Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4.
November 1949 351
den Antrag der Fraktion der FDP betr.
Einfügung eines neuen § 48a (Finanz- vorlagen) in die vorläufige Geschäftsord- nung (Drucksachen Nr. 59 und 129) . . . 358D Dr. Arndt (SPD) (zur Geschäftsord nung) 358D Anfrage der Abg. Frau Dr. Brökelschen und Gen. betr. Durchgangslager Bohldamm (Drucksache Nr. 110) 359A, 360A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 359A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen . 360B Anfrage der Abg. Frau Wessel und Gen. betr. Anschlag im Pressehaus über die Ab wertung der D-Mark (Drucksache Nr. 122) 359A 15. Sitzung Dr. Reismann (Z) . . . . . . 359B, D Schäffer, Bundesminister d. Finanzen 359C, 360A Bonn, Freitag, den 4. November 1949. Anfrage der Abg. Renner und Gen. betr. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 351C, 360D Anschlag im Pressehaus über die Abwer- tung der D-Mark (Drucksache Nr. 123) . 360C Anträge der Fraktion der KPD betr. Demon Renner (KPD) . . . . . . . . 360C t ageverwei gerer Drucksach en Nr. 7 u. 11) 351D Paul (KPD), Antragsteller . . 351D, 352C Nächste Sitzung 360D Schoettle (SPD) 352B Die Sitzung wird um 11 Uhr 16 Minuten durch Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet. Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwi- schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren! (Drucksache Nr. 117) . . . . . . . . 352D Ich eröffne die 15. Sitzung des Deutschen Bun- Arndgen (CDU), Antragsteller . . 352D destags. Richter (SPD) 353B Nuding (KPD) . . . . . . . . 353D - Ich lasse zunächst die Liste der abwesen Dr. Wellhausen (FDP) 354C den Mitglieder des Hauses verlesen. Gundelach, Schriftführer: Beurlaubt sind we- Mündlicher Bericht des Ausschusses für Hei- matvertriebene über den Antrag der Abg. gen Krankheit die Abgeordneten Nickl, Gengler, Ollenhauer und Gen. betr. Maßnahmen zur Frau Rösch, Dr. Mücke, Schönauer, Klabunde, Mül- Bekämpfung der Notstände bei den Ver- ler (Oskar), Müller (Kurt), Fisch; auf Grund von triebenen (Drucksachen Nr. 33 und 125) . 354D Entschuldigungen die Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Wenzel (SPD), Berichterstatter . 354D Dr. Baur, Kühling, Wönner, Reimann, Leibrand, Tichi, Determann und Klinge. Mündlicher Bericht des Ausschusses für Hei- matvertriebene über den Antrag der Abg. Präsident Dr. Köhler: Weitere Mitteilungen sind Ollenhauer und Gen. betr. Arbeitsbeschaf- meinerseits nicht vorgesehen. fung für Heimatvertriebene (Druck- Meine Damen und Herren! Zu den Punkten 1 sachen Nr. 77 und 126) 355D und 2 der Tagesordnung, Anträge der Fraktion der Reitzner (SPD), Berichterstatter . 355D KPD, möchte ich erläuternd folgendes bemerken. Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wir haben uns neulich im Ältestenrat noch ein- Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen mal mit dem Abstimmungsmodus, der seinerzeit über den Antrag der Abg. Ollenhauer und bei diesen Anträgen angewandt wurde, befaßt und Gen. betr. Stellenbesetzung in den Bundes- sind zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Irrtum ministerien mit Schwerbeschädigten bei der Behandlung dieser Anträge bezüglich ihrer (Drucksachen Nr. 81 und 131) . . . . . 356B Abstimmung eingetreten ist. Deshalb herrschte Bazille (SPD), Berichterstatter . . . 356B im Ältestenrat Übereinstimmung, daß diese beiden Anträge noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt Mündlicher Bericht der Ausschüsse für So- werden. Ich rufe also Punkt 1 und 2 der Tages- zialpolitik und für Kriegsopfer- und ordnung auf: Kriegsgefangenenfragen über den Antrag 1. Antrag der Fraktion der KPD betreffend der Abg. Renner und Gen. betr. Versor- Demontageverweigerer (Drucksache Nr. 7, gungsbezüge der Kriegsopfer und über Ziffer 1); den Antrag der Abg. Frau Dr. Probst, Dr. 2. Antrag der Fraktion der KPD betreffend von Brentano und Gen. betr. Vorlage eines Amnestierung verurteilter deutscher Demon- Überbrückungsgesetzes z. KB-Leistungs- tageverweigerer (Drucksache Nr. 11). gesetz (Drucksachen Nr. 107, 108 und 130) . . . . . . . . . . . . . . 356D Darf ich fragen, ob die Herren Antragsteller Bazille (SPD), Berichterstatter . . 356D das Wort wünschen. — Bitte, Herr Abgeordneter Renner (KPD) 357B Paul! Frau Kalinke (DP) (zur Geschäftsord nung) 358C Paul (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ziemlich verspätet werden diese Anträge Mündlicher 'Bericht des Ausschusses für noch einmal durch das Plenum behandelt. Um Geschäftsordnung und Immunität über so dringlicher ist die Annahme dieser Anträge. 352 Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 (Paul) Trotz des Protestes des Hauses und der gesamten Nr. 11, dem Ausschuß für Besatzungsstatut und Öffentlichkeit werden die Demontagen verstärkt auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. weitergeführt. In zahlreichen Betrieben kam Wir sind der Meinung, daß diese Anträge heute im es in den letzten Wochen zwischen den Demontage- Plenum nicht einfach durch Abstimmung erledigt unternehmern und zum Teil auch den Demontage- werden können, sondern daß über den sachlichen arbeitern und den betroffenen Belegschaften zu Hintergrund eine ernsthafte Beratung im Aus- Zusammenstößen. Das ist so weit gegangen, daß schuß stattfinden sollte. man auf Gelsenberg bereits den Einsatz von Kri- minalpolizei und Schutzpolizei zur Aufrechterhal- Präsident Dr. Köhler: Der Herr Abgeordnete tung des Arbeitsfriedens angeordnet hat. Im Lande Schoettle hat — ich darf es so ausdrücken — zur Nordrhein-Westfalen mehren sich die protestie- Geschäftsordnung beantragt, daß die Drucksachen renden Stimmen und mehrt sich die Empörung Nr. 7 und Nr. 11, Punkt 1 und 2 der Tagesordnung, über die verstärkte Durchführung der Demontage. dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswär- Haufenweise erscheinen Flugblätter und werden tige Angelegenheiten zur weiteren Behandlung Plakate von Kolonnen angeklebt, die die sofortige überwiesen werden. Ich darf zunächst um Äuße- Einstellung der Demontagen fordern und die auch rung zu diesem Geschäftsordnungsantrag bitten. ganz offen das zum Ausdruck bringen, was die Wird das Wort dazu gewünscht? Bevölkerung über die profitsüchtigen und, ich (Abg. Paul: Ich bitte ums Wort!) möchte es ganz deutlich sagen, landesverräterischen - Bitte, Herr Abgeordneter Paul zu dem Ge- Demontageunternehmer empfindet. schäftsordnungsantrag! Wir haben Ihnen diese beiden Anträge unter- breitet, damit der Bundestag durch ihre An- Paul (KPD): Meine Damen und Herren! Ich nahme zum Ausdruck bringt, daß er sich mit halte diese Anträge für so wichtig, daß sie vom jenen Deutschen solidarisch erklärt, die sich im Plenum angenommen und nicht einem Ausschuß Interesse der deutschen Nation für die Erhaltung überwiesen werden sollten. Sie sind einfach und unserer Industriewerke und im Interesse der klar. Die Annahme dieser Anträge würde ein Werktätigen für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze Beweis dafür sein, daß das Haus gewillt ist, hin- einsetzen und eingesetzt haben. Wir sollten, nach- ter die Menschen zu treten, die für die Erhaltung dem die britische Militärregierung sogar in das deutscher Arbeitsstätten eintreten. Ich möchte Vorgehen der Regierungspräsidenten gegen die um so mehr um eine sofortige, und zwar eine zu- Vergehen einzelner Demontageunternehmer einge- stimmende Entscheidung des Hauses bitten, weil griffen hat, zum Ausdruck bringen, daß unsere wir nicht die Möglichkeit haben, in dem Ausschuß Sympathie bei jenen Menschen ist, die gegen die unsere Anträge zu begründen. Durch einen Be- Demontage Widerstand leisten. Dieser Wider- schluß des Hauses hat man uns aus diesem Aus- stand ist