Werken u. a. von Mozart, Schubert und Ravel an zwei Klavieren sowie bis 25.07.2021: 6 ½ Wochen. Bahar Noorizadeh – The Red City of the Planet of
Capitalism
zu vier Händen, www.konzerthaus-dortmund.de, Tel. +49 231 – 22 696 200
www.museum-folkwang.de, Tel. 0201-8845-444, Museumsplatz 1, 45128 Essen,
DRESDEN Di, Mi, Sa, So, feiertags 10-18, Do, Fr, 10-20 Uhr. Eintritt frei in die Sammlung
Ruhr Museum, Zollverein A 14
STAATLICHE KUNSTSAMMLUNGEN DRESDEN
Dauerausstellung: Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebiets
Aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Programm, Hygienevorschriften bis 03.10.2021: Kindheit im Ruhrgebiet, Galerieausstellung
sowie unserem digitalen Angebot finden Sie auf unserer Website bis 26.09.2021: Die Unsichtbare Skulptur. Der Erweiterte Kunstbegriff nach
WWW.SKD.MUSEUM Joseph Beuys, Zollverein, Halle 8
Zeittickets für Ihren Besuch können derzeit nur im Vorverkauf über www.ruhrmuseum.de, Tel. 0201-24681 444, Gelsenkirchener Str. 181, tgl. 10-18
shop.skd.museum gebucht werden.
FLENSBURG
DÜSSELDORF Museumsberg Flensburg
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen bis 10.10.2021: True Colours Farbe in Kunst, Literatur und Musik
Präsentation der ständigen Sammlung www.museumsberg.de, tägl. 11:30-17 Uhr, Mo geschl.
bis 15.08.2021: K20: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ Kosmopolitische Übungen FRANKFURT AM MAIN
mit Joseph Beuys
Archäologisches Museum Frankfurt
bis 17.10.2021: K20: Christoph Schlingensief. Kaprow City bis 30.01.2022: Menschsein. Die Anfänge unserer Kultur.
bis 05.09.2021: K21: Isa Genzken bis 30.10.2022: Im Glanze Heiliger Stätten. St. Leonhard in Frankfurt am Main.
Tel. 0211.8381-204, K20, Grabbeplatz 5 – K21, Ständehausstr. 1, Düsseldorf, archaeologisches-museum-frankfurt.de, Tel. +496921235896, Karmelitergasse 1,
Di-Fr 10-18, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr 60311 Frankfurt am Main, Di-So 10-18, Mi 10-20, Mo geschl.
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
BREMEN
Infos und Reiseangebote:
BTZ Bremen Touristik-Zentrale
www.bremen-tourismus.de
Tel 0421-30 800 10
WESERBURG Museum für moderne Kunst Teerhof 20, Tel 0421-59 83 90,
www.weserburg.de, Di – So 11 – 18 Uhr;
19. 6. – 31.10. 2021: Peter Piller – Richard Prince
23. 7. – 14. 11. 2021: Peter Piller – Archiv der Bücher
bis 4. 7.2021: Das Wort steht im Raum – Skulpturale Poesie
bis 15. 8. 2021: Luca Vitone. Macht
bis 15. 8. 2021: DUFT, SMELL, OLOR, …
bis 23.1.2022: So wie wir sind 3.0
Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Ludwig Roselius
Museum Böttcherstr. 6 – 10, 28195 Bremen, www.museen-boettcherstrasse.de;
bis 5. 9. 2021: Avantgarde. Bernhard Hoetger und Paula Modersohn-Becker in Paris
bis 5. 9. 2021: Unverblümt. Camilla Nicklaus-Maurer & Paula Modersohn-Becker
Focke-Museum, Bremer Landesmuseum Schwachhauser Heerstraße 240,
Tel 0421-699 600-0, www.focke-museum.de, Di 10 – 21 Uhr, Mi – So 10 – 17 Uhr;
bis 9. 1. 2022: Medienwelten. 75 Jahre Radio Bremen
Übersee-Museum Bremen – Faszination.Ferne.
Bahnhofsplatz 13, Tel 0421-160 38 0, www.uebersee-museum.de;
bis 10. 7. 2022: Korallenriffe – vielfältig. verletzlich. verloren? Im Kabinett Übersee
Gerhard-Marcks-Haus Am Wall 208, 28195 Bremen, www.marcks.de,
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr; bis 4.7.2021: Elisabeth Frink. Man is an Animal
Overbeck-Museum Altes Packhaus Vegesack, Alte Hafenstr. 30, 28757 Bremen,
Tel 0421-663 665, www.overbeck-museum.de, Di – So 11 – 18 Uhr;
bis 18. 7. 2021: Paul Kother – Melancholischer Expressionismus
Universum® Bremen Wiener Straße 1a, www.universum-bremen.de,
Tel 0421-33 46 0; Reisen Sie jetzt ins All – in der aktuellen Sonderausstellung
Up to Space.
Hafenmuseum Speicher XI und Infocenter Überseestadt Am Speicher XI 1,
Tel 0421-30 38 279, www.hafenmuseum-speicherelf.de, Do – So 11 – 18 Uhr;
150 Jahre Hafen- und Stadtentwicklung hautnah!
Wilhelm Wagenfeld Haus Am Wall 209, 28195 Bremen, Tel 0421-33 999 33,
www.wilhelm-wagenfeld-stiftung.de, Di 15 – 21 Uhr, Mi – So 10 – 18 Uhr;
bis 29. 8. 2021: Graphic Novel mit Battle of Print
DIE
PICASSO
CONNECTION
DER KÜNSTLER UND
SEIN BREMER GALERIST
S 29. AUGUST!
VERLÄNGERT BI
Pablo Picasso, André Villers, Torbi, 1962 Pablo Picasso, Zwei Frauen mit Blumenvase, 1959
Picasso, Frau im Lehnstuhl I, nach der roten Platte (Der polnische Mantel), 1948 Pablo Picasso, Bacchanal
mit Stier, 1959 Pablo Picasso, Portrait einer Frau mit Pomponhut und bedruckter Bluse, 1962
Picasso, Sylvette, 1954 Pablo Picasso, Frauenbüste: Jacqueline 1956/60
Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2020, André Villers: VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Ermöglicht durch: Gefördert durch:
HAMBURG
Deichtorhallen Hamburg
bis 01.08.2021: William Kentridge, Why Should I Hesitate
bis 18.07.2021: Family Affairs. Familie in der aktuellen Fotografie
bis 25.07.2021: In der Sammlung Falckenberg (Harburg) Katharina Sieverding.
Fotografien, Projektionen, Installationen 2020-1966
www.deichtorhallen.de, Deichtorstr. 1-2, 20095 Hamburg, Di-So 11-18 Uhr
HAMBURGER KUNSTHALLE
18.06. bis 28.11.2021: Out of Space
bis 15.08.2021: Serien. Druckgraphik von Warhol bis Wool
bis 05.09.2021: Früher war schon immer jetzt. Malerei seit `47 neu präsentiert
bis 29.08.2021: Unfinished Stories. Geschichten aus der Sammlung
bis 31.12.2023: Making History. Hans Makart und die Salonmalerei des 19. Jh.
bis 21.07.2022: Von Mischwesen. Skulptur in der Moderne
bis 25.07.2021: Walter Gramatté und Hamburg
www.hamburger-kunsthalle.de, Tel. 040/428131200, Glockengießerwall 5,
20095 Hamburg, Di-So 10-18/Do 10-21, 1. Mai 12-18 Uhr geöffnet
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
bis 31.10.2022: Die Sprache der Mode
bis 20.03.2022: Made in China! Porzellan
bis 09.01.2022: Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage
bis 25.07.2021: Life on Planet Orsimanirana
bis 18.07.2021: Schule der Folgenlosigkeit. Übungen für ein anderes Leben
www.mkg-hamburg.de, Steintorplatz, 20099 Hamburg, Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr
Stiftung Historische Museen Hamburg - www.shmh.de
bis 30.01.2022: Museum f. Hamburg. Geschichte: Der Fotograf Max Halberstadt
bis 18.07.2021: Museum der Arbeit: Grenzenlos
bis 18.10.2021: Jenisch Haus: Werkmeisters Welt
HEIDELBERG
Kurpfälzisches Museum
07.03. bis 04.07.2021: Schimmernde Schönheiten. Luxusgerät aus Messing
Jugendstil bis Art Déco
www.museum.heidelberg.de, Tel. 06221 58 34 020, Hauptstr. 97, Di-So 10-18 Uhr
KARLSRUHE
Städtische Galerie Karlsruhe
bis 12.09.2021: Daniel Roth. Stac Lee
bis 12.09.2021: Wilhelm Loth. Figuration 1949-1989
bis 12.09.2021: Verborgene Spuren. Jüdische Künstler*innen und Architekt*
innen in Karlsruhe 1900-1950
bis 24.10.2021: Ralf Gudat. The black, the green, and the white gold
bis 24.10.2021: Peco Kawashima. Encounters, Tel. 0721/133-4401
ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
bis 27.06.2021: Spatial Affairs
bis 27.06.2021: CRAWLERS. Alexander Schubert
bis 30.06.2021: The Morning Line plays Werke von Studierenden des IMWI
bis 11.07.2021: Chiharu Shiota. Connected to Life
bis 30.09.2021: Berechenbar – Unberechenbar
bis Januar 2022 Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik
bis 09.01.2022: zkm_gameplay. the next level
bis 09.01.2022: Writing the History of the Future
bis 16.01.2022: BarabásiLab. Hidden Patterns
bis 30.08.2023: Spatial Affairs Worlding – A tér világlása
www.zkm.de, Tel. 0721/81000, Lorenzstr. 19, Mi-Fr 10-18, Do, Sa/So 11-18 Uhr
KASSEL
Fridericianum
03.04. bis 05.09.2021: Vincent Fecteau
www.fridericianum.org, Tel. +49 561 70727-20, info@fridericianum.org,
Friedrichsplatz 18, 34117 Kassel, Di, Mi, Fr-So, Feiertag 11-18, Do 11-20 Uhr
KIEL
Kunsthalle zu Kiel
bis 05.09.2021: Zauber der Wirklichkeit. Der Maler Albert Aereboe
bis 24.10.2021: Joseph Beuys – Kunst für alle. Multiples und Grafiken aus der
Pablo
Sammlung
Dauerausstellung: Streifzüge durch die Sammlung – von Expressionismus bis Liebe
Pablo
Pablo Picasso: © Succession www.kunsthalle-kiel.de, Tel. 0431/8805756, info@kunsthalle-kiel.de,
Düsternbrooker Weg 1, 24105 Kiel, Di, Do-So 10-18, Mi 10-20 Uhr
KÖLN
Käthe Kollwitz Museum Köln
und eine Gruppe bis 15.08.2021: »Leben in der Stadt« Fotografien von Friedrich Seidenstücker
privater Förderer www.kollwitz.de, Di-So, Feiertag 11-18 Uhr, Erster Do im Monat: 11-20 Uhr
Museen der Stadt Köln:
Informationen zu Öffnungszeiten und Ausstellungen unter
www.museen.koeln. Anmeldungen für einen individuellen Besuch sind über
dieses Portal möglich.
KREFELD
Kunstmuseen Krefeld
bis 01.08.2021: Kunst = Mensch. Joseph Beuys in Krefeld
bis 29.08.2021: Lehmbruck – Kolbe – Mies van der Rohe. Künstliche Biotope
bis 24.10.2021: Marcel Odenbach. plötzlich konnte eins wie das andere sein
www.kunstmuseenkrefeld.de, Tel. 02151 975580, kunstmuseen@krefeld.de,
Joseph-Beuys-Platz 1, Krefeld, Di-So, Feiertag 11-17 Uhr
KÜNZELSAU
MUSEUM WÜRTH
bis 24.10.2021: Geometrie – Wahrnehmung – Einfühlung. Lun Tuchnowsk in der
Sammlung Würth, täglich 11-18, Eintr. frei, www.kunst.wuerth.com
MUSEUM WÜRTH 2
Weitblick – Reinhold Würth und seine Kunst
www.kunst.wuerth.com, täglich 11-19 Uhr, Eintritt frei
LEIPZIG
GRASSI Museum für Angewandte Kunst
bis 15.08.2021: MURANO. Farbe Licht Feuer
bis 03.10.2021: CULTURAL AFFAIRS. Kunst ohne Grenzen
bis 03.10.2021: STÜHLE. Nur für Kinder!
www.grassimak.de, Tel. 0341/2229100, Johannisplatz 5-11
Oper Leipzig
Oper Leipzig startet wieder und freut sich auf Ihren Besuch! Leipziger Ballett
tanzt „Märchen/Märchen“, Premiere 19.6. 19 Uhr, 20.6. 15 Uhr. Musikalische
Komödie präsentiert die Kálmán-Operette „Gräfin Mariza“ 19.6. 19 Uhr, 20.6.
15 Uhr, 22.6. 19.30 Uhr, www.oper-leipzig.de
MAINZ
Gutenberg-Museum, www.gutenberg-museum.de
bis 24.09.2021: Kabinett-Ausstellung: Unsere Schönsten ...: Höhepunkte
englischer Buchdruckkunst - Die Bücher der Kelmscott Press
ab 02.07.2021: Ways of World Making - Weisen der Welterzeugung
Lore Bert zum 85. Geburtstag
MANNHEIM
Kunsthalle Mannheim www.kuma.art
bis 22.08.2021: Anselm Kiefer
bis 03.10.2021: James Ensor
Tel. 0621/2936423, Friedrichsplatz 4, Di, Do-So und Feiertage 10-18 Uhr, Mi 10-20
Uhr, 1. Mi/Monat 10-22 Uhr
METTINGEN
Draiflessen Collection, www.draiflessen.com
02.05. bis 25.07.2021: MADE REALITIES Fotografien von Thomas Demand, Phi-
lip-Lorca diCorcia, Andreas Gursky und Jeff Wall, Mi-So 11-17, jeder 1. Do-21
MÜNCHEN
Kunsthalle München
Erwin Olaf. Unheimlich schön 14.5.–26.9.2021, tägl. 10–20 Uhr, 16.6., 21.7., 18.8.,
15.9.: 10–22 Uhr, 089/22 44 12, www.kunsthalle-muc.de, Theatinerstr. 8, München
Literaturhaus München
bis 20.06.2021: ZEITLANG. UNBEKANNTES BAYERN
Öffnung & aktuelle Corona-Bestimmungen unter
www.literaturhaus-muenchen.de
Tel. 089-291934-27, Salvatorplatz 1, tägl. 11-18
Museum Villa Stuck
Dauerausstellung: Historische Räume Franz von Stucks, Sonderausstellungen:
ab 25.03.2021: Collecting Histories. Neueste Erwerbungen, Schenkungen und
Dauerleihgaben für die Sammlungen des Museums Villa Stuck
bis 25.07.2021: Bis ans Ende der Welt und über den Rand - mit Adolf Wölfli
bis 12.09.2021: Lee Mingwei: Li, Geschenke und Rituale
Tel. 089/45 55 51-0, Prinzregentenstr. 60, Di-So 11-18, 1. Fr. im Monat 11-22 Uhr,
Anmeldung und Tickets unter www.villastuck.de
Münchner Stadtmuseum
bis 26.09.2021: MUC/Schmuck. Perspektiven auf eine Münchner Privatsammlung
www.muenchner-stadtmuseum.de, St.-Jakobs-Pl., T. 089/23322370, Di-So 10-18
59
ULM
AUSTELLUNGS Museum Ulm
bis 04.07.2021: Ein Woodstock der Ideen - Joseph Beuys
bis 15.08.2021: Lois Hechenblaikner - Alpenglühn
bis 19.09.2021: HfG Ulm: Ausstellungsfieber (im HfG-Archiv)
HIGHLIGHT
www.museumulm.de, Tel. +49(0)731-161 4330, info.museum@ulm.de,
Marktplatz 9, 89071 Ulm, Di-Fr 11-17, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr
kunsthalle weishaupt
28.03. bis 10.10.2021: Beat Zoderer - Visuelle Interferenzen 1990-2020
www.kunsthalle-weishaupt.de, Tel. 0731 161 4360, Di-Fr 11-17, Sa, So 11-18 Uhr
VÖLKLINGEN
FASZINATION WELTKULTURERBE VÖLKLINGER HÜTTE
bis 27.06.2021: Mon Trésor – Europas Schatz im Saarland
bis 05.09.2021: FUTURE LAB I – IBA-Plant
bis 28.11.2021: 1986. ZURÜCK IN DIE GEGENWART Fotografien v. M. Kerstgens
CHRISTIAN BOLTANSKI – Die Zwangsarbeiter|Erinnerungen
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www.voelklinger-huette.org, Besucherservice/Buchungen: T. 06898/9100100
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12.06. bis 22.08.2021: Denise Ritter stage diving
www.kulturspeicher.de, museum.kulturspeicher@stadt.wuerzburg.de,
Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg, Di 13-18, Mi, Sa-So 11-18, Do 11-19 Uhr
LIECHTENSTEIN
VADUZ
Fairy Tales, Sagas and Symbols
1. April bis 12. September 2021
1st April until 12th September 2021 www.landesmuseum.li
MÜNSTER ÖSTERREICH
LWL-Museum für Kunst und Kultur
bis 05.09.2021: August und Elisabeth Macke. Der Maler und die Managerin
bis 05.09.2021: August und das Zirkuspferd WIEN
www.lwl-museum-kunst-kultur.de, Tel. 0251/5907-01, Domplatz 10,
ALBERTINA, Albertinaplatz 1, Tel. 0043-1/53483-0
Di-Do 10-18 Uhr, 2. Freitag im Monat 10-24 Uhr
Monet bis Picasso. Die Sammlung Batliner (dauerhaft)
NEU-ULM
bis 20.06.2021: Faces. Die Macht des Gesichts
Edwin Scharff Museum. Kunstmuseum & Kindermuseum bis 04.07.2021: Stadt und Land
bis 19.09.2021: ZIEMLICH BESTE FREUNDE. HANS THUAR & AUGUST MACKE
Alles Wissenswerte zum Museumsbesuch: www.edwinscharffmuseum.de bis 22.08.2021: Jakob Gasteiger
Tel. +49 (0)731 7050 2555, esm@neu-ulm.de, Petrusplatz 4, 89231 Neu-Ulm bis 08.08.2021: Xenia Hausner
Ausstellungen Albertina Modern
NEUMARKT IN DER OBERPFALZ
Museum Lothar Fischer, www.museum-lothar-fischer.de bis 19.09.2021: Wonderland
bis 04.07.2021: HELMUT STURM – Spielfelder der Wirklichkeit bis 29.08.2021: Araki
Tel. 09181/510348, Weiherstr. 7a, Di-Fr 14-17, Sa, So 11-17 Uhr Leopold Museum
NÜRNBERG Dauerausstellung: WIEN 1900. Aufbruch in die Moderne
GERMANISCHES NATIONALMUSEUM bis 26.09.2021: THE BODY ELECTRIC. Erwin Osen - Egon Schiele
bis 05.09.2021: Zeichen der Zukunft Wahrsagen in Ostasien und Europa bis 06.06.2021: EMIL PIRCHAN. Visuelle Revolution
bis 03.10.2021: Europa auf Kur Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der
bis 06.06.2021: INSPIRATION BEETHOVEN
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www.landesmuseen.sh, Schlossinsel 1, Schleswig, Di-Fr 10-17, Sa, So 10-18 Uhr
SCHWÄBISCH HALL
JOHANNITERKIRCHE
Dauerausstellung: Alte Meister in der Sammlung Würth
www.kunst.wuerth.com, Tel. 0791/94672330, Di-So 11-17, Eintritt frei
KUNSTHALLE WÜRTH, www.kunst.wuerth.com
bis 03.10.2021: Leonhard Kern und Europa. Die Kaiserliche Schatzkammer
Wien im Dialog mit der Slg Würth, Lange Str. 35, tgl 10-18 Uhr, Eintritt frei
SIEGEN
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bis 08.08.2021: Mariana Castillo Deball. Amarantus
bis 13.02.2022: MGKWalls. Christine Sun Kim und Thomas Mader
bis 13.02.2022: Von Erde schöner. Die Sammlungen des MGKSiegen
bis 10.10.2021: Michael Beutler. Fliegender Markt
mgksiegen.de, Tel. (0271) 405 77 10, Unteres Schloss 1, 57072 Siegen
SOEST
Museum Wilhelm Morgner mit RAUM SCHROTH
Four - eine Kunstbewegung: gem. Ausstellung von Kunstverein Kreis Soest e. V.
mit HazArt und der Kunststiftung „Treff“ aus Soest/NL. Grenzüberschreitend
zeitgenössische Kunst: Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Installationen, Fotografie.
20.6.-15.8.2021
60 GLAUBEN & ZWEIFELN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Meine Religiosität Ich bin ein sehr extrovertierter Mensch: Ich

ist nicht fasse andere gern an, werde im Gespräch gern
angefasst, und genau diese zwischenmensch-
gewachsen. Wohl

Was glauben
liche Nähe ist mir in der Pandemie abhanden
gekommen. Im ersten halben Jahr habe ich

aber das das noch sportlich genommen, habe meinen

Freunden Kuchen in Tupperdosen vor die

Verhältnis zu
Haustür gestellt und mir die Zeit vertrieben.
Doch dann wurde es zäh. Ich lebe mit einem
Muslim zusammen, der seinen Glauben im
meiner Familie, Corona-Winter neu für sich entdeckt hat. Da
ist mir bewusst geworden, wie viel Halt ihm
das wir seit der das gibt. Plötzlich bekam auch ich Sehnsucht

Sie denn?
nach einer anderen, spirituellen Ebene.
Corona-Krise Ich bin arg katholisch erzogen worden,
aber als Zwanzigjährige aus der Kirche ausge-
stärker pflegen. treten. Dass Johannes Paul ll. die Empfäng-
nisverhütung untersagen wollte, hat mich zu
Jürgen, 33, Gemünden am Main sehr geärgert. Auch mein Glaube war danach
irgendwie nicht mehr da, obwohl ich immer
wieder mal versucht habe, zu beten. Es geht
auch heute nicht. Wenn ich »Lieber Gott«
sage, steht mir das Männergedöns im Weg.
Ich habe die richtige Ansprache noch nicht
Auf ZEIT ONLINE haben wir unsere Leser gefragt, wie sie
Ich bin Atheistin es mit der Religion halten – und was ihnen in
gefunden. Ich glaube an mich selbst, an mei-
nen Optimismus, an das Gute im Menschen.
der dritten der Pandemie Hoffnung gegeben hat. Wir dokumentieren
Aber einen Glauben, der alle Fäden zusam-
menhält, habe ich nicht. Auch wenn ich ihn
Generation und Auszüge aus über 500 Antworten.
gern hätte.
Johanna, 59, Breisgau

pflege meinen   VON ANN-KRISTIN TLUSTY (PROTOKOLLE)  UND CRISTINA DAURA (ILLUSTRATION)
»Unglauben«,
indem ich mich
den Fragen von Ich praktiziere
Gläubigen stelle. Yoga – nicht nur
Anne-Katrin, 38, Berlin
körperlich,
sondern das volle
spirituelle
Programm.
Christina, 42, Berlin

Die Krise hat mich

nicht gläubig
Ich habe eine neue gemacht. Im
Ich bin dankbar, dass ich in der Corona-Krise Dimension von Gegenteil, es ist mir
über ein religiöses Rüstzeug verfügen konnte. Spiritualität für mich wichtiger geworden,
Ich bin muslimisch aufgewachsen, bete fünf- entdeckt. Durch das bewusst im Hier und
mal täglich und faste im Monat Ramadan. Gebet fühle ich mich Jetzt zu leben – das
Während manche Menschen in meinem Alter geerdet, auch in Leben so zu nehmen,
bereits mit dem Tod von Angehörigen kon- meiner Arbeit als wie es kommt.
frontiert waren, bin ich bislang von schweren Arzt, wenn ich Ana, 34, München
Schicksalsschlägen verschont geblieben. Die Patienten mitteilen
Pandemie war für mich die erste Situation, in muss, dass sie
der ich das Gefühl hatte, dass ich sie nicht sterben werden.
kontrollieren kann. Mein Glaube hat sich Mein Glaube, dass
dabei als »dienlich« erwiesen: War er vorher in nach dem Tod nicht
erster Linie eine Erfahrung der Transzendenz, das Nichts kommt,
erfüllt er jetzt auch einen konkreten Zweck hilft mir, das Sterben
zur Bewältigung des Alltags. zu akzeptieren.
Als Ärztin in der Onkologie muss ich mich
Mustafa*,
täglich mit Krankheit und Tod befassen. 31, Hamburg
Mich trägt ein koranischer Vers, den ich mir (Name geändert)
immer vergegenwärtige, wenn mir gerade al-
les zu viel wird: »Nach der Erschwernis
kommt Erleichterung.« Aus Sicht des Islams
gehört der Mensch nicht sich selbst. Alles, was
ich als meinen Besitz beanspruche, ist von
Gott geliehen, auch die Gesundheit. Sie ist
ein Zustand, der mir jederzeit entrissen wer-
den kann. Das Wissen um die Vergänglich-
keit meines Daseins ist Belastung und Ent- Die Pandemie hat mir verdeutlicht, dass
lastung zugleich: Es mag mir etwas von mei-
ner Unbeschwertheit rauben, schenkt mir im meine Beziehung zu Gott das Wesentliche ist, Ich bin religiös, aber den Begriff »gläubig« benutze ich bewusst nicht, weil
auch nicht religiöse Menschen an etwas glauben.
Gegenzug aber Dankbarkeit und Demut.
Nohma, 34, Heidelberg
das mich hält und durch alle Zeiten trägt. Als Altkatholikin ist mir die Eucharistiefeier wichtig. Vor der Pandemie
war die Kommunion für mich der Höhepunkt des Gemeinschaftserlebens
Christa, 60, Hanau und fiel nun in den Outdoor- und Online-Gottesdiensten weg. Meine
Religionspraxis hat sich dadurch verschoben: Das Erleben der
Gemeinschaft hat sich »verweltlicht« – weg von der Eucharistie hin zum
Kirchenkaffee über Zoom. Unserer sehr großflächigen Gemeinde über drei
Bundesländer hinweg hat die Verlagerung ins Internet insofern gutgetan,
Ich finde Ruhe und
Glaube bedeutet für mich als nun mehr Menschen daran teilnehmen konnten.
Kraft, einfach indem
Solidarität. In der Pandemie habe Für mich selbst musste ich jedoch neue Rituale finden, zum Beispiel das
Ich bin durchaus stabil in meinem Glauben. Mindestens einmal am Tag gehe ich in einer Kirche sitze
ich jedoch bemerkt, dass viele Anzünden von Kerzen oder das Führen eines Gebetstagebuches. Vieles, was
ich in die Synagoge, halte die jüdischen Feiertage ein und esse koscher, auch und mich auf Gott
Menschen sich lediglich um ihre vorher der Gottesdienst leistete, wurde nun individualisiert. Mein Glaube
weil ich koscheres Essen für gesünder halte. Als ich vor einem Jahr an Covid-19 fokussiere. Es ist
eigenen Bedürfnisse kümmern. allerdings blieb durch die Corona-Krise unbeeinflusst: Dass ich mich
erkrankte, habe ich mich mehr mit dem Gebet beschäftigt. Ich bin dabei zwar tröstlich, dass Menschen
Anja, 42, Forst (Lausitz) getragen fühle, in guten wie in schlechten Zeiten, ist pandemieunabhängig.
nicht gläubiger geworden, aber mein Glaube hat mir Kraft gegeben. schon immer bei
An der Ausübung meines Glaubens hat die Pandemie wenig geändert – Gott Halt Katja, 44, Brandenburg

außer dass die Synagogen zu Beginn für zwei Monate geschlossen waren. In gefunden haben.

Als Pfarrerin meiner Gemeinde haben wir andere Räume genutzt, in denen wir uns mit
maximal 25 Leuten zusammenfanden. Anfang Mai letzten Jahres konnten wir
Moritz, 21, Regensburg

glaube ich, erstmals wieder in unsere Synagoge. Wo normalerweise 800 Menschen Platz

Dafür, dass es Gott nicht

finden, durften zunächst nur sechzig Personen beten. Die Thora-Rolle musste

jeder hat einen

zeitweise mit Handschuhen aus dem Schrank genommen werden, durch den Mitmachen: Möchten auch Sie auf
Mindestabstand fühlte man sich den anderen fern, und in so einem großen
gibt, beschäftigt er
unsere ZEIT-Umfrage antworten?
Raum mit so wenigen Leuten zu stehen war emotional unangenehm – wie ein
Funken Gottes Fußballmatch ohne Publikum. Trotzdem war es für mich ein überwältigender
www.zeit.de/leserumfrage-glaube
Mehr lesen: Auf ZEIT ONLINE

in sich.
Moment, wieder in der Synagoge zu sein. Endlich konnte ich mich bei Gott
dafür bedanken, dass ich meine Covid-19-Infektion gut überstanden hatte. uns doch ziemlich stark. finden Sie außerdem eine neue
Serie über den Sinn des Lebens:
Abraham, 71, Zürich Hans-Hermann, 56, Bielefeld www.zeit.de/sinndeslebens
Yvette, 47, Leipzig
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

ENTDECKEN Titelthema:
Die Stunde der
40-Jährigen

Artwork: Mark Bohle & Nam Huynh für DIE ZEIT

Woher kommt die Generation Baerbock?

