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D eutscher Bundestag

17. Sitzung

Bonn, den 23. Februar 1962

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung 577 A Entwurf eines Gesetzes über die im Haag
am 28. November 1960 unterzeichnete
Fragestunde (Drucksache IV/ 199) Fassung des Haager Abkommens vom
6. November 1925 über die internationale
Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Hinterlegung gewerblicher Muster oder
Wirtschaftliche Lage des Landkreises Modelle (Drucksache IV/ 102); Schrift-
Freiburg licher Bericht des Rechtsausschusses
(Drucksache IV/ 198) — Zweite und dritte
Dr. Dr. h. c. Erhard, Beratung — 578 D
Bundesminister 577 B
Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . 577 D
Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus-
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses schusses über den Entwurf einer Sech-
über die Streitsache vor dem Bundesver- zehnten Verordnung zur Änderung des
fassungsgericht: Antrag der Landesregie- Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontin-
rung des Landes Nordrhein-Westfalen gente für Zeitungsdruckpapier und Eisen-
auf Feststellung der Nichtigkeit des Ge- und Stahlpulver aus Nicht-EWG-Län-
setzes über das Kreditwesen vom 10. Juli dern) (Drucksachen IV/ 186, IV/ 195) . . 579 A
1961 (Drucksache IV/ 214) 578 A
Mündlicher Bericht des Immunitätsaus-
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll
schusses über den Antrag der Fraktionen
vom 25. November 1959 über den Bei-
der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Behand-
tritt Griechenlands, Norwegens und
lung von Rechtsverordnungen gemäß
Schwedens zu dem Übereinkommen vom
§ 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zoll-
17. April 1950 über Gastarbeitnehmer
gesetzes sowie gemäß § 27 Abs. 2 des
(Drucksache IV/ 109); Schriftlicher _Bericht
Auß enwirtschaftsgesetzes (Drucksachen
des Ausschusses für Arbeit (Drucksache
IV/ 189, IV/ 196) 579 B
IV/ 190) — Zweite und dritte Beratung — 578 B

Entwurf eines Gesetzes über die in Nizza Mündlicher Bericht des Außenhandelsaus-
am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung schusses über den Entwurf einer Zehnten
des Madrider Abkommens vom 14. April Verordnung zur Änderung des Deut-
1891 über die internationale Registrie- schen Zolltarifs 1962 (nicht liberalisierte
rung von Fabrik- oder Handelsmarken Waren der Agrarwirtschaft) (Drucksachen
(Drucksache IV/ 101); Schriftlicher Be- IV/ 130, IV/ 205)
richt des Rechtsausschusses (Drucksache
IV/ 193) — Zweite und dritte Beratung 578 C
— Bading (SPD) 579 C
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

Entwurf eines Aktiengesetzes sowie Ent- Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 594 D


wurf eines Einführungsgesetzes zum Dr. Atzenroth (FDP) 598 D
Aktiengesetz (Drucksache IV/ 171) —

Erste Beratung —; in Verbindung mit Dr. Mommer (SPD) 601 C


dem
Entwurf eines Bundesurlaubsgesetzes
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung (CDU/CSU) (Drucksache IV/ 207) — Erste
der Publizität von Aktiengesellschaften, Beratung —
Gesellschaften mit beschränkter Haftung
und Konzernen (SPD) (Drucksache Scheppmann (CDU/CSU) 601 D
IV/ 203) — Erste Beratung — und dem Behrendt (SPD) . . . . . . . 602 D
Dürr (FDP) 604 C
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von
Minderheiten in Kapitalgesellschaften Brand (Remscheid) (CDU/CSU) . 605 D
(SPD) (Drucksache 1V/204) — Erste Be-
ratung — Nächste Sitzung 606 C
Dr. Stammberger, Bundesminister . 580 A
Dr. Deist (SPD) 584 B Anlagen 607
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 577

17. Sitzung

Bonn, den 23. Februar 1962

Stenographischer Bericht den Ansiedlungsvorhaben ist jedoch kaum damit zu


rechnen, daß hierüber vor Sommer 1962 Überlegun-
gen angestellt werden können.
Beginn: 9.02 Uhr Die „zentralen Orte" werden von der Bundes-
regierung an Hand von Vorschlägen der Landes-
regierungen, die primär für regionalwirtschaftliche
Fragen in ihrem Bereich zuständig sind, ausgewählt.
Vizepräsident Dr. Schmid: Die Sitzung isst er- Nach hier vorliegenden Informationen beabsichtigt
öffnet. die Landesregierung von Baden-Württemberg, zu
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich mitzu- gegebener Zeit die Stadt Müllheim als neuen zen-
teilen, daß nach einer interfraktionellen Vereinba- tralen Ort vorzuschlagen, weil dort noch ein gewis-
rung die heutige Tagesordnung erweitert wird um ser Überhang an Arbeitskräften besteht. Im Raum
die Beratung des Mündlichen Berichts des Rechts- Breisach sollen hingegen nach den Feststellungen
ausschusses (12. Ausschuß) über die Streitsache vor der Landesregierung zur Zeit Arbeitskraftreserven,
dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Landes- ohne die eine Förderung von Industrieansiedlungen
regierung des Landes . Nordrhein-Westfalen auf problematisch wäre, nicht zur Verfügung stehen.
Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes über das Auf die diesbezüglichen Erörterungen in der 21. Sit-
Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (Drucksache IV/ 214). zung des Landtages von Baden-Württemberg am
Ist das Haus einverstanden? — Ich höre keinen 25. Januar 1962 darf ich verweisen.
Widerspruch; es ist so beschlossen.
Neben den „zentralen Orten" werden im Rahmen
Ich schlage vor, zunächst die auf heute verscho- des Regionalen Förderungsprogramms des Bundes
bene Frage der Fragestunde zu behandeln, dann nur den anerkannten Zonenrand- und Sanierungs-
alle verbliebenen Tagesordnungspunkte, die un- gebieten Mittel aus Kap. 60 02 Tit. 571 des Bundes-
streitig sind, und danach die aktienrechtlichen Ent- haushaltsplanes zugewiesen. Der Landkreis Frei-
würfe und den Entwurf eines Urlaubsgesetzes. Ist burg ist nicht als Sanierungsgebiet anerkannt, weil
das Haus damit einverstanden? — Das ist offenbar er bei der letzten Abgrenzung der Fördergebiete die
der Fall. Dann werden wir so verfahren. erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllte.
Ich rufe auf Punkt 1, die restliche Frage der Die Bundesregierung prüft zur Zeit die Frage
Fragestunde (Drucksache IV/ 199). einer Neuabgrenzung der Sanierungsgebiete. Wann
die hierfür erforderlichen umfangreichen, sich über
Es handelt sich um die Frage des Abgeordneten das gesamte Bundesgebiet erstreckenden Erhebun-
Hörmann (Freiburg) aus dem Geschäftsbereich des gen und Untersuchungen abgeschlossen sein wer-
Bundesministers für Wirtschaft: den, kann heute noch nicht verbindlich gesagt wer-
Ist die Bundesregierung bereit, die Stadt Breisach im Land- den. Ob der Landkreis Freiburg bei einer Neuab-
kreis Freiburg in das Sanierungsprogramm für zentrale Orte grenzung die Voraussetzungen für die Anerken-
aufzunehmen bzw. dem Landkreis Freiburg im Rahmen des
Bundeshaushaltsplans Kapitel 60 02 Titel 571 Mittel zu gewäh- nung als Sanierungsgebiet erfüllen wird, kann erst
ren, um die wirtschaftliche Lage des Landkreises Freiburg nach Abschluß der Untersuchungen beurteilt werden.
wesentlich verbessern zu helfen?

Das Wort zur Beantwortung hat der Bundeswirt-


schaftsminister. Vizepräsident Dr. Schmid: Wird eine Zusatz-
frage gestellt?
Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirt-
schaft: Die Bundesregierung wird erst dann neue Hörmann (Freiburg) (SPD) : Herr Bundesmini-
Gemeinden in das Entwicklungsprogramm für zen- ster, ich hätte eine Zusatzfrage. Könnte man bei der
trale Orte aufnehmen, wenn eine größere Anzahl neuen Beurteilung und Überprüfung, welche Orte
bisher geförderter zentraler Orte auf Grund des er- man in das Programm hineinnimmt, auch berücksich-
reichten Industrialisierungsgrades aus dem Pro- tigen, daß gegenüber im Elsaß, vor allem auch mit
gramm entlassen werden kann. Wann dies der Fall Rücksicht auf den Rheinseitenkanal, eine erhebliche
sein wird, läßt sich im Augenblick noch nicht über- Industrialisierung im Gange war und dadurch ein
sehen. Nach den vorliegenden Berichten der Länder gewisses Gefälle im Freiburger Raum zu verzeich-
über die sich bei den einzelnen Orten abzeichnen- nen ist?
578 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

4 Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirt- Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der
schaft: Wir werden diese Frage mit der Landesregie- möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich stelle die
rung von Baden-Württemberg erörtern. einstimmige Annahme fest.
(Abg. Hörmann [Freiburg] : Danke schön!) Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
Vizepräsident Dr. Schmid: Wir kommen nun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines
mehr zu dem neu aufgesetzten Tagesordnungspunkt: Gesetzes über die in Nizza am 15. Juni 1957
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechts- unterzeichnete Fassung des Madrider Abkom-
ausschusses (12. Ausschuß) über die Streit- mens vom 14. April 1891 über die interna-
sache vor dem Bundesverfassungsgericht: An- tionale Registrierung von Fabrik oder Han-
trag der Landesregierung des Landes Nord- delsmarken (Drucksache IV/ 101);
rhein - Westfalen auf Feststellung der Nichtig- Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
keit des Gesetzes über das Kreditwesen vom (12. Ausschuß) (Drucksache IV/ 197);
10. Juli 1961 (Drucksache IV/ 214). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl.
Der Ausschuß schlägt vor, zwei Abgeordnete zur (Erste Beratung 9. Sitzung).
Abgabe der Erklärung des Bundestages zu der Auch hier rufe ich auf zur zweiten Beratung. Das
Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht über Wort wird nicht gewünscht? —
das Gesetz über das Kreditwesen zu beauftragen,
nämlich die Abgeordneten Dr. Dahlgrün und Dr. Der Ausschuß beantragt Annahme in der aus der
Zusammenstellung in Drucksache IV/ 197 ersicht-
Jahn.
lichen Fassung.
(Abg. Jahn: Ohne Doktor!)
Hierzu liegt auf Umdruck 39 ein Änderungsantrag
— Ich wollte Sie nicht kränken, Herr Kollege.
der Abgeordneten Dr. Weber (Koblenz), Dr. Reischl,
(Heiterkeit.) Dr. Bucher und Genossen vor. Dieser Antrag ist
wegen der Änderung des Regierungsentwurfs durch
Ich weiß, es ist allmählich ein Vorname geworden,
den Ausschuß notwendig geworden, der einen
der jedem Deutschen zukommt. Manche legen ihn
Art. 1 a eingefügt hat. Wird der Änderungsantrag
ab. begründet? — Offenbar nicht.
Der zweite Absatz des Antrags lautet: Wer den Antrag auf Umdruck 39 annehmen will,
. unbeschadet eines sich aus § 7 der Ge- gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle
schäftsordnung ergebenden Rechts des Präsi- einstimmige Annahme fest.
denten, einen Vertreter zu bestellen, ermäch- Wer Art. 2 in der neuen Fassung annehmen will,
tigt, die Äußerung für den Bundestag vor dem der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich
Bundesverfassungsgericht abzugeben. stelle einstimmige Annahme fest.
Stimmt das Haus dem Antrag des Ausschusses zu? Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zur
— Es ist so beschlossen.
dritten Beratung.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer das Ge-
Zweite und dritte Beratung des von der Bun- setz im ganzen .annehmen will, erhebe sich. — Ich
desregierung eingebrachten Entwurfs eines stelle einstimmige Annahme fest.
Gesetzes zu dem Protokoll vom 25. Novem-
ber 1959 über den Beitritt Griechenlands, Nor- Punkt 10 der Tagesordnung:
wegens und Schwedens zu dem Übereinkom-
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
men vom 17. April 1950 über Gastarbeitneh-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
mer (Drucksache IV/ 109);
Gesetzes über die im Haag am 28. November.
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ar- 1960unterzichFasgdHerAb-
beit (21. Ausschuß) (Drucksache IV/ 190); kommens vom 6. November 1925 über die
Berichterstatter: Abgeordneter Müller (Ber- internationale Hinterlegung gewerblicher
lin) . Muster oder Modelle (Drucksache IV/ 102);
(Erste Beratung 9. Sitzung). Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
(12. Ausschuß) (Drucksache IV/ 198);
Ich rufe auf zur zweiten Lesung. Wird das Wort
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Änderungs- Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl.
anträge sind nicht gestellt. (Erste Beratung 9. Sitzung).
Wer dem Antrag des Ausschusses, den Gesetz- Der Antrag des Ausschusses lautet, den Gesetz-
entwurf unverändert anzunehmen, zustimmen will, entwurf unverändert anzunehmen.
gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle Ich rufe zur zweiten Beratung auf. Anträge sind
die einstimmige Annahme fest. nicht angekündigt. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf zur Wer Art. 1 bis 4 mit Einleitung und Überschrift
zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegen-
dritten Beratung. probe! — Einstimmige Annahme.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 579
Vizepräsident Dr. Schmid
Ich rufe auf zur Zolltarifs 1962 (nicht liberalisierte Waren der
Agrarwirtschaft) (Drucksachen IV/ 170, IV/ 205).
dritten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Bading als Be-
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der richterstatter.
möge sich erheben. — Ich stelle einstimmige An-
nahme fest. Bading (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Vorlage, die Sie in der Drucksache
Punkt 11 der Tagesordnung: IV/ 170 finden, hat das Haus im Dezember vergan-
genen Jahres schon einmal beschäftigt. Sie ist da-
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außen-
mals auf Antrag des Außenhandelsausschusses vom
handelsausschusses (17. Ausschuß) über den
Hause abgelehnt worden. Jetzt wird vom Außen-
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
handelsausschuß empfohlen, die Vorlage anzuneh-
wurf einer Sechzehnten Verordnung zur Än-
men. Diese Meinungsänderung bedarf einer Erklä-
derung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zoll-
kontingente für Zeitungsdruckpapier und rung.
Eisen- und Stahlpulver aus Nicht-EWG-Län- Sie beruht auf einer anderen Auslegung des Be-
dern) (Drucksachen IV/ 186, IV/ 195); schleunigungsbeschlusses vom 12. Mai 1960. Die
Formulierung dieses Beschleunigungsbeschlusses ist
Berichterstatter: Abgeordneter van Delden.
zweifellos nicht gerade ein Meisterwerk gewesen,
Der Antrag des Ausschusses lautet, dem Verord- was auch von den Autoren zugegeben wird. Infolge-
nungsentwurf Drucksache IV/ 186 unverändert zuzu- dessen ist die Auslegung di eses Beschleunigungsbe-
stimmen. schlusses leicht strittig. Jedenfalls ist der Ausschuß
Ich eröffne die Aussprache. — Es liegen keine damals der Ansicht gewesen, die Binnenzölle, die
Wortmeldungen vor. Zölle für den Binnenverkehr innerhalb der EWG,
für die nicht liberalisierten Waren der Agrarwirt-
Wir kommen zur Abstimmung. — Wer entspre- schaft seien zum 1. Januar 1962 im Endergebnis nur
chend dem Antrag des Ausschusses dem Verord- um 30% abzubauen. Die Bundesregierung dagegen
nungsentwurf zustimmen will, gebe das Handzei- vertrat die Ansicht, daß die Zölle allgemein um
chen. — Gegenprobe — Enthaltungen? — Ich stelle 35% abzubauen seien. Die gleiche Ansicht wurde
einstimmige Annahme fest. auch in der Brüsseler Kommission und von den Ver-
tragspartnern vertreten. Nach dieser Ansicht sind
Punkt 12 der Tagesordnung: auch di e Binnenzölle für die nicht liberalisierten
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- Waren der Agrarwirtschaft insgesamt um 35 0/o zu
schusses für Wahlprüfung, Immunität und senken.
Geschäftsordnung (1. Ausschuß) — Geschäfts- Diese andere Auslegung ergibt sich aus der Tat-
ordnungsangelegenheiten — über den Antrag sache, daß wir unsere Situation in der EWG ver-
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP be- schlechtern würden, wenn wir diesem allgemeinen
treffend Behandlung von Rechtsverordnungen Beschluß nicht zustimmten. Infolgedessen kam der
gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Ausschuß nach eingehender Erörterung und nach
Zollgesetzes sowie gemäß § 27 Abs. 2 Schilderung der Situation in Brüssel durch Herrn
des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksachen Staatssekretär Lahr mit einer großen Mehrheit zu
IV/ 189, IV/ 196); der Auffassung, daß jetzt auch die Zölle für die
Berichterstatter: Abgeordneter Ritzel. nicht liberalisierten Waren der Agrarwirtschaft im
Endergebnis um 35% gesenkt werden sollten.
Hierzu liegt ein Antrag des Geschäftsordnungs-
ausschusses auf Drucksache IV/ 196 vor, jedoch ha- Der Außenhandelsausschuß empfiehlt daher dem
ben die drei Fraktionen des Bundestages gemein- Hohen Hause, der Vorlage zuzustimmen.
sam einen Änderungsantrag eingebracht.
Ich eröffne die Aussprache. Wird der Änderungs- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem
antrag auf Umdruck 35 begründet? — Das ist nicht Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
der Fall. Dann stimmen wir darüber ab. Wer zu- Wird das Wort gewünscht? — Ich sehe keine Wort-
stimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegen- meldung.
probe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem
Wir stimmen nunmehr über den geänderten Aus- Ausschußantrag folgen, d . h. wer dem Verordnungs-
schußantrag ab. Wer dem Antrag im ganzen zustim- entwurf auf Drucksache IV/ 170 zustimmen will, der
men will, der gebe das Handzeichen. — Gegen- gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthal-
probe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige tungen? — Gegen 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen
Annahme fest. angenommen.
Ich rufe den letzten der zusätzlich auf die Tages- Damit sind die Punkte, die wir vorweg erledigen
ordnung gesetzten Punkte auf: wollten, erledigt.
Beratung des Mündlichen Berichts des Außen- Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tagesord-
handelsausschusses über den von der Bundes- nung:
regierung eingebrachten Entwurf einer Zehn- a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
ten Verordnung zur Änderung des Deutschen eingebrachten Entwurfs eines Aktiengesetzes
580 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Vizepräsident Dr. Schmid
sowie des Entwurfs eines Einführungsgeset um, die Rechte des Aktionärs zu verbessern, ihm
zes zum Aktiengesetz (Drucksache IV/ 171), die Stellung einzuräumen, die ihm bei voller Aner-
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD kennung der Tatsache, daß die Verwaltung der
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aktiengesellschaft die nötige unternehmerische
Verbesserung der Publizität von Aktienge- Freiheit haben muß, angesichts dessen gebührt, daß
sellschaften, Gesellschaften mit beschrankter er der Kapitalgeber und Risikoträger ist, daß in der
Haftung und Konzernen (Drucksache IV/ 203), Aktiengesellschaft mit seinem Geld gearbeitet wird.
Das geltende Aktienrecht trägt dem nicht genü-
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
gend Rechnung. Es schließt den Aktionär von der
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum
Mitsprache über die Verwendung der erzielten Ge-
Schutz von Minderheiten in Kapitalgesell-
winne aus. Sein Auskunftsrecht ist weitgehend in
schaften (Drucksache IV/ 204).
das Ermessen des Vorstands gestellt. Die Minder-
Hier geht mein Vorschlag dahin — die Herren heitsrechte bedingen so starke Minderheiten, daß
Fraktionsgechäfü divrstane—,ß sie praktisch bei großen Gesellschaften nicht erreich-
die drei Entwürfe, die unter a, b und c aufgeführt bar sind. Selbst an dem Recht, den Aufsichtsrat zu
sind, nacheinander begründet werden und daß sich wählen, kann der Kleinaktionär praktisch nicht mit-
die Aussprache dann auf alle drei Punkte erstreckt. wirken, weil er bei der derzeitigen Gestaltung des
— Das Haus ist einverstanden. Depotstimmrechts — und er wird sich immer nur
Zunächst erteile ich das Wort dem Herrn Justiz- indirekt an der Wahl beteiligen können — von der
minister. Wahl nicht einmal etwas erfährt, geschweige denn,
daß seine Stimme in dem von ihm gewünschten
Sinne abgegeben wird.
Dr. Stammberger, Bundesminister der Justiz:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bei- Bei dieser Rechtslage kann es nicht verbleiben.
den jetzt zur ersten Beratung anstehenden Regie- Die Aktiengesellschaft ist die Rechtsform der Groß-
rungsentwürfe, der Entwurf eines Aktiengesetzes unternehmen. Nur sie ist in der Lage, die Finanzie-
und der Entwurf eines Einführungsgesetzes zum rungsprobleme zu lösen, welche die großen Auf-
Aktiengesetz, haben bereits dem 3. Bundestag vor- gaben stellen werden, die auf unsere Wirtschaft zu-
gelegen. In der ersten Lesung am 7. Dezember 1960 kommen. Ohne Aktionäre kann keine Aktiengesell-
sind die wichtigsten Probleme, die in den Entwür- schaft leben. Sie stellen ihre Ersparnisse der Ge-
fen geregelt werden, zur Sprache gekommen. Die sellschaft zur Verfügung und ermöglichen es da-
Sprecher der beiden jetzigen Regierungsparteien durch, wirtschaftliche Großvorhaben auszuführen.
haben die Entwürfe begrüßt. Insbesondere haben Aus volkswirtschaftlichen Gründen — von den
sie es gutgeheißen, daß die Entwürfe zur Aktien- gesellschaftspolitischen Gründen will ich hier gar
rechtsreform darauf abzielen, die Rechte des Aktio- nicht sprechen — brauchen wir auch künftig den
närs und der Hauptversammlung zu verbessern. Aktionär dringend, und zwar, genauer gesagt, mög-
Auch die vorgeschlagene Regelung des Konzern- lichst viele Aktionäre. Aus dieser Erkenntnis folgt
rechts haben sie gebilligt und nur zu einigen Vor- die Verpflichtung, dem Aktionär die ihm gebüh-
schriften von begrenzter Bedeutung gewisse Ein- rende, nach den Gegebenheiten mögliche rechtliche
schränkungen gemacht. Stellung zu geben.
Bei diesem Ergebnis der ersten Lesung hat die Das bedeutet nicht, wie dem Regierungsentwurf
Bundesregierung keinen Anlaß gesehen, die Ent- immer wieder unterstellt wurde und noch wird, daß
würfe zu überarbeiten und zu ändern. Sie hat es - der Aktionär zum Unternehmer gemacht werden
vielmehr für richtig gehalten, sie unverändert in soll. Es bedeutet vielmehr nur, daß wir die zahl-
den neuen Bundestag einzubringen. Um das Gesetz- reichen Ordnungsprobleme, die bei der Regelung
gebungsverfahren zu vereinfachen und die Behand- der Aktiengesellschaft auftreten, auch unter dem
lung der Entwürfe zu erleichtern, ist sogar davon Gesichtspunkt des Aktionärs betrachten und zu lö-
abgesehen worden, die Änderungsvorschläge des sen versuchen und nicht — wie das geltende Recht
Bundesrates, soweit die Bundesregierung ihnen zu- — nur die Unabhängigkeit und die Entscheidungs-
gestimmt hat, in die Entwürfe bereits einzuarbeiten. freiheit der Verwaltung in den Vordergrund stellen.
Bei dieser Sachlage möchte ich darauf verzichten, Das Wesensmerkmal der Aktiengesellschaft, daß
heute nochmals die Auffassung der Bundesregie- nämlich der Aktionär das Kapital gibt, damit be-
rung zu den wichtigsten in den Entwürfen geregel- auftragte Unternehmer unter Verwendung dieses
ten Problemen darzulegen. Das hat mein Vorgän- Kapitals einen wirtschaftlichen Erfolg erzielen, wird
ger, Herr Minister Schäffer, bei der ersten Beratung durch den Regierungsentwurf nicht geändert oder
im 3. Bundestag getan. Er hat insbesondere über die auch nur abgeschwächt. Es werden nur aus dieser
Gewinnverwendung, die Bildung offener und stiller Auffassung die notwendigen rechtlichen Folgerun-
Rücklagen, das Depotstimmrecht und das Konzern- gen gezogen.
recht gesprochen. Im einzelnen darf ich auf seine Diese Grundauffassung hat bei der ersten Lesung
Ausführungen verweisen. im 3. Bundestag nicht die Billigung der sozialdemo-
Hervorheben möchte ich jedoch nochmals das kratischen Opposition gefunden. Zwar haben ihre
Hauptanliegen der beiden Entwürfe, das auch die Sprecher erklärt, auch sie bejahten eine Erweite-
Sprecher der beiden jetzigen Regierungsparteien rung der Rechte der Hauptversammlung und der
während der ersten Lesung im 3. Bundestag betont Aktionäre. Im Zusammenhang mit der Aktie ist da-
haben. Es geht bei dieser Aktienrechtsreform dar- von gesprochen worden, es sei Aufgabe der Demo-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 581
Dr. Stammberger
kratie, dafür zu sorgen, daß möglichst viele Men- stehen, den Ausgangspunkt bilden soll und nicht die
schen Privatvermögen und Privateigentum haben. Gesellschaft der Aktionäre.
Das sind Äußerungen, die man nur begrüßen kann.
Dabei wird übersehen, daß es sich bei dem Aus-
Die sozialdemokratische Fraktion hat damals so- druck Gesellschaftsrecht um einen klassischen
gar einen Entwurf zum Schutz von Minderheiten in Ausdruck handelt und unser heutiges Gesellschafts-
Kapitalgesellschaften, also zum Schutz von Aktio- recht längst ein Unternehmensrecht geworden ist,
nären, eingebracht, der — wohl in abgeänderter in dem die Aktionäre nicht mehr die beherrschende
Form — auch heute dem Hause wieder vorliegt. Lei- Stellung einnehmen, sondern neben der Verwaltung
der kann daraus aber nicht geschlossen werden, daß und der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Auf-
auch sie bei ihren Erwägungen zur Aktienrechtsre- sichtsrat nur noch einer von 3 maßgebenden Fak-
form vom Aktionär und seinen Rechten ausgeht. toren sind:
Ihre Sprecher haben nämlich zugleich erklärt, es sei
falsch, den Aktionär in den Mittelpunkt der Überle- Wir kommen den wirklichen Gedankengängen
gungen zu stellen. Unter Berufung auf Walther nur näher, wenn wir uns den Folgerungen zuwen-
Rathenau ist verlangt worden, das Unternehmen als den, die aus dieser These abgeleitet werden. Nach
solches zum Ausgangspunkt der gesetzlichen Neu- dem Vorschlag sollen die sogenannten gemeinwich-
tigen Unternehmen in eine bestimmte Rechtsform
regelung zu nehmen. Man müsse endlich, so ist ge-
sagt worden, zu einem umfassenden Unternehmens- gezwungen werden, die durch Sondervorschriften
über die Zusammensetzung der 3 Organe — Vor-
recht vorstoßen. Dieses Unternehmensrecht soll dar-
in bestehen, daß für eine Gruppe von Unternehmen, stand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung —, über die
die als gemeinwichtige Unternehmen bezeichnet Publizität und die Konzernverfassung gekennzeich-
werden, zwingend ein Sonderrecht vorgeschrieben net sein soll. Dies sei notwendig, weil diese Unter-
wird. Die besonderen Regelungen für diese gemein- nehmen zu großen Leistungsgemeinschaften von all-
wichtigen Unternehmen sollen vor allem die Publi- gemein volkswirtschaftlicher Bedeutung emporge-
zität, das Konzernrecht und die Verfassung der gro- wachsen seien. In diesen Unternehmen — ich zitiere
ßen Unternehmen betreffen. aus einem kürzlich erschienen Buch von Cassier —
habe das, was noch weitgehend Privatsache ist,
Die Bundesregierung hat vor der erneuten Ein- nämlich das Kapitaleigentum, mit der Entscheidungs-
bringung der Aktienrechtsreform nochmals geprüft, gewalt nichts mehr zu tun; die Entscheidungsgewalt
ob ein solcher Umbau unseres Gesellschaftsrechts aber sei nicht mehr Privatsache.
nicht jedenfalls für sogenannte gemeinwichtige Un-
ternehmen geboten ist. Wir haben das verneinen Daß es Unternehmen gibt, die wegen ihres Umsat-
müssen. Die abweichende Grundauffassung führt zes, der Zahl ihrer Arbeitnehmer oder ihrer Pro-
nämlich zu abweichenden Lösungen, die auf alles duktionskraft für die Volkswirtschaft wichtiger sind
andere als auf eine Verstärkung der Rechte der Ak- als andere Unternehmen, ist eine unbestrittene Tat-
tionäre hinauslaufen. sache. Man muß aber diese Unternehmen nicht des-
halb in eine besondere Rechtsform zwingen. Die
Ich darf dies näher erläutern, schon um einmal Struktur dieser für die Volkswirtschaft besonders
klar herauszustellen, was eigentlich mit dieser be- wichtigen Unternehmen kann sehr verschieden
sonderen Rechtsform für gemeinwichtige Unterneh- sein. Das Unternehmen kann kapitalintensiv oder
men letztlich bezweckt wird. arbeitsintensiv sein. Es kann nur einen oder viele
Inhaber haben, as kann ein abhängiges oder ein
Es klingt zunächst einleuchtend, wenn von der
herrschendes Unternehmen sein, es kann vom Staat
Notwendigkeit des Übergangs zu einem Unterneh-
oder von Privatleuten beherrscht werden. Bei letz-
mensrecht und von gemeinwichtigen Unternehmen
teren kann es sich um einen Allein- oder Haupt-
gesprochen wird, deren besondere Rechtsverhält-
aktionär oder um Familien handeln. Die Möglich-
nisse gemäß ihrer Bedeutung für die Volkswirt-
keit, das Unternehmen entsprechend seiner Struktur
schaft geregelt werden müßten. Welche praktischen
hinsichtlich ,der Ausübung der Entscheidungsgewalt
Auswirkungen soll das aber haben? Wie soll diese
zu organisieren, würde beschnitten, wenn wir es in
Regelung im einzelnen aussehen? Ein die Einzel-
eine Zwangsform pressen wollten. Darunter kann
heiten zeigender Entwurf ist bis heute der Öffent-
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterneh-
lichkeit nicht vorgelegt worden.
mens leiden. Weshalb also dieser Zwang zu einer
Dabei gehe ich davon aus, daß der Entwurf der bestimmten Rechtsform?
Sozialdemokratischen. Partei zur Neuordnung der
Die Frage ist um so mehr berechtigt, als es durch-
Wirtschaft, den sie vor etwa 11 Jahren dem Bundes-
aus möglich erscheint, für die sogenannten gemein-
tag vorgelegt hat, als überholt anzusehen ist; denn
wichtigen Unternehmen Sondervorschriften über die
sonst wäre wohl auf ihn verwiesen worden. Wir
Publizität und die Konzernverfassung zu schaffen —
sind also, wenn wir uns über das unterrichten wol-
im Schrifttum ist das auch bereits vorgeschlagen
len, was mit dem Unternehmensrecht gemeint ist,
worden —, im übrigen aber jedem Unternehmen
auf einzelne Äußerungen angewiesen. Dabei erweist
die Wahl der ihm passenden Rechtsform zu überlas-
sich die Wendung vom Übergang vom Gesell-
sen.
schaftsrecht zum Unternehmensrecht nicht als sehr
fruchtbar, weil sie die Bedeutung dessen, was ge- Wenden wir uns, bevor wir die Frage beantwor-
meint ist, nicht erkennen läßt. Man kann ihr allen- ten, erst einmal den Folgen zu, die der Übergang
falls das eine entnehmen, daß beim Unternehmens- zum Unternehmensrecht und das Sonderrecht für
recht mehr das Unternehmen im Vordergrund gemeinwichtige Unternehmen haben sollen.
582 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

