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Jean-Paul Delahaye

-Die Story
Aus dem Französischen
von Manfred Stern

Springer Basel AG
Die französische Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel «Le fascinant
nombre lt», bei Pour La Science, Diffusion Belin, Paris, Frankreich.

Copyright © Pour la Science 1997

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Delahaye, Jean-Paul:
Pi - die Story I Jean-Paul Delahaye. Aus dem Franz. von Manfred
Stern.
Einheitssacht. : Le fascinant nombre 1t [Pi] <dt.>
ISBN 978-3-7643-6056-6 ISBN 978-3-0348-5085-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5085-8

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der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils gelten-
den Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhand-
lungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

© 1999 Springer Basel AG


Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1999

Umschlaggestaltung: WSP Design, Heidelberg, Deutschland


Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. 00

ISBN 978-3-7643-6056-6

9 8 765 4 3 2 1
Inhaltsverzeichnis

Danksagungen 7
Vorwort 9
1. Erste Begegnungen 13
1t wird definiert und berechnet
2. Merkwürdigkeiten und Kuriositäten 33
Verwickeltes und Unterhaltsames rund um 1t
3. Die Geschichte der Zahl1t zur Zeit der Geometrie 63
Quadraturen und Vielecke
4. Die Geschichte von 1t zur Zeit der Analysis 83
Unendliche Formeln
5. Von handschriftlichen Rechnungen 99
bis zum Zeitalter der Computer
Die Herrschaft des Arcus tangens
6. Die praktische Berechnung von 1t 117
Beispiele für Tröpfel-Algorithmen
7. Lebendige Mathematik 133
Wie man eine Milliarde Dezimalen erreicht
8. Die Berechnung individueller Ziffern von 1t 159
Eine Entdeckung der experimentellen Mathematik
9. Ist 1t transzendent? 177
Irrationale Zahlen, Wurzelausdrücke
und algebraische Gleichungen
10. Ist 1t eine zufällige Zahl? 205
Ungeordnetheit und Komplexität
Tabellen, Formeln und zusätzliche Angaben 233
Literaturverzeichnis 257
Stichwortverzeichnis 265
Bildnachweis 271
7

Dan ksag ungen


Ich bedanke mich bei Fran~oise Adamy, Fabrice Bellard,
Jonathan und Peter Borwein, Philippe Boulanger, Fran~ois Boulier,
Claude Brezinsky, Elias Bröms, Claire Delahaye, Martine Delahaye,
Jean-Philippe Fontanille, B{medicte Fievet, Bernard Germain-
Bonne, Jean Guilloud, Myriam Hecquet, Erik Kern, Philippe
Mathieu, Bruno Marchal, Etienne Parisot, Simon Plouffe, Yves
Roussel, Daniel Saada, Herve This, Eric Wegrzynowski und Herve
Zwirn. Die genannten Damen und Herren halfen mir mit ihren
Bemerkungen oder stellten mir wertvolles Quellenmaterial und
Informationen zur Verfügung.
Besonderen Dank schulde ich Yann Esnault vom Verlag Pour la
Science für die Überarbeitung und die schöne Ausgestaltung des
Originalmanuskriptes.
Vorwort

"Die Zahl1t zu erforschen bedeutet, das Universum zu erforschen ... »


David Chudnovsky

"... oder eher die Tiefen des Meeres auszuloten, denn wir befinden uns
unter Wasser, und alles scheint ohne Form zu sein. Wir brauchen eine
Lampe, und unser Computer ist diese Lampe.»
Gregory Chudnovsky

11: = 3,14159 26535 89793 23846 26433 83279 ...

Die Zahl 1t steht im Mittelpunkt eines außergewöhnlich großen


Bereiches der Mathematik. Dieser Bereich ist so groß, daß niemand ihn
jemals vollständig erforschen wird. Dieses Buch streift im Zeitraffer
durch die Geschichte der Zahl 1t und zeigt Ihnen auf unterhaltsame
Weise, daß die Mathematiker - nach 4000 Jahren Arbeit und vielen
wunderbaren Entdeckungen - immer noch neue Eigenschaften von 1t
finden. Ungeachtet des bisher angehäuften Wissens bleibt diese funken-
sprühende Zahl geheimnisvoll, und manche der elementaren Fragen
über rr scheinen sogar jenseits der Reichweite der heutigen Mathematik
zu sein.
Um die Zahl 1t gruppieren sich viele Teilgebiete der Mathematik,
denen Sie hier begegnen. Hierzu gehören:
- die Geometrie, denn wir dürfen niemals vergessen, daß 1t seinen
Ursprung in den Überlegungen der antiken Geometer hatte. Auch heute
noch haben wir unsere Freude an den scharfsinnigen Konstruktionen
mit Zirkel und Lineal, die Generationen von Mathematikern mit
Besessenheit erfüllt haben.
- die Analysis mit ihren magischen Formeln im Gefolge: unendliche
Summen, unendliche Produkte, Kettenbrüche, ineinander verschach-
telte Wurzeln. Manche dieser Formeln erleichtern das Rechnen, andere
hingegen nicht, und es stellt sich die Frage, wie man diese Formeln von-
einander unterscheiden kann. Sie alle sind Perlen, die dem grenzenlosen
Ozean der Mathematik entrissen worden sind.
- die wunderbare Theorie der irrationalen und der transzendenten
Zahlen, die nach 2000jähriger vergeblicher und mitunter vom
Gegenstand abschweifender Forschungsarbeit die Erkenntnis brachte,
daß die Quadratur des Kreises unlösbar ist.
10
VORWORT

- die erst in jüngster Vergangenheit geschaffene Komplexitätstheorie


und die Theorie der Zufallsfolgen. Sie erfahren, daß der Zufall, den man
in den Dezimalen der Konstante des Archimedes festzustellen meinte,
keinesfalls leicht zu erfassen ist.
- Rechenmaschinen und später Computer, ohne die die gegenwärtigen
Untersuchungen über 1t, einschließlich der abstraktesten Forschungs-
arbeiten, nicht einen Schritt vorankämen.
Sie erfahren, daß sich die scheinbar absurde Besessenheit, mög-
lichst viele 1t-Dezimalen auszurechnen, für den allgemeinen Fortschritt
der Mathematik als nützlich erweist und wichtige praktische Aus-
wirkungen hat.
Sie werden auch einigen Verrückten begegnen - etwa denjenigen,
die Tausende Dezimalen von 1t auswendig lernen - und einige Genies
kennenlernen; mitunter handelt es sich dabei um ein und dieselben Per-
sonen. Und Sie werden den Reiz der philosophischen Fragen nachemp-
finden, die zur Geburt der Mathematik geführt haben und die sich hart-
näckig in der Zahl1t konzentrieren.
Um 1t gruppieren sich noch viele andere Dinge, die ich hier nicht auf-
zählen möchte. Um diese Dinge zu entdecken, müssen Sie sich 1t gründ-
lich ansehen!

rr für alle
Die Zahl1t ist unendlich vielfältig, und deswegen wendet sich dieses
Buch sozusagen an alle Leser. Gewisse Teile richten sich an Nicht-
mathematiker, andere hingegen erfordern etwas Mühe oder eine
gewisse Vertrautheit mit Mathematik. Wir haben vor allem an drei
Gruppen von Lesern gedacht:
• Die neugierigen Leser, die den gesamten Schulstoff in Mathematik
vergessen haben, finden zu Beginn eines jeden Kapitels eine Zusam-
menfassung, die einen Teil ihrer Fragen beantwortet.
• Die wißbegierigen Leser, die sich noch irgendwie an den Stoff der letz-
ten Schulklasse erinnern und ihre Kenntnisse über 1t vertiefen möchten,
werden auf die Hauptteile der Kapitel verwiesen, in denen sie bis an die
Entdeckungen der 90er Jahre herangeführt werden.
• Die wissensdurstigen Leser, die keine großen Schwierigkeiten mit
der im Anschluß an das Gymnasium gelehrten Mathematik haben,
werden auf die Anhänge zu den einzelnen Kapiteln verwiesen. Dort
erfahren sie, wie die Transzendenz von 1t bewiesen wurde und warum
die Wahrscheinlichkeit dafür, daß zwei Zahlen teilerfremd sind, mit ]"I;
zu tun hat. Keiner dieser Beweise ist schwierig, aber die Zahl 1t wird
deswegen keinesfalls gefügig, und ihr Geheimnis veranlaßt uns, ohne
Umschweife in das mathematische Universum einzudringen.
1t ist in fast allen Teilgebieten der Mathematik präsent, und deswe-
gen war es unmöglich, unser Thema erschöpfend zu behandeln. Viel-
11
VORWORT

mehr haben wir eine Auswahl getroffen: Die Entdeckungen oder


Beobachtungen der letzten 20 Jahre werden bevorzugt behandelt,
während die Geschichte der Zahl1t weniger Raum einnimmt (dennoch
zieht sie sich über mehrere Kapitel hin). Insbesondere haben wir uns auf
Fragen der Komplexität konzentriert: Rechenkomplexität (schnelle Mul-
tiplikationsalgorithmen, quadratische, quartische und andere Konver-
genzverfahren), statistische Komplexität (Normalität von re zu den
Basen 2, 10 oder zu anderen Basen) und die Stellung von re bei der
Einteilung der Zahlen auf der Grundlage der «Schwierigkeiten», die
diese Zahlen bereiten (rationale Zahlen, algebraische Zahlen, transzen-
dente Zahlen, berechenbare Zahlen, zufällige Zahlen usw.). Wir hoffen,
den Leser davon zu überzeugen, daß die Mathematik als lebendige
Wissenschaft von einer nie zuvor gekannten Forschungsintensität
durchdrungen ist. Ebenso wird der Leser erkennen, daß der Beitrag des
20.Jahrhunderts zum Verständnis der rätselhaften und unerschöpf-
lichen Zahl re den Erkenntnissen der vorangehenden Jahrhunderte in
nichts nachsteht.

VOI'\VOl't des Übersetzers


Bei der Übersetzung dieses Buches traten in Kapitel 2 Probleme
auf, die sich vielleicht am besten mit dem Begriff «Quadratur von
Versen» umschreiben lassen. In diesem Kapitel findet man zahlreiche
und teilweise unübersetzbare französische Wortschöpfungen oder
Wortspiele, die ihren Ursprung in den Spezialgebieten der re-Philologie,
der re-osophie und der 1t-ologie haben. Obwohl angenommen werden darf,
daß viele dieser Dinge schon dem re-thekanthropus geläufig waren,
möchte ich die Schwierigkeiten anhand einiger Beispiele erläutern.
Weithin bekannt ist der mit «Wie? O! Dies re ... » beginnende deutsche
Merkvers, der das Einprägen der ersten Stellen von re =3,14159 ...
erleichtern soll. Es dürfte kaum möglich sein, diesen Vers so ins
Französische oder in irgendeine andere Fremdsprache zu übertragen,
daß der Inhalt, die Reime und die ursprüngliche mnemotechnische
Absicht erhalten bleiben. Entsprechendes gilt natürlich auch für die
Übertragung fremdsprachiger Merkverse ins Deutsche. In vielen ande-
ren Sprachen gibt es derartige Merkverse für re, von denen man in
Kapitel 2 (Seite 34-37) eine kleine Auswahl findet. Bei der Übertragung
der fremdsprachigen Merkverse war ich bestrebt, den mehr oder weni-
ger sinnigen Inhalt im großen und ganzen wiederzugeben. In
Abstimmung mit dem Autor wurden einige der ursprünglich angegebe-
nen Merkverse weggelassen oder durch andere Verse ersetzt.
Eine mnemotechnische Gedichtform anderer Art ist das von Jacques
Bens stammende Irrationale Sonett (Seite 39). Eine Nachdichtung wäre
vielleicht möglich gewesen, aber ich mußte bald einsehen, daß dies mei-
nen Zeitrahmen gesprengt hätte. Ich habe deswegen das Original durch
12
VORWORT

ein Gedicht ersetzt, das wenigstens das Reimschema und die mnemo-
technische Absicht wiedergibt; dies ging natürlich auf Kosten des
Inhalts, der allerdings auch in der Originalfassung «irrational» ist.
Eine weitere Hürde waren die französischen Merkverse für den
Kreisumfang und die Kreisfläche, die auf der phonetischen Gleich-
setzung «Pierre = Pi-er = TCr» beruhen (Seite 40).
Um die Absicht des Originals wenigstens einigermaßen wiederzuge-
ben, habe ich den sächsischen Dialekt bemüht, in dem die weiche
Aussprache des «p» die phonetische Gleichsetzung «Bier = Bi-er = TCr»
ermöglicht. Darüber hinaus habe ich in der deutschen Fassung auch
Mißbrauch mit der korrekten Aussprache der Namen «Bezier» und
«Fermat» getrieben.
Am Beispiel des Aprilscherzes auf Seite 51 und 53 erkennt man, daß
die TC-ologie TC-osophisch gesehen tatsächlich ein Teilgebiet der Bi-ologie
ist. Bei der Übertragung dieses Aprilscherzes kam es nämlich darauf an,
französische Tier- und Pflanzennamen, die mit «TC» beginnen, durch
deutsche Tier- und Pflanzennamen zu ersetzen, die ebenfalls mit «TC»
beginnen. In diesem Sinne habe ich etwa «piaf» (Spatz), also «TC-af»,
gegen «Piepmatz» ausgetauscht. In ähnlicher Weise habe ich pieuvre
(Krake), pigeon (Taube) und pivert (Grünspecht) zu Pinscher, Pinguin
bzw. Pirol verändert. Mitunter mußten jedoch Tiernamen durch geeig-
nete Pflanzennamen und umgekehrt ersetzt werden. Beispielsweise
steht im Französischen an einer Stelle pies = TC-S, der Plural von TC, also
das französische Wort für «Elstern». Um diese Verstärkung wiederzuge-
ben, habe ich als «Übersetzung» mit der Melonenart «Pimpinelle» ein
Wort gewählt, in dem «TC» zweimal vorkommt. Auf Seite 58 habe ich
anstelle der nicht übersetzbaren Passage «Humour avec TC» den nicht
sehr tiefsinnigen Beitrag über «Die Gefahren der TC-ologie» gesetzt.
Zusätzlich aufgenommen wurden auf Seite 47 ein englisches Gedicht
und dessen Übertragung. Dieses Gedicht verleiht dem Wunsch Ausdruck,
für TC einen einfachen, leicht zu merkenden Wert festzulegen.
Weitere Anmerkungen zur Übersetzung befinden sich an den ent-
sprechenden Stellen im Text.
Besonderen Dank schulde ich Karin Richter (Halle) für die
Durchsicht der gesamten Übersetzung und Gerhard Betsch (Weil im
Schönbuch) für viele wertvolle Hinweise. Für Antworten auf spezielle
Fragen danke ich Corrado dal Corno (Concorezzo), Kornelia Mitzkus
(Halle), Gerd Richter (Halle), Mikko Saarimäki (Jyväskylä), Anna-Liisa
Scharf (Boston und Marseille) und Rüdiger Thiele (Leipzig). Beim Autor
Jean-Paul Delahaye bedanke ich mich für zahlreiche Bemerkungen und
Erläuterungen.

Halle an der Saale, April 1999


Manfred Stern
Erste Begegnungen
1t wird definiert und berechnet

Um uns dem Thema zu nähern, i team besten wenn wir gleich beherzt an die Zahl1t heran-
gehen: Wir untersuchen verschiedene Definitionen von 1t und sehen uns die einfachsten
Verfahren an, die zur Berechnung dieser Zahl erdacht worden sind. Handelt es sich bei der
Zahl1t um eine mathematische oder um eine physikalische Konstante? Wir ind hier mit einer
schwierigen Frage konfrontiert und werden Rechenverfahren, die von einer physikalischen
Voraussetzung abhängen, sorgfältig von den Verfahren unterscheiden, die von einer derartigen
Voraussetzung unabhängig sind.
o

Erste Begegnungen mit 7t


.5

Unter welchen Umständen sind die Menschen der Vorzeit und


der Antike der Zahl1t begegnet?
Sicher geschah dies auf ähnliche Weise, wie es bei uns der Fall
ist: auf dem Umweg über ein triviales Problem beim Basteln, bei der
Gartenarbeit oder bei einer handwerklichen Tätigkeit. Zum Beispiel
1.5
tritt die Zahl 1t bei der Bestimmung der Länge eines Strickes auf,
mit dem der Umfang eines mächtigen Baumes gemessen werden
soll, bei der Ermittlung der Kosten für das Dekorationsband eines
Hutes oder eines Lampenschirms, bei der Berechnung der Anzahl 2

von Brettern, die benötigt werden, um ein Faß herzustellen, bei der
Berechnung der Länge von Schutzverkleidungen für Karrenräder,
bei der Bestimmung einer Bodenfläche, die mit einer Schnur kreis- .5

f6rmig abgesteckt worden ist, oder auch bei der Ermittlung der
Wassermenge, die sich in zylindrischen, kegelförmigen, kugelförmi-
gen und anderen Behältern befindet.
Diese Beispiele veranschaulichen die wunderbarste Eigenschaft
von 1t: Diese Zahl tritt mit ihrer unendlichen mathematischen Tiefe Rollt man einen mit einer Schnur
gebildeten Kreis vom Radius r ab,
überall und in allernächster Nähe auf. Auch wenn wir keine beson- dann erhält man eine gerade
dere Vorliebe für Mathematik haben und wenn wir ihr um jeden Strecke der Länge 2nr. Hat der
Kreis Einheitsdurchmesser, dann
Preis entrinnen wollen: Wir werden von 1t und damit auch von der ist die Länge der Schnur gleich n.
14
1. KAPITEL

Satz des Pythagoras Mathematik wieder eingeholt. Nicht wir entscheiden, ob wir uns für

:2+2
Z2= Y2 d
Z Y
1tinteressieren, sondern es ist diese Zahl, die zu uns kommt - ob wir
es nun wollen oder nicht. Ist sie erst einmal in Erscheinung getre-
ten, dann ist es unmöglich, sie wieder loszuwerden: 1t ergreift Besitz
X
von uns und zieht uns hinein in die faszinierende Welt der geometri-
schen und abstrakten Ordnung.
Strahlensatz
Wir versuchen nun, eine Definition von 1t zu geben. Die vermut-
8, b, c, lich einfachste lautet: 1t ist das Verhältnis zwischen dem Umfang U
8 2 = b2 = C2
c2 eines Kreises und seinem Durchmesser d (dem Doppelten des
Radius r). Wir schreiben diese erste Formel also in der Form
1t = Il. = .Jl.
b, D 2r

Die Kreise der physikalischen Welt


und die Zahl rc des Physikers
Können wir sicher sein, daß das Verhältnis U/2r konstant bleibt,
wenn sich die Größe des Kreises ändert? Mit anderen Worten: Ist 1t
durch die obige Aussage eindeutig definiert?
Die üblicherweise gegebene Antwort lautet ja. Man zeigt, daß
dies in allen Räumen der Fall ist, in denen es einen Abstandsbegriff
gibt und in denen der Strahlensatz gilt.
Man benötigt einen Abstandsbegriff, um von einem Kreis spre-
chen zu können, denn ein Kreis ist die Gesamtheit aller derjenigen
Punkte, die von einem festen Punkt (dem Mittelpunkt) einen kon-
stanten Abstand haben (der als Radius bezeichnet wird). Der
Strahlensatz lautet:
Werden zwei sich schneidende Geraden von zwei Parallelen
Befindet man sich in einem Raum
mit einem Abstandsbegriff, der geschnitten, dann verhalten sich (hinsichtlich ihrer Längen) die
dem Satz des Pythagoras und dem Abschnitte auf der einen Geraden wie die entsprechenden Abschnitte
Strahlensatz genügt, dann kann
man beweisen, daß das Verhältnis der anderen Geraden.
Uf2r nicht von der Länge des Um geometrische Schlußfolgerungen ziehen zu können, setzen
Radius r abhängt. Wir betrachten
hierzu zwei konzentrische Kreise wir voraus, daß der gegebene Abstandsbegriff dem Satz des
Cl und C 2 , in die reguläre Vielecke Pythagoras genügt (in einem rechtwinkligen Dreieck ist die Fläche
gleicher Seitenzahl einbeschrie-
ben sind. Mit Hilfe des Strahlen- des Quadrates über der Hypotenuse gleich der Summe der Flächen
satzes zeigt man, daß das Verhält- der Quadrate über den Katheten).
nis der Seiten dieser Vielecke
(und folglich auch das Verhältnis Unter den getroffenen Voraussetzungen beweist man mühelos,
ihrer Umfänge) gleich dem Ver- daß U/2r nicht vom Radius des Kreises abhängt. Tatsächlich folgt
hältnis der Radien rl und r 2 ist.
Nimmt man nun Vielecke mit im- aus dem Strahlensatz, daß die Umfänge von zwei regulären
mer größerer Seitenzahl, dann Vielecken mit gleicher Seitenzahl, die in konzentrische Kreise einbe-
streben die Umfänge der Vielecke
gegen die Umfänge UI und U2 der schrieben sind, proportional zu den Radien der Kreise sind. Macht
beiden Kreise, und man erhält die man nun mit Hilfe eines Grenzüberganges einen «Sprung» von den
Gleichheit rl/r2 =U/U2•
15
ERSTE BEGEGNUNGEN

Umfängen der Vielecke zu den Kreisumfängen (das heißt, betrachtet


man Vielecke mit einer immer größeren Anzahl von Seiten), dann
findet man, daß auch die Umfänge der beiden Kreise proportional zu
ihren Radien sind. Mit anderen Worten: Das Verhältnis U/2r hängt
nicht vom Kreis ab. Folglich haben wir eine Konstante definiert -
die «Umfangszahl1t».
Man bezeichnet die mathematischen Räume, in denen diese
Beweisführung möglich ist, als euklidische Räume. Es gibt gelehrte
und komplizierte Definitionen dieser Räume, aber wir haben nicht
vor, uns hier in das Gebiet der Axiomatik zu stürzen!
Im allgemeinen wird angenommen, daß unser physikalischer
Raum ein euklidischer Raum ist. Demnach ist 1t eine physikalische
Konstante, die - ausgehend von einem beliebigen Kreis, für den man
U/2r berechnet - experimentell meßbar ist.
In Wirklichkeit sind die Dinge jedoch nicht ganz so einfach.
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein trifft es nicht
zu, daß unser Raum exakt euklidisch ist. Hieraus folgt, daß in
«unserer» physikalischen Welt das Verhältnis U/2r nicht unabhän-
gig von dem Kreis ist, den man betrachtet.
Um den Grund für die Änderung des Verhältnisses U/2r in den
durch die allgemeine Relativitätstheorie beschriebenen Räumen zu
verstehen, reicht eine Beschränkung auf die Dimension 2 aus. Den
von den Relativitätstheoretikern betrachteten gekrümmten
Räumen entsprechen hier Flächen, die nicht in der euklidischen
Ebene liegen, zum Beispiel Kugeloberflächen.
Ziehen Sie auf einer sehr großen Kugel - denken Sie etwa an die
Erde - kleine Kreise, dann ist die Größe U/2r bis auf Meßfehler kon-
stant. Ziehen Sie dagegen einen großen Kreis, dann liegt dessen
Mittelpunkt nicht mehr in der gleichen Ebene wie der Kreisumfang, R <r
und der Wert, den Sie für r messen (wenn Sie ausschließlich die r= scheinbarer Radius
R = tatsächlicher Radius = U/21t
Punkte der Kugeloberfläche berücksichtigen), wird größer, was zu
einer Verkleinerung des Verhältnisses U/2r führt. Je größer die Auf der Oberfläche einer Kugel
Kreise sind, die Sie betrachten, desto kleiner ist U/2r. Ein weiterer ziehen wir mit einem Zirkel der
Öffnung r einen Kreis mit einem
Unterschied im Vergleich zur euklidischen Ebene besteht darin, daß Umfang U, der kleiner als 21tr ist.
es auf einer Kugel keine beliebig großen Kreise gibt. Kein Kreis ist Die Differenz zwischen U und 21tr
ist um so größer, je größer der
größer als der Äquator! Kreis ist. Der tatsächliche Radius
Dasselbe Phänomen tritt wahrscheinlich auch in unserem Raum R, definiert als das Verhältnis
U/21t, ist der Radius des Kreises in
auf, der das dreidimensionale Äquivalent einer Kugeloberfläche oder der Schnittebene, die diesen Kreis
einer noch komplizierteren Fläche ist. Glücklicherweise liegen bei den enthält. Zweidimensionale Lebe-
wesen, die auf der Kugelober-
Kreisen, denen wir üblicherweise begegnen, die Meßfehler ein gutes fläche wohnen, wiirden mit ihrer
Stück oberhalb der relativistischen Abweichung, die sich in diesem Vermessungstechnik einen Ra-
dius feststellen, der größer als R
Fall jeder tatsächlichen experimentellen Berechnung entzieht. ist. Die allgemeine Relativitäts-
Ein Physiker hat mich zu der Bemerkung veranlaßt, daß 1t trotz theorie besagt, daß unser Raum
ungefähr so beschaffen ist wie die
alledem im Raum der allgemeinen Relativitätstheorie geometrisch Oberfläche einer Kugel.
16
1. KAPITEL

definierbar bleibt, und zwar als Grenzwert des Verhältnisses U/2r


wenn r gegen 0 strebt. Man könnte hierauf erwidern, daß sehr
kleine Längen (und daher auch sehr kleine Kreise) nach den
Prinzipien der Quantenmechanik keine physikalische Realität
besitzen. Folglich ist es nicht möglich, TC in unserer physikalischen
Welt als geometrischen Grenzwert von U/2r zu definieren. Wie so
oft, bringt auch hier die Relativität Unruhe ins Spiel. Wenn man
glaubt, die Schwierigkeiten zu beherrschen, dann zieht einem die
Quantenmechanik den Boden unter den Füßen weg.
Das «physikalische TC» ist übrigens sehr instabil: Die Krümmung
des Raumes ändert sich in Abhängigkeit von den vorhandenen
Massen. Deswegen ändert sich das Verhältnis U/2r bei dem Kreis,
den Sie auf Ihr Blatt gezeichnet haben, wenn Sie mit der Hand dar-
überstreichen.
Wäre TC eine physikalische Konstante, die man einzig und allein
nur deswegen besser kennenlernen möchte, um Physik zu treiben,
dann wären diese Schwierigkeiten fundamentaler Natur und dürf-
ten nicht außer acht gelassen werden. Die Zahl TC ist jedoch eine
mathematische Konstante, und der Gegenstand unseres Interesses
hier ist die Stellung dieser Konstanten im mathematischen
Universum.
Abschließend stellen wir zu dieser Frage fest: Selbst wenn das
physikalische Universum vollkommen euklidisch wäre und man den
Umfang des sichtbaren Teils des Universums mit Hilfe seines
Radius mit einer Genauigkeit berechnen möchte, deren Abweichung
vom exakten Wert der Größe eines Wasserstoffatoms entspricht,
dann würden 40 Dezimalen von TC bei weitem ausreichen. Da die
ersten 40 Dezimalen von TC seit Beginn des 18. Jahrhunderts
bekannt sind, wären somit die Arbeiten zur Berechnung von TC abge-
schlossen.
Wir halten fest, daß die Zahl TC sogar in nichteuklidischen Univer-
sen in der Formel für den Umfang auftritt: In der nichteuklidischen
Geometrie des russischen Mathematikers Nikolai Lobatschewski ist
1 m2 der Umfang eines Kreises durch die Formel U =TC k(erk - e-rk) gegeben,
wobei k eine vom Raum abhängige Konstante und e = 2,71828 ... die
berühmte Konstante der Analysis ist.

3,14159 ... m2
Erste geometrische Definition von 11:

Fassen wir zusammen: Die Zahl, um die es in diesem Buch geht,


ist das TC der Mathematiker, das TC der «flachen» Räume, die als
Die Fläche eines Kreises mit einem
euklidisch bezeichnet werden. Unabhängig von der Größe eines in
Radius von einem Meter ist exakt lt. diesen Räumen betrachteten Kreises ist das Verhältnis U/2r des
17
ERSTE BEGEGNUNGEN

Umfanges zum Durchmesser dieses Kreises eine Konstante. Die so


definierte Zahl ist keine physikalische Konstante, obwohl man sich
in dieser Hinsicht jahrhundertelang einer Täuschung hingegeben
hatte. Vor dem 19. Jahrhundert (und der Entdeckung nichteuklidi-
scher Geometrien durch Janos Bolyai, Bernhard Riemann und
Nikolai Lobatschewski) ahnte man nicht einmal, daß Räume
anders sein können als euklidisch. Die Annahme, daß der Raum
euklidisch ist, wurde in früheren Zeiten für absolut selbstverständ-
lich gehalten und war eine der Grundlagen des Denkens. Diese
Annahme hatte sich zunächst als anfechtbar und später als falsch
erwiesen, da die allgemeine Relativitätstheorie experimentell be- Von der Formel, die den Umfang
stätigt worden ist. eines Kreises zu dessen Durch-
messer in Beziehung setzt, ge·
langt man zu der Formel, in der
die Fläche eines Kreises zu dessen
Radius in Beziehung gesetzt wird
und in der 1t erneut auftritt. Wir
• 2rtr. stellen uns ein reguläres Vieleck
A vor, das in einen Kreis (A) einbe-
schrieben ist und sehr viele Seiten
hat. Es bezeichne U den Kreisum-
fang, der durch die Summe der
Längen der Seiten des Vielecks
approximiert wird. Die Fläche des
Kreises stimmt fast mit der Fläche
des Vielecks überein, die gleich
der Summe der Flächen der Drei-
ecke t i ist, deren Grundlinien die
Seiten Li des Vielecks sind. Die
Fläche eines jeden kleinen
Dreiecks t i ist gleich der Hälfte
2rt r des Produktes der Grundlinie und
der Höhe dieses Dreiecks. Diese
Fläche weicht nur geringfügig
von rL;l2 ab, denn die Höhe ist fast
gleich r. Für sehr große n ist die
Fläche des Vielecks (und die des
Kreises) durch F = rL/2 + rL.)2 + ...
+ rL n /2 = r(L j + L 2 + ••• + L n )2 = Ur/2
gegeben. Wegen U = 21tr findet
man F = nr 2• Die Zahl 1t in der
Formel für die Kreisfläche stimmt
2rtr also mit der in der Umfangsformel
auftretenden Zahl überein. Dieser
geometrische Beweis beruht auf
der Idee, daß ein Vieleck mit einer
sehr großen Anzahl von Seiten
«fast» ein Kreis ist. Der Beweis
kann mit Hilfe der klassischen
analytischen Methode des Grenz-
überganges vollkommen exakt ge-
führt werden. Wir geben auch ei-
2rrr nen rein anschaulichen Beweis
des obigen Ergebnisses (B), bei
dem man den Kreis in Sektoren
zerschneidet und diese dann zu
r 2rtr 2 = 2F einem Streifen anordnet. Diese
Methode der Umordnung scheint
bereits in der Antike bekannt ge-
wesen zu sein.
18
1. KAPITEL

Wir kennen jetzt die erste und natürlichste Definition von 71:,
nämlich 71: = U/d = U/2r. Aus dieser Formel leitet man ab, daß 71: die in
Metern gemessene Länge des Umfangs eines Kreises ist, der einen
Durchmesser von einem Meter hat.

Zweite geometrische Definition von T[

Wir geben nun eine weitere Definition dieser allgegenwärtigen


Zahl: 71: ist das Verhältnis der Fläche eines Kreises zum Quadrat sei-
nes Radius, 71: = F/r 2 • Man muß wieder voraussetzen, daß der Raum
euklidisch ist. Aus dieser zweiten Formel leitet man ab, daß 71: die in
Quadratmetern gemessene Fläche eines Kreises ist, der einen
Radius von einem Meter hat.
Beim Lesen des vorangehenden Absatzes hätten Sie eine ableh-
nende Miene aufsetzen und sich sagen müssen: «Das ist ja alles
schön und gut, zwei Definitionen für ein und dieselbe Zahl, aber das
ist eine Definition zuviel. Was beweist mir denn überhaupt, daß
diese beiden Definitionen auf ein und dieselbe Zahl 71: führen?"
Passen Sie gut auf, denn Sie sind mit Ihrer Hand in ein Räderwerk
geraten! Sie sind dabei, sich in Argumentationen zu stürzen, aus
denen Sie nicht wieder hinausfinden. Ich habe Sie gewarnt: 71: ist
eine Falle.
Das oben genannte Problem ist glücklicherweise leicht zu bewäl-
tigen. Die Lösung beruht auf der Gleichsetzung von Kreissektoren
mit Dreiecken und einem anschließenden Grenzübergang. Wir
sehen, daß es sich wirklich um ein und dieselbe Zahl 71: handelt, die
sowohl in der Formel für den Kreisumfang als auch in der Formel
für die Kreisfläche auftritt.

Erste arithmetische Definition von rr

Die von der Kreisfläche ausgehende Definition von 71: gestattet


die Formulierung einer weiteren äußerst einfachen Definition, die
ausschließlich auf Rechnungen mit ganzen Zahlen beruht.
Wir zeichnen ein aus (2n + 1) x (2n + 1) Punkten bestehendes
quadratisches Gitter mit gleichmäßigen Abständen lIn zwischen
den gedachten Gitternetzlinien und zählen diejenigen Punkte, deren
Abstand vom Mittelpunkt kleiner als 1 ist. Durch Ausrechnen des
Verhältnisses dieser Anzahl zur Gesamtzahl der Punkte (innerhalb
eines Quadrates der Seitenlänge 2 mit dem gleichen Mittelpunkt)
erhalten wir einen Näherungswert für 71:/4 und somit nach
Multiplikation mit 4 einen Näherungswert für 71:.
19
ERSTE BEGEGNUNGEN

Ein Verfahren zur Bestimmung


von 11, bei dem keine physikali-
o 0 0 0 0
" C 0 sche Annahme gemacht wird. Zu
000 000 einer gegebenen ganzen Zahl n be-
trachten wir diejenigen Paare (x,
o 0 c 0 y) von ganzen Zahlen, bei denen x
o o
und y zwischen -n und +n liegen
(die Anzahl dieser Zahlenpaare
c beträgt (2n + 1)2). Wir zählen nun
die Paare, die der Ungleichung
x2+y2 < n 2 genügen. Dividiert man
die so gefundene Zahl durch
(2n + 1)2 und multipliziert man
anschließend mit 4, dann erhält
man einen Wert, durch den 11 von

..
- - - ... -
unten approximiert wird. Die
Fläche des Kreises ist nämlich

.' .
~ ~ ~ .~ ~ . ~,.

durch 11,-2 und die des umbeschrie-


benen Quadrates durch 4,-2 gege-

. ,.
ben, woraus sich für das Ver-
hältnis der bei den Flächen der
Wert rrJ4 ergibt. Mit wachsendem n
,.. strebt das Verhältnis der Anzah-

.' .
len der Punkte, die von den bei-
o o den Figuren eingeschlossen wer-
den, gegen diesen Wert. Im

.
c o nebenstehenden Beispiel ist n =
o
10, die Gesamtzahl der Punkte be-
C 0 " 0
trägt 21 x 21 = 441, und die Anzahl
000 000 der Punkte, die x2 + y2 < 100 er-
füllen, beträgt 305 (diese Punkte
o 0 0 0 0 o 0 0 0 0
sind rot markiert). Hieraus folgt
der Näherungswert 4x305/441=
2,7664... Die Koordinaten des
Punktes (-6, -8), für den x2 + y2 =
100 gilt, sind durch gestrichelte
Ordnet man jedem Punkt ein Paar von ganzen Zahlen zu, dann Linien dargestellt; dieser Punkt,
der auf dem Umfang des Kreises
erhält man den Näherungswert sn in arithmetischer Form: liegt, wird nicht gezählt.

Sn'"
(2n
4 2 (AnZahl der Paare (X, y ) fur die -1 <
+ 1)
~ , ~ < 1 und nx: + Yn : < 1)

Dies läßt sich so anordnen, daß nur ein Achtelkreis betrachtet


wird.

8 (Anzahl der Paare ex,y) furdie O:O;x:O;y:O;n und x 2 +y2<n 2)


sn =

Für n = 20 berechnet man n; = 3,16, für n = 100 folgt n; = 3,151,


und für n = 200 ergibt sich der Wert n; = 3,146 (von jetzt an kenn-
zeichnen wir die vom exakten Wert abweichenden Dezimalen von n;
durch rote Farbe).
Die Glieder dieser Folgen sind Näherungswerte für die Fläche
des Kreises mit dem Mittelpunkt (0, 0) und dem Radius 1 in der
20
1. KAPITEL

Zeichenebene. Die Zeichenebene ist mit Sicherheit euklidisch, und


daher stützt sich die gegebene Definition auf keinerlei physikalische
Hypothese. In dieser vollkommen präzisen Definition treten nur
ganze Zahlen auf.
Die Berechnung von sn oder s'n kann per Hand oder mit Hilfe
eines Computers erfolgen. Um jedoch p Dezimalstellen exakt zu
berechnen, muß man n = loP wählen und ungefähr 102p
Multiplikationen mit p-stelligen Zahlen durchführen (Berechnung
der Werte für x 2 und y2). Hinzu kommen noch die Additionen und
das Vergleichen von Zahlen. Durch diese Inflation von Rechnungen
verbietet sich die Verwendung von sn oder s'n für die Berechnung von
auch nur 20 Dezimalstellen von 1t: Auch mit den leistungs stärksten
modernen Rechnern kämen Sie nicht besonders weit.
Dennoch ist diese Definition wichtig, denn sie zeigt, daß 1t sogar
auf einem elementaren Niveau und ohne jegliche physikalische
Hypothese definiert werden kann. Darüber hinaus gestattet es diese
Definition im Prinzip, die Zahl1t so genau zu berechnen, wie man es
wünscht.

Weitere geometrische Definitionen


Die beiden ersten geometrischen Definitionen von 1t sind äquiva-
lent. Dies gilt auch für die aus den folgenden Formeln abgeleiteten
Definitionen:
• 41tr3/3 = Volumen einer Kugel vom Radius r und somit
• 1t = 3/4 des Volumens einer Kugel vom Radius l.
• 41tr 2 = Oberfläche einer Kugel vom Radius r und daher
1t = 1/4 der Oberfläche einer Kugel vom Radius l.
Aus allen diesen Definitionen lassen sich elementare experimen-
telle Verfahren zur Berechnung von 1t ableiten. Theoretisch könnte
man damit die Zahl 1t mit beliebiger Genauigkeit berechnen.
Aufgrund der Meßfehler und der nichteuklidischen Natur des
Raumes lassen sich mit diesen Verfahren in der Praxis jedoch nicht
mehr als zehn Dezimalstellen ausrechnen.
Wir geben nun einige dieser experimentellen Verfahren an:
Bestimmung von 1t mit Hilfe einer
Kugel, deren Volumen gleich 4ru-3/3 • Messen des Umfangs eines Kreises vom Radius 1 mit einem
ist. Das Männeken wiegt einen ku- Faden.
gelförmigen Behälter mit einem Ra-
dius von einem Meter vor und nach
• Bestimmung der Anzahl der Kästchen, die sich innerhalb eines
dem Auffüllen, teilt die Massen- auf ein kariertes Blatt gezeichneten Kreises befinden (die Anzahl
differenz (ausgedrückt in Kilo- der gefundenen Kästchen wird durch das Quadrat der Anzahl der
gramm) durch 1000 (die Masse eines
Kubikmeters Wasser) und multipli- auf einem Radius befindlichen Kästchen geteilt). Wir erhalten
ziert dann das Ergebnis mit 3/4, um dadurch einen Näherungswert von unten. Fügen wir diejenigen
einen experimentellen Wert für 1t zu
bekommen. Kästchen hinzu, die den Umfang schneiden, dann bekommen wir
21
ERSTE BEGEGNUNGEN

einen Näherungswert von oben. Liegen zum Beispiel bei einem


Kreis zehn Kästchen auf dem Radius, dann finden wir 2,96 ~ 1t ~
3,72.
• Abwiegen von Wasser, das in einem Zylinder oder in einer Kugel
enthalten ist, oder Abwiegen von Farbe, die zum Streichen einer
Kugeloberfläche benötigt wird.

Abstraktere Definitionen
Die modernen Mathematiker sind für die Reize der Geometrie
nur wenig empfänglich. Selten findet man heute Bücher, in denen 1t
geometrisch definiert wird, wie ich es gerade getan habe. Man zieht
es statt dessen vor, 1t mit Hilfe von Begriffen aus der Analysis zu
definieren. Beispielsweise liest man auf Seite 217 des Buches
Analyse von J.-M. Arnaudies und H. Fraysse (Dunod, Paris 1988):
«Definition VA. 1. Mit pi (geschrieben: 1t) bezeichnet man den
doppelten Wert der zwischen 0 und 2 liegenden eindeutigen Lösung
der Gleichung cos (x) = 0.»
Die Funktion cos (x) wurde ihrerseits auf Seite 210 des oben
genannten Werkes durch die Formel

cos z = (e iz + e- iZ )/2

definiert, in der z eine komplexe Zahl ist und i diejenige imaginäre


Zahl bezeichnet, für die i 2 = -1 gilt. Diese Formel setzt natürlich die
Kenntnis der komplexen Exponentialfunktion voraus. Diese Expo-
nentialfunktion ist auf Seite 209 durch die Formel

definiert worden, und diese Definition stützt sich ihrerseits auf die
Definition der komplexen Zahlen und der konvergenten Reihen, die
im Lehrbuch an früherer Stelle gegeben wurden. Sie dürfen die vor-
angehenden Lektionen nicht versäumen, wenn Sie die Definition Messen des Wertes von 1t unter
von 1t verstehen wollen! Verwendung der Tatsache, daß die
Nicolas Bourbaki, der berühmte unvergängliche Mathematiker Oberfläche einer Kugel vom Ra-
dius r durch 41t1.2 gegeben ist. Das
(tatsächlich handelt es sich um eine ganze Gruppe von Männeken bestreicht ein Quadrat
Mathematikern, die sich regelmäßig erneuert), kultiviert bisweilen von einem Meter Seitenlänge und
danach die Oberfläche einer Ku-
die Kunst, das Einfache kompliziert zu machen. In FVR (Fonction gel mit einem Radius von einem
d'une variable reelle, Band III.4§1 (Bourbaki numeriert die Seiten Meter mit Farbe und rechnet
dann das Verhältnis der verwen-
seiner Abhandlung nicht) wird 1t als diejenige reelle Zahl definiert, deten Farbenmengen aus.
22
1. KAPITEL

die in der Formel 2ne(x) für die Ableitung der Funktion e(x) auftritt.
Die letztgenannte Funktion, deren Existenz und Eindeutigkeit
bereits bewiesen wurden, bezeichnet den stetigen Homomorphismus
der additiven Gruppe R (der reellen Zahlen) auf die multiplikative
Gruppe U der komplexen Zahlen mit dem absoluten Betrag l.
Analytische Definitionen dieser Art werden heute ziemlich
durchgängig akzeptiert, denn eine Definition mit Hilfe des
Kreisumfangs würde den Mathematiker - wenn er die heutigen
Kriterien der Strenge erfüllen möchte - dazu zwingen, einerseits
den Begriff des euklidischen Raumes zu bringen und andererseits
die Integralrechnung zu entwickeln, die für den Begriff der
Bogenlänge unentbehrlich ist. Außerdem erleichtert die analytische
Definition das Studium der Trigonometrie und gestattet schließlich
eine Wiedergewinnung der geometrischen Definition mit Hilfe des
Umfangs. Natürlich muß sich jeder moderne Mathematiker diesen
scheinbar komplizierten Weg zu eigen machen.
Im Jahre 1934 hatten die Mathematiker noch nicht auf die geo-
metrischen Definitionen von 1t verzichtet. Edmund Landau setzte
eine schwerwiegende Polemik in Gang, als er in einem in Göttingen
veröffentlichten Lehrbuch eine Definition von 1t gab, die der auf der
vorangehenden Seite beschriebenen Definition ähnelt. Auch diese

FVR 111.4 §1

3. mriv'". d". fOJlctlon. circulair.. ; Dombre ...

On a d61ni, en Topologie gt!n6'ale (TG, VDI, p. 8) I'homomorphisme eon-


tinu x Ho e(x) du groupe additif R sur le groupe multiplieatif U des nombres
comp1excs de valeur absolue I; c'cst une fonelion pmodique de p&iode prin-
eipale I, el on a e(!) = i. On sail (loe. eit.) que tout homomorphisme continu de
R sur U est de la fonne x 1-+ e(x{a), ct qu'on pose COS Gx = ßl(e(x{a», sin G x =
J(e(xfa» (foTl&tions trigonomltriquu, oufoTl&tions circulaires, de basc a) j ces dcrnieres
fonetions sont des applieations continues de R dans ( - I, + 1), admettant a pour
periode principalc. On a sinG(x + af4:) - COSo x, coso(x + 4/4) ~ - MG x, ct la
fonetion sin Gx es! eroissante dans I'intervalle ( - a{4, a{4).

PR.OPosmON 3. - LafoTl&tion e(x) admd m tout point de R U/I6 dmule igale a2m'c(x),
Drin est U1l4 ,onstante > O.
En etTet, le th. 1 de III, p. I, appliqut! au cas ou E est Ic corps C des nombres
complcxcs, donne la relation e'(x) .. e'(O)e(x); en outre, commc e(x) a une
nonne euclidienne constante, c'(x) est orthogonal a e(x) (I, p. 15, Exnnple 3); on
a done e'(O) = «i, avee « rc!el. Comme sin l x est eroissante dans (-t. t). sa
Seite aus der Abhandlung von dmvt!e pour x = 0 est ~ 0, done « ;;. 0, ct eomme e(x) n'est pas constantc,
N. Bourbaki, in der die Zahl1t ana-
lytisch als eine Konstante defi· « > 0; il est d'usage de designer le nombre '" ainsi dt!fini par la notation 2r..
niert wird, die in der Ableitung
der Exponentialfunktion auftritt.
23
ERSTE BEGEGNUNGEN

Definition stützt sich auf die Lösungen der Gleichung cos x = O. Die
Polemik gegen Landau führte in dem damaligen politischen Klima
des Rassismus dazu, daß er von seinem Lehrstuhl an der Universi-
tät Göttingen abberufen wurde.

Definition von 11: mit Hilfe von Wurzeln


oder die Quadratur des Kreises
Das Problem der Quadratur des Kreises, auf das wir in den
Kapiteln 2, 3 und 9 ausführlich eingehen werden, hat die
Mathematiker jahrhundertelang mit Besessenheit erfüllt. Man
kann dieses Problem als Suche nach einer einfachen Definition von
n auffassen, die diejenigen Komplikationen vermieden hätte, denen
sich die Mathematiker heute ausgesetzt sehen.
Tatsächlich läuft die Quadratur des Kreises «<Man konstruiere
zu einem gegebenen Kreis unter alleiniger Verwendung von Zirkel
und Lineal ein flächengleiches Quadrat») darauf hinaus, ausgehend
von den ganzen Zahlen und unter Verwendung des Quadrat-
wurzelziehens eine Definition der Zahl n zu geben.
Diese Zielstellung bedeutete, daß für die Zahln ein Ausdruck fol-
gender Art gesucht wurde:

J~o - 213 = 3,1415 33

Wäre eine derartige Definition mit Hilfe von Wurzelausdrücken


(die man auch Radikale nennt) möglich, dann müßten die modernen
Lehrbücher der höheren Mathematik auch nicht auf diese außer-
ordentliche Akrobatik zurückgreifen, die Landau seine Stelle geko-
stet hatte. Erinnern wir uns daran, wie schwer es den Menschen
fiel, die Irrationalität von --J2 zu akzeptieren, also die Tatsache, daß
sich diese Zahl nicht als Quotient zweier ganzer Zahlen darstellen
läßt. Mit der Zahl n war es ähnlich schwer: Erst im Jahre 1882
räumten die Mathematiker ein, daß sich n nicht mit Hilfe von
Wurzelausdrücken definieren läßt (vgl. Kapitel9J.

Experimentelle Messungen zur Bestimmung von TC

Unter Ausnutzung der Eigenschaften von n kann man sich expe-


rimentelle probabilistische Verfahren zu dessen Messung ausden-
ken. Das einfachste dieser Verfahren (bei dem der Raum als eukli-
disch vorausgesetzt wird) arbeitet mit Wurfpfeilen.
24
1. KAPITEL

Wir zeichnen ein Quadrat mit einem einbeschriebenen Kreis


und werfen auf die so gebildete Zielscheibe aus reichlicher Ent-
fernung Wurfpfeile. Von den Pfeilen, die die Zielscheibe berühren,
befindet sich ein Anteil von ungefähr 1tf4 innerhalb des Kreises.
Wirft man sehr viele Pfeile, dann ergibt sich ein Näherungswert für
1tf4 und somit auch für n.

Monte-Carlo-Methoden

Die Methode der Wurfpfeile läßt sich in Form eines Programmes


adaptieren, bei dem der Computer Ziehungen vornimmt. Das
Prinzip des Programmes sieht so aus: Mit Hilfe der Randomfunktion
der Programmiersprache wählt der Computer nach dem Zufalls-
prinzip zwei Zahlen x und y zwischen den ganzen Zahlen -m und +m
aus (wobei m hinreichend groß ist, zum Beispiel 1.000.000). Danach
stellt das Programm fest, ob (x/m)2 + (y/m)2 kleiner als oder gleich 1
ist, das heißt, ob sich der Punkt mit den Koordinaten (x, y) innerhalb
eines Kreises vom Radius m befindet. Das Programm wiederholt
diese Operationen sehr oft. Der Anteil der Paare ganzer Zahlen, die
der Ungleichung genügen, nähert sich allmählich dem Wert 1tf4,
woraus man einen Wert für n erhält.
Diese Methode hat mehrere Mängel:
• Auch wenn man eine sehr große Anzahl von Rechnungen ausführt,
konvergiert der oben erwähnte Anteil in Wirklichkeit nicht gegen n,
sondern gegen einen Wert, der in der Nähe von n liegt (möchte man
eine tatsächliche Konvergenz gegen n erreichen, dann muß die Zahl
m immer mehr vergrößert werden).
• Sie stützt sich auf die Randomfunktion der Programmiersprache
und ist keine wirkliche Zufallsfunktion (ugl. KapitellOJ.
• Sie konvergiert sehr langsam.
Die gleiche Methode mit Würfeln zur Erzeugung von zufälligen
Ziehungen unter Vergrößerung von m würde weder von der Annah-
me abhängen, daß unser Raum euklidisch ist, noch von der (stets
falschen) Annahme, daß der Zufallsgenerator des Rechners gut ist.
Die Methode würde jedoch verlangen, daß die Würfel vollkommen
sind und daß auch das «Mischen» der Würfel vor den Würfen in per-
fekter Weise erfolgt.
Alle diese Verfahren weisen jedoch selbst dann einen schwerwie-
genden Mangel auf, wenn man sie von Zufallsgeneratoren und von
der Voraussetzung unabhängig gemacht hat, daß der Raum eukli-
disch ist. Sie konvergieren noch langsamer als die oben gegebene
arithmetische Definition von n. Man kann diese Verfahren schwer-
lich empfehlen!
25
ERSTE BEGEGNUNGEN

Die Buffonschen Nadeln: TI auf dem


Holzfußboden
Der französische Naturforscher Georges Louis Ledere, Comte de
Buffon (1707-1788), ist der Autor eines fünfzehnbändigen Werkes
mit dem Titel Histoire naturelle generale et particuliere. Er war als
Verwalter des Königlichen Gartens, eines Vorläufers des Botani-
schen Gartens, bekannt. Aber er ist auch wegen seiner Nadeln
berühmt.
Buffon zeigte folgendes: Eine Nadel der Länge L, die auf einen
Holzfußboden mit Dielenbrettern der Breite L geworfen wird, trifft
mit der Wahrscheinlichkeit 2/n den Rand eines Dielenbrettes. Im
allgemeinen Fall, das heißt für eine Nadel der Länge a und für
Dielenbretter der Breite b, beträgt diese Wahrscheinlichkeit 2albn
(ugl. Seite 26).
Das obige Ergebnis läßt sich auf gekrümmte Nadeln verallge-
meinern, wenn man voraussetzt, daß die Nadellänge die gleiche
bleibt. Eine Nadel kann jetzt ein und denselben Bretterrand meh-
rere Male überschneiden. Diese Möglichkeit muß bei der
Formulierung des Ergebnisses berücksichtigt werden. Die durch-
schnittliche Anzahl der Überschneidungen pro geworfener Nadel
konvergiert gegen 2albn.
Die Buffonsche Methode hängt von der Annahme ab, daß der
physikalische Raum euklidisch ist. Wie bei den Monte-Carlo-
Methoden ist auch hier die Effizienz leider sehr schlecht. Man hat
ausgerechnet, daß ungefähr 900.000 Nadeln geworfen werden müs-
sen, um eine Präzision von 111000 mit einer Wahrscheinlichkeit von
95 Prozent zu erreichen.
Angeblich sind folgende Experimente durchgeführt worden, um
den Wert von n mit Hilfe der Buffonschen Methode zu bestimmen: 8 b
• 1850 warf Wolf 5000 Nadeln mit einem Verhältnis von alb = 0,8
und fand 2532 Überschneidungen; er leitete hieraus den
Näherungswert n = 3,1 596 ab.
• 1855 warf Smith in Aberdeen 3204 Nadeln mit einem Verhältnis
von alb = 0,6 und fand 1218,5 Überschneidungen (Halbüberschnei-
dungen entsprechen zweideutigen Fällen); er leitete daraus den
Näherungswert n = 3,1 553 ab.
• 1860 warf Augustus De Morgan 600 Nadeln mit einem Verhältnis
von alb = 1 und fand 382,5 Überschneidungen; er leitete hieraus den Die Buffonsche Methode zur Be-
Näherungswert n = 3,1 37 ab. rechnung von 11. Wirft man Nadeln
• 1864 warf Fox 1030 Nadeln mit einem Verhältnis von alb = 0,75 der Länge a auf einen Holzfuß-
boden mit Dielenbrettern der
und fand 489 Überschneidungen; er leitete hieraus den Näherungs- Breite b, dann ist 2a/b1l die Wahr-
wert n "" 3,1 595 ab. scheinlichkeit dafür, daß eine
Nadel den Rand eines Dielen-
• 1901 warf Lozzerini 3404 Nadeln mit einem Verhältnis von alb = brettes überschneidet.
26
1. KAPITEL

0,83 und fand 1808 Überschneidungen; er leitete daraus den


Näherungswert 1t '" 3,1415929 ab.
• 1925 warf schließlich Reina 2520 Nadeln mit einem Verhältnis
von alb = 0,5419 und fand 85 Überschneidungen; er leitete daraus
den Näherungswert 1t '" 3,1 7% ab.
Um diejenigen Leute aufzuziehen, die angeblich die Zahl 1t mit
Hilfe der soeben beschriebenen Nadelexperimente näherungsweise
bestimmt hatten und dabei mitunter ihre Ergebnisse frisierten (das
Ergebnis von Lozzerini ist zu schön, um wahr zu sein), machte N.
Gridgeman den Vorschlag, Nadeln von passend gemachter Größe zu
verwenden. Nimmt man zum Beispiel a = 78,5398 Zentimeter und b
= 1 Meter, dann ist 2 x 0,785398/1t die durch die Buffonsche Formel
gegebene Wahrscheinlichkeit. Wirft man nämlich nur zwei Nadeln
und überschneidet die eine Nadel den Rand eines Dielenbrettes, die
andere hingegen nicht, dann bekommt man das Ergebnis 1/2 und
hieraus folgt der Näherungswert 1t '" 4 x 0,785398 = 3,141592, der
gar nicht so übel ist.

Ergänzung: ein Integral zum Beweis von Buffon


°1 y~F In dieRem Abschnitt geben wir einen Beweis der Buffonschen
Formel. Leser, die es eilig haben, dürfen den Abschnitt ebenso über-
E • springen wie Leser, die gegenüber Integralen eine gewisse
b
Widerborstigkeit entwickeln.
Wir nehmen eine Nadel der Länge a und bezeichnen deren
~ Endpunkte mit E und F. Wir betrachten eine Schar von parallelen
Geraden und setzen voraus, daß zwei benachbarte Parallelen den
Abstand b voneinander haben. Wir setzen ferner a < b voraus (um
y.
y = a SInX auszuschließen, daß eine Nadel mehrere Geraden überschneidet)
a --"....
und werfen die Nadel auf diese Schar von Parallelen. Gefragt ist
/
nach der Wahrscheinlichkeit P, mit der die Nadel eine Gerade der
Schar trifft.
Der Punkt E liegt zwischen zwei Geraden, die wir mit D I und D 2
bezeichnen. Wir fragen nach der Wahrscheinlichkeit PI' mit der EF
o Ir X die Gerade D I schneidet. Um die gesuchte Wahrscheinlichkeit P zu
Modellierung des Buffonschen
bekommen, muß man dann nur noch PI mit 2 multiplizieren.
Problems. Der Endpunkt E der Es bezeichne x den Winkel zwischen EF und der Richtung der
Nadel hat den Abstand y von der
Geraden D I , die den Rand eines
orientierten Parallelenschar, und es bezeichne y den Abstand zwi-
Dielenbrettes darstellt. Die Nadel schen E und der orientierten Geraden D I . Der Winkel x liegt
bildet mit der Richtung dieser Ge-
raden einen Winkel x. Die Nadel
zwischen -1t und +1t. Offensichtlich schneidet die Nadel D v falls
schneidet D}> wenn y kleiner als y<asinx.
asinx ist. Die Fläche Al' die den Betrachtet man die Fläche der Nadelpositionen (die Gesamtheit
günstigen Fällen mit y < a sinx
entspricht, ist gleich 2a. der Punkte mit den Koordinaten (x, y», dann ist die gesuchte
27
ERSTE BEGEGNUNGEN

Wahrscheinlichkeit Pi gleich dem Verhältnis zwischen der Fläche


Al' die den «günstigen» Überschneidungsfällen entspricht {(x, y): -n
:<:; x:<:; +n, 0 :<:; y :<:; b, y < a sinxl, und der Fläche A 2 , die sämtlichen
möglichen Fällen entspricht {(x, y): -n:<:;x:<:; +n, O:<:;y:<:; bl. Wenn wir
das so niederschreiben, dann behaupten wir lediglich, daß x unab-
hängig von y ist und daß sämtliche Werte von x und y gleichermaßen
wahrscheinlich sind, was aus der Symmetrie des Problems folgt. Die
zugrundeliegende physikalische Annahme besagt, daß alle Punkte
und alle Richtungen gleichwertig sind und daß sie voneinander
unabhängig sind. Das Vorhandensein benachbarter Massen bewirkt,
daß in einem Newtonschen Universum (wegen der universellen
Anziehungskraft) oder in einem relativistischen Universum (wegen
der Deformation des Raumes) diese Unabhängigkeit nicht mehr
gewährleistet ist. Die Rechnung ergibt:

Al = L" a sin x dx =--a cos n + a cos 0 =2a


A 2 =2nb

Hieraus folgt P l = a/bn und somit schließlich P = 2 a/bn. Gilt nun


a = b, dann schneidet die Nadel eine Gerade mit einer Wahrschein-
lichkeit von 2/n = 0,636619 ...
Für diejenigen, die der vorangehende Beweis abgeschreckt hat,
geben wir nun einen auf Emile Borel zurückgehenden eleganten und
knappen Beweis desselben Ergebnisses. Wir schicken voraus, daß
die durchschnittliche Zahl der Überschneidungen einer Nadel von
beliebiger Gestalt mit den Rändern der Dielenbretter proportional
zur Länge L der Nadel und umgekehrt proportional zur Breite b der
Dielenbretter ist. Diese Zahl ist demnach durch einen Ausdruck der
Art CLib gegeben, in dem C eine noch zu findende Konstante
bezeichnet. Zu diesem Zweck betrachten wir eine kreisförmige
«Nadel» mit dem Durchmesser b. Diese Nadel hat die Länge nb, und
sie schneidet - egal wie sie fällt - den Rand eines Dielenbrettes
genau zweimal. Hieraus folgt 2 = Cnb/b und somit C = 2/n.

Berechnung von n durch Betrachten des Himmels Die Zahl 1t verbirgt sich in einem
Sternenhaufen, in dem die Sterne
Wir bleiben bei den Wahrscheinlichkeiten und wollen diese nun zufällig verteilt sind: Ordnet man
jedem Stern ein Paar ganzer Zah-
zur Berechnung von n auf Objekte anwenden, die mehr mathe- len zu (die man aus den Koordi-
matischer als physikalischer Natur sind: die Wahrscheinlichkeit naten der Sterne erhält, also aus
deren Höhe und Deklination auf
dafür, daß zwei zufällig ausgewählte ganze Zahlen teilerfremd sind dem Himmelsgewölbe), dann ist
(daß sie also, wie zum Beispiel 12 = 2 x 2 x 3 und 55 = 5 x 11, keine die Wahrscheinlichkeit dafür, daß
die beiden Zahlen teilerfremd
gemeinsamen Teiler außer ±1 haben), ist gleich 6/n 2 • Dieses sind, gleich 6/1t 2 •
28
1. KAPITEL

Ergebnis geht auf den Mathematiker Ernesto Cesaro (1859-1906)


zurück, der es 1881 bewiesen hat (vgl. Anhang am Schluß des
Buches, Seite 239).
Da die zufallige Auswahl einer ganzen Zahl keinen Sinn hat,
wenn man die anvisierten ganzen Zahlen nicht beschränkt, erweist
sich eine präzisere Formulierung des vorangehenden Ergebnisses
als notwendig. Hier ist sie: Man betrachte zwei zufallig gewählte
ganze Zahlen, die kleiner als eine natürliche Zahl n sind. Es
bezeichne P n die Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese beiden zufallig
gewählten Zahlen teilerfremd sind. Dann strebt P n gegen den
Grenzwert 6/1t2 , wenn n gegen unendlich geht.
Vor einigen Jahren notierte sich Robert Matthews von der
Universität Aston in Großbritannien bei der Verwendung astronomi-
scher Tafeln die Koordinaten der 100 hellsten Sterne. Er leitete aus
diesen Koordinaten Paare ganzer Zahlen ab (die er als zufallig
gewählte Zahlen betrachtete) und bestimmte anschließend diejeni-
gen Paare, die teilerfremd sind. Als Näherungswert für 1t errechnete
er hieraus 3,12772. Dieser Wert weicht um exakt 0,5 Prozent von 1t
ab. Die Sterne wissen demnach um die Zahl1t!
Unter Anwendung der gleichen Methode (die sich auf ein arith-
metisches Resultat stützt, welches nicht voraussetzt, daß der Raum
euklidisch ist) könnte man die Gewinnzahlen des Zahlenlottos paar-
weise ganz beliebig miteinander in Verbindung setzen und würde
dadurch einen Näherungswert für 1t erhalten, der von Jahr zu Jahr
genauer wird. Ebenso könnte man auch die in Zehntelmillimeter
gemessene Größe von Ehegatten zur Grundlage einer «ehelichen»
Berechnung des Wertes von 1t machen. Die Konvergenzsätze der
Wahrscheinlichkeitsrechnung sagen uns jedoch, daß man mit diesen
Verfahren für 1t in der Praxis eine Genauigkeit von höchstens fünf
Dezimalstellen erzielen kann.
Wir wollen die Absurdität noch etwas weiter treiben und
betrachten hierzu ein Verfahren der «selbstbezogenen» Berechnung
von 1t. Dieses Verfahren besteht darin, die bekannten Dezimalen von
1t in Pakete von beispielsweise je acht Dezimalen zu zerschneiden
und jedes Paket als eine ganze Zahl aufzufassen, die zwischen 0 und
99.999.999 liegt. Betrachten wir nun die aus diesen ganzen Zahlen
bestehenden Paare und bestimmen diejenigen, die teilerfremd sind,
dann erhalten wir - ausgehend vom exakten Wert für 1t - einen pro-
babilistischen Wert für 1t. Wir führen nun diese Rechnung jedesmal
dann von neuem aus, wenn neue Dezimalen von 1t berechnet worden
sind, wobei wir als «Pakete» immer längere Zifferngruppen aus-
wählen. Auf diese Weise erhalten wir einen immer besseren Wert für
das «in 1t verborgene 1t», wobei wir hoffen, daß beide Werte letztlich
übereinstimmen!
29
ERSTE BEGEGNUNGEN

Nachdem ich auf diese nicht besonders ernsthafte Idee gekom-


men war, habe ich im Internet entdeckt, daß ein gewisser Jiang
Chuan diese Idee bereits früher hatte und sie auch anwendete: er
zerschnitt 1.250.000 Dezimalen von 1t in Pakete von je sechs Ziffern
und berechnete hieraus den Wert 1t "" 3,146634.

Elektrizität, Pendel
Man kann auch andere Verfahren anvisieren, etwa die Verwen-
dung von Elektrizität oder die Messung der Schwingungsdauer eines
Pendels. Welche dieser Verfahren bedürfen der Voraussetzung, daß
der physikalische Raum euklidisch ist, und welche Verfahren sind
von dieser Voraussetzung unabhängig? Es dürfte von Interesse sein,
die Verfahren hinsichtlich dieser Voraussetzung voneinander zu
unterscheiden. Bei keinem darf man jedoch darauf hoffen, viel mehr
als fünf exakte Dezimalen zu bekommen. Auch bei sehr sorgfältiger
Arbeit werden es allerhöchstens zehn Dezimalen sein. Die Geschich-
te von 1t ist aber keine Angelegenheit physikalischer Messungen die-
ser Art; sie ist vielmehr die Sache der Mathematiker, denen sich vor
kurzem die Informatiker angeschlossen haben.

Zwei weitere elementare Definitionen von rr

Die Tatsache, daß 1t transzendent ist (vgl. Kapitel 9), hat zur
Folge, daß sich diese Zahl nicht mit Hilfe von endlich vielen elemen-
taren arithmetischen Operationen (Addition, Subtraktion, Multi-
plikation, Division und Wurzelziehen) definieren läßt. Um zu 1t zu
gelangen, muß man notwendigerweise unendlich viele dieser Opera-
tionen ausführen (oder - was auf dasselbe hinausläuft - einen
Grenzübergang vornehmen). Trotz dieser Einschränkung sind eini-
ge der Definitionen von 1t elementarer als andere. Dies liegt daran,
daß einige dieser Definitionen unmittelbar mit Definitionen geome-
trischer Natur zusammenhängen, während andere auf Näherungs-
verfahren führen, bei denen ausschließlich ganz elementare Opera-
tionen verwendet werden.
Die auf Seite 19 gegebene arithmetische Definition

ist gleichzeitig offensichtlich (aufgrund ihrer geometrischen Inter-


pretation) und elementar.
30
1. KAPITEL

Methode der Rechtecke Wir können sie in zweierlei Hinsicht verbessern: indem wir sie
mit n = 14 effizienter machen oder indem wir auf noch weniger Operationen
- -I'"""""","" zurückgreifen.
,... ........ y = V1- (9/ 14)2
~ .. (a) Approximation von rr durch Rechtecke

~-.. Man findet eine bezüglich der Konvergenz effizientere Formel,


wenn man wieder von der durch F = 1tr2 gegebenen Definition aus-
~ geht, die Rechnung diesmal unter Verwendung der Gleichung y =
~ ..J(1-x2 ) für die Bogenlänge des Kreises durchführt und die Fläche
unter dem Bogen mit Hilfe von kleinen Rechtecken approximiert,
die im Inneren des Kreises liegen:

I
o x =9/14 - 1t= }~~ ~(J l-(~r + l-(~r + ... + l-(~r ) J J
Sawaguchi Kazayuki (1670)

1t = lim
n----:'oo
42
n
(J n 2 _1 2 + Jn 2- 22 + ... + Jn 2- n2 ) .

Diese Formel erfordert weniger Operationen: Um eine Genauig-


\ keit von p Dezimalen zu bekommen, muß man n = 10P verwenden.
\ Man muß demnach ungefähr 10 P Operationen (Quadrieren,
Subtrahieren und Quadratwurzelziehen) durchführen, danach mit 4
multiplizieren und schließlich noch einmal dividieren. Das ist schon
besser als bei der Formel für s'n' aber auch jetzt kommt man bei der
Berechnung von 1t nicht sehr weit.
In Kapitel 4 geben wir eine kurze Geschichte der Analysis. Man
Machinag Ohashi (1687) findet dort weitere Grenzwertformeln für 1t, die weniger offensicht-
lich sind, mit denen man aber oft einfacher und effizienter rechnen
kann.

( h)Bel'echnung \'on TC durch Additionen, eine einzige Multipli-


kation und eine einzige Di\'i~ion
Bei der Berechnung der s'n verwendet man lediglich Quadrie-
rungen, Additionen, eine Subtraktion, eine Multiplikation mit 8 und
eine Division. Vom Gesichtspunkt der Einfachheit der für die
Die Zahl1t als Grenzwert von Flä-
Berechnung von 1t durchgeführten Operationen lassen sich sogar
chen. Die Methode der Rechtecke noch Verbesserungen vornehmen.
war in Japan schon im 17. Jahr- Verwendet man ausschließlich Additionen, eine Multiplikation
hundert bekannt. Man approxi-
miert die Fläche rrJ4 eines Viertels und eine Division, dann erhält man tatsächlich beliebig gute
des Einheitskreises mit Hilfe von Näherungswerte für 1t. Ohne Beweis geben wir nun dieses im Jahre
n Rechtecken einer Fläche von
lIn x ,j<I-<afn)2) mit 1 ,.; a ,.; n. 1980 von G. Kreweras vorgeschlagene Verfahren an.
31
ERSTE BEGEGNUNGEN

Die Zahlen in dieser Tabelle bieten


~ 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 eine Möglichkeit zur Berechnung
von 1t. Man füllt sie Zeile für Zeile
0 1 aus, indem man lediglich Additio-
nen durchführt: der Koeffizient in
1 0 1 der noten Zeile der m-ten Spalte ist
die Summe der m letzten Koeffi-
2 0 1 1 zienten der Zeile n - 1. Zum Bei-
3 0 1 2 2 spiel hat man e(5, 4) = 16 (rot ge-
kennzeichnet). Multipliziert man
4 0 [2 4 5 den doppelten Wert des Verhält-
5
6
0
0
5
16
10
32
14
46
&J
56
16
61 61
nisses zweier aufeinanderfolgen-
der Elemente der Tabellendiago-
nale mit der Zeilennummer des
zweiten Elements, dann erhält man
7 0 61 122 178 224 256 272 272 einen Näherungswert für 1t. Be-
trachtet man zum Beispiel die
8 0 272 544 800 1024 1202 1324 1385 1385 Zeilen 8 und 9, dann ergibt sich
9 0 1385 2770 4094 5296 6320 7120 7664 7936 7936 2x9x 1385/7936 = 3,141 :1.

Man definiert die Koeffizienten e(n,m), m :<; n durch eine


Dreieckstabelle, indem man e(O,O) = 1 vorgibt und e(n,m), den
Koeffizienten in Zeile n und Spalte m, als Summe der m letzten
Koeffizienten der vorangehenden Zeile definiert:
e(O, 0) = 1 und für n ~ 1, n ~ m :
e(n,m) = ern - 1, n - 1) + ern - 1, n - 2) + ... + ern - 1, n - m)

Das Ausfüllen dieser Tabelle erfordert lediglich Additionen. Die


Zahlen e(n,n) auf der Diagonale werden Eulersche Zahlen genannt
(Achtung: es sind auch andere Definitionen des Begriffes «Eulersche
Zahl» im Umlauft).

Es wird bewiesen, daß


2n xe(n-1, n-1)
1t = lim ----;-----c---

n-'>= ern, n)
Die Zahl 1t läßt sich durch einfache
Abzählungen berechnen. Es seien
Die obige Tabelle liefert die folgenden Näherungswerte für 1t, (1,2, ••• , n - 1) und (1,2, ..., n) zwei
wenn man auf der Diagonale von oben nach unten geht: aufeinanderfolgende Folgen von
ganzen Zahlen. Die Eulerschen
Zahlen e(n - 1, n - 1) und e(n,n) ent-
2 7 :397 sprechen der Anzahl der Möglich-
keiten, die Glieder dieser Folgen
im «Zickzack.. anzuordnen. Wenn n
gegen unendlich geht, dann strebt
der Wert 2n x e(n - 1, n - 1) / e (n,n)
gegen 1t. Die linksstehende Abbil-
e (3.3) = 2 e (4,4) = 5 dung zeigt die beiden Möglich-
keiten, die Folge 123 im Zickzack
anzuordnen, und die fünf Mög-
lichkeiten für die Folge 1234. Mul-
tipliziert man das Verhältnis 2/5
mit 4 (der Größe der zweiten Folge)
und danach mit 2, dann bekommt
man einen Näherungswert für 1t:
3 2 2 3 16/5 = 3,2.
32
1. KAPITEL

Es gibt auch andere Möglichkeiten, die Koeffizienten e(n,n) zu


definieren. Man kann beispielsweise zeigen, daß e(n,n) die Anzahl
der Möglichkeiten ist, die n ganzen Zahlen von 1 bis n in «Zick-
zackform» darzustellen, also derart, daß die zweite Zahl größer ist
als die erste, die dritte Zahl kleiner als die zweite usw. Man hat also
e(3, 3) = 2, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten, 1, 2 und 3 im
«Zickzack» anzuordnen: 132 und 231.
MerkWÜrdigkeiten
und Kuriositäten
Verwickeltes und
Unterhaltsames rund um 1t

Wir alle sind von der Zahl n fasziniert, aber bei einigen von uns geht diese Faszination so lceil.
daß man von einem an-Fetischismus" oder sogar von einer an-Manie" sprechen muß. Ist man die-
ser Sucht denn nicht auch verfallen, wenn man mehrere Monate seines Lebens damit zubringt.
ein Buch über n zu schreiben? Tatsächlich gibt es ziemlich viele Menschen, die ('on n besessen sind
und dieser Zahl eine beinahe mystische Bedeutung beimessen. Sie errichten rund um n eine Welt ,
die Zl/.Jar nicht immer ernst Z1l nehmen ist, der man aber dennoch mit Vergnügen einen Besuch
abstattet. Es gibt Menschen, die viele Dezimalstellen VOll n auswendig lernen; es gibt solche. die
in nlesen wollen, und solche, die die Dezimalen von n erfol'.';chen; und natürlich gibt e.<; seit mehr
als 2000 ,Jahren auch Fanatiker. die behaupten. eine Lösung de.<; Problems der Quadratur des
Krei.'1es ge/illlden zu haben; und schließlich sind da noch die Zeitgenossen, die an der ZahlT! ganz
einfach ihren Spaß haben.

Wie man 1t erlernt


Jeder kennt den Näherungswert 1t '" 3,14, manche kennen den
Wert 1t '" 3,14159 oder sogar den Wert 1t '" 3,1415926 -letzteres traf
bei mir zu, bevor ich mit diesem Buch anfing. Kann man noch weiter
gehen? Wir werden an späterer Stelle sehen, daß 1t keine rationale
Zahl ist, also nicht als Quotient zweier ganzer Zahlen dargestellt
werden kann. Folglich ist 1t auch keine Dezimalzahl (also keine durch
eine Zehnerpotenz dividierte ganze Zahl), und die Darstellung von 1t
zur Basis 10 bricht niemals ab: 1t hat unendlich viele Dezimalen.
Man weiß nicht, wie es kommt, aber es gibt Menschen, die sich
offenbar mühelos Zahlen und Telefonnummern einprägen. Für
einige dieser Gedächtnisakrobaten ist es reizvoll, zehn, hundert, ja
sogar einige tausend Dezimalen von 1t auswendig zu lernen.
Der Rekord liegt bei 42000. Er wurde 1995 von dem 21jährigen
Japaner Hiroyuki Goto aufgestellt. Goto benötigte neun Stunden
zum Heruntersagen dieser 42000 Dezimalen. Der vorangehende
34
2. KAPITEL

Rekord wurde von Hideaki Tomoyori gehalten, einem anderen


Japaner, dem es 1979 gelang, sich 15151 Dezimalen von 7t einzu-
prägen.
Im Internet gibt es einen Klub, von dessen Mitgliedern (insge-
samt 16 Personen) jeder mehr als tausend Dezimalen von 7t aus-
wendig aufsagen kann. Es gibt auch einen Klub, dessen
Mitglieder bescheidener sind: Jeder kennt nur 100 Dezimalen von
7t auswendig (die Internetadresse ist am Schluß des Buches ange-
geben).
Offen gestanden: die Informationen zu diesem Thema sind nicht
sehr zuverlässig, und die im Internet zu findenden Informationen
scheinen zumindest unvollständig zu sein. So sind zum Beispiel die
bei den oben genannten Japaner keine Mitglieder im Klub der-
jenigen, die 1000 und mehr Dezimalen von 7t auswendig aufsagen
können.
Tim Morton, Taxifahrer im Seebad Blackpool in Großbritannien,
hat 15000 Telefonnummern der Stadt auswendig gelernt, um damit
in einer Vorstellung aufzutreten. Unlängst hat er beschlossen, den
Weltrekord im Auswendiglernen der Dezimalen von 7t zu brechen.
Sein außerordentliches Zahlengedächtnis und die von ihm ent-
wickelten mnemotechnischen Methoden müßten es ihm erlauben,
50000 Dezimalen zu schaffen.

Mnemotechnische Hilfsmittel
Wer die Dezimalen von 7t auswendig lernen will, dem stehen
alle möglichen Techniken (die sich oftmals auf phonetische
Assoziationen stützen) zur Verfügung. Die am meisten verwendete
Methode besteht im Lernen eines Textes, bei dem die Anzahl der
Buchstaben der einzelnen Wörter der Ziffer an der jeweiligen
Dezimalstelle entspricht. Derartige Texte gibt es in vielen
Sprachen. Der bekannteste französische Text ist der folgende
Vierzeiler:

Que j' aime a faire apprendre un nombre utile aux sages!


:1. 1 .~ .) 9 :2 () .) :\ .)

Immortel Archimede, artiste, ingenieur;


,", ~) -, ~)

qw de ton jugement peut priser la valeur


:\ :2 :\ :-; -1 () :2 ()

Pour moi ton probleme eut de serieux avantages.


-,
-1 :\ :\
'" :\ :2 ~)
35
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Dieses Gedicht liefert 31 Dezimalen von 1t. Die beiden danach fol-
genden Ziffern sind 5 und O. Wie stellt man es an, die «0» zu kodieren?
Es gibt eine längere französische Variante dieser «Ode an
Archimedes», bei der die Übereinkunft getroffen wurde, daß die Ziffer
odurch Wörter mit zehn Buchstaben repräsentiert wird. Die folgende
Übertragung des obigen Vierzeilers gibt den Inhalt zwar annähernd
wieder. Jedoch geht die ursprüngliche Zuordnungsabsicht zu den
Dezimalen von 1t natürlich ebenso verloren wie das Versmaß.

Wie gerne laß ich lernen eine Zahl, nützlich für die Weisen!
Dich, unsterblicher Archimedes, Künstler und Ingenieur, wir preisen.
Wer kann schon ermessen deines Urteiles Wert?
Dein Problem mir große Vorteile hat beschert.

Für 1/1t = 0,3183098 ... gibt es den raffinierten französischen Satz:


«Les trois jourmles de 1830 ont renverse 89» [«die drei Tage von
1830 haben 89 umgekehrb>]. - (Anmerkung des Übersetzers: Dies ist
einerseits eine Anspielung auf die Revolutionstage des 27., 28. und
29. Juli 1830 und andererseits auf die Jahreszahl [siebzehnhun-
dert]89.)

Der wohl bekannteste deutschsprachige Merkvers geht so:


Wie? O! Dies 1t
Macht ernstlich so vielen viele Müh!
Lernt immerhin, Jünglinge, leichte Verselein,
Wie so zum Beispiel dies dürfte zu merken sein!

Auf ähnliche Weise gibt es mehr oder weniger sinnige Gedichte


in vielen anderen Sprachen (eine Sammlung findet man in der
PiPhilology von A. P. Hatzipolakis - vgl. Internetseite «Mnemo-
technische Hilfsmittel» auf S. 256). Im Folgenden geben wir eine
kleine Auswahl mit deutschen Übertragungen, die den ursprüngli-
chen Inhalt im großen und ganzen widerspiegeln.

Englisch:
Sir, I send a rhyme excelling
In sacred truth and rigid spelling
Numerical sprites elucidate
For me the lexicon's dull weight.

Herr, ich sende Dir einen Reim zu Kunden,


In heiliger Wahrheit und an feste Wörter gebunden.
Numerische Kobolde bringen mir Licht
In das Lexikon mit seinem trägen Gewicht.
36
2. KAPITEL

Italienisch:
Aue 0 Roma 0 Madre gagliarda di latine
uirtu che tanto luminoso splendore
prodiga spargesti con la tua saggezza.

Sei gegrüßt Rom, stattliche Mutter der lateinischen Tugend,


Die du mit so viel leuchtender Pracht
Durch deine Weisheit im Überfluß ausgeteilt hast.

Spanisch:
Con 1 palo y 5ladrillos
se pueden hacer mit cosas.

Mit 1 Stock und 5 Ziegeln


können tausend Dinge gemacht werden.

Im Finnischen gibt es ein Gedicht von Konrad Hirvonen, der ein


anderes mnemotechnisches Hilfsmittel verwendet. Der Verfasser
ordnet zunächst den 10 Buchstaben des Fantasiewortes «revon-
sulka» (Fuchsfeder) folgendermaßen numerische Werte zu:
r ~ 1, e ~ 2, v ~ 3, 0 ~ 4, n ~ 5, s ~ 6, u ~ 7, I ~ 8, k ~ 9, a ~ o.
Diese numerischen Werte werden ihrerseits nunmehr den ersten
Buchstaben eines jeden Wortes des folgenden Gedichtes zugeordnet,
dessen Melodie dem finnischen Nationalepos «Kalevala» nachempfun-
den ist:
Vähän runoilla osataan rustata
näin katseesi eteen sullekin
numeroittemme uaikeus neuuona
-luuut kankeat, uuraat kullekin -
uäen eteuän varmuudeksi.
Luvut oikeat siispä etsi
sinä otsaasi uiisaasti vaikuttamaan
lukemalla uain ensin urheaan
kyhäelmäni nurkkahas aiuojen ...

Ein wenig mit Versen wir zusammenzimmern können:


Unserer Ziffern Schwierigkeit ist hier zu benennen.
Als Ratschlag wir sie in dein Blickfeld erheben:
Spröde und emsige Ziffern für jeden,
Dem begabten Volk zur Sicherheit gegeben.
Die richtigen Ziffern laß also künftig
Auf deine Stirne wirken vernünftig
Indem du dir mutig zuerst und allein
Meinen kleinen Beitrag in dein Hirn prägst ein ...
37
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Nimmt man jetzt der Reihe nach die ersten Buchstaben der ein-
zelnen Wörter des finnischen Textes, dann ergibt sich vrornkesn ... =
314159265".
Michael Keith hat 1986 einen selbstbezogenen Text verfaßt (vgl.
Seite 38), in dem er die üblichen Konventionen in geringfügig abge-
wandelter Form verwendet. Mit Ausnahme des Punktes stellen die
Satzzeichen Nullen dar; ein Punkt stellt nichts dar. Wörter mit
mehr als zehn Buchstaben repräsentieren gleichzeitig zwei Ziffern;
zum Beispiel hat das Wort «implementable» 13 Buchstaben und
steht somit für die Ziffernfolge <<1 3». Ein Zahlwort gibt seinen eige-
nen Wert wieder. Ein Mißbrauch dieser Möglichkeit, die hier nur
einmal genutzt wird, wäre natürlich eine Schummelei, durch die das
Spiel uninteressant wird. Wenn Sie diese raffinierte Geschichte aus-
wendig lernen, dann haben Sie 402 Dezimalen von 1t (und ein
bißehen Englisch) intus.