Und was hat sie geprägt? STEFANIE FLAMM trifft Abi-Kollegen und Altersgenossinnen der grünen Kanzlerkandidatin
62
Titelthema: Die Stunde der 40-Jährigen
D
Damals, Ende April, als alle Welt gerade
schwer davon beeindruckt war, wie beiläufig
und souverän die Grünen ihre Kanzlerkan-
didatin gekürt hatten, damals war auch
Dennis Micknaß voller Euphorie. »Jetzt sind
wir dran«, dachte der Salesmanager einer
Bremer Hotelkette, der im Jahr 2000 zu-
sammen mit Annalena Baerbock an der
Humboldtschule in Hannover sein Abitur
abgelegt hatte. Wir, die 40-Jährigen, die ih-
ren Weg bis dahin eher lautlos gegangen
waren. Wir, die nie einer »Generation« an-
gehört hatten, weder der Generation X der
zwischen 1965 und 1975 Geborenen noch
den Millennials, und die deshalb so lange
übersehen wurden.
Dann stellte sich Baerbock hin und
sprach gleich in ihrer ersten großen Rede
nach der Nominierung davon, für eine Ge-
neration zu stehen, die den Wechsel bringt,
die Klimaschutz ernst nimmt und dabei die
soziale Frage nicht vergisst. Ende April klang
das in Micknaß’ Ohren sehr plausibel. Wer
sonst sollte den Wechsel bringen? »Die
Status-­quo-Verwalter der ehemaligen Volks-
parteien sicher nicht.«
Doch bei unserem Treffen Mitte Mai in
einem Hotelrestaurant am Bremer Flug­
hafen fragt Micknaß sich, ob es dieses »Wir«
überhaupt gibt. Und ob er ein Teil davon
sein möchte.
Denn schon Wochen bevor Baerbock
wegen zu spät gemeldeter Nebeneinkünfte
und eines frisierten Lebenslaufs ins Gerede
kommt und ihr Jahrgangsgenosse Jens Spahn
sich für den nächsten fragwürdigen Masken-
deal verantworten muss, wird Stimmung
gegen die 40-Jährigen gemacht. Was bilden
die sich ein?, fragen die Älteren. Warum
glauben die, dass sie alles besser können?
DIE STICHPROBE
Volker Kamps,
IT-Leiter in einer
Privatbank
ENTDECKEN
Woher kommt dieses Selbstbewusstsein –
aus ihrer sorglosen Kindheit in den fetten
Achtzigerjahren? Aus zahllosen Coachings,
in denen sie lernten, sich so behutsam durch-
zusetzen, dass andere es kaum merken? Baer-
bock sagt ja nie: »Unsinn!« Sie sagt: »Ich
empfinde das anders.« Viele Dinge möchte
sie nicht allein entscheiden, sondern »im
Team klären«. Das ist nicht das, was Leute
hören wollen, die nach 16 Jahren Merkel
von einem Basta-Kanzler träumen.
Am meisten ärgerte sich Micknaß über
eine Polemik in der Welt. Der Autor, übri-
gens selbst in dem Alter, führt gegen die
40-Jährigen ins Feld, dass sie keinen Krieg
erlebt hätten, nicht einmal den Kalten. Da-
rum fehle ihnen jener Ernst, der aus dem
Schmerz erwachse. Man kann diesen Vor-
wurf lustig finden, weil er für Baerbocks Ri-
valen gleichermaßen gilt. Armin Laschet,
Jahrgang 1961, und Olaf Scholz, Jahrgang
1958, standen ja auch nie besonders tief in
den Schützengräben. Und sagt die Psycho-
logie nicht, dass eine sorglose Kindheit ge-
festigte Charaktere hervorbringt?
Wobei Sorglosigkeit relativ ist. Anders als
die Akademikertochter Annalena Baerbock
blickt Micknaß nicht auf eine Kindheit auf
dem Bauernhof zurück. Sein Vater war Ver-
treter, seine Mutter Verkäuferin in einer
Hannoveraner Traditionsparfümerie. Den
Eltern sei immer sehr wichtig gewesen, dass
etwas aus ihm werde. Er hat ihnen den Ge-
fallen getan und einen mustergültigen Bil-
dungsaufstieg hingelegt: kein Studium zwar,
aber Hotelfachschule, viele Praktika, Aus-
landsaufenthalte, Weiterbildungen, schließ-
lich der Sprung ins Management. Als es los-
ging mit dem Geschimpfe über die ver-
wöhnte »Generation Annalena«, hat er sei-
Sie haben »Herr
mittelt wurde, und die bedingungslose Un-
terstützung der Eltern auch nach seinem
Coming-out mit 21. Wie Micknaß tut sich
Spahn mit dem großen Generations-Wir
schwer, allerdings aus anderen Gründen:
»Als Katholik und Christdemokrat habe ich
wahrscheinlich genauso viele Gemeinsam-
keiten mit der Generation von Armin La-
schet wie mit den anderen 40-Jährigen.« Er
sagt das nicht, als wollte er nur mal eben
beim Wahlkampf helfen.
Schaut man sich um unter den 40-Jähri-
gen, fällt auf, dass die wenigsten von ihnen
Lust verspüren, sich im Rudel der Gleichalt-
rigen zu wärmen. Gemessen an den Baby-
boomern ist dieses Rudel ja auch ziemlich
klein. 1980 wurden in Deutschland nur
865.789 Kinder geboren, zehn Jahre zuvor
waren es noch mehr als eine Million. Von
den 865.789 ist ein Viertel in der ehemali-
gen DDR aufgewachsen. Wie viele genau
Migrationshintergrund haben, dazu gibt es
keine genaue Statistik, im Westen hatten
93.108 eine »nichtdeutsche« Mutter.
Es leuchtet sofort ein, wenn Motsi Ma-
buse, die aus Südafrika stammende Tänzerin
und Jurorin der RTL-Show Let’s Dance, sagt:
»Mein Jahrgang, das sind Britney Spears und
Christina Aguilera. Dass ich in Deutschland
für irgendetwas stehen sollte außer für mich
selbst, ist mir nie in den Sinn gekommen.«
Auch der Hamburger Fairtrade-Unterneh-
mer Paul Bethke möchte nichts Typisches an
sich sehen. »Ich habe etwas gefunden, das
mir Spaß macht und gut funktioniert«, sagt
er beim Videointerview aus einem Palmen-
wäldchen auf Sri Lanka. Das sei es aber
auch. Der Schriftstellerin Judith Schalansky,
1980 im ostdeutschen Greifswald geboren,
fallen auf Anhieb ebenfalls keine Gemein-
samkeiten mit anderen 40-Jährigen ein.
Dieses Fremdeln mit dem Wir, ist das
vielleicht schon die erste Gemeinsamkeit?
Einige Tage nach dem Treffen mit Mick-
naß in Bremen kommt dem Mathematiker
Volker Kamps ein interessanter Gedanke,
der helfen könnte, seinen Jahrgang zu fassen
zu kriegen. Er war in der Schule mit Baer-
bock befreundet und hat wie Micknaß mit
ihr Abitur gemacht; ihre Handynummer hat
er bis heute. Kamps leitet eine 25-köpfige
IT-Einheit einer Hamburger Privatbank.
nen Eltern mitten in der Nacht eine Nach- Wir treffen uns im Stadtteil Eppendorf –
richt zukommen lassen. Er wollte ihnen dort, wo aus dem, was man ein »gutes Vier-
danken für seine schöne Kindheit und die tel« nennt, ein sehr gutes wird. Perfekt ge-
gute, manchmal durchaus strenge Erzie- sandstrahlter Jugendstil, blitzblank polierte
hung: »Lasst euch nicht beirren, ihr habt al- Fenster, auf den Straßen viel handgenähtes
les richtig gemacht.« Schuhwerk und teure Hunde. Dazwischen
Werden Historiker eines Tages von den steht Kamps in T-Shirt und Sneakers und
1980ern reden? Oder ist das nur der Versuch erzählt erst mal davon, wie glücklich er ist,
einer Kanzlerkandidatin, grundverschiedene im Homeoffice gerade viel Zeit mit seiner
Menschen für sich zu vereinnahmen? Da- zwei Jahre alten Tochter verbringen zu kön-
rum soll es in diesem Stück gehen, in Form nen. Vormittags, wenn seine Frau arbeite, sei
einer Stichprobe. Die Menschen, die hier zu das Kind immer bei ihm.
Wort kommen, sind alle um die 40. Manche Nach ein paar Minuten fällt dann der Satz,
von ihnen stehen Annalena Baerbock per- der von überraschend viel Selbstdistanz zeugt:
sönlich nahe. Andere kennen sie nicht und »Ich bin ja am Ende vom Schweinezyklus.«
sind ihr politisch oder lebensweltlich eher Kamps meint damit, dass er zu den Letzten
fern. Sie alle tragen in ihren Bereichen Ver- gehörte, die zwischen Dotcom- und Finanz-
antwortung und stehen für ein vergleichs- marktkrise doch noch einen sehr guten und vor
weise junges Deutschland, das man mit den allem sicheren Job bekommen haben. Für
Maßstäben der Vergangenheit nicht so leicht andere seines Alters gilt das schon nicht mehr.
zu packen bekommt. Kamps hat die Zahlen ganz gut im Kopf: Sein
Sprechen sollen sie nicht über die Politi- Jahrgang hat mit 20 Prozent zwar einen höhe-
kerin, sondern über sich selbst – wie sie le- ren Akademisierungsgrad als alle Jahrgänge
ben, was sie geprägt hat. Was verbindet sie zuvor, aber daraus folgt nicht zwangsläufig
miteinander, was trennt sie von den Jünge- mehr Wohlstand. Laut einer Studie der OECD
ren und Älteren? Steckt in ihnen allen ein sinkt das Einkommen der Mittelschicht welt-
klitzekleines bisschen Baerbock? weit seit vielen Jahren. Und wer nach 1982
Einer, der diese Vorstellung durchaus geboren wurde, hat in Deutschland noch mal
amüsant findet, ist Gesundheitsminister Jens eine sehr viel geringere ­Chance, es überhaupt
Spahn. Im Videocall zeigt er sich staatsmän- in die Mittelschicht zu schaffen. Kamps stellt
nisch flankiert von einer Deutschland- und sich manchmal vor, dass einer von denen zu
einer Europa-Flagge. Doch was er von seiner ihm sagt: »Alter, dir geht’s zu gut!« Er könnte
Kindheit erzählen kann, erinnert eher an ihm nicht widersprechen.
den Hotelmanager Dennis Micknaß als an Lässt man die sozioökonomischen Fak-
Annalena Baerbock. Auch Spahn ist der­ ten beiseite und nimmt die Alltagskultur in
Erste in der Familie, der Abitur gemacht hat. den Blick, bedeutet »Ende vom Schweine-
Auch er findet warme Worte für die geord- zyklus« auch, noch Herr der Ringe, aber
neten Verhältnisse, in denen er aufwachsen keinen Harry Potter gelesen zu haben. Es
durfte in diesem Dorf im Münsterland. Er bedeutet, auf eine analoge Kindheit zurück-
betont die klare Haltung, die ihm dort ver- schauen zu können, in der es wichtig war,
Judith Schalansky, Jens Spahn,
Schriftstellerin Bundesgesundheits-
minister
17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25
montags in der Schule zu wissen, was sams-
tags bei Wetten, dass ..? los war. Es bedeutet,
dass man in den Nullerjahren erst mal bei
StudiVZ war, bevor Facebook und später
Instagram wichtig wurden. Es bedeutet,
dass die Frage, ob Pulp Fiction der beste
oder der schlechteste Film aller Zeiten war,
in der Jugend zwar wichtig war, aber nicht
so wichtig, dass daran Freundschaften zer-
brochen wären. Es bedeutet in der Regel,
mehr Auslandserfahrung zu haben als die
50-Jährigen und auch besser Englisch zu
sprechen, aber nicht so gut wie die 30-Jähri-
gen, die davon allerdings nicht mehr sehr
profitieren, weil die 40-Jährigen ihre guten
Posten nicht so schnell räumen werden.
Wenn Kamps und Micknaß an ihre
Schulzeit in Hannover zurückdenken, sehen
sie Lehrer vor sich, die zu Beginn der Bil-
dungsreform verbeamtet wurden und ge-
fühlt kurz vor der Pensionierung standen.
Viele waren auf eine autoritäre Art links.
Auch Spahn erinnert sich an Pädagogen, die
im Unterricht zur Teilnahme an Anti-Atom-
kraft-Demonstrationen aufriefen und patzig
reagierten, wenn ein junger Konservativer
wie er das als Indoktrination ablehnte. An
Stuhlkreise, Gruppenarbeit, achtsame Kom-
munikation erinnern sich alle drei nicht.
Das haben sie sich bei zahllosen Schulungen
selbst beigebracht. In seiner Firma, sagt der
Salesmanager Micknaß, seien Leute um die
40 oft die Vermittler. Sie versuchten, den äl-
teren Chefs schonend zu erklären, dass es
kein Zeichen von Stärke sei, mit der Faust
auf den Tisch zu hauen. »Beim nächsten
Mal ist dann schon wieder nichts mehr mit
Selbst- und Fremdreflexion.«
Die 40-Jährigen stehen also nicht nur
jahrgangsmäßig zwischen den Millennials
und der Generation X, zwischen Fridays for
Future und den Babyboomern. Sie standen
schon immer überall dazwischen. Sie sind zu
alt, um Digital Natives zu sein, und zu jung,
um digitale Analphabeten zu bleiben. Zu alt,
um als ewige Praktikanten ihre Arbeitskraft
verschleudern zu müssen. Aber nicht so alt,
dass sie je geglaubt hätten, ihre Rente sei si-
cher. Sie sind keine Mimosen, die hinter je-
dem falschen Wort eine Mikroaggression
vermuten, aber auch keine alten weißen
Frauen oder Männer.
Beim Großereignis ihrer Zeit standen sie
ein wenig am Rand. Sie waren einer der letz-
ten Jahrgänge, die ihre Kindheit im geteilten
Deutschland verbracht haben, und einer der
ersten, die nach der Wende erwachsen wur-
den. Wo warst du, als die Mauer fiel? Diese
Frage kann man ihnen stellen. Man sollte
bloß nicht erwarten, dass sie dann groß ins
Erzählen kommen.
D
ennis Micknaß weiß
noch, dass er an diesem
Tag so lange aufbleiben
durfte wie sonst nur an
Silvester. Auch Kamps
und sein Bruder wurden
erst spät ins Bett ge-
schickt, weil die Eltern nicht von den Nach-
richten wegkamen. Jens Spahn würde gern
eine kleine nette Geschichte über diesen Tag
erzählen, doch leider ist er ihm entfallen.
Komplett. Inzwischen kennt er natürlich die
Bilder von den tanzenden Menschen auf der
Mauer, den Trabis auf dem Ku’damm – doch
1989 hat er das alles genauso wenig mitbe-
kommen wie Motsi Mabuse, die damals
noch in einer Township von Pretoria lebte
und mit ihrer Familie auf die Freilassung
Nelson Mandelas hoffte.
Selbst Judith Schalansky, deren Familie
die Friedliche Revolution mitgetragen hatte,
erinnert sich nur, dass in ihrem Wohnblock
bei Greifswald an jenem Abend sehr lange
Westfernsehen geschaut wurde. Doch anders
als für Kamps, Micknaß und Spahn ging für
sie in den Wochen danach nichts weiter wie
bisher. Ihre Kindheit war zu Ende.
Schalansky hat beim Treffen in Berlin-
Wilmersdorf ihren Hund dabei, eine rot-
blonde Promenadenmischung, die an die-
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021 ENTDECKEN 63

der Ringe« gelesen, aber keinen »Harry Potter«

sem feuchten Morgen Ende Mai offensicht- »Aber Annalena allein kann den Klimawan- sonst erfüllt er erst mal alle Klischees, die de, konnten wir die Türen verriegeln.« Als das korrekte Wort? »Da lebten ja vorher

lich keine Lust auf einen Spaziergang hat.
»Ich hatte immer Angst, ein Tier zu haben,
das mich durch die Straßen zieht«, sagt sie.
Jetzt zieht sie das Tier durch die breiten Stra-
ßen des alten Westens, während sie von den
wilden Jahren nach der Wende erzählt. Auf
nichts, sagt Schalansky, nicht einmal auf die
Sprache, sei mehr Verlass gewesen.
Sie weiß noch gut, wie sie in der Bravo
von »Boys and Girls« las und sich fragte, was
wohl damit gemeint war. Ab Mitte der
Neunzigerjahre lautete die Frage in Greifs-
wald dann nicht mehr, Mädchen oder Girl,
sondern Nazi oder Punk, Hippie oder Skin-
head. In der Hoffnung, irgendwas zu finden,
del nicht stoppen. Und das weiß sie natür-
lich genauso gut wie ich«, sagt er am Ende
des Spaziergangs durch Hamburg-Eppen-
dorf. In düsteren Momenten denke er: »Es
ist eh schon längst zu spät.«
Was folgt daraus? Dass man irgendwann
genauso zynisch wird wie Generation X, die
nie versucht hat, etwas zu ändern, weil es eh
keinen Zweck hatte? Nein, sagt Kamps.
Nein, sagt auch Schalansky. Beiden fällt
kein vernünftiger Grund ein, warum man
die Dinge, die im Großen so langwierig
und kompliziert sind, im Kleinen nicht
trotzdem angehen soll. So groß ist die Ver-
zweiflung nicht.
Foto: Shutterstock; kl. Fotos: privat; dpa; laif; dpa; Lea Aring; Grüne.de; Antje Schimanke (v. l.)
man von einem erfolgreichen Start-up-­ sich abzeichnete, dass Südafrika auch nach schon Menschen.« Also machte sie für die
Unternehmer im Kopf hat: intelligentes, dem Ende der Apartheid ein ungerechtes, Neuauflage »vorgefunden« aus »entdeckt«.
aber schwieriges Kind, das in der Schule alle gefährliches Land bleiben würde, habe der Ihre Lektorin zögerte erst mal und fand das
genervt hat und den ersten Job nach dem Vater ihr und ihrer Schwester immer gesagt: zu politisch. »Aber nachdem einem einmal
Studium sofort wieder geschmissen hat, um »Allein ein guter Universitätsabschluss wird etwas aufgefallen ist, kann man nicht mehr
einen eigenen Laden hochzuziehen. Doch euch hier rausführen.« Es klappte dann auch so tun, als hätte man es nicht bemerkt«, fin-
Bethke ist kein Dotcom-Nomade. Er sieht ohne. Beide Töchter wurden Tänzerinnen, det Schalansky.
sich als Entwicklungshelfer. Die Idee zu beide gingen nach Deutschland. Sie glaubt, dass so Veränderung entsteht:
Lemon­aid entstand aus dem Wunsch, etwas Ende der Neunzigerjahre, als Schalansky indem Leuten etwas auffällt. Diese alarmis­
für Sri Lanka zu tun, das Land, in dem er als in Greifswald die Neonazis marschieren sah tischen Artikel über den Klimawandel, die
Jugendlicher ein paar Jahre in einer Gast­ und Jens Spahn mit der Jungen Union im Parolen »Es ist fünf vor zwölf, zwei oder eins
familie gelebt hatte. Münsterland eine Demonstration für Atom- vor zwölf« hätten bislang ja wenig gebracht.
Als an Weihnachten 2004 der Tsunami kraft organisierte, »weil es gute Gründe gab, Aber wenn es dann einen weiteren Sommer
das Land zerstörte, hatte er gerade in Paris nicht dem Weg zum einfachen Applaus zu nicht regne, die Fichten im Wald stürben,
sein Studium der Volkswirtschaft abge- folgen«, trainierte Mabuse für die deutsche Starenschwärme nur noch selten zu sehen

das einem Halt gab, hätten die Jugendlichen
damals alle Subkulturen durchprobiert, die
im Westen längst aus der Mode waren. Ein
Schulfreund von Schalansky sympathisierte
eine Zeit lang mit der RAF.
Was auffällt: Schalansky erzählt vom
Osten, ohne dass man danach fragt. Wa-
rum? »Um Ihnen zuvorzukommen.« Ost-
deutsche Schriftstellerin berichtet aus dem
Krisengebiet – das sei eine Rolle, die sie sich
nicht ausgesucht habe, gegen die sie sich
aber auch schlecht wehren könne. Der Os-
ten ist in ihrem Werk zwar selten explizit
Thema, aber immer präsent. In ihrem
jüngsten Buch Verzeichnis einiger Verluste
beschreibt sie sogar in mehreren autobiogra-
fisch motivierten Erzählungen die Welt ih-
rer Kindheit. Und zwar ohne die warmen
Gefühle, die Micknaß und Spahn ihrer
Herkunft entgegenbringen.
Schalanskys DDR ist eine kalte Welt, in
der die Leute keine Kinder bekamen, son-
dern sozialistischen Nachwuchs zeugten, in
der niemand Tierärztin oder Lehrer wurde,
weil das ein inniger Wunsch war, sondern
weil diese Berufsgruppen gerade gebraucht
wurden. Man habe in der DDR viel Wollen
und Wünschen dem Staat überlassen, den
man dafür hasste, dass er einem so viel vor-
K
schlossen – und er kehrte zurück. Für eine
amps ist in vielerlei Hin- staatliche Hilfsorganisation half er beim
Wiederaufbau. Er war Mitte 20, auf seiner
sicht ein klassischer Libera-
ler, er hält beispielsweise Visitenkarte stand »Experte«, und er wurde
sehr wenig von der Riester- von einem Viersternehotel ins nächste ge-
Rente und sehr viel von den fahren. Einmal saß er gerade im Dienstjeep,
Möglichkeiten, die der Ak- als ein alter Freund ihn anrief und fragte:
tienmarkt bietet. Er mag es »Wo steckst du?« Die ehrliche Antwort wäre
nicht, wenn der Staat zu viel Verantwortung gewesen: »Ich lasse mich gerade ins Hilton
für die Menschen übernimmt. Er hat sich vor bringen, wo wir gleich bei feinstem Essen
vier Jahren entschieden, privat nicht mehr zu den Wiederaufbau eures Landes diskutie-
fliegen, er hat »aus Einsicht« seinen Fleisch- ren.« Kurz danach hat er gekündigt.
konsum radikal reduziert und fährt bei je- Heute hat Lemonaid 100 Mitarbeiter in
dem Wetter mit dem Fahrrad ins Büro. Auch Hamburg, London und Paris, macht etwa
Schalansky fliegt zumindest in Europa nicht 14 Millionen Euro Umsatz im Jahr und un-
mehr und nimmt Einladungen nur noch an, terstützt 6000 Kleinbauern in Sri Lanka,
wenn die Veranstalter bereit sind, ihr eine Südafrika und Südamerika. Natürlich ist
Zugfahrt zu buchen. »Man will ja kein Leben Bethke der Meinung, dass er es besser macht
führen, für das man sich vor seinen Kindern als diese »späten Kolonialbeamten« der staat- kennen, erwarteten sie die Motsi aus dem
rechtfertigen muss«, sagt Dennis Micknaß, lichen Gesellschaften, »die auch noch die
Gebühren für das englische Internat ihrer
der noch nie viel geflogen ist und, er schwört’s,
noch nicht in Amerika war. Kinder als Entwicklungshilfe abrechnen«.
Als er dann erzählt, wie hart er jedes Jahr Doch wie Baerbocks ehemaliger Mitschüler
im Vorstand für den Erhalt der Bienenvölker Kamps weiß auch er, dass er viel Glück hatte
kämpft, die auf den Dächern der Hotels le- und mit Lemonaid genau zur richtigen Zeit
ben, für deren Vermarktung er zuständig ist, kam. 2009, als er die ersten Kisten in den
und wie wichtig das für den Artenschutz sei, Hamburger Club Uebel & Gefährlich trug,
kommt man schon ins Grübeln. Glaubt er war Fairtrade längst dabei, aus der Müsli-
wirklich, dass so eine kleine Maßnahme ei- Ecke herauszukommen.
Meisterschaft im lateinamerikanischen Paar-
tanz. Dreimal hat sie es geschafft, dreimal
wurde sie deutsche Meisterin. Hat sie Rassis-
mus erlebt? Hat sie, positiven. »Ich war im-
mer die Afrikanerin mit der tollen Energie,
dem angeborenen Rhythmus. In der Bubble
der Profitänzer hat mir das nur genutzt.«
Auch Mabuse verfügt also über diesen
kühlen Soziologenblick auf sich selbst, der
einem bei vielen 40-Jährigen begegnet. Sie
weiß genau um die Rolle, die sie in der Öffent-
lichkeit spielt. Seit zehn Jahren ist sie in der
Jury der Freitagabendsendung Let’s Dance die
Impulsive, Empathische, die mit den ver-
rückten Kleidern. In der Tanzschule, die sie
zusammen mit ihrem Mann leitet, ist sie die
Impulsive, Empathische ohne die verrückten
Kleider. Wenn die Leute sie auf der Straße er-
Fernsehen: »laut, lachend, gestikulierend«.
Dabei sei sie natürlich auch mal leise und
nachdenklich. Erst im vergangenen Jahr sei ihr
bewusst geworden, dass ihr exaltiertes Bühnen-
Ego auch ein Schutz ist. Denn: »Die Leute
lieben die Motsi aus dem Fernsehen; eine
schwarze Frau auf der Straße lieben sie nicht.«
Wenn sie mit einer FFP2-Maske an einer Su-
permarktkasse steht und niemand sie erkennt,
sei die Stimmung oft »ziemlich merkwürdig«.
seien und die Schmetterlinge verschwänden,
kämen die Leute womöglich ins Nachden-
ken. Sie klingt fast wie eine 20-jährige Akti-
vistin, wenn sie sagt: »Manchmal denke ich,
dass wir keine neuen Gesetze brauchen,
sondern neue Tabus.« Ein tief in der Alltags-
kultur verankertes Regelwerk, das bestimm-
tes Verhalten verpönt. Du sollst das N-Wort
nicht dulden, überhaupt keine diskriminie-
rende Sprache verwenden und nur fliegen,
wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Eine
Idee, die Volker Kamps nicht völlig abwegig
und Jens Spahn ganz furchtbar findet.
Er ist der Meinung, dass es jetzt schon zu
viele Tabus gibt, zu viele Denkverbote und
Diskursregeln, die er seinen Eltern im Müns-
terland nicht erklären kann. Seine Angst:
Wenn jeder sagt, was alle sagen, dann über-
nehmen die Reflexe, eine ernsthafte Aus­ein­
an­der­ set­
zung wird unmöglich – und die
Hälfte der Bevölkerung versteht nur noch
Bahnhof. Spahn erinnert sich gut an eine
Veranstaltung im Rathaus Schöneberg, auf
der er zu bedenken gab, dass der Islam min-
destens so homophob sei wie die katholische
Kirche. »Ein riesiger Tumult, ein großes Ge-
schrei.« Weil es nicht angehe, die Opfer-
gruppen gegeneinander auszuspielen. »Ich
war der einzige schwule Katholik in der