berechtigt und fußt auf dem Völkerrecht. schuß ausgeschlossen. Ich möchte deshalb bitten, Die Demontagen, die durchgeführt werden, wi- diese Anträge im Plenum zur Abstimmung zu dersprechen nämlich dem Abkommen von Potsdam. bringen und nicht dem Ausschuß zu überweisen. Wir haben in den Anträgen zum Ausdruck ge- bracht, daß der Bundestag von der Militärregie- Präsident Dr. Köhler: Wird zu dem Geschäfts- rung die Aufhebung der Urteile und die Amne- ordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Schoettle stierung der Verurteilten wünschen sollte. Wir weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der sind weiter der Meinung, daß man beschließen Fall. Ich schließe die Aussprache darüber. sollte, den Menschen, die unter Anklage gestellt Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten waren, die Haft- und Prozeßkosten und den Schoettle, ist, die Drucksache Nr. 7 unter Punkt 1 ausgefallenen Lohn oder das Gehalt zu bezahlen. der Tagesordnung und die Drucksache Nr. 11 un- Ich denke, daß durch die Annahme dieser An- ter Punkt 2 der Tagesordnung an den Ausschuß träge der Bundestag noch einmal die Forderung für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegen- auf sofortige Einstellung der Demontage deutlich heiten zu überweisen, den bitte ich, die Hand zu unterstreicht. Alles Schreiben in der Presse, alle erheben. — Das ist zweifelsfrei die Mehrheit. Ich Verlautbarungen der Westmächte von Verhand- bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist ge- lungen über die Demontage scheinen mir nur eine gen eine kleine Minderheit angenommen. Verzögerung darzustellen. Man scheint uns mit Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tages- einem Demontagestop dann beglücken zu wollen, ordnung: wenn unsere Betriebe unter dem Schneidbrenner und unter dem Vorschlaghammer restlos zertrüm- Antrag der Fraktion der CDU/CSU betref- mert wurden. Ich denke, durch die Annahme die- fend Neuordnung der Rechtsbeziehungen ser beiden Anträge bringen wir auch gegenüber zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Ruhrbevölkerung zum Ausdruck, daß wir im (Drucksache Nr. 117). Kampf um die Erhaltung unserer Betriebe und Wer von den Herren Antragstellern wünscht der Arbeitsplätze hinter ihr stehen. Ich möchte das Wort zu Drucksache Nr. 117? — Herr Abge- Sie bitten, unseren Anträgen Ihre Zustimmung zu ordneter Arndgen! geben. (Beifall bei der KPD.) Arndgen (CDU), Antragsteller: Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag Präsident Dr. Köhler: Sie haben die Ausführun- Drucksache Nr. 117 will meine Fraktion, der Re- gen des Herrn Antragstellers gehört. Ich eröffne gierungserklärung folgend, die Regierung ersu- die Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? chen, ein Gesetz zur Neuordnung der Rechtsbezie- — Herr Abgeordneter Schoettle! hungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorzulegen, ein Gesetz, in dem unter Beachtung Schoettle (SPD): Herr Präsident! Meine Damen der zeitgemäßen Entwicklung das Mitbestim- und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion mungsrecht der Arbeitnehmer verankert ist. Nach- beantragen, daß die Anträge der kommunistischen dem durch das Betriebsrätegesetz vom Jahre 1920 Fraktion, Drucksache Nr. 7 Ziffer 1 und Drucksache eine erste Entwicklung der Betriebsdemokratie und Deutscher Bundestag - 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 353 (Arndgen) Betriebsverfassung angebahnt war, erlebten wir sondern sie ist auch der Ansicht, daß einzelne Län- in dieser Entwicklung im Jahre 1933 eine jähe Un- dergesetze manche Lücken und Mängel aufweisen, terbrechung. Heute sind die Rechtsbeziehungen und daß das Gute, was in einzelnen Ländergesetzen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, soweit enthalten ist, Grundlage für die Bundesgesetz- sie betriebliche Angelegenheiten berühren, durch gebung sein muß. Wenn der Versuch gemacht wer- das Kontrollratsgesetz Nr. 22 geregelt. Das Kon- den sollte, daß man hier eine Rückwärtsrevidie- trollratsgesetz Nr. 22 ist aber nur ein Rahmen- rung, insbesondere auf dem Gebiet der Mitbestim- gesetz, mit dem nur gearbeitet werden kann, wenn mung, durchsetzen will, so wird sich die sozial- es durch Ausführungsgesetze ausgefüllt ist. Seit demokratische Fraktion mit aller Entschiedenheit Anfang 1947 haben wir in den Ländern der ame- dagegen wehren. Keinesfalls kann das Betriebs- rikanischen Zone und der ehemals französischen rätegesetz vom Jahre 1920 die Grundlage bilden; Zone sogenannte Betriebsrätegesetze gehabt, die denn die Entwicklung ist seit 1920 nicht still- als Ausführungsbestimmungen zu dem Kontroll- gestanden, sondern sie ist vorwärtsgegangen. Die ratsgesetz gelten konnten. Soweit in diesen Be- Betriebsräte, die im Jahre 1945 ohne eine gesetz- triebsrätegesetzen das wirtschaftliche Mitbestim- liche Grundlage wieder eingesetzt und von der mungsrecht der Arbeitnehmer geregelt war, sind Arbeitnehmerschaft in den Betrieben und in den die Paragraphen dieser Bestimmungen von den da- Verwaltungen gewählt wurden, haben bewiesen, maligen Militärregierungen dieser Länder suspen- daß ihre Existenz notwendig ist. Denn sie waren diert worden. Sie sind suspendiert worden, weil es, die gemeinsam mit ihrer Belegschaft die Trüm die Militärregierungen auf dem Standpunkt stan- mer in den Betrieben beseitigt, die Produktion in den, daß es Sache des Bundes sei, der jetzt Gang gebracht und so die Voraussetzungen unse- errichtet worden ist, diese Dinge zu regeln. Auch rer Existenz geschaffen haben. Ich glaube, das waren die Rechtsbestimmungen für das Verhältnis muß eine Gesetzgebung auch berücksichtigen. zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in die- Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 ist zwar ein Ge- sen Gesetzen verschieden festgelegt. Es istdaher setz mit nur wenigen Bestimmungen, hat aber ver- jetzt an der Zeit, durch einheitliche Gesetzesbe- schiedene Bestimmungen, die in dem neuen Gesetz stimmungen die Rechtsbeziehungen zwischen Ar- verankert sein müssen. Dazu gehört, daß die Ge- beitgebern und Arbeitnehmern in einer Weise zu werkschaften berechtigt sind, Kandidaten aus der regeln, wie es die augenblicklichen und kommen- Belegschaft zur Wahl von Betriebsräten vorzu- den Zeitverhältnisse bedingen, und auch das Mit- schlagen, ebenso die Betriebsräte zu beraten und bestimmungsrecht in irgendeiner Weise in einem an den Sitzungen teilzunehmen. Dazu gehört wei- Gesetz für den gesamtdeutschen Bund zu regeln. ter, daß die Vereinbarungen zwischen den Gewerk- Meine Damen und Herren! Die Arbeitnehmer- schaften und Arbeitgebern über Lohn- und Ar- schaft ist, wenn man ihre Entwicklung seit Be- - beitsbedingungen dem Recht der Betriebsräte vor- ginn der Industrialisierung verfolgt hat, heute gehen. mündig geworden. Die Arbeitnehmerschaft Wir sind der Auffassung, daß in der Vorlage hat durch wirtschaftliche und sonstige Einrichtun- der Bundesregierung die Bestimmung enthalten gen, die sie im Laufe dieser Zeit selbst geschaf- sein muß, daß die Betriebsräte einheitlich von fen hat, gezeigt, daß sie auch in der Lage ist, Ver- allen Beschäftigten nach demokratischen Grund- antwortung in der Wirtschaft zu übernehmen. Ich sätzen bei allen Unternehmungen und Behörden brauche nicht nur an die Gewerkschaften zu er- des privaten und öffentlichen Rechts zu wählen innern, sondern ich kann an die Genossenschaften sind. auf den verschiedensten Gebieten verweisen, die uns heute klar zeigen, daß die Arbeitnehmerschaft Das sind die wesentlichsten Grundgedanken, in der Lage ist, auf wirtschaftlichem Gebiet die die in der Vorlage der Regierung unter allen Verantwortung mitzutragen. Umständen enthalten sein sollten. Das, was