Dr. Stammberger
Zunächst zum Konzernrecht. In der ersten Lesung Jahresumsatz von mindestens 500 Millionen DM
am 7. Dezember 1960 hat die sozialdemokratische oder eine Bilanzsumme von mindestens 500 Millio-
Opposition das Konzernrecht des Regierungsent- nen DM oder ein Nominalkapital von mindestens
wurfs als einen beachtlichen Ansatz bezeichnet. 100 Millionen DM, so hätten wir in der Bundesrepu-
Aber sie hat dann gesagt — und damit setzt ihre blik insgesamt 136 Großunternehmen. Von diesen
Kritik ein —, das Problem der Konzerne sei nicht haben 103 die Rechtsform der Aktiengesellschaft.
auf den Bereich der Aktiengesellschaften beschränkt, Von den restlichen 33 sind 19 Gesellschaften mit
es ergreife auch viele andere Unternehmen. Das ist beschränkter Haftung. Was sie angeht, so werden
zweifellos richtig. Der Entwurf unterstellt deshalb wir bei ihnen das Publizitätsproblem bei der von
auch nicht nur Aktiengesellschaften dem Konzern- mir bereits erwähnten in Vorbereitung befindlichen
recht. Die beim faktischen Konzern zum Schutze der Reform des GmbH-Rechts zu entscheiden haben. Es
Minderheitsaktionäre und der Gläubiger vorgesehe- verbleiben zwölf Großunternehmen, zwei davon,
nen Sicherungen gelten z. B. nicht nur, wenn der nämlich Bundesbahn und Bundespost, scheiden als
Konzern von einer Aktiengesellschaft beherrscht öffentlich-rechtliche aus. Die übrigen sind in der
wird, sondern auch dann, wenn eine Gesellschaft mit Rechtsform der Personenhandelsgesellschaft, der
beschränkter Haftung, eine offene Handelsgesell- Einzelfirma und der Genossenschaft gestaltet. Bei
schaft oder gar ein Einzelunternehmen die Konzern- ihnen handelt es sich, abgesehen von drei Unter-
spitze bildet. Richtig ist, daß es in der Frage, ob nehmen, um solche Unternehmen, die an der Spitze
und von wem ein Konzernabschluß aufzustellen ist, eines Konzerns stehen. Hier sieht der Aktien-
darauf ankommt, welche Rechtsform die Konzern- rechtsentwurf der Bundesregierung schon jetzt —
spitze hat. Aber auch insoweit ist, wenn der Regie- ich erwähnte es bereits — Teilkonzernabschlüsse
rungsentwurf in der vom Bundesrat vorgeschlage- vor. Das Problem von Konzernabschlüssen für sie
nen Fassung Gesetz wird, nur noch der Gesamt- bedarf noch sorgfältiger Prüfung. Es wird gelöst
konzernabschluß des von einer offenen Handels- werden; denn auch wir bejahen die Publizität.
gesellschaft oder einem Einzelkaufmann geleiteten Warum hier nicht sofort einheitliches Recht geschaf-
Konzerns offen. Teilkonzernabschlrüsse sollen auch fen worden ist, erklärt die Begründung zu den
in solchen Konzernen künftig aufgestellt werden. Ihnen vorgelegten Entwürfen. Dort heißt es — ich
Der Gesamtkonzernabschluß wirft jedoch besondere darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wort-
Probleme auf, die sorgfältige Prüfung erfordern und wörtlich zitieren —:
für eine Regelung noch nicht reif sind. Deshalb Bei der Ausarbeitung der Vorschriften über den
bedarf es aber keiner besonderen Rechtsform für Konzernabschluß war zu berücksichtigen, daß
die Konzernspitze. der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften Neu-
Daß bei vertraglich geregelten Beherrschungsver- land betritt. Daher erschien es angebracht, vor-
hältnissen zunächst nur die Rechtsstellung der ab- sichtig und schrittweise vorzugehen, um es der
hängigen Aktiengesellschaft geregelt ist, erklärt Wirtschaft zu ermöglichen, reibungslos in die
sich einfach daraus, daß die Probleme bei einer ab- neuen Vorschriften hineinzuwachsen. ... Nach
hängigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung dem erwähnten Grundsatz des vorsichtigen,
ganz anders gelagert sind und nur sehr wenige der schrittweisen Vorgehens ist davon abgesehen
jetzt für eine abhängige Aktiengesellschaft vorge- worden, von allen Konzernen ohne Rücksicht
sehenen Vorschriften für sie in Betracht kommen. auf die Rechtsform der Obergesellschaft einen
Ihre Schaffung wird Aufgabe der in Vorbereitung Konzernabschluß und Konzerngeschäftsbericht
befindlichen Reform des Rechts der Gesellschaft mit zu verlangen.
beschränkter Haftung sein. Ist das geschehen, so Ich glaube deshalb sagen zu können, meine
entfällt die eine für den Übergang zum Unterneh- Damen und Herren, daß, wie beim Konzern, auch
mensrecht gegebene Begründung, dieser Übergang bei der Publizität zumindest hinsichtlich des anzu-
sei erforderlich, um ein umfassendes Konzernrecht strebenden Ziels keine grundsätzlichen Meinungs-
zu entwickeln. verschiedenheiten bestehen.
Betrachten wir nun die Publizität etwa näher. Es bleibt nunmehr der eigentliche Grund für das
Auch für die Schaffung eines einheitlichen Publizi- Verlangen nach einer besonderen Rechtsform für
tätsrechts für alle Großunternehmen ist eine beson- gemeinwichtige Unternehmen. Diese Unternehmen
dere Rechtsform nicht nötig. Es kann auch einge- sollen eine ganz besondere Verfassung erhalten.
führt werden, wenn jedes Großunternehmen die im Wie sie aussehen soll, können wir mangels eines
Einzelfall zweckmäßigste, von den S anderen Groß- Entwurfs nur aus gelegentlichen Äußerungen ent-
unternehmen verschiedene Rechtsform hat. Wenn nehmen. Vorbild soll offenbar das Modell sein, das
bemängelt wird, daß noch nicht alle Großunterneh- in dem Bericht der Studienkommission des Deut-
men einer einheitlichen Publizität unterworfen wer- schen Juristentages aus dem Jahre 1955 beschrieben
den, so kann ich nur feststellen, daß für den größ- worden ist. Nach diesem Modell soll in den gemein-
ten Teil der Großunternehmen einheitliches Recht wichtigen Unternehmen die Hauptversammlung aus
gilt. Wir wissen nicht, wann ein Unternehmen nach einer Versammlung der Aktionäre als der Kapital-
Auffassung unserer Kritiker ein Großunternehmen geber zu einer aus drei Interessengruppen beste-
ist. Gehe ich hier einmal mit der jüngsten Unter- henden Versammlung umgestaltet werden. Der Ein-
suchung von Cassier davon aus, daß ein Großunter- fluß der Aktionäre soll auf ein Drittel der Stimmen
nehmen dann vorliegt, wenn es eines der folgenden in der Hauptversammlung beschränkt werden. Ein
Größenmerkmale aufweist, nämlich eine Belegschaft weiteres Drittel der Stimmen sollen Arbeitnehmer
von mindestens 10 000 Arbeitskräften oder einen erhalten, und das restliche Drittel soll „Vertretern
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 583
Dr. Stammberger
des öffentlichen Interesses" gegeben werden. Ent- versammlung zu dritteln und auch im Aufsichtsrat
sprechend soll der Aufsichtsrat aufgegliedert wer- die Aktionäre nur mit einem Drittel vertreten sind.
den. Aktionäre und Arbeitnehmer sollen in ihm
paritätisch vertreten sein. Praktisch bedeutet das Ich möchte nicht mißverstanden werden. Es steht
eine wesentliche Ausdehnung des Mitbestimmungs- außer Frage, daß auch die Arbeitnehmer wesent-
rechts über das geltende Recht hinaus, das eine Mit- liche Interessen an ihrem Unternehmen haben. Das
bestimmung in der Hauptversammlung nicht kennt geltende Recht erkennt dies an und gibt dem Arbeit-
und eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichts- nehmer ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat,
rat nur bei Montanunternehmen vorsieht. zum Teil auch im Vorstand. Die Bundesregierung
hat nicht die Absicht, dieses Mitbestimmungsrecht
Damit, meine Damen und Herren, sind wir an bei der Aktienrechtsreform abzuschwächen. Nie-
der entscheidenden Stelle des Vorschlags. Wenn mand kann behaupten, daß der Regierungsentwurf
von einem Übergang vom Gesellschaftsrecht zum mitbestimmungsfeindlich ist. Dagegen ist ihm schon
Unternehmensrecht, von einer modernen Unterneh- der gegenteilige Vorwurf gemacht worden. Wäh-
mensverfassung und von gemeinwichtigen Unter- rend das geltende Aktienrecht das Mitbestimmungs-
nehmen gesprochen wird, dann geht es im Grunde recht nur an einer Stelle, nämlich bei der Beschluß-
genommen um nichts anderes als um eine ganz fähigkeit des Aufsichtsrates erwähnt, weist der
grundlegende Umgestaltung des Mitbestimmungs- Regierungsentwurf überall dort, wo sich Mitbestim-
rechts in unseren Großunternehmen. Die Konzern- mungsrecht und Aktienrecht berühren, auch auf das
und Publizitätsprobleme, so wichtig sie für sich ge- Mitbestimmungsrecht hin. Diese Art der Behandlung
nommen sein mögen, haben in diesem Zusammen- zeigt, daß die Bundesregierung das Mitbestimmungs-
hang nur eine untergeordnete Bedeutung. Auf die- recht als wesentlichen Bestandteil unseres Aktien-
sen Gebieten lassen sich die Gedanken auch ver- rechts ansieht und nicht daran denkt, es anzutasten.
wirklichen, wenn man es bei den bisherigen Gesell-
schaftsformen freier Wahl beläßt. Bei der Ersetzung Es denkt auch niemand daran, die Rechtsform
der Gesellschafterversammlung durch Vertreter- der Aktiengesellschaft und damit unsere Großun-
bänke ist das nicht mehr der Fall. ternehmen zur rein privatwirtschaftlichen Bindung
zurückzubilden. Deshalb braucht die Fortbildung
Zu einer derartigen Änderung der Grundlage ihres Rechts im gemeinwirtschaftlichen Sinne aber
unserer großen Gesellschaften sind wir nicht bereit. noch längst nicht in einer neuen Form der Soziali-
Vieles läßt sich dagegen sagen. Man könnte fragen, sierung zu bestehen, bei der das Eigentum an ihnen
ob sich das überhaupt mit unserer Verfassung ver- zwar im Privateigentum verbleibt, die Entschei-
einbaren läßt. Man könnte wirtschaftliche Über- dungsgewalt aber — ich drücke 'mich jetzt vorsichtig
legungen anstellen und fragen, wie denn solche aus — teilsozialisiert wird.
Unternehmen künftig finanziert werden sollen.
Aber das trifft nicht den Kern der Dinge. Es geht Meine Damen und Herren, ich erwähnte vorhin
hier um die Stellung des Privateigentums in unserer ein im Bericht der Studienkommission des Deut-
Wirtschaftsordnung. Soll auch in den Fragen, die schen Juristentages beschriebenes Modell. Dazu
heute noch eine Hauptversammlung zu entschei- noch einige Feststellungen. Von dem Sprecher der
den hat und die sich, abgesehen von der Wahl des Sozialdemokratischen Partei ist in der ersten Lesung
Aufsichtsrats, auf Kapitalfragen beziehen, das Pri- der 3. Legislaturperiode gesagt worden, der von der
vateigentum weiter entrechtet, soll anderen Grup- Regierung vorgelegte Entwurf, mit dem wir es heute
pen ein Mitentscheidungsrecht eingeräumt und aus wieder zu tun haben, sei rückständig und überholt.
dem bisherigen Alleinentscheidungsrecht der Gesell- Die wirtschaftsrechtliche Literatur sei längst über
schafter ein bloßes Mitspracherecht werden? Soll den Stand der Regierungsvorlage hinaus. Der Deut-
das Privateigentum nur ein Faktor unter dreien sein sche Juristentag habe Vorschläge ausgearbeitet, die
und somit keine ausschlaggebende Bedeutung mehr in die Überlegungen zu der Aktienrechtsreform ein-
haben? Das ist die politische Frage, die hier zu ent- bezogen werden müßten.
scheiden ist. Wie der Regierungsentwurf diese
Frage beurteilt, sagt die Begründung. Wir glauben, Das bedarf einer Richtigstellung. Es gibt nur Vor-
daß unsere Bemühungen, breiten Volksschichten schläge einer vom Deutschen Juristentag eingesetz-
einen Zugang zur Aktie zu verschaffen und die ten Kommission, die aus 17 Herren, anerkannten
Aktie volkstümlicher zu machen, nur Erfolg haben Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis, bestand.
werden, wenn wir den Kapitalgeber nicht noch Diese Kommission hat nur Vorschläge zum allge-
weiter entrechten. meinen Aktienrecht gemacht. Was die 'Schaffung
einer neuen Rechtsform für gemeinwichtige Unter-
Selbstverständlich sind auch wir uns darüber nehmen 'betrifft, so hat sich die Kommission jedes
im klaren, daß ein Großunternehmen nicht mehr Vorschlages enthalten. Es heißt in ihrem Bericht —
lediglich ein Gebilde privatrechtlicher Interes- ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten
sen, sondern daß es ein nationalwirtschaftlicher wörtlich zitieren —:
Faktor ist. Deshalb läßt auch der Ihnen vor-
gelegte Entwurf nicht den privatrechtlichen An- Der Ausschuß ist zu der Überzeugung gekom-
spruch des Einzelaktionärs auf Ertrag und auf freie men, daß die Bindung der aus einer marktbe-
Verfügung als alleinige Richtlinie gelten. Mit die- herrschenden Stellung fließenden Unternehmens-
sem Anerkenntnis ist aber keineswegs die zwangs- macht mit anderen rechtlichen Mitteln als denen
läufige Folgerung verbunden, daß deshalb die Ent- besonderer unternehmensrechtlicher Regelun-
scheidungsbefugnisse der Aktionäre in der Haupt- gen gewährleistet werden muß.
584 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

Dr. Stammberger
An anderer Stelle: hat. Wenn ich einige markante Äußerungen des
Unternehmensrechtliche Sonderregelungen ge- Herrn Bundesjustizministers richtig notiert habe, so
gen unzulässige politische Machtausübung zu steht darin: Der Kleinaktionär muß wieder stärker
treffen, empfiehlt sich nach Ansicht des Aus- mitwirken — ohne daß überhaupt erörtert wird,
welche wirkliche Position der Kleinaktionär im
schusses nicht.
Laufe der geschichtlichen Entwicklung denn erhal-
Von dem in dem Bericht erwähnten zwei Modellen ten hat. Dann hören wir: Wir vermögen im Verfas-
für eine neue Rechtsform für Großunternehmen sungsrecht keine Unterschiede zwischen großen und
wird ausdrücklich gesagt, daß der Ausschuß in sei- kleinen Gesellschaften anzuerkennen, — ohne zu
ner Gesamtheit sich diese Vorschläge nicht zu eigen überlegen, wie differenziert 'die Größe dieser Ge-
machen konnte. Es kann deshalb keine Rede davon sellschaften und wie unterschiedlich ihre Bedeutung
sein, die Ansichten der Wissenschaft hätten sich für das wirtschaftliche und öffentliche Leben ist.
schon längst über die Regierungsvorlage hinaus Weiter hören wir: Wir wollen kein Unternehmens-
entwickelt. recht, das über das Gesellschaftsrecht hinausgeht,
Meine Damen und Herren, man kann gewiß über denn das Gesellschaftsrecht ist das klassische Unter-
die eine oder andere Vorschrift des Entwurfs ver- nehmensrecht; und im Grunde genommen wollen
schiedener Meinung sein. Man kann sagen, die stil- diejenigen, die Unternehmensrecht h aben, ganz was
len Reserven seien durch den Entwurf zu sehr oder anderes: die wollen nämlich die Mitbestimmung er-
zu wenig begrenzt, der Vorstand sei bei seiner Ge- weitern. Die Furcht vor einer solchen Erweiterung
schäftsführung zu frei oder zu sehr gebunden, der hindert die Bundesregierung, ein Problem aufzu-
Aufsichtsrat müsse mehr eingeschaltet werden. greifen, das in der ganzen Wissenschaft heute be-
Über eines sollte es aber keine Meinungsverschie- handelt wird. Dieses Problem können Sie nicht mit
denheit geben. Unsere Wirtschaftsordnung beruht einem Satz aus der Welt schaffen, Herr Bundes-
auf der Privatinitiative und auf dem sozialgebun- justizminister, einfach beiseite drücken und aus-
denen und sozialverpflichteten Privateigentum. Die- sparen. Und zum Schluß dann: Kein geschlossenes
sen Grundlagen haben wir bei der Gestaltung des Konzernrecht. Wir belassen das hier im Aktien-
Aktienrechts Rechnung getragen. recht; einige Querverbindungen zu den anderen Ge-
sellschaften sind erfaßt. Dann kommt ja auch noch
Lassen Sie mich schließen mit den Worten der das GmbH-Recht usw. Also kein Anlaß, ein ge-
schriftlichen Begründung des Ihnen vorgelegten schlossenes Konzernrecht zu erlassen.
Entwurfs:
Meine Damen und Herren, nicht ein Hauch davon
Nur bei einer diesen Grundsätzen entsprechen- ist zu spüren, welche Entwicklung innerhalb der
den Gestaltung des Aktienrechts werden pri- Großwirtschaft in den letzten 30 Jahren seit der
vate Eigentümer immer wieder bereit sein, ihr letzten Aktienrechtsreform vor sich gegangen ist.
Kapital einer Aktiengesellschaft zur Verfügung Lassen Sie mich zum Beweise einige Sätze zitieren,
zu stellen und so den Bestand und Fortschritt die in der Begründung zum Entwurf einer Aktien-
unserer auf der privaten Initiative beruhenden rechtsreform, vorgelegt vom Reichsjustizminister
Wirtschaftsordnung zu gewährleisten. Damit im Jahre 1930, standen. Dann mögen Sie den Geist
wird zugleich der gesellschaftspolitischen Auf- von heute mit dem Reformgeist, der vor 30 Jahren
gabe, immer breitere Schichten und Kreise un- vorhanden war, vergleichen. Ich darf mit Genehmi-
seres Volkes an ,dem Produktionsvermögen der gung des Herrn Präsidenten zitieren. Dort ist zu-
Wirtschaft zu beteiligen und einer Massie- nächst von dem Wandel, der sich hier vollzieht, die
rung des Kapitals in Händen weniger Personen Rede, und dann heißt es:
entgegenzuwirken, wirksam gedient und eine
für die Verwirklichung der Forderung breite- Dieser Wandel tritt namentlich nach zwei Rich-
ster Streuung des Eigentums auf dem Gebiete tungen zutage: einmal in der Ablösung rein
des Aktienwesens entscheidende Vorausset- individualistischer Auffassungen durch die
zung geschaffen. Rechtsidee, daß das Unternehmen nicht nur der
äußere Rahmen für die Verfolgung der Inter-
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
essen der einzelnen beteiligten Staatsbürger,
sondern als solches ein Rechtsgut besonderer
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort zur Be- Eigenart und eine Einrichtung mit besonderen'
gründung zu den Buchstaben b) und c) und gleich- Aufgaben sei, eine Einrichtung, der der Staat
zeitig zur Aussprache hat der Abgeordnete Deist. Schutz und Förderung auch insoweit nicht vor-
enthalten dürfe, als das Schutz- und Förde-
Dr. Deist (SPD) : Meine sehr verehrten Damen rungsbedürfnis in Widerstreit mit den Sonder-
und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundes- interessen der Aktionäre gerät.
justizministers geben mir Gelegenheit, im Zusam-
menhang zu den Problemen einer Aktienrechts- Und eine zweite Feststellung:
reform Stellung zu nehmen und damit zugleich die Daneben hebt sich die Umgestaltung der Herr-
Begründung für unsere beiden Anträge zu geben. schaftsverhältnisse innerhalb der Aktiengesell-
Es ist nicht uninteressant, wenn man den Reform- schaft deutlich heraus . . . Die unbestreitbare
geist dieser Aktienrechtsreform richtig kennzeich- Tatsache, daß die Entwicklung des deutschen
nen will, ihn einmal in Vergleich zu dem Reform- Aktienrechts zu einer weitgehenden Preisgabe
geist zu stellen, der die Reformer der 30er Jahre der bisher geläufigen Auffassung von der
bei der Schaffung eines neuen Aktienrechts beseelt Rechtsstellung der einzelnen Aktionäre geführt
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 585
Dr. Deist
hat, und die Feststellung, daß nach dem Ergeb- dem die moderne Industriewirtschaft eine rasante
nis dieser Entwicklung einzelne ohne nennens- Entwicklung durchmacht, eine Entwicklung von
werten Kapitalaufwand und ohne Kapitalrisiko einer Bedeutung, wie sie in früheren Jahrzehnten
die Gesellschaft beherrschen können, bietet den naturgemäß nicht vorhanden war. Sie ist gekenn-
Ausgangspunkt für die Wünsche nach Erneue- zeichnet durch die Entwicklung zum Großunter-
rung des ... Aktienrechts .. . nehmen. Wir alle kennen diesen Prozeß unter dem
Dann eine dritte Feststellung, die den Schutz der uns allen geläufigen Begriff des Konzentrations-
gefährdeten Interessen betrifft. prozesses.
Von einem Gesetzentwurf, der sich sehr betont
Dabei ist zunächst an die Interessen der Aktio-
als ein Reformentwurf bezeichnet, muß man erwar-
närminderheiten zu denken, aber nicht nur an
ten, daß er mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung
diese.
Schritt hält. Je größer der Wandel ist, um so drin-
— —