schrieb, und dessen strenge Fürsorglichkeit
viele im Osten heute doch vermissen, sagt sie
auf dem Spaziergang durch Wilmersdorf.
Wenn Schalansky so etwas sagt, spricht
sie nicht von sich. Wer heute 40 ist und aus
dem Osten, hat drei Viertel seines Lebens im
vereinigten Deutschland verbracht. Sie war
16, als die Loveparade in Berlin zum ersten
Mal eine Million Besucher verzeichnete.
War 18, als die Bundesregierung von Bonn
nach Berlin zog, und am 11. September
2001 alt genug, um die Bilder der einstür-
zenden Twin Towers für immer im Gedächt-
nis zu behalten.
Schalanskys Frau, mit der sie eine Toch-
ter großzieht, stammt aus dem Westen; der
Großteil ihres Freundeskreises auch. Ihre
Bücher sind in mehr als 20 Sprachen über-
setzt worden, das Verzeichnis einiger Verluste
ist gerade auf Chinesisch erschienen und
steht auf der Longlist für den International
Booker Prize. Was der Soziologe Andreas
Reckwitz als die »neue kosmopolitische
Mittelschicht« bezeichnet, passt auf sie min-
destens so gut wie auf Kamps oder Mick-
naß: Sie isst wenig Fleisch, kauft im Bio-
markt und ist in großer Sorge um den Zu-
stand der Welt. Diesem Milieu, den hoch-
gebildeten, umweltbewussten Globalisie-
rungsgewinnern, verdanken die Grünen ih-
ren Aufstieg zur Volkspartei. Schalansky
glaubt ganz fest an die Möglichkeit von
Wandel. Als Ostdeutsche wisse sie, dass die
Dinge sich wahnsinnig schnell ändern kön-
nen und dass es dann eine Frage der Hal-
tung sei, ob man das vielversprechend oder
bedrohlich findet. Aber sie sagt auch: »De-
mokratie funktioniert nicht von oben.« Wir
bringen euch die Freiheit, wir bringen euch
die Klimawende, Gerechtigkeit und Frie-
den? Das klinge gut. Nur sei Wandel eben
nichts, was man verordnen könne.
Auch der in Hannover geborene Mathe-
matiker Kamps ist skeptisch, was den Ge-
staltungsspielraum von Politik angeht: Ja,
seine Schulfreundin setze die richtigen The-
men, benenne die brennenden Probleme.
M
nen Unterschied machen kann? Und ist das Mabuse fragt sich in letzter Zeit oft, wie Runde. Und ich weiß, wie man angeguckt
alles nicht sowieso nur Marketing? Es sei ag sein, dass viele sie darauf reagieren soll. Die Black-Lives- wird, wenn man mit einem Mann durch
Marketing, sagt Micknaß, aber eben auch 40-Jährige ihren Le- Matter-Faust ins Instagram-Profil laden und Neukölln läuft. Aber alle wussten es besser.«
ein Schritt in Richtung mehr Nachhaltig- benslauf ein bisschen gegen strukturellen Rassismus wettern, wie Spahn ist oft der einzige schwule Katho-
keit. Sieben Bienenvölker, das seien 500.000 frisiert haben, um bes- es die jungen deutschen People of Color lik in der Runde, er ist auch der einzige Bun-
Bienen, die Millionen Blüten befruchteten, ser, interessanter, in- machen, fände sie in ihrem Fall unglaubwür- desminister, der mit einem Mann verheiratet
die Abermillionen neue Samen abwürfen, ternationaler dazuste- dig und auch nicht zielführend. Nicht gegen ist. Stockkonservativ und offen homosexuell,
jeder davon eine potenzielle neue Blume. hen; aber in den Ge- Vorurteile anschreien, sondern für alltägli- steht auch er immer dazwischen. Er ist für
Wenn jedes Hotel dieser Welt einen Imker sprächen für diesen Artikel prahlt niemand chen Respekt werben – sie weiß nicht genau, Atomkraft, aber auch für die Homo-Ehe. Er
beschäftigen würde, wäre es um die Biodi- mit seinem Erfolg. Micknaß sticht schon wie, aber in eine positive Richtung müsse es hat eine skeptische Haltung zu Abtreibun-
versität besser bestellt, findet er. heraus, wenn er offen zugibt, dass er sich gehen. Mabuse denkt dabei vor allem an ihre gen und verteidigt die katholische Kirche
Think globally, act locally – nach diesem immer sehr angestrengt hat. Die anderen tun Tochter, die in einem Land aufwächst, in gegen ihre Kritiker, aber er wirft ihr auch
Motto haben sich mal Menschen an Werks- so, als wäre ihnen ihr Leben irgendwie pas- dem noch vor acht Jahren darüber gestritten vor, lieber »Hamster und Motorräder« zu
toren festgekettet. Dann kam die Ge­ne­ra­ siert. Und das könnte man durchaus als sou- wurde, ob man das N-Wort aus Astrid Lind- segnen als gleichgeschlechtliche Paare. Ver-
tion X und fand die Mini-Weltrettungen veräne Antwort auf die oft recht unsouverän grens Pippi in Taka-Tuka-Land ersetzen darf. mutlich hat er so in seinem Milieu mehr für
peinlich. Micknaß, Kamps und Schalansky herausgebrüllte Forderung der Campus-­ Der Mathematiker Kamps erinnert sich die Akzeptanz von Homosexualität getan als
finden das nicht; und sie handeln noch loka- Jugend betrachten: Check your privilege! Ein gut an diese Debatte, er hat sie mit einem jene, die aufgeregt appellieren.
ler als das, was man damals darunter ver- heterosexueller weißer Mann von 40 Jahren afroschwedischen Freund sehr ausgiebig ge- Ist es vielleicht das große Glück der
stand. Schalansky glaubt, dass sie als Konsu- weiß heutzutage, dass er es leichter hatte als führt. Auch Kamps war damals der Mei- 40-Jährigen, dass sie keine Fronten sehen,
mentin mehr bewirkt denn als Wählerin. andere. Und dass es zum guten Ton gehört, nung: »Das ist ein Klassiker, da darf man wo keine Fronten sein müssen? Und liegt es
Wenn Leute wie sie weniger fliegen, wird das nicht mehr zu verschweigen. nichts verändern.« Der Freund bat ihn dann, vielleicht daran, dass sie keinen Krieg erlebt
weniger geflogen. Das sei doch effektiver als Bethke sagt: »Ich komme aus einem die Geschichte vom nordischen Haudegen, haben, nicht einmal einen kalten? Am Ende
eine CO₂-Steuer, die Reiche dazu einlade, Land, in dem eine gute Ausbildung ver- der sich auf einer Südseeinsel selbst zum des Schweinezyklus hat man gelernt, mit
einfach so weiterzumachen. gleichsweise wenig kostet, ich habe über EU- König krönt, doch bitte mal genau anzu- Widersprüchen zu leben, die sowohl die Äl-
Ja, man braucht ein sonniges Gemüt oder Programme in Edinburgh und Paris studiert, schauen. Das ganze Konstrukt sei kolonialis- teren als auch die Jüngeren in den Wahnsinn
ein großes Ego, um zu glauben, dass man die ich habe einen Job, der es mir erlaubt, die tisch. Heute sagt Kamps: »Das hatte ich tat- treiben würden. Mit 40 kann ein Mathema-
Probleme, die die Politik nicht in den Griff Hälfte des Jahres auf Sri Lanka zu verbrin- sächlich nie so gesehen.« tiker wie Kamps, der von Beruf Reiche rei-
bekommt, am besten selbst in die Hand gen. Und für diese gute Ausgangssituation Wenn man bedenkt, wie schwer sich die cher macht, über sich sprechen wie ein linker
nimmt. Und, nein, es denken nicht alle habe ich nichts getan. Natürlich bin ich ex- Älteren mit der Erkenntnis tun, dass ihre Sozialwissenschaftler. Kann die Schriftstelle-
40-Jährigen so. Jens Spahn und Motsi Ma- trem privilegiert.« geliebte Astrid Lindgren nicht in jeder Hin- rin Judith Schalansky Konsum als Macht­
buse beispielsweise leiden nicht sonderlich Die Privatbank-Führungskraft Kamps sicht zeitgemäß ist, wie viel Identität immer instrument betrachten. Kann ein ehrgeiziger
unter Flugscham. Sie haben auch kein affek- sagt: »Akademikerkind und gut in Mathe, da auf dem Spiel steht, sobald man plötzlich Manager wie Micknaß auf die Frage, wo er
tives Verhältnis zu Biokost oder Bienen- konnte nicht viel schiefgehen.« irgendwas nicht mehr sagen soll, dann muss sich im Ruhestand sieht, antworten: »in­
zucht. Aber es ist wohl kein Zufall, dass Der Hotelmanager Micknaß, der kein man Kamps um die Gelassenheit beneiden, einem inklusiven Mehrgenerationenhaus«.
Paul Bethke, der Mann, der den Fairtrade-­ Akademikerkind ist und nie gut in Mathe mit der er akzeptiert, dass heute falsch sein Für die 40-Jährigen von heute sind rechts
Gedanken vor zwölf Jahren in die Clubs von war, ergänzt: »Als Frau mit Migrations­ kann, was gestern noch normal war. Den und links eher historische Kategorien.
Hamburg und Berlin brachte, auch aus die- hintergrund hätte ich mehr Steine in den 40-Jährigen bricht offenbar nicht so schnell Skeptisch im Großen, optimistisch im
ser Altersgruppe stammt. Ein bisschen Wan- Weg gelegt bekommen.« ein Zacken aus der Krone. Sie können sich Kleinen, werden sie in diesem Leben keine
del sei besser als gar kein Wandel, viele kleine Aber auch Motsi Mabuse spricht beim einfach darüber wundern, was man vor ein Revolution mehr anzetteln, keine neue Welt-
Schritte seien besser als ein großer, der wo- Videointerview im Fitnessraum ihres Ein­ paar Jahren gedacht und geschrieben hat. anschauung verkünden und bestimmt keine
möglich in die falsche Richtung führe, sagt familienhauses im Taunus sehr offen darü- So ging es Judith Schalansky, als sie vor Jugendbewegung anführen. Warum das Un-
der Gründer von Lemonaid, einer Hambur- ber, wie gut es ihr im Vergleich zu anderen ein paar Wochen die Neuauflage ihres Best- mögliche fordern, solange das Mögliche
ger Firma, die Limonade und Eistee aus fair immer ging, selbst damals in Südafrika zu sellers Atlas der abgelegenen Inseln vorbereite- noch geht? Für die 40-Jährigen kommt Ver-
gehandelten Rohstoffen herstellt. Apartheid-Zeiten. Der Vater war Richter, te. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie in dem änderung langsam und aus der Praxis. Ob
Bethke kommt gerade vom Surfen, als er die Mutter Kindergärtnerin, sie hatten ein Übersichtsteil, in dem jede der 50 Inseln mit Baerbock oder ohne, ist fast schon egal.
sich an einem Strand im Norden von Sri Haus und waren in der Township »almost noch mal erklärt wird, vermerkt hatte, wann Um auf eine Erlöserin zu hoffen, sind sie viel
Lanka in eine Teams-Sitzung einwählt. Auch upper class«. »Wenn draußen gekämpft wur- sie jeweils »entdeckt« wurden. Doch war das zu vernünftig.

Motsi Mabuse, Paul Bethke, Annalena Baerbock, Dennis Micknaß,

Jurorin von Gründer der Firma Kanzlerkandidatin Salesmanager
»Let’s Dance« Lemonaid der Grünen einer Hotelkette
64 ENTDECKEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Illustration: Oriana Fenwick für DIE ZEIT

Wer
sind Sie?
Als ich meinen Mann kennenlernte,
bereiste er gerade die Philippinen.
Bei unserem ersten Treffen ließ ich
ihn Stunden warten. Ich überlegte so ANNA MAYR ENTDECKT
lange, bis meine Freundin mich aus
der Wohnung zog und auch mitkam.
Während ich kein Wort sagte, machte

Das Surren
sie die ganze Zeit Witze. Erst beim
dritten Date fing ich langsam an, mit
ihm zu sprechen. Wenn man einen
ausländischen Freund hat, denken
viele, man will sich nur aushalten
lassen. Meiner hatte damals weniger

da oben
Geld als ich. Ich bezahlte. Dass ich
Soldatin bin, erzählte ich ihm spät.
Ich wollte nach der Schule Teil einer
Sanitätstruppe werden, die vom
Militärkrankenhaus in die Dörfer
ging, um die Menschen gratis zu
behandeln. Wer kein Geld hat, kann
nicht zum Arzt. Das finde ich falsch. Hier mal eine etwas gewagtere Prognose:
Ich war als Teenie sehr girly. Aber um Der Drohne gehört nicht die Zukunft!
bei der Truppe arbeiten zu können,

D
musste ich eben zum Militär. Da wird
Geduld trainiert und der Umgang mit as Leben als politische Reporte-
Stress. 300 Liegestütze zum Beispiel, rin ist zuweilen unglamouröser,
während die anderen vom Mittagessen als man denkt. Neulich etwa,
aus zusehen. Was ich dort gelernt habe, vor der Wahl in Sachsen-Anhalt,
hilft mir noch heute. Nach der Geburt war ich dort auf einer Wahl-
meiner Tochter im Februar hatte ich kampfveranstaltung der SPD. Wir besichtig-
lange Schmerzen. Ich sagte mir, ten ein Schwimmbad, einen Edeka-Markt
heute ist es schlimm, morgen auch, und ein Gusseisen-Museum. Die Reise gefiel
aber dann wird es besser. mir insgesamt sehr gut, für das schlechte Er-
gebnis der SPD würde ich diesen Tag nicht
Cathleene Joy, 29, verantwortlich machen. Es gab nur eine Sache,
ist ausgebildete Soldatin und arbeitet als die mich wahnsinnig nervte.
Krankenschwester. Sie lebt in Dresden Ein Typ von der SPD hatte eine Drohne
dabei. Um damit Vogelperspektiven-Videos zu
Victoria Jung porträtiert hier Menschen, die ihr im Alltag begegnen. Protokoll: ­C aroline Weigele drehen, die dann in den sozialen Medien ver-
öffentlicht werden sollten. Man merkte, dass
ihm die Drohne wichtig war, er sagte oft, dass
er gute Bilder im Kasten habe. Ich vermute, die
ANZEIGE Drohne symbolisierte für ihn die Modernisie-
rung der Sozialdemokratie: Hartz IV über-
winden, Umverteilung zum Thema machen,
Spitzenkandidatinnen mit kleinen ferngesteu-
erten Hubschraubern von oben filmen und das
bei Instagram hochladen. Da geben sich Form
und Inhalt die Hand.
Vielleicht bin ich jetzt wie dieser Mann,
der behauptete, dass Computer sich langfris-
tig nicht durchsetzen werden. Aber vielleicht
habe ich auch recht, wenn ich sage: Drohnen,
ob zum Filmen, Liefern oder als Taxi, werden
sich langfristig nicht durchsetzen. Sie nerven
wahnsinnig und machen nichts besser. (Einen
sarkastischen SPD-Vergleich könnte man hier
schon bringen, er wäre aber unredlich. Denn
die SPD macht ja vieles besser, das merkt nur
keiner, weil die SPD wiederum niemanden
nerven will. Eigentlich ist die SPD das­
Gegenteil einer Drohne – aber das führe ich
ein anderes Mal aus.)
Als Mensch, der von einer Drohne gefilmt
wird, muss man vollkommen gegen die eige-
nen Instinkte handeln. Da surrt etwas direkt
über dir, kommt näher, fliegt weiter weg,
surrt lauter, surrt plötzlich aus einer anderen
Richtung – ich konnte gar nicht anders, als
hinzugucken. Das ist allerdings nicht er-
wünscht. Es sieht blöd aus, auf dem Drohnen­
video, wenn die Leute verstört in den Him-
mel schauen. Ich stand also da und versuchte,
dem Inhaber des Gusseisen-Museums zuzu-
hören – konnte aber nur an das bedrohliche
Surren über mir denken. Eventuell war es
nicht mal ein Gusseisen-Museum, und ich
habe alles völlig missverstanden.
Ich schaue auch überhaupt nicht gerne
Drohnenvideos an. Es ist faule Effekthascherei.
Klar, Orte sehen von oben immer anders aus als
Orte von unten. Na so was, Dächer. Hätte man
nicht gedacht. Wie die aussehen. Wenn ich ein
Video schaue, dann möchte ich doch Menschen
sehen, Emotionen, von mir aus auch Tiere.
Nicht nur irgendwelche Orte, und dann auch
noch von oben. Drohnen sind für Leute, die
kein echtes Interesse an der Welt haben. Leute,
die glauben, dass man Dinge verstehen kann,
ohne ihnen nahe zu kommen.
Als ich noch jung war und bei einer kleinen
Lokalzeitung in einem kleinen Ort arbeitete,
bekam meine Kollegin eines Nachmittags­
einen Anruf von einem Hubschrauber­piloten.
Er werde jetzt spontan über den kleinen Ort
fliegen und habe noch einen Platz frei. Ob
sie nicht Lust habe, mitzukommen. Dann
könne sie Luftbilder machen, von wichtigen
Bauwerken der Stadt. Die Kollegin erklärte
mir, dass das immer mal wieder geschehen
müsse. Die letzten Luftbilder seien schon ein
paar Jahre alt. Und wenn mal die Stadtkirche
renoviert werden müsse oder eine bestimmte
Straße in den Nachrichtenfokus rücke, etwa
wegen einer Einbruchserie, dann sei es im-
mer gut, Luftbilder zu haben. Sie übertrug
mir also ihre Aufgaben für den Rest des Ta-
ges, packte ihre Kamera ein und ging. Ich
weiß noch, dass ich das damals wahnsinnig
glamourös fand.

Hier entdecken jede Woche im Wechsel: Francesco Giammarco,

Alard von Kittlitz und Anna Mayr

PAARWEISE Eine Sex-Kolumne

Nr. 39 Gezeichnet von

Mrzyk & Moriceau
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Der Zettel klemmte auf meinem Gepäckträger.
Es war an diesem Novembertag 2020 auf einem
Supermarktparkplatz in Krefeld. Da stand:
»Möchten Sie Ihr Fahrrad verkaufen? Ich bin
bereit, einen angemessenen Preis zu bieten.« Die
Schrift war schwer zu lesen. Ich faltete den Zet-
tel aus­ein­an­der. »Mir wurde mein Steppenwolf
in Paris nach einer langen Reise geklaut. Ich
hänge wirklich sehr an dem Fahrrad und bin seit
jeher auf der Suche nach einem ähnlichen.«
Darunter Handynummer und Mailadresse.
»Mit freund­lichen Grüßen, Joe Martens«.
Steppenwolf ist die Marke meines schwarzen
Trekkingrads. Vor zwölf Jahren habe ich es auf
Anraten eines Arbeitskollegen für knapp 1000
Euro erworben. Ich wusste damals nur, dass Step-
penwolf eine deutsche Fahrradmanufaktur war.
Im Fahrradladen wurde ich ausgemessen. Dann
musste ich mehrere Wochen warten. Am Anfang
nervte mich das Rad wahnsinnig, weil die Kette
bei jeder Umdrehung ein Klickgeräusch machte,
dessen Ursache mir verborgen blieb. Irgendwann
verschwand das Klicken von selbst – und das Fahr-
rad wurde eine große Liebe. Mehrere Jahre radelte
ich darauf täglich 25 Kilometer zur Arbeit und
25 Kilometer zurück. Einmal fuhr ich mit ihm an
einem einzigen Tag von der niederländischen
Nordseeküste bis nach Hause. 260 Kilometer in
18 Stunden. Dieses Rad würde ich nie hergeben,
aber ich wollte wissen, wer dieser Joe war, der an-
scheinend genauso an seinem Steppenwolf ge-
hangen hatte, wie ich es immer noch tat.
Ich schrieb ihm eine Mail. Keine Antwort.
Dann eine Ausrede: die Schule. Dann wieder
nichts. Nach drei Monaten erhielt ich eine Datei
mit dem Namen »Fahrrad Reise nach Paris.docx«.
Der Bericht umfasste mehr als drei Seiten und
brach nach einem »Also« ab. Da war er noch nicht
mal in Frankreich angekommen. Ein paar Tage
später telefonierten wir.
Im Sommer 2020 war Joe gerade 19 geworden,
also halb so alt wie ich. Er ging in die zwölfte Klas-
se der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamt-
schule in Krefeld, noch ein Jahr bis zum Abi. Er
engagierte sich bei Fridays for ­Future. Die großen
Ferien rückten näher. Wegen Corona gab es nicht
viele Möglichkeiten. Da klopfte diese Idee wieder
bei ihm an. Aufbrechen und abhauen. Und dabei
mit dem Rauchen aufhören. Diesmal wirklich.
Was eignete sich dafür besser als eine mehrwöchige
Radtour? Den Kopf entschleunigen, während der
Körper beschleunigt. So stellte Joe sich das vor.
Nur er, das Fahrrad und der Weg. Bloß hatte er
noch nie eine längere Radtour gemacht. Er fuhr
jeden Tag mit dem Rad seines Großvaters zur
Schule, 15 Minuten vielleicht. Doch jetzt würde
er seinen Plan umsetzen.
Die Ferien kamen, die Tage vergingen. Sein
bester Freund Nando schrieb: Ey, du bist ja immer
noch zu Hause. Sie beschlossen, gemeinsam zu
fahren. Nach drei Tagen hatten sie die Ausrüstung
zusammen. Zelt, Gaskocher, Schlafsäcke, Iso­
matten. Das meiste gehörte Joes Vater. Auch das
Rad, ein schwarzer Steppenwolf Tiago. Joe muss-
te versprechen, das Heiligtum unbeschädigt zu-
rückzubringen. Sein Vater fuhr das Rad seit mehr
als zehn Jahren. Nando hingegen kam auf etwas
angerollt, das er als »DDR-Fahrrad« bezeichnete.
Die beiden hatten nichts gebucht. Sie wollten
spontan bleiben. Sich selbst versorgen. Für die
Hauptmahlzeiten packten sie Nudeln, Reis und
Pesto ein. Eine Bankkarte nahm Joe nicht mit,
bloß Bargeld. Nur das Ziel stand fest. Boulogne-
sur-Mer hatte Joes Vater vorgeschlagen, eine fran-
zösische Hafenstadt am Ärmelkanal. In seiner
Jugend war er selbst mit dem Rad in der Gegend
gewesen, hatte ein nettes Mädchen kennengelernt.
Joe hatte noch nie in Frankreich Urlaub ge-
macht und sich in der Schule für Latein entschie-
den. Laut Google Maps waren es knapp 400 Kilo-
meter. Am ersten Tag schafften sie 70. Sie über-
nachteten auf einem Campingplatz in der Nähe
von Eindhoven, der eher aussah wie eine große
verwilderte Wiese. Über dem Kompost-Toiletten-
häuschen stand auf einem Schild »Stairway To
Heaven«, drinnen waren Kerzen aufgestellt. Am
nächsten Morgen streckten sie sich im Yoga-­
Bereich. Joe hätte sich vorstellen können zu blei-
ben. Aber sie mussten weiter Richtung Brüssel.
Abends hörten sie einen Knall. Nandos Ge-
päckträger hing nur noch halb am Fahrrad, die
Hälfte seiner Klamotten lag auf der Straße. Sie
hatten Luftpumpe, Flicken, Inbus und Ersatz-
schlauch dabei, aber nichts, um einen nur noch
halb am Fahrrad hängenden Gepäckträger wieder
zu befestigen. Im Internet suchten sie vergeblich
nach einer Werkstatt. Und nun? Im Nachhinein
sagt er, in solchen Momenten habe er gelernt, die
Dinge zu akzeptieren, wie sie kommen.
Eine junge Spaziergängerin mit Hund und
Fotos: Victoria Jung für DIE ZEIT
Kind sprach sie an. Ihr Mann könne bestimmt
helfen. Sie folgten ihr in den Garten einer bel­
gischen Kleinfamilie. Der Mann bemalte noch die
Pfosten eines künftigen Pferdestalls, bevor er den
Gepäckträger mit Kabelbinder und Draht wieder
am Rad befestigte. Sie könnten ihr Zelt gerne im
Garten aufbauen, sagte der Mann. Seine Frau
D
brachte ihnen etwas zu essen. Eine glückliche Fa-
milie wie aus einem Hollywoodfilm, dachte Joe.
Ein Vater, der Dinge repariert, eine Mutter, die mit
dem Hund spazieren geht, ein Kind, ein Haus mit
einem großen Grundstück auf dem Land.
Seine Eltern lebten nicht mehr zusammen. Ihm
fiel auf, dass er in seinem Alltag nur noch selten
Leute kennenlernte. In seiner Blase war er cool,
außerhalb war es schwierig. Doch wer mit einem
bepackten Rad und ohne Plan unterwegs ist,
kommt zwangsläufig mit Fremden ins Gespräch.
Am nächsten Morgen fuhren sie weiter. In
der Nähe eines militärischen Übungsgebiets
entdeckten sie Soldaten und fragten, ob sie ein
Foto machen dürften. Durften sie nicht. Nach
Joe Martens (oben) machte die Reise seines Lebens mit dem Rad
... der Typ, der meinen Steppenwolf will?
Unser Autor weiß, dass er ein besonderes Fahrrad hat. Wie besonders, wird ihm erst
klar, als sich eines Tages ein gewisser Joe Martens meldet  VON SEBASTIAN DALKOWSKI
einer Weile sahen sie mehrere Kampfjets am
Himmel. Joe bildete sich ein, dass die Flugzeuge
sie umkreisten und anfeuerten. Er war schon er-
schöpft, das gab ihm Auftrieb bis Brüssel.
Mir gefiel, dass er in den knapp zwei Stunden,
die wir sprachen, nie sagte: Ach, das interessiert Sie
jetzt vermutlich nicht. Das ist langweilig, oder?
Auf dieser Reise war alles wichtig, obwohl außer
dem Fahrraddiebstahl nichts Spektakuläres pas-
sierte. Nach mehr als einem halben Jahr hatte Joe
die Details immer noch im Kopf.
Sie hatten damit gerechnet, schneller voran-
zukommen. Für Nando drängte die Zeit. Er musste­
noch für die theoretische Führerscheinprüfung
lernen. Ihm wäre es lieber gewesen, sie wären bloß
ENTDECKEN
an der niederländischen Küste entlanggefahren.
Joe aber blieb stur: Boulogne-sur-Mer. Kurz vor
der französischen Grenze bauten sie mal wieder
das Zelt auf. Dabei riss eine Stange. Joe wollte den
Schaden sofort reparieren, der Freund erst am
Morgen. Am nächsten Tag eskalierte der Streit.
Nando fuhr von ­Lille aus zurück nach Hause.
Joe fuhr allein weiter. Ungewohnt, aber Zeit
für trübe Gedanken war nicht. Sowieso war kaum
Zeit für irgendwelche Gedanken, die über den
Moment hinausgingen. Am 14. Juli, dem franzö-
sischen Nationalfeiertag, erreichte Joe Boulogne-
sur-Mer, 40.000 Einwohner, Altstadt, Stadt­mauer.
Der beste Moment der Reise war, als er aufs Meer
schaute. Beim Aufbau des Zelts, inzwischen mit
FOLGE 15: WER IST EIGENTLICH ...
Pan­zer­tape repariert, setzte der Regen ein. Er
hörte nicht wieder auf. Zwei Tage blieb er in der
Stadt oder eher auf dem Campingplatz. Nur ein-
mal sah er sich den Ort an, kaufte ein Armband
für seine Freundin. Das Wetter deprimierte ihn.
Auf dem Campingplatz fühlte er sich einsam. Die
meisten Franzosen sprachen kein Englisch. So
sollte seine Reise nicht enden. Also beschloss er,
nach Paris zu fahren und erst von dort den Bus
nach Hause zu nehmen.
Joe hatte noch mal rund 250 Kilometer vor
sich. Einmal zeltete er in einem Wald hinter einem
Kloster. Als er dabei war, einzuschlafen, hörte er
Schüsse. Vermutlich Jäger. Das ständige Auf- und
Abbauen, den ganzen Tag fahren, die Rastlosigkeit,
das war stressig. Aber auch ganz schön aufregend,
500 Kilometer von zu Hause entfernt in einem
Wald in Frankreich zu schlafen. Er machte nicht
viele Fotos auf seiner Reise.
In Saint-Denis fuhr er durch ein Zeltlager von
Flüchtlingen, das neben einem Fluss lag. Er fühlte
sich schlecht, weil er nur zum Spaß unterwegs war
und jederzeit zurück nach Hause konnte. Dann
erreichte er nach 700 Kilometern und anderthalb
Wochen Paris. Joe suchte sich ein Hostel, die Aus-
rüstung verstaute er in einem Schließfach am ­Gare
de Lyon. Wegen der Terroranschläge waren die
Schließfächer nur bis 22 Uhr zugänglich. Bis
heute rätselt er, warum er nicht einfach alles im
Hostel einschloss.
Er war zum ersten Mal in Paris. Die Stadt hatte
er sich anders vorgestellt, romantischer. Er war mal
in ein Mädchen verliebt gewesen und hatte ge-
träumt, dass sie beide in Paris über eine von gut
besuchten Cafés gesäumte Allee liefen. Jetzt waren
alle Cafés leer. Aber auf einem Hügel stand die
Kirche Sacré-Cœur. Davor saßen Leute, tranken
Wein und spielten Gitarre. Unter dem Triumph-
bogen am Ende der Champs-Élysées fühlte er sich,
als hätte er seine eigene Tour de ­France geschafft.
Im Hostel lernte er einen Belgier kennen und
Ronny aus Deutschland, beide vielleicht Ende 20,
und Chrissi oder Chrissy, in seinem Alter und wie
er aus NRW. Mit ihnen erkundete er Paris. Das
Fahrrad stellte er nachts im Hostel unter.
65
Am dritten Tag wollte er abends um elf den
Bus zurück nach Düsseldorf nehmen. Die Fahrt
hatte sein Vater ihm schon vorher gebucht. Am
Abend begleitete er Chrissi in den berühmten
Buchladen Shakespeare and Company, der Bücher
in englischer Sprache verkauft. Sie erinnerte ihn
daran, dass er rechtzeitig an den Schließfächern
sein müsse. Joe vergaß die Zeit trotzdem. Sie liefen
noch herum, setzten sich an die ­Seine. Als er zu
den Schließfächern kam, war es halb elf. Der Zu-
gang war versperrt. Was nun? Er hatte kein Geld
mehr für eine weitere Übernachtung. Er rief seinen
Vater an. Gemeinsam entschieden sie, er solle erst
mal nach Hause kommen und das Rad im Bus
mitbringen. Dann würden sie versuchen, sich das
Gepäck schicken zu lassen. Doch auf dem Rück-
weg kam Joe auf eine andere Idee.
Als ihn seine Freundin Elena am nächsten
Morgen in Düsseldorf abholte, schlug er ihr vor,
zurückzufahren und die Ausrüstung zu holen. Er
glaubte nicht, dass sie sich darauf einlassen würde.
Doch sie war sofort dabei. Sie hoben seinen Step-
penwolf und ein altes Hollandrad für Elena in den
Volvo ihrer Eltern, die ebenfalls keine Bedenken
hatten, und fuhren noch am selben Tag zurück. In
Paris holten sie die Ausrüstung aus dem Schließ-
fach und blieben zwei Nächte. Die Räder zogen
sie erst am zweiten Tag aus dem Auto, um durch
die Stadt zu fahren. Weil im Hostel diesmal kein
Platz für die Räder war, ketteten sie beide an ein
Geländer. Am nächsten Morgen hing da nur noch
das aufgebrochene Schloss.
Er war überhaupt nur nach Paris gefahren, da-
mit die Reise nicht blöd endete. Und nun endete
sie noch viel blöder. Wie sollte er das seinem Vater
erklären? Sie gingen zur Polizei. Er hatte die ver-
rückte Hoffnung, sie hätten den Dieb auf frischer
Tat ertappt. Hier, bitte, Ihre Räder. Hatten sie
nicht, die Polizisten sprachen nicht mal Englisch.
Er rief seinen Vater an, der ein bisschen Franzö-
sisch sprach. Vielleicht würde er etwas erreichen
bei der Polizei. Vorher musste er ihm in aller ­Kürze
die Sache mit dem Steppenwolf gestehen. Die
Räder tauchten nicht mehr auf.
Die Sache machte Joe zu schaffen. Mit seiner
Freundin verbrachte er noch einige Tage an der
niederländischen Küste und sprach so häufig
über Räder, bis sie genervt war. Es war nicht nur
das schlechte Gewissen wegen seines Vaters. Es
war nicht nur, dass sich das Rad bewährt hatte.
Er hatte in ein paar Tagen viel mit ihm erlebt.
Das erste Abenteuer seines Lebens.
Zu Hause war sein Vater leicht angesäuert. Joe
bot ihm an, ein neues Rad zu kaufen. Der Vater
aber sagte, Joe solle eines für sich kaufen, das er
dann mitbenutzen werde. Joe wollte unbedingt
ein ähnliches Rad, am besten einen Steppenwolf.
Seine Fahrradhändlerin sagte ihm, Steppenwölfe
seien gerade nicht verfügbar. Die Firma existiert
nicht mehr. 2012 hat sie die Markenrechte an­
einen anderen Hersteller verkauft, der wiederum
durch mehrere Insolvenzen gegangen ist.
Einmal träumte Joe, dass er dem Dieb das
Rad zurückklaute. Dann sah er mein Rad auf
dem Supermarktparkplatz. Zwar kein Tiago,
sondern ein Transterra, aber 80 Prozent Ähn-
lichkeit. Also schrieb er den Zettel.
Ein paar Tage nach dem Telefonat beschließe
ich, Joe mit meinem Rad zu besuchen. Er wohnt
mit seiner Mutter und seinem Bruder in einem
Backsteinreihenhaus im Krefelder Stadtteil Op-
pum. Als er die Tür öffnet, erinnert er mich spon-
tan an Jesse Pinkman, Walter W ­ hites jungen Kom-
pagnon aus Breaking Bad. Joe trägt einigermaßen
verschlissene Turnschuhe und irgendwann mal
rasierte Haare. Für den Fotografen darf er ein paar
Meter auf meinem Steppenwolf fahren. Im Ess-
zimmer reden wir noch ein bisschen. Er möchte
nach dem Abi Philosophie studieren, lässt aber
durchblicken, dass er nichts gegen das eine oder
andere Wartesemester habe. Wir sprechen über
Musik, ich merke wieder, wie viel jünger er ist.­
Oasis ist für ihn irgendeine Band aus den Neun-
zigern. »Wonderwall, oder?« Er erzählt mir von
einer Hip-Hop-Gruppe namens Genetikk. Ah ja.
In Joes Hosentasche steckt eine Schachtel Ziga-
retten. Er hat es trotz der Tour mal wieder nicht
geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören. Kurz
nach den großen Ferien hat er wieder angefangen.
Heute denkt Joe nicht als Erstes an den Diebstahl,
wenn er an die Radtour denkt. Im Sommer wollen
Elena und er mit ihren Rädern von Paris nach
Barcelona fahren, mehr als 1000 Kilometer. In
Paris endete seine Reise damals, dort soll sie weiter-
gehen. Er muss nur noch ein neues Rad finden.
Das 50-Euro-Rennrad, das er für den Alltag nutzt,
reicht dafür nicht aus.
Gerne würde ich sagen, dass ich mir das mit
dem Steppenwolf noch mal überlegt habe. Dass
Joe dieses Rad viel mehr verdient hat, weil er sich
im Gegensatz zu mir noch in Abenteuer ohne­
Reservierungen stürzt. Aber nein, wirklich nicht.
Mein Kilometerzähler zeigt knapp 23.000 Kilo-
meter an. Ich will auf keinem anderen Rad weiter-
fahren. Joe versteht das. Natürlich versteht er das.
www.zeit.de/vorgelese
66 REISE 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

Fotos: Getty Images; Rob Hemphill (u.)