mein Herr Vorredner sagte, daß 1920 mit dem Betriebs- (Sehr richtig!) rätegesetz der Anfang zur Schaffung einer Betriebs- Wenn wir heute feststellen, daß die Arbeitnehmer- demokratie gemacht wurde, ist richtig. Es ist wei- schaft in der Politik, bei den öffentlichen Behör- ter richtig, daß an Stelle der einseitigen Arbeit- den und auf sonstigen Gebieten gleichberechtigt geberanordnung die Mitwirkung der Betriebsver- mit die Verantwortung trägt und zur Verantwor- tretung getreten ist. Wir wissen aber auch, daß tung mitbestimmend herangezogen wird, dann bin diese Mitwirkung insbesondere auf personellem und ich der Auffassung, daß jetzt die Zeit gekommen wirtschaftlichem Gebiet sehr eingeschränkt war, ist, um die Arbeitnehmerschaft gleichberechtigt daß sie teilweise nur eine Mitberatung, ein An- auch in der Wirtschaft neben den Unternehmer als hören bedeutete. Wir sind der Meinung, daß in dessen Mitarbeiter hinzustellen. dem Betriebsrätegesetz, welches der Bundestag zu Weil ich dieser Auffassung bin, bitte ich das verabschieden hat, klar und deutlich das gleich- Hohe Haus, dem Antrag Drucksache Nr. 117 die berechtigte Mitbestimmungsrecht sowohl auf sozia- Zustimmung zu erteilen. lem wie auf personellem und auf wirtschaftlichem Gebiet zu verankern ist. Unter Beachtung dieser (Beifall bei der CDU.) unserer Einstellung stimmen wir dem Antrag zu. Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren! Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter Nuding! Sie haben die Ausführungen des Herrn Antrag- stellers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Nuding (KPD): Meine Damen und Herren! Zur Wort hat der Herr Abgeordnete Richter. Begründung der Vorlage Nr. 117 wurde an die Re- gierungserklärung angeknüpft. Vielleicht hat ein Richter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Teil der CDU-Fraktion wirklich das Bedürfnis, und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist ein solches Gesetz zu schaffen, das einheitlich im für ein modernes, zeitgemäßes Betriebsrätegesetz, Bundesgebiet das Mitbestimmungsrecht regelt. das für das gesamte Bundesgebiet Geltung haben Aber wir haben einige Bedenken in dieser Frage, soll. Sie ist nicht nur deshalb dafür, damit eine und diese möchte ich Ihnen vortragen. Sie wer- einheitliche Gesetzesgrundlage geschaffen wird, den auch heute ganz offen unterstrichen; Sie 354 Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 (Nuding) dürfen nur auf die Regierungsbank schauen! Mil- gemacht haben, bis heute eine gewaltige Wand lionen Arbeiter interessieren sich für dieses Gesetz, lung zum „Herrn-im-Hause-Standpunkt" vor sich und nicht einmal der Herr Arbeitsminister hält es gegangen ist, und diesen „Herrn-im-Hause-Stand- für notwendig, anwesend zu sein. So ernst ist diese punkt" wollen Sie durch ein Bundesgesetz ver- Sache der Regierung! wirklichen. Deshalb stimmen wir gegen diesen Antrag. (Zurufe: Da ist er! Da sitzt er ja!) (Hört! Hört!) — Warum sind Sie so nervös? (Zurufe: Gar nicht! — Andauernde Unruhe.) Präsident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen. — Ich freue mich außerordentlich! Nun habe ich eine Frage an Sie zu stellen. Dr. Wellhausen (FDP): Meine Damen und Her- Was haben Sie unter „zeitgemäß" verstanden? ren! Meine Freunde haben keinerlei Zweifel, daß Wissen Sie: bei uns, die wir in einem Ländchen die Bundesregierung auch ohne diesen Antrag in wohnen, in dem bereits ein Gesetz seit eineinhalb aller Kürze ein Betriebsrätegesetz vorgelegt haben Jahren angenommen und nicht verwirklicht ist, würde. In der Regierungserklärung hat Eindeuti- weil die hohe Militärregierung uns die demokra- ges darüber gestanden, und die Regierung wird tische Freiheit gibt, die Gesetze machen zu lassen, das — das bezweifeln wir, wie gesagt, nicht — auch die ihr angenehm sind, aber nicht den Herren Un- erfüllen. Ich glaube, daß die Ausführungen, die ternehmern, — bei uns hat diese hohe Militär- wir insbesondere von meinem Vorredner gehört regierung vor einigen Wochen erklärt, daß mit dem haben, schon zeigen, daß über die Einzelheiten Zustandekommen der Bundesregierung ihr Veto und insbesondere — um das Kind beim Namen zu fällt und die Suspendierung aufgehoben ist. Was nennen — über die Konkretisierung des Mit- hat dieser Antrag zur Folge? Daß dieses Gesetz bestimmungsrechts in diesem Hause die Ansich- in Württemberg-Baden, in Hessen, in Bremen und, ten sicherlich sehr verschieden sein werden. ich glaube, auch in Südbaden, weiter suspendiert (Sehr richtig! bei der KPD.) wird. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem Antrag, Die Regierungsvorlage wird uns hinreichend Ver- daß die Gesetze weiter nicht durchgeführt werden, anlassung geben, uns im Ausschuß insbesondere weil Sie jetzt dort mit Ihren Mehrheiten sagen mit diesen Dingen zu beschäftigen. werden: abwarten, bis die Bundesregierung ein Gesetz gemacht hat, das dann die rückständigsten Wir tragen keine Bedenken, der sehr allgemei- Länder berücksichtigt und nicht die fortschritt- nen und uns in bezug auf Art, Inhalt und Na- lichen Maßnahmen durchführt, die bereits beschlos- tur des Mitbestimmungsrechts in keiner Weise sen sind. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem An- festlegenden Fassung des CDU-Antrags zuzu- trag, nämlich zu verhindern, daß diese Gesetze - stimmen. jetzt in der Praxis durchgeführt werden. Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort weiter (Zurufe aus der Mitte: Im Gegenteil! Nicht gewünscht? — Ich stelle fest, daß es nicht der Fall so nervös! Warum so laut?) ist. Ich schließe die Aussprache. Diese Tatsache möchte ich hier vor dem Hohen Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Hause unterstreichen und auch eine zweite. Antrag Drucksache Nr. 117 ist, den bitte ich, die Wir können nicht glauben, daß Sie das Mit- Hand zu erheben. — Danke! Das war die über- bestimmungsrecht wollen. Die Regierung Dr. Ade- wältigende Mehrheit des Hauses. Ich bitte um nauer hat ganz klar und unzweideutig in der Re- die Gegenprobe. — Der Antrag Drucksache Nr. gierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß der 117 ist angenommen. Staat seinen Zwang auf die beiden Sozialpartner Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tages- soweit wie möglich beseitigen will. Wir können ordnung: nicht glauben, daß er nun gerade an dieser Stelle den Zwang vergrößern wird, und das müßte er, Mündlicher Bericht des Ausschusses für Hei- wenn er ein wirkliches Mitbestimmungsrecht selbst matvertriebene über den Antrag der Ab- in dem bescheidenen Rahmen, wie das in Hessen geordneten Ollenhauer und Genossen be- und Württemberg-Baden bereits zum Gesetz ge- treffend Maßnahmen zur Bekämpfung der worden ist, verwirklicht wissen wollte. Deshalb Notstände bei den Vertriebenen (Drucksachen haben wir kein Vertrauen dazu, daß die Regie- Nr. 33 und 125); Berichterstatter: Abgeord- rung das machen wird, und die Praxis der 15 neter Dr. Wenzel. Sitzungen dieses Hohen Hauses hat gezeigt, daß Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Wenzel als die Mehrheit rücksichtslos ihren Willen durchsetzt, Berichterstatter das Wort. ob das draußen der Masse der Arbeitenden gefällt oder nicht. Dr. Wenzel (SPD), Berichterstatter: Herr Präsi- Aus diesem Grunde glauben wir, daß es besser dent! Meine Damen und Herren! Der von der SPD-Fraktion unter Drucksache Nr. 33 einge- wäre, daß die Gesetze in den Ländern, wo sie be- brachte Antrag betreffend Maßnahmen zur Be- reits angenommen worden sind, jetzt verwirklicht werden und nicht eine neue Bremse durch diesen kämpfung der Notstände bei den Heimatvertriebe- Antrag angelegt wird, um sie erneut, nachdem die nen ist vom Ausschuß für Heimatvertriebene in seiner