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Mathematischer Vorbereitungskurs

für das Physikstudium

Kurt Bräuer
Institut für Theoretische Physik
Universität Tübingen

Letztes Update: Oktober 2012


Inhalt

1. Zahlenbereiche ................................................................................................ 1
2. Koordinaten und Vektoren............................................................................ 15
3. Grenzwerte, Folgen und Reihen ................................................................... 29
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen ......................................... 37
5. Differentialrechnung...................................................................................... 51
6. Integralrechnung ........................................................................................... 69
7. Vektorfunktionen und Felder ........................................................................ 82

Lösungen zu den Übungsaufgaben finden Sie unter www.kbraeuer.de bei 'Skripte und Einfüh-
rungen – Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium …'

www.kbraeuer.de Tübingen, den 13.02.2013


Vorwort
Ziel des Kurses
Der 'Mathematische Vorbereitungskurs zum Studium der Physik' hat in Tübingen eine fast 40-
jährige Tradition. Er soll den Physikneulingen den Einstieg in das Physikstudium erleichtern,
indem eine mathematische Basis für die integrierten Physikkurse der ersten drei Semester ge-
schaffen wird. Der Kurs umfasst zum Grossteil Inhalte, die vom Abitur her bekannt sein sollten,
jedoch einer Auffrischung bedürfen. Die mathematische Darstellung ist auf einem etwas höheren
Niveau als dem der Schulen gehalten. Sie ist jedoch eher den Bedürfnissen der Physik als dem der
Mathematik angepasst.
Der Kurs hat auch eine wichtige soziale Aufgabe. Die Studenten können sich 10 Tage lang ohne
Leistungsdruck an das Umfeld der Universität gewöhnen und sich gegenseitig kennen lernen. In
den Kursleitern haben Sie Ansprechpartner, die selber mitten im Physikstudium stehen und mit
den Problemen der Studienanfänger bestens vertraut sind.
Geschichte des Skriptes
Das ursprüngliches Skript wurde bereits in den 70'er Jahren von Prof. F. Wahl erstellt und von
Prof. P. Kramer und Prof. H. Sohr weiterentwickelt. Um den Hilfskräften des Instituts für Theo-
retische Physik die doch immense Mühe des Kopierens von bis zu 300 Exemplaren pro Kurs zu
ersparen, entschlossen wir uns, ein aufgearbeitetes Skript in Buchform zu veröffentlichen. Daraus
entstand die 'Einladung zur Physik – Eine mathematische Einführung und Begleitung zum Studi-
um der Physik und Informatik', erschienen 2002 beim Logos-Verlag Berlin. Eine verbesserte
Neuauflage erschien 2005.
Das Buch geht inhaltlich weit über den Stoff des Vorbereitungskurses hinaus. Es zeichnet sich
vor allem durch umfangreiche Veranschaulichungen und Erklärungen aus, die in den üblichen
Lehrbüchern sehr kurz kommen.
Über das vorliegende Skript
Das neue Skript entstand zum einen aus der Notwendigkeit heraus, den Inhalt des Vorberei-
tungskurses den gewandelten Bedürfnissen der Integrierten Kurse der ersten Physiksemester und
an den neuen Bachelor-Studiengang anzupassen. Zum anderen erscheint es heute angemessen,
den Studenten ein begleitendes Online-Manuskript anzubieten, das die wesentlichen Lehrinhalte
übersichtlich darstellt. Es beinhaltet im Wesentlichen die Tafelaufschriebe und sollte als Lehrma-
terial nur in Verbindung mit dem Kurs oder dem oben erwähnten Lehrbuch 'Einladung zur Phy-
sik …' verwendet werden..
An Themen umfasst es Vektoren, Ableiten und Integrieren, was den angehenden Studenten in
Grundzügen bekannt sein sollte und im Studium vorausgesetzt wird. Das letzte Kapitel des
Skripts befasst sich darüber hinaus mit Vektorfunktionen und Feldern, also mit Bahnkurven,
Gradienten, Wegintegralen und ähnlichem. Diese mathematischen Mittel zur Beschreibung phy-
sikalischer Zusammenhänge werden im Integrierten Physikkurs I behandelt und in den höheren
Kursen vertieft. Sie stellen im Grunde eine Kombination der Kursthemen Vektoren, Ableiten
und Integrieren dar. So werden am Ende des Vorbereitungskurses die Grundinhalte vertieft und
die Stofffülle des Integrierten Kurses I aufgelockert.
In das vorliegende Skript nicht aufgenommen wurden Themen wie Divergenz, Rotation,
Krummlinige Koordinaten und Matrizenrechnung. Diese spielen im Integrierten Kurses I nicht
wirklich eine Rolle.
Dank
Zu den Vorbereitungskursen der letzten Jahre fanden regelmäßig Besprechungen der Kursleiter
statt, aus denen viele konstruktive Gedanken in das neue Skript eingeflossen sind. All den Kurs-
leitern danke ich für ihre Beiträge.

Tübingen, im Februar 2009

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1

1. Zahlenbereiche
Natürliche, ganze, rationale, reelle und komplexe Zahlen
Vorbemerkung
Ursprünglich kommt man zu Zahlen und zum Rechnen, indem man Dinge oder Weltinhalte ab-
zählt. Die Anzahl beschreibt man durch Symbole 1, 2, 3,…. Das Abzählen wird dann mehr und
mehr ins Gedankliche verlagert und man stellt sich die abzuzählenden Dinge nur noch vor. So
kommt man etwa zu negativen Zahlen, die die Anzahl fehlender Dinge meinen, oder zu einem
Symbol '0' für das Nichts oder zu '∞', was es in der dinglichen Welt nicht gibt. Das Rechnen wird
mehr und mehr abstrakt und von dem ursprünglichen Abzählen von Dingen entkoppelt. Man hat
reine Symbole und wendet Regeln auf diese an.
Rechnen auf der Basis des Abzählens von Objekten mit natürlichen Zahlen:

Abzählen: Das Wort 'Welt' hat 4 Buchstaben (1-1)


Addieren : 'Hallo Welt' hat 5 + 4 = 9 Buchstaben
Subtrahieren: 'Hallo' hat 9 - 4 = 5 Buchstaben
Multiplizieren: 'Hallo Hallo' hat 2 ⋅ 5 = 10 Buchstaben
Teilen: Halbes Wort 'We' hat 4 / 2 = 2 Buchstaben
Potenzieren: 'Welt Welt Welt Welt' hat 4 ⋅ 4 ≡ 42 = 16 Buchstaben
Radizieren: 'Welt' hat 16 = 4 Buchstaben
Gedanklich kann man mit Zahlen mehr machen, als Dingen abzuzählen:

Subtrahieren: 'We' hat 2-4 = −2 Buchstaben mehr als 'Welt' (1-2)


Teilen: 'We' hat 2/4=1/2 soviel Buchstaben wie 'Welt'
Radizieren: Die Zahl 2 multipliziert mit sich selbst ergibt die Anzahl 2
−2, 1/ 2 oder 2 sind keine natürlichen Zahlen, sie symbolisieren nicht die Anzahl existieren-
der, abzählbarer Dinge. Sie sind aber zum Rechnen sehr nützlich.

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2 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Natürlichen Zahlen
Als natürliche Zahlen bezeichnet man die Symbole 1,2,3,… für die entsprechende Anzahl von
Objekten. Man fasst diese Symbole als Elemente einer Menge auf.

Menge der natürlichen Zahlen: ℕ ≡ {1, 2, 3,...}


(1-3)

Ordnungsstrukutur
m und n stehen jeweils für eine natürliche Zahl.
n > m : n symbolisiert eine größer Anzahl von Objekten als m (1-4)
n < m : n symbolisiert eine kleinere Anzahl von Objekten als m
n ≤ m : n symbolisiert eine kleinere oder gleiche Anzahl von Objekten wie m
n ≥ m : n symbolisiert eine größere oder gleiche Anzahl von Objekten wie m

Grundrechenarten in ℕ
Man kann zwei Mengen von Dingen zusammenbringen und abzählen oder aus einer Menge ei-
nen Teil entfernen. Beim Abzählen von mehreren gleich großen Mengen kann man das Abzählen
vereinfachen.

Addition: für n, m ∈ ℕ ist n + m = k ∈ ℕ (1-5)


Subtraktion: für n > m ∈ ℕ existiert ein k ∈ ℕ, so dass m + k = n
( oder n - m = k ∈ ℕ )
Multiplikation: für n, m ∈ ℕ ist n ⋅ m = k ∈ ℕ

Die Symbole '0' und '∞':


Ein Wort mit Null Buchstaben ist kein Wort! Zum Zählen braucht man keine '0'. Trotzdem ist es
sinnvoll, für das Nichts ein Symbol '0' einzuführen. Ich sage etwa: 'In meinem Geldbeutel sind 0
€', oder 'Die Anzahl von Buchstaben in 'Welt' und 'Ball' unterscheidet sich um 0 Buchstaben.
Zu jeder natürlichen Zahl 'n' gibt es eine größere Zahl, etwa 'm=n+1'. Die Anzahl der Zahlen ist
unbegrenzt. In unserer Welt gibt es jedoch nur endliche viele Dinge, die man abzählen kann.
Beim Rechnen betrachtet man allerdings manchmal Zahlen, die sehr groß sind. Es spielt dann
keine Rolle spielt, ob man noch etwas dazu zählt oder sie multipliziert. Dafür verwendet man das
Symbol '∞'. Dafür gilt etwa
(1-6)
n + ∞ = ∞, oder n ⋅ ∞ = ∞
Das sind nicht mehr die Rechenregeln für Zahlen und somit ist das Symbol ∞ auch keine Zahl.
1. Zahlenbereiche 3

Ganze Zahlen
Ganze Zahlen erhält man durch die Verallgemeinerung und Abstraktion der Subtraktion.
Man kann aus einem Sack nur so viele Kartoffeln herausnehmen, wie auch drin sind. Man kann
allerdings unter Umständen mehr Geld ausgeben, als man hat.

Subtraktion in ℕ: für n > m ∈ ℕ existiert ein k ∈ ℕ, so dass m + k = n (1-7)


Verallgemeinerung: für alle n, m ∈ ℕ existiert ein k , so dass m + k = n
für n < m ∈ ℕ ist k = n − m ∈ {−1, −2, −3...}
Ganze Zahlen: ℤ ≡ {..., -2, −1, 0,1, 2,...}
Ordnungsrelationen: die Bedeutung von >, <, ≥, ≤ ergibt sich aus der
Reihenfolge der ganzen Zahlen
Betrag:  + k , für k > 0
k =
 −k sonst
-n ist das Symbol für das Fehlen von n Objekten.
Rationale Zahlen
Rationale Zahlen erhält man durch Verallgemeinerung oder Abstraktion des Teilens. Man teilt
einen Kuchen in 5 Stücke und isst davon 2. Diesen Teil des Kuchens kann man durch einen
Bruch beschreiben. Die Menge aller Brüche bilden die rationalen Zahlen.
Zähler
 (1-8)
p
Bruch: , mit p, q ∈ ℤ und q ≠ 0
q
Nenner

p r
Kürzen und Erweitern: für p, q, r , s ∈ ℤ gilt : = genau dann, wenn p ⋅ s = q ⋅ r
q s
p 0
weitere Regeln: = p, =0
1 q
3 6 9 −12 2
Beispiele: = = = , =2
2 4 6 −8 1
p 
Rationale Zahlen: ℚ ≡  , mit q, p ∈ ℤ und q ≠ 0 
q 

Rechenregeln:
Zum Abzählen von zwei Stücken eines dreigeteilten Kuchens und einem Stück eines halben Ku-
chens muss man die einzelnen Stücke weiter teilen und so zu gleichgroßen Stücken kommen.
Man bringt sie auf den Hauptnenner. Die gleich großen Stücke kann man dann zusammenzählen,
also 2/3=4/6 und 1/2=3/6. Zusammen hat man also (4+3)/6=7/6 oder einen ganzen Kuchen
und 1/6 Stück. Ähnlich überlegt man sich das Multiplizieren und Teilen von Brüchen.

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4 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

für p1 , p2, q1 , q2 ∈ ℤ, q1 , q2 ≠ 0 : (1-9)


Addition, Subtraktion: p1 p2 p1q2 ± p2 q1
± =
q1 q2 q1q2
Multiplikation: p1 p2 p1 ⋅ p2
⋅ =
q1 q2 q1 ⋅ q2
Division: p1 p2 p1 ⋅ q2
/ =
q1 q2 q1 ⋅ p2
Ordnungsrelation: p1 p2  p q ≤ p2 q1 für q1 ⋅ q2 > 0 und
≤ ist gleich  1 2
q1 q2  p1q2 ≥ p2 q1 für q1 ⋅ q2 < 0

Dezimaldarstellung rationaler Zahlen


Wir sind gewohnt, rationale Zahlen als Dezimalzahlen darzustellen und zu verwenden. Sie erge-
ben sich aus der Dezimalbruchzerlegung.

d 0 ∈ ℕ 0 ( Menge der natürlichen Zahlen und der '0') (1-10)


Mit: 
d1, d 2 , d3 ,... ∈ {0,1, 2,...,9}
p d d d
Dezimalbruchzerlegung: = d 0 + 1 + 2 + 3 + ...
q 10 100 1000
Dezimalzahl: d 0 , d1d 2 d3 ...
Die Umwandlung eines Bruches in eine Dezimalzahl ist eine der vier Grundrechenarten und wird
als 'Teilen' bezeichnet. Wie die Umwandlung praktisch geschieht, lernt man in der Grundschule.
Beispiele: (1-11)
1 1 1
= 0,3333... ≡ 0, 3, = 0, 2000... ≡ 0, 20, = 0, 090909... ≡ 0, 09
3 5 11
Die Querstriche bezeichnen die Periode, also die ständige Wiederholung derselben Sequenz. Man
kann zeigen, dass alle rationalen Zahlen eine solche Periode haben.
Reelle Zahlen
Zu reellen Zahlen kommt man durch Verallgemeinerung oder Abstraktion des Wurzelziehens aus
positiven rationalen Zahlen.

Wurzelziehen: Für das Symbol q soll gelten: q q = q (1-12)

Für Qudaratzahlen oder p r


gilt p = r ⋅ r und q = s ⋅ s, dann ist =
Brüchen aus Quadratzahlen: q s
Im Allgemeinen gibt es für eine Wurzel jedoch keine rationale Zahl. Wir versuchen es mal mit
der Wurzel aus 2. Welche Zahl muss man mit sich selbst multiplizieren, um 2 zu erhalten? Wir
berücksichtigen dabei, dass bei einem geraden Quadrat einer natürlichen Zahl auch die natürliche
Zahl selber gerade ist.
1. Zahlenbereiche 5

für n ∈ ℕ gilt: ist n2 ∈ 2ℕ, dann ist auch n ∈ 2ℕ (1-13)


Beispiele: n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 …
n 2
4 16 36 64 … ∈ 2ℕ
n 2
1 9 25 49 81 … ∈ 2ℕ + 1
Damit zeigt man, dass ein Bruch, dessen Quadrat die Zahl 2 ergibt, beliebig oft durch 2 gekürzt
werden könnte. Das ist natürlich Unsinn und bedeutet, dass es diesen Bruch nicht geben kann.
p p (1-14)
Annahmen: es gäbe p, q ∈ ℕ, so dass ⋅ = 2 ist
q q
dann wäre p 2 = 2q 2 ∈ 2ℕ ( ≡ Menge der geraden Zahlen )
dann wäre p ∈ 2ℕ, also p = 2m mit m ∈ ℕ
dann wäre p 2 = 4m 2 = 2q 2
dann wäre q 2 = 2m 2 , also q 2 ∈ 2ℕ
dann wäre q = 2 n, n ∈ ℕ
p 2m m
also: 2= = =
q 2n n
m 2r r 2t t
Wiederholung: 2= = = = = = ... ( mit r , s, t , u ∈ ℕ )
n 2 s s 2u u
Der Bruch könnte also beliebig oft mit 2 gekürzt werden, was keinen Sinn macht. Eine rationale
Zahl für die Wurzel aus 2 kann nicht existieren. Dieser Beweis stammt von Euklid. Pythagoras
ließ einen Schüler, der dies als erstes herausfand, zum Tod durch Ertränken verurteilen. Er wollte
nicht akzeptieren, dass eine Zahl wie die Wurzel aus 2 keine Entsprechung in der Welt der ab-
zählbaren Dinge hat. Das Wurzelsymbol hat eine ausschließlich gedankliche oder abstrakte Be-
deutung.
Zum praktischen Messen und Rechnen verwenden wir in der Regel Zahlen in der Dezimaldar-
stellung mit einer endlichen Anzahl von Stellen hinter dem Komma. Sie haben die Periode '0'
und gehören damit zu den rationalen Zahlen. Eine Bruchdarstellung lässt sich leicht angeben:

75 25 ⋅ 3 3 (1-15)
=
etwa: 0.75= =
100 25 ⋅ 4 4
31415 6283
oder: 3.1415= =
10000 2000
Wir ziehen die Dezimaldarstellung zur Definition der reellen Zahlen heran.
Die Menge der reelle Zahlen ℝ umfasst alle 'Zahlen' mit (1-16)
einer Dezimaldarstellung, auch solche ohne Periode
Die Menge der reellen Zahlen umfasst also auch 'Zahlen' die nicht wirklich zählen. Wir haben
damit einen Begriff für etwas geschaffen, der in der dinglichen Welt keine Entsprechung hat. In
Mathematik und Physik sind die reellen Zahlen jedoch unverzichtbar. Sie führen allerdings zu
einem, wie Goethe es ausgedrückt hat, naturwissenschaftlichen Illusionismus.

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6 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Reelle Zahlen dienen etwa als Koordinaten zur Beschreibung von Raum- und Zeitpunkten. Ma-
thematisch wird so eine absolute Raum-Zeit konstruiert und wir glauben heute, in einer solchen
Raum-Zeit zu existieren. Tatsächlich ist eine solche Raumzeit nicht mit Messungen der Lichtge-
schwindigkeit in verschiedenen Bezugssystemen verträglich. In der Einsteinschen Relativitätsthe-
orie findet man daher, dass diese absolute Raum-Zeit nicht wirklich existiert. Raum und Zeit sind
nur als relative Bezüge zwischen Objekten sinnvoll.
Bahnkurven sind die Grundlage der gesamten klassischen Physik. Tatsächlich ist jedoch weder
die genaue Position eines Objektes noch seine genaue Geschwindigkeit messbar. Bahnkurven
sind reine Vorstellungen. Das wird bereits in der Chaostheorie deutlich, wo sensible Zusammen-
hänge untersucht werden. Theoretisch kommt es dann auf alle unendlich vielen Stellen einer Po-
sitionsangabe an. Hier müssen Bahnkurven durch Attraktoren ersetzt und die Idee langfristiger
Vorhersage eines Systemverhaltens, etwa beim Wetter, aufgegeben werden.
In der Quantenmechanik behandelt man dann die Ungenauigkeit oder Unschärfe von Positions-
und Geschwindigkeitsangaben statistisch. Die Ausbreitung von Wirkungen wird durch einen
Wahrscheinlichkeitsstrom beschrieben. Dadurch werde die Atome erklärt. Das Plancksche Wir-
kungsquantum, eine der wenigen Konstanten der Physik, gibt die minimale Unschärfe der Wir-
kungen an.
Die Verwendung der reellen Zahlen zur Naturbeschreibung schafft also zunächst die Illusion
einer absoluten und berechenbaren materiellen Welt in Raum und Zeit als Grundlage unserer
Existenz. In der gibt es keine Möglichkeit für Spiritualität. Die moderne Physik überwindet diese
Illusion und öffnet unser Weltbild hin zum Unbegreiflichen.
Die Zahlengerade
Aus mathematisch praktischen Gründen ordnet man gedanklich jeder reellen Zahl einen Punkt
auf einer Geraden zu. Man kann das veranschaulichen, indem man Punkte auf eine Gerade ein-
trägt. Praktisch kann man die Punkte wegen ihrer Ausdehnung allerdings nur sehr grob setzen.
Wir konstruieren diese Zahlengerade so:
Start: Markierung zweier beliebiger Punkte als 0 und 1 (1-17)
Natürliche Zahlen: Vervielfachung der Strecke 01 → 1, 2,3, 4,5,...
Ganze Zahlen: Spiegelung der Punkte 1, 2,3, 4,5,... an '0' → -1,-2,-3,-4,-5,...
p
Rationale Zahlen: q ' ter Teil von 01 wir p mal abgetragen →
q
Reelle Zahlen: Annäherung durch rationale Zahlen
1. Zahlenbereiche 7

Abbildung 1-1: Zahlengerade mit natürlichen, ganzen, rationalen und irrationalen Zahlen
Komplexe Zahlen
Komplexen Zahlen erhält man durch Verallgemeinerung und Abstraktion des Wurzelziehens.
Wurzeln
Eine reelle Zahl a bezeichnet man als Wurzel aus x, wenn a mit sich selbst multipliziert die Zahl x
ergibt.

a = x , wenn a2 = x (1-18)
offensichtlich: x > 0
Hat man fünf mal fünf Äpfel, so sind das 25 Äpfel. Auf keinen Fall fehlen dann Äpfel. Die Wur-
zel macht zunächst nur für positive Zahlen x einen Sinn.
Die imaginäre Einheit 'i'
In der Welt der abzählbaren Dinge kann man die Wurzel nur aus positiven Zahlen ziehen. Beim
Rechnen mit quadratischen Gleichungen stößt man jedoch auch auf Wurzeln aus negativen Zah-
len.

Beispiel: x 2 − 1 = 0 → x 2 = 1 → x = ±1 (1-19)
aber x 2 + 1 = 0 → x 2 = −1 → ?
In letzterer Gleichung kann x mit nichts aus der Welt der abzählbaren Dinge in Zusammenhang
gebracht werden, es handelt sich um etwas Imaginäres. Man führt daher die imaginäre Einheit i
ein:

Definition: x 2 = −1 → x = ±i (1-20)
mit i 2 = −1
Damit kann man ganz allgemein mit Wurzeln aus negativen Zahlen rechnen. Eine 'Imagination'
dazu entwickeln wir mit Hilfe der komplexen Zahlenebene im nächsten Abschnitt. Beim Rech-
nen mit Wurzeln aus negativen Zahlen muss man jedoch vorsichtig sein!

Beispiel: − 1 ⋅ − 4 = i 2 ⋅ 4 = − 2, ( − 1 ⋅ −4 = ( − 1) ⋅ ( − 4 ) = 4=2 ) (1-21)

Mit der imaginären Einheit i definiert man nun die

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Menge der komplexe Zahlen ℂ ≡ { z = a + ib, mit a, b ∈ ℝ} (1-22)


a : Realteil von z
b : Imaginärteil von z

Rechenregeln
Addition: (1-23)
z1 ± z2 = ( a1 + ib1 ) ± ( a2 + ib2 ) = ( a1 ± a2 ) + i ( b1 ± b2 ) = z
Subtraktion:      
=a =b

Multiplikation: z1 ⋅ z2 = ( a1 + ib1 ) ⋅ ( a2 + ib2 ) = a1a2 − b1b2 + i ( a1b2 + a2b1 ) = z


  
=a =b

z1 a + ib1 a1 + ib1 a2 − ib2 a1a2 + b1b2 a b −ab


Division: = 1 = ⋅ = 2 + i 2 21 12 2 = z
z2 a2 + ib2 a2 + ib2 a2 − ib2 a2 + b2
2
a2 + b2
 
     
z2 ≠ 0! =1 =a =b

Beispiele:

1
=
−i
= −i,
1
=
(1 − i ) = 1 − i 1 (1-24)
i i ⋅ ( −i ) 1 + i (1 + i ) ⋅ (1 − i ) 2 2

Die komplexe Zahlenebene


Zur Veranschaulichung ordnen wir gedanklich jeder komplexen Zahl z=a+ib einen Punkt in der
Ebene zu.