Mein Traum

Perfekte Farbe, perfekte Körnung: Egremni Beach auf der ionischen Insel Lefkada

Seit Jahren will sich  KARIN CEBALLOS BETANCUR  an einem besonders abgeschiedenen griechischen Strand in die Sonne legen. Diesmal muss es einfach klappen. Oder?

E
s geschieht oft, dass man
im Urlaub an einem
Strand liegt, an dem das
Meer die perfekte Farbe
hat, der Sand die per­
fekte Körnung, das Was­
ser die perfekte Tempe­
ratur, und der Weg, der
zu diesem Strand führt, ist nicht lebens­
gefährlich, aber unangenehm genug, um
dafür zu sorgen, dass der Strand selbst
während der Hochsaison nicht überlau­
fen ist. Genauer: Ich habe im Sommer oft
an einem solchen Strand gelegen, auf ­
einer der zahllosen griechischen Inseln.
Und dachte: Eigentlich solltest du über
diesen fabelhaften Strand was schreiben.
Dann dachte ich nach, wie man das
Ganze aufziehen könnte, ging baden, ließ
mich von der Sonne trocknen, dachte wei­
ter nach, ging noch mal baden, aber am
Ende fiel mir meistens nicht viel mehr ein
als: Mein Gott, ist das schön hier! Und ich
ließ es bleiben.
Dabei ist das ja wichtig. Vielleicht
zeichnet sogar gerade dieses Gefühl glück­
licher Sprachlosigkeit Orte aus, die sich
besonders gut dazu eignen, an ihnen von
wirklich allem auszuruhen.
Auf einem Armband, das ich vor eini­
gen Jahren in Athen gekauft habe, ist ein­
graviert, über wie viele Kilometer Küsten­
linie Griechenland verfügt: mehr als
15.000. Ich muss mich gerade auf diese
Angabe verlassen, weil ich in unserem Fe­
rienhaus seit einer guten Woche keinen
Zugang zum Internet habe. Der Anbieter
hat vor drei Tagen angekündigt, den
Schaden gestern zu reparieren, aber es
kam niemand. 15.000 Küstenkilometer
also, consider it googled. Zwei davon haben
es mir besonders angetan, seit ich sie vor
vier Jahren zum ersten Mal gesehen habe,
von einer 200 Meter hohen Steilklippe
aus: Egremni Beach, ein langes weißes
Band, gesäumt von türkisblauem Meer,
menschenleer, und ich kann nichts dafür,
dass auch noch ein Kiefernzweig ins Blick­
feld ragte, um die Sehnsucht perfekt zu
machen. Egremni Beach, der Ort, an dem
ich in der Sonne liegen will ­since 2017.
Das letzte Erdbeben lag damals gerade
zwei Jahre zurück. Lefkada, eine Ionische
Insel südlich von Korfu, an deren West­
küste sich der Strand entlangstreckt, ist
leider etwas anfällig dafür. Auf You­Tube gibt
es ein Video, das zeigt, wie der gesamte
Strand in einer riesigen Staubwolke ver­
sinkt. Die Straße, die oben zur Steilklippe
führte, wurde dabei ebenso zerstört wie die
Treppe von dort hinunter zum Strand.
Egremni gilt als einer der schönsten Strände
Griechenlands. Bei 15.000 Kilometern
Küstenlänge, ich erwähne das nur noch mal.
Seitdem bin ich jeden Sommer für ein
paar Tage zurückgekehrt. Und jeden Som­
mer hieß es, noch sei es leider nicht so weit,
aber im nächsten Jahr, ganz sicher. Unter­
dessen schleppten Partyboote mehrmals
täglich Touristen auf dem Seeweg nach
Egremni. Aber ich wollte nicht mit dem
Taxi zum Baden fahren, schon gar nicht,
wenn es ein Shuttle ist, mit festen Uhr­
zeiten. Ich wollte meinen eigenen Weg ge­
hen. Nur war der halt kaputt. Es gibt ja auch
noch andere Strände auf Lefkada.
Im April 2021, wir waren Anfang des
Monats angekommen, stießen wir im In­
ternet auf ein Video, auf dem jemand, der
sich die Kamera vermutlich vor die Stirn
geschnallt hat, die Treppen zum Strand von
Egremni hinunterläuft. Das Video dauert
fast vier Minuten, es sind sehr viele Stufen.
Und sie machen einen stabilen Eindruck,
jedenfalls erreicht der Protagonist unbe­
schadet den Strand. Also setzten wir uns ins
Auto. Fuhren über die kurvigen Straßen der
Insel, von denen ich behaupte, dass kein
einziger Fels für ihren Bau gesprengt worden
ist, serpentinige Straßen, auf denen wir in
den vergangenen Jahren schon Füchsen,
Schildkröten und Fröschen ausgewichen
sind, Ziegen und Schafherden sowieso. Die
Zivilisation hat sich auf Lefkada nie macht­
voll durchgesetzt, sie liegt bestenfalls lose
auf. Viele Sommergäste wissen nicht, dass
es hier im Frühling häufig regnet. Die Insel
ist deshalb sehr grün, ein Paradies.
Unsere Fahrt endete etwa einen Kilo­
meter vor unserem Ziel an einem Tor, das
durch ein Fahrradschloss zusammengehal­
ten wurde, daneben ein Zaun sowie ein
Schild, dessen Aufschrift wir mangels Grie­
chischkenntnissen nicht entziffern konnten,
aber der Tenor der Piktogramme war ein­
deutig: ein Ausrufezeichen im Dreieck, eine
abwehrend ausgestreckte Hand, ein Mann
mit Helm. Zusammengefasst: Geh weg.
Wie zum Hohn befand sich das Tor
auf der Höhe eines Felsvorsprungs, von
dem aus man einen Blick auf den hin­
reißend schönen, menschenleeren Strand
werfen konnte. Es roch nach Kie­ fern­
nadeln, und am Boden blühten rosarote
Zistrosen. Ein paar Bauarbeiter in Pick-
ups näherten sich dem Zaun von der an­
deren Seite. Ich fragte einen von ihnen,
wann die Straße offiziell eröffnet werde.
Er antwortete: »20 days«, ehe er das Tor
wieder hinter sich schloss und davonfuhr.
Ich möchte an dieser Stelle kurz erwäh­
nen, dass ich ein umsichtiger Mensch bin.
Seit April 2020 trage ich klaglos Maske im
öffentlichen Raum, in der jeweils verfüg­
baren Qualität. In diesem Frühling sind wir
mit dem Auto auf dem Landweg und an
Deck einer Fähre nach Griechenland gereist,
um uns und andere nicht zu gefährden. Ich
respektiere Verbote, solange ihr Sinn sich
mir erschließt. Aber die Straße hinter dem
Tor machte einen einwandfreien Eindruck,
ein makelloses Band aus Asphalt.
Ich bat K., unsere Ansprechpartnerin
bei der Ferienhaus-Agentur, um Rat. K.
antwortete freundlich, sie werde sehen,
was sie tun könne.
Als wir wenige Tage später mit­ein­an­der
sprachen, erzählte sie mir von einem Be­
kannten, der ein Boot besitze, mit dem er
uns zum Strand von Egremni fahren könne.
Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings nur
Fischerbooten gestattet, aufs Meer zu fah­
ren. Ich wies K. auf das Problem hin. Sie
sagte: Nimm eine Angelrute in die Hand,
vielleicht fängst du was. Ich seufzte.
Ob es möglich wäre, als Journalistin
eine behördliche Erlaubnis zu beantragen,
ganz offiziell, ein Papier, das irgendjeman­
den dazu ermächtigen würde, das Fahrrad­
schloss am Tor zu entfernen und uns Zu­
tritt zu gewähren? Damit ich endlich,
endlich, ENDLICH über den Strand
schreiben könnte. Oder sei es doch am
klügsten, die 20 Tage einfach abzuwarten?
Das, erwiderte K., sei Unsinn. Der Zugang
werde laut Bürgermeister erst in einem
Monat eröffnet.
»Warum springt ihr nicht einfach über
den Zaun?«, fragte K. nach einer Weile. Be­
tretenes Schweigen. Wir wollten ungern
Regeln brechen. Und wenn man den Be­
hördenvertretern – K. unterbrach mich. Sie
habe bereits mit der zuständigen Stelle tele­
foniert: »Die haben mich gefragt, warum
ihr nicht einfach über den Zaun springt.«
Und was war mit den Bauarbeitern? Wäre
es nicht peinlich, von ihnen auf frischer Tat
ertappt zu werden? »Die helfen euch, über
den Zaun zu springen«, erwiderte K. »It’s
what we do, it’s Greek.«
Wenige Tage später parken wir den
Wagen vor dem Tor, das den Zugang zum
Strand von Egremni versperrt. Auf dem
rechten Flügel hat jemand Stacheldraht
drapiert, aber es wirkt nicht ernst ge­
meint, eher wie Lametta. Neben uns
parkt ein Auto mit rumänischem Kenn­
zeichen. Ein Pärchen steigt aus. Die Frau
genießt die Aussicht auf dem Felsplateau.
Der Mann tritt auf uns zu. Er will wissen,
ob es stimmt, dass man mit einem Buß­
geld belegt wird, wenn man über den
Zaun springt. Wir lachen und fühlen uns
dabei sehr griechisch. Dabei müssen wir
nicht mal springen. Der Rumäne hat eine
Stelle entdeckt, an der jemand eine Holz­
palette auf den Zaun geworfen und lie­
gen gelassen hat. Ich liebe dieses Land.
Die Sonne brennt, während wir die
Serpentinen hinunterlaufen. Es fühlt sich
an, als kenne man den Besitzer einer Bar,
und er hat einem nachts den Schlüssel über­
lassen und darum gebeten, das Geld für die
Drinks einfach auf den Tresen zu legen. Es
ist ganz still, bis auf ein paar Zikaden, die
zirpen, das tun sie ja immer. Ziegen kreu­
zen. Hinter einer Kurve bemerken wir eine
Gruppe Bauarbeiter und tun kurz so, als
würden wir die Aussicht genießen, bis uns
klar wird, dass auch das an dieser Stelle ver­
boten wäre. Wir laufen an ihnen vorbei und
sagen Hallo. Sie sagen Hallo. Dann stehen
wir vor der Treppe zum Strand. Und mir
fällt ein, dass ich Höhenangst habe.
Die alten Stufen verwittern wie ein
Kadaver unter der neuen Kon­struk­tion,
deren Träger in den Stein getrieben wur­
den. Auf der zweiten Hälfte der Strecke
blinzelt der Abgrund durchs Geländer, es
geht im Zickzack eine Klippe abwärts.
Dass es insgesamt 412 Stufen sind, weiß
ich, weil mein Mann sie zählt. Ich konzen­
triere mich darauf, nicht auszurasten. Auf
einigen Stufen liegen kleine Felsbrocken,
Schilder warnen vor Steinschlag. Ich muss
an das You­ Tube-­Video denken, an die
Staubwolke und die Erd­beben­wahr­schein­
lich­keit auf Lefkada. Aber unter mir
kommt das Weiß immer näher, das Türkis,
und die Bäume über uns sind längst klein
wie ein Modelleisenbahnpanorama. Dann
erreichen wir den Strand.
Er ist gigantisch. Linker Hand gesäumt
von weißen Kalksteinfelsen, an denen die
Spuren des gewaltigen Erdrutsches noch
immer sichtbar sind. Kein Mensch in Sicht,
auf zwei Kilometern Länge. Egremni Beach.
Es dauert eine Viertelstunde, bis das
rumänische Pärchen den Strand erreicht
und einen Sonnenschirm errichtet. Kurz
darauf folgen zwei junge Männer, von de­
nen einer im Vorübergehen freundlich
grüßt, ehe er in respektvoller Entfernung
die Badehose auszieht und seinen Spazier­
gang in freier Körperkultur fortsetzt. Alles
andere wäre hier sowieso Quatsch.
Die Wellen rauschen. Das Meer hat
die perfekte Farbe, der Strand die perfekte
Körnung. Und ich meine ... Mein Gott,
ist das schön hier.

LE F K A DA

Sundowner
Eines der schönsten Restaurants, um
während des Abendessens der Sonne beim
Untergehen zuzusehen, ist das Rachi in
Exanthia, in unmittelbarer Nachbarschaft
GR IECHENL AND
ATHEN
Zum Mitnehmen Greek Muddi LEFK ADA
Auf Lefkada wimmelt es von Bienenstöcken. In Maria’s Tavern in Kolyvata blickt man zwar
Meinen Lieblingshonig verkauft Kostas nicht aufs Meer, aber an den Tischen auf ihrer Eg r e m n i
Robotis in seinem Laden oberhalb von Terrasse, beladen mit Mezedes, fühlt man sich
Egremni Beach (an der Landstraße kurz wie zu Besuch bei Verwandten. Probieren Sie
Kyk

von Egremni Beach. Jacke einpacken! Es ist hinter Athani). Man kann verschiedene den Saganaki! Am besten vorher kurz anrufen ad
l

dort oben oft sehr windig. rachi.gr Sorten probieren, ich schwöre auf Thymian (Maria spricht Englisch) +30-2645/04 12 28 M it t e l m e e r en
DIE ZEIT N o 25 17. Juni 2021
Alle mal
Schwung holen!
Im Tessin kann man jetzt an besonders schönen Orten nicht
nur schauen, sondern auch schaukeln  VON MARLON RUSCH
D
ie Reise war zu Ende, die
Sache gelaufen, mein
Kopf hatte obsiegt. Und
dann sitze ich auf die-
ser Schaukel auf dem
Monte San Salvatore,
blicke weit über den glei-
ßenden Lago di Lugano – und fange an, hin
und her zu schwingen. Höher, immer höher;
am toten Punkt fährt die Schwerelosigkeit
wohlig in den Bauch, die Atmung scheint für
einen Moment auszusetzen. Und dann auch
der Kopf. Ich könnte jetzt wohl abheben und
würde mich nicht mal wundern.
Ein paar Wochen zuvor lese ich in einer
Zeitung von der neuesten Tessiner Touristen-
attraktion. Die italienische Schweiz ist ein Sehn-
suchtsort, auch für Deutschschweizer wie mich;
glasklare Flüsse, Polenta und Aperol Spritz
unter Palmen. Das Projekt Swing the World­
verspricht noch mehr: »auf dem Holzbrett
atemberaubenden Aussichten entgegenschwin-
gen und sich eins mit der Landschaft fühlen –
am See, auf dem Berggipfel, am Wasserfall oder
auf der Piazza«.
Neun Schaukeln hat ein junges Tessiner­
Influencer-Paar quer durch den Kanton an
Bäumen aufgehängt, laut Zeitung an »besonders
Instagram-tauglichen Orten«. Auf die Idee
kamen die beiden, die Grafikdesignerin Elisa
Cappelletti und der Filmemacher Fabio Balassi,
während der Pandemie: Sie wollten Menschen
ermuntern, auf originelle Weise Zeit unter
freiem Himmel zu verbringen. Die Sitzbretter
der Schaukeln sind aus heimischem Holz­
geschnitzt, die Seile handgewebt. Zu den meis-
ten Schaukeln kommt man nur zu Fuß oder mit
dem Fahrrad. Das klingt ganz schön zeitgeistig.
Vor allem aber klingt es nach Seelen-Wellness.
Und genau danach sehne ich mich nach diesem
verrückten Jahr: wieder einschwingen ins gute
Leben. Also öle ich meine Fahrradkette und
krame die Schweiz-Karte aus dem Schrank.
Meine erste Station ist Locarno, das ich vor
allem vom mondänen Filmfestival kenne, bei
dem sich im August die mittelalterlichen­
Gässchen und die Piazza Grande mit allerlei
prominenten Gesichtern füllen. Jetzt aber ruft
der Hausberg. Eine Zahnradbahn führt in die
Höhe, zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso,
von dort bringt mich eine Seilbahn zur Berg-
station Cardada, 1340 Meter über Meer. Ent-
worfen hat sie der Tessiner Stararchitekt Mario
Botta, ebenso wie die tropfenförmige gläserne
Gondel. Doch ich habe gerade kein Auge für
bauliche Ästhetik – ich will schaukeln. Ich
steige aus, mache ein paar Schritte – und stutze:
Ist sie das? Inmitten einer Freizeitlandschaft aus
Restaurantterrassen, Barfußpfaden und Kinder-
spielplätzen hängt schmucklos eine Schaukel
an zwei Bäumen, etwas verloren, unter dem
Sitzbrett eine riesige Pfütze; es könnte das Tage­
werk von ein paar Dorfbuben sein. Doch da ist
eine Tafel angeschlagen mit allerlei Hash­tags:
#ticinomoments, #myasconalocarno, #swing­
theworld. Nun gut. Ich setze mich und beginne
zu schwingen.
Und jetzt fliege ich, steige ich, steige ich auf!
Und falle und falle – und wieder hinauf
und mit Schwung! Und wieder: Ich steige!
O schau!
Ich Vogel, ich Adler, ich Lerche im Blau!
So reimte in den 1960er-Jahren die Kinderbuch-
autorin Ursula Wölfel in ihrem Gedicht Schau­
kelspaß. Mir aber fällt es gerade schwer, mich in
Tiere einzufühlen. Ich schwinge zwar, doch die
Seele schwingt nicht mit. Zum Glück gibt es
hier in Cardada eine Aussichtsplattform, eben-
falls von Mario Botta. Ein frei schwebender Steg
führt zu einer Ebene, aufgehängt mit Stahlseilen
an Stahlpfeilern. Von dort schweift der Blick
über den Lago Maggiore, der sich bis nach Ita-
lien erstreckt, sowie über den höchsten und den
tiefsten Punkt der Schweiz: die verschneite
Dufourspitze (4634 Meter) und das Maggia-
Delta (193 Meter). Man sieht auch in die Fluss-
täler des Tessins hinein, die sich durchs Land
ziehen wie die Finger einer Hand: Das Cent-
ovalli ist der Daumen, es folgen Maggia, Ver-
zasca, Leventina und Blenio. Einige der Finger
haben ihrerseits Finger. Und wie ich hier stehe
und mein Blick sich verliert, wird mir klar: Um
zu fliegen wie eine Lerche im Blau, muss ich raus
aus der Zivilisation, hinein in die echte Natur.
Ich entscheide mich für den Wasserfall beim
Dorf Foroglio, den Tessiner Zeigefinger ent-
lang, dann links hinein ins Bavonatal. Am
nächsten Morgen radle ich los. Unterwegs
denke ich darüber nach, dass der Universal­
gelehrte Jürgen von der Wense mal schrieb:
»Schaukeln heißt: im Sitzen tanzen.« Human-
biologen würden wohl eher sagen, durch die
Pendelbewegung werde das Gleichgewichts-
REISE 67
Foto: Fabio Balassi
organ im Innenohr aktiviert und das Kleinhirn
leite die elektrischen Impulse dann an die
Freude-Zentren des limbischen Systems weiter,
wo Emotionen verarbeitet werden. So oder so:
Die wohltuende Wirkung kennen wir alle, seit
uns die Eltern abends in den Schlaf wiegten.
Die Felswände des Bavonatals sind steil, das
klare Wasser schlängelt sich um glaziale Fels-
brocken, dazwischen grasen Esel. Es gibt hier
nur ein Baumaterial, für die Häuser, die Kirchen,
die Steinbogenbrücken: Granit. Die zwölf ­
Weiler ohne Elektrizitätsanschluss, die bloß im
Sommer bewohnt sind, schmiegen sich in die
grüne Landschaft. Reise-Blogs haben sich auf
ein Adjektiv für die Gegend geeinigt: »wild­
romantisch«. Und während ich strample, murm-
le ich eine Danksagung an die rigide Tessiner
Denkmalpflege in den warmen Fahrtwind.
Man sieht den Wasserfall schon von Wei-
tem, 108 Meter stürzt er von einem Grat in die
Tiefe. Ein Gischtstrahl, der mit Getöse unten
in ein Wasserbecken prallt und in der Sonne
zerstäubt. Hier ist’s wahrlich instagramable. Ich
tippe #swing­the­world in mein Smart­phone und
sehe, wo die Schaukel hängt. Oder besser: hän-
gen sollte. Denn bis auf ein paar Abriebspuren
des handgedrehten Seiles an zwei Bäumen ist
da nichts. Fabio Balassi wird später am Tele-
fon sagen, die Schaukel werde bald wieder
auf­gehängt, nächste Woche oder übernächste.
Ich setze mich auf einen Felsen und krame
etwas ratlos den preisgekrönten Feigenpanet-
tone der Konditorei Poncini aus einer Sattel-
tasche, den ich in Maggia erworben habe. Ist
meine Reise hier, in der Ruhe des Bavonatals,
bereits gescheitert?
Doch dann, mit jedem Bissen des teuf-
lisch guten Kuchens, wächst eine Ahnung in Überflieger: Im Botanischen Garten San Grato über dem Lago di Lugano
mir: Sind diese Schaukeln vielleicht gar nicht
das Ziel meiner Reise, sondern viel eher der
Weg? Der Weg an Orte, die ich ohne Swing
the World nie aufgesucht hätte? Ich setze mich und beginne zu schaukeln,
Ich radle zurück und am anderen Morgen
hinein ins nächste Tal, das Centovalli. Der unter mir breitet sich der See aus. Es kribbelt im Bauch.
Name bedeutet »hundert Täler«, entsprechend
verzweigt ist es und breiter. Es ist ein wichtiger Es ist, als würde ich in den Himmel fliegen
Transitort in den Süden. Früher wurde es­
»Kaminfegertal« genannt, da die Kinder maus-
armer Familien aus dem Centovalli als spazza­ ANZEIGE
camini in norditalienische Großstädte verkauft
wurden, um die Schornsteine zu putzen. In der
Zwischenzeit hat sich das Tal einer nachhalti-
geren Ressource besonnen: seiner Natur. Der
Wildbach Melezza bahnt sich seinen Weg durch
das ewige Grün, Förster transportieren Bäume
mit dem Helikopter.
Zwei Kilometer vor der italienischen Grenze
erreiche ich eine kleine Seilbahn, über 50 Jahre
alt. Die Nostalgiegondel trägt mich hinauf ins
autofreie 14-Einwohner-Dorf Rasa: Ein paar
Steinhäuser und eine Kirche stehen auf einer
natürlichen Terrasse im Hang, umrahmt von
sorgfältig gepflegten Blumenbeeten. Man wähnt
sich im kleinsten Freilichtmuseum der Schweiz.
Ich sehe sie schon vom Dorfrand aus: Die
Schaukel hängt neben einer Weide an zwei
Bäumen, am Rande eines Wäldchens. Ich setze
DIE GROSSE FREIHEIT BEGINNT
mich aufs Brett und schaue hinunter ins Tal,
verliere mich in einem Meer aus gefurchten
Hügeln. Immer wieder bleiben die Augen hän-
MIT GROSSER VIELFALT.
gen an Orten, an denen man problemlos eine
weitere Panoramaschaukel montieren und sich
so kreuz und quer durch dieses wunderbare
Tessin hangeln könnte. Dass man in Rasa gar
nicht richtig schaukeln kann, ohne sich die
Zehen an Wurzelstöcken zu stoßen und mit dem AB
Rücken gegen einen der Bäume zu schlagen, die JE T Z T ,
hier viel zu dicht bei­ein­an­der­ste­hen – geschenkt. U T S C HL AND
DE ,
Am nächsten Tag mache ich noch einen
I E C H E NL A ND
letzten Schlenker, hinunter in den Süden, GR ODE R
nach Lugano. Mein Ziel ist der Hausberg ITALIEN N CODE SCANNEN
Monte San Salvatore, eine grüne Erhebung SPANIE UND BUCHEN
mit dem Profil einer Gaußschen Glocken­
TE
kurve direkt überm See, man spricht nicht zu- 7 NÄCH **
€
fällig vom »Zuckerhut des Tessins«. Ich AB 899
schnaufe hinauf auf 912 Meter über Meer,
und da baumelt sie, an zwei Bäumen mitten
zwischen den Azaleen, Koniferen und Rhodo-
dendren des botanischen Gartens: ein Pracht-
exemplar von einer Schaukel, höher aufge-
hängt als die anderen, mit viel Fußraum und
Platz zum Schwingen. Ich setze mich und be-
ginne zu schaukeln, unter mir breitet sich der
lang gezogene Lago di Lugano aus, gesäumt
von Dörfern. Erst geht es gemächlich hin und
her, dann höher und immer höher, es kribbelt
im Bauch, weiter oben kommt das limbische
System in Schwung. Während ich schwinge
und schwinge, zwitschern ein paar Vögel,
schwatzen ein paar Touristen, doch bald sind
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 ENTDECKEN
Liebe Ella,
Illustration: Sergio Membrillas für DIE ZEIT
ich bin Kulturschaffende – genauer
möchte ich es nicht sagen, denn das
Dorf, in dem ich lebe, ist klein, und
ich möchte mein Anliegen lieber ano-
nym schildern. Ich unterrichte, habe
selbst Auftritte, leite eine Gruppe, ar-
beite im Kulturverein mit. In unse-
rem Dorf bestreite ich einen ansehn-
lichen Teil des Kulturlebens. Mein
Mann tut das auch. Er hat vor ein
paar Jahren mit viel Einsatz erreicht,
dass die Gemeinde ihm dafür einen
Titel verliehen hat. Völlig zu Recht.
Geärgert hat mich allerdings, dass ich
nicht eingeweiht war in den Plan. Bei
der Verleihung kam auch noch der
grässliche Satz von der Frau, die ihm
den Rücken freihält. Ich habe danach
mehrere Male den Bürgermeister und
andere angesprochen, ob für mich
auch eine Art der Anerkennung mög-
lich wäre. Nach langer Pause hatten
sie die grandiose Idee, den Titel rotie-
ren zu lassen. Das will ich natürlich
meinem Mann nicht antun. Trotz-
dem kann ich meinen Ärger nicht
ganz abstellen. Hat das mit dem
Frausein zu tun, werden Männer tat-
sächlich immer noch eher gewürdigt?
Bin ich knickerig, neidisch, miss-
günstig? Ich möchte gerne großmütig
darüberstehen, aber dann denke ich
immer, dass ich hier auch wichtig
fürs Gemeindeleben bin, und schon
Mein Mann und ich engagieren uns,
kommt der Ärger wieder hoch.
Eine Enttäuschte
Liebe Enttäuschte,
er allein wird dafür geehrt. Ist das okay? aus Ihrer Frage geht leider nicht recht
hervor, welche Privilegien mit dem
Titel verbunden sind, die Ihr Mann
für sich erwirkt hat (Geld? Ruhm?
Sie haben ein Problem und würden gern darüber sprechen – aber es hat Krönchen?), aber im Grunde ist das
auch gar nicht der Punkt. Sie beide
mal wieder keiner Zeit? Dann fragen Sie ELLA ! tun, wenn ich das richtig verstehe,
mehr oder weniger das Gleiche. Er
hat für diese Leistung etwas bekom-
men, Sie nicht. Deswegen sauer zu
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sein macht Sie weder knickerig noch
neidisch oder missgünstig. Sie haben
einfach ein total gesundes Gerechtig-
keitsempfinden. Herzlichen Glück-
wunsch.
Sie fragen mich, ob Männer noch
immer eher gewürdigt werden als
Frauen. Ja, klar. Das ist auch nicht
nur so ein Gefühl, das kann man so-
gar googeln (in der Spiegel-Bestseller-
liste belegen aktuell sieben Männer
die Top Ten in der Kategorie »Sach-
buch Hardcover«, nur mal so als Bei-
spiel), das kann man in jeder Konfe-
renz erleben, in der ein Mann wieder-
holt, was eine Frau zuvor inhaltlich
identisch vorgetragen hat (funktio-
niert auch per Zoom), und im Ge-
gensatz zu ihr dafür gefeiert wird, das
belegt der Gender-Pay-Gap.
Sie fragen mich, ob das was mit
dem Frausein zu tun hat. Na ja. Vor
dem Frausein kommt ja das Frau­
werden, und das hat eine jedenfalls zu
meiner Zeit darauf eingeschworen,
dass Aufbegehren »Männersache« sei.
In meinen Zeugnissen gab es noch­
sogenannte Kopfnoten in den Kate-
gorien Aufmerksamkeit, Fleiß, Ord-
nung und Betragen. In Betragen hatte
ich meistens eine Drei oder Vier.
Dabei habe ich nie jemandem sein
Pausenbrot geklaut oder Lehrerinnen
beleidigt. Ich habe mich gewehrt,
wenn ich das Gefühl hatte, ungerecht
behandelt zu werden. Womöglich hab
ich deshalb auch mal bei einer Noten-
besprechung wortlos das Klassen-
zimmer verlassen. Bei mir galt das als
Skandal und wurde entsprechend
sanktioniert. Bei Klassenkameraden:
Boys will be boys.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht,
aber mit mir hat das was gemacht. Ich
laufe viel zu oft mit der Faust in der
Tasche herum, statt damit auf den
Tisch zu hauen und meine Rechte
einzufordern. Und ehrlich gesagt: Sie
tun das auch.
69
Sie schreiben, Ihr Mann habe seinen
Titel »mit viel Einsatz« erworben, und
beklagen, Sie seien nicht in den Plan
»eingeweiht« worden. Wäre das aber
nicht verdammt noch mal das Mindeste
gewesen, was er hätte tun können? Und
hätte nicht er, der besser als jeder ande-
re weiß, dass Sie beide denselben Auf-
wand treiben, sagen sollen: Du, ich
finde, wir haben echt einen Titel ver-
dient, lass mal zusammen beantragen.
Hat er aber nicht, nur für sich halt.
Danke für nix, Mann.
Und jetzt finden Sie, Sie könnten
ihm nicht antun, dass der Titel, den
er für sich klargemacht hat, rotiert??
­Come on, liebe Enttäuschte!
Sie möchten großmütig sein. Groß-
mut trägt das Wort »Mut« in sich. Den
braucht man, wenn es brennt. Wenn
irgendwas viel größer und wichtiger ist
als die eigenen Bedürfnisse. Aber zu-
rückzustecken, nur weil man schon als
Kind auf ein Gleis gesetzt worden ist,
das in die falsche Richtung führt, hat
nichts mit Mut zu tun. Es ist auch
nicht groß, sondern klein – wofür ich
Verständnis habe, aber das macht es
nicht besser –, weil der Rückzug mit
Angst zu tun hat.
Ich weiß nicht, was Ihr Mann als
Insigne seines Titels bekommen hat,
aber selbst wenn es nur ein Spucke­
tattoo Ihres Dorfwappens wäre: Sie
haben das Gleiche verdient!
Ihre Ella
Schreiben Sie uns!
Sie haben Mist gebaut? Sie wären gern
anders, aber wissen nicht, wie?
Ella lässt sich was für Sie einfallen.
Ella ist eine ZEIT-Redakteurin mit
abgebrochenem Psychologiestudium
und vielen Stunden Tresentherapie-
Erfahrung. Schreiben Sie ihr offen
und angstfrei unter einem Pseudonym
Ihrer Wahl per Mail an:
fragmichmal@zeit.de
oder über Instagram unter @zeit_ella
© iStock.com/LosLarsos
 ENTDECKEN 17. Juni 2021 DIE ZEIT N o 25

