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Wintersemester 2018/2019
Sommersemester 2019
Vorwort
Das vorliegende Skript zur Mathematik 1 und 2 umfasst den Inhalt der gleichnamigen Ver-
anstaltung für Studierende des Bauingenieurwesens und Verkehrswirtschaftsingenieurwesens
mit angestrebten Abschluss Bachelor. Es umfasst die beiden Teile:
Vorlesung und Übungen werden in integrierter Form angeboten, d.h. ausführliche Übungsbei-
spiele im genannten Umfang werden in die Vorlesung eingebunden.
Gelehrt werden Grundtechniken und Methoden der Ingenieurmathematik aus den Bereichen
Vektor- und Matrizenrechnung, Differential- und Integralrechnung für Funktionen mit einer
oder mehrerer Variablen mit Anwendungen.
Zielsetzung der Darstellung des Stoffes ist mehr seine Anwendung, weniger seine Theorie. Es
soll eher die Frage beantwortet werden Wie und unter welchen Umständen kann ich eine
”
mathematische Methode anwenden?“ als die Frage Warum funktioniert die Methode gerade
”
so?“ Man findet also nur wenige formale Beweise in diesem Skript, dort wo Begründungen
zum Verständnis nötig sind, werden sie häufig vorab entwickelt. Ansonsten wird versucht, das
Verständnis durch erläuternde Beispiele und Gegenbeispiele zu wecken.
Es wird zwar mit den grundlegenden Rechentechniken begonnen, dennoch sind Vorkenntnisse
des Grundkurses Mathematik notwendig, da das Tempo des Voranschreitens höher als in der
Schule ist.
Ein erfolgreiches Absolvieren dieser Veranstaltung beinhaltet neben der Teilnahme an
der Vorlesung das systematische Lesen und Nacharbeiten des Skripts. Es werden nicht
alle Inhalte des Skripts in der Vorlesung vorgetragen, bei manchen technischen Einzelheiten
wird auf das Skript verwiesen werden. Andererseits werden Beispiele und stoffliche Ergänzun-
gen in der Vorlesung und den Übungen vorgetragen, die nicht im Skript stehen. Der Inhalt
des Skripts entspricht dennoch genau dem (potentiellen) Inhalt der zu leistenden Prüfun-
gen. Übrigens bei den Prüfungen sind keine Taschenrechner erlaubt. Am Besten machen Sie
sich eigene Beispiele zu den Regeln und überlegen sich, warum die Regeln zutreffen bzw. in
anderen Fällen nicht zutreffen.
Dringend empfohlen wird die freiwillige Teilnahme an den die Veranstaltung begleitenden
Tutorien. Dort werden Übungsaufgaben selbst bearbeitet, besprochen und zu individuellen
Verständnisproblemen Hilfe angeboten. Zur Bearbeitung der Aufgaben in den Tutorien ist
dieses Skript immer mitzubringen. Die Übungsaufgaben werden wöchentlich ausgeteilt. Diese
entstammen zum größten Teil einer Aufgabensammlung, die zum Skript zusammengestellt
wurde.
1
2
Das Skript, die komplette Aufgabensammlung und die Übungsaufgaben, stehen als Download
auf unserer Homepage zur Verfügung:
http://www.bauing.uni-wuppertal.de/
Achtung: Die obige Reihenfolge und die Kommentare werten nicht die Qualität der Bücher,
sondern geben nur Empfehlungen und Hinweise, inwieweit diese Werke zur Vorlesung passen.
Inhalt
• Teil I: Grundlagen
• Teil V: Differentialrechnung
4
Teil I
Grundlagen
5
Kapitel 1
Diese Grundtechniken werden als bekannt vorausgesetzt. In diesem ersten Kapitel sollen den-
noch einige Rechenregeln und Begriffsbildungen herausgestellt werden, deren Kenntnis be-
sonders wichtig ist.
R++ := {x ∈ R | x > 0}
R0 := {x ∈ R | x ≥ 0}
In der Menge der reellen Zahlen R sind folgende Teilmengen von besonderer Bedeutung:
• Die Menge der natürlichen Zahlen N. Das sind alle Zahlen 1, 2, 3, 4, . . . (beachte:
N0 := N ∪ {0}).
• Die Menge der ganzen Zahlen Z entsteht aus N0 durch Hinzunahme der entsprechen-
den negativen Zahlen zu den Zahlen aus N: Z = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}.
• Die Menge der rationalen Zahlen Q umfasst alle reellen Zahlen, die sich als Bruch
zweier ganzer Zahlen darstellen lassen. Es sind genau die reellen Zahlen mit einer end-
lichen oder periodisch unendlichen Dezimalbruchdarstellung.
6
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 7
Es gilt
N ⊆ N0 ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R.
Die nicht rationalen reellen Zahlen heißen irrationale Zahlen.
Hierbei wird ⊆“ gelesen als Teilmenge von“, und es bedeutet, dass die links stehende
” ”
Menge komplett in der rechts stehenden Menge enthalten ist.
Weiter wichtig sind sogenannte Intervalle: seien a, b ∈ R
abgeschlossenes Intervall: [a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}
offenes Intervall: (a, b) := {x ∈ R | a < x < b}
halboffene Intervalle: [a, b) := {x ∈ R | a ≤ x < b}
(a, b] := {x ∈ R | a < x ≤ b}
Beachten Sie die feinen Unterschiede! – Fazit: Jedes Zeichen hat eine eindeutige Bedeutung,
die gelernt werden muss. Die Intervalle kann man am Zahlenstrahl visualisieren: z.B. (−2, 3]
( ] R
−3 −2 −1 0 1 2 3 4 5
Manchmal muss man auch mit Mengen rechnen. Folgende Operationen sind grundlegend:
Seien A, B Mengen, z.B. A, B ⊆ : R
Vereinigung: R
A ∪ B := {x ∈ | x ∈ A oder x ∈ B}
Schnitt: R
A ∩ B := {x ∈ | x ∈ A und x ∈ B}
ohne bzw. Minus: R
A\B := {x ∈ | x ∈ A und x ∈ / B}
kartesisches Produkt: A × B sind alle Tupel (x, y) für die gilt: x ∈ A, y ∈ B.
[−1, 2] ∪ [1, 3] = [−1, 3], [−1, 2] ∩ [1, 3] = [1, 2], [−1, 2]\[1, 3] = [−1, 1).
Oder [0, 1] × [0, 1] =: [0, 1]2 beschreibt ein Quadrat von Zahlen im 2D Koordinatensystem.
— Hierbei gehören die Ränder zur Menge (abgeschlossene Intervalle). Dafür verwenden wir
durchgezogenen Linien. Falls die Ränder nicht dazu gehören, stricheln wir die Ränder. (Übung:
Skizzieren Sie [−1, 1) × (2, 5].)
R R R R
Abkürzend schreiben wir: 2 := × für die Ebene, bzw. 3 für den Anschauungsraum.
Ganz kurz zum Thema Logik: Folgerungen sind sehr wichtig in der Mathematik und in der
Herleitung neuer Sachverhalte. Dazu werden auch Zeichen benutzt: Es seien A, B hier Aus-
sagen.
Äquivalenz: A⇔B lies: A genau dann wenn B“
”
Folgerung: A⇒B aus A folgt B“ bzw. A impliziert B “ bzw.
” ”
A hinreichend für B“ bzw. B notwendig für A“
” ”
Diese Zeichen haben wieder dedizierte Bedeutungen, und sind nur zu verwenden, wenn diese
auch zutreffen.
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 8
Viele dieser Regeln kann man sich geometrisch auf der Zahlengeraden veranschaulichen. Als
Beispiel sei eine Skizze zur Regel (1.1) angegeben:
b b
x
a
R
a−b a+b
Übung: Formulieren Sie diesen Zusammenhang verbal. (Tipp: Benutzen Sie das Wort Ab-
stand.)