letzten Sitzung nach Anbringung einiger Militärregierungen die Suspendierung aufgehoben Korrekturen und Anregungen, die ins Protokoll haben, durch die Bundesregierung zu suspendie- aufgenommen wurden, einstimmig angenommen ren und das Gesetz auf den Sankt-Nimmerleins- Tag zu verschieben oder aber vollkommen dort zu worden. suspendieren, wo fortschrittliche Maßnahmen ent- Die SPD-Fraktion hat in dem Antrag Drucksache halten sind, um dann ein Gesetz zu machen, das Nr. 33 die wesentlichsten und entscheidendsten keinen Zwang auf die Herren Unternehmer, aber Fragen herausgestellt, die zu wirkungsvollen Maß- weiter den Zwang auf die Arbeiter ausübt. Denn nahmen in der Bekämpfung der Notstände bei die Arbeiter fühlen es, daß von 1945 ab, als die den Vertriebenen führen können. Alle diese Maß- Herren Unternehmer noch Bücklinge vor ihnen nahmen sind weithin abhängig von einer umfas- Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 355 (Dr. Wenzel) senden Erhebung der Bundesregierung über den streichen, und es ist dafür zu setzen: „in kür- gegenwärtigen Stand der Vertriebenen-Situation. zester Frist". Die Erhebung muß von der Bundesregierung In Ziffer 4 erhält der zweite Satz folgenden selbstverständlich unbeschadet der Durchführung Wortlaut: aller Sofort-Hilfsmaßnahmen so schnell, wie es Reichen die Bestimmungen aus, um insbeson- überhaupt möglich ist, durchgeführt werden. dere eine anteilmäßige Vertretung der Hei- Die unter sechs Einzelziffern aufgeführten Ge- matvertriebenen in allen Zweigen der Verwal- sichtspunkte des Antrags zeigen, welche Fragen tung und der öffentlichen Körperschaften zu im einzelnen von der Bundesregierung geklärt und sichern? beantwortet werden müssen, wenn wirklich durch- In Ziffer 6 werden im zweiten Satz die Worte greifende Maßnahmen in der Heimatvertriebenen- „um den Vertriebenen wieder ein menschenwür- Politik auf der Ebene der Bundesregierung er- diges Dasein zu ermöglichen" gestrichen. griffen werden sollen. Es handelt sich dabei in der Tat um die Kernfragen der Heimatvertriebe- Der Ausschuß hat weiterhin beschlossen, im nen-Politik überhaupt. vorliegenden Antrag die Worte „Flüchtlinge", „Vertriebene" usw. einheitlich durch „Heimatver- Ziffer 1 stellt die Frage nach dem Spitzenaus- triebene" zu ersetzen. gleich zwischen überlasteten und noch aufnahme- fähigen Ländern. Dabei wird besonders als bald Außerdem wurden folgende Anregungen aus- zu erreichendes Ziel die schnelle Räumung der drücklich zu Protokoll gegeben. Durchgangsläger und Notunterkünfte gefordert. Zu Ziffer 4 wurde ausdrücklich zu Protokoll ge- Die Ziffer 2 fragt nach dem Ausmaß der Ar- geben, daß der Ausschuß eine Aufgliederung nach beitslosigkeit der Flüchtlinge gegenüber der ein- den Besoldungsgruppen des unteren, mittleren und heimischen Bevölkerung und verlangt auch eine gehobenen Dienstes erwartet. Statistik über die berufsfremd beschäftigten ver- Da rüber hinaus hat der Ausschuß folgenden triebenen. drei Anfragen zugestimmt, die in der vorzu- Ziffer 3 beschäftigt sich mit den neuen Arbeits- legenden statistischen Erhebung zu beantworten möglichkeiten, die für die arbeitslosen und be- sind: rufsfremd arbeitenden Vertriebenen an ihren Wie hoch ist der Prozentsatz der all ein- jetzigen Wohnorten geschaffen werden könnten. stehenden Frauen, der Alten und Kranken Dabei wird vor allen Dingen deutlich zum Aus- in der Gesamtzahl der Heimatvertriebenen? druck gebracht, daß die restlose Eingliederung der Wieviel Beamte sind in den Ländern nicht Vertriebenen nur zu erreichen sein wird, wenn die untergebracht? innere Umsiedlung der Heimatvertriebenen voll- Wieviel Beamte sind auf Widerruf einge- zogen werden kann. stellt? Ziffer 4 fragt nach der praktischen Auswirkung Meine Damen und Herren! Nachdem der Hei- der Flüchtlingsgesetzgebung in den einzelnen Län- matvertriebenenausschuß nach den eben angeführ- dern. Dabei ist von sehr wesentlicher Bedeutung, ten Abänderungen bzw. Erläuterungen im Pro- zu erfahren, ob die Bestimmungen im einzelnen tokoll dem Antrag der SPD-Fraktion betreffend ausreichend sind, um eine anteilmäßige Vertre- Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei tung der Heimatvertriebenen in allen Zweigen der den Heimatvertriebenen unter Drucksache Nr. 33 Verwaltung und der öffentlichen Körperschaften einstimmig zugestimmt hat, darf ich im Auftrag zu sichern. und im Namen des Ausschusses für Heimatvertrie- Ziffer 5 stellt die Frage, durch welche Maßnah- bene das Hohe Haus bitten, diesem Antrage eben- men die vorliegenden Pläne zur Beschaffung von falls zuzustimmen. Wohnungen und Siedlungen zur gewerblich-indu- (Beifall bei der SPD und in der Mitte.) striellen Selbsthilfe der Neubevölkerung in einer beschleunigten Weise durchgeführt werden können, Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn und zwar dahingehend, daß eine deutliche Antwort Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. — darauf gegeben wird, in welchem Umfange die Es scheint sich niemand zum Wort zu melden. Länder diese Aufgaben lösen können und wie- Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen. weit dazu die Bundeshilfe erforderlich ist. Wer für die Annahme des Antrags des Aus- Ziffer 6 endlich stellt die sehr entscheidende schusses Drucksache Nr. 125 ist, den bitte ich, die Frage, von deren Beantwortung die praktische Hand zu erheben. — Einstimmig angenommen. Durchführung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Vertriebenen endgültig ab- Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: hängt, wieweit Bund und Länder in der Lage Mündlicher Bericht des Ausschusses für Hei- seien, aus eigener Kraft die mit der völligen matvertriebene über den Antrag der Abge- Eingliederung der Vertriebenen verbundenen Auf- ordneten Ollenhauer und Genossen betref- gaben zu lösen, und inwieweit dazu internationale fend Arbeitsbeschaffung für Heimatvertrie- Hilfe erforderlich sei. bene (Drucksachen Nr. 77 und 126); Be- In einem Schlußsatz des Antrags wird ausge- richterstatter: Abgeordneter Reitzner. sprochen, daß die in Drucksache Nr. 33 von der Das Wort hat der Herr Berichterstatter. Bundesregierung geforderte Erhebung sich auch auf das Gebiet von Berlin zu erstrecken habe. Reitzner (SPD), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Es wurde in diesem Hohen Hause schon Ich möchte nun dem Hohen Hause die Korrek- öfter der Feststellung zugestimmt, daß das Problem turen mitteilen, die der Heimatvertriebenenaus- der Heimatvertriebenen eine sehr ernste Angele- schuß an der Drucksache Nr. 33 angebracht hat genheit bildet und in der Prozession der deutschen und die in der Beratung ebenfalls einstimmig an- Sorgen mit an der Spitze stehen soll. Der Antrag genommen wurden. der SPD auf Drucksache Nr. 77 zeigt wiederum die Im ersten Absatz des Antrages sind in der letz- Fülle der angestauten Probleme. Ich glaube, daß ten Zeile die Worte „innerhalb acht Wochen" zu mit Rücksicht auf die einstimmige Haltung des 356 Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 (Reitzner) Ausschusses für Heimatvertriebene eine weitere gung mit Schwerbeschädigten sein müßte. Aus die- Begründung nicht nötig ist. Ich möchte aber beto- sem Grunde hat der Ausschuß bewußt davon Ab- nen: wir müssen über den Zustand theoretischer stand genommen, eine zeitliche Befristung seines Anerkennung der Notlage der Heimatvertriebenen Antrags vorzunehmen. Es müßte eine Selbstver- hinauskommen und Stück für Stück praktische ständlichkeit sein, daß die Bundesregierung be- Hilfe leisten. strebt bleibt, bei der Einstellung von Verwaltungs- Wenn das Hohe Haus dem Antrag zustimmt, der angehörigen und -angestellten das Angebot der mit der Forderung nach Arbeitsbeschaffung für die