gender ist die Reform. Die Frage ist: entspricht die-


Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, ser Entwurf, der hier vorgelegt wird, wirklich der
würden Sie eine Zwischenfrage gestatten? heutigen Situation? Kann er wirklich ernsthaft als
eine zulängliche Reform des Aktienrechts, der
Dr. Deist (SPD) : Vielleicht darf ich das Zitat erst Verfassung der Aktiengesellschaft betrachtet wer-
beenden, Herr Präsident. Dann sehr gern. den?
In diesen Unternehmungen ist Volksvermögen Im Jahre 1925 stellten die Reformatoren fest, wie
iri so gewaltigem Maße zusammengeballt, daß sich die Entwicklung in den ersten 25 Jahren dieses
das Volk als ganzes ein dringendes berechtig- Jahrhunderts vollzogen hatte. Um 1900 hatten wir
tes Interesse daran hat, über das Ergebnis der 2000 Aktiengesellschaften mit 5 Milliarden Gesamt-
Verwaltung soweit unterrichtet zu werden, als kapital. Im Jahre 1925 waren es bereits 13 000 mit
es das Wohl des Unternehmens gestattet ... rund 20 Milliarden Gesamtkapital. Man hat damals
Der Aktionär muß sich dessen bewußt bleiben, sehr wohl verstanden, welche Veränderungen sich
daß die moderne Aktiengesellschaft nicht nur vollzogen haben, daß der Übergang zur Publikums-
eine Form für individuelles Gewinnstreben ist, gesellschaft mit breiter Streuung der Anteilsrechte
sondern in verschiedenen Abstufungen auch und einer immer größeren Zahl von Aktionären,
den allgemeinen Interessen des Volkes zu von Gesellschaftern zwangsläufig zu einer ständi-
dienen hat. gen weiteren Aushöhlung der Aktienrechte führen
muß, ob man das will oder ob man das nicht will.
Ich frage, meine Damen und Herren: wo spürt man
Die Wirtschaftsenquête, die der Reichstag in jenen
I) auch nur einen Hauch von der Erkenntnis dieser
Jahren durchgeführt hat, kam zu dem bemerkens-
Wandlungen im gesellschaftlichen Gesamtgefüge in
werten Ergebnis — 1930! —: der einzelne Aktionär
diesem neuen Entwurf und 'seiner Begründung? -
fühlt sich nicht als der vollverantwortliche Mitinha-
Bitte schön!
ber der Gesellschaft.
Dr. Atzenroth (FDP) : Herr Präsident, darf ich Man hatte damals auch begriffen — das wird
Herrn Dr. Deist fragen, wer — als Person — diese deutlich in der Begründung des Aktienrechtsgesetz-
Ausführungen gemacht hat, die er soeben vorgele- entwurfs vom Jahre 1930 —, daß sich entsprechend
sen hat? der Aushöhlung der Rechte der Aktionäre zwangs-
läufig in der Leitung der Aktiengesellschaft größere
Befugnisse ansammeln, die infolgedessen auch eine
Dr. Deist (SPD) : Das ist die amtliche Begrün-
dung des Reichsjustizministeriums im Jahre 1930, größere Verantwortung und eine größere Kontrolle
also der damaligen Reichsregierung, zu dem vorge- und größere Haftung zur Folge haben müssen.
legten Aktienrechtsreformgesetz. Schließlich ein letztes — das möchte ich dem Herrn
Bundesjustizminister sagen — im Hinblick auf die
(Abg. Dr. Atzenroth: Welcher Justiz-
minister war das, wenn ich fragen darf?) Bagatellisierung jener Erörterungen der Wissen-
schaft über die Frage, welche Bedeutung das Unter-
— Wir haben im Jahre 1930 eine Reichsregierung nehmen an sich hat. Damals bemerkte man sehr
gehabt, und wir haben einen Reichsjustizminister deutlich, wie sich die Interessen des Unternehmens
gehabt. Ich wollte kennzeichnen, welcher Geist die verselbständigen und von den einzelnen, häufig sehr
damalige Reichsregierung und die damalige Öffent- verschiedenartigen Interessen der Aktionäre lösen,
lichkeit und Wissenschaft beseelt hat im Gegensatz und daß es eine eigene Aufgabe, ein eigenes In-
zu heute. Ich würde Ihnen den Reichsjustizminister teresse und eine eigene Verantwortung der Unter-
und die Reichsregierung nennen, wenn sie mir im nehmung als eines wichtigen volkswirtschaftlichen
Augenblick bekannt wäre. Aber das tut für mein Tatbestandes gibt.
Empfinden gar nichts zur Sache. Ein großer Demokrat, Herr Bundesjustizminister,
den Sie selbst genannt haben, Walther Rathenau,
Vizepräsident Dr. Schmid: Vielleicht kann der hat in seiner Schrift vom Aktienwesen im Jahre 1922
HerJustizmnahlfe. dazu einige bemerkenswerte Ausführungen gemacht,
die ich kurz zitieren darf:
Dr. Deist, (SPD) : Meine Damen und Herren, das Die Großunternehmung ist heute überhaupt nicht
war in den dreißiger Jahren, vor nunmehr drei mehr lediglich ein Gebilde privatrechtlicher
Jahrzehnten. Wir leben in einem Jahrhundert, in Interessen. Sie ist
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Dr. Deist
— diese Formel haben Sie vorsichtshalber mit auf- man nicht mit einigen wenigen Bemerkungen vor-
genommen, Herr Bundesjustizminister — übergehen kann.
vielmehr ein nationalwirtschaftlicher, der Ge- Nicht nur der Zug zum Großunternehmen und die
samtheit angehöriger Faktor, der zwar aus sei- Tatsache, daß die Großunternehmen immer stärker
ner Herkunft noch die privatrechtlichen Züge die Struktur der Wirtschaft bestimmen, ist wichtig,
des reinen Erwerbs-Unternehmens trägt, wäh- sondern auch der Umstand, daß wir 'es mit stark
rend er längst und in steigendem Maße öffent- differenzierten Größenordnungen der Unternehmun-
lichen Interessen dienstbar geworden ist und gen zu tun haben. Ich sagte bereits, daß sich bei ins-
hierdurch sich ein neues Daseinsrecht geschaffen gesamt 2400 Gesellschaften im Jahre 1959 80 % des
hat. Kapitals auf 225 Großbetriebe konzentriert. Dane-
ben gibt es aber 1500 mittlere Gesellschaften mit
Das nächste haben Sie nicht zitiert, Herr Bundes- einem Kapital von 0,5 bis 3 Millionen DM und mehr
justizminister, und nicht aufgenommen. Da steht als 600 Gesellschaften mit einem Kapital unter
nämlich: 500 000 DM. Das Kapital der letztgenannten Gesell-
Seine Fortbildung in gemeinwirtschaftlichem schaften befindet sich entweder in der Hand von
Sinne ist möglich. Seine Rückbildung zur rein Einzelpersonen oder in der Hand eines kleinen Teils
privatwirtschaftlichen Bindung ist undenkbar. von Gesellschaftern, die noch gemeinsam zusam-
menwirken, oder es handelt sich um Familienge-
Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau dieser sellschaften. Das Statistische Bundesamt gibt die
Versuch der Rückbildung wird jedenfalls in der Be- Zahl der Familiengesellschaften mit 400 und ihr
gründung der Aktienrechtsreform unternommen. Da- durchschnittliches Kapital mit 300 000 DM an.
bei sind das alles Erkenntnisse der ersten 20 Jahre.
In den nachfolgenden 30 bis 40 Jahren hat sich (Zuruf rechts: Sind das nur Aktiengesell
Gewaltiges ereignet. schaften?)
— Ich spreche nur von Aktiengesellschaften. —
Lassen Sie mich einige Zahlen über die Entwick-
Das sind doch Unterschiede! Bei den kleinen Unter-
lung der Aktiengesellschaften nennen. Im Jahre 1925
nehmen spielt privates Eigentum noch eine entschei-
— ich sagte es schon — hatten wir 13 000 Aktien-
dende Rolle. Bei ihnen können die Verhältnisse im
gesellschaften mit einem Kapital von 19 Milliarden
Betrieb von den Gesellschaftern noch übersehen
RM, also im Durchschnitt ein Kapital von 1,5 Mil-
werden, ja da können die Gesellschafter-Eigen-
lionen RM. Im Jahre 1959 war die Zahl der Aktien-
tümer auch noch den Gang der Dinge beeinflussen.
gesellschaften von 13 000 auf 2400 zurückgegangen,
Die Bedeutung für die Öffentlichkeit, das öffentliche
das Kapital aber auf 27 Milliarden DM mit einem
Interesse und die Gefahren für die Entwicklung der
Durchschnittskapital von 11,4 Millionen DM je Ge-
Gemeinschaft sind jedoch bei diesen Unternehmun-
sellschaft gestiegen. Das zeigt doch, daß man einfach
gen denkbar gering.
nicht darüber hinwegsehen kann, welche Bedeutung
eine solche Entwicklung für das Aktienrecht hat. Es ist sinnlos, alle Aktiengesellschaften — mit
nur ganz geringen Ausnahmen — praktisch über
Von 2400 Gesellschaften haben nur 9,5 %, nämlich einen Kamm zu scheren. Vieles, was für die nor-
225 Gesellschaften, ein Aktienkapital von über male Gesellschaft notwendig ist, ist für die kleinen
20 Millionen DM. Sie vereinigen aber in sich 80 % Gesellschaften keineswegs notwendig, und vieles,
des gesamten Aktienkapitals aller Aktiengesell- was für die normalen Gesellschaften gut ist, reicht
schaften in Deutschland. Diese 225 Großunterneh- nicht aus für jene Mammutgesellschaften, von denen
men beherrschen 80 % des Potentials dieser Groß- - ich vorhin gesprochen habe. Ein Gesetzgeber, der
wirtschaft! Und da wollen Sie sagen: Das interessiert für sich in Anspruch nimmt, eine Reform durchzu-
nicht, da mögen andere von gemeinwichtigen Unter- führen, darf an diesen Strukturunterschieden nicht
nehmen reden, wir brauchen dafür keine beson- vorübergehen.
deren Bestimmungen!
Nun lassen Sie mich ein paar 'Bemerkungen zu
Ein zweites kommt hinzu. 50 % dieses gesamten jenen Großgesellschaften machen, die über eine
Aktienkapitals befinden sich nicht in der Hand von Riesenzahl von Aktionären verfügen. Wir wissen,
Individuen und haben nichts mit privatem Eigentum daß der Zug immer mehr zu diesen sogenannten
von Personen zu tun. Sie befinden sich in der Hand Publikumsgesellschaften geht. Auch hier kann man
von anderen anonymen Gruppen, insbesondere von an der Struktur der Unternehmungen nicht vorüber-
anderen anonymen Kapitalgesellschaften. Man pflegt gehen. Bei diesen Unternehmungen handelt es sich
das als die Institutionalisierung des Aktienbesitzes um Riesengebilde, die zu steuern, zu beherrschen
zu bezeichnen. Dieser Prozeß schreitet fort und er- und zu führen sind allein mit dem Mittel der Orga-
streckt sich gerade auch wieder auf den Bereich der nisation, d. h. dadurch, daß das Ganze horizontal
Großgesellschaften. Ich verstehe nicht, daß man den und vertikal in zahlreiche Einzelbereiche aufgeglie-
Mut haben kann, hierin keinen Anlaß zu einer be- dert wird, wobei jeder einzelne Teilbereich seine
sonderen Betrachtung oder Behandlung der Groß- eigenen Aufgaben, seine eigenen Zuständigkeiten
unternehmen zu sehen. Diese 200 bis 300 Unterneh- und seine eigene Verantwortung hat. Das Ganze
mungen sind Gebilde eigener Art und eigener Be- wird wiederum durch das Mittel der Organisation
deutung und von eigenem Schwergewicht. Sie be- so zu einer Einheit zusammengefaßt, daß sich die
stimmen mit ihrem Anteil von 80 % am Kapital aller Kenntnis von dem, was in dem Unternehmen vor-
Gesellschaften entscheidend die Struktur der Wirt- geht, die Möglichkeit und das Recht, Entscheidungen
schaft. Sie werfen damit Probleme auf, an denen zu treffen, auf eine ganz kleine Gruppe konzentriert,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 587
Dr. Deist
die wir als das Management zu bezeichnen pflegen. geht es um die Zusammenarbeit zwischen den maß-
Das ist ein ganz zwangsläufiger Prozeß, den wir geblichen Vertretern der Depotbanken in den Auf-
nicht mit einigen Thesen über die Bedeutung des sichtsräten, den maßgebenden Männern des Vor-
Eigentums im modernen Aktienrecht aus der Welt standes und vielleicht einem Großaktionär des Un-
schaffen können. Er führt notwendig zu einer Zen- ternehmens. In diesen Großgesellschaften --- von
tralisierung der Verfügungsmacht von großem Aus- denen spreche ich — steht der sachliche Ablauf der
maß. Hauptversammlung und ihr Ergebnis von vornher-
Dieses Management verfügt in Großunternehmun- ein fest. Da darf sehr viel Wirbel entstehen, das
gen normalerweise über eine hervorragende perso- tut alles nichts zur Sache; das Ergebnis ist vorher
nelle und maschinelle Apparatur. Ihm stehen die bestimmt. Für die Hauptversammlungen gilt eben
Mittel der modernen Menschenführung zur Verfü- heute der Satz: Die Redenden wissen nicht, und die
gung. Denken Sie an das Heer von Betriebspsycho- Wissenden reden nicht.
logen, Betriebsphysiologen, Betriebssoziologen, Be- Meine Damen und Herren, wir haben diese Ent-
triebsärzten und Betriebskrankenschwestern, den- wicklung beobachten können bei den Hauptver-
ken Sie an die Betriebsgesangvereine und Betriebs- sammlungen jener Gesellschaften, bei denen Sie sich
fußballvereine. Das sind alles Mittel zur Beeinflus- so viele Mühe gegeben haben, nicht nur breites
sung der Menschen, zur Menschenführung. Dieses Eigentum zu streuen — damit sind wir durchaus ein-
Management verfügt über ein Potential an Finanz- verstanden, wenn auch nicht mit Ihren Methoden —,
kraft und an Menschen wie kein anderes Großge- sondern bei denen Sie auch geglaubt haben, eine
bilde der Gesellschaft. Wiederbelebung des Aktionärs der Großgesellschaft
Parallel zu diesem Prozeß der Zentralisierung der durchführen zu können. In der Hauptversammlung
Verfügungsmacht bei dem Management verlief in der Preußag wurde nicht nur der Rahmen, sondern
den letzten dreißig Jahren zwangsläufig ein entspre- auch ihr Gepräge durch schmetternde Marschmusik
chender Prozeß der Aushöhlung der Befugnisse der bestimmt. Beim Volkswagenwerk waren der ganze
Aktionäre. Denn naturgemäß kann die Verfügung Parkplatz und der Anmarschweg zur Versammlungs-
über solche Vermögenskomplexe nicht doppelt ausge- stätte ein einziger Rummelplatz mit Würstchenbu-
den und ähnlichen Requisiten. Von den 5- bis 6000
übt werden. Wenn dem einen etwas an Verfügungs-
Teilnehmern dieser Massenversammlung, die sich
macht zuwächst, geht dem anderen zum Teil Verfü-
zwischendurch aus mitgebrachten Stullenpaketen zu
gungsmacht verloren. Der Deutsche Juristentag hat
verpflegen hatten, waren nach siebeneinhalbstün-
im Jahre 1955 eine Studienkommission eingesetzt,
diger Dauer gerade noch 500 Mann im Saal.
die zum gleichen Ergebnis gekommen ist. Der Herr
Bundesjustizminister hat einiges von diesen Ergeb- (Zuruf von der SPD: Die Marschverpfle
nissen hier wiedergegeben. Da steht aber auch drin: gung war ausgegangen!)
es lasse sich nicht leugnen, daß der Sache nach der
Wille der Anteilseigner in einem weiten Maße für Ich glaube, jener Teilnehmer, den die Frankfurter
die Art der Herrschaftsausübung unmaßgeblich ge- Zeitung zitierte, hatte nicht ganz unrecht, als er
worden sei. Das Gesetz statte die Aktionäre mit sagte, hier liege ein Aktienrecht zugrunde, das in
Befugnissen aus, die sie auszuüben weder in der die Gegenwart passe wie ein Dreirad auf die Auto-
Lage noch ernstlich bestrebt seien. Der amerika- bahn. Aber das Wesentliche: Alles verlief nach
nische Wirtschaftswissenschaftler Professor Berle Wunsch. Die Steuerung war so gut, daß zum Schluß
jun. hat sich über die Hauptversammlungen der gro- das Ergebnis herauskam, das vorher gewollt war.
ßen Gesellschaften deutlicher ausgesprochen: Jeder Professoren, die dieser Entwicklung wohlwollender
- als ich gegenüberstehen, pflegen das so auszudrük-
weiß, daß die Aktionärsversammlungen von heute
eine Art sinnlosen Rituals geworden sind. ken, wie es Herr Professor Schwantag getan hat, in-
dem er sagte, die Labilität der Willensbildung der
Dr. Littmann von der Universität in Münster, der Hauptversammlung werde oft durch den Einfluß der
dieses Problem wissenschaftlich gründlich untersucht Unternehmensleitung stabilisiert. So kann man das
hat, kommt zu dem Ergebnis — das ist eine wich- auch ausdrücken, nur bleibt der Tatbestand der
tige Feststellung, die jeder, der an Privateigentum gleiche.
und an der Aufrechterhaltung von Privateigentum
Hier besteht ein unüberbrückbarer Gegensatz
Interesse hat, sich merken sollte —:
zwischen dem Verfassungsrecht, wie es im Aktien-
daß die Institution des Privateigentums ent- gesetz niedergelegt ist, und der Verfassungswirk-
scheidend geschwächt, wahrscheinlich sogar lichkeit. Tatsächlich ist in diesen Großgesellschaften
aufgegeben wird, sowie eine Überleitung von die Hauptversammlung als Vertretung der Eigen-
Produktionseinheiten in die Rechtsform der Ka- tümer ein unbrauchbares Instrument. Sie ist als
pitalgesellschaften bei gleichzeitiger breiter eigenständiges Organ mit eigener Willensbildung
Streuung des Grundkapitals erfolgt. funktionsunfähig. Und sie wird entweder vom Groß-
aktionär beherrscht oder durch das Management
Das ist eine Konsequenz, die ein Wissenschaftler ferngesteuert. Diesen so hart ausgedrückten Tat-
aus der Entwicklung der Tatsachen gezogen hat. bestand muß man beachten, wenn man an eine Re-
Dieser immer schwächer werdenden Hauptversamm- form des Aktienrechts geht.
lung steht als zentrale Gewalt innerhalb des Unter-
nehmens das Management gegenüber. Das ist auch Demgegenüber steht das Management, das sich
wieder nicht so einfach zu verstehen, als wenn das praktisch durch Kooptation ergänzt; der Beschluß
der Vorstand des Unternehmens wäre, sondern hier der Hauptversammlung über die Zuwahl von Auf-
588 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Dr. Deist
sichtsratsmitgliedern ist eine reine Formalie, wie man Konsequenzen ziehen. Hier zeigt sich, daß diese
jeder weiß, der Hauptversammlungen von Groß- Großunternehmen ein wesentlicher Teil unserer
gesellschaften mitgemacht hat. Das heißt, der Auf- Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung geworden
sichtsrat in der großen Aktiengesellschaft hat keine sind. Hier zeigt sich ferner, daß das keine reine
gültige Legitimation mehr und er kann infolgedes- Privatsache mehr sein kann, daß das Dinge sind,
sen auch keine wirksame Kontrolle ausüben. Herr die uns alle — als Verbraucher und als Staatsbür-
Professor von Nell-Breuning hat in diesem Zusam- ger — angehen.
menhang den bemerkenswerten Ausspruch von dem Jetzt frage ich mich: Wie soll ein Gesetzentwurf,
„sozusagen freischwebenden Management" geprägt. der so begründet wird, wie der Herr Bundesjustiz-
Man muß sich die Frage stellen, inwieweit der vor- minister es eben getan hat, mit diesen gewaltigen
liegende Entwurf dieser Entwicklung und der Wirk- Veränderungen der letzten 30 Jahre fertig werden?
lichkeit von heute gerecht wird. Das Aktienrecht des Jahres 1937 hatte aus der Ent-
wicklung der ersten 30 Jahre klare Konsequenzen
Das betraf die rechtliche Verfassung der Groß- gezogen. Ich will nur zwei Dinge nennen, die zei-
unternehmung. Aber wir sollten auch daran den- gen, wie deutlich diese Konsequenz war, und die
ken, daß die Menschen in diesen Unternehmungen den Unterschied zu heute klarmachen. Damals wurde
in eine ganz andere Umwelt und in ständig sich än- in dem § 70 ausdrücklich bestimmt, daß die Verwal-
dernde Umweltbedingungen hineinwachsen. Tech- tung eines Unternehmens nicht nur das Interesse
nisch und kaufmännisch sind unsere Unternehmen der Aktionäre, sondern auch die Aufgabe und das
im großen und ganzen hervorragend organisiert. Interesse des Unternehmens, die Interessen der Be-
Mit der Eingliederung des Menschen als einer Per- legschaft und das allgemeine Wohl zu beachten
sönlichkeit mit Selbstbestimmungsrecht ist die Groß- habe. Dieser Paragraph ist in dem Entwurf ge-
gesellschaft bis heute nicht fertig geworden. Das strichen. Ich komme auf die Begründung des Ent-
ist ein Problem — ich sage nicht, das vor der Groß- wurfs in dieser Beziehung gleich noch kurz zurück.
gesellschaft steht, sondern das vor uns steht —, mit
dem wir fertig werden müssen. In diesen Unterneh- Weiter hat das damalige Aktienrecht radikal mit
mungen besteht eine solche absolute Abhängigkeit jener falschen Eigentumstheorie Schluß gemacht, die
voneinander und von der Spitze, daß man wohl so tut, als ob es sich bei diesen Großgesellschaften
sagen kann, daß diese Abhängigkeit der Menschen wirklich noch um privates Eigentum handle. Meine
über das Ökonomische weit hinausgeht. Hier gibt Damen und Herren, bis dahin, bis zum Jahre 1930
es ein Maß von Fremdbestimmung und einen Man- bzw. 1937, hatten die Hauptversammlungen als Ver-
gel an Selbstbestimmung, der zu erheblichen Kon- tretungen der Gesellschafter noch alle wesentlichen
flikten führen kann. Die Unternehmen wissen das; Befugnisse. Sie konnten praktisch alle Entscheidun-
sonst hätten sie nicht soviel Institutionen für gen des Unternehmens an sich ziehen, ja, sie konn-
Public Relations und wie sich das sonst nennt, ten sogar den Vorstand wählen. Damit hat das
geschaffen. Wir müssen uns aber darüber klar sein, Aktienrecht damals Schluß gemacht. Weder in der
daß bei diesen Public Relations die Verwertbarkeit Begründung des Gesetzentwurfs von 1930 noch in
der Arbeitskraft für das Unternehmen, aber nicht der Begründung des Entwurfs von 1937 wird der
der Wert des Menschen als einer sittlichen Persön- Versuch gemacht, die innere Organisation, die Zu-
lichkeit im Vordergrund steht. Das ist ein wich- ständigkeit der Gesellschafter, der Aufsichtsräte und
tiges menschliches Verfassungsproblem, vor dem der Vorstände auf Eigentum zurückzuführen. Da-
wir in der modernen Industriegesellschaft stehen. mals wußte man ganz genau: hier wird für einen
Auch hier erhebt sich die Frage, Herr Bundesjustiz- Vermögenskomplex, der ein Tatbestand an sich ist,
minister: ist die heutige Verfassung der Aktien- eine körperschaftliche Verfassung geschaffen, und
gesellschaft mit ihren jetzigen Institutionen, mit damals wußte man ganz genau: da gibt es eben nur
den Menschen, die auf Grund dieser Verfassung Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter. Diese Mit-
zwangsläufig zur Führung kommen, und mit der gliedschaftsrechte — das können 'Sie in jedem Lehr-
Wirtschaftsgesinnung, die in solchen Unternehmun- buch nachlesen — sind entweder Verwaltungsrechte
gen zwangsläufig entstehen muß, ist eine solche oder Vermögensrechte. Die Verwaltungsrechte be-
Großunternehmung wirklich in der Lage, einen gül- stehen im wesentlichen im Stimmrecht bei der Wahl
tigen Beitrag zur Lösung dieses menschlichen Pro- des Aufsichtsrats und im Auskunftsrecht, und das
blems zu leisten? Vermögensrecht beschränkt sich im wesentlichen auf
den Anspruch auf Dividende.
Und schließlich eine dritte Konsequenz, meine Da- Das war die Konsequenz, die seinerzeit gezogen
men und Herren. Diese Großunternehmungen ste- wurde. Und es wurde auch nicht der Versuch ge-
hen ganz überwiegend nicht im sogenannten freien macht, die körperschaftliche Verfassung mit fal-
Wettbewerb zueinander. Sie sind Machtgebilde, sie schen Argumenten abzustützen.
betreiben Marktstrategie, sie machen Investitions-
politik, sie machen Preispolitik. Wer will bestreiten, Nun, meine Damen und Herren, sehe ich mir dem-
daß Entscheidungen z. B. in der Großchemie, in der gegenüber .die 'Begründung zum Entwurf des Jahres
Automobilindustrie, in der Elektroindustrie, bei 1962 an. Da finden sich folgende drei bemerkens-
Kohle, bei Stahl, in der Mineralölindustrie nicht werte Sätze, die im wesentlichen mit den einlei-
grundlegende Bedeutung für die Gestaltung des tenden Bemerkungen des Herrn Bundesjustizmini-
Arbeitsmarktes, für die Preisentwicklung, für die sters übereinstimmen. Da heißt es:
Einkommensverteilung und für die allgemeine Ver- Unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung beruht
sorgung der Bevölkerung haben? Auch daraus muß auf der Anerkennung und dem Schutz des pri-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 589
Dr. Deist
vaten Eigentums und der freien Verfügung Weimarer Republik, nämlich Professor Willibald
über das Eigentum. Apelt, über die Entwicklung der Rechtsprechung
gesagt hat. Willibald Apelt hat zusammen mit Preuß
Ist zu akzeptieren! Wir haben nur zu untersuchen,
wo wirklich noch freie Verfügung über das Eigen- die Weimarer Verfassung bearbeitet und ist eine
tum vorhanden ist. zeitlang demokratischer Innenminister, ich glaube,
in Sachsen gewesen. Er hat sich nach den leidvollen
Dann ein zweiter Satz: Erfahrungen des Dritten Reiches mit der Geschichte
Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen unse- der Weimarer Verfassung befaßt. Er sagt in bezug
rer Wirtschaftsverfassung entsprechen soll, muß auf die Wandlung ides Eigentumsbegriffs auch bei
daher von dem wirtschaftlichen Eigentum der der Rechtsprechung folgendes — ich darf mit Geneh-
Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen migung des Herrn Präsidenten zitieren -:
beruhenden Unternehmen ausgehen ... An diesem Sachbestand
Und dann der dritte Satz — sehr mutig ausge- — daß es sich nur um Sachenrechte im eigentlichen
sprochen —: Sinne handeln könne —
Dabei muß das Organ der Aktionäre, die Haupt- haben Theorie und Praxis nicht gezweifelt, bis
versammlung, den Einfluß erhalten, der der im Jahre 1924 ein namhafter Zivilist der Uni-
Eigentümerstellung der Aktionäre entspricht. versität Berlin in einer Abhandlung „Reichs-
verfassung und Eigentum" ohne nähere Be-
Nichts von den Strukturveränderungen in der Wirt- gründung die Behauptung aufstellte, die Ver-
schaft, dagegen ein krampfhaftes Bemühen, einen fassung verstehe unter Eigentum ... jedes pri-
wirtschaftlichen Eigentumsbegriff dort einzuführen, vate Vermögensrecht, gleichviel ob dinglichen
wo er nun wirklich keinen Platz mehr hat! Man tut oder persönlichen Charakters ... Diese Auffas-
so, als ob diese Entwicklung der letzten 30 bis 50 sung wurde sofort vom Reichsgericht aufge-
Jahre ein gewaltiger Irrtum der Geschichte wäre, griffen.
den man — davon geht jedenfalls die Begründung Er kommt dann zu folgender Schlußfolgerung:
des Gesetzentwurfs aus — wieder rückgängig ma- Mit dieser Auffassung, der sich anzuschließen
chen könne.
andere hohe Gerichtshöfe nicht zögerten, hatte
Lassen Sie mich zu der Verwendung des Begriffs sich das Reichsgericht einen Hammer geschmie-
wirtschaftliches Eigentum ein paar Worte sagen. det, mit dem es nicht nur das in langer Verwal-