Die Oulipo-Bewegung

Einige Zeit später, im Dezember 1995, verfaßte Michael Keith


ein noch längeres Gedicht, bei dem er sich dieselben Beschrän-
kungen auferlegte. Dieses rekordverdächtige Gedicht, das eine
Ballade von Edgar Allen Poe imitiert, liefert 740 Dezimalen von 1t.
Alle Übungen dieser Art sind im Zusammenhang mit der Oulipo-
Bewegung zu sehen. Oulipo (l'Ouvroir de litterature potentielle =
Nähstube für potentielle Literatur) ist eine künstlerische Be-
wegung, die Wissenschaftler und Schriftsteller mit der Zielstellung
vereint, die Kombinatorik der Sprache und die Beziehungen zu nut-
zen, die man zwischen Mathematik und Literatur finden oder wil-
lentlich aufstellen kann.
Eines ihrer bevorzugten Spiele ist das Verfassen von Palin-
dromen, also von sinnvollen Folgen von Buchstaben, Wörtern oder
Versen, die rückwärts wie vorwärts gelesen gleich lauten bezie-
hungsweise einen Sinn ergeben. Beispiele sind «Reliefpfeiler» oder
«Gras - Sarg». Satzbeispiele sind «Ella rüffelte Detlef für alle» und
«Ein Krokodil mag am Lido Kork nie». Zu den bemerkenswertesten
Werken der Oulipo-Bewegung gehört das längste Buch der Welt. Es
heißt Cent mille milliards de poemes «<Hunderttausend Milliarden
Gedichte») und entstammt der Feder von Raymond Queneau. Dieses
Buch hat dennoch nur zehn Seiten. Jede Seite ist in 14 horizontale
Streifen zerschnitten, die unabhängig voneinander gelesen werden
können. Dadurch werden (potentiell) Hunderttausend Milliarden
Gedichte dargestellt. Ein weiteres Spiel besteht in der Erstellung
sogenannter Lipogramme. Das sind Texte, bei denen die Benutzung
38
2. KAPITEL

Kreisdezimalen: eine selbstbezogene Geschichte


von Michael Keith

For a time I stood


pondering on circle sizes. The
large computer maintrame quietly
processed all of ils assembly code. Inside my entire
ho pe lay for figuring out an elusive expansion . Value : pi.
Decimals expecled soon. I nervously entered a format procedure.
The mainframe processed the request. Error. I, again entering il,
carelu/ly retyped. This iteration gave zero error printouts in a/l - success.
Intently I waited . Soon , roused by thoughlS wilhin me, appeared narrative
mnemonics relating digits to verbiage ! The idea appeared to exist but only in
abbrevlated fashion - liltle phrases typica/ly. Pressing on I then resolved , deciding
lirmly about a sum of decimals 10 use - likely around lour hundred, presuming the
computer code soon halted I Pondering these ideas, words appealed to me. But a
problem 01 zeros did exist. Pondering more, solution subsequenlly appeared. Zero
suggesls a punctuation element. Very nove/l My Ihoughts were culminaled . No periods, I
=
concluded. All residual marks 01 punctuation zeros. First digit expansion answer then came
before me. On examinlng some problems unhappily arose. That imbecilic bugl The printout I
possessed showed four nine as fore most decimals. Manifestiy troubling. TOlally every number
looked wrong. Repairing the bug took much effort. A pi mnemonic with leiters truly seemed
good. Countlng of all the letters probably should suHice. Reaching for a record would be
helpful. Consequently, I continued, expecling a good final answer trom computer. First
number slowly displayed on the flat screen -3. Good. Trailing digits apparently were right
also. Now my memory scheme must probably be implementable. The technique was
chosen , elegant in scheme : by seil reference a tale mnemonically helpful was
ensured. An abte litle suddenly existed - ..Circle Digits ... Taking pen I began .
Words emanated uneaslly. I desired more synonyms. Speedily I found my
(alongside me) Thesaurus. Rogets is probably an essential in doing this,
instantly I decided. I wrote and erased more. The Rogets clearly
assisted immensely. My story proceeded (how lovely!) faultlessly.
The end, above all, would soon joyfully overtake. So, this
memory helper story is incontestably complete. Soon I
will locate publisher. There a narrative will I
trust immediatley appear producing
fame . The end.

gewisser Buchstaben verboten ist. So hat etwa Perec einen ganzen


Roman mit dem Titel La Disparition (<<Das Verschwinden») geschrie-
ben, in dem der Buchstabe «e" kein einziges Mal vorkommt. Ganz
erstaunlich ist auch, daß Gilbert Adair diesen Roman unter dem
Titel A Void so ins Englische übertragen hat, daß der Buchstabe «e»
ebenfalls nicht auftritt.
Zu den bekanntesten Mitgliedern von Oulipo zählen bzw. zähl-
ten neben Perec und Queneau auch Paul Braffort, Jacques
Roubaud, Marcel Benabou, Jacques Bens, Claude Berge (Mathe-
matiker und weltweit bekannter Spezialist der Graphentheorie)
und Francois Le Lionnais. Es war unvorstellbar, daß sich Oulipo
nicht für n; interessiert, und so kam es, daß Jacques Bens den
Begriff Irrationales Sonett vorgeschlagen hat. Dieser Begriff hat
seine Definition der Zahl n; zu verdanken. Es handelt sich um ein
Gedicht von festgelegter Form, dessen Struktur sich an die
39
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Dezimalen von 1t anlehnt. Das Gedicht ist in fünf Strophen unter-


teilt, die sich der Reihe nach aus drei Versen, einem Vers, vier
Versen, einem Vers und fünf Versen zusammensetzen. Für die
Reime muß ein Schema beachtet werden, das mit den Traditionen
der französischen Dichtkunst übereinstimmt. Die folgende «Über-
tragung» ins Deutsche illustriert dieses einschränkende Reim-
schema. Sie ist weder eine Übersetzung noch eine Nachdichtung,
spiegelt aber hinsichtlich des Reimschemas und der Mnemo-
technik die Absicht der von Jacques Bens stammenden Original-
fassung wider.

Irrationales Sonett
Das Pfarrhaus trägt noch die alte Pracht,
Des Gartens Grün in der Sonne erwacht.
Ein Vöglein zwitschert im Zweige.

Ein Geheimnis ist keine Erklärung!

Bald geht der Tag zur Neige


Und Begründungen werden erdacht,
Zweifel zerstreut ganz sacht,
Auf daß nur die Wahrheit bleibe.

Das Geheimnis wird zur Verklärung.

Des Pfarrhauses Reiz mir gefällt,


Ich liebe das Grün seines Gartens.
Das ist für mich die Welt,
Um die es gut ist bestellt:
Das Ziel meines langen Wartens.

Wir merken an, daß die Einschränkung nicht besonders stark ist
- sie ist sogar enttäuschend, denn es wird in diesen fünf Strophen
überhaupt nicht berücksichtigt, daß 1t unendlich viele Dezimal-
stellen hat.
Georges Perec gibt in seiner Klassifikation der Genres der
Oulipo-Literatur das folgende mnemotechnische Gedicht an, das
schon Monsieur Gros, der Lehrer des französischen Schriftstellers
und Filmemachers Marcel Pagnol (1895-1974), seine Schüler lernen
ließ. In der deutschen «Nachdichtung» wird die weiche sächsische
Aussprache «bi» für «pi» zugelassen, um die Absicht des Originals
wenigstens entfernt wiederzugeben; außerdem wird aus
Reimgründen vorausgesetzt, daß die Namen «Bezier» und «Fermat»
falsch ausgesprochen werden:
40
2. KAPITEL

Si la circonference est fiere


D'etre egale a deux pierres (deux pi-erres = 21tr)
Le cercle est taut heureux
D'etre egal a Pierre II. (Pi-erre II = 1tr2)

Der Umfang - sagt Bezier -


Verlangt nach zwei Bier. (2 Bi-er = 21tr)
Die Fläche - klagt Fermat -
Braucht ein Bier zum Quadrat. (Bi-er2 = 1tr2)

Diese Gedichte werden gleich nach «Was ich machen möchte" im


Genre Serie (<<Text, der eine gebundene Folge von im voraus festge-
legten Elementen enthält,,) und in der Variation Kodierte Anwen-
dungen eingestuft.

Die Ziffern von 1t und die Musik

Die Zahl 1t hat auch zu Kompositionen Anlaß gegeben. Auf den


ersten Blick sieht es so aus: Falls 1t normal ist, das heißt, falls jede
Ziffernfolge mit der gleichen Häufigkeit auftritt, wenn man die Dezi-
malen zufällig auswählt (die bislang durchgeführten Tests deuten
auf die Normalität hin), dann hat man auf der musikalischen Ebene
nichts zu erwarten. Man kann vielleicht erwidern: Sogar dann, wenn
1t normal ist, könnten die ersten Ziffern durchaus einen «speziellen»
Charakter haben und musikalisch interessant sein. Auf jeden Fall
werden die bislang erfolglos durchgeführten Untersuchungen der
Dezimalen von 1t bezüglich des Auftretens von Regelmäßigkeiten
oder Mustern niemals erschöpfend sein. Warum sollte man die
Komposition von Musikstücken mit 1t nicht als eine Methode zur
Untersuchung und Erforschung von 1t auffassen? Im Gegensatz zu
den statistischen Verfahren, die sich auf einfache Rechnungen stüt-
zen, würde diese Methode die Intuition und das ästhetische
Empfinden des Menschen anregen. Vielleicht sind Intuition und
ästhetisches Empfinden doch stärkere Quellen der Einsicht?
Zwar sind die Mathematiker skeptisch und denken vielleicht,
daß das Interesse an einem Musikstück auf das Talent des
Komponisten zurückzuführen ist. Aber dennoch haben sie keinen
Grund, gleichgültig zu sein. Seit dem Jahr 1761, in dem Lambert die
Irrationalität von 1t bewies, also die Tatsache, daß 1t nicht mit einer
Periode (für Nichtmathematiker: einer sich wiederholenden
Ziffernfolge) wie etwa 123123123 ... endet, haben die Mathematiker
nichts Wichtiges mehr über die Dezimalen von 1t beweisen können.
41
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Wir fügen noch eine Bemerkung an. Wenn n; musikalisch wirk-


lich von Interesse wäre, dann könnten wir dies schwerlich zur
Gänze auskosten. Würde nämlich jede Ziffer eine Sekunde Musik
liefern, dann ergäben die gegenwärtig zur Verfügung stehenden 51
Milliarden Dezimalen ein Musikstück mit einer Dauer von mehr als
1600 Jahren!

3, o 6 3
FArn add9 DOrn 7 SIb7M FA 5#

nu ill "UU
6 5 1 4 3
SIb 7M LA 7/5# RE 7 SOLm FA 9

I@ utJU'EftJtJ,fiJuu'r
=
2 o 3 6 1

nIJ
DOm 7 FA 7/5b SIb 7M REm 7/5b
Q
t@· ffi ~n
3
~

I,U UIb.bA btfts I dA Li Li I W Ei Ei


4
~~ ..

1
.. U (jouerdeux fois)

1 0
FArn 7° SOL 9m RE 7 RE 7/5# DOm 9/11/13

I@ ß"'t~EJI.r;J"ü ü IP~trtsJfitr trl~rrÜ ~


I' Eflr b 1UlfTI diJ l'tl EJrf??tr U!JJ ~ ~ 1
2 6 3 4 0
MI 9/5# SIm 9 FA 7°/5b SOL 7/5# DO 6/TMJ9

224465 222

rf
MIm SOL 5# SIm 6 LA MIm MIb 5# MIm 7 SIbm 7°

Ü ~Ü l~4J J f ~ HH,nn
1

Harmonisierung von 1t für die akustische Gitarre. Diese Moll), seine Versetzungszeichen und Intervalle (Septime,
Partitur von Jean-Philippe FontaniUe fußt auf einer None usw.) und die Melodie werden dem Komponisten
Darstellung von 1t zur Basis 7 (gleich 3,06636••. , vgl. überlassen. J.-P.Fontanille hat drei Harmonisierungen
S.254), was auf 7 Töne der Tonleiter hinausläuft. Jede von 1t vorgeschlagen, die sich allesamt gefällig anhören.
Ziffer schreibt den Grundton des Akkordes vor, der Er sieht in der durch die Ziffern von 1t vorgeschriebenen
während eines ganzen Taktes oder weniger verwendet Beschränkung eine Gelegenheit, Akkordfolgen zu ent-
werden muß. Der Charakter des Akkordes (Dur oder decken, die er für ungewöhnlich hält.
42
2. KAPITEL

Ihr Geburtstag in der Dezimaldarstellung von 7t

Die Idee, daß man in den Dezimalen von 1t jede beliebige


Ziffernkombination finden kann, wenn man mit der Suche nur hin-
reichend weit nach «draußen» geht (dieses Problem wird in Kapitel
10 eingehender behandelt), hat zur Entwicklung von Programmen
geführt, die in der Zahl1t nach Ihrem Geburtsdatum oder nach Ihrer
Telefonnummer suchen. Ich habe eines dieser Programme verwen-
det: Es hat angegeben, daß die Folge 7777777 das erste Mal ab
Dezimalstelle 3.346.229 und das zweite Mal ab Dezimalstelle
3.775.288 auftritt.
In der Philosophie der Mathematik haben die Intuitionisten die
Dezimalen von 1t regelmäßig dazu verwendet, ihre konstruktivisti-
sche Auffassung bezüglich der mathematischen Objekte darzulegen,
die für sie vor allen Dingen mentale Objekte sind. Diese Auffassung
besagt: Bevor nicht sieben aufeinanderfolgende Siebenen in den
Dezimalen von 1t entdeckt worden sind, darf niemand behaupten,
daß die Folge 7777777 unter den unendlich vielen Dezimalen von 1t
entweder auftritt oder nicht. Und man ist natürlicherweise ver-
sucht, diese Aussage für wahr zu halten.
Für die Intuitionisten sind wir es, die 1t konstruieren, und das
Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten ist ihrer Meinung nach
nicht anwendbar (dieses Prinzip besagt, daß jede Aussage entwe-
der wahr oder falsch ist). Zur Veranschaulichung nehmen wir ein
Beispiel aus der Literatur. Auf die dort auftretenden Personen ist
das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten ebenfalls nicht anwend-
bar. Betrachten wir etwa den Jean Valjean aus dem Roman «Les
miserables» (Die Elenden) von Victor Hugo. Niemand würde ernst-
haft behaupten, daß der Urgroßvater von Jean Valjean entweder
blonde Haare hatte oder nicht, denn Victor Hugo schneidet diese
Frage nirgendwo in seinem Roman an. Für einen Intuitionisten ist
1t etwas Ähnliches wie der Urgroßvater von Jean Valjean: das, was
man weiß, ist wahr, aber das, was man nicht weiß, ist weder wahr
noch falsch.
Ungeachtet der Bedeutung des Intuitionismus für die Mathe-
matik und trotz des Reizes der daraus abgeleiteten konstruktivisti-
schen Logik gibt es nur wenige Mathematiker, die sich diese
Auffassung zu eigen machen. Statt dessen wird eher der Stand-
punkt vertreten, daß die Dezimalen von 1t unabhängig davon existie-
ren, ob sie bekannt sind oder nicht, und daß eine Aussage über das
Vorhandensein einer speziellen Folge unter diesen Dezimalen ent-
weder wahr oder falsch ist, und zwar selbst dann, wenn es keinem
Menschen je gelingt, diese Folge tatsächlich zu entdecken. Und dies
kann für gewisse Folgen sehr wohl der Fall sein, denn Schätzungen
43
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

zufolge wird man wohl nie mehr als 10 77 Dezimalen von 1t kennen
(vgl. Kapitel 10).
Man weiß heute, daß die Folge 7777777 in 1t auftritt. Die Kon-
struktivisten müssen ein anderes Beispiel nehmen, es sei denn, sie
argumentieren folgendermaßen. Die Folge ist von einem Computer
gefunden worden, ohne daß dieses Ergebnis jemals von einem Men-
schen per Hand überprüft worden wäre; daher weiß man immer
noch nicht, ob die Folge 7777777 unter den Dezimalen von 1t tatsäch-
lich irgendwo vorkommt. Der Umgang mit Computern und das
Vertrauen, das man natürlicherweise in sie setzt, machen es zuneh-
mend schwerer, die intuitionistischen Thesen aufrechtzuerhalten.
Warum sollte man an der Richtigkeit einer Rechnung, die mit zehn
verschiedenen Verfahren auf zehn verschiedenen Rechnern und mit
zehn verschiedenen Programmen durchgeführt worden ist, mehr
Zweifel haben als an einer vom Menschen durchgeführten Rech-
nung? Nimmt man diese Schwierigkeit der intuitionistischen Auf-
fassung ernst, dann besteht eine Lösung des Problems in der These,
daß auch die «mentalen» Konstruktionen der Computer berücksich-
tigt werden müssen.

Einige Zufälle: Müssen wir uns darüber wundern?

Die Behauptung, daß man in den Dezimalen von 1t alles finden


kann, ist mathematisch nicht bewiesen (vgl. Kapitel 10). Dies bedeu-
tet jedoch nicht, daß alles trivial ist, was man in 1t findet. Wir geben
zunächst einige Sonderbarkeiten wieder, die von Amateuren festge-
stellt worden sind. Hüten wir uns davor, diese Dinge allzu ernst zu
nehmen.
• Die «0» tritt erst an der 32. Nachkommastelle zum ersten Mal auf,
während alle übrigen Ziffern bereits unter den ersten 13
Dezimalstellen wenigstens einmal vorkommen. Woran liegt diese
Verspätung der «O»?
• Ab der 762. Dezimalstelle tritt die Ziffernfolge 999999 auf. Es
wäre nicht verwunderlich, wenn es irgendwo unter der ersten
Million Dezimalstellen von 1t sechs aufeinanderfolgende Neunen
gäbe, aber ist es nicht verblüffend, daß dieser Fall bereits vor der
tausendsten Dezimalstelle eintritt?
• Addiert man die ersten 20 Nachkommadezimalen von 1t, dann
ergibt sich 100. Müssen wir hierfür nach einer Erklärung suchen?
• Die Summe der ersten 144 Dezimalen von 1t ist 666. Muß man
hieraus den Schluß ziehen, daß 1t eine Teufelszahl ist?
• Unter den ersten 1000 ganzen Zahlen, die man erhält, wenn man
die Dezimalen von 1t in der Reihenfolge 3, 31, 314, 3141, 31415, ... ,
44
2. KAPITEL

betrachtet, gibt es nur vier Primzahlen. Ist das nicht ein bißchen
wenig? (Diese Information, die ich nicht überprüft habe, ist der
Internetseite The Pi Trivia Game entnommen.)
• Unter den ersten 400 Dezimalen von 1t kommt die «7» nur 24mal
vor. Das ist wenig im Vergleich zu dem erwarteten Wert 40 (vgl.
Kapitel 5, Seite 103 und 104).
• Die Folge der drei Dezimalen, die an der Stelle 315 endet, lautet
315. Die Folge der drei Dezimalen, die an der Stelle 360 endet, lau-
tet 360.
• Schreibt man das Alphabet in Form eines «Kreises» und färbt die
Buchstaben, die eine vertikale Symmetrieachse haben (. .. HIJKLM-
NOPQRSTUVWXYZABCDEFG H ... ), dann bilden die nicht gefärb-
ten Buchstaben Gruppen zu 3, 1, 4, 1 und 6 Buchstaben.
• Die Zahl (1t 4 + 1t5)1/6 = 2,7182818109 stimmt bis zur siebenten
Dezimale mit der Konstanten e überein!
• Ein magisches n x n-Quadrat ist eine aus n Zeilen und n Spalten
bestehende Zahlen tabelle, deren Elemente paarweise ungleich sind
und die Eigenschaft haben, daß die Summe der Elemente, die in ein
und derselben Reihe auftreten (das heißt die Summe der Elemente
irgendeiner Zeile, einer Spalte oder einer Diagonale) für alle Reihen
die gleiche ist. Betrachtet man das unten links dargestellte magi-
sche 5 x 5-Quadrat mit der Reihensumme 65 und ersetzt man jede
Zahl r durch diejenige Dezimale von 1t, die den Rang r hat (<<1» wird
also durch «3» ersetzt, «2» wird durch «1» ersetzt, «3» durch «4» usw.),
dann erhält man die unten rechts stehende Tabelle, in der jede
Zeilensumme mit genau einer Spaltensumme übereinstimmt:

17 24 1 8 15 [65] 2 4 3 6 9 [24]

23 5 7 14 16 [65J 6 5 2 7 3 [23J
4 6 13 20 22 [65] 1 9 9 4 2 [25]
10 12 19 21 3 [65] 3 8 8 6 4 [29]
11 18 25 2 9 [65J 5 3 3 1 5 [17 J
[65] [65] [65] [65] [65] [17 J [29] [25] [24] [23]

• Berechnet man 1t zur Basis 26 und ersetzt man jede Ziffer durch
den entsprechenden Buchstaben des Alphabets (schreibt man also
«a» für «0", «b» für «1» usw.), dann ergibt sich der folgende Text (die
ersten 2000 Buchstaben dieses Textes findet man am Schluß des
Buches auf Seite 255):
45
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

3,
drsqlolyrtrodnlhnq tgkudqgtuirxneq bckbszi vq qvgdmelm
uexroiqiyalvuzvebmijpqqxlkplrncfwjpbymggohjmmqisms
sciekhvdutcxtjpsbwhufomqjaosygpowupymlifsfiizrodpl
yxpedosxmfqtqhmfxfpvzezrkfcwkxhthuhcplemlnudtmspwb
bj fgsj hncoxzndghkvozrnkwbdmfuayj fozxydkaymnqu w ly ka
plybizuybroujznddjmojyozsckswpkpadylpctljdilkuuwkq
k wj k tz m el gcohrbrj e n rqv hj thdl e ej vifafq i c q s m tj fppzxz
ohyqlwedfdqjrnuhrlmcnkwqjpamvnotgvyjqnzmucumyvndbp
gmzvamlufbrzapmuktskbupfavlswtwmaetmvedciujtxmknvx
kdtfgfhqbankornpfbgncdukwzpkltobemocojggxybvoaetmh

Wir bemerken in diesem Text:


• kurze Wörter mit zwei Buchstaben, zum Beispiel die französischen
Wörter tu (du), le (der), et (und), die englischen Wörter by, go, up, ox,
das deutsche Wort du, das ungarische eb (Hund) und die türkischen
Wörter ay (Mond) und el (Hand). All das ist nicht verwunderlich. Wir
hätten uns vielmehr wundern müssen, wenn wir keine derartigen
Beispiele gefunden hätten.
• Wörter mit drei Buchstaben, zum Beispiel das französische Wort
roi (König). Das ist amüsant (für den Leser, der Französisch kann),
denn 1t wird in Frankreich mitunter «nombre roi» «<königliche Zahl»)
genannt. Ebenso findet man das englische Wort rod (Stab), das fin-
nische kuu (Mond), das lateinische eum (mit), die deutschen Wörter
Ohr und Uhr sowie das Wort pad, das im Englischen die Bedeutung
«Kissen» und im Ungarischen die Bedeutung «Sitzbank» hat.
• den «Kosenamen» Loly gleich am Anfang: ein guter Vorwand, seine
Tochter auf diesen Namen zu taufen.
• den Anfang des französischen (oder englischen) Wortes seienee
(Wissenschaft) ab Stelle 101 (eine Ermutigung, nicht aufzugeben?).
• das englische Verb to be (um die Stelle 450), das uns aufunwider-
stehliche Weise Shakespeare ins Gedächtnis ruft, um so mehr, da
auch not und or vorkommen, woraus man nun die berühmte meta-
physische Frage «to be or not to be?» «(sein oder nicht sein?>, ) zusam-
mensetzen kann.
• den Namen des Mathematikers Ziu, der einen heute häufig ver-
wendeten Algorithmus für die Komprimierung von Daten erfunden
hat;
• Initialen von zusammengesetzten Vornamen: jp für Jean-Paul
(dreimal unter den 150 ersten Buchstaben, was mich in Verlegenheit
bringt) undjm für Jean-Marie (zweimal);
• Jean-Philippe Fontanille machte mich noch auf die lateinischen
Wörter pax (Frieden), lex (Gesetz) und auf die französischen Wörter
eil (Wimper), are (Bogen), reue (Traum) aufmerksam. Er hat auch
46
2. KAPITEL

entdeckt, daß das erste französische Wort mit fünf Buchstaben,


nämlich sexue (<<geschlechtlich differenzierb» ab Position 1645 zu
finden ist.
Nun sind Sie an der Reihe, unter den am Schluß des Buches
angegebenen 2000 Buchstaben für n weitere Wörter zu finden. Das
Vorhandensein derartiger Wörter beweist nur folgendes: Da die Zahl
der möglichen Zufälle sehr groß ist, treten diese - wie im alltägli-
chen Leben - zwangsläufig auf. Diese Zufälle lassen uns jedoch auf-
horchen - selbst dann, wenn wir gewarnt sind und uns nicht täu-
schen lassen.

Die Zahl n: läßt sich nicht per Gesetz festlegen


Treiben wir die intuitionistische Philosophie der Mathematik bis
zum Äußersten, dann kommen wir - übertrieben formuliert - zu der
Meinung, daß wir die Zahln nach eigenem Gutdünken wählen kön-
nen und ihr per Gesetz einen einfachen Wert zuweisen können. Das
wäre 1897 auch beinahe passiert, als Edward Johnston Goodwin
(1828?-1902), Arzt in Solitude im Staat Indiana (USA), den Mitglie-
dern des House of Representatiues den Vorschlag für einen Gesetzes-
text unterbreitete, in dem Formeln zur Berechnung von Flächen
und Bogenlängen vorgegeben wurden. Diese Formeln liefen darauf
hinaus, die gleichzeitige Gültigkeit der folgenden Werte zu
beschließen: n = 4, n = 3,1604, n = 3,2 sowie n = 3,232 (und auch
~2 =10/7).
Der Urheber des Gesetzestextes behauptete, die Probleme der
Quadratur des Kreises, der Dreiteilung des Winkels und der
Verdoppelung des Würfels gelöst zu haben (die Unlösbarkeit dieser
Probleme war einige Jahre zuvor bewiesen worden). Goodwin gelang
es, zwei ebenso kurze wie erstaunliche Artikel in der Zeitschrift The
American Mathematical Monthly unterzubringen. Diese Zeitschrift,
die es erst seit kurzem gab, nahm auf der Suche nach Beiträgen
damals noch Artikel ohne Überprüfung an, was heute nicht mehr
der Fall ist. Das Monthly, das eine der wichtigsten mathematischen
Zeitschriften geworden ist (es ist die meistzitierte Quelle dieses
Buches!), darf auf seine ersten Nummern nicht besonders stolz sein!
Das Gesetz ging durch mehrere Lesungen und war im Begriff,
angenommen zu werden. Im letzten Moment wurde es jedoch abge-
lehnt - nicht, weil der Vorschlag für absurd, falsch oder wider-
sprüchlich gehalten wurde, sondern weil die Gesetzgeber der An-
sicht waren, daß ein Gesetz nicht in den Bereich der Wissenschaften
eingreifen dürfe. Dieser Ausgang der Angelegenheit erwies sich als
ausgesprochen glücklich. Da der Text der Zahln verschiedene Werte
47
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

zuordnete, hätte man nach einigen algebraischen Umformungen auf


vollkommen legale Weise die Relation 1 = 0 ableiten können. Dies
hätte ganz bestimmt zu Schwierigkeiten bei finanziellen Trans-
aktionen geführt und großangelegten Betrügereien Tür und Tor ge-
öffnet.
Der Wunsch, 7t einen einfachen, übersichtlichen Wert zuzuord-
nen, kommt auch im folgenden englischen Gedicht und dessen Über-
tragung zum Ausdruck:

'Tis a favorite project of mine


A new value of 7t to assign,
I would fix it at 3
For it's simpler, you see
Than 3 point 14159.

Mein Lieblingsprojekt soll die Menschen erfreu'n:


Mit neuem Wert ich die Kreiszahl umzäun,
o 7t, ich mach dich zu 3,
Denn das ist einfacher, zweifelsfrei,
Als 3 Komma 14159.

Die französischen Gesetze der Fünften Republik sind umsichti-


ger: Die Zahl 7t wird zwar im Erlaß vom 3. Mai 1961 erwähnt (es
wird festgelegt, daß der Radiant die gesetzliche Einheit für das
Bogenmaß von Winkeln ist und daß eine Umdrehung der Größe von
27t Radianten entspricht), aber es wird kein Wert für 7t angegeben.
Vermutlich wird vorausgesetzt, daß dieser Wert allgemein bekannt
ist.

Quadrierungssyndrom und Näherungswerte

Goodwin war bei weitem nicht der einzige Amateurgeometer, der


glaubte, die Quadratur des Kreises gefunden zu haben. Bei diesem
Problem geht es darum, zu einem gegebenen Kreis unter alleiniger
Verwendung von Zirkel und Lineal ein flächengleiches Quadrat zu
konstruieren (vgl. Kapitel 3 und 9). Dies ist gleichbedeutend damit,
zu einer Strecke der Länge 1 eine Strecke der Länge 7t zu konstru-
ieren. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert gab es zahlreiche
ehrgeizige Amateure, die sich in das Problem verliebt hatten und
sich einredeten, die Lösung gefunden zu haben.
Bereits im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verspottete
Aristophanes (ca. 445 - ca. 386) die Kreisquadrierer. Nichts kommt
jedoch der außerordentlichen Kontroverse über dieses Thema gleich,
48
2. KAPITEL

die den englischen Philosophen Thomas Hobbes und den Mathe-


matiker John Wallis zu Gegnern machte (aufWallis kommen wir in
Kapitel 4 zurück).
Hobbes, der im Alter von etwa 40 Jahren die Freuden der
Geometrie entdeckt hatte, war auf diesem Gebiet ebenso passioniert
wie inkompetent und selbstgefällig: Sein Universalgenie - so dachte
er - würde es ihm gestatten, mathematische Entdeckungen von
grundlegender Wichtigkeit zu machen. Im Alter von 67 Jahren
veröffentlichte er 1665 eine Abhandlung, die eine Näherungs-
konstruktion für 7t enthielt, aber als exakte Lösung des Problems
der Quadratur des Kreises präsentiert wurde (auf den Seiten
236,237,238 geben wir einige Näherungslösungen an). John Wallis
prangerte die Fehler des Philosophen an, und dies wurde der
Ausgangspunkt eines Kampfes, der bis zum Tod von Hobbes im
Alter von 91 Jahren andauern sollte. Die Antwort von Hobbes auf
die erste Attacke von Wallis bestand in der englischen Ausgabe sei-
ner Schrift, die ursprünglich in Latein veröffentlicht war und der er
einen Anhang mit dem Titel Sechs Lektionen für den Professor der
Mathematik hinzugefügt hatte. Wallis gab seinem Antwortpamphlet
den Titel Verhängung einer Strafe über Herrn Hobbes, weil er seine
Lektion nicht richtig gelernt hat. Im Verlauf der nächsten 20 Jahre
uadratura CircuIi folgten in der gleichen liebenswürdigen Art und Weise weitere Publi-
kationen, deren Titel so deutlich waren, daß man gar nicht weiter·
Cubatio Sphrerre, lesen mußte.
Hobbes hatte wenigstens die Entschuldigung, daß sich zu seiner
Dup Jicatio Cubi, Zeit die Akademie der Wissenschaften zu Paris noch nicht weigerte,
die «Lösungen» des Problems der Quadratur zu überprüfen (die
Bre.'ler demonfl,.l •• Akademie beschloß 1775, keine Lösungsversuche mehr zu überprü-
fen; wir geben die Begründung umseitig wieder). Darüber hinaus
war die Transzendenz von 7t noch nicht bewiesen worden; dieser
Beweis wurde 1882 von Ferdinand von Lindemann erbracht. Den·
noch gab es auch im 20. Jahrhundert noch Kreisquadrierer, zum
Beispiel earl Theodore Heisel. Er veröffentlichte 1931 in den Verei-
nigten Staaten ein Buch, in dem er neben zahlreichen anderen
höchst überraschenden Entdeckungen den Vorschlag machte, für 7t
1.0llD I HI :
den Wert 256/81 zu nehmen. Im nächsten Kapitel werden wir sehen,
daß dies der im Papyrus Rhind benutzte Wert ist. Dieser Papyrus
, ..
El«uJ,ba,]. C. S""'l'ubu. /btd." C,...I..••• 669'
wurde im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung verlaßt-
Abhandlung von Thomas Hobbes,
das Genie gewisser Amateure überspringt die Jahrtausende. Heisel
in der der Philosoph behauptete, verwendete seinen Wert von 7t zur Berechnung der Umfänge von
das Problem der Quadratur des Kreisen mit den Radien 1, 2, 3, ... , 9. Als er die Widerspruchsfreiheit
Kreises und zwei weitere berühm·
te Probleme der Griechen gelöst seiner Aussagen entdeckte, die auf die Tatsache zurückzuführen
zu haben: die Kubatur der Kugel war, daß das 7t in der Flächenformel mit dem 7t in der Umfangs-
und die Verdoppelung des Wür·
fels. formel übereinstimmt und daß dieser Wert nicht vom Radius
49
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

abhängt, sah er darin «den unstrittigen Beweis» für die Exaktheit


seines Wertes für TC. Es war ihm vollkommen entgangen, daß er für TC
zum Beispiel auch den Wert 2 hätte nehmen können.
Das Krankheitsbild derjenigen, die den Kreis unbedingt qua-
drieren wollen, wird Morbus cyclometricus genannt. Diese Krank-
heit nahm im 18. Jahrhundert derartige Ausmaße an, daß die
Akademie der Wissenschaften reagieren mußte, wenn sie nicht von
den Abhandlungen der angeblichen Problemlöser überschwemmt
werden wollte. Die Akademie veröffentlichte den folgenden Beschluß
zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung:

Königliche Akademie der Wissenschaften zu Paris,


im Jahre 1775.
Die Akademie hat in diesem Jahr den Beschluß gefaßt, in
Zukunft keine Lösungen der Probleme der Verdoppelung des Würfels,
der Dreiteilung des Winkels und der Quadratur des Kreises mehr zu
überprüfen; ebenso werden auch keine als Perpetuum mobile
angekündigten Maschinen mehr überprüft.
Wir halten es für richtig, an dieser Stelle Rechenschaft über die
Motive abzulegen, die zu diesem Beschluß geführt haben.
Das Problem der Verdoppelung des Würfels war schon bei den
Griechen weithin bekannt. Die Athener befragten das Orakel von
Delphi nach Möglichkeiten, der Pest ein Ende zu bereiten. Angeblich
gab das Orakel als Antwort die Anweisung, dem Gott von Delos einen
würfelformigen Altar zu weihen, der genau doppelt so groß sein solle
wie der im Tempel des Gottes zu sehende Altar. [. ..] Auch das Problem
der Dreiteilung des Winkels war bereits in der Antike bekannt; es
wurde zuerst durch eine Konstruktion mit Hilfe einer Kurve dritten
Grades gelöst. [. ..]
Die Alten betrachteten jedoch nur solche Lösungen als geome-
trisch, die unter alleiniger Verwendung von Kreisen und Geraden mit
Hilfe von Zirkel und Lineal konstruiert werden können. Dies führte
zu einer vorgefaßten Meinung, die man auch heute noch bei
Menschen mit unzureichenden Kenntnissen antrifft. Es gibt immer
noch eifrige Sucher von geometrischen Lösungen dieser Probleme.
Einige verwenden tatsächlich nur Zirkel und Lineal, geben aber
falsche Lösungen. Andere wiederum geben richtige Lösungen, ver-
wenden dabei aber - ohne es zu wissen - Kurven, womit diese
Lösungen zur Kategorie der bekannten Lösungen gehören. Somit ist
jegliche Überprüfung zwecklos.
Das Problem der Quadratur des Kreises ist dagegen von anderer
Rangordnung. Die von Archimedes gefundene Quadratur der
Parabel und die Quadratur der Möndchen durch Hippokrates von
50
2. KAPITEL

Chios nährten die Hoffnung, auch den Kreis quadrieren zu können,


das heißt das Maß der Kreisfläche zu bestimmen. Archimedes hat
gezeigt, daß dieses Problem und das Problem der Rektifikation des
Kreises voneinander abhängen; beide Probleme sind seitdem mitein-
ander verwechselt worden. Für die Quadratur des Kreises sind nur
Näherungslösungen bekannt, deren erste von Archimedes stammt.
Eine große Zahl berühmter Geometer hat neue Lösungen vorgeschla-
gen, äußerst geniale, sehr einfache und praktisch sehr bequem zu
handhabende Lösungen. Es ist möglich, diese Verfahren noch weiter
zu vervollkommnen. Die Akademie schließt Forschungen dieser Art
nicht aus. Diejenigen, die sich mit der Quadratur des Kreises befas-
sen, haben jedoch keine Näherungsverfahren im Sinn; sie streben
nach einer exakten Lösung des Problems. [. ..] Eine Erfahrung von
mehr als siebzig Jahren hat der Akademie gezeigt, daß sich keiner
der Einsender von Lösungen über das Wesen und über die
Schwierigkeiten des Problems im klaren war. Auch wenn eine
Lösung möglich wäre, führte keine der verwendeten Methoden zu ihr.
Diese hinreichend lange Erfahrung hat die Akademie zu der Über-
zeugung kommen lassen, daß die Überprüfung aller dieser angebli-
chen Lösungen von geringem Nutzen für die Wissenschaft ist.

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and Qui .mbnoM 1001.1. G~ba:..'!""". Ia 00-
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fet'l Hlirmony &tw n AriUJm~ic antt G~r}'
u. Law Cl! Nuurt', .nd Cakut..ung Lo St-ltko
Zwei angebliche Lösungen der "~O",\'f'" Ihf' F .. mouJt D~p'Ut. Btl"c.lf-n
I ..~, d.. 111-. "' ;
Quadratur des Kreises. Zwar war Ulll CO,D"""""'. _ _
T ht' 1'\\ n GrC'at Philo,"lphl<"al .' h'H.I~
1882 die Unmöglichkeit einer der- 11;' eARl. THl:ODORE IIEI:F.I.
artigen Quadratur bewiesen wor- A, 1..4,1'l tlf ....H'lu..t. ht . \. S .\
A PAR I S.
den. Jedoch wurden auch im
20.Jahrhundert weitere Lösungs-
versuche in Angriff genommen, F1Jc.,\TEf)lTJO:-.
wie etwa im Buch vom earl .'n
Theodore Heisel.
51
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Die Akademie hat sich auch von anderen Gesichtspunkten leiten


lassen. Es gibt ein weitverbreitetes Gerücht, daß die Regierungen für
die Lösung des Problems der Quadratur des Kreises hohe Beloh-
nungen ausgesetzt hätten und daß dieses Problem der Forschungs-
gegenstand der berühmtesten Geometer ist. Im Glauben an diese
Gerüchte gaben mehr Menschen, als man glauben möchte, nützliche
Tätigkeiten auf, um sich der Arbeit an diesem Problem hinzugeben,
oft ohne es zu verstehen und immer ohne im Besitz der Kenntnisse zu
sein, die man für einen erfolgreichen Lösungsversuch benötigt.
Nichts ist geeigneter, ihnen die Augen zu öffnen, als diese Erklärung,
die von der Akademie für notwendig erachtet worden ist.
Mehrere hatten das Mißgeschick zu glauben, eine Lösung gefun-
den zu haben; sie verweigerten sich den Argumenten, mit denen die
Geometer ihre «Lösungen» attackierten. Sie waren oft nicht imstande,
die Geometer zu verstehen, und klagten diese des Neides und der
Böswilligkeit an. Mitunter entartete ihre Halsstarrigkeit zum reinen
Wahnsinn. Jedes unnachgiebige Festhalten an einer Meinung, die
nachweislich falsch ist, muß als reiner Wahnsinn bezeichnet werden,
wenn sich der Betreffende ständig mit ein und demselben Gegen-
stand beschäftigt und mit heftiger Ungeduld auf jegliche Widerrede
reagiert. Wir sehen es jedoch als keinen Wahnsinn an, wenn die zu-
grundeliegende Meinung die Vorstellungen der Menschen nicht ver-
letzt, wenn sie keinen Einfluß auf die Lebensführung hat und wenn
sie die Ordnung der Gesellschaft nicht durcheinanderbringt. [. ..]
Die Menschenfreundlichkeit gebietet es demnach, daß die
Akademie, die von der absoluten Nutzlosigkeit der Überprüfung der
Kreisquadrierungslösungen überzeugt ist, durch eine öffentliche
Erklärung weitverbreiteten Auffassungen ein Ende setzt, die für meh-
rere Familien verhängnisvoll gewesen sind. [. ..] Die Quadratur des
Kreises ist das einzige der von der Akademie zurückgewiesenen
Probleme, das Anlaß zu einer nützlichen Forschungsarbeit geben
könnte. Und wenn ein Geometer diese Quadratur fände, dann würde
der Beschluß der Akademie seinen Ruhm nur noch mehren, indem er
zeigt, welche Auffassung die Geometer von der Schwierigkeit (um
nicht zu sagen: von der Unlösbarkeit) des Problems haben.

Ein Aprilscherz
Man begegnet 1t in der Mathematik und in der Physik, aber
nicht in der Biologie. Diese erstaunliche Feststellung war der Aus-
gangspunkt für einen Aprilscherz, mit dem - wie ich erfahren habe -
auch ziemlich besonnene Leute hereingelegt worden sind. Im April
1995 hatte sich die Zeitschrift Pour la Science den Scherz geleistet,
52
2. KAPITEL

in einem ganzseitigen Artikel über die Entdeckung eines norwegi-


schen Forscherteams «zu berichten». Es handelte sich um Biologen,
die in einem Chromosom eines Lungenfisches eine Gensequenz
identifiziert hatten, die der Darstellung der Zahl1t zur Basis 4 ent-
spricht. Die Entdeckung - so wurde in dem Artikel behauptet - war
auf die außergewöhnlichen Gedächtnisfähigkeiten eines Dok-
toranden zurückzuführen, der die Zahl 1t in der Folge der
Buchstaben A, C, G, T der DNA-Sequenz wiedererkannt hatte. Es
wurde ferner ausgeführt, daß die Forschungsarbeiten auch mit
anderen Tieren und Pflanzen fortgesetzt werden, insbesondere mit
Pirolen, Pinguinen und Pinien.
Oftmals werden in Aprilscherzen wirkliche Probleme aufgewor-
fen. Was ist daran unwahrscheinlich oder gar lächerlich, wenn man
glaubt, daß die Zahl 1t im Genom eines Fisches aufgezeichnet ist?
Warum finden wir es normal, 1t innerhalb der Mathematik auch in
Gebieten anzutreffen, die nichts mit Kreisen zu tun haben? Warum
finden wir es normal, 1t da und dort in der Physik anzutreffen (zum
Beispiel in der Formel für die Schwingungsdauer eines Pendels),
nicht aber in der Biologie?
Man kann eine Unmenge von Erklärungen abgeben. So haben
wir etwa die Intuition, daß lebende Organismen nicht streng
mathematisch definiert sind und daß aus diesem Grund die Zahl1t
weder im Genom eines Fisches noch irgendeines anderen Tieres
kodiert sein kann. Diese Erklärung scheint - wie alle anderen
Erklärungen - unbefriedigend zu sein. Vielleicht wird man
Probleme dieser Art eines Tages besser verstehen. Oder man fin-
det 1t tatsächlich irgendwann in einem Genom! Wenn in dem
Artikel mit dem Aprilscherz der Fischereihafen von Hammerfest
nicht immer wieder so eindringlich betont worden wäre und wenn
es keine anderen verdächtigen Indizien gäbe, wie zum Beispiel
auch die Namen der Autoren K. Arp und R. Abbit, in denen sich
die englischen Wörter carp = Karpfen und rabbit = Kaninchen ver-
stecken, dann hätte wahrscheinlich niemand einen Schabernack
vermutet.

earl Sagan und die Botschaft in 1t

Die Zahl1t als Botschaft in einem Genom? Die Zukunft wird es


uns vielleicht begreiflich machen, warum das unmöglich ist.
Könnte es aber nicht sein, daß in 1t eine Botschaft verborgen ist?
Carl Sagan - der unlängst verstorbene, weithin bekannte
Mitarbeiter der NASA - erzählt in seinem vor mehr als zehn
Jahren erschienenen Roman Contact davon, daß die Ziffern von 1t
53
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Eine biologische Überraschung -Salmo",· ISI das rta"enlSChe Wort lür


·Lachs •.) Der Rechenkunsller Galrdne". der
Viele SIelIen von _ aU5WOndlQ wußle. erleannl.
K ARP und R AB BIT beim UnIersuchen des lungenllsch-(;hromo·
soms schlagartlQ die der Zahl. enlsprechende
FoiQe Wledtr Bel der erslen Sequenz d.eses
Chromosomensegmenles entsprach das Nukle·
Die Sequenz der Basen des Chromosoms 3 des Lungenfisches olld an der Stelle 43 mchl dem erwanel,n Nukle·
reproduziert die Ziffern von 1t zur Basis 4 olid. denn man hane ein G gefunden. 0,"

D
brachle daS norwegische Forscheneam ein ml-
aß malhemallSd1e Konstanlen In den Man Isl zwar noch weil davon enHernl. dll hinl leres Mal lul doe Sequenz und aut die Enl·
Gesetzen der Physl aullrelen. ~I ßlchl MillIarden Nukleoltde dor m.nschl~hen Chro· deckung. daß sICh don em Fehler eingeschlIChen
,,,,,Ier erstaunlich. Dagegen 1St daS mosomen ZU lennen. aber die kumulatIVe Sumo halte. Das Nu eolKl an der Stelle ~3 war ein J<
Autlreten arithmetISCher oder geometoscher me samlhcher ,n den Gen·Dalenban en weltweit alSo der BUCllStabe. der durch die EntwICklung
PnnZiplen beliebenden OrganISmen schon Ober· dokumenherter Sequenzen .erdoppelt Sich lasl von. vorllergesagl werden konnle.
rasclM!nder. Wir alle sind fasZinlen davon. WI. alle zwei Jahr. und hal berellS mehrer. MI· DItsI! Enldeckung mußte eine Wiederbe-
d" Blulenblatter einer Sonnenblume od.. die llorden erreIchi. Es isl nicht überraschend. daß lebung der Zusammenarbe" lI'Ilschen den re ·
Schuppen einer Ananas angeordnei Sind n.!m· belemer derart gtoBen Da enmeng. auch E~en­ nen Mathemabkern - die Im allgemeinen vleniQ
loch so. daß dte Gtieder der beruhmlen lumllCh'eoten ohne Signthkanz vorhanden sind Inlerosst lur die NalurVilssenschalien zeigen -
Flbonacciloige 1. 2. 3. 5. 8.13. 21 , 34.55 ij5W Man kann JedOCh ausrechnen. da8 dl' Wahr und den BiolOgen auslöstn. die Ihrerseits die
zu finden Sind. Jedes GIIOd d....r Folge 1St die scheinlochkeil. durch Zulatl aul eIne der Zahl. lormal. Mathemalok nlchl besonders anziehend
Summe der belden vorangehenden Glieder, und ,nlSprechend, Sequenz von 20 aulelnanderfol- finden. Ware es nochl vernunltlg... d•• lei·
daS Verh3l1n<S ZWIII.r aulelnanderfoiQender genden Nukleoliden zu sloBen. nur dann ver- Slungssl:!rlce der gegenwartig In der Moleku·
GI eder kOrrvtrglen gegen die goldene Zahl nachiassigt werden kann, wenn man 1000 Mil- Iarblologte verwendelen Rech",r zu sIelgern
(1+\5)12. W niger be nnllst. daß der Lebens· liarden Nultleolide hal Davon ISI man heule noch und die zuganghchen Bereiche abzulasten. als
zyklus der Zikaden Im M,tUeren Westen der weil entfernI aber ledenlalls hai man nlchl nur WOChen· oder mOr'lalelang Tausende von ver·
Ver. ntglen Slaalen. dte alle 13 oder alle 17 20. sondern 193 aul.,nanderfolgende Nukleollde nelZten Compulern zur Berechnung der DeZI·
Jahre schluplen (13 und 17 Sind Pnmzahlen). entdeckt malen von • oder zur Faktorlslerung ganzer
ebenso bemert<enswen Ist S. J Gould ..rmul.l. GATCAAGOGC TT TTATATAC Zahlen elßlZU5el1en? Es mu ß ohne ZweUel eine
daß es diese unteilbare Penodlzltat den betref· neue Art und Weise geiunden werden.
302' 00333' 22220202o,
lenden Arten gestallet. Ihren nalorlochen .lagern Mathemalok zu treiben. eine Art und Welse. die
zu enlkommen. bei denen es sich um andere CTTAGAATAG CAGACAGACT es nicht auSSChheßt. aul FIschlang nach andt-
Insekten handelt. die emen FortpllanzungSlyldus 1220300203 '030'030'2 ren Ißleressanten Genomen zu gehen. Um·
von Zl'Iei dreI. vWlr oder lunf Jahren haben. CTATTATGTA AA GCGA 11 CGII gekehrt kOnnle das Vorhanaenseln derartiger
Im Januar dieses Jahres wurde im Genom des , 202202320 0031300'30 mathemabscher Silukturen im Genom die
LungenllSChes PrOlopterus aethlOplcus (eIß al,,· GCACATTC AA ATCAGTAATA EvoluloonstheoNe In e,nem neuen licht erschel·
tramsch.. KnocI1enllsch. der Trod<enpenoden nen lassen
3101022100 0210320020
durch E"",lm n von luft uberslehl) "'" Ober· OIe GlelChselzung der durch nalUrliche
raschender Zufali enldeClrt. clesstn AulkJafUng TATTCTCGGA GACGCAAAAT Auslese erfolgten EvoIutlOO mrl einem Rechen·
vermutlich noch SChwle1ige1 Ist Das Team von 2022'2t330 3013'00002 prozeß 1St eine Ide.. doe In der Inlormall Im
Prolessor Rod Pocklehemng Im labOr lur AATGTGGTTT CTAGTGACAG Bere~n der genellSChen AJgonlnmen bereits
MolekularblOlogil In Hammertest. NOIWIgen. hat 0023233222 1203230103 zum Tragen gekommen rSI Dlest Idee könnte
soeben aut Chromosom 3 d eses TIeres "ne TCTGATATCC ACCATTAATA
eine Erfdantng fur dte norwegISCh' Enldeckung
Sequenz identillZten. dll In enger BeZIehUng zu Iliiern Unterdessen aber sleilt man sich dte
21230202'1 0"0220020
dtr malhemallSChen Konslilrllen • stehl Schrelbl Frage. VlOlU dem lungenfISCh eine Darstellung
man n.!mbch die FOIQe der erslen 20 NukleGhde CGTCTAGTAG CAAACAGCGC der litbllngszahl der Malhemallker In Rlnem
des In Hammerfesl ermitte en Segments wn '32'203203 ' 0 0 0 ' 0 3 ' 3 ' Genom niilZl. ISI d" Zahl • viellelehl deswegen
Chromosom 3 aul. dann erhalt man die Buch· GTGGTCCCAC TC rGA GGA GC vothanden -Irag' Prolessor Ray aus Edlnburg-,
,taben GATCAAGGGCTITTATATAC. Oie Buchsta· 32332t1lO' 2'2303303' wo I diese Konslante dem 'lSCh dabei Mh. In
ben A, C. T und Gbezeichnen hle1. w," ubllch. der dessen Hypophyse voPkommen kugellOnmlge
AGTTCAAGAC TGA
Reihe nach Adenin, Cytoson. Thymln und Guanin Zellen zu prodUZieren? DItsII Talsache verblu1ft!
0322'0030' 230
ErselZt man nun A durch O. C durch I, T durch 2 bereits Im voflgen Jahrllunden die Nalur·
und Gdurch 3 (biochemISChe Beweggrtlnde legen Die Folge der 193 Nukleollde der DNA d.. lorscher. Oder Ist dte Zahl. - einer These von
diese SubstrlUtion nahe). dann Iindet man lungenfisch... die In Hammer!H1 Im Chto· L Scholl aus Hamburg lolgend - vielleicht des·
3.0210033312222020201 Dies Sind die ersten m•• om 3 des T1em gelunden wurden. Etalzl wegen vorhanden. weil dte elektflschen Eigen·
20 Zotlern der Zahl _ zur BasIS 4. <knn die man In der Damenung dieses Chromosoms A schalten des Lungenrlsches die Beherrschung
Berechnung von 3 + 214 • 14 .314'. 3I~ 1 , durch O. C dur,h 1, T du"h 2 und G durch 3, der elektrostatISchen GeselZll erfordern. In
• 1/4" fielen mll863554413089127~8n906944 dann e"llbl sich der Anlang der Entwicklung denen • wie jeder weiß. llaullg auhnll? Eine
• 3,141592653S88304 den bIS zur ZWOlften von . zur Sasl••• Gruppe von Pich lS1elner EvolullonsllngulSlen
Dezimale e kten wen von 1l. behauptet sogar. daß gemaa der VOll Ihnen nach-
Talsachhch Sind es 193 auleIßanderlolgend, In keinem faD leIert also der ZufaJI eine gewiesenen Etymologte dtese 8esonderhetl des
Nukleoltde. die aut d_ Weist m,l der bemer· Ert<~rung lur daS vom I'dlenemngschen Team Genoms auch bel "'ranha>. Pinschern. P,lbulis.
kensweneslen aller malhemallSChen KonSlanlen enldeckle Zusammentrellen. Pmgulnen. Pirolen und anderen "'eplßalZlln vor·
zusammenfallen. Oie Enldeckung w.tre nlchl milgllch gewestn. handen Ist. aber auch bell'fianze,. zum BeISpiel
AngesIChts der Immer grOBeren Zahl deko· Mn. SICh mchl der ","enlsche Studenl Salmone beJ "'!zen. P."en SOWIe - besonders pikant - bei
d,emr gen.tlSCher Sequenzen Sind derartlQI Zu· Galldnen im labOr von Hammerfeslaulgehalten. P,SlaZlen und vor • lem auch bei I'lmplne8en.
la le vIelleichi wlrt<hch mchl ganz unerwanel IAnmerlcung des UberstlZtrs: Dar Vorname etnerMeJonenart. •
54
2. KAPITEL

möglicherweise eine Botschaft enthalten. Der Autor zieht folgen-


den Schluß, den wir auszugsweise wiedergeben:
«Falls im Innersten der transzendenten Zahl irgend etwas vor-
handen ist, dann muß dieses Irgendetwas bereits im Ursprung, in
der Geometrie des Universums eingeführt worden sein. [... ] Die
Anomalie trat zur Basis 11 sehr deutlich in Erscheinung. Zu dieser
Basis ließ sie sich als Folge von Nullen und Einsen niederschreiben
[... ]. Das Programm ordnete die Ziffern in Form einer quadrati-
schen Matrix an. Die erste Zeile war von links nach rechts eine
ununterbrochene Folge von Nullen. In der zweiten Zeile befand
sich genau in der Mitte eine einzige Eins, die zu beiden Seiten von
Nullen umgeben war. Nach einigen Zeilen begann sich unverkenn-
bar die Kurve eines aus Einsen zusammengesetzten Bogens abzu-
zeichnen. Die verheißungsvolle elementare geometrische Figur bil-
dete sich schnell, Zeile für Zeile. Schließlich kam die vorletzte
Zeile, die - bis auf eine einzige Eins in ihrer Mitte - ausschließlich
aus Nullen bestand. Die nächste Zeile bestand ausschließlich aus
Nullen, die den Teil eines Gerüstes bildeten. Verborgen in den
wechselnden Ziffernmustern und tief vergraben im Innersten der
transzendenten Zahl war dort ein vollkommener Kreis, dessen
Gestalt sich durch die Einsen aus dem Ozean der Nullen erhob.
Und dieser Kreis verkündete die Botschaft: Das Universum wurde
mit Absicht erschaffen [... ]. Weit über den Menschen, den Göttern
und den Dämonen [... ] gibt es eine Intelligenz, die vor dem
Universum da war.»
Die Zahl1t ist für Sagan, der hier eine amüsante Idee entwickelt,
offenbar vor allem eine physikalische Konstante (denn er spricht
von der Geometrie des Universums), und er scheint die Basis 11 mit
der Basis 2 zu verwechseln (oder es liegt ein Druckfehler vor).
Gleichwohl ist die in der Zahl 1t verschlüsselte Botschaft, die er als
Beweis für «eine vor dem Universum existierende Intelligenz»
ansieht, einigermaßen nichtssagend: Falls uns die Intelligenz, die
vor dem Universum da war, nichts anderes mitzuteilen hat, dann
wäre dies enttäuschend. Zahlreiche Mathematiker sind davon über-
zeugt, daß das, was man - sogar ohne Wunder - in der Zahl1t finden
kann, sehr viel tieferliegend und interessanter ist als die von einem
Science-fiction-Autor in Erwägung gezogene «Botschaft». Und übri-
gens: Falls die Zahl1t normal ist, dann befindet sich in irgendeinem
Teil ihrer Ziffern in verschlüsselter Form tatsächlich der Kreis, den
Sagan sich vorstellt. Viele Mathematiker glauben, daß 1t normal ist.
Deswegen verdient die Schlußfolgerung des Romans wirklich nur
dann Verwunderung, wenn das betreffende Muster frühzeitig unter
den Ziffern von 1t auftritt. Hierzu macht Sagan in seinem Buch
jedoch keine näheren Ausführungen.
55
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Paradoxa mit rr
Zum Zeitvertreib wollen wir uns nun einige Paradoxa rund um
die Zahl n: anschauen.

Wir wissen, daß die Erde am Äquator einen Umfang von 40000
Kilometern hat. Um den Äquator sei in Höhe des Meeresspiegels ein
Seil straff gespannt. Versuchen Sie, sofort und ohne zu rechnen auf
folgende Frage zu antworten: Um wieviel muß das Seil verlängert
werden, damit es so gelegt werden kann, daß es sich rund um die ________________ (~l ___ _
Erde in einer Höhe von einem Meter über dem Meeresspiegel be-
findet?
(a) 1 Meter (b) 6,28 Meter (c) 314 Meter
(d) 1 Kilometer (e) 3,14 Kilometer (f) 628 Kilometer
(g) 3142 Kilometer (h) 10 000 Kilometer

Verwenden Sie nun die Relation U = 2n:r. Hätten Sie die Antwort
(b) gefunden? Dieses Problem ist der Prototyp einer mentalen Falle.
Beeindruckt durch die gewaltige Länge des benutzten Seils führt uns
unser unmittelbares Urteilsvermögen (die Intuition?) zu dem Schluß,
daß auch bei der Lösung sehr große Zahlen auftreten müssen .

..! Da , B l 'l·t I'HI 1d "l'I!(' PHl'ado '\ lJ ll


Gegeben sei ein Kreis C. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit P
dafür, daß eine zufällig gewählte Kreissehne eine größere Länge hat
als die Seite eines dem Kreis einbeschriebenen gleichseitigen
Dreiecks?
Bei dieser Formulierung des Problems sind mehrere Beweis-
führungen möglich, die zu verschiedenen Ergebnissen führen (vgl.
nebenstehende Abbildungen).
Antwort 1: Eine Sehne wird durch ihren Mittelpunkt bestimmt.
Wählt man einen Mittelpunkt zufällig aus, dann liegt dieser Punkt
in einem von vier Fällen in der Kreisscheibe D' vom Radius 1/2 (denn
die Fläche dieser Kreisscheibe beträgt n:(r/2)2, das heißt 1/4 der
Fläche der Kreisscheibe D mit dem Umfang C). Die Länge der aus-
gewählten Sehne ist dann und nur dann größer als die Länge des
einbeschriebenen gleichseitigen Dreiecks, wenn ihr Mittelpunkt in
D' liegt. Hieraus folgt P = 1/4.
Antwort 2: Eine Sehne wird durch die Schnittpunkte einer
Geraden mit C bestimmt. Man wähle zufällig eine den Kreis C
schneidende Gerade, das heißt eine Richtung d, wähle dann zufällig
eine hierzu parallel verlaufende Gerade und stelle fest, in welchem Vier Möglichkeiten, eine Kreis-
Punkt diese Gerade den zu d senkrecht verlaufenden Durchmesser sehne zufällig auszuwählen.
56
2. KAPITEL

von C schneidet. Die Punkte, die einer Sehnenlänge entsprechen,


die größer als die Seitenlänge des gleichseitigen Dreiecks ist, liegen
auf den zwei mittleren Vierteln des Durchmessers. Dies ergibt die
Hälfte der Länge des Durchmessers, woraus P = 1/2 folgt.
Antwort 3: Eine Sehne ist dadurch bestimmt, daß man zufällig
einen Punkt auf C und danach einen anderen Punkt auf C auswählt.
Wenn man den zweiten Punkt wählt, dann ist die Länge der sich
ergebenden Sehne in einem von drei Fällen größer als die
Seitenlänge des in C einbeschriebenen gleichseitigen Dreiecks (denn
es gibt drei mögliche Bereiche, die von gleichem Winkelmaß sind
und der Überschneidung von C mit den Ecken des Dreiecks entspre-
chen). Hieraus folgt P = 1/3.
Antwort 4: Setzt man voraus, daß der Kreis C den Radius 1 hat,
dann ist die Seitenlänge des gleichseitigen Dreiecks gleich '>13 =

°
1,732 ... Eine zufällig gewählte Sehne von C hat eine Länge zwischen
und 2. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist deswegen P = (2 - '>13)/2
= 0,1339 ...
Es ist paradox, daß man auf ein und dieselbe Frage vier verschie-
dene Antworten hat. Wie kann man sich hier herauswinden? Nun,
1t man muß einfach das Anfangsproblem als nicht hinreichend präzise
0,
formuliert erkennen. Die Vorschrift der Wahl einer Sehne war nicht
definiert, und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit nicht durch die
Formulierung des Problems bestimmt. Bestimmt man dagegen eine
r= 1 Vorschrift für die Auswahl einer Kreissehne (was einer Wahl von
A o B einer der vier Antworten gleichkommt oder darauf hinausläuft, eine
weitere Anwort zu ersinnen), dann ist die Wahrscheinlichkeit festge-
legt. Es handelt sich also um gar kein Paradoxon, sondern lediglich
darum, daß ein Problem unvollständig formuliert war. Während es
B bei wahrscheinlichkeitstheoretischen Problemen im allgemeinen
auch dann nur eine einzige vorstellbare Vorschrift gibt, wenn die
Formulierung unpräzise ist, haben wir im vorliegenden Fall mehrere
Vorschriften, und das erweckt die Illusion eines Paradoxons.

A ~o U B (3) Beweis von 1t = 2


Wir betrachten einen die Punkte A und B verbindenden
Halbkreis vom Radius 1. Die mit D 1 bezeichnete Bogenlänge dieses
Halbkreises ist gleich 1t (vgl. nebenstehende Abbildung).
Wir betrachten nun - wie in der Abbildung angegeben - zwei
°5
0
A ~v~
"" 00
v ov 0 V
0
V
0
OB
Halbkreise vom Radius 1/2 und bezeichnen diese neue Kurve mit
D 2 . Die Länge von D 2 ist ebenfalls 1t, denn die beiden Halbkreise
haben jeweils die Länge Jtl2. Wir setzen diese Konstruktion analog
Jede der Kurven Dl' D 2 , ••• hat die mit D 3 , D 4 usw. fort. Die Grenzkurve aller dieser Kurven ist die
Länge 1l. Die Kurven streben ge-
gen die Strecke AB der Länge 2.
Strecke AB, das heißt der Durchmesser von D l' der die Länge 2 hat.
Also gilt 1l '" 2. Hieraus schlußfolgern wir 1t = 2.
57
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Diese Lösung ist falsch, denn die Länge einer Grenzkurve


stimmt nicht mit dem Grenzwert der Längen überein. Man kann
beweisen, daß die Länge einer Grenzkurve (falls sie existiert, was
nicht immer zwangsläufig der Fall ist) höchstens gleich dem
Grenzwert der Längen ist (falls dieser Grenzwert überhaupt exi-
stiert); man kann jedoch nicht die Gleichheit beweisen. Um sich
davon zu überzeugen, daß die Gleichheit nicht bewiesen werden
kann, braucht der Mathematiker übrigens nichts anderes zu tun, als
unser Beispiel oder ein ähnliches Beispiel anzugeben.
Das Paradoxon beruht auf einem Grenzübergang, der unge-
rechtfertigt ist und auch nicht zu rechtfertigen ist. Die naive
Intuition, gemäß der die Länge der Grenzkurve gleich dem Grenz-
wert der Längen ist, hat sich als eine irrige Intuition erwiesen.

(4) Beweis der Rationalität von 1t


Wir sehen uns gleich noch ein weiteres Beispiel dafür an, wie
gefährlich Grenzübergänge sind. Auf einer Internetseite, deren
Adresse ich aus Barmherzigkeit verschweige, findet man einen
«Beweis» dafür, daß 1t eine rationale Zahl ist und als Quotient
zweier ganzer Zahlen dargestellt werden kann. Hier ist dieser
«Beweis»:
Wir betrachten die Folge der Dezimalapproximationen von 1t
und bezeichnen die n-te Dezimalapproximation mit 1tn . Wir haben
also 1to = 3 ; 1t1 = 3,1; 1t2 = 3,14 ; 1t3 = 3,151 usw. Wir schließen nun
folgendermaßen:
• 1to ist eine ganze Zahl und demnach rational.
• 1t 1 ist gleich 31/10 und demnach rational.
• Wir nehmen nun an, daß 1tn rational ist und die Form 1tn =p/q mit
q = IOn hat. Fügt man die folgende Dezimalziffer c hinzu, dann wird
der Zähler zu 10p + c und der Nenner zu 10q. Hieraus folgt 1tn +l =
(10p + c)110q, und dies ist ebenfalls eine rationale Zahl mit einem
Nenner der Form IOn+J.
Wenden wir jetzt das Prinzip der vollständigen Induktion an,
dann erhalten wir das Ergebnis, daß sämtliche 1tn rationale
Zahlen sind. Demnach ist auch 1t eine rationale Zahl, was zu
beweisen war.
Dieser Beweis ist gewiß falsch, denn er läßt sich auf sämtliche
reellen Zahlen und daher auch auf die Zahl '>12 anwenden, die jedoch
seit mehr als 2000 Jahren als irrational bekannt ist (vgl. Beweis in
Kapitel 9, Seite 178/179). Warum ist der Beweis falsch? Der
Induktionsschluß ist, daß «alle 1tn rational sind» (nebenbei gesagt:
das muß nicht mit Induktion bewiesen werden, denn die Dezimal-
approximationen von 1t sind per Definition rationale Zahlen!). Aber
dies erlaubt keinesfalls den Schluß, daß 1t (der Grenzwert der Folge
58
2. KAPITEL

der 1tn ) rational ist: die Eigenschaft, rational zu sein, ist keine Eigen-
schaft, die bei einem Grenzübergang erhalten bleibt. Der Fehler in
der Beweisführung besteht darin, daß die Schlußfolgerung «dem-
nach ist auch 1t rational» ein unbewußter und ungerechtfertigter
Grenzübergang ist.
Falls Sie nicht davon überzeugt sind, daß jeder Grenzübergang
einer Eigenschaft gerechtfertigt werden muß, dann sehen Sie sich
nochmals das Paradoxon (3) an oder denken Sie über das folgende
Beispiel nach, in dem der ungerechtfertigte Grenzübergang eben-
falls zu einer Absurdität führt:
Sämtliche Mengen {al, lO, I}, {o, 1, 2}, ... ,lO, 1, .... , n} sind endliche
Mengen. Also ist auch die Menge {o, 1, ... , n, ... } aller natürlichen
Zahlen eine endliche Menge.

Die Gefahren der TC-ologie


1t-Iger 1t-rschten am Abend
Durch einen 1t-nienwald,
1t-role 1t-epsten verzagend
Denn es war 1t-tterkalt.

Fressen 1t-nguine 1t-roggen?


1t-raten wissen es wohl;
1t-esacken Mücken auch Doggen?
1t-tte fragt doch mal einen 1t-rol.

Die 1t-ologie 1t-rgt Gefahren,


Mißachtet die Orthogra-1t.
Davor solltet Ihr Euch 1t-wahren,
Denkt an Eure 1t-ographie!

Seltsame Tatsachen über 1t:


falsche individuelle Dezimalen
Bei der durch die Formel von Madhava-Gregory-Leibniz

gegebenen Reihe (auf die wir in Kapitel 4 zurückkommen) hat man


eine überraschende Tatsache festgestellt. Berechnet man 500.000
Glieder dieser Reihe, dann findet man
59
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

Vergleicht man nun diesen Wert mit den tatsächlichen Dezi-


malen von 7t, dann stellt man einige Abweichungen an individuellen
Stellen fest:

7t500 000 3,141590653589793240462 43383269502884197 .. .


7t 3,141592653589793238462643383279502884197 .. .

Diese Entdeckung von Roy North, die er Jonathan und Peter


Borwein per E-Mail mitteilte, schien unglaublich zu sein. Wie kann
eine Partial summe an der sechsten Dezimalstelle falsch, aber an der
siebenten, achten usw. Dezimalstelle jedoch wieder richtig sein?
Man hat allerdings rasch eine Erklärung für dieses Phänomen
gefunden. Diese Erklärung, bei der die Eulerschen Zahlen ins Spiel
kommen, stellt eine bis dahin unbekannte Beziehung zwischen zwei
Summationsformeln her. Diese Beziehung wurde mit Hilfe eines
numerischen Verfahrens entdeckt. Die Formel, die das Phänomen
erklärt, wurde durch Verwendung von Computeralgebra-Software
überprüft und später vollständig «per Hand» bewiesen.
An dieser Stelle muß auf das dreifache Eingreifen der Infor-
matik und auf das Wechselspiel zwischen Computer und Mathe-
matiker hingewiesen werden: Entdeckung eines merkwürdigen
Sachverhaltes (durch den Mathematiker) im Anschluß an eine
Rechnung, die von einem Programm ausgeführt wurde (Computer);
Identifikation der Folge der Abweichungen von 7t (Computer);
Aufstellen einer neuen Beziehung (durch den Mathematiker) auf
der Grundlage dieser Information; Überprüfung der neuen Relation
durch Computeralgebra-Software (Computer); Beweis der neuen
Identität (durch den Mathematiker). Für weitere Einzelheiten ver-
weisen wir auf den im Literaturverzeichnis (am Ende des Buches)
zitierten Artikel von J. Borwein, P. Borwein und K. Dilcher aus dem
Jahre 1989.

Eine Zahl- ganz dicht neben rc, aber dennoch


von rc verschieden
Man verwendet heute numerische Verfahren zum Auffinden
neuer Formeln, in denen mathematische Konstanten zueinander in
Beziehung gesetzt werden. Diese Verfahren bestehen in einer syste-
matischen Suche nach Relationen zwischen diesen Konstanten,
nachdem deren Werte mit großer Genauigkeit berechnet worden
60
2. KAPITEL

sind (mehrere hundert, ja sogar mehrere tausend Ziffern). Wenn


eine Relation für eine große Anzahl von Ziffern verifiziert worden
ist, dann kann man aus gutem Grunde vermuten, daß diese Relation
immer wahr ist. Dies ist sehr oft der Fall, aber man muß
mißtrauisch bleiben, solange es keinen Beweis gibt. Wir geben nun
ein äußerst bemerkenswertes Beispiel dafür, daß kein numerisches
Zusammenfallen jemals einen mathematischen Beweis ersetzen
wird. Wir betrachten die unendliche Summe

J. Borwein und P. Borwein haben 1992 gezeigt, daß diese Zahl


an mehr als den ersten 42 Milliarden Dezimalstellen mit n überein-
stimmt, aber dennoch von n verschieden ist. Ein solches Beispiel
muß auch als Warnung vor gewissen allzu naiven Auffassungen von
der experimentellen Mathematik dienen (wir verweisen diesbezüg-
lich auch auf Kapitel 8, Seite 172).

Ein mathematischer Zufall


Die folgenden numerischen Resultate, die ich überprüft habe,
gehen auf Roy Williams Cleckery zurück. Es handelt sich um eine
ganze Reihe von mehr als merkwürdigen Zufällen. Berechnet man
die Zahlen der Form exp(n.,jn) für n zwischen 1 und 1000, dann fin-
det man 13mal ein Ergebnis, das um weniger als ein Tausendstel
von einer ganzen Zahl abweicht. Der Fall n = 163 ist verblüffend.
Wenn man 1000 Zahlen betrachtet, dann ist es nicht überraschend,
eine oder zwei Zahlen zu finden, die sich nur um Tausendstel von
einer ganzen Zahl unterscheiden. Hingegen ist die Wahrschein-
lichkeit dafür sehr gering, daß man auf 13 derartige Fälle stößt.
Außerdem kann es kein Zufall sein, daß einige dieser Zahlen nur um
ein Millionstel, ein Milliardstel oder sogar fast nur um ein Tausend-
milliardstel von einer ganzen Zahl abweichen. Wer findet hierfür
eine Erklärung?

exp(7r'i25 ) 6635623,999341134233266067
exp(lt-v37) 199148647,999978046551856766
exp( lt-V 43) 884736743,999777466034906661
exp( lt-V 58) 24591257751,999999822213241469
61
MERKWÜRDIGKEITEN UND KURIOSITÄTEN

exp(n~67) 147197952743,999998662454224506
exp(n~74) 545518122089,999174985664301733
exp(n~148) 39660184000219160,000966674358575246
exp(n~ 163) 262537412640768743,999999999999250072
exp(n~232) 604729957825300084 759,~2171526856431
exp(n~268) 21667237292024856735768,000292038842412959
exp(n~522) 14871070263238043663567627879007,999848772648279480
exp(n~652) 68925893036109279891085639286943768,000000000163738644
exp(n~719) = 3842614373539548891490294277805829192,999987249566012187

Die erstaunlichste dieser Relationen ist


= 262537412640768743,99999999999925007 ...
e1!;l163

Martin Gardner verwendete diese Zahl 1975 für einen April-


scherz. Er hatte behauptet, daß ed163 eine ganze Zahl ist, was sei-
nerzeit nicht leicht zu überprüfen war. Diese Zahl ist jedoch nicht
nur keine ganze Zahl, sondern sie ist sogar transzendent (vgl.
Kapitel 9).
Die ersten Schritte in Richtung einer Antwort auf dieses nume-
rische Rätsel findet man in dem Buch Zahlenzauber von John
Conway und Richard Guy (S. 252-253). Die Zahl 163 ist die größte
der neun Heegnerschen Zahlen. Alle diese Zahlen haben besondere
arithmetische Eigenschaften (der von "'-163 erzeugte algebraische
Zahlkörper ist ein Körper mit eindeutiger Faktorisierung). Diese
Eigenschaften implizieren einerseits, daß der von Euler entdeckte
Ausdruck
n 2 - n + 41

für n = 1, 2, 3, ... , 40 eine Primzahl liefert, was außerordentlich


bemerkenswert ist, und daß andererseits e1!;l163 beinahe eine ganze
Zahl ist. Die anderen Heegnerschen Zahlen sind 1,2,3,7, 11, 19,43
und 67. Man kann folgendes zeigen: Für eine Zahl k >1 liefert der
Ausdruck n 2 - n + k für die aufeinanderfolgenden Zahlen n = 1, 2,
3, ... , k - 1 Primzahlen, falls 4k - 1 eine der Heegnerschen Zahlen ist.
Für den von Euler entdeckten Ausdruck gilt 4 x 41 - 1 = 163.

Darstellungen «zur Basis» 1t

Fitch Cheney ist es gelungen, für jede ganze Zahl zwischen 1


und 100 eine Darstellung mit Hilfe von 1t zu finden, bei der die
Operationen der Addition +, der Multiplikation x, des Quadratwur-
zelziehens, des Potenzierens und die Operation des Bildens des
62
2. KAPITEL

ganzen Teiles [ ] verwendet werden. Wir geben hier die ersten dieser
Darstellungen wieder. Können Sie diese Art Darstellungen «zur
Basis» 1t fortsetzen?

1 = I "1t I 11 = I (1t x 1t) + "1t I


2 = I "(1t x "1t) I 12 = 11t x 1t I + 11t I
3 = 11t I 13 = I (1t x 1t) + 1t I
4 = 11t + "1t I 14 = I (1t x 1t) + 1t + "1t I
5 = 11t X "1t I 15 = 11t x 1t I + 11t + 1t I
6= 11t+1t1 16 = I (1t x 1t) + 1t + 1t I
7 = 11t'h'l 17 = 11t x 1t X "1t I
8 = I (1t x 1t) - "1t I 18 = 11t x 1t I + 11t X 1t I
9= l1tx1t1 19 = I (1t x 1t) + (1t x 1t) I
10 = 11t X 1t I + I "1t I 20 = 11t X "1t I X 11t + "1t I
Die Geschichte
der Zahl1t zur Zeit
der Geometrie
Quadraturen und Vielecke

Die Zahl n tritt direht oder indireht ill allen allen mathematischen Texten auf, die gefunden
Icorden sind. Hierzu gehören auch Te:rte. die bis zu -1-000 Jahre alt sind Das Wi.<;sen. da.<; die.·e
alteIl ZiL'ilisationen über die Zahl 1C hatten, bes("hrdnllfe sich mitunter auf Icenig mehr als
nichts, aber die (stets über die Geometrie statlgefundelle) Begegnung der Menschheit mit dieser
Zahl lL'Orf bereits in der griechischen Antike schwierige Probleme auf - leie zum Beispiel das
berühmte Problem der Quadratur des Kreises. Dieses Problem erlL'echte das Interesse der
herL'orragendstell Geister für dit, .Uathematik und /iihrfe zu tiefgründigen und subtilen
Entdeckungen, Die Zahln eni'ies sich als '\.-fotor der Wissenschaft. \ViI' u'erfell einen Blick auf
das "primitive Leben t'On 1t im Abendland, in Indien, ill Chllla und in einigen anderen
Hochlwlturen. /l'O man ('er.'uchte. diese Zahl zu berechnen.

Die Zahl 1t bei den Alten

Führt man sich die Mathematik der alten Völker vor Augen,
dann stößt man ziemlich schnell auf Anachronismen. Etwas erhei-
ternd wirkt zum Beispiel die Behauptung, daß die Ägypter den Wert
11: = (16/9)2 berechnet hätten. Zunächst ist zu bemerken, daß das
Symbol «=» erst im Jahre 1557 von dem englischen Physiker Robert
Recorde eingeführt wurde. Ferner bezeichnete man erst seit dem
18. Jahrhundert diejenige mathematische Konstante mit 11:, die
Gegenstand des vorliegenden Buches ist. Und schließlich wurde der
heute verwendete Zahlbegriff, der implizit in die Definition von 11: als
«reelle Zahl» eingeht, erst am Ende des 19. Jahrhunderts wirklich
festgelegt. Fügt man noch hinzu, daß den Ägyptern unsere Dezimal-
ziffern und unsere algebraische Bezeichnungsweise unbekannt
waren, dann wird verständlich, daß sie nicht einmal im entfern-
testen etwas aufgeschrieben haben konnten, was der Formel
11: = (16/9)2 ähnlich sieht.
64
3. KAPITEL

Wollte man sich korrekter ausdrücken, dann müßte man sagen,


daß «die Ägypter bei ihren Berechnungen ein Verfahren anwende-
ten, dessen Rechtfertigung die Existenz einer Konstanten für das
Verhältnis der Fläche eines Kreises zum Quadrat von dessen Radius
voraussetzt, und daß diese Konstante ungefahr den Wert (16/9)2
hab>. Eine derartige Rechtfertigung hat es aber nicht gegeben_
Unser Ziel ist es, die Frühgeschichte von 1t im Zeitraffer nachzu-
zeichnen. Daher verwenden wir aus Bequemlichkeitsgründen die
modernen Begriffe und Bezeichnungsweisen auch dann, wenn wir
über weit zurückliegende Zeiten sprechen.
Wir werden auch die Beweise alter Aussagen in der Sprache von
heute formulieren. Für historische Überblicke, in denen die
Komplexität der Ideen und Tatsachen berücksichtigt wird, verwei-
sen wir die Leser auf die von uns zitierten Spezialdarstellungen zur
Geschichte der Mathematik (vgl. S. 257).

Die Babyionier
Die ältesten Werte für 1t, deren Verwendung bei den Zivili-
sationen der Antike belegt ist, sind 1t = 3, 1t = 3 + 1/7 und 1t = 3 + 1/8.
Der letztgenannte Wert entstammt einer etwa 4000 Jahre alten
babylonischen Keilschrifttafel, die 1936 entdeckt wurde. Die Baby-
Ionier sind vermutlich folgendermaßen auf diesen Wert gekommen.
Zum einen wußten sie, daß der Umfang eines regulären Sechsecks
gleich dem Dreifachen des Durchmessers dieses Sechsecks ist (dies

Auf einer babylonischen Keil-


schrifttafel hat man den Nähe-
rungswert 1t = 3 + 1/8 gefunden_ Die
Babylonier dürften auf diesen Wert
durch Vergleichen des Kreisum-
fangs mit dem Umfang eines einbe-
schriebenen regulären Sechsecks
gekommen sein (dieser Umfang ist
das Dreifache des Kreisdurchmes-
sers).
65
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

ist geometrisch offensichtlich und liefert mit 3 einen ersten Nähe-


rungswert für TC). Zum anderen gaben sie mit 57/60 + 36/(60)2 eine
Abschätzung für das Verhältnis zwischen dem Umfang eines Kreises
vom Radius 1 und dem Umfang eines einbeschriebenen regulären
Sechsecks. Diesen Wert erhielten sie ohne Zweifel durch eine nähe-
rungsweise Vermessung, die sie in dem von ihnen verwendeten
Zahlensystem zur Basis 60 ausdrückten. Aus den genannten Vor-
aussetzungen folgt

Wir stellen fest, daß ein und dieselbe Zivilisation je nach Kon-
text verschiedene «Werte» für TC verwenden kann. Nicht alle antiken
Geometer hatten verstanden, daß das Verhältnis des Umfangs eines
Kreises zu seinem Durchmesser gleich dem Verhältnis der Fläche
eines Kreises zum Quadrat seines Radius ist.

Die Ägypter
Der 1855 entdeckte und im British Museum aufbewahrte
Papyrus Rhind enthält einen Text, der gegen 1650 vor unserer Zeit-
rechnung von dem Schreiber Ahmes aus einer noch älteren Auf-
gabensammlung kopiert worden war, die zweifelsfrei aus der Zeit
um 1800 vor unserer Zeitrechnung stammt. Die im Text angegebene
Rechnung impliziert für TC den Wert (16/9)2 = 3,160449.

FACHTECK
= 7x9 = 63

Die Regel der Verminderung um


ein Neuntel, die in Aufgabe 48 des
Papyrus Rhind benutzt wird (ne·
benstehend in hieratischer Schrift),
führt auf den Wert 1t = (16/9)2.
Dieser Wert dürfte auf die Approxi.
mation der Kreisfläche durch die
Fläche eines Achtecks zurückzu-
führen sein (vgl. obenstehende Ab·
bildung).
66
3. KAPITEL

Das zur Berechnung einer Kreisfläche angegebene Verfahren be-


steht in der Ausführung folgender Operationen: (a) Subtrahiere vom
Durchmesser ein Neuntel desselben und (b) multipliziere das Ergeb-
nis mit sich selbst. Dieses Verfahren ist bemerkenswert einfach. In
moderner Schreibweise lautet diese Formel F = (D - D/9)2. Die
exakte Formel ist F = (D/2)2 1t, woraus man schließt, daß die Ägypter
implizit den Wert 1t = (16/9)2 = 3,160449 ... hatten. Wir wissen nicht,
ob sie sich der Tatsache bewußt waren, daß es sich hierbei nur um
einen Näherungswert handelte.
Die Verminderung um ein Neuntel ist besser als die Vermin-
derung um ein Achtel. Da die Ägypter alle ihre Rechnungen auf
Kehrwerte ganzer Zahlen zurückführten, ist die Formel des
Papyrus Rhind die beste der von ihnen betrachteten Formeln.
Wie haben sie diese Formel gefunden? Wir werden es niemals mit
Sicherheit wissen, aber Aufgabe 48 des Papyrus Rhind läßt eine
Spur vermuten.
Wir betrachten ein unregelmäßiges Achteck, das einem Quadrat
mit einer Seitenlänge von 9 Einheiten einbeschrieben ist. Die Fläche
dieses Achtecks, die man durch Berechnung der Anzahl der Qua-
drate und Halbquadrate der Seitenlänge 3 findet, beträgt 63. In
unserer Schreibweise ist die Kreisfläche (die etwas größer ist als die
Fläche des Achtecks) gleich (9/2)2 1t. Ersetzt man 63 durch 64 (dies
vereinfacht die Rechnungen und kompensiert die Fläche, die dem
Achteck fehlt), dann erhält man (9/2)21t = 64, das heißt 1t = (16/9)2
und somit die Regel der Verminderung um ein Neuntel.
Abschließend bemerken wir, daß den Ägyptern die Gleichheit
des Verhältnisses zwischen dem Umfang und dem Durchmesser
eines Kreises und des Verhältnisses zwischen der Fläche eines
Kreises und dem Quadrat seines Radius bekannt war (sie wußten
also, daß das «1t» in U = 21tr mit dem «1t» in F = 1tr2 übereinstimmt).
Dagegen kannten sie wohl keine allgemeine Aussage, die dem Satz
des Pythagoras entspricht.