Schwerbeschädigten in gebührendem Maße zu be- Heimatvertriebenen beginnt — eine Forderung, die rücksichtigen. wir als die wertvollste Hilfe für die Heimatvertrie- Ein Hinweis sei mir allerdings noch gestattet. benen betrachten — und mit finanzieller Hilfe Man möge daran denken, daß sich unter diesen über die Soforthilfe und das Hausratsgesetz endet, Schwerbeschädigten auch eine ganze Reihe quali- dann, glaube ich, kann die Bundesregierung mit fizierter Menschen befindet, die nicht nur für un- Initiativakten beginnen. tergeordnete Tätigkeiten in Frage kommen. Nach Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem der seitherigen Verwaltungspraxis besteht Ver- Zusammenhang auch vor einer überdimensionierten anlassung, darauf hinzuweisen, daß man sich auch Hoffnung auf Auslandshilfe warnen, so sehr wir der verbliebenen Arbeitskraft dieser Menschen bei diese Hilfe schätzen und notwendig haben. Wir ha- der Besetzung der Stellen der Bundesregierung be- ben jetzt wieder mit Befriedigung gelesen, daß der dient. Herr Vizekanzler in Paris Gelegenheit hatte, über Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, meine Da- das Problem der Heimatvertriebenen zu sprechen. men und Herren, dem Antrag des Ausschusses Aber diese vielleicht unerläßliche Hilfe des Auslan- stattzugeben. des kann keineswegs die eigene, die Selbsthilfe auf deutschem Boden ersetzen, und zu dieser Selbst- (Beifall.) hilfe gehört, daß wir dem Antrag auf Drucksache Nr. 77 zustimmen, damit schrittweise die Initiativ- Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn akte gesetzt werden können und damit auch in Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. — kürzester Zeit den Heimatvertriebenen praktische Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache. Hilfe geboten werden kann. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme der Emp- Ich bitte daher das Hohe Haus im Namen des fehlung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Ausschusses für Heimatvertriebene, diesem Antrag Kriegsgefangenenfragen auf Drucksache Nr. 131 ist, zuzustimmen. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Einstimmige (Beifall.) Annahme. Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Es Mündlicher Bericht der Ausschüsse für Sozi- meldet sich niemand zum Wort. Ich schließe die alpolitik und für Kriegsopfer- und Kriegsge- Aussprache. fangenenfragen über den Antrag der Abge- ordneten Renner und Genossen betreffend Wir stimmen ab. Wer für die Annahme der sofortige Erhöhung der Versorgungsbezüge Empfehlung des Ausschusses für Heimatvertrie- der Kriegsopfer und über den Antrag der bene auf Drucksache Nr. 126 ist, den bitte ich, die Abgeordneten Frau Dr. Probst, Dr. von Bren- Hand zu erheben. — Einstimmige Annahme. Es ist tano und Genossen betreffend Vorlage eines so beschlossen. Überbrückungsgesetzes zum KB-Leistungs- Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: gesetz (Drucksachen Nr. 107, 108 und 130); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Berichterstatter: Abgeordneter Bazille. Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille als über den Antrag der Abgeordneten Ollen- Berichterstatter. hauer und Genossen betreffend Stellenbeset- zung in den Bundesministerien mit Schwer- Bazille (SPD), Berichterstatter: Meine Damen beschädigten (Drucksachen Nr. 81 und 131); und Herren! Seit jenem verhängnisvollen Feder- Berichterstatter: Abgeordneter Bazille. strich, mit dem die Besatzungsmächte im Jahre Das Wort hat der Herr Berichterstatter. 1945 das Recht der Kriegsbeschädigten und -hinter- bliebenen auf Versorgung im Gebiet der Bundes- Bazille (SPD), Berichterstatter: Meine Damen republik Deutschland beseitigt hatten, sind unter und Herren! Zu den Problemen, vor die der zweite dem Zwange der Not dieses Personenkreises acht Weltkrieg den Gesetzgeber gestellt hat, gehört die verschiedene Gesetze in den einzelnen Ländern der berufliche Unterbringung der Kriegsbeschädigten. Bundesrepublik in Kraft getreten. In ihrem mate- Der Ausschuß für Kriegsopferfragen war sich dar- riellen Inhalt weichen diese Gesetze in so hohem über einig, daß b ei der Lösung dieses Problems die Maße voneinander ab, daß ein zwingendes Be- Organe des Staa tes mit gutem Beispiel voranzuge- dürfnis besteht, die Leistungen nach diesen Ge- hen haben. Wenn man zugrunde legt, daß heute je- setzen einander anzugleichen. . der achte Deutsche im arbeitsfähigen Alter zum Darüber hinaus hat die Besatzungsmacht dem weiteren Kreis der Kriegsbeschädigten und etwa je- vom Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz zur der fünfzehnte Deutsche zum enger gefaßten Kreis Verbesserung der Leistungen für Kriegsbeschä- der Schwerbeschädigten zählt, erschiene eine Quote digte und -hinterbliebene ihr Veto entgegengesetzt von zehn vom Hundert aller Beschäftigten ange- mit der Erklärung, daß diese Angelegenheit durch bracht. Der Ausschuß war sich aber auch darüber den Deutschen Bundestag erledigt werden solle. im klaren, daß bei der Beschäftigung Schwerbeschä- Diese Gründe im wesentlichen haben zu den digter im Rahmen der Organe der Bundesregierung Anträgen der KPD und der CDU geführt, den nicht das Merkmal der Beschädigung, sondern der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen eine Qualifikation ausschlaggebend für die Durchdrin- Überbrückungshilfe bis zu jenem Tage zu ge- Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 357 (Bazille) währen, an dem dieses Hohe Haus ein neues, ein- sprechen —, daß die derzeitige Regelung der heitliches Versorgungsgesetz verabschieden wird, Versorgungsgebührnisse nicht mehr länger ver- das auf der einen Seite den Belangen der Kriegs- antwortet werden kann. opfer, auf der anderen der Not unseres Volkes Nun bestehen im Gebiet der westdeutschen Bun- Rechnung tragen soll. desrepublik sieben verschiedene Versorgungs- Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegs- gesetze, und die Leistungen nach diesen Gesetzen gefangenenfragen war sich darüber klar, daß ein weisen kleine Unterschiede auf. Aber auch die der- solches Überbrückungsgesetz nicht alle Wünsche zeit beste Lösung, die Lösung in den Landes- befriedigen und allen sozialen Notwendigkeiten teilen, in denen das alte sogenannte Reichsversor- gerecht werden konnte, die durch die ungenügende gungsgesetz im Prinzip noch in Kraft ist, ist völlig Lösung des Versorgungsproblems der Kriegsopfer ungenügend. Die Kriegsopferorganisationen for- gegeben sind. Trotzdem ist es notwendig, drin- dern, unseres Erachtens mit Recht, die Schaffung gende Notstände wenigstens auf diesem Wege zu eines zentralen Versorgungsgesetzes, in dem den beseitigen und ein in verschiedenen Ländern be- Kriegsopfern der Rentenanspruch als Rechtsan- stehendes Unrecht aufzuheben. Der Ausschuß war spruch garantiert wird, soll heißen, in dem ihnen sich bewußt, daß die vorliegenden Anträge in eine Rente unabhängig von der Tatsache gewährt diesem Sinne vielleicht formal lückenhaft sein wird, ob sie daneben noch einen ebenso wohl- können. Die Erklärung des Vertreters der Bundes- erworbenen Rechtsanspruch auf Invaliden- oder regierung war aber eindeutig so aufzufassen, daß Unfallrente haben. die Bundesregierung, wenn sie einen Entwurf Es war — das ist eine Selbstverständlichkeit — fertigstellt, alle jene Punkte berücksichtigen wird, nicht leicht, einen Weg vorzuschlagen, auf dem die sich in der bestehenden Ländergesetzgebung diese Überbrückungslösung, deren Schaffung von als reformbedürftig erweisen. allen Parteien im Ausschuß als zumindest zwin Nach den warmherzigen Worten, die der Herr gend notwendig anerk annt wurde,gefunden wer Bundeskazlri Rgunseklärfü den soll. Wir Kommunisten haben in unserm An- die Kriegsopfer