Beispiel 1.4
(x − 2)2 + x = 2.
(x − 2)2 + x = 2
⇔ (x − 2)2 = − (x − 2)
⇔ x−2=0 oder x − 2 = −1
⇔ x=2 oder x = 1.
|x + 1| + |x − 1| ≤ 2.
|x + 1| + |x − 1| ≤ 2
⇔ (|x + 1| + |x − 1|)2 ≤ 22
⇔ (x + 1)2 + 2|x + 1| · |x − 1| + (x − 1)2 ≤ 4
⇔ 2|x2 − 1| + 2(x2 + 1) ≤ 4
⇔ |x2 − 1| + (x2 + 1) ≤ 2.
Wegen der zweigeteilten Definition des Betrages unterscheiden wir zwei Fälle
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 10
|x2 − 1| + (x2 + 1) ≤ 2
⇔ x2 − 1 + x2 + 1 ≤ 2
⇔ x2 ≤ 1.
|x2 − 1| + (x2 + 1) ≤ 2
⇔ −x2 + 1 + x2 + 1 ≤ 2
⇔ 2 ≤ 2
Da die letzte Bedingung immer erfüllt ist, erfüllen im 2. Fall alle x ∈ R mit −1 < x < 1
die gegebene Ungleichung.
Insgesamt ergibt sich damit als Lösungsmenge das abgeschlossene Intervall [−1, 1].
18 18
6x ≤ 12 − oder 6x ≥ 12 +
5 5
3 7 3 13
⇔ x≤2− = oder x ≥ 2 + = .
5 5 5 5
7 13
So lautet das Ergebnis: L = −∞, ∪ ,∞ .
5 5
Natürlich führt auch die Verwendung der Betragsdefinition mit der dazu notwendi-
gen Fallunterscheidung zum Ziel. Dieser Weg ist in diesem Fall aber viel aufwendiger.
(Übung!)
Weil x − 1 an der Stelle x = 1 sein Vorzeichen ändert, unterscheiden wir für jede Ungleichung
die Fälle
Fall 1 : x < 1 und Fall 2 : x > 1.
Hier kann x die Fallbedingung (Fall 1) oder die Fallbedingung (Fall 2) erfüllen. Die Lösungs-
menge ergibt sich daher aus der Vereinigung der Lösungsmengen für die beiden Fälle.
1
x+1≤ ⇔ (x + 1)(x − 1) ≥ 1
x−1
⇔ x2 − 1 ≥ 1 ⇔ x2 ≥ 2
√ √ √ √
⇔ x ≥ 2 oder x ≤ − 2 ⇔ x ∈ (−∞, − 2] ∪ [ 2, ∞)
Gültige Lösungen für diesen Fall sind aber nur diejenigen x, die auch die Fallbedingung
(F 1) erfüllen.
√ √ √
L
h i
U1, 2 = (−∞, − 2] ∪ [ 2, ∞) ∩ (−∞, 1) = (−∞, − 2] .
1
x+1≤ ⇔ (x + 1)(x − 1) ≤ 1
x−1
⇔ x2 − 1 ≤ 1 ⇔ x2 ≤ 2
√ √
⇔ x ∈ [− 2, 2]
Die Lösungsmenge von U1 ist nun die Vereinigung der Lösungsmengen für die beiden
Fälle: √ √
L L L
U1 = U1, 1 ∪ U1, 2 = (−∞, − 2] ∪ (1, 2].
• U2: Analog wird die zweite Ungleichung (U2) auch mit Fall 1 (x < 1) und Fall 2 (x > 1)
behandelt und man erhält (Übung!)
Analog zum Prinzip der vollständigen Induktion verwendet man bei natürlichen Zahlen das
Prinzip der rekursiven Definition: Ein Begriff, der für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0
definiert werden soll, kann folgendermaßen festgelegt werden:
1. Definiere ihn für n = n0 .
2. Definiere ihn für n = n + 1 unter Zuhilfenahme der (hypothetisch) bereits erfolgten
Definition für n = n̄, n̄ ≥ n0 .
Dies findet speziell Anwendung bei folgenden Begriffen:
Beispiel 1.8 Es werde die Menge {1, 2, 3} betrachtet. Deren Elemente kann man auf 3! =
1 · 2 · 3 = 6 verschiedene Weisen ordnen
1−2−3 2−1−3 3−1−2
1−3−2 2−3−1 3−2−1
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 13
Ferner
m
Y
ai := am ,
i=m
n+1
Y n
Y
ai := an+1 · ai ,
i=m i=m
Yn
(mit Pünktchen ai :=am · am+1 · . . . · an ).
i=m
Das folgende Beispiel benutzt das Summenzeichen. Es liefert gleichzeitig eine Rechenregel in
ii), die mit vollständiger Induktion bewiesen werden kann.
4
X
Beispiel 1.9 i) i = −1 + 0 + 1 + 2 + 3 + 4 = 9.
i=−1
n
X n · (n + 1)
ii) k = 1 + 2 + 3 + . . . + (n − 1) + n = . (Warum?)
2
k=1
1.4.3 Binomialkoeffizienten
Für alle k, n ∈ N0, n ≥ k setzen wir:
n n!
:=
k k!(n − k)!
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
= .
k!
n
Dabei liest man als: n über k“. Für die Binomialkoeffizienten gelten folgende Re-
k ”
chenregeln:
n n n n
= 1, = 1, = n, = n,
0 n 1 n−1
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 14
n n n+1 n n
= , = + (1 ≤ k ≤ n). (1.2)
k n−k k k−1 k
n
Aus den Formeln (1.2) ergibt sich für die Binomialkoeffizienten die Anordnung als Drei-
k
eck: (Pascalsches Dreieck)
(n = 0) 1
(n = 1) 1 1
(n = 2) 1 2 1
(n = 3) 1 3 3 1
(n = 4) 1 4 6 4 1
.. ..
. .
N N
n
Satz 1.11 Für n ∈ beliebig gilt: Zu vorgegebenem k ∈ 0 , k ≤ n, gibt es Möglichkei-
k
ten, aus einer Menge von n verschiedenen Objekten genau k auszuwählen.
n
Dies bedeutet: eine Menge mit n (verschiedenen) Elementen hat genau viele k−elementige
k
Teilmengen. (Für k = 0 ist dies die leere Menge, für k = 1 sind die die einzelnen n Elemente,
für k = n ist dies die gesamte Menge.)
Satz 1.12 (Binomischer Lehrsatz) Für beliebige Zahlen a, b ∈ R und jedes n ∈ N0 gilt
die binomische Formel
n
n
X n k n−k
(a + b) = a b .
k
k=0
Folgerungen:
n n
n
X
n n k n−k X n n n n
1.) 2 = (1 + 1) = 1 1 = = + + ···
k k 0 1 n
k=0 k=0
Diese Gleichheit bedeutet: Eine Menge der Mächtigkeit n besitzt genau 2n verschiedene
Teilmengen (einschließlich der leeren Menge und der Gesamtmenge).
n
X n k n(n − 1) 2
2.) (1 + x)n = x = x0 + nx1 + x + · · · + xn .
k 2
k=0
Ihre Werte sind festgelegt über Beziehungen am Einheitskreis, die durch folgende Skizze dar-
gestellt sind, wobei auch Winkel > 360◦ und < 0◦ zugelassen sind:
y
sin α
α
x
cos α 1
Die x-Koordinate eines Punktes des Einheitskreises entspricht dem Kosinus des Winkels, die
y-Koordinate dem Sinus des Winkels.