Abbildung 1-2: Die komplexe Zahlenebene

Die komplexe Zahlenebene wird auch als Gaußsche Zahlenebene bezeichnet. Addition und Sub-
traktion komplexer Zahlen sind in dieser Zahlenebene einfach das aneinanderfügen der parallel-
verschobenen Pfeile (Vektoren).
1. Zahlenbereiche 9

Abbildung 1-3: Addition und Subtraktion komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene

Komplexkonjugation
Die Komplexkonjugation ändert das Vorzeichen des Imaginärteils einer komplexen Zahl:
(1-25)
Komplexkonjugation: für z = a + ib ist z = a − ib
In der Gaußschen Zahlenebene wird die komplexe Zahl so an der reellen Achse gespiegelt.

Abbildung 1-4: Komplexkonjugation und Betrag komplexer Zahlen, veranschaulicht in der Gaußschen Zahlen-
ebene.

Der Absolutbetrag komplexer Zahlen


Mit der Komplexkonjugation lässt sich die Länge oder der Betrag einer komplexen Zahl elegant
angeben:

für z = a + ib (1-26)

ist der Betrag: z ≡ a 2 + b2 = ( a + ib)( a − ib ) = zz


Die Interpretation des Betrages als Länge des Pfeils in der Gaußschen Zahlenebene ergibt sich
nach dem Satz von Pythagoras (|z|2=a2+b2).

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10 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Das Argument komplexer Zahlen


In der Gaußschen Zahlenebene kann eine komplexe Zahl durch Betrag |z| und Winkel zur reel-
len Achse oder Argument α dargestellt werden:

Abbildung 1-5: Darstellung einer komplexen Zahl durch Betrag |z| und Argument α

cos α = x / z (1-27)
mit 
sin α = y / z
ist z = x + iy = z cos α + i z sin α = z ( cos α + i sin α )
Der Winkel α ist nur bis auf ein Vielfaches von 2̟ festgelegt. Man definiert daher den Hauptwert
von z:
Hauptwert: Arg z ∈ (−π , π ] (1-28)
Argument: α = Arg z + 2nπ , n ∈ ℤ

Abbildung 1-6: Argument der komplexen Zahl z


1. Zahlenbereiche 11

Die Eulersche Formel


Wir betrachten die komplexen Zahlen auf dem Einheitskreis in der Gaußschen Zahlenebene, also
die komplexen Zahlen vom Betrag 1.

Einheitskreis: zˆ ≡ cos α + i sin α , ( zˆ = 1) (1-29)


zˆ α = 0 = cos ( 0 ) + i sin ( 0 ) = 1
  
zˆ für α = 0 =1 =0

dzˆ
1. Ableitung: = − sin α + i cos α = i ( cos α + i sin α ) = izˆ

d n zˆ
n'te Ableitung: = i n zˆ
dα n

Vergleiche: eiα = e0 = 1
α =0

de
1. Ableitung: = ieiα

d n eiα
n'te Ableitung: = i n eiα
dα n

Wie sich mit dem Satz von Taylor (Kapitel 5) auch streng beweisen lässt, sind zwei Funktionen
identisch, wenn ihre Ableitungen überall gleich sind und wenn sie an einer Stelle denselben Funk-
tionswert haben. Damit lassen sich zum Beispiel trigonometrische Formeln sehr elegant herleiten:

Eulersche Formel: eiα = cos α + i sin α (1-30)


( )
i α +β iα iβ
Moivresche Formel: e = e ⋅ e
= = =
cos (α + β ) + i sin (α + β ) cosα + i sin α cos β + i sin β

Realteil: cos (α + β ) = cos α cos β − sin α sin β


also: 
Imaginärteil: sin (α + β ) = cos α sin β + sin α cos β

Exponentialschreibweise komplexer Zahlen


z = z ( cos α + i sin α ) = z eiα = z eiArg z (1-31)

Damit lässt sich zum Beispiel die Multiplikation zweier komplexer Zahlen in der Gaußschen
Zahlenebene veranschaulichen.

 z1 = z1 eiα1 (1-32)
komplexe Zahlen:  iα 2
 z2 = z2 e
z ≡ z1 ⋅ z2 = z1 eiα1 z2 eiα 2 = z1 z2 e (
i α1 +α 2 )
Produkt:
 z = z1 z2
also: 
α = α1 + α 2
zz = z
2
speziell:

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12 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Übungsbeispiele
Bestimmen Sie die Dezimalzahlen: (1-33)
7
1. zu r = und
8
2
2. zu r =
7

(Die nächste Aufgabe kann im MVK ausgelassen werden)


3. Die Umwandlung einer Dezimalzahl in (1-34)
1
eine rationale Zahl kann durch die r = d1 + , di ∈ ℕ
1
'continued fraction representation' erfolgen: d2 +
1
d3 + ...
d4

1 1
r3 ≡ = − d3
d 4 + r4 r2

1 1
r2 ≡ = − d2
d3 + r3 r1

1
r1 ≡ r − d1 =
d 2 + r2

Zum Beispiel ist für die Zahl r = 3.245:


1 1 1 1 1 1
r1 = r − d1 = r2 = − d2 = r3 = − d3 = r3 = − d 3 = 0
3.245
 d +r r  d +r r  d 4 + r4 r 
2
3  2 1 4 33 2 12  2 4
1 4.082 1 12.25 1 4
0.245= 0.082 = 0.25 =
4.082 12.25 4

also: 1 1 1 49 49
r = 3+ = 3+ = 3+ = 3+ = 3+
4+
1
4+
4
4+
4 4 ⋅ 49 + 4 ⋅ 49 + 4
4
12 +
1 ⋅12 + 1
4 49 160 + 36
=196
48
4
49 649
= 3+ =
200 200
1
Führen Sie das Verfahren für die Zahl r = 0.5 durch. Verwenden Sie dabei = 1.8 und
0.5
1
= 1.25. Können Sie für diesen Fall einen direkteren Weg zum Ergebnis angeben?
0.8

4. Bestimmen Sie für die komplexe Zahl z = 3 + i die Inverse, das Quadrat, das Absolut- (1-35)
 1  π
quadrat und die Exponentialdarstellung. Es ist arctan  = .
 3 6
1. Zahlenbereiche 13

5. Bestimmen Sie für die komplexen Zahlen z1 = 1 + 2i, z2 = 2 + i das Produkt z1 z2 und den (1-36)
z1
Quotient .
z2

6. Geben Sie die folgenden komplexen Zahlen in der Exponentialform an: (1-37)
a) 2i, b) −1 − i, c) 3 − i 3

7. Welche reellen und komplexen Lösungen hat (1-38)


a) z = 81, b) z = 3 − i 3 c) z − 2iz + 3 = 0
4 3 2

Zeigen Sie: (1-39)


8. ( cos x + i sin x )3 = cos 3x + i sin 3x
9.  eix + e − ix
cos x = 2
 − ix
sin x = e − e
ix

 2i
10. a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos ( ∢ ( b, c ) ) , ( Kosinussatz )
mit Hilfe komplexer Zahlen

( Betrachten Sie für z = be 1


iα1
, z2 = ceiα 2 , z = aeiα ≡ ( z1 − z2 ) den Ausdruck für z
2
)

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2. Koordinaten und Vektoren
Messgrößen in der Physik
Messen geschieht zunächst durch Vergleich mit einem Maßstab. Messbare Grundgrößen der
klassischen Mechanik sind räumliche Abstände, zeitliche Abstände und Kräfte.
Interessant ist, dass auch zeitliche Abstände und Kräfte zunächst über Ortsmessungen durchge-
führt werden (Lauf der Gestirne, Sanduhr, Pendeluhr, Quarzuhr, Federwaage,…).
Andere physikalische Größen werden indirekt gemessen (Geschwindigkeit, Ladung, Massen, …).
Strom oder Spannung misst man beim Spuleninstrument auch über räumliche Lageveränderung
des Zeigers.
Raumerfahrung und Objektivierung des Raumes
Raum ist Grundlage unserer bewussten Welterfahrung. Alle Bewusstseinsinhalte sind räumlich,
also nebeneinander, hintereinander oder übereinander angeordnet. Das Raumerleben hat sich
beim Menschen in den letzten paar tausend Jahren entwickelt und diese Entwicklung durchläuft
jeder Mensch beim Erwachsenwerden aufs Neue.
Die Raumerfahrung wird mit Hilfe von Maßstäben objektiviert, etwa mit einem Meterstab oder
Lineal. Man misst Abstände durch Vergleich mit dem Maßstab. Maßstäbe bilden die Basis der
Raumbeschreibung. Abstände werden mit reellen Zahlen in Form von Koordinaten mit Bezug
auf einen Maßstab oder die Basis angegeben.
1. Stufe der Raumerfahrung (Kleinkind)
Topologie (Nachbarschaft: neben- hinter- übereinander).
2. Stufe der Raumerfahrung (Schulkind)
Objektivierung der Raumerfahrung durch Messung:

Maßstab e : ( beliebiges Objekt, Lineal )  (2-1)



Koordinate x : Strecke L = x ⋅ e 

3. Stufe der Raumerfahrung (Erwachsener)


3-dimensionaler, relativer Raum:

Richtungsmaßstäbe ( Basis ) eˆx , eˆ y , eˆz : 3D-Bezug zwischen zwei Punkten P1 , P2 : (2-2)


  ( P1 , P2 )
Koordinaten x, y , z :  R = xeˆx + yeˆ y + zeˆz
Die Richtungsmaßstäbe im mehrdimensionalen Raum bezeichnet man als Basisvektoren, die
Überlagerung zur Beschreibung räumlicher Beziehung zweier Punkte als Vektoren. Wir kenn-
zeichnen Basisvektoren durch ein '^' und Vektoren durch einen Pfeil.
4.Stufe der Raumerfahrung (Erwachsener)
3-dimensionaler, absoluter Raum (Raum als unabhängiger Behälter für Objekte, Raum wird selbst
zum Objekt):

Richtungsmaßstäbe ( Basis ) eˆx , eˆy , eˆz : (2-3)


 Absoluter Punkt im Raum:
Koordinaten x, y , z :    ( P ,O )
  P≡R = xeˆx + yeˆ y + zeˆz
Bezugspunkt O : 
16 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Koordinantensysteme und objektiver Raum


Basis, Koordinaten und Bezugspunkt oder Ursprung bilden ein Koordinatensystem. Damit kann
man räumliche Bezüge quantifizieren und in Diagramme eintragen. So entsteht ein objektives
Bild räumlicher Bezüge. Raum ist selber zum Objekt geworden. Wir erleben eine objektive Welt
in einem objektiven Raum.

Abbildung 2-1: Punkt P im absoluten Raum, dargestellt mit Basisvektoren e und Koordinaten x, y, z.

Vektoren
R ( 1 2 ) beschreibt die räumliche Beziehung zwischen den Punkten P1 und P2 mit Hilfe einer Basis
 P ,P

und Koordinaten. Konstruktionen wie R ( P1 , P2 ) nennt man Vektoren. Wie wir gleich sehen wer-

den, kann man verschiedene Vektoren miteinander addieren oder mit einer Zahl multiplizieren.
Die Wahl des Koordinatensystems ist willkürlich. Die räumliche Beziehung zwischen den Punk-
ten hängt jedoch von dieser Wahl nicht ab. Wie wir später sehen werden, ergeben sich daraus
konkrete Transformationsgleichungen für den Wechsel von einem Koordinatensystem zu einem
anderen.
Für eine kompaktere Schreibweise ersetzt man x , y , z gerne durch x1 , x2 , x3 oder durch
xi , i ∈ {1, 2,3} .

 P ,P 3 (2-4)
R ( 1 2 ) = xeˆx + yeˆ y + zeˆz 
≙ x1eˆ1 + x2 eˆ2 + x3eˆ3 = ∑ xi eˆi .
entspricht i =1

Es ist oft nicht nötig, die Basisvektoren mit aufzuschreiben, man definiert
(2-5)
Spalenvektor

x
 
 y  ≡ xex + yey + zez
Koordinatentripels: ˆ ˆ ˆ
z
 
Zeilenvektor
 
oder ( x, y, z ) ≡ xeˆx + yeˆy + zeˆz
Damit kann man etwa schreiben
2. Koordinaten und Vektoren 17

eˆx = (1, 0, 0 ) , eˆy = ( 0,1, 0 ) , eˆz = ( 0, 0,1) (2-6)

Rechenregeln:
Alle Regeln folgen unmittelbar aus der Bedeutung von Koordinaten als Skalierung des Maßssta-
bes.
Addition
für a ≡ ( a1 , a2 , a3 ) , b ≡ ( b1 , b2 , b3 ) , c ≡ ( c1 , c2 , c3 ) : (2-7)
  

a + b = ( a1 + b1 ) eˆ1 + ( a2 + b2 ) eˆ2 + ( a3 + b3 ) eˆ3


Addition:  

= ( a1 + b1 , a2 + b2 , a3 + b3 )
a − b = ( a1 − b1 , a2 − b2 , a3 − b3 )

Subtraktion: 

Kommutativgesetz: a + b = b + a
 

Assoziativgesetz: (
a +b +c = a + b +c
     
) ( )

Abbildung 2-2: Veranschaulichung der Addition und Subtraktion, des Kommutativ- und des Assoziativgesetzes

Multiplikation mit Skalar


Multiplikation mit Skalar: λ a ≡ ( λ a1 , λ a2 , λ a3 ) ; (2-8)


(
λ a + b = λ a + λb ;
 
)
 
Distributivgesetz:
( λµ ) a = λ ( µ a ) .
 
Assoziativgesetz:

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18 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 2-3: Veranschaulichung der Multiplikation von Vektoren mit einem Skalar

Inneres Produkt oder Skalarprodukt


Die Basisrichtungen sollen unabhängig voneinander sein, was durch ein so genanntes inneres
Produkt ausgedrückt werden kann.

1 für i = j; (2-9)
Inneres Produkt oder Skalarprodukt: eˆi ⋅ eˆ j = δ ij ≡ 

Inneres Produkt 0 für i ≠ j.
oder Kroneckersches -Deltasymbol
Skalarprodukt

Skalarprodukt zwischen Vektoren:


Das Skalarprodukt '⋅' für die Basisvektoren in (2-9) führt unmittelbar auf das Skalarprodukt zwi-
schen Vektoren.

Skalarprodukt: a ⋅ b = ( a1eˆ1 + a2 eˆ2 + a3eˆ3 ) ⋅ ( b1eˆ1 + b2 eˆ2 + b3eˆ3 ) (2-10)




3
= ∑ ab i j eˆi ⋅ eˆ j
i , j =1

δ ij

= a1b1 eˆ1 ⋅ eˆ1 + a1b2 eˆ1 ⋅ eˆ2 + … a3b2 eˆ3 ⋅ eˆ2 + a3b3 eˆ3 ⋅ eˆ3
   
1 0 0 1
3
= a1b1 + a2b2 + a3b3 = ∑ ai bi
i =1

Länge eines Vektors:


Nach dem Satz des Pythagoras ergibt sich, dass das Quadrat der Länge eines Vektors die Summe
über die Koordinatenquadrate ist. Wir definieren daher
2. Koordinaten und Vektoren 19

3 (2-11)
Länge des Vektors r : r ≡ r ≡ r ⋅ r = ∑ xi2 = x 2 + y 2 + z 2
   
i =1

Abbildung 2-4: Länge eines Vektors nach dem pythagoreischen Lehrsatz.

Interpretation des Skalarprodukts zwischen zwei Vektoren:


a ⋅ eˆx = ax = a cos α ; (2-12)

Projektion auf x-Achse:

a

Projektion auf den speziellen Vektor b ≡ beˆx : a ⋅ ( beˆx ) = ab cos α ;


 
 
b

a ⋅ b = ab cos α .
 
Unabhängig vom Koordinatensystem:
In (2-12) haben wir eine sehr interessante Verallgemeinerung vorgenommen. Im mittleren Aus-
druck stehen Größen die weder von den Basis-Vektoren noch den Koordinaten abhängen, also
Vektoren, Längen und Winkel. Der Ausdruck muss also ganz allgemein gelten, obwohl er für den
speziellen Vektor b = beˆx formuliert wurde. Diese Methode wird in der Physik oft angewendet.


Man kann zur Ableitung allgemeiner Zusammenhänge spezielle Basisvektoren wählen, mit denen
die Ableitung besonders einfach ist. Den Zusammenhang zwischen verschiedenen Koordinaten-
systemen mit verschiedenen Basisvektoren schauen wir uns gleich noch genauer an.

Abbildung 2-5: Skalarprodukt als Produkt der Vektorenlängen und dem Cosinus des eingeschlossenen Winkels.

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20 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Rechenregeln für das Skalarprodukt


(
Multiplikation mit Skalar: λ a ⋅ b = ( λ a ) ⋅ b = a ⋅ λ b ) ( ) (2-13)
  
     
λ ∑ ai bi ( λ
∑ i ia ) b
∑ ai ( λbi )
   
Kommutativgesetz: a ⋅ b = b ⋅a
∑ ai bi ∑ bi ai
   
( )
 
Distributivgesetz: a + b ⋅ c = a ⋅ c + b ⋅c
 
∑ ai ci ∑ bi ci
∑ ( ai +bi )ci

Einheitsvektoren
Die Grundeinheiten des Koordinatensystems (2-3) sind durch die Basis bzw. die Richtungsmaß-
stäbe eˆi gegeben. Wir können sie als Vektoren der Länge 1 auffassen. Das ist ja eine wesentliche
Grundlage des Skalarproduktes in (2-9). Jeder beliebige Vektor r kann nun auf die Länge 1 'nor-

miert' werden und wird dann bezeichnet als
(2-14)

r ∑ eˆ x i i
Einheitsvektor: rˆ ≡ = i

r
∑x i
2
i

insbesondere gilt: rˆ = rˆ ⋅ rˆ = 1 2

rˆ ⋅ r = r

und

Basistransformationen
Die Basisvektoren werden willkürlich ausgewählt. Man kann ganz andere Richtungen wählen, was
jedoch die durch sie beschriebenen räumlichen Beziehungen nicht beeinflusst. Man sagt, ein Vek-
tor hat verschiedene Darstellungen. Da alle Darstellungen jedoch denselben Vektor meinen, gibt
es eine Beziehung oder Transformation zwischen ihnen, die so genannten Basistransformationen.

x′eˆ′x + y′eˆ′y + z ′eˆ′z = R′


 
R = xeˆx + yeˆy + zeˆz = (2-15)
 
 Gleichheit von  übliche Schreibweise
ursprüngliches Vektoren, nicht transformierter für Vektor in
Koordinatensystem von Zahlen! Koordinatensystem transformierter Basis

Obwohl ein Vektor unabhängig von der Basis ist, kennzeichnet man ihn in der transformierten
Basis aus praktischen Gründen doch gerne mit einem Strich.
In der transformierten Basis müssen die Richtungen wieder unabhängig voneinander sein. Dies
schränkt die möglichen Transformationen ein.

Basistransformation: 3 (2-16)
eˆi′ = ∑ Tik eˆk
k =1
3 3 3
Bedingung:
δ ij = eˆi′ ⋅ eˆ j′ = ∑ Tik eˆk ⋅ T jl eˆl = ∑ Tik eˆk ⋅ eˆl T jl = ∑ Tik T jk
k ,l =1 k ,l =1 =δ kl k =1

3
also:
∑T T ik jk = δ ij
k =1
2. Koordinaten und Vektoren 21

T beschreibt eine so genannte Basistransformation, genau dann, wenn die untere Gleichung von
(2-16) erfüllt ist.
Daraus ergibt sich auch, wie die Koordinaten transformiert werden müssen.
3 3 ! 3 (2-17)
aus: ∑ xi′ eˆi′ = ∑ xi′Tik eˆk =  ∑ xk eˆk
i =1
 i , k =1 Forderung k =1
3
= ∑ Tik eˆk
k =1

3
folgt: xk = ∑ xi′Tik
i =1
3 3 3 3 3
oder umgekehrt: x′j = ∑ xi′ δ ij = ∑ xi′Tik T jk = ∑ T jk ∑ xi′Tik = ∑ T jk xk
i =1 i , k =1 k =1 i =1 k =1

3 
∑ Tik T jk xk
k =1

Beispiel: Austausch zweier Achsen

Transformationsmatrix: 1 für ( i, j ) ∈ {(1, 2 ) , ( 2,1) , ( 3, 3)} (2-18)


Tij = 
0 sonst
Bedingung für Basis-Tranf.  3
 ∑ T1 jT j1 = 0 + 1 + 0 = 1,
 j =1
 3
 ∑ T2 jT j 2 = 1 + 0 + 0 = 1,
 j =1
 3
 T T = 0 + 0 + 1 = 1,
∑j =1
3 j j3

 3 3
 T T = T T = ... = 0

 j =1 1 j j 2 ∑ 1 j j3
 j =1

Transformierte Koordinaten:  x1′ = 0 ⋅ x1 + T12 ⋅ x2 + 0 ⋅ x3 = x2



 x2′ = T21 ⋅ x1 + 0 ⋅ x2 + 0 ⋅ x3 = x1
 x′ = 0 ⋅ x + 0 ⋅ x + T ⋅ x = x
 3 1 2 33 3 3

Zur Übung können wir noch überprüfen, dass das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren tat-
sächlich nicht von der Basis abhängt.

  3 3 3 3 3
  (2-19)
a′ ⋅ b′ = ∑ a′j b′j = ∑T jk ak T jl bl = ∑ab k l ∑T T jl jk = ∑ ak bk = a ⋅ b
j =1 j , k ,l =1 k ,l =1 j =1 k =1
 
δ kl
( Transformationsbedingung )
Für das Skalarprodukt ist es also egal, welche Basis man wählt, wenn nur die Transformationsbe-
dingung (2-16) erfüllt ist. Wir sehen somit, dass die Länge eines Vektors und der Winkel zwi-
schen zwei Vektoren wirklich nicht vom Koordinatensystem abhängen.
Kreuzprodukt oder Vektorprodukt
Neben der Abbildung zweier Vektoren auf einen Skalar oder eine Zahl mit dem inneren Produkt
kann man noch ein weiteres Produkt für Vektoren definieren, das aus zwei Vektoren einen
macht, das Kreuz- oder Vektorprodukt.
Hilfsgröße:

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22 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

1 für ijk zyklisch (123,231,312 ) ; (2-20)


Antisymmetrischer Fundamental- 
ε ijk = -1 für ijk antizyklisch ( 321,213,132 ) ;
tensor oder Levi-Civita-Tensor: 
0 sonst;
also ε ijk = −ε jik ( antisymmetrisch )
und ε iik = −ε iik = 0.