70
Was mein
Du siehst aus, Leben reicher
wie ich mich fühle
WIE ES WIRKLICH IST

macht

Der neun Jahre alte Gepard Keene wurde in einem schwedischen Zoo geboren. Heute lebt er mit zwei älteren Brüdern in der Big Cat Sanctuary in England. Beim Training ist immer er der Beste. Fotografiert von Perou
... in der Pandemie
mit dem Chor einen Der wunderschöne Grünfink, der mich manch-
mal ein kleines Stück begleitet, wenn ich mit dem
Corona-Hit zu landen Fahrrad zur Arbeit fahre.
Lars Eckstein, Hof heim am Taunus

D
um du du dum du Scheiß-Corona!« Nach einem ergiebigen Landregen: Vor mir eine
Mit diesem Refrain hat im vergange- Mutter mit ihrer kleinen Tocher, vielleicht
nen Jahr alles begonnen. Der erste 18 Monate alt. Die Kleine trägt einen bunten
Lockdown stand bevor, unser A-­ Overall und Gummistiefel. Sie bearbeitet mit
cappella-Chor Happy Disharmonists durfte sich ihren­Füßen jede Pfütze so lange, bis sie trocken
nicht mehr treffen, mir persönlich waren quasi liegt – manchmal findet man auch noch ein
alle Aufträge weggebrochen – ich arbeite als Steinchen, das begutachtet werden muss! Und
Chorleiter und gebe Seminare zur Chordidak- schon geht es weiter zur nächsten Pfütze ...
tik –, und ich überlegte, wie man kreativ mit der Bernd Krieger, Gera
Situation umgehen könnte. Die rettende Idee
war: Wir machen ein virtuelles Chorvideo. Als mein Patenkind Jule und ihre Schwester noch
Den Begriff gab es damals noch gar nicht. zur Grundschule gingen, holte ich sie einmal in
Warum auch. Vor der Corona-Pandemie lag der der Woche mit dem Wagen vom Unterricht ab.
Reiz für Chormitglieder ja gerade darin, zusam- Die Fahrt war immer sehr lustig, weil das kleine
men zu singen, dabei auf­ein­an­der zu hören und Auto ruhig fuhr, wenn man nett mit ihm redete.
zu reagieren und zusammen auf einer Bühne zu Sagte man aber etwas Böses, ruckelte es wild und
stehen. Unseren Amateurchor gibt es seit 1985. zickig. Meist ermunterte das die kichernden
Da haben wir nach dem gemeinsamen Abitur in Mädchen, noch mehr Frechheiten an das arme
Berlin die Disharmonists gegründet. Seitdem Gefährt zu richten.
hat unser Chor in 35 Jahren sehr viele Konzerte Mittlerweile macht Jule den Führerschein, und
ge­geben, besonders stolz sind wir auf sieben aus- eben haben wir im Hof das Anfahren am Berg
verkaufte Auftritte in der »Bar jeder Vernunft«. geübt. Der immer noch gleiche kleine Franzose
Aber ein virtuelles Chorvideo hatten wir noch tat Sprünge wie vor zehn Jahren – und wir haben
nie produziert. auch wie damals gelacht.
Technisch ist das gar nicht so schwer. Alle Christian Pfeifer, Wiesbaden
22 Mitglieder bekamen zunächst einen Übungs-
track, zu einem Playback über Kopfhörer haben Meine Frau! Tag für Tag. Und das seit dreißig
sie dann allein daheim ihren Part gesungen und Jahren.
aufgenommen. Ich habe im Studio alle Spuren Bernd Sotek, Baden-Baden
über­ein­an­der­ge­legt und gemischt und anschlie-
ßend mit den gefilmten Bildern synchronisiert. Mein Erstklässler, der auf seinem ersten
Für das Chorvideo Das gefährlichste Hobby der Nachhause­weg nach dem fünfmonatigen Schul-
Welt hatten wir uns alle auf einer großen Wiese Lockdown ein Sträußchen Butterblumen für die
getroffen, mit riesigen Abständen, und hatten Mama am Straßenrand gepflückt hat.
trotzdem Angst, dass wir erwischt werden. Judith Sausele, Amberg
Selbst im Freien war Chorsingen damals ja gerade
­untersagt. Während meiner zweistündigen Chemotherapie
Mittlerweile sind es sieben Videos. Scheiß- entspannt die ZEIT lesen.
Corona war unser erster Hit, er wurde auf Face­ Peter Hauswald, Friedrichshafen
book und YouTube fast eine Million Mal ange­
sehen. Ich wollt, ich wär immun zur Melodie von Ein Jahr lang habe ich für mich und meine kleine
Ich wollt, ich wär ein Huhn der Comedian Har- Tochter eine Wohnung gesucht. Mein letzter
monists wurde auch ein kleiner Hit in der Chor- Versuch­war ein kleiner Zettel, aufgehängt in
welt. Produziert haben wir es im März dieses Folge 262 meinem Lieblingscafé. Mehrere Monate hing er
Jahres, kurz vor der dritten Welle. Ich dachte, wir dort. »Häng ihn wieder ab«, sagte ich irgendwann
müssten uns beeilen, bevor Corona bald vorbei zum Cafébesitzer. Aber der glaubte daran, dass
ist. Nun ja. Der Candystorm, der nach der­ meine Worte irgendwann gesehen werden.
Veröffentlichung ausbrach, hat uns irre gefreut. Und dann kam tatsächlich jemand und hatte eine
Wenn wir irgendwann wieder auftreten dür- ZEITSPRUNG WORTSCHATZ Wohnung für uns, ganz oben in einem Altbau
fen, wird es uns wohl wie Jürgen Drews gehen, mit einem Glasdach, das, wenn die Sonne scheint,
der immer sein Bett im Kornfeld singen muss, einen Regenbogen auf den Fußboden wirft. Wir
jeden Abend; wir werden wohl bei allen Konzer-
ten unsere Corona-Hits präsentieren müssen.
Testspiel Knotenpöhler nennen die Wohnung unseren Leuchtturm.
Eva Segbers, Hamburg
Dabei wissen wir gar nicht, ob wir sie live über-
haupt gut zusammen singen können – das haben Ein Knotenpöhler ist ein Mensch, dem Abendspaziergang nach einem Regenschauer. Die
wir ja noch nie gemacht. das Lösen von Knoten Freude macht, Natur riecht wunderbar frisch. Ich pflücke ein Körb-
auch im übertragenen Sinn. Es ist jemand, chen Holunderblütendolden, weiß und betörend
den Wollknoten, Kabelknoten, aber auch süß duftend. Soll ich sie gleich im Teig ausbraten?
gedankliche Knoten, knifflige Situationen Nein, ich lege sie erst mal in eine Schale, damit sie
auch die Wohnung mit diesem Duft füllen können.
oder schwierige Menschen faszinieren,
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos: privat

Elisabeth Werner-Zureck, Schweinfurt

einer, der beim Auflösen Raum und Zeit
Carsten Gerlitz, 54, vergessen kann. Für meine Begriffe liegen
ist Chorleiter und schreibt Chor-Arrangements. die Tätigkeiten pöhlen und pulen eng Machen Sie mit!
Er lebt in Berlin beieinander. Möglicherweise ist pöhlen
Wir gehörten zu den ersten Gästen, die die Insel Sylt Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
Aufgezeichnet von Susanne Lang nach sechs Monaten Pandemiepause wieder aufnehmen durfte.
eine Ruhr-Variante von pulen. Ich bin in teilen Sie Ihre »Wortschätze« und »Zeitsprünge« mit uns.

Der Strand von Kampen war noch ziemlich leer, aber nach all der
Kontaktbeschränkung haben sich die Kinder dort spontan und
ohne einander vorher zu kennen, zum Fußballspiel zusammengetan.
Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist«
berichten möchten,
Das war ein ganz besonderer Moment.
melden Sie sich bei uns: wirklich@zeit.de Nadine Brandau, Frankfurt am Main
Essen aufgewachsen, und oft nannten Beiträge bitte an leser@zeit.de oder an
Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg
meine Eltern mich als Kind Knotenpöhler.
Doch meinen Freunden hier in Aachen
ist dieses Wort völlig unbekannt. Die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung und redaktionelle Bearbeitung
Ihrer Beiträge vor. Mit der Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
Ihren Beitrag in der ZEIT, in der ZEIT-App, in sozialen Netzwerken oder
Günter Essers, Aachen in einem ZEIT-der-Leser-Sammelwerk zu veröffentlichen

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»Könnte der Lothar Matthäus

der WM 19 9 0 heute mithalten?«
»Ich hatte zumindest
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Mit 6 0 Jahren zieht der Weltfußballer Bilanz
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16 weißt Du
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LOTHAR MATTHÄUS
Der ehemalige Weltmeister erzählt von
seiner Kindheit in Herzogenaurach,
den besten Spielszenen seiner Karriere und davon,
was ihn am heutigen Fußball fasziniert Reportagen, Recherchehinter-
grund und Gespräche über
Titelfotos Robert Fischer

26 Wissenschaft, Alltag und

Gesellschaft – jetzt 2 x im Monat
GUTE FRAGE
im ZEIT WISSEN-Podcast.
Nach fast anderthalb Jahren Pandemie
haben alle den guten alten Small Talk verlernt.
24 Vorschläge für den Wiedereinstieg

28
SLOWFLOWER-BEWEGUNG
Die Fotografin Anne Schwalbe und die Autorin
Lorraine Haist haben sich auf einem ökologischen
Blumenfeld umgesehen

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Nadine Redlich lebt in Düsseldorf und zeichnet hier wahre Szenen, die sie unterwegs beobachtet hat.
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Surrounded By Time, das
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(Sex Bomb, She’s a Lady),
klingt ungewohnt grüblerisch
Wie Justin Timberlake und
Britney Spears anno 2001
können Paare jetzt wieder im
Jeans-Komplettlook gehen:
Die Marke Daily Paper hat je
ein Herren- und ein Damen-
Ensemble im Angebot
Der TikTok-Kanal
@sinkreviews veröffentlicht
merkwürdig poetische
Rezensionen von Waschbecken
öffentlicher Toiletten
8
Heiter bis glücklich
Das Model Kaia Gerber hat
in einem Video der Vogue dazu
geraten, Rouge auch auf der
Nasenspitze aufzutragen.
»Eine Tochter im Damit sehe man nämlich selbst
Teenager-Alter zu haben ist, mit LSF 50 so aus, als sei
wie einen Schwarm im man ständig auf der Sonnenseite
Büro zu haben: Du denkst des Lebens unterwegs
sehr viel mehr an
Manche Leute fühlen sich die Person als sie an dich.«
wohler, wenn auf ihrer
faltbaren Einkaufstasche aus ­ Eine weise Feststellung der
Nylon Balenciaga steht. Komikerin Tina Fey,
Selbst wenn das Teil deshalb gehört in Jimmy Fallons
250 Euro kostet Tonight Show
Extravagant logieren die Vögel
im Skulpturenpark der
Herbert-Gerisch-Stiftung
Fotos Universal Music; Balenciaga; Getty Images; Daily Paper; Birgit Ramsauer; sinkreviews / TikTok; Tiffin
in Neumünster –
nämlich in diesen Nistkästen,
die die Künstlerin Birgit
Ramsauer aus Nymphenburg-
Porzellan gestaltet hat
Indisches Soulfood –
Bratkartoffeln mit Koriander,
Eine »unsichtbare Skulptur« des Künstlers Salvatore Garau hat gerade gegrillte Auberginen mit
für 15.000 Euro den Besitzer gewechselt. Sie besteht aus, Chapati – kann man beim
Sie ahnten es, Luft (oder, wie Garau sagt, »einem Raum voller Energie«). Berliner Lieferdienst Tiffin
Wer kauft so etwas? Wohl jemand, der schon alles hat – außer nichts bestellen (tiffin.berlin)
Die Entdeckungen der Woche von Claire Beermann
 9
HARALD MARTENSTEIN
Über seine Bibliothek, gute und böse Autoren
und die schwierige Frage, welche Bücher man aussortiert
Zum ersten Mal habe ich eine Wohnung mit Bibliothek. Meine Bi­
bliothek ist ein ehemaliger Flur mit ein paar alten Heizungsrohren
an der Decke, zehn Quadratmeter vielleicht, aber die sind bis unter
die Decke mit Büchern gefüllt. Früher standen in meinen Wohnun­
gen überall welche herum, sogar neben der Badewanne gab es ein
Regal, jetzt sollen die Bücher an dieser Stelle konzentriert werden.
Ein Umzugshelfer fragte, ganz ernsthaft: »Warum speichern Sie die­
ses Zeug nicht auf Ihrem Handy?«
Beim Einräumen stieß ich auf die Werke einer Autorin, die ich vor
einiger Zeit persönlich kennengelernt habe. Ich besaß damals be­
reits etliche ihrer Werke, ich fand sie recht unterhaltsam. Die Autorin
selbst aber kam mir bei unserer Begegnung unsympathisch vor, näm­
lich arrogant, schnippisch und selbstgefällig, eine gewisse Engstirnig­
keit kam noch dazu. Ich war sicher, dass ich nie wieder auch nur­
einen von dieser Person verfassten Einkaufszettel in die Hand nehmen
­würde, also sortierte ich ihr Schrifttum für den Wertstoffhof aus.
30 Zentimeter Regal blieben frei, ein gutes Gefühl. Dann kamen
Zweifel. Hatte ich nicht mal geschrieben, dass Bücher ein Eigen­
leben besitzen und nichts für die Defizite ihres Autors können?
Aber ich habe zum Glück auch mal geschrieben, dass ich gegen
Zu hören unter www.zeit.de/audio
Prinzipienreiterei bin. Mein Blick fiel auf das Regal, wo die ge­
sammelten Reden von Josef Stalin stehen, so schlimm wie Stalin
ist diese Frau garantiert nicht. Aber Stalin ist historisch relevant.
Ich besitze jetzt nur noch Bücher von bösen Autoren, die entweder
historisch wichtig sind oder sehr gut, also besser als jene Autorin.
Gut reicht nicht. Böse Autoren finde ich oft sehr gut, ähnlich wie
ungesundes Essen.
Illustration Martin Fengel
Dann merkte ich, dass ich vier Exemplare von Carl Zuckmayers
Lebens­erinnerungen besaß, dieser Autor stammt aus meiner Heimat­
stadt Mainz. Deshalb hatten mir Menschen, über Jahrzehnte, wieder
und wieder Als wär’s ein Stück von mir geschenkt. Warum habe ich
das nie gelesen? Als ich es aufschlug, sah ich, dass die Schrift für mich
zu klein ist. Mit 20 hätte ich das entziffern können, aber damals las
ich lieber Henry Miller. Ich sortierte alle Bücher aus, deren Schrift mir
zu klein ist, dies gilt leider für nahezu alle Werke von über 600 Seiten.
Wer mit langen Büchern Erfolg haben will, sollte sich an ein junges
Publikum wenden, Herr der Ringe und Harry Potter sind Beispiele.
Wenn ich aber Autoren persönlich kenne und nett finde, werfe ich
ihre Bücher nicht weg, auch wenn der Stil mir missfällt. Ich bin
nicht der Typ für so eine Gemeinheit. Also habe ich zwei Meter Gut­
gemeintes, Langatmiges und Hingeschludertes in ein eigens dafür
geschaffenes Nettmenschenregal gestellt. Nicht um es zu lesen, son­
dern um mich bei dem Anblick an schöne gemeinsame Abende zu er­
innern. Aussortiert wurden Bücher mit extremen Formaten, die durch
Größe auffallen wollen und unhöflicherweise nicht in ein gängiges
Regal passen. Ein Buch, das so etwas nötig hat, kann nicht gut sein.
So verbrachte ich viele Stunden auf eine extrem subjektive Weise,
meine Kriterien sind oft idiotisch, aber so bin ich nun mal. Die
Bibliothek ist ein Spiegel des Lebens und ein Museum der Seele.
Ich lese fast nie etwas zweimal, aber ich könnte zu fast jedem Buch
eine Geschichte erzählen – warum habe ich das, woran erinnert es,
wer hat es geschrieben, warum ist es fünfmal mit mir umgezogen.
Jedes Regalbrett ist eine Art Film, mit dem ich Stunden verbringen
könnte. Ich bin wohl ein Büchermensch.
Wochenmarkt 10 ROTE BETE AUF POLNISCH

Chłodnik (kalte Rote-Bete-Suppe)

Zutaten für 4 Personen: 4 – 5 mittelgroße Knollen Rote Bete mit zartem Grün, 1 l Gemüsebrühe, 2 TL Zitronensaft,
1 TL Wein- oder Reisessig, Salz, schwarzer Pfeffer, 400 ml Kefir; zum Anrichten: 2 Eier (hart gekocht,
in Hälften geschnitten), ¼ Salatgurke (in dünnen Scheiben), 4 Radieschen (in dünnen Scheiben), frische Dillspitzen

»Die Blätter abschneiden?« Der Markthändler fragt jedes Mal, ­obwohl
er mich inzwischen kennen sollte. In der Kiste neben seinem Stand
liegt schon ein stattlicher Haufen. »Bitte dranlassen«, sage ich. Denn
die Blätter der Roten Bete zaubern nicht nur Farbe in Salate, sie sind
mit ihrem fein säuerlichen Geschmack auch eine Bereicherung für
viele Gerichte, natürlich auch für solche, in denen die Knollen selbst
verarbeitet werden. Manche mit einem Garten gesegneten Freunde
zupfen ihre Rote Bete schon vor der Hauptsaison aus dem Boden,
mit kleinen Knollen und prächtigen knallroten Blättern, ähnlich dem
verwandten Mangold. Auch in Osteuropa käme man nie auf die Idee,
diese köstlichen Vitalstoffbomben wegzuwerfen. Von Polen über
die Ukraine bis an die Wolga zieht sich der sogenannte Borschtsch-­
Gürtel, also durch Länder, in denen Rote Bete in unzähligen Vari-
anten zu Suppe verarbeitet wird. Der polnische Fotograf und Autor
Marcin Jucha zeigt in seinem Buch Babka. Die junge polnische Küche
(Christian Verlag) drei davon. Chłodnik (auf Deutsch so etwas wie
»Erfrischung«) ist eine geeiste Rote-Bete-Suppe, für die man die klein
geschnittenen Blätter kurz mitköchelt, das macht sie bekömmlicher.
Die Rote Bete waschen und vom Grün befreien. Die Knollen ­schälen
und in kleine Würfel schneiden (dabei Handschuhe benutzen, da die
Beten stark färben). Das Grün fein hacken. Die Brühe aufkochen.
Die Roten Beten zufügen, die Temperatur reduzieren und die Suppe
5 bis 7 Minuten kochen. Anschließend das Grün zugeben und alles
etwa 3 Minuten weiterköcheln lassen. Den ­Zitronensaft und den
Essig zufügen. Etwa eine Minute mitköcheln, dann die Suppe mit
Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen. Anschließend abkühlen
lassen. Den Kefir in die abgekühlte Suppe rühren und diese kalt
stellen. Zum Anrichten die Suppe auf Teller verteilen und mit den
Eiern, den Gurken- und den Radieschenscheiben ­garnieren. Mit
etwas Dill bestreut servieren.

Von Margit Stoffels Foto Silvio Knezevic

Deutschlandkarte 12 SONNENWENDEN

Sonnenaufgang Sommer: Sonnenuntergang

Längster Tag,
21. Juni

Hamburg Hamburg
Hamburg
Hamburg Hamburg
Hamburg
4
4: 4: :30 :10
3030
2 :1202:120
Berlin 2 2 Berlin
Berlin
Berlin Berlin
Berlin

Dresden Dresden
Düsseldorf Dresden
Dresden 4 0 Düsseldorf Dresden
Dresden
Düsseldorf
Düsseldorf Erfurt 4: 4: :40 0 0:0 Düsseldorf
Düsseldorf Erfurt
Erfurt
Erfurt 4040
2 :022:02 Erfurt
Erfurt
2 2

Mainz Mainz
Mainz
Mainz Mainz
Mainz

4: :50

0
0:5
50
4
4:50

21:50
:251
21
Stuttgart Stuttgart
Stuttgart
Stuttgart Stuttgart
Stuttgart
5: :00

0
München München

0:4
00
5:
5 00

21:40
München
München München
München

:241
21
5: :10

0
:3
10
5:
5 10

21:30
2:310
21
5: :20

0
:2

:10
20
5:
5 20
5: :30

21:20
2:210

21:10
2:110
5:
5 30
30

21

21
Sonnenaufgang Winter: Sonnenuntergang
Kürzester Tag,
21. Dezember

Hamburg Hamburg
Hamburg
Hamburg Hamburg
Hamburg

Berlin Berlin
Berlin
Berlin Berlin
Berlin
0
:5
8:50
580
8:

Dresden Dresden
Düsseldorf Dresden
Dresden Düsseldorf Dresden
Dresden
Düsseldorf
Düsseldorf Erfurt Düsseldorf
Düsseldorf Erfurt
Erfurt
Erfurt Erfurt
Erfurt

15 5:500
:5
15
1 :5

0
0

Mainz
:4

Mainz
8:40
480

Mainz
Mainz Mainz
Mainz
8:

16 :000

Quelle Leibniz-Institut für Länderkunde, Nationalatlas aktuell, C. Hanewinkel

16
16:0
:0
Stuttgart Stuttgart 0
0

Stuttgart
Stuttgart Stuttgart
Stuttgart
:3
8:30
380
8:

München München
München
München München
München
16 :10
16
16:10
:10
0
:2
8:20
280
8:

16 :20
16
16:20
:2
16 :40
10

0
16 :30
16
16:40
8:10

:4
810:

16
16:30
:3
00
8:

0
8:00
80:0
8:

Der Tag der Sommersonnenwende wird als längster und hellster
Tag des Jahres seit Jahrtausenden in vielen Kulturen zelebriert. Wie
unterschiedlich lang und hell der 21. Juni innerhalb Deutschlands
ist, zeigen die beiden oberen Karten: Im Nordosten der Republik
geht die Sonne am 21. Juni rund eine Stunde früher auf als im Süd-
westen; und im Nordwesten geht sie rund eine Stunde später unter
als im Südosten, nämlich um 22:09 Uhr auf der Nordseeinsel Sylt
und schon um 21:10 Uhr nahe der österreichischen Grenze, in
Berchtesgaden. Die Gründe dafür sollte man in der Schule auf-
geschnappt haben, zur Auffrischung hier noch mal in Kurzform:
Auf ihrem einjährigen Weg um die Sonne dreht sich die Erde alle
24 Stunden einmal um sich selbst; die wechselnden Tageslängen
auf der Nord- und Südhalbkugel entstehen dadurch, dass die Erd-
achse um 23,44 Grad geneigt ist – mal ist also die nördliche Hälfte
der Sonne zugewandt, mal die südliche. Am 21. Dezember zeigt
sich das gleiche Muster wie am 21. Juni, nur eben gespiegelt und
auf den Kopf gestellt. Und in Australien ... aber das führt jetzt
wirklich zu weit.

Von Karolina Kaltschnee Infografik Hahn+Zimmermann

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 14
CHINA UND ICH
Die Fotografin Peng Ke zeigt uns ihre Heimat (24)

Foto Yang Yanyuan

Das bin ich, in der Galerie Vacancy in Shanghai.

Dort wurde in diesen Tagen meine Einzelausstellung eröffnet.
Sie trägt den Titel Grand City and Serendipitous Trésor und
zeigt viele der Bilder, die ich auf meinen Expeditionen durch die
Stadt gemacht habe. Meine Kolumne endet mit dieser Folge,
und ich bin froh, dass ich meine Erlebnisse hier teilen konnte.
Ich wünschte, ich könnte zumindest einige meiner
Leser in der Galerie begrüßen, aber die chinesischen Einreise­
beschränkungen sind immer noch hart. In Shanghai sieht
man kaum internationale Touristen – die Pandemie ist beinahe Peng Ke, 28, lebt als Künstlerin und Fotografin in Shanghai.
vorbei, aber die Normalität hat noch lange nicht begonnen. Ein halbes Jahr lang berichtete sie an dieser Stelle aus ihrem Alltag
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 Matthäus im Hotel Vier Jahreszeiten in München, wo er für den Fotografen in verschiedenen Outfits posierte

»Ich bin ein Fan!