In der Praxis werden die Funktionen sin und cos meistens für Argumente im Bogenmaß, l,
und nicht im Gradmaß, α, angegeben.
α
l= π, π = 3.1416 . . .
180
Man schreibt dann aber i.Allg. x anstelle von l, wenn von den Funktionen sin und cos die
Rede ist.
Im Zusammenhang mit den Funktionen sin und cos benutzen wir immer das Bogenmaß, so-
fern nichts anderes gesagt wird. Für den Augenblick betrachten wir beides und unterscheiden
den Winkel α im Gradmaß und den Winkel x im Bogenmaß.
r
b
sin α
α
cos α 1
a
die Beziehung
r cos(x) = a , r sin(x) = b
und über den Satz des Pythagoras
Man beachte ferner die folgenden strukturellen Eigenschaften von sin und cos:
Für einige markante Argumente kann man die Werte der Winkelfunktionen exakt berechnen.
Als erstes betrachten wir α = 45◦ , x = π4 :
y0
Winkel α = 45◦
1 Bogenlänge x = π
4
gleichschenkliges
1
2 rechtwinkliges Dreieck
x
sin(α) sin(α) = cos(α)
α
−1 1 x0 Satz des Pythagoras:
− 12 cos(α)
1 = cos2 (α) + sin2 (α)
− 12
= 2 sin2 (α)
⇔ √1 = cos(α) = sin(α)
2
−1
(da 0 < α < 90◦ ).
y0
1 Winkel α = 30◦
π
Bogenlänge x = 6
1
halbes, gleichseitiges Dreieck:
2
1
sin(α) x sin(α) =
2
α Satz des Pythagoras:
−1 cos(α) 1 x0
− 12
cos2 (α) + sin2 (α) = 1
5 2
− 12 4 cos (α) =
1
√
⇔ cos(α) = 2 3
−1 (da −90◦ < α < 90◦ ).
KAPITEL 1. ZAHLEN UND FUNKTIONEN 17
y0
(0, 1)
√ √
− 12 , 23 1
,
2 2
3
√ √ √ √
2 2 2 2
− 2 , 2 π 2 , 2
2
2π π
√ 3 3 √
3 1 3 1
− 2 ,2
3π
90◦
π
2 ,2
4 4
120◦ 60◦
5π π
6 6
150◦ 30◦
(−1, 0) (1, 0)
π 180◦ 0◦ ◦
360 2π
x0
210◦ 330◦
7π 5π 11π π
6 ;− 6 6 ;−6
√ 240◦ 300◦ √
5π 3π 7π π
270◦
4 ;− 4 4 ;−4
3 1 3 1
− 2 , −2 2 , −2
4π 2π 5π π
3 ;− 3 3 ;−3
√ √ 3π π √ √
2 ;−2
2 2 2 2
− 2 , − 2 2 , − 2
√ √
3 3
− 12 , − 2
1
2 , − 2
(0, −1)
1
√ 1
√ 1
√ 1
√ 1
√
cos(x) 2 4 2 3 2 2 2 1 2 0
1
√ 1
√ 1
√ 1
√ 1
√
sin(x) 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4
Teil II
18
Kapitel 2
Vektoren im Raum
Manche technischen Größen lassen sich durch eine einzelne reelle Zahl als Größenangabe nicht
ausreichend bemessen, sie benötigen mehrere reelle Zahlen zu ihrer quantitativen Beschrei-
bung. So werden Kräfte nicht nur durch eine Größenangabe festgelegt, es bedarf zusätzlich
Angaben z.B. einer Richtung im Raum.
Zur mathematischen Beschreibung von Kräften verwendet man in der Regel Vektoren. Wir
führen diese über Parallelverschiebung des Raumes ein.
Definition 2.1 Zu zwei vorgegebenen Punkten P und Q des Raumes gibt es genau eine
Parallelverschiebung des Raumes, die P in Q überführt. Diese nennen wir den Vektor von
P nach Q.
Vektoren werden repräsentiert durch Pfeile im Raum. Gleichlange und gleichgerichtete Pfeile
repräsentieren dabei dieselbe Raumverschiebung, denselben Vektor. Pfeile schreiben wir in
der Regel mit kleinen Buchstaben mit Pfeil ~a, ~b, . . . und identifizieren, wenn P den Anfang
−−→
und Q die Spitze des Pfeils ~a darstellen, den Pfeil ~a mit dem Vektor P Q, sagen also ~a ist
”
ein Vektor“ und beachten dabei, dass ~a als Vektor frei im Raum parallel-verschoben werden
kann.
−−→
Zu ~a = P Q bezeichnen wir den Vektor gleicher Länge, aber umgekehrter Richtung mit −~a :=
−−→ −−→
QP . Ferner bezeichnen wir die triviale Verschiebung P P mit ~0.
~a + (−~a) = 0
~a + ~0 = ~a
~a + ~b = ~b + ~a
~a + (~b + ~c) = (~a + ~b) + ~c.
~a − ~b := ~a + (−~b),
19
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 20
so können wir über diese Rechenregeln mit Vektoren genauso“ rechnen wie mit reellen Zahlen!
”
Beachte: Die Summe mehrerer Vektoren ~a1 + . . . + ~as ist der Vektor, der beim Anfang von
~a1 beginnt und an der Spitze von ~as endet, wenn diese hintereinander angetragen werden:
~a1 + . . . + ~a6
~a1 ~a6
~a2
~a3
~a5
~a4
Beachte ferner folgende Skizze zur geometrischen Lage von ~a + ~b und ~b − ~a:
~b
~b − ~a ~a + ~b
~a
α · (β · ~a) = (α · β) · ~a,
α · (~a + ~b) = α · ~a + α · ~b,
(α + β) · ~a = α · ~a + β · ~a,
sowie
0 · ~a = ~0,
1 · ~a = ~a,
(−1) · ~a = −~a.
|~a| = 0 ⇔ ~a = ~0
|α~a| = |α| · |~a|
|~a + ~b| ≤ |~a| + |~b| (Dreiecksungleichung)
~e3 ~a
~e1 y
~e2
Der Pfeil ~a zerfällt im Sinne der Addition von Vektoren eindeutig in drei Vektoren in Rich-
tung der Koordinatenachsen, die jeweils als Vielfache der Koordinateneinheitsvektoren
~e1 , ~e2 , ~e3 dargestellt werden können:
und nennen (2.1) die Koordinatendarstellung des Vektors ~a. Die Zahl ai (i = 1, . . . , 3)
heißt die i–te Komponente des Vektors ~a. Wir nennen den im Koordinaten–Nullpunkt
angetragenen Vektor ~a den Ortsvektor zum Raumpunkt A = (a1 , a2 , a3 ).
→
Damit gilt für den Vektor AB
−−→ −→ − →
AB = 0B − 0A = ~b − ~a.
Die Menge aller Vektoren im 3-dimensionalen Raum (Spalten mit 3 Einträgen) bezeichnen
R R R R
wir mit 3 = × × .
Rechnen in Koordinatendarstellung
Man beobachtet, dass sich das Rechnen mit Vektoren in Koordinatendarstellung besonders
einfach anlässt, denn es gelten folgende
Rechenregeln (α ∈ ): R
a1 b1 a1 + b1
a2 + b2 = a2 + b2 ,
a3 b3 a3 + b3
a1 αa1
α a2 = αa2 ,
a3 αa3
0
~0 = 0 ,
0
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 22
a1 −a1
− a2 = −a2 ,
a3 −a3
b1 − a1
−−→
AB = b2 − a2 ,
b3 − a3
a1 q
a2 =
a21 + a22 + a23 ,
a3
Hierbei ist ∠(~a, ~b) der kleinere“ der beiden möglichen Winkel. Es gilt insbesondere für die
”
Koordinateneinheitsvektoren
~e1 · ~e1 = 1,
~e2 · ~e2 = 1,
~e3 · ~e3 = 1,
~ei · ~ej = 0, falls i 6= j.