Kreuzprodukt für Basisvektoren:


3 (2-21)
Definition: eˆi × eˆ j ≡ ∑ ε ijk eˆk
k =1

z.B.: eˆx × eˆy = eˆz , eˆy × eˆz = eˆx , eˆx × eˆz = −eˆy , eˆx × eˆx = 0

Symmterie:
eˆi × eˆ j = −eˆ j × eˆi ( antisymmetrisch ) (2-22)

Abbildung 2-6: Symmetrie des Kreuzproduktes. Austausch der Faktoren führt zu Vorzeichenwechsel des
Ergebnisses (antysimmetrisch)

Kreuzprodukt zwischen Vektoren:


Aus dem Kreuzprodukt zwischen den Basisvektoren ergibt sich sofort das
2. Koordinaten und Vektoren 23

Kreuzprodukt:   3 3 3 (2-23)
a ×b = ∑ a eˆ × b eˆ = ∑ a b j ei × e j = ∑ ε ijk ai b j ek
i i j j i
ˆ ˆ ˆ
i , j =1 i , j =1
 i , j ,k =1
ε ijk eˆk

= ( a y bz − az by ) eˆx + ( az bx − ax bz ) eˆy + ( ax by − a y bx ) eˆz


 a y bz − az by 
 
=  az bx − ax bz 
a b −a b 
 x y y x 

Interpretation des Kreuzproduktes


Betrag:

( a × b )
(2-24)
∑ (ε aib j eˆk ) ⋅ ( ε mno ambn eˆo ) =
 2
= ijk ∑ ai amb j bnε ijk ε mno eˆk ⋅ eˆo
i , j , k , m , n ,o i , j ,k ,m,n,o

δ ko
3
= ∑ ai am b j bn ∑ε ε
ijk mnk = ∑ ( ai ai b j b j − ai bi a j b j )
i , j ,m,n k =1 i, j
  
2
( )
a 2
a ⋅b = a 2 b 2 ( cos α )
 
 b   2 2
δ imδ jn −δ inδ jm
( zykl .− zykl . ( zykl .− antiz .
antizykl .− antiz .) antiz .− zykl .)

 
(
= a 2b 2 1 − ( cos α )

2
)
( sin α )2

für α ∈ [ 0,π ]
 
also: a × b = a b sin α
Der Betrag des Kreuzproduktes entspricht also genau Inhalt des durch die beiden Vektoren auf-
gespannten Parallelogramms.
Richtung:
    
c = a ×b 
⊥ a, b (2-25)
steht senk-
recht auf

da:
a ⋅c = ∑ a eˆ ⋅ ε
 
i i jkl a j bk eˆl
i , j , k ,l

= ∑ ai a j bk ε ijk =
 ∑ −a a b ε i j k jik
i , j ,k ε ijk =− ε jik i , j , k

= ∑ − a j ai bk ε jik =
 ∑ −a a b ε i j k ijk
i , j ,k Umbenennung i , j , k
i → j , j →i

⋅ c = −a ⋅ c = 0
   
also a
x =− x ⇒ x =0

a ⋅ c = ac cos α = 0, α = π / 2 ( rechter Winkel )


 

analog: b ⋅ c = 0
Das Kreuzprodukt steht also senkrecht auf dem durch die beiden Vektoren aufgespannten Paral-
lelogramm.

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24 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 2-7: Das Kreuzprodukt zweier Vektoren a,b bildet einen Vektor c, der senkrecht auf dem durch a
und b aufgespannten Parallelogramm steht und dessen Länge dem aufgespannten Flächenin-
halt entspricht.

Das Spatprodukt gibt den Inhalt des durch die Vektoren a,b und c aufgespannten Spatkristalls an
Spatprodukt
Volumen des Spatkristalls: V
 = 
F h ; (2-26)
Volumen Fläche Höhe

a × b = Feˆz ;
 
'Orientierte Fläche':
eˆz ⋅ c = h;

Höhe:
Volumen=Spatprodukt: ( )
V a , b , c = Fh = Feˆz ⋅ c = a × b ⋅ c .
      
( )
Hinweis: Das Koordinatensystem wurde so gewählt, dass die Fläche in der x-y-Ebene liegt und
damit der Vektor c in z-Richtung zeigt.
Rechenregeln für das Kreuzprodukt
( )
Multiplikation mit Skalar: λ a × b = ( λ a ) × b = a × λ b ( )
   (2-27)
       

λ ∑ ε ijk ai b j eˆk ( a )
∑ ijk i j k ∑ ε ijk ai ( λb j )eˆk
ε λ b ˆ
e
i , j ,k i , j ,k i , j ,k

( Kommutativgesetz gilt nicht!)


  
Antisymmetrie: ×b = − ×

a b a
∑ ε ijk ai b j eˆk ∑ − ε jik b j ai eˆk
i , j ,k i , j ,k
wegen ε ijk = -ε jik

(
  
)
 
Distributivgesetz: a + b × c = a × c + b ×c


∑ ε ijk ai c j eˆk ∑ ε ijk bi c j eˆk
∑ ε ijk ( ai +bi )c j eˆk i , j ,k i , j ,k
i , j ,k

Geraden und Ebenen im Raum


Vorausgehend haben wir die räumliche Beziehung zwischen zwei Punkten bzw. zwischen einem
Bezugspunkt und einem weiteren Punkt durch Vektoren beschrieben.
Wir beschreiben nun eine gerade Linie oder ein Geradenstück, die oder das zwei vorgegeben

Punkte a und b verbindet:
2. Koordinaten und Vektoren 25

{ ( )
Gerade Linie ( Geradenstück ) : L ≡ x = a + λ b − a , mit λ ∈ [ 0,1] } (2-28)


also:  x = a für λ = 0
 
 
 x = b für λ = 1
Diese gerade Linie kann man gedanklich nach beiden Seiten gerade verlängern und kommt zur

{ ( ) }
    (2-29)
Geraden G ≡ x = a + λ b − a , mit λ ∈ ℝ
In einer genialen Vereinfachung der Verhältnisse kann man mit so einer Geraden zum Beispiel
die Bewegung eines Objektes im kräftefreien Raum beschreiben. Messen kann man so eine Ge-
rade jedoch nur näherungsweise! Genau genommen findet man solche Geraden in der Körper-
welt nicht.

Abbildung 2-8: Gerade G, aufgespannt durch zwei Vektoren im Raum

Durch einen weiteren Punkt c kommt man zu den drei Geradenstücken

{ ( )
L1 ≡ x = a + λ1 b − a , mit λ1 ∈ [ 0,1] } (2-30)
   

L2 ≡ { x = a + λ2 ( c − a ) , mit λ2 ∈ [ 0,1]}
   

{ 
( 
)
L3 ≡ x = b + λ3 c − b , mit λ3 ∈ [ 0,1] }
Diese bilden ein Dreieck im Raum. Wir sehen darin eine Fläche oder ein Ebenenstück und erwei-
tern dieses wieder zu einer gedanklich unendlichen

{ ( ) }
     
Ebene: E ≡ x = a + λ1 b − a + λ2 ( c − a ) , mit λ1 , λ2 ∈ ℝ (2-31)

Abbildung 2-9: Ebene E, aufgespannt durch drei Vektoren a,b,c im Raum

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26 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Als eine erste Anwendung überlegen wir, wie man den Schnittpunkt einer Geraden mit der Ebe-
ne berechnen kann.

{ ( )
Schnittpunkt: S ≡ x = aG + λG bG − aG und x = a + λ1 b − a + λ2 ( c − a ) ( (2-32)
) }
         

( ) (
aG + λG bG − aG − a − λ1 b − a − λ2 ( c − a ) = 0 )
       
Bedingung:

( )( ( )
 b − a ⋅ a + λ b − a − a − λ b − a − λ ( c − a ) = 0 ( ) )
  
 G G G G G G 1 2


( )( ( ) ( ) )
Skalare
 b − a ⋅ aG + λG bG − aG − a − λ1 b − a − λ2 ( c − a ) = 0
         
Gleichungen: 
( ( ) (
( c − a ) ⋅ aG + λG bG − aG − a − λ1 b − a − λ2 ( c − a ) = 0 ) )
 

Man erhält so drei Gleichungen für λG, λ1, und λ2. Es genügt, λG zu bestimmen und in die Gera-
dengleichung einzusetzen.

Übungsaufgaben:

1. Seien a = ( 3, 2,1) , b = ( 2, −3, −4 ) , c = ( 5, −1, −3) Vektoren. Berechnen Sie
 
(2-33)
  
a) a , b , c
        
(   
b) a + b + c , a + b − c , a − b + c , a − b − c )
   
c) a ⋅ b , a × b
( )
 
( )
 
d ) cos ∢ a , b , sin ∢ a , b , ∢ a , b
 
( )
2. Zeigen Sie, dass die Vierecke ABCD Parallelogramme sind (2-34)
a) A = ( −2,1) , B = ( 4, −1) , C = ( 7, 2 ) , D = (1, 4 ) und
A = ( 3, 2,1) , B = ( 6,3, 4 ) , C = ( 5, −1, 2 ) , D = ( 2, −2, −1)
b) Wie groß sind die Flächeninhalte der Parallelogramme?

3. Beweisen Sie mit Hilfe der Vektorrechnung den (2-35)


a) Kosinusatz: a = b + c − 2bc cos (α ) und den
2 2 2

a b c
b) Sinussatz: = =
sin α sin β sin γ

4. Gegeben seien die Punkte P = (1, 2,3) und Q = ( 2,1, 0 ) . (2-36)


a ) Geben Sie die Gleichung der durch die Punkte P
und Q gehenden Geraden an
b) Bestimmen Sie den Punkt M , der die Verbindungsstrecke PQ halbiert
2. Koordinaten und Vektoren 27

5. a) Gegeben Sie die Parameterdarstellung der Ebene E an, die durch die drei (2-37)
Punkte P = ( 4, 2, −1, ) , Q1 = ( 3, 4, −1) und Q2 = ( 3,3,3) geht!
b) Bestimmen Sie den Normaleneinheitsvektor nˆ von E
c) Liegt der Punkt X = ( 5,3, −13) in E ?

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3. Grenzwerte, Folgen und Reihen
Folgen
Indem wir jeder natürlichen Zahl n eine Zahl an zuordnen, bilden wir eine

Folge ( an ) : n ∈ ℕ → an ∈ ℝ (3-1)
also: ( an ) ≡ a1 , a2 , a3 ,...
komplexe Folge: an ∈ ℂ

Beispiele:
an = ( −1) (3-2)
n
1)
2
2) an = 2i + 3 −
n

Abbildung 3-1: Konvergente und divergente Folge nach (3-2)

Konvergente Folgen
Eine komplexe Folge (an) konvergiert gegen den Grenzwert a, also

a = lim an (3-3)
n →∞ ,
wenn zu jeder positiv reellen Zahl ε eine natürliche Zahl nε existiert, so dass

a − an < ε für alle n > nε (3-4)

ist.
Schlägt man also in der Gaußschen Zahlenebene um a einen Kreis mit beliebig kleinem Radius ε,
so lässt sich für eine konvergente Folge immer ein nε finden, so dass alle weiteren Folgeglieder in
diesem Kreis liegen.
Betrachten wir die im rechten Bild von Abbildung 3-1 dargestellte Folge.
30 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

(3-5)
( an ) =  2i + 3 −
2
Folge: 
 n
Grenzwert: a = 2i + 3
Beweis:
2
Bedingung für nε ∈ ℕ : nε ≥
ε
2 2
damit: a − an = < < ε für alle n > nε
n nε
Vor allem ist die Folge (an)=1/n konvergent.
(3-6)
( an ) = 
1
Folge: 
n
Grenzwert: a = 0 ( Nullfolge )
Beweis:
1
Bedingung für nε ∈ ℕ : nε ≥
ε
1 1
damit: a − an = < < ε für alle n > nε
n nε
Als Gegenbeispiel dient der linke Teil von Abbildung 3-1. Legt man etwa einen Kreis vom Radi-
us ε=1 um 1 oder -1, so liegt das nächste Folgenglied unweigerlich außerhalb des Kreises.
Divergente Folgen
Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent. Ein Beispiel dafür ist die Folge (an) =
((-1)n) =-1,1,-1,… im linken Teil von Abbildung 3-1. Eine reelle Folge heißt bestimmt divergent,
wenn für jede 'noch so große' positive reelle Zahl A eine natürliche Zahl N existiert, das dass alle
an mit n>N größer als A (oder kleiner als –A) werden. Die Folge besitzt dann den 'uneigentlichen
Grenzwert +∞ (oder -∞)'.

bestimmt divergente Folge: ( an ) = ( 2n ) = 2, 4,8,16,... (3-7)

Grenzwert: lim an = ∞
n →∞

( an ) = ( ( −2 ) ) = −2, +4, −8, +16,...


n
divergente Folge:
Grenzwert: lim an existiert nicht
n →∞

Rechenregeln zur Bestimmung von Grenzwerten


Addiert, subtrahiert, multipliziert oder dividiert man bei zwei konvergenten Folgen immer die
entsprechenden Glieder, so erhält man eine neue Folge, deren Grenzwert gleich Summe, Diffe-
renz, Produkt oder Quotient der Grenzwerte der ursprünglichen Folgen ist. Durch '0' darf man
jedoch auch hier nicht teilen:
3. Grenzwerte und Reihen 31

Beispiele: (3-8)
 1 1
lim  2 +  = lim 2 + lim = 2 + 0 = 2
n →∞
 n  n→∞ n →∞ n

 1 1
 1 +  lim1 + lim
 n +1  n = n→∞ n→∞ n = 1 + 0 = 1
lim 
n →∞ 3n + 2
 = lim  2 1 3+ 2⋅0 3
  n →∞
 3 +  lim 3 + 2 lim
 n  n→∞ n →∞ n

Reihen
Wir betrachten die komplexe Folge (an) und die Folge von Partialsummen Sn:

Folge: ( an ) (3-9)
N
Partialsummen: S N = ∑ an
n =1

neue Folge: ( SN )

existiert lim S N = ∑ an ≡ S ,
N →∞
n =1

dann nennen wir S eine konvergente Reihe

Beispiele für Reihen


∞ (3-10)
Reihe: 1 1 1 1 1
∑ 4n = + + + + ...
n =1
2
− 1 3 15 35 63
N 1 2 3 4 ... ∞
1 2 3 4 1
SN ...
3 5 7 9 2
= 0.3 0.40 0.428571 0.4 ... 0.50
Grenzwert: 1
S=
2
Beweis:
Aufspalten: 1 1 1 1 1 
= =  −
4n − 1 2
( 2n − 1)( 2n + 1) 2  2n − 1 2n + 1 
neu zusammenfassen: 1 ∞  1 1  1 1 1 1 1 1 1 
∑  −  = 1 − + − + − + − ... 
2 n =1  2n − 1 2n + 1  2  3 3 5 5 7 7 
1
=
2

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32 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium


Harmonische Reihe: 1 1 1 1 (3-11)
∑ n = 1 + 2 + 3 + 4 + ...
n =1

N 2 3 4 5 ... ∞
3 11 25 137
SN ... ∞
2 6 12 60
= 1.50 1.83 2.083 2.283 ... ∞
( divergiert bestimmt )
Potenzreihen
∞ (3-12)
Potenzreihe: ∑α n =1
n xn , αn , x ∈ ℂ

Beispiele
∞ ∞ (3-13)
Geometrische Reihe:
∑ x n−1 = 1 + x + x 2 + x3 + ... = ∑ x n
n =1 n =0

Grenzwert: für jedes x ∈ ℂ mit x < 1 ist



1
∑x n
=
n =0 1− x
Beweis:
(1 − x ) ⋅ (1 + x + x 2 + ... + x N −1 ) = (1 − x + x − x 2 + x 2 ... − x N −1 + x N −1 − x N )
= 1− xN
1− xN
also: S N = 1 + x + x 2 + ... + x N −1 =
1− x
1 − lim x N 1
und S = lim S N = N →∞
= für x < 1
N →∞ 1− x 1− x

für x = -1: ∑ ( −1) ,
n
divergiert unbestimmt, siehe Abbildung 3.1 links
n =0

Mit Fakultät: n ! = 1⋅ 2 ⋅ 3 ⋅… n, ( 0! ≡ 1) (3-14)



Exponentialreihe: xn x2 x3
∑ = 1 + x + + + ...
n =0 n ! 2 2⋅3

Konvergenz: xn
für jedes x ∈ ℂ ist ∑ = ex ( Exponentialfunktion )
n =0 n !

mit 1
e=∑ = 2.71828182846... ( keine Periode!)
n =0 n !

Der Konvergenzbeweis kommt gleich beim Quotientenkriterium.


Mit der Exponentialreihe lässt sich auch das
3. Grenzwerte und Reihen 33

Multiplikationstheorem e x e y = e x + y , ∀
 x, y ∈ ℂ (3-15)
'für alle'

und e = cos x + i sin x, ∀x ∈ ℝ


ix

beweisen.

Mit Binominalkoeffizienten:  α  α ⋅ (α − 1) ⋅ (α − 2 ) ⋅… (α − ( n − 1) ) (3-16)


 ≡
n  n!
Binominalreihe (α >0 ) : ∞
α  α (α − 1) 2
( ) ∑   xn = 1 + α x +
α
1 + x = x + ...
n =0  n  2
konvergiert für jedes x <1
Beispiel α = 1/ 2: 1 1 1
1 + x = (1 + x ) = 1+ x − x 2 + x 3 + ...
1/ 2

2 8 16
Die Reihe konvergiert sehr schnell, die Glieder werden sehr schnell klein. Man kann daher mit
(3-16) auch krumme Potenzausdrücke sehr gut annähern.
Konvergenzkriterien
Majorantenkriterium (3-17)

Reihe:
∑a
n =1
n


konvergente Reihe:
∑ b , mit b
n n > 0 ∀n ∈ ℕ
n =1

Kriterium:
gilt für fast
  n:
alle an < bn dann konvergiert ∑ an
'bis auf endlich n =1
viele Ausnahmen'

Beweis: ∞ ∞ ∞
S − SN = ∑ an ≤ ∑ an ≤ ∑b n → 0
für N →∞
n = N +1 n = N +1 n = N +1

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34 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Quotientenkriterium: (3-18)
 an +1
konvergiert, wenn fast
 immer
 ≤ δ < 1 ist
∞  'bis auf endlich an
∑a n  viele Ausnahmen'

n =1  an +1
divergiert, wenn fast immer ≥ δ > 1 ist
 an
Beweis:
aus an +1
≤δ
an
folgt a2 ≤ δ ⋅ a1 , a3 ≤ δ ⋅ a2 ≤ δ 2 ⋅ a1 ,… , an ≤ δ n ⋅ a1
Majorante: ∞ ∞ ∞
a1
∑ an ≤ ∑ an ≤ a1
n =1 n =1
∑δ
n =1
n
=
1−δ

konvergiert

Anwendung des Quotientenkriteriums: (3-19)


Exponentialreihe: x ∞ x n
e =∑
n =0 n !

Konvergenz: x n +1
an +1
=
( n + 1)! = n ! x n+1 = x ≤ δ < 1 ∀n ≥ x − 1
an xn ( n + 1)! x n n + 1 δ
n!

Übungsaufgaben:
1. Berechnen Sie die Grenzwerte folgender Folgen ( falls sie existieren ) (3-20)
1 + 2 + 3 + ... + n
a)
n
1 + 2 + 3 + ... + n n
b) −
n+2 2
n
c) i
in
d)
n
e) n ( n +1 − n )
3. Grenzwerte und Reihen 35

2. Berechnen Sie 3 in 2. Ordnung einer Reihenentwicklung

( Trick: 3 = 2 1 − 14 )
3. Was läßt sich mit Hilfe des Quotientenkriteriums über
Konvergenz oder Divergenz der harmonischen Reihe sagen?
4. Beweisen Sie mit Hilfe der Binomialreihe, dass
n
 1
lim 1 +  = e
n →∞
 n
ist.

xn
5. Aus ∑ = ex und e x ⋅ e y = e x + y
n=0 n !

( x + y)
n

xn ∞ yn ∞
folgt ∑ ⋅ ∑ =∑
n =0 n ! n =0 n ! n =0 n!
Rechnen Sie dies bis zu Termen 4. Ordnung nach!
( D.h. nur Terme x k
y l mit k + l ≤ 4 sollen berücksichtigt werden )

6. Beweisen Sie die Konvergenz der Binomialreihe



α 
(1 + x )
α
= ∑   xn für x < 1 und α > 0
n=0  n 

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4. Reelle Funktionen einer reellen
Veränderlichen
Reellwertige Funktionen
Eine Funktion oder Abbildung ordnet jedem Punkt aus dem Definitionsbereich genau einen
Punkt in einem Wertebereich oder Bild zu:

Definitionsbereich: x∈M ⊂
 ℝ (4-1)
Teilmenge

reelle Funktionswerte: y = f ( x)
Wertebereich: f ( M ) = { y ∈ ℝ, mit y = f ( x ) , x ∈ M }
allgemeiner Abbildungsbegriff: f :M →ℝ

Funktion f bildet den
Definitionsbereich M auf
die reellen Zahlen ℝ ab

Geometrische Interpretation
Die Funktion f kann durch Punkte in einem Koordinatensystem als Graph dargestellt werden.

  (4-2)
 
Graph oder Kurve von f : ( x, f ( x ) ) , mit x ∈ M 
 
Vektor
 
Oft bildet die Menge aller dieser Punkte eine zusammenhängende Kurve. Man spricht dann von
einer stetigen Funktion.

Abbildung 4-1:Veranschaulichung der Funktion f als Graph oder Kurve in einem Koordinatensystem

Physikalische Beispiele
Bei einem Fallexperiment lässt man einen Körper vor einem Maßstab fallen. Eine Kamera macht
alle 0.1 Sekunden ein Bild. Auf den Bildern kann man dann zu jedem Zeitpunkt t=0, 0.1, 0.2, …
die Fallhöhe auf 2 cm genau ablesen.
38 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Messwerte: (4-3)
 t 0 .1 .2 .3 .4 .5 .6 .7 .8 .9 1 sek
 ( Min )
h 480 480 460 440 400 360 300 240 160 80 0 cm
 ( Max )
h 500 500 480 460 420 380 320 260 180 100 0 cm
Funktion: h ( t ) = 500cm − 500 ⋅ t cm / sek 2 2

Die Funktion h(t) ist so gewählt, dass sie zu jedem Messzeitpunkt t=0, 0.1, …sek durch das ge-
messene, 20 cm große Intervall geht.