gefunden hat, und nach den Aus- trag vorgeschlagen, dieses Ü berbrückungsgesetz führungen, die von den verschiedenen Fraktionen unter Anpassung an die Sozialversicherungs- dieses Hohen Hauses zu dem Problem der Kriegs- direktive Nr. 27 der britischen Besatzungszone auf- opferversorgung gemacht worden sind, kann ich zubauen, die bekanntlich die Rente nach den Bestim- wohl darauf verzichten, die einzelnen Notstände, mungen der Unfallversicherungsgesetzgebung der die eine Neuregelung der Kriegsopferversorgung Reichsversicherungsordnung unter Zugrunde- notwendig machen, aufzuzeigen. legung eines durchschnittlichen Jahresarbeitsein- Nach der früheren Praxis des Deutschen Reichs- kommens von 1800 Mark errechnet. Zwei Drittel - davon sind nach der Unfallversicherungsgesetz tags wurden Fragen der Kriegsopferversorgung von allen Fraktionen im Rahmen der bestehenden gebung die Vollrente. Daraus ergibt sich, daß die Möglichkeiten als ein gemeinsames Anliegen des Vollrente bei uns im Lande Nordrhein-Westfalen deutschen Volkes behandelt, und zwar unter be- und in der britischen Zone 100 Mark beträgt. wußter Zurückstellung jedweden Agitationsbedürf- Wir Kommunisten haben verlangt, daß dieser der nisses. Ich glaube, daß den Kriegsbeschädigten auch Rentenberechnung auch für die Witwen, Waisen in diesem Falle durch eine möglichst rasch ein- und Hinterbliebenen zugrunde gelegte Betrag von setzende sachliche Arbeit mehr geholfen werden 1800 auf 2880 Mark pro Jahr erhöht wird. Diese kann als durch Proklamationen und Erklärungen unsere Forderung ist identisch mit der Forderung von dieser Stelle. Ich möchte Sie deshalb bitten, der Kriegsopferorganisationen. Die Realisierung dem Antrage des Ausschusses zu entsprechen. unserer Forderung würde bedeuten, daß die Voll- (Beifall.) rente eines Kriegsbeschädigten von 100 auf 160 Mark pro Monat erhöht wird. Ich glaube, daß Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn man diese Forderung nicht als agitatorisch an- Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Der sprechen darf. Herr Abgeordnete Renner hat das Wort. Nachdem aber hier festgestellt worden ist, daß der Ausschuß einstimmig beschlossen hat, dem Renner (KPD): Meine Damen und Herren! Jeder Hohen Hause die Schaffung eines Überbrückungs- elfte Bewohner Westdeutschlands hat bereits nach gesetzes vorzuschlagen, haben wir noch einige an- dem heutigen Stand der Versorgungsgesetzgebung dere Ansprüche, noch andere Sorgen anzu- einAspruchafVogn,weilrKs- melden. Der Herr Berichterstatter hat von der Not opfer in irgendeiner Form geworden ist. Wie sieht unseres Volkes gesprochen, die man bei dem kom- die Versorgung im Augenblick aus? Es ist keine menden zentralen Versorgungsgesetz berücksich- Übertreibung, wenn man ausspricht, daß die der- tigen müsse. Nun, ich will mich über das Problem zeitigen Versorgungsgebührnisse nur als Hunger- der Not unseres Volkes hier nicht auslassen, sonst renten zu bezeichnen sind. Wenn man weiß, daß könnte und müßte ich zu der Feststellung kommen, nach der Regelung auf der Basis der Sozialversiche- daß in diesem „christlichen" westdeutschen Bundes- rungsdirektive Nr. 27, die für die gesamte bri- staat die Lasten sehr eigenartig und sehr un- tische Besatzungszone Gültigkeit hat, die Vollrente, gleichmäßig auf die Schultern des Volkes verteilt also die Rente eines völlig arbeitsunfähigen sind. Aber ich nehme eine andere Sache heraus. In Kriegsbeschädigten, nur 100 Mark pro Monat einer Reihe von Ländern der westdeutschen Bun- beträgt, wenn man bedenkt, daß die arbeits- desrepublik haben die Landtage ein Problem, und unfähige Kriegerwitwe oder die Witwe, die an zwar das der Wiederherstellung des Pensionsan- der Ausübung einer Berufsarbeit gehindert ist, spruchs ehemaliger Wehrmachtsberufsbeamter, be- weil sie für mehrere kleine Kinder zu sorgen reits aufgegriffen und gelöst; in anderen Ländern hat, nur 60 Mark Rente bekommt, wenn man ist die Frage noch in der Diskussion. Im Lande sich weiter der Bezugsbedingungen der Renten Nordrhein-Westfalen hat man ein Gesetz be- für die Kriegereltern erinnert, dann muß man zu schlossen, das für diesen Personenkreis eine Höchst- dem Ergebnis kommen — und es auch offen aus- pension von monatlich 160 Mark vorsieht. In an- 358 Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 (Renner) deren Ländern geht die Diskussion darüber fröh- ist also unserer Meinuñg nach vollkommen ge- lich weiter bis zu der Höchstforderung nach voller rechtfertigt. und restloser Wiederherstellung des Pensionsan- Nun ein letztes Wort! Der Vertreter des Herrn spruchs der ehemaligen Wehrmachtsberufs- Arbeitsministers hat im Ausschuß erklärt, daß er beamten. Ich bin der Meinung: wenn dieses Pro- den Entwurf eines Überbrückungsgesetzes inner- blem gelöst werden konnte oder in einigen Ländern halb von drei Wochen vorlegen werde. Neben der der Lösung noch entgegengeht, wenn also für Hoffnung, die ich hiermit ausspreche, daß unsere diesen Personenkreis unser in Not geratenes Volk Anregung, die ich hier vorzutragen die Ehre hatte, Geld hat, dann sollte dieses unser Volk auch Geld in diesem Überbrückungsgesetz Berücksichtigung haben, um eine ausreichende Rentenversorgung findet, gebe ich auch der Erwartung Ausdruck, daß für die Kriegsopfer sicherzustellen. Man sollte der Herr Arbeitsminister seine verantwortlichen Schluß machen mit dem Zustand, daß Kriegs- Beamten zur Eile mahnt, damit wir spätestens in opfer, Kriegerwitwen und -waisen Renten bezie- der Sitzungsperiode Ende November in der Lage hen, die praktisch zum Teil unter den Wohlfahrts- sind, dieses Gesetz zu verabschieden. richtsätzen liegen. (Bravo! bei der KPD.) Aber bei dieser Regelung der Pensionsansprüche der Wehrmachtsberufsbeamten ist noch eine andere Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort zur Ge- Sache in Erscheinung getreten. Bekanntlich wird schäftsordnung hat die Abgeordnete Frau Kalinke. auf die Renten der Kriegsopfer, unterschiedlich je Frau Kalinke (DP): Ich bitte das Hohe Haus, nach nach der Höhe dieser Rente, das vorhandene Ar- der Berichterstattung des Kollegen Bazille, mit der beitseinkommen angerechnet. Bezeichnenderweise in aller Klarheit zum Ausdruck kam, daß sein An- hat man nun bei der Regelung im Lande Nord- liegen gleichermaßen ein Anliegen aller Frak- rhein-Westfalen für die Wehrmachtsberufsbeamten tionen und der Regierung ist, so schnell wie mög- eine Freigrenze von 160 Mark belassen. Der Wehr- lich das Gesetz und die Fürsorge für die Kriegs- machtsberufsbeamtenpensionär kann also bei Vor- beschädigten so zu gestalten, wie es uns allen ohne liegen von 50 Prozent Arbeitsunfähigkeit eine Ansehen der Partei oder Fraktion am Herzen Vollpension in Höhe von 160 Mark beziehen, und liegt. Im Hinblick auf diese Tatsache bitte ich, er darf daneben noch 160 Mark Arbeitseinkommen von einer weiteren Debatte abzusehen und den haben; erst der darüber hinausgehende Betrag Ausschußantrag ohne Aussprache anzunehmen. wird ihm auf seine Rente in Anrechnung gebracht. Vizepräsident Dr. Schmid: Wird das Wort zu Das alte Reichsversorgungsgesetz kannte dieses System der Anrechnung des Arbeitseinkommens diesem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall. auf die Grundrente nicht. Das vorhandene Ein- Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag auf kommen hat höchstens bei der Bemessung und An- Schluß der Debatte ist, den bitte ich, die Hand zu erkennung der Zusatzrente eine Rolle gespielt. Die erheben. — Das ist die weit überwiegende Mehr- Grundrente wurde ohne Rücksicht auf das vor- heit des Hauses; es ist so beschlossen. handene Arbeitseinkommen gewährt. Auch das alte Dann lasse ich über den Antrag der beiden Aus- Mannschaftsversorgungsgesetz