Mit Hilfe der Definition weist man nach, dass das Skalarprodukt folgenden
Rechenregeln genügt (~a, ~b, ~c Vektoren, α ∈ ): R
~a · ~b = ~b · ~a,
(α~a) · ~b = ~a · (α~b) = α(~a · ~b),
(~a + ~b) · ~c = ~a · ~c + ~b · ~c,
√
|~a| = ~a · ~a,
|~a · b| ≤ |~a| · |~b|
~ (Cauchy–Schwarzsche Ungleichung).
2. Es gilt im allgemeinen
(~a · ~b) · ~c 6= ~a · (~b · ~c),
da gewöhnlich ein Vielfaches von ~c nicht gleich einem Vielfachen von ~a ist.
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 23
~a
~a~n
~b ~a = ~a~b + ~a~n
~a~b
Berechnen wir ~a~b und ~a~n . Zunächst einmal ist aus der Skizze klar, dass ~a~b Vielfaches des
R
Vektors ~b ist. Daher gibt es ein α ∈ so, dass ~a~b = α~b gilt. Den Vektor ~a~n können wir über
~a und ~a~b ausdrücken: ~a~n = ~a − ~a~b .
Nun nutzen wir aus, dass ~b auf ~a~n senkrecht steht.
0 = ~b · ~a~n
= ~b · ~a − ~a~b
= ~b · ~a − α~b
= ~b · ~a − ~b α~b
= ~a · ~b − α(~b · ~b)
~a · ~b~ ~a · ~b~
~a~b = α~b = b und ~a~n = ~a − b.
|~b|2 |~b|2
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 24
~a · ~b a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
cos ∠(~a, ~b) = =p 2 .
|~a| · |~b|
p
a1 + a22 + a23 · b21 + b22 + b23
Insbesondere kann man für einen beliebig vorgegebenen Vektor ~a den Cosinus des Winkels zu
den drei Koordinatenachsen, den Richtungscosinus, berechnen:
ai
cos ∠(~a, ~ei ) = p 2 (i = 1, 2, 3).
a1 + a22 + a23
1. |~a × ~b| = |~a| · |~b| · | sin ∠(~a, ~b)| legt seine Länge fest.
2. Gilt ~a k ~b oder ~a = 0 oder ~b = 0, so folgt |~a × ~b| = 0. In diesem Fall muss also ~a × ~b wie
folgt festgelegt werden: ~a × ~b := ~0.
Ist |~a × ~b| =
6 0, so gibt es einen eindeutigen Einheitsvektor ~e mit
Man beachte, dass |~a ×~b| = |~a|·|~b|·| sin α| gerade den Flächeninhalt des aus ~a und ~b gebildeten
Parallelogramms angibt.
~a × ~b
α ~b
~a
Vorsicht: Das Rechnen mit dem Vektorprodukt weicht erheblich vom Rechnen mit reellen
Zahlen ab. Im allgemeinen gilt (Beispiel?)
R R
n o
~x ∈ 3 | ~x = ~a + λ(~b − ~a), λ ∈ (Zwei–Punkte–Form).
~b − ~a
x3
x2
~a
~b
x1
g: ~x = ~a + λ~c, λ∈ R
die allgemeine Parameterdarstellung einer Geraden g. ~c heißt ein Richtungsvektor der
Geraden (der nicht eindeutig festgelegt ist).
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 26
~a
~a~n
~b
~a~b
~a y
z ~v
~u X
~c
~a ~b
y
x
~x − ~a = t~u + s~v , t, s ∈ R.
Die Parameterdarstellung einer Ebene lautet also
R
E = ~x ∈ 3 | ~x = ~a + t~u + s~v ,
t, s ∈ R .
~u und ~v heißen Richtungsvektoren der Ebene, sie sind keineswegs eindeutig bestimmt.
Man beachte, dass die Parameterdarstellung der Ebene die der Geraden so erweitert, dass
ein zusätzlicher Richtungvektor aufgenommen wurde, was der um eins höheren Dimension
entspricht.
denn ~u ×~v ⊥ ~u und ~u ×~v ⊥ ~v . Um das Lot zu berechnen, haben wir also nur den Schnittpunkt
S der Geraden ~x = p~ + r(~u ×~v ) und der Ebene E zu ermitteln, d.h. r aus der Vektorgleichung
zu berechnen.
P
~n
S
KAPITEL 2. VEKTOREN IM RAUM 28
Dies gelingt durch einen Trick: Wir bilden auf beiden Seiten der Gleichung das Skalarprodukt
mit ~u × ~v
p~ · (~u × ~v ) + r|~u × ~v |2
= ~a · (~u × ~v ) + t~u · (~u × ~v ) + s~v · (~u × ~v )
= ~a · (~u × ~v ).
g1 : ~x = ~a + t~u, t ∈ R
g2 : ~x = ~b + s~v , s ∈ R
zwei Geraden. Dann sind grundsätzlich zwei Fälle möglich:
1. Ist ~u k ~v , so ist d gleich dem Abstand des Punktes B von der Geraden g1 :
~
(b − ~
a ) × ~
u
d= .
|~u|
2. Ist ~u ×~v 6= ~0, so ist d gleich dem Abstand des Punktes B von der Ebene ~x = ~a + t~u + s~v ,
R
t, s ∈ :
~
(b − ~a) · (~u × ~v )
d= .
|~u × ~v |
Merke: Sinnvollerweise berechnet man zunächst ~u ×~v , wenn man den Abstand zweier beliebig
vorgegebener Geraden berechnen will. Gilt ~u × ~v = ~0, so gibt die erste Formel den Abstand
an, andernfalls die zweite.
Kapitel 3
Lineare Gleichungen
w
~
h
~v
~u
29
KAPITEL 3. LINEARE GLEICHUNGEN 30
Es gilt
w~ · (~
u × ~
v )
h = 2 ~ u × ~v
|~u × ~v |
|w~ · (~u × ~v )|
= .
|~u × ~v |
Damit gilt für das Volumen V
|w
~ · (~u × ~v )|
V = F ·h = · |~u × ~v |
|~u × ~v |
= |w
~ · (~u × ~v )| .
2. Der Wert |w
~ · (~u × ~v )| ist unabhängig von der Reihenfolge der beteiligten Vektoren.
~ · (~u × ~v ) = |w|
w ~ · |~u × ~v | · cos ∠ (w,
~ (~u × ~v )) > 0.
• w
~ · (~u × ~v ) ändert seinen Wert nicht, wenn w, ~ ~u, ~v in zyklischer Reihenfolge ver-
tauscht werden, etwa
w~ · (~u × ~v ) = ~u · (~v × w)
~ .
• w
~ · (~u × ~v ) ändert nur das Vorzeichen, nicht den Betrag, wenn zwei der beteiligten
Vektoren miteinander vertauscht werden.
Die Aussage von 4. ist Grund genug, den Wert als ein (weiteres) Produkt aus den beteiligten
Vektoren aufzufassen. Wir schreiben
~ := ~u · (~v × w)
[~u, ~v , w] ~ (3.1)
Bemerkung 3.2 Man überprüfe hierdurch noch einmal die Vorzeichenregel für das Spatpro-
dukt bei Vertauschung von beteiligten Vektoren.
Man schreibt das Spatprodukt oft auch verkürzend als
a1 b1 c1 a1 b1 c1
a2 , b2 , c2 =: a2 b2 c2
a3 b3 c3 a3 b3 c3
und nennt die rechte Seite die Determinante der beteiligten Vektoren ~a, ~b, ~c.