Die Bibel
Eine Stelle in der Bibel berichtet über den Bau von Salomos
Tempel und beschreibt den gewaltigen Kessel des Bronzegießers
Hiram (Buch der Könige 1, 7,3, und 2, Chronik 4,2). Der Text ver-
wendet implizit den Wert 1t = 3. Jedoch waren sich die Hebräer ver-
mutlich der Tatsache bewußt, daß 3 nur ein Näherungswert ist; sie
kannten nämlich sogar bessere Werte für 1t.
Dies ist die betreffende Bibelstelle (deren Niederschrift auf ca.
550 v. Chr. datiert wird):
67
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

Und er machte ein gegossen Meer, zehn Ellen weit von einem
Rand an den andern rund umher, und fünf Ellen hoch; und ein Maß
von dreißig Ellen mochte es umher begreifen.
Einige Jahrhunderte später, nachdem die Wunder der griechi-
schen Geometrie einem größeren Publikum bekannt geworden
waren, führte der von der Bibel gegebene Wert für TC zu schweren
Gewissensqualen. Der Rabbiner und Mathematiker Nehemiah, der
um das Jahr 150 unserer Zeitrechnung in Palästina lebte, wurde
zwischen dem biblischen Wert 3 und dem von Archimedes angegebe-
nen Wert 3 + 1/7 hin- und hergerissen (Archimedes hatte auch
andere Werte angegeben, denn er wußte sehr wohl, daß es sich um
Näherungswerte handelte - vgl. Seite 72). Sicher verstand
Nehemiah, daß Archimedes der Wahrheit viel näher war als die
besagte Bibelstelle. Nehemiah versuchte deswegen, sich durch die
Beteuerung herauszuwinden, daß die Bibel sich nicht irre, sondern
daß es bei der betreffenden Textstelle um den inneren Umfang geht,
der wegen der Stärke des Behälters tatsächlich dreimal so lang sein
kann wie der äußere Durchmesser.
Zur Verteidigung dieser Hypothese, die Glauben und Geometrie
miteinander versöhnt, hatte man auch argumentiert, daß die
Angabe des Durchmessers und des Umfangs eines Kreises auf eine
Wiederholung hinausläuft und daß die Bibel so etwas ganz gewiß
nicht tun würde; infolgedessen sei es absurd, die Bibel anders zu
lesen, als es Nehemiah in seiner Interpretation tat. In Europa

~~ i',,~ ~:::rn~ ~, p
~N:l ~m !l:lO I ")~ 'n~V'"r) ~VJ~ ~N:l
,. - rT ~.. Y : • 'f ..I l' T ; - T ~ ~ 'f - IT
In der Bibel werden Durchmesser
und Umfang des «gegossen Mee-
:!l ;9 'U'1~ ::l~: ~tt; O~T?·~..r; :-rij?: ~i?
res» des Gießers Hirarn angege-
ben. Dabei wird implizit der Wert
'------ 1t = 3 verwendet.
68
3. KAPITEL

behaupteten im 18. Jahrhundert andere Autoren, die sich um die


Versöhnung von Wissenschaft und Glauben sorgten, daß der Kessel
die Form eines Sechsecks hatte (obwohl der Bibeltext unzweideutig
von «rund umher» spricht). Dennoch scheint klar zu sein, daß für
das damals wenig präzise Handwerk der Näherungswert 1t = 3 bei
weitem ausreichte. Es gab demnach gar keinen Grund, die Bibel zu
rechtfertigen.

Die Quadratur des Kreises

Wir kehren in die Welt der Griechen zurück, in der sich ent-
scheidende Episoden in der Geschichte von 1t abspielten.
Anaxagoras (500-428 v. ehr. ) war in Athen wegen Gottlosigkeit ein-
gekerkert worden, denn er lehrte eine Theorie der Sonne, die deren
göttliche Natur negierte, und er behauptete, daß der Mond ledig-
Geometrische Lösung der beiden lich das Sonnenlicht reflektiere. Anaxagoras nahm sich vor, den
seit der Antike berühmten Pro-
bleme der Verdoppelung des Wür- Kreis zu quadrieren.
fels und der Dreiteilung des Win- Für einen gegebenen Kreis besteht das Problem der Quadratur
kels. Die Verdoppelung des Würfels
(oben) bedeutet, die Seite eines darin, ein Quadrat gleichen Flächeninhalts zu zeichnen. Bei diesem
Würfels zu konstruieren, dessen Problem, das die Geometer für die nächsten 23Jahrhunderte zur
Rauminhalt das Doppelte des
Volumens des Einheitswürfels aus- Verzweiflung bringen sollte, werden im allgemeinen folgende
macht. Dies läuft darauf hinaus, Voraussetzungen gemacht:
eine Strecke der Länge 3;/2 zu
zeichnen. Die Dreiteilung des
Winkels (unten) bedeutet, zu einem
Ausgangswinkel ß den Winkel
a = ß/3 zu konstruieren. Die Grie-
chen erlegten sich die Einschrän-
kung auf, zur Lösung dieser Pro-
bleme ausschließlich einen Zirkel
und ein unmarkiertes Lineal zu
verwenden. Wir wissen heute, daß
die Probleme unter diesen Voraus-
setzungen unlösbar sind. Im Ge-
gensatz hierzu werden bei den
nebenstehenden Konstruktionen
die auf einem Lineal abgetragenen
Längeneinheiten verwendet. Das
Verfahren besteht in einer Auf-
einanderfolge von «Anpassungs-
vorgängen»: das Lineal wird an den
Punkt A gelegt; danach verschiebt
man es entlang dieses Punktes und
dreht es um diesen Punkt, bis die
Maßeinteilungen die Geraden D 1
und D 2 oder den Kreis treffen.
Strenggenommen läßt sich das
nicht in einer endlichen Zahl von
Schritten erreichen. Man konstru-
iert auf diese Weise eine Strecke
der Länge 3;/2 (oben, zwischen der
zweiten Markierung und dem
Punkt Al oder Winkel a = ß/3 (unten,
zwischen dem Lineal und D1).
69
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

• Als Hilfsmittel dürfen lediglich ein Zirkel und ein unmarkiertes


Lineal verwendet werden.
• Es wird nur eine endliche Zahl von Konstruktionszwischen-
schritten zugelassen.
Verzichtet man auf eine dieser bei den Einschränkungen, dann
sind zahlreiche Lösungen möglich (wir kommen hierauf weiter
unten zurück). Akzeptiert man diese Einschränkungen, dann läuft
das Problem darauf hinaus , mit Zirkel und Lineal eine Konstruktion
von --.In zu finden. Im Jahre 1882 wurde bewiesen, daß dies nicht
möglich ist (vgl. Kapitel 9).
Ein weiteres berühmtes Problem ist die Rektifizierung des Krei-
ses: Man zeichne eine Strecke, deren Länge mit der Umfangslänge
des Ausgangskreises übereinstimmt. Dieses Problem läuft darauf
hinaus, die Zahln mit Zirkel und Lineal zu konstruieren. Wir wis-
sen, daß es mit Zirkel und Lineal möglich ist, Längen zu multiplizie-
ren und Quadratwurzeln zu ziehen. Daraus schließen wir, daß beide
Probleme äquivalent sind (vgl. Seite 200).

Auch andere geometrische Probleme ähnlicher Art hielten die


Griechen und deren Nachfolger in Atem: Quadratur einiger Möndchen. Im
• die Dreiteilung des Winkels: Man konstruiere einen Winkel, der Gegensatz zum Kreis können
Möndchen (durch Kreisbögen be-
gleich einem Drittel eines gegebenen Winkels ist. Für gewisse grenzte Figuren) quadriert wer-
Winkel läßt sich das Problem lösen, aber es gibt keine allgemeine den. Hippokrates von Chios
(5.Jahrhundert v. Chr.) war der
erste, der eine derartige Quadra-
tur durchführte. Bei den vier
nebenstehend ausgeführten Kon-
struktionen ist die Fläche des oder
der Möndchen (blau) gleich der
Fläche des entsprechenden Poly-
gons (rot). Zum Beweis verwendet
man folgendes Prinzip: Sind zwei
Kreissegmente (Figuren, die durch
einen Kreisbogen und die diesen
aufspannende Sehne begrenzt
sind) ähnlich, das heißt auf der
gleichen Grundlinie «übereinan-
derlegbar», dann haben ihre Flä-
chen das gleiche Verhältnis wie die
Quadrate ihrer Grundlinien. In
den vier Beispielen geht man so
vor, daß man Kreissegmente, die
auf den Polygonseiten konstruiert
sind, hinzufügt oder wegläßt. Die
Relationen zwischen den Quadra-
ten dieser Seiten zeigen, daß die
hinzugefügte Fläche (in der Kon-
struktion oben links die von den
Seiten AB und BC aufgespannten
Halbkreise) exakt durch die weg-
gelassene Fläche (den durch AC
aufgespannten Halbkreis) kom-
",. D A D pensiert wird. Wir überlassen es
", B BC CD AD~ 3AB~ AB BC CD 2AE' - 3AB? dem Leser, die rechts stehende
Figur zu quadrieren!
70
3. KAPITEL

Lösung. Zum Beispiel wurde in den mathematischen Arbeiten des


18. und 19. Jahrhunderts bewiesen, daß es unmöglich ist, einen
Winkel von 20 Grad zu konstruieren, wenn man als Ausgangsgröße
einen Winkel von 60 Grad nimmt (der letztgenannte Winkel ist sei-
nerseits konstruierbar, denn es handelt sich um den Winkel an den
Ecken eines gleichseitigen Dreiecks);
• die Verdoppelung des Würfels: Zu einem gegebenen Würfel kon-
struiere man die Seite eines Würfels mit doppeltem Rauminhalt.
Die Lösung dieses Problems mit Hilfe von Zirkel und Lineal läuft
daraufhinaus, die Kubikwurzel von 2 mit Hilfe von Quadratwurzeln
auszudrücken_ Im 19. Jahrhundert wurde bewiesen, daß dies nicht
möglich ist.
Es ist Anaxagoras nicht gelungen, den Kreis zu quadrieren, aber
dank des Einflusses seines Schülers Perikles kam er aus dem Ge-
fängnis frei. Einige Zeit später schlug Antiphon (ein Sophist aus
Athen im 5. Jahrhundert v. ehr.) vor, den Kreis durch die Kon-
struktion von regulären Vielecken mit immer größerer Seitenzahl zu
quadrieren. Die Idee dieser Konstruktionen geht auf Eudoxus von
Knidos zurück (408-355 v. ehr.). Es handelt sich um das
Exhaustionsprinzip (lat. exhaurire = ausschöpfen): Betrachtet man
eine hinreichend große Anzahl von Seiten, dann ergibt sich ein
Vieleck, das mit dem Kreis verschmilzt; auf diese Weise bekommt
man eine ausschöpfende Überdeckung des Kreises.
Die Schwierigkeit besteht darin, zu wissen, ob man den Kreis
tatsächlich in einer endlichen Anzahl von Schritten erreicht oder
ob (modern ausgedrückt) ein «Grenzübergang» erfolgen muß. Wir
wissen heute, daß das zwei ganz verschiedene Dinge sind.
E YKAEI-
<l. OT l: T 01 X.I!I 0 N
Seinerzeit war die Angelegenheit jedoch ganz und gar nicht klar,
und Antiphon stellte - ausgehend vom Exhaustionsprinzip - fol-
T P I TON. gende Behauptung auf: Da man die Vielecke, die mit dem Kreis
E V C LID rS E L E M .E N- identifiziert werden, individuell quadrieren kann, läßt sich auch
TYM T . . . TI1'&
der Kreis quadrieren_ Der Fehler von Antiphon ähnelt dem Fehler,
der in Kapitel 2 beim Beweis der Rationalität von 1t begangen
wurde: Die Tatsache, daß jeder der durch die Umfänge aufeinan-
derfolgender Vielecke gegebenen Näherungswerte für 1t mit Zirkel
DIJ."lfIOMIJ.

• und Lineal konstruierbar ist, rechtfertigt durchaus keinen


run, •'1UOEfjrüdi.tn<lri
~'S;~~~<"ffi<Uh (un, «Grenzübergang» mit der Schlußfolgerung, daß auch 1t mit Zirkel
,,<I'Iuo- ..b ~ und Lineal konstruierbar ist.
tutnqu~ .... -.
n:
,cl",
('c~n,
h-
pudun,
In den Elementen des Euklid (3. Jahrhundert v. ehr.), dem be-
:tqu.I". rühmtesten Mathematikbuch aller Zeiten, findet man eine befriedi-
gendere Formulierung des Exhaustionsprinzips.
Anfang von Buch VII der Elemen- Nach Euklid läßt sich - wenn man Vielecke mit großer
te des Euklid, griechisch-lateini-
sche Ausgabe von 1573. Seitenzahl betrachtet - «die Differenz zwischen der zu berechnen-
71
DIE GESCHICHTE DER ZAHL TI: ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

den Fläche und der Fläche des konstruierten Vielecks kleiner als
jede beliebig kleine vorgegebene positive Größe machen». Diese
Sprechweise ist zu den strengen Grenzwertdefinitionen äquivalent,
die im 19. Jahrhundert formuliert wurden «<Zu einem beliebigen
epsilon existiert ein alpha ... »). So aufgefaßt führt das Exhaustions-
prinzip, das übrigens eine exakte Bestimmung von Flächen und
Rauminhalten liefert, zu einer Form der Integralrechnung, ehe es
diesen Begriff überhaupt gab. Es gestattet mit einer gewissen
Strenge den Beweis, daß in einem euklidischen Raum das «1t» von
U =21tr gleich dem «1t» von F = 1tr 2 ist. Wir hatten diesen Beweis am
Ende von Kapitel 1 gegeben.

Im 5. Jahrhundert v. Chr. hat Hippokrates von Chios (nicht zu


verwechseln mit dem Arzt Hippokrates von Kos, dessen Eid auch Die Quadratrix des Hippias (rote
heute noch von den Medizinstudenten beim Abschluß des Studiums Kurve): fast eine Lösung des Pro-
blems der Quadratur des Kreises.
geleistet wird) auch versucht, die Quadratur des Kreises zu lösen. Man stellt sich einen Punkt L vor,
Dabei erzielte er scheinbar einen Fortschritt, denn es gelang ihm der den Kreisbogen AP mit kon-
stanter Geschwindigkeit durch-
tatsächlich, die sogenannten Möndchen zu quadrieren. Das sind läuft, während sich eine zu AB
Figuren, die von Kreisbögen begrenzt werden. Von diesen Mönd- senkrechte Gerade d gleichzeitig
mit konstanter Geschwindigkeit
chen, deren Quadratur möglich ist, waren auch viele andere Geo- von A nach 0 bewegt. Der geometri-
meter fasziniert, darunter auch Leonardo da Vinci, der mehr als sche Ort der Schnittpunkte der
Radien OL mit d (die Menge der
hundert konstruierte. Punkte M) ist die Quadratrix des
Wir wollen nun einen interessanten Versuch der Quadratur des Hippias. Um einige ihrer Punkte
mit Zirkel und Lineal zu konstru-
Kreises erwähnen. Hippias von Elis, geboren um 480 v. Chr., war ieren, unterteilen wir den
ein Zeitgenosse des Sokrates. Hippias, der von Plato an mehreren Kreisbogen AP in n gleiche Bögen.
Wir erhalten dadurch die n Radien
Stellen zitiert wird, hat seinen Platz in der Geschichte der Ma- r., r2, ... und zeichnen dann in
thematik wegen der Entdeckung der Quadratrix. Mit Hilfe dieser gleichmäßigen Abstand voneinan-
der die n vertikalen Geraden d., d 2 ,
Figur schlug Dinostrat im Jahre 335 v. Chr. eine erste (natürlich .... zwischen A und o.
falsche) Lösung des Problems der Quadratur des Kreises vor Der Punkt Q, Schnittpunkt der
Quadratrix mit Op, ist auf diese
(s. unten). Weise nicht konstruierbar, aber
man erhält ihn als Grenzwert,
wenn L gegen 11: strebt. Wir zeigen
ABIOQ = 11:. Per Definition ist
AL'/(rr/2 - e) konstant und gleich
2rl11:. Wegen AL' = r - OM sin e er-
hält man r - OM sin e = 2r(11:/2 - e)/11:
und somit OM 11: sin eie = 2r. Wenn e
gegen 0 geht, dann strebt sin eie
gegen 1 und OM gegen OQ und
man findet 11: = 2rIOQ. Wir haben
zwei Strecken mit dem Verhältnis
11: konstruiert, und das Problem der
Quadratur des Kreises scheint
damit gelöst zu sein. Nur eines
spricht dagegen: Der Punkt Q
kann nicht in endlich vielen
Schritten mit Zirkel und Lineal
gezeichnet werden. Die Lösung
von Hippias ist trotz ihres Ein-
fallsreichtums keine gültige Lö-
A L' o B sung.
72
3. KAPITEL

Archimedes
Etwas später hat der große Archimedes von Syrakus (287-212 v.
ehr.), der gleichzeitig Mathematiker und Ingenieur war, unser Wis-
sen über 1t in bemerkenswerter Weise vorangebracht.
In seiner Arbeit Über Kreismessung beginnt er mit der Fest-
stellung, daß das Verhältnis der Fläche eines Kreises zum Quadrat
seines Radius gleich dem Verhältnis seines Umfangs zu seinem
Durchmesser ist; anschließend betrachtet er reguläre Vielecke mit
6, 12, 24, 48 und 96 Seiten und berechnet sorgfältig die aufeinander-
folgenden zweiseitigen Abschätzungen für 1t, die ihn auf die Unglei-
chungen 3 + 10/71 < 1t < 3 + 1/7 oder 223/71 < 1t < 22/7 führen.
Mit anderen Worten: 3,1408 < 1t < 3,1429.
Diese Rechnung ist ganz verblüffend, denn es stand keine alge-
braische Schreibweise zur Verfügung. Darüber hinaus benutzte
Archimedes zur Durchführung seiner Rechnungen nicht unser Posi-
tionssystem.
Die geometrische Methode des Archimedes stützt sich auf rein
abstrakte Rechnungen und nicht auf Messungen; infolgedessen be-
ruht sie nicht auf der Annahme, daß unsere physikalische Welt
euklidisch ist (vgl. Kapitel 1). Es handelt sich allem Anschein nach
um das erste Verfahren, das es theoretisch gestattet, die Zahl1t mit
beliebiger Genauigkeit zu berechnen.
Das in Kapitel 1, Seite 19, angegebene Verfahren zur Be-
rechnung der Dezimalen von 1t unter ausschließlicher Verwendung
elementarer arithmetischer Operationen (Additionen und Multi-
plikationen ganzer Zahlen und anschließend je eine Subtraktion
und Division) ist prinzipiell einfacher als die Methode des Archi-
medes, aber weniger effizient, wie wir gleich sehen werden. Wir wis-
sen nicht, ob Archimedes von ihr Kenntnis hatte; vielleicht fand er
diese Methode einleuchtend, aber zu langsam.
Wir wollen nun seine Methode zur Berechnung von 1t beschrei-
ben. Er nahm einen Kreis vom Radius 1 und machte zweiseitige
Abschätzungen, indem er je ein dem Kreis ein beschriebenes und
umbeschriebenes reguläres Vieleck von 3 x 2n Seiten betrachtete.
Wir bezeichnen mit an den halben Umfang des umbeschriebenen
Vielecks und mit bn den halben Umfang des einbeschriebenen
Archimedes von Syrakus war vor
allem ein großer Mathematiker. Vielecks (vgl. Abbildung auf der nebenstehenden Seite).
Obenstehend sind zwei seiner Ent- Durch geometrische Überlegungen zeigt man, daß sich für n = 1
deckungen abgebildet: a) der von
Leonardo da Vinci gezeichnete (Fall des Sechsecks) die Werte al:
semireguläre Polyeder mit 32
hexagonalen und pentagonalen al = 2--.13 b1 =3
Seitenflächen; b) ein Zylinder und
die einbeschriebene Kugel, deren ergeben, und danach bekommt man für jedes n:
Rauminhalte das Verhältnis 2:3
haben. lia n + lib n = 2/a n +l bn x a n +l = (b n +1 )2
73
DIE GESCHICHTE DER ZAHL TI: ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

Diese rekursiven Formeln ermöglichen es, mit der gewünschten APXIM ll ä OY!: KY
Genauigkeit zweiseitige Abschätzungen für TC unter der Voraus-
setzung anzugeben, daß man Quadratwurzeln berechnen kann (und
dies ist mindestens mit der «Trial-and-error-Methode" realisierbar).
Die Rechnung des Archimedes entspricht der Bestimmung von a5
und b5•
Wir geben nun in moderner Schreibweise einen Beweis der
Formeln des Archimedes. Setzt man den Radius des betrachteten
Kreises gleich 1, dann sind aus der untenstehenden Abbildung die
folgenden Beziehungen unmittelbar ersichtlich
an = 3x2 n tan [rcJ(3x2 n )] bn = 3x2 n sin [rcJ(3x2 n )]

a = halber Umfang Archimede~ gibt in seiner Ab-


des umbeschrlebenen handlung Uber Kreismessung ein
Vielec ks Verfahren zur Berechnung von 1l
an, bei dem Vielecke auftreten.
b = halber Umfang Berechnet man rekursiv die Um-
des einbeschriebenen fänge an und b n der umbeschrie-
benen und der einbeschriebenen
Vielecke mit 3 X 2 n Seiten für
immer größere n, dann findet man
immer genauere zweiseitige Ab-
schätzungen für 1l.

3 X 2 n = Anzah l der
Seiten d es Vielecks

a2 = --1L
2 +\1'3
=3,46 .. =3,21 .. = 3,10 ..

(Wir können TC aus diesen Formeln eliminieren, wenn wir die


Einheit für das Winkelmaß ändern. Das bedeutet, daß wir uns nicht
im Kreis drehen, also TC nicht mit Hilfe eines für TC berechneten
Wertes berechnen!)

Mit Jl = TC/(3 X 2n ) läuft die erste Rekursionsformel


lla n + Ilb n = 2la n +l auffolgende Beziehung hinaus:

tan (!lI2) = tan J..l sin J..l 1 (tan J..l + sin J..l)

Wir zeigen, daß diese Relation für jeden Winkel J..l zwischen 0
und rcJ4 gilt: Setzt man nämlich t = tan !lI2 und verwendet man die
Relationen sin J..l = 2tl(1 + t 2 ) und tan J..l = 2tl(l- t 2 ), dann ergibt sich
.
t anJ..lslllJ..l 1(t . ) [2tl( 1- t 2 )] x [2t/( 1 + t 2 )]
anJ..l+ SlllJ..l = :
2tl( 1- t 2 ) + 2tl( 1 +t2 )
74
3. KAPITEL

Der Beweis der zweiten Rekursionsformel bn x an+l = (b n + 1 )2


bedeutet nichts anderes, als

2 sin (1112) = J 2 tan (1112) sin /-l

zu beweisen. Letzteres gilt aber für jedes 1.1 zwischen 0 und 7tl4, denn
sin /-l = 2 sin (1.1/2) cos (1.1/2), und hieraus folgt

J2 tan (Ilf2) sin /-l = J2 [sin (Ilf2)/ cos (Ilf2)] x 2 sin (1112) cos (Ilf2)
= J4 [sin (1112)]2 = 2 sin (1112)

Wir bemerken beiläufig, daß die von Archimedes für den Beweis
der zweiseitigen Abschätzung benutzte Relation sogar dann richtig
ist, wenn man nicht von einem Sechseck ausgeht.
Es muß klargestellt werden, daß Archimedes nicht so vorging,
wie wir es taten, das heißt unter Verwendung der Trigonometrie. Er
stützte sich vielmehr auf rein geometrische Überlegungen.
Eine implizite Voraussetzung bei der Methode des Archimedes
ist es wert, exakter formuliert zu werden. Möchte man eine zweisei-
tige Abschätzung für n bekommen, dann muß vorausgesetzt werden,
daß die Länge der zwischen den beiden Vielecken befindlichen
Kurve durch die Längen dieser Vielecke von unten beziehungsweise
von oben abgeschätzt wird. Diese Voraussetzung ist im Falle eines
Kreises (oder sogar gewisser anderer Kurven) berechtigt, aber der
Beweis hierfür ist gar nicht so einfach. Die Voraussetzung ist aber
nicht für alle Kurven richtig, wie wir heute - vor allem dank der
Fraktale - wissen.
Mit Hilfe der Formeln des Archimedes zeigt man, daß der Fehler
bei jedem Schritt durch vier dividiert wird. Man gewinnt jeweils
wenigstens eine Dezimalziffer (genauer gesagt: Man gewinnt alle
fünf Schritte drei Ziffern). Das ist viel besser als die arithmetische
Formel von Seite 19, denn dort mußte man die Anzahl der Rech-
nungen mit 10 multiplizieren, um eine Ziffer zu gewinnen.

Die Formeln des Archimedes liefern folgende Näherungswerte:


b1 = 3 al = 3, 464101616
Eine zwischen zwei Vielecken b 2 = 3,1 05828540 a2 = 3, 215390308
(blau) befindliche Kurve (rot) kann
eine Länge haben, die größer als b3 = 3,1 3262 6 2 a3 = 3,159659942
die Länge der Vielecke ist. Dies b4 = 3,139350206 a4 = 3,1460 6216
kann sogar dann eintreten, wenn
die Fläche zwischen den Vielecken
b5 =3,141 031951 a5 = 3,142714600
immer kleiner wird. Archimedes
berücksichtigt diese Schwierigkeit Hätte Archimedes (durch Betrachten der regulären Vielecke mit
nicht (und zwar zu Recht im Falle
des Kreises). 192 Seiten und 384 Seiten) zwei weitere Schritte durchgeführt, dann
75
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

hätte er die bei den folgenden zweiseitigen Abschätzungen für 1t


gefunden:
bs = 3,141452471 as = 3,141 73050
b7 = 3,14155 760 a7 = 3,14166274

Archimedes mußte, um seine Abschätzung 223/71 < 1t < 22/7 zu A


bekommen, bei jedem Schritt Quadratwurzeln mittels kleinerer bzw.
größerer Werte bestimmen, aus denen er dann an bzw. b n berechnete.
Wir bemerken auch: Bezeichnet s(P) die Länge einer Seite eines
regulären Vielecks mit p Seiten, das einem Kreis vom Radius 1 ein-
beschrieben ist, dann zeigt man durch geometrische oder trigonome-
trische Überlegungen folgende Relation, die die Länge der Seite
eines einbeschriebenen Vielecks mit 2p Seiten liefert:

s (6) = 1

Aus dieser Relation leitet man einen anderen Ausdruck für die
Folge b n der halben Umfänge ab:

Es ist sogar möglich, diesen Ausdruck ohne die Verwendung von


an und s(p) zu formulieren:

Relationen dieser Art sind in Indien verwendet worden, um 1t


mit einer noch größeren Genauigkeit zu berechnen, als es Archi-
medes tat.
Seit Archimedes existiert 1t als vollkommenes mathematisches
Objekt, das unzugänglich war und damit eine ständige Heraus-
forderung für den menschlichen Geist darstellte. Dennoch brachten
die nächsten 18 Jahrhunderte keine wirklich neuen Erkenntnisse T
über diese Zahl. Es sind bessere Näherungswerte berechnet worden Die Spirale des Archimedes wird
als die des Archimedes. Jedoch wurden seine Methode oder naheste- durch einen Punkt beschrieben,
hende Methoden auch weiterhin verwendet, um einige Dezimalen der mit konstanter Geschwindig-
keit auf einer Geraden fortschrei-
mehr zu bekommen. Die mit dem Dezimalsystem erzielten Fort- tet, die sich ihrerseits mit konstan-
schritte, die umfassendere Beherrschung der arithmetischen ter Winkelgeschwindigkeit dreht.
Am Ende einer Umdrehung ist die
Operationen und die Hartnäckigkeit einiger Dickköpfe waren bis von der Spirale begrenzte Fläche
zum 15. Jahrhundert die einzigen Quellen des Vorwärtskommens. gleich einem Drittel der Fläche des
Kreises vom Radius OA. Der
Dreht sich eine Gerade g (in einer Ebene) um einen festen Punkt Schnittpunkt der Tangente im
mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit, während auf g ein Punkt A an die Spirale mit der
durch 0 gehenden Vertikalen ist
Punkt P mit konstanter Geschwindigkeit fortschreitet, dann be- ein Punkt T mit OT =2rrOA.
76
3. KAPITEL

schreibt P eine Spirale (die von Konon von Samos entdeckt wurde
und heute als archimedische Spirale bezeichnet wird). Archimedes
zeigte, daß man mit Hilfe dieser Spirale - ähnlich wie mit der Qua-
dratrix des Hippias - den Kreis quadrieren kann.
Man schreibt Archimedes auch die Erfindung der Wasser-
schraube «<archimedische» Schraube), der Schraube ohne Ende, des
Flaschenzuges, die Formulierung einer Theorie der Schwerpunkte,
die Entdeckung des Hebelprinzips und natürlich des berühmten
Prinzips zu, gemäß dem «der Auftrieb eines in eine Flüssigkeit ein-
getauchten Körpers gleich dem Gewicht der von dem Körper ver-
drängten Flüssigkeit ist». Man sagt, er hätte diese Entdeckung in
seiner Badewanne gemacht und sich dann mit dem Ruf «Heureka!
Heureka!» nackt auf die Straße gestürzt. Archimedes leitete die
Verteidigung des von Rom angegriffenen Syrakus und hielt die
Armee des Marcellus drei Jahre lang in Schach.
Schließlich kam er um, als sich die Römer der Stadt bemächtig-
ten, obwohl Marcellus darum gebeten hatte, ihn zu schonen. Auf sei-
nem Grabstein, der von Cicero aufgefunden wurde, befand sich das
Bild einer Kugel, die einem Zylinder einbeschrieben war - zur Erin-
nerung daran, daß er das Verhältnis zwischen den beiden Raum-
inhalten gefunden hatte.
Bezüglich des Übermaßes an Legenden, die sich um Archimedes
ranken und aus ihm - zusammen mit Leonardo da Vinci und Albert
Einstein - den perfekten Prototyp eines Genies machen, verweisen
wir den Leser auf das Buch Die Badewanne des Archimedes von
Sven Ortoli und Nicolas Witkowski (vgl. Literaturverzeichnis,
Seite 262).

Die Mayas

Die Wissenschaft der Mayas, deren erste Spuren mehr als 2000
Jahre zurückverfolgt werden können, scheint einen hohen Grad
mathematischer und trigonometrischer Geschicklichkeit erreicht zu
haben. Zu diesem Urteil gelangt man aufgrund der außerordent-
lichen Präzision ihres Kalendersystems. Einige Spezialisten sind
der Meinung, die Wissenschaftler der Mayas hätten lange vor ihren
Eroberern aus der Alten Welt Werte für 1t mit einer Genauigkeit von
mindestens acht Ziffern verwendet. Dies sind jedoch nur
Spekulationen, denn im Jahre 1650 ließ Diego de Landa, Bischof der
gerade von den Spaniern eroberten Halbinsel Yucatan, alle damals
gefundenen Unterlagen der Mayas verbrennen, wobei er verkün-
dete, daß diese nur «Aberglauben und Teufelslügen» enthielten. Ein
wichtiges Kapitel der Geschichte von 1t wird uns für immer fehlen.
77
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

Indien
Das älteste indische Dokument, in dem mit 1t gerechnet wird, ist
der Siddhanta aus dem Jahre 380 unserer Zeitrechnung; dieser Text
verwendet den Wert 3 + 177/1250 = 3,1416.
Die von Aryabhata im Jahre 499 verfaßte Aryabhatiya benutzt
noch den Wert 3,1416. Man glaubt, daß dieser Wert mit Hilfe von
Vielecken durch ein Verfahren erzielt wurde, das der Methode des
Archimedes ähnelt oder sogar mit ihr identisch ist.
Etwas später gab der im Jahre 596 geborene indische Mathe-
matiker Brahmagupta für 1t den Wert -110 = 3,1 62277 an, der weni-
ger exakt ist als die Werte seiner Vorgänger. (Mitunter wird behaup-
tet, daß zwei verschiedene Mathematiker den Namen Brahmagupta
trugen, was zu Verwechslungen führte.)

China
Zwölf Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung verwendeten die
Chinesen den Wert 3. Im Jahre 130 u. Z. gab Hou Han Shu den Wert
3,1 622 an, der sehr nahe bei -110 liegt. Da das Dezimalsystem in
China schon immer verwendet wurde, hat man diesen Wert ohne
Zweifel als Näherungswert für die Dezimalen von -110 erhalten.
Im Jahre 262 untersuchte der Mathematiker Liu Hui - wie
Archimedes - ein reguläres Vieleck mit 192 Seiten und gab die zwei-
seitige Abschätzung
3,141024< 1t < 3,142704

Später fand er mit einem Vieleck von 3072 Seiten den Wert
1t = 3,14159.

Im 5. Jahrhundert fanden Tsu Chung-Chih und sein Sohn Tsu


Keng-Chih (auch Zu Chongshi geschrieben) die zweiseitige Ab-
schätzung
3,1415926< 1t < 3,1415927

und entdeckten den Näherungswert 355/113. Dies stellt eine


Präzision dar, die in Europa erst im 16. Jahrhundert erreicht
wurde.
Dieser Fortschritt scheint der Verwendung des Dezimalsystems
geschuldet zu sein, das den sonst benutzten Systemen überlegen ist,
die Berechnungen erleichtert und es gestattet, diese weiter voranzu-
treiben.
78
3. KAPITEL

Die Welt des Islam


Um 800 benutzte der in Huwarizm (heute Khiva in Usbekistan)
geborene Muhammad ibn Musa Al-Khowarizmi den Wert 3,1416
(das Wort Algorithmus geht auf den Namen Al'Khwarizmi zurück).
Al-Kashi (oder Ali ibn Muhammad al-Kuchdki), Astronom und
Leiter des Observatoriums zu Samarkand (heute in Turkmenistan),
berechnete gegen 1450 mit Hilfe der Polygonmethode des Archi-
medes den Wert von 1t auf 14 Dezimalen; genauer gesagt verwendete
er folgende Rekursionsformel für die Seitenlänge eines regulären
Vielecks mit p Seiten:
s(6)=1 s(2p)=V2-)4-i(p)
Bei seinen Rechnungen verwendete er diese Formel 27mal. Das
ist gleichbedeutend damit, den Umfang eines regulären Vielecks mit
3 x 228 Seiten zu betrachten. Al-Kashi rechnete im Sexagesimal-
system und fand 21t = 6,16 59 28 01 34 51 46 14 50, das heißt
1t = 3,08 29 44 00 47 25 53 07 25. Dieser Wert weicht nur an der letz-
ten Stelle vom exakten Wert ab, wovon man sich anhand des am
Schluß des Buches auf S. 255 gegebenen Wertes für 1t zur Basis 60
überzeugen kann.
Das war das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, daß
mehr als zehn Dezimalen von 1t berechnet wurden. Auf 100 Dezi-
malen mußte man bis zum 18. Jahrhundert warten, auf 1000
Dezimalen bis zum 20. Jahrhundert. Tatsächlich wurden im
20. Jahrhundert auch 10.000, dann 100.000, danach eine Million
und schließlich (im Jahre 1989) sogar eine Milliarde Dezimalen be-
rechnet. Die auch in anderen Bereichen beobachtete Akzeleration
der Menschheitsgeschichte (man denke zum Beispiel an die Bevöl-
kerungsexplosion oder an den Energieverbrauch) ist hier besonders
deutlich geworden.

Europa vor der Zeit der Analysis


Nach Archimedes wurden im Abendland keine merklichen Fort-
schritte bei der Berechnung von 1t erzielt. Wegen der äußerst lang-
samen Akzeptanz des Dezimalsystems waren die Rechnungen müh-
selig und weniger exakt als in China .
• Klaudios Ptolemaios (ca. 100-170), vermutlich Mitglied der
Schule von Alexandria und Verfasser der berühmten Abhandlung
Almagest, die bis zur Zeit von Kopernikus und Kepler das Nach-
schlagewerk der Astronomie war, verwendete den Sexagesimalwert
3 + 8/60 + 30/602 = 3 + 17/120 = 377/120 = 3,1416666 .
79
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

• Leonardo von Pisa (1180 -1250), genannt Fibonacci, berechnete


1220 den Näherungswert 3,141 81 .
• Valentinus Otho aus Deutschland fand 1573 den Wert 355/113,
der den Chinesen seit dem 5. Jahrhundert bekannt war und der
wegen 355/113 = 3,14159292 ... ein guter rationaler Näherungswert
für n ist. Zur gleichen Zeit wurde dieser Wert von Adrian Anthonisz
(auch Adriaan Anthoniszoon, 1527-1607) angegeben. Er wurde aber
erst 1625 von seinem Sohn Adrien Metius mit der Erklärung veröf-
fentlicht, daß sich der genannte Wert aus der zweiseitigen Abschät-
zung 333/106 < n < 377/120 ergibt, wenn man die Mittelwerte der
Zähler und der Nenner ausrechnet.
• Im Jahre 1464 gab in Deutschland Nicolaus von Cues (1401-1464)
den Wert 3/4 ('>13 + '>16) = 3,13615 an, der von Regiomontanus kurze
Zeit später als falsch nachgewiesen wurde.
• Im Jahre 1593 berechnete in den Niederlanden Adriaen von
Rooman (1561-1615), auch Adrien Romain oder Romanus genannt, 15
Dezimalen unter Verwendung eines regulären Vielecks mit 230 Seiten.
• Ludolph van Ceulen (ca. 1539-1610), auch Ludolff van Keulen
(Louis de Cologne auf französisch!), Professor der Mathematik an der
Universität Leiden (heute in den Niederlanden), benutzte die
Methode des Archirnedes. Er trieb jedoch, beseelt von einem Eigen-
sinn ohnegleichen, die Rechnungen weiter voran als alle seine
Vorgänger. Er berechnete 1596 mit Hilfe eines Vielecks von 60 x 233
Seiten 20 Dezimalen von n, und 1609 gab er sogar 34 Dezimalen (mit-
tels einer zweiseitigen Abschätzung, bei der die 35. Dezimale nicht
exakt ist), Er äußerte die Bitte, die Dezimalen auf seinen Grabstein
zu meißeln, der leider im 19. Jahrhundert zerstört wurde. Zum
Andenken an seine Leistung wurde n in Deutschland mitunter als
Ludolphsche Zahl bezeichnet. 320.
• In Paris gab Francois Vieta (1540-1603) ausgehend von elementa- IIlC UCET Sl:PULTUS 11'. LU DOLFf lAN
ren geometrischen Betrachtungen über die Fläche eines regulären CE UL EH. PROfESSOR BEl.CICUS DU» VlVERET
ILITH&IIATICARUIl SCIE~"'ARUM I~ ATIl!.'AEO
Vielecks mit 2 n Seiten die erste unendliche Formel für n: IlUlUS URBIS. !'lATUS IIlLDES1IE~IA: ANXO I~
DIE llV\U IANUARII. 1:T DEo~ATUS XXXI
222
n=2x - x x x .. · DW.~BlIIS lGIO. OUI IN VITA SV" JlULTO
LABORE CIRCUIiFERENTI.+: ClRCULI PßOIllLlJl
/2 V 2 +/2 V 2+ V2+/2 IlATIO~ElI Al) DIA EmUII INVENIT SEQur..~TElI

Er stellte sich nicht die Frage nach der Konvergenz dieses un- n:'l"O Cßt:tItJ a~m. .. pt". ur
Q.C'JI
endlichen Produktes; Sorgen dieser Art machte man sich erst später.
II.J'''''~i1UUl1MMU
1 Hg_

0""'"

L
Die Zahl 2 entspricht der Fläche des in einen Kreis vom Radius
1 einbeschriebenen Quadrates. Der Wert 2 x 2/'>12 = 2 x lIcos (nl4)
...
"10
1Iln",ooac...
II Q.""I'I'PD
.....__ JiUifiTO.
_ __

entspricht der Fläche eines regulären Achtecks. Durch Multi- TVlI QT CUtCmlJ"la.lJM1& C\1IttIU ptD
qeu .I.I.~~
plikation mit lIcos (nl8) gelangt man zu einem regulären Vieleck mit ... 1\11."111
Q,tlUl 1l41'nul.:lI:f 1.Ul....uMulumoat
16 Seiten, danach durch Multiplikation mit lIcos (nl16) zu einem
Vieleck mit 32 Seiten usw. Dieses Ergebnis leitet sich aus der Kopie der Inschrift auf dem Grab·
Formel cosa =) 2 cos 2a + 2/2 ab. stein von Ludolph van Ceulen.
80
3. KAPITEL

Fran~ois Vieta gab eine unendli· Hier sind die numerischen Werte, die sich aus dieser Formel
che Produktformel für n, die sich
aus geometrischen Überlegungen ergeben:
ableitete. Es seien reguläre Viel·
ecke mit 2n Seiten in einen Kreis V 1 = 2 x 2/12 = 2,82 427 247
vom Radius 1 einbeschrieben (vgl.
nebenstehende Abbildung, wo V 2=2x2/l2x2/V2+12 =3, 0614674589
dies für n =2, 3, 4, 5 ausgeführt
ist). Für n gegen Unendlich strebt V = 2 x 2//2 x 2/ h +.f2 x 2/ J2 + h +.f2 = 3,1 214451522
3
die von den Vielecken begrenzte
Fläche gegen n. V = 3,1 3654 4905
4
V 5 = 3,14 03311569

V 6 = 3,141 2772509
V 7 = 3,1415 13 011

Wie bei der Methode des Archimedes gewinnt man alle fünf
Schritte drei Ziffern. Die Formel von Vi eta erweist sich demnach für
die Praxis nicht als brauchbar.
• Im Jahre 1621 versuchte in den Niederlanden Willebrord Snellius
(1580-1626), die Länge eines Kreisbogens durch Strecken nach
unten und nach oben abzuschätzen. Aus seinen Konstruktionen lei-
tete er eine Formel für eine zweiseitige Winkelabschätzung ab, die
erst ein Jahrhundert später von Christian Huygens (1629-1693)
bewiesen wurde und die man heute in folgender Form schreibt:
3 sina 2 sina + tana
2+cosa <a< 3
Mit Hilfe dieser Formel läßt sich 1t berechnen, denn für gewisse
Winkel werte, wie zum Beispiel n/3 x 2n - 1 in einem regulären Vieleck
mit 3 x 2 n Seiten, lassen sich sin a, cos a und tan aals Wurzel-
ausdrücke schreiben, wie wir bereits gesehen hatten. Betrachtet
81
DIE GESCHICHTE DER ZAHL 1t ZUR ZEIT DER GEOMETRIE

G, BF =30:r < BG,


BG / E1B = tano:
E1B = r(2cos<x+1)
BG 1 =r(2 sin 0: + tan 0:)
also 0: < 2 sin 0: + tan 0:
3
B
,.....
BF= ar> BG2
BGi E2B = HF/ E2 H
(sin a
2r+ rcos a
BG = 3r x ~
2 2+cosa
also a > 3 sin a
2 + cos a

man nur einen aus sechs gleichen Bögen bestehenden Teilausschnitt Geometrische Konstruktionen von
Willebrord SnelIius, aus denen er
des Kreisumfangs, dann liefert diese Formel Werte von gleicher die zweiseitige Abschätzung 3sin
Präzision wie die Methode des Archimedes mit einem Polygon von a/(2+cos a) < a < (2sin a + tan a)/3
schlußfolgerte. Um dieses Ergebnis
96 Seiten. zu bekommen, setzte Snellius vor·
aus, daß die Länge des Bogens BF
zwischen den Längen der Strecken
BG l und BG 2 liegt. Dies wurde erst
Die isoperimetrische Methode ein Jahrhundert später von
Christi an Huygens (vgl. weiter
oben) bewiesen. Wir haben in
• Der berühmte französische Mathematiker und Philosoph Rene großen Zügen die Beweise für die
beiden Ungleichungen angedeutet.
Descartes (1596-1650) entwickelte außer seinen Regeln über die
Methode «des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaft-
lichen Wahrheitsforschung» radikale Auffassungen in der Physik.
Er widersetzte sich der Vorstellung von einer Fernwirkung, zu
deren Annahme sich Newton wenig später gezwungen sah.
Descartes hinterließ uns eine überaus originelle geometrische
Abhandlung, in der er den Zusammenhang zwischen geometri-
schen Konstruktionen und Rechnungen mit reellen Zahlen sorg-
fältig herausarbeitet und anwendet (vgl. Kapitel 9). Die Ver-
wendung eines aus einem Punkt und zwei Geraden bestehenden
Bezugssystems, das man heute als kartesisches Koordinaten-
system bezeichnet, wird von Descartes systematisch dargelegt; die
Idee hierzu hatte er bei Apollonios von Perge (2. Jahrhundert
v. ehr.) entlehnt.
Es verwundert nicht, daß Descartes auch über das berühmte
Problem der Quadratur des Kreises nachgedacht hat. Die von ihm
vorgeschlagene Lösung ist interessant, obwohl es sich in Wirklich-
keit um keine Lösung handelt, denn man erhält 1t als Grenzwert
einer unendlichen Konstruktion.
82
3. KAPITEL

Die Lösung besteht darin, eine feste Umfangslänge zu betrach-


ten und dann Vielecke zu konstruieren, die diesen Umfang und
eine immer größere Seitenzahl haben. Als Grenzwert liefert diese
sogenannte isoperimetrische Methode einen Radius (nämlich den
Radius des den Vielecken umbeschriebenen Kreises), der zu dem
am Anfang fest gewählten Umfang ein Verhältnis von 2re hat. Hier
ist der Beweis dieser Methode, mit der man re beliebig genau
berechnen kann:
Wir betrachten eine Folge von regulären Vielecken Po, PI> P 2 , ... ,
Pn , die alle den gleichen Umfang L haben, wobei Pn das Vieleck mit
der Seitenzahl 2n+2 bezeichnet. Wir bezeichnen die Seite des Vielecks
Pn mit AnBn, den Mittelpunkt des umbeschriebenen Kreises mit 0
und den Mittelpunkt von AnB n mit H n. Es sei E der Mittelpunkt des
E Bogens AnBn, A n+1 der Mittelpunkt der Sehne AnE und B n+1 der
Mittelpunkt der Sehne BnE. A n+ 1 B n+1 ist die Seite des Vielecks Pn+1
und ist gleich AnBn 12.

Da die Dreiecke OHn+1A n+ 1 und A n+ 1H n+ 1E kongruent sind,


haben wir A n+1H n+12 = EHn+1xHn+10.

Wegen EHn+1 = H n+1H n = rn+l - r n und A n+1 H n+1 = AnHn 12


ArJlrJ2n+l= rol2 n+1
erhält man

Konstruieren wir diese aufeinanderfolgenden Vielecke gleichen


Die isoperimetrische Method~ von Umfangs, dann erhalten wir umbeschriebene konzentrische Kreise.
Descartes. Wir haben den Uber·
gang vom Quadrat (schwarz) mit Gehen wir von einem regulären Sechseck der Seitenlänge 1 aus
der Seite AoBo zum Achteck (rot) (wählen wir also 6 als festen Umfang der Vielecke), dann konvergie-
mit der Seite AIB I veranschau-
licht. Bei jedem Schritt bleibt der ren die Längen der Radien dieser Kreise gegen 3/re. Dieses Konver-
Umfang unverändert, während genzverhalten ist zu dem der Methoden von Archimedes oder Vieta
der Radius des umbeschriebenen
Kreises kleiner wird. äquivalent: alle fünf Schritte gewinnt man drei Ziffern.
Die Geschichte von 1t
zur Zeit der Analysis
Unendliche Formeln

DIP Rnlsleh ung der m odl'l"//ell AI/al.\'.~;.~ (Dif{erelllial - L1l/d JIIlpgral rp('h 1/ IIlIg Jgab Alllaß Z/l 111'111'11 Deli 11 i / iOllel1
/ '01/ rr. d;1' '''lI'h /'011 deli Fl',';,';I,11/ dpr Geomel rie befrei lell . Die gefl/lldpllell Forllleil/ (l'a 1'1'11 1'011 11 /111 all rel/l an I h -
II/ells('h : Es halldeltp ... jch um /llIelldlwhp Produktp, 1I/l(! lIdll('he SUlllmell /ll/d /ll/elldliehe BI'II('lIe. AII{al/g.~
.'illeßpll dlpse Formeln, dip Clls IIU/lII'/'I.'il'he Quadralurel/ aufge{aß/ U' /lrdell, au(llP/llPrlp; prakll.'il'hes IlIlere ..."e,
dellll .~je hOI/I'l'I'gII'I'I"i außer.~/langsClIll. Del/llo/·Il /llhr/ell die tlP(grel(plldell Fort.'il'hrille /('elllg spatel' w deli
kraft/'ollell ardall-Forml'llI. die biS zum ,Jah,.,' 1973 dominlertl'lI . Dana r h (olgtell alldl'rl', ebl'lI(all... allaIY/IS('h
abgl'h' i/I'tl' Forllleill . Du' ouj'dlese/ll Wl'gl' gelillldellP Zahl rr war PI/I lIeIlP.". 1'1' 11/ mathelIlatisches \Vpsell, de''''''f'1/
geo/lleinschl' KOmpOIlf'lIte zl/'el[l'allgig gPlcol'dplI (far: 80 glbl es el!i'a IllIr ellll'lI sellr lIIdlrphlel/ ZII'''al/(l1Il'l1 -
/zang ZII'i.w ·llell dl'l1I Kl'el ... /ll/d dpl' S/lIIII1II' 1 - ] 1.'1 + 1/ ;) 1 7 + .... die gll!ich 1t / 4 Ist. In dlP."p/II Kapltpl bpgeg-
nell wir el'lleu[ dl'n amPl1 der GroßeIl de ... 17. ulld 1 . -Jahrh/llldf'rts, Leiblliz. 1'1('/011 lind Euln: die alle 11'-
gelldll'allll e/llmaluber rr nachgegrllbelt haben und dell/ Zauber d,e ...er ZahlerlegeIl ' 'lIld.

John Wallis

John Wallis (1616-1703) wurde 1649 in Oxford zum Professor


berufen, weil er während des Bürgerkrieges Geheimbriefe ent-
schlüsselt hatte. Er gehörte zu den Gründern der Royal Society.
Wallis verteidigte die Lehre von William Harvey über den Blutkreis-
lauf, veröffentlichte die großen klassischen Werke der Antike und
trug dazu bei, Algebra und Arithmetik von geometrischen Darstel-
lungen loszulösen. Er zeigte, daß die von Thomas Hobbes gefundene
angebliche Lösung des Problems der Quadratur des Kreises falsch
war (vgl. Seite 48). Er trug auch zur Entwicklung unserer modernen
mathematischen Schreibweise bei; insbesondere verdankt man ihm
die Symbole «<» und «>>> (für den Vergleich von Zahlen) und «<Xl» (für
«unendlich»). Seine Arbeit über unendliche Produkte nahm die Infi-
nitesimalrechnung von Newton und Leibniz vorweg. Newton stu-
dierte übrigens die Werke von Wallis sorgfältig; diese waren für ihn
ein entscheidender Bestandteil seiner Ausbildung.
84
4. KAPITEL

John Wallis fand folgende Formel eines unendlichen Produktes für


die 1665 m seinem Werk Arithmetica Infinitorum veröffentlicht
1t,
wurde 2x 2 4x 4 6x 6
1t==2x--x--x-- ...
1x3 3x5 5x7
Mit Hilfe einiger algebraischer Umformungen läßt sich diese
Formel auch folgendermaßen schreiben:
1t =2 fI 4p2 =2 fI (1_-..L)-1 = lim 2 4n
x n!4
p= 1(2p-1)(2p + 1) p= 1 4p2 n -->= n (2n)!2

Ein mit modernen Methoden geführter Beweis dieser Formel wird


in Anhang 1, Seite 96, gegeben. Die Methode, mit deren Hilfe Wallis
diese Formel gefunden hatte, weicht erheblich von diesem Beweis ab.
Seine «algebraisch-geometrische» Methode bestand in einer Un-
tersuchung der Fläche eines Vierteleinheitskreises, dessen Glei-
chung y2 = 1 - x 2 oder y = (1 - x 2)112 ihm bekannt war. Hierzu
betrachtete er für verschiedene Werte von h die von den Kurven
y =(1 - x 2 )h12 begrenzten Flächen. Ihm gelang es, durch Anwendung
des Prinzips des Zerlegens in kleine Rechtecke und dank seiner
bereits früher erarbeiteten Beherrschung von Summen der Form
Sp= 1 + 2P + 3P +... + nP , gewisse Eigenschaften dieser Kurven ken-
nenzulernen, die ihn dann auf seine Formel brachten. Es handelte
sich um eine Art fürchterlicher Bastelarbeiten, deren einzelne
Schritte man mit den heutigen Kriterien der Strenge kaum rechtfer-
tigen könnte. Wie dem auch sei: Diese Basteleien führten ihn auf die
o
großartige Formel für 1t als unendliches Produkt, die man nie mehr
John Wallis (1616-1703). Für ver-
schiedene Werte von h haben wir vergißt, auch wenn man sie lieber auf andere Weise beweist.
die Kurven der Form y = (1 - x2)h/2 Diese Formel ist von wahrhaft großer Schönheit, und sie ist die
dargestellt, die Wallis für die Ent-
deckung seiner unendlichen Pro- erste unendliche Formel, in der 1t ohne Wurzelzeichen dargestellt
duktformel verwendete. Für h =112 wird (im Gegensatz zur Formel von Vieta). Leider erlaubt sie es
(rot) ist die Kurve ein Kreisbogen.
nicht, die Berechnung der Dezimalen weit voranzutreiben.

2 x 2 x 2 x 4 x 4 == 2 444444444
1x3 3x5 '
2x 2x2 x 4x4 x 6x6 == 29257142 57
1x3 3x5 5x7 '
2 x 2 x 2 x 10 x 1 x 6_~6 x ~~a == 29721541950
1x3 3x5 5x7 7x9 '
2x 2x2 x 4x4 x 6x6 x 8x8 x 10x 1Q ==3, 0021759545
lx3 3x5 5x7 7x9 9xll
2 x 2 x 2 x 4 x 4 x 6 x 6 x 8 x 8 ... 50 x 50 == 3 12607 9002
1 x 3 3 x 5 5 x 7 7 x 9 49 x 51 '
2 x 2 x 2 x 4 x 4 x 6 x 6 x 8 x 8 ... 500 x 500 == 3,14 0023 1 6
1 x 3 3 x 5 5 x 7 7 x 9 499 x 501
2 x 2 x 2 x 4 x 4 x 6 x 6 x 8 x 8 ... 5000 x 5000 == 3 141 4355935
1x3 3x5 5x7 7x9 4999 x 5001 '
85
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

Die Konvergenz ist extrem langsam. Man muß eine beträcht-


liche Anzahl von Multiplikationen ausführen, um drei exakte Ziffern
zu bekommen.

William Brouncker
William Brouncker (1620-1684) war zusammen mit Wallis einer
der Gründer der Royal Society und wurde ihr Präsident. Er verwen-
dete Ausdrücke der Form

ob
ao+ - - b-
1
a 1 + a2

die man Kettenbrüche nennt. Den Grenzwert derartiger Ausdrücke


betrachtet man als eine Art unendlichen Bruch und schreibt

William Brouncker (1620·1684).


a l + - -- - - -

Man verwendet auch die handlichere Schreibweise


ao + b o / (al + b l / (a2 + b 2 / (a3 + ... + b n / (an + ... » .. .)
die nur eine Zeile einnimmt.

Brouncker stellte die Formel von Wallis um und gab folgende


schöne Formel an:

-4 =1 + - - ------,-----
1
-
7t 2 3
2+----~--
52
2+ - - - -- -
2+-- - - -
(2n +1)2
... +---=---
2+ ...
Sind in einem Kettenbruch alle bi gleich 1, dann spricht man von
einem gewöhnlichen Kettenbruch, und anstelle von
ao+ l/(al + 1/(a2+ 1I(a3 +... + l/(a n +...»)
schreibt man: [ao, al' a2' a3' ... , an' ... ]
86
4. KAPITEL

Jeder Zahl wird ein gewöhnlicher Kettenbruch zugeordnet. Um


diesen zu erhalten, schreiben wir die Zahl zunächst als Summe
einer ganzen Zahl und einer Zahl, die kleiner als 1 ist:

1t = 3 + 0,14159 ...

Danach betrachten wir den Kehrwert der Zahl, die kleiner als 1
ist (dieser ist größer als 1), und schreiben diesen ebenfalls als Sum-
me einer ganzen Zahl und einer Zahl, die kleiner als 1 ist:

1t =3 + 1/7,0625 ... =3 + 1/(7 + 0,0625 .. .)

Das Verfahren wird nun analog fortgesetzt. Gelangt man zu


einem Dezimalenanteil, der Kehrwert einer ganzen Zahl ist, dann
bricht das Verfahren ab. Im gegenteiligen Fall bricht es nicht ab.
Manche betrachten diese Entwicklung in einen gewöhnlichen Ket-
tenbruch als eine ebenso natürliche Darstellung einer Zahl wie die
Darstellung zur Basis 10, der wir eine absolute Vorrangstellung ein-
räumen. Es wird berichtet, daß sich der außergewöhnliche indische
Mathematiker Srinivasa Ramanujan (über den wir in Kapitel 7 spre-
chen werden) die Zahlen als Kettenbrüche vorstellte und daß dies
zumindest teilweise eine Erklärung für seine erstaunlichen Ergeb-
nisse sei.
Man hat folgende bemerkenswerte Eigenschaft der Ketten-
brüche bewiesen: Eine Zahl ist dann und nur dann rational (das
heißt als Verhältnis zweier ganzer Zahlen darstellbar), wenn ihr
gewöhnlicher Kettenbruch endlich ist.
Nun ist die Zahl1t aber irrational, und daher ist ihr gewöhnli-
cher Kettenbruch unendlich. Hat dieser Bruch nicht wenigstens
eine einfache Form? Die Irrationalität von 1t bedeutet, daß es in der
Folge der Dezimalen keine Periode gibt. Dennoch kann man aus der
Abwesenheit eines Wiederholungsmusters in der Entwicklung von 1t
zur Basis 10 nicht apriori den Schluß ziehen, daß auch die Ent-
wicklung in einen gewöhnlichen Kettenbruch nichtperiodisch ist. So
hat etwa die irrationale Zahl >13 eine nichtperiodische Dezi-
malbruchentwicklung, läßt sich aber in der einfachen Form
[1,1,2,1,2,1,2, ... ] als gewöhnlicher Kettenbruch schreiben. Be-
dauerlicherweise hat man vorerst weder eine Periodizität noch
irgendein anderes Muster bei der Entwicklung von 1t in einen
gewöhnlichen Kettenbruch entdeckt.

Der gewöhnliche Kettenbruch für 1t ist:


1t =3 + 1/ (7 + 11 (15 + 1/ (1 + 1/ (292 + 1/ (1+ .... )))))
1t =[3, 7, 15, 1,292,1,1,1,2,1,3,1,14,2,1,1,2,2,2,2,1,84,2, ... ].
87
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

Betrachtet man nur endlich viele Bestandteile dieser Ent-


wicklung, dann erhält man Brüche, die als reduziert bezeichnet wer-
den und sehr gute Näherungswerte für 1t darstellen:

3 22 333 355 103993 104384 208341 312689


1 7 106 113 33102 33215 66317 99532

Keiner dieser Näherungswerte läßt sich verbessern, indem man


einen kleineren Nenner nimmt (unabhängig davon, welchen Zähler
man betrachtet). So ist etwa jeder Bruch, dessen Nenner kleiner als
113 ist, weiter von 1t entfernt als 355/113. Jeder reduzierte Bruch
von 1t ist zwar ein besserer Bruch für 1t, aber die Umkehrung ist
nicht richtig. Es gibt bessere Brüche für 1t, die keine reduzierten
Brüche von 1t sind. Dies ist zum Beispiel bei 311/99 der Fall.

Wir geben noch einige weitere schöne Brüche an, die mit 1t zu-
sammenhängen:

4/1t = 1 + 12/(3 + 22/(5 + 32/(7 + 42/(9 + ....»»


1t =3 + 12/(6 + 32/(6 + 52/(6 + 72/(6 + ... »»
7tl2 = 1 + 2/(3 + 1x3/(4 + 3x5/(4 + 5x7/(4 + ... »»
7tl2 = 1 + 1/(1 + 1x2/(1 + 2x3/(1 + 3x4/(1 + ... ))))
16/1t =5 + 12/(10 + 32/(10 + 52/(10 + 72/(10 + ... »»
1 + 4/1t = 2 + 12/(2 + 32/(2 + 5 2/(2 + 72 /(10 + ... »»
6/(1t2 - 6) = 1 + 12/(1 + 1x2/(1 + 22/(1 + 2x3/(1 + 32/(1 + 3x4/(1 + .... »)
7tl2 = 1- 1/(3 - 2x3/(1- lx2/(3 - 4x5/(1- 3x4/(3 - 6x7/(1- ... »»
12h2 = 1+ 14/(3 + 24/(5 + 34/(7 + 44/(9 + .... »»

James Gregory

Der schottische Mathematiker James Gregory (1638-1675), Pro-


fessor an der Universität St. Andrews und später an der Universität
Edinburgh, war bekannt als Erfinder eines Teleskops mit konkavem
Sekundärspiegel. Er versuchte vergeblich, einen Beweis dafür zu
geben, daß das Problem der Quadratur des Kreises unlösbar ist. Er
meinte sogar, einen derartigen Beweis gefunden zu haben und veröf-
fentlichte diesen, aber weder Huygens noch Leibniz zeigten sich da-
von überzeugt. Auch wenn die mathematische Theorie noch nicht
reif dafür war, ist es doch bemerkenswert, daß bereits zu jener Zeit
die Idee eines Unmöglichkeitsbeweises für das Problem der Quadra-
tur des Kreises in Erwägung gezogen wurde. James Gregory (1638-1675).
88
4. KAPITEL

James Gregory hat auch folgende Formel entdeckt:


x3 x5 x7 ~ (-ll X?h+l
arctan(x)=x--+---+···= L - - - -
3 5 7 k =0 2k + 1

Er verwendete eine Methode, die man heute als Arcustangens-


kalkül interpretiert, denn arctan (x) ist die Stammfunktion von
1I( 1+x 2 ) = ... 1 - x 2 + x 4 - x 6 + x 8 - •••
Nachdem man gelernt hatte, sich diese Formel zunutze zu
machen, wurde sie für mehrere Jahrhunderte die Grundlage für die
Berechnung von 1t.
Für x = 1 erhält man die außergewöhnliche unendliche Summe

1t=4(1-~+~-~+ ... )=4i: (_1)k


3 5 7 2k+1
k=O

Leider hat Gregory diese Summe niemals explizit niederge-


schrieben. Er hatte wohl begriffen, daß sich diese Summe nicht für
die Berechnung von 1t eignet. Tatsächlich haben wir

4 (1- 113 + 115) = 3, 4666666666


4 (1-1/3 + 1/5 -117) = 2 ,8952380952
4 (1-113 + 115 - 1/7 + 119 -1111) = 2,9760461760
4 (1-1/3+115 -1/7+1/9 - ... +11101) = 3,1 611986129
4 (1-113 + 115 -1/7 + 1/9 - ... + 1/1001) = 3,14 35886595
4 (1- 113 + 115 - 1/7 + 119 - ... + 1110001) = 3,141 7926135
4 (1-113 + 115 -117 + 119 - ... + 11100001) = 3,141 6126531

Die Konvergenz ist scheußlich langsam! Man spricht von loga-


rithmischer Konvergenz: die Anzahl der Schritte, die man für den
Gewinn einer Dezimalziffer benötigt, wird immer größer. Konkret
bedeutet das: Nimmt man in der näherungsweisen Berechnung bei
jedem Schritt ein Glied hinzu, dann ist die von den ersten (rot
gekennzeichneten) Dezimalen beschriebene Kurve eine Art Parabel.
Die Formel von Gregory für arctan (x) wurde zwar letztlich für
die Berechnung von 1t verwendet, aber mit Werten von x, die kleiner
als 1 sind. Je näher nämlich x bei 0 liegt, desto besser ist die Kon-
vergenz.
In der Tat war diese Formel für 1t bereits um 1410 von dem indi-
schen Mathematiker Madhava angegeben worden, ist aber im
Abendland unbekannt geblieben.
Gregory gab auch ein iteratives Verfahren zur Berechnung von 1t
an. Dieses Verfahren verwendet - wie die Methode des Archimedes -
reguläre Vielecke mit n Seiten, aber anstelle des Umfangs tritt hier
89
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

die Fläche auf. Bezeichnen An und B n die Flächen der regulären


Vielecke, die einem Kreis vom Radius 1 ein- und umbeschrieben
sind, dann findet man die Relationen

mit denen die Rechnungen zwar viel effizienter werden als im Falle
der Gregoryschen Reihe, aber dennoch nicht besser als bei der
Methode des Archimedes.

Gottfried Wilhelm Leibniz


Der große Leibniz (1646-1716) war gleichzeitig Philosoph, Ma-
thematiker und ... Informatiker. Bekannt wurde er vor allem wegen
der Ausarbeitung eines philosophischen Systems, das er selbst als
«Monadenlehre» bezeichnete, und wegen seiner Erfindung der Diffe-
rentialrechnung (gleichzeitig mit Newton, was zu einer erbitterten
Kontroverse zwischen beiden Männern führte). Leibniz verbesserte
aber auch die Pascalsche Rechenmaschine (die «Pascaline»): Einer-
seits konzipierte er eine Staffelwalze, die es erlaubte, die Daten
einer mehrfach auszuführenden Operation zu speichern (für Multi-
plikationen durch wiederholte Additionen ist das ein wesentlicher
Faktor); andererseits erdachte er ein Schlittensystem, um ohne
Mühe Ziffernverschiebungen vornehmen zu können, die bei Multi-
plikationen mit 10 oder Divisionen durch 10 auftreten. Gottfried Wilhelm Leibniz
(1646-1716).
Leibniz zögerte in seinen Arbeiten nicht, auf Grenzübergänge
zurückzugreifen. Im Jahre 1674 gab er die Formel für n an, die
Gregory gerade im Begriff war niederzuschreiben. Diese Formel

Die 1694 von Leibniz konstruierte


Maschine von Hannover enthält
eine Trommelwalze mit ungleich
großen, auf einer Achse verschieb-
baren Zähnen, die zur mechani-
schen Speicherung der zu multi-
plizierenden Zahl dient.
90
4. KAPITEL

wird manchmal als Gregorysche Formel, mitunter aber auch als


Leibnizsche Formel bezeichnet (ich habe die Bezeichnung Formel
von Madhava-Gregory-Leibniz gewählt). Sie war nicht die einzige
Begegnung des Erfinders der Differentialrechnung mit der Zahl1t.

Durch Umformung der ersten Reihe erhält man den Ausdruck

der etwas schneller als der andere konvergiert, sich aber auch
nicht wirklich zur Berechnung von 1t eignet.

Isaac Newton
Isaac Newton (1642-1727) ist der Erfinder der Fluxionen-
rechnung, die wir heute als Differentialrechnung bezeichnen und
deren Urheberschaft ihm, wie bereits erwähnt, von Leibniz streitig
gemacht wurde. Newton entdeckte auch das nach ihm benannte
Gravitationsgesetz. Aus diesem Grund trägt im internationalen Sy-
stem der Maßeinheiten die Einheit der Kraft seinen Namen.
Seine Arbeiten zur Optik und die Konstruktion eines Teleskops
brachten ihm 1672 die Mitgliedschaft in der Royal Society, deren
Präsident er im Jahre 1703 wurde. Nach seinem Tod im Jahre 1727
wurde er in Westminster beigesetzt.
Newton fand eine neue und interessante Formel für die Berech-
nung von 1t. Wir beschreiben nun den Weg, den er hierbei ging.
Ausgangspunkt ist die binomische Formel

Isaac ewton (1642·1727).

Man kann auch schreiben: (1 + x)n =


n (n - 1) 2 n (n - I)(n - 2) 3 n (n - 1). .. (n - p + 1) n
1 + nx + - -2-x + 2x3 x + ... + p! xl' + .. + x

Dies scheint verallgemeinerungsfähig zu sein, wenn man die


ganze Zahl n durch eine beliebige Zahl a ersetzt und die Formel «ins
Unendliche» verlängert: (1 + x)a =

a(a-1) 2 a(a-1)(a-2) 3 a(a-I)···(a-p+1)


I+ax+ - --x+ x+···+ xl'+ ...
2 2x3 p!
91
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

Wir hatten bereits bemerkt, daß die Ableitung von arcsin (x)
durch (1_x 2 )-1/2 gegeben ist. Hieraus ergibt sich folgende Ent-
wicklung von arcsin (x) in eine unendliche Summe:

. 1 x 3 1 x 3 x5 1 x 3 x ... (2p _ 1) x 2p +I
arcsm(x)=x+-x- + - - x - + ... + x - - + ...
2 3 2x 4 5 2 x 4 x ... (2p) 2p + 1

Für x = 1/2 erhalten wir folgende Formel für 7t:


1 1 1 1 1 x 3 x ... (2p - 1) 1 1 )
7t = 6 (2 + 2xSx 23 + ... + 2 x 4 x ... (2p) x 2p + 1x 22p+1 + ...

Diese Formel konvergiert schnell:

NI =6 (1/2 + 112 x 1/3 x 1123 ) =3,12500000000000000000


N5 =3,141576715774866409632034632034632034632
N lO =3,1415926 46 7556079607 223775078850667018
N 20 =3,14159265358979 070504702 71491957 760550
N 50 =3,1415926535897932384626433832795022 6255
Wie bei der Polygonmethode des Archimedes gewinnt man auch
hier drei Ziffern in fünf Schritten.

Mit Hilfe einer ähnlichen Methode fand Newton einen weiteren,


komplizierteren Ausdruck für 7t. Unter Berücksichtigung von 22
Gliedern dieses Ausdrucks erhielt er 16 exakte Dezimalstellen:

j27 (1 1 1
1t = --.r- + 24 3 x 22 - 2 x 5 X 24 - 2 x 4 x 7 X 2 6
1 x 3 x ... (2p - 1) 1 1 )
... - 2 x 4 x ... (2p + 2) x 2p + 5 x 22p + 4 - ...

James Stirling
James Stirling (1692-1770), auch «der Venezianer» genannt,
wurde wegen seiner Beziehungen zu den Anhängern der Stuarts aus
Oxford entlassen. Er beendete deswegen sein Studium in Venedig,
was seinen Beinamen erklärt. Sein mathematisches Werk stellt eine
Vervollständigung der Arbeiten von Newton dar. Man verdankt ihm
eine Entwicklung von In n! (und daher von n!), bei der seltsamer-
weise die Zahlen e und 7t auftreten. Wir wollen diese schöne Bezie-
92
4. KAPITEL

hung zwischen n!, e und 1t (ein Beweis wird im Anhang auf Seite 97
gegeben) wiedergeben:
n ! '" (!!.)n J21tn
n--'>= e

John Machin

John Machin (1680-1752), Professor der Astronomie in London,


entdeckte 1706 die Formel 1t = 4 (4 arctan (1/5) - arctan (1/239)).
Unter Verwendung der von Gregory gegebenen Entwicklung für
arctan (x) erhält man

1t =4 i: ( 4 (-I'/' _ (-I'/' )
k =0 (2k + 1) x 5 2k + 1 (2k + 1) x 2392k + 1

Dank dieser Formel wurde Machin der erste Mathematiker, der


100 Dezimalen von 1t berechnete:
John Machin (l680·1752). Mo = 4 (4/5 -1/239) =
= 3,1 326359 326359 326359 3263598326359 33
MI =4 (4/5 -1/239 - 4/(3 x 53) + 1/(3 X 2393)) =
=3,14059702932606031430453110657922 9 150
M2 = 3,141621029325034425046 32517116408069706
M3 =3,14159 177218217729501 212291112329795026
M4 =3,1415926 2404399517240259836073575 60490
M5 =3,14159260261530 60 149350747666502755368
M lO = 3,1415926535897932 94747374 57715343543379
M 20 = 3,141592653589793238462643383279 1 1320 7

Mit jedem neuen Glied wird der Fehler durch 25 dividiert, das
heißt, man gewinnt im Durchschnitt 1,4 Ziffern.

Die Bezeichnung 1[

Im Jahre 1647 verwendete William Oughtred (1574-1660) und


später Isaac Barrow (1630-1677), der Lehrer von Newton, den Buch-
staben 1t zur Bezeichnung des Umfangs eines Kreises vom Radius R.
Diese Abkürzung ist nicht verwunderlich, denn Archimedes bezeich-
nete in seiner Abhandlung Über Kreismessung die Länge des Um-
fangs durch das Wort 1tEpi~E'tpO~ (<<Umfang»).
Im Jahre 1706 veröffentlichte William Jones sein Werk A New
William Oughtred (l574·1660). Introduction to Mathematics, in dem er den Buchstaben 1t zur Be-
93
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

zeichnung des Verhältnisses des Umfangs eines Kreises zu dessen


Durchmesser verwendet. Zur gleichen Zeit benutzte Johann Ber-
noulli den Buchstaben c.
Euler verwendete 1737 das Symbol1t in seinem Werk über un-
endliche Reihen (Variae observationes circa series infinitas). Der
Bekanntheitsgrad der Eulerschen Werke führte dazu, daß diese Be-
zeichnung endgültig akzeptiert wurde.

Leonhard Euler
Leonhard Euler (1707-1783) wird von einigen Wissenschafts-
historikern als der größte Mathematiker aller Zeiten angesehen. Er
wurde 1707 in Basel geboren, studierte Theologie und Mathematik
und erhielt von Johann Bernoulli Unterricht. Er hatte ein außer-
gewöhnliches Gedächtnis und erstaunliche Rechenfähigkeiten. Es
wird berichtet, daß er in einer schlaflosen Nacht im Kopf die sech-
sten Potenzen aller ganzen Zahlen zwischen 1 und 100 ausgerechnet
hat und daß er sich noch mehrere Tage danach an die Ergebnisse
erinnert hat. Diese außerordentlichen Fähigkeiten gestatteten es
ihm auch, die Vermutung von Fermat zu widerlegen, daß die Zahlen
der Form 22n + 1 für alle n = 0,1,2,3, ... Primzahlen sind. In der Tat
fand Euler die Zerlegung 225 + 1 = 4.294.967.297 = 6.700.417 x 641.
Sein Werk ist gewaltig, und man hat ausgerechnet, daß er pro Leonhard Euler (1707-1788).
Jahr etwa 800 Seiten wissenschaftlicher Texte geschrieben hat. Sein
Gesamtwerk, das anläßlich seines 200. Geburtstages herausgegeben
wurde, umfaßt 75 Bände zu je 600 Seiten. Dabei ist sein Brief-
wechsel mit den Brüdern Bernoulli, Christian Goldbach und vielen
anderen berühmten Mathematikern (mehr als 4000 Briefe) noch gar
nicht berücksichtigt.
Er entdeckte viele Formeln, in denen 1t vorkommt. Die folgende
sieht besonders einfach aus:
1t2 = 1 1 1 1
-=
6
L -=1+-+ - +···+-+···
n 2 4 9 n2
n=l

Man kann diese Formel auch so schreiben:

1t=j6xJ1+1I4+1I9+1I16+ ... = ( 6 :
= 1)1/2
n 1n2

Die erste Überlegung, die ihn auf diese Formel brachte, ent-
spricht zwar nicht den heutigen Strengekriterien, zeugt aber von
einem bemerkenswerten Einfallsreichtum. Ausgehend von der Ent-
94
4. KAPITEL

wicklung sin (x) = x - x 3/3! + x 5/5! - x 7/7! +... führte Euler nach der
Faktorisierung von x die Substitution x 2 = y durch und betrachtete
die Gleichung 0 = 1- y/3! + y2/5! - y3/7! + ... Er kannte deren von Null
verschiedenen Lösungen, denn es handelt sich hier um die Glei-
chung sin "fx = O. Diese Lösungen sind 7t2 , (27t)2, (37t)2 ...
Euler wußte übrigens auch, daß bei einer Polynomgleichung
vom Typ 1 + a!y + a2Y 2 + ... + anyn = 0 die Summe der Kehrwerte der
Lösungen gleich -al ist. Er war der Meinung, daß dies auch für seine
unendliche Polynomgleichung so sein müsse und schrieb deswegen
1/3! = 117t2 + 11(27t)2 +1/(37t)2 + ... + 1I(n7t)2 + ... Multipliziert man nun
beide Seiten der Gleichung mit n2 , dann ergibt sich n2/6 = 1 + 1/4 +
119 + ... + l/n 2 + ...

Im Anhang auf Seite 241 findet man einen weniger schnellen,


aber vollständigen Beweis dieser Formel. So schön sie auch ist, sie
konvergiert leider nur sehr langsam:

I6xlf+17.i =2,73 6127


16 x J1 +1/4 +1/9 = 2,85773803
16 x J1 +1/4 + ... + 1/16 =2,92261298
16 x J1 + 1/4 + ... + 1/25 = 2,96338770
16 x J 1 +1/4 + ... + 1/100 2 = 3,13207653
16 x J1 + 1/4 +..... + 1/ i 000 2 = 3,14063 05

Durch ein Verfahren gleicher Art fand Euler die Beziehung

= 1
L
n=O (2n + 1)
2
8

Später gelang es ihm mit einem anderen Verfahren, folgende


Summen zu finden, in denen die Zahln auftritt (vgl. Formeln auf
Seite 243 und auf den nachfolgenden Seiten):

Euler entdeckt auch die überraschende Beziehung eilt = -1, die


im Palais de la Decouverte zu Paris (vgl. Seite 105) den Eingang des
n-Saales schmückt. Diese Relation, die eine Verbindung zwischen
den vier Konstanten e, i, n und -1 herstellt, scheint mehr als jede
andere die Begriffe Geheimnis und Tiefe in sich zu vereinen.
95
DIE GESCHICHTE VON 7t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

Wir verdanken Euler auch die folgende Entwicklung:

x (
arctan(x)= -~2 1+ -
3-~2+-3
2
5 -~2 x2 2X4( x 2 )2 +32 X54X6( X2 )3 + ... )
7 -~2
l+x l+x x l+x x x l+x

Man beweist diese Formel, indem man

z(y) = [(1 + x 2 ) arctan(x)]/x

setzt und danach 2z'(y - y2) + z(l- 2y) =1


verifiziert. Ersetzt man schließlich in dieser Gleichung z(y) durch

und verwendet man die Relationen, die sich dadurch zwischen den
an ergeben, dann erhält man die angegebene Entwicklung.

Für x = 1 haben wir die schöne Formel

-2(1 ! lx2 lx2x3 lx2x3x4 ... )


n- +3+3x5+3x5x7+3x5x7x9+
=2 L
~
1 x 2 x ... n
n,
= 2 L 2 (n .)
~ 2

1 x 3 x ... (2n + 1) (2n + 1) !


n;ü n;ü

EI = 2 (1 + 113) = 2, 666666666666666666666666666666666666
E2 =2 (1 + 113 + 2/15) = 2,933333333333333333333333333333333333
E5 = 3,121500721500721500721500721500721500
ElO = 3,14110602160137763 529341315719024697
E 50 = 3,141592653589793 021655547053627229963
E lOO = 3,141592653589793238462643383279 364936

Asymptotisch gewinnt man 0,3 Ziffern mit jedem zusätzlichen


Glied.

Selbstverständlich hat Euler Spaß daran gehabt, 1t zu berech-


nen. Zum Beispiel rechnete er in einer Stunde 20 Dezimalen von 1t
aus, wobei er die bereits früher angegebene Entwicklung von arctan
(x) zusammen mit der Formel 7tl4 = 5 arctan 1/7 + 2 arctan 3/79 ver-
wendete.
96
4. KAPITEL

Anhang 1: Beweis der Formel von Wallis


Wir wollen hier die klassischen Beweise der Formeln von Wallis
und Stirling (die wir in abgewandelter Form dem Cours d'Analyse
von J.-M. Arnaudies und H. Fraysse entlehnt haben) wiedergeben,
und wir setzen

W=
Jor co?x dx und führen eine partielle Integration durch:
7r12
n

Ersetzen wir sin 2x durch 1 - cos 2x, dann finden wir

Wn =(n -1) (Wn - 2 - W n ) und schließlich n W n =(n -1) W n - 2


Drücken wir W n durch Wo und W 1 aus, dann erhalten wir

w =W 1 x 3 x 5 x ... (2p - 1) =~ x (2p) !


2p 0 2 x 4 x 6 x ... 2p 2 22p (p !)2

W _ w: 2 x 4 x 6 x ... 2p = 22p (P !f
= -:c::-_rr/-::2~;-
2p + 1 - 1 3 x 5 x 7 x ... (2p + 1) (2p + 1) ! (2p + 1) ~p

Für alle x E [0, rr/2J gilt cosn+ 1 X :<:; co sn x und daher

Wir wenden die Relation W n+2 / W n = (n + 1) / (n + 2), in der für n


gegen unendlich der rechts stehende Ausdruck gegen 1 strebt, auf
die Ungleichung

an und schlußfolgern, daß für n gegen unendlich der Wert


Wn+/Wn gegen 1 strebt (denn eine untere Schranke dieses Verhält-
nisses strebt gegen 1).

Mit den oben gefundenen Ausdrücken für W 2p und W 2p+ 1 ergibt


sich

lim (2x4x6x ... 2p)2 _1_=~


p --> =(lX3X5X ... (2p-1))22p+1 2
97
DIE GESCHICHTE VON 1t ZUR ZEIT DER ANALYSIS

Dies läßt sich auch in folgender Form schreiben:

Schreibt man Zähler und Nenner in anderer Form auf und zieht
die Quadratwurzel, dann ergibt sich eine Relation, die sich als nütz-
lich für die Stirlingsche Formel erweist:
2 2n (n 1)2
r:;; = l'1m --~ .
v1t
n->~ (2n)!)n

Anhang 2: Beweis der Stirlingschen Formel

Wir betrachten die Folge der Sn = (n + 112) In n - n -ln n!, wobei


die Sn die Parlialsummen der Reihe aus den Uk sind (mit Ul =-1 und
uk = Sk - Sk -1)' Nach Vereinfachung folgt hieraus
Uk = - (k - 112) In (1- 1Ik) - 1.

Eine Entwicklung des Logarithmus bis zur Ordnung 3 liefert


uk= 1112k 2. Die Reihe ist somit konvergent.

Es bezeichne L die Summe der Reihe. Nimmt man die exp-


Funktion mit den Sn als Wert der Variablen, dann ergibt sich

n+1I2 e--<! 1
exp(S )=n ~ exp(L), also:n! "" ___ nn+1I2 e -ll
n n ! n -> ~ n -> ~ exp (L )

Wir haben demnach die beiden folgenden Beziehungen, die wir


zusammen mit der Formel von Wallis für die Bestimmung von
exp(L) verwenden:

1 1
(2n)! "" - - - (2n)2n+l/2 e-2n (n !)2 "" - - 2 - n 2n+1 e-2n
n--->= exp(L) n--->= exp (L)

ex (L) = lim (2n)! nl/2 _1


p n ---> = (n !)2 2 2n +l/2 J2ii
98
4. KAPITEL

Diese Formel eignet sich jedoch nicht besonders für die Berech-
nung von 1t.

Mit etwas zusätzlicher Arbeit erhält man:

n!= (lJc)n "!'2:rtn (1+ _1_ + _1__ 139 +o(~)) mit 0 (l/n 3 )xn 3 --7 0
e 12n 288n 2 51 840n 3 n3 n -> ~

Bezüglich der seltsamen Beziehungen zwischen n! und 1t merken


wir noch an, daß die Funktion

die für alle positiven ganzzahligen Werte von x mit n! zusammen-


fällt (für eine ganze Zahl n gilt f(n + 1) = n!), zahlreichen Relationen
genügt, in denen 1t vorkommt, wie zum Beispiel

f(1/2) = -i1t f(1/2) f(-1I2) = -21t -i1t f(2x) = 2 2x- 1 r(x) f(x + 112)
Von handschriftlichen
Rechnungen bis zum.
Zeitalter der Computer
Die Herrschaft des Arcus tangens

Der durch die Analysis erzielte Wissen.<;sland über TC führte zu Rechelll.:erfahren, die. ich zuweilen
al' effizient erwiesen; so wal' John Machin dank seiner Formel der erste, der bis zur hundertsten
Dezimale kam. Die hauptsächlichen Verdienste seiner Nachfolger waren Geduld und Ausdaue/:
Wir schildern kurz ihre etwas eintönige Geschichte. Alle verwendeten sie arctan-Formeln und
besehrieben unzählige Blätter Papier. Wir machen bei dem Rekord von Jeall Guilloud und Martine
BOllyer halt, die 1973 als erste eine Million Dezimalen erreichten. Damit [mI' eine nicht allzu krea-
th'e Epoche in der Geschichte ['on TC abgeschlos. ·en. Um 194.5 löste die Entwicklung der eLektroni-
schen Rechenma. 'chillen bei den tellenjägem eine kleine Revolution aus. Im Gegensatz zu der
häufig vertretenen Meinung, dies sei nicht so, wurde der Wet/bell'erb dadurch jedoch interessanter
und nahm später geradezu leidenschaftliche Formen an, wie wir in den folgenden Kapiteln sehen
werden. Das Programmieren eine.' Computers ist nämlich, wie man bereits in den .50er JahreIl
bemerkte, eme Aufgabe, die ein Immer L'ertie{tere.· mafhemati. 'ches Verständnis erfordert. Wir
haben heute die rur dieses Ver, tändnis notwendigen Voraussetzungen.