Abbildung 4-2:Physikalische Verwendung einer Funktion h(t) zur Beschreibung von Höhenmesswerten bei einem Fallexpe-
riment.
Aus den Messwerten kann man auf die mittlere Geschwindigkeit des Körpers zwischen zwei
Messzeitpunkten schließen. Da die Messung der Fallhöhe jedoch mit einer Ungenauigkeit oder
Unschärfe behaftet ist, erhält man aus der Messung nur eine Abschätzung über die minimale und
maximale mittlere Geschwindigkeit zwischen zwei Messpunkten.
Mittlere Geschwindigkeiten: (4-4)
 ( Min ) h( Min ) ( tn +1 ) − h( Max ) ( tn )

h ( tn +1 ) − h ( tn )  n ,n +1
v
∆t
vn ,n +1 ≡ , 
∆t  ( Max ) h ( Max )
( tn +1 ) − h( Min ) ( tn )
 vn ,n +1 ≡ ∆t
 0.0 − 0.1 − 0.2 − 0.3 − 0.4 − 0.5 − 0.6 − 0.7 − 0.8 − 0.9 −
 t 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
sek

 ( Min )
 v 200 −0 −0 −200 −200 −400 −400 −600 −600 −800 cm / sek

 v( Max ) −200 −400 −400 −600 −600 -800 -800 -1000 -1000 -1000 cm / sek


Funktion: v ( t ) = −1000 ⋅ t cm / sek 2
Wieder kann man eine Funktion der Zeit angeben, diesmal für die Geschwindigkeit v.
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 39

Abbildung 4-3: Physikalische Verwendung einer Funktion v(t) zur Beschreibung der Geschwindigkeit eines Körpers bei
einem Fallexperiment.
Messungen sind immer mit einem Messfehler oder einer Unschärfe behaftet und können nur zu
endlich vielen Zeitpunkten stattfinden. Durch die Beschreibung des Fallvorganges mit Funktio-
nen wird der raum-zeitlich Prozess des Fallens zu der Bewegung auf einer Bahnkurve idealisiert.
Das ist die Grundlage der gesamten klassischen Mechanik. Auf ihr lassen sich sehr viele Proble-
me lösen.
Wir haben nun die Vorstellung entwickelt, dass sich der fallende Körper tatsächlich auf einer
solchen 'Bahnkurve' bewegt, die wir durch die Funktionen h(t) und v(t) beschreiben. Tatsächlich
kann in der Natur eine solche Bahnkurve grundsätzlich nicht beliebig genau beobachtet werden.
Es gibt eine Naturkonstante, das Plancksche Wirkungsquantum h, das die maximale Genauigkeit
einer solchen Messung angibt. Es gilt Grundsätzlich

Ortsunschärfe ⋅ Geschwindigkeitsunschärfe ⋅ Masse ≥ ℏ (4-5)


Plancksches Wirkungsquantum
geteilt durch 2π

Beim obigen Fallexperiment kann das ignoriert werden, bei einem Elektron in einer Brownschen
Röhre wie im Praktikum allerdings nicht.
Die prinzipielle Unschärfe physikalischer Phänomene ist Grundlage etwa für die Atomstrukturen,
das Periodische System der Elemente, die Gesetze der Chemie oder die Halbleiterelektronik.
Bahnkurven zur Beschreibung von Bewegungsabläufen sind ein geniales mathematisches Hilfs-
mittel, das die tatsächlichen Gegebenheiten jedoch nur annähernd wiedergibt.
Als weiteres Beispiel zur Beschreibung physikalischer Zusammenhänge betrachten wir eine Fahr-
radpumpe, bei der wir den Gasaustritt zuhalten und dann mit Kraft den Kolben hineindrücken.
Der notwendige Druck P hängt vom Volumen V des Gases ab und kann nach Van der Waals
unter bestimmten Bedingungen durch die Funktion
c a (4-6)
p (V ) = − 2 , a, b, c konstant
V −b V
beschrieben werden.

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40 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Physikalische Verwendung von Funktionen P(V) zur Beschreibung des Drucks auf den Kolben einer zuge-
Abbildung 4-4:
haltenen Fahrradluftpumpe.
Der Zusammenhang (4-6) gilt bei konstanter Temperatur des Gases im Kolben. Das Minimum
des Druckes kommt daher, dass sich beim Zusammendrücken des Gases ab einem bestimmten
Volumen zuerst die Anziehung der Atome und dann ihre Abstoßung bemerkbar machen.
Eigenschaften von Funktionen
Stetigkeit
Eine reelle Funktion f heißt stetig in einem Punkt x aus M, wenn für alle Folgen x1, x2, x3, ... aus
M, die x zum Grenzwert haben, auch die Bildfolgen f(x1), f(x2), f(x3), …alle denselben Grenzwert
f(x) haben. Ist dies für alle x aus M erfüllt, so heißt die Funktion stetig auf M.
f heißt stetig an der Stelle x, (4-7)
wenn für jede Folge ( xn ) in M mit lim xn = x gilt: lim f ( xn ) = f ( x )
n →∞ n →∞

Abbildung 4-5: Funktion mit einer unstetigen Stelle bei x=X. Die Folge f(x'n) konvergiert gegen einen anderen Grenzwert
als die Folge f(xn).
Umkehrbarkeit
f heißt umkehrbar, wenn es (4-8)
für jedes y ∈ N genau ein x ∈ M gibt mit y = f ( x )

Umkehrfunktion oder Inverse: f -1 : N → M , y → x = f −1 ( y )


Graphisch bedeutet die Umkehrung das Vertauschen der beiden Achsen.
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 41

Abbildung 4-6:
Beispiel einer umkehrbaren Funktion und einer nicht umkehrbaren Funktion. Durch Einschränkung des
Definitionsbereichs auf a≤x≤c wird auch die Funktion rechts umkehrbar.
Die Gleichung für die Umkehrfunktion erhält man durch Auflösen von y=f(x) nach x.
Beispiel:

f: y= 1
4 (x 2
+ 2 ) , mit 0 ≤ x ≤ 4 (4-9)

f −1 : x = 4 y − 2, mit 1
2
≤ y≤ 9
2

Monoton wachsend und fallend


f heißt monoton wachsend, wenn für alle x1 < x2 auch f ( x1 ) ≤ f ( x2 ) ist (4-10)
f heißt streng monoton wachsend, wenn für alle x1 < x2 auch f ( x1 ) < f ( x2 ) ist
f heißt monoton fallend, wenn für alle x1 < x2 auch f ( x1 ) ≥ f ( x2 ) ist
f heißt streng monoton fallend, wenn für alle x1 < x2 auch f ( x1 ) > f ( x2 ) ist

Zusammengesetze Funktionen
Eine Funktion kann in mehreren Schritten aufgebaut werden:

1. Schritt: g : z = g ( x) (4-11)
2. Schritt: h : y = h( z)
(
Zusammen: y = f ( x ) = h ( g ( x ) ) ≡ ( h  g )( x ) )
Es sind natürlich auch mehr als zwei Verknüpfungen möglich.
Beispiele:

g ( x ) = x  (4-12)
1. , f ( x ) = g ( h ( x ) ) = x 3 = x 3/ 2
h ( x ) = x 3 
g ( x) 
2. , f ( x ) = g ( g −1 ( x ) ) = x
h ( x ) = g −1 ( x ) 
g ( x ) = sin ( x ) 
 1
3. 1 , f ( x ) = g ( h ( x ) ) = sin  
h ( x) =  x
x 

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42 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 4-7: Die Funktion f(x)=sin(1/x) oszilliert bei x=0 unendlich oft

Elementare Funktionen
Polynome
n (4-13)
Polynom n'ten Grades: x ֏ P ( x ) = a0 + a1 x + a2 x 2 + ... + an x n = ∑ ak x k , an ∈ ℝ
k =0

Fundamentalsatz der (4-14)


Jedes Polynom n ' ten Grades hat n komplexe Nullstellen
Algebra:
also: Es existieren λk ∈ ℂ, k = 1...n, so dass P ( λk ) = 0 ist
n
daher: P ( x ) = an ( x − λ1 ) ⋅ ( x − λ2 ) ⋅ ... ( x − λk ) = an ⋅ ∏ ( x − λk )
k =1

Mehrfache Nullstellen: λm = λn mit m ≠ n


Komplexe Nullstellen: wenn λm = a + ib Nullstelle, dann auch λn = λm = a − ib
( P ( a + ib ) = 0 ⇒ P ( a − ib ) = 0 )
Beispiele:

 b (4-15)
P1 ( x ) = ax + b = a  x +  ( Gerade )
 a
 b − b 2 − 4ac   b + b 2 − 4ac 
P2 ( x ) = ax 2 + bx + c = a  x + ⋅ x +  ( Parabel )
 2 a   2 a 
   
P3 ( x ) = ax + bx + cx + d
3 2
( Kurve 3. Ordnung )
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 43

Abbildung 4-8: Die Graphen der Gerade P1, Parabel P2 und Kurve 3. Ordnung P3

Rationale Funktionen
Rationale Funktion: (4-16)
Pn ( x )
x ֏ R ( x) = , ( Pn , Qm sind Polynome vom Grade n und m )
Qm ( x )

echt gebrochen: m>n (4-17)


Pn ( x ) p ( x)
unecht gebrochen: n ≥ m, dann: R ( x ) = = ri ( x ) + k
Qm ( x ) Polynom
 q ( x)
l
echt gebrochen

Pol k-ter Ordnung: Qm ( x0 ) = 0 und Pn ( x0 ) ≠ 0 ⇒ lim R ( x0 ) = ∞


 x → x0
k'fache Nullstelle

 0 für m > n

Asymtotik: lim R ( x ) = endlich für m = n
x →∞
 ±∞ für m < n

Beispiel:

ax + b (4-18)
Hyperbel: R ( x ) =
cx + d
-d
Pol 1. Ordnung: x =
c
a
Asymtotik: lim R ( x ) =
x →∞ c

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44 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 4-9: Der Graph der Hyperbelfunktion

Irrationale Funktionen
Sie entstehen zum Beispiel bei der Umkehrung von Polynomen
Beispiel

Funktion y = xn , ( x > 0) (4-19)


Irrationale Umkehrfunktion: x = n y

Abbildung 4-10: Die Graphen einfacher irratonaler Funktionen nach (4-19)

Transzendente Funktionen
Exponentialfunktion und Logarithmus
Sie lassen sich nicht durch die Anwendung endlich vieler elementarer Rechenoperationen definie-
ren, sondern nur durch unendliche Reihen.
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 45

Exponentialfunktion: (4-20)

xn
exp ( x ) ≡ ∑
n =0 n!
exp ( 0 ) = 1
exp (1) = e = 2.71828182846...
Potenzgesetze: exp ( x ) ⋅ exp ( y ) = exp ( x + y )
Inverse: exp ( x ) ⋅ exp ( − x ) = exp ( 0 ) = 1
1
⇒ exp ( − x ) =
exp ( x )
Schreibweise bietet sich an: exp ( x ) ≡ e x
1
e x ⋅ e y = e x + y , e0 = 1, e1 = e, e − x = x
 e

Rechenregeln für Potenzen!

Umkehrfunktion der Exponentialfunktion


Exponentialfunktion: y = exp ( x ) > 0 (4-21)
Umkehrfunktion ( Logarithmus ) : x = exp −1 ( y ) ≡ ln ( y )
  
−1 1 y > 0!
≠ exp ( y ) = !
exp( y )

mit ln ( x ⋅ y ) = ln ( x ) + ln ( y )
 x
ln   = ln ( x ) − ln ( y )
 y
Umrechnung in andere Grundzahl als e:

a x = ( eln a ) = eα x , mit α = ln a (4-22)


x
e→ a:
Logarithmus zur Basis a : a log x = a log eln x = a log e ⋅ ln x
Zehnerlogarithmus : log x ≡10 log x

Abbildung 4-11: Die Graphen von Exponentialfunktion und Logarithmusfunktion

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46 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Trigonometrische Funktionen

x 2 n+1 x 3 x5 (4-23)
sin ( x ) ≡ ∑ ( −1) = x − + − ...
n

n =0 ( 2n + 1)! 3! 5!

x2n x2 x4
cos ( x ) ≡ ∑ ( −1) = 1 − + − ...
n

n =0 ( 2n ) ! 2! 4!
Eulersche Formel:
cos ( x ) + i sin ( x ) = 1 + ix −
x 2 x3 x 4

(i )
i +  =e
ix

+i2
2! + i3 3! i4 4!
und cos ( x ) − i sin ( x ) = e− ix ( ii )
( i ) + ( ii ) : cos ( x ) = (e + e )
1 ix − ix
2 2
( i ) − ( ii ) : sin ( x ) = ( eix − e− ix )
1
2i 2i

Abbildung 4-12: Die Graphen der sin- und cos Funktion

sin ( x + n ⋅ 2π ) = sin ( x ) (4-24)


Periode: für n ∈ ℤ : 
cos ( x + n ⋅ 2π ) = cos ( x )
sin ( - x ) = − sin ( x ) ( antisymmetrisch )
Symmetrie: 
cos ( - x ) = + cos ( x ) ( symmetrisch )
Ein Punkt auf dem Einheitskreis hat die Koordinaten

 x = cos φ (4-25)

 y = sin φ
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 47

Abbildung 4-13: Sinus und Cosinus als Koordinaten eines auf dem Einheitskreis umlaufenden Vektors

Weitere trigonometrische Funktionen

sin ( x ) (4-26)
Tangens: tan ( x ) ≡
cos ( x )
cos ( x ) 1
Kotangens: cot ( x ) ≡ =
sin ( x ) tan ( x )
x3 x5
Sinus Hyperbolicus:
2
( e − e ) = x + + + ...
1 x −x
sinh ( x ) ≡
3! 5!

Kosinus Hyperbolicus: cosh ( x ) ≡ ( e x + e− x ) = 1 + + + ...


1 x2 x4
2 2! 4!

Abbildung 4-14: Die Graphen der Exponential- und Hyperbelfunktionen

Trigonometrische Umkehrfunktionen
arcsin ( x ) ≡ sin −1 ( x ) x ∈ [ −1,1] (4-27)
arccos ( x ) ≡ cos −1 ( x ) x ∈ [ −1,1]
arctan ( x ) ≡ tan −1 ( x ) x∈ℝ
arccot ( x ) ≡ cot −1 ( x ) x∈ℝ

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48 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 4-15: Die Graphen der Umkehrfunktionen des Sinus und des Kosinus

Übungsaufgaben
1. Suchen Sie die Nullstellen der folgenden Polynome und skizzieren Sie (4-28)
die zugehörigen Graphen:
a) f ( x) = 2x + 2
b) f ( x ) = x2 − x − 2
c) f ( x ) = −x2 + 2x −1
d) f ( x ) = 12 x 2 − x + 1
e) f ( x ) = x3 − x

2. 1 (4-29)
Skizzieren Sie für die Funktionen aus Aufgabe 1 die Graphen von
f ( x)

3. 3x 2 − 7 x + 1 (4-30)
Schreiben Sie die Funktion als Summe eines Polynoms
x −1
und einer echt gebrochenen rationalen Funktion

4. Skizzieren Sie die Graphen von (4-31)


a) f ( x) = 1− x, ( x ≤ 1)
b) f ( x ) = 1 − x2 , ( x ≤ 1)

5. Skizzieren Sie den Graphen der in Physik und Statistik wichtigen Gaußfunktion (4-32)
f ( x) = e −λ x2
für λ = 1 und λ = 4
4. Reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen 49

6. Skizzieren Sie die Graphen von (4-33)


a) f ( x ) = tan ( x )
b) f ( x ) = cot ( x )
Diskutieren Sie die Periodizität, Symmetrie und Stetigkeit dieser Funktionen

7. Beweisen Sie mit der Eulerschen Formel die Additionstheoreme (4-34)


a) sin ( x + y ) = sin ( x ) ⋅ cos ( y ) + cos ( x ) ⋅ sin ( y )
b) cos ( x + y ) = cos ( x ) ⋅ cos ( y ) − sin ( x ) ⋅ sin ( y )
c) Was erhält man in beiden Fällen für y = - x

8. Beweisen Sie die Formeln (4-35)


a) a
log x = log e ⋅ ln x
a

1
b) a
log e =
ln a

9. Drücken Sie die Funktionen arcsinh=sinh -1 und arccosh=cosh -1durch die (4-36)
Logarithmus- und Wurzelfunktionen aus. Bestimmen Sie dazu die Funktionen
( ) (
f und g mit sinh ln ( f ( x ) ) = x und cosh ln ( g ( x ) ) = x. )

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5. Differentialrechnung
Begriff der Ableitung
Verwendete Begriffe
Graph: Eindimensionale, gekrümmte Linie (5-1)
Sekante: Gerade durch zwei Punkte eines Graphen
Tangente: Gerade, die einen Graphen in einem Punkt berührt

Sekante einer Funktion, Differenzenquotient


Funktion: f : x → f ( x) (5-2)
 
Punkte auf dem Graphen: P1 = ( x0 , f ( x0 ) ) , P2 = ( x0 + ∆x, f ( x0 + ∆x ) )

{ }
 
Sekante durch P1 und P2 : ( x, g s ( x ) ) x ∈ ℝ
f ( x0 + ∆x ) − f ( x0 )
mit gs ( x ) = f ( x0 ) + ( x − x0 )
∆x
f ( x0 + ∆x ) − f ( x0 )
es gilt: g s ( x0 ) = f ( x0 ) + (
x0 − x0 ) = f ( x0 )
∆x  
=0

f ( x0 + ∆x ) − f ( x0 )
g s ( x0 + ∆x ) = f ( x0 ) + (
x0 + ∆x − x0 ) = f ( x0 + ∆x )
∆x  
=∆x

Zuwachs von f ( x0 ) zu f ( x0 + ∆x ) : ∆y ≡ f ( x0 + ∆x ) − f ( x0 ) (5-3)


∆y
Steigung der Sekante: ( Differenzenquotient )
∆x
Tangente einer Funktion, Differentialquotient
f ( x + ∆x ) − f ( x ) (5-4)
wenn lim existiert:
∆x → 0 ∆x
Tangente in x0 : {( x, g ( x ) ) | x ∈ ℝ}
t

mit g t ( x ) ≡ lim g s ( x )
∆x → 0

dy ∆y
Steigung der Tangente: ≡ lim ( Differentialquotient )
dx ∆x →0 ∆x
52 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 5-1: Schaubild einer Funktion mit Sekante und Tangente


1. Ableitung der Funktion f
f ( x + ∆x ) − f ( x ) (5-5)
existiert lim in x,
∆x → 0 ∆x
f ( x + ∆x ) − f ( x )
dann bezeichnet man f ′ ( x ) ≡ lim
∆x → 0 ∆x
als erste Ableitung der Funktion f in x.
Verschiedene Schreibweisen für die erste Ableitung:

f ( x + ∆x ) − f ( x ) dy df ( x ) d  d  d
lim ≡ f ′( x) ≡ ≡ ≡ f ( x) ≡  f ( x) ≡ f ≡ dx f ( x)
∆x → 0 ∆x dx dx dx  dx  dx x

(5-6)

Die Brüche meinen dabei nicht wirklich Quotienten, sondern sind reine Symbole oder Kurz-
schreibweisen für den Grenzwert!
Die erste Ableitung im Punkt x ist gleich dem Tangens des Winkels zwischen der Tangente in x
und der Abszisse

f ′ ( x ) = tan α (5-7)

Abbildung 5-2: Schaubild einer Funktion mit Tangente


5. Differentialrechnung 53

Gegenbeispiele für die Existenz einer Ableitung


Abbildung 5-3 zeigt zwei Funktionen, in denen der Differenzenquotient in x0 keinen eindeutigen
Grenzwert hat.

Abbildung 5-3: Schaubild von Funktionen, für die die 1. Ableitung in x0 nicht definiert ist
Höhere Ableitungen
df ( x ) (5-8)
d f ( x)
2 d
f ′′ ( x ) ≡ f ( ( x) ≡ f ′ )′ ( x )
(
2) dx =
2. Ableitung: ≡
dx 2 dx  
( Ableitung der 1. Ableitung )

n. Ableitung: f ( n) ( x ) ≡ (
f ( ) ) ( x)

n −1


( Ableitung der ( n -1). Ableitung )

Geschwindigkeit als Ableitung einer Bahnkurve


Gemessene Geschwindigkeit: innerhalb des Zeitinveralls
[t0 ,t0 +∆τ ] zurückgelegter Weg
(5-9)
 
xt0 +∆t − xt0 ∆x
v[t0 ,t0 +∆t ] ≡ ≡

t ∆t
für den Weg ∆x
benötigte Zeitspanne

Interpolation des Weges durch Bahnkurve: xt0 , xt0 +∆t → x : t → x ( t )


Funktion

Definition der Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t : x ( t + ∆t ) − x ( t )


v ( t ) ≡ lim
∆t → 0 ∆t
≡ x′ ( t ) ≡ xɺ ( t )

Schreibweise für
Zeitableitungen

Die Ableitungen nach der Zeit bezeichnet man üblicherweise mit einem Punkt über der Funkti-
on.
Es wird klar, dass die Geschwindigkeit in einem Punkt reine Definition ist, also ein mathemati-
sches Hilfsmittel der Physik. Wirklich beobachtbar oder messbar sind nur mittlere Geschwindig-
keiten. Die Geschwindigkeit in einem Punkt oder die Position ist prinzipiell mit einer Unschärfe
behaftet. Das wird in der Quantenmechanik wichtig und erklärt zum Beispiel die Eigenschaften
von Atomen.

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54 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Beispiele für Ableitungen


f ( x ) = xn : f ( x + ∆x ) − f ( x ) ( x + ∆x ) − x n
n (5-10)
lim = lim
∆x → 0 ∆x ∆x →0 ∆x
Terme mit ∆x n , n ≥ 2
 
x + nx ∆x + O ( ∆x 2 ) − x n
n n −1

= lim = lim ( nx n −1 + O ( ∆x ) ) = nx n −1
∆x → 0 ∆x ∆x → 0

f ( x ) = sin ( x ) : f ( x + ∆x ) − f ( x ) sin ( x + ∆x ) − sin ( x ) (5-11)


lim = lim
∆x → 0 ∆x ∆x →0 ∆x
siehe 1. Kapitel ( Folgerung aus Moivreschen Formel )
  
→1
  
cos ( x ) sin ( ∆x ) + sin ( x ) cos ( ∆x ) − sin ( x )
= lim
∆x → 0 ∆x
sin ( ∆x )
= cos ( x ) lim
∆x → 0 ∆x
Abschätzung: mit sin
 α ≤  α ≤ tan α, (α < π / 2 )
siehe Einheitskreis

α 1
ist 1≤ ≤
sinα cos α
α 1
und 1 = lim1 ≤ lim1 ≤ lim ≤1
α →0 α →0 sinα α →0 cos α
∆x
also lim =1
∆x → 0 sin ( ∆x )

also sin′ ( x ) = cos ( x )


und analog

cos′ ( x ) = − sin ( x ) (5-12)

Abbildung 5-4: Winkel im Einheitskreis zur Abschätzung: sinα<α<tanα


5. Differentialrechnung 55

∞ (5-13)
xn
f ( x ) = ex = ∑ :
n=0 n !