Wir kennen in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis tungserfahrung erprobte Rechtsinstitut der Ent-
den Begriff ides wirtschaftlichen Eigentums, näm- eignung, sondern noch sehr viel Weiteres, näm-
lich bei der Sicherungsübereignung. Da nennen wir lich einen beträchtlichen Teil des gesamten aus
wirtschaftlichen Eigentümer den, der zwar nicht for- der Zeit des konstitutionellen Staatsrechts über-
mal Eigentümer ist, aber wirtschaftlich das Verfü- kommenen, von sozialem Geiste erfüllten Ver-
gungsrecht aber die Sache hat. Hier machen wir waltungsrechts zerschlug.
zum wirtschaftlichen Eigentümer jemanden, der Er stellt dann schließlich fest:
weder ein formales Eigentumsrecht noch irgendein Dieser Vorgang hat nicht nur seine staatsrecht-
Verfügungsrecht aber die Sache hat. Meine Damen liche und für Staat und Gemeinden finanzielle
und Herren, das grenzt an öffentliche Irreführung, Seite, sondern auch eine allgemein politische
insbesondere in einem Lande, von dem wir wissen, Bedeutung... Es war das Mißtrauen gegen ein
mit welchen Hypotheken die Auseinandersetzung auf der Souveränität des Volkes beruhendes
über das private Eigentum durch alles Idas belastet Parlament, das alle Kreise, welche die Demo-
ist, was jenseits der Zonengrenze vor sich geht. kratie ablehnten, aufrief, nach Mitteln zu suchen,
Lassen Sie mich dazu noch ein zweites, sehr ern- um der Legislative Schranken zu setzen, sie
stes Wort sagen, weil ich in diesem Teil des Gesetz- daran zu hindern, weitergreifende soziale Um-
entwurfs und der 'Begründung einen Kardinalpunkt stellungen durchzuführen.
sehe. Ich meine das Spiel mit dem Eigentumsbegriff Meine Damen und Herren, ich kennzeichne hier
und den Bedeutungswandel, den der Eigentums- nur eine Entwicklung. Der Bundesgerichtshof hat
begriff durch die Rechtsprechung im Laufe der letz- leider diese Rechtsprechung aufgenommen und
ten 20, 25 Jahre erhalten hat. Er hängt zusammen weitergeführt. Ich möchte kein Mißverständnis auf-
mit der Eigentumsgarantie in der Verfassung. Wir kommen lassen: es liegt mir völlig fern, dem Bun-
kennen in allen Verfassungen seit der amerikani- desgerichtshof politische Motive bei seiner Recht-
schen Verfassung diese Garantie des Eigentums, sprechung unterschieben zu wollen. Mir kommt es,
zuletzt bei uns in der Weimarer Verfassung und nurdaf,iesButngwadlerEi-
im Grundgesetz. Aber bis zur Weimarer Verfassung tumsgarantie klar herauszustellen.
bestand in Rechtswissenschaft und Praxis Überein- Im Zuge dieses Bedeutungswandels muß der Ver-
stimmung darüber, daß es sich dabei nur um die such gesehen werden, den Begriff des wirtschaft-
Garantie jener dinglichen Rechte an Sachen, an lichen Eigentums zur Kennzeichnung der Mitglied-
unbeweglichen und beweglichen Gegenständen, schaftsrechte der Aktionäre in die offizielle Begrün-
handeln könne, die die Gesetzgebung als „Eigen- dung des Gesetzentwurfs einzuführen. Die Verfasser
tum" bezeichnete. wissen natürlich genau, daß die Begründung eines
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich nicht Gesetzentwurfs durch die Regierung zu den Ge-
meine eigene Meinung sagen, sondern Ihnen kurz setzesmaterialien gehört. Sie wissen genau, daß sie
darstellen, was ein anderer guter Demokrat der in diesem Bundestag damit rechnen können, daß die
590 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Dr. Deist
gleiche Melodie von der Mehrheit hier weiterge- die angemessene Würdigung und Berücksichtigung
spielt wird. Und sie wissen auch, daß damit Fakten dieser anderen Teilnehmer — auch der Arbeitneh-
geschaffen werden, mit denen man eine Auslegung mer — z. B. in der Unternehmensverfassung durfte
des Grundgesetzes vorbereiten kann, die jede soziale nicht sein. Die Ausweitung zu einem Unternehmens-
Ausgestaltung des Verfassungsrechts der Unter- recht hätte zwangsläufig dazu geführt, an diese
nehmungen verfasungsrechtlich blockiert. Grundlagen der Unternehmensverfassung heranzu-
gehen. Die Beschränkung auf das Gesellschaftsrecht
Diesen Sachverhalt und die Tendenzen, die hier
macht es halt einfacher, über diese Probleme eines
obwalten, muß man sehr deutlich sehen, und in
modernen Großunternehmens hinwegzugehen.
bezug auf das Mitbestimmungsrecht als einen wich-
tigen Teil des Verfassungsrechts der Großwirtschaft Herr Bundesjustizminister, ich möchte sagen: das
hat der Herr Bundesjustizminister, möchte ich sagen, ist der grundlegende, entscheidende Mangel dieser
auch kein Hehl aus dieser Absicht gemacht. Aktienrechtsreform, daß die Konstruktion eines
wirtschaftlichen Eigentums und der Verzicht auf ein
Meine Damen und Herren, das ist auch der Grund umfassendes Unternehmensrecht dem Ziele dienen,
dafür — einen anderen sehe ich nicht —, daß Sie eine fortschrittliche Entwicklung der Unternehmens-
sich so dagegen wehren, das begrenzte Gesell- verfassung zu verhindern.
schaftsrecht zu einem umfassenden Unternehmens-
recht auszugestalten. Die Beschränkung auf gesell- Meine Damen und Herren, damit komme ich zu
schaftsrechtliche Beziehungen bedeutet nämlich, daß einigen wichtigen Problemen des Entwurfs. Ich
alle wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes unter möchte naturgemäß Einzelfragen der Beratung im
dem Gesichtspunkt der Beziehungen zwischen Ge- Ausschuß und der zweiten Lesung überlassen.
sellschafter bzw. Anteilseigner auf der einen und Kennzeichnend für den Geist der vorgelegten Ak-
den Unternehmen auf der anderen Seite gesehen tienrechtsreform ist die Tatsache, daß der § -70 deis
werden, daß man auch bei der Großgesellschaft ent- geltenden Aktienrechts, der ausdrücklich beistimmte,
gegen der tatsächlichen Entwicklung von der Iden- daß die Interessen des Unternehmens, der Arbeitneh-
tität zwischen Unternehmensinhaber und Unterneh- mer, die Gesamtinteressen zu berücksichtigen seien,
men ausgeht, als ob nicht hier sich nur der Inhaber ersatzlos gestrichen ist. Die Begründung sagt, dieser
und das Vermögensobjekt, über das er zu bestim- Paragraph könne gestrichen Werden, weil er eigent-
men hat, einander gegenüberstünden. lich selbstverständlich sei. Der Bundesjustizminister
muß jedoch wissen, daß es viele Kommentatoren
Wenn man nicht bereit ist, anzuerkennen, daß gibt — er möge sich dazu das neue Handbuch für
diese modernen Unternehmen als soziale Tat- die Sozialwissenschaften ansehen —, die durchaus
bestände zu eigener Bedeutung und zu eigenem anderer Meinung sind. Sie meinen, daß z. B. die
Gewicht — in vielfältigen Beziehungen zur Beleg- Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen ein
schaft, zur übrigen Wirtschaft, zur gesamten Gesell-
Sonderfall des deutschen Aktienrechts sei. Es ist
schaft stehen, dann kann allerdings die Begrenzung also nicht richtig, daß es sich hier um einen selbst-
auf die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen in verständlichen Bestandteil des Aktienrechts handelt,
einem Unternehmen zu Fehlschlüssen — vielleicht
insbesondere dann, wenn man alle Organe und ihre
zu gewollten Fehlschlüssen — führen.
Befugnisse zentral auf das sogenannte wirtschaft-
Es ist nicht so, Herr Bundeswirtschaftsminister, liche Eigentum zurückzuführen sucht.
daß dieser Entwurf auch in diesem Punkt auf der Ein zweites, meine Damen und Herren! Diesle
Höhe der modernen Wissenschaft stände. Es ist falsche Blickrichtung führt dazu, daß die Besonder-
nicht so, daß z. B. die Studienkommission des Ju-
heit der kleinen Unternehmen, insbesondere der
ristentags auch diese Auffassung verträte. Da fin-
Familiengesellschaften, völlig vernachlässigt wird.
den sich zwei bemerkenswerte Hinweise. Der erste
Es ist bei der Differenzierung in den Größenord-
Hinweis in dem Gutachten, das von Herrn Professor
nungen einfach unmöglich, alle Aktiengesellschaften
Ballerstedt im Auftrage der Studienkommission er-
gleichen Bestimmungen zu unterwerfen. In einem
stattet ist, lautet:
Punkte ist das auch dem Bundesjustizministerium
Auch die gesamtwirtschaftliche Rolle des Unter- und der Bundesregierung aufgefallen. Auch sie ha-
nehmens, wie sie namentlich in der Bindung ben bemerkt, daß der Ausweis der Bruttoumsätze
der Unternehmungsführung an das Gemein- für kleine Unternehmungen etwas ganz anderes be-
wohl — § 70 — zum Ausdruck kommt, läßt sich deutet als für Großunternehmungen. Das ist ein
nur dann befriedigend einordnen, wenn man erster Ansatzpunkt — entgegen Ihrer Theorie, Herr
das Unternehmen nicht unter dem Gesichts- Bundesjustizminister —, kleine und mittlere Unter-
punkt rein erwerbswirtschaftlicher Interessen nehmen angemessen zu berücksichtigen. Dieser An-
betrachtet. satz müßte systematisch weiter verfolgt werden.
Und ein zweiter Hinweis: Der Gleichheitsgrundsatz kann nur bedeuten, daß
gleiche Tatbestände gleich behandelt werden und
Nach der Meinung der Mehrheit der Ausschuß- daß infolgedessen für Unternehmen gleicher Art und
mitglieder sei in dem Begriff Unternehmens- Größe und gleicher volkswirtschaftlicher Bedeutung
recht ein systematischer Ansatzpunkt dafür ge- die gleichen Bestimmungen gelten. Das sollte für die
boten, Unternehmer, Kapitaleigner und Arbeit- Publizität, das sollte für die Mitbestimmung, und das
nehmer als jeweils in besonderer Weise Be- sollte wohl auch für die steuerliche Seehandlung gel-
teiligte und Mitträger zu würdigen. ten. Ich meine, die selbständigen Unternehmer und
Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben die kleineren und mittleren Aktiengesellschaften, ins-
von Ihnen vernommen: das eben durfte nicht sein; besondere die Familiengesellschaften, sollten sich
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 591
Dr. Deist
dagegen wehren, daß sie mit ihrem Eigentum in Sie wissen, daß das nicht geht. Infolgedessen ist
gleicher Weisse behandelt werden wie anonyme diese Bestimmung im vorliegenden Aktienrecht
Großgesellschaften in der Wirtschaft. Sie sollten nicht mehr erschienen. Im Gegenteil, Sie sagen sehr
sich dagegen wehren, nicht weil sie besser wären deutlich, die Bank solle dem ihr erkennbaren Inter-
oder weil die Großgesellschaften schlechter wären, esse des Aktionärs entsprechen.
sondern weil sie anders sind und ein Recht darauf
haben, anders behandelt zu werden. Daß Sie im Grunde genommen nur formale Ände-
rungen vornehmen, ergibt sich aus Ihrer eigenen
Wir haben uns bemüht, in dem Entwurf über Begründung, in der es heißt: Die Bedenken können
Publizität, den wir vorgezogen haben, diesem Ge- nicht mehr erhoben werden, wenn das Stimmrecht
sichtspunkt in weiterem Umfang Rechnung zu tra- der Banken, wie es der Entwurf vorschlägt, eindeu-
gen, als das in dem Regierungsentwurf geschieht. tig zu einem von den Banken im Auftrag des Aktio-
Wir sind der Auffassung, daß diesem Problem in närs nach dessen Weisung ausgeübten Stimmrecht
den Beratungen im Ausschuß besondere Bedeutung umgeformt wird. Hier wird sehr deutlich, daß an
beigemessen werden muß. der Sache gar nichts geändert wird, sondern nur
etwas an der rechtlichen Konstruktion.
Die verfassungsmäßige innere Ordnung, die Bil-
dung und die Zuständigkeit der Organe, ist ein Ich frage mich, Herr Bundesjustizminister: Warum
Kapitel, an das sich der Entwurf überhaupt nicht keine sachgerechte Konsequenz aus den Tatsachen?
ernsthaft heranwagt. Es ist wirklich kein Zeichen Das Depotstimmrecht ist heute unverzichtbar; ich
besonderen Wohlwollens für das Mitbestimmungs- konzediere das ohne weiteres. Ohne Depotstimm-
recht der Arbeitnehmer, und es ist auch kein Zei- recht hätten wir viele nicht beschlußfähige Haupt-
chen einer wesentlichen Verbesserung des Geset- versammlungen, da eben der Aktionär alles das,
zes, wenn der Entwurf dazu übergeht an der einen was Sie ihm zurechnen wollen, einfach nicht erfül-
oder anderen Stelle darauf hinzuweisen, daß auch len kann.
das Mitbestimmungsgesetz berücksichtigt werden
Ich gebe auch zu, daß die Banken in gewissem
müsse. Das ist rechtstechnisch sauber, hat aber mit
Umfange sachgerechte Entscheidungen in der Haupt-
einer wirklichen Reform und einer Neugestaltung versammlung ermöglichen. Aber warum sind Sie
des Aktienrechts nicht das mindeste zu tun.
nicht konsequent? In Ihrem Entwurf findet sich ein
Es ist nicht sehr sinnvoll, wie es im Entwurf vor- bemerkenswerter Satz. Da heißt es nämlich nicht,
gesehen ist, weitere Rechte an eine Hauptversamm- daß das Depotstimmrecht aus dem Eigentumsrecht
lung zu übertragen, die keine ausreichende Legiti- entwickelt werde, sondern da heißt es, das Depot-
mation und keine Möglichkeit autonomer Willens- stimmrecht sei „eine der Grundlagen der Verfas-
bildung hat, sondern im Grunde genommen fern- sung der Aktiengesellschaft."
gesteuert wird. Jede Übertragung von Befugnissen Meine Damen und Herren, warum gestaltet die
an eine solche Hauptversammlung und jede Über- Bundesregierung dieses Depotstimmrecht nicht ent-
tragung von Befugnissen an Aufsichtsräte, die in sprechend aus als eine eigenständige und eigene
keiner ernsthaften Beziehung zu dieser Hauptver- Verantwortung begründende Aufgabe der Bank im
sammlung stehen, werden zu Scheinmaßnahmen. Es Rahmen der körperschaftlichen Verfassung dieser
ist besser, eine unabhängige, funktionsfähige Haupt- Unternehmen? Warum diese Konstruktion einer
versammlung mit geringeren Befugnissen als ein Vollmachterteilung, die kein Mensch ernst nehmen
ferngesteuertes Organ mit formal großen Befugnis- kann? Und warum nicht durch Gesetz die Legitima-
sen zu haben. tion und den Aktionsrahmen der Depotbanken klar
Meine Damen und Herren, die bisherige Entwick- regeln und damit die so legitimierte Bank zu einem
lung gibt an sich Ansatzpunkte für eine solche Aus- Hilfsorgan der Willensbildung im Rahmen einer
gestaltung der Unternehmensverfassung. Aber alle körperschaftlichen Unternehmensverfassung machen?
diese Ansatzpunkte sind im Entwurf unberücksich- Dann brauchen Sie diese gewaltsamen Konstruk-
tigt geblieben. tionen einer zivilrechtlichen Vollmachtserteilung
nicht. Meine Damen und Herren, hier wäre ein An-
Zunächst einmal das Depotstimmrecht. Sie geben satzpunkt zu einer sachgerechten, wirklichkeitsnahen
sich sehr viel Mühe, die Bedenken, die gegen das Ausgestaltung des Unternehmensrechts gegeben.
Depotstimmrecht bestehen, auszuräumen. Wir soll- Aber Sie würden natürlich in Konflikt mit Ihrer
ten offen sehen, daß wirklich Bedenken bestehen, nicht mehr haltbaren Theorie von der Eigentümer-
so zu tun, als wenn die Depotbanken im Auftrage, stellung der Aktionäre kommen.
in Vertretung, in Vollmacht der Aktionäre handel-
ten. Die Verhältnisse sind nicht so. Nun gibt sich Ich meine, daß in den von Ihnen so propagierten
der Entwurf Mühe, einige formale Maßnahmen bis und geförderten Aktionärvereinen auch ein Ansatz-
zur Schaffung eines Musters für die Vollmachtertei- punkt zu einer modernen Ausgestaltung der Unter-
lung zu treffen, um dieser Fehlkonstruktion einige nehmensverfassung wäre. Da der einzelne Aktionär
Korsettstangen einzuziehen. Dabei sind Sie aber nicht zu reaktivieren ist, wäre es schon der Mühe
nicht konsequent, Herr Bundesjustizminister. In wert, sich zu überlegen, ob man nicht durch eine Zu-
dem Gesetz über das Volkswagenwerk hatten Sie sammenfassung in Gruppen, die demokratisch ge-
noch den Mut, konsequent zu sein. Da heißt es: Die ordnet werden und ihre Meinung demokratisch bil-
Depotbank darf nur abstimmen, wenn sie spezielle den, einen Ansatzpunkt zu einer modernen Verfas-
Weisungen der Aktionäre hat. Das wäre vielleicht sung finden könnte. Aber da hängen Sie wieder an
noch eine Abart von Vertretungsverhältnis. Aber Ihrem Gleichheitsgrundsatz und binden die Aktio-
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Dr. Deist
närvereine bei der Stimmabgabe an dieselben For- lende Prinzip, um einseitiger Machtausübung ent-
malien, die Sie für das Depotstimmrecht der Aktien- gegenzutreten. Das ist schon ein wichtiger Grund-
gesellschaften vorschreiben. Dabei müßten Sie doch satz, für den Sie Verständnis haben sollten. Hier
zugeben: die technische Bewältigung dieses Formu- werden die Arbeitnehmer als Träger der Arbeits-
larkrams ist für die Bank kein Problem: an der Tat- kraft als ein wichtigstes Element des Unternehmens
sache, daß es sich trotzdem um keine echte Voll- in das Verfassungsrecht eingeführt. Hier sind die
macht und Beauftragung handelt, ändert das nichts. institutionellen und die personellen Voraussetzun-
Für die Aktionärvereine, wenn Sie sie schon akti- gen geschaffen, um das Problem einer gesunden
vieren wollen, ist dieser Formalkram eine große Be- menschlichen Verfassung in den Unternehmungen
lastung, und es ist sehr zweifelhaft, inwieweit sie zu lösen und das starre System einer Sachen- und
ihn bewältigen können. Aber auf die Idee, daß hier menschenbeherrschenden Apparatur etwas aufzu-
vielleicht Ansatzpunkte für die Bildung demokrati- lockern. Hier hat man mit idem Institut des elften
scher Einrichtungen für Geltendmachung der Gesell- Mannes, mit dem Vertreter öffentlicher Interessen,
schafterinteressen gegeben wären, daß man daran mit der Feststellung der Verantwortung der Auf-
denken könnte, gesetzlich Vorschriften über den zu- sichtsratsmitglieder auch Elemente eingeführt, die
lässigen Mitgliederkreis, über die innere demokra- der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Großunter-
tische Ordnung, über die Offenlegung der Finanzie- nehmungen Rechnung tragen.
rung in derartigen Aktionärvereinen zu erlassen
und so funktionsfähige Gremien der Aktionäre zu Meine Damen und Herren, das sind doch alles
keine Argumente, die hier vorgebracht werden, um
schaffen, die in demokratischer Form bei der Bil-
einen organischen Einbau abzulehnen! Wir denken
dung der Organe der Unternehmen mitwirken
gar nicht an eine Erweiterung des Mitbestimmungs-
könnten — auf diese Idee sind Sie leider nicht ge-
rechts auf andere große Teile der Wirtschaft. Der
kommen; diesen Ansatzpunkt haben Sie bedauer-
organische Einbau dieses Mitbestimmungsrechts —
licherweise nicht genutzt. Hier ist dem Gesetzgeber
das wurde mehrfach dargelegt — würde etwa 200
die Möglichkeit gegeben, rechtsgestaltend zu wir-
his 300 Aktiengesellschaften von insgesamt 2400
ken und nicht nur einige rechtstechnische Verbesse-
erfassen. Aber es sind die großen Unternehmungen,
rungen anzubringen.
in denen die Überlegungen, die im Mitbestimmungs-
Der dritte Ansatzpunkt, Herr Bundesjustizmini- recht ihren Niederschlag gefunden haben, Berück-
ster, mit dem auch Sie sich, wenn auch überwiegend sichtigung finden müssen.
negativ, befaßt haben, ist das Mitbestimmungsrecht
Wenn Sie versuchen, zu überlegen, was die Bun-
in Kohle und Stahl. Nun, meine Damen und Herren
desregierung und den Herrn Bundesjustizminister
— Sie haben es selber gesagt —: das ist ein wesent-
veranlaßt haben könnte, von einem Einbau des Mit-
licher Bestandteil des Verfassungsrechts unserer
bestimmungsrechts abzusehen, dann sehe ich nur
Großwirtschaft. Warum haben Sie dann nicht den
drei Gründe.
Mut, es entsprechend in das Aktienrecht einzupas-
sen, warum nicht den Mut, hier wirklich eine Unter- Der erste: Es ist wirklich ein Mangel des Mit-
nehmensverfassung moderner Art zu begründen? bestimmungsrechts, daß es sich auf zwei aus der
Die Studienkommission des Juristentags war sich Gesamtwirtschaft herausgeschnittene Bereiche be-
bewußt, daß es eine dringliche Aufgabe sei, idas schränkt. Vielleicht wollen Sie mit Absicht diesen
Mitbestimmungsrecht in das Aktienrecht einzu- Mangel nicht beseitigen und damit neue Ansatz-
bauen. Der Entwurf der Bundesregierung begnügt punkte für die Kritik am Mitbestimmungsgesetz
sich mit idem Hinweis, idas sei noch zu früh. Wie geben, die sich in Wirklichkeit nicht gegen das Mit-
lange wollen Sie eigentlich warten? Wir haben über bestimmungsrecht, sondern gegen die aus 'der Not
15 Jahre Erfahrungen mit diesem Mitbestimmungs- der Zeit geborene und inzwischen sachlich überholte
recht gesammelt. Ich will Ihnen konzedieren, bei einer Beschränkung auf Eisen und Stahl und Kohle richtet.
solch neuen Institution gibt es Kinderkrankheiten
wie überall, und e s gibt Fehlbesetzungen auf der Zweitens: Die Tatsache, daß es sich um ein Son-
Arbeitnehmerseite, genauso wie es Fehlbesetzungen dergesetz handelt, gibt jeder Argumentation Raum,
auf der Unternehmerseite gibt. Das ist menschlich — und davon wird weidlich Gebrauch gemacht —,
und kein Einwand gegen eine Institution. Aber im dieses Mitbestimmungsrecht, das der Herr Bundes-
ganzen gesehen, meine Damen und Herren, sollte justizminister hier amtlich als einen wesentlichen
man nicht nur bei der Festveranstaltung deklamie- Bestandteil des Verfassungsrechts darstellt, in der
ren, sondern bei solchen Gesetzen berücksichtigen, Offentlichkeit draußen als einen Fremdkörper im
daß sich dieses Mitbestimmungsrecht ausgezeichnet Verfassungsrecht der Gesellschaften zu diffamieren.
bewährt hat
(Beifall bei der SPD) Und ein drittes, meine Damen und Herren: Der
Verzicht auf 'den Einbau solcher Elemente einer
und daß dieses Mitbestimmungsrecht einen wesent- modernen Unternehmensverfassung macht Ihnen
lichen Beitrag zum sozialen Frieden im Ruhrgebiet überhaupt nur noch möglich, Ihre auf grundfalschen
geleistet hat. Voraussetzungen aufbauende Eigentumstheorie für
die 'Großunternehmen aufrechtzuerhalten.
Dieses Mitbestimmungsgesetz für Kohle und Stahl
enthält einige wesentliche Elemente einer modernen Das ist der zweite schwere Mangel des Entwurfs,
Unternehmensverfassung. Hier wird nämlich ein daß nicht ein einziger Versuch gemacht wird, eine
wichtiger Grundsatz für die Ordnung unserer plura- Unternehmungsverfassung zu schaffen, die den heu-
listischen Gesellschaft durchgeführt: idas machtvertei- tigen tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 593
Dr. Deist
Und nun lassen Sie mich noch eine grundsätzliche erst bejaht, nicht allzuweit auszudehnen; daher der
Bemerkung zum Publizitätsrecht machen. Ich gehe Drang, den Aktionären nicht allzu viele Befugnisse
auf die einzelnen Probleme der Publizität nicht zu geben, und zugleich die Hoffnung, daß die Haupt-
ein. Hier sind einige Fortschritte zu verzeichnen. versammlung über den Hauptaktionär oder über
Wir sind der Auffassung, daß der Grundsatz der das Depotstimmrecht in jedem Fall richtig gesteuert
Publizität nicht konsequent durchgeführt worden ist; wird.
aber darüber läßt sich im Ausschuß reden. Ich Meine Damen und Herren, ich glaube, hier geht
möchte ein anderes, meines Erachtens entscheiden- es um ein entscheidendes Problem. Professor Kron
des Problem anschneiden. Der Entwurf macht es sich stein, der an sich die Theorie, daß hier wirtschaft-
sehr einfach. Er sagt: Die Gesellschaft sind die Akti- liches Eigentum zugrunde liegt, und damit Ihren
onäre; die Aktionäre haben über das Unternehmen
theoretischen Ausgangspunkt teilt, kommt zu dem
zu entscheiden; wenn sie sachgerecht entscheiden
Ergebnis — ich darf es kurz zitieren —:
müssen, dann müssen sie wissen, was im Unterneh-
men los ist; darum muß ausreichende Publizität sein. Das Eigentum des Aktionärs ist kein sachen
Nun, meine Damen und Herren, diese Argumenta- rechtliches Eigentum. Es gewährt kein unmittel-
tion ist durchaus logisch aufgebaut; der Wert hängt bar dingliches Recht am Gesellschaftsvermögen
davon ab, ob die Prämissen stimmen. und kein aus dem sachenrechtlichen Eigentum
fließendes Herrschaftsrecht, sondern es gewährt
(Zuruf.) einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf einen
Bruchteil am jeweiligen Gesellschaftsvermögen.
— Darauf komme ich gleich, daß die Prämissen nicht
Die AG führt als juristische Person ein Eigen-
stimmen. Meine Damen und Herren, dabei haben
leben, und die Verfügungsmacht des Aktionärs
Sie gar nicht sehr viel Mut gehabt, wirklich Konse-
quenzen zu ziehen. Das einzige Recht, das Sie dem über sein in der Aktie verbrieftes Mitglied-
Aktionär geben wollen, ist das Recht, über die Ver- schaftsrecht darf nicht in ein Herrschaftsrecht
wendung des Gewinns und damit über die Dividende über Vermögenswerte, die der Gesellschaft ge-
zu bestimmen. Weitergehende Rechte kommen die- hören, ausgeweitet werden.
sem Aktionär, der eigentlich zu entscheiden hat, Und er zieht die Konsequenz: radikale Publizität,
was in dem Unternehmen geschehen soll, auch nach insbesondere auch Ausweis der echten Erträge, aber
Ihrem Entwurf nicht zu. Sie sind gar nicht in der Entscheidung über die Gewinnverwendung durch
Lage, die Konsequenz, daß der Aktionär über alle die Verwaltung und nicht durch die Aktionäre; das
wichtigen Dinge zu entscheiden hat, wirklich zu zie- entscheidende Recht der Hauptversammlung soll
hen, und Sie sind auch nicht in der Lage — das ist darin bestehen, auf Grund einer völligen Publizität
bemerkenswert —, die Publizität konsequent durch- und eines entsprechenden Auskunft- und Frage-
zuführen; denn schon beim Bewertungsrecht hört rechts die Kontrolle über das Unternehmen auszu-
es bei Ihnen sehr früh auf. uündesKaotrhl
Wibdes Auf-
sichtsrats zu betätigen.
Sehen Sie, Herr Kollege Atzenroth, das ist es
eben, daß, wenn man von der falschen Prämisse Meine Damen und Herren, die Vereinigten Staa-
ausgeht, daß die Aktionäre in diesen Großgesell- ten von Amerika, deren Wirtschaft ja wohl auf der
schaften Eigentümer sind, die sachgerecht zu ent- Anerkennung des privaten Eigentums beruht — —