Die Motive der Stellenjäger

Nachdem die ersten 30 Dezimalen von TC bekannt waren (was für


alle nur denkbaren Anwendungen ausreicht), bestand das
Hauptmotiv der TC-Berechner in der Suche nach einer Periodizität in
den Dezimalen, bis Johann Lambert 1761 bewies, daß TC irrational
ist. Tatsächlich hätte das Auffinden einer Periodizität dem
Entdecker einen zweifachen Triumph eingebracht: Einerseits wäre
jede zusätzliche Berechnung von TC-Dezimalen nutzlos geworden,
und man hätte es dem glücklichen Entdecker zugeschrieben,
«unendlich viele Dezimalen von TC» berechnet zu haben, das heißt
unvergleichlich viel mehr als seine Vorgänger! Zum anderen hätte
die Periodizität bedeutet, daß TC rational ist, also das Verhältnis
zweier ganzer Zahlen ist. Eine Zahl ist nämlich dann und nur dann
100
5. KAPITEL

rational, wenn ihre Dezimalbruchentwicklung von einer gewissen


Stelle an periodisch ist (ugl. Seite 181). Könnte man n; als Verhältnis
von ganzen Zahlen darstellen, dann hätte man sofort eine Lösung
des inzwischen berühmt gewordenen Problems der Quadratur des
Kreises.
Nach 1761 waren die Motive der Stellenjäger weniger klar. Han-
delte es sich darum,
• durch Auffinden einer Periode zu beweisen, daß die Mathemati-
ker trotz ihrer wissenschaftlichen Argumentationen einer Täu-
schung unterliegen?
• in den Dezimalen von n; eine andere Form der Regelmäßigkeit als
die der Periodizität zu ermitteln und diese Dezimalen dadurch ad
infinitum zu kennen (denn nichts spricht dagegen, daß die Dezi-
malen einer irrationalen Zahl ein bestimmtes Muster aufweisen, wie
etwa bei der irrationalen Zahl 0,1991119999111119999991 .... , bei
der jeder aus 1 oder 9 bestehende Block eine Ziffer mehr als der vor-
angehende Block hat)?
• der erste zu sein, der mathematisches Neuland betritt?
• einen Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen?
• irgend etwas Nützliches zu tun, auch wenn man eigentlich nicht
so recht weiß, wozu? Würden die Dezimalen von n; eines Tages einen
Abnehmer finden? Oft beruft man sich auf eine hypothetische künf-
tige Nützlichkeit, um die mathematische Forschungstätigkeit auf
zahlreichen Spezialgebieten zu rechtfertigen, bei denen keinerlei
Anwendung in Sicht ist.
Als die Ära der Computer anbrach, wurde behauptet, daß die
Berechnung der n-Dezimalen Zufallsfolgen liefert, die für das Funk-
tionieren gewisser Algorithmen nützlich sind, die auf den sogenann-
ten Monte-Carlo-Methoden beruhen. Es wurde auch behauptet, daß
diese Dezimalenberechnung der Kontrolle des ordnungsgemäßen
Funktionierens der Computer dient. Keines dieser neuen Argumente
ist jedoch wirklich überzeugend. Zum einen ist die Behauptung, daß n;
eine zufällige Zahl sei, gegenwärtig durch nichts gerechtfertigt (meh-
rere Argumente sprechen sogar dagegen, ugl. Kapitel 10). Zum ande-
ren haben die angeblichen Tests keine allzu große Bedeutung. Es gibt
1000 andere Möglichkeiten, Computer oder Software zu testen. Sehr
viele dieser Möglichkeiten erweisen sich als besser, denn sie setzen
vielfältigere Folgen von Operationen ein als bei den Programmen zur
Berechnung von n. Wir weisen aber darauf hin, daß dank einer
Berechnung von n-Dezimalen einige Fehler identifiziert werden konn-
ten. David Bailey berichtet von einem derartigen Fall, der sich 1988
mit einem Cray-2-Supercomputer zugetragen hat.
Ich halte es für ehrlicher, wenn man diesen pausenlosen Ansturm
auf die Dezimalen uon n; ganz einfach als eine Herausforderung
101
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

ansieht, die nicht weniger interessant ist als die Besteigung des
Mount Everest und die genausoviel Aufmerksamkeit verdient wie der
Stundenrekord beim Radfahren oder der Weltrekord im Stabhoch-
sprung; auch diese Rekorde sind stets verbesserungsfähig. Wenn man
neue Computer konstruieren und neue Mathematik entdecken muß,
um in der unendlichen Folge der rt-Dezimalen voranzukommen, und
wenn die so erzielten Fortschritte auch zu etwas anderem nützlich
sind, dann ist es um so besser. Gleichwohl stellt auch die einfache
Freude, bei einer schwierigen Aufgabe ein Stück vorangekommen zu
sein, eine Rechtfertigung an sich dar.
In gewissen Fällen hat die abstrakte Forschung zu effizienten
Berechnungsverfahren der Dezimalen von rt interessante, konkrete
Auswirkungen gehabt, auf die ich in Kapitel 7 zu sprechen komme.
Darüber hinaus war diese Forschungstätigkeit Teil der allgemeinen
Bewegung des mathematischen Fortschritts, die keiner Rechtferti-
gung bedarf und an deren Nützlichkeit inzwischen niemand mehr
zweifelte. Warum sollten wir also deswegen in Seelennöte geraten?

Von van (eulen bis zu den seltsamen «Siebenen»


von William Shanks
Ludolph van Ceulen hatte 1609 durch eine besessene
Anwendung der Methode des Archimedes (vgl. Seite 79) 34 Dezi-
malen von rt berechnet und damit einen neuen Rekord aufgestellt.
Danach benutzte Abraham Sharp (1651-1742) eine arctan-Formel
und berechnete 72 Dezimalen von rt. Kurze Zeit später erreichte
John Machin im Jahre 1706 dank seiner berühmten Zerlegung die
hundertste Dezimale. Er wurde 1719 von dem Franzosen Thomas
Fantet de Lagny (1660-1734) übertroffen, der noch weitere 27 Dezi-
malen berechnete.
Der Rekord des Franzosen hatte bis zum Jahre 1794 Bestand,
als der österreichische Baron Georg von Vega (1754-1802) unter
Verwendung einer von Euler entdeckten arctan-Formel 140 Dezi-
malen berechnete. Diese Rechnung brachte übrigens auch an den
Tag, daß die 113. Dezimale des Franzosen falsch war: Dort, wo
de Lagny «7» geschrieben hatte, hätte er «8» schreiben müssen!

Die von Thomas de Lagny 1719


3,1.1591653589793138~616433831795 0 1 berechneten 127 Dezimalen von 7t.
De Lagny benutzte die von Euler
88.1971693'93751 0 58109749445913 0 7816 entdeckte Formel 7t/4 = arctan
(112) + arctan (113). Die durch
.06186108998618°34815341.11 7 °6 7 981 '4 8o einen Punkt markierte 113. Dezi-
8 65 1 3 1 7-1 3 ° 66.7 0 9 3 8 •• 6 + . male ist falsch: an dieser Stelle
muß 8 stehen.
102
5. KAPITEL

Wir weisen auch auf ein geheimnisvolles anonymes Manuskript


hin, das 154 Dezimalen von 1t angibt, von denen 152 exakt sind. Das
Manuskript wurde von F. X. von Zach am Ende des 18. Jahrhun-
derts in der Radcliffe-Bibliothek in Oxford entdeckt.
In dieser Zeit wurde die Erinnerung an Archimedes am anderen
Ende der Welt zu neuem Leben erweckt. Es war seine Methode, mit
deren Hilfe die Japaner, die keine Kenntnis von den Fortschritten
der Analysis hatten, ihre Landesrekorde aufstellten: 1722 berech-
nete Takebe Katahiro mit einem regulären Vieleck von 1024 Seiten
41 Dezimalen von 1t; 1739 berechnete Matsanuga 50 Dezimalen.
Im 19. Jahrhundert wurde die Jagd nach den Dezimalen etwas
professioneller, aber die von dem Wiener L. K. Schulz von Strass-
nitzky (1803-1852) verwendete Methode ist nicht ganz fair: Er
führte die Rechnungen nicht selbst durch, sondern vergab den Auf-
trag an den Rechenkünstler Johann Martin Zacharias Dahse, dem
es 1844 in zweimonatiger Arbeit gelang, die 200. Dezimale von 1t zu
erreichen.
Die Rechenfahigkeiten von Dahse waren außergewöhnlich. Er
nahm Zahlen augenblicklich wahr und konnte sie sich mühelos ein-
prägen. Ihm genügte ein einziger Blick, um die Anzahl der Schafe
einer Herde, die Anzahl der Bücher einer Bibliothek oder die Summe
der Augenzahlen von 50 Dominosteinen exakt zu ermitteln. Es wird
berichtet, daß Jedediah Buxton, ein anderer Rechenkünstler des
18. Jahrhunderts, ins Theater eingeladen wurde und sich bei seinen
Gastgebern bedankte, indem er ihnen die Anzahl der Wörter angab,
die jeder einzelne Schauspieler gesprochen hatte. Rechenkünstler
verdienten ihren Lebensunterhalt häufig dadurch, daß sie bei öffent-
lichen Vorstellungen auftraten. Das Schicksal Dahses war inter-
essanter. Er wurde 1824 in Hamburg geboren, erhielt eine gute
Ausbildung, widmete sich aber fast ausschließlich der Vervoll-
kommnung seiner besonderen Fähigkeiten. Auf diese Weise gelang
es ihm, zwei aus je 100 Ziffern bestehende Zahlen im Kopf zu multi-
plizieren ... wozu er acht Stunden brauchte. Er war imstande, wäh-
rend einer Rechnung anzuhalten, sich den aktuellen Stand der
Arbeit zu merken und die Rechnungen später fortzusetzen, bei-
spielsweise am nächsten Morgen, nachdem er ausgeschlafen hatte.
Schon ab seinem 16. Lebensjahr gab er Vorstellungen. Dabei
kam es zu einer Begegnung mit Strassnitzky, der ihm vorschlug,
seine Fähigkeiten für wissenschaftliche Zwecke einzusetzen. Außer
der Berechnung von 200 1t-Dezimalen arbeitete Dahse auch an der
Erstellung numerischer Tafeln, die für die Physik und insbesondere
für die Astronomie der damaligen Zeit bedeutsam waren. Er begeg-
nete zahlreichen Wissenschaftlern, so auch dem großen Mathe-
matiker earl Friedrich Gauß (1777-1855), durch dessen Hilfe er
103
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

eine finanzielle Unterstützung von der Akademie der Wissen-


schaften zu Hamburg erhielt. Dahse berechnete die Logarithmen
der ersten 1.000.500 ganzen Zahlen mit einer Genauigkeit von sie-
ben Dezimalen. Er begann auch mit der Aufstellung einer Tabelle
der Primfaktoren der ganzen Zahlen bis 10.000.000, starb aber
1861, bevor er diese Arbeit beenden konnte.
Im Jahre 1824, einige Zeit vor der Berechnung der 200 7t-Dezi-
malen durch den Rechenkünstler, hatte William Rutherford (nicht
zu verwechseln mit dem englischen Physiker Ernest Rutherford, der
zu Beginn des 20. Jahrhunderts das nach ihm benannte Atommodell
erfand) 208 7t-Dezimalen ausgerechnet.
Leider fand man, daß die bei den Rechnungen ab Stelle 153 nicht
übereinstimmen. Im Jahre 1847 berechnete Thomas Clausen
(1801-1885) 248 7t-Dezimalen und bestätigte das Ergebnis des Ge-
spanns Strassnitzky-Dahse.
Sechs Jahre später, 1853, bestimmte W. Lehmann 261 Dezi-
malen. Nur kurze Zeit später, noch im selben Jahr 1853, stellte
William Rutherford seine Ehre wieder her, indem er die ersten 440
7t-Dezimalen (diesmal exakt) ausrechnete. Der glücklose Rutherford
wurde zwei Jahre später jedoch von Richter überflügelt, der bis zur
500. Dezimale kam und der dann seinerseits von William Shanks 3,
(1812-1882) geschlagen wurde, der 707 7t-Dezimalen im Jahre 1874 14159 26535 89793 23846
veröffentlichte (1853 hatte er zunächst 530 Stellen, später im selben 26433 83279 50288 41971
Jahr dann 607 Stellen berechnet). 69399 37510 58209 74944
Die 707 Dezimalen, auf deren Berechnung Shanks zwanzig 59230 78164 06286 20899
Jahre seines Lebens verwendet hatte, weisen einen eigenartigen 86280 34825 34211 70679
Mangel an Siebenen auf. Während alle anderen Ziffern ungefähr 82148 08651 32823 06647
70mal unter den ersten 700 Dezimalen auftraten, erschien die «7» 09384 46095 50582 23172
lediglich 52mal. Man sah hierin den Hinweis auf ein bemerkenswer- 53594 08128 48 473 7 139
tes Phänomen, für das es irgendeine mathematische Erklärung ge- 20386 33 30 21574 73996
ben mußte ... 00 25 93125 91294 01832
Die Frage hätte ein Anreiz dafür sein müssen, möglichst schnell 0651 744
zusätzliche Dezimalen zu berechnen. Eigenartigerweise war das Die von William Rutherford falsch
nicht der Fall (vermutlich deswegen, weil Spekulieren leichter als berechneten lt-Dezimalen wurden
1841 in der Zeitschrift der Royal
Rechnen ist). Society zu London veröffentlicht.
Rutherford erläuterte dort aus-
führlich das Verfahren, das er zur
Überprüfung seiner Rechnungen
William Shanks im Palais de la Decouverte benutzte: «Ich möchte schließlich
sagen, daß die Rechnungen mit
äußerster Sorgfalt ausgeführt wor-
Der Rekord von Shanks blieb bis zum Mai 1945 bestehen, als den sind und fast jeder Teil der
Arbeit von mir selbst kontrolliert
D. Ferguson, immer noch ohne Verwendung irgendeiner Maschine, worden ist oder aber durch Rech-
539 7t-Dezimalen berechnete, die erst 1946 veröffentlicht wurden. nungen bestätigt wurde, die von
anderen in unabhängiger Weise
Leider stimmten die Dezimalen ab Stelle 528 nicht mehr mit denen ausgeführt wurden.» Fast jeder
von Shanks überein. Teil ...
104
5. KAPITEL

3, 1947 berechnete Ferguson 710 1t-Dezimalen, diesmal unter Ver-


1415926535 8979323846 wendung einer Rechenmaschine, wie sie in Büros verwendet wurde.
2643383279 5028841971 Später, im Januar 1948, berechnete er in Zusammenarbeit mit John
6939937510 5820974944 Wrench 808 «zertifizierte» Dezimalen (sie führten Kontrollen zum
5923078164 0628620899 Auffinden eventueller Fehler durch). Diese Rechnungen bestätigten
8628034825 3421170679 unwiderlegbar, daß die von Shanks angegebenen Dezimalen, die
8214808651 3282306647 70 Jahre lang in der ganzen Welt Verbreitung fanden, von der
0938446095 5058223172 528. Stelle an falsch waren.
5359408128 4811174502 Ferguson vermutete nach eingehender Untersuchung des von
8410270193 8521105559 seinem Vorgänger begangenen Fehlers, daß dieser Fehler auf das
6446229489 5493038196 Weglassen des Gliedes (115)145/145 in der von Shanks verwendeten
4428810975 6659334461 Reihe herrührte. Shanks hätte während der 20 Jahre, die er für die
2847564823 3786783165 Berechnung brauchte, dieses Glied vergessen, ansonsten aber feh-
2712019091 4564856692 lerfrei gerechnet.
3460348610 4543266482 Die abnormal niedrige Häufigkeit der Ziffer «7» unter den von
1339360726 0249141273 Shanks berechneten Dezimalen, die zu zahlreichen Spekulationen
7245870066 0631558817 führte, wird durch die neueren Rechnungen widerlegt.
4881520920 9628292540 Auf den ersten Blick gibt das geringe Vorkommen der Ziffer «7»
9171536436 7892590360 Anlaß zu zweifeln, ob Shanks tatsächlich 707 Dezimalen berechnet
0113305305 4882046652 hatte: Hätte er sich einfach nur geirrt, dann ist nicht einzusehen,
1384146951 9415116094 wie dies zu einem derart systematischen Fehler (einem sogenannten
3305727036 5759591953 Bias) führen konnte. Hat er sich vielleicht - zermürbt und ermüdet
0921861173 8193261179 vom Ausfüllen der Ziffernkolonnen - einen Spaß daraus gemacht
3105118548 0744623799 und seinen Zeitgenossen einen Streich gespielt? Dieser Verdacht
6274956735 1885752724 erweist sich als unbegründet, weil der Mangel an «Siebenen» bereits
8912279381 8301194912 in dem exakten Teil der Ziffernfolge von Shanks festzustellen ist.
9833673362 4406566430 Unter den ersten 527 1t-Dezimalen tritt die Ziffer «7» nur 37mal auf.
8602139 501 6092448077 Betrachtet man die Folge der richtigen Dezimalen, dann wird das
23094362 5 5309662027 anfangliche Defizit zwischen der 528. und der 700. Stelle auf sonder-
5569397986 9502224749 bare Weise kompensiert: die «7» tritt dort 28mal auf, während sie im
9620607497 0304123668 entsprechenden Ziffernblock der falschen Dezimalen von Shanks
619951100 8920238377 nur 15mal vorkommt, was weniger Anstoß erregt. Die Verteilung der
0213141694 1190298858 falschen Dezimalen von Shanks zwischen der 528. und der 700.
25446 1639 7999046597 Stelle ist einsichtiger als die der richtigen Dezimalen!
0008170029 6312377381 Selbst wenn insgesamt unter den richtigen ersten 700 1t-Dezi-
3420841307 9145118398 malen ein geringfügiges Defizit an «Si ebenen» bestehen bleibt (die
05709 5 «7» tritt nur 65mal auf), so wird dieses Defizit dennoch nicht be-
Die falschen Dezimalen von stätigt, wenn man sich noch weiter hinauswagt. Folglich ist der
William Shanks sind mehr als 70
Jahre lang verwendet worden.
tatsächliche Mangel an «Siebenen» unter den ersten 527 Dezimalen
Man findet sie immer noch in eini- als statistische Fluktuation ohne Signifikanz anzusehen.
gen Büchern neueren Datums. Um
diese Tradition fortzuführen, habe
Die Verärgerung, die auf 70 Jahre unbegründeter Spekulationen
ich die von Shanks 1874 veröffent- zurückzuführen war, rief bissige Reaktionen hervor. So schrieb etwa
lichten 707 Dezimalen hier wieder-
gegeben. Ich habe sie in einem
ein Kommentator: «Hätten die Kreisquadrierer und die Apokalyp-
1962 erschienenen Buch gefunden. tiker ihre Anstrengungen vereint, um ein gemeinsames Verdikt des
105
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

e
Phänomens auszusprechen, dann hätten sie sich um ihre Sippschaft

=_l
verdient gemacht.»
Der Fehler von Shanks war der Ursprung eines Fluches, der l1t
auch heute noch über dem Palais de la Decouverte (dem Wissen-
schaftsmuseum im Zentrum von Paris, Avenue Franklin Roosevelt) .. _-~. - - c.".- 0-

lastet. Bei dessen Errichtung im Jahre 1937 anläßlich der Inter- --~_......-

nationalen Ausstellung «Kunst und Technik im modernen Leben» in


Paris wurden die von Shanks angegebenen Dezimalen von 1t zur
Dekoration des Saales 31 verwendet, der auch «1t-SaaI» genannt
wird (es ist sicher kein Zufall, daß man den Saal Nr. 31 nahm). Die
Dezimalen sind in Form einer großen Spirale auf einem Teil der
Decke angeordnet. Selbstverständlich ist der Saal rund, und die
Eulersche Formel eilt = -1 schmückt seinen Eingang.
Die Leitung des Palais de la Decouverte korrigierte den Fehler
im Jahre 1949. Es sind demnach die richtigen Dezimalen, die man
heute bewundern kann und an denen sich Heerscharen von Schü-
lern berauschen (ich gehörte auch dazu), die voller Bewunderung
durch diesen in der Welt einmaligen Saal gehen, der zu Ehren von 1t
errichtet worden ist. Die Eulersche Formel am Eingang
zum 1t-Saal des Palais de la Decou·
Trotz dieser Korrektur gibt es vierzig Jahre später immer noch verte zu Paris.
zahlreiche Bücher, die treuherzig berichten, daß die Dezimalen im 1t-
Saal von der 528. Stelle an falsch sind. Zum Beispiel ging 1997 das
französische Lexikon Quid mit diesem Tratsch hausieren!
Quid begeht übrigens auch andere Fehler auf den wenigen Zeilen,
die 1t gewidmet sind. So wird etwa der Name Chudnovsky (vgl. näch-
stes Kapitel) falsch geschrieben, und - schwerwiegender noch - es
wird behauptet, daß der Papyrus Rhind den Wert 1t = 32/9 verwendet,
während es sich doch in Wirklichkeit um den Wert (16/9)2 handelt.
Sollten Sie einmal das Palais de la Decouverte besuchen, dann
vertreiben Sie sich doch bitte die Zeit mit der Ermittlung des Fehler-

Der 1t-Saal des Palais de la Decou-


verte im Jahre 1947, vor der Kor-
rektur der falschen Dezimalen
(oben) und nach der Korrektur
(nebenstehend). Im alten Saal be-
gannen die falschen Dezimalen im
ersten weißen Block.
106
5. KAPITEL

standortes, indem Sie einen Blick über die Namen von Poincare und
Poisson werfen. Vor der Korrektur war dort « ... 021395016 ... » zu
lesen, was zu « ... 021394946 ... » geworden ist. Ich habe die Verbin-
dungsstelle zwischen dem korrekten und dem korrigierten Teil auf-
merksam untersucht, aber ich habe keinerlei besondere Spuren fest-
stellen können. Hieraus habe ich den Schluß gezogen, daß bei der
Korrektur die Ziffern von 1t vollständig übermalt worden sind.
Bei seinen letzten Rechnungen hatte Ferguson einen Büro-
rechner benutzt. Es handelte sich dabei vermutlich um eine Addi-
tionsmaschine, mit der man Multiplikationen durch wiederholte
Additionen und Verschiebungen durchführen konnte. Damals gab es
nämlich keine Büromaschinen, die auf direktem Wege multiplizie-
ren konnten. Es waren lediglich Additionsmaschinen, die in ihrem
Funktionsprinzip der von Leibniz 1694 konstruierten Maschine na-
hestanden, aber aufgrund der Erfahrungen der Hersteller robust
gebaut waren. Die Rechenmaschinen waren sozusagen gerade im
Begriff, elektronisch zu werden. Man wird sie bald als Computer
bezeichnen, und sie werden für immer mit der Zahl1t zu tun haben.

Ist mit Computern wirklich alles so leicht?


Groß ist die Versuchung zu glauben, daß die Schwierigkeiten
verschwinden, sobald die Rechnungen von Maschinen durchgeführt
werden, und daß dann alles nur noch eine Frage von Zeit und Geld
ist. Es ist ganz deutlich diese Auffassung, die Petr Beckmann, den
Historiker der Zahl1t, folgende Zeilen schreiben läßt:
Seit Archimedes hängt die Anzahl der Dezimalen, die man aus-
rechnen kann, lediglich von der Rechenkapazität und von der Aus-
dauer ab. Vor einigen Jahren handelte es sich ausschließlich um die
Frage der Programmierung von Computern, und heute ist es im
Prinzip nur eine Frage des Dollarbetrages, den man bereit ist, für
den Kauf von Rechenzeit auszugeben.
Dies scheint mir eine vollkommen falsche Auffassung zu sein:
Die Fortschritte der Mathematik waren es, die die Berechnung von
Hunderten von Dezimalstellen ermöglichten; ohne die arctan-
Formeln wäre man per Hand vermutlich niemals so weit gekommen.
Ebenso hätten wir heute ohne neue Fortschritte in der Mathematik
nicht Milliarden von Dezimalen erreicht. Und schließlich hätten
ohne die Entdeckung von Simon Plouffe (vgl. Kapitel 7 und 8) hun-
dert Jahre gewiß nicht ausgereicht, um die 1000milliardste Binär-
ziffer von 1t zu bestimmen. Wir wissen heute - ohne die vorangehen-
den Binärziffern ausgerechnet zu haben -, daß diese Binärziffer
gleich 1 ist. Wer die Computer und deren Nutzer geringschätzt, der
107
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

weiß nicht, daß Programmieren keine leichte Arbeit ist! Die


Informatiker machen diese Erfahrung jeden Tag, und dieser Prozeß 00001 031'1591651589783"1462"318]
00002 0628318HO,179S66"6925'U765
führt dazu, daß Informatik und Mathematik immer inniger mitein- 00003 094'4 717"07&!3Il"9' I S381910'" '9
ander verschmelzen. 0000.
00005
12566370614359132955850573552
157079631679' 8916 I 3231121691 s
Eine gewisse Fehleinschätzung der mit großen Zahlen zusam- 00006 188.HSS92ISl86n·301HI60298
00007 219911. 95/ '128"""23850361 I
menhängenden Probleme führt zu dem Glauben, daß mit den Com- COODS 251 B74 I 72'7 117$SIJO"0 I 1'7061
00009 2f21SlH88BOSO""616 790'"
putern alles leichter wird. Man muß aber begreifen, daß sogar bei 00010 )1. I SU6HS197811l6'626.31110
einem häufigen Verdoppeln der Maschinenkapazität (was immer 00011
00012
H 5575181 8"87" 56/)0"011211
376991 1184)0113981& 1551720596
einen Kraftaufwand erfordert und nicht unbegrenzt andauern kann) 00013 '08'010' '!.6V I" I OOOI'I'!9'~
000 I' '19S17911 $071"65 BI.noo7l"
mehrere Generationen nicht ausreichen würden, die «nächste Bann- 00015 4" 12118!80314 Ei'''8 ?~~lG6S014 5
000" SO" 5' 81' 5" 1613' 815'022" 128
meile» der großen Zahlen zu überschreiten. 0001> S340701SIII07611 SOS3864,S1SII
Eine elementare Rechnung führt zu folgender Beobachtung, 0001~
00019
165'8.'77~'6160982"H7 ~'08"
~"SO~60' '870'18'\ 50790n. 777
über die jeder nachdenken sollte: 00020
00021
628318$301179'6" '092'2867660
65971 .. S72S38s .. a007715SI10H
Verdoppelt man die Rechenkapazitätenjedes Jahr (was mehr ist, 000.2 . " 1'0593789152317,.17" ,,,,,
00023 71256631 0325'SO " "'6G079780S
als wir zu tun imstande sind), dann würde es mehr als drei Jahr-
tausende dauern, um die Rechenleistung mit 10 1000 zu multipli-
ueren.
Wir müssen daher auch lernen, zwischen den großen Zahlen
Unterschiede zu machen. Es gibt große Zahlen, die sich in unserer
Reichweite befinden (10 10 zum Beispiel), und solche, die sich uns
wahrscheinlich für immer entziehen werden (wie etwa 10 1000 ).
Im Laufe der letzten 40 Jahre haben die Lehren, die wir aus der
Konfrontation mit dem Problem der Programmierung gezogen
haben, unseren Blick auf die Komplexität verändert. Diese tritt
nicht ausschließlich im Unendlichen auf, sondern auch im End-
lichen, zum Beispiel im Zusammenhang mit großen Zahlen. Und
über diese Komplexität wird man nie die Herrschaft erringen.

Die Vielfachen von 11, berechnet


Mit einem Computer ist es dennoch und gedruckt durch die analy-
tische Maschine von Charles
weniger schlimm Babbage (1791-1871). Das war die
erste Maschine, die den Namen
Nach der zertifizierten Berechnung der 808 1t-Dezimalen, die "Computer» verdiente (wegen
ihrer Konzeption, die eine Art
1947 von Ferguson und Wrench mit Hilfe einer Büromaschine Programmierung gestattet), In
durchgeführt und 1948 veröffentlicht wurde, waren im darauf- Wirklichkeit berechnete sie nicht
11, sondern - ausgehend von
folgenden Jahr Wrench und Levy Smith mit einem Bürorechner einem gegebenen Wert für 1t - des-
über einen anderen Rechenweg auf 1120 Dezimalen gekommen. sen Vielfache. Babbage entwarf
seine Maschine um 1850, erlebte
Ihr Erfolg war nur von kurzer Dauer: Bevor diese Rechnung aber deren Konstruktion nicht
überprüft werden konnte, hatte im September 1949 der auf den mehr: die obenstehende Tabelle
wurde 1906 mit Hilfe einer
Namen ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Calculator) Teilversion der Maschine berech-
getaufte erste elektronische Rechner 2037 1t-Dezimalen berechnet. net, die von seinem Sohn ent-
wickelt wurde. Beachten Sie, daß
Dieser Rechner, der für das Ballistic Research Lab (BRL) der Moore die Tabelle wegen eines Fehlers
School von Philadelphia entwickelt wurde und seit November 1945 in der ursprünglichen Angabe
von 11 falsch ist (die 14. Dezimale
einsatzbereit war, wurde von George Reitwiesner programmiert. von 11 ist falsch),
108
5. KAPITEL

Seit diesem Zeitpunkt herrscht der Computer unangefochten im


Wettlauf um die Dezimalen von 7t.
Die Rechnungen mit dem ENIAC haben 70 Stunden gedauert,
und in dieser Zeit ist keinerlei Panne aufgetreten. Das ist schon an
sich ein kleines Wunder, denn die Maschine wiegt 30 Tonnen, nimmt
auf dem Boden eine Oberfläche von 72 Quadratmetern ein und be-
steht vor allem aus 18.000 Röhren, von denen jede eine sehr
begrenzte Lebensdauer hat. Übrigens werden zwei große Chrysler-
Motoren von je 12 PS für das Betreiben des Ventilationssystems
benötigt, das ein Heißlaufen der Röhren verhindert. Man hatte für
diesen Rechner, der während des Krieges unter Geheimhaltung in
Betrieb genommen wurde, das beträchtliche Budget von 150.000
Dollar bereitgestellt. Der Rechner war für die Berechnung von
Schußtafeln vorgesehen, die das BRL liefern mußte, aber nicht
schnell genug erstellen konnte. Der ENIAC ist jedoch zu spät fertig-
gestellt worden, um noch in diesen militärischen Kraftakt einbezo-
gen werden zu können. Trotzdem machte er seine ersten Rech-
nungen zu militärischen Problemen, die mit Wasserstoffbomben
zusammenhingen, nachdem die Bomben von Hiroshima und Naga-
saki explodiert waren; es traf ihn also keine Schuld!
Erst im Februar 1946 erfuhr die Öffentlichkeit von der
Existenz dieses Rechners, der mit der Dezimalschreibweise arbei-
tete. Er wurde Gegenstand einer marktschreierischen Reklame.
Mit dem Beinamen «Elektronenhirn» wurde der ENIAC als ein
Wunder an Intelligenz präsentiert, obwohl er nicht einmal mit
einem modernen programmierbaren Taschenrechner verglichen
werden kann. Die Berechnung der ersten 2037 7t-Dezimalen war
natürlich Bestandteil der Propagandataktik zur Verkaufs-
förderung des Ungetüms.

ENIAC, der erste elektronische


Rechner, wurde zunächst zur Be-
rechnung von Schußtafeln für die
amerikanische Armee konstru-
iert; er war im November 1945 ein-
satzbereit. Die von 11 ausgehende
Faszination war so universell, daß
eine der ersten dem ENIAC im
Jahre 1949 übertragenen zivilen
Aufgaben darin bestand, den Re-
kord bei der Berechnung der 11-
Dezimalen zu brechen. Die Mis-
sion wurde mit 2037 Dezimalen
erfüllt. Das ist fast das Doppelte
des vorangehenden Rekordes, der
im gleichen Jahr mit Hilfe einer
mechanischen Rechenmaschine
aufgestellt wurde.
109
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

Im Jahre 1949 zeigte der Mathematiker und Physiker John von


Neumann großes Interesse an den von ENIAC berechneten Dezi-
malen. Er fertigte hierüber übrigens auch eine statistische Studie
an, die Anlaß für einen zusammen mit N. Metropolis und G. Reit-
wiesner verfaßten Bericht war. Die etwas enttäuschende Schluß-
folgerung dieses Berichtes war, daß sich die Folge der Dezimalen
von 1t in nichts von Zufallsfolgen unterscheidet, die man durch rich-
tige Zufallsziehungen erhält. Ergebnisse dieser Art sind die stets
gleichbleibende Schlußfolgerung zahlreicher Studien, die ihren
Ausgangspunkt in den nacheinander aufgestellten Rekorden bei der
Berechnung von 1t haben (wir kommen auf diese Frage in Kapitel 10
zurück).
Nach dem ENIAC wurden in regelmäßigen Abständen Rekorde
aufgestellt, und 1973 erreichte man eine Million Dezimalen. Wäh-
rend dieser Zeit entwickelten die Mathematiker und Informatiker
keine innovativen Verfahren. Möglicherweise waren sie berauscht
vom Fortschritt der Hardware, der zu einer gewissen Bequem-
lichkeit verleitete, oder sie waren zu sehr in Anspruch genommen
durch die gewissenhafte Kodierung der Rechnungen in den damali-
gen unpraktischen Programmiersprachen. Man verwendete noch
immer die arctan-Verfahren und die Gregorysche Reihe.
Sämtliche zur damaligen Zeit ausgeführten Rechnungen
beruhten auf Algorithmen, die quadratisch bezüglich der Laufzeit
und linear bezüglich des Speicherplatzes sind. Um die Anzahl der
Dezimalen zu verdoppeln, muß man die Rechenzeit wenigstens
vervierfachen und einen mindestens zweimal größeren Speicher
zur Verfügung haben; um zehnmal mehr Ziffern zu bekommen,
benötigt man eine 100mal längere Rechenzeit und zehnmal mehr
Speicherplatz.
Im Jahre 1954 lieferte in den Vereinigten Staaten der auf den
Namen NORC (Naual Ordnance Research Calculator) getaufte und
von S. Nicholson und J. Jeenel programmierte Rechner in nur 13
Minuten Rechenzeit 3092 Dezimalen von 1t.
Im Januar 1958 berechnete ein von Francois Genuys program-
mierter IBM 704 in 100 Minuten 10.000 Dezimalen von 1t. Das glei-
che Programm wurde vom französischen Kommissariat für Atom-
energie am 20. Juni 1959 verwendet, um 16.167 Dezimalen von 1t zu
berechnen.
Im Mai desselben Jahres verwendete G. Felton im Informatik-
zentrum Ferranti in London einen Pegasus-Rechner und berechnete
ebenfalls die ersten 10.000 Dezimalen von 1t, wenn auch etwas müh-
seliger nach 33 Stunden Rechenzeit. Bereits ein Jahr zuvor hatte er
10.021 Dezimalen von 1t berechnet und veröffentlicht, aber das
Ergebnis war ab der 748. Stelle falsch.
110
5. KAPITEL

Am 29. Juni 1961 erreichten in Washington Daniel Shanks


(nicht verwandt mit William Shanks, der seinerzeit 20 Jahre lang
umsonst gerechnet hatte) und John Wrench (der Ferguson 1948 bei
der Überprüfung von dessen Berechnungen geholfen hatte und in
der Zwischenzeit seine Büromaschine gegen einen Computer einge-
tauscht hatte) mit einem IBM 7090 in einer Rechenzeit von 8 Stun-
den und 43 Minuten 100.000 Dezimalen von 1t.
Zur Erläuterung werden wir einige ausführlichere Angaben
zur Leistung von Shanks und Wrench machen: Ihr Rechner arbei-
tete (im Gegensatz zum ENIAC) im Binärsystem; sie verwendeten
Formel (10) von Seite 113, die für jedes Glied drei Nebenrech-
nungen mit einer Zeitdauer von 3 Stunden und 7 Minuten,
2 Stunden und 20 Minuten bzw. 2 Stunden und 30 Minuten erfor-
derte. Bei der Berechnung der arctan-Entwicklungen gruppierten
sie die Glieder paarweise um und erhielten dadurch eine neue
Reihe, die im Vergleich zur üblichen Formel eine Rechenersparnis
von 27 Prozent bedeutete. Bei einer «tripelweisen» Umgruppierung
der Glieder hätten sie noch mehr Zeit gespart, aber ihr Rechner
besaß keine hinreichend langen Speicherwörter. Durch eine ver-
nünftige Nutzung einfacher Verschiebungen anstelle gewisser
Multiplikationen sind ebenfalls zwei Stunden Rechenzeit einge-
spart worden. Dieser ganze Teil der Rechnung ist zur Basis 2 aus-
geführt worden, ebenso wie auch die Überprüfung, die unter
Verwendung von Formel (9) von Seite 113 vorgenommen wurde.
Die beiden so berechneten binären Werte sind in weniger als 0,16
Sekunden miteinander verglichen worden. Nach Aufdecken und
Korrektur eines Fehlers hat der Rechner im letzten Schritt die
Konvertierung in die Basis 10 ausgeführt, was 42 Minuten in
Anspruch nahm.

Was tun mit der Million von Jean Guilloud


und Martine Bouyer ?
Im Februar 1966 berechneten in Paris Jean Guilloud und
J. Filliatre 250.000 Dezimalen von 1t auf einem IBM 7030. Dieser
Rekord wurde im Februar 1967 ebenfalls in Paris auf einem CDC
6600 verbessert. Diesmal berechneten Jean Guilloud und M.
Dichampt 500.000 Dezimalen.
Einige Jahre später (1973) ermittelte derselbe Jean Guilloud,
diesmal in Zusammenarbeit mit Martine Bouyer, eine Million
Dezimalen unter Verwendung des schon von Shanks und Wrench
benutzten Formelpaares, das auf Rechnern des Typs CDC 7600
programmiert worden war. Die erste Berechnung wurde in den
111
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

Räumen der Gesellschaft Franlab in Rueil-Malmaison am verlän-


gerten Wochenende des 18., 19. und 20. Mai 1973 durchgeführt.
Die Rechenzeit betrug fast einen ganzen Tag (22 Stunden und 11
Minuten für die Berechnung der Binärziffern und anschließend 1
Stunde und 7 Minuten für die Konvertierung aus der Binär- in die
Dezimalschreibweise). Die Überprüfung erfolgte dann am CERN
in Genf am 25. und 26. August und am 2. und 3. September 1973;
der Rechner war 13 Stunden und 40 Minuten in Betrieb. Das
Ergebnis wurde zusammen mit einer statistischen Untersuchung
in einem Band von 415 Seiten veröffentlicht. Einer der Besitzer
eines solchen Bandes hat mir mitgeteilt, daß dieser Band den
erstaunlichen Mangel aufweist, daß sich das Gedruckte verwischt,
wenn man mit dem Finger über die Seiten streicht. Das Exemplar,
das ich von Jean Guilloud liebenswürdigerweise geschenkt bekam,
hat diesen Mangel nicht.
Die Untersuchung dieser Million von Dezimalen wurde sorgfäl-
tig durchgeführt, gemäß den Prinzipien, die bereits benutzt
wurden, um zu verifizieren, daß die von der Rand Corporation ver-
öffentlichte Zufallszahlentafel nicht biasiert war. Diese Unter-
suchung enthüllte nichts Besonderes. Die Dezimalen von 1t beste-
hen hartnäckig darauf, beliebig zu sein, auch wenn man eine große
Anzahl von ihnen betrachtet. Leider sind derartige Tests kein
Beweis dafür, daß 1t eine zufällige Zahl ist. Vorsicht ist geboten:
Man muß darauf verzichten, die Folge der 1t-Dezimalen als
Zufallsfolge anzusehen und in Algorithmen zu verwenden, die mit
Zufallsfolgen arbeiten.
Für die Forscher, die mit der Untersuchung der Daten befaßt
sind, stellen die aus einer Million Dezimalen von 1t abgeleiteten
Ergebnisse den schlechtestmöglichen Fall dar. Sie zeigen nichts
Interessantes, liefern aber auch keinerlei neuen Anhaltspunkt für
einen mathematischen Beweis dessen, daß es nichts Interessantes
gibt; das wäre seinerseits interessant!
Wir stellen fest, daß sich die Biologen mit den genetischen Se-
quenzen, die ebenfalls lange Folgen von Symbolen sind, in einer
weniger schmerzlichen Lage befinden. Die DNA-Sequenzen weisen
in der Tat alle möglichen statistischen Bias auf und unterscheiden
sich in Abhängigkeit von der Spezies. Aber man findet dort auch
häufiger auftretende Wörter, wiederholt oder beinahe wiederholt
vorkommende Abschnitte, deutliche Strukturen usw. Zusammen-
fassend gesagt: Im Gegensatz zu dem, was bei 1t passiert, findet
man in den biologischen Daten des Genoms genügend viel
Material, um Heerscharen von Wissenschaftlern jahrhundertelang
zu beschäftigen. Das bedeutet keinesfalls, daß die vollständige
Entschlüsselung des Genoms eine leichte Aufgabe ist.
112
5. KAPITEL

TABELLE DER DEZIMALEN VON PI 000

19951 "908 16682 2'900 14207 11186 48815 117728 91718 65359 61765
19952 3'579 93HO 33027 282,. 605" 696'9 60098 n069 79585 59264
19953 30428 70363 66471 )0713 14782 33061 15764 19913 22202 06060
19954 99898 83076 26858 36055 52740 990n 8.676 10760 42417 84215
1995.5 06285 17557 35299 96478 62552 95428 36H2 98706 6Q579 uns

19956 80101 40740 21161 86,., 8U29 765,. 426H 28528 70'77 85563
19957 08309 63103 52781 830" 90 so 1 97029 46575 77773 28167 46858
19958 08145 39316 OHn 25331 58992 80579 4346) 14087 35860 86177
19959 88263 3'927 14615 118" 11655 13068 18U7 13677 3U82 3JQIO
19960 85136 40390 19392 08876 886H 633,. 61382 3583' 4""0 81569

19961 61091 Q2938 17)117 13893 42377 36191 096116 05642 IIUlQ 71'08
19962 20160 49660 21135 61689 54106 QUU 21365 98082 93890 91296
19963 18912 118H 291119 06163 19638 61069 37520 8953' 68839 83344
1996Q U718 98212 113418 07238 7407' 57697 55'50 "368 461., 13502
19965 '8588 18399 66556 81963 '4528 81194 18331 72636 82505 06118

19966 64900 39Q12 55205 70571 20360 35578 02514 19043 52671 83121
19967 92138 48299 05803 22469 5842' 32315 898U 32510 3965' 113535
19968 05350 32292 1674' 04077 86"6 8415' 76255 7"61 53511 88003
19969 14305 69954 9218Q 1167. 54497 26H6 12839 33251 83819 72223
19970 28360 10752 27812 92813 01065 69412 629U 73063 42688 31338

19911 18174 21706 086'7 5G827 63942 42391 40275 32180 42951 90341
19912 16351 70469 801~2 lJ515 56051 85756 24509 99253 20178 70996
19973 36640 47341 70189 85581 30650 76038 70997 73184 31281 09897
1997Q 89882 08543 55955 09012 53902 31189 52168 20233 U2Q5 57257
19915 53078 79263 39855 09016 455" 23733 96625 22335 16'11 50589

19976
19977
55690
01781
21129
86115
724G8
91571
95998 82508 92321 1203Q "sn 41546 54601
66139 88693 26873 74968 47305 .,653 29378
19978 21075 "810 57938 08285 30053 20.70 80506 56929 42234 00109
19979 sn48 29061 Q5390 18890 66162 6G021 50130 73513 00331 9201~
19980 56372 63110 77099 93999 22886 2122Q 32488 02062 63485 08885

19981 30360 10723 43689 01360 "215 8H25 28398 7859q 91199 79611
19982 21963 79157 65192 45218 61096 08809 21311 11911 50008 78159
19983 30Q10 72934 48839 10957 51415 9241l 15285 97779 12918 9345)
1998q 85050 80383 19961 14590 02518 65191 12370 80851 41642 HIS3
19985 80188 0607 11068 68036 19824 '9715 17076 38950 725H 68404

19986 56919 27595 l19J7 22370 22290 15580 06560 16041 38541 35990
19981 U779 96748 14996 9769G 27131 66869 55lJl 95125 3)776 40985
19988 87096 sa186 32639 261S. "560 16841 Q031Q 56842 01194 05950
19989 10114 30)5Q 69182 15090 006n 93998 551,. 13893 85191 51312
19990 15682 61622 86223 18810 96129 ,.,60 60130 28331 19371 61140

19991 87q72 70676 25585 61175 11995 66614 86151 96'91 29101 93318
19992 08499 .,096 18139 29649 21893 60902 12535 "332 7lno 64260
19993 62429 9Q120 32736 25582 4411. 983,5 09413 0"53 43661 59072
'9994 84163 19368 10Hl 19198 06823 15357 J71S5 51181 61221 56181
19995 93642 50138 87117 02327 55557 79102 26618 58031 99930 81081

19996 05763 07652 ])205 07400 13919 09580 19016 37717 6292S 92837
19991 U814 79017 72141 25678 19055 55621 80504 81674 69911 40839
19998 91791 93165 G2320 62337 Q7113 2U03 36916 33519 25891 51526
19999 03156 "033 12127 28491 9U18 03115 06965 52087 54205 05989
20000 56181 96130 33116 46283 99634 6'600 22090 10610 S11,. 58151

Die letzte Seite des Buches 1.000.000 Dezimalen von 1l von Jean Guilloud und
Martine Bouyer, das manchmal als das «langweiligste Buch der Welt» bezeich-
net wird. Die 2500 Dezimalen dieser Seite sind die Stellen 997.501 bis 1.000.000.
113
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

Anhang 1: Geschichte der aretan-Formeln tür 11:

( /) JT = 16 arctan 1/5 - 4 arclan 1/239


Gefunden von John Machin, der diese Formel 1706 zur Berech-
nung von 100 Dezimalen verwendete. William Rutherford benutzte
1852 ebenfalls diese Formel. William Shanks verwendete sie bei
allen seinen Rechnungen. Die Formel war 1948 auch die Grundlage
für die Programmierung des ENIAC.
( 2 ) rr = 20 arctan 1/7 + arctan 3/79
1755 von Leonhard Euler gefunden. 1794 von G. Vega verwendet.
(3 1 JT = 16 arctan 1/5 - 4 arctan 1/70 + 4 arctan 1/99
1764 von Leonhard Euler gefunden. 1841 von Rutherford zur
Berechnung von 208 Dezimalen verwendet (von denen 152 korrekt
sind).
(4) 1t = 4 arctan 1/2 + 4 arctan 1/5 + 4 arctan 1/8
Von L. von Strassnitzky gefunden und 1844 vom Rechenkünstler
Zacharias Dahse zur Berechnung von 200 Dezimalen verwendet.
(5 ) 1t = 4 arctan 1/2 + 4 arctan 113
1776 von Charles Hutton gefunden. 1853 von W. Lehmann zur
Berechnung von 261 Dezimalen verwendet.
(6 ) 1t = 8 arctan 113 + 4 arctan 1/7
1776 von Hutton und 1779 unabhängig von Euler gefunden.
1789 von Vega zur Berechnung von 143 Dezimalen verwendet (von
denen 126 exakt sind). 1847 von Thomas Clausen und 1853 von
Lehmann verwendet (der dadurch seine mit der vorangehenden For-
mel durchgeführte Rechnung bestätigte).
(7) 1t = 12 arctan 1/4 + 4 arctan 1/20 + 4 arctan 111985
1893 von S. Loney und 1896 von Carl Stf/lrmer gefunden. 1945
von D. Ferguson verwendet.
( 8) 1t = 32 arctan 1110 - 4 al'ctan 1/239 - 16 arctan 1/515
1730 von S. Klingenstierna gefunden. 1957 von G. Felton zur
Berechnung von 10.021 Dezimalen verwendet (von denen 7480 kor-
rekt waren).
( 9 ) JT = 48 arctan 1/ 18 + 32 arctan 1/57 - 20 arctan 1/239
Von Carl Friedrich Gauß gefunden, aber erst 1863 (acht Jahre
nach seinem Tod) veröffentlicht. 1958 von Felton zur Berechnung
von 10.021 Dezimalen verwendet, die diesmal alle korrekt waren.
1961 von D. Shanks und J. Wrench und 1973 von J. Guilloud und
M. Bouyer verwendet.
rr = 24 a rctan 1/8 + 8 arctan 1/57 + 4 arctan 1/239
( ]O )
1896 von Stfiirmer gefunden. 1961 von Shanks und Wrench und
1973 von Guilloud und Bouyer verwendet.
114
5. KAPITEL

,Anhang 2: Beweis der arctan-Formeln


Die einfachste Methode für den Beweis der Zerlegung von n/4 in
Jt!4 = arctan (1/1) eine arctan-Summe besteht darin, mehrmals nacheinander folgende
Relation zu verwenden:
tan (a + b) = _tan (a) + tan (b)
1-tan(a) tan(b)
Wir beweisen zum Beispiel folgende Formel, die bereits Euler
bekannt war:
1 1 p
arctan - = arctan- .. + arctan .-.----
n n+p n 2 +np+1
Zu diesem Zweck rechnet man
1 P
--+---;:---=---
1- + arctan
tan (arctan- p ) = _~'!.: + np + !_
n+p n 2 +np+1 l __ l_ x p
n+p n 2 +np+1
n 2 + np + 1 + np + p2 1
I~
rt/4 = 2 arctan (1/3) + arctan (117) n 3 +n2p +n +n 2p + np2 +p-p - n
H1 '-~
I
1--- I~ Ebenso zeigt man leicht, daß ~ = arctanx + arctan ~ : :
1/1 V ,\
tJ
.1
1/ X Durch systematische Untersuchung von Formeln der Gestalt
1 1 1
1 0q;~
- 1t
- = arctan - + arctan - + ... + arctan-
4 n1 n2 np

~ -
hat Jean-Claude Herz folgende Lösungen gefunden:
für p = 2 nl = 2 n2 = 3
ipV
für p = 3 nl = 2 n2 = 4 n3 = 13
-
=arctan (1/2) + arctan (1/5) nl = 2 n2 = 5 n3 = 8
~

rt/4
+ arctan (1/8) nl = 3 n2 = 3 n3 = 7

-. /~I
1- fürp=4 nl = 2
nl = 2
n2 = 4
n2 = 4
n3 = 14
n g = 15
V'I

\
.- I nl = 2 n2 = 4 n3 = 18 n4= 47
t~ '/ i\ nl = 2 n2 = 4 n g = 23 30
I ~<i'~
I nl = 2 n2 = 5 ng = 9
I '/ /, nl = 2 n2 = 5 n3 = 13 n4 = 21

// Y. -
nl = 2 n2 = 6 n3 = 7 68
~ l - I- nl = 2 n2 = 6 n3 = 8
nl = 2 n2 = 7 n3 = 8 n4 = 18
rt/4 =2 arctan (1/2) - arctan (117) n 1 =3 n2 =3 n3 = 8 n4:: 57
---.L L J T ''-- nl = 3 n2 = 3 ng = 9 n4= 32
Durch diese grafische Methode nl = 3 n2 = 3 n g = 12 17
erzielt man eine unmittelbare Ver- nl = 3 n2 = 4 ng = 5 47
anschaulichung der Beweise für
die einfachsten Formeln, in denen nl = 3 n2 = 4 ng = 7 13
1t durch arctan ausgedrückt wird. nl = 3 n2 = 5 8
115
VON HANDSCHRIFTLICHEN RECHNUNGEN BIS ZUM ZEITALTER DER COMPUTER

Für jeden Wert von p gibt es nur eine endliche Anzahl von
Formeln. Man berechnet mühelos durch Rekursion die erste Formel
einer jeden Liste und hieraus eine unendliche Folge derartiger Aus-
drücke. Diese Folge wird erzeugt, indem man von der ersten Formel
rcl4 = arctan Oll) ausgeht und jedesmal die vorher bewiesene Rela-
tion arctan (Vn) = arctan [1/(n + 1)] + arctan [1/(n 2 + n + 1)] auf das
letzte Glied anwendet. Die so erhaltenen Formeln entsprechen den
folgenden Koeffizienten:
nl
1
2 3
2 4 13
2 4 14 183
2 4 14 184 33673
2 4 14 184 33674 1133904603

Die Zahlen d n der Diagonale sind durch d 1 = 1 und durch die


Werte d n + 1 = d n 2 + d n + 1 definiert.
Wir weisen auf ein wichtiges Ergebnis hin, das eine systemati-
sche Untersuchung von arctan-Formeln und eine leichte Überprü-
fung aller oben angegebenen Formeln gestattet:
Es seien av a2' ... , an und b1, b2, ... , bn ganze Zahlen. Die Summe
arctan (b 1 /al) + arctan (b 2 /a2) + ... + arctan (b n /a,) ist dann und nur
dann von der Form krc (mit einer ganzen Zahl k), wenn der Imaginärteil
der komplexen Zahl (al + ib l )(a2 + ib 2) ... (an + ib,J gleich Null ist.
Es gibt ein weiteres Ergebnis dieser Art: Sind u, v und k ganze
Zahlen, dann gilt m arctan (1/u) + n arctan (1/v) = krc/4 genau dann,
wenn der Imaginärteil von (1 - i)k (u + i)m (v + i)n gleich Null ist.

Anhang 3: Die effizientesten arctan-Formeln


Eine systematische Untersuchung der arctan-Formeln und ihrer
Effizienz führte zu Ergebnissen, die man unter der folgenden Inter-
netadresse findet: roy@cacr.caltech.edu.
Die beste dieser Formeln ist rc/4 =44 arctan 1/57 + 7 arctan 1/239
- 12 arctan 1/682 + 24 arctan 1/12943 mit «Rechenkosten» von 85,67
Prozent im Vergleich zu den Kosten von John Machin (die Formel
erlaubt demnach einen asymptotischen Gewinn von 14,33 Prozent).
Man mißt die Rechenkosten einer derartigen Formel durch die
Größe 1/log (57) + 1/log (239) + + 1/log (682) + 1/log (12943). Diese
Größe ist gleich der Anzahl der Glieder, die man berechnen muß, um
eine Ziffer mehr zu bekommen.
116
5. KAPITEL

Unter Verwendung leicht ersichtlicher Vereinbarungen bezeich-


nen wir eine derartige Formel mit 44-57+ 7-239-12-682 + 24-12943.

Die 15 effizientesten Formeln sind:


44-57 + 7-239 -12-682 + 24-12943 85,67 %
22-28 + 2-443 - 5-1393 -10-11018 88,28 %
17-23 + 8-182 + 10-5118 + 5-6072 92,41 %
88-172 + 51-239 + 32-682 + 44-5357 + 68-12943 93,56 %
100-73 + 54-239 - 12-2072 - 52-2943 - 24-16432 96,38 %
12-18 + 8-57 - 5-239 96,51 %
8-10 -1-239 -4-515 96,65 %
44-53 - 20-443 - 5-1393 + 22-4443 - 10-11018 97,09 %
17-22 + 3-172 - 2-682 -7-5357 97,95 %
16-20 -1-239 - 4-515 - 8-4030 99,13 %
61-38 -14-557 - 3-1068 - 17-3458 - 34-27493 99,14 %
227-255 - 100-682 + 44-2072 + 51-2943 - 27-12943 + 88-16432 99,32 %
24-53 + 20-57 - 5-239 + 12-4443 99,61 %
127-241 + 100-437 + 44-2072 + 24-2943 - 12-16432 + 27-28800 99,92 %
4-5 - 1-239 100,00 %

In Abhängigkeit von der Basis, zu der die Rechnungen ausge-


führt werden, und unter Berücksichtigung der möglicherweise auf-
tretenden Vereinfachungen kann sich die Klassifizierung ändern. Es
scheint jedoch unmöglich zu sein, sämtliche Eigentümlichkeiten
einer Rechnung derart zu berücksichtigen, daß eine absolut festste-
hende Klassifizierung der Formeln gegeben werden kann.
Die praktische
Berechnung von 1t
Beispiele für 1röpfel-Algorithmen

Wir entdecken IlIer dif.' allgemeinen PrirlZlplen, die man zur Berechnung l'on Zahlen nI/I einer
langen Folge l'Oll Dezimalen benöllgl. Diese Berechnungen /L'erden per Hand oder nlll Hilfe
eine. ' Rechners durchgeführt. Als Beispiel geben tl'lr ein Programm an, das eben. 0 Iwrz (15
Zeichen ) ll'ie einfallsreich ist. Wir erläutem die ArbeitslI.:eise dieses Programms, nllt dem man
2400 Dezimalen VOll n berechnen Iwnn. Durch Umformen erhält mall ein Verfahren zur
Berechnung von n p r Hand, mit dem mall Illnerhalb einiger tunden ... oder einiger Tage
mehr Dezimalen ausrechnen kanTI, al' es Ludolph mn Ceulen (,'3.5 teilen) oder Joha 11 11 Dalzse
(200. lellen ) gelungen u'al: Das Kapitel.Tl/ließt mit J,'llI'zen Bemerllllllgell über die Techniken
eier Konl'ergenzbe.'Il'hleunigulIg.

Allgemeine praktische Prinzipien


bei der Berechnung von 1t
Die Grundprinzipien für die Berechnung einer großen Anzahl
von n-Dezimalen unter Verwendung einer Reihenformel sind diesel-
ben - ganz gleich, ob man per Hand oder mit einem Computer rech-
net. Man muß auf Anhieb mit vielen Ziffern rechnen. Wenn Sie 1000
Dezimalen haben wollen und wenn 1/3 das erste Glied Ihrer Reihe
ist, dann beginnen Sie sicherlich damit, 0,3333333 ... 33 (mit 1000
Dreien) auf ein Blatt Papier oder in den Speicher des Computers zu
schreiben.
Um die elementaren Operationen der Addition, der Multiplika-
tion und der Division (oder auch des Quadratwurzelziehens, vgl. An-
hang) auszuführen, gehen wir so vor, wie wir es in der Schule ge-
lernt haben: Wir nehmen ein Blatt Papier und teilen gegebenenfalls
die Arbeit auf, wenn wir per Hand rechnen, oder aber wir program-
mieren das Schulverfahren, wenn wir einen Computer verwenden.
Beim Computer ist vorgesehen, daß die Operationen mit Zahlen
durchgeführt werden, die aus einigen (zum Beispiel aus 10) Ziffern
118
6. KAPITEL

Um eine große Anzahl von lt-


Dezimalen zum Beispiel mit Hilfe
der Reihe von Madhava-Gregory-
Leibniz zu berechnen, muß man
von Anfang an mit einer großen
Anzahl von Dezimalen rechnen.

bestehen. Bei großen Zahlen kann man diese Operationen nicht so


einfach anwenden. Man muß die elementaren Operationen so pro-
grammieren, daß sie auf solche mit kurzen Zahlen zurückgeführt
werden. Um die verfügbaren arithmetischen Operationen möglichst
gut zu nutzen, erweist sich oft die Arbeit mit einer Basis als vorteil-
haft, die größer als 10 ist. Dieses Vorgehen reduziert nämlich die An-
zahl der zu behandelnden «Ziffern». Eine gute Idee ist es, zur Basis
100 (oder 1000 usw.) zu arbeiten, denn dann ist nach Durchführung
der Rechnung keinerlei Konvertierung notwendig: Läßt sich zum
Beispiel zur Basis 1000 eine Zahl als Folge der drei «Ziffern» 324,
746 und 783 darstellen, dann schreibt sich diese Zahl zur Basis 10
als Folge der neun Ziffern 3, 2, 4, 7, 4, 6, 7, 8, 3.
Die Wahl der Rechenbasis b erfolgt auch mit dem Ziel, das Beste
aus der von der Programmiersprache gebotenen Arithmetik zu
machen, in der sich die Rechnungen beispielsweise auf ganze Zahlen
beschränken, die kleiner als 65.536 = 2 16 sind. Um ganze Zahlen zur
Basis b zu multiplizieren, muß man die Multiplikationstafel der
ganzen Zahlen ~ b kennen (aus diesem Grunde lernen wir die Multi-
plikationstafel der Dezimalziffern). Da die Werte einer derartigen
Tafel zwischen 0 und b 2 liegen, muß man b so wählen, daß sämtliche
Werte der Tafel korrekt berechnet werden und daher (in unserem
Beispiel) kleiner als 65.536 sind. Diese Einschränkung führt -
zusammen mit den im vorhergehenden Absatz genannten
Einschränkungen - häufig dazu, daß man als Basis b die kleinste
Potenz von 10 wählt, deren Quadrat kleiner als die größte ganze
Zahl der Sprache ist. In unserem Beispiel ist die letztere Zahl gleich
65.536 und somit b = 100.
Im nächsten Kapitel werden wir sehen, daß die Program-
mierung des in der Schule gelehrten traditionellen Multiplikations-
verfahrens nicht die effizienteste Methode ist. Die Programmierer
geben sich mit dem üblichen Verfahren zufrieden, wenn sie bis zu
einer Million Dezimalen gelangen möchten; wollen sie aber weiter
gehen, dann müssen sie perfektioniertere Verfahren anwenden.
119
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON 7t

Alle Arten von Tricks zur Abkürzung von Rechnungen, zur Ver-
meidung von zweimaligen Anwendungen ein und derselben Opera-
tion und zur Kontrolle der Zwischen- und Endresultate sind möglich
und wurden von den 1t-Berechnern in die Tat umgesetzt,

Mysteriöse Programme
Zur Programmierung eines Verfahrens, das mit arctan-Funk-
tionen arbeitet und zur Multiplikation großer Zahlen führt, erweist
sich eine Neudefinition der Rechnerarithmetik als notwendig, Die
neuen Befehle machen die Programme zwar länger, aber gewisse
Tricks gestatten eine Beschränkung des Gesamtumfanges, Den dies-
bezüglichen Rekord stellt sicherlich das folgende in der Sprache C
geschriebene Programm auf, das 2400 1t-Dezimalen berechnet, Der
unbekannte Autor hat unter Verwendung von nur 158 Zeichen eine
wahre Glanzleistung vollbracht,

Bp l"!'dllllll1g \ ' O/l :2400 /'[ - ()P/If11a lf'1l mit einem i.llt" I,), Z!'ldH'11
1)('~tl'lH'l1dt'lI Pmgl"llllll1 In d!' !' Sp!'adw ( '

int a=10000,b,c=8400,d,e,fI8401J,g;main(){for(;b-c;)
fIb++ J=a/5;for(;d=0,g=c*2;c-= 14,printft"%.4d" ,e+d/a),
e=d%a)for(b=c;d+=fIbJ*a,fIbJ=d%--g,d/=g--,--b;d*=b);1
(bei gewissen Compilerprogrammen für C muß int a=10000
durch longint a=10000 ersetzt werden),

Das eIbe Programm in Basic:


DEFLNG a-g : DIM f (8401) AS LONG
a = 10000 : c = 8400
WHILE (b <> c)
f(b) = a \ 5 : b = b + 1
WEND
WHILE (c > 0)
g=2*c:d=0:b=c
WHILE (b > 0)
d = d + f(b) * a: g = g - 1 : f(b) = d MOD g
d=d \g:g=g-1 :b=b-l
IF (b <> 0) THEN d = d * b
WEND
c = c - 14 : x$ = STR$ (e + d \ a) : L = LEN (x$)
PRINT LEFT$ ("0000", 5 - L); RIGHT$ (x$, L - 1) ;
e =dMOD a
WEND
120
6. KAPITEL

Ich hatte diese Programme im Mai 1994 in einem Artikel in der


Zeitschrift Pour la Science vorgestellt (das erstgenannte war mir
von Eric Wegrzynowski mitgeteilt worden, der es im Internet gefun-
den hatte, das zweite ist eine von Philippe Mathieu angefertigte
Übersetzung). Damals hatte ich die Funktionsweise dieser Pro-
gramme nicht erläutert, weil sie mir unbekannt war. Einige Leser
schrieben mir und machten Lösungsvorschläge. Die besten Lösun-
gen kamen von Francis Dalaudier, Emmanuel Dimarellis, Francais
Balsalobre, Alain Despres, Robert Domain, Claude Chaunier, Gilles
Esposito-Farese, Jean-Paul Michel, Rene Manzoni und Daniel
Saada, der einen Artikel über dieses Verfahren zur 1t-Berechnung
verfaßte (vgl. Literaturverzeichnis). Ich danke den Genannten, denn
aufgrund ihrer Arbeit kann ich nun Erklärungen dafür geben, was
vorher wie ein Wunder anmutete. Nichts veranschaulicht den
Einfallsreichtum besser, der in gewissen Programmen zur 1t-Be-
rechnung in die Tat umgesetzt wurde.
Wir machen vorab darauf aufmerksam, daß es in gewissen
Sprachen Spezialbefehle gibt, die einen sofortigen Zugang zu einer
großen Anzahl von 1t-Dezimalen ermöglichen. Zum Beispiel gibt es
in der Sprache Maple (einem Computeralgebra-System, das sowohl
von Mathematikern als auch in der wissenschaftlichen Ausbildung
häufig benutzt wird) das aus einer Zeile bestehende Programm:

Das schnellste Programm zur An-


zeige von 10.000 rr-Dezimalen ist
das Programm, das eine Daten-
bank liest, in der sich diese Dezi-
malen befinden. Das wußten die
Mathematiker der Firma Maple
nur zu gut.
121
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON 1t

das augenblicklich eine Anzeige von 10.000 Dezimalen von 1t be-


wirkt. Seltsamerweise liefert das Programm

evalf(Pi,10001);

zwar 10.0011t-Dezimalen, jedoch erst nach einer unvergleichlich


viel längeren Rechenzeit. Der Grund hierfür läßt sich restlos auf-
klären. Zunächst enthält Maple in seinen eigenen Bibliotheken
Unterprogramme zur Berechnung von 1t, und es ist daher zwecklos,
eine Neuprogrammierung vorzunehmen (diese Unterprogramme
stützen sich auf Verfahren, die im nächsten Kapitel erläutert wer-
den). Außerdem wußten die Schöpfer von Maple, daß zahlreiche
Nutzer 100, 1000 oder sogar 10.000 1t-Dezimalen anfordern werden
und haben deswegen die ersten 10.000 Dezimalen von 1t explizit in
ein Unterprogramm geschrieben. Die Software begnügt sich damit,
diese Dezimalen auf Anforderung zu kopieren. Dieser Umstand ge-
stattet es ganz offensichtlich, den nicht allzu anspruchsvollen Ama-
teuren augenblicklich zu antworten. Darüber hinaus liefert dies
dann auch eine Erklärung für die Diskontinuität zwischen 10.000
und 10.001 (es kann natürlich sein, daß die Programmierer - um
mich Lügen zu strafen - in der nächsten Version von Maple 10.001
1t-Dezimalen explizit in das Programm schreiben und damit die
Diskontinuität verschieben).
Selbstverständlich interessiert uns hier die Berechnung von 1t ex
nihilo und «ohne zu mogeln», was von den bei den Programmen auf
Seite 119 geleistet wird. Aber wie?

Eine klug genutzte Reihe von Euler

Die genannten Programme verwenden eine auf Euler zurückge-


hende Reihe, der wir bereits in Kapitel 4 begegnet sind:

2 (1 1 1 x 2 1 x 2 x 3 1 x 2 x 3 x 4 ) ~ 1 x 2 x ... n
1t = + 3" + 3 x 5 + 3 x 5 x 7 + 3 x 5 x 7 x 9 + ... =2 L 1 x 3 x ... (2n + 1)
n=ü

Die Glieder der Reihe sind strikt positiv, und somit konvergiert
die Folge der Partialsummen von unten gegen 1t. Das Verhältnis
zweier aufeinanderfolgender Glieder ist kleiner als 1/2, so daß der
Fehler, der aus dem Anhalten beim n-ten Glied resultiert, kleiner als
das zuletzt verwendete Glied ist (wäre nämlich das Verhältnis
zweier aufeinanderfolgender Glieder gleich 1/2, dann würde der
Fehler gleich der unendlichen Summe a n /2 + aj2 2 + a n /2 3 + ... , also
gleich an sein). Möchte man also 1t mit einer Genauigkeit von n
122
6. KAPITEL

Dezimalen kennen, dann reicht es aus, log2 (Ion) '" 3,32 n Glieder zu
summieren.
Die Reihe von Euler konvergiert nicht sehr schnell. Sie konver-
giert sogar noch langsamer als die Methode des Archimedes, bei der
die Rechnungen jedoch komplexer sind (da man Quadratwurzeln
ziehen muß). Diese Reihe eignet sich gut für ein kurzes Programm,
das einige hundert Dezimalen liefert. Möchte man jedoch mehr
Dezimalen, dann ist die Reihe nicht mehr adäquat.
Die Rechnungen werden zur Basis 10.000 ausgeführt, und des-
wegen werden die Ziffern am Schluß der Rechnung in Vierergruppen
angezeigt. Hierdurch erklärt sich printf("%.4d") der Version in der
Sprache C. In der Sprache Basic kommt es beim Drucken zu einer
Schwierigkeit wegen der Unterdrückung der Nullen, die einer gan-
zen Zahl vorausgehen (zum Beispiel wird 21 nicht als 0021 ange-
zeigt, wie es wünschenswert wäre). Dies ist die Rechtfertigung für
PRINT LEFT$("OOOO", 5 - L) ; RIGHT$(x$, L - 1).
Das Programm berechnet 600 «Ziffern» zur Basis 10.000, was
2400 Dezimalziffern entspricht. Unter Benutzung der vorangehen-
den Relation bezüglich der Konvergenz der Reihe überprüft man,
daß die Anzahl der verwendeten Glieder (nach oben gerundet) durch
600 x 4 x 3,32 '" 8400 gegeben ist; diese Zahl erscheint in der ersten
Zeile des Programms. Aus dem gleichen Grund tritt der Wert 14 '" 4
x 3,32 in dem Teil des Programmes auf, der die Verschiebung zwi-
schen aufeinanderfolgenden Ziffern steuert. Die Ziffern werden in
einer mit f( ) bezeichneten Tabelle abgespeichert. Das Programm
hat eine Anfangsschleife, der sich eine Doppelschleife anschließt, die
die Rechnung und das Drucken ausführt.
Die in der Doppelschleife ausgeführte Rechnung entspricht der
gliedweisen Verarbeitung der Reihe, die in einer speziellen Form
geschrieben wird (im sogenannten Horner-Schema, das häufig ver-
wendet wird, um bei der Auswertung von Polynomen die Anzahl der
Multiplikationen zu beschränken):

10000 ( 1+"3
1 ( 1+ 2 ( 1+"7
10001t"'-5- 5 3 ( ... + 16799
8399 ))))

Mit dem Programm erhält man fortschreitend die richtigen


Ziffern des Anfangs von 1t, und diese werden auch sofort angezeigt.
Gleichzeitig benutzt es den nicht angezeigten Teil der Tabelle, um
eine Art Rest abzuspeichern, den es benötigt, um die nachfolgenden
Dezimalen zu bekommen: Wie wir zu Beginn des Kapitels gesehen
hatten, muß man von Anfang an mit einer Anzahl von Ziffern rech-
nen, die dieselbe Größenordnung hat wie die gewünschte Größen-
ordnung am Ende der Berechnungen.
123
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON TI:

Tröpfel-Algorithmen: TC in der Tabelle


Um die Struktur der von diesen Programmen ausgeführten
Rechnung besser zu verstehen, untersuchen wir nun eine «manu-
elle» Version, die ebenfalls eine explizite Methode der Berechnung
von 1t darstellt, und zwar unabhängig von allen Programmen. Man
kann diese Methode ebenso lernen wie die üblichen Verfahren der
Multiplikation oder Division per Hand, bei denen man die
Ziffernreihen zur Verfügung haben muß, oder wie das auf Seite 131
erwähnte Verfahren zum Quadratwurzelziehen.
Die bei dieser Methode der Berechnung von 1t benutzten Ideen
stammen von A. Sale, der sie 1968 zunächst zur Berechnung der
Zahl e verwendete. Die Adaption für die Berechnung von 1t wurde
1988 von Daniel Saada und unabhängig hiervon 1991 von Stanley
Rabinowitz angegeben. Wahrscheinlich kannte der Verfasser des
aus 158 Zeichen bestehenden und in C geschriebenen Programmes
den Artikel von Rabinowitz aus dem Jahre 1991. Gewisse Fein-
heiten (über die wir später sprechen) kommen bei der Fehler-
abschätzung ins Spiel, um zu gewährleisten, daß die gelieferten
Ziffern korrekt sind. Um die Berechnung von 1t weiter voranzutrei-
ben, müssen diese Ziffern apriori berücksichtigt werden. Die Ziffern
dürfen also nicht erst aposteriori berücksichtigt werden, indem man
durch Vergleichen mit einer anderen Rechnung feststellt, daß sich
der Algorithmus nicht irrt! Diese eingehende Analyse des Algo-
rithmus wurde 1995 von Stanley Rabinowitz und Stan Wagon
durchgeführt (vgl. Seite 124).
Durch sorgfältiges Umorganisieren der von dem Programm aus-
geführten Rechnungen gewinnt man ein Verfahren zur Berechnung
von 1t per Hand, das als «Tröpfe I-Algorithmus» bezeichnet wird. Ist
man ein guter Rechner, dann bekommt man mit diesem Verfahren
genauso viele 1t-Dezimalen wie Ludolph van Ceulen, der sich jahre-
lang in deren Berechnung verbissen hatte. Die Tröpfel-Algorithmen
für e und 1t wurden im Dezember 1995 von lan Stewart in der
Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft populärwissenschaftlich dar-
gestellt.
Um 1t mit dieser Technik zu berechnen, muß man wie bei einer
Division eine Reihe kleiner Rechnungen durchführen. Die Dezi-
malen kommen einzeln an, Tropfen für Tropfen. Das Ergebnis folgt
langsamer als bei einer Division, aber das Verfahren ist faszinie-
rend. Es ist amüsant, daß es erst vor kurzem entdeckt wurde.

Regeln zum Ausfüllen der Tabelle


• Initialisierung: (a) Man schreibt in Zeile A die Folge der ganzen
Zahlen und in Zeile B die Folge der ungeraden Zahlen; (b) die Zeile
124
6. KAPITEL

«Anfang» wird mit der Ziffer «2» ausgefüllt, und danach schreibt
man in der letzten Spalte in sämtlichen Zeilen «Übertrag» eine «0»
(die fett durch «0» gekennzeichnet ist); (c) Ausfüllen der ersten Zeile
«xl0» durch Multiplikation der vorangehenden Zeile mit 10.
• Ausgehend vom rechten Rand der Tabelle arbeiten wir uns nach
links vor, indem wir schrittweise die drei Zeilen «Übertrag»,
«Summe» und «Rest» der ersten Untertabelle ausfüllen: (a) Wir
bilden die Summe der Zahlen der Zeilen «xl0» und «Übertrag»; (b)
wir schreiben das Ergebnis in die Zeile «Summe»; (c) wir berech-
nen nun den Quotienten dieser Summe und derjenigen Zahl der
Zeile B, die sich in derselben Spalte befindet. Diese Operation
ergibt einerseits einen Rest, den wir in die Zeile «Rest» schreiben,
und andererseits einen Quotienten, den wir mit derjenigen Zahl
multiplizieren, die sich in Zeile A (derselben Spalte) befindet.
Hierdurch erhalten wir eine Zahl n, die wir in die Zeile «Übertrag»
der vorangehenden Spalte schreiben; (d) wir setzen das Verfahren
in analoger Weise fort und arbeiten uns nach links vor. Zu Beginn
haben wir 20 + 0 = 20; Division durch 25 liefert den Rest 20 und
den Quotienten O. Der Quotient ist demnach «0», und zwar drei-
mal nacheinander. Wenn wir dann nach Spalte 9 kommen, finden

A lt r 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
B 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25
Anfang 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
x 10 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20
Übertrag 10 12 12 12 10 12 7 8 9 0 0 0 0
Summe 3 30 32 32 32 30 32 27 28 29 20 20 20 20
Rest 0 2 2 4 3 10 1 13 12 1 20 20 20
Um mit dem Tröpfel-Algorithmus
n Ziffern von 1t zu erhalten, müs-
sen wir von einer Tabelle der x 10 0 20 20 40 30100 10130120 10 200 200 200
Größe 3,4 x N ausgehen und NUn- Übertrag 13 20 33 40 65 48 98 88 72 150132 96 0
tertabellen berechnen. Die rot ge-
kennzeichneten Zahlen veran- Summe 1 13 40 53 80 95 148108218192 160332296200
schaulichen einen Schritt beim Rest 3 1 3 3 5 5 4 8 5 8 17 20 0
Ausfüllen der ersten Untertabelle.
In Spalte 9 tragen wir 20 + 0 = 20 x 10 30 10 30 30 50 50 40 80 50 80170200 0
in die Zeile "Summe» ein. Diese
Zahl wird nun durch die Zahl B in Übertrag 11 24 30 40 40 42 63 64 90 120 88 0 0
derselben Spalte, also durch 19 Summe 4 41 34 60 70 90 92 103 144 140 200 258 200 0
dividiert. Wir schreiben den bei
der Division entstehenden Rest 1 Rest 1 1 0 0 0 4 12 9 4 10 6 16 0
in die Zeile "Rest». Der Quotient,
der ebenfalls gleich 1 ist, wird mit x 10 10 10 0 0 0 40120 90 40100 60160 0
der Spaltennummer multipliziert,
was 9 ergibt. Wir übertragel! die- Übertrag 4 2 9 24 55 84 63 48 72 60 66 0 0
ses Produkt in die Zeile "Uber- Summe 1 14 12 9 24 55124 183138 112160126160 0
trag» von Spalte 8 und fangen in
dieser neuen Spalte mit denselben Rest 4 0 4 3 1 3 1 3 10 8 o22 0
Operationen von vorn an.
125
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON 1t

wir, daß 20 dividiert durch 19 den Rest 1 und den Quotienten 1lie-
fert; dessen Multiplikation mit 9 ergibt 9. Anschließend liefert 9 +
20 die Zahl 29, die nach Division durch 17 den Rest 12 und den
Quotienten 1 ergibt. Multiplizieren wir diesen Quotienten mit 8,
dann erhalten wir 8, und daher ist die folgende Summe gleich
28usw.
• Ist die erste Untertabelle ausgefüllt, dann finden wir die erste
Ziffer von 1t, also 3, indem wir eine Ziffer der in Spalte r stehenden
Zahl streichen.
• Um die zweite Ziffer von 1t zu bekommen, füllen wir zunächst die
Spalte «x10» der zweiten Untertabelle aus, indem wir die Zeile
«Rest» der ersten Untertabelle mit 10 multiplizieren. Wir beginnen
wieder von rechts und füllen wie zuvor sämtliche Felder der zweiten
Untertabelle aus. Ist diese ausgefüllt, dann finden wir die zweite
Ziffer von 1t, indem wir eine Ziffer der in Spalte r stehenden Zahl
streichen.
• Um n Ziffern von 1t zu bekommen, muß man eine aus 3,32 x n
Spalten bestehende Tabelle mit «2» initialisieren (die Anzahl der
Spalten wird nach oben gerundet). In unserem Beispiel müssen wir
anhalten, sobald wir drei Dezimalen von 1t erreicht haben. Eine
erhaltene Ziffer ist nur dann garantiert exakt, wenn ihr eine von 9
verschiedene Ziffer folgt. Außerdem findet man mitunter die «Ziffer»
10 (wenn sich in der Spalte r eine Zahl befindet, die größer als 100
ist). In diesem Fall müssen wir die vorhergehende Ziffer von 1t modi-
fizieren, indem wir sie um eine Einheit vergrößern. Zum Glück pas-
siert das selten. Gehen wir von einer Tabelle aus, bei der in der Zeile
«Anfang» 116mal die «2» steht (was für 35 Dezimalen reicht), dann
finden wir die Ziffer «4» in der 32. Untertabelle und danach die Ziffer
<<10» in der 33. Untertabelle, was dazu führt, daß die vorangehende
<<4» in eine «5» korrigiert werden muß.

Rechnung zu variablen Basen

Eine Interpretationsmöglichkeit der beim Tröpfel-Algorithmus


durchgeführten Rechnungen besteht darin, den Begriff der varia-
blen Basis zu betrachten.
Die Zahl 1t zur Basis 10, das heißt zur konstanten Basis
d = [1/10, 1110, 1/10, ... ], wird in der Form 1td [3; 1, 4, 1, 5, ... ]
geschrieben, denn wir haben
126
6. KAPITEL

Nun hatten wir früher bereits gesehen, daß sich die Eulersche
Reihe in folgender Form schreiben läßt:

In Verallgemeinerung der vorangehenden Schreibweise sagen


wir, daß sich die Zahln zur variablen Basis b = [113, 2/5, 3/7, 4/9, ... ]
in der Form nb = [2; 2, 2, 2, ... ] schreiben läßt.
In diesem Kontext ist der Tröpfel-Algorithmus nichts anderes
als der Konvertierungsalgorithmus, der die zur Basis b geschriebene
Zahln in die zur Basis d geschriebene Zahln überführt. Und dies ist
die Erklärung für diese Konvertierung: Es sei n' die Partialsumme
der 13 ersten Glieder der Eulerschen Reihe für n. Wir sehen, daß die
erste Zeile der Tabelle, das heißt (2, 2, 2, ... ), der Zahl rr in der
Schreibweise zur Basis b entspricht.
Wir erhalten die erste Zeile der ersten Untertabelle, wenn wir
jede Ziffer von rr zur Basis b mit 10 multiplizieren; diese Zeile ent-
hält demnach einen Ausdruck von 10rr zur Basis b. Dieser Ausdruck
ist jedoch nicht «normalisiert», denn einige seiner «Ziffern» sind
größer als die Nenner der Brüche zur variablen Basis b. Das ist
genau so, als ob man zur Basis 10 jede Ziffer der Zahl 453 ohne
Vorsichtsmaßregeln mit 5 multiplizieren würde und dadurch [20 25
15] erhält. Um die «normalisierte» Schreibweise 2265 zu bekommen
(die ausschließlich die Ziffern 0 bis 9 benutzt), müssen wir [20 2515]
konvertieren, indem wir von der letzten «Ziffer» ausgehen und die
Überträge von rechts nach links vornehmen. Von der 15 behalten
wir die 5 bei und fügen zur folgenden (linksstehenden) «Ziffer» 25
den Übertrag 1 hinzu, was eine 6 und den Übertrag 2 ergibt usw. Die
Arbeit, die man beim Ausfüllen der ersten Untertabelle verrichtet,
entspricht exakt dieser Neuschreibung in normalisierter Form zu
der speziellen Basis
[1/3,2/5,3/7,419, ... ].
Die ganze Zahl 30 steht am Anfang dieser normalisierten Form
von IOrr, und das bedeutet, daß rr mit 3 beginnt. Die letzte Zeile der
ersten Untertabelle enthält demnach die Zahl IOn' - 30 = 1,415 ...
zur Basis b. In der nachfolgenden Untertabelle wird die Zahl
10 (IOn' - 30) = 100n' - 300 in die Normalform zur Basis b überführt.
Diese Zahl beginnt mit 13, und das bedeutet, daß bei n' die erste
Dezimale nach dem Komma eine «1» ist usw. Insgesamt bedeutet die
Berechnung der Untertabellen nichts anderes, als die ursprünglich
zur Basis b geschriebene Zahln' in die Basis 10 zu konvertieren.
Tröpfel-Algorithmen verwenden (wie auch die früher angegebe-
nen Programme, die deren Übersetzung sind) nur ganze Zahlen von
127
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON 1t

annehmbarer Größe (wenn man nicht allzu ehrgeizig ist). Zum


Beispiel reichen ganze Zahlen der Länge 10 aus, um 1000 Dezimalen
von 1t zu bekommen. Diese Eigenschaft ist nichts Besonderes, denn
sie ist der Mehrzahl der Algorithmen zur Berechnung von 1t gemein-
sam; diese Algorithmen reprogrammieren die Algorithmen der
Addition und der Multiplikation und benutzen deswegen definitiv
nichts anderes als ganze Zahlen. Ein ganzer Mechanismus von Über-
trägen ist in den Tröpfel-Algorithmen präsent, die auf ihre Weise
(und sehr elegant) auch eine Arithmetik zwischen großen Zahlen re-
programmieren; tatsächlich reprogrammieren sie die Konvertierung
der Arithmetik zur Basis b in die Arithmetik zur Basis 10.
Abschließend sei bemerkt, daß die Tröpfel-Algorithmen ein
glücklicher Fund sind, der es gestattet, einerseits kurze Programme
zur Berechnung von 1t zu schreiben, und andererseits per Hand eine
ansprechende Berechnung von 1t durchzuführen. Jedoch stellen sie
keinen Fortschritt im Vergleich zu dem dar, was im Jahre 1974 exi-
stierte, denn:
- bevor man beginnt, muß man wissen, wie weit man gehen möchte;
entscheidet man sich dafür, in der Folge der 1t-Dezimalen weit nach
draußen zu gehen, dann muß man von Anfang an lange Rechnungen
durchführen (man darf nicht erst unterwegs beschließen, wie viele
Tropfen man haben will!).
- zur Berechnung von n 1t-Dezimalen benötigen die Tröpfel-
Algorithmen einen Speicherplatz, dessen Größe proportional zu n
ist, also zur Differenz der aus der Formel von Bailey-Borwein-
Plouffe abgeleiteten Algorithmen, die wir in Kapitel 8 beschreiben.
- die zur Berechnung von n Dezimalen von 1t benötigte Rechendauer
ist proportional zu n 2 (oder sogar zu n 2 x In (n)). Vor 1974 waren alle

Tropfen für Tropfen erzeugt die


Tröpfel-Algorithmus-Maschine die
Dezimalen von 11.
128
6. KAPITEL

zur Berechnung von n verwendeten Algorithmen so beschaffen.