Nach Definition von e x
in Kap. 3

Nebenrechnung: Terme mit ∆x n , n ≥ 2



 
e −1∆x 1 + ∆x + O ( ∆x 2 ) −1
lim = lim =1
∆x →0 ∆x ∆x → 0 ∆x
also: d x e x +∆x − e x e x e ∆x − e x e ∆x − 1 x
e = lim = lim = e x lim =e
dx ∆x → 0 ∆x ∆x →0 ∆x ∆x → 0 ∆x

Rechenregeln der Differentation


Aus den beiden Funktionen

f : x → f ( x), g : x → g ( x ) , differenzierbar für alle x∈


M (5-14)
'x aus Definitions-
bereich von f'

werden neue Funktionen gebildet


Summenregel
(5-15)
(α f ( x ) + β g ( x ) ) ≡ α f ′ ( x ) + β g ′ ( x ) , (α , β ∈ ℝ konstant )
d
dx
Beweis: d α f ( x + ∆x ) + β g ( x + ∆x ) − (α f ( x ) + β g ( x ) )
dx
( α f ( x ) + β g ( x ) ) = lim
∆x → 0 ∆x
f ( x + ∆x ) − f ( x ) g ( x + ∆x ) − g ( x )
= α lim + β lim
∆x → 0 ∆x ∆x → 0 ∆x
= α f ′( x) + β g′( x)

( 4 x 3 + x + 3) = 12 x 2 + 1
d (5-16)
Beispiele:
dx

(
d 10
dx
x + 2 ) = 10 x 9

d 3
dx
( x + x 2 + x + 1) = 3 x 2 + 2 x + 1

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56 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Kettenregel
(5-17)
f ( g ( x)) = f ′ ( g ) g′ ( x)
d
dx
Beweis mit ∆g = g ( x + ∆x ) − g ( x ) :
f ( g ( x + ∆x ) ) − f ( g ( x ) ) f ( g + ∆g ) − f ( g ) ∆g
f ( g ( x ) ) ≡ lim
d
= lim
dx ∆x → 0 ∆x ∆x → 0 ∆g ∆x
f ( g + ∆g ) − f ( g ) g ( x + ∆x ) − g ( x )
= lim lim
∆g → 0 ∆g ∆x → 0 ∆x
= f ′ ( g ) ⋅ g′ ( x)

Beispiele: (5-18)

sin ( x 2 ) = sin ′ ( g ) ⋅ g ′ ( x ) = cos ( g ) ⋅ 2 x = cos ( x 2 ) ⋅ 2 x


d
dx  
g ( x)= x
2

sin ( cos ( x ) ) = sin ′ ( g ) ⋅ g ′ ( x ) = cos ( cos ( x ) ) ⋅ ( − sin ( x ) )


d
dx  
g ( x ) = cos ( x )

d
dx
( )
sin cos ( sin ( x ) ) = sin ′ ( u ) ⋅ cos′ ( v ) ⋅ sin ′ ( x )
 
u ( x ) = cos ( sin ( x ) ) v ( x ) =sin ( x )

(
)( )
= cos cos ( sin ( x ) ) ⋅ − sin ( sin ( x ) ) ⋅ cos ( x )
d   d 
sin ( x ) ⋅ cos ( x ) =  sin ( x )  ⋅ cos ( x ) + sin ( x ) ⋅  cos ( x ) 
d 2 3 2 3 2 3

dx  dx 
  dx 
Produktregel

 d   d 
= sin ′ ( g ) ⋅  x 2  ⋅ cos ( x 3 ) + sin ( x 2 ) ⋅ ( cos′ ( u ) ) ⋅  x 3 
   dx     dx 
g ( x )= x
2 3
u ( x )= x

= cos ( x 2 ) ⋅ 2 x ⋅ cos ( x 3 ) + sin ( x 2 ) ⋅ − sin ( x 3 ) ⋅ 3 x 2 ( )


5. Differentialrechnung 57

Produktregel
d (5-19)
f ( x) ⋅ g ( x) = f ′ ( x) g ( x) + f ( x) g′ ( x)
dx 
 
df ( x )⋅ g ( x )

d
dx
( f ( x )⋅ g ( x ) ) ≡ dx

d f ( x + ∆x ) g ( x + ∆x ) − f ( x ) g ( x )
Beweis: f ( x ) ⋅ g ( x ) ≡ lim
dx ∆x → 0 ∆x
=0
 
f ( x + ∆x ) g ( x + ∆x ) − f ( x ) g ( x + ∆x ) + f ( x ) g ( x + ∆x ) − f ( x ) g ( x )
= lim
∆x → 0 ∆x
f ( x + ∆x ) − f ( x ) g ( x + ∆x ) − g ( x )
= lim g ( x + ∆x ) + f ( x ) lim
∆x → 0 ∆x ∆x → 0 ∆x
= f ′ ( x) g ( x) + f ( x) g′ ( x)

d 2 d  d  (5-20)
Beispiele: x =  x  x + x  x  = 2x
dx 
dx  
dx 
=1 =1

d n d   d   d 
x =  xx ⋅…+ x ⋅ x  
x x ⋅…+ x ⋅ x ⋅ x  
x x ⋅… + … = nx n −1
x
dx  xn−1
dx  xn−2
dx  xn−3
dx
=1 =1 =1

d
( sin ( x ) ) = 2 sin ( x ) sin ′ ( x ) = 2sin ( x ) cos ( x )
2

dx
d 2
x cos x = − x 2 sin ( x ) + 2 x cos ( x )
dx

Quotientenregel
d f ( x ) f ′ ( x ) f ( x) g′ ( x) f ′ ( x) g ( x) − f ( x) g′ ( x) (5-21)
= − =
dx g ( x ) g ( x ) g ( x)
2
g ( x)
2

Beweis: d f ( x) 1 d 1 f ′( x)  d 1 ′
= f ′( x) + f ( x) = + f ( x)   g ( x)
dx g ( x ) g ( x) dx g ( x ) g ( x ) du
 
u
  
Produktregel 1
=−
u2
( Kettenregel,
g ( x ) =u )

f ′( x) f ( x) g′( x)
= −
g ( x) g ( x)
2

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58 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

d x 2 + 1 dx (
x + 1) ( x 2 + 1) ( x 4 − 2 )
Beispiele: d 2 d (5-22)
= − dx =
2x

( x 2 + 1) 4 x3
dx x 4 − 2 x4 − 2 ( x4 − 2) x 4 − 2 ( x 4 − 2 )2
2

=
( 2x 5
− 4 x ) − ( 4 x5 + 4 x 3 )
=
−2 x5 − 4 x3 − 4 x
(x − 2) (x − 2)
4 2 4 2

d sin ( x ) sin ′ ( x ) sin ( x ) ⋅ cos′ ( x ) cos ( x ) sin ( x ) ⋅ ( − sin ( x ) )


tan′ ( x ) = = − = −
dx cos ( x ) cos ( x ) cos ( x )
2
cos ( x ) cos ( x )
2

cos ( x ) + sin ( x )
2 2
1
= =
cos ( x ) cos ( x )
2 2

d cos ( x ) 1
cot ′ ( x ) = =… = −
dx sin ( x ) sin ( x )
2

( x)′ ( x) f ( x) ′( x )
f   g  g
( 2 x cos ( x ) − x 2 sin x ) ⋅ sin 2 ( x ) − x 2 cos ( x ) ⋅ 2sin ( x ) cos ( x )
  
d x cos ( x )
2

=
dx sin ( x )2 sin ( x )
4

Inversenregel
mit d −1 1 (5-23)
y = f −1 ( x ) ist f ( x) =
dx f ′( y)
Beweis: y = f −1 ( f ( y ) )

f ( f ( y ) ) = f −1′ ( x ) ⋅ f ′ ( y )
d d −1
1= y=
dy dy  
Kettenregel mit x = f ( y )

1
also: f −1′ ( x ) =
f ′( y)

Beispiele: (5-24)
= arcsin ( x ) : 1 1 1 1
y  arcsin′ ( x ) = = = =
sin′ ( y ) cos ( y )

y∈ − π , π  x∈[ −1,1] 1 − sin ( y ) 1 − x2
2
 2 2

y = arccos (
x) :
arccos′ ( x ) =
1
=
1
=
1
=
−1
cos′ ( y ) − sin ( y ) − 1 − cos ( y )2

y∈[ 0,π ] x∈[ −1,1] 1 − x2

y = arctan ( x ) : 1 cos ( y )
2

arctan′ ( x ) = = cos ( y ) =
2
y∈ − π2 , π2 
tan′ ( y ) sin ( y ) + cos 2 ( y )
2

cos ( y )
2
1 1
= = =
cos ( y ) + sin ( y ) 1 + tan ( y ) 1 + x 2
2 2 2

1 n −1 1
− −1
y=
n
=
xxn : d n 1 1 1 x n xn

x >0
x= = n −1 = n −1
= =
dx d n ny nn x n n
y
dy
5. Differentialrechnung 59

Die Definitionsbereiche der inversen Funktionen müssen sorgfältig berücksichtigt werden

Abbildung 5-5: Funktionen und Inversen aus (5-24)

Differentiation von Potenzreihen


∞ (5-25)
Allgemein: wenn ∑a x n
n
< ∞, ist
n =0

d ∞ ∞ ∞

∑ an x n = ∑ nan x n −1 = ∑ ( n + 1) an +1 x n
dx n = 0 n =1 n =0

Beispiele:
d x d ∞
xn ∞
x n −1 ∞
x n −1 ∞
xn
e = ∑ = ∑ n =∑ = ∑ = ex
dx dx 
n =0 n !
 n =1
 
( n)! n =1 ( n − 1) ! n=0 n !

x 2 x3 x4 x x2 x3
1+ x + + + +... 0 +1+ 2 + 3 + 4 +...
2 2⋅3 2⋅3⋅4 2 2⋅3 2⋅3⋅4

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60 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

d ∞ x 2 n +1 ∞
x 2n ∞
n x
2n (5-26)
sin′ ( x ) = ∑ ( ) ( 2n + 1)! ∑
− = ( ) (
− + ) = ∑ ( ) ( 2n ) !

n n
1 1 2 n 1 1
dx n =0
  n=0 ( 2n + 1) ! n = 0
 x3 x5 x7 ′ 1−
x2 x4
+ −
x6
+
x8
...
 x − + − +... 
 2 2⋅3⋅4 2⋅3⋅4⋅5⋅6 2⋅3⋅4⋅5⋅6⋅7⋅8
 2⋅3 2 ⋅3 ⋅ 4 ⋅5 2 ⋅3⋅ 4 ⋅5⋅ 6 ⋅7 

= cos ( x )
d ∞ n x
2n ∞
x 2 n −1 ∞
x 2 n +1
cos′ ( x ) = ∑ ( ) ( 2n ) ! ∑
− = ( )
− = − ( )

n n

dx n =0
1
n =1
1 2 n
( 2n ) !

n =0
1
( 2n + 1)!
     
 x2 x 4 x6 ′ − x+
x3

x5
+
x7
−...
 1− + − +...
 2⋅3 2⋅3⋅4⋅5 2⋅3⋅4⋅5⋅6⋅7
 2 2 ⋅3⋅ 4 2 ⋅3⋅ 4 ⋅5⋅6 

= − sin ( x )
d ∞ x 2 n +1 ∞
x 2n
sinh′ ( x ) = ∑ = ∑ = cosh ( x )
dx n =0 ( 2n + 1) ! n =0 ( 2n ) !
d ∞ x2n ∞
x 2 n +1
cosh′ ( x ) = ∑ =∑ = sinh ( x )
dx n =0 ( 2n ) ! n = 0 ( 2n + 1) !

Der Satz von Taylor


Funktion f: x → f ( x ) sei für alle x ∈ ]a, b[ n mal stetig differenzierbar (5-27)
 
' x aus offenem
Intervall'
( also a < x <b )
Entwicklungspunkt: x0 ∈ ]a, b[
Satz von Taylor: zu jedem x ∈ ]a, b[ existiert eine Zwischenstelle z ( x ) ∈ ] x0 , x[ ,
so dass
f ′′ ( x0 )
f ( x ) = f ( x0 ) + f ′ ( x0 )( x − x0 ) + ( x − x0 ) + …
2

2!
f ( n −1)
( x0 ) x − x n −1 + f ( z ( x ) ) x − x n
(n)
…+ ( 0) ( 0)
( n − 1)! n!
Taylor-Polynom: f ′′ ( x0 )
pn ( x ) ≡ f ( x0 ) + f ′ ( x0 )( x − x0 ) + ( x − x0 ) + …
2

2!
f ( ) ( x0 )
n −1
f ( n ) ( x0 )
( x − x0 ) + ( x − x0 )
n −1
…+
n

( n − 1)!   n! 
f ( ) ( x0 ) anstatt
n

f ( ) ( z ( x ) )!
n

n
f ( k ) ( x0 )
=∑ ( x − x0 )
k

k =0 k!
Nach Taylor kann man die Funktion f(x) also durch ihre Funktionswerte und Ableitungen im
beliebigen Entwicklungspunkt x0 ausdrücken. Nur im letzten Term tritt die Funktion z(x) auf.
5. Differentialrechnung 61

Wählt man z(x)=x0, kommt man zum Taylor-Polynom, mit dem man Funktionen sehr gut annä-
hern kann. Wegen 1/k! werden höhere Glieder der Summe in der Regel sehr klein.
Eigenschaften des Taylor-Polynoms
Unabhängig vom Entwicklungspunkt x0 sind die Funktionswerte und die Ableitungen des Tay-
lorpolynoms und der Funktion in x0 gleich:

Taylor-Polynom:
pn ( x ) = ∑
n
f(
k)
( x0 ) (5-28)
( x − x0 )
k

k =0 k!
Funktionswert in x0 :
pn ( x0 ) = ∑
n
f(
k)
( x0 )
(x
0 − x0 ) = f ( x0 )
k

k =0 k!  
=δ k 0

j. Ableitung in x0 , n
f (k )
( x0 ) ⋅ k ⋅
pn(
j)
( x0 ) = ∑ ( k − 1) ⋅ ... ⋅ ( k − j + 1) ⋅ (
x0 − x0 )
k− j

( j ≤ n ): k =0 k!
=δ kl

 
f ( ) ( x0 ) f ( ) ( x0 )
n k n k
pn( ) = pn( ) =
k −1 k −2
⋅k ⋅( x0 − x0 ) ⋅k ⋅( k −1)⋅( x0 − x0 )
1 2
∑ k!
, ∑ k!
,...
k =1 k =2

f(
j)
( x0 ) ⋅ j ⋅
= ( j − 1) ⋅ ...2⋅1
j! 
j!

= f ( j)
( x0 )

Taylorentwicklung 1. Ordnung
Die Funktion f(x) wird durch eine lineare Funktion approximiert. Das ist in einer kleinen Umge-
bung von x0 sinnvoll und wird oft gemacht. Die Taylorentwicklung 1. Ordnung entspricht der
Tangentialgeraden gt.

Taylor-Entwicklung 1. Ordnung: f ( x ) ≃ f ( x0 ) + f ′ ( x0 ) ⋅ ( x − x0 ) (5-29)

Abbildung 5-6: Die Funktion f(x) wird in einer Umgebung durch das Taylor-Polynom 1. Ordnung sehr gut angenähert

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62 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Taylor-Entwicklung höherer Ordnungen


Beispiel: Entwicklung der Cosinus-Funktion um x0=0
Ableitung der cos-Funktion: (5-30)
cos ( 0 ) = 1
cos′ ( 0 ) = − sin ( 0 ) = 0
cos( (0)
2)
= − sin ′ ( 0 ) = − cos ( 0 ) = −1
cos (3) ( 0 ) = − cos′ ( 0 ) = sin ( 0 ) = 0
cos( ) ( 0 ) = sin ′ ( 0 ) = cos ( 0 ) =
4
1
⋮ ⋮
0 ∀n ∈ 2ℕ + 1


 ungerade n
cos( ) ( 0 ) =
n
 n
( −1) 2 ∀ n
 ∈ 2 ℕ
 gerade n

Entwicklung der cos-Funktion um x = 0 :


cos(
k)
( 0 ) xk ( −1) x 2 k
k
n n
cos ( x ) ≃ ∑ =∑
k =0 k!  k = 0 ( 2k ) !
  
1 0 3 1 4 1 1 4
1+ 0⋅ x − x 2 − x + x +... 1− x 2 + x +...
2 2⋅3 2⋅3⋅4 2 2⋅3⋅4

( Entspricht der abgebrochenen Potentialreihe der cos-Funktion )


Die Güte der einzelnen Entwicklungsstufen ist Abbildung 5-7 abzulesen.

Abbildung 5-7: Taylor-Entwicklungen (durchgezogenen Linien) der Cosinus-Funktion (gepunktete Linien) um x0=0 in
verschiedenen Ordnungen

Mittelwertsatz der Differentialrechnung


Funktion: f : x → f ( x ) stetig und differenzierbar für alle x ∈ ]a, b[ (5-31)
Mittelwertsatz:
für beliebige x1 < x2 ∈ ]a, b[ : es existiert eine Zwischenstelle z ( x1 < z < x2 ) ,
f ( x2 ) − f ( x1 )
so dass f ′( z) =
x2 − x1
5. Differentialrechnung 63

Beweis: (5-32)
nach Satz von Taylor für n = 1: f ( x2 ) = f ( x1 ) + f ′ ( z )( x2 − x1 )
also: f ( x2 ) − f ( x1 )
f ′( z) =
x2 − x1

Abbildung 5-8: Zwischentangente parallel zur Sekante (links) und lokales Maximum (rechts)

Folgerungen: Monotonie-Satz
f ′ ( x ) > 0 ∀x ∈ ]a, b[ ⇒ f wächst monoton (5-33)
f ′ ( x ) < 0 ∀x ∈ ]a, b[ ⇒ f fällt monoton
Beweis:
nach Taylor: f ( x2 ) − f ( x1 ) = f ′ ( z ) ⋅ ( x2 − x1 )
  
>0

also: Vorzeichen ( f ′ ( z ) ) = Vorzeichen ( f ( x2 ) − f ( x1 ) )


für alle x1 , x2 ∈ ]a, b[ und x1 < z < x2

Lokale Minima und Maxima


Definition
Intervall: I ≡ [ x0 − δ , x0 + δ ] , δ >0 (5-34)
f hat ein lokales Minimum in x0 , wenn ein δ > 0 existiert und für alle x ∈ I gilt:
f ( x ) ≥ f ( x0 )
f hat ein lokales Maximum in x0 , wenn ein δ > 0 existiert und für alle x ∈ I gilt:
f ( x ) ≤ f ( x0 )

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64 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Existenzkriterien
f sei im offenen Intervall I zwei mal stetig differenzierbar und x0 ∈ I (5-35)

Notwendig für lokales Minimum in x0 : f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) ≥ 0


Notwendig für lokales Maximum in x0 : f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) ≤ 0

Hinreichend für lokales Minimum in x0 : f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) > 0


Hinreichend für lokales Maximum in x0 : f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) < 0

Beweis für hinreichende Kriterien: (5-36)


Annahmen: f ( x ) , f ′ ( x ) , f ′′ ( x ) stetig in x0
f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) > 0
f ′′ ( x0 ) stetig ⇒ es existiert ein δ > 0 mit f ′′ ( x ) > 0 für alle x mit x - x0 > δ
1
f ( x ) = f ( x0 ) + f ′ ( x0 )( x − x0 ) + f ′′ ( z )( x − x0 ) , z ∈ [ x0 , x ]
2
Satz von Taylor ⇒
 2    
=0 >0 >0

also: f ( x ) > f ( x0 ) für alle x ∈ I


f hat ein lokales Minimum in x0
Annahmen: f ′ ( x0 ) = 0, f ′′ ( x0 ) < 0
analog: ⇒ f hat ein lokales Maximum in x0

Beweis für notwendige Kriterien: (5-37)


Notwendig für Minima und Maxima: f ′ ( x0 ) = 0,
für f ′ ( x0 ) ≠ 0 wäre f in I monoton wachsend
oder fallend, hätte also keine Minima oder
Maxima
Notwendig für Maximum: f ′′ ( x0 ) ≤ 0,
für f ′′ ( x0 ) > 0 hätte f ja in x0 ein Minimum
Notwendig für Minimum: f ′′ ( x0 ) ≥ 0,
für f ′′ ( x0 ) < 0 hätte f ja in x0 ein Maximum
5. Differentialrechnung 65

Beispiele: (5-38)
f ( x ) = x 4 in x0 = 0 : f ′ ( x ) = 4 x3 , f ′ ( 0) = 0
f ′′ ( x ) = 12 x , f ′′ ( 0 ) = 0
2

also: Notwendige Bedingungen für Minimum sind erfüllt


Hinreichende Bedingungen für Minimum sind nicht erfüllt
Tatsächlich liegt ein Minimum vor,
da für alle x ≠ 0 gilt: x 4 > 0
f ( x ) = x3 in x0 = 0 : f ′ ( x ) = 3x 2 , f ′ ( 0) = 0
f ′′ ( x ) = 6 x,
f ′′ ( 0 ) = 0
also: Notwendige Bedingungen für Minimum sind erfüllt
Hinreichende Bedingungen für Minimum sind nicht erfüllt
Tatsächlich liegt kein Mimimum vor ( sondern ein Sattelpunkt )

Wendepunkte
Bei einem Wendepunkt ändert der Graph einer Funktion sein Krümmungsverhalten, die zweite
Ableitung einer Funktion ändert also das Vorzeichen.

f hat in x0 einen Wendepunkt, wenn f ′ in x0 ein Extremum hat (5-39)


Eine notwendige Bedingung ist also: f ′′ ( x0 ) = 0

Regel von de l'Hospital


Sind f und g stetig diffenrenzierbar in ]a, b[ (5-40)
und ist lim f ( x ) = lim g ( x ) = 0
x →a x →a

f ( x) f ′( x)
so gilt: lim = lim
x →a g ( x) x →a g′ ( x)
Beweis:
f ( x) − f (a)
f ( x) f ( x) − f ( a) x−a
wegen f ( a ) = g ( a ) = 0 : = =
g ( x) g ( x) − g ( a) g ( ) − g ( a)
x
x−a
f ( a + ∆x ) − f ( a )
f ( x) ∆x f ′( x)
mit ∆x = x − a : lim = lim = lim
x→a g ( x ) ∆x →0 g ( a + ∆x ) − g ( a ) x →a g ′ ( x )

∆x

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66 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Beispiele: (5-41)
sin ( x ) cos ( x )
lim = lim =1
x →0 x x →0 1
1 − cos ( x ) sin ( x ) cos ( x ) 1
lim 2
= lim = lim =
x →0 x x → 0 2 x x → 0 2 2

Regel von l'Hospital
2. mal anwenden

e x − e− x e x + e− x
lim = lim =2
x → 0 sin x x → 0 cos x

Das Differential einer Funktion


In (5-4) wurde der Differentialquotient definiert.