scheiden haben und auch sachgerecht entscheiden (Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)
können, die an sich logischen Konsequenzen trotz-
dem falsch sind. Meine Damen und Herren, sollte — Ich nehme zur Kenntnis, daß Herr Atzenroth
man nicht in der Frage der Publizität — und ich - auch in Frage stellt, ob die Wirtschaftsordnung der
glaube, da sind wir im Prinzip weitgehend einer Vereinigten Staaten von Amerika auf dem privaten
Meinung — von realistischeren Voraussetzungen Eigentum beruhe. Dann sind wir allerdings sehr
ausgehen? Sollte man nicht sehen, daß die Klein- weit gekommen, wenn jeder den Rahmen unserer
aktionäre naturgemäß entweder an der Kurssteige- Wirtschaftsordnung jeweils so eng zieht, wie es
rung oder an der Höhe der Dividende interessiert ihm gerade paßt, und damit alle unerwünschten
sind? Es ist noch sehr fraglich, woran sie ein höhe- Auseinandersetzungen ausschließt. Aber bis jetzt
res Interesse haben, jedenfalls nicht an einer sach- habe
i- ich immer nur gelesen — und bei meinen Re
gerechten Unternehmungsführung, denn die können sen in die Vereinigten Staaten erfahren —, daß d
sie in den Großgesellschaften nicht beurteilen. Und Privateigentum dort tatsächlich eine entscheidende
sollte man nicht auch daran denken, daß es auch Grundlage der Wirtschaftsordnung darstellt. Sonst
bei den Großaktionären noch darauf ankommt, ob pflege ich aus Ihren Reihen, Herr Atzenroth, zu
das Interesse des Unternehmens oder ihr Vermö- hören, daß auch die Gewerkschaften in Amerika
gensinteresse, z. B. ihren Lebensunterhalt in mög- diese privatrechtliche Grundlage des Eigentums an-
lichst großem Umfange aus den Revenuen zu erkennen, während dies leider die Gewerkschaften
sichern, eine Rolle spielt? Und sollten wir nicht in Deutschland nicht täten.
sehen, daß eine große Publizität, die auch den Ge- (Abg. Dr. Atzenroth: Das stimmt!)
winn ausweist, d. h. einen echten Ausweis der Er-
Aber lassen wir das beiseite!
träge zum Gegenstand hat, bei der Entwicklung un-
serer Aktiengesellschaften zwangsläufig die Gefahr In den Vereinigten Staaten, in denen das Privat-
einer unsachgemäßen Entscheidung in der Haupt- eigentum eine entscheidende Rolle spielt, ist man
versammlung heraufbeschwört? Daher Ihre Inkon- jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, daß die
sequenz; daher der Drang, die Publizität, die man Offenlegung wirtschaftlicher Tatbestände wichtiger
594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Dr. Deist
i st als die Übertragung der Feststellung des Jahres- bin ganz vorsichtig, und wir möchten darüber im
abschlusses an die Hauptversammlung. Ausschuß mit Ihnen sprechen —, daß man das vor-
dringliche Problem der Publizität vorziehen sollte.
Das ist der dritte Mangel, den ich sehe: daß diese
Wir haben deshalb, um einen Ansatzpunkt hierfür
Vulgärtheorie des Eigentumsrechts die Regierung
zu schaffen, einen eigenen Gesetzentwurf einge-
daran hindert, eine realistische Lösung des Publi- bracht. Wir sind der Auffassung, daß man die Neu-
zitätsproblems zu finden; diese Vulgärtheorie, die gestaltung der Unternehmensverfassung in Angriff
so tut, als ob bei den großen anonymen Gesell- nehmen sollte und daß man die Verabschiedung
schaften wirklich noch privates Eigentum vorhan- einer Reform zurückstellen sollte, bis man auch
den sei, und die mit dieser Gleichstellung denen, dieses Kernstück eines modernen Unternehmens-
die wirklich über privates Eigentum verfügen und rechts in den Griff bekommen hat. Wir meinen end-
auch verfügen sollen, bitter Unrecht tut. Darum ha- lich, daß das Konzernrecht ein umfassendes Recht
ben wir einen eigenen Entwurf gebracht, der die sein sollte, das losgelöst vom Aktienrecht behandelt
Publizität stärker ausgestaltet und davon ausgeht, werden sollte.
daß die Entscheidung über die Gewinnverwendung
Nach Abschluß solcher Vorarbeiten wäre wirklich
nicht der Hauptversammlung übertragen werden
die Grundlage für ein umfassendes Reformwerk
kann. gegeben. Wenn behauptet wird, daß die Wissen-
Ich habe diese wichtigen Gesichtspunkte aus schaft nicht wesentlich weiter sei als die Bundes-
zweierlei Gründen vorgetragen. Erstens einmal: ich regierung mit ihrem Entwurf, so trifft das einfach
will nicht verkennen — ich habe das bereits ange- nicht zu. Ich habe bei mehreren Punkten angedeutet,
deutet —, daß dieser Gesetzentwurf auf dem Gebiete welchen Stand die Wissenschaft bei der Lösung die-
der Publizität Fortschritte gegenüber den bisheri- ser Probleme schon erreicht hat. Wir sollten uns
gen Verhältnissen bringt. Ich will auch nicht ver- diese Erkenntnisse der modernen Wissenschaft zu.
kennen, daß das Dritte Buch, daß die Grundzüge nutze machen und ein wirkliches Reformwerk ver-
einer modernen Konzernverfassung enthält, gegen- abschieden.
über dem bisherigen Aktienrecht ein Fortschritt ist. Eines möchte ich allerdings hinzufügen. Wir
Ich will schließlich auch nicht verkennen, daß die fürchten sehr, daß die Regierungskoalition in ihrer
Neufassung des ganzen Aktienrechts unter Einarbei- heutigen Zusammensetzung nicht in der Lage ist,
tung der Ergebnisse der Rechtsprechung eine rechts- eine Aktienrechtsreform vorzulegen und durchzu-
technische Verbesserung ist. Aber ich frage mich — führen, die wirklich den Namen einer Reform ver-
ich nehme die Frage vom Beginn auf —: ist das dient.
eine Reform, die diesen Namen verdient, ist das (Beifall bei der SPD.)
eine angemessene Lösung, die unserer Zeit ent-
spricht? Vizepräsident Dr. Schmid: Meine Damen und
Ich habe — ich darf es zusammenfassen — drei Herren, ich habe in der Zwischenzeit feststellen las-
entscheidende Feststellungen treffen müssen. Die sen, wie der Justizminister heißt, unter dessen
erste ist, daß die Unterschiede zwischen kleinen, Ägide der Entwurf im März 1930 veröffentlicht wor-
mittleren und großen Unternehmungen einfach nicht den ist. Es war Justizminister Bredt im Kabinett
gesehen, sondern übersehen werden, daß die Inter- Brüning. Er gehörte der Wirtschaftspartei an.
essen der kleinen und mittleren Unternehmungen (Abg. Ritzel: Sehr gut!)
und der Familiengesellschaften infolgedessen ver-
nachlässigt und daß die großen Mammutgesellschaf- Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelmi.
ten nicht angemessen behandelt werden. Die zweite
Feststellung war, daß das Problem der Unterneh- Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
mensverfassung, obwohl sich aus dem bestehenden Damen und Herren! Wir verhandeln heute zum
Recht und der jetzigen Entwicklung dafür Ansatz- zweitenmal über die Aktienrechtsreform. Zum
punkte ergeben, überhaupt nicht angepackt ist. Die erstenmal geschah das noch im letzten Bundestag
dritte bezog sich darauf, daß die 'Bedeutung des Pu- am 7. Dezember 1960, und nun verhandeln wir
blizitätsproblems nicht im Zusammenhang mit der heute vor diesem Bundestag. Ich muß feststellen,
Frage der Rechte der Hauptversammlung gesehen dieses Gesetz hat offenbar das Mißgeschick, daß in
wird und damit der Entwurf bei der Erweiterung den Debatten ungewöhnlich wenig über das Gesetz
des Publizitätsrechts verhältnismäßig früh stecken- selbst gesprochen wird und ungewöhnlich viel über
geblieben ist. Dinge, die mit dem Gesetz nichts zu tun haben.
Schließlich, Herr Bundesjustizminister, möchte ich (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Hört!
dabei bleiben — ohne daß ich das jetzt näher aus- Hört! bei der SPD.)
zuführen brauche —: die Konzernbestimmungen des Ich mußte zur Vorbereitung auf den heutigen Tag
Entwurfs, die sich eben nicht nur auf Aktiengesell- die seinerzeitige Debatte nachlesen. Dabei konnte
schaften beschränken sollten, müßten zu einem selb- ich feststellen, daß zu zwei Dritteln die Debatte
ständigen umfassenden Konzernrecht ausgestaltet über die Volksaktie der CDU und die deutsche
werden. Eigentlich gehört das Konzernrecht nicht in Volksaktie der SPD geführt worden ist. Über diese
die Aktienrechtsreform hinein. Angelegenheit kann man wohl den Mantel, na,
Aus allen diesen Gründen sollten wir ernsthaft nicht der Liebe, aber des Wahlkampfes decken. Das
erwägen, ob mit dem vorliegenden Entwurf wirklich interessiert heute, wo wir an die sachliche Behand-
die Voraussetzungen für eine umfassende Reform lung dieses Gesetzes herangehen, wohl uns alle
gegeben sind. Wir neigen zu der Auffassung — ich nicht mehr.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 595
Dr. Wilhelmi
Heute ist tatsächlich über etwas gesprochen wor- hier vorgetragen wurde. Ich nehme an, er ist Ihnen
den, was zwar nicht im Gesetzentwurf steht, aber schon vorher gekommen, denn er ist ja bereits vor-
von der Opposition gern in dieses Gesetz hinein- her erörtert worden. Dennoch ist bis heute nichts
gearbeitet werden würde. Oder richtiger gesagt — Konkretes vorgelegt worden. Was hier vorgelegt
ein Hineinarbeiten in dieses Gesetz ist wohl schlech- worden ist, hat doch mit dem großen Gedanken, ein
terdings nicht möglich —: Die Opposition will, daß Unternehmensrecht zu schaffen, gar nichts zu tun,
dieses Gesetz überhaupt nicht kommt, sondern nur und das enttäuscht mich sehr. Wenn schon von
einige Bestimmungen daraus, die dankenswerter- Ihnen beantragt wird, das ganze Aktienrecht zurück-
weise in den Eingaben der SPD im wesentlichen aus zustellen und ein Unternehmensrecht zu schaffen,
dem Regierungsentwurf abgeschrieben worden sind. dann muß doch wohl etwas präziser gesagt werden,
(Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von was los ist. Es hätte doch einmal ein Rohentwurf
der SPD: Unsinn!) -gemacht werden müssen, der eine Grundlage für
eine Reform darstellt. Das ist nicht geschehen. Sie
Im übrigen soll dann dieses bis jetzt nicht ganz
haben praktisch — mit ganz kleinen Änderungen,
klare, etwas schwammige Unternehmensrecht ge-
die allerdings in die Sache gehen — das vorgelegt,
schaffen werden. Das ist immerhin ein sehr ernstes
was Sie vor fünfviertel Jahren vorgelegt haben. Das
Problem, das in engem Zusammenhang mit der
war eine große Enttäuschung für mich. Ich habe ge-
Aktienrechtsreform steht. Ich bin deshalb dem Herrn
dacht, es gibt jetzt etwas Neues. Aber dieses Neue
Minister ganz besonders dankbar, daß er bei der
kommt von Professor Kronstein. Es ist anerkennens-
Einbringung der Vorlage nicht auf einzelne Bestim-
wert, daß das hineingearbeitet ist; darüber werden
mungen eingegangen ist, sondern daß er ein ganz
wir diskutieren müssen. Aber es ist etwas erschüt-
zentrales Problem angeschnitten hat, das sich aus
ternd und eigentlich etwas beschämend, daß wir uns
der ersten Debatte im 3. Bundestag ergab. Die Frage
hier wieder über das Unternehmensrecht unterhalten
des einheitlichen Unternehmensrechts ist in der Tat
müssen, ohne daß eine klare Konzeption vorliegt.
außerordentlich schwierig. Ich kann nur feststellen,
Herr Kollege Deist, daß in der Wissenschaft bisher Auch das, was hier als Kritik an dem Entwurf
gar nichts Konkretes erreicht worden ist, wenn man der Regierung vorgetragen worden ist, läßt gar
vielleicht von den Vorschlägen absieht, die Herr keine Konzeption erkennen. Damit steht diese Kri-
Rechtsanwalt Kunze vom Gewerkschaftsverband ge- tik in deutlichem Gegensatz zu dem Regierungsent-
macht hat. Sie stehen aber ziemlich allein da und wurf, der eine sehr klare Konzeption erkennen läßt.
haben wenig, um nicht zu sagen, gar keinen Wider- Gut, Sie lehnen sie ab und sagen, man dürfe nicht
hall in der Wissenschaft gefunden. in der Weise von dem Privateigentum, von dem
wirtschaftlichen Eigentum des Aktionärs ausgehen,
Die Wissenschaft geht bisher davon aus, daß man
wie das in dem Entwurf geschehen sei, denn es gebe
der Wirtschaft verschiedene Rechtsformen zu ihrer
innerhalb einer Aktiengesellschaft neben dem wirt-
Betätigung 'zur Verfügung stellen soll und daß es
schaftlichen Eigentum noch eine ganze Reihe ande-
ihr überlassen bleiben muß, welche dieser recht-
rer Kräfte und Aufgaben, die bei dem Organisa-
lichen Formen sie anwenden will. Sie wird die Form
tionsrecht, um das es sich bei der Aktienrechtsreform
anwenden, die jeweils für die Größe des Unterneh-
handle, zu berücksichtigen seien. Das ist selbstver-
mens, für die Art der Betätigung, für die Notwen-
ständlich richtig. Aber man muß doch von einer
digkeit der Kapitalbeschaffung und dergleichen am
klaren Konzeption ausgehen. Der Entwurf hat die in
günstigsten ist. Wir haben deshalb auf dem Gebiet
der Wissenschaft vertretene privatrechtliche Auf-
der juristischen Personen die beiden Formen, die
fassung aufgegriffen, der wir von der CDU/CSU von
Aktiengesellschaft und die GmbH. Damit haben wir
ganzem Herzen und aus voller Überzeugung zu-
— über den Daumen gepeilt gesprochen — auf der
stimmen. Für uns kann gar nichts anderes der Aus-
einen Seite für kleinere Gesellschaften, die einen
gangspunkt sein als das Privateigentum und die sich
geschlossenen Mitgliederkreis haben, eine Konstruk-
daraus ergebenden Kontrollrechte des Aktionärs
tion zur Verfügung gestellt, nämlich die GmbH, und
über die anderen Organe, die eine Gesellschaft
auf der anderen Seite für die Großgesellschaften und
selbstverständlich haben muß.
damit auch für die heute vorhandenen ganz großen
Unternehmungen eine andere Gesellschaftsform, Das ist das eigentliche Problem bei jeder Aktien-
nämlich die Aktiengesellschaft, die aber durchaus rechtsreform: die Rechte der Aktionäre als der wirt-
auch für die kleinen Unternehmen praktikabel ist. schaftlichen Eigentümer abzugrenzen gegen die not-
wendigen Rechte, die der Vorstand in der Führung
Es gibt natürlich unter den ganz kleinen Gesell-
der Geschäfte einer Aktiengesellschaft haben muß,
schaften Fälle, für die der Mantel, der jetzt für die
damit die Aktiengesellschaft im Wirtschaftsleben
Aktiengesellschaften geschneidert wird, nicht paßt.
überhaupt tätig werden kann, und gegen die Rechte
Nun, dann mögen diese Aktiengesellschaften in die
des Aufsichtsorgans, des Aufsichtsrates. Diese Rechte
GmbH hinübergehen, sie mögen sich die Form aus-
richtig abzugrenzen, ist und bleibt das Problem bei
suchen, die für sie geeignet ist. Aber ich glaube
jeder Aktienrechtsreform, und damit müssen wir
nicht, daß das in der Praxis eine große Rolle spielen
uns hier auseinandersetzen. Es ist natürlich wichtig,
wird.
klar zu erkennen, von welchen Grundsätzen wir
Der Herr Justizminister hat bei seinen Ausfüh- ausgehen. Man kann nicht ein Gesetz machen, das
rungen an die Debatte über die Einführung eines überhaupt keine Grundsätze hat und das die Dinge
einheitlichen Unternehmensrechts angeknüpft, wie rein zufällig ordnet. Im Grunde genommen ist die
es von der Opposition vorgeschlagen war. Es ist Frage des Privateigentums des Aktionärs eng mit
immerhin fünf viertel Jahre her, daß dieser Gedanke der Frage verknüpft: Wer übt die Kontrolle über
596 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Dr. Wilhelmi
die übrigen Organe der Gesellschaft aus? Das ist handeln; dazu brauchen wir vielmehr Menschen,
die entscheidende Frage, und deshalb kommt man und diese Menschen sind eben der Vorstand, der
praktisch, wenn man die Kontrolle dies Aktionärs Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Die müs-
ablehnt und sagt, der ist gar nicht in der Lage, diese sen das tun und tun's ja auch, und ich darf hinzu-
Kontrolle auszuüben, immer mehr zu einer Entwick- fügen: sie tun's sehr gut. Aber das Problem bleibt
lung, die in einer öffentlichen Aufsicht irgendwel- natürlich bestehen, daß eine solche Gesellschaft
cher Art enden muß. Das wäre das Ende der privat- ihren Willen in verschiedenen Gremien bilden muß
wirtschaftlichen Natur unserer großen Gesellschaften und daß die Tätigkeit dieser Gremien sinnvoll koor-
und damit ein tödlicher Stoß gegen die soziale diniert sein muß. Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr
Marktwirtschaft, die wir betreiben. Dr. Deist, daß nicht der Aktionär allein bestimmen
Infolgedessen ist es richtig, wenn man im Rahmen kann und bestimmen soll. Aber das können Sie
der sozialen Marktwirtschaft und aus dem Gedan- doch auch wirklich nicht aus dem Entwurf heraus-
ken des Privateigentums alles tut, um den Aktionär lesen. Meines Erachtens ist in diesem Entwurf sehr
zu aktivieren und ihm die Kontrollfunktionen zu sauber entwickelt, daß der Aktionär über alles das
geben, die ihm als dem Eigentümer zustehen. Meine bestimmen soll, was sein Geld angeht, wenn ich es
Damen und Herren, es ist selbstverständlich, daß mal primitiv sagen soll. Er hat ein erhöhtes Mit-
der Aktionär nicht Eigentümer des Unternehmens bestimmungsrecht nach dem neuen Entwurf bei der
und auch nicht Miteigentümer des Unternehmens in Frage der Gewinnverteilung, die ihn besonders an-
dem Sinne ist wie irgendein Mann, der sich ein geht. Er stellt sein Geld zur Verfügung, also muß
Haus kauft, Eigentümer dieses Hauses ist und er auch mit darüber entscheiden können, wieviel an
selbstverständlich auch darüber verfügen kann. Gewinnen als Verzinsung seines hineingesteckten
Geldes an ihn auszuschütten ist, und wieviel etwa
Aber es ist auch nicht richtig, was Herr Kollege aus dem Gewinn wieder neu angelegt wird, wieviel
Deist gesagt hat: daß dieses Mitgliedschaftsrecht, also von seinem Geld in das Unternehmen hinein-
das rein juristisch betrachtet das wirtschaftliche kommt. Das ist eine ganz vernünftige Regelung und
Eigentum des Aktionärs am Unternehmen ist, nicht ist einer der Punkte, durch die die Stellung des
von unserer Rechtsprechung als Eigentum aufgefaßt Aktionärs verstärkt wird.
würde. Sie haben zwar die Rechtsprechung und Lite-
ratur zur Weimarer Verfassung zitiert, Herr Deist, Ich habe an diesem Punkt des Entwurfs eine ge-
aber Sie haben nicht zitiert, was heute unstreitig wisse Kritik anzumelden, daß nämlich hier vielleicht
ist: daß unter Art. 14 unseres Grundgesetzes, näm- der Verwaltung zu enge Grenzen gezogen sind. Ich
lich Schutz des Eigentums, auch derartige Rechte bin der Auffassung, daß die Entscheidung über die
wie Mitgliedschaftsrechte fallen. Frage, wieviel Gewinn auszuschütten ist, bis zu
einem gewissen Grad Aufgabe der Verwaltung sein
(Abg. Dr. Deist: Doch, das habe ich gesagt muß; denn sie ist dafür verantwortlich, daß der
und festgestellt!) Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unter-
— Dann habe ich geschlafen; ich bitte um Entschul- nehmens erhalten bleibt. Das kann nicht bestritten
digung. werden. Aber nun kommen wir zu dem etwas um-
(Heiterkeit.) strittenen Punkt, inwieweit die Verwaltung auch
die Verantwortung allein dafür tragen muß, daß
Wir sind uns dann also darüber einig, daß heute
Rücklagen geschaffen werden, um beispielsweise
nach unserem Grundgesetz dieses Mitgliedschafts- Strukturveränderungen, die im Unternehmen not-
recht als eigentumsähnliches Recht behandelt wird, wendig sind, vorzunehmen. Wir werden uns in
und darauf kommt es uns an. Denn alle diese eigen- den Ausschüssen darüber unterhalten müssen, ob
tumsähnlichen Rechte sind die, Grundlage, auf der die in , dem Entwurf gesetzten Grenzen richtig sind.
nach unserer Auffassung die Wirtschaft basiert. Aber das sind Einzelfragen, auf die ich nicht ein-
Nun hat der neue Entwurf in der Tat einen ent- gehen will. Der Entwurf sieht auch an dieser Stelle
scheidenden Schritt in dieser Richtung getan. Sie vor, daß der Aktionär eine stärkere Stellung haben
berufen sich auf Rathenau, der im Jahre 1922 füh- soll.
rend war in der Aufstellung der These, daß es ein Was können wir nun unter dem Gesichtspunkt
Unternehmen an sich gebe, daß es Interessen der Stärkung des Aktionärs in der Gesellschaft Ent-
gebe, die das Unternehmen unter Umständen gegen scheidendes tun? Ich glaube, das Wichtigste ist, daß
seine Aktionäre vertreten müsse. Das ist etwas wir dem Aktionär und auch demjenigen, der Akti-
lange her, und die Wissenschaft ist längst über onär werden will, zunächst einmal sagen, was eine
diese These hinweg, weil sie nämlich erkannt hat, Aktie wert ist. Dieses Thema haben wir schon in
daß diese These des Unternehmens an sich zu der Kleinen Aktienrechtsform angeschnitten, näm-
nichts anderem führt als dazu, die jeweilige Ver- lich das Thema der Publizität in der Gewinn und
-