Greift man jedoch auf die Schnellmultiplikation zurück, dann kann
man viel Zeit sparen, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.
Wir machen abschließend auf folgende Formel aufmerksam, die vor
einigen Jahren von William Gosper bewiesen wurde und die zu
einem Tröpfel-Algorithmus führen könnte, der effizienter als der
vorangehende ist.

n-3 ~(8 2x3 (13


- + 60 + 7 x 8 x 3
3x5
+ 10 x 11 x 3
(18 4x7
+ 13 x 14 x 3 ...
(l)))

Beschleunigung der Konvergenz

Tatsächlich ergibt sich die für die Tröpfel-Algorithmen


benutzte Eulersche Reihe aus der Anwendung einer Methode der
Konvergenzbeschleunigung auf die schrecklich langsame Reihe
von Madhava-Gregory-Leibniz. Es handelt sich hierbei um ein
schönes Beispiel für eine Technik, über die wir einige Bemer-
kungen machen wollen. In der numerischen Analysis versucht man
nicht nur, die Zahl 1t zu berechnen; häufig begegnet man auch
numerischen Folgen, deren Grenzwert man ermitteln möchte.
Deswegen hat man nach Verfahren gesucht, mit denen sich lang-
sam konvergierende Folgen in Folgen transformieren lassen, die
schneller konvergieren. Die Mathematiker haben zahlreiche
Beschleunigungsverfahren gefunden. Wir begnügen uns hier mit
der Vorstellung eines solchen Verfahrens, das gleichzeitig einfach
und effizient ist.
Das von dem Mathematiker und Rechenkünstler Alexander
Aitken im Jahre 1929 erfundene delta-2-Verfahren besteht darin,
daß man ausgehend von einer Folge XIV die man beschleunigen
möchte, eine neue Folge t n (für n ~ 2) mit dem allgemeinen Glied
2
X n X n- 2 -Xn- 1
t =----:::-----
n Xn - 2x n- 1 + Xn- 2

definiert, die denselben Grenzwert wie die Folge der X n hat. Diese
Formel läßt sich anwenden, sobald man mehr als drei aufeinander-
folgende Glieder x n-2' Xn-l und X n der zu beschleunigenden Folge hat.
Wendet man das delta-2-Verfahren von Aitken auf die Reihe von
Madhava-Gregory-Leibniz an, deren Konvergenz besonders lang-
sam ist (x500 = 3,14 35 - nur zwei Dezimalen sind exakt!), dann
erhält man eine neue Folge t m die sehr viel schneller konvergiert:
129
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON 1t

t2 = 3,1 666
t lO = 3,141 396
t 50 = 3,14159 465
t 500 = 3,14159265 559
In diesem Spezialfall zeigt man, daß ab einer gewissen Stelle der
durch t n verursachte Fehler zehnmal kleiner ist als der von X n verur-
sachte Fehler. Geht man etwas weiter hinaus, dann wird der Fehler
100mal kleiner, geht man noch etwas weiter, dann wird er lOOOmal
kleiner usw. Mit anderen Worten: die Größe (rt-t n )/ (rt-x n ) strebt
gegen Null, wenn n gegen unendlich geht. Dies ist die exakte
Definition der Redeweise, daß «die Folge t n die Konvergenz der Folge
x n beschleunigt».
Die Methode von Aitken stützt sich auf eine einfache Idee, die
wir nun erläutern wollen, weil sie für Beschleunigungsverfahren
charakteristisch ist. Das delta-2-Verfahren von Aitken wird so modi-
fiziert, daß es sich auf geometrische Folgen anwenden läßt, also auf
Folgen der Form L + a x bn : ist I b I kleiner als 1, dann konvergiert
diese Folge gegen L, denn bn wird immer kleiner, wenn sich n
vergrößert. Ist die zu beschleunigende Folge tatsächlich eine geome-
trische Folge, dann liefert das Verfahren unmittelbar den Grenzwert
L, sobald drei aufeinanderfolgende Glieder verfügbar sind. Gewiß
tritt dieser Fall niemals ein, denn die untersuchten Folgen sind
komplizierter. Wenn aber die betrachtete Folge einer geometrischen
Folge hinreichend ähnelt, wie etwa im Falle der Reihe von
Madhava-Gregory-Leibniz, dann führt das Verfahren zu einer Be-
schleunigung der Konvergenz. Das allgemeine heuristische Prinzip
lautet folgendermaßen:
«Wenn es mit dem Erraten des Grenzwertes nicht funktioniert,
dann versuche man es mit einer Methode der Konvergenzbe-
schleunigung».
Das ist eine äußerst einfache Idee, die auf erstaunliche Weise
funktioniert. Es kommt nämlich gar nicht so selten vor, daß eine
numerische Folge einer geometrischen Folge hinreichend ähnelt.
Aber was bedeutet «hinreichend»? Eines der beim delta-2-Verfahren
erhaltenen Ergebnisse präzisiert diese Bedingung: Bezeichnet man
als «Abweichungs»-Glied die Differenz zweier aufeinanderfolgender
Glieder der Folge x", dann beschleunigt die durch das delta-2-
Verfahren von Aitken erhaltene Folge die Folge x n (im oben darge-
legten Sinne), falls die Folge der Verhältnisse zweier aufeinanderfol-
gender Abweichungen gegen einen von Null verschiedenen
Grenzwert konvergiert, der zwischen -1 und + 1 liegt.
Kurz gesagt: Ist X n konvergent mit dem Grenzwert L und kon-
vergiert (x n+2 - Xn+l) (xn+c x n) gegen eine Zahl b cf- 0 mit -1 :;; b < 1
130
6. KAPITEL

(die Konvergenz von x n wird in diesem Fall als linear bezeichnet),


dann strebt (L - tn)j(L - x n ) gegen Null. Die Reihe von Madhava-
Gregory-Leibniz besitzt effektiv eine lineare Konvergenz, und so
war es ganz normal, daß sie durch das Aitkensche delta-2-Verfahren
beschleunigt wird.
Man hat eine Reihe weiterer Eigenschaften dieser scheinbar ein-
fachen Formel bewiesen. Insbesondere wurde bewiesen, daß das
delta-2-Verfahren von Aitken optimal für die Beschleunigung von
Folgen mit linearer Konvergenz ist. Das exakte Resultat lautet
folgendermaßen:
• Es gibt keine einfachere algebraische Formel, die die Konvergenz
aller Folgen mit linearer Konvergenz beschleunigt, und
• es gibt keine Methode, die x n in t n überführt, und keine Zahl E > 0
mit der Eigenschaft, daß IL - t n I j IL - x n IIH für jede Folge mit linea-
rer Konvergenz gegen 0 strebt. Das bedeutet, daß sich die durch das
delta-2-Verfahren gegebene Beschleunigungsrate 1 nicht auf l+E
verbessern läßt.
So interessant die Verfahren der Konvergenzbeschleunigung
auch sein mögen, sind sie dennoch mitunter außerstande, sämtliche
Konvergenzprobleme zu lösen. In sehr speziellen Fällen, wie zum
Beispiel bei der Berechnung von 1t, ist es oft interessanter, auf direk-
tem Wege ein schnell konvergierendes Verfahren zu finden, als ein
langsam konvergierendes Verfahren zu wählen und dieses dann zu
beschleunigen. Gewisse negative Ergebnisse liefern übrigens eine
Erklärung dafür, warum man durchaus nicht alles von den
Beschleunigungstransformationen erwarten darf.
Hier sind zwei dieser Ergebnisse. Das erste zeigt, daß sich lang-
sam konvergierende Folgen nur auf exzeptionelle Weise beschleuni-
gen lassen. Das zweite zeigt, daß dies auch bei sehr schnell konver-
gierenden Folgen der Fall ist.
• Eine Folge mit dem Grenzwert L heißt logarithmisch konvergent,
wenn bei Vergrößerung von n das Verhältnis (L - x n+l)j(L - x n ) der
Fehler zweier aufeinanderfolgender Glieder gegen 1 strebt. Je wei-
ter man bei einer derartigen Folge nach «draußen» geht, desto
langsamer kommt man voran. Man kennt viele Folgen mit logarith-
mischer Konvergenz, die sich durch das eine oder andere Verfahren
beschleunigen lassen. Man hat sogar gehofft, für die Folgen mit
logarithmischer Konvergenz ein universelles Verfahren zu finden.
Sind diese Folgen nämlich alles in allem langsam, dann müßte es
doch möglich sein, sie ein wenig zur Eile anzutreiben?! Dieser
Traum ist jedoch verflogen, denn es wurde bewiesen, daß keine
Transformation von Folgen für die Beschleunigung sämtlicher
Folgen mit logarithmischer Konvergenz effizient ist. Mit anderen
Worten: Sie dürfen hoffen, gewisse Folgen mit logarithmischer Kon-
131
DIE PRAKTISCHE BERECHNUNG VON n

vergenz zu beschleunigen, aber Sie dürfen niemals hoffen, alle diese


Folgen mit ein und demselben Verfahren zu beschleunigen. Die
Folgen mit logarithmischer Konvergenz sind so zahlreich und hinter
ihrer scheinbaren Regelmäßigkeit weisen sie ein derart unkontrol-
liertes und verschiedenartiges Verhalten auf, daß sie sich durch kein
Verfahren jemals einer globalen Beherrschung unterwerfen werden .
• Das andere Ergebnis bezieht sich auf die Folgen, bei denen das
Verhältnis der Fehler zweier aufeinanderfolgender Glieder gegen
Null strebt. Das sind Folgen, die immer schneller konvergieren.
Die durchschnittliche Anzahl der bei jeder Iteration gewonnenen
Ziffern nimmt ständig zu. Man könnte meinen, daß eine
Beschleunigung derartiger Folgen keinen Zweck hat ... wie sich
herausstellt, ist dies sogar unmöglich! Wie im Falle der Folgen mit
logarithmischer Konvergenz wurde bewiesen, daß kein Beschleu-
nigungsverfahren sämtliche Folgen beschleunigen kann, bei denen
das Verhältnis der Fehler zweier aufeinanderfolgender Glieder
gegen Null strebt.
Das Prinzip dieses Unmöglichkeitsbeweises ist das mathemati-
sche Analogon einer Tigerjagd: Man konstruiert eine Falle für das
Beschleunigungsverfahren, dessen Existenz man annimmt (und das
etwa die Kraft hätte, sämtliche Folgen mit logarithmischer
Konvergenz zu beschleunigen). Zu diesem Zweck gibt man gewisse
spezielle Folgen vor und hält deren Verhalten fest. Nach einiger Zeit
weiß man genug über die «Gewohnheiten» dieser Folgen und braut
eine Folge zusammen, deren Beschleunigung unmöglich ist. Als wei-
teres negatives Resultat hat man gezeigt, daß die Vereinigung
zweier beschleunigungsfähiger Familien nicht zwangsläufig
beschleunigungsfähig ist. Das beweist, daß die Verfahren zur Zu-
sammensetzung von Beschleunigungsalgorithmen nicht immer mit
Erfolg zu einer Synthese der guten Eigenschaften der Komponenten
führen.
Bezüglich aller dieser Fragen sei auf die im Literaturverzeichnis
angegebenen Bücher von Claude Brezinski oder auf meine Arbeit
über Transformationen von Folgen verwiesen; letztere ist insbeson-
dere den sogenannten Limitierungsresultaten gewidmet.

Anhang: Quadratwurzelziehen
Es gibt ein Verfahren zum Quadratwurzelziehen, das sich wie
eine Art Divisionsverfahren schreiben läßt und es gestattet,
Quadratwurzeln sowohl per Hand als auch per Computer mit belie-
biger Genauigkeit zu berechnen. Bevor wir uns im nächsten Kapitel
eine andere Methode des Quadratwurzelziehens ansehen, wollen
132
6. KAPITEL

wir uns hier nun zum Vergnügen dieses alte und schöne Verfahren
in Erinnerung rufen.
Das besagte Verfahren führt die Bestimmung der Quadrat-
wurzel einer ganzen Zahl der Länge n auf ungefähr n/2 Multi-
plikationen einer langen und einer kurzen Zahl zurück. Das Ver-
fahren eignet sich nicht für sehr große Rechnungen, es sei denn,
man nimmt eine Umgruppierung der verschiedenen Zwischen-
multiplikationen vor: In diesem Falle ist es jedoch einfacher, das im
nächsten Kapitel erläuterte Verfahren von Newton mit einer zusätz-
lichen Schnellmultiplikation anzuwenden. Die hier geschilderte
Methode erweist sich dagegen für Rechnungen mittleren Umfangs
(bis zu einigen Millionen Dezimalen) als nützlich. Die Program-
mierung dieser Rechnungen erfolgt auf der Grundlage der im näch-
sten Kapitel vorgestellten Formeln von EugEme Salamin und
Richard Brent.
Von rechts beginnend teilen wir zunächst die Zahl, deren
Quadratwurzel wir suchen, in Zifferngruppen zu je zwei Ziffern ein.
Danach betrachten wir die erste linksstehende Zifferngruppe und
suchen die größte ganze Zahl x, deren Quadrat kleiner als diese
Zifferngruppe ist. Im obigen Beispiel istx = 9, denn 9 x 9 = 81 ist das
größte Quadrat, das kleiner als 89 ist. Nach Subtraktion erhalten
wir 8. Nun holen wir zwei weitere Ziffern herunter und bekommen
841. Wir suchen jetzt die größte ganze Zahl y mit der Eigenschaft,
daß [2x] y x y (das heißt, man setzt die Ziffer y neben das Produkt 2x
und multipliziert das Ergebnis mit y) kleiner als 841 ist. Hier geht
y = 5 nicht, denn 185 x 5 = 925 ist zu groß. Hingegen geht y = 4, denn
es gilt 184 x 4 = 736. Das Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis wir
alle aus zwei Ziffern bestehenden Zifferngruppen heruntergeholt
haben.

r---1 r---1 r---1 r---1 x Y z t


89415213 9455
9 x 9 [x x x] _ - 8 1
841
184 4 [(2 x x) y y] _ - 736
1 0 552
1885 5 [(2 x xy) z z] _ - 942 5

1 127 1 3
18905 5 (2 x xyz) t 1- -94525

18188

Man erhält 9455 x 9455 + 18188 =89 415 213


und 9455 <V89 415213 < 9456
Lebendige
Mathematik
Wie man eine Milliarde
Dezimalen erreicht

Wollen wir weiler voran 'chreiten, lohnt es sich, ein wenig nachzudenken, ehe wir zu Bleistift
und Papier greifen oder unseren Computer anstellen. Dieses Nachdenken über 1t hat sich im
Laufe der Letzten 25 Jahre als nützlich erwie ·en. Allgemein akzeptierte elbstverständ-
lichkeiten müssen revidiert werden. Eine eingehendere Unter.·uchung zeigt entgegen allen
Encartungen, daß die übliche Multiplikation nicht das effizienteste Verfahren ist und daß sie
bei umfangreichen Rechnungen durch ein komplexeres und leistungsfähigeres Verfahren er. etzt
werden muß, das neu zu konzipieren und zu progral7unieren ist. Außerdem erzielt man unter
Berücksichtigung der Lange Zeit unverstandenen Ideen des indischen Mathematikers rinivasa
Ramallujan eine merkliche Verbesserung der arctan-Formeln, die eine fast .'3 Jahrhunderte
li'ährende Herrschaft über n ausübten. Zu den theoretischen Fortschritten kam die außer-
ordentliche Vervollkommnung der Rechner lind der oftware hinzu. Durch sie erlangten die
Mathematiker und Informatiker Erkenntnisse über die Zah/n, die über aller.; hinausgehen. was
man für möglich gehalten hätte.

Von einer Million zu einer Milliarde:


40 Jahre oder weniger?

Bis zum Jahre 1973 besaßen die besten Verfahren zur Berech-
nung von 11: (ganz gleich, ob sie sich auf arctan-Reihen oder andere
Reihen stützten) folgende Eigenschaft: Um die Zahl n der erhalte-
nen Dezimalen zu verdoppeln, muß man doppelt so lange ganze
Zahlen miteinander multiplizieren, und dies führt unter Ver-
wendung des üblichen Multiplikationsalgorithmus (das heißt des
Schulalgorithmus) zu einer Vervierfachung der Anzahl der ele-
mentaren Rechnungen - denken Sie nur an die bei der Aus-
führung der Rechnungen verwendete Tabelle, die sowohl «breiter»
als auch «tiefer» wird. Da sich gleichzeitig die Anzahl der bei den
134
7. KAPITEL

Reihen zu berücksichtigenden Glieder erhöht, vergrößert sich die


Komplexität (ausgedrückt durch die Anzahl der elementaren
Operationen) um mehr als das Vierfache. Man sagt, daß die
Komplexität dieser Algorithmen größer als n 2 ist. Meistens hat sie
die Größenordnung n 2 x In n.
Die Tröpfel-Algorithmen des vorangehenden Kapitels sind
zwar jüngeren Datums, aber ihre Komplexität hat ebenfalls min-
destens die Größenordnung n 2 x In n. Um sich hiervon zu überzeu-
gen, reicht die Einsicht aus, daß sich einerseits die Breite der
Tabelle und die Anzahl der Untertabellen proportional zur Anzahl
der gewünschten Dezimalen erhöht und daß andererseits die
Länge der am Schluß der ersten beiden Zeilen stehenden Zahlen
proportional zu In n zunimmt. Dies führt bei den elementaren
Rechnungen zum Ausfüllen eines Feldes zu einer Arbeitszu-
nahme, die mindestens zu In n proportional ist. Und sie ist in der
Tat proportional zu On n)2, falls man sich mit einer einfachen
Programmierung zufriedengibt.
Insgesamt hätte man zum Übergang von einer Million Dezi-
malen zu einer Milliarde Dezimalen, also zum Erreichen des Fak-
tors 1000, Rechner zur Verfügung haben müssen, die eine Million
(das heißt 1000 x 1000) Male leistungsfähiger sind, was 20 Ver-
doppelungen der Leistungsfähigkeit entspricht (denn 2 20 =
1.048.576).
Nach dem 1965 formulierten und danach beinahe verifizierten
Gesetz von Moore verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Rech-
ner alle 18 Monate (diese Leistung wird durch die Anzahl der
Transistoren gemessen, die man auf einem Quadratmillimeter
eines Chips unterbringen kann). Nehmen wir an, daß dieses empi-
rische Gesetz auch in den kommenden Jahren seine Gültigkeit
behält. Unter dieser Voraussetzung, also unter ausschließlicher
Berücksichtigung der zunehmenden Leistungsfähigkeit der
Rechner, wären 30 Jahre notwendig gewesen, um von einer
Millionen Dezimalen (die im Jahre 1973 erreicht wurden) zu einer
Milliarde Dezimalen von 1t zu gelangen. Man hätte demnach bis
zum Jahre 2003 warten müssen.
Aus ökonomischen (aber auch aus fundamentalen physikali-
schen) Gründen ist es zweifelhaft, daß das Mooresche Gesetz seine
Gültigkeit behält: die Entwicklungskosten für Mikroprozessoren
verdoppeln sich - nach dem Rockschen Gesetz - alle vier Jahre,
und die Investitionen sind bereits so hoch, daß sie nicht im gegen-
wärtigen Rhythmus fortgesetzt werden können. Außerdem hat es
den Anschein, daß das Mooresche Gesetz bereits heute zu optimi-
stisch ist. Hans Moravec hat die Entwicklung der Rechenlei-
stungen sorgfältig untersucht und kam zu folgendem Schluß: Die
135
LEBENDIGE MATHEMATIK

Leistungsfähigkeit der Rechner multipliziert sich alle 20 Jahre


mit 1000, das heißt, sie verdoppelt sich alle zwei Jahre.

Zusammenfassend gesagt: Um unter dem Aspekt der Rechner-


entwicklung eine Milliarde Dezimalen von 1t zu erreichen, hätten
wir auf 20 Verdoppelungen der Leistungsfähigkeit warten müs-
sen. Das sind unter der obigen realistischeren Annahme fast 40
Jahre, womit wir in die Umgebung des Jahres 2010 gelangten.
Dennoch erreichten die Brüder Gregory und David Chud-
novsky bereits 1989 die milliardste Dezimale. Wir erläutern in
diesem Kapitel, wieso es möglich war, etwa zwanzig Jahre einzu-
sparen. Zuvor wollen wir jedoch versuchen, uns eine Vorstellung
der Größenordnung von einer Milliarde Dezimalen zu verschaffen:

• Schreibt man auf ein Band pro Millimeter eine Ziffer, die dann
sehr klein und gerade noch lesbar ist, dann müßte das Band eine
Länge von einem Kilometer haben, um die Million Dezimalen von
J. Guilloud und M. Bouyer darauf unterzubringen, aber man
brauchte 1000 Kilometer, um die Milliarde Dezimalen der Brüder
Chudnovsky aufzuschreiben .
• Ein Werk von 400 Seiten zuje 50 Zeilen mit je 50 Schriftzeichen
enthält insgesamt eine Million Schriftzeichen. Hätten die Brüder
Chudnovsky ihre Dezimalen in Buchform herausgeben wollen,
dann hätten sie mit einem Schlag 1000 Bände veröffentlichen
müssen (was ein weiterer Rekord gewesen wäre!). Würde es ein
Wahnsinniger auf sich nehmen, jeden Tag einen Band zu lesen,
dann würde er für alle Bände drei Jahre benötigen.

Wir wollen noch festhalten, daß die Anzahl der «Buchstaben»


des menschlichen Genoms auf ungefähr drei Milliarden geschätzt
wird. Dem Menschen ist es mit Mühe gelungen, Rechnungen des
gleichen Umfangs durchzuführen, wie sie von der biologischen
«Maschine» unseres Körpers in jeder Sekunde Millionen Male rea-
lisiert werden, da jede Zellteilung eine Verdoppelung der geneti-
schen Information erfordert. Wir befinden uns in einer bemerkens-
werten Phase. Es kann übrigens sein, daß die relative
Erfolglosigkeit der Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der künst-
lichen Intelligenz auf die schwachen Rechenkapazitäten unserer
Rechner im Vergleich zum Neuronensystem des menschlichen
Gehirns zurückzuführen ist. Unsere Technik beginnt vermutlich
gerade erst jetzt, den Rückstand aufzuholen. Diese Auffassung
wurde 1988 von H. Moravec vertreten, der auch die Prognose
gemacht hat, daß die Informatik die Leistungfähigkeit des mensch-
lichen Neuronensystems um das Jahr 2020 erreichen wird.
136
7. KAPITEL

Wie spart man 20 Jahre ein?

Wie war es möglich, beim Wettlauf um eine Milliarde Dezimalen


20 Jahre einzusparen? Ganz einfach - dank der Mathematik. Es
wurden neue Formeln und Verfahren zur Berechnung von
Produkten großer ganzer Zahlen entdeckt. Der auf diese Weise
erzielte mathematische Fortschritt fällt übrigens mehr ins Gewicht
als die Berechnung der Dezimalen von 1t. Wir hatten ja bereits
bemerkt, daß diese Dezimalen an sich nicht viel bringen.
Die neuen Verfahren zur Bestimmung von 1t lassen sich auf die
Berechnung von trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen
verallgemeinern und gestatten die Ausarbeitung effizienterer
Algorithmen und Schaltungen. Diese innovativen Entwicklungen
erweisen sich in der Computergraphik und insbesondere bei der
Synthese und Analyse von Bildern als nützlich. Die schönen compu-
tererzeugten Filmsequenzen, die man heute überall sieht, die medi-
zinischen Untersuchungsinstrumente und die Geräte zur medizini-
schen Bilderzeugung sind ebenso wie gewisse Verfahren der
Datenkomprimierung indirekte Ergebnisse von Forschungen der
Stellenjäger von 1t. Das allgemeine mathematische Verständnis für
die bei der Berechnung von 1t aufgeworfenen Probleme hat eine
Verbesserung sämtlicher Verfahren zur Berechnung mathemati-
scher Funktionen zur Folge und ist - allgemeiner gesprochen - Teil
einer Bewegung zur tiefgreifenden Algorithmisierung der Mathe-
matik mit zahlreichen praktischen Auswirkungen.

Schnelle Multiplikation
Multipliziert man zwei Zahlen mit Hilfe des in der Schule ge-
lernten Verfahrens, dann nimmt bekanntlich die Länge der Rech-
nung mit der Größe der Zahlen zu. Wir hatten auch bereits festge-
stellt, daß diese Inflation an Rechnungen rasch besorgniserregend
wird: Verdoppelt man nämlich die Größe der Zahlen, dann vervier-
facht sich die Rechenzeit, und multipliziert man die Größe der
Zahlen mit 10, dann multipliziert sich die Rechenzeit mit 100. Die
übliche Multiplikation erfordert einen zu n 2 proportionalen
Arbeitsaufwand. Mit anderen Worten: Die für eine Rechnung erfor-
derliche Zeit oder die Anzahl der vom Rechner während des Rechen-
vorganges ausgeführten elementaren Operationen ist annähernd
Cn 2 (wobei C eine Konstante ist, mit der wir uns hier nicht befassen,
die aber offensichtlich nicht ohne Bedeutung ist).
Erstaunlicherweise gibt es Verfahren zur Berechnung des Pro-
duktes zweier Zahlen, bei denen sich die Rechendauer mit zuneh-
137
LEBENDIGE MATHEMATIK

mender Größe der Zahlen nicht so schnell erhöht. Verwendet man x 1.58
x x2
diese Verfahren im Falle umfangreicher Multiplikationen, dann las- 1 1 1
sen sich ganz erhebliche Einsparungen an Arbeit und Zeit erzielen.
10 38,02 100
A. Karatsuba hat wohl als erster entdeckt, daß man es besser
machen kann als mit dem traditionellen Algorithmus. Er hatte 1962 100 1445,44 104
festgestellt, daß sich eine ganze Zahl der Größe 2k in der Form 1000 54,9 x 103 106
a + blük schreiben läßt, wobei a und b zwei ganze Zahlen der Größe k 106 30,2 x loB 10 12
sind, und daß sich das Produkt zweier ganzer Zahlen der Größe 2k
109 1S,S x 10 13 10 18
folgendermaßen ausdrücken läßt:
(a + blOk)(e + d10 k) = ae - [Ca - b)(e - d) - ae - bd]10k + bd10 2k 10 12 91 .2 x 10 17 1024
Multipliziert man zwei ganze Zahlen der Größe 1000, dann führt
diese Identität die Rechnung auf drei (anstelle von vier) Multipli- x x In(x) x In(x) In(ln{x))
kationen ganzer Zahlen der Größe k =500 zurück (die Produkte ae, 1 0 0
(a-b)(e-d) und bd) plus Verschiebungen und Additionen. Wendet 10 23,02 19,20
man dieses Prinzip rekursiv an, das heißt, führt man jede Multi- 100 460,51 703,29
plikation ganzer Zahlen der Größe 500 auf drei Multiplikationen von
1 000 6 907,75 13350,23
ganzen Zahlen der Größe 250 zurück und danach jede Multiplika-
tion ganzer Zahlen der Größe 250 auf drei Multiplikationen von 106 13,8 x 106 3S,2 x l06
ganzen Zahlen der Größe 125 usw., dann ergibt sich eine Multi- 109 20,7 x 109 62,8 x 109
plikation, bei der die Anzahl der verwendeten elementaren 1012 27,6 x 1012 91 ,7 x 1012
Operationen proportional zu n'og2 3 = n 1,58 ist. Dies ist deutlich besser,
als die n 2 klassischen Multiplikationen, auch wenn die Organisation Vergleich des Wachstums der
der Rechnungen gewiß komplexer ist. Funktionen x, X I ,58, x2, X x In x und
x x Inx x In (ln x).
Verwendet man eine Identität derselben Art, bei der jede ganze
Zahl in drei Stücke anstelle von zweien zerschnitten wird, dann
spart man weitere Rechnungen ein. Ähnlich ist es bei einer Zer-
schneidung in vier Stücke usw. Man kann beweisen, daß sich zu
jedem E > 0 ein Multiplikationsverfahren definieren läßt, dessen in
elementaren Operationen ausgedrückte Komplexität proportional
zu n l+E ist. Achtung: Diese Aussage bedeutet nicht, daß man sich all-
mählich der Komplexität n nähert. Übrigens weiß heute auch noch
niemand, ob sich zwei ganze Zahlen der Länge n in einer zu n pro-
portionalen Zeit multiplizieren lassen. Man glaubt, daß dies unmög-
lich ist, aber niemand hat dies bislang beweisen können.
Im Jahre 1968 entdeckte V Strassen ein Multiplikations-
verfahren, das sich auf die 1965 von J. Cooley und J. Tukeyeinge-
führte und als diskrete Fouriertransformation bezeichnete Technik
stützt. Dank dieser Methode fand er 1971 zusammen mit A. Schön-
hage eine Multiplikation mit einer Komplexität von n x In n x In
(lnn). Dieses Ergebnis ist besser als n 1+E, denn die Logarithmus-
funktion wächst äußerst langsam.
Übrigens waren es die auf der diskreten Fouriertransformation
beruhenden Algorithmen, mit denen nach 1980 die Rekordbe-
rechnungen der Dezimalen von 1t durchgeführt wurden. Die Prinzi-
138
7. KAPITEL

pien dieser Algorithmen (die etwas komplizierter sind als die


Prinzipien der Karatsuba-Multiplikation) werden im Anhang ab
Seite 153 erläutert. Wie beim Multiplikationsalgorithmus von
Karatsuba handelt es sich auch hier letztlich um nichts anderes als
um einen raffinierten Organisationstrick bei den Rechnungen.

Schnelle Division und schnelles Wurzelziehen

Effizient zu multiplizieren ist nicht alles, denn ebenso häufig


muß man dividieren und Quadratwurzeln ziehen. Das ist insbeson-
dere dann der Fall, wenn man die neuen Formeln, über die wir in
den nächsten Abschnitten sprechen werden, zur Berechnung von TC
verwendet.
Ebenso unerwartet war folgende Entdeckung: Stellt man es
geschickt an, dann erfordert die Ausführung von Divisionen oder das
Ziehen von Quadratwurzeln nicht mehr Zeit als die Ausführung von
Multiplikationen_In der Tat lassen sich die genannten Operationen
y auf Multiplikationen zurückführen. Diese Algorithmen beruhen auf
dem Verfahren von Newton, das dieser um 1669 angegeben hatte
und das jetzt, drei Jahrhunderte später, aktueller denn je ist (für
historische Einzelheiten verweisen wir auf die Seiten 195-226 des
Buches Histoire d'algorithmes von J.-L. Chabert).
Im Folgenden beschreiben wir das Prinzip des Newtonschen
Verfahrens: Es sei fix) eine hinreichend reguläre Funktion, zum
Beispiel eine stetige Funktion, deren erste und zweite Ableitung ste-
a tig sind und für die ein Wert a mit (Ca) = 0 und ('Ca) "* 0 existiert.
Geht man nun von einem Punkt Xo aus, der keinen großen Abstand
Xc X von a hat, und berechnet man durch Iteration
xn+l = x n - f(x n) / f'(x n ),
X =X fex,,) dann definiert man eine Folge von Zahlen X n , die «quadratisch»
Il+ 1 n - r(x,,)
gegen a konvergiert. Mit anderen Worten: Nimmt man x n als Nähe-
Das Newtonsche Verfahren zur
rungswert für a, dann verdoppelt jede Iteration die Anzahl der exak-
Approximation einer Lösung a ten Dezimalen.
der Gleichung f(x) = 0, wobei f(x) Betrachten wir zum Beispiel die Funktion (ex) = I/x - b. Die
(blau) eine hinreichend reguläre
Funktion ist (mit stetigen Ablei- Lösung der Gleichung fra) = 0 ist a = Vb, und die Iteration (durch die
tungen f'(x) und ("(x». An einen
Kurvenpunkt mit der Abszisse Xo man 1/b ausrechnet) ist xk+l = 2xk - bXk2.
zeichnet man die Tangente (rot), Die quadratische Natur der Konvergenz gegen 1/b ist leicht ein-
deren Anstieg durchf'(x) = 0 gege- zusehen, denn die Fehler bei zwei aufeinanderfolgenden Gliedern
ben ist. Diese Gerade schneidet
die x-Achse in Xl" Man zeichnet werden durch folgende Gleichung zueinander in Beziehung gesetzt:
nun die Tangente an die Kurve im
Punkt Ix" fex,)} usw. Wir sehen, xn+l - l/b = -b(x n - 1/b )2.
daß f(x,,) = - (x n +' - x n ) f'(x n ), wor- Wie alle anderen aus dem Newtonschen Verfahren abgeleiteten
aus sich x n +, = X n - f (x n ) / f'(x n )
Formeln ist auch diese Iterationsformel zur Berechnung des Kehr-
ergibt_ Die Folge der X n konver-
giert gegen a_ wertes einer Zahl numerisch stabil: Eine kleine Anfangsunge-
139
LEBENDIGE MATHEMATIK

nauigkeit, die automatisch kompensiert wird, stört die Rechnung


nicht. Wenden wir demnach die Iteration zur Berechnung des Kehr-
wertes einer langen ganzen Zahl an (zum Beispiel 10.000 Dezi-
malen), dann können wir mit einigen Dezimalen anfangen und dann
die Anzahl der berücksichtigten Dezimalen von einer Iteration zur
nächsten verdoppeln. Am Ende der Rechnung sehen wir, daß die Be-
rechnung des Kehrwertes einer aus n Ziffern bestehenden Zahl
bezüglich der Anzahl der elementaren Operationen ungefähr auf das-
selbe hinausläuft wie fünf Multiplikationen von Zahlen mit n Ziffern.
Bei Quadratwurzeln läuft alles genausogut: Wir nehmen die
durch f(x) = x 2 - b definierte Funktion und das N ewtonsche
Verfahren liefert die Folge Xk+l =1/2 (xk + blxk)' die quadratisch gegen
~b konvergiert.
Wir argumentieren wie bei der Division und zeigen, daß das
Ziehen der Quadratwurzel annähernd siebenmal «teurer» ist als
eine Multiplikation. Die BabyIonier scheinen ein Verfahren zum
Quadratwurzelziehen verwendet zu haben, das ein oder zwei
Schritten der oben angegebenen Iterationsformel entspricht.
Ein weiteres Verfahren zum Ziehen der Quadratwurzel (vgl. An-
hang zum vorangehenden Kapitel, Seite 131), das man mitunter in
der Schule lernt, eignet sich für Berechnungen mittleren Umfangs.
Es ist bemerkenswert, daß Multiplizieren kaum komplizierter
als Addieren ist, denn nxln nxln (lnn) ist nicht von höherer Ord-
nung als die Zahl n, die die Komplexität durch die Anzahl der ele-
mentaren Operationen der Addition mißt. Auch Dividieren oder
Quadratwurzelziehen sind nicht viel komplizierter. Wir sind uns
nicht absolut sicher, ob unsere heutigen Algorithmen optimal sind;
es kann aber nur sehr wenig an Komplexität eingespart werden, da
es unmöglich ist, die Zahl n zu unterbieten.
Verwendet man diese Algorithmen zusammen mit den im vori-
gen Abschnitt gegebenen effizienten Formeln für 1t, dann erhält man
Verfahren zur Berechnung von 1t, die sich zwar nicht sehr bequem
programmieren lassen (und sich noch weniger für die Rechnung per
Hand eignen), aber eine bezüglich der Laufzeit fast lineare Kom-
plexität haben. Verdoppelt man bei derartigen Programmen die
Leistungsfähigkeit eines Rechners, dann läßt sich auch die Anzahl
der berechneten 1t- Dezimalen beinahe verdoppeln. Erfolgt also keine
außergewöhnliche Neuerung, dann läßt sich voraussehen, was sich
in der nahen Zukunft bei der Berechnung der Dezimalen von 1t
ereignen wird: Alle 18 Monate oder alle zwei Jahre wird sich die
Anzahl der bekannten Dezimalen verdoppeln.
Wir halten fest, daß der zur Berechnung von n Dezimalen der
Zahl 1t erforderliche Speicherplatz ebenfalls von der Ordnung n ist.
Man kann diese Zahl nicht unterbieten, da die berechneten Dezima-
140
7. KAPITEL

len irgendwo gespeichert werden müssen. Es hat deswegen den An-


schein, als ob man von dieser Seite auch nichts mehr zu erwarten hat.
Wir werden jedoch im nächsten Kapitel sehen, daß es eine
außergewöhnliche Neuerung gegeben hat. Es handelt sich dabei um
die wohl wunderbarste Neuerung in der Geschichte von 1t: Jedesmal,
wenn man glaubte, daß die Geschichte dieser Zahl ihre letzte Revo-
lution durchlebt hat und die Entwicklung fortan unbeirrt in
gleichmäßigem und vorhersehbarem Tempo verläuft, dann setzt die
revolutionäre Bewegung wieder ein und bringt uns noch schönere
Ergebnisse als je zuvor!

Srinivasa Ramanujan: ein vollkommenes Genie?


Bevor wir schildern, was sich mit den Formeln zur Berechnung
von 1t ereignet hat, machen wir den Leser mit einer außergewöhn-
lichen Persönlichkeit bekannt. Es handelt sich um den indischen
Mathematiker Srinivasa Ramanujan, an dessen Arbeiten mehr als
50 Jahre nach seinem Tode die nach 1974 neuentdeckten Formeln
anknüpfen.
Ramanujan wurde 1887 in Indien als Sohn einer armen Familie
geboren und starb dort im Jahre 1920. Er wurde von dem englischen
Mathematiker Godfrey Harold Hardy (1877-1947) entdeckt, der
auch derjenige Europäer gewesen ist, der Ramanujan am besten
gekannt hat. Hardy schreibt in seiner 1940 verfaßten Biographie
von Ramanujan: «Er ist die romantischste Persönlichkeit in der
neueren Geschichte der Mathematik, ein Mensch, in dessen Lauf-
Srinivasa Ramanujan (1887-1920). bahn sich Widersprüche und Widersinnigkeiten anzuhäufen schei-
nen und der sich sämtlichen Kriterien entzieht, die man üblicher-
weise bei der Beurteilung anderer Personen anwendet.»
Es muß deutlich gesagt werden, daß die Art und Weise, in der
Ramanujan die Mathematik wahrgenommen hat, auch heute noch
zum großen Teil vom Schleier des Geheimnisvollen umgeben ist. Von
den zahlreichen Formeln, mit denen er seine Hefte vollschrieb, sind
einige gerade erst bewiesen worden, während andere immer noch
unbewiesen sind. Diese Formeln scheinen richtig zu sein (worauf
rechnerische Tests hinweisen), aber oftmals versteht man weder,
woher sie kommen, noch begreift man, wie sie von einem menschli-
chen Wesen ersonnen werden konnten. Manche dieser Formeln sind
falsch, aber sie werden richtig, wenn man sie leicht modifiziert; das
beweist, daß sie ihre Existenz nicht dem Zufall verdanken. Manche
dieser Formeln sind jedoch wirklich ganz falsch, und man kann die
subtilen Argumente analysieren, die dazu führten, daß sich
Godfrey Hardy 0877-1947). Ramanujan in diesen Fällen getäuscht hat. Zu diesen Fehlern be-
141
LEBENDIGE MATHEMATIK

merkte Hardy: «Ich frage mich, ob die Fehler Ramanujans nicht


noch viel wunderbarer gewesen sind als seine Triumphe.»
Ramanujan starb im Alter von etwas mehr als 30 Jahren an
Tuberkulose. Diese hatte er sich sicherlich bei einem seiner Auf-
enthalte im naßkalten England zugezogen. Ein erschwerender Fak-
tor war die strenge Einhaltung einer vegetarischen Lebensweise, die
er sich auferlegte, um ein Versprechen einzulösen, das er seinen
Eltern gegeben hatte.
Wir wagen es nicht, uns vorzustellen, was Ramanujan alles ent-
deckt hätte, wenn er länger gelebt hätte oder wenn er während sei-
nes kurzen Lebens unter günstigen Bedingungen hätte arbeiten
können. Es ist so gut wie sicher, daß die heutige Mathematik eine
ganz andere wäre. Sein Genie offenbarte sich frühzeitig. So wird
erzählt, daß er kurz nach Beginn seiner trigonometrischen Studien
die Beziehungen zwischen Kosinus, Sinus und der Exponential-
funktion entdeckt habe. Er soll enttäuscht gewesen sein, als er den
zweiten Band des von ihm studierten Buches aufschlug und erfuhr,
daß diese Beziehungen schon seit Euler bekannt waren.
Die Synopsis of elementary Results in Pure and Applied Mathe-
matics von G. S. Carr ist das mathematische Werk, das einen ent-
scheidenden Einfluß auf Ramanujan ausübte. Dieses Buch ist eine
Art Formelsammlung; es enthält die Formulierung von 6165 Sätzen,
aber kaum Beweise. Hardy meinte, es sei offensichtlich, daß sich
Ramanujan bezüglich Stil und Darlegungsweise seiner Ergebnisse
direkt von dem Carrschen Buch inspirieren ließ, was auch eine Er-
klärung für das betrübliche Fehlen von Beweisen in seinen Auf-
zeichnungen ist.
Ramanujan war von der Mathematik, die sein Geist entdeckte
und mit Lichtgeschwindigkeit rekonstruierte, gänzlich in Anspruch
genommen. Er scheiterte im Studium, verlor das ihm gewährte Sti-
pendium und fiel 1907 bei der Abschlußprüfung (eine Art Bakkalau-
reat) am College durch, das er als externer Hörer besucht hatte.
Damals wurde er in seiner Isolation und Armut für einige Zeit
im Hafenbüro von Madras angestellt. Im Jahre 1913 schrieb er an
Hardy einen Brief, der 120 mathematische Aussagen enthielt. Beim
Lesen dieser außergewöhnlichen Formeln (von denen einige bereits
bekannt waren, andere hingegen nicht) erkannte Hardy sofort, daß
es sich hierbei weder um das Werk eines Spinners noch um das eines
Narren handeln konnte. Es gelang Hardy, Ramanujan nach England
zu bringen. Hardy nahm Ramanujan bei sich auf und arbeitete meh-
rere Jahre mit ihm. Im Jahre 1918 wurde Ramanujan Mitglied der
Royal Society und des Trinity College. Er starb zwei Jahre später.
Die Bildungslücken Ramanujans haben zu der Meinung geführt,
daß er keine klare Vorstellung von dem besaß, was einen mathema-
142
7. KAPITEL

tischen Beweis ausmacht. So äußerte etwa Littlewood, ein anderer


Mathematiker, der Ramanujan in England kennengelernt hatte:
«Wenn er einen bedeutsamen Einfall hatte und ihm die Gesamt-
mischung aus Intuition und Evidenz etwas Sicherheit gab, dann
verfolgte er den Beweis nicht weiter.»
Die von Ramanujan für 1t angegebenen Formeln sehen wunder-
voll aus. Einige dieser Formeln versteht man heute im Licht der
später vorgeschlagenen komplexen theoretischen Konstruktionen
sehr gut: sie haben zu neuen ultraschnellen Algorithmen für die
Berechnung von 1t geführt. Andere Formeln von Ramanujan bleiben
sogar für Spezialisten geheimnisvoll, die sich immer noch fragen,
wie er wohl darauf gekommen sein mag.
Dies hier ist so eine erstaunliche Formel, bei der man sich fragt,
ob sie nicht nur infolge eines Spiels zustande gekommen ist. Aber

r
wer kann schon auf diese Weise spielen?

(102 - 2222~2 4
= 3,14159265 25

Im Jahre 1985 berechnete William Gosper unter Verwendung


einer anderen Formel von Ramanujan 17 Millionen Dezimalen von
1t. Zum Zeitpunkt dieser Berechnung war die Formel noch unbewie-
sen (sie wurde erst später bewiesen). Gosper konnte weder sicher
sein, daß seine Rechnung richtig war noch daß es sich bei dem von
ihm berechneten Wert wirklich um 1t handelte. Dennoch implizierte
die Übereinstimmung der ersten Millionen Dezimalen - die Gosper
durch Vergleich mit früher durchgeführten Rechnungen festgestellt
hatte -, daß die Formel richtig sein mußte. Wäre sie falsch gewesen,
dann hätte dies zu einer Diskrepanz bei den bereits bekannten
Dezimalen geführt. Die von W. Gosper durchgeführte Rechnung ist
demnach ein Beweis der Formel von Ramanujan. Die Rechnung
hätte Millionen von Arbeitsstunden in Anspruch genommen, wenn
sie von Menschen ohne die Hilfe von Computern ausgeführt worden
wäre. Es ist sicher, daß Ramanujan derartige Rechnungen nicht
durchgeführt hat. Wie ist er vorgegangen?

Mit welchen Formeln kommt man


zu einer Milliarde Dezimalen?
Die zweite Erklärung für die Tatsache, daß man eine Milliarde
Dezimalen schneller als vorgesehen erreicht hat, besteht in der
Entwicklung von Verfahren, deren Konvergenz einfach phantastisch
ist. Unter diesen Verfahren gibt es einerseits kompliziert ausse-
143
LEBENDIGE MATHEMATIK

hende Reihen und andererseits Iterationsalgorithmen, die sich nicht


in natürlicher Weise in Form von Reihen schreiben lassen.

(a) Neue Reihenformeln: Ramanujan, Chudnovsky


Die folgende Formel wurde um 1910 von Ramanujan entdeckt
und 1914 veröffentlicht:

1t = 9801 (1: (4n)! (1103 + 26 390 n)]-l


f8 n =0 (n !)4 3964n

Unter Verwendung dieser Formel erhält man mit jedem zusätz-


lichen Glied acht exakte neue Dezimalen.

R(O) = 3,141592 7300133056603139961 9025215518600


R(l) = 3,141592653589793 877998905826306013094218
R(2) = 3,14159265358979323846264 9065702758 9 156
R(3) = 3,1415926535897932384626433832795 55273161
R( 4) = 3,141592653589793238462643383279502884197

Seiner Gewohnheit entsprechend gab Ramanujan keinen Be-


weis für seine Formel. Ein Beweis wurde erstmalig 1987 im Buch
von Jonathan und Peter Borwein gegeben; in ihrem Buch erläutern
die Verfasser im einzelnen die Arbeit von Ramanujan über modu-
lare Gleichungen. Im Jahre 1985 berechnete W. Gosper mit dieser
Formel 17 Millionen Dezimalen von 1t.

Die folgende Formel wurde im Geiste der Formel von


Ramanujan ausgearbeitet und 1994 von den Brüdern Chudnovsky
zur Berechnung von vier Milliarden Dezimalen von 1t verwendet:

1t = (12 i:
(-11' (6k)! (13591409 + 545 140 134 k)]-l
k=0 (3k!) (k!)3 640 3203k + 3/2

RC( 0) = 3,1415926535897 34207668453591578298340762233260915


RC( 1) = 3,141592653589793238462643383 587350688475866345996
RC(2) = 3,14159265358979323846264338327950288419716 7678 54
RC(3) = 3,141592653589793238462643383279502884197169399375

Diese Formel liefert mit jedem neuen Glied 14 zusätzliche ex-


akte Ziffern. Die folgende von den Brüdern Borwein 1989 angege-
bene Formel liefert mit jedem berechneten Glied 25 zusätzliche
exakte Dezimalen:
144
7. KAPITEL

7t = (12 i: (-11 (6k)! CA + kB))-l


k = 0 (3k!) (k!)3 ek + 1/2
mit: A = 212 175 710912 x -161 + 1657 145 277 365
B = 13 773 980 892 672 x -161 + 107578 229 802 750
e = [5 280 x (236 674 + 30 303 x -161)]3

(6 ) auß, alamin, Bl"ent. Borwein


Die vorangehenden und eine Reihe weiterer Formeln von
Ramanujan sind von einer Effizienz, die alles vorher bekannte weit
übertrifft. Sie haben jedoch den Mangel, daß die für den Gewinn
einiger zusätzlicher Ziffern erforderliche Arbeit bei Vergrößerung
der Anzahl der Dezimalen spürbar zunimmt (selbst dann, wenn man
Verfahren zur schnellen Multiplikation benutzt). Von Anfang an
wächst nämlich die Anzahl der zu berücksichtigenden Glieder
ebenso wie die Anzahl der Dezimalen, mit denen man jedes Glied
berechnen muß.
Diese Zunahme an Arbeit läßt sich zwar dank hochentwickelter
Techniken zur Umgruppierung der Glieder und dank einer einfalls-
reichen Wiederverwendung bereits durchgeführter Rechnungen
dämpfen . Dennoch ist die Tendenz zu verzeichnen, auf die
Reihenformeln zu verzichten.
Die Berechnung von 7t mit Hilfe der in den letzten 20 Jahren ent-
wickelten und auf den folgenden Seiten beschriebenen Verfahren
erfolgt durch Wiederholung bestimmter Manipulationen mit Zahlen.
Es handelt sich um Algorithmen, die gleichzeitig mehrere
Zahlenfolgen konstruieren. Eine dieser Folgen liefert Näherungs-
werte für 7t, die immer exakter werden.
Die Methode des Archimedes kann als Rechnung dieses Typs
interpretiert werden, aber die Konvergenz gegen 7t ist linear. Man
gewinnt also bei jedem Iterationsschritt eine feste Anzahl von
Dezimalen.
Bei den neuen Formeln vergrößert sich mit jedem Iterations-
schritt die Anzahl der zusätzlichen exakten Dezimalen. Manche die-
ser Formeln verdoppeln deren Anzahl mit jedem Schritt, andere ver-
dreifachen sie, und es gibt sogar noch effizientere Formeln.
Die in einem Schritt auszuführenden Rechnungen umfassen die
Operationen der Multiplikation, der Division und des Quadrat-
wurzelziehens. Dies stellt jedoch kein Hindernis dar, denn wir hat-
ten bereits gesehen, daß sich jede der beiden letztgenannten
Operationen auf einige Multiplikationen zurückführen läßt (auf
ungefahr fünf bei der Division und auf ungefahr sieben beim
145
LEBENDIGE MATHEMATIK

Quadratwurzelziehen) und daß die Multiplikation großer Zahlen


effizient durchgeführt werden kann. Verwendet man einen Multipli-
kationsalgorithmus der Komplexität M(n), dann führen die hier
beschriebenen Verfahren zur Berechnung von n Dezimalen von 1t in
einer zu In n x M(n) proportionalen Zeit. Das beste Ergebnis, das
man bei den Reihen erhoffen konnte - wenn man es geschickt
anstellte -, war (In n)2 x M(n). Die schnellsten bekannten
Multiplikationsalgorithmen rechnen das Produkt zweier ganzer
Zahlen der Größe n in einer zu n x In n x In On n) proportionalen
Zeit aus. Kombiniert man diese Algorithmen mit den neuen Verfah-
ren, dann erhält man theoretisch Algorithmen zur Berechnung von
1t, die n Dezimalen in einer zu n x (ln(n»2 x ln(In(n» proportionalen
Zeit liefern.
Tatsächlich sind aber sogar bei schnell konvergierenden Algo-
rithmen die verwendeten Multiplikationsalgorithmen vom theoreti-
schen Standpunkt aus nicht die besten, und zwar aus Gründen der
Einfachheit (und weil Algorithmen geringerer Effizienz für Daten
heutiger Größe ausreichen). Man verwendet die im Anhang be-
schriebenen Verfahren, die auf der schnellen Fouriertransformation
beruhen und bei denen man geringfügige Vervollkommnungen vor-
nehmen kann. Hieraus folgt, daß gegenwärtig die zur Berechnung
von 1t programmierten Algorithmen in einer Zeit arbeiten, die zu
n x (In n)4 (oder zu einem kleinen bißchen weniger) proportional ist.
Diese Konvergenz ist fast linear: Das Glied n x (In n)4 vergrößert
sich mit zunehmendem n ein wenig, aber immer langsamer. Das
bedeutet, daß bei den gegenwärtigen Algorithmen eine Verdoppe-
lung der Computerkapazitäten beinahe zu einer Verdoppelung der
Anzahl der berechneten Dezimalen führt.
Die erste Formel, die schnell gegen 1t konvergiert, wurde 1973
entdeckt und 1976 gleichzeitig und unabhängig von EugEme
Salamin und Richard Brent veröffentlicht. Dieser neue Algorithmus,
der auf dem arithmetisch-geometrischen Mittel beruht, muß im
Zusammenhang mit den Arbeiten von Carl Friedrich Gauß zu
Beginn des 19. Jahrhunderts gesehen werden (freilich war sich
Gauß der Bedeutung seiner Ergebnisse für die Berechnung von 1t
nicht bewußt). Der Algorithmus lautet
ao = 1 b o = I/--J2 so=1I2,
ak = (ak-l + bk-I) 1 2 b k = --J(ak _lbk_l) ck = ak 2 - b k2
sk = sk-l - 2kck Pk = 2ak 2/s k

Um diesen Algorithmus anzuwenden, beginnen wir mit der


Initialisierung von ao, bo, So (Verwendung der ersten Zeile) und
berechnen dann mit Hilfe der Formeln in Zeile 2 und 3 nacheinan-
der die Werte ab b 1, Cl' Sb PI und danach a2' b 2, C2' S2' P2 usw. Die earl Friedrich Gauß (1777-1855).
146
7. KAPITEL

Zahlen Pl, P2 ... sind Näherungswerte für 1t, die immer genauer wer-
den. Möchte man Zeit sparen, dann braucht man nur das letzte Pi
auszurechnen, denn die anderen Pi werden im Verlauf der Rech-
nungen nicht benötigt. In Zeile 2 des Algorithmus erkennen wir Be-
rechnungen zum arithmetischen und zum geometrischen Mittel.
Die Pk konvergieren quadratisch gegen 1t: die Anzahl der exakten
Dezimalen verdoppelt sich bei jedem Iterationsschritt. Nach 25 Ite-
rationen erhält man 45 Millionen exakte Dezimalen - natürlich
unter der Voraussetzung, daß man von Anfang an mit 45 Millionen
Dezimalen rechnet, was durchaus nicht so einfach ist! Hier sind die
Jonathan und Peter Borwein.
Ergebnisse der ersten Iterationen:
Pl = 3,1 767264271210 627201929970525369232650
P2 = 3,141 6 029329765329391 0704245600093 2790
P3 = 3,141592653 9544649600291475 1 043486112
P4 =3,14159265358979323846 6360602706631321770
P5 = 3,141592653589793238462643383279502884 27
Seitdem haben J. und P. Borwein Algorithmen mit einer Kon-
vergenz der Ordnung 3 (Verdreifachung der Anzahl der exakten
Dezimalen bei jedem zusätzlichen Iterationsschritt), der Ordnung 4
und sogar der Ordnung 9 angegeben. Die Theorie dieser Algorith-
men hängt mit den Arbeiten von Ramanujan über modulare Iden-
titäten zusammen. Eine ausführliche Darstellung dieser Theorie
findet der interessierte Leser in dem exzellenten Buch der Brüder
Borwein, das diesem Thema gewidmet ist. Es folgt ein von den
Brüdern Borwein stammender Algorithmus der Ordnung 4:
ao = 6 - 4'1/2 Yo = '1/2 - 1
Yk+l = [1- (1- Yk 4)1I4]! [1 + (1- Yk 4)1/4]
ak+l = ak(l + Yk+l)4 - 22k+3 Yk+l(l + Yk+l + Yk+1 2)

Pl = 3,1415926 462135422 21493444319 269577431443722334560


2794559539484 21434767220795264694643448917991305
791646217055351 4426929959434703621119237396 1179
958736576363907084342931450942394899921183673 .....

P2= 3,14159265358979323846264338327950288419711467 28364


89215566171069760267645006430617110065777265980684
3636166414 276914164 54540707191940164 315446 7739
166893511386204382279400639745469316981567510, .. ..

P3= 3,14159265358979323846264338327950288419716939937510
58209749445923078164062862089986280348253421170679
82148086513282306647093844609550582231725359408128
48111745028410270193 6212524 447102326 2133609 .....
147
LEBENDIGE MATHEMATIK

Die sechzehnte Iteration würde mehr als zehn Millionen exakte


Dezimalen liefern - wenn man von Anfang an mit zehn Millionen
Dezimalen rechnet ...
Unlängst haben die Brüder Borwein bewiesen, daß es Algorith-
men der Ordnung m für jedes natürliche m gibt. Es ist jedoch nicht
erwiesen, daß Algorithmen höherer Ordnung tatsächlich nützlich
sind. Wenn m vergrößert wird, dann konvergiert die Folge Pk zwar
schneller. Wichtiger ist aber die Komplexität der Rechnungen, die
für einen weiteren Iterationsschritt erforderlich sind. Lediglich die
Erfahrung gestattet es, Schlußfolgerungen zu ziehen, und im Augen-
blick scheint es, daß der oben angegebene quartische Algorithmus
(Ordnung 4) der beste ist.
Wir wollen klarstellen, daß alles von der speziellen Implemen-
tierung abhängt. Infolgedessen kann man kein definitives Resultat
angeben, das in absoluter Weise das beste Verfahren kennzeichnet.
Die Zeit für die Ausführung einer Rechnung hängt von einer
großen Zahl von Faktoren ab (und mehr noch von den ausgewählten
Algorithmen): von der Struktur des Rechners (sequentiell, parallel,
vektoriell), vom Speicher (Größe des Speichers mit schnellem Zu-
griff, Wortlänge, Lesezugriffszeit), von den verwendeten Sprachen,
der Qualität der Compiler usw.
Wir schließen diesen Abschnitt mit einem nonischen Algorith-
mus (Ordnung 9), der sich aus einem allgemeinen Verfahren zur Er-
zeugung von Formeln für die Berechnung von 1t ableitet. Dieses
Verfahren wurde unlängst von J. Borwein und F. Garvan unter
Verwendung von Computeralgebra-Systemen entwickelt:

ao = 1/3 ro = (,j3 - 1)/2 So = (1 - r0 3 )1/3


t = 1 + 2rk u = [9rk(1 + rk + rk 2)]1/3
v = t 2 + tu + u 2 m = 27(1+ sk + Sk 2)/V
ak+l = mak + 3 2k - 1(1 - m) Sk+l =(1- rk)3/(t + 2u)v
rk+l = (1 - sk 3)113 Pk+l = 1/a k+l

Die Rekorde von 1973 bis heute


Untenstehend finden Sie eine Tabelle der in jüngerer Vergan-
genheit aufgestellten Rekorde (auf Seite 234 fassen wir in einer voll-
ständigen Tabelle die in den vorangehenden Kapiteln kommentierten
Rekorde zusammen):
Guilloud und Bouyer 1973 1001250
Miyoshi und Kanada 1981 2000036
Guilloud 1982 2000050
Tamura 1982 2097144
148
7. KAPITEL

Tamura und Kanada 1982 4194288


Tamura und Kanada 1982 8388576
Kanada, Yoshino und Tamura 1982 16777206
U shiro und Kanada 10-1983 10 013 395
Gosper 1985 17526200
Bailey 01-1986 29360111
Kanada und Tamura 09-1986 33554414
Kanada und Tamura 10-1986 67108839
Kanada, Tamura, Kobo u. a. 01-1987 134217700
Kanada und Tamura 01-1988 201326551
Chudnovsky 05-1989 480000000
Kanada und Tamura 07-1989 536870898
Chudnovsky 08-1989 1011196691
Kanada und Tamura 11-1989 1073741799
Chudnovsky 08-1991 2260000000
Chudnovsky 05-1994 4044000000
Takahashi und Kanada 06-1995 3221225466
Kanada 08-1995 4294967286
Kanada 10-1995 6442450938
Kanada und Takahashi 07-1997 51 539 600 000
Kanada und Takahashi 04-1999 68719470000

Die wichtigsten Etappen dieses Wettlaufs um die Dezimalen


wollen wir detailliert aufführen:

• Berechnung von 17 Millionen Dezimalen dUl'ch Will iam Gosper


im Jahre 19 5
Wir hatten in dem Ramanujan gewidmeten Abschnitt bereits
bemerkt, daß W. Gosper durch die Verwendung einer Formel des
genialen Inders zum Beweis dieser Formel beigetragen hat. Er
berechnete sein Ergebnis gleichzeitig in Form eines Kettenbruches
und in Form eines Ausdrucks zur Basis 10.
W. Gosper benutzte einen Rechner, dessen Architektur speziell
dafür konzipiert worden war, lange symbolische Rechnungen effizi-
ent auszuführen (hauptsächlich im Hinblick auf Anwendungen in
der künstlichen Intelligenz); es handelte sich um eine Schöpfung der
in Kalifornien ansässigen Firma Symbolics.

• Berechnung von 29 Millionen Dezimalen durch David Bailey im


Jahre 1986
Der Rekord von Bailey ist ziemlich gut dokumentiert. Wir wei-
sen auf einige interessante Einzelheiten hin.
D. Bailey präsentierte seine Rechnung als eine Art Test, mit
dem man sich von der Funktionstüchtigkeit eines Systems von
149
LEBENDIGE MATHEMATIK

außerordentlich leistungs starken vektoriellen Rechnern Gewißheit


verschaffen möchte; das System besteht aus mehreren Cray-2-
Supercomputern und befindet sich im Forschungszentrum Ames
der NASA. Dank der Rechnung war sogar ein Fehler entdeckt
worden.
Die Rechnung selbst wurde zweimal durchgeführt. Das erste
Mal am 7. Januar 1986 mit dem quartischen Algorithmus der
Brüder Borwein. Der Algorithmus wurde dreizehnmal «iteriert». Die
Berechnung der 29.360.000 Dezimalen nahm 28 Stunden CPU-Zeit
des Cray-2 in Anspruch. Es wurden 12.000 Milliarden arithmetische
Operationen ausgeführt und 138 Millionen Wörter des Hauptspei-
chers verwendet.
Die Überprüfung durch eine zweite unabhängige Rechnung
erfolgte mit Hilfe eines quadratischen Algorithmus, der ebenfalls
von den Brüdern Borwein stammt. Dieser Algorithmus wurde 24mal
iteriert, was den Prozessor 40 Stunden lang beanspruchte und 147
Millionen Wörter des Hauptspeichers belegte.
Die Rechnungen wurden zur Basis 107 durchgeführt (um eine
lange und riskante Konvertierung zu vermeiden). Alle Rechnungen
wurden vektorisiert, was bedeutet, daß sie in parallel ausgeführte
elementare Operationen zerlegt wurden. Die Grundkonzeption der
Cray-Rechner gestattet ein derartiges Vorgehen. Für das Problem
der Behandlung der Restüberträge (vgl. Idee 1 im Anhang auf Seite
153) wurde die Rechnung ebenfalls vektorisiert.
Die von D. Bailey entwickelte schnelle Multiplikation stützt sich
auf die Technik der schnellen Fouriertransformation mit primitiven
Einheitswurzeln aus einem endlichen Körper (tatsächlich handelt es
sich um zwei verschiedene endliche Körper, und die für jeden einzel-
nen Körper erzielten Ergebnisse werden neu zusammengesetzt -
vgl. Anhang). D. Bailey hatte nicht an der Methode der primitiven
komplexen Einheitswurzeln fe stgehalten , denn in diesem Falle
hätte er Operationen mit reellen Zahlen ausführen müssen. Bei
einer derart langen Rechnung hätten sich unweigerlich verhängnis-
volle Rundungsfehler angehäuft.
Dieser Mangel tritt bei endlichen Körpern nicht auf, da man hier
ausschließlich mit ganzen Zahlen arbeitet.
Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, daß diese Rechenmethode
für jedermann zugänglich ist. Man braucht nämlich nicht nur lei-
stungsfähige Rechner, sondern muß auch die zu programmierenden
Verfahren sorgfältig auswählen und bewerten. Außerdem müssen
beim Programmieren viele Einzelheiten beachtet werden, bei denen
weitestgehende technische Besonderheiten des Rechners eine Rolle
spielen. Ist dies erst einmal in die Tat umgesetzt, dann liegt die zu
erbringende Leistung innerhalb der Grenzen des Machbaren. Frei-
150
7. KAPITEL

lich liegt diese Leistung sogar noch in zehn oder zwanzig Jahren
außerhalb der Reichweite durchschnittlicher Computer und «norma-
ler» Anwender.

• Die Brüder Chudnovsky erreichten al erste eine


Milliarde Dezimalen
Gregory und David Chudnovsky verwendeten für ihre
Berechnungen Reihenformeln, die sie selbst aufgestellt hatten und
die den Formeln von Ramanujan ähnlich sind. Diese Formeln sind
von der Ordnung 1, aber die Brüder Chudnovsky haben sie beson-
ders sorgfältig und unter Verwendung von arithmetischen
Verfahren programmiert, die nicht sehr bekannt sind (möglicher-
weise beruhen sie auf Verallgemeinerungen und Vervollkomm-
nungen der Idee des Tröpfel-Algorithmus).
Seit zehn Jahren machen sie den Weltrekord im Berechnen von
1t dem von Yasumasa Kanada geleiteten Team der Universität Tokio
streitig, obwohl sie über sehr viel weniger materielle Mittel verfü-
gen. Die Brüder Chudnovsky waren die ersten, die eine Milliarde
Dezimalen (1989) und vier Milliarden Dezimalen (1994) erreichten.
Über ihre Berechnungen haben wir keine besonders ausführli-
chen Informationen. Hingegen scheint ihr persönliches Schicksal,
über das Richard Preston berichtet, einem Roman zu entstammen.
Dieser so ungewöhnliche Lebenslauf verdient eine kurze Schil-
derung.
Die Brüder Chudnovsky stammen aus der Ukraine. Sie studier-
ten in Kiew und promovierten am Mathematischen Institut der
Ukrainischen Akademie. Sie flüchteten aus der Sowjetunion, als
sich ihnen 1977 die Möglichkeit dazu bot. Zuvor hatten sie schlim-
men Ärger mit dem KGB bekommen, als sie ihre Absicht kundtaten,
das Land zu verlassen. Sie hielten sich einige Monate in Frankreich
auf und ließen sich dann in New York nieder. Heute sind sie ameri-
kanische Staatsbürger.
Beide sind Mathematiker ersten Ranges und aufgrund ihrer
Arbeiten zur Zahlentheorie weltweit anerkannt. Gregory ist nach
Meinung einiger Kollegen ein Ausnahmegenie, das in der Breite sei-
nes Wissens und in seinem mathematischen Verständnis nur mit
den Allergrößten verglichen werden kann.
Übrigens machte Gregory bereits im Alter von 16 Jahren eine
aufsehenerregende Entdeckung: Er löste das zehnte Hilbertsche
Problem, also eines der 23 berühmten mathematischen Probleme,
die David Hilbert auf dem Internationalen Mathematikerkongreß
im Jahre 1900 in Paris vortrug. Leider hatte kurz zuvor Juri
Matijasevitsch, ein anderer Mathematiker aus dem Osten, dieses
Gregory und David Chudnovsky. berühmte Problem durch seinen Beweis der Unentscheidbarkeit der
151
LEBENDIGE MATHEMATIK

diophantischen Gleichungen gelöst. Juri Matijasevitsch, der eben-


falls emigrierte, hat wohl unlängst eingeräumt, daß die Methode
von Gregory Chudnovsky besser als seine eigene war. Eine Vielzahl
anderer Arbeiten bestätigte die Begabung von Gregory.
Richard Askey, Mathematiker an der Universität Wisconsin, hat
mit den Chudnovskys zusammengearbeitet. Er sagt, daß Gregory so
hoch über ihm steht, daß er nicht wisse, ob Gregory gegenwärtig der
Beste der Welt ist oder ob er <<flur" zu den ersten drei Besten gehört.
Gregory hat alle möglichen Auszeichnungen und Preise bekommen.
Zum Beispiel erhielt er zweimal den Preis der Guggenheim-Stif-
tung, und die Stiftung von John und Catherine MacArthur verlieh
ihm ihren Preis, als sie 1981 eingerichtet wurde - so als ob dieser
Preis für ihn geschaffen worden wäre.
Die beiden Chudnovsky-Brüder haben sich in einer Wohnung in
New York eingerichtet, die das fantastischste Rechenzentrum der
Welt geworden ist. Dort herrscht ein unglaubliches Durcheinander
an Büchern, Fotokopien und Computern. Die Tag und Nacht arbei-
tenden Geräte entwickeln eine intensive Wärme: Es heißt, daß die
Wohnung von Mikroprozessoren beheizt wird. Gregory leidet seit
seiner Kindheit an einer schweren Autoimmunkrankheit der
Muskeln. Er kann sich nur mit äußerster Mühe fortbewegen, und
den größten Teil des Tages muß er im Bett verbringen. Zwischen
Kissen eingezwängt und in Bergen von Unterlagen hat er die
Tastatur eines Rechners auf den Knien.
Die Chudnovskys gehören dem Department für Mathematik der
Columbia-Universität an, das ganz in der Nähe ihrer Wohnung
liegt. Tatsächlich haben sie dort aber keine bezahlte Stelle, denn
Gregory kann aufgrund seiner Behinderung keine Lehraufgaben
übernehmen, und David will nur als Partner seines Bruders eine
Stelle annehmen.
Das in der Wohung der Chudnovskys installierte «Material»
wurde von ihnen und ihrer Familie gekauft oder stammt aus
Rückgewinnungen und diversen Spenden. Mit dem auf den Namen
m-zero getauften Supercomputer haben sie mehrere Male den
Rekord bei der Berechnung von 1t gebrochen. Über die Architektur
dieses Rechners, den sie selbst entworfen haben, ist nur wenig
bekannt. Und es passiert schon mal, daß sie auch Rechner anderer
Rechenzentren benutzen, mit denen sie über das Internet verbun-
den sind.
Der Fall der Chudnovskys ist wirklich ungewöhnlich. Bevor ich
ihre Geschichte las, war ich davon überzeugt, daß bei der Berech-
nung von 1t eine isolierte Suche ohne irgendwelche Unterstützung
von außen zu nichts führen kann, zumal es auf diesem Gebiet einen
äußerst starken Wettbewerb gibt. Die russischen Mathematiker-
152
7. KAPITEL

Brüder bringen allerdings die amerikanische Wissenschaftler-


gemeinde in Verlegenheit, die es weder verstanden hat, sie wirklich
aufzunehmen, noch dazu in der Lage war, ihnen eine gesicherte
Position anzubieten. Einige Mathematiker, wie etwa Herbert
Robbins, Professor an der Columbia Universität, haben versucht,
ihre Kollegen auf diesen einzigartigen Fall von Mathematikgenies
hinzuweisen, die einmütig von allen als Ausnahmeerscheinung
anerkannt werden, wobei sich aber trotzdem offenbar keine
Einrichtung geneigt zeigt, sie aufzunehmen.
Der Gedanke ist erschreckend, daß der anfällige Gregory dahin-
gehen könnte, ohne einem brillanten Schüler seine einzigartige
Wahrnehmung der Mathematik mitteilen zu können. Im Augenblick
scheint ihre Situation verfahren zu sein.
Der Wunsch der Chudnovskys, die Zahl1t zu berechnen, knüpft
an die Vorstellung an, daß sich die Dezimalen wahrscheinlich um
eine gewisse Struktur ranken oder zumindest Regelmäßigkeiten
aufweisen, deren Entdeckung von Bedeutung ist. Die Tatsache, daß
die Ziffern von 1t einerseits zufällig sind - worauf alle bislang durch-
geführten statistischen Tests hindeuten -, andererseits aber - als
die Dezimalen einer wohlbestimmten Zahl - vollständig determi-
niert sind, hat bei den Brüdern Chudnovsky einen tiefen Eindruck
hinterlassen und erscheint ihnen als Paradoxon, das geklärt werden
muß (wir kommen in Kapitel 10 auf dieses Problem zurück).
Gregory Chudnovsky sagt übrigens sehr deutlich: «Wir sind auf
der Suche nach den Auswirkungen der Regeln, die den Unterschied
der Zahl1t zu den anderen Zahlen ausmachen. Das ist so, als ob man
einen Schriftsteller studiert, indem man dessen Vokabular und
Syntax genau untersucht. Wir suchen kein Muster, wir suchen nach
Regeln. Warum ist die Zahl1t offenbar vollkommen unvorhersagbar,
und warum ist sie scheinbar derart komplex? Wir müssen die
Regeln dieses Spiels entdecken.»
Manche Mathematiker mißbilligen diese Suche nach Dezimalen,
nach denen die beiden Brüder so hartnäckig jagen. Einer der besag-
ten Mathematiker meint, es sei ratsamer, dort zu suchen, wo man
vielleicht auch etwas findet; im Falle von 1t sei scheinbar alles von
vornherein verloren. Vielleicht ist für durchschnittliche Mathema-
tiker alles von vornherein verloren, für Mathematiker, deren Ehr-
geiz sich artigerweise auf die Entwicklung gutgehender Themen
beschränkt. Nur Genies wie Gregory Chudnovsky, die ihrer selbst
genügend sicher sind, können sich einen Sturm auf Ziele erlauben,
die von anderen als illusorisch betrachtet werden.
Die Arbeit der Brüder Chudnovsky beweist mindestens eine
Tatsache, nämlich daß man Mathematiker ersten Ranges sein kann
und es dennoch für eine interessante, ja sogar entscheidende
153
LEBENDIGE MATHEMATIK

Aufgabe halten kann, die Dezimalen von 1t zu berechnen. Dieses


Beispiel sollte all denen ihre Komplexe nehmen, die sich schämen,
nach den Stellen von 1t zujagen, und die sich - weil sie fürchten, ver-
spottet zu werden - unter falschen Vorwänden ihrer Leidenschaft
hingeben.

• f)pJ" Champion dl'1" \\'1l'dl'l"holung. 'l'asumasa Kanada

bemerkenswert, denn der Japaner nimmt an diesem Wettbewerb


seit mehr als fünfzehn Jahren teil und belegte mit verschiedenen
Mitarbeitern über mehr als die Hälfte dieser Zeit den ersten Platz.
Y. Kanada benutzte die oben angegebenen und unter anderem
von den Borwein-Brüdern stammenden Formeln mit einer Kon-
vergenz der Ordnungen 2 und 4. Im Juli 1997 erreichte er 51
Milliarden Dezimalen (29 Stunden für die erste Berechnung mit
dem Algorithmus der Ordnung 4 und 37 Stunden für die Überprü- Yasumasa Kanada im Rechen-
fung mit dem Algorithmus der Ordnung 2). zentrum der Universität Tokio.
Y. Kanada verwendet natürlich die Techniken der schnellen
Fouriertransformation und rechnet, wie D. Bailey, zur Basis 10 (oder
lOk), um eine Konvertierung am Schluß der Rechnung zu vermei-
den.
Y. Kanada hatte zuerst NEC-Computer verwendet, arbeitet
heute jedoch mit Hitachi-Rechnern. Sein jetziger Rechner
(HITACHI SR2201) ist einer der leistungs stärksten der Welt; es
handelt sich um ein Gerät mit 1024 Prozessoren, das massiv parallel
arbeitet.
Es wird erzählt, daß Kanada unlängst zum Zeitvertreib 137
Milliarden Dezimalen von '>12 in 7 Stunden und 30 Minuten ausge-
rechnet hat - fünf Millionen Dezimalen pro Sekunde.

Anhang 1: Die schnelle Fouriertransformation


für die Multiplikation
Die Schnellmultiplikation mit Hilfe der diskreten Fouriertrans-
formation ist das Verfahren, das bei allen gegenwärtigen Berechnun-
gen von 1t verwendet wird; es beruht auf einigen einfachen Ideen, die
wir zunächst einzeln untersuchen und dann miteinander kombinieren.

Id('l .-.1. Die Multiplikation zweier ganzer Zahlen läßt sich auf
die Multiplikation zweier Polynome mit anschließender Übertrags-
rechnung zurückführen.
Jede ganze Zahl läßt sich als eine Summe von Potenzen von 10
oder 10 P schreiben oder noch allgemeiner - wenn man mit einer von
154
7. KAPITEL

10 verschiedenen Basis a arbeitet - als eine Summe von Potenzen


von a (was nichts anderes bedeutet als eine Darstellung im Posi-
tionssystem zur Basis a).

Zum Beispiel:
4 762 846 = 6 + 4 x 10 + 8 X 102 + 2 X 103 + 6 X 104 + 7 X 105 + 4 X 106
4 762 846 = 46 + 28 x 102 + 76 X 104 + 4 X 10 6

Um zwei derartige Zahlen zu multiplizieren, kann man sie in


Form von Polynomen schreiben, indem man die lOi durch die Xi
ersetzt
(ao + alX + a2X2 + ... + anxn) (b o + blX + b 2 X2 + ... + bnxn)
=aob o + (aOb l + aIb o) X + .... + (an-Ibn + anb n- I ) X2n-1 + anb n X2n
und erst am Schluß wieder zu ganzen Zahlen übergeht (was darauf
hinausläuft, die Behandlung der Überträge auf den allerletzten
Augenblick zu verschieben - ugl. Erläuterungen auf Seite 126). Für
die Multiplikation von 123 mit 245 liefert dieses Verfahren
123 x 245 = (3 + 2X +X2) (5 + 4X + 2X2)
= 15 + (12 + 10)X + (6 + 8 + 5)X2 + (4 + 4)XS + 2X4
= 15 + 22X + 19X2 + 8XS + 2X4
= 15 + 22 x 10 + 19 X 10 2 + 8 X 10 3 + 2 X 104
= 5 + 3 x 10 + 1 X 102 + 0 X 103 + 3 X 104 (nach Ausführung
der Überträge)
= 30135

Die für die Transformation einer Zahl in ein Polynom und die
Transformation eines Polynoms in eine Zahl aufgewendete Arbeit ist
beinahe zur Größe der betrachteten Zahlen proportional. Hieraus
folgt: Möchte man Zahlen schnell miteinander multiplizieren, dann
reicht es aus, Polynome schnell miteinander multiplizieren zu können.
Es sei auch bemerkt, daß in der Praxis die abschließende Be-
handlung der Überträge parallel ausgeführt werden kann: Anstatt
von links anzufangen und die Überträge vorzunehmen, indem man
Schritt für Schritt nach rechts geht, bevorzugt man es, sämtliche
Überträge gleichzeitig zu behandeln (sie zu uektorisieren). Dies kann
zu neuen Überträgen führen, die wieder gleichzeitig behandelt wer-
den usw. - bis es keinen neuen Übertrag mehr gibt.

Idee Nr. 2: Kennt man ein Polynom noten Grades in n + 1 Punk-


ten, dann kennt man dieses Polynom vollständig (dies ist die soge-
nannte Interpolation).
Weiß man zum Beispiel, daß das Polynom P(X) = ao + al X + a2 X2
Jean-Baptiste Fourier die Werte P(O)=4, P(1)=8, P(-l) = 2 annimmt, dann kann man fol-
(1768-1830). gendes Gleichungssystem ableiten:
155
LEBENDIGE MATHEMATIK

4 = ao + alO + a202 4 =ao


8 = ao + all + a212 oder 8 = ao + al + a2
2 =ao + ale-I) + a2(-I)2 2 = ao - al + a2

Wir haben: ao = 4, (al + a2) = 4, (al - a2) = 2, und dies ergibt


al =3, a2 = 1 und: P(X) = 4 + 3X +X2.

Betrachtet man (wie wir es später tun werden) immer die glei-
chen Auswertungspunkte, dann ändert sich die Matrix des zu lösen-
den Systems nicht. Diese Matrix kann also im voraus untersucht
werden. In diesen Fällen läßt sich die Lösung des Systems ein für
allemal programmieren.

Idee r..'3: Um den Wert des Produktes zweier Polynome in


einem Punkt zu berechnen, reicht es aus, den Wert jedes einzelnen
Polynoms in diesem Punkt zu berechnen und danach die Ergebnisse
miteinander zu multiplizieren. Um den Wert des Produktes von
Polynomen in n + 1 Punkten zu berechnen, reicht es demnach aus,
2(n +1) Polynomwerte auszurechnen und anschließend n +1 elemen-
tare Multiplikationen durchzuführen.
Dies folgt aus der Definition des Produktes [PQ] von Polynomen:
PQ(x) =P(x) Q(x).
Idee r. 4: Die Berechnung eines Polynoms in den ersten n +1
T

Potenzen einer primitiven (n+l)-ten Einheitswurzel ist in Kosten


von elementaren Multiplikationen nicht proportional zu n 2 , sondern
zu n x In (n), falls man sich geschickt anstellt. Und letzteres ist der
heikelste Punkt.
Was versteht man unter einer primitiven (n +l)-ten Einheits-
wurzel? Das ist eine Zahl x mit der Eigenschaft, daß x n+l = 1 und xi
*- 1 für i = 1,2, ... , n (man erhält also 1, wenn man x insgesamt (n + 1)-
mal mit sich selbst multipliziert, aber nicht früher).
Es ist offensichtlich, daß man die primitiven (n +I)-ten Einheits-
wurzeln außerhalb des Bereiches der reellen Zahlen suchen muß, denn
-1 ist die einzige reelle zweite Einheitswurzel (in der Tat hat man
(_1)2 = 1).
Man findet die primitiven (n +l)-ten Einheitswurzeln im Bereich
der komplexen Zahlen:
e2i7tf(n+1) ist eine solche. Für n = 3 ist die komplexe Zahl i = ei rr/2
eine primitive vierte Einheitswurzel (denn i 2 = -1, i 3 = -i; i 4 = 1).
Um primitive Einheitswurzeln zu finden, kann man auch die
endlichen Körper F p der ganzen Zahlen modulo einer Primzahl p
betrachten. In diesen Körpern muß man nur mit den Resten rech-
nen, die die betrachteten Zahlen nach Division durch p haben: in F 5
156
7. KAPITEL

hat man zum Beispiel 3 + 3 = 6 = 1; 3 x 4 = 12 = 2 usw. In den


Körpern Fp ist es einfach, primitive Einheitswurzeln zu finden. In F 5
hat man etwa 32 = 9 = 4, 33 = 27 = 2, 34 = 81 = 1 und daher ist 3 eine
primitive vierte Einheitswurzel. Im Vergleich zu den komplexen
Zahlen haben endliche Körper den Vorteil, daß man in ihnen aus-
schließlich mit ganzen Zahlen rechnet. In der Praxis werden aber
auch die komplexen Zahlen verwendet.
Berechnet man den Wert eines Polynoms n-ten Grades an einer
Stelle x, dann muß man normalerweise mindestens n elementare
Multiplikationen durchführen, wobei das Horner-Schema verwen-
det wird: um den Wert P(3) für P(X) = 4 + 3X + 12X2 + 4X3 zu bekom-
men, schreibt man P(X) = 4 + X(3 + X(12 + 4X); man führt folglich
drei Multiplikationen aus.
Bei der Berechnung der Werte eines Polynoms (n-ten Grades) an
n + 1 verschiedenen Stellen erfordert die natürliche Methode (die
Berechnung der Werte an jeder Stelle, indem man einen nach dem
anderen hernimmt und dabei das Horner-Schema anwendet) die
Ausführung von ungefähr (n + 1)2 elementaren Multiplikationen.
Für den Fall der Berechnung der (n + 1)-ten Potenzen einer pri-
mitiven (n + 1)-ten Einheitswurzel mit n +1 = 2m (was ohne Be-
schränkung der Allgemeinheit vorausgesetzt werden darf) gibt es
einen rechensparenden Trick ähnlicher Art, wie ihn A. Karatsuba
bei der Multiplikation anwendete. Dieser Rechentrick ist die
Grundlage für das Gelingen der schnellen Fouriertransformation,
die der Kern des ganzen Verfahrens ist. Wir beschreiben nun diesen
Trick. Gegeben sei ein Polynom
P(x) = ao + alx + a~2 + ... + anx n,
dessen Werte wir berechnen wollen.

Wir setzen Q(x2) = ao + a~2 + a4x4 + ... + an_1X n- 1


x R(x 2) =x(al + a3x2 + a5x4 + ... + anx n- 1)

Setzt man y =x 2, dann folgt P(x) =xR(y) + Q(y)


Da x eine (n + 1)-te Einheitswurzel ist, hat man x n +1 = 1, und
hieraus folgt (x i)2 = (x(n+1)/2 + ij2 für i = 1, 2, ... , (n + 1)/2

Folglich reduziert sich die Berechnung der Werte von P(x) für die
(n + 1)-ten Einheitswurzeln 1, x, x 2 , •.• , x n darauf, die Werte von R
und Q in den (n+l)/2 Punkten (X 2)1, (X2)2, ... , (x 2)(n+l)/2 auszurechnen
und die Ergebnisse zu kombinieren, was lediglich je eine zusätzliche
Addition und Multiplikation erfordert. Man hat also nichts weiter zu
tun, als die Werte zweier Polynome vom Grade (n + 1)/2 an (n + 1)/2
Stellen auszurechnen.
157
LEBENDIGE MATHEMATIK

Würde man jetzt die natürliche Rechenmethode für P und Q


benutzen, dann hätte man insgesamt zweimal weniger Arbeit, als
wenn man sie von Anfang an benutzt hätte (denn die natürliche
Methode hat die Größenordnung n 2 und es gilt 2«n+1)/2)2
=[(n+1)]2/2).
Anstatt jedoch die natürliche Methode anzuwenden, zerlegt man
P und Q erneut und spart damit wieder die Hälfte der Arbeit ein;
danach wiederholt man diesen Vorgang (die Division kann fortge-
setzt werden, da wir n + 1 = 2m vorausgesetzt hatten). Am Schluß die-
ser Zerlegungen hat man die Arbeit m-mal durch 2 dividiert. Unter
Berücksichtigung der zur Kombination der Ergebnisse notwendigen
Operationen findet man für die Anzahl der Multiplikationen, daß
diese nicht mehr zu n 2, sondern nur noch zu n x In n proportional ist.
Das ist beträchtlich weniger, wenn n groß ist: für n + 1 = 210 "" 1000 ist
n 2 ungefähr eine Million, während n x In n 100mal kleiner ist.