Zuwachs: ∆y ≡ f ( x + ∆x ) − f ( x ) (5-42)
dy ∆y
Differentialquotient: ≡ lim
dx ∆ x → 0 ∆x
Für viele Zwecke ist es sinnvoll, den Zähler allein zu betrachten und so vom Zuwachs zum Dif-
ferential überzugehen. Damit meint man den Zuwachs der Tangente im Punkt x. Man berück-
sichtigt also nur die Steigung der Funktion und lässt die Krümmung außer Acht.
Formal kann man ∆x und ∆y durch hdx und hdy ersetzen und h sehr klein werden lassen:
also: ∆y → lim hdy ≡ lim f ( x + hdx ) − f ( x ) (5-43)
h→0 h →0

und f ( x + hdx ) − f ( x ) f ( x + hdx ) − f ( x )


dy = lim = lim dx = f ′ ( x ) dx
h→0 h hdx →0 hdx

Differential von f : df ( x ) = f ′ ( x ) dx
Diese Formulierung erlaubt in Kapitel 7 die Erweiterung auf das Differential von Feldern.
Beispiele:
f ( x ) = 2 x 3 − 1, df ( x ) = 6 x 2 dx (5-44)
f ( x ) = cos ( x ) , df ( x ) = − sin ( x ) dx
Das Differential einer Funktion kann auch als Taylorentwicklung 1. Ordnung ihres Zuwachses
aufgefasst werden.
5. Differentialrechnung 67

Übungsaufgaben
Berechnen Sie die Ableitungen der folgenden Funktionen: (5-45)
1. y = e ⋅ cos ( bx )
ax

  x π 
2. y = ln  tan  +  
  2 4 
 π
3. y = x ⋅ cos  ln ( x ) − 
 4
  x 
 a ⋅ tan  2  + c 
4. y = arctan    
 a − c2 
2
 
 
a − b ⋅ cos ( x )
5. y=
a + b ⋅ cos ( x )
6. y = arctan ( m ⋅ tan ( x ) )
7. y = x tan ( x )
1  x⋅ 3 
8. y= arctan  2 

3  1− x 
a ⋅ sin ( x ) + b ⋅ cos ( x )
9. y=
a ⋅ sin ( x ) − b ⋅ cos ( x )
1
10. y =
2a ⋅ x − x 2
2 a⋅x +b 2 b  a⋅x +b + b 
11. y = ⋅ ( ln ( x ) − 2 ) + ln   , b > 0
a a  a⋅x +b − b 
2  a −b  x 
12. y = arctan  ⋅ cot   
a 2 − b2  a+b  2 
13. y = ( cos ( x ) )
sin ( x )

Berechnen Sie die n'te Ableitungen der folgenden Funktionen: (5-46)


x
14. y =
a +b⋅ x
15. y = x 2 ⋅ e x

16. Zeigen Sie, daß für y = tan ( x ) gilt: y′′ = ( y 2 )′

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68 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

17. Entwickeln Sie die Funktionen (5-47)


a ) sin ( x ) 
 nach Taylor bis zur 3. Ordnung um x0 = 0.
b) eix 
c) Vergleichen Sie die Entwicklung aus b) mit der Entwicklung von
cos ( x ) + i sin ( x )

18. Entwickeln Sie f ( x ) = ln (1 + x ) bis zur 5. Ordnung um x0 = 0. (5-48)


Geben Sie auch den Definitionsbereich der Funktion an!

19. Bestimmen Sie die Taylor − Reihe ( Entwicklung bis zur Ordnung n = ∞ ) für (5-49)
f ( x ) = x −1 um x0 = 1!
Geben Sie auch den Definitionsbereich der Funktion an!

x2 −1 (5-50)
20. Bestimmen Sie für die Funktion f ( x) = 3
x2 + 1
die Schnittpunkte mit den Koordinatenachsen und
den Winkel zwischen Tangente und x − Achse an diesen Stellen

21. Haben die folgenden Funktionen an der Stelle x0 = 0 ein lokales Extremum (5-51)
oder einen Wendepunkt?
a) f ( x ) = x4 − 2 x3 + 2 x2 − 1
b) f ( x ) = x4 − 2 x + 1
c) f ( x ) = x3 + x
6. Integralrechnung
Der Integralbegriff
Geometrische entspricht das Integral über einer Funktion f dem Flächeninhalt zwischen dem
Graphen von f und der x-Achse. Beiträge zum Flächeninhalt unterhalb der x-Achse sind dabei
negativ. Man spricht von einem orientierten Flächeninhalt.
Die Integration erweist sich als Umkehrung der Differentiation. Das Integral einer Funktion f
kann in der Regel als so genannte Stammfunktion F(x) aufgefasst werden. Die Ableitung dieser
Funktion führt zurück zu f.
Das bestimmte Integral im Riemannschen Sinne
Funktion: f: ]
a, b[ →ℝ (6-1)
={ x a < x <b}

Integrationsgrenzen: x0 , x ∈ ]a, b[
Zerlegung von [ x0 , x ] : Beliebige Zahlen x1 , x2 ,..., xm −1 , xm mit
x0 < x1 < ... < xk −1 < xk < ... < xm < x

xm+1

Zwischenpunkte: zk ∈ [ xk , xk +1 ] , k ∈ {0,1,..., m} , ( xm+1 ≡ x )


m
Integralsumme:
I ( m) = ∑( x
k =0
− xk ) f ( zk )
k +1
 
( x1 − x0 ) f ( z0 )+( x2 − x1 ) f ( z1 ) +...+( x − xm ) f ( zm )

Abbildung 6-1: Mögliche Integralsumme für die Funktion f

Durch Verfeinerung der Zerlegung von [x0,x] nähert sich die Integralsumme dem gesuchten Flä-
cheninhalt an. Das Integral wird dann durch einen gedanklichen Übergang zu einer unendlichen
Verfeinerung der Zerlegung definiert.
70 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Größte Länge eines Teilintervalls: L( m ) = max ( xk −1 − xk ) (6-2)


k = 0,1,..., m

L( ) > L( ) > L( ) ... mit lim L(


m)
=0
1 2 m
Folge von feineren Zerlegungen:
m →∞
x
Integral:
I ≡ ∫ f ( t ) dt ≡ lim I ( m )
m →∞
x0

f heißt integrierbar über [ x0 , x ] , wenn alle möglichen Folgen von feineren


Zerlegungen zum selben Grenzwert I führen
f ist integrierbar über [ x0 , x ] , wenn f auf ]a, b[ stetig oder monoton ist
( Beweis folgt später )
Weitere Begriffe:
Integrationsgrenzen: x , x (6-3)
0 obere
untere
Grenze Grenze

Integrand: f (t )
Integrationsvariable: t
∞ x
Uneigentliche Grenze: ∫ f ( t ) dt ≡ lim ∫ f ( t ) dt
x →∞
x0 x0

Beispiele
Integral: x (6-4)
∫ tdt = ?
0
m −1
Nebenrechnung:
∑ k = 0 + 1 + 2 + ... + ( m − 2 ) + ( m − 1)
k =0

= 1 + ( m − 1) + 2 + ( m − 2 ) + … =
( m − 1) m
   m −3 2 
=m =m = ⋅m 
2  4⋅5
 m =5: 0 +1+ 2 + 3+ 4 = 4 + 4 + 2 =10 = 2
z.B.: 
 m = 6: 0 +1+ 2 +3+ 4 + 5 =5 + 5 + 5 =15 = 5⋅6
 2

Zerlegung: x x
∆t = , t k = k ∆t , z k = t k = k
m m
also: zk
 ∆t
x m −1 m −1 m −1
x x 1 x2
∫0 tdt = mlim
→∞

k =0
zk ∆t = lim ∑ k
m →∞
k =0 mm
= x 2 lim 2
m →∞ m

k = 0
k =
2

( m −1) m m2
= →
2 2
6. Integralrechnung 71

−1 (6-5)
k
 x 
x
  x
 em −1 
 = ( e − 1)
m m
x
∫ e dt = lim ∑ e k ∆t = lim ∑e
t z x
lim 
x 
m
m →∞ m →∞ m m →∞
0 k =0 k =0    
 
  
 x
m
 m
 e m  −1
 ∞ n  −1
  e x −1
∑ n! m 
1 x
=  x = x  
 ∞ 1  x  n−1 
−1
 
e m −1 e m −1 lim  n=1
 = lim  ∑   

 n=1 n! m  
m→∞ x m→∞
( Geometrische Reihe )  
 m 
 
−1
  x 
= lim  1+O    =1
m→∞   m 

= ex − 1
analog nach vorausgehendem Beispiel
∞ x  
∫e
−t −t
dt = lim ∫ e dt = lim
x →∞ x →∞
( e − 1)
−x
= −1
0 0

x k (6-6)
−1
∫ t dt : Zerlegung: tk = x m , zk = tk

1 1 m −1
,x
1, x m ,..., x m

x m
 km+1

k k
 m
 m1 
∫ t dt = lim ∑ x ∑
−1
 x −
m
x m
 = lim  x − 1
m →∞
1 k =0   m→∞ k =0  
 1
  ln x

= lim m  x m − 1 = lim m  e m − 1
m →∞
  m →∞  
 ln x 1  ln x  1  ln x 3
2

= lim m  1 + +   +   + ... − 1
m →∞  m 2!  m  3!  m  
 
= ln x

Nur in günstigen Fällen kann das Integral direkt durch die Integralsumme berechnet werden.
Man kann aber unbekannte Integrale auf bekannte zurückführen. Wie, lernen wir etwas später
mit Hilfe der Partiellen Integration, der Substitutionsmethode, der Partialbruchzerlegung und der
Reihenentwicklung.

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72 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Rechenregeln für Integrale


Additivität: x x x (6-7)
∫ ( f ( t ) + g ( t ) ) dt = ∫ f ( t ) dt + ∫ g ( t ) dt
x0 x0 x0
x x
Homogentiät:
∫ λ f ( t ) dt = λ ∫ f ( t ) dt
x0 x0
y
Aufspaltung des Integrationsintervalles: x x

∫ f ( t ) dt = ∫ f ( t ) dt + ∫ f ( t ) dt
x0 x0 y

mit y ∈ ]a, b[
x0
Umkehrung der Grenzen: x

∫ f ( t ) dt = − ∫ f ( t ) dt
x0 x

Die Regeln ergeben sich einfach aus der Definition des Integrals.

Stammfunktion und Unbestimmtes Integral


Wir können das Integral als eine Funktion F von der oberen Integrationsgrenze x auffassen und
als Stammfunktion bezeichnen. Ist diese Funktion differenzierbar, so ist ihre Ableitung gleich
dem Integranden.
Wir nennen eine Funktion F : I → ℝ eine Stammfunktion für f : I → ℝ (6-8)
wenn F differenzierbar ist
und F ′ ( x ) = f ( x ) gilt.
Dann ist auch G ( x ) = F ( x ) + c eine Stammfunktion, wenn c konstant ist

Satz über Stammfunktionen:


Jede auf einem Intervall I stetige Funktion f besitzt dort Stammfunktionen. Man erhält für jedes
c∈I eine Stammfunktion F durch das
x (6-9)
unbestimmte Integral F ( x ) = ∫ f ( t ) dt
c
6. Integralrechnung 73

Beweis:
Zerlegung: x−a   (6-10)
xk = a + k ⋅ h, h = ,  lim ≜ lim 
 h →0 entspricht N →∞ 

N
N
Stammfunktion:
F ( x ) = lim ∑ f ( xk ) h
h →0
k =0
N +1
lim F ( x + h ) = lim ∑ f ( xk ) h
h →0 h →0
k =0

Ableitung: F ( x + h) − F ( x) h  N +1 N

F ′ ( x ) = lim = lim  ∑ f ( xk ) − ∑ f ( xk ) 
h →0 h →0 h
h  k =0 k =0 
= lim f ( x + h ) = f ( x )
h →0

und G ( x ) = F ( x ) + c ⇒ G′ ( x ) = F ′ ( x ) = f ( x )
  
also ist G ( x ) Stammfunktion

Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung


Wenn die reelle Funktion f ( x ) im Intervall [ x0 , x ] stetig ist, (6-11)
so gilt für alle x1 ∈ [ x0 , x ] und für jede Stammfunktion G ( x ) :
x1

∫ f ( t ) dt = G ( x ) − G ( x ) ≡
G ( x ) 
x1
1 0 x0
x0 
Schreibweise
x1 x1 x1 x0
Beweis: a

∫ f ( t ) dt = ∫ f ( t ) dt + ∫ f ( t ) dt = ∫ f ( t ) dt − ∫ f ( t ) dt = F ( x1 ) − F ( x0 )
x0 a x0 a a
=0

= F ( x1 ) + c − c − F ( x0 ) = G ( x1 ) − G ( x0 )


Aus jeder Stammfunktion kann man also den Wert eines bestimmten Integrals bestimmen.
Stammfunktionen findet man für sehr viele Funktionen. Die unterschiedlichen Methoden lernen
wir im nächsten Abschnitt kennen. Es gibt aber auch Funktionen f, für die keine Stammfunktion
existiert.
Beispiele für Funktionen f , für die es keine Stammfunktion gibt: (6-12)
sin ( x ) x
sin ( t ) x3 x5 x7
f ( x) = , ∫0 t dt = x − + − + ... ≡ Si ( x )
x 3 ⋅ 3! 5 ⋅ 5! 7 ⋅ 7! 
Sinusintegral

cos ( x ) x
cos ( t ) x2 x4 x6
f ( x) = , ∫0 t dt = C + ln x − + − + ... ≡ Ci ( x )
2 ⋅ 2! 4 ⋅ 4! 6 ⋅ 6!

x Eulersche

Cosinusintegral
Konstante

exp ( x ) x
e t
x x2 x3
f ( x) = , ∫−∞ t dt = C + ln x + + + + ...
1⋅1! 2 ⋅ 2! 3 ⋅ 3!

x Eulersche
Konstante

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74 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Integration durch Umkehrung der Differentiation


Man kann jede stetige Funktion als Stammfunktion auffassen und durch Ableiten auf den In-
tegranden schließen. So kommt man auf folgende Beispiele:

1 α +1 (6-13)
1. α
∫ x dx = x + c , α ∈ ℝ, c ist eine sog. Integrationskonstante
α
+
1 
 1 α +1 ′ α
 x +c  = x
 α +1 

1 n +1
∫ x dx = x + c, n = 0,1, 2,...
n
a)
n +1
 1 n+1 ′ n
 x +c  = x
 n +1 

2 3
b) ∫ xdx = x +c
3
 
 2 3 / 2 ′ 1/ 2
 x +c  = x
3 

1
c) ∫ x
dx = 2
 x +c
(2x
1/ 2
)
′ −1/ 2
+c = x

3
2 5
d) ∫ x 2 dx = x +c
5 
 
 2 5 / 2 ′ 3 / 2
 x +c  = x
5 

Partielle Integration
Folgt aus der Produktregel der Differentiation.

Voraussetzungen für f bei allen x ∈ ]a, b[ : (6-14)


f kann in ein Produkt von zwei stetigen Funktionen aufgespalten werden
f ( x) = g ( x) ⋅ h ( x)
g hat eine stetige Ableitung für alle x ∈ ]a, b[
Stammfunktion H von h ist bekannt
dann gilt:

∫ f ( x ) dx = ∫ g ( x ) ⋅ h ( x ) dx = g ( x ) ⋅ H ( x ) − ∫ g ′ ( x ) ⋅ H ( x ) dx + c

Beweis: (6-15)

g ( x ) H ( x ) = ( g ( x ) ⋅ H ( x ) )′ dx − c = ∫ ( g ′ ( x ) ⋅ H ( x ) ) dx + ∫ g ( x ) ⋅ h ( x ) dx − c
 ∫  
Stammfunktion g ′ ( x ) ⋅ H ( x ) + g ( x )⋅ h ( x ) 
∫ f ( x ) dx
6. Integralrechnung 75

Also: (6-16)
x x

∫ g ( t ) ⋅ h ( t ) dt =  g ( t ) ⋅ H ( t ) x − ∫ g ′ ( t ) ⋅ H ( t ) dt , x0 , x ∈ ]a, b[
x

0
x0 x0

Beispiel: (6-17)
x

∫ x sin ( x ) dx = x (−
cos ( x ) ) − ∫ 1 ( − cos ( x ) ) dx + c
 x g ′( x ) 
g( x) g ( x)

h( x ) H ( x) 0
H ( x)

= − x cos ( x ) + ∫ cos ( x ) dx + c = − x cos ( x ) + sin ( x ) + c



sin ( x )

Substitutionsmethode
Folgt aus der Kettenregel für die Differentiation.
Voraussetzungen: (6-18)

F : u → F ( u ) = ∫ f ( u ) du + c, für alle u ∈ ]a, b[

ϕ : x → ϕ ( x ) ∈ ]a, b[ , für alle x ∈ ]α , β [


ϕ ′ stetig

Es gilt: (6-19)

∫ f (ϕ ( x ) ) ⋅ ϕ ′ ( x ) dx = ∫ f ( u ) ⋅ du = F ( u ) u =ϕ
( x)
+c
u =ϕ ( x )

Beweis:
Kettenregel: F ′ ( u ) ⋅ ϕ ′ ( x ) = F ′ (ϕ ( x ) )
u =ϕ ( x)
Integration:
F ′ ( u ) ⋅ ϕ ′ ( x ) dx = ∫ F ′ ( u ) ⋅ du = ∫ f ( u ) ⋅ du = F ( u )
∫ u =ϕ ( x )
+c
 
f (u ) du
u =ϕ ( x )

also:
∫ f (ϕ ( x ) ) ⋅ ϕ ′ ( x ) dx = F (ϕ ( x ) ) + c
= F ( u ) u =ϕ + c = ∫ f ( u ) ⋅ du +c
( x)
u =ϕ ( x )

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76 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Für bestimmte Integrale: (6-20)


x ϕ( x)
u =ϕ ( x )
∫ f (ϕ ( t ) ) ⋅ ϕ ′ ( t ) dx = ∫ f ( u ) ⋅ du = F ( u ) u =ϕ +c
( x0 )
x0 ϕ ( x0 ) u =ϕ ( x )

1. Art der Anwendung


Voraussetzungen: (6-21)
1. Der Integrand f ( x ) ist ein Produkt f ( x) = g ( x) ⋅ h ( x)
2. Man findet ein ϕ ( x ) , so dass f ( x ) = g (ϕ ( x ) ) ⋅ ϕ ′ ( x )

3. Man kennt die Stammfunktion von g: G ( x ) = ∫ g ( x ) dx

Dann ist g (ϕ ( x ) ) ϕ ′ ( x ) dx = ∫ g ( u ) du
∫ f ( x ) dx = ∫  = G (ϕ ( x ) )
   
u =ϕ ( x )
g (u ) du

Beispiel: (6-22)
1
∫ sin xdx = ∫ u du + c = sin ( x ) + c
3 3 4
x cos
( )

u =sin x du =u ′dx u =sin x
4
= cos xdx

u ( x ) = sin ( x ) sin ( x )

( )
x
1 1
∫ sin t cos tdt = ∫ = u4 = sin ( x ) − sin ( x0 )
3 4 4
oder u 3du
x0 u ( x0 ) = sin ( x0 )
4 sin( x0 ) 4
u =sin x

2. Art der Anwendung


(6-23)
Man betrachtet das Integral ∫ f ( u ) du und sucht eine Funktion ϕ ( x ) = u so,
dass ∫ f (ϕ ( x ) ) ⋅ ϕ ′ ( x ) dx berechnet werden kann

= f ( u ) du

Voraussetzung:

1. Man findet ein ϕ ( x ) mit bekannter Stammfunktion G ( x ) = ∫ f (ϕ ( x ) ) ⋅ ϕ ′ ( x ) dx



g ( x)

2. Umkehrfunktion x = ϕ -1
( u ) muss im vorgeschriebenen Intervall existieren
6. Integralrechnung 77

Beispiele: (6-24)
sin ( x ) sin ( au )
∫ cos (
au )  = ∫ cos ( x ) a dx =
−1
du =
u=x / a
du =u ′dx a x = au
a
= a −1dx
x = au
u
 sin ( x ) 
u=x / a
sin ( au ) − sin ( au0 )
oder ∫ cos ( au ) du = ∫ cos ( x ) a dx =   = −1

u0 u0 = x0 / a  a  x0 = au0 a

x + cos x sin x (6-25)


1 − u 2 du
∫   = ∫ 1 − sin x cos xdx = ∫ cos ( x ) dx =
2 2

u =sin x cos xdx 2 x = arcsin u



sin ( x ) cos( x ) = ∫ ( sin ( x ) cos( x ) )′ dx
= ∫ cos( x ) dx − ∫ sin ( x ) dx
2 2

= ∫ cos( x ) dx − ∫ (1− cos ( x ) ) dx


2 2

= 2 ∫ cos( x ) dx − x
2

x + 1 − sin ( x ) sin x
2
arcsin u + 1 − u 2 u
= =
2 2
x = arcsin u

oder
x = arcsin (1)
=π / 2
π
( betrachte den Graphen von cos ( x ) )
1

∫ 1 − u 2 du = ∫ cos ( x ) dx =
2 2

0 x0 = arcsin 0
4

=0 Hälfte des
Rechtecks
π /2⋅1

Partialbruchzerlegung
Alle rationalen Funktionen können geschlossen integriert werden!
Ganze rationale Funktionen
(6-26)
∫ (c + c p x p ) dx = c + c0 x + c1 x 2 + ... + c p −1 x p +
p −1 1 1 1
0 + c1 x + c2 x + ... + c p −1 x
2
c p x p +1
2 p p +1

Echt gebrochene rationale Funktionen


Können auf zwei Grundintegrale zurückgeführt werden
mit a, b, c, A, B ∈ ℝ : (6-27)
ln ( x − a ) + c, für n = 1
1 
Grundintegral 1: ∫ ( x - a) dx =  1 1
n
− + c für n > 1
 n − 1 ( x - a )n −1

Ax + B
Grundintegral 2: ∫ dx
( ax + 2bx + c )
2 n

Das Grundintegral 2 kann weiter reduziert und in mehreren Schritten gelöst werden.

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78 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Unecht gebrochene rationale Funktionen


Sie können durch Division in eine ganze und eine echt gebrochene rationale Funktion verwandelt
werden.
Numerische Integration
Vorausgehend haben wir nun sehr viele Integrale gelöst. Das darf darüber aber nicht hinwegtäu-
schen, dass man immer wieder mit Integralen konfrontiert wird, für die man keine Stammfunkti-
on findet. Man kann dann mit dem Computer die Integralsumme I(m) nach (6-1) für eine geeigne-
te Zerlegung berechnen und erhält so in der Regel Ergebnisse von ausreichender Genauigkeit.

b−a (6-28)
mit ∆x = , xn = a + n∆x, f n = f ( xn )
N
b
Untersumme:
∫ f ( x ) dx ≃ ∆x ( f0 + f1 + ... + f N −2 + f N −1 )
a
b
Obersumme:
∫ f ( x ) dx ≃ ∆x ( f
a
1 + f 2 + ... + f N −1 + f N )

∆x
b
Trapezregel:
∫ f ( x ) dx = 2 ( f + 2 f + 2 f + ... + 2 f + 2 f
a
0 1 2 N −2 N −1 + fN )

( Mittelwerte ( Obersumme,Untersumme ) )
∆x
b
Simpson-Regel:
∫ f ( x ) dx =
a
3
( f0 + 4 f1 + 2 f 2 + 4 f3 + 2 f 4 + ... + 2 f N −2 + 4 f N −1 + f N )
( N ∈ 2ℕ !)
Allgemein: b
 
∫ f ( x ) dx = ∆x w
 ⋅ f
a Gewichts-
( f0 , f1 ,..., f N )
vektor ∈ℝ N +1
6. Integralrechnung 79

Beispiel: (6-29)
4 1
Funktion: f ( x) =
π 1 + x2
1
Integral: ∫ f ( x ) dx = 1
0

1
Stützstellen: N = 6, ∆x =
6
  4 144 18 16 36 144 2 
Funktionsvektor: f =  , , , , , , 
 π 37π 5π 5π 13π 61π π 
Untersumme: w = (1,1,1,1,1,1, 0 ) , ∆x w ⋅ f = 1.05...
  

Obersumme: w = ( 0,1,1,1,1,1,1) , ∆x w ⋅ f = 0.94...


  

 1 1
w =  ,1,1,1,1,1,  , ∆x w ⋅ f = 0.998...
 
Trapez:
2 2
 1 4 2 4 2 4 1
w =  , , , , , ,  , ∆x w ⋅ f = 0.9999997...
 