Nach wie vor.
Auch wenn ich
meinen Kleinen
spielen sehe«
Lothar Matthäus ist jetzt 60. Hier spricht er über die Bolzplätze seiner
Jugend, sein erstes Tor und Ohrfeigen beim Training. Und er erklärt,
warum er heute von seinem siebenjährigen Sohn lernt, wie sehr sich
sein Sport verändert hat
 Von CHRISTOPH AMEND und ANDREAS BERNARD
Herr Matthäus, wissen Sie noch, wie der erste Platz aussah,
auf dem Sie Fußball spielten?
Das war der Innenhof in der Würzburger Straße 11 in
Herzogenaurach, wo ich ja neben dem damaligen Puma-
Gelände aufgewachsen bin. Mein Vater hat dort als Haus-
meister gearbeitet. Puma war in der Würzburger Straße 13.
Wir lebten in einem Fünffamilienhaus, ein altes Backstein-
haus, ganz oben, für 80 D-Mark Miete. Die Eigentümerin
war die Frau Schmuck. Jeden Monat durfte ich ihr die 80
Mark überreichen, dafür hat’s ein bisschen Schokolade von
ihr gegeben. Und dieses Haus hatte einen Innenhof, mit
einem Sandkasten und einer Teppichstange.
Die war das Tor.
Ganz klar. Und es gab noch einen anderen Hof, vielleicht
zehn, zwölf Meter lang, da haben mein Bruder und ich an
jeder Seite Tore mit Schuhen gemacht, und wir haben eins
gegen eins gespielt. Das muss so mit drei oder vier Jahren
angefangen haben.
Wer hat gewonnen?
Na, mein Bruder war ja vier Jahre älter. Es gab aber noch
eine andere Möglichkeit. Unten war der Fluss, die Aurach.
Was die Mauer in der DDR war, war die Aurach meiner
Erinnerung nach in unserer Stadt: Sie hat damals Puma
und das verfeindete Adidas auf der anderen Seite von­ein­an­
der getrennt. Und zwischen unserem Haus und dem Fluss
war eine Wiese. Die war zwar leicht abschüssig, aber da
haben wir überall kicken können. Da hat am Wochenende
sogar mein Vater ab und zu mitgespielt.
War Ihr Vater ein guter Fußballer?
Er muss ein harter Verteidiger gewesen sein. Mein Bruder
war das übrigens auch. Der hat ja sogar in der dritten Liga
gespielt, in der Bayernliga. Aber mit 19 oder 20 Me­nis­kus-­
Ope­ra­tion, Invalide. Als ich sechs oder sieben war, sind wir
mit den Nachbarskindern auf den Spielplatz, zwei waren
von der Bäckerei, von der Schreinerei drüben kamen auch
zwei Jungs, da waren wir also schon mal zu sechst. Und
du wusstest am Nachmittag nach der Schule: Irgendwo ist
immer jemand mit einem Ball. Meistens war es mein Ball,
wegen unserer Verbindungen zu Puma. Ich hatte einen
schwarz-weißen und einen grün-weißen.
Grün-weiß?
Sehr ungewöhnlich, ja, die wurden von Puma extra für
­Borussia Mönchengladbach gemacht, in den Vereins­farben.
Mein Vater, der 40 Jahre bei Puma gearbeitet hat, war da
eine große Nummer, kannte natürlich jeden, und deshalb
habe ich den Ball bekommen. Auf dem Puma-­Gelände gab
es ja auch einen großen Innenhof.
Haben Sie da auch Fußball gespielt?
Ja freilich, am Wochenende, wenn keiner da war. Viele
Fensterscheiben haben wir eingeschossen. Das Gebäude
war drei, vier Stockwerke hoch, da wurden die Schuhe her-
gestellt, komplett von A bis Z, es ist damals nichts außer-
halb produziert worden. ­Made in China hat’s noch nicht
gegeben bei Puma, ­made in Germany auch nicht wirklich.
Das war alles ­made in Herzogenaurach.
Das haben Sie als Sohn des Hausmeisters mitbekommen?
Ich wusste wirklich früh, wie ein Fußballschuh hergestellt
wird, wie das Leder ausgestanzt wird, das war der erste
Schritt, oben im dritten Stock ganz hinten links, und dann
ging jeder Schuh durch die verschiedenen Produktionsschrit-
te, bis er unten im Erdgeschoss im Laden verkauft wurde.
Ihnen standen als Sechs- oder Siebenjährigem alle Abtei-
lungen offen?
Natürlich, ich war das Maskottchen von Puma. Vom Chef
bis zur Putzfrau kannte ich alle persönlich. Samstags mor-
gens habe ich den Mitarbeitern, die Schicht hatten, von
meinem Leben erzählt, von der Schule. Ich habe auch häu-
fig die Kantine geführt, wenn mein Vater in seiner Schrei-
nerei auf dem Gelände gearbeitet hat.
Mit sieben?
Ja klar.
Sie haben das Essen ausgeteilt?
Das war eher nachmittags, wenn die Arbeiter noch mal ein
Bierchen wollten oder so. Eine Flasche Bier kostete sechzig
Pfennig. Eine Mark. Vierzig Pfennig zurück. So habe ich
auch Rechnen gelernt. Das war eine gute Schule.
Haben Sie auch was verdient?
Nein, das war ja das Business meines Vaters.
Ab wann haben Sie eigentlich im Verein gespielt?
Mit neun erst. Beim FC Herzogenaurach natürlich, der
von Puma unterstützt wird. Der ASV Herzogenaurach wird
von Adidas unterstützt. Damals gab’s noch keine F-Jugend
oder E-Jugend. Der FC Herzogenaurach hatte nicht mal
eine D-Jugend, für die Zehn- bis Zwölfjährigen. Ich musste
mit zehn gleich in der C-Jugend spielen, also mit den 14-
bis 15-Jährigen. Das ist immer so geblieben, dass ich vier
Jahre jünger war als die anderen. Mit 14 habe ich in der
A-Jugend mit den 17-, 18-Jährigen gespielt.
Sie galten von Anfang an als besonderes Talent.
Im Nachhinein kann man sagen: ja. Aber für mich war das
nicht unbedingt klar. Ich habe immer Mittelstürmer ge-
spielt, bis zum ersten Jahr bei den Senioren in der vierten
Liga, und ich habe auch als Jüngster die meisten Tore ge-
schossen. Aber ich habe einfach mitgespielt, gesprochen
hat man darüber nicht.
Können Sie sich an Ihr erstes Tor erinnern?
Ich weiß sogar, gegen wen und wo. Das Spiel fand beim
Rivalen ASV Herzogenaurach statt, hinten auf dem
­
schlechteren Rasen. Wir haben 3 : 2 gewonnen. Und ich
schieße aus 17 oder 18 Metern aufs Tor, der Torwart lässt
den Ball durch die Beine durch, zum 3 : 0. Der Name des
Torhüters war Erich Weber.
Das wissen Sie noch?
In Herzogenaurach kannte jeder jeden. Erich Webers Vater
war Hausmeister in der Realschule. Und Erich hat später
bei Adidas gearbeitet, war deshalb sogar das ein oder andere
Mal bei der Nationalmannschaft dabei. Über das Tor reden
wir übrigens heute noch, wenn wir uns sehen.
Mit zehn in der C-Jugend. Ging Ihnen da das Trikot nicht
bis zu den Knien?
 Fotos ROBERT FISCHER
Na, hören Sie mal, wir hatten Puma als Sponsor. Das wurde
schon geregelt. Aber es stimmt natürlich, ich war immer der
Kleinste auf dem Platz. Meine Gegenspieler waren nicht ei-
nen halben Kopf größer, es waren eineinhalb bis zwei Köpfe.
Was haben Sie da für den Fußball gelernt? Wendigkeit?
Ja, ich war wendig, schnell, hatte ein gutes Ballgefühl. Und
ich habe einfach immer gespielt. Es gab ja keine Tennis-
plätze. Es gab keine Basketballkörbe. Es gab höchstens eine
Tischtennisplatte. Und ich war schon als Zehnjähriger sehr
gut. Meine Mutter hat dann auch schnell die ersten Zeitungs-
berichte über mich in den Nordbayerischen Nachrichten aus-
geschnitten und in Ordnern abgeheftet, die habe ich heute
noch in meiner Wohnung in Budapest liegen.
Es gab in Ihrer Kindheit also nur Schule und Fußball.
Ja, bis zur vierten Klasse war ich ein guter Schüler. Die
Lehrer wollten unbedingt, dass ich aufs Gymnasium gehe.
Aber ich komme aus einer Handwerkerfamilie. Außerdem
wäre es mit dem Gymnasium etwas kompliziert gewesen,
ich hätte morgens um sechs aufstehen müssen, damit ich
um acht in Höchstadt an der Aisch bin, da war das nächste­
Gymnasium. Eine Stunde Busfahrt in der Früh, nach-
mittags erst um drei wieder daheim, viele Hausaufgaben.
­Meine Eltern wollten dem Drängen der Lehrer schon nach-
geben, aber ich habe mich gewehrt, erfolgreich gewehrt.
Sie wollten lieber weiter Fußball spielen.
Ich habe dann viel geweint, ich hätte ja keine Zeit mehr
gehabt für den Fußball.
Sie haben sich durchgesetzt.
Ja. Ich habe die Hauptschule weitergemacht, war mittags
um eins zu Hause. Kurz was gegessen, eher keine Hausauf-
gaben gemacht, und dann warst du halt draußen auf dem
Fußballplatz, bis es dunkel wurde. Mit 17 hatte ich auch
vier Trainingseinheiten im Verein pro Woche, zwei mit der
A-Jugend und zwei mit den Senioren. Am Wochenende
hatte ich dann zwei Spiele.
Wann begann Ihr Interesse für den großen Fußball? Was ist
die erste WM, an die Sie sich erinnern?
Ich habe als Kind natürlich alles angeschaut, was damals
möglich war, Sportschau am Samstagabend, drei Spiele à
Lothar Matthäus, 60, ist in Erlangen geboren.
Mit 18 wurde er Fußballprofi. Er spielte bei
Borussia Mönchengladbach, Bayern München und
Inter Mailand. Sein größter Erfolg war der
Weltmeistertitel 1990. Er ist der einzige Deutsche,
der jemals zum Weltfußballer gewählt wurde.
2001 beendete er seine Fußballer­karriere und
trainierte bis 2011 ausländische Clubs und National-
mannschaften. Heute arbeitet er als Experte
beim Pay-TV-Sender Sky. Er lebt mit seiner Frau und
dem gemeinsamen Sohn in München
drei Minuten, mehr gab’s nicht zu sehen, und nachmittags
noch Radio, Bayern 1. Ich war ja Borussia-Mönchenglad-
bach-Fan. Oder bin’s eigentlich immer noch. Einmal Fan,
immer Fan. Mein Zimmer früher war mit lauter Mönchen-
gladbach-Postern tapeziert.
Weil Puma der Sponsor war oder wegen der Mannschaft
von Mönchengladbach?
Beides. Mönchengladbach war in den Siebzigern in der
Bundesliga die erfolgreichste Mannschaft neben B ­ ayern
München – fünf deutsche Meisterschaften, zweimal
Uefa-­Pokal. Günter Netzer war mein Hero. Franz Be-
ckenbauer habe ich nicht viel Gutes gewünscht. Das war
der ­Konkurrent.
Später wurde er Ihr großer Förderer.
Ja. Bei Puma hingen überall die Mannschaftsposter von
Mönchengladbach und Einzelposter von Hennes Weiswei-
ler, dem Trainer, von Günter Netzer, von Berti Vogts. Der
erste Uefa-Pokal-Sieg 1975 gegen Twente Enschede, das
sind so meine Erinnerungen.
Und die erste EM oder WM?
Die WM 1966 in England, da war ich fünf Jahre alt, habe
ich ein bisschen mitbekommen, habe aber vor allem da-
nach sehr viele Bücher darüber gelesen. Wie das von Uwe
Seeler. 1966 habe ich mir eher im Nachhinein erlesen, die
schönsten Tore, Lothar Emmerich zum Beispiel, im Viertel­
finale gegen Spanien ... oder war’s die Sow­jet­union ..., nein,
­Spanien: das Tor fast von der Auslinie, genauso wie bei der
EM 1988 Marco van Basten ... von der anderen Seite. Dann
Franz Beckenbauer, Overath. Die Roten Karten gegen
Uruguay. Die erste WM, die ich richtig selbst erlebt habe,
war dann natürlich die von 1970, in Mexiko.
Durften Sie aufbleiben bei den Spielen? Die kamen erst am
späten Abend in Deutschland, wegen der Zeitverschiebung.
Das war oft nicht so spät, die haben früher am Tag gespielt
in Mexiko.
In der brutalen Mittagshitze.
Ach, wissen Sie, wenn ich das immer höre. Ich habe ja 1986
auch eine Weltmeisterschaft gespielt in Mexiko. Das ging
schon. Ich kann das nie nachvollziehen, wenn die Spieler
heute immer sagen »hohe Belastung«, »Hitze«, »englische
Wochen«. Das haben wir früher alles selber gehabt. Es ist
ja nicht so, dass ich viel weniger Spiele gehabt habe als die
Spieler heute. Vielleicht drei, vier Spiele weniger in der Sai-
son, aber dafür haben die jetzt einen Kader von mehr als
20 Leuten, und wir hatten in Mönchengladbach Anfang
der Achtziger 13 oder 14 Stammspieler. Du hast nie rotiert.
»Rotieren«, das ist ein Wort, das hat’s im Fußball früher
nicht gegeben. Du wolltest immer spielen! Auch wenn du
verletzt warst, wolltest du spielen. Also, 1970, diese Welt-
meisterschaft, die habe ich als Neunjähriger selber im Fern-
sehen geschaut. Und richtig dabei war ich dann natürlich
1974, bei der WM in Deutschland.
Waren Sie bei einem Spiel im Stadion?
Nee, ich war doch nie rausgekommen aus Herzogenaurach.
Ich bin in Herzogenaurach groß geworden, ich habe meine

Ferien in Herzogenaurach verbracht, da habe ich bei Puma
gearbeitet. Da hat’s Geld gegeben übrigens!
Worin bestand die Arbeit?
Ich habe Lagerarbeiten gemacht, einsortieren und so wei-
ter, mit elf, zwölf Jahren. Die kannten mich ja alle. Ich war
der »Bua«, hab acht Mark netto verdient in der Stunde,
nach einem Monat waren das 1400 D-Mark.
Viel Geld für einen Sechstklässler.
Die Mama hat’s gleich aufs Konto getan. Ich habe auch
andere Jobs gemacht, ich habe Bier und Limo verkauft bei
den Spielen der ersten Mannschaft im Verein, mal hier, mal
da was gearbeitet. Ich habe Zeitungen ausgetragen, bis ich
17 war, das war leicht verdientes Geld, zwei Stunden in der
Woche, acht Stunden im Monat. Das habe ich von mei-
nem Bruder übernommen, als ich zehn war, Mode- und
Fernsehzeitschriften, Für Sie, Brigitte, Gong.
Bis 17? Also bis ganz kurz vor Ihrem ersten Profivertrag,
den Sie mit 18 bei Borussia Mönchengladbach unterschrie-
ben haben?
Ja, das habe ich neben meiner Lehre als Raumausstatter
gemacht. Freitags in der Mittagspause und Samstagfrüh
habe ich die Zeitungen ausgetragen. Ich war schon da-
mals gut organisiert. Ich war überall gut dabei, auch im
Nachtleben.
Wie hießen die Discos in Herzogenaurach?
Zum Fritz und die Tenne. Und tagsüber ging’s in den
Billard­salon, wir haben auch viel geflippert. Dadurch habe
ich auch Geld verdient. Ich war nicht schlecht. Ich habe 50
Pfennig reingeschmissen, da hattest du zwei, drei Spiele,
dann habe ich mich zwei Stunden amüsiert und habe an-
schließend die Freispiele für zwei Mark verkauft.
Worauf muss man beim Flippern achten?
Du musst wissen, wo es die meisten Punkte gibt, wo du
hinschießen musst. Das ist wie beim Fußball, du musst ge-
nau im Gefühl haben, wann du die Kugel so spielst, dass sie
dort hinkommt, wo sie die meisten Punkte macht.
Beim Fußballspielen merkt man oft vorher, dass der Ball
ins Tor gehen wird, oder?
Ja. Wenn du den Ball gut triffst, wenn er deinen Fuß ver-
lässt, dann spürst du, dass er sein Ziel erreicht. Du jubelst
aber trotzdem erst, wenn er im Netz liegt.
Wenn Sie die Augen schließen und an Spielszenen aus Ih-
rem Leben denken: Welche fallen Ihnen spontan ein?
Das WM-Spiel gegen Jugoslawien, zwei Tore mit Bayern
gegen Leverkusen, besonders der Volley nach einer Ecke,
und ein Tor im Olympiastadion gegen Karlsruhe mit
­Oliver Kahn im Tor 1992. Der Ball ist gar nicht mehr
weggegangen von mir, rechts-links, tschak-tschak-tschak,
die anderen sind von der Seite reingegrätscht, aber ich bin
durch drei, vier Verteidiger durch. Oliver Kahn kam raus,
und ich hab den Ball mit der Picke über ihn drüber ins
Tor gespielt, er lag schon halb am Boden. Beim Tor gegen
­Jugoslawien ging es um Geschwindigkeit ...
... das berühmte erste Spiel bei der Fußballweltmeister-
schaft 1990, die Deutschland am Ende gewann ...
20
... das war ein Antritt über das halbe Feld, darüber ist ja
viel geschrieben worden. Aber das technisch schwierigere
Tor war das gegen Karlsruhe, das ist ein Tor, das für mich
persönlich wichtig ist. Oder in Italien, das entscheidende
Tor zur Meisterschaft für Inter Mailand 1989, das war
mein Freistoß zum 2 : 1 gegen Neapel, gegen Maradona,
zu Hause­vor 85.000 Zuschauern, die elf Jahre auf die
Meister­schaft gewartet hatten.
Diego Maradona und Sie zählen zu den prägenden Spie-
lern Ihrer Generation, Sie beide hatten ein besonderes Ver-
hältnis zu­ein­an­der. Können Sie sich noch an das erste Spiel
gegen ihn erinnern?
1 : 1.
Und wie haben Sie gespielt?
Ich habe gegen ihn gespielt, und Maradona hat man in
dem Spiel nicht gesehen.
Was haben Sie gemacht?
Alles Menschenmögliche, was erlaubt ist im Fußball, um
ihn nicht ins Spiel kommen zu lassen. Das ist mir gelungen,
ich habe es zumindest später so in den Zeitungen gelesen.
Wie hat er darauf reagiert?
Das weiß ich nicht, er ist in seine Kabine gegangen, ich in
meine. Wir hatten damals noch nicht den engen Kontakt,
den wir später hatten. Es gab ja später nicht nur die Spiele
auf dem Platz, sondern auch gesellige Abende danach. Aber
das erste Spiel gegen ihn war 1982, noch vor der Welt-
meisterschaft, da waren wir mit der Nationalmannschaft
in Südamerika. Ein paar Tage davor, am 21. März, an mei-
nem 21. Geburtstag, haben wir gegen Brasilien gespielt.
Ich habe gegen Zico gespielt, der damals noch bekannter
war als Maradona. 170.000 Leute im Maracanã-Stadion in
Rio. Das war mein erstes Länderspiel von Anfang an. Ich
hatte vorher nur drei Länderspiele.
Obwohl Sie schon 1980 bei der Europameisterschaft dabei
gewesen waren.
Ja. Aber ich habe nach der EM etwas den Boden unter den
Füßen verloren.
Wie meinen Sie das?
Ich habe plötzlich andere Dinge im Leben genossen als nur
den Fußball, das war eine wilde Phase. Deshalb kann ich
das heute auch immer nachvollziehen, wenn das jungen
Spielern passiert. Jupp Heynckes war damals mein Trainer
in Gladbach, und er hat auch in diesen zwei, drei Mona-
ten zu mir gehalten, als ich nachgelassen habe. Ich hatte
die Ernsthaftigkeit für meinen Job verloren. Jupp hat mir
das verziehen, aber ich wurde deshalb eine Zeit lang nicht
mehr in die Nationalmannschaft berufen.
Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Maradonas Leute
Sie in den Achtzigerjahren nach Neapel locken wollten,
weil er Sie unbedingt in seinem Team haben wollte? Wir
haben gelesen, dass unter dem Tisch eine Million Mark in
bar in einem Koffer bereitstanden.
Ja, 1986 war das. Da kamen Leute vom SSC Neapel an
einem Samstag nach München und haben meinen dama-
ligen Berater Norbert Pflippen getroffen, bei einem ­Italiener
Der ehemalige Weltmeister ist immer noch sehr fit. Er gehe fünfmal in der Woche laufen, erzählt Matthäus

draußen in Solln, in der Nähe meiner damaligen Wohnung.
Die Besitzer, Franco und Fernando, haben das Restaurant
übrigens immer noch. Ich hatte ein Auswärtsspiel in Köln,
bin dann abends direkt vom Flughafen ins Restaurant ge-
fahren. Geschlossene Gesellschaft. Vier, fünf Leute aus
Neapel und Norbert Pflippen. Und da stand ein schwar-
zer Koffer mit einer Million drin, die ich bekommen hätte,
wenn ich ein Papier unterschrieben hätte. Es ging nicht ein-
mal darum, dass ich wirklich nach Neapel gehe, sondern
dass ich für die nächsten drei oder vier Jahre nicht zu einem
anderen Verein in Italien wechseln durfte.
Sie sind dann erst mal bei Bayern geblieben. Ihre erste
Weltmeisterschaft als Spieler war 1982. Nach allem, was
man heute weiß, muss die Stimmung im deutschen Team in
Spanien merkwürdig gewesen sein.
Ich habe mich voll reingehauen, war bei jedem Training
pünktlich, aber damals sind Trainingseinheiten abge-
sagt worden, weil einige Spieler noch geschlafen haben,
wenn die Nacht ein bisschen länger ging. Jupp Derwall,
der ­Trainer, hat damals die Spieler entscheiden lassen, ich
denke da vor allem an Paul Breitner, Manfred Kaltz und
Horst Hrubesch. Ich weiß noch, dass ich damals immer mit
Wolfgang Niersbach auf dem Zimmer Skat gespielt habe ...
... dem späteren DFB-Präsidenten ...
... der damals noch Journalist beim Sport-Informations-
Dienst war, genau, und mit einem Kollegen von ihm.
Wir würden gerne mit Ihnen darüber reden, wie sich der
Fußball in Ihrer Zeit, in den letzten 50 Jahren, verändert
hat. Der Libero beispielsweise, der freie Mann hinter der
Abwehr, ist verschwunden.
Ach, das wird doch alles nur neu interpretiert. Jetzt spielst
du in der Abwehr in der Dreierkette, und der zentrale Spieler
in der Dreierkette, ich denke da zum Beispiel an Makoto
Hasebe von Eintracht Frankfurt, spielt drei, vier Meter
hinter der Kette, also eigentlich als Libero hinter zwei Vor-
stoppern – zentrale Verteidiger, wie das heute heißt.
Also hat sich nichts Grundsätzliches verändert?
Es gibt schon Unterschiede: Die Schiedsrichter haben
früher das Abseits oft nicht gesehen, deshalb hat sich der
Libero etwas weiter zurückgezogen, um abzusichern. Die
Schiedsrichter sind viel besser geschult heute, die Spieler
ja auch. Ich weiß noch, dass mich der Jupp Heynckes
zweimal als rechter Verteidiger aufgestellt hat, mir aber gar
nicht erklärt hat, was ich zu tun habe. Ich hatte doch noch
nie rechter Verteidiger gespielt! In meiner Jugendzeit gab
es auch keine ausgebildeten Trainer, das war im Grunde
immer einer der Väter, der ein bisschen Zeit hatte. Dem-
entsprechend lief das Training ab: drei Runden einlaufen,
Spiel. Technikübungen wie heute, Taktikschulungen, das
hat’s nicht gegeben. Du warst halt auf dem Platz, und das
waren wir sowieso den ganzen Tag.
Was denken Sie: Könnte der Lothar Matthäus der WM
1990 heute mithalten?
Ich hatte zumindest die Voraussetzungen dafür. Ich hatte
einen schnellen Antritt, auf den ersten Metern war ich einer
22
»Ich habe mich immer lieber
spielen sehen als sprechen.
Sich selbst im Fernsehen
zu hören und zu sehen – das
ist furchtbar. Bis heute
ist das so: Ton aus, Ton aus!«
der schnellsten Spieler der Welt, ich konnte dribbeln, das ist
heute ja auch wichtig. Wir haben gerade über das Tor gegen
Jugoslawien gesprochen, ich habe das vor Kurzem aus einer
ungewöhnlichen Perspektive gesehen. Mein siebenjähriger
Sohn sucht sich auf You­Tube immer Spiele raus von früher,
natürlich auch von heute, aber eben auch von seinem Papa.
Und da hat er ein Video gefunden, da wird das Tor genau
dokumentiert, Sekunde für Sekunde, Schnitt für Schnitt.
Augenthaler spielt mir den Ball zu, und schon bevor ich den
Ball bekomme, geht mein Blick in Richtung gegnerisches
Tor, ich sehe, da ist Platz für mich. Was passiert vorne? Jür-
gen Klinsmann geht ein bisschen nach rechts, macht mir
Platz in der Mitte, Rudi Völler geht nach links, zieht so zwei
jugoslawische Spieler mit. Ein Jugoslawe kommt mir ent-
gegen, den spiele ich aus, und in dem Video, das mein Sohn
gefunden hat, sieht man dann anhand einer Linie: Es ist ge-
nug Platz in Richtung Tor, ich sehe, dass der Ball durchpasst,
deshalb habe ich geschossen. Übrigens hat sich mein Sohn
das Video auch angesehen, weil er ein Tor von David Alaba
so toll fand, aus 32 Metern gegen Schalke 04. Da hat er mich
gefragt: »Papa, was war denn dein weitestes Tor?« Mein Tor
gegen Jugoslawien war 26 Meter, mein weitestes war mit
Mönchengladbach hier im Olympiastadion in München
gegen Bayern bei einem 1 : 1, das waren 30, 35 Meter.
Wann hat Ihr Sohn zum ersten Mal gemerkt, dass sein Vater
ein berühmter Fußballspieler war?
Bis vor einem Jahr hat er sich gar nicht für Fußball in-
teressiert, er hatte auch nie gegen einen Ball getreten. Mitt-
lerweile kommt er vom iPad gar nicht mehr weg, weil er
so viel Fußball schaut: »Papa, hast du Zeit? Gehen wir in
die Tiefgarage und spielen Fußball? Gehen wir in den Eng-
lischen Garten und spielen Fußball?« Er ist in Unterföhring
jetzt auch im Verein.
Sie haben zuletzt mit Ihrer Familie in Budapest gelebt ...
... ja, und jetzt sind wir zurück nach München gezogen. Ich
war 20 Jahre weg, ich war in Belgrad, in Israel, in Amerika,
kurz in Brasilien, in Salzburg, Wien. Und Budapest ist eine
tolle Stadt, die Menschen lassen einen dort in Ruhe, ich habe
mich nie beobachtet gefühlt. Aber ich bin jetzt 60, ich habe
vielleicht noch 25, 30 Prozent vor mir. Es war Zeit, nach
Hause zu kommen. Ich habe hier meinen Job bei Sky, meine
Tochter lebt hier, und ich fand es besser für meinen Sohn,

dass er von Anfang an auf eine Schule in Deutschland geht.
Seitdem er in München ist, kennt er sich übrigens richtig
gut mit Fußball aus. Er weiß alles über Bayern München,
er kennt die Spieler, er kennt die Tabelle, wer schlecht spielt
und wer es in die Cham­pions ­League geschafft hat und wer
in die Europa L ­ eague. Er weiß, dass Ingolstadt aufgestiegen
ist und dass Osnabrück abgestiegen ist und dass die Bayern-
Amateure auch abgestiegen sind und wie die Frauenmann-
schaft von Bayern gerade spielt. Das weiß er alles.
Ganz wie sein Vater.
Seit Kurzem ist er wie sein Vater, ja ...
Und was weiß er über den Fußballer Lothar Matthäus?
Er weiß, dass ich zweimal Weltfußballer war, einmal in-
offiziell bei einer Journalistenwahl 1990, ein Jahr später
hat das ja dann die Fifa übernommen, und ich bin wieder-
gewählt worden. Die beiden Trophäen habe ich noch, ich
sammele ja nicht alles. Aber den kaputten Schuh aus dem
WM-Finale 1990 habe ich auch noch ...
... damals ist Ihnen ein Stollen herausgebrochen ...
... ja, der Schuh steht jetzt bei Bayern München im Mu-
seum. Und 200, 300 Trikots habe ich, die stehen in Kar-
tons verpackt in der Garage in Budapest, man tauscht die ja
mit den gegnerischen Spielern, in Italien hat das damals an-
gefangen. Die 20, 30 wichtigsten Trikots habe ich in einen­
eigenen Schrank in der Garage gehängt, Real Madrid,
­Juventus Turin, AC Mailand.
Wenn man Ihnen so zuhört, denkt man: Sie sind ein Fan.
Ja, ich bin ein Fan! Nach wie vor. Auch wenn ich meinen
Kleinen spielen sehe.
Sie brüllen aber nicht auf dem Platz, wie manche Väter?
Nein, nein, aber ich bin stolz, dass ich beim Computer-
spielen in der Mannschaft meines Sohnes bin. Wenn er elf
Spieler aufstellt, bin ich dabei – er hat mich als Legende
dazugekauft, das hat er mir gezeigt. Ich habe ihm nur ge-
sagt, dass er mich im Mittelfeld spielen lassen muss, ich will
nicht rechter Verteidiger sein! Er selbst ist Thomas Müller,
er spielt auf der Zehn. Solange es vor Corona möglich war,
ist mein Sohn auch mit ins Studio zu Sky gegangen, wenn
ich Spiele analysiere, fünf Stunden lang ist er dabei, ohne
dass es ihm langweilig wird.
Er wächst eigentlich wie Sie auf: umgeben vom Fußball.
Wenn ich da bin, ja. Er hat den Vorteil, dass ich als sein
Vater mehr Zeit für ihn habe als mein Vater für mich. Der
ist morgens um halb sechs rüber zu Puma gegangen und
hat die Türen aufgeschlossen. Abends um fünf kam er nach
Hause und ist in den Garten gegangen, das war sein einziges
Hobby, außer ab und zu Schafkopfspielen. Ich habe meinen
Vater höchstens mal samstagnachmittags beim Waldspazier-
gang oder beim Fußball auf der Wiese länger gesehen.
Haben Ihre Eltern Ihnen gesagt, dass sie stolz auf Sie sind?
Ich hab’s gespürt, aber gesagt haben sie es nie. Meine Mut-
ter und mein Vater sind beide 89 geworden, zuerst ist mein
Vater vor zwei Jahren gestorben, acht Monate später meine
Mutter, zwei Tage nach ihrem Geburtstag, friedlich ein-
geschlafen, ganz so, wie sie es wollte.
23
Denken Sie seitdem anders über den Tod nach?
Über den Tod nicht, aber über mein Testament, das ist
noch nicht fertiggestellt. Ich will, dass es keine Streitig-
keiten gibt.
Sie sind zum fünften Mal verheiratet und haben vier Kinder.
Ich muss also noch ein bisschen leben. Seitdem wir für Sky
nicht mehr gereist sind wegen Corona, habe ich endlich
den Kopf frei für solche Dinge.
Als Kommentator beim Fernsehen haben Sie eine Aufgabe
gefunden, die Ihnen liegt, Ihr ­Image in Deutschland hatte
zwischendurch etwas gelitten. Der Respekt vor Ihnen als
Experte ist mittlerweile so groß, dass Sie sogar kurz als
möglicher Nachfolger von Jogi Löw gehandelt wurden.
Nach außen stimmt das vielleicht, aber ich habe immer für
den Fußball gelebt, es gab wenig anderes. Ich bin seit 40
Jahren mit dem Fußball unterwegs, es gab kaum ein Jahr,
in dem ich nicht mindestens 180 Tage unterwegs war.
Sie leben immer noch wie ein Spieler.
Da hat sich wenig geändert, ja.
Wenn Sie darüber nachdenken, wie sich das Spiel während
Ihrer Zeit gewandelt hat, fallen Ihnen da Beispiele ein?
Na klar, die technischen Fähigkeiten – Maradona war
schon Zirkus, aber Neymar ist es noch mehr. Ich sehe das
bei meinem Sohn, der spielt auch keinen normalen Pass
mehr, der sieht die Tricks auf You­Tube und macht sie nach.
Da sind auch wirklich geile Videos dabei, die ich selbst
manchmal mit Freunden über Whats­App teile.
Sie haben eine WhatsApp-Gruppe?
Nein, einzeln, ob an den Rudi Völler, den Jürgen Klins-
mann, Guido Buchwald, Bodo Illgner ...
... alles Spieler aus Ihrer Nationalmannschaftszeit ...
... ja, aber auch andere. Die alten Mitspieler stehen übri-
gens nicht mit ihrem Nachnamen in meinem Handy, son-
dern als Legende.
Als Legende?
Ja, Legende Rudi, Legende Jürgen, Legende Guido.
Dann klingelt Ihr Handy, und da steht: »Legende Andy«?
Andy Brehme aus dem Weltmeister-Team von 1990?
Andy ist ja seit 30 Jahren ein ganz enger Freund. Andy
steht als »Andy« da.
Ein anderer alter Freund wird nach diesem Sommer Trainer
der Nationalmannschaft: Hansi Flick.
Der Hansi hat damals in Solln direkt neben mir gewohnt,
als wir gleichzeitig bei Bayern gespielt haben, Schieggstraße
22 ich, er Schieggstraße 24, von 1985 bis 1988. Unsere
Familien haben gemeinsam Urlaub gemacht. Dann habe
ich ihn nach Köln gebracht. Der Udo Lattek war damals
Sportdirektor beim 1. FC Köln, und der Hansi hat sich bei
Bayern nicht mehr wohlgefühlt.
Und Sie haben vermittelt.
Ich habe den Hansi auch später nach Salzburg geholt.
2006 waren Sie Trainer in Salzburg, Red Bull hatte kurz
vorher die Kontrolle über den Verein übernommen.
Ich habe den Hansi als Co-Trainer verpflichtet, aber dann
wurde plötzlich Giovanni Trapattoni Cheftrainer.
Starker Abgang: Lothar Matthäus fühlt sich auch im mintgrünen Mantel wohl