Idee Nr. 5: Das Problem der Interpolation eines Polynoms, des-


sen Werte für die ersten (n+1) Potenzen einer primitiven (n +l)-ten
Einheitswurzel gegeben sind, hat ebenfalls die Kosten n x In n.
Die Idee besteht darin, die Interpolation eines Polynoms in den
Potenzen einer primitiven (n +l)-ten Einheitswurzel auf die Berech-
nung der Polynomwerte in den Potenzen der primitiven Einheits-
wurzeln zurückzuführen (Idee Nr. 4). Dies folgt als Ergebnis einer
elementaren Matrizenrechnung: Interpolieren in 1, x, x 2 , ... , x n (mit
einer primitiven (n+1)-ten Einheitswurzel x) bedeutet, die Matri-
zengleichung WX =A zu lösen,
bei der X der Vektor (ao, al, a2, ... , an) ist,
A der Vektor der gegebenen Werte (Interpola-
tionswerte) ist und
W die Matrix (Wi)' (i = 0,1, ... , n; j = 0,1, ... , n) dar-
stellt, deren allgemeiner Koeffizient durch wiJ = xi}
gegeben ist.
Die Matrix W ist invertierbar (das heißt, es gibt eine Matrix W-l
mit W-IA = X), und unter Verwendung der Tatsache, daß x eine pri-
mitive (n +l)-te Einheitswurzel ist, überprüft man, daß W-l = (W'i),
i = O,l, ... n;j = 0,1, ... , n mit (W'i) = x -i}I(n +1) ist.
Man hat demnach W -1 A = X. Da X-I aber ebenfalls eine primi-
tive (n +l)-te Einheitswurzel ist, kommt man exakt auf das durch
Idee Nr. 4 gelöste Berechnungsproblem. Zusammenfassend gesagt:
In diesem Spezialfallläßt sich die Interpolation auf eine Rechnung
reduzieren, die sich effizient ausführen läßt.
Der Übergang von X zu A (die Multiplikation mit W) wird als
schnelle Fouriertransformation bezeichnet (englisch: Fast Fourier
Transform, kurz FFT).
158
7. KAPITEL

Der Übergang von A zu X (die Multiplikation mit W-I) ist die


inverse schnelle Fouriertransformation. Wir werden sehen, daß
diese beiden Transformationen gleichartig beschaffen sind (das
heißt effizient berechenbar sind) und einander kompensieren: WW- I
A=A.

Idee 1'. 6: Mit Hilfe von Berechnungen und Interpolationen mit


primitiven Einheitswurzeln kann man zwei Polynome multiplizie-
ren, indem man eine Anzahl von elementaren Multiplikationen
durchführt, die zu n x In n proportional ist (während die Multipli-
kation mit Hilfe der üblichen Multiplikationsformel für Polynome
auf n 2 elementare Multiplikationen führt).
Es reicht nun aus, die oben angedeuteten verschiedenen Ideen
miteinander zu kombinieren:
Um die Polynome zu multiplizieren, rechnet man das Produkt-
polynom in n + 1 Werten aus und interpoliert danach (Idee 2).
Um die Werte des Produktpolynoms P IP 2 an gewissen Stellen zu
kennen, berechnet man PI und P 2 an diesen Stellen und multipli-
ziert dann die erhaltenen Werte (Idee 3).
Diese Berechnung von PI und P 2 erfolgt an den Stellen 1, x, x 2 ,
... , x n der Potenzen einer primitiven (n + l)-ten Einheitswurzel x, und
dies liefert die Werte Po, PI, P2"'" P n für PI und Po', PI" P2', ... ,Pn' für
P 2 mit einem zu n x In n proportionalen Arbeitsaufwand (Idee Nr. 4).
Danach bildet man die Produkte qo = Po x Po', ql = PI X PI" ... ,
qn=P n X p~, was einen zu n proportionalen Arbeitsaufwand darstellt.
Schließlich sucht man durch Interpolation das Polynom, das an den
Stellen 1, x, x 2 , ••• , x n die Werte qo, ql,,,., qn annimmt. Dies erfordert
einen zu n x In n proportionalen Arbeitsaufwand (Idee Nr. 5).
Wir kennen nun das Polynom P IP 2 , und das ist es, was wir
wollten.
Möchte man also zwei große Zahlen NI und N 2 miteinander mul-
tiplizieren, dann transformiert man sie in Polynome und multipli-
ziert diese. Danach transformiert man das resultierende Polynom in
eine Zahl (Idee Nr. 1).
Für weitere Einzelheiten und andere Anwendungen der diskreten
Fouriertransformation verweisen wir auf das 1987 erschienene und
der Zahln gewidmete Buch der Brüder Borwein. In dem 1995 erschie-
nenen Buch von Barbara Burke Hubbard findet man die Zusam-
menhänge zur Fourieranalyse sowie genauere historische Angaben.
Die Berechnung
individueller Ziffern von 1t
Eine Entdeckung der
experimentellen Mathematik

Die neue Formel von David Bailey, Peter Borwein und imon Plouffe bietet die außerordent-
liche Möglichkeit, eine beliebige Ziffer von 1t zur Ba i 2 zu berechnen, ohne die vorangehenden
Ziffern bestimmen zu müssen. Wir erläutern die theoretischen und praktischen Konsequenzen
dieser unlängst gemachten und unerwarteten Entdeckung.

Nichts Neues über TC?

Im Jahre 1995 glaubten viele, daß die Forschungsarbeiten über


1t keine spektakulären Ergebnisse mehr liefern würden. Gewiß
würde man bei der Berechnung der Stellen auch weiterhin voran-
kommen, aber nur im Rahmen der Fortschritte bei der
Vervollkommnung der Rechner und nicht aufgrund neuer mathema-
tischer Erkenntnisse. Im Laufe der vielen Jahrhunderte, in denen
man sich für 1t interessierte - so die Überlegungen - hatte man alles
oder fast alles Wissenswerte über diese Zahl herausgefunden und
das, was man nicht herausgefunden hatte, würde sicher für lange
Zeit außerhalb jeglicher Reichweite sein. Doch die Entdeckung einer
neuen Formel für 1t durch ein kanadisches Team von der Simon
Fraser University in Burnaby, British Columbia, und die sich hier-
aus ergebenden Konsequenzen beweisen, daß man auch heute noch
erstaunliche Neuigkeiten über 1t finden kann.

Mathematischer Fortschritt und die


Vervollkommnung der Rechner

Die Kurzsichtigkeit der 1t-Propheten ist oft recht amüsant. So


war etwa Petr Beckmann 1970 in seinem Buch über die Geschichte
von 1t der Ansicht, daß es über die Zahl, die uns seit 4000 Jahren
160
8. KAPITEL

begleitet, nichts Neues mehr geben würde. Daniel Shanks, der 1961
als erster 100.000 Dezimalen berechnete, meinte seinerseits, daß
man niemals eine Milliarde Dezimalen erreichen werde.
Im vorangehenden Kapitel hatten wir gesehen, daß die Entdek-
kung neuer Algorithmen zur Berechnung von 1t und die Anwendung
der auf der diskreten Fouriertransformation beruhenden Verfahren
der schnellen Multiplikation ab 1975 einen Beschleunigungsschub
bei der Berechnung der Dezimalen von 1t bewirkten.
Wie die Geschichte von 1t bereits bewiesen hatte, gibt der für die
Berechnung und die Kenntnis der Zahl1t wesentliche Fortschritt der
Mathematik der Stellenjagd einen Sinn und ist letztendlich ihre
Haupttriebkraft. Der Fortschritt, von dem wir hier sprechen, ist
ganz anders und sehr viel revolutionärer als die Verfahren der
schnellen Multiplikation: Es handelt sich um die Entdeckung einer
Formel, die es gestattet, die Binärziffern von 1t an sehr entfernten
Stellen zu berechnen, ohne die vorangehenden Ziffern ausrechnen zu
müssen. Nach Stan Wagon (der zusammen mit Victor Adamchik die
Tröpfel-Algorithmen zur Berechnung von 1t erfunden hat, vgl. Kapi-
tel 6) stellt dieser neue Fortschritt einen radikalen Richtungs-
wechsel im Laufe der langen Geschichte der Mathematik dar.

Die «Tatsachen» der mathematischen Intuition


Hätten Sie noch vor nicht allzu langer Zeit einen Mathematiker
nach der Möglichkeit befragt, zur zehnmilliardsten Binärziffer von 1t
zu springen, ohne die vorangehenden Ziffern auszurechnen, dann
wären Sie ausgelacht worden. Die Mathematiker sind mitunter auf-
grund ihrer berühmten und sehr praktischen Intuition von der Un-
möglichkeit gewisser Dinge überzeugt, ohne einen richtigen Beweis
dafür zu haben. Diese Intuition ist schon oft von einem wirklich-
keitsfremden Schwärmer oder von einem genialen Mathematiker,
der keine Komplexe hatte, vom Tisch gefegt worden. Die Borwein-
Brüder, führende Spezialisten für Verfahren zur 1t-Berechnung (vgl.
Kapitel 7), urteilten im Jahre 1989, « ••• es sei vernünftig zu spekulie-
ren, daß die Berechnung der n-ten Binärziffer von 1t nicht wirklich
leichter sei als die Berechnung sämtlicher Binärziffern bis zur n-ten
Stelle». Amüsanterweise gehörte einer der Borwein-Brüder dem
Team an, das dieses Urteil sechs Jahre später Lügen gestraft hat!
Eine ähnliche Überraschung hatte es 1934 gegeben, als bewie-
sen wurde, daß ab eine transzendente Zahl ist (also keine Lösung
einer algebraischen Gleichung), falls a eine von 0 und 1 verschie-
dene algebraische Zahl und b eine irrationale algebraische Zahl ist
(vgl. Kapitel 9). Der große David Hilbert war im Jahre 1900 der
161
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

Ansicht, daß das betreffende Problem deutlich schwieriger als die


Riemannsche Vermutung sei (bei dieser Vermutung geht es um die
Verteilung der Primzahlen). Die Riemannsche Vermutung harrt je-
doch noch immer eines Beweises.

Eine radikal neue Formel

Der Zeitpunkt der Entdeckung der neuen Formel läßt sich mit
großer Präzision angeben: Es geschah am 19. September 1995 um
00:29 Uhr. Diese exakte Zeitangabe ist natürlich der Speicherung
der Rechnungen zu verdanken, die zur Aufstellung der Formel führ-
ten. Für den Entdecker Simon Plouffe war diese Nacht die Krönung
einer einmonatigen Forschungsarbeit, die er zusammen mit David
Bailey und Peter Borwein an der Simon Fraser University durchge-
führt hatte. Im vollen Bewußtsein dessen, was er suchte, verwen-
dete S. Plouffe den von der Computeralgebra her bekannten PSLQ-
Algorithmus. Die Nutzung von Hilfsmitteln der Informatik zur
Gewinnung mathematischer Ergebnisse bedeutet also nicht, daß der
Mathematiker dabei allmählich vertrottelt! Simon Plouffe hatte
bewiesen, daß

Diese Formel ist bemerkenswert, denn sie erlaubt die individu-


elle Berechnung der Ziffern von 1t zur Basis 2. Zum Beispiel kann
man auf direktem Wege die 40milliardste Binärziffer von 1t ermit-
teln, ohne die vorangehenden Ziffern berechnen zu müssen! Das
kanadische Team hat diese Binärziffer bestimmt. Es ist eine «1»,
nach der die Ziffern 0010010 folgen. Noch niemand hat die vorange-
henden 40 Milliarden Binärziffern von 1t ausgerechnet, auch wenn
dies gegenwärtig technisch machbar wäre.
Unter Einsatz derselben Technik berechnete Fabrice Bellard
am 22. September 1997 die 1000milliardste Binärziffer von 1t. Es
handelt sich um eine «1», nach der die Ziffern 000011111110111...
folgen. Dieses Ergebnis erfordert eine Rechenleistung, die nicht
jedem zur Verfügung steht. F. Bellard führte seine Berechnungen
162
8. KAPITEL

mit Hilfe von ungefähr dreißig Computern durch, wobei er die


Zeiten nutzte, an denen die Rechner nicht anderweitig verwendet
wurden. Seine Rechnungen dauerten 25 Tage. Hätte er nur einen
einzigen Computer benutzt, dann wären 400 Tage erforderlich
gewesen!
Für die Berechnung sämtlicher Ziffern von 1t bis zu einer gewis-
sen Stelle ist die neue Formel nichts Außergewöhnliches im Ver-
gleich zu anderen Formeln (zum Beispiel zu den Formeln von
Ramanujan). Für die Summe P(n) der ersten n Glieder der unendli-
chen Summe finden wir

P(I) =3,141 4224664224664224


P(2) =3,1415 873903465815230
P(3) = 3,141592 4575674353818
P(4) = 3,1415926 454603363195
P(5) =3,141592653 22 0875347

Mit jedem neuen Ausdruck gewinnt man weniger als zwei exak-
te Ziffern.

Für die Binärziffern, aber nicht tür die Dezimalen


Wir wollen gleich bemerken, daß man keine derart effiziente
Formel für eine von den vorangehenden Ziffern unabhängige Be-
rechnung der Dezimalziffern von 1t gefunden hat.
Wenn Sie sich für 1t zur Basis 10 interessieren und wissen
möchten, wie die 1000milliardste Dezimale lautet, dann müssen
Sie nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge sämtliche vorange-
henden Dezimalen ausrechnen. Gelingt es Ihnen nicht, den aktuel-
len Rekord zu brechen, dann wird Ihnen die 1000milliardste
Dezimale unbekannt bleiben. Der Übergang von der Basis 2 zur
Basis 4 oder zur Basis 8 (oder allgemeiner zur Basis 2n ) läßt sich in
kleinen Schritten durchführen - durch Umgruppierung der
Ziffern. Ebenso geht man umgekehrt von der Basis 2 n zur Basis 2
über. Dagegen läßt sich der Übergang zu anderen Basen nicht in
kleinen Schritten durchführen. Was sich zur Basis 2 und zu allen
Basen der Form 2n als durchführbar erwies, hat nicht dazu beige-
tragen, die Lösung des entsprechenden Problems zur Basis 10 vor-
anzubringen.
Im November 1996 hat S. Plouffe ein Verfahren zur Berech-
nung der Dezimalziffern von 1t angegeben, bei dem die vorangehen-
den Ziffern nicht benötigt werden. Dieses raffinierte Verfahren,
das nur sehr wenig Speicherplatz benötigt, ähnelt dem weiter
163
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

unten angegebenen Verfahren für die Binärziffern, ist aber etwas


komplizierter. Es beruht auf folgender Formel, die seit langem
bekannt ist:

~ mx2m
ml.t (2m) = -2m!
L
m=l
-(2m) =1t+3 m
-
(m!)2
m

S. Plouffe hat seinen Algorithmus unter Ausnutzung spezifi-


scher Eigenschaften der Koeffizienten der binomischen Formel von
Newton entwickelt. Diese Koeffizienten treten im Nenner auf und
haben nur kleine Faktoren.
Leider muß man bei dem allgemeinen und auf jede Basis an-
wendbaren Plouffeschen Algorithmus einen Preis für den geringen
Speicherverbrauch zahlen: Die Rechendauer ist nämlich sehr viel
länger als bei den im vorangehenden Kapitel beschriebenen Ver-
fahren, bei denen sämtliche Dezimalen berechnet werden. Was
man also auf der einen Seite gewinnt, verliert man auf der anderen
Seite. Das ist in der Informatik häufig so.
Zur Berechnung der n-ten Dezimale von 1t mit Hilfe des
PlouffeschenAlgorithmus benötigt man demnach eine zu n 3 x In n 3
proportionale Rechenzeit. Damit wird der Algorithmus praktisch
unbrauchbar für die Überschreitung der Grenze der bekannten
Dezimalen. Eine von F. Bellard im Januar 1997 angegebene Ver-
besserung senkt die Rechenzeit auf n 2 , was immer noch nicht aus-
reicht. Das Interesse an diesem Algorithmus ist demnach einzig
und allein theoretisch.
Die Formel von Bailey-Borwein-Plouffe (der Kürze halber mit
BBP bezeichnet) ist ihrerseits sowohl von theoretischem als auch
von praktischem Interesse, denn sie liefert die n-te Binärziffer von
1t in einer zu n x In n proportionalen Zeit. Die Formel hätte schon
vor Jahrhunderten entdeckt werden können, zum Beispiel von
Leonhard Euler, der so viele wunderbare Formeln gefunden hat.
Tatsächlich ist der Beweis weder schwierig noch außergewöhnlich.
Die Schwierigkeit bestand darin, sich die Existenz einer derartigen
Formel vorzustellen und sie aufzuschreiben, worauf man bis 1995
warten mußte. Eric Kern von der Universität Straßburg war 1992
auf eine ähnliche Formel gestoßen, veröffentlichte sie jedoch nicht,
da er kein Interesse dafür feststellen konnte.
Nach Bekanntwerden der BBP-Formel wurden analoge For-
meln für mathematische Konstanten aller Art entdeckt. Wie so oft
in der Wissenschaft, eröffnet sich eine vollkommen neue Land-
schaft, wenn ein geniales oder vom Glück begünstigtes Team den
Schleier ein wenig lüftet. Das Team von der Simon Fraser Uni-
164
8. KAPITEL

versity hat einen echten Schatz von fantastischen und unerwarte-


ten Formeln aufgespürt, und man ist noch nicht gerüstet, diesen
Schatz zu bergen. Vielleicht gibt es dort auch Diamanten, die
größer als die bisher gefundenen sind. Man versteht die Unruhe,
die unter den Schatzgräbern herrscht.

Wie wendet man die BBP-Formel an?

Wir erläutern nun ausführlicher, wieso man mit der BBP-For-


mel die 1000milliardste Binärziffer von 1t ausrechnen kann, ohne die
vorhergehenden Ziffern bestimmen zu müssen. Wir führen dies mit
Hilfe von numerischen Beispielen durch, ohne dabei irgendwelche
komplizierten mathematischen Begriffe einzusetzen. Für das Ver-
ständnis reicht es aus, rechnen zu können und das Spiel der Über-
träge bei Additionen zu beherrschen.
Wir erläutern die grundlegenden Ideen anhand von Beispielen
im Dezimalsystem, da uns der Umgang mit Zahlen zur Basis 10
leichter fällt als das Hantieren mit der Basis 2 oder der Basis 16.
Offensichtlich sind die Überlegungen für alle Basen gültig. Tat-
sächlich ist es die Basis 16 (und somit die Basis 2), die sich als
wahrhaft nützlich erweist. Unsere Erläuterung rankt sich um vier
Ideen.

Idee r. 1: Bei der Addition sehr großer Zahlen (zum Beispiel


zweier Zahlen von je 200 Ziffern) kann man ohne aufwendige Rech-
nung herausbekommen, was in der Mitte vor sich geht - beispiels-
weise an der hundertsten Stelle. Zwar wird die Addition der beiden
an der 100. Stelle liegenden Ziffern nicht immer ausreichen, aber
Dank der BBP-Formel muß man viel mehr wird nicht benötigt.
zur Bestimmung der noten Ziffer
von 1t zur Basis 16 nur mit kleinen
Zahlen rechnen. Es reicht aus, die
ersten n Glieder der unendlichen
Summe und danach die nachfol- Berechnung der noten Ziffer von 7t (zur Basis 16)
genden k Glieder (mit relativ klei-
nem k) auszurechnen, um die 1t=L :1(_4_- _2___1___1_)
Probleme des Übertrags zu ver- 1010' 8;+1 8;+4 8;+5 8;+6
meiden, und für jedes Glied die n-
te Ziffer und einige der nach- 1. Glied C::::][=:I C=][::::::J c::::::J " ..... _ _ c:::::J c::::::J c::::::J ...... .
folgenden Ziffern auszurechnen 2. Glied c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J ....... _ _ _ c::::::J c::::::J c::::::J ...... .
(Schattierungen in Rot). Dies ge- c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J ....... _ _ c::::J c::::::J c::::::J ...... .

_---
lingt, ohne die vorhergehenden n-tes Glied c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J ....... _ _ c:=J c:=J c:::::J ...... .
Ziffern ausrechnen zu müssen. c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J ....... _ _ c::::::J c::::::J c::::::J ...... .
Addiert man diese n + k kleinen n+k-tes Glied c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J c::::::J ....... _ c:::J c::::::J c::::::J ...... .
ganzen Zahlen, dann liefert die

----
letzte Ziffer der Summe der ersten
roten Spalte (plus eventuelle
Überträge der nachfolgenden I~
Spalten) die note Ziffer der Zahl 11 1[= .......
zur Basis 16.
165
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

Angenommen, wir wollen die an der 100. Stelle stehende Ziffer


derjenigen ganzen Zahl herausbekommen, die man nach Addition
der beiden folgenden aus je zweihundert Ziffern bestehenden Zahlen
X und Y erhält: X = • • • abc • • • mit den Ziffern a, bund c an den
Positionen 100, 101 bzw. 102 und Y = • • • a'b'c' • • • mit den
Ziffern a', b' und c' an den Positionen 100, 101 bzw. 102

100 101 102

+
• • • a b c • • • a
+ a'
b c
• • • a' b' c' • • • b' c'

• • • ? • • • • • a" b" c"

Es ist alles eine Frage der Überträge. Berechnet man die


Summe von abc und a'b'c' so, wie man es bei einer gewöhnlichen
Addition zweier ganzer Zahlen zu je drei Ziffern tun würde, dann
erhält man die Zahl a"b"c", der gegebenenfalls der Übertrag «1» vor-
angeht, was für uns aber hier ohne Bedeutung ist. Wann tritt der
Fall ein, daß die Ziffer a" die richtige ist? Mit anderen Worten: Unter
welchen Bedingungen ist a" die Ziffer, die man an Position 100
erhält, wenn man die vollständige Addition der 200 Ziffern von X
und der 200 Ziffern von Y ausführt?
Die Antwort ist einfach: Außer im Falle b + b' = 9 und c + c' = 9
sind wir sicher, daß a" richtig ist. Hat man b + b' = 9 und c + c' = 9,
dann hängt alles davon ab, was sich bei der großen Addition rechts
von c + c' abspielt. Findet ein Übertrag statt, dann pflanzt sich die-
ser bis a + a' fort, und diese Summe muß geändert werden. Hieraus
folgt - es sei denn, wir haben Pech, was höchstens einmal in hundert
Fällen eintritt -, daß wir auf die richtige Ziffer a" stoßen, wenn wir
uns damit begnügen, drei Additionen von je zwei Ziffern vorzuneh-
men. Darüber hinaus merken wir es, wenn wir Pech haben; es reicht
dann aus, noch ein Stückchen weiter nach rechts zu gehen und mit
etwas mehr Ziffern zu rechnen, um sicher zu sein, das richtige a" zu
haben.
Dieses Prinzip behält seine Gültigkeit, wenn man nacheinander
mehrere große ganze Zahlen addiert oder wenn man eine große gan-
ze Zahl mit einer kleinen ganzen Zahl (das heißt einer ganzen Zahl
mit höchstens 30 oder 50 Ziffern) multipliziert. Wir bekommen mit
Sicherheit heraus, was an einer beliebigen Stelle passiert, wenn wir
bei unseren Rechnungen nur ein klein wenig über diese Stelle hin-
aus nach rechts gehen. In der Praxis bedeutet «ein klein wenig» mit-
unter einige Dutzend Ziffern. Aber was macht schon eine Rechnung
mit 30 oder 50 Ziffern, wenn wir damit eine Manipulation von Mil-
liarden von Ziffern vermeiden können!
166
8. KAPITEL

Wir werden sehen, daß man große ganze Zahlen lokal addieren
kann oder eine große ganze Zahl mit einer kleinen ganzen Zahl lokal
multiplizieren kann. Hingegen gilt dies nicht für die Multiplikation
zweier großer ganzer Zahlen oder für die Division - andernfalls
hätte man die Dezimalziffern von 1t schon längst individuell aus-
rechnen können.

Idee NI'. 2: Mit Hilfe einer Serie von kleinen Rechnungen kann
man die n-te Ziffer (denken Sie sich n als zehn Milliarden) einer
Zahl der Form lI(k x 16i ) zur Basis 16 ausrechnen.
Wie schon zuvor arbeiten wir zur Basis 10, um das Verständnis
zu erleichtern. Wir erläutern, wie man die n-te Dezimalziffer von
l/(k x 10i ) mit Hilfe von kleinen Rechnungen ausrechnet. Wir neh-
men n = 1000, um es noch etwas leichter zu machen, und i = 35,
k = 49. Wir wollen die tausendste Dezimalziffer von 1/(49 x 10 35 )
ausrechnen.
Jeder weiß, daß es für die Multiplikation einer Dezimalzahl
mit 10 ausreicht, das Komma um eine Stelle nach rechts zu ver-
schieben. Daher ist die tausendste Dezimalziffer von 11(49 x 1035 )
die 999. Ziffer von 1/(49 x 1034 ), und diese ist die 998. Ziffer von
1/( 49 x 1033 ). Zu guter Letzt müssen wir die 965. Ziffer von 1/49
ausrechnen.
Unter erneuter Anwendung des Verschiebungsprinzips finden
wir, daß diese Ziffer dieselbe ist wie die erste Nachkommaziffer von
10964/49.
Angenommen, es gelingt uns, den nach Division von 10964 durch
49 übrigbleibenden Rest r ohne die Manipulation großer Zahlen zu
berechnen (das ist Idee Nr. 3). Dann haben wir 10964 = 49 q + r mit
einer ganzen Zahl q und r < 49, also 10964/49 = q + r/49.
Die Zahl q ist ganz, und daher ist die erste Nachkommaziffer
von 10964/49 dieselbe wie die erste Nachkommaziffer von r/49. Diese
wiederum läßt sich mühelos durch Ausführen der Division bestim-
men: r ist kleiner als 49, also handelt es sich um eine Division von
kleinen Zahlen.
Alles in allem und unter dem Vorbehalt, daß sich die nach
Division von 10964 durch 49 ergebenden Reste leicht ausrechnen
lassen, wissen wir, wie man die tausendste Dezimalziffer von
1I( 49 x 1035 ) berechnet. Allgemeiner wissen wir auch, wie man eine
beliebige individuelle Ziffer einer Zahl der Form lI(n x pi) zur Basis
p berechnet, wenn n eine kleine ganze Zahl ist. Gemäß Idee Nr. 1
läßt sich dieses Ergebnis auf Zahlen der Form m/(n x pi) mit einer
kleinen ganzen Zahl m und auf die Summe derartiger Brüche aus-
dehnen. Beachten Sie jedoch, daß sich das Ergebnis nicht auf
Brüche der Form m/q ausdehnen läßt.
167
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

Idee NI', 3: Die Berechnung des Restes nach der Division von
10964 durch 49 ist leicht und läßt sich schnell und ohne Manipulation
großer Zahlen durchführen.
Zur Berechnung des Restes nach der Division von 10964 durch 49
benutzt man die «Arithmetik modulo 49»: Hat man die 49 über-
schritten, dann zieht man sie so oft wie nötig ab. Zum Beispiel haben
wir 35 + 45 = 80 = 31, 3 x 45 = 135 = 37 usw.
Da die Berechnung des Restes nach der Division von 10964 durch
49 auf die Berechnung von 10 964 in der Arithmetik modulo 49 hin-
ausläuft, verfährt man folgendermaßen (vor viertausend Jahren
benutzten die Ägypter eine ähnliche Idee zur Ausführung der Multi-
plikation):
• Berechnung von 102 , 104 , 108 usw.:
10 2 = 100 = 2 ; 10 4 = 2 2 = 4 ; 108 = 4 2 = 16 ; 10 16 = 162 = 256 = 11 ;
1032 = 11 2 = 121 = 23; 1064 = 23 2 = 529 = 39 ; 10128 = 392 = 1521 = 2 ;
10256 = 2 2 = 4 ; 10 512 = 4 2 = 16 ;
• Zerlegung von 964 in eine Summe von Potenzen von 2:
964 = 512 + 256 + 128 + 64 + 4
• 10 964 = 10512+256+128+64+4 = 16 x 4 x 2 x 39 x 4 = 19968 = 25
Bei dieser Rechnung werden nur kleine Zahlen verwendet, und
keine der Manipulationen ist wirklich lang - selbst wenn wir an-
stelle von 1000 die Rechnungen mit zehn Milliarden durchgeführt
hätten.

Idee. 1".4: Nun wenden wir die BBP-Formel an. Für jedes Glied
der unendlichen Summe für n; ist es leicht, wie wir gleich sehen wer-
den, die zehnmilliardste Ziffer zur Basis 16 zu ermitteln, denn die
Glieder lassen sich folgendermaßen schreiben:

1t =
~ 1( 4+ 1 - 2+ 4 - 1+ 5 - 1)
,L 16i 8i 8i 8i 8i +6
1=0
Dennoch scheint hier ein Hindernis aufzutreten, denn diese
Summe ist unendlich. Wenn man eine kleine Anzahl von Ziffern
einer endlichen Anzahl von Gliedern summiert, kann man dann den
Übertrag einfach vernachlässigen, der in der Summe einer unendli-
chen Anzahl von Gliedern aufzutreten droht? Tatsächlich wird 1/16i
mit wachsendem i sehr schnell kleiner, und es reicht aus, die ersten
zehn Milliarden Glieder der Reihe plus eine kleine zusätzliche An-
zahl von Gliedern zu berücksichtigen; natürlich wird die exakte
Anzahl der Glieder und der Ziffern sorgfältig ausgerechnet. Letzten
Endes führt man die Bestimmung der zehnmilliardsten Ziffer von 1t
zur Basis 16 auf eine Folge von kleinen Rechnungen mit kleinen
ganzen Zahlen zurück und muß dabei zu keinem Zeitpunkt Milliar-
den von Ziffern speichern, wie das bei sämtlichen früheren Verfah-
168
8. KAPITEL

ren zur Berechnung von 1t der Fall war - auch bei den Tröpfel-Algo-
rithmen.
Um die Berechnung zu Ende zu führen und die Binärziffern von
1t zu bekommen, reicht die Bemerkung aus, daß die Kenntnis der n-
ten Ziffer von 1t zur Basis 16 die Binärziffern von 1t an den Stellen
4n - 3, 4n - 2, 4n - 1 und 4n liefert. Man ersetzt jede der Ziffern zur
Basis 16, wobei die Buchstaben Abis F die Ziffern von «10» bis «15»
bezeichnen, gemäß folgender Regel durch vier Binärziffern:
o~ 0000, 1 ~ 0001, 2 ~ 0010, 3 ~ 0011, 4 ~ 0100, 5 ~ 0101,
6 ~ 0110, 7 ~ 0111, 8 ~ 1000, 9 ~ 1001, A~ 1010, B~ 1011,
C~ 1100, D~ 1101, E~ 1110, F~ 1111

Rechenergebnisse

Wir geben einige Ergebnisse wieder, die von D. Bailey,


P. Borwein und S. Plouffe in ihrem Artikel über die neue Formel und
deren Erweiterungen erzielt worden sind. Wir rufen uns nochmals
ins Gedächtnis, daß D. Bailey im Jahre 1986 der erste war, der 29
Millionen Dezimalen berechnete (das amtliche Kennzeichen seines
Wagens ist P314159), daß P. Borwein zusammen mit seinem Bruder
zahlreiche effiziente Formeln zur Berechnung von 1t gefunden hat
und daß Y. Kanada einige dieser Formeln beim Aufstellen seiner
Rekorde verwendet hat (vgl. Kapitel 7).
1t zur Basis 16 mit Beginn von Stelle
106 : 26C65E52CB4593 (Bailey, Borwein, Plouffe)
10 7 : 17AF5863EFED8D (Bailey, Borwein, Plouffe)
108 : ECB840E21926EC (Bailey, Borwein, Plouffe)
109 : 85895585A0428B (Bailey, Borwein, Plouffe)
10 10 : 921C73C6838FB2 (Bailey, Borwein, Plouffe)
10 12 : 87F72BIDC9786914 (F. Bellard)
Die Verfasser haben diese Rechnungen für die Computer der
NASA programmiert, wo D. Bailey arbeitet. Sie befürchteten, daß
man sie wegen sinnloser Rechnereien der Verschwendung des Geldes
der amerikanischen Steuerzahler anklagen würde. Aus diesem Grun-
de betonten sie, wie es auch F. Bellard tat, daß sie ausschließlich
Rechner benutzten, die andernfalls Leerlaufzeiten gehabt hätten.

Die Komplexitätsklassen und 11:

Was bringt die neue Formel für 1t, und was bringen die danach
gefundenen Formeln ähnlicher Art vom theoretischen Standpunkt
aus? Sie führen zu mehreren bedeutsamen Erkenntnissen.
169
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON TI:

Die Steven-Klasse SC 2 faßt diejenigen Zahlen zusammen, deren


Binärziffern man in «polynomialer Laufzeit» und im «ln-polynomia-
len Raum» berechnen kann. Wenn eine Zahl in SC 2 liegt, dann
benötigt man beispielsweise zur Berechnung der n-ten Binärziffer n 2
Sekunden und einen Speicherplatz der Größenordnung In (n). Die
Rechenzeit erhöht sich in Abhängigkeit von der Zahl n der Stelle, die
man berechnen möchte, höchstens wie ein Polynom in n, und der für
die Berechnung benötigte Speicherplatz vergrößert sich höchstens
wie ein Polynom in In (n) - also langsam, denn es ist loglO (10) = 1,
loglO (100) = 2, IOglO (1000) = 3 usw.
Die neue Formel für 1t erlaubt es nicht, die n-te Ziffer schneller
zu berechnen, als das bei den vorher bekannten Verfahren der Fall
war; bei allen diesen Verfahren war ja die Berechnung der vorange-
henden Ziffern erforderlich. Dafür vermeidet das neue Verfahren die
Nutzung und Verwaltung von allzu viel Speicherplatz, was heutzu-
tage das Haupthindernis für diese Rechnungen ist. Diese Speicher-
ökonomie beweist, daß 1t zur Steven-Klasse SC 2 gehört - eine Tat-
sache, die vorher unbekannt war und sogar für unwahrscheinlich
gehalten wurde.
Darüber hinaus zeigt der von S. Plouffe im November 1996 ent-
deckte allgemeine Algorithmus, daß 1t für alle Basen b zur Klasse
SCb gehört. Wir wissen heute, daß man theoretisch die n-te
Dezimale von 1t bestimmen kann, ohne sämtliche vorangehenden
Dezimalen zu berechnen - wenn auch der Preis hierfür eine gravie-
rende Verlangsamung der Rechnung ist. Vor allem aber wissen wir,
daß man auch ohne große Speicherkapazität in der Folge der Dezi-
malen weit nach «draußen,> gehen kann.
Die BBP-Formel und der allgemeine Algorithmus von S. Plouffe
haben bemerkenswerte praktische Konsequenzen: Zur Berechnung
von n Ziffern der Zahl 1t ist es nicht mehr erforderlich, die Rech-
nungen in einer exakten Arithmetik zu programmieren, also lange
Programme zu entwickeln, die auf die Manipulation von großen gan-
zen Zahlen spezialisiert sind. Vor allem ist es nicht mehr notwendig,
Zwischendaten von einer zu n proportionalen Größe zu speichern
(der Tröpfel-Algorithmus führt zu kurzen Programmen, erfordert
aber viel Speicherplatz). Wieder einmal «spart Intelligenz Gedächt-
nis». Der Vorteil von Y. Kanada - Rechner mit großen Schnellspei-
chern - ist zunichte gemacht worden, und Kanada hat dadurch sei-
nen Rekord verloren. Er ist zwar heute immer noch derjenige, der
die größte Anzahl von Ziffern von 1t berechnet hat, aber inzwischen
haben andere bei den Ziffern von 1t weiter nach draußen geblickt.
Unter Verwendung der oben beschriebenen oder der aus dem all-
gemeinen Algorithmus von S. Plouffe abgeleiteten Verfahren kann
man sich auf die Grundarithmetik des Rechners beschränken, bei
170
8. KAPITEL

der es sich sehr oft um eine Arithmetik handelt, die aus einem oder
zwei Dutzend Ziffern besteht. Infolgedessen kann man mit einem
Programm, das aus nur einigen Dutzend Zeilen besteht, die Berech-
nung der Ziffern von n zu jeder Basis weit und zur Basis 2 wirklich
sehr weit vorantreiben.
Im Binärfall hat man somit Zugang zu Ziffern von n, die nie-
mand zuvor gekannt hat - wir verweisen auf die vorangehenden
Beispiele. Im Dezimalfall trifft das nicht mehr zu, denn man wird
durch die allzu große Verlangsamung bestraft, die dadurch eintritt,
daß man nichts speichern will.
Wenn aber die Größe des Speichers kein Problem mehr darstellt,
dann gibt es andere einschränkende Faktoren, die auf die Rechen-
zeit zurückzuführen sind und Grenzen für die Berechnung der Dezi-
malen von n darstellen. n ist unendlich lang, und wir werden immer
nur das Ufer dieses Ozeans kennen!
Die Erforschung der BBP-Formel für n ist nicht abgeschlossen.
Programmiert man noch sorgfältiger, als es kurz nach dem Bekannt-
werden der Formel getan wurde, oder verwendet man Parallel-
rechner, dann liefert die Formel ganz gewiß Ziffern jenseits der
1000milliardsten Stelle. Nach S. Plouffe ist zu erwarten, daß die
1015-te BinärsteIle von n in naher Zukunft gefunden wird. Noch vor
nicht allzu langer Zeit hätte man dies für definitiv unmöglich gehal-
ten oder für eine Aufgabe angesehen, die unseren Urenkeln vorbe-
halten ist! Die neue Formel gestattet es, die Rechenarbeit auf eine
Vielzahl von kleinen Rechnern aufzuteilen. Es ist von nun an relativ
leicht, neue Rekorde aufzustellen.
Wichtiger noch ist die Tatsache, daß die BBP-Formel den Weg zu
einer allgemeinen mathematischen Untersuchung der Ziffern von n
eröffnet, die jedoch bislang überaus enttäuschend verlaufen ist. Die
einzige bisher bewiesene Tatsache über die Ziffern von n ist, daß
keine Periode auftritt: Andernfalls wäre n rational (also ein Ver-
hältnis zweier ganzer Zahlen), und wir wissen seit dem Beweis von
Lambert im Jahre 1761, daß dies nicht der Fall ist. Es sind keine
weiteren allgemeinen Eigenschaften der Ziffern von n bekannt. Die
von Lindemann 1882 bewiesene Transzendenz von n liefert keinerlei
Hinweise auf irgendeine interessante allgemeine Eigenschaft der
Dezimalen (ugl. Kapitel 9 und 10).
Die neue Formel gestattet einen unmittelbareren Zugang zu den
Ziffern von n, als dies bei sämtlichen bisher bekannten Formeln der
Fall war. Vielleicht ermöglicht sie deswegen auch einen Beweis
dafür, daß die Ziffern von n gleich verteilt sind - eine derartige Zahl
wird als normal bezeichnet. Dies scheint der Fall zu sein, aber ein
Beweis steht noch aus. Ein solcher Beweis wäre ein bemerkenswer-
ter Fortschritt. In Ermangelung eines Besseren ließen sich vielleicht
171
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

regelmäßige Muster bei den Ziffern oder eine gewisse Struktur fest-
stellen, die möglicherweise komplex ist, sich aber von der Struktur
einer Zufallsfolge unterscheidet. Das wäre wunderbar, denn alle bis-
lang durchgeführten statistischen Tests bezüglich der Binärziffern
oder der Dezimalziffern von n haben lediglich eine trostlose Banali-
tät zutage gefördert (vgl. Kapitel 10).
S. Plouffe hält einen solchen Fortschritt für möglich: «Ich glau-
be, daß ein Beweis der Normalität von In(2) oder n nicht mehr weit
ist, und ich schließe sogar eine direkte Formel nicht aus, mit der sich
die n-te BinärsteIle von In(2) in linearer Laufzeit berechnen läßt.»
Auch andere Mathematiker, wie D. Bailey und Jeff Shallit, halten
bei diesen seit zwei Jahrhunderten festgefahrenen Fragen einen
baldigen Fortschritt für möglich.

Weitere Konstanten

Man hat Formeln entdeckt, die der BBP-Formel ähneln und zei-
gen, daß zum Beispiel n2 , n'l/2 und In (2) zur Steven-Klasse SC2
gehören.
Bei den Logarithmen stellen wir eine ganz erstaunliche Sache
fest: Man hat Formeln für In (2), In (3), .... In (22) gefunden, nicht
aber für In (23). Es scheint, daß In (n) für die meisten ganzen Zahlen
n in SC2 liegt. Vielleicht ist dies sogar bei den Logarithmen sämtli-
cher ganzer Zahlen der Fall, aber der Beweis hierfür ist bis heute
noch nicht erbracht.

Simon Plouffe, ein großer Kenner von 1t

Die Leidenschaft, die Simon Plouffe für 7t empfindet, ist nicht


neu. Im Jahre 1975 brachte er es fertig, 4096 Dezimalen von 7t aus-
wendig zu lernen (der aktuelle Rekord steht bei mehr als 42.000
Stellen). Aus diesem Grund kam er in das damalige Guinness Buch
der Rekorde. Es ist amüsant zu sehen, daß er 20 Jahre später in
bezug auf n an einer Entdeckung allerersten Ranges beteiligt war.
S. Plouffe berichtet, daß er sich zum Auswendiglernen der Dezi-
malen von 7t jeweils Gruppen von 100 Ziffern vorgenommen und diese
mehrmals niedergeschrieben hat. Auf diese Weise gelang es ihm, sich
die Ziffern dank seines fotografischen Gedächtnisses zu merken. Er
mußte sich in regelmäßigen Abständen ins Dunkle zurückziehen und
die Ziffern aufsagen, um sie nicht zu vergessen. Nach seinem Rekord
von 4096 Ziffern gelang es ihm noch, 4400 Ziffern zu erreichen;
danach beschloß er, damit aufzuhören. Auch mit dem stärksten Simon Plouffe.
172
8. KAPITEL

Willen der Welt gibt es nur wenige, die zu derartige Leistungen fähig
sind: Es bedarf eines besonderen heimlichen Einvernehmens mit den
Ziffern, das an die Rechenkünstler des vergangenen Jahrhunderts
oder an die Fähigkeiten erinnert, die Euler und Ramanujan ganz
offensichtlich besaßen.

Experimentelle Mathematik
Das Team von der Si mon Fraser University, das die neue Formel
für 1t entdeckt hatte, leitet eine Gruppe von Mathematikern, die eine
neue Praxis der Mathematik befürwortet. Für sie ist die Mathe-
matik am Ende des 19. Jahrhunderts zu abstrakt geworden, denn
alles oder fast alles, was mit Rechnungen per Hand gefunden wer-
den konnte, war tatsächlich gefunden worden. Sie verfechten die
Meinung, daß mit den Computern eine neue Ära der konkreten und
experimentellen Mathematik begann.
Die Wechselwirkung zwischen Mathematikern und der Software
für numerische oder symbolische Rechnungen erlaubt Untersu-
chungen, bei denen die Länge und die Komplexität der symbolischen
Manipulationen kein Hindernis mehr darstellen. Man kann dem
Rechner ermüdende Rechenaufgaben anvertrauen, wie zum Beispiel
das Bilden von Ableitungen, die Berechnung von Stammfunktionen,
die Faktorisierung von Polynomen usw. Auf diese Weise wird der
Computer zum Gehilfen des Mathematikers. Die Suche nach nume-
rischen Übereinstimmungen kann im großen Maßstab durchgeführt
werden, und der Beweis von komplizierten Zwischenformeln wird
Programmen übertragen.
Die BBP-Formel hätte auch ohne Computer gefunden werden
können, aber sie wurde mit ihm gefunden! Sie kristallisierte sich für
S. Plouffe am Ende einer bewußten Suche heraus, bei der die

Der experimentelle Mathematiker


ist bereit, sämtliche möglichen
und denkbaren Mittel zu nutzen,
um neue mathematische Wahr-
heiten zu finden. Er ist aber nur
dann zufrieden, wenn er mathe-
matische Beweise dafür erbracht
hat.
173
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

Intelligenz des Mathematikers und die außergewöhnliche symboli-


sche Manipulationskraft von Programmen in enger Verbindung
gearbeitet hatten.
Nachdem die Formel gefunden war, mußte sie bewiesen werden.
Das hätte wieder per Hand erledigt werden können, aber durch die
Verwendung eines Programms wurde die Aufgabe leichter. Mit Blick
auf diejenigen, die gegenüber Computern ein instinktives Miß-
trauen hegen, bemerken wir, daß sich der gefundene Beweis auch
ohne Rechner überprüfen läßt (vgl. Anhang 1, Seite 174).
Diejenigen unter den gegenwärtigen Mathematikern, die Für-
sprecher der Nutzung von Computern zum Auffinden neuer mathe-
matischer «Wahrheiten» sind, führen Arbeiten fort, die man aus
Gründen der Komplexität der durchzuführenden Rechnungen mehr
oder weniger aufgegeben hatte. Es war undenkbar, diese Rechnungen
per Hand auszuführen. Dies betraf auch Ramanujan. Der große indi-
sche Mathematiker hatte eine außergewöhnliche Gabe, Formeln zu
finden. Einige dieser Formeln betreffen 1t (vgl. Kapitel 7), und
Ramanujan war es gelungen, etwas weiter zu gehen als seine Vorgän-
ger. Es ist das Verdienst der Computer und der experimentellen
Mathematiker, daß die Arbeit von Ramanujan heute fortgeführt wird.

Computer und mathematische Wahrheiten


Die genannten Forschungsarbeiten ziehen erhebliche Probleme
für die Philosophie der Mathematik nach sich. Es kommt beispiels-
weise vor, daß eine Formel mit Hilfe eines Computers entdeckt wird,
ohne daß es gelingt, einen Beweis dafür zu geben. In einem solchen
Fall sehen die experimentellen Mathematiker die Formel nicht als
bewiesen an. Sie akzeptieren die klassische Unterscheidung zwi-
schen bewiesener Wahrheit und konstatierter Wahrheit - eine der-

Der experimentelle Mathematiker


gibt bereitwillig zu, daß gewisse
Beweise zu lang sind, um sie direkt
per Hand zu überprüfen. Dennoch
mißtraut er Computern ebenso wie
seinen Kollegen, die sich ja irren
können. Er möchte auch so oft wie
möglich Kontrollverfahren für alle
Teile von Beweisen verwenden, die
er nicht selbst überprüfen kann.
Zu diesen Kontrollverfahren ge-
hören: mehrmalige Durchführung
der Rechnungen, Verwendung un-
terschiedlicher Verfahren, Nut-
zung verschiedener Rechner usw.
174
8. KAPITEL

artige Unterscheidung gibt es in der Physik natürlich nicht. Ihre


experimentelle Auffassung von der Mathematik befürwortet dem-
nach nicht, Mathematik und Physik miteinander zu identifizieren.
Computer sind Hilfsmittel, die man leicht als «dumm» abqualifi-
zieren könnte. Allgemein wird auch heute noch die Auffassung vertre-
ten, daß der Mathematiker sagen muß, ob eine mathematische Be-
hauptung als bewiesen oder unbewiesen anzusehen ist. Das gilt auch
dann, wenn ein Computer die Formulierung dieser Behauptung
ermöglicht hat oder wenn der Computer auf entscheidende Weise in
die Ausarbeitung des Beweises einbezogen wurde, ja sogar dann,
wenn man aus Komplexitätsgründen bei Rechnungen oder Argumen-
tationen nicht ohne Computer auskommen kann, um den Beweis voll-
ständig zu erbringen. Vermutlich ist keiner der Mathematiker auf
diesem Gebiet dazu in der Lage, ganz alleine und per Hand den
Beweis des vollkommen neuen Satzes zu führen, gemäß dem die
IOOOmilliardste Binärziffer von 1t eine «1» ist. Dennoch sind sie es, die
entscheiden müssen, ob diese Aussage als wahr anzusehen ist.
G. Chudnovsky bemerkte übrigens im Hinblick auf die Realität
der Mathematik, daß «1t realer ist als die Maschinen, die seinen Wert
berechnen. Die Mathematik verhält sich wie die Experimental-
physik: Sie beobachtet das Untersuchungsobjekt - die Zahl1t. Und
die Tatsache, daß wir diese Zahl beobachten können, führt uns dazu,
sie als ein natürliches Objekt anzusehen».

Anhang 1: Beweis der Formel von Simon Plouffe


Für jede ganze Zahl k hat man:
~ 1 ~ [ k+Bi ]1/-/2
L. =J'Ik L 8x . k
i=O I6'(8i+k) i=O L+ 0

~ 1//2
=J'Ik i~O 10 xk- 1+Si dx

=y2
(C)k
1
1

o
//2
-
I-x
x
k-1
-sdx

Daher gilt:
~
L
1( 4 2 1 1)
I6i 8i+ 1 - 8i+4 - 8i+5 - 8i+6
,=0
175
DIE BERECHNUNG INDIVIDUELLER ZIFFERN VON 1t

Hieraus folgt nach Substitution der Variablen y = ~2x und Verein-

-1
fachung
1
16(y-l) d
- 4 3 Y
o y -2y +4y-4

=
1
1 4 2
2-y
dy+ 11 y
4-2- d y
o y-2y+2 0 y-2

- 4y dy+ r
=1o y 4-2y+2
1
2 4 dy + 4 -!---dy 2 [1
Jo 1+(y-l) Jo y-2

=[-2In(y2 - 2y + 2) + 4 arctan(y -1) + 21n(2 _y2)]~

=1t

Anhang 2: Einige neue Formeln


Wir geben hier einige neue Formeln an, die die Berechnung indi-
vidueller Ziffern gewisser mathematischer Konstanten gestatten.
Die erste dieser Formeln ist einfacher als die Formel von
D. Bailey, P. Borwein und S. Plouffe, konvergiert aber langsamer.

= (-IY
1t=I'7
(2 2 1)
4i+l + 4i+2+ 4i+3
,=0

1t2 = i: ~ (16 16 _ 8 _ 16 _ 4
i = 0 16' (8i + 1)2 (8i + 2)2 (8i + 3)2 (8i + 4)2 (8i + 5)2

42)
(8i + 6)2 (8i + 7~

1t2 = ~ i: (
~ 16 _ 24 8 _ 6 _ 1 )
8 i =064' (6i + 1)2 (6i + 2~ (6i + 3)2 (6i + 4)2 (6i + 5~

1t12 = t (-1)' (_4_+_1_+_1_)


i = 0 8i 6i + 1 6i + 3 6i + 5
176
8. KAPITEL

In(2)=~ i: ~(-16 + 16 _ 40 _ 14 10
8 i = 0 64l (6i)2 (6i + 1~ (6i + 2)2 (6i + 3~ (6i + 4)2

+ (6i ~ 5)2)
= 1 (16 4)
In(3)=L 16i + 1 (4i + 1) + 4i +3
l=O

1 (16 16 4)
In(5)= L= -.
. 1W+
-1 - 4 1
l+
· +-4·
l+
2 +-4·
l+
3
l=O

= 1 1
In(9/1O)=-L -.""0

. 10l l
l =1

Die letztgenannte Formel erlaubt die individuelle Berechnung


der Dezimalziffern von In(9/10) und zeigt demnach, daß derartige
Formeln für die Basis 10 existieren können. Warum sollte das nicht
auch für 1t möglich sein?

Im Januar 1997 fand Fabrice Bellard folgende Formel, die es


ähnlich wie die BBP-Formel gestattet, die Binärziffern von 1t indivi-
duell zu berechnen, wobei aber die Rechnung um 43 Prozent be-
schleunigt wird.

1t
1
= 64
i: (_l)n ( 34n2+ 1 - 4n1+ 3 + lOn256+ 1 - lOn64+ 3·
210n -

4 4 1)
n=O

lOn+5 10n+7 + lOn+9

Diese Formel ermöglichte es ihm am 22. September 1997, die


1000milliardste Binärziffer von 1t zu berechnen.
Ist 1t transzendent?
Irrationale Zahlen, Wurzelausdrücke
und algebraische Gleichungen

Ist die Zahl JT das Verhältnis zweier ganzer Zahlen, das heißt, ist sie rational? Läßt sich die
Zahl JT mit Zirkel und Lineal, den idealen Instrumenten des Geometers, konstruieren? Mit
anderen Worten: Läßt sich 11: durch einen endlichen algebraischen Ausdruck darstellen, bei dem
lediglich Quadratwurzeln verwendet werden ? Ist die Zahl JT die Lösung einer Gleichung, in der
nur ganze Zahlen und elementare Operationen auftreten, ist 11: also algebraisch? Es hat mehr
als 20 Jahrhunderte gedauert, bis diese Fragen beantwortet wurden, bei denen es sich um
immer weiter ue''f'einerte Formen der folgenden Fragestellung handelte: "Ist 1t endlich definier-
bar?" Die allerletzte Antwort wurde 1882 gegeben, als Lindemann bewies, daß die Zahl1t trans-
zendent (also nicht algebraisch) ist. Damit war das Rätsel der Quadratur des Kreises gelö ·t.
Heute ist alles kla/; und man versteht die Beziehungen zwischen Geometrie und Zahlen sehr
gut. Das bedeutet allerdings nicht, da!l alles einfach geworden ist. Und es bedeutet auch nicht,
daß sämtliche elementaren Fragen beantwortet worden ind. Denn die abstrakte Welt, in der
sich die Mathematiker bewegen, ist unendlich reich und komplex und hält neue Rätsel bereit,
die noch tiefgründiger und schwieriger sind.

Im Unendlichen auf der Suche nach 1L

Die einfachsten Zahlen sind die endlich definierbaren Zahlen.


Man hätte sich gewünscht, daß es keine weiteren gäbe.
Jedoch hatte der Begriff «endlich definierbar» im Laufe der Zeit
verschiedene Bedeutungen. Wir wollen versuchen, das zu präzisie-
ren und machen deswegen einen Streifzug durch die gesamte Ma-
thematikgeschichte: von der Antike bis zu den neuesten, sehr ab-
strakten Begriffsbildungen und von den Pythagoreern bis zu den
Chudnovsky-Brüdern. Die Zahl1t, bei der alles immer komplizierter
ist als bei den anderen Zahlen, tritt in der Rolle des Spielverderbers
auf und zwingt dazu, immer weiter zu gehen. Denn die Zahl1t lei-
stet, ungeachtet des über Jahrhunderte über sie akkumulierten
Wissens, immer noch Widerstand.
178
9. KAPITEL

Im Verlauf dieser Geschichte werden wir vom Unendlichen


mitgerissen. Die Zahl 1t ist wie ein Diamant, der sich den Mathe-
matikern immer wieder entzieht, sie zum Vorwärtsgehen drängt
und sie vor allem dazu zwingt, sich mit dem Unendlichen einzulas-
sen. Auch wenn wir es nicht mögen, die Zahl 1t drängt uns das
Unendliche mit Gewalt auf.

Endlich definierbar zu sein heißt,


rational zu sein
Die Zahlen 0, 1, 2, ... heißen nicht aus Zufall natürliche Zahlen.
Es sind nämlich die Zahlen, denen wir natürlicherweise begegnen
und mit denen wir beginnen. Aber wir können uns mit ihnen gewiß
nicht zufriedengeben, denn wir müssen auch unsere Schulden aus-
rechnen, Gradeinteilungen bei Thermometern vornehmen (-500
DM, -12 Grad usw.), aber auch Obsttorten aufteilen oder Teile von
einem Band abschneiden (1/4, 150/100 usw.). Wir akzeptieren also
die negativen ganzen Zahlen (-2, -1000) und die Brüche (314/100,
1/1000000, -1/5). Zusammengefaßt bezeichnet man diese Zahlen als
rationale Zahlen.
Kann man an dieser Stelle aufhören? Läßt sich jede Zahl als
Verhältnis zweier ganzer Zahlen darstellen?
Die Pythagoreer, eine Schule von Mathematikern im 6. und 5.
Jahrhundert v. ehr., betrieben einen Zahlenkult und hätten sich
dies sehnlichst gewünscht. Es scheint, als hätten sie es auch einen
Augenblick lang geglaubt, aber dann entdeckten sie einen Beweis,
der sie mit Entsetzen erfüllte und der die Mathematiker dazu
zwang, den ersten Schritt in Richtung der organisierten und unend-
lichen Komplexität des Universums der Zahlen zu gehen. Dieser
Vorgang war in seiner Form und Schlußfolgerung derart revolu-
tionär, daß er von einigen Mathematikern als Gründungsakt der
Mathematik angesehen wird.
Wir wissen nicht, welche Version die Pythagoreer zuerst ent-
deckt hatten, denn es lagen verschiedene Varianten innerhalb der
Reichweite der Mathematiker dieser Zeit. Das Vorhandensein unter-
schiedlicher Varianten bestätigt im übrigen, daß man sich der
Schlußfolgerung der Argumentation nicht entziehen konnte. Auch
wenn Sie kein großer Freund von Beweisen sind, sollten Sie versu-
chen, den Beweis für die Irrationalität der Zahl 2 zu verstehen. Die
Mühe lohnt sich.

Satz: Die Zahl '1/2 ist nicht rational, das heißt, sie läßt sich nicht
als Quotient zweier ganzer Zahlen darstellen.
179
IST 1t TRANSZENDENT?

Bcwci : Wir nehmen an, daß >12 rational ist, sich also in der
Form >12 = p/q mit ganzen Zahlen p und q schreiben läßt.

Wir setzen voraus, daß p und q teilerfremd sind; wäre dies


nicht der Fall, dann würden wir den Bruch so lange kürzen, bis
kein gemeinsamer Teiler (> 1) mehr vorhanden ist. Insbesondere
können wir voraussetzen, daß p und q nicht beide gerade sind (zum
Beispiel könnte man 14/10 nach Kürzen als 7/5 schreiben). Wir
erheben beide Seiten der Gleichung >12 = p/q ins Quadrat und mul-
tiplizieren mit q2. Wir erhalten 2q 2 = p2. Das Quadrat einer unge-
raden Zahl ist ungerade, denn das Produkt zweier ungerader
Zahlen ist ungerade. Nun ist aber p2 eine gerade Zahl, denn sie ist
ja gleich 2q 2. Demnach kann p nicht ungerade sein, p ist also eine Eine vollständig geometrische
gerade Zahl. Wir können daher p durch 2p' ersetzen, denn per Beweisführung zeigt, daß keine
Strecke Seine ganzzahlige Anzahl
Definition ist eine gerade Zahl das Doppelte einer anderen Zahl. von Malen in der Seite a eines
Wir haben also 2q2 = 4p'2. Kürzen durch 2 liefert q2 =2p'2. Quadrates und gleichzeitig in des-
sen Diagonale b aufgehen kann
Berücksichtigen wir erneut, daß das Quadrat einer ungeraden (das Verhältnis zwischen Diago-
Zahl ungerade ist, dann finden wir, daß q gerade ist. Nun ist es nale und Seite ist " 2, und das ist
keine rationale Zahl)_ Wenn es
aber unmöglich, daß sowohl p als auch q gerade sind, denn wir hat- eine derartige Strecke gäbe, dann
ten den Bruch zu Beginn als unverkürzbar vorausgesetzt. Ins- wäre diese eine ganzzahlige An-
zahl von Malen in der Strecke c
besondere können also Zähler und Nenner nicht gleichzeitig enthalten, die sich ergibt, wenn
gerade sein. Das bedeutet, daß unsere ursprüngliche Annahme die Seite auf die Diagonale ge-
klappt wird, denn man hat c =
falsch wahr: >12 ist kein Verhältnis zweier ganzer Zahlen. Zwar ist b-a. Aus der Kongruenz der
diese Beweisführung nicht sehr kompliziert, aber ihre Konse- schraffierten Dreiecke folgt, daß
auch die Hypotenuse d des recht-
quenzen sind schwerwiegend: Es gibt Zahlen, die anders beschaf- winkligen gleichschenkligen Drei-
fen sind als Brüche! ecks mit der Seite c die Strecke S
eine ganzzahlige Anzahl von
Diese Entdeckung beschwor einen entsetzlichen Skandal her- Malen enthält, denn d =a - c_ Nun
auf, und die Pythagoreer waren am Boden zerstört. Ihre Lehre führt man diese Konstruktion mit
dem so definierten Halbquadrat
besagte «Alles ist Zahl», und das bedeutete für sie natürlich «Alles der Seite c erneut durch, und so
ist ganze Zahl». Diese Lehre brach in sich zusammen. Man bezeich- weiter. Auf diese Weise gelangt
man nach endlich vielen Schritten
nete die Größen, die sich der Bruchschreibweise widersetzten, als notwendigerweise zu einem recht-
irrational. In dieser Bezeichnung schwingt immer noch der Wider- winkligen gleichschenkligen Drei-
eck, dessen kleine Seite einerseits
hall des alten Skandals mit. Wenn man die Länge der Diagonale echt kleiner als S ist, andererseits
eines Quadrates nicht als Verhältnis zweier ganzer Zahlen schrei- aber Seine ganzzahlige Anzahl
von Malen enthalten müßte. Das
ben kann, dann liegt das nicht etwa an unserem Unvermögen. Es ist absurd. Es gibt demnach keine
ist vielmehr die Natur der Mathematik, die das ein für allemal derartige Strecke S, und daher ist
"2 irrational.
verbietet.
Die Legende berichtet, daß Hippasos von Metapont, der Ent-
decker des verfluchten Beweises, bei einem Schiffbruch umgekom-
men sei. Nach Proklos, dem hellenistischen Philosophen des
5. Jahrhunderts, «wollten die Urheber der Legende zum Ausdruck
bringen, daß alles das, was irrational und der Form beraubt ist,
verborgen bleiben muß. Wenn die Seele in diese geheime Region
eindringen will und sie erschließen möchte, dann wird sie in das
180
9. KAPITEL

Meer des Werdens gezogen und geht in der unaufhörlichen Bewe-


gung seiner Strömungen unter».
Die unvermeidliche Schlußfolgerung aus der vorangehenden
Beweisführung erzeugt ein beklemmendes Gefühl, denn man hat den
Eindruck, daß die rationalen Zahlen für sämtliche Messungen ausrei-
chen, und man versteht nicht so recht, warum man noch irgend etwas
hinzufügen sollte. Hat man nicht vielleicht überflüssige Kompli-
kationen an einer Stelle eingeführt, wo alles einfach sein müßte?
Dieses Gefühl besteht auch heute noch hinsichtlich physikalischer
Messungen, bei denen man sich niemals die Frage stellt, ob die zu
messende Größe rational oder irrational ist: Unterhalb von 10- 30
haben weder Länge noch Zeit einen Sinn, und deswegen würden die
ganzen Zahlen bei physikalischen Messungen vollkommen ausrei-
chen. Es hat den Anschein, daß sich die irrationalen Zahlen nicht auf
die reale Welt beziehen. Die Erweiterung des Bereiches der rationa-
len Zahlen durch die neuen Zahlen scheint eindeutig mit dem Ziel
durchgeführt worden zu sein, den Nörglern, also den Mathematikern,
eine Freude zu bereiten. Diese stellen sich nämlich ganz gewiß die
Frage, ob 1t rational ist. Die Antwort wurde 1761 gegeben.

Die rationalen Zahlen reichen wirklich nicht


Man kann auch mit anderen Methoden zeigen, daß die rationalen
Zahlen nicht ausreichen. Eine dieser Methoden besteht darin, über
das von der Schule her bekannte Divisionsverfahren nachzudenken.
Es seien p und q teilerfremde natürliche Zahlen, und wir teilen p
durch q. Es ist klar, daß wir im Verlauf des Divisionsverfahrens im-
mer wieder auf ein und denselben Zwischenrest kommen. Sämtliche
Reste sind kleiner als q, und es gibt nur endlich viele natürliche Zah-
len, die kleiner als q sind. Von der Stelle an, bei der man einen bereits
erhaltenen Rest findet, wiederholen sich die Rechnungen exakt in der
gleichen Weise. Ist demnach die Dezimalbruchentwicklung einer
rationalen Zahl unendlich, dann ist sie notwendigerweise von einer
bestimmten Stelle an periodisch und ihre Periode ist kleiner als q.
Ist umgekehrt eine Zahl von einer bestimmten Stelle an peri-
odisch, dann ist sie rational. Wir zeigen dies an einem Beispiel, das
sich mühelos verallgemeinern läßt:

3,14159159159159 ... = 314 159 [1 + - 1- 1 + - 1- 2 + - 1- 3 + ...


100 + 100000 j
1 000 1 000 1 000·
= 314 159 x 1 = 314 + ~ = 313845 = 20923
100 + 100000 1 _ _ 1_ 100 99900 99900 6660
1000
181
IST 1t TRANSZENDENT?

Der in Klammern stehende Ausdruck entspricht nämlich der


klassischen geometrischen Reihe, und für a < 1 ist deren Summe
gleich
1 + a + a 2 + a 3 + ... + an + ... = 1/(1- a)
Diese Formel ergibt sich aus der folgenden Identität, die man
durch Ausmultiplizieren und anschließende Vereinfachung beweist:
(1- a) (1 + a + a 2 + a 3 + ... + an) = 1 - a n+1

Wir stellen also ein wichtiges Merkmal der rationalen Zahlen


fest: Eine Zahl ist dann und nur dann rational, wenn ihre Dezimal-
bruchentwicklung (oder ihre Entwicklung zu einer beliebigen ande-
ren Basis) von einer bestimmten Stelle an periodisch ist.
Klarerweise gibt es Zahlen, die nicht periodisch sind, und des-
wegen dürfen wir uns nicht mit den rationalen Zahlen zufrieden-
geben.
Das obige Ergebnis gestattet es, irrationale Zahlen nach Belie-
ben zu konstruieren. Man muß es nur so einrichten, daß die Dezi-
malen dieser Zahlen nicht periodisch wiederkehren. Ein Beispiel ist
a = 0,101001000100001...
Wir setzen also in der Folge der Dezimalen immer mehr Nullen
zwischen die Einsen: zuerst eine Null, dann zwei Nullen usw.
Weiter unten werden wir sehen, daß sich transzendente Zahlen
ergeben, wenn man noch mehr Nullen zwischen die Einsen schreibt.
Dennoch erledigt dieses Ergebnis nicht den Fall der Zahl 1t und
würde nicht einmal die Behandlung des Falles von -12 gestatten,
wenn es nicht die als Reductio ad absurdum (<<Zurückführung auf
das Absurde») bekannte indirekte Beweisführung gäbe. Gemeint ist
die Widerlegung einer These durch den Beweis, daß in ihr ein logi-
scher Widerspruch vorhanden ist.

Sich der Reductio ad absurdum unterwerfen?

Lesen Sie den Beweis für die Irrationalität von -12 nochmals
gründlich durch und versenken Sie sich in die Beweisargumente.
Diese sind nämlich für eine Situation charakteristisch, die sich in
der Geschichte der Mathematik oft wiederholt hat. Die Beweise für
die Irrationalität der Zahl1t, für deren Transzendenz, für die Nicht-
abzählbarkeit der reellen Zahlen und für die logische Unentscheid-
barkeit weisen übrigens ähnliche Merkmale auf.
Sie alle sind, so elementar sie auch sein mögen (was nicht immer
der Fall ist), nicht für jeden überzeugend. Man beginnt damit, das
Gegenteil dessen vorauszusetzen, was man beweisen möchte. Da-
182
9. KAPITEL

nach leitet man widersprüchliche Folgerungen ab und schließt auf


die Unmöglichkeit der Voraussetzung. Man beweist nicht, daß ;/2
irrational ist, sondern man zeigt vielmehr, daß es absurd wäre, ;/2
als rational anzusehen.
Im wirklichen Leben reicht der Umstand, daß uns eine Haltung
auf etwas Absurdes führt, nicht immer aus, uns von ihr abzubrin-
gen. Wir verhalten uns oft nach folgendem Prinzip:
«Das scheint nicht zu gehen, aber ich mache es trotzdem und
werde schon sehen, was dabei herauskommt. Vielleicht kommt ja
auch irgendeine neue Sache ins Spiel, die mir beweist, daß ich mich
ganz zu Recht nicht durch das Absurde abschrecken ließ.» Mitunter
klappt es, die Dinge so zu erzwingen. Haben Sie schon mal versucht,
ein Schild mit der Aufschrift «Straße wegen Bauarbeiten gesperrt»
zu ignorieren? In mindestens der Hälfte aller Fälle kommen Sie
durch und vermeiden damit einen Umweg.
Alle Unmöglichkeitsbeweise haben einen kleinen Beigeschmack
des Unvollendeten und vermitteln das Gefühl, daß wir die Kompli-
kationen vermeiden könnten, in die wir durch die Beweisführung
hineingezogen werden. Auch wenn das Absurde nicht immer aus-
reicht, uns im wirklichen Leben zu überzeugen - in der Welt der
Mathematik reicht es aus. Sagt man sich nicht von der Mathematik
los, dann muß man die Irrationalität von ;/2 akzeptieren, selbst
wenn man den Eindruck hat, nicht ganz zu begreifen, was da vor
sich geht. Und übrigens: Nach Bekanntwerden der pythagoreischen
Beweisführung wurde diese von allen Mathematikern akzeptiert.
Man war auch eifrig bemüht, den Beweis zu verallgemeinern. Ohne
große Mühe wurde die Irrationalität von ;/n gezeigt, falls n kein voll-
ständiges Quadrat ist (wie zum Beispiel 4, 9 usw.).
Der Beweis der Irrationalität oder der Transzendenz von 1t (vgl.
Anhang) ist schwieriger, länger und indirekter, weswegen man noch
unzufriedener ist. Wir stellen zwar fest, daß wir auf einen Wider-
spruch gestoßen sind, aber diese Feststellung führt uns nur die
Tatsache vor Augen, daß die Annahme der Rationalität oder der
Algebraizität von 1t auf einen Widerspruch führt.
Diese Art Situation läßt uns sehr stark empfinden, daß wir die
mathematische Welt nicht wählen, sondern vielmehr eine präexi-
stente Welt entdecken, deren Bestandteile durch ein festes
Beziehungsgeflecht miteinander verbunden sind. Es gibt Gebiete, in
denen wir diese Beziehungen sehen, ohne ihre Struktur zu verste-
hen. Man denke etwa an die physikalische Welt. Irgend jemand fin-
det einen scheinbar willkürlichen Weg, der von der Voraussetzung
der Rationalität von ;/2 ausgeht und zu einem Widerspruch führt.
Ich kann die Schlußweise nachvollziehen, obwohl mir nicht ganz
klar ist, warum man gerade diesen Weg geht. Ich finde dann den
183
IST 1t TRANSZENDENT?

Widerspruch an der angegebenen Stelle und muß nichts weiter tun,


als die entsprechenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Auch wenn ich
fast nichts vom Labyrinth der mathematischen Landschaft wahr-
nehme: Die Existenz des Weges steht außer Zweifel und darf nicht
mehr außer acht gelassen werden. Derartige Schlüsse nachzuvoll-
ziehen ist etwa so, als ob Sie einen unwiderlegbaren Beweis dafür in
die Hand bekommen, daß es sich bei Ihrem alten Freund, der immer
so nett gewesen ist, in Wirklichkeit um einen Mörder handelt. Selbst
dann, wenn Sie weder begreifen, wie es sich zugetragen hat, noch
den Zusammenhang der ganzen Angelegenheit verstehen, zwingt
Sie die Kraft des Beweises, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.
In der Mathematik kommt es häufig vor, daß die von den
Entdeckern gegebenen Beweise in der Folgezeit vereinfacht werden.
So war es auch mit dem Beweis der Transzendenz von TC. Man
möchte meinen, daß derjenige, der den Beweis als erster gefunden
hat, nicht zwangsläufig ein besseres Verständnis für den Sachver-
halt hatte als Sie während des Lesens des Beweises. Hat der
Entdecker vielleicht lange Zeit tastend probiert, und ist er dann
durch Zufall auf den sonderbaren Weg gestoßen, der auf einen
Widerspruch führte?
Die Tatsache, daß die großen negativen Sätze, zu denen die Irra-
tionalität und die Transzendenz von TC gehören, nicht von Mathe-
matikern entdeckt wurden, die die größten Visionen und die stärk-
ste Intuition hatten (Leibniz, Euler oder Gauß hätten sie finden
können), ist vielleicht ein Hinweis auf folgenden Umstand. Diese
Sätze waren eher das Ergebnis der hartnäckigen Suche nach einem
Weg in einer vagen und nebligen Landschaft als das Resultat einer
globalen und erleuchteten Vision.

Die Zahlen e und 1t sind irrational


Der weiter unten skizzierte Beweis der Irrationalität von TC ist
deutlich komplizierter als der Beweis der Irrationalität der mit den
natürlichen Logarithmen zusammenhängenden Zahl e. Um Ihnen
eine Kostprobe der wachsenden Kompliziertheit bei den Beweisen mit
Reductio ad absurdum zu geben, bringen wir zunächst den recht ein-
fachen Beweis bezüglich e, der 1744 von Euler aufgeschrieben wurde.

Satz. Die durch die Reihe


111 1
e=l+ - +-+ - +···+-+···
1! 2! 3! n!
definierte Zahl e ist irrational.
184
9. KAPITEL

Beweis. Wäre die Zahl e rational, dann ließe sie sich in der Form
p/q schreiben (mit q > 1, denn bekanntlich ist e = 2,718284590 ...
keine ganze Zahl). Wir multiplizieren beide Seiten der Reihe mit q!
und erhalten
I - I
q l
---.:.
ql
---.:.
ql
---.:. ...
ql ql
---.:. _ _
._ q.I ...
q . e - q . + 1 ., + 2 .
, +.
3 ,+ + q.,+ (q+ 1) ., + (q+ 2) ,. +

Die linke Seite q!e ist eine ganze Zahl, denn man hat per
Definition q! = q (q - 1) (q - 2) ... 2 x 1 und daher q! p/q = (q - I)! p.
Die ersten Glieder der rechten Seite bis zum Glied q!/ q! = 1 sind
ebenfalls ganze Zahlen (denn q!/m! vereinfacht sich für q > m). Nach
Subtraktion finden wir, daß
, - ( , ~ ~ q! ... ~) - -q_!- q! ...
q . e q . + 1 ! + 2 ! + 3 ! + + q! - (q + 1) ! + (q + 2) ! +

ebenfalls eine ganze Zahl ist.


Nach Vereinfachung hat die rechte Hälfte der Gleichheit die
Form 1 1
--+ + ...
q + 1 (q + 1) (q + 2)

Das erste Glied dieser Summe ist (wegen q > 1) echt kleiner als
112, das zweite Glied kleiner als 114, das dritte kleiner als 118 usw.
Die Summe ist also echt kleiner als 1/2 + 1/4 + 1/8 + ... = 1. Folglich
ist diese Summe keine ganze Zahl, was einen Widerspruch darstellt.
Ende des Beweises.
Der Effekt, den ich oben beschrieben hatte, ist hier besonders
deutlich. Man gelangt zu dem Schluß, daß e irrational ist. Kann man
aber auch sagen, daß man die Irrationalität von e versteht?
Wir kommen nun zum Beweis der Irrationalität von 1t. Erst die
Fortschritte der Analysis im 17. und 18. Jahrhundert ermöglichten
diesen Beweis, der 1761 von dem Schweizer Mathematiker Johann
Heinrich Lambert (1728-1777) gefunden wurde. Er zerfällt in drei
Schritte:

• Durch ein Spiel mit Ungleichungen ähnlicher Art wie für e zeigte
Lambert, daß jede Zahl irrational ist, die sich in Form eines Ketten-
bruches
a1
bo+ - - - - - -
b1 + - - - - -
an
... + - - -
bn + ...
darstellen läßt, wobei die ai und bi gewissen Bedingungen genügen.
185
IST 1t TRANSZENDENT?

• Lambert verwendete danach die Tatsache, daß sich tan (x) für
jedes x, für das tan (x) definiert ist, in der folgenden Form schreiben
läßt:
x
tan (xl = ------,::---
x2
1- -----::--
x2
3------=--
x2
5--~
7 - ...

• Abschließend argumentierte er folgendermaßen: Wäre n rational,


dann wäre von einer gewissen Stelle j an die Zahl x 2 = (nl4)2 kleiner
als b) = 2) + 1; daher ist tan (nI4) irrational. Dies aber ist absurd,
denn tan (nl4) = 1. Demnach ist n irrational.
Der französische Mathematiker Adrien Marie Legendre (1752-
1833) zog aus tan (n) = 0 durch ein ähnliches Verfahren den Schluß,
daß n2 irrational ist. Dieses Ergebnis deutet daraufhin, daß (obwohl
n und ~2 beide irrational sind) die Zahln gewiß eine kompliziertere
Beschaffenheit hat als ~2.
Man darf jedoch nicht glauben, daß Irrationalitätsbeweise mit
dem Fortschritt mathematischer Techniken notwendigerweise ein-
fach werden. So gelang es dem französischen Mathematiker Roger
Apery erst im Jahre 1978, die Irrationalität der Zahl 1;(3) zu bewei-
sen. Diese Zahl ist folgendermaßen definiert:

Für 1;(5) und allgemeiner für 1;(2n +1), n > 2, ist noch immer
keine Antwort bekannt. Ebenso weiß man übrigens immer noch
nicht, ob e + n, e x n und ein irrational sind.

Endlich definierbar zu sein bedeutet, mit Zirkel


und Lineal konstruierbar zu sein
Nachdem die Mathematiker, belehrt durch die Beispiele ~2 und
n, eingeräumt hatten, daß die rationalen Zahlen nicht ausreichen,
sagten sie sich natürlich: «Einverstanden, dann versuchen wir eben,
durch Hinzunahme von Wurzelzeichen auszukommen.» Mit anderen
Worten: «Wir betrachten nur Größen, die mit Hilfe einer endlichen
Anzahl der elementaren Operationen der Addition, Subtraktion,
Multiplikation, Division und des Quadratwurzelziehens, definierbar
sind, zum Beispiel
186
9. KAPITEL

Irr + 37 j337
j 3337 + )33 337
Mit den rationalen Zahlen hatten wir fast alles, was wir brauch-
ten; also reicht es nun gewiß aus, wenn wir noch diese zusätzlichen
Zahlen betrachten.»
Eine andere (historisch exaktere) Sichtweise geht davon aus,
daß --'/2 mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist und daß die Größen,
die man durch die Geometrie des Zirkels und Lineals erhält, eine
umfassendere und weniger künstliche Menge darstellen als die
Menge der rationalen Zahlen. Daher ist den durch Konstruktion mit
Zirkel und Lineal gewonnenen Zahlen offenbar eher zu vertrauen
als den abstrakten Konstruktionen, die von den ganzen Zahlen aus-
gehen.
Es war etwas riskant, ausschließlich an den mit Zirkel und
Lineal konstruierbaren Größen festzuhalten. Würden diese wirklich
ausreichen? Ganz gewiß war es die vage Wahrnehmung dieses
Risikos, die dem Problem der Quadratur des Kreises seine überaus
große Bedeutung gegeben hat. Um sich darüber Gewißheit zu ver-
schaffen, daß man nichts Wichtiges außer acht gelassen hatte,
mußte man (auf rein geometrische Weise) die Definition der Größe
finden, die dem Verhältnis des Umfanges eines Kreises zu seinem
Durchmesser entspricht. Es ist uns heute nicht mehr ganz verständ-
lich, warum man es über einen derart langen Zeitraum für offen-
kundig gehalten hat, daß sich eine Lösung finden würde.
Die geometrische Auffassung (Benutzung von Zirkel und Lineal)
und die algebraische Auffassung (Verwendung von Quadratwurzeln)
sind äquivalent. In der Tat läuft es auf dasselbe hinaus,
• sämtliche Größen zu betrachten, die durch geometrische Kon-
struktionen mit Zirkel und Lineal endlich definierbar sind;
• sämtliche Größen zu betrachten, die durch einfache algebraische
Operationen, einschließlich Quadratwurzelziehen, endlich definier-
bar sind.
Bevor jedoch die Mathematiker zu dieser klaren Schlußfolgerung
kamen, mußten sie zunächst den Zusammenhang zwischen Zahlen
und Geometrie erkennen und vollständig beherrschen. Fortschritte
auf diesem Wege sind Descartes zu verdanken, der den Zu-
sammenhang zwischen der Lösung von Gleichungen ersten und zwei-
ten Grades und den Konstruktionen mit Zirkel und Lineal sehr deut-
lich verstanden hatte, ohne jedoch die oben erwähnte
Charakterisierung zu formulieren (die wir in Anhang 1 auf Seite 199
in präziserer Form wiedergeben). Dieses Detail ist auch Carl
Friedrich Gauß «durchs Netz geschlüpft», der eine notwendige und
187
IST 1t TRANSZENDENT?

I' II-----,---l--~+-l.-_ _ _---I

1' 1+-------;:-+---1I--~-=----'tr="---_=_J
E3

Konstruktion von regulären Vielecken mit 5, 15 und 17 Seiten mit Zirkel und
Lineal. Für das Fünfeck: Man zeichne A derart, daß OA " 01'/2, und ziehe danach
den Kreis mit Mittelpunkt A und Radius AJ. Dieser Kreis schneidet II' in B. Nun
zeichne man C derart, daß OC " OB/2. Die durch C gezogene Senkrechte schnei·
det den großen Kreis in M 2 , und M IM 2 ist eine der Seiten des Fünfecks. Für das
15eck: Man verwendet cos (10rrlI5) " cos (2rr13) " -1/2 zum Zeichnen von MI und
nimmt eine Ecke M 2 des Fünfecks. Für das 17eck: Man zeichne A derart, daß
OA" OJ/4, B derart, daß OAB ein Viertel des Winkels OAl und C derart, daß BAC
gleich 45° ist. Nun ziehe man den Kreis mit dem Durchmesser CI, der OJ in D
schneidet, und danach mit B als Mittelpunkt den Kreis durch D, der 11' in EI und
E 2 schneidet. Die durch die heiden letzteren Punkte gezogenen Senkrechten
schneiden den großen Kreis in MI und M s• Nimmt man nun die Mitte M 2 des
Bogens MIMs, dann hat man zwei Seiten des Vielecks.
188
9. KAPITEL

hinreichende Bedingung dafür fand, daß ein reguläres Vieleck mit


Zirkel und Lineal konstruierbar ist, aber nur die Hinlänglichkeit der
Bedingung bewies. Diese Bedingung lautet, daß die Anzahl der Seiten
des regulären Vielecks eine ganze Zahl sein muß, die eine Primfaktor-
zerlegung der Form 2i x PI X P2 X P3 X .•• X Pn zulrßt, bei der die Pi von-
einander verschiedene Primzahlen der Form 22 + 1 sind.
Die Formulierung der Charakterisierung stammt von Pierre
Laurent Wantzel, der 1837 einen Beweis dafür gab. Das Problem der
Quadratur des Kreises konnte nun klar formuliert werden: «Man
finde einen algebraischen Ausdruck gegebenenfalls unter Verwen-
dung von Quadratwurzeln, der exakt 1t ergibt.»
Das Bewußtwerden der wahren Natur der mit Zirkel und Lineal
konstruierbaren Größen gestattete eine Neuformulierung des Pro-
blems der Quadratur des Kreises als algebraisches Problem. Vor
allen Dingen war es nun möglich, eine negative Antwort gelassen in
Betracht zu ziehen.
Im Artikel von Wantzel aus dem Jahre 1837 wurden übrigens
zwei der drei großen Probleme der Antike negativ beantwortet. Es
ist ungerecht, daß der Name dieses Privatlehrers der Ecole Poly-
technique so oft in den Büchern zur Geschichte der Mathematik ver-
gessen wird (zum Beispiel auch in dem Werk von Nicolas Bourbaki).
Wantzel bewies die Unmöglichkeit
• der Verdoppelung des Würfels: Ausgehend von einem gegebenen
Würfel konstruiere man einen Würfel mit doppeltem Rauminhalt;
• der Dreiteilung des Winkels: Man finde ein Konstruktionsver-
fahren, mit dem man jeden Winkel dritteln kann.

Nach Übersetzung in die Sprache der Algebra lauten diese


Probleme:
• man finde einen endlichen algebraischen Ausdruck für 3-v2 mit
Hilfe von Quadratwurzeln;
• Man finde einen endlichen algebraischen Ausdruck für sin (xI3)
unter Verwendung von Quadratwurzeln und sin (x).
Die algebraischen Kenntnisse von Wantzel reichten für den Be-
weis, daß keines dieser beiden Probleme eine Lösung hat. Wir erin-
nern daran, daß die französische Akademie der Wissenschaften 1775
den Beschluß gefaßt hatte, ohne Prüfung sämtliche Vorschläge zur
Lösung der Quadratur des Kreises und des Perpetuum mobile zu-
rückzuweisen (vgl. Kapitel 2, Seite 49). Bezüglich der Quadratur war
zu diesem Zeitpunkt eine derartige Haltung, die man als leicht
ungehörig ansehen kann, durch kein mathematisches Argument ge-
rechtfertigt. Und was das Perpetuum mobile anbelangt: Zeigen die
Quantenfluktuationen des Vakuums etwa nicht, daß das Problem
immer noch aktuell ist?
189
IST 1t TRANSZENDENT?

Endlich definierbar zu sein bedeutet,


algebraisch zu sein
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachten die Fortschritte der
Algebra die klare Erkenntnis, daß weder die Quadratwurzeln noch
die n-ten Wurzeln zur Darstellung sämtlicher Größen ausreichen.
Tatsächlich hatte der norwegische Mathematiker Niels Henrik
Abel (1802-1829) im Jahre 1824 bewiesen, daß gewisse Gleichungen
von höherem als viertem Grade nicht durch Wurzelausdrücke lösbar
sind. Für den Grad 2 wußte man seit der Antike, daß Quadrat-
wurzeln ausreichen; für die Grade 3 und 4 hatten Girolamo Cardano
und Ludovico Ferrari um 1550 bewiesen, daß man immer zu Rande
kommt, wenn man noch Kubikwurzeln hinzunimmt. Bis zum Zeit-
punkt der Arbeit von Abel hatte man vergeblich versucht, die be-
kannten Formeln zu verallgemeinern. Evariste Galois (1811-1832)
vervollständigte das Ergebnis von Abel, indem er eine Charakteri-
sierung der Polynomgleichungen gab, die durch Wurzelausdrücke
lösbar sind, womit er gleichzeitig die Gruppentheorie schuf. Be-
kanntlich ließ er sich dann auf ein sinnloses Duell ein, bei dem er
den Tod fand.