Simpson:
3 3 3 3 3 3 3

Abbildung 6-2: Vergleich verschiedener Integrationsmethoden für N=6

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80 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Übungsaufgaben
1. Geben Sie die Integrale an, für die die Funktionen F ( x ) Stammfunktionen sind (6-30)
a) ln ( x ) + c für alle x > 0 und

ln ( − x ) + c für alle x < 0
b) F ( x ) = ex + c
c) 1
F ( x) = β x + c, ( für alle x ∈ ℝ und β > 0, β ≠ 1) ,
ln β
d) F ( x ) = sin ( x ) + c, F ( x ) = − cos ( x ) + c,
F ( x ) = sinh ( x ) + c, F ( x ) = cosh ( x ) + c
e) F ( x ) = arctan ( x ) + c
f ) F ( x ) = arcsin ( x ) + c, für alle x ∈ ]−1,1[
g) F ( x ) = arccos ( x ) + c, für alle x ∈ ]−1,1[

2. Berechnen Sie durch partielle Integration (6-31)

a )..c) ∫ x cos ( x ) dx, x sin ( x ) dx, ∫ x


∫
2 2
cos ( x ) dx
g( x) ( )
 g x

h( x ) h( x )

∫ xe dx, ∫ x e dx, ∫ x e dx
x 2 x 3 x
d ).. f )

∫ sin ( x ) cos ( x ) dx, ∫ sin ( x ) ∫ cos ( x )


2 2
g )..i ) dx, dx

∫ ln ( x ) dx, ∫ x ln ( x ) dx, ∫ x ln ( x ) dx
n
j )..l )

3. Berechnen Sie durch Substitution der 1. Art (6-32)

∫ sin ( x ) cos ( x ) dx, ∫ sin ( x ) dx, ∫ xe ∫x x 2 + a 2 dx


3 3 x2
a)...d ) dx,

x
e)... f ) ∫x x 2 − a 2 dx in x ∈ [ −a, a ] , ∫ dx, in x ∈ [ −1,1]
1 − x2
( )
f′ x
∫ f ( x ) dx, ∫ (ϕ ( x ) ) ϕ ′ ( x ) dx, ∫ a ϕ ′ ( x ) dx
k ϕ( ) x
g )...i )

ϕ′( x) ϕ′ ( x)
j )...l ) ∫ sin (ϕ ( x ) ) .ϕ ′ ( x ) dx, ∫ 1 + ϕ ( x ) dx, ∫ dx
1−ϕ ( x)
2 2
6. Integralrechnung 81

4. Berechnen Sie durch Substitution der 2. Art: (6-33)


2
u
∫ ue
du , ∫ u2
a )...b) du
1 + u3


 
u= x u = x1/3
1 1
du = dx du = x −2/3 dx
2 x 3

∫ sin u ⋅ cos u ⋅ du, ∫ tan u ⋅ du, ∫ ln u ⋅ du = ∫ x ⋅ e dx


x
c)...e)

cos ( t 3 ) dt ,
1
f )...i ) ∫t
2
∫ 1 − t 2 dt , ∫ y ln ydy

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7. Vektorfunktionen und Felder
Vektorfunktionen sind Vektoren, wobei jede Komponente eine Funktion der Zeit, der Bogenlän-
ge oder sonst eines Parameters ist.
Unter einem Feld versteht man in der Physik die eindeutige Zuordnung einer physikalischen
Größe wie Kraft, Masse, Ladung oder Wahrscheinlichkeit zu den Punkten in einem Koordinaten-
system.
Bemerkung
Die folgenden Themen sind eine Vorschau auf die mathematischen Inhalte des Integrierten Kur-
ses I in Physik. Der Übersichtlichkeit wegen ist die mathematische Formulierung etwas einfacher
gehalten als in den vorausgehenden Kapiteln.
Bahnkurven als Beispiel für Vektorfunktionen
Bahnkurven sind die Grundlage der klassischen Mechanik (Hamiltonsches Prinzip).
Es sind Idealisierungen, sie sind nicht beobachtbar!
Jedem Objekt (Massepunkt, Punkt in kontinuierlicher Masseverteilung) wird zu jedem Zeitpunkt
t ein Ort r ( t ) zugeordnet.


Beispiele für Bahnkurven (s ist Bahnparameter, z.B. Zeit t, Bogenlänge, …)


Gerade im Raum: Waagrechter Wurf: Schraubenkurve: (7-1)
 vx s   r0 + r cos ( s ) 
    
r1 ( s ) = r0 + vs
r2 ( s ) =  v y s  r3 ( s ) =  r0 + r sin ( s ) 
   
 2  
 z0 − 2 gs  vz s
1
 
Unter Umständen entspricht v der Geschwindigkeit.

Gerade im Raum Waagrechter Wurf Schraubenkurve

Abbildung 7-1: Verschiedene Bahnkurven im dreidimensionalen Raum


7. Vektorfunktionen und Felder 83

Stetigkeit von Vektorfunktionen


(7-2)
f ( x ) = ∑ fi ( x ) eˆi ist stetig, wenn alle Koordinaten

i

( oder Vektorkomponenten ) fi ( x ) stetig sind


Dann ist
(7-3)
lim f ( x ) = lim ∑ fi ( x ) eˆi = ∑ fi ( x0 ) eˆi = f ( x0 )
 
x → x0 x → x0
i i

Ableitung vektorwertiger Funktionen


Ableitung nach dem Bahnparameter:

df ( x ) f ( x + ∆x ) − f ( x ) f ( x + ∆x ) − f i ( x ) df ( x )
  
(7-4)
≡ lim = lim ∑ i eˆi = ∑ i eˆi
dx ∆x → 0 ∆x ∆x → 0
i ∆x i dx
 df ( x ) df 2 ( x ) df 3 ( x ) 
= 1 , , 
dx
 dx dx

Zeilenvektor

df ( x )

Der Vektor liegt in x tangential an der Kurve an. Die Bahnkurve ändert sich ja genau
dx
entlang der Bahnkurve.
Höhere Ableitungen:

d n f ( x ) d  d n −1 f ( x )  (7-5)
 
≡   ( rekursive Definition )
dx n dx  dx n −1 

Geschwindigkeitsvektor
Für die Bahnkurve r ( t ) ( Ort als Funktion der Zeit ) ist (7-6)


dr ( t ) 

= v ( t ) die Geschwindigkeit des Objekts zur Zeit t
dt
r ( t + ∆t ) − r ( t )
 
Messbar sind jedoch immer nur mittlere Geschwindigkeiten v ≡ .

∆t

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84 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Rechenregeln:
(7-7)
( ) d 
Summenregel: d   d d
a + b = ∑ ( ai + bi ) eˆi = ∑  ai eˆi + bi eˆ 
dx dx i i  dx dx 
d  d 
= a + b,
dx dx

( )  d   d 
Produktregel 1: d  d
a ⋅ b = ∑ ai bi = ∑   ai  bi + ai  bi  

dx dx i i   dx   dx  
 d     d 
=  a  ⋅b + a ⋅ b ,
 dx   dx 

( )  d  d 
Produktregel 2: d  
a × b = ∑ ε ijk  ai  b j eˆk + ∑ ε ijk ai  b j  eˆk
dx ijk  dx  ijk  dx 
 d     d 
=  a ×b + a × b ,
 dx   dx 

( )
Produktregel 3: d   d   d 
ab =  a  b + a  b  ,
dx  dx   dx 
Kettenregel: da ( b ) db ( x )

a ( b ( x ) ) = ∑ ai ( b ( x ) ) eˆi =
d  d
,
dx dx i db dx
Quotientenregel:  d   d  
  a b − ba
d a  dx   dx 
=
dx b b2

Tangentenvektor, Normalenvektor und Krümmung


Bogenlänge:

Für die Bogenlänge s gilt: ds= dr (7-8)

Dann ist der

dr ( s ) (7-9)

Einheitstangentialvektor tˆ ≡
ds
Wie oben begründet liegt jede Ableitung der Bahnkurve nach dem Kurvenparameter im entspre-
chenden Punkt tangential an der Kurve an. Ferner ist nach (7-8), also nach der Definition der
Bogenlänge s

dr ( s ) (7-10)

tˆ = =1
ds
Der Tangentialvektor bleibt bei kleinen Änderungen von s in Tangentialrichtung gleich 1 (Nor-
mierung). Er ändert sich genau senkrecht zur Tangente, also ist der
−1 (7-11)
dtˆ ( s ) dtˆ ( s )
Einheitsnormalenvektor nˆ ≡
ds ds

 
Normierung
7. Vektorfunktionen und Felder 85

dtˆ ( s ) (7-12)
Krümmung: κ≡ ist ein Maß für die Krümmung der Raumkurve
ds
1
Krümmungsradius: ρ ≡
κ

Abbildung 7-2: Die Änderung des Ortsvektors dr tangiert in x die Kurve und definiert so den Tangetialvektor t. Die Ände-
rung des Tangetilavektors dt steht in x senkrecht auf der Kurve.

Beispiel:
(
Kreisbahn mit Radius R: r ( s ) = R cos ( f ( s ) ) , R sin ( f ( s ) ) , 0 , ) (7-13)

Bestimmung von f : 

(

)
dr ( s ) = − sin ( f ( s ) ) , cos ( f ( s ) ) , 0 Rf ′ ( s ) ds

Betrag: ( sin ( f ( s ) ) ) + ( cos( f ( s ) ) ) =1
2 2

! s
dr ( s ) = Rf ′ ( s ) ds = ds ⇒ f =

R
also:  s s 
r ( s ) = R  cos   ,sin   , 0 

 R R 
Tangentialvektor:  s s 
tˆ = r ′ ( s ) =  − sin   , cos   , 0 

 R R 
Normalenvektor: 1ˆ 1  s s 
nˆ = t′ = −  cos   ,sin   , 0 
κ κR   R  R 
 s  r (s)

s
= −  cos   ,sin   , 0  = −
 R R  R
Krümmung: 1
κ=
R
Krümmungsradius: ρ=R

Vektorenfunktionen und Felder


Wir betrachten hier folgende Vektorstrukturen:

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86 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium


Vektor r ∈ ℝ3 : 3 Koordinaten für Position im Raum (7-14)

Vektorwertige Funktion r ( t ) :ℝ → ℝ : Schar von Vektoren, Kurvenparameter ist
3

Zeit, Bogenlänge, ...



Skalarfeld: ϕ ( r , t ) : ℝ × ℝ → ℝ :
3
Skalare Funktion von
Ort und Zeit (Vektoren)
 
Vektorfeld: F ( r , t ) : ℝ × ℝ → ℝ :
3 3
Vektorwertige Funktion von
Ort und Zeit (Vektoren)

Skalare Felder:
Gravitationspotential, elektrisches Potential, Temperaturfeld, Massenfeld, Wahrscheinlichkeits-
feld,…
Vektorielle Felder:
Kraftfeld, Geschwindigkeitsfeld, Elektrisches- und Magnetisches Feld, …
Beispiele:
Zentralpotential: 1
ϕ (r ) ∝ −  = −
 1 (Schwerefeld, (7-15)
r x2 + y 2 + z 2 elektrisches Potential )
Kräfte im Zentralfeld:   rˆ r

F (r ) ∝ 2 =  3 =
( x, y , z ) (Schwerkraft,
( x2 + y 2 + z 2 ) elektrisches Feld )
3/ 2
r r

Bemerkung zur Realität der Felder:


Felder sind mathematische Hilfsmittel zur Beschreibung physikalischer Phänomene aufgrund
kausaler Zusammenhänge. Felder sind nicht beobachtbar oder messbar!
Wir beobachten zum Beispiel, wie ein Ball durch die Luft fliegt, oder wie sich Eisenspäne auf
einer Glasplatte über einem Magneten orientieren. Schwerefelder oder magnetische Felder treten
dabei nicht in Erscheinung, aber die beobachteten Phänomene können mit ihrer Hilfe berechnet
werden.
Felder sind real im Sinnen gedanklicher Vorstellungen, nicht im Sinne physikalischer Objekte.
Das gleiche gilt auch für Raum und Zeit.
Partielle Ableitung
Felder hängen in der Regel von drei Raumkoordinaten und einer Zeitkoordinate ab. Beim partiel-
len Ableiten werden alle bis auf eine, nach der abgeleitet wird, festgehalten:
7. Vektorfunktionen und Felder 87

Partielle Ableitung: ∂ϕ ( r , t ) ϕ ( r + heˆi , t ) − ϕ ( r , t ) (7-16)


  
= lim
∂xi h→0 h
 ∂ϕ ( r , t ) ϕ ( y + h) −ϕ ( y) 

 etwa = lim , x, z , t sind konstant 
 ∂y h →0 h 
∂ϕ ( r , t ) ϕ (r ,t + h) −ϕ (r ,t )
  
= lim
∂t h→0 h
∂F ( r , t ) F ( r + heˆi , t ) − F ( r , t )
     
oder:
= lim
∂xi h →0 h
∂F ( r , t ) F (r ,t + h) − F (r , t )
     
= lim
∂t h →0 h
Nach einer Variablen xi oder t wird also abgeleitet und die anderen Variablen werden dabei fest-
gehalten.
Beispiele für partielle Ableitungen:
∂r (7-17)

Ableitung des Ortsvektors, z.B.: = ∂ y ( xeˆx + yeˆy + zeˆz ) = eˆy
∂y
∂r ∂

oder allgemein: =∑ x j eˆ j = eˆi
∂xi j ∂xi

δ ij

Kettenregel mit u = x 2 + y 2 + z 2

∂r ∂
( )
 
∂u u ( ∂ yu )
y
Ableitung des Abstandes: = x2 + y 2 + z 2 = =
∂y ∂y 
 r
1 1 =2 y
= =
2 u 2r

Richtungsableitung:
Partielle Ableitungen nach (7-16) geben die Steigung eines Feldes in Richtung der Raum- und
Zeitkoordinaten an. Für die Berechnung der Steigung in einer beliebigen Richtung ergibt sich

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88 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Richtung uˆ : (7-18)
uˆ = ∑ ui eˆi , uˆ = 1
i

Richtungsableitung:
ϕ ( r + huˆ ) − ϕ ( r )
 
∂ uˆϕ ( r ) ≡ lim

h→0 h
f ( ε ) ≡ϕ ( r +ε u )ˆ


ϕ ( r + ( h + ε ) uˆ ) − ϕ ( r + ε uˆ )

f (ε + h ) − f (ε )
 
= lim = lim
h→0 h h→0 h
ε =0
ε =0
Kettenregel r ( ) ≡ r +ε uˆ
ε 
  
 ∂   d
=
d

f ( ε ) ε =0 =
d


i  ∂ri dε
( )
ϕ ( r + ε uˆ ) ε = 0 = ∑  (ε ) ϕ r (ε )  ri(ε )
  ε =0

= ui = ∑ eˆi ⋅eˆ j u j
j

∂ϕ ( r )  ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r ) 
   
= ∑ u j eˆ j ⋅ eˆi = uˆ ⋅  , , 
i, j ∂xi  ∂x1 ∂x2 ∂x3 
Man kann die Ableitung auch verallgemeinern für nicht normierte Vektoren und erhält

  ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r )   (7-19)
  
∂ ϕ (r ) = u ⋅  = u ∂ uˆϕ ( r )
 
, ,
 ∂x1 ∂x2 ∂x3 

u

Gradienten:
Der Vektor mit den Ableitungen des Feldes ϕ unten (7-18) ist in der Physik sehr wichtig und
wird als Gradient bezeichnet.

   ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r ) ∂ϕ ( r )  ∂ (7-20)
Gradient: ∇ϕ ( r ) ≡   = ∑ eˆi ϕ (r )

, ,
 ∂x ∂y ∂z  i ∂xi
Die Bezeichnung 'Gradient' ergibt sich aus der Interpretation des Vektors.
Beispiel:
∑ x2j u ( r )≡ r 2 =
  (7-21)
j

 
1
Gravitationspotential, elektrisches Potential: ϕ ( r ) = − = − u ( r )
  −1/ 2
r
∂  1  −3/ 2  ∂
u (r ) = −∑ eˆi  − u ( r ) 
 −1/ 2
Gradient: ∇ϕ = −∑ eˆi

i ∂xi i  2 

∂xi j
x 2j
  
∂u −1/ 2 ∂u 2 xi
∂u ∂xi

∑ eˆ x i i 
r rˆ
=  3/ 2
i
= 3= 2
(r 2 ) r r
7. Vektorfunktionen und Felder 89

Rechenregeln
Summenregel: ∂  ∂ ∂  (7-22)
∇ (ϕ + ψ ) = ∑ eˆi (ϕ +ψ ) = ∑  eˆi ϕ + eˆi ψ 

i ∂xi i  ∂xi ∂xi 
= ∇ϕ + ∇ψ
 

Produktregel: ∂  ∂   ∂ 
∇ (ϕψ ) = ∑ eˆi ϕψ = ∑ eˆi   ϕ ψ + ϕ  ψ  

i ∂xi i   ∂xi   ∂xi  
= ∇ϕ ψ + ϕ ∇ψ( ) ( )
 

Quotientenregel:  ϕ ∇ϕ ϕ∇ψ
 
∇ = − 2
ψ ψ ψ
( )
∇ϕ ψ − ϕ ∇ψ ( )
 
=
ψ 2

Kettenregel: ∂ df (ϕ ) ∂
∇f (ϕ ) = ∑ eˆi f (ϕ ) = ∑ eˆi ϕ

i ∂xi i dϕ ∂xi
df (ϕ ) 
= ∇ϕ

Differential und Interpretation des Gradienten:


Am Ende von Kapitel 5 wurde das Differential einer Funktion eingeführt. Es ergab sich durch
Linearisierung des Zuwachses dx, dy : ∆x ≡ lim hdx, ∆y ≡ lim hdy .
h →0 h →0

Nun betrachten wir ganz analog das Feld ϕ als Funktion mehrer Variablen.

∆ϕ ( r ) ≡ ϕ ( r + ∆r ) − ϕ ( r ) (7-23)
   
Zuwachs:
Linearisierung: ∆ϕ ( r ) → lim hdϕ ( r ) = lim ϕ ( r + hdr ) − ϕ ( r )
    
h →0 h →0

ϕ ( r + hdr ) − ϕ ( r )
  
Differential:
dϕ ( r ) = lim

h →0 h
∂ϕ ( r )

= ∂ dr ϕ ( r ) = ∇ϕ ( r ) ⋅ dr = ∑
   
dxi
∂xi

  i
Richtungs-
ableitung

Interpretation des Gradienten


Das Differential dϕ gibt an, wie sehr sich das Feld ϕ bei einer Änderung des Ortes d r linear än-
dert. Speziell entlang von Äquipotential- oder Höhenlinien ändert sich das Differential gar nicht:

Äquipotentiallinien: 0=dϕ ( r ) = ∇ϕ ( r ) ⋅ dr ⇒ ∇ϕ ⊥ dr (7-24)


     
 
Gradient senkrecht
auf Ortsänderung

Daraus ergibt sich die Bedeutung. Der Gradient eines skalaren Feldes gibt die Richtung und das
Maß des größtmöglichen Anstieges des Feldes an. Beschreibt das Feld etwa die Höhendaten ei-
nes Berges, dann zeigt der Gradient entgegen der Falllinie. Die Länge des Gradienten drückt
dann aus, wie Steil es an der Stelle des Berges ist.

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90 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Beispiel elektrisches Potential eines Dipols:


1 1
ϕ (r ) =   −  

r −a r +a
r = xeˆx + yeˆ y , a = aeˆx
 

Abbildung 7-3: Äquipotentiallinen (Linien) und Gradientenfeld (Pfeile) eines Dipols.

Ableitungen höherer Ordnung1


Existieren die partiellen Ableitungen eines Feldes überall, so sind diese ebenfalls Funktionen von
r und können gegebenenfalls wieder partiell differenziert werden. So kommt man zur

∂ kϕ  ∂ ∂ ∂ (7-25)
k ( )
r = ϕ (r )

Partiellen Ableitung höherer Ordnung: ...
∂xi ∂xi ∂xi ∂xi
  
k − mal

Differenziert man ein paar Mal nach verschiedenen Variablen, schreibt man entsprechend

∂ kϕ ∂ kn ∂ k2 ∂ k1 (7-26)
( ) = ϕ (r )
 
r ...
∂xn ...∂x1
kn k1
∂xn ∂x2 dx1
kn k2 k1

Wichtig ist, dass die Reihenfolge der Ableitungen keine Rolle spielt, solange alle Ableitungen ste-
tig sind. Etwa für die 2. Ableitungen ist
∂ ∂ ∂ (7-27)
lim (ϕ ( r + heˆi ) − ϕ ( r ) )
1
ϕ (r ) =
  
∂x j ∂xi ∂x j h → 0 h
 
ϕ ( r + leˆ j + heˆi ) − ϕ ( r + heˆi ) −ϕ ( r + leˆ j ) + ϕ ( r )
1   
= lim lim
 
l →0 h →0 lh      
 
 
= lim lim  ϕ ( r + leˆ j + heˆi ) − ϕ ( r + leˆ j ) −ϕ ( r + heˆi ) + ϕ ( r ) 
1    
l →0 h →0 lh      
 

=
∂xi l →0 l
(
lim ϕ ( r + leˆ j ) − ϕ ( r )
1  
)
∂ ∂
= ϕ (r )

∂xi ∂x j

1
Kann im MVK weggelassen werden
7. Vektorfunktionen und Felder 91

Taylor-Entwicklung für Felder2


Mit Hilfe der Richtungsableitung nach (7-18) wird die Taylor-Entwicklung ganz zwanglos auf
Felder erweitert:

( r − r0 ) (7-28)
 
Taylor-Entwicklung von ϕ um r0 mit d ≡ r − r0 , d =   :
  
 ˆ
r − r0

( )
 n
N dˆ ⋅∇ ϕ
ϕ (r ) = ∑ dn

n =0 n!
r = r0
 

= ϕ ( r0 ) + dˆ ⋅∇ϕ (
1 ˆ  2
) 1 ˆ 
( )
N
d+ d ⋅∇ ϕ d 2 +…+ d ⋅∇ ϕ d n + Restglied
 
r = r0 2 N!
 
r = r0 r = r0
   

Beispiel: Entwicklung von r − a um r =0


  

0. Ordnung: r −a =a (7-29)
 
r =0


u ( r )=( r − a )
2
1. Ordnung: 
  

xi ∂
(r − a ) u (r )
   
rˆ ⋅∇ r − a = rˆ ⋅∇ =∑
  2 
i , j r ∂xi


xi 1
( xj − aj ) = ∑ i
x 1
 2 ( xi − ai )
2
=∑
i, j r u ( r ) ∂xi i, j r 2 u ( r )


r −a
 
= rˆ ⋅  
r −a
−a rˆ ⋅ a
 
also   
rˆ ⋅∇ r − a  = rˆ ⋅ =−
r =0 a a
 r − a
2. Ordnung:
( ) ( )
 2   
rˆ ⋅∇ r − a = rˆ ⋅∇ rˆ ⋅∇ r − a = rˆ ⋅∇rˆ ⋅  
  
r −a
u ( r ) = ( r − a ) .v ( r ) = r
   2  2
 
x ∂ xj (xj − aj )
=∑ i  = ...
i , j r ∂xi v (r ) u (r )


Anderer Weg:
Wir wenden einen Trick an, um das Feld eindimensional zu entwickeln:

2
Kann im MVB weggelassen werden

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92 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

 x x2 (7-30)
3 
r − a = a 2 − 2r ⋅ a + r 2 = a + = 1 + − + O ( x ) 
   
1 x a
 2 4 
 
r 2 − 2 r ⋅a

x≡
a2

 r 2 − 2r ⋅ a 1  r 2 − 2r ⋅ a 2 
= a 1 +
 2a 2
− 
8 a2
 + O ( r 3
) 

  
 r ⋅ a r2 (r ⋅ a )   2
 r ⋅ a r2 (r ⋅ a )
  2
+ O (r ) = a − + O ( r3 )
   
= a 1 − 2 + 2 − 3
+ −
 a 2 a 2 a 4
 a 2 a 2 a 3
 

r ⋅ a r2 (r ⋅ a)
  2 (7-31)
+ O (r3 )
 
r −a = a− + −
 
Insgesammt: 3
a 2a 2a

Wegintegrale
Einfache Integration über einen Weg bei konstantem Integranden (hier =1)
r1 r r r r (7-32)
    

∫ dr = ∫ ( dxex + dyey + dzez ) = ∫ dxex + ∫ dyey + ∫ dzeˆz


 1 1 1 1

ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ
r0 r0 r0 r0 r0
    

= ( x1 − x0 ) eˆx + ( y1 − y0 ) eˆy + ( z1 − z0 ) eˆz


= r1 − r0 ( Relativvektor des direkten Weges )
 

Integral über ein skalares Feld


Das geht nicht so ganz analog, weil die Funktion ja im Allgemeinen von allen Koordinaten ab-
hängt.
r1 r (7-33)
 

∫ ) dr = ∫ ϕ ( x, y, z ) ( dxeˆx + dyeˆy + dzeˆz )


  1
ϕ ( r
r0 r0
 

r1


= ∫ (ϕ ( x, y, z ) dxeˆx + ϕ ( x, y, z ) dyeˆy + ϕ ( x, y , z ) dzeˆz ) = ???


r0


Man muss also angeben, welcher Wert von x zu einem bestimmten Wert von y oder z gehört.
Man muss den Weg parametrisieren:
 
Parametrisierung: r = r ( s ) ( s ist etwa Bogenlänge, (7-34)
Zeit oder ein anderer Parameter )

Differential:  ∂r 
dr = ds = r ′ds
∂s

Für Zeit t :  ∂r ɺ  
dr = dt = rdt = vdt ( v ist Geschwindigkeit )
∂t
Damit ist
7. Vektorfunktionen und Felder 93

s ( r1 ) (7-35)

r1


∫ ϕ ( r ) dr = ∫ ϕ ( r ( s ) ) r ′ ( s ) ds
   
r0 s ( r0 )
 

Beim Einsetzen der Funktionen ergibt sich ein gewöhnliches, bestimmtes Integral.
Beispiel
Konstante Beschleunigung: v ( t ) = v0 + at (7-36)
  
r1

t t

∫t ( v0 + at ) dt = v0 ( t1 − t0 ) + 2 a ( t1 − t0 )
 1 1
1 2 2
∫r = ∫t ( ) =
  
dr v t dt
Wegintegral: 0 0 0

= r1 − r0 ( siehe oben )
 

r1 = r0 + v0 ( t1 − t0 ) + a ( t12 − t02 )
   1
also:
2

Integral über ein Vektorfeld


Sehr fundamental!