waltung zu stärken. Denn ein Unternehmen an sich Verlustrechnung. Jetzt gehen wir auch an die Bilan-
gibt es nicht. zen heran und vor allem an die Bewertungsprin-
Wir Juristen sind zwar sehr tüchtige Leute. Wir zipien für Rücklagenbildung, stille und offene Rück-
haben es fertiggebracht, eine juristische Person zu lagen. Das scheint mir eines der wichtigsten Themen
erfinden und diese juristische Person im Rechts- zu sein.
leben so zu stellen wie eine natürliche Person. Aber In diesem Zusammenhang ist von Herrn Deist
eins haben wir nicht gekonnt: Wir haben ihr nicht Herr Kronstein erwähnt worden, der eine sehr
Geist einhauchen und haben sie nicht lehren kön- wichtige Schrift zu diesem Thema geschrieben hat,
nen, als Unternehmen an sich zu denken und zu dem man in manchen Punkten zustimmen kann.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 597
Dr. Wilhelmi
Wir werden uns auch darüber im Ausschuß ein- Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) : Herr Kollege, Sie
gehend unterhalten müssen. Es geht nicht, daß man zeigen in der Tat eine Wunde auf. Ich gebe zu, daß
die amerikanischen Prinzipien, die sich teilweise das eines der wenigen Probleme im Aktienrecht ist,
aus einem ganz anderen Aufbau des Aktienrechts bei dem ich bis jetzt keine Lösung gefunden zu
ergeben haben, einfach auf unsere Verhältnisse haben glaube. Aber das ist ein einziges Problem,
überträgt. Das sind also Dinge, über die man im und Sie haben uns ein ganz großes Gesetz offeriert,
Ausschuß noch reden muß. ohne auch nur eine Idee ausführen zu können. Also
Aber es ist nun doch nicht richtig, was Herr Deist ich glaube, da liege ich noch ganz gut im Rennen im
gesagt hat, daß der Aktionär nur die Möglichkeit Verhältnis zur SPD.
habe, bei der Gewinnverteilung. und bei der Wahl (Beifall bei der CDU/CSU.)
des Aufsichtsrats mitzuwirken. Es sind ihm eine
Fülle von Rechten gegeben, die noch weiter aus- Also wir werden uns mit diesem Problem befassen,
gebaut werden. Zu diesen Rechten gehört z. B. das und ich bin jedem dankbar, der hier eine Anregung
Auskunftsrecht: bringt.

(Abg. Dr. Deist: Das habe ich genannt!) Was müssen wir weiter für den Aktionär tun, und
was hat der Entwurf in dieser Richtung getan? Wir
Das Auskunftsrecht ist wesentlich dadurch ausge- müssen dafür sorgen, daß der Wille des Aktionärs
baut worden, daß die Anfechtung der Verweigerung in der Hauptversammlung tatsächlich zum Ausdruck
des Auskunftsrechts in einem besonderen Gerichts- kommt. Damit stehen wir sofort vor dem Problem
verfahren eingeführt ist. Im übrigen gibt es das des Depotstimmrechts der Banken. Ich bin der Auf-
Anfechtungsrecht als solches für Beschlüsse über die fassung, daß die Lösung, die der Entwurf hier vor-
Verwendung von Gewinnen, das neu und praktisch sieht, durchaus akzeptabel ist. Sie führt nämlich da-
geregelt ist, so daß der Aktionär also eine Fülle von zu, daß der Aktionär gezwungen ist, sich vor jeder
Rechten hat, die letzten Endes darauf hinauslaufen, Hauptversammlung darüber schlüssig zu werden,
die Verwaltung zu kontrollieren. Alle diese Dinge ob er der Bank eine Vollmacht geben will oder
sind ja eine Auswirkung der Kontrolle über die Tä- nicht. Dadurch wird verhindert, daß mit der Stimme
tigkeit der Verwaltung. Die Frage, wie der Auf- eines Aktionärs, der seine Stimme im Grunde über-
sichtsrat gewählt wird und damit das Organ, das haupt nicht abgeben will, weil ihm die Sache ganz
u. a. die Vertretung der Aktionäre darstellt, vor gleichgültig ist, ein anderer abstimmen kann. Also
allem aber das eigentliche Aufsichtsratsorgan, wird es wird verhindert, daß eine Stimme, die der Inha-
in den Ausschüssen noch sehr eingehend behandelt ber gar nicht abgeben will, von einem Dritten abge-
werden müssen. Ich glaube, hier liegt in der Tat geben wird.
ein sehr ernstes Anliegen vor. Wir sind auch der
Auffassung, daß die Hauptversammlung in irgend- Das scheint mir das einzige zu sein, was am De-
einer Weise griffiger gestaltet werden muß, daß ir- potstimmrecht bisher nicht in Ordnung war. Es geht
gendeine Lösung dafür gefunden werden muß, wie nach unserer ganzen Rechtsauffassung nicht an, daß
gerade die Wahl des Aufsichtsrats auch durch eine man jemandem verbietet, den Bevollmächtigten zu
Riesenhauptversammlung noch praktikabel ist. Das bestellen, den er sich wünscht. Die Banken sind ja
ist eine echte Aufgabe, und das gehört logischer- in der Tat die geborenen Vertreter der Aktionäre in
weise in den ganzen Gedankenzug des neuen Ent- den Hauptversammlungen. Denn sie sind die Orien-
wurfs hinein. Es ist ja mit Recht von Ihnen, Herr tiertesten, sie sind in der Lage, Fachleute in die ein-
Deist, gesagt worden, man müsse dem Aktionär zelnen Hauptversammlungen zu schicken, die auch
mehr Rechte geben. Gut, dazu sind wir durchaus be- dann, wenn einmal eine unvorhergesehene Situation
reit. Wir wollen dem Aktionär mehr Rechte geben. eintritt, von sich aus sachgemäß entscheiden kön-
Aber wir sind der Ansicht, daß er typisch dafür da hen. Also es ist absolut richtig, daß man das Depot-
ist, die Kontrolle auszuüben, wobei ich nicht meine, stimmrecht beibehält und nicht etwa, wie das ein-
daß er es selber machen muß. mal verlangt worden ist, ganz streicht. Aber ich
halte es für wichtig, daß die Gewähr dafür geboten
ist, daß sich der Aktionär vor jeder Hauptversamm-
Vizepräsident Dr. Dehler: Gestatten Sie eine lung in Kenntnis der Tagesordnung der Hauptver-
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Deist? sammlung entscheidet, ob er bevollmächtigen will.
Zweitens kann und soll er nach dem Gesetzent-
Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) : Bitte sehr! wurf zusammen mit dieser Vollmacht Weisungen
geben, an die die Bank dann gebunden ist. Gibt
Dr. Deist (SPD) : Herr Kollege, darf ich Sie im er solche Weisungen nicht, so erteilt er der Bank
Anschluß an diese, wie ich meine, sehr bemerkens- eine Vollmacht, im Sinne der Verwaltungsvor-
schläge zu stimmen.
werten Ausführungen fragen: Sind Sie wirklich der
Auffassung, daß Ihr Beitrag zu diesem wichtigen Diese Regelung unterscheidet sich von der bis-
Problem der Unternehmensverfassung wesentlich herigen Regelung dadurch, daß in Zukunft eine Spe-
konkreter war als das, was Sie an unseren Ausfüh- zialvollmacht für jede Hauptversammlung gegeben
rungen zu diesem Problem bemängelten? Ich will werden muß, während bisher einmal im Jahr eine
damit nur fragen: Ist das nicht ein Problem, bei dem Ermächtigung an die Bank gegeben wurde, die sich
wir uns solche Vorwürfe nicht machen sollten, weil auf sämtliche Aktien bezog, die der betreffende
es sich wirklich um eine schwierige Aufgabe han- Kunde im Depot der Bank hatte. Diese besondere
delt? Bevollmächtigung verhindert es, daß nur eine soge-
598 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Dr. Wilhelmi
nannte Pseudovollmacht vorliegt, daß nämlich von einig — auch unter dem neuen Gesetz so gut funk-
einer Vollmacht Gebrauch gemacht wird, bei deren tionieren wie unter dem bisherigen Gesetz und nach
Erteilung sich der Aktionär gar nicht darüber klar Möglichkeit noch besser; denn davon sind wir alle
war, was nun eigentlich im einzelnen mit ihr ge- abhängig. Im Ziel sind wir uns also einig.
schehen würde. Damit ist aber auch alles nur Mög- Ich darf sagen, die Gesamtkonstruktion der
liche getan, um 'den wirklichen Willen des Aktio- Aktiengesellschaft — ich meine jetzt nicht die Un-
närs zum Ausdruck zu bringen, und sei es der Wille terschiede zwischen dem alten und neuen Gesetz,
des Aktionärs, daß er sagt: Gut, ich gebe eine Voll- sondern die Aktiengesellschaft allgemein — hat
macht ohne Weisung. Dann hat er eben Vertrauen sich bewährt.
zu der Bank, daß sie das schon richtig machen wird,
und dieses Vertrauen darf man ihm nicht einfach Ich möchte noch etwas sagen, was mir am Herzen
wegnehmen und sagen: du darfst der Bank keine liegt. Es wird soviel in wegwerfender Weise vom
Vollmacht geben. sogenannten Managertum gesprochen. Das ist ein
Begriff, der sich aus der Tatsache ergibt, daß bei
Ich bin auch eindeutig gegen die im Volkswagen- den großen Gesellschaften die eigentliche Leitung
gesetz vorgesehene Beschränkung, daß die Banken und das Eigentum nun einmal auseinanderfallen.
nur bis zu 2 % des Kapitals vertreten können. Ich Es regt sich kaum ein Mensch auf, wenn ein Einzel-
bin dagegen, einfach aus meiner Erfahrung mit dem kaufmann große und vielleicht auch gewagte Ge-
Volkswagengesetz heraus. Das hat nämlich nur da- schäfte macht, weil man das Gefühl hat: er trägt
zu geführt, daß ein Teil der Aktionäre, die ihre wirklich die Verantwortung; wenn es schief geht,
Aktien bei den Großbanken hinterlegt hatten — nur hat er sein Vermögen verloren. Das ist bei den gro-
die Großbanken kommen in Frage — und die nicht ßen Aktiengesellschaften insofern nicht der Fall, als
abstimmen konnten, weil die Zeit aus technischen der Vorstand keinen persönlichen Schaden hat, wenn
Gründen nicht langte, die Aktien woanders anlegen. es der Gesellschaft schlecht geht. Den Schaden hat
Ich sehe da auch gar keine Gefahr. Wieviel Anteile der Aktionär, und deshalb soll der Aktionär auch
jemand vertritt, der eine echte Vollmacht hat, soll den Vorstand beaufsichtigen.
mir gleich sein.
Es hat sich aber doch gezeigt, daß der unterneh-
Nun zu der Frage des weiteren Schutzes der
merische Geist, der in jeder Wirtschaft vorhanden
Aktionäre. Auch das spielt eine erhebliche Rolle, sein muß und der letztlich entscheidend dafür ist, eine
vor allem im Konzernrecht. Natürlich kann ich hier
Wirtschaft voranzubringen, in den Vorständen un-
nicht auf Einzelheiten eingehen. Wir haben einen
serer Aktiengesellschaften in hervorragender Weise
sehr weitgehenden Schutz der Minderheiten im vertreten 'ist. Deshalb sollten wir bei allem, was wir
neuen Aktienrecht. Die Anträge der SPD gehen
tun, um das Privateigentum des Aktionärs in seinen
noch darüber hinaus. Das wird noch zu beraten
Kontrollrechten, in seinen maßgeblichen Funktionen
sein. Ich glaube, daß das, was im Gesetz festgelegt
zu stärken, nicht vergessen, daß für das Funktionie-
ist, genügt. Es steht auch in einem organischen Zu-
ren der Wirtschaft das Funktionieren der unter-
sammenhang mit den sonstigen qualifizierten Mehr-
nehmerischen Leitung — neben anderen Faktoren
heiten im ganzen Gesetz. Aber das sind alles Ein-
natürlich — entscheidend ist.
zelheiten, über die wir uns unterhalten können.
Das Entscheidende ist wohl, daß wir an der Ge- (Beifall bei den Regierungsparteien.)
samtkonzeption des Entwurfs festhalten und daß Über das Konzernrecht wäre noch unendlich viel
wir von der CDU/CSU diesen Entwurf voll und zu sagen. Aber lassen Sie mich mit diesen Worten
ganz begrüßen. Alle Vorschläge, die wir zu machen schließen: ich .glaube, hier ist ,ein bahnbrechender
haben, werden nicht, wie es heute in einem Artikel Schritt gemacht worden. Das muß sich alles noch be-
in der „Welt" heißt, der Regierung Schwierigkeiten währen. Wir werden nicht allzuviel Änderungswün-
machen. Vielmehr werden sich alle Vorschläge, die sche haben; aber es gibt Probleme, über die wir spre-
wir zu machen haben — und wir haben eine ganze chen müssen. Gehn wir alle an die Arbeit in den Aus-
Masse von Vorschlägen, die wir bei den Beratun- schüssen! Ich könnte 'mir denken, Herr Deist, daß
gen anbringen werden; Gott sei Dank, daß wir wir, wenn wir diese Arbeit hinter uns haben, sagen:
noch eigene Ideen haben —, in der Richtung der Wir gingen zwar von ganz verschiedenen Ausgangs-
Grundgedanken des Entwurfs bewegen.. Sie wer- punkten aus, wir redeten viel über die Prinzipien,
den höchstens dazu beitragen, diese Grundgedan- aber zum Schluß haben wir in der praktischen Ar-
ken zu vertiefen und festzulegen. beit einige Übereinstimmung erzielt.
(Beifall bei den Regierungsparteien.) (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Schließlich darf ich zur Beruhigung der Opposi-
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
tion sagen: wir Deutschen neigen sehr dazu, immer
Abgeordnete Dr. Atzenroth.
vom Grundsätzlichen auszugehen. Das hat etwas
Gutes; wir . wollen die deutsche Art nicht verleug-
nen. Aber es passiert manchmal, daß wir uns stun- Dr. Atzenroth (FDP) : Meine Damen und Herren!
denlang über die Grundsätze streiten, daß sich Wir führen diese Debatte zum zweiten Male. We-
dann aber folgendes ereignet — das sehe ich häu- sentlich neue Gesichtspunkte sind nicht vorgetragen
fig auch in der großen Politik —: daß das Ziel das- worden und werden auch von mir nicht zu erwarten
selbe ist. Das Ziel nämlich, daß unsere großen Ak- sein.
tiengesellschaften, bei denen ein großer Teil un- (Abg. Dr. Deist: Vielen Dank für die
serer Wirtschaftskraft liegt — darüber sind wir „Blumen" !)
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 599