Beachte: Das Volumen des von den Vektoren ~u, ~v , w ~ aufgespannten Tetraeders ist gerade
(warum?)
1
|[~u, ~v , w]|
~ .
6
t~u + s~v + rw ~
~ = d.
Es gilt
• entweder ~u, ~v , w
~ liegen in einer Ebene. Genau dann ist [~u, ~v , w]
~ = 0.
• oder ~u, ~v , w ~ 6= 0.
~ liegen nicht in einer Ebene. Genau dann ist [~u, ~v , w]
~ ~v , w]
[d, ~ ~ w]
[~u, d, ~ ~
[~u, ~v , d]
t= , s= , r= .
[~u, ~v , w]
~ [~u, ~v , w]
~ [~u, ~v , w]
~
Diese Formel bezeichnet man als Cramersche Regel. Die eindeutige Lösung der Vektorglei-
chung kann also durch Quotienten von Determinanten angegeben werden.
~ = d~ mit
Beispiel 3.3 Als Zahlenbeispiel betrachten wir die Vektorgleichung t~u + s~v + rw
1 0 −1 0
~u = 1 , ~v = 1 , w ~ = 0 , d~ = 2
0 1 −2 −1
Es gilt dann:
1 0 −1 1 −2
~ = 1 · 1 × 0 = 1 · −1 = −3
[~u, ~v , w]
0 1 −2 0 1
und
0 0 −1 0 −2
~ ~v , w]
[d, ~ = 2 · 1 × 0 = 2 · −1 = −3.
−1 1 −2 −1 1
KAPITEL 3. LINEARE GLEICHUNGEN 32
−3
Also gilt t = −3 = 1. Weiterhin gilt
1 0 −1 1 −4
~ w]
[~u, d, ~ = 1 · 2 × 0 = 1 · 1 = −3,
0 −1 −2 0 2
−3
also gilt auch s = −3 = 1. Schließlich ergibt sich
1 0 0 1 −3
~ = 1 · 1 × 2 = 1 · 0 = −3,
[~u, ~v , d]
0 1 −1 0 0
−3
sodass auch r = −3 = 1 gilt.
Man prüft leicht nach, dass die berechneten Werte t, s, r tatsächlich Lösungen der gegebenen
Vektorgleichung sind.
Dies erkennen wir zum Beispiel, wenn wir die Gleichung wie oben als Bestimmungsgleichung
für den Schnitt einer Geraden und einer Ebene interpretieren. Genau dann ist [~u, ~v , w]
~ = 0,
wenn die Gerade parallel zur Ebene verläuft. Dafür gibt es zwei Fälle:
1. Die Gerade liegt in der Ebene“; dann gibt es unendlich viele Lösungen der Gleichung.
”
2. Die Gerade liegt echt parallel zur Ebene“; dann ist die Schnittmenge leer, es gibt keine
”
Lösung der Gleichung.
Lineare Unabhängigkeit
Definition 3.4
Beispiel 3.5 Eine vorgegebene Kraft ~k greife an der Spitze eines dreibeinigen Tragbockes
an.
~k
~k3 ~k1
~k2
~a
~c
~b
Die Reaktionskräfte im Tragbock seien mit ~k1 , ~k2 , ~k3 bezeichnet. Es gilt dann im Gleichgewicht
der Kräfte
~k + ~k1 + ~k2 + ~k3 = 0.
Die drei Beine des Tragbockes seien durch die Vektoren ~a, ~b, ~c gegeben. Dann gilt
~k1 = λ1~a, ~k2 = λ2~b und ~k3 = λ3~c
A
~v
~u X
Genau dann zeigt der Ortsvektor ~x auf einen Punkt X der Ebene, wenn
(~x − ~a) · ~n = 0
bzw. ~x · ~n = ~a · ~n.
KAPITEL 3. LINEARE GLEICHUNGEN 34
~x · ~n = r.
Hierin heißt ~n der Normalenvektor zur Ebene. Wir wissen bereits, dass dieser senkrecht
zur Ebene steht.
Von dieser Darstellung betrachten wir mehrere Spezialfälle.
Spezielle Normalendarstellungen
n1
1. Ist ~n = n2 , so lautet die Ebenengleichung
n3
n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = r.
Wir nennen diese Darstellung eine Koordinatendarstellung der Ebene. Diese ist nicht
eindeutig.
2. Ist r 6= 0, so kann die rechte Seite auf die Größe 1 normiert“ werden, indem die gesamte
”
Gleichung durch r geteilt wird. Es entsteht dann
α1 x1 + α2 x2 + α3 x3 = 1,
n1 n2 n3
die (eindeutige) Achsenabschnittsform der Ebene, wobei α1 = r , α2 = r , α3 = r
gesetzt wurde.
Sie trägt diesen Namen, weil aus den Koeffizienten der Variablen unmittelbar die Schnitt-
punkte der Ebene mit den Koordinatenachsen abgelesen werden können. Diese Schnitt-
punkte lauten nämlich
1 1 1
, 0, 0 , 0, , 0 , 0, 0, ,
α1 α2 α3
sofern α1 , α2 , α3 6= 0 sind. Ist eines (oder sind mehrere) der αi = 0, so hat die Ebene
mit der entsprechenden Achse keinen Schnittpunkt, d.h. die Achse verläuft parallel zur
Ebene.
Bemerkung 3.6 Mit Hilfe der Achsenabschnittsform kann eine Ebene von Normalendarstel-
lung in eine Parameterdarstellung umgeschrieben werden. Man forme die Normalendarstel-
lung in die Achsenabschnittsform um. Sind alle αi 6= 0, so hat man drei Punkte der Ebene
(Dreipunkte-Form). Sonst hat man
sind Richtungsvektoren (warum?), sofern diese nicht gleich dem Nullvektor sind.
KAPITEL 3. LINEARE GLEICHUNGEN 35
3. Eine weitere Spezialform der Normalendarstellung von E ist die Hessesche Normal-
form (Hesseform). Sie entsteht aus peiner beliebigen Koordinatendarstellung n1 x1 +
n2 x2 + n3 x3 = r, indem durch |~n| = n21 + n22 + n23 geteilt wird und dafür Sorge getra-
gen wird, dass die rechte Seite größer oder gleich null ist (also ggf. die Gleichung mit
(−1) multiplizieren!)
m1 x1 + m2 x2 + m3 x3 = d (mit d ≥ 0).
Diese Form hat folgende Besonderheiten:
m1
• Es ist m
~ = m2 ein spezieller Normalenvektor zur Ebene. Dieser hat die Länge
m3
|m|
~ = 1. Ferner ist sein Winkel zu einem beliebigen Ortsvektor ~x der Ebene spitz.
Daher weist m
~ immer vom Nullpunkt weg.
• Für jeden Punkt A der Ebene (Ortsvektor ~a) gilt für den Abstand zum Ursprung
~0:
~a − ~0 · m
~
= |~a · m|
~ = |d| = d ,
|m|
~
d.h. die Ebene E hat Abstand d vom Nullpunkt.
• Ferner gibt
|(~a − p~) · m|
~
= |d − p~ · m|
~
|m|
~
den Abstand eines beliebigen Punktes P von der Ebene an. Dabei gilt:
– Ist d − p~ · m
~ > 0, so liegt P auf derselben Seite wie der Nullpunkt.
– Ist d − p~ · m
~ < 0, so liegen beide auf verschiedenen Seiten der Ebene.