Arbeit = Kraft × Weg: dA = F ⋅ dr (7-37)


 

r1
  t1  
also: A = ∫ F ⋅ dr = ∫ F ⋅ r ′ ( s ) ds

r0 t0

Beispiele:

Abbildung 7-4: Wege in Kraftfeldern. Links führt der Weg Γ1 entlang der x-Achse ins unendliche und der Weg Γ2 von
einem Punkt auf einer Äquipotentiallinie zu einem anderen. Rechts betrachten wir zwei geschlossene Wege,
Γ1 liegt neben dem Zentrum des Wirbels, Γ2 umfasst es.
Linkes Bild in Abbildung 7-4:
rˆ (7-38)

r
Kraftfeld: Fa = 2 = 3

r r

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94 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Weg 1 ( s ∈ [ 0,1]) :  R + ( x0 − R ) s   x0 − R  (7-39)


  ′  
r1 = lim   , r1 = xlim

0  0 
x0 →∞ →∞
 0 
0
 0 
   
1  1
Arbeit 1: r  1
2 ( 0
A1 = ∫ F ⋅ dr = lim ∫ 3 ⋅ r ′ds = lim ∫ x − R ) ds
 
0 ( R + ( x0 − R ) s )
x0 →∞ r x0 →∞  
Γ1 0
 → x0
→( R + x0 s )
2

1 R + x0 → x0 x0
1 1 1
= lim x0 ∫ ds = lim ∫ du = − lim
(R+
x0 s )
x0 →∞ 2 x0 →∞ 2 x0 →∞ u
0 R
u R

u , ds = du / x0

 1 1 1
= − lim  −  =
x0 →∞ x
 0 R R
Wir erhalten das Potential ϕ.

Weg 2 ( s ∈ [ 0,1]) :  (1 − s )   −1 (7-40)


   ′  
r2 =  s  , r2 =  1 
 0  0
   
Arbeit 2: 1 − s 
 
 s   −1
 0 
     
A2 = ∫ F ⋅ dr = ∫ ⋅ 1  dt
( )
3/ 2 
(1 − s ) + s
2
Γ2 Γ2
2
0 
 
Integration mit Substitution u = 2 s − 2 s +1 2
 
−1+ 2 s = 12 u ′
 
u (1)
1
=∫
( s − 1) + s 1
u ′ds
1 
ds = ∫ 3/ 2 du = − 1/ 2
1
1

( )
3/ 2
0 (1 − s ) + s
2 2 2 u ( 0) u u 1
  
(1−2 s + 2 s )=u
2

=0
Hier bewegen wir uns von einem Punkt auf einer Äquipotentiallinie zur anderen.
Rechtes Bild in Abbildung 7-4:
 rˆ × eˆ r × eˆ

(7-41)
Kraftfeld: Fb = 2 z = 3 z
r r
Eine Rechnung zeigt, dass
(7-42)
Weg 1: A1 = ∫ Fb ⋅ dr ≠ 0
 
Weg 1

Weg 2: A2 = ∫ Fb ⋅ dr = 0
 
Weg 2

Der Unterschied zwischen den beiden Wegen ist klar:


7. Vektorfunktionen und Felder 95

Auf Weg 1 bewegt man sich um die Singularität herum (etwa mit einer Ladung um einen strom-
führenden Leiter). Die Kraft kommt vorwiegend aus der Bewegungsrichtung.
Auf Weg 2 bewegt man sich an der Singularität vorbei. Die Kraft wechselt ihre Richtung und die
Komponenten kompensieren sich.
Konservative Kraftfelder.
Die Eigenschaft der Wegunabhängigkeit der Arbeit ist sehr elementar. Wenn man einen Berg
besteigt, hängt die Potentielle Energie am Gipfel nicht vom Weg ab. Das Kraftfeld der Gravitati-
on hat ein Potential:
 rˆ r

(7-43)
Für das Kraftfeld F= 2 = 3
r  r 
existiert ein Potential ϕ mit F = −∇ϕ
allgemeiner:
(7-44)

Für ein konservatives Kraftfeld F gilt

∫ F ⋅ dr = ∫ F ⋅ dr
   
a) das Wegintegral ist unabhängig vom Weg:
Γ1 ( r0 → r1 ) Γ 2 ( r0 →r1 )
   

∫ F ⋅ dr ≡ ∫ F ⋅ dr = 0
   
b) das Integral auf jeder geschlossenen Bahn
Γ Γ( r →r0 )
 
0

∇ × F ( r ) =0
   
c) für alle r ist die Rotation
d ) es existiert ein Potential ϕ mit ∇ ∇ϕ = − F
  

Die Aussagen a-d sind äquivalent und definieren den Ausdruck 'konservativ'.
In den obigen Beispielen ist das Feld Fa offensichtlich konservativ, das Feld Fb nicht.
Flächen- und Volumenintegrale
xN − x0 (7-45)
Stützstellen: xi = x0 + ( i -1) ∆x, N =
∆x
N x1

Fläche unter der Kurve: A = lim ∑ f ( xi ) ∆x ≡ ∫ dxf ( x )


∆x → 0
i =1 x0

Man berechnet hier eine Fläche (2D-Volumen), und das kann man in x und y auch symmetrisch
schreiben:
Stützstellen: xN − x0 (7-46)
xi = x0 + ( i -1) ∆x, N x =
∆x
f ( xi )
y j = y0 + ( j -1) ∆y, N y , xi =
∆y
x1 f ( x ) f ( x)
Fläche unter der Kurve: N x N y , xi   x1

A = lim ∑ ∑ ∆x∆y ≡ ∫  ∫ dy  dx ≡ ∫ ∫ dydx


∆x → 0 
x0  0

∆y →0 i =1 j =1  x0 0

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96 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 7-5: Integration als Flächenberechung. Links wird die genannte Obersumme gebildet, indem die x-Koordinate in
infinitesimale Abschnitte unterteilt wird. Rechts wird zusätzlich auch die y-Koordinate in infinitesimale Ab-
schnitte unterteilt. Dies führt auf die Verallgemeinerung zu Volumenintegralen.
Die Äquivalenz von (7-45) und (7-46) sieht man leicht:
x1 f ( x ) x1 (7-47)
A= ∫ ∫0 dy dx = x∫ f ( x ) dx
x0  0
f ( x)
y0

Dies wird nun zum Volumenintegral verallgemeinert:


x1 y1 ( x ) z1 ( x , y ) (7-48)
V = ∫ dxdydz = ∫ dx ∫ dy ∫ dz
V x0 y0 ( x ) z0 ( x , y )

Die Reihenfolge der Integrationen richtet sich nach der Geometrie (siehe folgendes Beispiel).
Bezeichnungen:
(7-49)
∫ dxdydz = ∫ dV = ∫ d r
3 
V V V

z . B . im Intgrierten
Kurs Physik
7. Vektorfunktionen und Felder 97

Beispiel Pyramide

Abbildung 7-6: Pyramide, deren Volumen in (7-50) berechnet wird.

Integrationsbereiche: x = −1 + z …1 − z , y = −1 + z …1 − z , z = 0…1; (7-50)


1 1− z 1 1
Volumen:
dydx = ∫ dz x −1+ z y −1+ z = ∫ dz ( (1 − z ) − ( −1 + z ) )
1− z 1− z 2
V = ∫ dV = ∫ dz ∫
V 0 −1+ z 0 0
1 1
= 4 ∫ dz (1 − z ) = 4 ∫ dz ( z 2 − 2 z + 1) = 4 ( 13 z 3 − z 2 + z )
2 1

0
0 0

4
=
3

Teilchendichte
Anzahl von Teilchen im Volumen ∆Vk : nk , k ∈ {1… K } (7-51)
Teilchendichte: nk
ρ ( rk ) =

∆Vk
Anzahl N von Teilchen im Gesamtvolumen: K K
nk
N = ∑ nk = ∑ ∆Vk → ∫ dV ρ ( r )

k =1 k =1 ∆Vk V

Massendichte:
Masse im Volumen ∆Vk : m ⋅ nk , k ∈ {1… K } (7-52)
 m ⋅ nk
Massendichte: ρɶ ( rk ) =
∆Vk
K K
m ⋅ nk 
Masse im Gesamtvolumen: M = ∑ m ⋅ nk = ∑ ∆Vk → ∫ dV ρɶ ( rk )
k =1 k =1 ∆Vk V

Ladungsdicht geht analog.


Schwerpunkt (Integration über Vektorfeld)
 1 K
 1 K
 m ⋅ nk 1   (7-53)
Schwerpunkt: R ≡ ∑ rk m ⋅ nk = ∑r ∆Vk → ∫ dVrk ρɶ ( rk )
∆Vk
k
M k =1 M k =1 MV
Beispiel Geodreieck (konstante Massendichte)

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98 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

Abbildung 7-7: Geodreieck, dessen Schwerpunkt in (7-54) berechnet wird.

Dichte:  M M (7-54)
ρɶ ( rk ) = =
V d
1− y
Schwerpunkt:  1 d 1
dx ( xex + yey + zez )
  1   
R= ∫ dVrk ρ
ɶ ( rk ) = ∫ dz ∫ dy ∫
MV d 0 0 −1+ y
 
( )
d 1
1  1 2 2    
= ∫ dz ∫ dy 2 (1 − y ) − ( −1 + y ) ex + 2 (1 − y ) ye y + 2 (1 − y ) zez
d 0 0   
 =0 
d  
=
1
d ∫0  
dz (2 
 3) y

( 
 2) z  (3 y 2 z)
 2 1 − 1 e + 2 1 − 1 ze  = 1 1 de + 1 d 2 e
 d
 1
3
1

 0 
 
=  13 
1d
2 

Übungsaufgaben
1. Berechnen Sie die partiellen Ableitungen bis zur 2. Ordnung für folgende Funktionen: (7-55)
a ) f ( x, y ) = 2 x + 3 y , b) f ( x, y ) = sin ( x + 3 y ) ,
2 2

c ) f ( x, y ) = e
(x + y2 )
(
d ) f ( x, y ) = ln x 2 sin ( x + y ) )
2
2
,
  
sin ( x ) ≡sin ( x ) sin ( x )
2

sin 2 ( x ) ≡sin ( sin ( x ) )

2. Berechnen Sie die gemischten partiellen Ableitungen 2. Ordnung der Funktion


x2 − y 2
f ( x, y ) =
x2 + y 2
Wie verhalten sich die Funktion und die gemischten partiellen Ableitungen
2. Ordnung beim Vertauschung der Variablen ( x, y ) → ( y, x )
7. Vektorfunktionen und Felder 99

Berechnen Sie für die Bahnkurve r ( t ) = ( 2t , t 2 + 1, t − 1) :



3. (7-56)
a ) den Geschwindigkeitsvektor v ( t ) = rɺ ( t )
 
 
b) den Beschleunigungsvektor a ( t ) = ɺɺr (t )
c) Geben Sie die Komponenten von Geschwindigkeit und Beschleunigung in

Richtung u = (1, −2, −2 ) an
Wir betrachten die Bahnkurve r ( t ) = ( 3cos ( t ) ,3sin ( t ) , 4t )

4.
a ) Welcher Bahn oder geometrischen Form entspricht diese Kurve
b) Bestimmen Sie die Bogenlänge s ( t ) und geben Sie die Bahnkurve

in der Form r ( s ) an
c) Bestimmen Sie den Tangentenvektor, den Normalenvektor, die Bahnkrümmung,
und den Krümmungsradius
(7-57)
Berechnen Sie mit konstantem a und r = ∑ xi eˆi :
 
5.

 ear
a ) den Gradienten ∇
r
 1
b) den Gradienten ∇   ,
r -a
1
c) die Richtungsableitung ∂ ( r -a )  
r -a
Wir betrachten das Kraftfeld F ( x, y ) = (1 + y, x )

6. (7-58)
P2 = ( 0,1)

a ) Berechnen Sie die Arbeit A = ∫ ds ⋅ F entlang drei verschiedener Wege


 
P1 = (1,0 )

1.Weg: P1 → P2 entlang einer Geraden


2.Weg: P1 → P = (1,1) → P2 entlang zweier Geraden
3.Weg: P1 → P2 entlang eines Kreisbogens mit Radius R = 1 und
Mittelpunkt M = 0
 

b) Berechnen Sie das Potential V ( r ) , für das also ∇V = − F ist


 

7. Berechnen Sie die Doppelintegrale (7-59)


2 3 2 y 1 2− y
a ) ∫ ∫ xy ( x − y ) dydx, b) ∫ ∫ xdxdy, c) ∫ ∫ y 2 dxdy
0 0 1 0 0 y

8. Berechnen Sie den Flächeninhalt einer Ellipse mit den Halbachsen a und b.
x2 y 2
Die Ellipsengleichung ist + = 1. Zeigen Sie, dass die Ellipse auch durch
a2 b2
 x   a cos ( t ) 
 y  =   , t ∈ [ 0, 2π ] parametrisiert wird. Nutzen Sie die Symmetrie
   b sin ( t ) 
der Ellipse.
9. Berechnen Sie Mittels eines Doppelintegrals die Fläche eines gleichseitigen
Dreiecks der Seitenlänge a

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100 K. Bräuer Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium

10. Berechnen Sie die Lage des Flächenschwerpunkts eines Dreiecks,


dessen Eckpunkte durch die Koordinaten ( 0, 0 ) , ( a, 0 ) , ( a, b ) gegeben sind
11. Berechnen Sie die Masse eines Kreiskegels mit Grundflächeradius R und Höhe H
Die Dichte des Materials wächst dabei vom Wert ρ0 an der Grundfläche bis zum
Wert 5 ρ 0 an der Kegelspitze linear
12. Ein Tetraeder mit Kantenlänge a0 hat eine homoge Ladung konstanter Dichte ρ0 .
a) Wie groß ist die Gesamtladung Q?
b) Wie groß wäre die Flächenladungsdichte σ , wenn diese Gesamtladung
gleichmäßig auf der Oberläche des Tetzraeders verteilt wäre?
Hinweis: Berechnen Sie dazu entsprechend den Zeichungen
(
den Abstand g einer Ecke zur Grundflächenmitte cos ( 300 ) = 3 / 2 , )
die Höhe h ( a ) des Tetraeders als Funktion der Kantenlänge a,
den Abstand b einer Kante zur gegenüberliegenden Ecke,
den Inhalt A ( a ) einer Seitenfläche und
das Volumen V als Integral von A ( h ) über h=0..h ( a 0 ) .
Damit können Sie a) und b) beantworten.

Abbildung 7-8: Tetraeder zu Aufgabe 12

Lösungen zu den Übungsaufgaben finden Sie unter www.kbraeuer.de bei ‚Skripte und Einfüh-
rungen – Mathematischer Vorbereitungskurs für das Physikstudium …’
Index

Ableitung...... 19, 51, 52, 53, 65 Höhere Ableitungen ............. 53 Rechenregeln für Integrale .. 72
Ableitung vektorwertiger Hyperbelfunktion ................. 44 Reelle Zahlen ..................... 4, 6
Funktionen ....................... 83 imaginäre Einheit ...................7 Regel von de l'Hospital ........ 65
Ableitungen höherer Ordnung Inneres Produkt .................... 18 Reihen .......................29, 31, 44
......................................... 90 Integral im Riemannschen Richtungsableitung .............. 87
Absolutbetrag ......................... 9 Sinne ................................. 69 Satz von Taylor.............. 11, 60
Argument komplexer Zahlen 10 Integralbegriff....................... 69 Sekante .....................51, 52, 63
Bahnkurve ...................... 39, 53 Integration durch Umkehrung Skalar ........................17, 18, 21
Bahnkurven als Beispiel für der Differentiation ............ 74 Skalare Felder ...................... 86
Vektorfunktionen ............. 82 Inversenregel ........................ 58 Skalarprodukt .....18, 19, 20, 21
Basistransformationen .......... 20 Irrationale Funktionen .......... 44 Spatprodukt.......................... 24
Beispiel . 11, 21, 25, 30, 39, 41, Kettenregel ........................... 56 Stammfunktion .................... 72
53 Komplexe Zahlen ...................7 Stetigkeit .............................. 40
Beispiele:........ 8, 29, 41, 42, 66 komplexe Zahlenebene ...........8 Stetigkeit von
Bestimmung von Grenzwerten Komplexkonjugation ..............9 Vektorfunktionen ............. 83
......................................... 30 Konservative Kraftfelder ...... 95 Substitutionsmethode........... 75
Betrag ................... 9, 10, 11, 23 Konvergente Folgen ............. 29 Summenregel ....................... 55
Cosinus..................... 19, 47, 62 Konvergenzkriterien ............. 33 Tangente ...................51, 52, 66
Dezimaldarstellung ............ 4, 5 Koordinantensysteme ........... 16 Tangentenvektor .................. 84
Differentation ....................... 55 Kreuzprodukt ...... 21, 22, 23, 24 Taylor .......................60, 61, 62
Differential ........................... 66 Krümmung ..................... 66, 84 Taylorentwicklung ......... 61, 66
Differential und Interpretation Länge eines Vektors . 18, 19, 21 Taylor-Entwicklung für Felder
des Gradienten.................. 89 Logarithmus ......................... 44 ......................................... 91
Differentialquotient ........ 51, 66 Maxima ................................ 63 Taylor-Polynom ................... 61
Differenzenquotient ....... 51, 53 Messfehler ............................ 39 Transzendente Funktionen ... 44
Divergente Folgen ................ 30 Messungen..............................6 Trigonometrische Funktionen
Druck ................................... 39 Minima ................................. 63 ......................................... 46
Ebenen ................................. 24 Mittelwertsatz ....................... 62 Trigonometrische
Eigenschaften von Funktionen Monoton ............................... 41 Umkehrfunktionen ........... 47
......................................... 40 Monotonie-Satz .................... 63 Übungsaufgaben ..3, 26, 34, 48,
Einheitskreis ....... 11, 46, 47, 54 Naturkonstante ..................... 39 67
Einheitsvektoren .................. 20 Natürlichen Zahlen .................2 Umkehrfunktion der
Elementare Funktionen ........ 42 Normalenvektor .................... 84 Exponentialfunktion ........ 45
Eulersche Formel ................. 11 Numerische Integration ........ 78 Unbestimmtes Integral ......... 72
Exponentialfunktion ....... 44, 45 objektiver Raum ................... 16 Unschärfe ..............6, 38, 39, 53
Exponentialfunktion und Objektivierung ...................... 15 Van der Waals ..................... 39
Logarithmus ..................... 44 Ordnungsstrukutur ..................2 Vektoren ....4, 8, 15, 16, 18, 19,
Exponentialschreibweise ...... 11 Partialbruchzerlegung ........... 77 20, 21, 22, 23, 24, 25
Flächen- und Partielle Ableitung................ 86 Vektorenfunktionen und Felder
Volumenintegrale ............. 95 Partielle Integration .............. 74 ......................................... 85
Folgen ...................... 29, 30, 40 Physikalische Beispiele ........ 37 Vektorielle Felder ................ 86
Ganze Zahlen ......................... 3 Plancksche Wirkungsquantum Vektorprodukt...................... 21
Geometrische Interpretation . 37 ...................................... 6, 39 Volumen ........................ 39, 40
Geraden ................ 6, 24, 25, 26 Polynome.............................. 42 Wegintegrale........................ 92
Geschwindigkeit . 6, 15, 38, 39, Potenzreihen ................... 32, 59 Wendepunkte ....................... 65
53 Produktregel ......................... 57 Wurzeln ................................. 7
Gradienten ........................ 4, 88 Pyramide .............................. 97 Zahlenbereiche ...................... 1
Grundrechenarten ............... 2, 4 Quotientenregel .................... 57 Zahlenebene ..7, 8, 9, 10, 11, 29
Hauptsatz der Differential- und Rationale Funktionen ........... 43 Zahlengerade ..................... 6, 7
Integralrechnung .............. 73 Rationale Zahlen ....................3 Zusammengesetze Funktionen
Hauptwert ............................. 10 Raumerfahrung ..................... 15 ......................................... 41

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