Dr. Atzenroth
— Herr Dr. Deist, alles das haben wir im vergange- Dr. Atzenroth (FDP) : Es wäre natürlich ver-
nen Jahr gehört, messen von mir, auf die Tribüne zu gehen, wenn
(Zuruf: Neue Ideen fehlen!) ich die erste Seite nicht gelesen hätte. Ich habe hier
die Aufgabe, nicht für die Regierung, sondern für
und was ich Ihnen sage, 'haben Sie wahrscheinlich die Freie Demokratische Partei zu sprechen. Das
auch gehört. Wir wollen ja erst an die praktische ist ein kleiner Unterschied, nicht wahr?
Arbeit herangehen.
Herr Dr. Deist, wenn ich Ihre Ausführungen rich-
Die Haltung der Freien Demokratischen Partei ist
tig verstanden habe, teilen Sie unseren Begriff vom
heute, wo sie in der Regierung ist, keine andere als
Eigentum, soweit die kleinen, mittleren und insbe-
die, die sie im vergangenen Jahr vertrat, als sie
sondere .die Familien-AG in Frage kommen. Für
Oppositionspartei war. Ich könnte meine Ausfüh-
rungen aus ,dem vergangenen Jahr fast wörtlich diese haben Sie eine Sonderregelung gewünscht und
gefordert, die, soviel ich das aus Ihren Ausführun-
wiederholen.
gen habe entnehmen können, im wesentlichen dem
Ich hoffe nur, daß dieses Gesetz, das wir begrü- entspricht, was auch der Regierungsentwurf vor-
ßen, den Engpaß des Rechtsausschusses überwinden sieht.
wird und daß wir es wirklich frühzeitig verabschie-
(Abg. Dr. Deist: Es geht darüber hinaus!)
den können. Ich hätte es für günstiger gehalten,
wenn der Wirtschaftsausschuß schneller in die Ar- — Es geht noch weit darüber hinaus, umfaßt also
beit hätte hineingebracht werden können. noch weitere Rechte. Wenn Sie diese Rechte kon-
kretisieren, Herr Dr. Deist, würden Sie wahrschein-
Meine Damen und Herren, ich mache deshalb nur
lich — ich weiß noch nicht, wie sie aussehen —
einige grundsätzliche Ausführungen und setze mich
unsere Zustimmung haben. Wenn Sie darüber hin-
in einigen Punkten mit dem Kollegen Deist aus-
aus weitergehende Rechte für kleine, mittlere und
einander.
insbesondere Familien-AG wünschen und fordern,
Dieser Gesetzentwurf entspricht im wesentlichen mögen Sie das konkret sagen. Wir sind dann wahr-
unseren Vorstellungen vom Eigentumsbegriff, wenn scheinlich bereit, Ihnen sehr weitgehend zu folgen.
wir auch eine Reihe von Wünschen haben, deren
Erfüllung unseren Idealen mehr entspräche. Der Streit zwischen uns über den Eigentumsbegriff
bezieht sich also im wesentlichen auf die großen
In dem Aktionär sehen wir in erster Linie den Gesellschaften. Dort bestreiten Sie, daß man noch
Eigentümer der Gesellschaft. Ich bin der Meinung, mit dem Eigentumsbegriff bei der Aktie operieren
daß Eigentum, über das ich nicht verfügen kann, könne.
praktisch kein Eigentum ist.
Sie haben uns zunächst einige Beispiele aus der
(Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!) Weimarer Zeit vorgetragen, in der sich eine Ent-
wicklung abzeichnete, die Ihren Gedankengängen
Deswegen ist die Stärkung des Rechts, Herr Dr. entsprach. Aber die Weimarer Zeit glauben wir
Deist, über den Gewinn und seine Verwendung zu jetzt überwunden zu haben. Beispiele, die Sie vorge-
bestimmen, notwendig, während Sie das dem Aktio- tragen haben, sind für uns, besonders was die Per-
när vorenthalten wollen; wir wollen es ihm geben. sonen angeht, auch nicht sehr überzeugend. Sie
(Abg. Dr. Deist: Es ist ihm vorenthalten!) haben ein Zitat vorgetragen, das von dem damaligen
Justizminister Dr. Bredt von der Wirtschaftpartei
— Sie haben recht: jetzt ist es ihm vorenthalten; stammt. Aber das kam aus der ganzen Sphäre seiner
aber wir wollen es ihm mit diesem Gesetz geben. Beamten wie des Herrn Schlegelberger usw. Dessen
Hier liegt der Unterschied unserer beiderseitigen Gedankengut wollen wir doch heute auf keinen Fall
Auffassungen. Wir halten das jetzt noch gültige kritiklos übernehmen. Er ist der Verfasser der Aus-
Recht von 1937 — mit dem Führerprinzip auch auf führungen, die sein Minister nach Ihrer Darlegung
dem wirtschaftlichen Gebiet — für überholt und dann vorgetragen hat.
nicht mehr angemessen.
Auch Rathenau ist für uns heute kein Kronzeuge
mehr. Ich gestehe Ihnen ganz offen, daß ich in
Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter meiner Jugend die Schriften von Walther Rathenau
Dr. Atzenroth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des begeistert gelesen habe. Aber wenn ich sie heute
Abgeordneten Deist? nachträglich wieder einmal durchlese, stoße ich auf
viele Dinge, die heute völlig wirklichkeitsfremd wir-
ken. Er konnte ja auch nicht die Entwicklung voraus-
Dr. Deist (SPD) : Herr Kollege Atzenroth, kennen
sehen, die wir insbesondere nach dem zweiten Welt-
Sie die erste Seite der Begründung des Bundes-
krieg auf dem Gebiet der Wirtschaft genommen
justizministeriums, die dieser sehr unfruchtbaren
haben, insbesondere diese Art der Marktwirtschaft,
Diskussion, die Sie soeben beginnen, den Boden
die wir damals ja nicht hatten.
entzieht und deutlich sagt, daß es nicht richtig wäre,
zu behaupten, daß die wesentlichen Grundlagen des Was die Aktiengesellschaften angeht, so war auch
Gesetzes von 1937 auf nationalsozialistischen Über- in der Weimarer Zeit keine breite Streuung von
legungen — Führerprinzip usw. — beruhten, son- Aktionären vorhanden. Sie gibt heute ganz andere
dern auf eingehenden Erörterungen über eine Grundlagen für die Betrachtung dieser Fragen. Las-
Aktienrechtsreform, die jahrelang vorher angestellt sen wir also die Beispiele aus der Weimarer Zeit.
worden sind? Sie können uns heute nicht mehr überzeugen.
600 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

Dr. Atzenroth
Herr Dr. Deist, Sie sind in Ihrer Kritik unseres rechts — diese Macht anstelle des Aktionärs aus- (I
Eigentumsbegriffs merkwürdige Wege gegangen, Sie üben? Wir würden es für außerordentlich unglück-
haben zunächst einmal sehr drastisch aufgezeigt, wie lich halten, wenn Sie an diese Stelle irgendeine
wenig die kleinen Aktionäre in Wirklichkeit ihre öffentliche Macht, irgendeine staatliche Stelle set-
Rechte ausüben können. Ich gebe Ihnen da völlig zen wollten. Denn, Herr Dr. Deist, nehmen Sie es
recht. Der kleine Aktionär des Volkswagenwerks mir nicht übel, das wäre doch — —
kann sein Eigentumsrecht verhältnismäßig nur ge-
ring ausnutzen. Trotzdem bleibt sein Eigentums- (Abg. Dr. Deist: Das ist doch alles Phantasie!)
recht. Wollen Sie ihm das wegnehmen? Wollen Sie — Ja, aber Sie haben uns nicht gesagt, wer diese
ihn zu einem Darlehensgeber, oder was weiß ich, Rechte anstelle des Aktionärs ausüben soll. Sie ha-
degradieren? Er will es doch nicht! Er will Aktionär ben hier doch ausführlich dargelegt, daß der kleine
sein, er will Anteilsrechte haben. Denn sonst kaufte Aktionär nicht die Möglichkeit der Ausübung seiner
er sich doch ein anderes Papier. Rechte hat. Also: wer soll sie an seiner Stelle aus-
Außerdem ist es in unserer Massengesellschaft üben? Das sagen Sie uns nicht.
unvermeidbar, daß man nur geringe Möglichkeit hat, (Abg. Lange [Essen] : Das müssen wir uns
sein Recht auszuüben. Meine Herren von der SPD, einmal gemeinsam überlegen! Da können
wie übt denn das Mitglied einer Gewerkschaft sein Sie doch nicht einfach propagandistische
Recht aus, wenn es unter 25 000 Menschen steht? Schlußfolgerungen ziehen!)
(Abg. Dr. Deist: Das ist kein Unternehmen!)
— Ja, aber Herr Lange, „gemeinsam überlegen" —
Wie kann das einzelne Gewerkschaftsmitglied, wenn wenn Sie hier Ihre Kritik anbringen, dann müssen
es etwa anderer Meinung ist, diese Meinung zum Sie doch natürlich Ihre kritischen Gedanken so kon-
Ausdruck bringen? Doch praktisch nicht. Das ist ein kretisieren, daß wir zu diesen Gedanken Stellung
ähnliches Beispiel. Wollen Sie ihm deswegen die nehmen können. Wir sind der Meinung: der Aktio-
Mitgliedsrechte innerhalb dieser Gewerkschaft ent- när soll dieses Recht ausüben kraft seines Eigen-
ziehen? tums. Das ist unsere Überlegung. Wenn Sie eine
(Abg. Dr. Deist: Wollen Sie ernsthaft die- andere haben, bitte, sagen Sie sie! Dann werden
sen Vergleich zwischen dem Depotstimm- wir dazu Stellung nehmen. Solange Sie das nicht
recht und der demokratischen Ordnung von tun, müssen wir unterstellen — oder befürchten,
Massenorganisationen ziehen?) will ich lieber sagen,
— Aber Herr Dr. Deist, ich habe doch kein Wort (Abg. Lange [Essen] : Sie dürfen nicht unter-
B) vom Depotstimmrecht gesagt! Sie wollen das Eigen- stellen!)
tumsrecht des kleinen Aktionärs verneinen, — befürchten, Herr Lange! —, daß Sie an
(Widerspruch bei der SPD) diese Stelle staatliche Organe setzen wollen, also
das, was man früher eben Sozialisierung nannte,
weil er nicht die Möglichkeit hat, sein Eigentums- hier, bloß auf dem anderen Wege, wieder einfüh-
recht wirkungsvoll auszuüben. Er kann es nur mit ren wollen.
seiner kleinen Stimme ausüben, und das ist für Sie
nicht wirkungsvoll genug. Sie wollen damit den Auch wir sind für die Verstärkung der Publizität.
Eigentumsbegriff in Frage stellen, und damit habe Darin sind wir einig. Mir ist nicht ganz klargewor-
ich den Vergleich gezogen. den, ob Herr Dr. Deist die hier vorgesehenen Ver-
- öffentlichungspflichten noch weiter ausgedehnt ha-
Der Aktionär soll sein Recht selbst ausüben kön- ben wollte. Sie sagten, wenn ich Sie recht verstan-
nen. Er soll insbesondere — und wir wollen ihm den habe, der Aktionär könne aus den Publizierun-
das Recht verstärken — über das Eigentum auch da- gen, die jetzt nach dem Gesetz vorgeschrieben sind,
durch verfügen, daß er bei der Festsetzung des Er- nicht alles ersehen; er könne z. B. die Bewertungen
trages seines Unternehmens und über die Verwen- nicht überprüfen. Wollen Sie die Publizität so weit
dung des Ertrages mitbestimmt. ausdehnen, daß auch die einzelnen Bewertungsfra-
Damit kommen wir gleich zu dem großen Pro- gen vor der Öffentlichkeit breitgelegt werden? Das,
blem, das ja auch hier bei der Frage der Aktien- glaube ich, würde doch auch von Ihnen als zu weit-
rechtsänderung angeschnitten ist, dem Problem der gehend betrachtet werden. Wir stimmen mit Ihnen
Konzentration wirtschaftlicher Macht. Zweifellos sind darin überein, daß wir weitgehende Publizitätsvor-
die Gefahren einer solchen Konzentration, die Sie schriften fordern. Wir ziehen daraus aber nicht die-
ja auch sehen, in erster Linie bei großen Aktien- selbe Folgerung, die man in Amerika zieht. Dort
gesellschaften vorhanden. Die Macht wird ausgeübt ist festgelegt, daß der Aktionär über die Verwen-
durch die Leitungen der Gesellschaften, und wenn dung dieses Ertrages nicht mitbestimmen darf. Dar-
wir deren Rechte beschneiden, so tun wir einen auf bezog sich vorhin mein Einwand, wir könnten
ersten Schritt, um gegen diese Machtkonzentration die Amerikaner nicht als Vorbild in allen Eigen-
anzugehen. Wollen Sie, Herr Dr. Deist, wenn Sie tumsfragen ansehen. Die Amerikaner — das war
an die Stelle des bisherigen eine Art Unterneh- der Grund für meinen Zwischenruf vorhin — ge-
mensrecht setzen, nun jemandem anders diese stehen dem Aktionär nicht das Recht zu, über die-
Machtausübung übertragen und wem? Das haben Sie ses Eigentum, den Ertrag, der ihm offengelegt wird,
uns nicht gesagt. Wer soll bei Ihrer neuen Form — auch zu bestimmen. Das macht das Management,
wie nannten Sie das: des sozialen Gesellschafts- und der amerikanische Aktionär muß sich mit dem
rechts, der Ausgestaltung des sozialen Gesellschafts begnügen, was ihm von der Unternehmensleitung
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 601
Dr. Atzenroth
als Anteil zugebilligt wird. Das war bisher auch bei Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) : Die interfraktionellen 1
uns so. Künftig soll in die Machtverfügung der gro- Anträgelaudhi:Rctsußfedr-
ßen Unternehmungen stärker eingegriffen werden. führend, der Wirtschaftsausschuß mitberatend. Der
Wirtschaftsausschuß ist im Augenblick nicht bela-
Ich möchte ganz kurz ein Problem anschneiden, stet, so daß er sofort — in der nächsten Woche —
das im Regierungsentwurf kurz übergangen und mit mit der Arbeit beginnen kann. Ich halte das auch
sehr wenigen Worten abgetan ist. Ich meine die für sinnvoll; denn der mitberatende Ausschuß ist
Frage der nennwertlosen Aktie. Es geht darum, ob ja dazu da, die wirtschaftlichen Grundlinien zu ge-
auch bei uns diese Form der Aktie eingeführt wer- ben, und der Rechtsausschuß hat dann zu prüfen,
den soll. Hier würden wir einem amerikanischen inwieweit diese wirtschaftlichen Grundlinien mit den
Beispiel folgen. Wir werden dieses Problem in den rechtspolitischen Grundlinien in Übereinstimmung
Ausschußberatungen zu untersuchen haben. stehen, und hat dann das Gesetz zu vollenden. Ich
glaube, daß diese Arbeitsweise einer Beschleuni-
Darf ich noch einmal kurz zusammenfassen. Unsere
Vorstellungen von diesem Aktiengesetz beruhen in gung dient.
allererster Linie auf der Auffassung, daß wir den
Aktionär als den Eigentümer des Unternehmens an- Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Dr. Mommer!
sehen und daß wir ihm alle Rechte geben müssen,
die wir dem Besitzer von Eigentum zuerkennen. Dr. Mommer (SPD) : Herr Präsident! Meine Da-
Darum die Stärkung des Aktionärs. Andererseits men und Herren! Die Entwürfe enthalten auch we-
müssen aber der Unternehmensleitung soviele Mög- sentliche arbeitsrechtliche Probleme. Es ist deshalb
lichkeiten der unternehmerischen Führung belassen nötig, den Ausschuß für Arbeit zu beteiligen. Das
bleiben, daß sie das Unternehmen wirklich so führt, bedeutet keine Erschwerung der Arbeit, da wir uns
wie es in der Wettbewerbswirtschaft notwendig ist. darüber einig sind, daß die Beratung in einem kom-
binierten Unterausschuß vor sich gehen wird. An
Wenn wir diese Gedanken in diesem Gesetz aus- diesem Unterausschuß muß aber der Ausschuß für
bauen — und ich glaube, daß wir eigentlich mehr Arbeit beteiligt sein, und das ist nur möglich, wenn
gemeinsame Ideen dabei haben, auch mit der Oppo- wir ihn hier als mitberatenden Ausschuß einschal-
sition, als sich bei der heutigen Kontroverse heraus- ten.
gestellt hat —, dann glauben wir, daß doch, Herr
Dr. Deist, auch von dieser Regierungskoalition ein Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Atzenroth!
wirklicher Reformentwurf auf dem Gebiet des
Aktienrechts geschaffen wird, wir hoffen sogar, zum
Dr. Atzenroth (FDP) : Meine Damen und Herren!
1 ) Teil mit Ihrer Hilfe und Ihrer Unterstützung.
Wir können uns dieser Auffassung nicht anschlie-
Zum Schluß darf ich noch den Wunsch vortragen, ßen. Ich kann nicht anerkennen, daß bei diesem Ge-
die Beratungen über dieses Gesetz zügig in die setzentwurf arbeitsrechtliche Fragen zur Erörterung
Wege zu leiten. Ich weiß nicht, wie die Bestimmun- stehen. Es handelt sich um gesellschaftsrechtliche,
gen unserer Geschäftsordnung lauten. Die Entwürfe aber nicht um arbeitsrechtliche Fragen. Wir sehen
werden ja voraussichtlich dem Rechtsausschuß — also keine Veranlassung, noch einen dritten Aus-
federführend — und dem Wirtschaftsausschuß — schuß mit dieser sehr komplizierten und schwierigen
mitberatend — überwiesen. Meine Frage: Wird sich Materie zu befassen.
der Wirtschaftsausschuß sofort an die Beratung die-
ses Gesetzes machen dürfen, obwohl er nur mitbe- Vizepräsident Dr. Dehler: Es besteht also
ratend tätig ist? Ich hoffe es, Sie doch sicherlich Einigkeit darüber, daß der Rechtsausschuß die drei
auch. Dann würden die Arbeiten sofort zweigleisig Entwürfe federführend behandelt und daß der Wirt-
in Angriff genommen werden können, und damit schaftsausschuß mitberatend tätig ist und seine Be-
bestünde die Hoffnung, daß wir schneller fertig ratungen sofort aufnimmt.
werden, als wenn ein Ausschuß hinter dem anderen
Kontrovers ist die Frage, ob auch der Arbeits-
arbeiten muß. ausschuß als mitberatender Ausschuß eingeschaltet
(Abg. Dr. Deist: Die Ladung zur Ausschuß- werden soll. Wir müssen darüber abstimmen. Wer
sitzung liegt schon vor!) dem Antrag, daß der Arbeitsausschuß mitberatend
— Nur zu einer allgemeinen ersten Aussprache. tätig sein soll, zustimmt, gebe Zeichen. — Gegen-
probe! — Das erste war die Mehrheit; auch der
Arbeitsausschuß wird also mitberatend tätig.
Vizepräsident Dr. Dehler: Ich möchte ein Ich rufe dann als zusätzlichen Tagesordnungs-
Wort zu der Anregung des Herrn Kollegen Dr. punkt auf:
Atzenroth sagen. An sich führt der federführende Erste Beratung des von der Fraktion der
Ausschuß die Beratung durch und leitet dann den CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bun-
von ihm beschlossenen Entwurf dem mitberatenden desurlaubsgesetzes (Drucksache IV/ 207).
Ausschuß zu. Das Plenum kann eine andere Rege-
lung treffen. Ich würde es also für zweckmäßig hal- Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Schepp-
ten, wenn Rechtsausschuß und Wirtschaftsausschuß mann das Wort.
sofort die Beratungen beginnen würden. Darf ich
das als Wille des Hauses feststellen? — Herr Kol- Scheppmann (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine
lege Wilhelmi, bitte. Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag
602 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Scheppmann
der CDU/CSU-Fraktion betreffend den Entwurf beitsbelastung des Menschen in der modernen Wirt
eines Bundesurlaubsgesetzes möchte ich namens schaft zum Ausgangspunkt der Überlegungen macht.
meiner Fraktion eine nur kurze mündliche Begrün-
dung geben, weil dem Antrag eine eingehende Nur noch kurz ein Wort über den Inhalt der Vor-
schriftliche Begründung beigefügt ist. lage. Insbesondere möchte ich zu § 3 des vorliegen
den Gesetzentwurfs einiges sagen. Nach den Län-
Meine Damen und Herren! Als die SPD-Fraktion derurlaubsgesetzen beträgt die Mindestdauer des
Ihren Antrag betreffend den Mindesturlaub vom Urlaubs für alle Arbeitnehmer gleichmäßig 12
23. Januar dieses Jahres, Drucksache 142, einge- Werktage. § 3 des Entwurfs setzt in Verbindung
bracht hatte und dieser Antrag dem Ausschuß für mit § 13 die Mindestdauer des Urlaubs unabdingbar
Arbeit überwiesen wurde, haben wir uns damit ein- auf 15 Werktage fest. Die Mindestdauer erhöht sich
verstanden erklärt, auf eine Aussprache zu verzich- nach Erreichung des 35. Lebensjahres oder fünf-
ten, obwohl eine schriftliche Begründung nicht bei- jähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses auf 18
gefügt war. Heute soll nun auf Wunsch der SPD- Werktage. Mit dieser Erhöhung des Mindesturlaubs
Fraktion eine Aussprache stattfinden. Wir scheuen entspricht der Entwurf einem dringenden sozialpoli-
uns nicht, in eine solche Aussprache einzutreten, tischen Anliegen. Stichtag für den Eintritt der Er-
müssen aber die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll höhung des Urlaubs auf 18 Werktage ist der Beginn
und richtig ist, das jetzt zu tun, nachdem hierüber des Kalenderjahres.
schon in der dritten Legislaturperiode gesprochen
worden ist und die Dinge ja nicht ganz unbekannt Ich glaube, daß damit im wesentlichen gesagt wor-
sind. den ist, warum die Fraktion der CDU/CSU diesen
Antrag eingebracht hat. Ich bin der Auffassung, daß
Der Deutsche Bundestag hat sich bereits in der der Entwurf dem Ausschuß für Arbeit überwiesen
dritten Wahlperiode mit dem Entwurf eines Bun- werden sollte, damit da in der Beratung zu den ein-
desurlaubsgesetzes beschäftigt. Die Fraktion der zelnen Fragen, die in den Paragraphen aufgeworfen
SPD hatte unter dem 11. November 1959 einen da- sind, Stellung genommen werden kann. Für heute
hingehenden Gesetzesantrag eingebracht, der sei- möchte ich mich damit begnügen. Ich bitte also um
nerzeit auch in erster Lesung behandelt worden ist. Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Ar-
Wir haben auch im Verlaufe der Beratungen die beit.
Sozialpartner angehört und haben deren Meinung (Beifall bei der CDU/CSU.)
also inzwischen kennengelernt. Das Hauptanliegen
meiner Fraktion besteht darin, zu einer bundesge-
setzlichen Regelung des Urlaubsrechts zu kommen, Vizepräsident Dr. Dehler: Herr Abgeordneter
um der unerfreulichen Rechtszersplitterung auf die- Behrendt hat das Wort.
sem Gebiete ein Ende zu machen.
Bundeseinheitliche Urlaubsregelungen bestehen Behrendt (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen
zur Zeit nur für Teilbereiche. So regelt das See- und Herren! Bei der Behandlung unserer Großen
mannsgesetz den Urlaubsanspruch der Kapitäne Anfrage am gestrigen Tage ging es auch um die
und der Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischif- Methoden der Arbeits- und Sozialpolitik. Es wurde
fen selbständig und abschließend. Ebenfalls ab- hier erklärt, daß weiter zügig vorangegangen würde.
schließend regelt das Jugendarbeitsschutzgesetz Wir waren erstaunt, in den Zeitungen und sonstigen
vom 9. August 1960 den Erholungsurlaub der Ju- Pressemeldungen zu lesen, daß sich die CDU/CSU
gendlichen bis zum 18. Lebensjahr. Außerdem ist im auch zu einem Bundesurlaubsgesetz — allerdings
Schwerbeschädigtengesetz eine Regelung wegen des - nach einigen Geburtswehen — durchgerungen hat,
Zusatzurlaubs für die Schwerbeschädigten enthal- das einen Mindesturlaub für Arbeitnehmer festlegt.
ten. Der zweimaligen Gesetzesvorlage der sozialdemo-
Ich darf zu der Frage, ob einer solchen gesetz- kratischen Bundestagsfraktion folgt nun heute der
lichen Regelung die Tarifautonomie der Tarifpart- Entwurf der CDU/CSU. Wie vorhin schon Kollege
ner entgegensteht, sagen: der vorliegende Entwurf Scheppmann erwähnte, hat bekanntlich die sozial-
enthält lediglich Mindestnormen, die dem weiteren demokratische Bundestagsfraktion bereits im
Ausbau des Urlaubsrechts und seiner Fortentwick- 3. Deutschen Bundestag am 16. März 1960 und kürz-
lung durch die Sozialpartner nicht entgegenstehen. lich erneut am 24. Januar 1962 den Entwurf eines
Ebensowenig wie in den Länderurlaubsgesetzen Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer ein-
bisher eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie gebracht. Der letzte Entwurf wurde dem Ausschuß
gesehen worden ist; kann man sie im vorliegenden für Arbeit zur weiteren Beratung überwiesen.
Entwurf sehen, der den Tarifpartnern einen weiten Anstatt nun im zuständigen Ausschuß für Arbeit
Raum für ihre eigenverantwortliche Rechtsgestal- an Hand des sozialdemokratischen Gesetzentwurfes
tung läßt. in die Sachberatung einzutreten, wurden dessen
Das weitere sozialpolitische Anliegen des vor- Verhandlungen blockiert. Warum geschieht das
liegenden Entwurfs ergibt sich aus der Zweckbe- eigentlich? Zunächst sicherlich, weil sich die Koali-
stimmung des den Arbeitnehmern gewährten Erho- tionsparteien über ein Bundesurlaubsgesetz nicht
lungsurlaubs, der Erhaltung und Wiederauffrischung einig waren und sind. Das Fehlen der Unterschrift
ihrer Arbeitskraft zu dienen. An diesem Zweck muß der Freien Demokraten unter diesem Gesetzentwurf
die Urlaubsdauer gemessen werden. Die Frage, wie beweist das sicherlich. Zum anderen aber auch, weil
lang ein wirklich zweckgerechter Urlaub sein muß, sich die CDU selbst nicht einig war und es erst recht
läßt sich also nur beantworten, wenn man die Ar- langwieriger und eigenartig anmutender Beratun-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 603
Behrendt
gen bedurft hat, um diese Gesetzesvorlage als Kom- Ihre Regelung greift also rigoros in den Prozeß
promiß zustande zu bringen und heute einzubringen. der beginnenden Erholung ein, und dem eigent-
lichen Zweck des Urlaubs, nämlich der Wiederher-
Dieser Gesetzentwurf, ein Kompromiß also, von stellung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit und
einer Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion beschlossen, der Arbeitskraft wird nicht im mindesten Rechnung
hat in der entscheidenden Frage, der Länge der getragen. Ich spreche unzweideutig aus, daß wir im
Mindesturlaubsdauer, zu einem völlig unzureichen- Hinblick auf den heutigen Stand der Erkenntnis
den und auch sehr bedenklichen Ergebnis geführt. 18 Tage Urlaub auf die Dauer für zuwenig halten.
Ich will zu drei Komplexen des Gesetzentwurfs Wir werden in wenigen Jahren diesem Hohen Hause
grundsätzliche Bemerkungen machen, zunächst zu unsere Forderung auf einen Mindesturlaub von vier
dem Komplex, der die Dauer des Urlaubs betrifft. Wochen jährlich vorlegen.
Nach Ihrem Vorschlag soll der Mindesturlaub 15 (Abg. Stingl: Das haben wir gar nicht an
Werktage betragen. Weiter soll, wie auch vorhin ders erwartet!)
begründet wurde, nach Erreichung des 35. Lebens-
Nun zu der Steigerung des Urlaubs und Ihrer
jahres oder nach fünfjähriger Dauer des Arbeits- Treueprämie bei fünfjähriger Betriebszugehörigkeit
verhältnisses beim gleichen Arbeitgeber die Min- bei demselben Arbeitgeber! Beachtenswert ist, daß
destdauer des Urlaubs auf 18 Werktage erhöht wer- Sie die Erhöhung des Mindesturlaubs auf 18 Tage,
den. Was soll nun eigentlich eine bundesgesetz- wie es Kollege Scheppmann ausgeführt hat, mit
liche Regelung von 15 Werktagen Mindesturlaub?! einem dringenden sozialpolitischen Anliegen be-
Deutlicher konnte die Mehrheit der CDU/CSU-Frak- gründen, — beachtenswert im Hinblick auf das
tion nicht die Tendenz aufzeigen, die in diesem un- 35. Lebensjahr. Begrüßenswert ist Ihr neuer Stand-
sinnigen Vorschlag ihren Niederschlag fand. punkt, mit dem Sie unserer bisherigen Auffassung
(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. beitreten, daß durch ein Mindesturlaubsgesetz nicht
Schütz: Ist der Tarifvertrag, den die IG Me- in die Tarifautonomie der Sozialpartner eingegriffen
tall abgeschlossen hat, auch unsinnig?) wird. Um so mehr sind wir jetzt darüber erstaunt,
daß Sie eine Steigerung des Urlaubs von der Dauer
— Aber, aber, warten Sie, ich werde etwas zu den der Zugehörigkeit zum selben Betrieb abhängig
15 Tagen sagen. machen wollen. Das ist nach unserer Auffassung tat-
sächlich ein Eingriff in die Tarifautonomie, da viele
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist immer-
bestehende Tarifverträge solche Urlaubsregelungen
hin die größte Gewerkschaft!)
enthalten.
Rücksichtslos hat man sich hier über die Belange zur (Lachen bei der CDU/CSU. — Zurufe von
Erhaltung der Volksgesundheit hinweggesetzt, der Mitte: Das ist eine Logik! - Kaum be
(Oho-Rufe bei der CDU/CSU) greifbar!)
— Das haben Sie ja mit der Regelung nach der
die doch bei einer einheitlichen bundesgesetzlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit bewiesen!
Regelung Beachtung hätten finden müssen. Rück-
sichtslos hat man sich auch über die Forderungen Noch unverständlicher wird dieser Teil des Ge-
der Arbeitsmediziner und anderer Wissenschaftler setzentwurfs, wenn ich an die Ergebnisse der Unter-
hinweggesetzt, die doch nach einer gutachtlichen suchungen des Bundesministers für Arbeit und So-
Anhörung — — zialordnung über das Urlaubsrecht für Arbeit erin-
- nere. In der amtlichen Bekanntmachung vom 10. Ja-
(Abg. Dr. Atzenroth: Sieben Wochen!) nuar 1962 heißt es darüber — ich darf mit Geneh-
— Sagen Sie doch nicht unsinnigerweise: sieben migung des Herrn Präsidenten verlesen —:
Wochen; solche Äußerungen sind doch hier völlig Die Merkmale, nach denen eine Steigerung des
deplaziert. Die Wissenschaftler haben eindeutig ge- Grundurlaubs möglich ist, wurden in annähernd
sagt, daß ein dreiwöchiger Urlaub das Minimum einem Drittel der neu abgeschlossenen Tarif-
dessen ist, was ohne Zweifel erwünscht ist. verträge verändert. Dabei läßt sich vor allem
Haben Sie sich wirklich genau überlegt, was ein zunehmendes Gewicht des Merkmals Lebens-
15 Werktage Urlaub in der Praxis bedeuten? alter an Stelle des bisher überwiegenden Merk-
mals Betriebszugehörigkeit feststellen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sicher! — Klar!)
Obwohl der Trend also eindeutig von der Betriebs-
Arbeitnehmer, die mit ihren Ehepartnern und Kin
zugehörigkeit wegführt,
-derniUlaubfhwoen,müsdai
den weitaus meisten Fällen aus Gründen, die sie (Abg. Stingl: Steht in unserem Gesetzent
nicht zu vertreten haben, ihren Urlaub bereits nach wurf das Lebensalter drin!)
14 Tagen abbrechen. Die anderen Tage werden ver-
tan und kommen nicht der Erholung selbst zugute, gehen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf zum Teil genau
was eigentlich beim Erholungsurlaub der Fall sein den entgegengesetzten Weg und fallen damit einer
sollte. Das würde darauf hinauslaufen, daß gerade gesunden Entwicklung hemmend und rückschrittlich
nach der Umstellungszeit von zwei Wochen, wenn in den Arm.
in der dritten Woche die eigentliche Erholung an- Ferner muß noch auf folgendes hingewiesen wer-
fängt, durch eine solche Regelung eine Unterbre- den. Junge und beruflich interessierte Menschen,
chung eintrit. die ihren Arbeitsplatz wegen ihrer beruflichen Fort-
604 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Behrendt
entwicklung wechseln, bestrafen Sie durch Ihren Unser erster Entwurf datiert vom 11. November
Gesetzentwurf, ebenso jene, die nur durch einen 1959, der zweite vom 22. Januar 1962. Bei gutem
Stellenwechsel berufliche Aufstiegschancen wahr- Willen hätten wir bereits im 3. Deutschen Bundes-
nehmen können. tag eine bundeseinheitliche Mindesturlaubsregelung
verabschieden können. Wir meinen, daß es den
Geradezu grotesk wird es aber, wenn Arbeitneh-
deutschen Arbeitnehmern nicht zuzumuten ist, durch
mer wie z. B. im Falle der Borgward-Werke ihren
die Saumseligkeit des Parlaments ein weiteres Jahr
Arbeitsplatz verlieren, ohne selbst diesen Arbeits-
um eine gerechte Urlaubsregelung gebracht zu wer-
platzverlust verhindern zu können. Hier müßten
den.
Sie selber spüren, wie ungerecht eine solche Rege-
(Zustimmung bei der SPD.)
lung, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit
ausgeht, ist. Wenn man der Auffassung ist, daß, wie Der Ausschuß für Arbeit ist in der Lage, in kürze-
Sie selber in Ihrer Begründung sagen, die Frage ster Teit dem Hohen Hause ein Bundesgesetz über
nach der notwendigen Länge des Urlaubs sich nur Mindesturlaub für Arbeitnehmer zur Beschlußfas-
auf Grund der Arbeitsbelastung des Menschen in sung vorzulegen, das als Tag des Inkrafttretens den
der Wirtschaft und, wie .ich hinzufüge, nach dem 1. Januar 1962 tragen kann. Die sozialdemokratische
Stand unserer Volksgesundheit beantworten lasse, Bundestagsfraktion wird alles daransetzen, um zu
kann man doch der Dauer der Betriebszugehörigkeit einer solchen schnellen Regelung zu kommen.
keinen Einfluß auf die Länge und Notwendigkeit
(Beifall bei der SPD.)
des Urlaubs einräumen. Das sollte doch eigentlich
klar sein, Herr Kollege Stingl.
Vizepräsident Dr. Dehler: Das Wort hat der
(Abg. Stingl: Ich bin anderer Meinung! Sie Abgeordnete Dürr.
haben mich nicht überzeugt!)
Dürr (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und
Weiter möchte ich zu Ihrem Vorschlag über die Herren! Es ist erfreulich, wenn jemand wie der Kol-
Urlaubsentgeltberechnung einiges sagen. Ich meine, lege Behrend in den frühen Nachmittagsstunden des
hier haben Sie ungewollt ein Arbeitsbeschaffungs- Freitags noch eine so temperamentvolle Rede hält;
programm mit aufgenommen. Warum, will ich Ihnen aber ich glaube, er hat auf seiner Fanfare viel zu
sagen. In Ihrer Begründung sagen Sie, daß die bei- grelle Töne ausgestoßen, und in meiner schwäbi-
den Methoden für die Urlaubsentgeltberechnung, schen Heimat würde man ihm in aller Freundschaft
nämlich die Berechnung nach einer in der Vergan- anraten, er solle doch etwas die Kirche im Dorf las-
genheit liegenden Referenzperiode oder nach dem sen. Er hat ein paarmal mit den Worten „unsinnig"
Lohnausfallprinzip, sowohl Vor- wie Nachteile hät- um sich geworfen, hat davon gesprochen, man setze
ten. Sie haben sich für das Lohnausfallprinzip ent- sich rücksichtslos über die Belange der Volksgesund-
schieden und verweisen auf das Jugendarbeits- heit hinweg, „Verschleppungstaktik", und bei gutem
schutzgesetz und das Seemannsgesetz. Das Jugend- Willen hätte bereits der 3. Deutsche Bundestag die-
arbeitsschutzgesetz scheint mir hier eine schlechte ses Gesetz fertigmachen können. Also unterstellt
Begründung zu sein; denn was ein Jugendlicher er dem 3. Deutschen Bundestag bzw. seiner Mehr-
verdient, liegt in den weitaus meisten Fällen genau heit schlechten Willen. Er redete von der Saumselig-
fixiert fest. keit des Parlaments. Lieber Herr Kollege Behrend,
Urlaubsentgeltberechnung ist sicherlich keine ich hoffe, daß wir nach dieser wohl hauptsächlich
Grundsatzfrage. Wir meinen daher — und ich- aus Gründen der Propaganda so laut tönenden Fan-
glaube, auch Sie sind dieser Auffassung —, daß wir fare im Ausschuß wieder zu ruhigerer Zusammen-
hier die praktikabelste Lösung suchen sollten. Des- arbeit kommen.
halb sind wir dafür, das Urlaubsentgelt nach dem (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zu
Arbeitsverdienst zu bemessen, den der Arbeitneh- ruf von der SPD: Man kann es auch so
mer in den letzten drei Monaten vor Antritt des sagen!)
Urlaubs durchschnittlich bezogen hat. Ein solches
Verfahren hat sich als sehr praktikabel erwiesen, Wenn Sie, Herr Kollege Behrendt, behaupteten, daß
z. B. auch beim Mutterschutzgesetz, beim Arbeiter- sich die CDU mit ihrem Entwurf rücksichtslos über
krankheitsgesetz, bei der Zahlung von Arbeits- die Belange der Volksgesundheit hinwegsetze, was
losen- und Krankengeld. Das Lohnausfallprinzip müssen wir Freien Demokraten dann erst für böse
führt nach allen Erfahrungen zu zu vielen Schwie- Sünder sein, die wir diesem Entwurf nicht einmal
rigkeiten, und eine solche Regelung führt unweiger- beigetreten sind.
lich und sicherlich ungewollt zu einer ungeheuren (Abg. Behrendt: Hoffentlich stimmen Sie
Mehrbelastung unserer Arbeitsgerichte. Wir Blau- unserem Entwurf zu!)
ben, das sollte noch einmal gründlich durchdacht
werden. — Wir werden sehen. An jedem Ende einer Legis-
laturperiode kommt eine Statistik heraus, aus der
Zum Schluß will ich die Frage des Inkrafttretens hervorgeht, wieviel Gesetze dieses Hohe Haus ver-
noch kurz anschneiden. Sie haben in Ihrem Entwurf lassen haben. Wir alle müssen in Versammlungen
den 1. Januar 1963 vorgesehen. Wir wenden uns und in Gesprächen immer wieder zugeben, daß
mit aller Entschiedenheit gegen diese Verschlep- schon etwas Wahres daran ist, wenn man sagt, die-
pungstaktik. ses Haus mache nicht nur Gesetze, die unbedingt
(Sehr richtig! bei der SPD.) nötig seien. Wir sind der Meinung, daß ein Bundes-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 605
Dürr
urlaubsgesetz nicht unumgänglich nötig ist. Ich vom 1. Januar 1962 bis heute bereits einige Arbeit-
stamme aus der Gegend der Bundesrepublik, der nehmer ihren Betrieb gewechselt haben und die
einzigen, die noch keine gesetzliche Urlaubsrege- Betriebe, aus denen diese Arbeitnehmer ausgeschie-
lung hat, nämlich aus dem Landkreis Süd-Württem- den sind, dann noch nachträglich mit erheblichen
berg-Hohenzollern des Landes Baden-Württemberg, Schwierigkeiten, mit Abgeltung des Urlaubs usw.,
und ich versichere Ihnen, daß mir in mehr als 400 belastet würden.
Versammlungen, die ich in den letzten Jahren allein Ich sage Ihnen dies nur, um darzulegen, daß die-
im Landesteil Süd-Württemberg gehalten habe, nicht ses Gesetz nicht mit dem gewünschten Kurzstrecken
einziges Mal die Notwendigkeit einer gesetzlichen tempoiAuschßfrgbeatnwdk.
Urlaubsregelung vorgetragen worden ist. Das
scheint mir ein wenig symptomatisch zu sein. ,(Abg. Folger: Sind zweieinhalb Jahre eine
Kurzstrecke?)
(Abg. Franzen: Es kommt auf den Perso-
nenkreis an, vor dem Sie gesprochen — Ob zweieinhalb Jahre eine Kurzstrecke sind?
haben!) Lieber Herr 'Kollege Folger, das hängt doch mit der
Diskontinuität der Legislaturperioden zusammen.
— Es mag in der Stadt Reutlingen in Süd-Württem-
Aus gutem Grunde ist es eben so, daß mit dem Sep-
berg sehr viele Millionäre geben. Aber wenn man
tember 1961 die halbfertigen Gesetzentwürfe zugun-
etwas mehr als 400 Versammlungen abgehalten hat,
sten der neu ins Parlament hineinkommenden Kol-
kann man die nicht nur vor Millionären gehalten
leginnen und Kollegen als nicht mehr existent gel-
haben; es ist vielmehr auch noch ein anderer Perso-
ten. Weitere Einzelheiten bitte ich bei Ihrem rechts-
nenkreis dabei, Herr Kollege Franzen.
kundigen Kollegen Jahn zu erfragen. Er wird Ihnen
Ich will gar nicht auf die Einzelheiten eingehen, sagen, daß ich im Grunde schon recht habe.
die wir natürlich mitberücksichtigen müssen. Der
Kollege Scheppmann hat in seiner Rede, die er in (Beifall bei den Regierungsparteien. —
der 107. Sitzung des Deutschen Bundestages im Abg. Jahn: Das werde ich nicht sagen; denn
März 1960 gehalten hat, mit Recht darauf hingewie- so haben Sie nicht recht! — Abg. Blach
sen, daß auch die Urlaubsfrage in ihrem volkswirt- stein: Das hat mehr mit der Koalition als
schaftlichen Zusammenhang mit Arbeitszeit und mit dem Recht zu tun. — Abg. Jahn: Das
Lohn gelöst werden sollte. Hier stellt sich dem Aus- würde ich auch sagen!)
schuß eine Aufgabe, die er keineswegs im Tempo — Ich glaube, lieber Herr Kollege Blachstein, bei
eines Kurzstreckenläufers bewältigen kann, wenn diesem Urlaubsgesetz dreht es sich nicht nur um
er nicht eventuell schwere Fehler machen will. Wir Machtfragen, sondern auch um Zweckmäßigkeits-
müssen uns auch eines überlegen. Wir haben schon fragen. Hier hat keine Partei die richtige Ansicht
jahrelang eine Hochkonjunktur, und wir müssen im- über Zweckmäßigkeit allein gepachtet. Ebenso ha-
mer daran denken, Gesetze zu machen, die nicht ben sich ja gestern, als es um die Zweckmäßigkeits-
allein für Zeiten der Hochkonjunktur geeignet sind frage bezüglich des Gewehrs im Schrank ging, die
und die nicht mehr praktikabel wären, wenn das Meinungen der Fraktionen nicht auf einen Nenner
eintreten sollte, was wir alle nicht hoffen, nämlich bringen lassen.
ein Abflauen, ein starker Rückgang der Konjunktur.
Aber hoffen wir, daß wir die Geschichte zu einem
(Abg. Jahn: Danach entfällt die Notwen- einigermaßen guten Ende bringen, wenn es auch
digkeit von Urlaub bei schlechter Konjunk- nicht so schnell geht, wie es der Kollege Behrendt
tur, oder was meinen Sie damit?) und seine 'Fraktion gewünscht hätten.
-
— Keineswegs, Herr Kollege, aber Sie haben mit (Beifall bei den Regierungsparteien.)
Ihrem Zwischenruf das ausgesprochen falsche Bei-
spiel gewählt. Daß diese Folgerung nicht von mir
gezogen wird, ist wohl eine klare Sache; ein ganz Vizepräsident Dr. Dehler: Der Entwurf soll
klein wenig verstehe ich noch von der Logik. Wir an den Ausschuß für Arbeit überwiesen werden. —
müssen uns auch darüber klar sein, daß wir in der Bitte, Herr Kollege Brand!
Bundesrepublik gemessen an den übrigen EWG-
Ländern die kürzeste Jahresarbeitszeit haben. Über
dieses Problem muß ebenfalls im Ausschuß gespro- Brand (Remscheid) (CDU/CSU) : Mit Rücksicht
darauf, daß dieses Urlaubsgesetz erhebliche wirt-
chen werden.
schaftliche Auswirkungen hat, beantrage ich, daß es
Ein letztes Wort, lieber Herr Kollege Behrendt, dem Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung über-
zu Ihrer Schlußfanfare, nämlich zu Ihrer Aufforde- wiesen wird.
rung, ein Bundesurlaubsgesetz bereits mit Wirkung
vom 1. Januar 1962 in Kraft treten zu lassen. Im
Satz zuvor haben Sie an einem Beispiel dargelegt, Vizepräsident Dr. Dehler: Darf sich annehmen,
was Sie als eine Arbeitsbeschaffung für die Lohn- daß das die Meinung des Hauses ist: Federführend
büros ansehen würden. Das betraf eine andere Ausschuß für Arbeit, mitberatend Wirtschaftsaus-
Sache. Wenn wir Ihrem letzten Vorschlag folgten, schuß?
ein Bundesurlaubsgesetz bereits mit Wirkung vom (Widerspruch bei der SPD. — Abg. Jahn:
1. Januar 1962 in Kraft treten zu lassen, wäre das Der Mitberatung im Wirtschaftsausschuß
nebenbei ebenfalls eine kräftige Arbeitsbeschaffung wird widersprochen! Ich bitte, abstimmen
für die Lohnbüros, schon deshalb, weil in der Zeit zu lassen!)
606 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962
Vizepräsident Dr. Dehler
— Besteht Einigkeit darüber, daß der Ausschuß für Wirtschaftsausschuß mitberatend sein soll, erhebe
Arbeit federführend sein soll? sich. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehr-
(Zustimmung.) heit; dann ist so beschlossen.
— Das ist der Fall. Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich
berufe die nächste Sitzung ein auf Dienstag, den
Dann lasse ich über den weiteren Antrag, daß der 13. März 1962, 9 Uhr.
Wirtschaftsausschuß mitberatend sein soll, abstim-
men. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Ge- Die Sitzung ist geschlossen.
genprobe! — Enthaltungen? — Es besteht noch
keine Einigkeit im Präsidium. Ich wiederhole die
Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmt, daß der (Schluß der Sitzung: 12.18 Uhr.)
Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 607