E1 : n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = r1
E2 : m1 x1 + m2 x2 + m3 x3 = r2
schneiden sich in einer Geraden, sofern die Ebenen nicht parallel sind. Sind ~n und m ~ die
Normalenvektoren, so sind die Ebenen genau dann parallel, wenn ~n × m ~ = ~0 gilt. Andernfalls
ist offensichtlich ~n × m
~ ein Richtungsvektor der Schnittgeraden, da ein solcher Richtungsvektor
~c sowohl parallel zu E1 als auch zu E2 liegt, d.h. es gilt ~c ⊥ ~n und ~c ⊥ m,
~ womit ~c k ~n × m~
ist.
Einen Punkt auf der Schnittgeraden erhält man durch Lösen des Gleichungssystems
n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = r1
m1 x1 +m2 x2 +m3 x3 = r2 ,
Lösen kann man das Gleichungssystem, indem man eine der Gleichungen nach einer der
Variablen aufgelöst, diese in die zweite Gleichung eingesetzt wird und dann eine der Variablen
willkürlich gleich Null gesetzt wird.
Den Schnitt von drei Ebenen berechnet man über ein System von drei Normalengleichungen
für die drei Unbekannten x1 , x2 , x3 . Beachte: Der Schnitt dreier Ebenen kann
KAPITEL 3. LINEARE GLEICHUNGEN 36
1. leer sein,
|~n · m|
~
cos(α) = .
|~n| · |m|
~
Dies folgt aus dem Skalarprodukt. (Wie?) Der Betrag im Zähler sorgt dafür, dass man den
kleineren Winkel wählt. (Warum?)
Für den Schnittwinkel β(g1 , g2 ) zwischen zwei sich schneidenden Geraden
g1 : ~a + t~u t∈R
g2 : ~b + s~v s∈R
gilt
|~u · ~v |
cos(β) = .
|~u| · |~v |
Für den Schnittwinkel γ(E1 , g1 ) zwischen der Ebene E1 und der Geraden g1 gilt:
|~n · ~u|
sin(γ) = ,
|~n| · |~u|
37
Kapitel 4
Funktionen
f (x, y, . . .) = 0,
wo links ein Term in den Unbekannten steht. Je nachdem, welchen reellen Wert die Un-
bekannten zugewiesen bekommen, wird f (x, y, . . .) eine unterschiedliche Zahl sein (in der
Regel 6= 0). Wir nennen den Term f (x, y, . . .) einen Funktionsterm bzw. die Zuordnung
(x, y, . . .) 7→ f (x, y, . . .) eine Funktionsvorschrift oder Funktion.
Beachte: Eine Funktion ordnet jedem (x, y, . . .) aus ihrem Definitionsbereich eindeutig einen
Wert f (x, y . . .) zu. Man spricht von Argumenten x, y, usw.
Nicht immer können alle reellen Werte für die Unbekannten eingesetzt werden. Oft muß eine
Menge D als Definitionsbereich für die Funktion festgelegt werden.
√
R
Beispiel 4.1 (i) f (x) = x ist nur für x ≥ 0 definiert, D = {x ∈ x ≥ 0} = + R
√ 0.
(ii) Aber g(x) = ± x ist keine Funktion, denn dem Argument x = 4 werden die Werte −2
und 2 zugordnet.
Wir schreiben
f :D→ R,
um den Namen f der Funktion, deren Definitionsbereich D und deren Wertebereich R
festzulegen. Hierbei wird die Konvention benutzt: f bezeichnet die Funktion und f (x) einen
speziellen Funktionswert, nämlich den Wert von f an der Stelle x.
R
Im obigen Beispiel sagen wir durch Angabe des Wertebereiches nur, dass die Funktionswerte
reelle Zahlen sind. Man spricht dann auch von reellen Funktionen. Es müssen jedoch nicht
notwendig alle reellen Zahlen auch als Bild (oder Funktionswert) von f vorkommen.
Die Menge aller Funktionswerte (oder Bilder) f (x), die durch mindestens ein x aus dem
Definitionsbereich erreicht werden, nennt man den Bildbereich f (D) einer Funktion. Der
Bildbereich f (D) ist eine Teilmenge des Wertebereiches.
f (D) := {f (x) ∈ R | x ∈ D} .
38
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 39
f(D)
Wir werden uns zunächst hauptsächlich mit Funktionen beschäftigen, die nur von einer Varia-
blen, zumeist x, abhängen. Solche Funktionen kann man (mehr oder weniger genau) skizzieren,
indem man in ein zweidimensionales Koordinatensystem die Wertepaare (x, y) mit y = f (x)
einzeichnet. Wir nennen
R
(x, y) ∈ 2 y = f (x), x ∈ D
x
1 2 3 4 5
Häufig hilft es beim Verständnis von Funktionen, Symmetrien in Funktionen zu erkennen. Sei
R R
f : → . Gilt
f (−x) = f (x)
dann ist f achsensymmetrisch zur y-Achse; f wird gerade Funktion genannt. Gilt dagegen
f (−x) = −f (x)
R R
Beispiel 4.4 Die Funktion f1 : → , f1 (x) = x2 + 1 ist gerade.
R R
Die Funktion f2 : → , f2 (x) = x3 ist ungerade.
R R
Die Funktion f3 : → , f3 (x) = x + 1 ist weder gerade noch ungerade.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 40
Oft ist ebenfalls die Frage interessant, ob, wo und wie reelle Funktionen wachsen oder fallen.
R R R
Beispiel 4.6 (i) Die Funktion f1 : → , f1 (x) = x2 + 1 ist auf nicht monoton. Schränkt
man jedoch den Definitionsbereich ein, so kann man feststellen, dass sie auf (−∞, 0] streng
monoton fällt und auf [0, ∞) streng monoton wächst.
R R
(ii) Die Funktion f2 : → , f2 (x) = x3 wächst auf R
streng monoton.
R R
(iii) Die Funktion f4 : → , f4 (x) = −x + 1 fällt auf R
streng monoton.
(iv) Die konstante Funktion f5 : R R
→ , f5 (x) = 2.7 ist auf R
sowohl momoton wachsend
als auch monoton fallend, aber nicht streng monoton wachsend und nicht streng monoton
fallend.
f −1 : f (D) → D, f (x) 7→ x .
f g
y1 y1
x1 x1
y2 y2
x2 x2
y3 y3
x3 x3
y4 y4
x4 x4
f(D) f(D)
D D
umkehrbare Funktion f Umkehrfunktion g = f −1
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 41
Offenbar gilt:
f −1 (f (x)) = x für alle x ∈ D sowie f (f −1 (y)) = y für alle y ∈ f (D) .
Achtung: Man denke bei f −1 nicht an die Funktion 1
f : x 7→ 1
f (x) .
Für die Umkehrbarkeit einer reellen Funktion haben wir folgendes Kriterium:
Wegen
√
y = −x − 2, x ∈ (−∞, −2] ⇐⇒ y 2 = −x − 2, x ∈ (−∞, −2] ⇐⇒ x = −y 2 − 2
ist
f7−1 (y) = −y 2 − 2 für y ∈ R+0 .
y
y
f6 2
4
f7
x
2 −6 −4 −2 2
f6−1 −2
x
−4 −2 2 4
−4
−2
−6
−4 f7−1
Fkt und Umkehrfkt aus Bsp. 4.8a. Fkt und Umkehrfkt aus Bsp. 4.8b.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 42
c) Die Funktion
1
f8 (x) =
x
R
ist für alle x 6= 0 definiert. D(f8 ) = \ {0} . Für x < 0 hat die Funktion negative Funktions-
werte und fällt streng monoton, für x > 0 hat die Funktion positive Funktionswerte und fällt
auch streng monoton. Es kommen alle rellen Zahlen mit Ausnahme der Null als Funktions-
wert vor, und zwar jeweils genau einmal. Also ist die Funktion auf ihrem Bildbereich ( das
R R
ist ebenfalls \ {0}) umkehrbar und auf \ {0} existiert die Umkehrfunktions f8−1 . Wegen
1 1
y= ⇐⇒ y · x = 1 ⇐⇒ x = für x, y 6= 0
x y
ist
f8−1 (y) =
1
y
für y ∈ R \ {0} .
y
4
x −1
−4 2 4 f8 = f8
−4
Fkt und Umkehrfkt aus Bsp. 4.8c.