Und Sie wurden entmachtet. Stimmt eigentlich die Ge-
schichte, dass Red Bull damals in Italien Absatzprobleme
hatte und Giovanni Trapattoni auch als Werbefigur für den
italienischen Markt geholt wurde?
Richtig, das ist die Wahrheit. Damit war Hansi Flick über-
flüssig und ist nach zwei Monaten zum DFB gegangen. Ich
weiß noch, dass der Hansi in Salzburg mal eine etwas kom-
plizierte Übung durchgeführt hat, die nicht jeder Spieler
sofort kapiert hat. Der Trapattoni sieht das, schickt den
Hansi vor der Mannschaft weg und lässt die Spieler eine
einfache Übung machen. Und ich stehe dazwischen. Hansi
läuft weg, ich sage zu ihm: Hansi, mach jetzt nichts Fal-
sches. Er war fix und fertig. Zwei Monate später kommt er
zu mir, wir haben in Valencia gespielt, Cham­pions-­League-­
Qua­li­fi­ka­tion. Beim Mittagessen vor dem Spiel sagt er:
»Lothar, kann ich danach mit dir sprechen?« Sage ich: »Du
willst mit mir darüber sprechen, dass der DFB dich ange-
rufen und gefragt hat, ob du als Co-Trainer von Jogi Löw
arbeiten willst.« Sagt er: »Lothar, woher weißt du das?«
Sie hatten immer schon Ihre Quellen. Hat Hansi Flick Sie
öfter um Rat gefragt in den vergangenen Monaten, als es
um seinen Abschied von Bayern München ging?
Nicht um Rat, aber wir haben öfter telefoniert. Ich habe
mich immer an unsere Absprache gehalten. Wenn er mir
etwas erzählt hat, habe ich ihn immer gefragt: »Kann ich
das sagen? Kann ich das nicht sagen?«
Sie meinen: im Fernsehen.
Ja. Manches weiß ich ja vor der Bild-Zeitung.
Wissen Sie eigentlich noch, wann Sie sich selbst zum ersten
Vielen Dank an Christian Seidl für die Trikots und ein herzliches Dankeschön an das Hotel Vier Jahreszeiten in München
Mal im Fernsehen haben spielen sehen?
Als ich zu Gladbach gewechselt bin, im Sportstudio samstag­
abends und vorher in der Sportschau, wenn es ging. Ich
habe mich übrigens immer lieber spielen sehen als spre-
chen. Sich selbst im Fernsehen zu hören und zu sehen – das
ist furchtbar. Bis heute ist das so: Ton aus! Ton aus! Wobei,
warten Sie, ich erinnere mich, dass auch in Herzogenau-
rach schon manche Spiele mit Videotechnik aufgezeichnet
wurden. In der Jugend, Aufstieg in die Bayernliga, Her-
zogenaurach gegen Spielvereinigung Fürth, da haben wir
gegen Fürth gewonnen, nach 2 : 0-Rückstand noch 3 : 2 in
der Verlängerung, das war die Saison 1977/78. Da habe
ich zum ersten Mal ein paar Szenen mit mir gesehen, ich
glaube, die wurden im Vereinsheim gezeigt.
Heute wachsen junge Spieler damit auf, dass sie permanent
gefilmt werden, in den Halbzeitpausen werden den Profis
Ausschnitte gezeigt. Video-Monitoring nennt man das. Wie
hat das den Sport verändert?
Mittlerweile hat jeder Verein seine Videoanalysten im Sta-
dion. Manche Szenen werden der ganzen Mannschaft ge-
zeigt, andere werden nur mit einem einzigen Spieler be-
sprochen: Da stehst du falsch, da schon wieder, stell dich
das nächste Mal anders hin. Da sind nur ein paar Sekunden
auf Video, aber die können reichen, um sich zu verbessern.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wurde in leeren Stadien
gespielt, bei diesen sogenannten Geisterspielen konnte
25
man plötzlich hören, was auf dem Platz gesprochen wurde.
Hätte­es Corona 1990 gegeben – wären die Sprüche von
damals sendefähig gewesen?
Es ging rauer zu. Wir Spieler sind auch von den Verant-
wortlichen härter behandelt worden. Heute werden die
Spieler geschützt, selbst wenn sie 3 : 0 verlieren, dann hat
Pep Guar­dio­la bei der Pressekonferenz anschließend im-
mer noch das perfekte Spiel seiner Mannschaft gesehen,
und er selbst hat auch alles richtig gemacht. Früher warst
du nach einer Niederlage in der Kabine, und draußen
haben der Uli Hoeneß oder der Udo Lattek Interviews
gegeben, da bist du namentlich erwähnt worden von den
Jungs, wie schlecht du warst, was du für ein Arsch bist.
Solche Wörter sind da teilweise vor der Kamera gefallen.
Und so war die Sprache auch während des Spiels un­ter­
ein­an­der. Da hätte man einiges schneiden müssen, um
es senden zu können. Es ging auch im Training rauer zu,
wir sind oft auf­ein­an­der losgegangen. Nicht nur Lizarazu
auf mich ...
... Sie meinen den berühmten Streit mit Ihrem Mitspieler
Bixente Lizarazu, der Sie im Training 1999 beim FC Bayern
geohrfeigt hat.
Mal gab’s Ohrfeigen, mal einen Schubser, mal richtige
Fouls, es ging mit Absicht in die Knochen. Der Jean-­Pierre
Papin ...
... er spielte damals auch mit Ihnen bei Bayern München ...
... ist einem immer mit offener Sohle entgegengekommen,
und irgendwann habe ich meine Schuhe etwas höher gezo-
gen, dann hat er einen Riss in seiner Haut gehabt. Ich hatte
ihn vorher gewarnt, mach mal langsam, Jean-­Pierre, aber
er hat einfach nicht aufgehört mit seiner aggressiven Art.
Sie haben im Ausland einige Trainerstationen hinter sich
gebracht. Sind Sie froh, nicht mehr als Trainer zu arbeiten?
Ja. Ich möchte das nicht mehr. In einem Verein Verant-
wortung zu übernehmen, das kann ich mir vorstellen, aber
nicht mehr auf dem Platz.
Sie haben am Anfang unseres Gesprächs gesagt, dass Sie
als aktiver Fußballer nicht nur immer der Jüngste waren,
­sondern oft auch der Kleinste. Sie sind 1,74.
Nicht oft – immer. Zumindest einer der Kleinsten.
Viele große Spieler sind erstaunlich klein, Lionel Messi
­beispielsweise  ...
... stimmt, Maradona auch, Modrić, früher Gerd Müller.
Interessanterweise haben Spieler, die einen guten Schuss
haben, oft kleine Füße. Maradona und ich hatten ja dieselbe
Schuhgröße, 40.
Sie sind in diesem Jahr 60 geworden und wirken fitter als je
als zuvor. Wie machen Sie das?
Ich gehe fünfmal die Woche laufen, eine Dreiviertelstunde,
hier in München oft im Englischen Garten, das reicht.
Und wenn Sie es zusammenfassen könnten: Was ist für Sie
das Schönste am Fußball?
Bei mir war es immer Liebe. Ich bin mit dem Fußball
groß geworden. Gut zu spielen, ein Tor zu schießen, dieses
Glücksgefühl zu erleben: Das ist meine Erfüllung.
17.6.21  N0 25
Illustration TESS SMITH-ROBERTS 26

Mal ’ne andre Frage

Menschen sitzen wieder zusammen und reden miteinander. Aber­

worüber? Den guten alten Small Talk haben viele in der Pandemie­
verlernt. Wenn zwei Leute in diesen Tagen aufeinandertreffen, wird
meist gefragt: »Bist du schon geimpft?«, oder: »Wohin fahrt ihr in­
Urlaub?« Damit das Geplauder wieder in Gang kommt, haben wir
eine Liste mit Fragen zusammengestellt, mit denen man einfach mal­
anfangen kann. Schon eine davon kann einen Abend retten
1 – Bestellt ihr eigentlich auch nie Spaghetti-Eis?
2 – Ein Gericht, das ihr als Kind gehasst habt und heute liebt?
3 – Welcher Gegenstand aus deinem Besitz, der objektiv nichts
oder fast nichts wert ist, ist dir unendlich wertvoll?
4 – Wann hast du zuletzt jemandem, der es dringend
brauchte, Geld geliehen (mehr als 50 Euro; länger als bis zum
nächsten Tag)? Wie ging die Geschichte aus?
5 – Wo suchtet ihr Schutz und mit wem, als euch der heftigste
Sommerregen eures Lebens überraschte?
6 – Eine Zug-Zufallsbekanntschaft, die ihr niemals vergesst?
7 – Gibt es eine allererste Erinnerung im Kleinkindalter,
von der ihr denkt: Es war die erste überhaupt? Welche ist das?
8 – Hat jemand mal irgendwo eine Medaille gewonnen?
9 – Schon mal jemandem das Leben gerettet?
10 – Jemals erlebt, dass eine Person, die ihr besser als flüchtig
kanntet und die ihr unsympathisch fandet, euch doch
sehr sympathisch wurde? (Umgekehrte Fälle gelten nicht)
11 – Worauf hast du am längsten gespart in deinem Leben?
12 – Schon mal ein spannendes Telefonat oder Gespräch
belauscht in der Bahn oder im Restaurant?
13 – Eine möglichst frische fette Lüge, die du jemandem
aufgetischt hast?
14 – Welche Schummelei benötigte die akribischste Vorbereitung?
15 – Die letzten Tränen wurden gelacht wegen?
16 – An welche Person aus deiner Schulzeit denkst du noch oft,
obwohl ihr keinen Kontakt mehr habt?
17 – Was kannst du peinlicherweise gar nicht, von dem alle
anderen selbstverständlich annehmen, du könntest es?
18 – Ein Traum, der immer wiederkommt und der aber kein
Albtraum ist?
19 – Welche nicht unerhebliche Umweltsünde begehst du immer
noch und kommst einfach nicht davon los?
20 – Könnte unbedingt jeder, der einen Dialekt beherrscht,
mal den Satz sagen: »Wenn ich zu Hause bin, rede ich so, wie mir
der Schnabel gewachsen ist«?
21 – Schon mal was zufällig mit einem Prominenten erlebt?
22 – Das Verrückteste, was du jemals aus Liebe getan hast?
23 – Flirten hat man ja auch ganz verlernt. Erinnert sich wer an
seinen hilflosesten Flirtversuch?
24 – Dein bisheriges Leben in einem Satz?
Malin Lüth im Frühjahr auf ihrem Feld südlich von Freiburg. Die Frage, die über allem schwebt:
Kann man mit Ökoblumen, wie diesen Tulpen, Geld verdienen?

Neue Blüte
Von LORRAINE HAIST Fotos ANNE SCHWALBE

Mithilfe von Pestiziden werden die meisten Schnittblumen auf riesigen

Plantagen hochgezüchtet und oft von weit her nach Deutschland
eingeflogen. Die Gärtner der Slowflower-Bewegung wollen das ändern.
Ein Spaziergang über ein nachhaltiges Blumenfeld
 Fertig zum Auspflanzen auf dem Feld: Wachsblume, Amarant, Löwenmäulchen, Statice.
Malin Lüth hat die Pflanzen selbst vorgezogen

Von der Apfelplantage nebenan weht der stechende Geruch von
Pflanzenschutzmitteln herüber. Auf einem nahen Truppenübungs-
platz knattern Gewehrsalven. Wohin man blickt, akkurat abgezir-
kelte, ordentlich gepflügte Felder. Und mittendrin ein Fleck voller
Tulpen, Ranunkeln, Narzissen. Es ist das Blumenfeld »Wildling«,
bunt wie eine Doppelseite aus einem Kinderbilderbuch. Am Rand
stehen ein kleines Gewächshaus und ein Bauwagen. Vor zwei Jahren
hat Malin Lüth, 30, es angelegt, als Teil ihrer Abschlussarbeit zur
staatlich geprüften Öko-Landwirtschaftsmeisterin. Davor hatte sie
schon in verschiedenen Betrieben in Deutschland und Schweden
Bio-Gemüse angebaut. Jetzt ist die Kielerin in Süddeutschland
­gelandet, in dem Städtchen Müllheim in den Hügeln des Markgräf-
lerlandes südlich von Freiburg.
Auf überschaubaren 6000 Quadratmetern pflanzt sie hier regionale,
saisonale und zudem umweltfreundliche Schnittblumen unter frei-
em Himmel an. Regional, weil sie auf Sorten setzt, die schon in
 Ohne Kunstdünger auszukommen ist ein Knochenjob. Vorne im Bild lockert eine Mitarbeiterin
den Boden mit einer Doppelgrabegabel, hinten Malin Lüth an der Radhacke

Großmutters Bauerngarten wuchsen. Und weil ihre Blumen von
der Ernte bis zur Vase möglichst kurze Wege zurücklegen sollen.
Saisonal, weil ihre Felder nun mal keine Pfingstrosen im Septem-
ber hervorbringen – sondern Tulpen im Frühling, Löwenmäul-
chen im Sommer, Dahlien und Astern im Herbst. Im Winter ist
Pause. Beheizte Folientunnel, Kunstdünger, Spritzmittel gibt es
nicht, gedüngt wird mit Schafwollpellets. Wenn die Ranunkeln
Läuse haben, pustet Malin Lüth sie von den Blättern.
Malin Lüth gehört zu einer wachsenden Zahl von Blumengärtnern,
die mit ökologischen Schnittblumen den Blumenmarkt revolutio-
nieren wollen. Sie nennen sich Flowerfarmer oder Farmerfloristen
– je nachdem, ob sie zusätzlich zum Anbau auch Blumenbouquets
arrangieren. Im deutschsprachigen Raum haben sie sich vor zwei
Jahren in einer Bewegung namens Slowflower organisiert. Inzwi-
schen hat die Gruppe mehr als 80 Mitglieder, hauptsächlich Frau-
en zwischen 30 und 70 Jahren. Dabei sind unter anderem: eine
 Ökolandwirtschaft zu betreiben, der Natur ausgesetzt zu sein ist auch eine Übung im Loslassen.
»Du kannst nicht alles verhindern«, sagt Lüth, »lass es einfach geschehen«

Doktorin der Holzwirtschaft, eine Haar-und-Make-up-Künstlerin
und eine gärtnernde Schlossherrin.
Auf kleinen Flächen sollen nachhaltige Blumen heranwachsen,
ohne Gentechnik und Gift. Plastikverpackungen sind tabu. Spre-
chen die Slowflower-Gärtnerinnen auch mit ihren Blumen? »Nein«,
sagt Lüth und wirkt über die Frage kein bisschen irritiert. »Aber ich
bin gern ganz früh auf dem Feld, damit ich den Vögeln beim Auf-
wachen zuhören und den Sonnenaufgang beobachten kann.«
Die Slowflower-Bewegung ist ein Gegenmodell zu den Mechanis-
men des weltweiten Blumenmarkts. Die meisten Schnittblumen,
die in Deutschland gekauft werden, haben keine gute ökologische
­Bilanz, 80 Prozent sind Importware aus den Niederlanden, Afrika
oder Lateinamerika. Sie werden unter massenhaftem Einsatz von
Strom, Wasser, Pestiziden auf Blumenfarmen hochgezüchtet, ein-
geflogen und schließlich mit dem Sattelschlepper quer durchs Land
gefahren. (Vor 15 Jahren wurde immerhin ein Fair­trade-­Sie­gel für
 Die Slowflower-Bewegung lebt auch von schönen Social-Media-Auftritten, die eine digitale Generation
in die romantische Welt der Blumen – hier Nelkenwurz – entführen

Rosen eingeführt, die beliebteste Schnittblume in Deutschland.
­Inzwischen liegt der Marktanteil dieser fairen Rosen bei 33 Prozent,
sagt Edith Gmeiner von Fair­trade Deutschland, das das entsprechen-
de Siegel verleiht. Doch auch wenn sich die Situation vieler Arbeite-
rinnen auf den Farmen verbessert hat: Bio-Rosen sind es nicht, die
da verkauft werden.)
In Deutschland haben die Slowflower-Pioniere ein besonders weites
Experimentierfeld: Es ist der größte Markt für Blumen innerhalb
Europas, knapp 3,2 Mil­liar­den Euro wurden hier 2020 für Schnitt-
blumen ausgegeben.
Die Hoffnung der neuen Blumengärtner: dass Menschen bereit
sind, für ökologisch angebaute Blumen mehr Geld auszugeben als
für Massenware anonymer Herkunft. Durch den Verkauf an örtli-
che Floristen, an Direktkunden und Online-Shops sind sie nicht
auf Zwischenhändler angewiesen. Die Hälfte der Mitglieder der
Slowflower-Bewegung betreibt laut Eigenauskunft den Blumen-
 »Plötzlich wird aus einer Narzisse, die viele Menschen für gewöhnlich halten, etwas Besonderes«, sagt Lüth.
Deutlich höher als im Supermarkt ist auch der Preis dieser Blumen

anbau im Nebenerwerb, 30 Prozent leben davon. Malin Lüth hat
im vergangenen Jahr einen Umsatz von 50.000 Euro erzielt, trotz
Pandemie. Es war ihr erstes Betriebsjahr, und es war so erfolgreich,
dass sie eine Mitarbeiterin einstellen konnte. Allein im April dieses
Jahres, sagt sie, habe sie Blumen für 20.000 Euro verkauft.
Und natürlich erzählen die Blumen von den Feldern ums Eck auch
eine gute Geschichte, wie viele der Produkte, die sich regional neu
erfunden haben – ob Gin aus dem Schwarzwald oder die Gemüse­
kiste vom Bauern am Stadtrand. Davon, dass ein gutes Leben mög­
lich ist. Und dass ein gutes Leben auch schön sein kann. Nur billig
ist es nicht: Ein Bund mit 20 Slow-Narzissen kostet beim Berli­
ner Edel-Floristen Marsano 20 Euro, bei Aldi Süd zahlt man im
­Angebot für zehn Narzissen 49 Cent.
Der Erfolg der Slowflower-Bewegung hat auch viel mit der Explo­
sion der sozialen Medien zu tun. Die Amerikanerin Erin Benzakein,
die nahe Seattle die Gärtnerei Floret Flowers betreibt, wurde durch
 Lüth (Mitte) mit zwei Mitarbeiterinnen bei der Tulpenernte. Sie baut eine große Vielzahl an Blumen an,
so blüht zwischen März und Oktober immer irgendetwas

Instagram zum weltweiten Superstar und verhalf der Schnittblume zu
­neuer Hipness. Benzakein hat fast 900.000 Follower, in Online-Work-
shops vermittelt sie Kenntnisse für den eigenen Slowflower-­Anbau.
Die Kurse kosten 2000 Dollar und sind meist wenige M ­ inuten nach-
dem sie online gestellt wurden, ausverkauft. Ihre Bücher sind Best-
seller, ihre hauseigenen Blumensamen und -zwiebeln ebenso.
Seit 20 Jahren schon baut Benzakein mit ihrem Mann Blumen
an, zunächst im Garten neben ihrem Haus, inzwischen auf zehn
Hektar Land. Hier gedeiht eine riesige Vielfalt an Sorten – Nar-
zissen, Tulpen, Rittersporn, Fingerhut, Bart-Iris, Pfingstrosen,
Mohn, Dahlien.
Auf Instagram sieht das Ganze fantastisch aus: romantisch, über-
bordend, oft überwölbt von einem weiten Himmel. Diese Ästhe-
tik zieht sich durch alle Fotos und Videos, mit denen sich Floret
Flowers im Internet präsentiert – eine digitalisierte Generation in
eine ­Parallelwelt aus Blüten zu entführen ist Teil des Konzepts. Auch
 Das Handwaschwasser kommt aus einem alten Weinballon auf einem Heringfass.
Rechte Seite: Die frische Ranunkelernte kurz vor dem Abtransport

Malin Lüth hat den Online-Kurs von Floret Flowers absolviert,
die Optik des Feldes und ihres Internet-Auftritts sind von dem
Blumenstar aus Seattle inspiriert. Rund 300 ausgewählte Sorten
wachsen jetzt hier im Rhythmus der Jahreszeiten: Akeleien, Fett-
henne, Mutterkraut, Kornblumen, Dahlien. Und ähnlich wie bei
Floret Flowers sollen auch bei Lüth eine große Vielfalt sowie eine
­Mischung aus Blumen und Stauden beständigen Ertrag garantie-
ren. Zwischen März und Oktober blüht immer irgendwas.
Ursprünglich wollte Lüth ihre Produkte an Blumengeschäfte in der
Region verkaufen. Doch dann kam die Pandemie, ausgerechnet
zur ersten Frühlingsblüte im März 2020. »Mein Vertriebsplan war
futsch«, sagt sie. Also richtete sie einen Online-Shop ein und ver-
schickte ihre feldfrischen Blumen deutschlandweit. Im April dieses
Jahres verkaufte sie wöchentlich 300 Blumenpakete. Instagram helfe
enorm bei der Vermarktung: »Plötzlich wird aus einer Narzisse, die
viele Menschen für gewöhnlich halten, etwas Besonderes.«
 17.6.21  N0 25

Der Blumenversand widerspreche zwar dem Nachhaltigkeits-
gedanken der Slowflower-Bewegung, doch verglichen mit dem
langen Weg, den Blumen sonst zurücklegen, sei es ein guter Kom-
promiss, findet Malin Lüth. Ihre Kalkulation, von Blumenver-
kauf, Veranstaltungen und Workshops irgendwann gut leben zu
können, hält sie für realistisch. Ein Workshop für Floristik-Profis,
den sie gerade mit einer befreundeten Farmerfloristin veranstaltet
hat, war ausgebucht.
Ernteausfälle durch schlechtes Wetter, Schädlinge oder Krankheiten
fürchte sie nicht, sagt Malin Lüth. Es wachse ja genug, auf irgend-
etwas könne man zur Not immer zurückgreifen. Außerdem seien
­unvorhersehbare Ereignisse gut, um das Loslassen zu üben. »Ich liebe
diesen Moment, wenn ich den Regen oder den Hagel kommen sehe
und zu mir selbst sage: Du kannst nicht alles verhindern, lass es ein-
fach geschehen.« Jetzt klingt sie ein wenig wie eine Ökobäuerin alter
Schule. Sie würde es wahrscheinlich als Kompliment verstehen.
Steht auch Männern gut: Plissee-Rock von Gucci
 Stil
Falten machen schön
Es ist gerade ein wenig in Mode gekommen, dass Männer sich in
Kleidung zeigen, die eher Frauen zugesprochen wird. Etwa der Sän-
ger Harry ­Styles, der sich vergangenes Jahr für das Cover der ame-
rikanischen Vogue in einem Kleid hat ablichten lassen. Aber auch der
Footballspieler Odell Beckham Jr. ist schon in einem Rock zur Met
Gala in New York erschienen. Vor ein paar Jahren hat J­aden Smith,
Sohn von Will Smith, in einem Faltenrock für die Kampagne von
Louis Vuitton posiert, und K ­ anye West hat immerhin schon einmal
einen Leder-Kilt von Givenchy vor den Kameras getragen. Immer
wenn das passiert, werden diese Männer für ihren Mut gefeiert. Da-
bei könnte man sich fragen, ob nicht tatsächlich jene Männer viel
mutiger sind, die der LGBT-Szene angehören und selbstverständlich
Kleider in der Öffentlichkeit tragen, ganz ohne roten Teppich und
Kameras. Denn die ernten dafür nicht unbedingt Schulterklopfen,
sondern oft herabwürdigende Sprüche und Gewaltandrohungen.
Der Rock am Mann gilt noch immer als Tabubruch, dabei tragen ihn
Männer schon genauso lange wie Frauen. Der Faltenrock etwa war
ursprünglich echte Männerkleidung. Er ist schon für das 5. Jahrhun-
dert vor Christus dokumentiert, als man in der Balkan-Region die
sogenannte Fustanella trug, einen knielangen Militär-Rock. Noch
heute gehört sie zur Volkstracht in Griechenland und Albanien. In
Foto MMH Medien Handel GmbH
Mitteleuropa wurde der Faltenrock Anfang des 16. Jahrhunderts von
Männern getragen. Als Kilt wurde der Faltenrock mit Tartan-Muster
in den schottischen Highlands im 18. Jahrhundert zur National-
tracht. Die heute übliche Hose setzte sich in Europa erst im 17. Jahr-
hundert durch. Zunächst die nur knielange und eng anliegende Hose,
die vor allem vom Adel getragen wurde, und mit der Französischen
Revolution dann die lange Hose. Man muss sich fragen, warum aus-
gerechnet diese bis heute geblieben ist. Denn die lange Hose betont
mit ihrem Bund die Körpermitte des Mannes. Und die ist gerade
in späteren Lebensjahren nicht eben die Gala-Zone des männlichen
Körpers. Das mag in früheren Jahrhunderten nicht gestört haben, als
man als Mann noch in jungen Jahren entweder auf einem Schlacht-
feld starb oder von einer Seuche hinweggerafft wurde.
Heute aber, da man als Mann normalerweise leicht das greise
Lebens­alter erreicht, ist das ein Problem, dem man begegnen muss.
Eigentlich sollte man ein Kleid tragen wie Harry S­ tyles. Heran-
tasten kann man sich an diesen Look mit einem schön geschnit-
tenen Falten­rock. Es gibt zurzeit welche in der Herren-Kollektion
von Thom B ­ rowne, Off-­White oder Ce­line. Auch Gucci hat einen.
Der ist zwar eigentlich für die Dame gemacht worden, aber was ein
echter Kerl ist, der nimmt sich, was er braucht.
Von Tillmann Prüfer
Foto Peter Langer
39 Unter Strom
Mirko Borsche trickst einen
Dackelwelpen mit einem rollenden
Hundeknochen aus
Meine Schwiegereltern Marscha und Martin haben sich entschie-
den, einen jungen Hund in die Familie zu holen. Sie leben jetzt
mit einem Rauhaardackel-Welpen zusammen: Fritzi. Weil ich nett
sein wollte, habe ich am Anfang zugelassen, dass Fritzi unter dem
Tisch an meinen Socken zieht. Das war ein Fehler. Fritzi fährt
leider total auf meine Socken ab und möchte am liebsten stunden-
lang an ihnen reißen. Ich habe einiges probiert, um ihn davon
abzubringen. Wegschieben, mit Futter weglocken, Füße hochneh-
men. Doch das Einzige, was ihn ablenkt, ist der Wicked­bone, der
schelmische Knochen.
Dieses elektronische Hundespielzeug sieht tatsächlich aus wie ein
Knochen, fährt über den Boden und kann sich drehen. Ich lade mir
die App runter und verbinde sie über Blue­tooth mit dem Knochen.
So kann ich vom Tisch aus Fritzi durchs Zimmer jagen. Das Gerät
fährt in die Richtung, die ich mit dem Finger auf meinem Smart­
phone-­Dis­play zeichne, und sorgt dafür, dass meine Strümpfe heil
bleiben. Wenn Fritzi ihn erwischt, stellt der Knochen sich tot.
Es gibt neun verschiedene Funktionen, der Wicked­bone kann sogar
hüpfen! Der Hund verliert so nicht schnell das Interesse. Im inter­
active ­mode spielt der rollende Knochen mit eigenen Programmen
mit dem Hund, ganz ohne mich. Leider funktioniert der Wicked­
bone nicht auf Rasen, dieser Untergrund ist zu uneben. Bei unseren
sommerlichen Grillabenden ziehe ich also lieber keine Socken an.
Doch in der Wohnung läuft er tadellos. Der Wicked­bone ist nicht
nur ein tolles Spielzeug für Fritzi. Vor allem Menschen, die als Kind
keine Elektroautos haben durften, können mit ihm ziemlich viel
Spaß haben. Und den eigenen Spieltrieb heimlich ausleben. Es den-
ken ja alle, man lasse den flotten Knochen nur wegen des Hundes
durch den Raum fahren. Aufgezeichnet von Karolina Kaltschnee
Technische Daten: Maße: 21 x 12 x 9 cm;
Kontrolldistanz: 20 m; Preis: 98 Euro
Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
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 Kerstin*, 62: »Das erste Mal sahen wir N 0  24 Ziele verfolgen, während er gerne zu
uns in der zehnten Klasse, er gefiel mir Hause bei unseren zwei Töchtern blieb
LEXIKON DER LIEBE
auf Anhieb. Dann verschwand er für und sich um sie kümmerte.
zwei Jahre und tauchte bei meiner Schul- In seinen letzten vier Jahren haben wir
abschlussfeier wieder auf. Ich merkte, Abschied viel geredet. Wir waren uns so nahe,
dass ich total in ihn verliebt war. Er ging kannten uns in- und auswendig. Oft
mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. baute er mich auf und tröstete mich, statt
An diesem Abend hat er sich irgend- umgekehrt. Man hat ihm die Krankheit
Illustration Anna Hofmann   *Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt

wann zu mir gesetzt, und wir haben ge- nicht angemerkt, er war lebenslustig und
plaudert. Auf dem Heimweg hat er mir versuchte, die Dinge mit Humor zu se-
sein Jackett über die Schultern gelegt hen. Ich komme schon wieder, hat er mir
und mich geküsst. Dann hat er mich an- vor den Operationen immer gesagt.
geschaut und gefragt, ob ich ihn heiraten Mein Mann hat seine Beerdigung mit uns
möchte. Ohne eine Sekunde zu zögern, besprochen, und das war eine große Er-
habe ich Ja gesagt. Ich war 19 Jahre alt leichterung. Ich konnte ihm dadurch sei-
und unsterblich in diesen Mann verliebt, nen letzten Wunsch genau so erfüllen, wie
mehr spielte für mich keine Rolle. er es mir zuvor gesagt hat. Er verbrachte
Wir waren fast 40 Jahre lang glücklich die letzten Wochen zu Hause und schlief
verheiratet, dann bekam er die Diagnose dann ein, ich konnte mit ihm gemeinsam
Krebs. Man konnte zwar operieren und Abschied nehmen. Ich sage mir immer,
die restlichen Metastasen mit Chemo- ich habe etwas so Wunderschönes gehabt,
therapie behandeln, aber es würde früher und für diese seltene, wahre Liebe muss
oder später zu Ende gehen. Fast mein ich dankbar sein. Aber es ist hart, denn
ganzes Leben lang hat er mir den Rücken das Zurückbleiben ist immer schwer.«
gestärkt. Ich konnte meine beruflichen Aufgezeichnet von Tamara Giulia Salathé