Zusammenfassend sei gesagt: Weder die rationalen Zahlen noch


die durch Quadratwurzeln oder durch beliebige Wurzeln definierba-
ren Zahlen reichen aus, um sämtliche Größen zu erhalten.
Aus diesem Grunde drängt sich eine Erweiterung des Begriffes
endlich definierbar auf. Diese Erweiterung führt zum Begriff der
algebraischen Zahl: Eine Zahl heißt algebraisch, wenn sie Lösung
einer Gleichung mit ganzzahligen Koeffizienten ist, und eine derar-
tige Gleichung wird als algebraische Gleichung bezeichnet. Zahlen,
die nicht algebraisch sind, werden transzendent genannt. Zum
Beispiel: Evariste Galois (1811-1832),

Die Zahl ~2 ist algebraisch, denn sie ist Lösung


der Gleichung X2 - 2 = O.

Die Zahl 3~2 ist algebraisch, denn sie ist Lösung


der Gleichung X3 - 2 = O.

Man kann zeigen, daß alle durch Wurzelzeichen definierbaren


Zahlen algebraisch sind. Ebenso sind auch Summe, Produkt und
Quotient zweier algebraischer Zahlen algebraisch. Ferner ist jede
endliche Konstruktion, die von algebraischen Zahlen und Wurzel-
zeichen ausgeht, algebraisch. Schließlich sind diejenigen Zahlen al-
gebraisch, die der Gleichung X 5 + 2~2X 4 + 3X 3 + 4X 2 + X - ~2 = 0
190
9. KAPITEL

Schachtelung der Klassen endlich


definierbarer Zahlen.

Durch Quadratwurzeln
delimerbare Zahlen

DurCh beliebige Wurzeln


definierbare Zahlen

oder irgendeiner Gleichung ähnlicher Art mit algebraischen Koeffi-


zienten genügen. Wir halten fest, daß es algebraische Zahlen gibt,
die nicht durch Wurzelausdrücke definierbar sind. Das ist zum
Beispiel für Lösungen der Gleichung 2X 5 - 5X 4 + 5 = 0 der Fall.
Bemerkung: Wir sprechen hier nicht über die komplexen Zahlen,
denn diese bedeuten eine «harmlose» Verallgemeinerung des Zahl-
begriffes, da sich jede komplexe Zahl als ein Paar von reellen Zahlen
darstellen läßt.
Die meisten der natürlicherweise anzutreffenden Zahlen sind
rational oder durch Wurzelausdrücke definierbar oder in noch allge-
meinerem Sinn algebraisch. Dennoch gab es bereits zur Zeit von
Galois mit e und 1t zwei bemerkenswerte Zahlen, für die noch nie-
mand algebraische Gleichungen gefunden hatte, denen diese Zahlen
genügen. Sind e und 1t transzendente Zahlen? Und gibt es transzen-
dente Zahlen überhaupt?
Die Antworten auf diese Fragen wurden im Laufe des 19. Jahr-
hunderts gegeben. Sie waren positiv und machten bewußt, daß die
Unendlichkeit der Menge aller Zahlen in einem wohlbestimmten
Sinne größer ist, als man es sich vorgestellt hatte. Nachdem die
unerbittliche Zahl 1t in der Analysis eine zentrale Rolle gespielt
hatte, zieht sie uns nun auch in die abstrakteste Algebra und sogar
in das Unendliche von Cantor hinein.
191
IST 1t TRANSZENDENT?

Kleine Geschichte der Transzendenz


Im Folgenden schildern wir einige Etappen der Geschichte der
transzendenten Zahlen.

(a ) Es gibt tran zendente Zahlen


Im Jahre 1844 fand Joseph Liouville (1809-1882) ein bemer-
kenswertes Ergebnis, das er 1852 veröffentlichte. Er zeigte, daß
nicht alle Zahlen algebraisch sind.
Genauer gesagt bewies er, daß es zu einer irrationalen Zahl x,
die Lösung einer algebraischen Gleichung n-ten Grades ist, eine
Konstante C > 0 derart gibt, daß jede rationale Zahl p/q der Un-
gleichung I x - p/q I ~ C/qn genügt.
Das bedeutet, daß sich irrationale algebraische Zahlen nicht gut
Joseph Liouville (1809-1882 ).
durch rationale Zahlen approximieren lassen. Hieraus folgt durch
Negation, daß jede irrationale Zahl, die sich gut durch rationale
Zahlen approximieren läßt, notwendigerweise transzendent ist.
Genauer gesagt ist eine irrationale Zahl transzendent, wenn es zu
jedem ganzzahligen n und zu jedem C > 0 Zahlen p und q mit
Ix - p/q I < C/qn gibt - derartige Zahlen werden Liouvillesche Zahlen
genannt. Nehmen wir zum Beispiel die Zahl mit der folgenden
Dezimalbruchentwicklung (oder Entwicklung zur Basis 2):
0,1100010000000000000000010000 ... (man setzt «1» an die Posi-
tionen n!, also an die Stellen 1, 2, 6, 24, 120, .. .). Diese Zahl ist eine
Liouvillesche Zahl und demnach transzendent; mitunter wird sie
auch als die Liouvillesche Zahl bezeichnet. Diese Zahl ist einerseits
irrational, denn in ihrer Entwicklung tritt nirgendwo eine Periode
auf; andererseits gestatten es die immer länger werdenden Folgen
von Nullen, diese Zahl immer genauer durch rationale Zahlen zu
approximieren.
Setzt man noch etwas mehr Nullen zwischen die Einsen, dann
ergeben sich andere transzendente Zahlen - eine unendliche Viel-
falt, wenn man so will. Zum Beispiel kann man beweisen, daß die
folgenden, mit Hilfe von Reihen definierten Zahlen transzendent
sind:
1
L-
~

nn
n=110
Die Tatsache, daß die Liouvilleschen Zahlen transzendent sind,
bedeutet natürlich nicht, daß alle transzendenten Zahlen Liouville-
sche Zahlen sind. Zum Beispiel ist die transzendente Zahl 7t keine
Liouvillesche Zahl. Man machte in der Folgezeit die Entdeckung,
daß die Liouvilleschen Zahlen nur einen winzig kleinen Teil der
Menge der transzendenten Zahlen darstellen. Georg Cantor (1845-1918).
192
9. KAPITEL

(b) Es gibt mehr transzendente Zahlen als algebraische Zahlen


Georg Cantor (1845-1918), der große deutsche Mathematiker
und Schöpfer der Mengenlehre, gab im Jahre 1873 ein anderes Ver-
fahren zur Erzeugung transzendenter Zahlen an.
Im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung erlaubt es das
Cantorsche Verfahren (ähnlich wie die Methode von Liouville),
transzendente Zahlen vollkommen exakt zu definieren, oder besser
zu konstruieren. Unsere Ausführungen werden zeigen, daß man
eine Zahl konstruieren und mit elementaren Argumenten ihre
Transzendenz beweisen kann, wobei das Ganze nicht mehr als eine
Buchseite einnimmt.
Satz. Es gibt transzendente Zahlen.
Beweis. Wir ordnen jeder algebraischen Gleichung ein Gewicht
zu, indem wir die Summe der absoluten Beträge ihrer Koeffizienten
und ihres Grades bilden. Zum Beispiel hat die Gleichung
3X5 - 7X + 1 = 0 das Gewicht 3 + 7 + 1 + 5 = 16.
Zu einer festgewählten ganzen Zahl n = 1,2,3, ... gibt es nur eine
endliche Anzahl von algebraischen Gleichungen mit dem Gewicht n.
Um nämlich das Gewicht n zu haben, muß eine algebraische Glei-
chung einen Grad ::; n besitzen und sämtliche ihrer Koeffizienten
müssen einen absoluten Betrag::; n haben.
Das erlaubt es uns, alle algebraischen Gleichungen in einer
Liste anzuordnen:
- Wir nehmen zuerst die Gleichungen vom Gewicht 1. Hier haben
wir nur 1 = 0 und -1 = 0, wobei keine dieser Gleichungen Lösungen
besitzt.
- Danach verwenden wir alle Gleichungen vom Gewicht 2. Hiervon
gibt es vier, nämlich 2 = 0; -2 = 0; X = 0; -X = o.
- Anschließend probieren wir alle Gleichungen vom Gewicht 3.
Davon gibt es zehn, nämlich 3 = 0; -3 = 0; 2X = 0; -2X = 0; X+l=O;
- X+l= 0; X-l= 0; -X-l= 0; X2 = 0; _X2 = o.
- Dies kann man beliebig weiterführen: Für jedes n ordnet man die
Gleichungen in einer wohlbestimmten Reihenfolge an.
Wir bezeichnen diese Liste von Gleichungen mit E o, EI' E 2 , E 3 , ...
Jede dieser Gleichungen hat endlich viele Lösungen, denn eine alge-
braische Gleichung n-ten Grades hat höchstens n verschiedene
Lösungen. Wir ordnen diese in einer Liste an, indem wir zunächst
die Lösungen der Gleichung E o nehmen, falls es überhaupt Lösun-
gen gibt, danach die Lösungen der Gleichung EI> falls sie Lösungen
hat, usw. Dabei treten manche Zahlen mehrfach auf, was aber ohne
Bedeutung ist. Auf diese Weise erhalten wir eine Liste 80' 81' 82' 83' . ..
aller möglichen Lösungen aller möglichen algebraischen Gleichun-
gen - eine Liste sämtlicher algebraischen Zahlen. Dieser erste Teil
des Beweises ist einfach die Erläuterung der Tatsache, daß die alge-
193
IST 1t TRANSZENDENT?

braischen Zahlen eine abzählbare Menge bilden. Dies bedeutet, daß


sich diese Menge der Menge 0, 1, 2, ... der natürlichen Zahlen um-
kehrbar eindeutig zuordnen läßt.
Wir betrachten nun eine reelle Zahl der Form r = O,cOcI C2C3C4''''
deren erste Nachkommastelle Co so gewählt wird, daß sie von der
ersten Nachkommastelle von So verschieden ist. Man vereinbart etwa,
4 oder 5 zu nehmen, je nachdem, ob So gleich 5 oder verschieden von 5
ist. Die zweite Nachkommastelle Cl wird so gewählt, daß sie von der
zweiten Nachkommastelle von sI verschieden ist (gleiches Auswahl-
prinzip) usw. Zur Vermeidung gewisser Komplikationen, die auf Glei-

°
chungen der Art 1 =0,9999 ... zurückzuführen sind, ist es hier wichtig,
von und 9 verschiedene Ziffern zu wählen. Die Zahl r, die durch die-
ses Verfahren explizit definiert wird, ist aufgrund ihrer Konstruktion
von jeder algebraischen Zahl verschieden. Sie ist eine transzendente
Zahl. Der zweite Teil des Beweises ist eine Anwendung des Cantor-
schen Diagonalverfahrens auf die Menge der algebraischen Zahlen.
Das Ergebnis von Cantor ist weniger befriedigend als das von
Liouville, denn es ist zwar schwieriger, die konstruierte transzen-
dente Zahl sichtbar zu machen (man sieht jedoch ohne große Mühe,
daß die im vorangehenden Abschnitt definierte Zahl mit 0,555555
beginnt). Allerdings ist das Cantorsche Verfahren vielleistungsfähi-
ger. Tatsächlich beweist es, daß die Menge der algebraischen Zahlen
abzählbar ist.
Das im zweiten Teil des Beweises angewendete Diagonal-
verfahren zeigt nun, daß die Menge der reellen Zahlen ihrerseits
nicht abzählbar ist. Mit anderen Worten: Diese Menge ist größer als
die Menge der algebraischen Zahlen. Das Cantorsche Verfahren
zeigt demnach beinahe genauso effizient wie die Methode von
Liouville, daß es neben den algebraischen Zahlen auch transzen-
dente Zahlen gibt. Das Verfahren beweist sogar, daß die algebrai-
schen Zahlen im Vergleich zu den transzendenten Zahlen unendlich
selten vorkommen.
Dieses Ergebnis scheint paradox zu sein: Sämtliche Zahlen,
denen man natürlicherweise begegnet, sind algebraisch; wenn diese
jedoch unendlich viel seltener sind als die transzendenten Zahlen,
dann dürfte man doch eigentlich immer nur transzendenten Zahlen
begegnen!
Dieses Paradoxon löst sich auf, sobald man versteht, daß die
Zahlen, an die man natürlicherweise denkt, alle einfach sind, denn
man denkt an sie, indem man ihnen eine endliche Definition gibt.
Ganz offensichtlich sind alle einfachen Zahlen algebraisch, denn der
Begriff der algebraischen Zahl ist das Ergebnis der Ausarbeitung
des Begriffes der endlich definierbaren Zahl, der im Lauf der Jahr-
hunderte immer mehr erweitert worden ist.
194
9. KAPITEL

Das scheinbare Paradoxon ist auf die Verwechslung zweier ver-


schiedener Zugangsmöglichkeiten zu den Zahlen zurückzuführen,
die miteinander gleichgesetzt werden:
• der abstrakte Zugang: Wir stellen uns vor, daß wir eine reelle Zahl
zufällig aus der vor uns liegenden Menge aller reellen Zahlen aus-
wählen! Wählt man diesen Zugang zu den reellen Zahlen, dann sind
die transzendenten Zahlen in der Mehrheit;
• der konkrete Zugang über die Definition: Wir betrachten die
Definition der reellen Zahlen. In diesem Falle findet man ohne
besondere Mühe algebraische Zahlen. Das liegt an der negativen
Natur der Definition der transzendenten Zahlen. Transzendent sind
diejenigen Zahlen, die nicht endlich definierbar sind.
Wendet man die Beweisführungen Cantors auf das Problem der
geometrischen Erweiterung der Zahlen an, dann erkennt man rück-
wirkend, daß eine derartige Erweiterung sogar dann mißlingen muß-
te, wenn man außer Zirkel und Lineal auch noch andere Zeichen-
geräte hinzugenommen hätte. Solche Zeichengeräte waren ja zur
Behandlung spezieller Probleme auch vorgeschlagen worden, wie
zum Beispiel die Quadratrix des Hippias, die Strophoide von Newton,
die Zissoide des Diokles, Spezialgeräte zur Dreiteilung von Winkeln
usw. In der Tat läßt sich mühelos beweisen, daß man unter Verwen-
dung von endlich vielen oder sogar von abzählbar unendlich vielen
Geräten oder Hilfskurven mit einer endlichen geometrischen Kon-
struktion höchstens abzählbar viele Punkte erreichen kann, also kei-
nesfalls sämtliche Punkte der Ebene, denn deren Menge ist nicht ab-
zählbar. Nimmt man neue Konstruktionsverfahren hinzu, dann läßt
sich die Menge der konstruierbaren Punkte ganz offensichtlich erwei-
tern. Niemals werden jedoch sämtliche Punkte konstruierbar sein.
Die geometrische Methode der Erweiterung der Zahlen konnte
zu keinem Ergebnis führen - jedenfalls nicht im Sinne der griechi-
schen Geometer. Die Geometrie mußte der Analysis und der ab-
strakten Algebra weichen. Vielleicht haben die Mathematiker zuviel
Zeit verloren, weil sie sich zu lange und allzu ausschließlich auf die
Geometrie gestützt hatten.

(c ) Die Zahlen e und rr sind transzendent


Es war nicht die Geometrie, die mit dem Problem der Quadratur
des Kreises und mit der Zahl n fertig wurde; hierfür sorgten viel-
mehr die neuen mathematischen Disziplinen. Der Franzose Charles
Hermite (1822-1901) legte 1873 die Hälfte des Weges zurück, indem
er die Transzendenz der Zahl e bewies (wir haben den Beweis der
Irrationalität dieser Zahl gegeben).
Der Beweis von Hermite läßt sich mittels komplizierter Kon-
Charle Hermite (l822-1901). struktionen aufn ausdehnen (vgl. Anhang 2, Seite 201). Jedoch war
195
IST 1t TRANSZENDENT?

es der Deutsche Ferdinand von Lindemann (1852-1939), der 1882


diesen Beweis erbrachte. Nach dieser Leistung versuchte Linde-
mann sein ganzes Leben lang, den großen Satz von Fermat zu
beweisen. Dies gelang ihm nicht, und er starb mehr als ein halbes
Jahrhundert, bevor Andrew Wiles im Jahre 1993 einen Beweis fand.
Man muß konkret erfassen, was die Transzendenz von 1t bedeu-
tet. Sie bedeutet, daß keine noch so lange Formel, in der Potenzen von
1t, ganze Zahlen, Multiplikationen, Additionen, Subtraktionen und
Klammern auftreten, jemals gleich 0 sein kann. Ohne irgendwelche
Rechnungen können wir also zum Beispiel folgende Aussage machen:
(21t 3 + 11) X (31t 3 + 71t - 9) - (311t 3 - 39) X (51t 3 - 61t) *- 0
Tatsächlich könnten wir auch beliebige algebraische Zahlen als
Koeffizienten zulassen und kämen dennoch niemals auf Null:

F e rdinand von Linde mann


(1852- 1939).

Die Zahl1t ist nicht endlich definierbar; 1t ist eine Zahl, die das
Unendliche in sich verbirgt. Um diesen subtilen Gegner aufzustö-
bern, haben sich die Mathematiker immer weiter eingelassen, und
zwar sowohl außerhalb der Geometrie als auch jenseits der ganzen
Zahlen und deren friedlicher abzählbarer Unendlichkeit. Es war
kein Zufall, daß Cantor - fast zur gleichen Zeit, als die Tran-
szendenz von 1t bewiesen wurde - der zweifelnden und mißtraui-
schen Welt die Existenz von unendlich vielen Unendlichkeiten ver-
kündete. Es war auch kein Zufall, daß der Beweis der Existenz
dieser unendlich vielen Unendlichkeiten nur eine ziemlich einfache
Adaptation des Diagonalverfahrens ist, mit dem Cantor die Existenz
einer unendlichen Menge bewiesen hatte, die größer als die Menge
der transzendenten Zahlen ist. Und schließlich war es kein Zufall,
daß dieser Beweis, ebenso wie alle anderen von uns hier angegebe-
nen Beweise, auf der Reductio ad absurdum beruhte.
Die hauptsächliche Schlußfolgerung aus dem Beweis der Tran-
szendenz von 1t besteht darin, daß das Problem der Quadratur des
Kreises keine Lösung hat. Gäbe es eine Lösung, dann ließe sich 1t
durch Wurzelzeichen ausdrücken und wäre somit algebraisch. Wir
bemerken beiläufig, daß die Theorie sogar folgende Verallgemeine-
rung gestattet: Es ist unmöglich, zu einem gegebenen Kreis unter
alleiniger Verwendung von Zirkel und Lineal ein flächengleiches
Rechteck zu konstruieren. Könnte man nämlich ein solches Recht-
eck für einen Kreis vom Radius 1 konstruieren, dann wären die bei-
den Seiten des Rechtecks durch Wurzelzeichen definierbar, und ihr
Produkt, also die Zahl1t, wäre algebraisch.
196
9. KAPITEL

Die Transzendenz von n: ist eines der schönsten Beispiele für


einen mathematischen Unmöglichkeitsbeweis. Die bekanntesten
Unmöglichkeitsbeweise sind die Irrationalität von ;/2, die Unlösbar-
keit von Gleichungen von höherem als vierten Grade durch Wurzel-
ausdrücke, die Unmöglichkeit der Ableitung des Parallelenpostu-
lates aus den übrigen Axiomen der euklidischen Geometrie und in
der jüngeren Vergangenheit die Unmöglichkeitsbeweise in der Logik
und in der Theorie der Berechenbarkeit, die von Kurt Gödel und
Alan Turing nach 1931 gefunden wurden (ugl. nächstes Kapitel).
Tatsächlich besagt der von Lindemann bewiesene Satz mehr als
nur die Transzendenz von n:. Er besagt, daß für beliebige algebrai-
sche Zahlen a(l), .... , a(n), b(l), ... , ben) mit a(k)"# 0 und mit paarweise
verschiedenen bei) die Beziehung a(l)e b(1) + a(2)e b(2) + a(3)e b (3) +... +
a(n)eb(n) "# 0 gilt. Wäre n: algebraisch, dann kann man aus dem
Lindemannsehen Satz ableiten, daß auch in: algebraisch und die
berühmte Eulersche Formel ein + 1 = 0 nicht richtig ist. Der Beweis
von Lindemann wurde von Weierstraß, Hilbert, Hurwitz und
Gordan vereinfacht.
Wir wollen uns eine der Folgerungen aus dem Satz von Linde-
mann ansehen: Ist a algebraisch, dann ist ea transzendent; ist dar-
über hinaus a "# 0, dann sind auch sin (a), cos (a) und tan (a) tran-
szendent; gilt ferner a "# 0 und a "# 1, dann ist auch In(a)
transzendent.
Für ea argumentiert man folgendermaßen: Wäre b = ea alge-
braisch, dann würde die Gleichung ea - b = 0 im Widerspruch zum
Ergebnis von Lindemann stehen. Für sin (a) verwendet man
sin(a)=(e ia + e-ia )/2i.
Aus den angegebenen Gründen sind (neben vielen anderen) die
folgenden Zahlen transzendent:
e, e2, e..J2, ;/e, In(2), sin(l), cos(;/2), tan((l + ;/5)/2)

(d ) Das siebente Hilbert che Problem


Einige interessante Zahlen, zum Beispiel 2-.12, entziehen sich
dem Ergebnis von Lindemann. Ganz gewiß sah sich Hilbert dadurch
veranlaßt, das folgende Problem in die Liste seiner 23 Probleme auf-
zunehmen, die er den Mathematikern im Jahre 1900 vorlegte: Man
beweise, daß die Potenz ab für eine algebraische Basis a und einen
algebraisch irrationalen Exponenten b stets eine transzendente
(oder auch nur eine irrationale) Zahl darstellt.
Im Jahre 1919 war dieses Problem noch ungelöst. Hilbert sagte
um diese Zeit voraus, daß die Riemannsche Vermutung (ein weiteres
großes Problem, das mit Primzahlen zusammenhängt) früher bewie-
sen sein würde als die Transzendenz von 2..J2. Trotz seines Genies
hatte sich Hilbert in diesem Punkt getäuscht: Die Riemannsche
197
IST 1t TRANSZENDENT?

Vermutung ist bis zum heutigen Tage unbewiesen, während das


Problem über die transzendenten Zahlen im Jahre 1934 unabhängig
voneinander durch A. Gelfond und Th. Schneider gelöst wurde.
Demnach sind die folgenden Zahlen transzendent:
212 [212 7V; eTC
(für eTC verwendet man (e i1t )-i = (_l)-i).

Alan Baker bewies 1966 eine Verallgemeinerung des vorange-


henden Ergebnisses: Sind die a(i) und die bei) von Null verschiedene
algebraische Zahlen und ist die Zahl a(l) In b(l) + a(2) In b(2) +... +
a(n) In ben) von Null verschieden, dann ist sie transzendent. Daher
sind die folgenden Zahlen transzendent:
In(2) + In(3) In(5) 3'>/5 x In(5)
Die folgenden Tatsachen sind offensichtlich:
Die Summe einer algebraischen Zahl und einer transzendenten
Zahl ist transzendent. Das gleiche gilt für das Produkt und den
Quotienten;
- eine rationale Potenz einer transzendenten Zahl ist transzendent.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen erhält man weitere tran-
szendente Zahlen:
2+1t V5 x (10(2) + 10(3»)
1510(2)- 910(3)
1t - 3,1415926
lfil
(e) Die Champernownesche Zahl und einige andere Zahlen
Im Jahre 1937 wollte sich der Mathematiker Kurt Mahler, der
nach einer Operation Morphiuminjektionen bekommen hatte, be-
weisen, daß sein Gehirn keinen Schaden an der Droge genommen
hatte. Er interessierte sich für die Champernownesche Zahl
0,12345678910111213 ... , und es gelang ihm, deren Transzendenz zu
beweisen. Dies ergibt sich in der Tat aus seinem folgenden allgemei-
neren Resultat:
Ist PU[) ein nichtkonstantes Polynom mit ganzzahligen Koeffi-
zienten und ist P(i) ganzzahlig für jedes ganze i ~ 1, dann ist
0,P(1)P(2)P(3)P(4)P(5) ... transzendent.

Demnach sind folgende Zahlen transzendent:


0,123456789101112131415... P(X) =X
0,149162536496481100121... P(X) = Xl
0,510152025303540455055... P(X) = 5X
198
9. KAPITEL

Mahler bewies 1953 auch, daß 1t keine Liouvillesche Zahl ist.


Sein Ergebnis ist von den Chudnovsky-Brüdern verbessert worden,
die gezeigt haben: Ist die ganze Zahl q hinreichend groß, dann gilt
für alle rationalen Zahlen p/q die Beziehung 11t - p/q I> lIq14,65.
Mit anderen Worten: Die Transzendenz von 1t ist nicht darauf
zurückzuführen, daß 1t sehr nahe an rationalen Zahlen vorbeigeht.
Man vermutet, daß sich 14,65 durch 2 + c ersetzen läßt.
Die Chudnovsky-Brüder haben auch die Transzendenz der
durch

definierten Zahlen r(1/3) und r(1I4) bewiesen. Diese Zahlen


spielen in gewissen Zweigen der Analysis eine wichtige Rolle. 1996
bewiesen Y. Nesterenko von der Universität Moskau und
p. Philippon von der Universität Paris VI unabhängig voneinander,
daß 1t, elt und r(1I4) algebraisch unabhängig sind. Ist P ein Polynom
in drei Veränderlichen und sind nicht alle Koeffizienten gleich Null,
dann ist P(1t, e", r(1I4» von Null verschieden.

l!i Experimente ll e ErgebniHHe


Über die Beziehungen zwischen e und 1t weiß man nicht be-
sonders viel. Wir hatten gerade gesehen, daß elt transzendent ist.
Man weiß aber nicht einmal, ob e + 1t, e - 1t, e x 1t, 1t / e und 1te irra-
tional sind.
R. Karman und L. McGeoch haben folgendes bewiesen: Wäre
e + 1t Lösung einer algebraischen Gleichung, dann müßte die Summe
der Quadrate der Koeffizienten der Gleichung mindestens 25 x 10 16
betragen. Mit anderen Worten: Gäbe es eine algebraische Gleichung,
die durch e + 1t gelöst wird, dann hat diese Gleichung keine einfache
Struktur!
D. Bailey hat auf experimentellem Wege weitere Ergebnisse
erzielt. Zum Beispiel kann keine der Zahlen e + 1t, e /1t und In (1t) eine
algebraische Gleichung von kleiner als achtern Grad mit einem
Polynom erfüllen, bei dem die Quadrate der Koeffizienten kleiner
als 10 18 sind.
Im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung folgen diese
Resultate nicht nur aus der «stupiden» Nutzung der Lei-
stungskraft der Rechner, sondern auch aus der Entwicklung an-
spruchsvoller Algorithmen, insbesondere unter Verwendung der
schnellen Fouriertransformation. Diese Algorithmen sind übrigens
mit den Algorithmen verwandt, mit deren Hilfe P. Borwein,
D. Bailey und S. Plouffe ihre Formel gefunden haben (vgl. voriges
Kapitel).
199
IST 1t TRANSZENDENT?

Die «7t-Berechner» und die «7t-Analysatoren» finden wieder


zueinander; mitunter handelt es sich sogar um ein und dieselben
Personen (D. Bailey, S. Plouffe, die Brüder Borwein, die Chud-
novsky-Brüder). Die am weitesten fortgeschrittene Informatik kehrt
zur abstraktesten Mathematik zurück. Für das Verständnis des
Unendlichen stellen die endlichen Maschinen, also die Computer,
eine beträchtliche Hilfe dar. Umgekehrt fördert das mathematische
Unendliche das Verständnis und die Beherrschung des Endlichen.
Mehr als je zuvor ist die Einheit von Rechnung und Überlegung
geboten, und mehr als je zuvor triumphiert diese Einheit.

Anhang 1: Mit Zirkel und Lineal


konstruierbare Figuren
Rene Descartes geht 1637 in seiner Geometrie von Strecken der
Länge a und b aus und gibt Konstruktionen von Strecken der Länge
a + b, la - bl, a x b, a / b, '>Ia an. Damit erbringt er den Nachweis, daß
man mit Zirkel und Lineal alle diejenigen Strecken konstruieren
kann, die sich - ausgehend von Strecken gegebener Länge - mit
Hilfe von Quadratwurzeln aus den Längen ursprünglich gegebener
Strecken algebraisch ausdrücken lassen. Hieraus zieht man sofort
folgenden Schluß:
Jeder Punkt, dessen Koordinaten sich in einem aus den drei
Punkten (0, A, B) bestehenden Bezugssystem (mit 10AI = IOBI=1 und
OA orthogonal zu OB) als algebraische Ausdrücke mit Quadrat-
wurzeln angeben lassen, ist ein mit Zirkel und Lineal konstruier-
barer Punkt.
Die Umkehrung, die von Descartes nicht klar behandelt wird, be-
ruht einfach auf der Untersuchung der Koordinaten der Schnittpunk-
te von Kreisen und Geraden, deren Gleichungen ax + by + C = 0 (für
Geraden) und (x - a)2 + (y - b)2 = r 2 (für Kreise) Koeffizienten haben,
die durch Quadratwurzeln definierbar sind. Die Koordinaten dieser
Schnittpunkte sind im Falle zweier Geraden, zweier Kreise oder eines
Kreises und einer Geraden Lösungen von Gleichungen ersten oder
zweiten Grades und daher durch Quadratwurzeln definierbar.
Wir präzisieren nun die Definition von Punkten, die mit Zirkel
und Lineal konstruierbar sind, und die Definition von Zahlen, die
durch Quadratwurzeln definierbar sind. Außerdem geben wir das
Ergebnis an, das deren Zuordnung charakterisiert.
Definition: Ein Punkt P der Ebene, in der ein Bezugssystem (0,
A, B) (mit 10AI = 10BI =1 und OA orthogonal zu OB) gegeben ist,
heißt konstruierbar mit Zirkel und Lineal, wenn man ausgehend
von den drei Punkten 0, A, B in endlich vielen Schritten
200
9. KAPITEL

- durch Ziehen einer Geraden durch zwei verschiedene bereits kon-


struierte Punkte
- oder durch Zeichnen eines Kreises, dessen Radius r der Abstand
zweier bereits konstruierter Punkte ist und dessen Mittelpunkt ein
bereits konstruierter Punkt ist,
der Reihe nach Schnittpunkte Po, PI' .... 'Pn zwischen konstruierten
Geraden und Kreisen derart erhält, daß Pn =P.
DefillillOl1. Eine reelle Zahl x heißt durch Quadratwurzeln defi-
nierbar, wenn es eine endliche Folge reeller Zahlen xo, Xl' X2' ..• , xp
derart gibt, daß jedes Xi
eine ganze Zahl ist;
- oder von der Form ,",Xj für ein} < i ist;
- oder von der Form Xj + Xk oder Xj - Xk oder Xj x Xk oder Xj / Xk für} <
i, k < i und xp = X ist.

Satz der Geometrie mit Zirkel und Lineal : Ein Punkt ist dann
und nur dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn seine Koor-
dinaten durch Quadratwurzeln definierbar sind.
Zum Abschluß des Themas der geometrischen Konstruktionen
geben wir nun einige Ergebnisse, an denen Sie vielleicht Interesse
haben (für Einzelheiten und weitere Ergebnisse ähnlicher Art verwei-
sen wir auf die Bücher von Adler und CarregaJ.
Erstaunlich ist, daß man ohne Lineal auskommen kann, denn
jeder mit Zirkel und Lineal konstruierbare Punkt ist auch allein mit
dem Zirkel konstruierbar (Satz von Mohr-Mascheroni, 1672, 1797).
Wenn man nur ein Lineal und ein «Parallellineal» hat (also zwei
parallele Linien in konstantem Abstand), dann läßt sich der Zirkel
nicht ersetzen, denn
_ ein Punkt ist mit einem Lineal und einem Parallellineal dann
und nur dann konstruierbar, wenn seine Koordinaten rationale
Zahlen sind.
Mit einem rechtwinkligen Winkeldreieck geht es auch nicht
besser:
- Ein Punkt ist mit einem Lineal und einem rechtwinkligen Win-
keldreieck dann und nur dann konstruierbar, wenn seine Koor-
dinaten rationale Zahlen sind.
Ist in der Ebene bereits ein Kreis eingezeichnet und hat man nur
ein Lineal zur Verfügung, dann renkt sich alles wieder ein:
- Ein Punkt ist unter Verwendung eines gegebenen Kreises mit
einem Lineal dann und nur dann konstruierbar, wenn seine Koor-
dinaten durch Quadratwurzeln definierbar sind (Satz von Poncelet-
Steiner, 1833).
Bei den drei letztgenannten Sätzen ist die Verwendung beliebi-
ger Zwischenpunkte, die mitunter als Katalysatorpunkte bezeichnet
201
IST 1t TRANSZENDENT?

werden, unter der Voraussetzung zulässig, daß die am Schluß der


Konstruktion erhaltenen Punkte nicht von diesen Zwischenpunkten
abhängen.

Anhang 2: Beweis der Transzendenz von e und 1(

Wir geben hier die Beweise für die Transzendenz von e und 1t, die
im Ergebnis der Vereinfachungen der Arbeiten von Hermite und
Lindemann durch Weierstraß, Hilbert, Hurwitz und Gordan ent-
standen sind. Dabei haben wir uns an das Buch von A. Baker gehal-
ten, dessen Beweise von einer bewundernswerten Prägnanz sind,
was die Sätze deswegen aber leider nicht einfacher macht (bislang
sind noch keine einfachen Beweise gefunden worden). Aber selbst
dann, wenn Sie nicht jeder Einzelheit folgen können, ist der Blick
auf die globale Architektur des Beweises interessant, die hier deut-
lich zutage tritt. Ebenso interessant sind auch die Beweisargumente
und die Objekte, die zum Beweis dieser Schlüsselresultate der
Mathematik erforderlich sind.

Satz. Die Zahl e ist transzendent.


Bewei . Wir beginnen mit folgender Feststellung: Ist fix) ein

f:
Polynom vom Grad m mit reellen Koeffizienten und hat man
1(t)= e t-Uf(u)du
dann ergibt sich durch wiederholte partielle Integration
a

m m

~
l(t)=etL (Jl(O)- L (Jl(t) (1)
j=O j=O
Bezeichnet f*(x) das Polynom, das man aus f erhält, indem man
jeden Koeffizienten durch seinen absoluten Betrag ersetzt, dann a 1/a
folgt ft
Il(t)l~ Jo let-Uf(u)ldu~ltleltlf*(ltll (2)

Wir nehmen nun an, daß e algebraisch ist. Dann gibt es also
ganze Zahlen n > 0, qo"# 0 und ql' ... , qn derart, daß
qo + ql e + ... + qn en = 0 (3)
Wir werden nun zwei verschiedene Abschätzungen für den Wert
von J = qo 1(0) + ql 1(1) + ... + qn l(n) miteinander vergleichen, wobei
l(t) wie oben mit fix) = x p- 1 (x-1)p ... (x-n)P und einer großen a
Primzahlp definiert ist. Aus (1) und (3) folgern wir
m n Wie man aus Strecken der Länge
J=- L L qk(Jl(k) 1, a und b mit Zirkel und Lineal
Strecken der Länge ab, Va und ;Ja
j=Ok=O konstruiert.
202
9. KAPITEL

wobei m = (n + l)p -1. Klarerweise ist f(j)(k) = 0, falls} <p und k > 0,
°
oder falls} < p - 1 und k = 0. Außer für} = p - 1, k = liefert also der
Ausdruck f (j)(k) für alle }, k eine durch p! teilbare ganze Zahl.
Darüber hinaus hat man
f(p-l) (0) =(p -I)! (-1) np (n!)P
und daher ist f(P -1) (0) für p > n eine ganze Zahl, die durch die ganze
Zahl (p - I)!, aber nicht durch die ganze Zahl p! teilbar ist. Nimmt
man nun p > Iqol, dann ist J eine von Null verschiedene und durch
(p -I)! teilbare ganze Zahl. Demnach gilt I J I ~ (p - I)!.
Jedoch liefert die offensichtliche Majorisierung f*(k) < (2n)m
unter Verwendung von (2) die Ungleichung
IJI ~ Iqll ef*(l)+ ... + Iqnl nenf*(n)~cP
für eine gewisse Konstante c, die von p unabhängig ist. Ist nun p
hinreichend groß, dann widersprechen sich die beiden für I J I gege-
benen Ungleichungen.

Satz. Die Zahl n ist transzendent.


Beweis. Wir nehmen an, daß n algebraisch ist. Dann ist auch
9 =in algebraisch. Wir nehmen ferner an, daß die durch 9 gelöste
Gleichung den Grad d hat. Wir bezeichnen mit 92 "", 9d die anderen
Lösungen dieser Gleichung und schreiben 9 = 91, Es sei L der
Koeffizient des Gliedes von höchstem Grad des Minimalpolynoms
von 9 (des nicht in Faktoren zerlegbaren Polynoms, dessen
Koeffizienten teilerfremd zueinander sind). Unter Verwendung der
Eulerschen Gleichung ein = -1 ergibt sich

Das der linken Seite der Gleichheit entsprechende Produkt läßt


sich nach Ausmultiplizieren als Summe von 2d Gliedern eEl schrei-
ben, wobei

Wir nehmen nun an, daß n der Zahlen e von Null verschieden
sind und bezeichnen diese mit al"'" an- Wir haben demnach

q + e a l + ... + e an = 0 (4)

wobei q die ganze Zahl2 d - n ist.

Wir vergleichen nun zwei verschiedene Abschätzungen für


J =J(al) + ... + J(a n ), wobei J(t) wie im Beweis der Transzendenz von
e definiert ist und diesmal fex) = L np X p-l (x-al) p ... (x-an)P gesetzt
wird und p erneut eine Primzahl bezeichnet - die zum Ableiten der
203
IST TI: TRANSZENDENT?

Schlußfolgerung hinreichend groß gewählt werden muß. Aus (1) und


(4) erhalten wir m m n
J =-q L fJl(O) - L L f (j)(ak )
j=O j=Ok= 1

wobei m = (n + l)p -1. Die Summe über k ist ein in LaI> ... , Lan sym-
metrisches Polynom (es ist also invariant gegenüber Permutationen
dieser Zahlen) mit ganzzahligen Koeffizienten. Ein Satz der Algebra
über symmetrische Polynome besagt, daß sich jedes in Xl"'" X n sym-
metrische Polynom als Polynom der Koeffizienten der Gleichung
ausdrücken läßt, deren Lösungen XI> ••• ,xn sind. Hieraus folgt, daß die
Summe über k eine ganze Zahl ist. Wegen f V) (ak ) = 0 für j < p ist
diese Zahl darüber hinaus durch p! teilbar. Man stellt ferner fest,
daß f U) (0) für j *- p - 1 eine durch p! teilbare rationale Zahl ist und
daß f {p - 1) (0) = (p - I)! (-L)np(al ... an)P eine ganze Zahl ist, die
durch (p - I)! teilbar ist, aber nicht durch pt, falls man p hinreichend
groß wählt. Falls demnachp > q, dann hat man I J I ~ (p -I)!.

Aus (2) folgt nun


IJI s Iall elaIll(l all) +... + Ianl elanll(l an!} S c P
für eine gewisse Konstante c, die von p unabhängig ist. Die beiden
Ungleichungen für I J I sind miteinander unvereinbar, wenn p hin-
reichend groß gewählt wird. Damit ist der Satz bewiesen.

Ergänzungen zur Literatur:


Wir geben nun einige Bezugspunkte mit kurzen Erläuterungen;
für vollständige Angaben zu den im Folgenden genannten Werken
verweisen wir auf das Literaturverzeichnis auf Seite 257.
• Baker: Dieses Werk diente als Grundlage für den hier gegebenen
Beweis. Es enthält Beweise für fast alle der in diesem Kapitel ge-
nannten Ergebnisse. Wir empfehlen es jedem, der tiefer in die The-
matik der Transzendenz eindringen möchte .
• Berggren, Borwein und Borwein: Man findet hier die Original-
arbeiten von Hermite und Lindemann sowie die Verbesserungen von
Weierstraß und Hilbert.
• Jones, Morris und Pearson: Bei der Darlegung der Beweise für die
Transzendenz von e und 1t wird alles bewiesen, was nicht absolut ele-
mentar ist. Eine sehr sorgfältige Arbeit, die aber 46 Seiten umfaßt.
• Hessenberg: Brillant geschrieben. Sehr gut lesbar, auch für «An-
fänger» geeignet. Besonders hervorzuheben ist der erste Teil «Zur
Methodik der Beweisanordnung». Hier werden die wesentlichen
Ideen des Beweises herausgearbeitet und analysiert, damit der Leser
den Beweis nicht nur nachvollziehen, sondern verstehen kann.
204
9. KAPITEL

• Carrega: Das Werk enthält einen (in französischer Sprache for-


mulierten) Beweis für die Transzendenz von 1t, der ausführlicher auf
jeden Beweisschritt eingeht, als wir es hier tun.
• Lang: Der für die Transzendenz von 1t gegebene Beweis ist
abstrakter als der hier ausgeführte, führt dafür aber auch zu ande-
ren Ergebnissen (insbesondere zu den Resultaten von Gelfond-
Schneider).
• Adler: Eines der frühesten Bücher über die Theorie der geometri-
schen Konstruktionen. Sehr reichhaltig und gut lesbar; zahlreiche
Übungsaufgaben ergänzen den Text. Besonders hervorzuheben ist
der IV. Abschnitt, in dem der Verfasser eigene Resultate darstellt,
zum Beispiel über Konstruktionen mit einem Parallellineal (zwei
parallele Linien in konstantem Abstand).
• Hardy und Wright: Dieses Werk ist ein hervorragender Klassiker
über Irrationalität, Transzendenz und allgemeiner über die Zahlen-
theorie.
• Borwein und Borwein: Man findet hier viele der in diesem Kapitel
genannten Ergebnisse. Diese Ergebnisse werden als Übungen zu
sorgfältig ausformulierten Aussagen gegeben.
Ist 1t eine
zufällige Zahl?
Ungeordnetheit und Komplexität

Die Transzendenz von 1t impliziert prakti!wh überhaupt nichts bezüglich der Folge der Dezimalen.
Immer wenn die tellenjäger einen Rekord brechen und stolz darauf sind, als erste eine neue Par-
zelle des unendlichen Universums von 1t erschlossen zu haben, dann unterziehen sie ihre Ergeb-
nisse allen möglichen statistischen Th 'ts. Dabei ist niemals etwas Bemerkenswertes gefunden wor-
den. Traten dennoch mitunter irgendwelche Eigentümlichkeiten auf, dann sind diese leider nie
bestätigt worden - entweder weil die Dezimalen falsch waren oder weil die betreffende Eigen-
tümlichkeit verschwand, als man die Entwicklung weiterführte. Die Dezimalen von 1t präsentieren
sich - abgesehen davon, daß 'ie eben die Dezimalen von 1t sind - wie zufällige Zahlen, deren
Auftreten man weder beweisen noch ver tehen kann! Wir müssen uns die Frage stellen, was Zufall
eigentlich ist, und wir müssen uns fragen, was die Definition einer statistisch beliebigen kom-
plexen, unuorher eh baren, nichtkomprimierbaren usw, Folge von Dezimalen bedeutet. Die Theorie
der Berechenbarkeit erweist sich dabei ai wesentliche Stütze, aber trotz der hierdurch gewährten
neuen Einblicke sind wir auch weiterhin mit ungemein einfachen, tiefgründigen und ungelö. ten
Fragen konfrontiert. Diese Fragen rechtfertigen ganz gewiß, daß sich brillante Mathematiker, wie
die Chudnou 'ky-Brüder, an der leidenschaftlichen Suche nach den Ziffern von 1t beteiligen.

Anomalien?

Bei der Untersuchung der Dezimalen haben die 11:-Berechner re-


gelmäßig gewisse Merkwürdigkeiten festgestellt, die wir nun ohne
Anspruch auf Vollständigkeit auflisten (in Kapitel 2 machten wir
Bemerkungen anekdotischer Art zu dieser Thematik).
• Seltenes Auftreten von «0" am Anfang der Folge. Die erste «0" tritt
erst an der Stelle 32 auf, und unter den ersten 50 Dezimalen von 11:
kommt die «0" nur zweimal vor. Jedoch gibt es unter den ersten 100
Stellen bereits 8 Nullen, und unter den ersten 200 Stellen sind es 19.
Geht man noch weiter, dann findet man 999.440 Nullen unter den
206
10. KAPITEL

Dieses Bild ist durch Kodieren der


ersten 262.144 Binärziffern von 1t
entstanden, die von links nach
rechts und von oben nach unten in
512 Zeilen zu je 512 Punkten ange-
ordnet wurden, wobei jede «0» als
schwarzer Punkt und jede «1» als
weißer Punkt dargestellt wurde.
Das Bild stammt von Elias Bröms.
Ist irgend etwas Bemerkenswertes
an diesem Bild festzustellen?

ersten zehn Millionen Dezimalen und 599.963.005 Nullen unter den


ersten sechs Milliarden Dezimalen von 1t. Der Anteil der Nullen
bleibt leicht unter dem erwarteten Zehntel. Dies geschieht aber in
einer immer weniger wahrnehmbaren Weise und erweist sich letz-
ten Endes als nicht signifikant.
• Seltenes Auftreten von «7»: Unter den ersten 500 Dezimalen be-
finden sich 36 Siebenen, was ein bißchen wenig zu sein scheint.
Unter den ersten 1000 Dezimalen sind 95 Siebenen, es «fehlen,> also
nur noch fünf. Unter den ersten zehn Millionen Dezimalen von 1t
befinden sich 1.000.207 Siebenen, während es unter den ersten
sechs Milliarden 600.009.044 sind. Aus dem anfänglichen Mangel ist
ein leichter «Überschuß» geworden, was man bei zufälligen Zahlen
vollkommen selbstverständlich findet .
• Auftreten überraschender Wiederholungen: Das Auftreten der
Folge 999999 zwischen den Stellen 762 und 767 ist überraschend.
Unter den ersten zwei Milliarden Stellen finden wir auch acht
aufeinanderfolgende Achten, neun aufeinanderfolgende Siebenen
207
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

Aufgrund von Beschränkungen,


die mit der Physik unserer Welt
zu tun haben (Größe der Elek-
tronen, Größe des sichtbaren
Universums, Lichtgeschwindig-
keit usw.) wurde geschätzt, daß
man in keiner noch so fernen
Zukunft mehr als 1077 Dezimalen
von n berechnen kann und daß
sogar dies nur möglich wäre,
wenn sich die gesamte Mensch-
heit über Jahrhunderte aus-
schließlich dieser Aufgabe wid-
met und hierfür den gesamten
Raum, die gesamte Materie und
sämtliche verfügbare Energie
nutzt.

und sogar zehn aufeinanderfolgende Sechsen sowie die Folge


«123456789». Indessen handelt es sich hierbei um Phänomene, die
in einer Zufallsfolge eine nicht zu vernachlässigende Wahrschein-
lichkeit haben, aber vereinzelt auftreten. Es gibt demnach keinen
Grund, nach einer Erklärung zu suchen: Selbst äußerst systema-
tisch durchgeführte Tests (vgl. nächster Abschnitt) lassen bei der
Häufigkeit von Wiederholungsfolgen nichts Bemerkenswertes
erkennen.
Die Chudnovsky-Brüder haben festgestellt, daß der Durch-
schnitt der ersten n Dezimalen, den man (wegen ([0 + 1 + 2 + 3 + 4 +
5 + 6 + 7 + 8 + 9]/10 = 4,5) in der Nähe von 4,5 erwarten würde, bei
der ersten Milliarde Dezimalen leicht über diesem Wert und bei der
zweiten Milliarde Dezimalen leicht unter diesem Wert liegt. Den-
noch zögern sie, diese Erscheinung als signifikant anzusehen. Sie
erklären auch, daß die «Observierung» von 11:, die mitunter durch
eine Assoziation der Ziffern von 11: mit dreidimensionalen Grafiken in
Form von Flächen durchgeführt wird - «das Gefühl einer Syste-
208
10. KAPITEL

matik vermittelt, von der wir nicht wissen, ob sie ihren wirklichen
Ursprung in 1t hat, oder ob sie lediglich das Ergebnis der vom
menschlichen Gehirn mit dem Ziel durchgeführten Arbeit ist, unge-
ordnete Strukturen zu organisieren». Die Chudnovskys meinen, daß
die von ihnen erstellten Ziffernlandschaften nicht das Ergebnis
eines einfachen Zufalls sind, aber sie können auf dieser Grundlage
keine bestimmten Feststellungen treffen: «Es sind weniger Gipfel
und weniger Täler vorhanden, als man erwarten würde, wenn 1t
wirklich eine zufällige Zahl wäre.» Ihre Schlußfolgerung ist, daß
man trotz dieses vagen Gefühls und wegen der Tatsache, daß bis
jetzt nichts eindeutig bewiesen worden ist, noch weiter «draußen»
nachschauen muß.
Die Chudnovsky-Brüder hoffen, daß die Regelmäßigkeiten, von
deren Existenz sie offenbar überzeugt sind, in nicht allzu großer
Ferne in Erscheinung treten und jedenfalls nicht jenseits der
Reichweite unserer künftigen Rechner liegen. Tatsächlich schätzen
sie - unter Zugrundelegung der Größe des sichtbaren Universums
-, daß man niemals mehr als 1077 Ziffern von 1t berechnen können
wird - wir haben demnach noch etwas Spielraum, da wir uns jetzt
bei 5 x 10 10 befinden. «Falls 1t nicht schon vor der Stelle 10 77 ein
systematisches Verhalten aufweist, dann wäre das wirklich ein
Desaster, aber man braucht deswegen noch nicht aufzugeben; es
muß auch ein Mittel geben, diese Hürde zu nehmen.» Dieses Mittel
ist ganz sicher in den neuen Ergebnissen der reinen Mathematik
zu suchen, und die neue Formel von P. Borwein, D. Bailey und S.
Plouffe zur Berechnung von 1t (vgl. Kapitel 8) ist vielleicht ein
Vorbote dafür.

Die Zahlrr wird getestet


Im Jahre 1955 berechnete Y. Kanada 6.442.450.000 Dezimal-
stellen von 1t. Betrachtet man die ersten sechs Milliarden Dezi-
malen, dann stellt man folgende Anzahlen von Nullen, Einsen und
den anderen Zahlen fest:

«0>, : 599 963 005 «5» : 600017 176


«1» : 600 033 260 «6» : 600016588
«2» : 599 999 169 «7» : 600009044
«3» : 600 000 243 «8» : 599 987 038
«4» : 599957439 «9» : 600017038

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Häufigkeiten der Ziffern


dem Wert ein Zehntel nähern, entspricht den Werten, die man bei
209
IST 7t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

einer üblichen Zufallsziehung bekommen würde. Die Abweichung


muß sich wie 1/'1/n verringern, was man zum Beispiel anhand der
Häufigkeit der «7» verifizieren kann. Diese Häufigkeit beträgt

°
0,08
0,095
unter den ersten
unter den ersten
unter den ersten
10 Dezimalen
100 Dezimalen
1 000 Dezimalen
0,097 unter den ersten 10000 Dezimalen
0,1002 unter den ersten 100 000 Dezimalen
0,0998 unter den ersten 1 000 000 Dezimalen
0,1000207 unter den ersten 10 000 000 Dezimalen
0,1000028 unter den ersten 6 000 000 000 Dezimalen

Mit zehn Millionen Dezimalen von 1t erzeugt man zwei Millionen


Folgen zu fünf Ziffern, die man Pokerhänden gleichsetzen kann.
Mühelos berechnet man die statistisch erwartete Anzahl gewisser
Pokerkonfigurationen für zufällig gezogene Pokerhände - als ob
man mit einem aus 10 anstelle von 13 Kartensorten bestehenden
Spiel spielen würde. Man bemerkt dann, daß die aus den 1t-Dezi-
malen gezogenen Pokerhände auf Häufigkeiten führen, die nahe bei
den Häufigkeiten richtiger Zufallsziehungen liegen.

erwartete Zahl gefundene Zahl


5 verschiedene Dezimalen 604800 604976
2 identische Dezimalen (ein Paar) 1008000 1007 151
Zwei Paare 216000 216520
3 identische Dezimalen (Dreierpasch) 144000 144375
Full House (Paar + Pasch) 18000 17891
Viererpasch 9000 8887
5 identische Dezimalen 200 200

Von den Verfahren, die zum Auffinden statistisch signifikanter


Anomalien in der Folge der Dezimalen von 1t verwendet wurden,
geben wir die folgenden an:
• die Berechnung der Häufigkeit der 100 Ziffernpaare 00, 01, 02,
..... 99; die Berechnung der Häufigkeit von 1000 Zifferntripein usw.
• die Suche nach langen Wörtern, die unter den 51 Milliarden be-
kannten Dezimalen an möglicherweise weit voneinander entfernten
Stellen wenigstens zweimal vorkommen; hierzu wären spezielle Al-
gorithmen erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, zweimal eine Folge
von 20 Ziffern zu finden, ist extrem gering.
• das Zerschneiden der Ziffernfolge in kleine Pakete (zu 100, 1000
usw. Ziffern) und das Testen eines jeden dieser Pakete (Häufigkeit
von Ziffern, Paaren usw.).
210
10. KAPITEL

• die Suche und das Abzählen von nebeneinanderstehenden


Wiederholungen der gleichen Ziffer oder des gleichen Paares
usw.
• die Berechnung verschiedener Mittelwerte und die Durchführung
komplexerer Testverfahren, die in der Statistik zum Auffinden von
Regelmäßigkeiten bei Daten verwendet werden.
• die Berechnung der Standardabweichung von dem Mittelwert für
jede Ziffer in einer gegebenen Folge, die beim zufalligen Ziehen der
Ziffern zu erwarten ist; die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, daß
die Häufigkeit dieser Ziffer eine Standardabweichung von gleicher
Größenordnung hat wie bei einer richtigen Zufallsfolge. Man erhält
hier Wahrscheinlichkeiten von 70 Prozent, 90 Prozent, 81 Prozent
usw. Es gibt also nichts, was eine tatsächliche Verwunderung recht-
fertigt, und nichts, was einer Erklärung bedarf, falls es sich um
zufallig gezogene Ziffern handelte.

Die Zahln hat keinen Grund, eine zufällige


Zahl zu sein
Jeder neue Test, wie sich wohl die Folge der Dezimalen von 1t
verhält, führt zu dem stets gleichbleibenden Schluß, daß sie einer
Folge ähnelt, deren Ziffern zufällig gezogen wurden. Diese Schluß-
folgerung überrascht heute niemanden mehr, denn sie bestätigt nur
die im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder gefundenen Er-
gebnisse. Dennoch sind alle diese Ergebnisse ganz und gar nicht
offensichtlich und richten sich sogar gegen unser Verständnis von 1t.
Tatsächlich sind folgende Punkte zu beachten:
(a) Was über die Ziffern von 1t bewiesen worden ist, spricht nicht
für den Zufall- im Gegenteil: 1t ist keine zufällig gewählte Zahl, son-
dern eine vollständig determinierte und exzeptionelle Zahl.
(b) In gewissen Darstellungssystemen ist die Schreibweise von 1t
nicht zufällig. Daher ist es nicht möglich zu behaupten, daß 1t an
sich eine zufallige Zahl ist und sich injedem Darstellungssystem als
solche präsentiert.
Wir wollen nun auf diese bei den Punkte etwas ausführlicher ein-
gehen.
(a) Die mathematische Untersuchung der Ziffern von 1t hat des-
sen Irrationalität gezeigt (vgl. Kapitel 9); die Dezimalen treten also
nicht von einer bestimmten Stelle an periodisch auf. Dennoch be-
steht durchaus die Möglichkeit, daß andere Regelmäßigkeiten in
Erscheinung treten, zum Beispiel:
• Ab einer gewissen Stelle kommt eine gegebene Ziffer nicht mehr
vor.
211
IST 7t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

• Die Ziffernfolge endet mit 0100111000011111000000111... (eine


Null, danach zwei Einsen, dann drei Nullen, danach vier Einsen
usw.).
• Ab einer gewissen Stelle treten nur noch die Ziffern «5» und «6»
auf, zum Beispiel:
5565656655656555665656666556565 ...
• Ab einer gewissen Stelle treten nur noch «Blöcke» von wenigstens
fünf Ziffern der Folge 0123456789 auf, zum Beispiel:
3456780123452345623456789456789
• Ab einer gewissen Stelle treten nur noch Palindromsequenzen
auf, die aus mindestens drei Ziffern bestehen, zum Beispiel:
688623432 1987891 363 34567876543
• Die Häufigkeit der Nullen geht gegen 100 Prozent, das heißt, die
Häufigkeit aller anderen Ziffern nähert sich allmählich 0 Prozent.
• Ab einer gewissen Stelle wiederholt sich jede auftretende
Ziffernfolge wenigsten 1000mal, bevor eine Änderung eintritt.
Im Augenblick ist nichts von alledem ausgeschlossen, und die
Transzendenz von 1t impliziert außer den bereits aus der Irratio-
nalität gezogenen Konsequenzen bis jetzt keine weiteren bekannten
Schlußfolgerungen bezüglich der Eigenschaften der Ziffernfolge.
Dagegen folgt aus dem Beweis, daß 1t keine Liouvillesche Zahl
ist, daß die Folgen von Nullen in der Dezimalschreibweise von 1t
nicht allzu lang sind. Genauer gesagt: Die Brüder Chudnovsky
haben bewiesen, daß bei hinreichend großem q für jede rationale
Zahl p/q die Relation I 1t - p/q I > lIq14.65 gilt, und diese Tatsache
schließt aus, daß von der Stelle n an unendlich oft eine Folge von
15 n aufeinanderfolgenden Nullen auftritt. Zum Beispiel ist es nicht
möglich, daß folgende Erscheinungen gleichzeitig auftreten:
- 15.000 aufeinanderfolgende Nullen ab Stelle 1000 und
- 15 x 106 aufeinanderfolgende Nullen ab Stelle 106 und
- 15 x 109 aufeinanderfolgende Nullen ab Stelle 109 usw.
Diese Einschränkung scheint sehr schwach zu sein!
1973 bewies M. Mignotte folgendes Ergebnis: Für jede rationale
Zahl p/q mit q > 1 gilt 11t - p/q I > lIq 20.6.
Folglich ist es nicht möglich, daß ab Stelle 10 beispielsweise 210
aufeinanderfolgende Nullen auftreten. Unmöglich ist auch, daß ab
Stelle 100 etwa 2100 aufeinanderfolgende Nullen auftreten.
Allgemeiner formuliert läßt sich feststellen: Die von den Chud-
novsky-Brüdern und von M. Mignotte gefundenen Ergebnisse ver-
bieten es, daß unter den Dezimalen von 1t gewisse allzu lange Wie-
derholungen ein und derselben Ziffernfolge auftreten. Dennoch sind
diese tatsächlich bewiesenen Einschränkungen lächerlich geringfü-
gig im Vergleich zu denen, die man anhand der bisher ausgerechne-
ten Dezimalen beobachtet.
212
10. KAPITEL

(b) In gewissen Darstellungssystemen ist die Schreibweise von 1t


nicht zufällig.
Mitunter wird ungerechtfertigterweise behauptet, daß man sich
über das zufällige Auftreten der Dezimalen von 1t nicht zu wundern
braucht, da sich 1t ja ohne Bezugnahme auf die Basis 10 definieren
läßt und deswegen gar keinen Grund hat, Regelmäßigkeiten zur
Basis 10 aufzuweisen.
Nun hat aber 1t, wie es aussieht, auch keinerlei Bezug zu den
Basen 2 und 16. Dennoch wurde (im Jahre 1995!) eine Formel ent-
deckt, die besondere Eigenschaften der Entwicklung von 1t zu den
Basen 2 und 16 offenbarte. Diese Entwicklung läßt sich Stelle für
Stelle berechnen, ohne daß mehr als In (n) Speicherplätze erforder-
lich sind (vgl. Kapitel 8). Was heute für die Basis 2 zutrifft und viel-
leicht zum Beweis spezieller Eigenschaften der Binärentwicklung
von 1t führen wird, könnte morgen schon für die Basis 10 zutreffen.
Unhaltbar ist auch die Vorstellung, daß 1t eigentlich zufällig ist,
denn es gibt regelmäßige Darstellungen von 1t. Jede unendliche Rei-
henformel kann als regelmäßige Entwicklung von 1t interpretiert wer-
den (in Kapitel 4 hatten wir alle derartigen Formeln angegeben, die im
17. und 18. Jahrhundert entdeckt wurden). In Kapitel 6 hatten wir
angedeutet, daß sich 1t zu der variablen Basis [1/3,2/5,3/7, .. .] einfach
als 2,2222222 ... schreiben läßt. Dies ist das Prinzip des Tröpfel-Algo-
rithmus, der letztlich nichts anderes ist als ein Konvertierungs-
algorithmus dieser variablen Basis in die Basis [1110, 1110, 1110, ... ].
Wir geben im Folgenden einen anderen Typ einer standard-
mäßigen Entwicklung der reellen Zahlen an, der zu einer äußerst
einfachen Darstellung von 1t führt. Man zeigt unter Verwendung der
Tatsache, daß die Reihen der geradzahligen und der ungeradzahli-
gen Glieder divergieren, daß sich jede reelle Zahl x in der Form

schreiben läßt, wobei jedes ai gleich 0 oder 1 ist.

Beispiel: 24/5 =4(1 + 1/5), und man nimmt daher ao =a2 = 1 und
ai * *
= 0 für alle i 0, i 2.

Eine solche Entwicklung [ao, al' ... ] von x ist eine Art Binär-
entwicklung. Diese Schreibweise ist nicht notwendig eindeutig, aber
man kann diesen Mangel beheben, denn jede reelle Zahl x läßt sich
in der oben beschriebenen Form auf eindeutige Weise schreiben,
wenn man die folgenden Regeln beachtet:
213
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

• a2i = 1 dann und nur dann, wenn die Partialsumme der aj mit} < i
kleiner als x ist.
• a2i+l = 1 dann und nur dann, wenn diese Partialsumme größer als
x ist. Diese Bedingungen liefern übrigens einen einfachen Konver-
tierungsalgorithmus für jede reelle Zahl in der angegebenen Form.
Diese für jede reelle Zahl x eindeutige Entwicklung könnte als
Entwicklung einer Zahl nach Madhava-Gregory-Leibniz bezeichnet
werden. Sie ist tatsächlich nicht absurder als die Entwicklung zur
Basis 10, auch wenn die Verwendung ziemlich unhandlich ist - ins-
besondere für die elementaren Operationen der Addition und der
Multiplikation.
Mit dieser Definition gestattet die Zahl 0 die Entwicklung
[0000000 ... ] und 7t die Entwicklung [ 1 1 1 1 1 1 1 ... ] (nach
Madhava-Gregory-Leibniz). Die Zahlen 0 und 7t sind demnach in der
Entwicklung nach Madhava-Gregory-Leibniz die beiden einfachsten
reellen Zahlen! Demnach ist die Tatsache, daß sich die Dezimalen
von 7t wie eine Folge von zufällig gezogenen Zahlen verhalten, wirk-
lich erstaunlich und bedarf eines Beweises und einer Erklärung.

Ist die Zahln einfach?


Auf den ersten Blick mutet es ein wenig schockierend an, die
Zahl 7t als einfach einzustufen. Eine einfache Zahl ist eine Zahl, für
die sich kurze Definitionen geben lassen. Natürlich sind 5 oder " 2
einfach, aber in welchem Sinne kann die Zahl 7t, für die es viele
kurze Definitionen gibt, als einfach angesehen werden? Eine mathe-
matische Fassung dieser Idee liegt dem Komplexitätsbegriff von
Kolmogorow zugrunde, den wir weiter unten beschreiben.
Für den Augenblick halten wir fest, daß man bei der naiven
Suche nach den einfachsten konvergenten Reihen ganz sicher fol-
gende Reihen berücksichtigen würde:

L (-lf/n L 1/n!
n=l n=ü n=l n=ü

Nun wissen wir, daß die erste Reihe gegen 7t2/6, die zweite gegen
2, die dritte gegen In (2) und die vierte gegen e konvergiert. Sucht
man noch etwas mehr, dann findet man schnell die Reihe von
Madhava-Gregory-Leibniz und viele weitere Reihen, die gegen 7t
oder gegen Zahlen konvergieren, in denen 7t auftritt. Das ist kein
Zufall, denn man trifft 7t in den verschiedensten mathematischen
Situationen an.
214
10. KAPITEL

Je nach Betrachtungsweise er-


scheint die Zahl 1t als zufällige
Zahl oder nicht. Zur Basis 10 weist
sie alle charakteristischen Eigen-
schaften des Zufalls auf. Aus ande-
rer Sicht, zum Beispiel in gewis-
sen variablen Basen, erscheint 1t
als sehr einfach. Die Situation ist
ähnlich wie bei dem nebenstehen-
den Stereogramm des japanischen
Künstlers Jun Oi. Das Muster
scheint uninteressant zu sein,
aber wenn man «schielend» drauf-
sieht, indem man die Nase an das
Bild hält und das Buch dann all-
mählich weiter wegrückt, dann
sieht man, wie geordnete Struk·
turen zum Vorschein kommen:
eine Kugel, eine Pyramide und ein
Kegel.

Daß 1t nicht Lösung einer algebraischen Gleichung ist, hindert


diese Zahl nicht daran, einfach zu sein.
Die Frage, ob 1t einfacher als 2, In (2), e, 1t2 oder -Y1t ist, erweist
sich offensichtlich nicht als sehr sinnvoll, da man unmöglich objek-
tive Kriterien für das Messen dieser Einfachheit angeben kann, die
unabhängig von unseren mathematischen Begriffssystemen und
von unserem Wissensstand sind.
Es bleibt das Gefühl, das man mit Macht verspürt, wenn man
eine mathematische Formelsammlung durchblättert: 1t ist überall.
Diese Allgegenwart macht 1t zu einer fundamentalen Zahl mit vielen
verschiedenen Definitionen. Einige dieser Definitionen gehören zu
den elementarsten, die man sich für eine Zahl überhaupt vorstellen
kann.

Kryptographie
Will man verstehen, was in der Dezimaldarstellung oder in der
Binärdarstellung von 1t geschieht, dann muß man spezielle Unter-
suchungen durchführen und sich die Frage nach Verfahren für den
Basiswechsel stellen. Man muß also nach der Leistungsfähigkeit ein-
facher arithmetischer Verfahren zur Simulation des Zufalls fragen.
215
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

Diese Herangehensweise ist für die Kryptographie kennzeich-


nend, bei der man insbesondere nach den elementarsten Verfahren
zur Erzeugung von Zahlenfolgen sucht, die sämtliche charakteristi-
schen Eigenschaften des Zufalls aufweisen und deren Ursprung man
nur sehr schwer wiedererkennen kann. Einige der bereits ange-
gebenen Verfahren scheinen diesen Erfordernissen zwar zu genügen.
Jedoch stützen sich die Beweise dafür, daß die besagten Verfahren
gute Eigenschaften bezüglich der Simulation des Zufalls haben, mei-
stens auf unbewiesene Vermutungen der Komplexitätstheorie.
Darüber hinaus lassen sich diese Beweise nicht auf Verfahren
anwenden, bei denen die Dezimalen von 1t erzeugt werden. Ange-
sichts der Schwierigkeiten dieses Forschungsgebietes wäre ein
Beweis dafür, daß die Dezimalentwicklung von 1t gewisse Eigen-
schaften von Zufallsfolgen hat, auch dann nicht leicht, wenn er über-
haupt möglich ist.
Wir bemerken zu diesem Thema noch, daß die Entwicklung von
1t in einen gewöhnlichen Kettenbruch (ugl. Kapitel 4) gleichermaßen
beliebig zu sein scheint. Die Zahl --J2 hat eine sehr einfache Ent-
wicklung in einen gewöhnlichen Kettenbruch, nämlich [1, 2, 2, ... ].
Dennoch weist diese irrationale Zahl - ähnlich wie 1t - in der Dezi-
malbruchentwicklung alle charakteristischen Eigenschaften des Zu-
falls auf. An diesem Beispiel sehen wir, wie schwierig es ist, zwi-
schen den beiden Arten von Entwicklungen einen Zusammenhang
herzustellen. Selbst wenn es gelänge, ein bißehen mehr über die
Entwicklung von 1t in einen gewöhnlichen Kettenbruch in Erfahrung
zu bringen, könnte man hieraus nicht zwangsläufig auf die Wei-
terführung seiner Dezimalbruchentwicklung schließen (und umge-
kehrt).
Wie auch immer die Schwierigkeiten dieses Gebiets beschaffen
sein mögen: Bevor man aus den vergangenen Fehlschlägen den
Schluß zieht, daß man niemals etwas über die Dezimalen von 1t her-
ausfinden wird und daß es sich um eine zufällige Zahl handelt - was
heute die seltsame Haltung zahlreicher Mathematiker ist -, tut man
gut daran, sich an den folgenden Umstand zu erinnern. Angeblich
war es offensichtlich, daß die Binärziffern von 1t nicht unabhängig
voneinander berechnet werden können. Man vertrat die Meinung,
daß es sich hierbei um eine naturgegebene, wenn auch schwer zu
beweisende Tatsache handele. Aber dann kam der Augenblick, an
dem sich herausstellte, daß diese Meinung falsch und daß dies
eigentlich auch ziemlich leicht zu erkennen war!
Es ist nichts Stupides dabei, die Berechnung der Ziffern von 1t
voranzutreiben und zu versuchen, allgemeine Eigenschaften dieser
Ziffern zu beweisen, denn aufgrund unseres gegenwärtigen Wissens
ist es unmöglich, irgendeine zuverlässige Vorhersage zu machen.
216
10. KAPITEL

Das Verstehen der Beziehung zwischen Determiniertheit (7t ist de-


terminiert, denn es ist 7t) und Zufall führt zum Verständnis dessen,
was der Begriff «zufällig» bedeutet. Über die Zahl 7t schneidet man
die tiefgründigsten Fragen der Mathematik und der Wissenschafts-
philosophie an.

Statistisch zufällige Zahlen

Um bei dem Verständnis der Beziehungen von 7t zum Zufall wei-


terzukommen, müssen wir darüber nachdenken, was eine Folge von
zufällig erzeugten Ziffern eigentlich ist.
Die Folgen von Ziffern, die durch gleichmäßige Auswahl erzeugt
werden, können nicht sehr geordnet sein. Sie führen nur mit ver-
schwindender Wahrscheinlichkeit zum Ergebnis 0 0 0 0 ...
Die Schwierigkeit besteht darin, daß auch eine beliebige andere
Folge, die man sich vorgibt, die Wahrscheinlichkeit Null hat. Um
mit diesem Problem fertig zu werden, muß man auf die Theorie der
Berechenbarkeit zurückgreifen. Im nächsten Abschnitt deuten wir
an, daß eine Folge als zufällig im Sinne von Martin-Löf bezeichnet
wird, wenn sie alle effektiv verifizierbaren Eigenschaften besitzt, die
mit der Wahrscheinlichkeit 1 festgestellt werden können. Wir befas-
sen uns im Moment nicht damit, was man unter effektiv verifizier-
bar versteht. Zunächst untersuchen wir die einfachsten Eigen-
schaften, die mit der Wahrscheinlichkeit 1 verifiziert werden.

(a ) Zahlenuniversen
In einer unendlichen Folge zufällig ausgewählter Ziffern kommt
alles vor, wenn nur jede Ziffer mit einer von Null verschiedenen
Wahrscheinlichkeit gezogen werden kann. Mit anderen Worten:
Jede mögliche Folge tritt früher oder später auf. Derartige Folgen
heißen Folgenuniversen, und diejenigen reellen Zahlen, deren Dezi-
malenfolge ein derartiges Folgenuniversum ist, heißen Zahlen-
universen zur Basis 10 - die Definition läßt sich natürlich für jede
Basis modifizieren.
Die Champernownesche Zahl 0,1234567891011121314 ... ist ein
Zahlenuniversum zur Basis 10: Eine endliche Ziffernfolge s, die
nicht mit Null beginnt, tritt auf, wenn die ganze Zahl mit der
Schreibweise s an der Reihe ist; falls die Folge s mit Null anfängt,
dann wartet man auf die ganze Zahl n = Is. Ebenso ist die Zahl
0,248163264128 ... (die Potenzen von 2 zur Basis 10 sind hier nach-
einander aufgeschrieben) ein Zahlenuniversum zur Basis 10, was
aber weniger leicht zu beweisen ist. Man kennt zahlreiche Verfahren
zur Konstruktion von Zahlenuniversen, und man weiß, daß es über-
217
IST 7t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

abzählbar viele davon gibt. Es ist zwar bekannt, daß es auch über-
abzählbar viele Zahlen gibt, die keine Zahlenuniversen sind.
Dennoch kann man zeigen, daß fast alle Zahlen Zahlenuniversen
sind, und zwar zu jeder Basis.
«Fast alle» wird hier nicht im mengentheoretischen Sinne ver-
wendet, wo es «alle, bis auf abzählbar unendlich viele Ausnahmen»,
sondern im Sinne der Maßtheorie, wo es «alle mit Ausnahme einer
Menge E vom Maß Null» bedeutet. Eine derartige Menge E läßt sich
für ein beliebiges festes f > 0 in eine Vereinigung von offenen
Intervallen einschließen, deren Gesamtlänge höchstens gleich fist.
Jede abzählbare Menge {ao, al' a2' ... , an' ... } ist vom Maß Null,
denn sie läßt sich in die Vereinigung der Intervalle la n - f/2n +1,
an + fi2 n +1[ einschließen, deren Gesamtlänge fi2 1 + fi2 2 + ... = f
beträgt.
Es ist faszinierend, über die Eigenschaften von Zahlenuniversen
nachzudenken. Falls 7t ein Zahlenuniversum ist, dann impliziert das
spaßigerweise die Richtigkeit der folgenden Behauptungen:
• Irgendwo in 7t befindet sich Ihr Geburtsdatum. Man kennt heute
genügend viele Dezimalen, um das erste Auftreten eines Geburts-
datums zu lokalisieren, und eine Internetseite übernimmt die
Suche, wenn Sie es wünschen; wir verweisen auf die Liste der Inter-
netseiten am Schluß des Buches.
• Irgendwo in 7t befindet sich Ihre Sozialversicherungsnummer. Da
diese Zahl aus 13 Ziffern besteht, müssen mindestens 10 13 Dezi-
malen von 7t ausgerechnet werden, damit gute Chancen für eine
Lokalisierung bestehen.
• Irgendwo in 7t stehen Ihr Name, Ihr Vorname und Ihre Adresse in
kodierter Form, wenn zum Beispiel jeder Zahl zwischen 0 und 99 ein
Buchstabe zugeordnet wird. Da diese Folge ziemlich lang ist, befin-
det sie sich wahrscheinlich weit «draußen», und es ist unwahr-
scheinlich, daß Sie zu Ihren Lebzeiten erfahren, wo sie auftritt .
• Irgendwo in 7t befindet sich in kodierter Form (ähnlich wie soeben
beschrieben) der Roman Madame Bovary von Gustave Flaubert -
sowohl im französischen Original wie auch in der deutschen Über-
setzung.
• Irgendwo in 7t befindet sich das von Glenn Gould gespielte Con-
certo Italiano von Johann Sebastian Bach, und zwar in digitalisier-
ter Form - wie auf einer CD, die ja nichts anderes ist als eine Folge
von Ziffern. Irgendwo steht auch die Aufzeichnung, die Bach von sei-
nem Konzert durch Parodieren des Manierismus von Gould gemacht
haben könnte.
• Irgendwo in 7t befindet sich der digitalisierte Film Ihres Lebens,
vom ersten bis zum letzten Augenblick, aber es gibt auch eine Menge
fehlerhafter Versionen dieses Films (zum Beispiel mit umgekehrt
218
10. KAPITEL

ablaufenden Passagen, mit modifiziertem Ende, mit lügenhaft er-


zählten Teilen usw.).
Leider wird man immer nur die ersten Bestandteile der Liste ken-
nen, es sei denn, mathematische Ergebnisse führen zu einer Kenntnis
der Dezimalen von 1{. Andernfalls wird man nie sagen können, wo sich
diese Folgen befinden, die für uns einen Sinn ergeben. Tatsächlich
müßten wir mehr als die bereits erwähnten 10 77 Dezimalen von 1{
kennen, die als das Maximum dessen angesehen werden, was bere-
chenbar ist und auf physischen Trägern gespeichert werden kann.
Es ist noch nicht bekannt, ob 1{ ein Zahlenuniversum ist. Dar-
über hinaus weiß man nur sehr wenig über die Beziehungen zwi-
schen der Eigenschaft, ein Zahlenuniversum zu sein, und zwischen
den Eigenschaften, algebraisch oder transzendent zu sein. Es sind
lediglich folgende Tatsachen bekannt:
- Die rationalen Zahlen sind keine Zahlenuniversen. Dies ist offen-
sichtlich, da ihre Dezimalen periodisch sind.
- Es gibt transzendente Zahlen, die Zahlenuniversen sind; das ist
bei der Champernowneschen Zahl und sogar bei der Mehrheit der
transzendenten Zahlen der Fall.
- Es gibt transzendente Zahlen, die keine Zahlenuniversen sind;
dies ist zum Beispiel bei der Liouvilleschen Zahl der Fall.
Hingegen weiß man nicht, ob es algebraische irrationale Zahlen
gibt, die auch Zahlenuniversen sind. Man vermutet, daß dies bei
allen algebraischen irrationalen Zahlen der Fall ist, aber bis jetzt
konnte das noch in keinem einzigen Fall bewiesen werden!

(b) Gleichverteilte und normale Zahlen zu den Basen 2, 10 oder


zu anderen Basen
Zieht man zufällig Ziffern zur Basis b mit gleicher Wahr-
scheinlichkeit, wählt man also mit gleicher Wahrscheinlichkeit
unter 0, 1,2, ... , b -1, dann besagt das Gesetz der großen Zahlen, daß
die Häufigkeiten der Nullen, der Einsen usw. gegen l/b gehen. Wir
nennen eine derartige Folge gleichverteilt.
Wählen wir also zur Basis 10 die Ziffern zwischen 0 und 9 zufällig
aus, dann konstruieren wir eine unendliche Folge, die mit der Wahr-
scheinlichkeit 1 einen Anteil von Nullen hat, der gegen 1110 strebt.
Dasselbe gilt für die Einsen, die Zweien usw. Mit anderen Worten: Die
Ziffern fast aller reellen Zahlen «<fast» im Sinne der Maßtheorie) sind
(zu den Basen 2, 10 oder zu anderen Basen) gleichverteilt.
Eine reelle Zahl heißt normal zur Basis b, wenn darüber hinaus
folgendes gilt:
~ Die Häufigkeit der Ziffernpaare ist gleichverteilt (das heißt, zur
Basis 10 muß die Häufigkeit der Paare «00» gegen 11100 gehen,
ebenso die der Paare «01», «02» usw.).
219
IST 7t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

- Die Häufigkeit der Zifferntripel ist gleichverteilt, ebenso die der


Ziffernquadrupel usw.
Wir halten fest, daß eine zur Basis b gleichverteilte Zahl nicht
zwangsläufig normal zur Basis b ist: Zum Beispiel ist die Zahl 1/3 =
0,01010101... gleichverteilt zur Basis 2, aber nicht normal zur Basis
2. Man sieht an diesem Beispiel, daß eine gleichverteilte Zahl ratio-
nal sein kann. Das ist bei einer zur Basis b normalen Zahl nicht der
Fall, denn eine derartige Zahl ist notwendigerweise irrational. Wäre
sie nämlich rational, dann hätte sie eine Periode; bezeichnen wir die
Länge dieser Periode mit p, dann wären die Folgen der Länge p
nicht gleichverteilt.
Eine Zahl heißt normal, wenn sie normal zu allen Basen ist.
«N ormal zur Basis b" bedeutet, daß die betreffende Zahl gleichver-
teilt zu den Basen b, b 2 , bS, .... ist. Daher ist eine Zahl dann und nur
dann normal, wenn sie zu sämtlichen Basen gleichverteilt ist.
Zu Beginn des Jahrhunderts bewies der französische Mathe-
matiker Emile Borel das weniger offensichtliche Ergebnis, daß fast
alle Zahlen normal sind «<fast>, wieder im Sinne der Maßtheorie).
Daraus folgt, daß fast alle Zahlen normal zur Basis b sind (b fest
gewählt) und daß natürlich fast alle Zahlen gleichverteilt zur Basis
b sind (b fest geWählt). Ebenfalls hieraus leitet sich die zu Beginn
des vorangehenden Abschnittes angedeutete Tatsache ab, daß fast
alle Zahlen auch Zahlenuniversen zu sämtlichen Basen sind.
Man weiß, daß die Champernownesche Zahl normal zur Basis
10 ist, aber es ist noch nicht bewiesen worden, daß sie normal zu
einer beliebigen Basis ist. Wir halten die wichtige Tatsache fest,
daß eine Zahl normal sein kann, ohne ungeordnet zu sein: Die
Champernownesche Zahl hat eine einfache und vollkommen vor-
hersehbare Struktur. Normal zu sein impliziert demnach nicht,
zufällig zu sein.
Dank A. Copeland und P. Erdös weiß man etwas mehr: Dieje-
nigen Zahlen, die sich zu einer gegebenen Basis b in der Form 0,

°
ala2aS'" schreiben lassen (wobei an eine aufsteigende Folge von
ganzen Zahlen mit der Eigenschaft ist, daß für jedes f > von einer
gewissen Stelle an die Relation an ~ n l+E gilt), sind zu dieser Basis b
normal. Die folgenden Zahlen sind demnach normal zur Basis 10:
0,7142135424956 ... (die nacheinander aufgeschriebenen Vielfachen
von 7),
0,23571113171923 .. . (die nacheinander aufgeschriebenen Prim-
zahlen).