Satz 4.9 Der Graph der Umkehrfunktion f −1 ergibt sich aus dem Graphen der Funktion f
durch Spiegelung an der Geraden y = x.
Beachte: Umkehrfunktionen sind ein wichtiges Mittel zum Auflösen von Gleichungen.
f (x) = x3
y f (x) = x f (x)y = x4 f (x) = x2
4
4
2
2
x
−4 −2 2 4 x
−4 −2 2 4
−2
−2
−4
−4
f: +0 −→ R √
R
, x 7−→ n x für vorgegebenes n ∈ N.
Als Definitionsbereich dienen die nichtnegativen reellen Zahlen.
y
4
√
f (x) = x
2 √
f (x) = 4 x
x
2 4 6 8 Beispiele für Wurzelfunktionen.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 44
Oft schreibt man die n-te Wurzel aus x ≥ 0 auch in der Form
√
n
1
x = xn
als Potenz. Nun kann man die n-te Wurzel aus x ≥ 0 auch in die m-te Potenz erheben (m ∈ ) Z
oder umgekehrt die n-te Wurzel aus xm ziehen. So ergeben sich Potenzfunktionen mit einem
rationalen Exponenten mn : m √ m √
x n = n x = n xm .
Beachte: Dabei steht der Exponent −m für die m-te Potenz der Kehrwerte:
m
a−m 1
= m =
a
1
a
für jedes a > 0 und jedes m ∈ . Z
Fazit: Wurzelfunktionen heben die Wirkung von Potenzfunktionen auf, sie sind deren Um-
kehrfunktionen (und umgekehrt):
√ n p
n
n
x = x und (xn ) = x für alle x ≥ 0.
f (x) = 4x f (x) = 3x
y
f (x) = ex
30 y
f (x) = 2x
20
10 f (x) = (0.5)x
f (x) = (1, 5)x f (x) = e−x
f (x) = (0.2)x
x x
* −1 1 2 3 4 −1 1 2 3 4
Bsp für wachsende Exponentialfktn. Bsp für fallende Exponentialfktn.
Eine ganz besondere Rolle spielt die Exponentialfunktion mit der Basis e, wobei e die so
genannte Eulersche Zahl ist. Sie wird in einem späteren Kapitel exakt eingeführt. An dieser
Stelle soll der Hinweis genügen, dass e eine irrationale Zahl ist, die wir näherungsweise als
Dezimalzahl (hier mit 15 Nachkommastellen) angeben:
Die Funktion f : R R
7→ + , x 7→ ex heißt natürliche Exponentialfunktion (oder kurz
Exponentialfunktion). Sie wird mit f := exp bezeichnet.
Für die Exponentialfunktion exp : R → R+, x 7→ exp(x) =: ex gilt
1
e0 = 1, e = e1 = 2.7183 . . . , ex1 +x2 = ex1 · ex2 , e−x =
ex
Im speziellen heißt die Umkehrfunktion zur Exponentialfunktion exp (mit Basis e): natürli-
cher Logarithmus, kurz ln. D.h. es gilt
Beispiel 4.13 Der Schalldruckpegel wird in deziBel [dB] angegeben. Dabei ist deziBel eine
logarithmische Skala (zur Basis 10).
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 46
7
exp(x)
ln(x)
1
x
-3 -2 -1 1 3 5 7
-1
-2
-3
Im folgenden beschäftigen wir uns zunächst mit dem rechnerisch einfachsten Typ von Funk-
tionen, den Polynomen und versuchen, zu diesen Nullstellen zu berechnen.
4.2 Polynome
Die einfachsten und zugleich wichtigsten Funktionen für das praktische Rechnen sind die
Funktionen
f : R→R
y = f (x) = a0 + a1 x + a2 x2 + . . . + an xn
N R
bei vorgegebenen n ∈ , a0 , . . . , an ∈ . Solche Funktionen heißen Polynome und die
ai heißen Koeffizienten. Ist an 6= 0, so heißt das Polynom vom Grad n. In Zeichen:
n = deg(f ); an wird Leitkoeffizient genannt; a0 = a0 x0 heißt absolutes Glied.
Polynome kann man zueinander addieren, voneinander subtrahieren und miteinander multi-
plizieren, wobei jedesmal erneut ein Polynom entsteht: Seien etwa f (x) und g(x) zwei beliebige
Polynome von Grad n bzw. m. Dann sind:
• h1 (x) = f (x) + g (x) ein Polynom mit deg(h1 ) ≤ max {n, m} ,
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 47
• h2 (x) = f (x) − g (x) ein Polynom mit deg(h2 ) ≤ max {n, m} und
• h3 (x) = f (x) · g (x) ein Polynom mit deg(h3 ) = n + m.
Beispiel 4.14 Seien etwa f (x) = 2 + 3x2 , g (x) = 4x + x3 , h (x) = x3. Dann sind z.B.
f (x) + g (x) = 2 + 4x + 3x2 + x3
g (x) − h (x) = 4x
f (x) · g (x) = 8x + 14x3 + 3x5 .
Koeffizientenvergleich
Polynome sind in ihrer Darstellung eindeutig:
Hornerschema
Satz 4.16 Sei ein Polynom f (x) = a0 + a1 x + . . . + an xn vorgegeben, sowie b ∈ R
beliebig.
Mit den Zahlen cn := an , cn−1 := cn b + an−1 , . . . , c1 := c2 b + a1 , c0 := c1 b + a0 gilt dann
f (x) = (x − b)(c1 + c2 x + . . . + cn xn−1 ) + c0
für alle x ∈ R.
Beweis: Man multipliziert die rechte Seite aus:
c1 x + c2 x2 + . . . + cn xn − (bc1 ) − (bc2 ) x − . . . − (bcn ) xn−1 + c0
!
= (c0 − bc1 ) + (c1 − bc2 ) x + . . . + (cn−1 − bcn ) xn−1 + cn xn = f (x)
und macht einen Koeffizientenvergleich mit f (x) = a0 + a1 x + . . . + an xn .
!
Dabei bedeutet =“: soll gleich sein“.
” ”
Folgerung: Es gilt f (b) = c0 . Sind also die Zahlen cn , . . . , c0 berechnet, so kennt man insbe-
sondere den Funktionswert von f an der Stelle x = b. Dabei müssen also nur die ci rekursiv
bestimmt werden, wobei keine Potenz von x direkt berechnet wird.
Für die praktische Berechnung der Zahlen c0 , . . . , cn ist ein spezielles Rechenschema, das
Hornerschema, üblich.
b: an an−1 an−2 . . . a1 a0
+ bcn bcn−1 . . . bc2 bc1
= cn cn−1 cn−2 . . . c1 c0
Wie muss man also die Tabelle lesen?
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 48
b=3: 1 −6 9
+ 3 −9
= 1 −3 0
f (x) = (x − b) · g(x),
g(x) = c1 + c2 x + . . . + cn xn−1
Satz 4.18 (Faktorisierungssatz) Jedes Polynom n–ten Grades besitzt eine Darstellung
wobei x1 , . . . , xs genau die Nullstellen von f sind, l1 +. . .+ls ≤ n gilt und g ein nullstellenfreies
Polynom vom Grad n − (l1 + l2 + . . . + ls ) ist. Diese Darstellung ist bis auf Vertauschung der
Faktoren eindeutig.