aus der Periode vor schüsse, des Ausschusses für Sozialpolitik und des 1914 und ebenso die damalige Offizierspensions- Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefan- gesetzgebung kannten diese Anrechnung des genenfragen, Drucksache Nr. 130, abstimmen. Wer Arbeitseinkommens auf die Rente nicht. Wir sind für die Annahme der Empfehlungen der Aus- der Auffassung, daß dieses Unrecht bereits in dem schüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Überbrückungsgesetz beseitigt werden muß. Das ist einstimmige Annahme. Wir sind des weiteren der Auffassung, daß Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: bereits im Überbrückungsgesetz mit den aus der Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ge- Periode Brünings noch rechtsgültigen Anordnungen schäftsordnung und Immunität über den An- Schluß gemacht werden muß, insbesondere mit trag der Fraktion der FDP betreffend Ein- der Hunger-Notverordnung von 1930, die erlaubt, fügung eines neuen § 48a (Finanzvorlagen) daß Invalidenrenten anteilmäßig oder ganz auf die in die vorläufige Geschäftsordnung (Druck- Versorgungsrenten angerechnet werden. Wir sind sachen Nr. 59 und 129); Berichterstatter: der Meinung, daß, wenn heute im Lande mit Recht Abgeordneter Hilbert. der Streit um Aufhebung der berühmten sechs- Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Ab- prozentigen Gehaltskürzungen für die Beamten ge- geordnete Dr. Arndt. führt wird, dann auch bei den Kriegsopfern end- lich mit der Anwendung Brüningscher Hunger- Dr. Arndt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Notverordnungen Schluß gemacht werden sollte. und Herren! Da dieser Antrag von grundsätzlicher Bedeutung ist und da überdies gegen das Ziel ver- Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß fassungsrechtliche Bedenken bestehen, beantrage dieses Überbrückungsgesetz rückwirkende Kraft ich, den mündlichen Bericht noch nicht zu erstatten, erhalten soll. Bekanntlich ist ein Zwischenlösungs- sondern die Vorlage auch dem Ausschuß für Rechts- vorschlag des Wirtschaftsrats von den Besatzungs- wesen und Verfassung und dem Haushaltsausschuß mächten — damals noch von den Herren Militär- zu überweisen. Der Ausschuß für Geschäftsordnung gouverneuren — abgelehnt worden. Damals also mag federführend bleiben und, nachdem auch die war man sich im Wirtschaftsrat bereits darüber beiden anderen beteiligten Ausschüsse Stellung einig, daß ' die derzeitigen Rentenbezüge gänzlich genommen haben, dann hier seinen Antrag stellen. ungenügend sind. Wir stellen deshalb den Antrag, in dem Überbrückungsgesetz festzulegen, daß es Vizepräsident Dr. Schmid: Ich eröffne die Aus- bereits mit dem Datum des damaligen Beschlusses sprache über diesen Antrag. — Keine Wortmel- des Wirtschaftsrats in Kraft tritt. Wir sind zu dungen. diesem Antrag gekommen, weil wir wissen, daß die Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer für derzeitigen Rentenbezüge der Kriegsopfer es ihnen die zusätzliche Verweisung an die beiden genann- unmöglich machen, auch nur den notwendigsten ten Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu er- Winterbedarf zu beschaffen. Die Forderung, diesem heben. — Der Antrag ist einstimmig angenommen. Überbrückungsgesetz rückwirkende Kraft zu geben, (Zuruf in der Mitte: Nein, ich stimme dagegen!) Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 359 (Vizepräsident Dr. Schmid) — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es sind einige Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der wenige Stimmen dagegen. Sollen diese Stimmen Herr Bundesfinanzminister. näher bezeichnet werden? — Es wird darauf ver- zichtet. Die Verweisung ist beschlossen. Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere, Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: daß ich infolge eines Gesprächs mit einem Mitglied Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brökel- des Hohen Hauses, das mir eine Angelegenheit vor- schen und Genossen betreffend Verhältnisse trug, um eine Sekunde zu spät meine Wortmeldung des Durchgangslagers Bohldamm (Druck- einreichen konnte. Ich darf das damit nachholen. sache Nr. 110). Die Anfrage bezieht sich auf folgende Angelegen- Ist die Bundesregierung bereit, die Anfrage zu heit. Die seinerzeitige Abwertung des Pfundes hat beantworten? dazu gezwungen, daß auch die Bundesregierung eine Umstellung des Umrechnungskurses vor- Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz: Der Res- genommen hat. Diese Umstellung des Umrech- sortminister ist leider nicht anwesend. nungskurses mußte der Öffentlichkeit bekannt- (Unruhe und Zurufe.) gegeben werden. Es war nun am Schwarzen Brett ein einfacher Zettel angeschlagen, auf dem diese Ab- Vizepräsident Dr. Schmid: Das ist bedauerlich. wertung der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Nach Selbstverständlich ist die Tagesordnung der Bun-meiner Unterrichtung hängt dies damit zusammen, desregierung mitgeteilt worden. Der zuständige daß damals die Presse ebenfalls sofort verständigt Ressortminister hätte Gelegenheit gehabt, sich ver- werden mußte und daß, da nicht die gesamte Presse treten zu lassen. erreichbar war, für die Presse — ich weiß nicht (Abg. Renner: Die Regierung von wem, aber ich muß annehmen: von einem Mit- hat wohl Feier tag?) gliedrPs—Anchlagemtword Ich stelle Punkt 9 der Tagesordnung in der Hoff- ist. Im übrigen darf ich feststellen, daß die Noti- nung zurück, daß sich bis zum abermaligen Auf- fizierung des Umrechnungskurses innerhalb einer ruf der zuständige Herr Bundesminister ein- halben Stunde erfolgen mußte, da ja die Frist vorn gefunden haben wird. 19. September bis zum — ich glaube — 26. Sep- tember bereits abgelaufen war. Infolgedessen Ich rufe auf Punkt 10 ,der Tagesordnung: mußten die Banken und die Öffentlichkeit sofort Anfrage der Abgeordneten Frau Wessel und die Mitteilung erhalten. Den Mitgliedern des Genossen betreffend Anschlag im Presse- Hohen Hauses_ wird die Tatsache der Pfundabwer- haus über die Abwertung der D-Mark tung und die Umstellung des deutschen Umrech- (Drucksache Nr. 122). nungskurses auf 4,20 Mark zu jener Zeit längst Ist ein hier anwesendes Mitglied der Bundes- bekannt gewesen sein. regierung bereit, die Anfrage zu beantworten? (Zuruf: Der Ressortminister ist wieder nicht da! — Vizepräsident Dr. Schmid: Die Aussprache ist Lebhafte Rufe: Hört! Hört! — Zuruf von eröffnet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete der SPD: So wird das Haus respektiert!) Reismann. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reis- Dr. Reismann (Z): Ich finde die Anfrage nicht mann. erschöpfend beantwortet. Es ist angefragt worden, ob diese Nachricht, die damals bekanntgegeben Dr. Reismann (Z): Meine sehr verehrten Damen wurde, zutrifft. Darauf ist keine Antwort erteilt und Herren! Wenn schon der Anlaß zu der An- worden. Der Bundestag hat nur durch die Presse frage, die hier zur Erörterung steht, ein solcher erfahren, wie die Abwertung erfolgt ist, obwohl war, der nicht gerade besondere Hochachtung vor er damals versammelt war. der Würde des Hauses ausdrückte, Es ist ferner angefragt worden, ob die damalige (Sehr richtig!) Mitteilung amtlich war. Es hieß damals, daß diese so muß ich doch meiner allergrößten Verwunde- Nachricht nicht von einem Mitglied der hier akkre- rung darüber Ausdruck geben, daß trotz Kenntnis ditierten Pressevertretungen, sondern von dem der Tagesordnung jetzt nicht einmal irgendein Mit- Bundespresseamt herausgegeben wurde. Es wäre glied der Regierung anwesend ist, also die Frage zu beantworten, ob das zutrifft oder (Sehr richtig! — Zuruf: nicht; denn die Journalisten behaupteten damals, Es sind ja Minister da!) der Aushang