Die Eigenschaft einer Zahl, zu einer Basis normal zu sein, im-


pliziert nicht, daß diese Zahl zu jeder Basis normal ist. W. Schmidt
bewies nämlich: Sind zwei Basen bund c so beschaffen, daß es kein Emile Borel (1871-1956).
220
10. KAPITEL

Paar i, j mit bi = ci gibt, dann existieren Zahlen, die normal zur


einen Basis sind, aber nicht zur anderen (die Bedingung ist auch
notwendig).
Dagegen ist es noch niemandem gelungen, explizit eine Zahl zu
konstruieren, die normal zu allen Basen ist. Wir stoßen hier in
stärkerer Form erneut auf das Paradoxon, dem wir bezüglich der
transzendenten Zahlen bereits im vorangehenden Kapitel begeg-
net sind: Fast alle Zahlen sind normal zu sämtlichen Basen, aber
explizit ist keine einzige dieser Zahlen bekannt! Später werden wir
sehen, daß eine derartige Zahl zwar definiert, aber nicht berechnet
werden kann.
Die Erklärung, die wir für das Paradoxon bezüglich der tran-
szendenten Zahlen gegeben hatten «<unendlich viel zahlreicher als
die algebraischen Zahlen, aber schwierig zu finden»), trifft auch hier
zu. Zwei verschiedene Zugänge zu den reellen Zahlen (der eine ist
abstrakt, der andere konstruktiv) werden ungerechtfertigterweise
gleichgesetzt. Dennoch scheint es sich hier um eine wirklich selt-
same Situation zu handeln!
Bezüglich der Normalität der algebraischen Zahlen ist unsere
Unkenntnis immer noch allumfassend. Man weiß nicht einmal, wel-
che der drei folgenden Aussagen wahr ist:
- alle irrationalen algebraischen Zahlen sind normal;
- keine irrationale algebraische Zahl ist normal;
- gewisse irrationale algebraische Zahlen sind normal, andere hin-
gegen nicht.
Die unlängst von J. Borwein, P. Borwein, R. Girgensolm und
S. Parnes gesammelten Erfahrungen mit den ersten 20.000 Dezi-
malen der Zahlen ~n und 3~n für n = 2, ... , 1000, wobei n weder eine
Quadratzahl noch eine Kubikzahl ist, scheinen wie bei 1t darauf hin-
zudeuten, daß alle diese Zahlen normal sind.
Bezüglich der transzendenten Zahlen weiß man etwas mehr.
Man kennt transzendente Zahlen, die normal zur Basis 10 sind (die
Champernownesche Zahl), und transzendente Zahlen, die nicht nor-
mal zu dieser Basis sind (die Liouvillesche Zahl).
Wir halten auch fest, daß man bezüglich der Eigenschaften der
Ungeordnetheit etwas mehr über die transzendenten als über die
algebraischen Zahlen weiß. Tatsächlich sind diejenigen irrationalen
Zahlen, deren Dezimalen sich durch einen Automaten mit einer end-
lichen Anzahl von Zuständen definieren lassen (es handelt sich hier
um ein abstraktes Modell eines Rechners mit endlichem Gedächt-
nis), zwangsläufig transzendent. Dieses im Jahre 1988 von J. Loxton
und A. van der Poorten bewiesene Resultat ist ein erster Schritt in
Richtung eines Beweises der Vermutung von J. Hartmanis und R.
Stearns, gemäß der jede in linearer Laufzeit berechenbare irratio-
221
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

nale Zahl transzendent ist. «Lineare Laufzeit» bedeutet, daß die


Berechnung von n Dezimalen in einer zu n proportionalen Zeit aus-
geführt werden kann.
Ergebnisse von R. Kannan, A. Lenstra und L. Lovasz aus dem
Jahre 1988 zur Identifikation der Dezimalen von algebraischen
Zahlen oder von Zahlen der Form In (a), arccos (a), arcsin (a) mit
algebraischem a (1t ist eine dieser Zahlen) beweisen folgende
Tatsache, die äußerst wichtig für alle diejenigen ist, die in
Versuchung kommen, die Dezimalen von 1t als Zufallsgenerator in
der Kryptographie zu verwenden: Die Kenntnis einer hinreichend
großen Anzahl von Dezimalen einer derartigen Zahl a (oder In (a)
usw.) und zusätzliche Informationen über die Maximalgröße der
Koeffizienten der Gleichung, aus der sie hervorgegangen ist, sowie
über den Maximalgrad dieser Gleichung ermöglichen eine
schnelle (das heißt in polynomialer Laufzeit erfolgende) Re-
konstruktion der Gleichung und eine Identifikation der betreffen-
den Zahl, wodurch sich die Folge der Dezimalen dieser Zahl
berechnen läßt.
Sogar dann, wenn sich 1t oder die algebraischen irrationalen
Zahlen als normal erweisen, sind sie demnach im Sinne der Krypto-
graphie regelmäßig und wiedererkennbar - wie die Champernow-
nesche Zahl. Diese Zahlen dürfen also keinesfalls verwendet wer-
den, wenn man gute und unangreifbare Generatoren von zufälligen
Zahlen haben möchte.
Nebenbei sei noch bemerkt, daß man beim Programmieren von
Monte-Carlo-Methoden in bezug auf die «Qualität» des Zufalls weni-
ger anspruchsvoll ist als in der Kryptographie und daß sich die
Dezimalen von 1t immer noch als nützlich für die Programmierung
derartiger Algorithmen erweisen können, obgleich deren Verwen-
dung riskant ist, da nichts streng bewiesen ist.
Für 1t läßt sich die Situation in der folgenden seltsamen Kon-
junktion zusammenfassen:
- Es ist festzustellen, daß die berechneten Ziffern zu allen Basen
gleichverteilt sind und daß 1t zu jeder Basis normal zu sein scheint.
Die Mehrheit der Mathematiker glaubt infolgedessen, daß 1t normal
ist.
- Es können nicht einmal die einfachsten Eigenschaften der
Ungeordnetheit bewiesen werden, die in diesem Kapitel angespro-
chen wurden - zum Beispiel die Eigenschaft, daß 1t gleichverteilt zur
Basis 10 ist.
- Hingegen weiß man, daß 1t bei kryptographischen An-
wendungen nicht als Zufallsgenerator verwendet werden darf,
denn es gibt effiziente Techniken zur Identifikation seiner Dezi-
malen.
222
10. KAPITEL

Zufällige Zahlen im Sinne von Martin-löf

Man kann eine Ziffernfolge in natürlicher Weise daraufhin te-


sten, ob sie eine Zufallsfolge ist. Zu diesen natürlichen Tests gehört
die Überprüfung, ob diese Folge mit der Ziffernfolge der Zahl
e = 2,7182818284590 ... übereinstimmt. Folgendes scheint offensicht-
lich zu sein: Falls die Folge mit der Ziffernfolge von e identisch ist,
dann kann das kein Zufall sein, und die betreffende Folge kann
nicht als Zufallsfolge angesehen werden ... Bei n ist das nicht anders!
Falls die Ziffern einer Folge mit den Ziffern von n übereinstimmen,
dann ist die betreffende Folge keine Zufallsfolge. Demnach ist die
Zahln keine zufällig gewählte Zahl: Sie besteht diesen Test ja ganz
offensichtlich nicht!
Sind wir nicht dabei, uns im Kreis zu drehen? Zeigt man mit
einer derartigen Argumentation denn nicht, daß keine Folge eine
Zufallsfolge sein kann und daß «zufällig» nichts Definitives bedeu-
ten kann?
Erstaunlicherweise ist dem nicht so: Wenn man es geschickt
anstellt, dann läßt sich die oben beschriebene Schwierigkeit beseiti-
gen, und hier liegt auch der Schlüssel zur tiefgründigsten Theorie,
die man für Zufallsfolgen kennt.
Nachdem man sich über mehrere Jahrzehnte in dem schein-
baren Teufelskreis verstrickt hatte, wurde gegen 1940 nach einem
Durchbruch in der Theorie der Berechenbarkeit eine Lösung ge-
funden.
Diese auf die Mathematiker Kurt Gödel, Alan Turing, Alonzo
Church und Stephen Kleene zurückgehende Theorie besagt, daß
nicht alle Zahlenfolgen maschinell berechenbar sind. Es sind viele
mathematische Charakterisierungen der Familie der berechenbaren
Folgen gegeben worden. Wir wollen hier nur festhalten, daß es sich
bei einer berechenbaren Folge um eine Folge handelt, die Sie auf
Ihrem Bürocomputer in der Sprache C, Basic oder Fortran program-
mieren können, wobei vorausgesetzt wird, daß man erforderlichen-
falls über einen erweiterbaren Speicher verfügt. Es dauerte noch 20
Jahre, bevor um 1965 im Ergebnis der Arbeiten von R. Solomonow,
A. Kolmogorow, G. Chaitin und R. Martin-Löf eine Lösung des
Problems der Zufallsfolgen gefunden wurde.
Der Kerngedanke bestand darin, daß eine Zufallsfolge keinerlei
exzeptionelle Eigenschaften besitzen darf, die man effektiv verifizie-
ren kann. Um diese Idee präzise zu formulieren, muß definiert wer-
den, (a) was «exzeptionelle Eigenschaft» und (b) was «effektiv verifi-
zierbare Eigenschaft» bedeutet.
Eine exzeptionelle Eigenschaft ist eine Eigenschaft, die von fast
keiner Ziffernfolge verifiziert wird, wobei «fast» hier natürlich wie-
223
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

der im Sinne der Maßtheorie gemeint ist, wie wir bereits ausgeführt
hatten. Technisch ausgedrückt ist eine exzeptionelle Eigenschaft
eine Eigenschaft, die nur von den Folgen einer Menge vom Maß Null
verifiziert werden. Die Eigenschaften, «mit unendlich vielen Nullen
zu enden» oder «nicht normal zu sein», sind nach einem Ergebnis
von Borel exzeptionelle Eigenschaften; das Wort «normal» ist dem-
nach treffend gewählt! Da es sich hierbei auch um effektiv verifizier-
bare Eigenschaften handelt, folgt per Definition, daß eine
Zufallsfolge im Sinne von Martin-Läf nicht auf unendlich viele
Nullen enden kann und normal ist.
Um zu verstehen, was «effektiv verifizierbare Eigenschaft» be-
deutet, betrachten wir folgendes Beispiel. Wir stellen uns vor, daß
wir die ersten 30 Binärziffern einer unendlichen Folge kennen:
111000111111000111000000111000000000111
Wir stellen fest, daß die Einsen und die Nullen zuje dreien auf-
treten. Das ist eine unübliche Eigenschaft. Die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß eine unendliche Zufallsfolge diese Eigenschaft hat, ist
gleich Null. Wenn wir die Entscheidung zu treffen hätten, diese
Folge als Zufallsfolge zu akzeptieren oder abzulehnen, dann wür-
den wir ablehnen, denn diese Folge ist fragwürdig! Eine effektiv
verifizierbare Eigenschaft ist einfach eine Eigenschaft, wie «die
Nullen und die Einsen treten zu je dreien auf». Diese Eigenschaft
läßt sich durch ein Programm verifizieren, wobei das Risiko, sich
zu irren, immer kleiner wird, je weiter man bei den Ziffern nach
«draußen» geht.
Die exakte Definition scheint uns etwas kompliziert zu sein,
aber wir wollen sie hier dennoch für die mutigen Leser wiedergeben.
Eine Eigenschaft P ist exzeptionell und effektiv verifizierbar, wenn
ein Testprogramm existiert, das darauf abzielt, Folgen mit dieser
Eigenschaft zu eliminieren, und das für jede ganze Zahl n gewisse
Folgen eliminiert, die die Eigenschaft P zu haben scheinen. n ent-
spricht dem mehr oder weniger hohen Level, mit dem der Test
durchgeführt wird. Dieser Test wird unter Benutzung einer endli-
chen Anzahl von Ziffern der Folge realisiert, und zwar derart, daß
die ausgesonderten Folgen einen Anteil von höchstens 1/2 n haben.
Die Folgen, die ab einem gewissen n stets eliminiert werden
(man kann sagen «asymptotisch eliminiert werden»), müssen genau
diejenigen Folgen sein, die der Eigenschaft P genügen. Die Bedin-
gung mit 1/2 n gewährleistet, daß diese Folgen eine Menge vom Maß
Null bilden. Wir stellen fest, daß die Definition folgende Tatsache
berücksichtigt: Eine Zufallsfolge, deren Anfang eine bemerkens-
werte Eigenschaft besitzt, kann für zu kleine n irrtümlicherweise
eliminiert werden, aber sie wird nicht eliminiert, wenn der Test mit
einer hinreichend großen Genauigkeit durchgeführt wird. Führt
224
10. KAPITEL

man einen Test mit nur sehr wenigen Daten durch, dann läßt sich
die Möglichkeit eines solchen Irrtums nicht vermeiden. Der Test, der
den Vergleich mit 1t beinhaltet, besteht auf dem Level n in der
Untersuchung der ersten n Ziffern der betrachteten Folge nach der
Elimination derjenigen Ziffern, die mit denen von 1t übereinstim-
men: Am Anfang kann man sich täuschen, wenn die Folge der
Ziffernfolge von 1t ähnelt, aber asymptotisch wird nur 1t eliminiert.
Der Test für die aus Dreierpaketen von Nullen und Einsen zusam-
mengesetzten Folgen besteht auf dem Level n darin, ausgehend von
den ersten 3n Ziffern zu überprüfen, ob die Eigenschaft verifiziert
wird, und die Folge zu eliminieren, falls dies zutrifft. Auch hier kann
man sich am Anfang täuschen, aber asymptotisch werden nur die
durch den Test erkannten Folgen ständig eliminiert.
Als sehr wichtig erweist sich die Bedingung, die festlegt, daß die
Verifikation durch ein Programm definierbar ist. Setzt man diese
Andrei Kolmogorow (1903-1987). Bedingung nicht voraus, dann hätte jede spezielle Folge s die exzep-
tionelle Eigenschaft, «gleich s zu sein», und es gäbe gar keine Zu-
fallsfolgen. Der Erfolg der Idee von Martin-Löf ist darauf zurückzu-
führen, daß sie eine Bedingung aus der Wahrscheinlichkeitstheorie
«<keine exzeptionelle Eigenschaft zu haben») mit einer Effektivi-
tätsbedingung verbindet, wodurch die erstere Bedingung gemildert
wird. Dies ist unbedingt notwendig, um keine leere Definition zu
haben. Die Definition von Martin-Löfist dank der Kolmogorowschen
Komplexitätstheorie ein Jahrzehnt später klarer formuliert worden.
Wir wollen zu dieser Theorie einige Bemerkungen machen.
Die Theorie von Kolmogorow definiert die Komplexität eines
endlichen Objektes (zum Beispiel einer endlichen Folge von Nullen
und Einsen) durch die Größe des kleinsten Programmes, das es
gestattet, das fragliche Objekt zu drucken. Man verwendet einen
hinreichend leistungsstarken Bezugsrechner für dieses
Größenmaß und zeigt, daß das Maß kaum vom Bezugsrechner
abhängt. Eine Folge von einer Million Einsen hat eine schwache
Kolmogorow-Komplexität, denn es gibt sehr kurze Programme, die
diese Folge drucken: «Für i = 1 bis 1.000.000 drucke 1; Ende.» Die
Folge der ersten Million Dezimalen von 1t hat eine größere
Kolmogorow-Komplexität, denn das kürzeste Programm, das die
Zahl ausdruckt, hat mehrere Zeilen - die Länge des Programms
überschreitet 100 Zeilen; eine exakte Längenangabe ist jedoch
nicht bekannt. Kurze Programme, die das Ausdrucken langer
Objekte gestatten, können als komprimierte Versionen dieser
Objekte betrachtet werden.
Andererseits ist eine Folge der Länge 1.000.000 mit einer
Kolmogorow-Komplexität größer als oder gleich 1.000.000 vollkom-
men unkomprimierbar. Es gibt keinerlei Mittel, diese Folge in kom-
225
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

primierter Form zu beschreiben; die Existenz einer derartigen Folge


läßt sich leicht beweisen.
Dieser Komprimierungsbegriff der Kolmogorowschen Komplexi-
tätstheorie gestattet den Beweis eines bemerkenswerten Resultates,
das die Tauglichkeit der Definition von Martin-Löf bestätigt: Eine
unendliche Folge aus Nullen und Einsen ist dann und nur dann eine
Zufallsfolge im Sinne von Martin-Löf, wenn sie unkomprimierbar
ist, also wenn es eine Konstante c derart gibt, daß die Kolmogorow-
Komplexität der ersten n Ziffern der Folge stets größer als n - eist.
Der Begriff «zufällig» ist also in einem ganz präzisen mathema-
tischen Sinn äquivalent zu «unkomprimierbar». Diese Schluß-
folgerung ist nicht überraschend. Überraschend ist, daß dieses
Ergebnis erst nach 1970 bewiesen wurde. Beweise wurden unabhän-
gig voneinander von dem deutschen Mathematiker C. Schnorr, dem
russischen Mathematiker L. Levin (der in die Vereinigten Staaten
emigrierte) und von dem amerikanischen Mathematiker G. Chaitin
erbracht.
Die wirklich zufälligen Objekte können nicht schneller beschrie-
ben werden als durch das Aufzählen ihrer Bestandteile (beispiels-
weise der Dezimalen). Das ist die Definition, die der Ausgangspunkt
für die Kolmogorowsche Komplexitätstheorie ist. Wir verstehen
nun, warum 1t im Rahmen dieser Theorie nicht als zufällig gewählte
Zahl betrachtet werden kann, und das wird im übrigen auch durch
andere Bemerkungen bestätigt, die wir in diesem Kapitel gemacht
haben. Die Zahl 1t läßt sich auf knappe Weise definieren: Man
schreibt sehr kurze Programme, die 1t berechnen, wie zum Beispiel
das in Kapitel 6 gegebene Programm in der Sprache C, das 2400
Dezimalen von 1t berechnet und dennoch nur aus 158 Zeichen
besteht. Vom Standpunkt der Kolmogorowschen Komplexitäts-
theorie ist 1t ganz offensichtlich einfach.
Meines Wissens erfolgt heutzutage die Untersuchung von 1t in
bezug auf Regelmäßigkeiten ausschließlich mit Hilfe von statisti-
schen Verfahren. Bis in die jüngste Vergangenheit hatten wir bei der
Untersuchung des Genoms eine ähnliche Situation. Die Analyse der
genetischen Sequenzen hat sich jedoch als viel leichter erwiesen, da
man alle möglichen regelmäßigen Erscheinungen angetroffen hat.
Hierzu gehören Regelmäßigkeiten statistischer und algebraischer
Natur (verbotene Wörter; kurze Wörter, die sich Hunderte, ja sogar
Tausende von Malen in identischer Weise wiederholen usw.). Eine
der Techniken, die zur Untersuchung der genetischen Sequenzen
verwendet werden, beruht auf Komprimierungsalgorithmen. In voll-
kommener Übereinstimmung mit der Kolmogorowschen Komplexi-
tätstheorie besteht die Idee darin, daß jede identifizierte Regel-
mäßigkeit eine Komprimierungsmöglichkeit liefert und umgekehrt
226
10. KAPITEL

jede gelungene Komprimierung auf eine Regelmäßigkeit hinweist.


Für die Zahl1t hat man diese Herangehensweise per Komprimierung
nicht realisiert, und ich habe meine Zweifel, daß sie zu irgendeinem
Ergebnis führen würde. Aber kann man sich wirklich sicher sein,
bevor man es versucht hat? Ein derartiger Versuch hätte wenigstens
den Reiz, die Tests aufzufrischen, die man mit dem nächsten auszu-
rechnenden Dezimalenpaket durchzuführen hat.
Die Zufallsfolgen im Sinne von Martin-Löf haben bemerkens-
werte Eigenschaften, von denen wir im Folgenden einige angeben:
• Eine derartige Folge läßt sich nicht durch ein Programm defi-
nieren. Andernfalls könnte man nämlich das diese Folge definierende
Programm dazu verwenden, eine komprimierte Version der Ziffern der
Folge zu bekommen. Hieraus lassen sich zwei bedeutsame Schluß-
folgerungen ableiten. Zunächst einmal ist die Ziffernfolge von 1t oder
irgendeiner anderen üblichen mathematischen Konstante, die man
berechnen kann, keine Zufallsfolge im absoluten Sinne von Martin-
Löf. Da ferner ein Programm niemals Zufallsfolgen im absoluten Sinne
von Martin-Löf erzeugen kann, sind die Randomfunktionen der aus
den Programmen resultierenden Programmiersprachen nur unvoll-
kommen zufällig. Die Furcht vor einem Paradoxon, das wir am Anfang
des Abschnitts für unvermeidlich hielten, erwies sich als ungerechtfer-
tigt. Die Zahl 1t kann nicht als zufällige Zahl im stärksten Sinne des
Begriffes aufgefaßt werden, denn sie hat die exzeptionelle Eigenschaft,
berechenbar zu sein - die Menge der berechenbaren Zahlen ist abzähl-
bar, denn es gibt nur abzählbar unendlich viele Programme.
• Die Ziffern einer Zufallsfolge im Sinne von Martin-Löf definie-
ren stets eine normale und transzendente Zahl, denn alle algebrai-
schen Zahlen sind berechenbar.
• Die Ziffern einer solchen Zufallsfolge sind im folgenden präzi-
sen Sinne unvorhersehbar: Schließt man mit Hilfe eines Programmes
eine Wette bezüglich der (n +l)-ten Ziffer einer Zufallsfolge ab, von
der man nur die ersten n Ziffern kennt, dann erhält man im Mittel
kein besseres Ergebnis, als wenn die Wette rein zufällig abgeschlos-
sen worden wäre. Diese Eigenschaft der Unvorhersehbarkeit
bestätigt die intuitive Vorstellung, daß man gegen den Zufall nicht
gewinnen kann. Diese Vorstellung ist in anderer Form bereits durch
die Theorie der Martingale mathematisiert worden.
Die paradoxe Situation, mit der wir bereits zweimal konfrontiert
worden sind, scheint hier zu kulminieren: Fast alle Zahlen sind
zufällige Zahlen im Sinne von Martin-Löf, und dennoch sind weder
die rationalen noch die algebraischen Zahlen, weder e noch 1t noch
irgendeine andere berechenbare Zahl zufällige Zahlen im Sinne von
Martin-Löfl Kennt man überhaupt eine konkrete zufällige Zahl? Ja!
Die Chaitinsche Zahl Q.
227
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

Eine Zahl, die schlimmer als 7t ist


Die Zahl1t trat im Laufe der Geschichte als ein extremes Knäuel
von Schwierigkeiten in Erscheinung. Ungeachtet der in den letzten
Jahren erzielten beachtlichen Fortschritte, über die in diesem Buch
berichtet wurde, birgt die Zahl 1t immer noch zahlreiche Geheim-
nisse in ihrem Inneren. Dennoch scheint die seit 20 Jahren be-
kannte Chaitinsche Zahl Q unter gewissen Gesichtspunkten sogar
noch viel schlimmer zu sein.
Natürlich ist hier «bekannt» in einem ganz speziellen Sinn zu
verstehen. Die Zahl Q ist als die Wahrscheinlichkeit dafür definiert,
daß ein universeller Rechner mit selbstbegrenzten Programmen
anhält (eingehendere Ausführungen über diese Theorie und über Q
findet man bei Li und Vitanyi oder in dem Buch, das ich 1993 zu die-
sem Thema geschrieben habe).
Wir konzentrieren uns auf die mathematisch seltsame, aber kei-
neswegs paradoxe Situation von Q. Diese Zahl ist wohldefiniert: Es
handelt sich um ein unzweideutiges mathematisches Objekt, das
von keinerlei Parameter abhängt; eine vollkommen exakte Formu-
lierung der Definition stellt kein Problem dar. Dennoch kann diese
Zahl aufgrund ihrer Natur nicht vollständig ausgerechnet werden:
Einige ihrer Ziffern lassen sich berechnen, aber man gelangt sehr
bald an einen Punkt, an dem die weitere Rechnung von ungelösten
mathematischen Vermutungen abhängt, die unmöglich zu umgehen
sind. Die exakte Definition von Q gestattet es, eine Anzahl von
Eigenschaften dieser Zahl kennenzulernen und streng zu beweisen,
ohne die Ziffern ausrechnen zu müssen (bei 1t war es genauso!): So
ist die Zahl Q zum Beispiel normal zujeder Basis, und sie ist die ein-
zige explizit definierte Zahl, die diese Eigenschaft besitzt.
Die Chaitinsche Zahl Q zeigt in deutlicher Weise, daß wir uns
davor hüten müssen, zwei sich scheinbar sehr nahestehende Begrif-
fe zu verwechseln. Für eine Zahl sind nämlich die beiden folgenden
Eigenschaften nicht äquivalent:
- die Eigenschaft, mathematisch «wohldefiniert» (expliziert defi-
niert) zu sein;
- die Eigenschaft, berechenbar (explizit konstruiert) zu sein.
Die Theorie der Berechenbarkeit hat seit ihrer Entstehung im
Jahre 1936 zahlreiche Beispiele für Objekte geliefert, die wohldefi-
niert, aber nicht berechenbar sind. Die Funktion, die einem
Programm die Zahl «0» zuordnet, falls das Programm stoppt, und die
Zahl «h, wenn das Programm niemals stoppt, ist eine wohldefi-
nierte Funktion. Sie ist jedoch nicht berechenbar, wie das von Alan
Turing stammende Unentscheidbarkeitsresultat des Halteproblems
zeigt.
228
10. KAPITEL

Im Vergleich zu den Eigenschaften der Zahl Q scheint sich die


Zahl 7t geradezu artig zu verhalten: 7t ist transzendent, aber bere-
chenbar und demzufolge komprimierbar; hingegen ist die Zahl Q
zwar ebenfalls transzendent, jedoch nicht berechenbar und sogar
nicht komprimierbar.
Möglicherweise wird man entgegnen, daß die Zahl Q eine
«Mogelpackung» ist, denn aus ihrer Definition lassen sich zwar
leicht sämtliche Eigenschaften ableiten, die man von dieser Zahl
kennt. Jedoch verhindert dieselbe Definition, sie näher kennenzu-
lernen. Insbesondere verhindert die Definition ein Ausrechnen die-
ser Zahl. Die Zahl 7t ist ihrerseits «freimütiger». Man kann sie im
Detail kennenlernen, auch wenn dies scheinbar dazu führt, daß sich
gewisse einfache Eigenschaften nur schwer beweisen lassen.
Möglicherweise besitzt 7t alle allgemeinen Eigenschaften von
zufälligen Zahlen (zum Beispiel die Eigenschaft, «normah zu sein) -
im Gegensatz zu den speziellen Eigenschaften von zufälligen Zahlen
(zum Beispiel «nicht gleich 7t zu sein»). Man wird allerdings präzisie-
ren müssen, was allgemein oder speziell bedeuten soll. Vielleicht
wird es darauf hinauslaufen, einen Begriff «zufällige Folge» zu for-
mulieren, der - schwächer als der von Martin-Löf - der Zahl7t ange-
messen ist.
Wir hatten bereits bemerkt, daß die in der Kryptographie exi-
stierenden schwachen Begriffe für Zufallsfolgen schon zu stark für 7t
sind. Die «Zufälligkeib> von 7t befindet sich sicherlich zwischen der
Normalität und der kryptographischen Zufälligkeit und liegt jeden-
falls ein gutes Stück unterhalb der starken Zufälligkeit von Martin-
Löf. Mehr kann man jedoch heute noch nicht sagen, da es bis jetzt
noch nicht einmal möglich war, die Normalität von 7t zu beweisen.
Die Theorie der Zufallsfolgen ist nicht abgeschlossen, und 7t liegt
sichtlich im Zentrum eines Knäuels von Schwierigkeiten.

Das Ergebnis der Suche nach dem Begriff


«endlich definierbar»
Zur Theorie der Berechenbarkeit und deren Konsequenzen für 7t
merken wir noch an, daß der Begriff der «endlich definierbaren
Zahh, dem die Mathematiker seit Jahrhunderten hinterherjagten
und ihn zunehmend erweiterten (vgl. Kapitel 9), auch heute noch
nicht sein endgültiges Stadium erreicht hat.
Eine endlich definierbare Zahl muß nicht algebraisch sein, wie
man es im 19. Jahrhundert geglaubt hatte, denn 7t ist endlich defi-
nierbar, sobald man eine Schreibweise für unendliche Reihen hat.
Eine endlich definierbare Zahl ist auch keine durch ein Programm
229
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

berechenbare Zahl, wie man es einen Augenblick lang geglaubt


hatte. Auch wenn alle durch ein Programm definierbaren Zahlen
natürlich endlich definierbar sind (ein Programm ist eine allge-
meine Form der Definition), so gibt es dennoch Zahlen (zum Beispiel
m, die endlich definierbar, aber nicht berechenbar sind.
Eine endlich definierbare Zahl ist eine Zahl, die sich in einem
gegebenen formalen Rahmen (im Falle der Chaitinschen Zahl Q
etwa im Rahmen der Arithmetik) durch eine charakteristische
Eigenschaft definieren läßt, wobei diese Eigenschaft natürlich ein
endlicher Ausdruck ist! Nun hat man aber entdeckt, daß es keinen
«allerletzten» formalen Rahmen gibt. Man denke nur an die Unvoll-
ständigkeitssätze von Gödel und, etwas konkreter, an die Unter-
suchungen zur Theorie der großen Kardinalzahlen. Folglich befindet
sich der Begriff «endlich definierbar» in keinem Endstadium, son-
dern scheint vielmehr mit der Erweiterung des formalen Rahmens
einer noch weitergehenden Ausdehnung fähig zu sein.
Die Zahl --.12 entzieht sich der Welt der rationalen Zahlen, aber
diese Zahl ist dennoch endlich definierbar und läßt sich sogar mit
einigen Zirkelbewegungen konstruieren. Die Zahl 1t entgleitet der
Welt der mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Zahlen und sogar
der viel größeren Welt der algebraischen Zahlen, aber sie ist endlich
definierbar, weil sie berechenbar ist. Die Chaitinsche Zahl Q ent-
zieht sich ihrerseits der Welt der berechenbaren Zahlen, ist aber
immerhin noch endlich definierbar.
Welches sind die höchsten Stufen des Begriffes «endlich definier-
bar»? Sind diese wirklich von Bedeutung? Wir wissen es heute noch
nicht, aber die Fortschritte, die wir beim Kennenlernen der vorher-
gehenden Stufen gemacht haben, sind beachtlich und haben die
mathematische Welt enorm bereichert.
Es ist ziemlich eigenartig, daß wir bereits auf den ersten Stufen
(zum Beispiel bei rationalen Zahlen wie --.12) die Kontrolle über die
mit dem Zufall zusammenhängenden Eigenschaften verloren haben,
insbesondere über die Eigenschaft der Normalität. Wir konstatie-
ren, daß "2 normal ist, ohne dies beweisen zu können. Wir wissen
noch nicht, ob 1t normal ist, und wir kennen die Normalität der
Chaitinschen Zahl Q nur zu dem Preis, daß wir die Möglichkeit der
Berechnung dieser Zahl verloren haben.
Dieses seltsame Spiel von Zufall und endlicher Definierbarkeit
läßt uns aufhorchen. Es beweist, daß die Mathematiker durch ihre
Arbeit die einfachsten und fundamentalsten Fragen, die Fragen zum
Endlichen und zum Zufall, ständig bereichern. Jahrhundert um
Jahrhundert werden die Beziehungen zwischen diesen beiden Begrif-
fen in der Mathematik neu konzipiert, ohne daß es jemals gelingt, zu
einem vollständigen und endgültigen Verständnis zu gelangen.
230
10. KAPITEL

5ch Iußfolgeru ng
Wir haben gegenwärtig einen klar abgesteckten theoretischen
Rahmen, um gleichzeitig die Zahlen zu definieren, von ihnen zu
sprechen, ihre Seltenheit und sogar ihre Regellosigkeit zu messen.
Dennoch befreit uns dieser Rahmen nicht von sorgfältigen Unter-
suchungen arithmetischer, kombinatorischer und analytischer
Natur. Diese mathematisch schwierigen Untersuchungen sind oft
die einzigen, mit denen man die Lösung der exakten Probleme vor-
antreiben kann. Bei den Bemühungen, die Zahl1t noch besser ken-
nenzulernen, werden die Computer eine immer wichtigere Rolle
spielen. Und das nicht nur, weil sie eine Berechnung der Dezimalen
und der Binärziffern von 1t oder die Entwicklung dieser Zahl in
einen Kettenbruch gestatten, sondern auch, weil sie
Stammfunktionen, Polynome, Reihen und alle möglichen anderen
Dinge berechnen, die für die Mathematiker nützlich sind, und weil
die durch Rechnung erzielten Ergebnisse ebenso gut wie Beweise
sind.
Wie bei der Lösung des Paradoxons der häufig auftretenden,
aber unauffindbaren Zahlen (denen wir in den letzten beiden Kapi-
teln mehrere Male begegnet sind) muß man zwei vollkommen entge-
gengesetzte Zugänge zu den mathematischen Objekten deutlich
unterscheiden und würdigen. Wir haben
- den Zugang «von oben», der durch die Einführung neuer
abstrakter Begriffe und durch den Ausbau der alten Begriffe voran-
getrieben wird: Zahlbegriffe, geometrische Räume, Begriffe der Ana-
lysis (Grenzwerte, Ableitungen, Integrale usw.), Mengenlehre,
Topologie, abstrakte Algebra, Theorie der Berechenbarkeit und der
Komplexität, mathematische Logik;
- den Zugang «von unten», also über die Kombinatorik end-
licher Objekte, durch die Arithmetik, durch sorgfältige analytische
Beweisführung, durch die Suche nach neuen Formeln, neuen Un-
gleichungen usw.
Beide Zugänge sind gleichermaßen wichtig, und man unterliegt
einem schwerwiegenden Irrtum, wenn man meint, daß einer der
Zugänge mit einer Freistellung vom jeweils anderen einhergeht -
auch wenn jeder Mathematiker seine eigene bevorzugte Heran-
gehensweise hat. Weder löst der abstrakte Rahmen alle einfachen
Fragen, die mit seiner Hilfe gestellt werden können, noch löst er alle
alten Fragen, die oft blockiert bleiben (wir haben in diesem Kapitel
viele derartige Fragen über 1t kennengelernt). Die Irrationalität von
r;(3) ist ein extremes Beispiel für die Notwendigkeit des Zuganges
von unten. Im Beweis von Roger Apery war nichts, was er irgend-
welchen neuen Werkzeugen zu verdanken gehabt hätte. Der von
231
IST 1t EINE ZUFÄLLIGE ZAHL?

Unterschiedliche Einteilungen
der reellen Zahlen. Das obere
Schema ist das klassische, das uns
das 19. Jahrhundert hinterlassen
hat (vgl. Kapitel 9).
Das mittlere Schema illustriert
einige Eigenschaften der schwa-
chen Ungeordnetheit von Zahlen
und die zwischen ihnen bestehen-
den Beziehungen. Ein Zahlen-
universum ist eine Zahl, die jede
mögliche endliche Folge enthält,
und zwar unabhängig von der
Basis, in der die Zahl niederge-
schrieben wird. Zum Beispiel fin-
det man zur Basis 10 irgendwo in
der Ziffernfolge einer derartigen
Zahl die Folge 0123456789. Per
Definition ist eine Zahl gleichver-
teilt zur Basis 10, wenn in der
Dezimalschreibweise dieser Zahl
die Auftrittshäufigkeit einer je-
den Ziffer gleich 1110 ist. Eine Zahl
ist normal zur Basis 10, wenn dar-
über hinaus für sämtliche Ziffern-
paare von 00 bis 99 die Auftritts-
häufigkeit gleich 11100 ist, die
Auftrittshäufigkeit aller Tripel
gleich 111000 ist usw. Eine nor-
male Zahl (also eine zu allen Ba-
sen normale Zahl) ist natürlich
ein Zahlenuniversum.
Das untere Schema illustriert die
Schwierigkeit der Berechnung
der Ziffern einer reellen Zahl. Nur
die allereinfachsten Zahlen, wie
etwa die rationalen Zahlen, sind
durch einen endlichen Automa-
ten, also durch eine Maschine mit
einer festen Speicherkapazität,
berechenbar. Es scheint, daß man
die Dezimalen von 1t nicht in linea-
rer Laufzeit, also nicht in einer zu
n proportionalen Zeit berechnen
kann. Dennoch ist 1t berechenbar,
denn man kennt eine Vielzahl von
Algorithmen, die die Dezimalen
von 1t in einer zu n 2 proportiona-
len Zeit oder sogar in etwas weni-
ger Zeit berechnen. Bei der
Chaitinschen Zahl n ist das nicht
der Fall. Dennoch ist n in der
Mengentheorie von Zermelo-
Fraenkel (ZF), die in der Mathe-
matik als allgemeiner formaler
Rahmen verwendet wird, endlich
definierbar. Es gibt nur abzählbar
unendlich viele Zahlen, die in ZF
endlich definierbar sind. Keine
der im Sinne von Martin-Löf zu-
fälligen Zahlen ist berechenbar;
einige dieser Zahlen (zum Beispiel
fl) sind endlich definierbar, an-
dere hingegen nicht.
232
10. KAPITEL

Cantor geführte Beweis für die Existenz von transzendenten Zahlen


und das Maß für deren relative Bedeutung sind ein entgegengesetz-
tes Beispiel. Es handelt sich um eine gewaltige Kraft, die sich aus
einer neuen Betrachtungsweise mathematischer Objekte ableitet.
Diese Betrachtungsweise beleuchtet die alten Fragen von Grund auf
neu und macht gewisse Lösungen offensichtlich, die früher für kom-
pliziert gehalten wurden.
Es gibt keinen Königsweg, der einem das Leiden erspart. Es gibt
keinen allerletzten vereinfachenden Standpunkt, von dem aus alles
unmittelbar einsichtig wird. Die mathematische Logik mit ihrer
Unentscheidbarkeitstheorie und den subtilen Schlußfolgerungen,
die sich daraus ableiten lassen (zum Beispiel die absolute Not-
wendigkeit der Existenz sehr langer Beweise), wirft etwas Licht auf
die Verpflichtung zur doppelten mathematischen Arbeit, deren
Zusammenhang wir bei unserem Thema 1t gesehen haben. Man muß
einerseits das Gebiet der Methoden und Begriffe unablässig erwei-
tern und andererseits unermüdlich die alten Techniken und Werk-
zeuge anwenden und vervollkommnen. Es leuchtet ein, daß die Zahl
1t nur ein Vorwand war, um über die gesamte Mathematik zu spre-
chen: über die Geometrie, die Analysis, die Arithmetik, über die
Algebra, die Logik, die Berechenbarkeit, über Algorithmen und
Computer und natürlich über die Menschen, die in dieser abstrak-
ten und mitunter außerordentlich konkreten Welt umherirren, ohne
jemals zu wissen, ob sie diese Welt nur entdecken oder ob sie diese
Welt konstruieren.
Tabellen, Formeln
und zusätzliche
Angaben
Rekorde bei der Berechnung von 7t

(nach D. Bailey, R. Borwein, J. Borwein und S. Plouffe, 1997)

(A ) VOR DEM 20. JAHRHUNDERT


Name Datum Rechenergebnis Anzahl der
exakten
Dezimalen

BabyIonier 2000 v.Chr 3,1 25 (= 3+1/8) 1


Ägypter 2000 v.Chr 3,16045 (= 116191 2) 1
Chinesen 1200 v.Chr 3 0
Die Bibel 550 v.Chr 3 0
Archimedes 250 v.Chr 3,141 5 3
HonHan Shu 130 3,1622 (= ~ 10 ) 1
Ptolemaios 150 3,14166 (= 377/120) 3
ChungHing 250 3,1622 (= ~10) 1
WangFau 250 3,15555 (=142/45) 1
Liu Hui 264 3,14159 5
Siddhanta 380 3,1416 (3 + 177/1250) 3
Tsu Chung Chih 480 ? (= 355/113) 6
Aryabhata 499 3,14156 4
Brahmagupta 640 3,1622 (= V10) 1
Al-Khowarizmi 800 3,1416 3
Fibonacci 1220 3,141 1 3
Al-Kashi 1429 14
Otho 1573 3,1415929 6
Vieta 1593 3,1415926536 9
Romanus 1593 15
Van Ceulen 1596 20
Van Ceulen 1609 34
Grienberger 1630 39
Newton 1665 16
Sharp 1699 71
Seki 1700 10
Machin 1706 100
De Lagny 1719 127 berechnete Dezimalen 112
Takebe 1723 41
Matsunaga 1739 50
234
ANHANG

Vega 1794 140


Rutherford 1824 208 berechnete Dezimalen 152
Strassnitzky, Dahse 1844 200
Clausen 1847 248
Lehmann 1853 261
Rutherford 1853 440
W. Shanks 1874 707 berechnete Dezimalen 527

(B) IM 20. JAHRHUNDERT

Name Datum Anzahl der Dezimalen

Ferguson 1946 620


Ferguson 01-1947 710
Ferguson und Wrench 1948 808
Smith und Wrench 1949 1120
Reitwiesner u. a. (ENIAC) 1949 2037
Nicholson und Jeenel 1954 3092
Felton 1957 7480
Genuys 01-1958 10000
Felton 05-1958 10021
Guilloud 1959 16167
Shanks und Wrench 1961 100265
Guilloud und Filliatre 1966 250000
Guilloud und Dichampt 1967 500000
Guilloud und Bouyer 1973 1001250
Miyoshi und Kanada 1981 2000036
Guilloud 1982 2000050
Tamura 1982 2097144
Tamura und Kanada 1982 8388576
Kanada, Yoshino und Tamura 1982 16777 206
U shiro und Kanada 10-1983 10013395
Gosper 1985 17526200
Bailey 01-1986 29360111
Kanada und Tamura 10-1986 67108839
Kanada, Tamura, Kobo u. a. 01-1987 134217700
Kanada und Tamura 01-1988 201326551
Chudnovsky und Chudnovsky 05-1989 480000000
Kanada und Tamura 07-1989 536870898
Chudnovsky und Chudnovsky 08-1989 1011196691
Kanada und Tamura 11-1989 1073741799
Chudnovsky und Chudnovsky 08-1991 2260000000
Chudnovsky und Chudnovsky 05-1994 4044000000
Takahashi und Kanada 06-1995 3221225466
235
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Name Datum Anzahl der Dezimalen

Kanada 08-1995 4294967286


Kanada 10-1995 6442450938
Kanada und Takahashi 07-1997 51539600000
Kanada und Takahashi 04-1999 68 719 470 000

Zur Basis 2, ohne Berechnung der vorangehenden Binärziffern Position

Bailey-Borwein-Plouffe 1996 40 000 000 000


Bellard 10-1996 400 000 000 000
Bellard 09-1997 1 000 000 000 000

Rationale und algebraische Näherungswerte für rr


2 ..
( 1619) = 3,1605 (Agypter)

i~~ = 3,1415929 (Tsu Chung Chih)

( ~)2
331 + 1
= 3 14153
'
130; :i23= 3,1415926530119026 (Euler)
1,09999901 x 1,19999911 x 1,39999931 x 1,69999961 = 3,141592 57

( 102 _ ~) 1/4 = 3,14159265258 (Ramanujan)

2+ 1 + (413)2 = 31415926497
750 '

( 7~~~9 ) 1/5 = 3,1415926541 (Castellanos)

63 ( 17 + 15JS) = 3 14159265380 (Ramanujan)


25 7 + 1515 '
355 ( 0,0003)
113 1- 3533 = 3,1415926535897943 (Ramanujan)

(2e 3 + e 8 r n = 3,141 716 (Castellanos)

~+ VI = 3,14164 (Ramanujan)
2
( 66.3 + 86 2 )
= 3,1415970 (Castellanos)
55 3
236
ANHANG

Konstruktionen von Näherungswerten für 1t


mit Zirkel und Lineal
Näherungslösungen für die Rektifikation und die Quadratur des Kreises

Konstruktion 1 (ausgehend von der Approximation de Hou Han Shu)

~~
A 3 C
AB = 1
AC=3
BC = " 10 = 3,1 622 '"
Fehler: 0,66 %
Ir

KOI! truktion 2 (ausgehend von der Approximation der Ägypter ):

~ _ __ _ ...", C

4/3

,r - --'-"'..!B AB = 1
=
BC 4/3
CD = (4/3)2
=
DE (4/3)3
EF = (4/3)4 = 3,1 6049 '" Ir
E ..........- - - - -- - - - - - - - - " F Fehler: 0,6 %
(4/3)4

Konstruktion 3 (ausgehend vom Näherung wert , 2 +-..) 3 für n):

ABCO ein Quadrat mit


C
k--it-- -- - , Seiten länge 1
BO = BE = 2
CF = BE = "2
BG = BF = 3
EG = " 2 + 3 = 3,1462 '" n
E A B G Fehler: 0,46 %
237
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Konstruktion 4 (Verfahren von Kochansky - 1685 ):

AB =AC = 1
BAD =30°
CE =3
ED = v'':::B-:::C"''2-+ """""
(C=-=E=-----::c
B=-D'"")2
= v' 4 + (3 - 1N 3)2
= v' 40/3 - 6N 3
= 3,141533 '" rr
Fehler: 1,8 x 10-5

3 E

Konstruktion 5 (Verfahren von Specht - 1836):

F AB = 0,5 AC = 1 FG 11 BE
CD = 0,1 DE = 0,2 AG = AE x AF/AB
AF = BD=h ,12 + 0,62 = 13 v'1 46 150
=
v'146/10 = 3,1 4159 19 '" rr
Fehler : 2 x 10-7
B

0,5

A CD E G
0,10,2

Konstruktion 6 (Verfahren von Jacob de Gelder - 1849):

B AB = AC = 1
AE=7/8 CF = 1/2
FG 11 AB FH 11 EG
CF/CH = CElCG
CH = CF x CG/CE
= CF2/CE2
=(114)21 [1 + (7/8}2]
= 42/(82 + 72)
= 0,1415929 '" It - 3
Fehler: 8,5 x 10-8
238
ANHANG

Konstruktion 7 (Verfahren von Hobson - 1913):

AB =AC = 1 Kreis vom Durchmesser OE


AD = 3/5 AE = 1/2 Kreis vom Durchmesser BF
AF = 3/2 IH = 1 IH 11 BC
GJ .lIG
B HJ = (9 + 3 5)/5
= 3,141 64 "" I[
Fehler: 1,5 x 10.5

Beachten Sie: aus GH"" --.l1t folgt, daß ein Quadrat mit der Seite GH
eine Näherungslösung für das Problem der Quadratur ist.

Konstruktion 8 (Verfahren von Goodhue - 1974):

AB=AC= 1/2
AE =3/10
3/10
MD = 30°
EF= FD
EF = 1/2";(-13/4 - 3/10)2 + 1/16
= 0,1415912 "" 1[- 3
A L -_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _..J C Fehler: 4 x 10.7

Die Zahl n in der Geometrie


• In einem Quadrat werden drei Punkte zufällig ausgewählt. Die
Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie ein stumpfwinkliges Dreieck bil-
den, beträgt 97/150 + 7tl40.
• Werden in einem Quadrat N Geraden zufällig gezeichnet, dann ist
die mittlere Anzahl der durch diese Geraden in dem Quadrat be-
stimmten Bereiche durch N (N - 1) 7tl16 + N + 1 gegeben.
239
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Rotation zylinder Gerader Rotationskegel

L=Vh 2 +r 2
Gesamtoberlläche: 2n(L + r) Gesamtoberlläche: nr (L + r)
L L
Seitenfläche: 2nrL Seitenfläche: nrL

Rauminha lt: Lnr 2 Rauminhalt: inr 2h


3

Kugel Torus

Die Zahl1t in der Arithmetik und in der Wahrschein-


lichkeitsrechnung: Ergänzung zu Kapitel 1

Wir beweisen: Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß zwei zufällig


gezogene ganze Zahlen teilerfremd sind (also keinen von ±1 ver-
schiedenen gemeinsamen Teiler besitzen), beträgt 6/n2 , also unge-
fähr 60,927 Prozent.
atz 1
Geht n gegen unendlich, dann strebt die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß zwei ganze Zahlen s n teilerfremd sind, gegen das fol-
gende, mit TI bezeichnete unendliche Produkt:

l12 ( ;2)
p Primzahl
1- = (1 - ±) x (1 - ~) x (1 - 2~) x ...
Beweis
Es sei n fest. Wir zählen die Anzahl der Paare (i, }) der teiler-
fremden ganzen Zahlen s n. Sollen i und} teilerfremd sein, dann
dürfen beide keine Vielfachen von 2 sein (erste Bedingung). Der
Anteil der Paare (i, }), bei denen i und} Vielfache von 2 sind, beträgt
1/2 2 . Daher ist 1 - 1/2 2 der Anteil derjenigen Paare, die der ersten
240
ANHANG

Bedingung genügen. Ähnlicherweise gilt: Sollen i und} teilerfremd


sein, dann dürfen beide keine Vielfachen von 3 sein (zweite Bedin-
gung). Elementare arithmetische Überlegungen zeigen, daß unter
den verbleibenden Paaren der Anteil derjenigen Paare (i, }), bei
denen i und} Vielfache von 3 sind, gleich 1/3 2 ist. Ebenso sieht man,
daß diejenigen Paare, die der ersten und der zweiten Bedingung
genügen, einen Anteil von (1 - 1/2 2 ) (1 - 1/3 2 ) haben.
Setzt man diese Überlegung für alle weiteren Primzahlen in
ähnlicher Weise fort, dann erhält man das oben gegebene unend-
liche Produkt. Wir führen keine weiteren Einzelheiten auf, bemer-
ken aber, daß ein vollkommen strenger Beweis gegeben werden
kann.

atz 2
Für jede reelle Zahl a > 1 gilt:

TI
=
( l- a
1 )-1 = L= 1
p =2 p n= 1 na
p Primzahl

Das ~::-Zeichen bezeichnet das Ergebnis der unendlich vielen


Additionen 111a + 1I2a + 1/3a + ...

Beweis
Wir benutzen zunächst die Identität

Entwickelt man das unendliche Produkt gemäß der vorherge-


henden Identität, dann kommt man auf die Summe unendlich vieler
Glieder, die für sämtliche Primzahlen p und für alle ganzen Zahlen i
endliche Produkte der 1/p ia sind (diejenigen Glieder, die man als
Produkte unendlich vieler 1/p ia erhält, sind gleich 0). Ein endliches
Produkt von Faktoren pi mit Primzahlen p und ganzen Zahlen i ist
eine ganze Zahl n, und jede ganze Zahl n läßt sich auf eindeutige
Weise in dieser Form darstellen. Dies ist der Fundamentalsatz der
Arithmetik, der besagt, daß sich jede ganze Zahl größer als 1 in ein-
deutiger Weise als Produkt von Primzahlen darstellen läßt. Die
unendliche Summe, die man erhält, ist demnach die Summe aller
1/na mit einer ganzen Zahl n. Bei unserer Darlegung übergehen wir
stillschweigend die üblichen Argumente bezüglich der Konvergenz
von Reihen und unendlichen Produkten.
241
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Zum Abschluß des Beweises reicht es aus, folgende Gleichheit zu


zeigen:

Für jede von Null verschiedene natürliche Zahlp setzen wir

p . -2 nn
ßp = L sm 2p+ 1
n=l

Es gilt cot2a = ~ - 1 und hieraus folgt: ßp = u p + p


sina

Wir setzen Un =cot 2;: 1 und zn =exp ~n!n1

Unter Verwendung der klassischen Formeln cos a = (e ia + e-ia)/2


und sin a = (e ia - e-ia )/2i findet man
-iun + 1
zn = -iu -1
n
Schreibt man ±iun als Funktion von zn' dann stellt man mühelos
fest, daß ±iUl , ±iu2 ,... , ±iup die Nullstellen des folgenden Polynoms
sind:

Entwickelt man diesen Ausdruck mit Hilfe der Formel

dann findet man ein Polynom von der Form a q x 2q + aq_l X2(q-ll +
aq _2 X2(q-2l + ... +a\X2 + ao. Nun zeigt man, daß die Summe der
Quadrate der Nullstellen eines solchen Polynoms gleich -2aq_/aq
ist. Hieraus folgt
-2 (2 2 2) _-2 2 (2p + 1) 2p (2p - 1) / (2 x 3)
u 1 + u2 + ... + up - 2 (2p + 1)

und schließlich
242
ANHANG

Wegen cot x ~ 1/x ~ l/sin x für 0 < x < n/2 schließt man

Geht p gegen unendlich, dann streben die Brüche auf der linken
und auf der rechten Seite gegen rc 2/6 und man erhält das gesuchte
Ergebnis.

Die Eulersche Formel von 1740 und einige Varianten

ein = -1 Eulersche Formel, verbindet die Zahlen


-1, rc, e und i miteinander.
ein +1=0 Variante, die 0, 1, 11:, e und i miteinander
verbindet.
e(-l)in +1=0 Variante, die 0, 1, -1, 11:, e und i mitein-
ander verbindet.
e 2in - 1=0 Variante, die 0, -1,2,11:, e und i mitein-
ander verbindet.
eirrl2 = i Variante, die 2, 11:, e und i miteinander
verbindet.
1 + (_I)e 2in =0 Variante, die 0,1, -1,2,11:, e und i mit-
einander verbindet.
--)2 eirrl4 = 1 + i Variante, die 1, 4, --)2, 11:, e und i mitein-
ander verbindet.
--)2 e3irrl4 =-1 + i Variante, die -1,3, 4, ~2, rc, e und i
miteinander verbindet.
e 3irrl4 + --)2 (1 + (-I)i) / 2 = 0 Variante, die 0,1, -1, 2, 3, 4, --)2, 11:, e und i
miteinander verbindet.

Alle diese Formeln leiten sich aus der Formel eix = cos x + i sin x
ab, die folgende geometrische Bedeutung hat: Derjenige Punkt der
Ebene, der der komplexen Zahl eix entspricht, ist der Punkt mit den
Koordinaten (cos x, sin x).
243
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Reihenformeln für 1t

~ 1 1 1 1 1
L -8 = - + - + - + - + ...
n=1
n 18 28 38 4 8 9450
~ 1 1 1 1 1 (_1)"'-1 B 2m (2n)2m
L - = - + - + - + - + ... = - - - - - -
n 2m 12m 2 2m 3 2m 4 2m 2 (2m)!
n=1

wobei die Bk die Bernoullischen Zahlen bezeichnen, die folgendermaßen


definiert sind:
t tn
~ = L B .-
~

e'-I n=O n n!

Hieraus folgt:
n-l
B 0 = 1, k~O (~) Bk = 0 fiir n 2: 2,

Weitere Formeln für unendliche Summen, bei denen die Bernoulli-


schen Zahlen auftreten:
~ (-If+l 1 1 1 1 n2
L - - = - - - + - - - + ... = -
n=1 n2 12 2 2 3 2 4 2 12
~ (-Ir l 1 1 1 1 7n 4
L - - = - - - + - - - + ... = -
n=1 n4 14 24 34 44 720
~ (_I)n+l 1 1 1 1 3In6
L - - = - - - + - - - + ... = - -
n=l n6 16 26 3 6 4 6 30240
= (_I)n+l 1 1 1 1 I27n8
L - - = - - - + - - - + ... = - - -
n = 1 n8 18 28 38 4 8 1 209 600
~ (_l)n+l1 1 1 1 (_1)"'-1 B 2m n 2m (2 2m- I _I)
L - - = - - - + - - - + ... = - - - - - - - - -
n=1 n 2m 12m 2 2m 3 2m 4 2m (2m)!
244
ANHANG

1 1 1 1 1 n2
L =-+-+-+-+ ... =-
n=O (2n + 1)2 12 3 2 52 72 8
1 1 1 1 1 n4
L =-+-+-+-+ ... = -
n = 0 (2n + 1)4 14 3 4 54 74 96
1 1 1 1 1 n6
L =-+-+-+-+ ... =--
n=O (2n + 1)6 16 3 6 56 76 960
1 1 1 1 1 17n8
L =-+-+-+-+ ... = - - -
n=O (2n+ 1)8 18 38 58 78 161280
1 1 1 1 1 (_I)m-l B 2m n2m (2 2m -1)
L = - + - + - + - + ... =------=-=-----
n = 0 (2n + 1)2m 1 2m 32m 52m 7 2m 2 (2m) !

L (-lf = ~ _ ~ + ~ _ ~ + ... = ~
(2n + 1)1 3 5 7 4
n=O
~lf 1 1 1 1 ~
L = - - - + - - - + ... = -
n=0 (2n + IP 13 3 3 53 7 3 32
(-lf
1 1 1 1 5 n5
L = - - - + - - - + ... = - -
n=O(2n+l)5 15 3 5 5 5 75 1336
(-lf 1 1 1 1 (-Ir E 2m n 2m +1
L = - - - - - + - - - - - + ... = - - - - - -
n= 0 (2n + 1)2m + 1 12m +1 3 2m +1 5 2m +1 72m +1 2 2m +2 (2m) !

wobei die Ei die Eulerschen Koeffizienten bezeichnen,


die folgendermaßen definiert sind:

Hieraus folgt
245
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Bunt durcheinander geben wir noch einige weitere Formeln für n:

1 17n4 = m2 m
(2m) = 3240
=
L
m=l m4
(Comtet, 1974)
m=l
L (2m) =n+3
m m

n
L
m =1 (2m + 1) 16m 3

Die folgende Formel stammt von Ramanujan:

i: (2m)3
m 2
42m + 5
12m + 4
=..!
n
m=O

Diese Formel gestattet es, den zweiten Block von n Binärziffern


von l/n zu berechnen, ohne vorher den ersten Block ausrechnen zu
müssen (eine Art Vorpremiere zu der Formel von S. Plouffe).
Weitere Formeln für n (die wir hier nicht nochmals wiedergeben)
findet man
- in Kapitell (elementare Formeln zum «Messen» von n);
- in Kapitel 4 (Reihen, Produkte und klassische Kettenbrüche der
Analysis, die sich zum Beispiel aus Entwicklungen der trigonometri-
schen Funktionen ergeben);
246
ANHANG

- in Kapitel 5 (arctan-Formeln);
- in Kapitel 7 (1995 gefundene neue Formeln, welche die
Berechnung der Binärziffern von 7t, 7t 2 und einiger anderer Konstan-
ten gestatten);
- in Kapitel 8 (von Ramanujan, den Chudnovsky-Brüdern und den
Borwein-Brüdern stammende Reihen und Algorithmen mit ultra-
schneller Konvergenz).

Formeln für TI: mit bestimmten Integralen

[= 1
Jo exp{-x2) dx =2".fit

e
Jo
In (x) dx=- 7t 2
I-x 6
e
Jo
In (x) dx=- 7t 2
1 +x 12

Betrachtet man Flächenapproximationen dieser Integrale durch


kleine Rechtecke, dann erhält man Näherungswerte für 7t. Von dem
247
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

obigen Integral leitet man beispielsweise folgende Beziehung ab:


.
11m 1 ~ 1 n
- ~
m~oo m n=l 1 + lIn 2 4

Diese Beziehung läßt sich auch folgendermaßen schreiben:

lim ~(_1_ +~+~+ ... +~) = n


m ~ m
00 1+1 22 +1 32 +1 m 2 +1

Unendliche Produktformeln für 1t

rr (1 __1) = (1_..!.)(1_~1)(1_ ~1). . =3/3


9n 2 9 9 x 22 9 X 32 21t

rr (1 __1)= (1_~)(1 __
n=l

16n2
1 )(1 __
16
1 ). . =2.[2
16 x 22 16 X 3 2 1t

rr (1 __1) (1_~)(1 __
n=l

36n 2
= 1 )(1 __
36
1 )...=~
36 x 22 36 X 3 2 1t
n=l

100.000 Dezimalen von 1t auf dem Poster


Für diejenigen, die 1t ständig vor Augen haben möchten, machen

Huylenbrouck aufmerksam, dem es gelungen ist, 100.000


wir auf eine Initiative des belgischen Mathematikprofessors Dirk
Dezima-
len von n auf einem Poster von 88 x 64 Quadratzentimetern unter-
zubringen. Sie können das Poster zu einem Preis von 314 belgischen
Francs (zuzüglich Versandkosten von 200 belgischen Francs) bei fol-
gender Adresse bestellen: Dirk Huylenbrouck, Aartshertogstraat 42, Die von Dirk Huylenbrouck kolo-
8400 Ostende. rierten 100.000 Dezimalen von lt.
248
ANHANG

Zahlen mit TC
2n= 6,2831853071795864769252867665590057683943387987502
11641949889184615632812572417997256069650684234136
3n= 9,4247779607693797153879301498385086525915081981253
17462924833776923449218858626995884104476026351204
4n = 12,566370614359172953850573533118011536788677597500
42328389977836923126562514483599451213930136846827
5n = 15,707963267948966192313216916397514420985846996875
52910487472296153908203143104499314017412671058534
l/n= 0,3183098861837906715377675267450287240689192914809
128974953346881177935952684530701802276055325061719
~n= 1,7724538509055160272981674833411451827975494561223
87128213807789852911284591032181374950656738544665
n2 = 9,8696044010893586188344909998761511353136994072407
90626413349376220044822419205243001773403718552232
n3 = 31,0062766802998201754763150671013952022252885658851
0769414453810380639491746570603756670103260288619
n 10 = 93648,04747608302097371669018491934563599815727551469
412705244939319824802228721644861526137334462975
In(n) = 1,1447298858494001741434273513530587116472948129153
11571513623071472137769884826079783623270275489708
log2(n)= 1,6514961294723187980432792951080073350184769267630
41529406788515488102963584541438960264792809854102
loglO(n) = 0,49714987269413385435126828829089887365167832438044
24461340534999249471120895526746555473864642912226
2x = 8,8249778270762876238564296042080015817044108152714
84926668959865055370087069523504305712837874804792
lOx= 1385,455731367011089140919936879688065066565539444998
214841804699873588554772116042203862637483814661
eX = 23,1406926327792690057290863679485473802661062426002
1199344504640952434235069045278351697199706754921
e+n= 5,8598744820488384738229308546321653819544164930750
65395941912220031893036639756593199417003867283495
en= 8,5397342226735670654635508695465744950348885357651
14961879601130179228611157330807572563869710473943
249
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Die Zahlrt zu verschiedenen Basen


Zehntausend Dezimalen von 11:
3,
1415926535897932384626433832795028841971693993751058209749445923078164062862089986280348253421170679
8214808651328230664709384460955058223172535940812848111745028410270193852110555964462294895493038196
4428810975665933446128475648233786783165271201909145648566923460348610454326648213393607260249141273
7245870066063155881748815209209628292540917153643678925903600113305305488204665213841469519415116094
3305727036575959195309218611738193261179310511854807446237996274956735188575272489122793818301194912
9833673362440656643086021394946395224737190702179860943702770539217176293176752384674818467669405132
0005681271452635608277857713427577896091736371787214684409012249534301465495853710507922796892589235
4201995611212902196086403441815981362977477130996051870721134999999837297804995105973173281609631859
5024459455346908302642522308253344685035261931188171010003137838752886587533208381420617177669147303
5982534904287554687311595628638823537875937519577818577805321712268066130019278766111959092164201989

3809525720106548586327886593615338182796823030195203530185296899577362259941389124972177528347913151
5574857242454150695950829533116861727855889075098381754637464939319255060400927701671139009848824012
8583616035637076601047101819429555961989467678374494482553797747268471040475346462080466842590694912
9331367702898915210475216205696602405803815019351125338243003558764024749647326391419927260426992279
6782354781636009341721641219924586315030286182974555706749838505494588586926995690927210797509302955
3211653449872027559602364806654991198818347977535663698074265425278625518184175746728909777727938000
8164706001614524919217321721477235014144197356854816136115735255213347574184946843852332390739414333
4547762416862518983569485562099219222184272550254256887671790494601653466804988627232791786085784383
8279679766814541009538837863609506800642251252051173929848960841284886269456042419652850222106611863
0674427862203919494504712371378696095636437191728746776465757396241389086583264599581339047802759009

9465764078951269468398352595709825822620522489407726719478268482601476990902640136394437455305068203
4962524517493996514314298091906592509372216964615157098583874105978859597729754989301617539284681382
6868386894277415599185592524595395943104997252468084598727364469584865383673622262609912460805124388
4390451244136549762780797715691435997700129616089441694868555848406353422072225828488648158456028506
0168427394522674676788952521385225499546667278239864565961163548862305774564980355936345681743241125
1507606947945109659609402522887971089314566913686722874894056010150330861792868092087476091782493858
9009714909675985261365549781893129784821682998948722658804857564014270477555132379641451523746234364
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250
ANHANG

Zehntau end Dezimalen von 1t (Fortsetzung):

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251
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

Zehntausend Binärziffern von 1t

11,
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252
ANHANG

Zehntausend Binärziffern von 7t (Fortsetzung):

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253
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

• 1000 Ziffern von 1t zur Basis 3


10,
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10000101022010020111120002221022201100101110121101 20101000100022202122011002212221011222221210202201
10201210222022012022221201212002011122100001120220 01212201101110122210211002112122121211222122110212
21211010022120212101100121021001101110222202002111 11210102100000201122122010012111022022122001200200
20010012100101122200022202110211210122110122112120 22000011110120010111112200020112211112220101021122
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21210212112200201100211110000221022011110200020011 12020102111101122220222201021221101010202121211201
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21021122002120200211120010011111112022021120100121 11020001201002000112120001100211221221101211102110

• 1000 Ziffern von 1t zur Basis 4


3,
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33010230133321210210220121211013230321011230331300 20000133023202201120323330011212031221020031201301
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10223232132311102210013130021122112123112130030031 11032102223302120001033011310123000203022012002011
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• 1000 Ziffern von Il zur Basis 5


3,
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23411201324111421100111213332041232010302004012334 00441312000421104111244441031323322100422433200130
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• 1000 Ziffern von 1t zur Basis 6


3,
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23114114103105154025203241032512225453042432113455 14405425443013350532103421152111251455041301334102
10551214321430351142235510150413525540041033355012 24020400120051101233231034141413300254505500450240
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35101055445224101550545254230443210412241442305424 12104543445121151021125203140420541512314224050131
02424201013505443133232252042144525244204024104035 33531504522441302051235033434401532033203203043130
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21234521155221354054001115221110514001535102131503 12503240150321400524400051332511551030033535412254
254
ANHANG

• 1000 Ziffern von 1[ zur Basis 7


3,
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23325414033146163063055664000251241363533531355003 14364221261503410163015234165116544562313163301340
55000414333212332051104121040224050334650101022230 33046551161612504525065445643042136305422605604216
43101224533463224115516324432200114053015605444210 50563350104235163016562444305625336304625353314441
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66012211202331214025043304251453534562125554400022 23150314261311233453165515230420653153421554135066

• 1000 Ziffern von rr zur Basis 8


3,
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22567173251220356045513155316060652344527446002361 35066010624140413703122027443056155470737071716713
01401641401633117016427300364243732705273701572305 13116742571375512530056140714524457472512552712127
22114142307640242005271216265052526102665514613415 01050172147241251032573707135144731756050105433373
60521272470527272030143733162703702646703623075277 26564315541114753436431123402242254147347343644230
32645671537422777201554612020623303540116317544152 31051037126140273662001456760427256751412726616702
30430056554506704043422372016471325461207555337716 03750410711340550440522204100021516217011247417633

• 1000 Ziffern von 1[ zur Basis 9


3,
12418812407442788645177761731035828516545353462652 30112632145028386403435416330308678132787158853681
36538681688517621483015261781343583732478554878425 77332767713172313438820744712300648563174268561620
61053115802824247184184768004416114480215745811248 44278771628385564052275006455220006883256234351577
36011234062282231800300360211567678273355778067358 77254806407430272644202045212441586881257333677751
18861650878100137087014740087052525474124251263807 72480766245031444682463174201632015501324857354373
78163388617374570320265147462271442662365247524226 78481368268751503364770717820807137004562378242888
62622316572572582512042101754651584630556248828717 70864406622331382406313105263666450084302063168236
88128374646115115260555808035135826686623352710468 55225403440321523122882420433817448751270320286610
60844151808278615523275431225226788650270885285678 65451878537247103532882104466405550883353460685601
32028808578200203321144465071331705260186327847886 22451635330820312756043510775563728007330848746756

• 500 Ziffern von rr zur Basis 12


03,
010804080009040903 11 09 01 08 06 06 04 05 07 03 10060201011111 01 05 01 05 05 0110 00 05 07 02 09 02 09 00 10 07 08 00 09 10 040902
070402010400 100600 100505020506 1000060601100003070503 10 03 10010504080005060406080800010801100306080300
0803020702 11111110 00 01 03 07 00 11 01 02 02 06 05 05 02 09 10080208090003 11 04 11 02 05 06 11 08 04 00 03 07 05 09 100701060206
11 08 10 05 04 06 08 07 06 02 01 08 04 09 11 08 04 09 10 08 02 02 05 06 01 06 11 04 04 02 07 09 06 10 03 01 07 03 07 11 02 02 09 11 02 03 09 01 04 08
0908050309040311 08 07 06 03 07 02 05 0601 0604 04 07 02 03 0611 00 02 07100402011010010710 03 0811 05 0210 01 0810 08 03 0811
0001050104 100501 01 04 04 10 02 03 03 01 05 1003000009 10 08 09 00 06 11 060111 08 11 04 08 100602020503 10 08 08 10 05 00 100403
1110 00 09 04 04 05 07 02 03 01 05 09 03 03 06 06 04040706 11 03 10 10 1111 07 07 05 08 03 09 07 05 01 02 00 06 08 03 05 02 06 11 07 05 11 04 06
02000600 1111 00 03 11 040302050501090103070702070209 1002010407050503050301070903080408 10 00 04 00 02 11 09 09 09
11 05 00 05 08 05 03 05 03 07 04 04 06 05 100608080006070106060404000309050309 1008040301090305010908050207 11 09 03 09
09 11 01 01 02 09 09 00 10 1111 00 03 08 03 11 01 00 07 06 04 05 04 02 04 05 07 07 100501 06000111 03 06 02 04 10 08 08 11 07 10 06 07 06 1003
255
TABELLEN, FORMELN UND ZUSÄTZLICHE ANGABEN

• 200 Ziffern von TC zur Basis 15


03,
020112 130113 120406 12 02 11 07 14050008040804 070703 14000609010913 01 140500090603 13 11
07 09 12 06 09 07 03 09 14 10 03 07 03 0114 07 09 12 13 1401 00 1008 14 13 04 12 06 03 00 10 0803 11 09 11 05 13
10040604 10 09 01 05 02 00 08 06 02 10 10 0110 04 06 04 13 13 100500 111404 10 100502 12011204050705
040114 1305 10 1405 13 13 02 13 10 06 10 01 05 100104 12 1309 10000501111306120706 020702050111
0202 13 01 03 05 04 09 09 03 06 120005 090205 12 11 02 04 05 0104 00 1202090813030300 11 09 10 04 11 01
1002060501

• 200 Ziffern von TI zur Basis 20


03,
02 16 12 14 1609 16 1117 19 09 13020117 18 17 11 03 14 16 10 12 11 00 03 06 011411 02 1115 11 08 17080309
08 07 13 14 11 17 05 01 08 00 12 15 10 16 08 08 13 02 12 06 02 07 12 03 15 18 10 12 13 18 07 13 13 18 13 06 14 12 00
130015 1403 1309 17 04 11 1304 0005 040811 1413070106 040110 1604 17 160114 12 1012 1209 13 13 01
03070918021304020012091903 10181402111900020213 10151708021409150610 0309040911 09
0613 08 03 03 10 12 18 120917151710 03 010801090813 150805 171706 10010714191902 1803 060000
0601100919

• 200 Ziffern von TI zur Basis 60


03,
0829440047 25 53 07 24 57 36 174304 2907 10034117 5236 12 14364451 50 15330723 5909 1348 22 122145
22 56473944283758232111 56 33 22 40 42 31 06 06 03 461652024833 2438332201000140 293806085913
410228 16435640071457495802 15 160115570324 5918 19 13064750311114392355 061339 13 120655
21 32 32 26 50 16 01 44 57 1935011700 12 57 05 32 52 18 03003708574119 165849 17442809364243 01 58 22
1424434510 20 24 07541920570520134420453500 3412453225593816510936070547304128310829

• 2000 Buchstaben von 1t (geschrieben zur Basis 26, wobei 0 durch a, 1 durch b usw. ersetzt wurde)
d,
drsqloly rt rodnlhnqtgkudqgtuir xneqbckbs z ivqqvg dmelm uexroiqiyalvuzvebmijpqqx lkplrncfwjpbymggohjmmqisms
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256
ANHANG

Internetseiten
http://www.users.globalnet.co.uk/-nickjh/pUinks.htm • Ziemlich voll-
ständige Liste der Links über 1t.
http://www.lacim.uqam.ca/plouffe/ • Persönliche Seiten von Simon
Plouffe mit vielen Dingen über 1t.
http://www.lacim.uqam.ca/pi/ • Der Inverter von Simon Plouffe mit
Informationen über die letzten Rekorde bei der Berechnung von 1t.
http://www.mathsoft.com/asolve/constantlpstscrpt.html • Viele Seiten
über 1t und die mathematischen Konstanten.
http://www.unipissing.ca/topology/z/a/a/a/26.htm • Mnemotechnische
Hilfsmittel in verschiedenen Sprachen zum Erlernen von 1t.
http://gryphon.ces.brandeis.edu:80/-grath/attractions/gpi/index.html • Auf
der Suche nach Ziffernfolgen unter den ersten zehn Millionen Dezimalen
von 1t.
http://users.aol.com/s6sj7gt1mikerav.htm • Das Gedicht von Mike Keith,
das 740 Dezimalen von 1t liefert.
http://www.access.digex.netl-admiral/piclub.html • Der 1t-Klub.
http://www.algonet.se/-eliasb/pi/lookpi.html • Elias' Pi Page: Bilder von
1t.
http://www.aros.netl-angio/pi_stufflpiquery.html • The Pi-Search Page.
Gestattet die Ermittlung von Folgen unter den 50.000.000 ersten
Dezimalen von 1t.
http://www.ast.univie.ac.atl-wasi/PI/pipoem402.html • Circle Digit
von M. Keith.
http://www.ast.univie.ac.atl-wasi/PIIpi_club.html • The Friend of Pi.
http://www.ast.univie.ac.atl-wasi/PIIpi_normal.html • Is Pi Normal?
von Stan Wagon, aus dem Mathematical Intelligencer.
http://gallery.uunet.be/kurtvdb/pi.html • Fun with Pi: Formeln zur
Berechnung von 1t und ein Programm zur Berechnung von einer Million
Dezimalen 1t.
http://www.astro.virginia.edu/-eww6n1mathJPi.html • Die Seiten über 1t
in der Wissenschaftsenzyklopädie von Eric Weisstein.
http://www.ccsfcaltech.edu/-roy/episqrtn.html • Eine lange Liste von
Zufällen des Typs «exp 1t Wurzel 163» (vgl. Kapitel 2).
http://www.cecm.sfu.ca/-pborwein/PISTUFF/Apistuffhtml • Pi and
Other Constants. Neuere Arbeiten der Brüder Borwein.
http://www.spd.louisville.edu/-dsembrOl/rationality-of-pi.html • Ist 1t
rational?
Literaturverzeichnis

Die in eckigen Klammern stehenden Zahlen verweisen auf die Kapitel,


in denen die betreffenden Quellen zitiert werden.

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Stichwortverzeichnis

A Basic (Programmiersprache) 119,


Abel189 122
Adair 38 BBP-FormeI159, 161-164, 167
Adamchik 160 Beckmann 105, 159
Ägypter 63, 65 Bellard 161, 162, 176
Ahmes 65 Benabou 38
Aitken 128-130 Bens 38, 39
Akademie der Wissenschaften zu Berechenbare Zahl 229
Paris 48-51,188 Berechenbarkeit 222, 227
Algebraische Gleichung 155-159, Berge 38
189, 190 Bernoulli 93, 243
Algebraische Zahl 61, 189, 190, Bertrand 55
220,229 Bezeichnung 1t 64, 92, 93
Algorithmus 78, 123-128 Bezier 39
Al-Kashi 78 Bibel 66, 67
AI-Khowarizmi 78 Bogen 30, 45, 81
Almagest 78 Bore127,219
American Mathematical Monthly Borwein 59, 60, 143, 144, 146, 147,
46 153,158,160,161,168,175,
Anaxagoras 68, 70 220
Anomalie 54, 205 Bourbaki21,22,188
Anthonis 79 Bouyer 110-113,135,234
Antiphon 70 Braffort 38
Apery 185, 230 Brahmagupta 77
Apollonios von Perge 81 Brent 144, 145
Aprilscherz 51, 61 Brezinski 131
Archimedes 34, 49, 50, 67, 72-78, Bröms 206
80,82,88,91,102,122 Brouncker 85
Aristophanes 47 Buch der Könige 66
Aristoteles 71 Buffon 25, 26
Arnaudies 21,96 Buffonsche Nadeln 25, 26, 27
Aryabhata 77 Buxton 102
Aryabhatiya 77
Askey 151 c
Astronomische Tafeln 28 C (Programmiersprache) 119, 123
Auswendiglernen 33, 34, 39 Cantor 190-195, 232
Cardano 189
B Carr 141
Babbage 108 Carrega 200
BabyIonier 64, 139, 233 CDC 110
Bach 217 CERN 111
Bailey 100, 148, 149, 161, 168, Cesaro 28
171,175,198,199 Chabert 138
Baker 201, 203 Chaitin 222-228
Barrow 92 Champernowne 197,216,218,219
266
ANHANG

Champernownesche Zahl 197, 216, Exhaustionsverfahren 70


218,220 Exponentialfunktion 21
Chromosom 52
Chrysler 108 F
Chudnovsky 105, 135, 143, 148, Falle, mentale 55
150-152,174,177,198,199, Felton 109, 113, 234
207,208,211 Ferguson 104, 106, 107, 110
Cicero 76 Fermat 39, 93, 195
Clausen 103, 113 Ferrari 189
Clerkery 60 Fibonacci 79
Computer (vgl. Rechner) Filliatre 110, 234
Computeralgebra 59, 120, 147, Flaubert 217
148,172,173 Formel, unendliche 79, 83
Conway 61 Fontanille 41, 45
Cooley 137 Fourier 137, 145, 154, 198
Copeland 219 Fouriertransformation 145, 153,
CRAY 100, 149 156, 157, 160
Fraenkel 231
Fraysse 21, 96
D
Dahse 102, 103, 113, 117 G
DeMorgan25 Galois 189, 190
Delos 42 Gardner 61
Descartes 81, 82, 199 Garvan 147
Dezimalsystem 77 Gauß 102, 113, 144, 145, 183,
Diagonalverfahren 193, 195 186
Dichampt 110, 194 Gedicht 34-36
Dilcher 59 Gelder 237
Dinostrat 71 Gelfond 197, 204
Diokles 194 Genom 52, 53, 111, 135
Dreiteilung des Winkels 46, 49, 68, Genuys 109
69 Geometrische Folge 129
Gesetz 46, 47
E Girgensolm 220
e 16, 44, 183, 194, 196 Gleichverteilte Zahl 218, 219,
E-Mail 59 231
Einstein 15 Gödel 196,222,229
Endlich definierbare Zahl 177, Goodhue 238
178,189,228,229 Goodwin 46
ENIAC 107, 108, 109, 110, 113 Gordan 196, 201
Erde 15,55 Gosper 128,142,143, 148,234
Erdös 219 Goto 33
Eudoxos von Knidos 70 Gould 217
Euklid 70 Gravitation, universelle 90
Euklidischer Raum 15,16,17,22, Gregory 87,88, 109, 118, 128
23,25 Grenzwert 14, 16,57, 71, 81, 82,
Euler 31,59,61,93-95, 101, 113, 128, 129
121-122, 126, 128, 163, 183, Guilloud 110-113, 135,234
196,242,245 Guinness Buch der Rekorde 171
Eulersche Formel 105, 196 Guy61
267
STICHWORTVERZEICHNIS

H Kepler 79
Hardy 140, 141,204 Kern 163
Hartmanis 220 Kettenbruch 85, 184, 215
Heegner 61 KGB 150
Heisel 48, 50 Khiva 78
Hermite 194, 201, 203 Klingenstierna 113
Herz 144 Kochansky 237
Hilbert 150, 160, 196,201 Kolmogorow 213, 222, 224
Hilfsmittel, mnemotechnische Kolmogorowsche Komplexität 224
34-37 Kommissariat für Atomenergie
Hippias von Elis 71, 194 109
Hippokrates 49, 69, 71 Komplexe Zahl 21, 115, 155, 156,
Hiram 66 190
Hiroshima 108 Komplexität 107, 134, 137, 139,
Hitachi 153 168,169,173,215
Hobbes 48, 83 Konon von Samos 76
Hobson 238 Konstruktivist 42,43
Homomorphismus 22 Kopernikus 78
Horner 122, 156 Kreweras 30
Hou Han Shu 77, 233, 236 Kryptographie 214
Hurwitz 196,201 Kubikwurzel 70
Hutton 113 Künstliche Intelligenz 135, 148
Huygens 80, 87 Kugel 15,20,21,214
Huylenbrouck 247
L
I Lagny 101, 233
IBM 110 Lambert 40, 99, 184, 185
Imaginäre Zahl 21 Landa, Diego de 76
Induktion 57 Landau 22, 23
Informatik 59,107,135 Lang 204
Informatiker 29,89, 107, 135 Legendre 185
Integral 27, 246 Lehmann 103, 113, 234
Internet 29, 34, 44, 57,115 Leibniz 58, 83, 87, 89, 90, 106, 118,
Intuition 42, 55, 56, 57 183
Intuitionist 42, 43 Lenstra 221
Leonardo von Pisa 79
J Leonardo da Vinci 72, 76
Japan 30 Levin 225
Jeenel109,234 Li 227
Jones 92, 203 Lindemann 48, 170, 177, 195, 196,
201
K Lineare Konvergenz 130, 145
Kanada 147, 148, 150, 153, 168, Liouville 191,218,220
169,208,234,235 Liouvillesche Zahl 191, 220
Karman 198, 221 Liu Hui 77, 233
Karatsuba 137, 156 Lobatschewski 16
Katahiro 102 Logarithmische Konvergenz 88,
Kazayuki 30 130
Kege1214,239 Lovasz 221
Keith 37 Loxton 220
268
ANHANG

Lozzerini 25 Normale Zahl 40, 54, 59, 218-220,


Ludolphsche Zahl 79 227,228,
Lungenfisch 52 North 59

M o
Machin 92, 99, 101, 115, 233 Omega (Chaitinsche Zahl) 222-228
Madahva 58, 88, 118, 128 Ortoli 76
Magisches Quadrat 44 Otho 79, 233
Mahler 197, 198 Oughtred 92
Maple 120, 121 Oulipo 37
Marcellus 76
Martin-Löf216,222-226 p
Martingale 226 Pagnol39
Mascheroni 200 Palais de la Decouverte 94,
Mathematik, experimentelle 60, 103-105
172,173,174 Papyrus Rhind 48, 65, 105
Mathieu 120 Paradoxon 55, 56, 57
Matijasevitsch 150 Parnes 220
Matsanuga 102 Parallelenaxiom 196
Matthews 28 Pascal 89
Mayas 76 Pearson 203
McGeoch 198 Pegasus 109
Mengenlehre 230 Perec 38, 39
Metropolis 108 Philippon 198
Mignotte 211 Philosophie 173
Modulare Gleichung 143, 146 Physiker 15
Möndchen 49, 69 Plouffe 161-163, 168, 169, 171,
Mohr 200 172,174,175,199
Monsieur Cros 39 Poe 37
Monte-Carlo 24,100,221 Poincare 106
Moore 134 Poisson 106
Moore School 107 Poker 209
Mooresches Gesetz 134 Polygon (vgl. Vieleck)
Moravec 134, 135 Poncelet 200
Morbus cyclometricus 49 Pour la Science 51, 120
Morris 203 Preston 150
Morton 34 Primitive Einheitswurzel155, 156,
Multiplikation 136, 137, 139, 145 157, 158
Musik 40, 41 Primzahl 44, 61, 153, 155, 188,
196,219,240
N Programm 24, 42, 43, 52, 59,
NASA 52, 149, 168 119-123,173,228,229
Nehemiah67 PSLQ 161
Newton 81, 89-91, 132, 138, 160, Ptolemaios 78, 233
163,194,233 Pythagoras 14, 66
Newtonsches Binom 163 Pythagoreer 177, 178, 179
Newtonsches Universum 27
Newtonsches Verfahren 138 Q
Nicholson 109, 234 Quadratische Konvergenz 138, 146
Nicolaus von Cues 79 Quadratrix des Hippias 71, 76, 194
269
STICHWORTVERZEICHNIS

Quadratur des Kreises 23, 33, Schnur 13


46-50,68,71,81,87,100,186, Schönhage 137
194, 195 Sechseck 64, 65, 72, 73
Quadratur, numerische 83 Shakespeare 45
Quadratwurzel 23, 122, 131, 132, Shanks 103, 104, 110, 113, 160,
138, 139, 145, 188, 189, 199 234
Quantenmechanik 16 Sharp 101,233
Queneau 37 Siddhanta 77, 233
Smith 25, 107
R Snellius 80, 81
Rabinowitz 123 Solomonoff 222
Ramanujan 86, 133, 140-142, 162, Sonett 39
173,245 Specht 237
Rand 111 Spirale des Archimedes 75
Rationale Zahl 56-58, 99,100, Stearns 220, 225
178,180,181 Steiner 200
Rechenkünstler 102, 103, 172 Steven 169, 171
Rechenmaschine von Leibniz 89 Steven-Klasse 169, 171
Rechenmaschine von Pascal 89 Stewart 123
Rechenrekorde 33, 34,147,148, Stirling 91
233-235 Stirlingsche Formel 92, 97
Rechner 20, 24, 43, 59, 100, St0rmer 113
106-108,110,111,117,134, Strassnitzky 102, 103, 113
135,147,168,169,173,174, Supercomputer 149, 151
232 Symbolics 148
Reductio ad absurdum 181-183
Reina 26 T
Reitwiesner 107, 108 Tabelle der Rekorde 147, 148,
Rektifikation 50, 69 233-235
Relativität 15 Teleskop 87, 90
Rhind 48,65 Tokio 150, 153
Richter 103 Tomoyori 34
Riemannsche Vermutung 161, 196 Torus 239
Robbins 152 Transzendente Zahl 61, 189, 190,
Rocksches Gesetz 134 191,232
Romanus 79 Transzendenz 196,201,202
Roubaud 38 Transzendenz von 1t 29, 48, 202,
Royal Society 83 203
Rutherford 103, 113, 234 Trigonometrie 22, 74, 141
Trinity College 141
S Tröpfel-Algorithmus 123-126, 134,
Saada 120, 123 150,160,168,169,212
Sagan 52 Tsu Chung-Chih 77, 233
Salamin 144, 145 Tukey 137
Sale 123 Turing 222, 227
Sallit 171
Samarkand 78 U
Schmidt 219 Unentscheidbarkeit 150
Schneider 197 Universum 16, 52, 207, 208
Schnorr 225 Universum, relativistisches 27
270
ANHANG

V Weierstraß 196, 201


Van Ceulen 79,101,117,123 Widerspruch 181, 182
Van der Porten 220 Wiles 195
Variable Basis 125, 212 Witkowski 76
Vega 101 Wolf 25
Verdoppelung des Würfels 46, 48, Wrench 104,105,110,113,234
49,68,70 Wright 204
Verfahren, mnemotechnische 34 Wurzelausdrucke 28, 30, 186, 189,
Verringerung um ein Neuntel 65 190
Vieleck 14, 15, 17, 70, 72, 74, 75,
77,79,82,89,102,188 Z
Vieta 79, 80, 82, 84 Zach 102
Vitanyi 227 Zahlenlotto 28
Von Neumann 108 Zahlenuniversum 216, 219, 231
Zehntes Hilbertsches Problem 150
W Zermelo 231
Wagon 123, 160 Zickzack 31
Wahrscheinlichkeit 25-28, 53, 55, Zirkel 15, 23, 68-70, 185, 194
56,60 Zufall 43, 60
Wallis 48, 83, 84 , 96, 247 Zufallsgenerator 24,221
Wantzel188 Zufällige Zahl 210, 214, 215, 222
Wegrzynowski 120 Zylinder 72, 76
271
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