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich

Liste der beurlaubten Abgeordneten Michels* 23. 2.


Müller (Nordenham) 23. 2.
Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Remscheid) 27.2.
Müller-Hermann* 23. 2.
a) Beurlaubungen Neubauer 23. 2.
Dr. Aigner* 23.2. Oetzel 7. 4.
Altmaier 23. 2. Ollenhauer 23. 2.
Dr. Aschoff* 23. 2. Dr.-Ing. Philipp* 23.2.
Bazille 23. 2. Frau Dr. Probst* 23. 2.
Berlin 23.2. Rademacher* 23.2.
Birkelbach* 23. 2. Reitzner 28. 2.
Frau Blohm 23. 2. Richarts* 23. 2.
Dr. Brecht 23. 2. Dr. Rieger 10. 3.
Brünen 35. Rollmann 23. 2.
Dr. Bucerius 23. 2. Ruland 23. 2.
Dr. Burgbacher* 23. 2. Sänger 23. 2.
Corterier 23. 2. Schmücker 23. 2.
Cramer 23. 2. Dr. Schneider 10. 3.
Dr. Dahlgrün 6. 3. Schoettle 23. 2.
Dr. Deist* 23. 2. Seifriz* 23. 2.
Deringer* 23. 2. Seuffert 23. 2.
Dr. Dichgans* 23. 2. Soetebier 23. 2.
Dr. Dittrich 23.2. Stein 23. 2.
Drachsler 23. 2. Stooß 23. 2.
Eisenmann 23. 2. Storch* 23.2.
Frau Dr. Elsner* 23.2. Striebeck 23. 2.
Engelbrecht-Greve* 23. 2. Frau Strobel* 23.2.
Etzel 23.2. Dr. Tamblé 23. 2.
Faller* 23. 2. Theis 7. 3.
Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 23. 2. Tobaben 23. 2.
Dr. Furler* 23. 2. Wächter 23. 2.
Gedat 23.2. Wehner 23. 2.
Gehring 23. 2. Weinkamm* 23. 2.
Gerns 23 .2. Wischnewski* 23. 2.
D. Dr. Gerstenmaier 28.2. Wullenhaupt 23. 2.
Glombig 14.3. Zoglmann 27. 2.
Goldhagen 23.2.
Dr. Gradl 23. 2.
Haage (München) 23.2.
Hahn (Bielefeld)* 23.2. -
Anlage 2 Umdruck 35
Dr. Heck 23.2. Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU,
Hirsch 23. 2. SPD, FDP zur Beratung des Mündlichen Berichts
Horn 23. 2. des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Illerhaus* 23.2. Geschäftsordnung (1. Ausschuß) - Geschäftsord-
Jaksch 23. 2. nungsangelegenheiten - über den Antrag der
Kalbitzer* 23. 2. Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend
Frau Kalinke 23. 2. Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21
Frau Dr. Kiep-Altenloh 23.2. Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie ge-
Dr. Kohut 23. 2. mäß j 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes
Dr. Kreyssig* 23. 2. (Drucksachen IV/ 189, IV/ 196).
Kriedemann* 23. 2.
Kuntscher 23. 2. Der Bundestag wolle beschließen:
Leber 23. 2. Im Ausschußantrag werden die beiden letzten
Lenz (Brühl)* , 23.2. Sätze gestrichen und durch folgenden Text ersetzt:
Lücker (München)* 23.2.
Dr. Baron Manteuffel-Szoege 23. 2. „Eine Abstimmung findet nur statt, wenn der
Margulies* 23. 2. Ausschuß empfiehlt, von dem Recht des Bundes
Mattick 23.2. tages gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 des Außenwirt-
Mauk* 23. 2. schaftsgesetzes oder gemäß § 77 Abs. 5 Satz 3 des
Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 2.
Dr. Menzel 31. 3. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen
Metzger* 23. 2. Parlaments.
608 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962

Zollgesetzes Gebrauch zu machen. Das gleiche gilt, zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung
wenn bei Aufruf des Tagesordnungspunktes ein eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in
entsprechender Antrag aus der Mitte des Hauses Nizza am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung des
vorliegt. Er bedarf der Unterschrift von mindestens Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die
so viel Mitgliedern wie einer Fraktionsstärke ent- internationale Registrierung von Fabrik oder Han-
-

spricht. Für Änderungsanträge gilt § 100 der Ge- delsmarken (Drucksachen IV/ 101, IV/ 197).
schäftsordnung.
Der Bundestag wolle beschließen:
Bonn, den 21. Februar 1962 Artikel 2 erhält folgenden Satz 2:
Dr. von Brentano und Fraktion Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Ge-
Ollenhauer und Fraktion setzes erlassen werden, gelten im Land Berlin
nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom
Dürr und Fraktion 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1).

Bonn, den 22. Februar 1962

Anlage 3 Umdruck 39 Dr. Weber (Koblenz)


Dr. Reischl
Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. We-
ber (Koblenz), Dr. Reischl, Dr. Bucher und Genossen Dr. Bucher

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