sei vom Bundespressechef veranlaßt um dazu Stellung zu nehmen und darüber zu be- worden. Ich muß sagen, daß die Eile gar keine Ent- schuldigung darstellt. Man hätte sehr wohl einen richten. Briefkopf der Bundespressestelle nehmen und auch (Abg. Hilbert: Die Anfrage muß erst die Bekanntmachung unterzeichnen können. Die begründet werden!) halbe Minute, die das länger gedauert hätte, wäre — Es ist nicht üblich, Anfragen zu begründen. doch sicherlich tragbar gewesen. Und überdies ist (Abg. Hilbert: Doch!) es nicht die richtige Art und Weise, dies durch Es ist auch nicht notwendig, Anfragen zu begrün-einen solchen Zettel bekanntzugeben, und zwar den; dagegen ist es notwendig, daß eine Antwort weder für die Presse noch für uns, daß wir es erst erteilt wird, wenn das Haus eine Anfrage vorlegt. auf dem Umweg über die Presse erfahren. Ich bin also durch die bisherige Antwort nicht zufrieden- (Sehr richtig!) gestellt, ganz abgesehen davon, daß die Frage nicht Ich kann für mein Teil nicht umhin, daraus die beantwortet wurde, warum der Bundestag nicht Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Regierung mit informiert worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat der sonst den parlamentarischen Gepflogenheiten an dem gleichen Tag, an dem die Sache herauskam, entsprechenden Hochachtung vor dem Hohen Haus hier zu diesem Thema gesprochen. Er hätte dann noch nicht genügend Bekanntschaft gemacht hat. Gelegenheit nehmen können, eine Stunde später, (Lebhafter Beifall beim Zentrum, wenn gerade in dieser Stunde die Entscheidung ge- bei der SPD und bei der KPD.) fällt worden ist, auch diese Mitteilung dem Bundes- 360 Deutscher Bundestag — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. November 1949 (Dr. Reismann) tag zu machen. Auch die Frage, warum der Die Aussprache ist eröffnet. Wird das Wort ge- Bundestag nicht eher informiert wurde, ist nicht wünscht ? — Das ist nicht der Fall. beantwortet worden. Vielleicht ist die Bundes- (Abg. Hilbert: Ueber eine kleine Anfrage kann kei regierung willens, dem Hause nachträglich eine ne Aussprache stattfinden!) erschöpfende Antwort auf diese gestellten Fragen zu geben. — Ich danke Ihnen sehr für die Belehrung, Herr Abgeordneter! Vizepräsident Dr. Schmid: Der Herr Bundes- Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: finanzminister meldet sich zum Wort. Anfrage der Abgeordneten Renner und Ge- Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Meine nossen betreffend Anschlag im Pressehaus Damen und Herren! Wenn ich den Herrn Vor- über die Abwertung der D-Mark (Druck- redner richtig verstanden habe, wünscht er eine sache Nr. 123). Auskunft darüber, warum dem Bundestag nicht eine förmliche Mitteilung zugegangen ist. Ich kann Bestehen Sie noch auf der Beantwortung, nach- dem der Herr Bundesfinanzminister eine ganz ähn- die Frage vielleicht folgendermaßen beantworten. Es sind damals Erklärungen der Regierung und liche Anfrage beantwortet hat ? der Minister über alle wirtschaftlichen Folgen, (Abg. Renner: Einen kleinen Gedankengang möchte die die Umstellung des Umrechnungskurses nach ich noch ausführen!) sich ziehen, dem Bundestag bekanntgegeben wor- — Dann erteile ich Ihnen das Wort, Herr Abgeord- den. Die Tatsache, daß die Umrechnung des Kurses neter Renner. mit 4,20 erfolgt ist, ist allen Mitgliedern des Bun- destags bekannt gewesen und auch bei der Debatte Renner (KPD): Meine Damen und Herren! Ich über die Regierungserklärung besprochen worden. möchte nicht gern die Rolle eines Nachrichters spie- (Sehr richtig! in der Mitte.) len. Wir haben aber an dieser Haltung der Regie- rung gemerkt, wie schwer es ist, wenn ich so sagen Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren Wort- darf, Ruhendes in Bewegung zu bringen. meldungen. Dann stelle ich fest, daß Punkt 10 der Aber etwas Sachliches zu der Antwort. Die Ant- Tagesordnung erledigt ist. wort des Herrn Ministers scheint mir insofern an Ich rufe wiederum Punkt 9 der Tagesordnung den Dingen vorbeizugehen, als sie übersieht, daß auf: uns doch in der Erklärung der Regierung eine an- Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brö- dere Zahl als Basis der Abwertung gegeben worden kelschen und Genossen betreffend Verhält- ist, als es in dieser so umstrittenen Veröffentlichung nisse des Durchgangslagers Bohldamm im Haus der Presse gesagt worden ist. (Drucksache Nr. 110). - (Sehr wahr! bei der KPD.) Ich frage den Herrn Bundesminister für An- gelegenheiten der Vertriebenen, ob er bereit ist, Diesen Widerspruch zwischen Regierungserklärung die Anfrage zu beantworten. — Der Herr Bundes- und Inhalt des Anschlages, gleichgültig, woher er minister hat das Wort. kommt — ich bin auch überzeugt, daß er von der Pressestelle des Bundes kommt —, aufzuklären, Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegen- wäre doch vielleicht für uns noch ein bißchen heiten der Vertriebenen: Die Frage der Lager hat interessant. Stellt sich nämlich meine Vermutung uns in den letzten Wochen außerordentlich bewegt. als richtig heraus, dann wäre der Anspruch des Die Zustände, die sich dort entwickelt hatten, Bundestags um so gerechtfertigter, vor der Presse waren wirklich nicht duldbar. Sie sind unterdessen, informiert zu werden, zumal der Bundestag hier wie mir insbesondere der Herr Landesflüchtlings- anwesend war. minister von Niedersachsen noch heute mitgeteilt (Sehr richtig! bei der KPD.) hat, bereinigt. Außerhalb des Lagers befindet sich niemand. Vizepräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmel- Im übrigen ist die Frage grundsätzlicher Natur dungen liegen nicht vor. Herr Bundesfinanz- zu bereinigen. Es ist von mir der Entwurf für eine minister, die Antragsteller sind nicht damit ein- Rechtsverordnung auf Grund des Artikel 119 des verstanden, daß ihre Anfrage durch die Antwort, Grundgesetzes im Zusammenhang mit Artikel 11 die Sie auf die vorherige Anfrage gegeben haben, vorbereitet. Die Dinge liegen dem Bundesrat und für erledigt erklärt wird. Wollen Sie hierzu noch dem Flüchtlingsausschuß des Bundesrats bereits das Wort ergreifen? — Der Herr Bundesfinanz- vor. Es ist gestern in die beiden Lager Uelzen und minister gibt keine Antwort auf die Frage. Gießen je ein Bundesflüchtlingskommissar geschickt (Unruhe und Zurufe links: Aha!) worden, der die Verhältnisse dort untersucht und für Abstellung sorgen wird. Ich kann aber nur be- Damit ist auch dieser Punkt erledigt. Die Tages- tonen, daß die ganze Frage von viel weitertragen- ordnung ist erschöpft. der Bedeutung ist und ihre grundsätzliche Rege- Ich habe noch mitzuteilen, daß der Ältestenrat lung finden muß. Darüber schweben zwischen den sich heute um 17 Uhr am üblichen Ort versammelt. Ländern und den einzelnen Ministerien hier sehr Ich kann leider nicht mitteilen, wann die nächste eingehende Verhandlungen. Der Bundesrat wird in Plenarsitzung stattfinden wird. Voraussichtlich allernächster Zeit eine Rechtsverordnung vorgelegt wird der Ältestenrat beschließen, in der nächsten bekommen, damit er seine Zustimmung erteilt. Woche, wahrscheinlich am Donnerstag, eine Plenar- Praktisch sind im Augenblick die Verhältnisse be- sitzung stattfinden zu lassen. Es liegen drei Vor- reinigt. Daß stets die Gefahr droht, daß mit den lagen der Regierung vor, die rasch beschieden wer- Überschreitern der Ostzonengrenze große Massen den müssen. Sicher werden Ausschußsitzungen und hereindrängen, ist eine andere Frage, die uns wahrscheinlich auch Fraktionssitzungen stattfinden. schwer bedrückt. Ich schließe die Sitzung. Vizepräsident Dr. Schmid: Ich danke dem Herrn Bundesminister für die Beantwortung der Anfrage. (Schluß der Sitzung: 12 Uhr 36 Minuten.)
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