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SCHACH
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5
4
3
2
1
a b c d e f g h
Beim Europäischen Team Cup – pandemiebedingt heuer o­ nline
– wurden die Schachfreunde Deizisau sensationell vor 90 an-
deren, teilweise hochkarätigen Mannschaften E ­ uropameister.
Eigentlich hätte man dies eher dem vielfachen Deutschen
Mannschaftsmeister Baden-Baden mit seinen internationalen
Weltklassespielern zugetraut. Doch als dieser schwächelte und
sich nicht fürs Finale qualifizierte, sprang prompt dessen e­ benfalls
von Grenke Leasing unterstütztes »Farmteam« aus Deizisau ein.
Lauter junge Deutsche, teils schon in der N ­ ationalmannschaft,
von denen besonders Alexander ­Donchenko, Georg Meier und
der erst 16-jährige Vincent Keymer über sich hinauswuchsen.
Im Gegensatz zu anderen hochbegabten J­ugendlichen in der
Schachwelt besucht der Sohn eines Musiker-Ehepaars in der
Nähe von Mainz normal die Schule und will sich erst nach dem
Abitur ganz dem Schach widmen. Auch zum alles entscheiden-
den Gewinn in der letzten Runde gegen das russische Team aus
Kasan trug er mit einem Endspielsieg bei, doch ein besonders
schöner Sieg gelang ihm vorher gegen den Großmeister Jurij
Kusubow vom ukrainischen Team Greco-Notary. Auf einer
abenteuerlichen Flucht mit nur noch Sekunden Bedenkzeit
für beide war Vincents schwarzer König im freien Feld auf c5
­gelandet und durch Db5 oder Dc7 mattbedroht – doch glück-
licherweise war Vincent am Zug. Wie konnte er den weißen
König in drei Zügen matt setzen?
Lösung aus Nr. 24: Wie gewinnt Weiß am Zug?
Mit dem Turmopfer 1.Th1!. Nach 1...Kxh1
(1...Kg3 2.Kf1 Kh3 3.Kf2) klemmt 2.Kf2! den
schwarzen König im Eck ein. Im Zugzwang
muss Schwarz 2...b5 spielen, aber nach 3.axb5
a4 4.b6 a3 5.b7 a2 6.b8D a1D setzt 7.Db7 den
schwarzen König matt. Hingegen hätte 1.Tb1?
h1D 2.Txh1 Kxh1 nur remisiert, obwohl Weiß
die schwarzen Bauern erobert
Impressum  Editorial Director  Christoph Amend  Chefredaktion  Sascha Chaimowicz,
Maria Exner  Stellvertretende Chefredakteurin  Emilia Smechowski  Mitglied der
Chefredaktion  Tillmann Prüfer  Creative Director  Mirko Borsche  Art Director  Jasmin
Müller-Stoy  Textchefin  Anna Kemper, Christine Meffert  Bildredaktion  Maximilian
Virgili (i.V.), Milena Carstens  Berater  Andreas Wellnitz (Bild)  Essay & Reportage  
Heike Faller  Style Director  Claire Beermann  Redaktion  Jörg Burger, Johannes Dudziak,
 LEBENSGESCHICHTE 43 SCRABBLE Spiele

Auf dem Heiratsmarkt habe ihre jüngste, unattraktive Tochter

wohl keine Chance, meinten die Eltern. So kam sie in den Genuss
­einer passablen Schulbildung, die abrupt endete, als sie 16 war, die
Mutter starb und sie dem Vater den Haushalt führen musste. Doch
wissbegierig, wie sie war, durfte sie eine private Bibliothek nutzen.
Nach dem Umzug aus der ländlichen Provinz in die Stadt kam sie in
Kontakt zu liberalen Freidenkern. Heftige Konflikte mit dem Vater
folgten, doch sie pflegte ihn bis zu seinem Tod. Als ledige 30-Jährige
stand sie nun fast ohne Mittel da. Für wenig Geld arbeitete sie für
eine Zeitung, übersetzte theologische und philosophische Schriften.
Intellektuelle ihrer Zeit schätzten sie als geistvolle Gesprächspartne-
rin. Doch als sie sich in einen verheirateten Mann verliebte und mit
ihm zusammenlebte, wurde sie zur Persona non grata. Von i­hrem
Geliebten ermutigt, begann sie, selbst zu schreiben. Als Pseudonym
für ihre erste eigene Veröffentlichung entlieh sie seinen Vornamen.
Wohl auch, um sich von der sentimentalen Frauenliteratur ihrer
Zeit abzugrenzen. »Ein seltenes Beispiel von Literatur für Erwach-
sene sind ihre realistischen Darstellungen gesellschaftlicher Zustän-
de«, schrieb ein Jahrhundert später eine andere Autorin. Auch wenn
nicht jeder mit ihren freigeistigen Ansichten sympathisierte, hatten
ihre Werke großen Erfolg. Nach dem Tod ihres Geliebten heiratete
sie mit 60 einen 20 Jahre Jüngeren, doch die Ehe währte nur kurz – Doppelter Wortwert Dreifacher Wortwert
sie starb noch im selben Jahr. Wer war’s? Doppelter Buchstabenwert Dreifacher Buchstabenwert

Lösung aus Nr. 24: Niko Kovač, geb. 1971 in West-Berlin, ist ein ehemaliger Trainer des FC
Bayern München und seit Juli 2020 Cheftrainer bei AS Monaco. Er coachte unter anderem die
kroatische Nationalmannschaft, Eintracht Frankfurt und die Bayern, mit denen er 2018/19
das Double (Meisterschaft und DFB-Pokal) holte. Stets mit dabei im Trainerstab ist sein jüngerer
Bruder ­Robert. Mit Monaco mischt er sehr erfolgreich an der Spitze der Ligue 1 in Frankreich mit

Es gelten nur Wörter, die im Duden, »Die deutsche Rechtschreibung«, 28. Auflage,
verzeichnet sind, sowie deren Beugungsformen.
Die Regeln finden Sie im Internet unter www.scrabble-info.de

SUDOKU Neulich – um genau zu sein, im ZEITmagazin Nr. 20/21 – habe

ich mal wieder etwas übersehen. Gefragt hatte ich nach drei in den
70ern dotierten Bingos (RADIERST, DISTALER und I­ DEALIST),
3 6 1
tatsächlich gab es derer jedoch vier. In Zeile G ließ sich statt
8 3 1 4 ­IDEALIST auch die Form IDEALSTE legen. Manch einem rollen
sich da die Fußnägel hoch, und auch ich bin kein großer Freund
2 5
­dieses gewagten Superlativs. Doch der Duden erläutert das Wort
5 6 8 2 mit dem Hinweis »nur in der Vorstellung existierend; der Idee
Lösung aus Nr. 23 entsprechend; vollkommen«. Die Steigerung des letztgenannten
­
2 8 6 1
5 3 9 8 7 6 2 1 4
Adjektivs ist stark verbreitet, weswegen aus Gründen der Gleichbe-
3 8 6 7 1 6 8 9 4 2 5 7 3 handlung eben auch »ideal« als komparationsfähig anzusehen ist.
7 2 4 1 5 3 8 6 9
Vergleichbares gilt für »blind«. Ein passender Beispielsatz wäre »X ist
4 9 6 9 7 4 2 5 1 3 8
3 4 2 6 8 1 7 9 5 der blindeste Schiedsrichter der Bundesliga«. Hier kommt allerdings
6 7 3 5 8
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5
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3
2
9
1
7
9
4
3
2
5
6
7
die übertragene Bedeutung ins Spiel. Wie der Zufall so will: Auch in
2 7 3 5 6 4 9 8 1 der heutigen Aufgabe sind drei in den 70ern dotierte Bingos mög-
4 2 3 9 5 1 7 3 8 6 4 2
lich. Wenn ich nichts übersehen habe ...
In jeder Zeile, jeder Spalte und jedem mit stärkeren Linien gekenn­zeichneten 3 × 3-Kasten Lösung aus Nr. 24: Die Konjunktiv-II-Form EINWÜRB (von »einwerben«), dotiert mit 32
müssen alle Zah­­len von 1 bis 9 stehen Punkten, stellte den meiner Ansicht nach besten Zug dar. Zu platzieren war das Wort auf 4B–4H.
Nächste Woche an dieser Stelle: die Logelei und die Auflösung aus Nr. 24 Nur zwei Zähler weniger brachte ANWÜRB, das ebenfalls in Spalte 4 angelegt werden konnte

Friederike Milbradt, Khuê Pha. m, Ilka Piepgras, Jürgen von Ruten­berg, Matthias Stolz, An- Druck  Prinovis Dresden GmbH  Repro  Twentyfour Seven Creative Media Services
nabel Wahba; Mitarbeit: Klaus Stock­hausen (Contributing Fashion Director)   GmbH  Anzeigen­leitung  Áki Hardarson  Anzeigen­preise  ZEITmagazin-­Preisliste Nr. 15
Redaktionelle Koordination  Margit Stoffels  Gestaltung  Nina Bengtson, Mirko Merkel, vom 1. 1. 2021   Anschrift Verlag  Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Bucerius-
Gianna Pfeifer; Mitarbeit: Anna Berge  Autoren  Alard von Kittlitz, Harald Martenstein, straße, Eingang Speersort 1, 20095 Hamburg; Tel.: 040/32 80-0, Fax: 040/32 71 11; E-Mail:
Jana Simon  Korrektorat  Thomas Worthmann (verantw.)  Dokumentation  Mirjam Zimmer DieZeit@zeit.de  Anschrift Redaktion  ZEITmagazin, Dorotheen­­­straße 33, 10117 Berlin;
(verantw.)  Herstellung  Torsten Bastian (verantw.), Oliver Nagel, Frank Siemienski   Tel.: 030/59 00 48-0, Fax: 030/59 00 00 39; E-Mail: zeitmagazin@zeit.de, www.zeitmagazin.de
UM DIE ECKE GEDACHT NR. 2594 44 Spiele

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32 33 34 35 36

37 38 39 40

41 42

Waagerecht: 7 Gelobt, wenn planvoll, nicht nur beim Leitham-
mel 12 Ward benannt nach der Zuflucht fröstelnder Bürgerinnen
15 Streitthema zwischen innerer Wieselameise und innerem
Schweinehund 16 Gondolieri erreichen ihn via Schwägalp
18 Hat man an mühevollen Tagen, nicht nur auf Schafzüchters Hof
19 Kurz: Ohne sie kommt bei Weisung nix rüber 21 Zack, zack
geht’s, und pflugs ist er Bruchwerk 22 Sollte man wollen, wegen
des Könnens 24 Gehört zum 12 senkrecht wie das Weg zum
Rennen 25 Sagt der Mondanbeter? Will der Inkassobeauftragte!
26 Fremde ... streifen das Gedächtnis, eigene verleihen Fähigkei-
ten (E. Wertheimer) 29 Ein Herz und eine Seele finden problem-
los den Weg zu ihr 31 Haben einiges zwischen sich, bloß keine
29 waagerecht 32 Wer auf jede ... sieht, wird langsam ein Bett
zusammenbringen (Sprichwort) 35 Ihr In-Schale-Werfen hat grü-
ne, gelbe, schwarze Phase 36 Volksmunds Eindruck: ... spricht alle
Sprachen 37 Das Feld gewohnter 15 waagerecht 38 Was tun, um
den Blitz auf Trab zu bringen? 40 Für etliche gilt: 9 senkrecht ist
ihr 37 waagerecht 41 Ort des Brodelns oder Wort zum Jonglieren
42 Eng wird’s für gewöhnlich, wo man die kennenlernt – S­ enkrecht:
1 Worte auf dem Weg, Häuser jenseits der 42 waagerecht
2 Stimmhaftes vom Missvergnügten 3 Eine Aufwärts, allzu abwärts
gehandhabt, verfehlt ihren Zweck 4 In der Monarchiehierarchie
weit oben, die Dame 5 Beginnt nämlich mit Endeende, endet mit
Anfangsanfang 6 Brachte, wie’s heißt, 10 senkrecht die Flötentöne
bei 7 Es steht nicht immer in unsrer Willkür, geliebt, aber es hängt
immer von uns ab, nicht ... zu werden (A. v. Knigge) 8 Begleitet
von Atemlosigkeit, gefolgt von Ausruhsehnsucht 9 Passwort-Ein-
gebung der weniger originellen Art 10 Ohne ... wird aus Schafen
nie eine Herde (Sprichwort) 11 Vokabel im Spruch vom Bahn-
hofversteher 12 Fingerübung nicht nur der Traumprüfer 13 Aus-
schlaggebend fürs Herzverschenken – wegen mancher wird man
schief angesehen 14 Sollte die Frist fürs ... um ..., eile man bald
nach Mittag zum Postkasten 16 Kann passieren, dass es einem
­Filtern oder Sieben nahekommt 17 Gehört zu 6 senkrecht wie die
Melone zum Zaubern 20 Am Rande erwähnt bei manchem Spiel,
aber auch im Zentrum von Ermittlerinteresse 23 Um die geht’s in
etlichen Grund-Sätzen 26 Baumlange Ergänzung der Käser 27 Ins-
besondere im sportlichen Euphoriegetriebe erreicht sie Gruppen-
stärke 28 Motto respektabler Respektierer: Was ... und andere ...
lassen! 30 Nimmer klimpernd in Oslos Kassen 31 Länger als Fluffy
blieb er bei Rubeus 33 Verzehnfachwort 34 Wenn die ... selbst sich
schmückt, schmückt sie auch den Garten (Fr. Rückert) 39 In der
Eigenaufnahme mit schwimmendem Säugetier zählt sie doppelt
40 Persönlichstes Instrument zur Erreichung von Erreichbarem

Lösung von Nr. 2593: Waagerecht 6 FEIGENBLATT 10 Baum-STAMM und Stammtisch 13 PURZELBAUM 17 AUTARKIE 19 LUNAR 20 HEITERKEIT 21 HEGER in Re-heger-nhaben
22 Land-, Meer-ENGE 23 das und die KLETTEN 25 STUSS 27 EIDE in Getr-eide-feld 28 TAL 29 IRRWEG 31 EMPOR 33 TALER 35 STIER als Haustier 37 die Lämmer und DILEMMA
(Buridans Esel) 39 ESTEN 40 unterhalt-SAM 41 KNETE 42 »sonniges GEMUET«, »erhitzte Gemüter« 43 ANGEBER aus G-e-b-a-r-e-n 44 ERZIEHUNG 45 KROENEN;
Senkrecht 1 VERLEUMDER 2 VELARE k und ch 3 Lüge, Flügel, FLUEGE 4 ETAT 5 WARE 6 FUCHTELN 7 E-n-g-e aus GENE 8 BAHNDAMM (Ringelnatz, »Arm Kräutchen«) 9 TUELL
in ak-tuell 10 STREITEN 11 TAKT 12 jmdn. und etwas (zu viel) MITNEHMEN 14 ZUGSPITZE 15 BREIT 16 MIETE mit Mietspiegel 18 KIEW, Ukraine 23 KARST aus s-t-a-r-k 24 TRESEN
26 SOLEI und soleil = Sonne (franz.) 30 (Verlobungs-, Ehe-)RINGE 32 REGE in Rege-neration 34 LAUNE 35 STARK 36 RABEN-eltern 38 MEHL-schwitze 39 EEG = Elektroenzephalogramm

Schach  Helmut Pfleger – Lebensgeschichte  Wolfgang Müller

Sudoku  Zweistein – Scrabble  Sebastian Herzog – Kreuzworträtsel  Eckstein
 Prüfers Töchter 45 MEINE 7-JÄHRIGE

»Wozu brauchst
Dass ihre Eltern sich jeden Tag über Computer beugen und mit
krummen Rücken auf Tastaturen hacken und in Laptopkameras
sprechen, kann Juli nicht verstehen. »Warum arbeitest du denn so

du Geld?«
viel?«, fragt sie mich manchmal. Juli ist auch der Meinung, dass
ich »nicht den spaßigsten Job« habe. Ich muss ja so viel schreiben.
Juli muss für die Schule auch schreiben, an schlechten Tagen sechs
Sätze Schreibschrift ins Arbeitsheft. Juli kann sich nicht vorstellen,
dass man das freiwillig tut. Ich habe meiner Tochter erklärt, dass
man ja Geld verdienen muss. »Wozu brauchst du Geld?«, fragte sie.
Etwa um den Kindern Pausenbrote zu bezahlen, antwortete ich.
Juli hat mir daraufhin angeboten, auf ihr Pausenbrot zu verzichten,
zumindest manchmal.
Juli bekommt jeden Monat drei Euro Taschengeld ausgezahlt. Die-
ses Geld wird kaum angetastet. Wofür auch? Sie lebt ja in einem
Haushalt, in dem immer auf die eine oder andere Weise für alles
gesorgt ist. Es gibt immer irgendwo eine Unterhose oder Strümpfe
zum Anziehen. Es gibt genügend zu essen für den Hamster und na-
türlich auch für Juli. Juli lebt gewissermaßen sorgenfrei, es ist ihr gar
nicht wirklich klarzumachen, wofür man viel Geld braucht. Eigent-
lich sollte ich das Kind konsequent den Umgang damit lehren. Ich
sollte, wenn sie einfach so ein Eis haben will, sagen, dass sie dies von
ihrem Taschengeld zahlen muss. Manchmal mache ich das auch.
Aber wenn Juli ein Eis haben will, dann hat sie eben selten Taschen-
geld dabei. Also lege ich das Geld aus und treibe es nachher nicht
ein. Mit den drei Euro, die sie monatlich ausgezahlt bekommt, hat
sie bei den Taschengeldverhandlungen ein besseres Ergebnis erzielt
als ihre Geschwister. Als Luna so alt war, gab es überhaupt kein Ta-
schengeld, Greta und Lotta bekamen in ihrem Alter 70 Cent. Also
10 Cent pro Lebensjahr.
Damals meinten wir, ein Kind brauche nur etwas Geld, um sich
einmal im Monat ein paar Süßigkeiten im Kiosk zu besorgen. Als
wir aber über Julis Taschengeld sprachen, waren all ihre Geschwis-
ter schon erheblich älter und hatten einen entsprechend größeren
Finanzbedarf. Für 16-Jährige empfiehlt das Bundesfamilienministe-
rium immerhin etwa zehn Euro pro Woche. Leider hat sich niemand
überlegt, wie man der kleinen Schwester klarmachen soll, dass sie
nur einen Bruchteil davon bekommen soll. Die großen Geschwister
geben ihr Geld ständig aus, Juli nicht. Das bedeutet, dass die Kleine­
in ihrem roten Portemonnaie eine Barschaft von 46 Euro hortet,
während ihre Schwestern pleite sind.
Juli lässt sie diesen Wohlstand selten spüren. Doch sie ist auch spen-
dabel. Als ihre Schwester Lotta 16 wurde, hat Juli ihr eine Topf-
pflanze gekauft, die immerhin acht Euro gekostet hat. Lotta hat sich
sehr darüber gefreut. Und Juli war so gerührt über ihre eigene Frei-
giebigkeit, dass sie selbst etwas weinen musste.
Ich weiß nicht, ob unsere Taschengeld-Politik die richtige ist. Aber
eins hat Juli schon verstanden: Wer Geld hat, muss auch großzügig
Zu hören unter www.zeit.de/audio

sein. Um herauszufinden, ob meine Tochter eigentlich ungefähr

Juli ist 7 Jahre alt. Ihr Vater Tillmann Prüfer schreibt hier
im wöchentlichen Wechsel über sie und seine
anderen drei Töchter im Alter von 21, 16 und 14 Jahren
versteht, für wie viel Geld man etwas kaufen kann, fragte ich sie,
was der Gegenwert sei von ihren 46 Euro im Geldbeutel. »Ein
Stofftier?«, antwortete Juli unsicher. Das fand ich nicht schlecht
geschätzt. Dann fragte ich sie, was denn wohl ihr wertvollster Be-
sitz sei. Da schaute sie mich verständnislos an. »Meine Familie
natürlich, warum fragst du denn das?«

Illustration Aline Zalko

 HILFE!

Wie kann man seine Kollegen oder Kolleginnen am besten kritisieren?

Herr Lewitan, ich möchte mit Ihnen über Der Psychologe und Coach Führungskraft fair sein, also ihre Ziele und Er-
Kritik am Arbeitsplatz sprechen. Ich habe in wartungen präzisieren.
Louis Lewitan antwortet
Konferenzen immer wieder beobachtet, dass Ist es die Aufgabe der Führungskräfte, zu
manche Kollegen oder Kolleginnen lange re- eta­blie­ren, wie man in einem Unternehmen
den, um sich selbst darzustellen. Darf man Kritik übt?
sie dafür hinterher kritisieren? Man sollte untereinander besprechen, wo-
Natürlich kann ich eine Person bitten, zum rauf man achten sollte, wenn man Kritik übt.
Punkt zu kommen, ihre Meinung zu begrün- Der Ton ist sehr wichtig. Bei Fehlern geht es
den, oder ihr öffentlich widersprechen. Was ich nicht darum, Schuldige ausfindig zu machen,
aber nicht sagen sollte: »Ich finde, Sie, lieber sondern gemeinsam daraus zu lernen. Als Füh-
Kollege oder liebe Kollegin, reden hier dezent rungskraft muss ich klare Aussagen treffen und
am Thema vorbei, mit dem Ziel, sich selbst bei Bedenkenträgern zum Beispiel sagen: »Mei-
darzustellen, weil Sie es nötig haben.« Der ne Argumente haben Sie zwar nicht überzeugt,
Kritiker sollte nie die goldene Regel vergessen: dennoch bitte ich Sie, die Aufgabe in meinem
Verhalten kann man ändern, die Persönlichkeit Sinne zu erledigen.«
jedoch nicht. Sollte man auf Kollegen oder Kolleginnen,
Wie würden Sie in so einer Situation denn die sensibel auf Kritik reagieren, Rücksicht
Lewitan, 65, wurde in Lyon
Kritik üben? nehmen?
Ich achte auf den richtigen Zeitpunkt, Timing geboren. Er coacht Rücksicht nehmen ja. Sich manipulieren lassen
ist wichtig: Eine gestresste Person ist für Kritik vor allem Führungskräfte, nein. Eine Person, die keine Kritik verträgt,
nicht offen, vor allem wenn sie besserwisserisch ist Experte für Stress­ wird sich in einem Team nicht lange halten. Ar-
und von oben herab daherkommt. Und ich beiten bedeutet auch, Fehler zu machen. Wer
achte auch auf Ich-Botschaften. Ich verstecke
management und war lang­ nicht bereit ist, Fehler einzugestehen, ist nicht
mich nicht hinter »man« und »es«. Als Psycho- jähriger Kolumnist des bereit zu lernen. So eine Person hat keine Zu-
loge versuche ich zu verstehen, was eine Person ZEITmagazins. Als Co-Autor kunftsperspektiven.
antreibt, warum jemand eine bestimmte Mei- Klingt hart. Viele Kollegen, die fachlich ex-
schrieb er das Buch
nung vertritt oder eine Sache scharf kritisiert. trem gut sind, nehmen Kritik schnell mal
Aber ich sollte nicht davon ausgehen, dass ich »Stressless« (Ariston-Verlag). persönlich.
die Ursachen kenne. Anstatt einer Person ein Er lebt in München Rücksichtnahme darf nicht zur Selbstzensur
Motiv unterzujubeln, frage ich lieber nach. führen. Ihre Aufgabe als Kollege oder Kolle-
Ein Trick, den ich selbst oft anwende: Erst gin ist es nicht, anderen zu gefallen. Sie sollten
schicke ich der Kritik ein Lob voraus, danach erzähle ich eher sich trauen, fair zu kritisieren, egal ob die Person traurig oder böse
von meinen Beobachtungen, als dass ich die Person direkt kriti- schaut. Denn beides kann der Manipulation dienen und ein Mittel
siere. Was halten Sie davon? sein, um Kritik abzuwenden. Wichtig ist die Unterscheidung: Ist die
Tricks und Techniken bringen nichts. Wir haben alle gelernt, zivili- kritisierte Person sensibel, aber letztlich einsichtig? Oder handelt es
siert mit dem Dolch umzugehen. Trotzdem wird der Dolch verwen- sich um eine narzisstische Person, die jeden Hinweis auf mögliches
det, und am Ende bleiben nur Verletzte übrig. Ich halte mehr von Fehlverhalten als Infragestellung ihrer Person betrachtet? Eine Per-
Aufrichtigkeit und Respekt. Dabei geht es nicht um Härte, sondern son, die keine Kritik verträgt, sollte nicht im Team arbeiten.
um Klarheit. Wir vermeiden es heutzutage, uns zu positionieren Wer machtbewusste Menschen öffentlich kritisiert, kann bei
und zu sagen, was wir gut und was wir schlecht finden. Oftmals der Arbeit Probleme kriegen. Haben Sie selbst schon mal Kon-
geschieht dies aus Angst vor Konflikten. Indem ich mich klar aus- sequenzen zu spüren bekommen, weil Sie jemanden deutlich
drücke, gebe ich dem anderen die C ­ hance, meine Motive und Ziele kritisiert haben?
zu verstehen. Wenn ich eine schlechte Leistung nicht kritisiere, be- Ja, ich hatte mich in New York bei meinem Chef über meine
trüge ich die Person auf gewisse Weise. 12-Stunden-­Arbeitstage ohne freies Wochenende beschwert. Er hat
Aber manchmal tut es doch auch ganz gut, belogen zu werden. mich mit Nichtbeachtung bestraft. Ich habe mir erst dann Respekt
Foto Paula Winkler

In vielen Firmen hat sich eine Kuschelatmosphäre ausgebreitet, verschafft, als ich ihn fragte, ob er mir aus dem Weg gehe, und ihm
bei der vor lauter gutem Benehmen vergessen wird, dass es um dann erklärte, in Europa hätten wir so etwas wie ein freies Wochen-
Leistung geht. Damit diese Leistung mit möglichst wenig Stress ende. Mein Glück war, dass er meinen Hinweis mit Humor aufnahm.
und Frustration erbracht werden kann, muss die verantwortliche Das Gespräch führte Johannes Dudziak

An dieser Stelle bitten wir abwechselnd acht Seelsorger und Therapeutinnen um Rat
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