Satz 4.20 Ist g ein nichtkonstantes nullstellenfreies Polynom, so gibt es eine Darstellung
von g als Produkt von lauter Polynomen zweiten Grades (i.A. nicht eindeutig).
Folgerung 4.21 Jedes Polynom ungeraden Grades besitzt mindestens eine Nullstelle.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 49
4.3 Nullstellenberechnung
Gleichungen spielen in der Ingenieurmathematik eine große Rolle. Sie beschreiben
• Gleichgewichtszustände,
• Punktmengen,
etc.
Beispiel 4.22 Lineare Gleichungen beschreiben Punkte, Geraden oder Ebenen im Raum.
Gleichungen formuliert man gerne mit Hilfe von Funktionen. Z.B. kann eine Gleichung mit
einer Unbekannten immer in der Form
f (x) = 0
geschrieben werden, in der eine Stelle x aus dem Definitionsbereich der Funktion f gesucht
wird, an der diese den Funktionswert 0 annimmt. Solche Stellen heißen Nullstellen der Funk-
tion. Gleichungen zu lösen ist also gleichbedeutend damit, Nullstellen von Funktionen zu
berechnen.
Die Nullstellen eines Polynoms zweiten Grades berechnet man mit der (p, q)–Formel:
r
2 p p2
x + px + q = 0 ⇔ x1,2 = − ± − q.
2 4
p2
Ist − q ≥ 0, so gilt nach dem Faktorisierungssatz x2 + px + q = (x − x1 )(x − x2 ). Ist
4
p2 2
4 − q < 0, so ist g(x) = x + px + q nullstellenfrei.
Die Nullstellen von Polynomen höheren Grades können nicht so ohne weiteres berechnet wer-
den. Eine Möglichkeit besteht darin, eine Nullstelle zu raten“, um dann den entsprechenden
”
Linearfaktor mit dem Hornerschema herauszuteilen“ und erneut zu raten.
”
Man überprüft: f ( 31 ) = 0 und findet über das Hornerschema die Zerlegung f (x) = (3x −
1)(4x3 + 2x + 1). Weitere rationale Nullstellen können also nur noch ±1, ± 12 , ± 14 sein. Man
überprüft, dass keine dieser Zahlen Nullstelle von h(x) = 4x3 + 2x + 1 ist (h besitzt nur noch
eine irrationale Nullstelle zwischen − 21 und − 14 ).
Bisektionsverfahren
Zu lösen ist die Gleichung f (x) = 0 (mit f Polynom in x). Es sei eine Stelle x = a bekannt,
für die f (a) < 0, und eine Stelle x = b, für die f (b) > 0 gelte. Dann muss zwischen a und b
eine Nullstelle von f liegen! Sei c Mitte zwischen a und b. Dann gilt entweder f (c) > 0 oder
f (c) = 0 oder f (c) < 0.
• Gilt f (c) > 0, so liegt nach dem gleichen Argument eine Nullstelle von f zwischen a
und c und man kann wieder die Mittelstelle zwischen a und c betrachten.
• Gilt f (c) < 0, so liegt eine Nullstelle zwischen c und b und man betrachtet das arith-
metische Mittel von b und c.
Führt man dies iteriert fort, so halbiert sich bei jedem Schritt die Breite des Intervalls, in
dem eine Nullstelle liegen muss. Durch diese Art der Intervallschachtelung kann daher eine
Lösung der Gleichung beliebig angenähert werden.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 51
Beispiel 4.27 Wir betrachten das Polynom f (x) = x3 +x+1. Als Polynom 3. Grades besitzt
f mindestens eine Nullstelle. Man stellt durch Einsetzen fest:
Also liegt eine Nullstelle von f im Intervall (a, b) (das Polynom springt nicht). Wir starten
das Bisektionsverfahren und bezeichnen den jeweiligen Intervallmittelpunkt mit c = a+b2 :
a b c = a+b
2 f (c) (& VZ)
a = −1 b=1 c=0 f (c) = 1 > 0 d.h. Nst in (a, c) = (−1, 0)
a = −1 b=0 c = −0.5 f (c) = 0.375 > 0 d.h. Nst in (a, c) = (−1, −0.5)
−1 −0.5 −0.75 f (c) ≈ −0.1719 < 0 d.h. Nst in (c, b) = (−0.75, −0.5)
−0.75 −0.5 −0.625 f (c) ≈ 0.1309 > 0 d.h. Nst in (a, c) = (−0.75, −0.625)
−0.75 −0.625 −0.6875 f (c) ≈ −0.0125 < 0 d.h. Nst in (−0.6875, −0.625)
−0.6875 −0.625 −0.65625 f (c) ≈ 0.0611 > 0 d.h. Nst in (−0.6875, −0.65625)
..
.
Dieses Verfahren kann man weiterführen bis man die gewünschte Genauigkeit erreicht hat.
Hört man an dieser Stelle auf, so kann man festhalten, dass die gesuchte Nullstelle zwischen
−0.6875 und −0.65625 liegt. Die Nullstelle liegt also angenähert bei −0.67 (eine Dezimalstelle
ist schon gesichert).
N
(mit an 6= 0, bm 6= 0 und m, n ∈ 0 ) eine rationale Funktion (bzw. auch gebrochen
rationale Fkt). Polynome sind spezielle rationale Funktionen, die mit q(x) = 1 entstehen
(auch ganz rationale Funktion genannt) .
Polynomdivision
Eine Vereinfachung von rationalen Polynomen ergibt sich über die Rechenmethode der Po-
lynomdivision, bei der man entsprechend der schriftlichen Division reeller Zahlen vorgeht.
Dabei teilt man den Zähler p einer rationalen Funktion durch den Nenner q, sofern ersterer
keinen niederen Grad besitzt: deg(p) ≥ deg(q) ≥ 1. Dadurch entsteht eine Darstellung der
rationalen Funktion als Summe eines ganzen Anteils h(x) (mit deg(h) ≤ deg(p)) und eines
r(x)
gebrochenrationalen Anteils q(x) (bei dem deg(r) < deg(q) gilt):
p(x) r(x)
f (x) = = h(x) + .
q(x) q(x)
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 52
also
p(x) (x − x0 ) · p1 (x) p1 (x)
f (x) = = = ,
q(x) (x − x0 ) · q1 (x) q1 (x)
d.h. der zur potentiellen Nullstelle x0 gehörige Linearfaktor kann sich herauskürzen. Damit
muss x0 keinesfalls Nullstelle von f sein. Dieser Effekt kann nicht auftreten, wenn die rationale
Funktion in gekürzter Form vorliegt, d.h. wenn kein Polynom d vom Grade größer null existiert
mit
Euklidischer Algorithmus
Erfreulicherweise kann man jede rationale Funktion mit Hilfe der Polynomdivision in einen
gekürzten Zustand überführen. Dabei verwendet man die folgende
Beobachtung: Hat man durch Polynomdivision
p(x) r(x)
= h(x) +
q(x) q(x)
mit deg(r) < deg(q) erhalten, so ist ein Polynom d(x) genau dann Faktor von p(x) und von
q(x), wenn d(x) Faktor von r(x) und q(x) ist.
Bezeichnung: Ist d(x) Faktor von p(x) und q(x), so heißt d(x) gemeinsamer Teiler von
p(x) und q(x), wenn deg(d) > 0 gilt.
Mit Hilfe der Beobachtung können wir einen (dem Grad nach) größten gemeinsamen Teiler“
”
von p(x) und q(x) ermitteln.
KAPITEL 4. FUNKTIONEN 53
Die Prozedur bricht erfolgreich ab, wenn in (2) kein gebrochen-rationaler Anteil mehr ge-
funden wird. Das zuletzt betrachtete Nennerpolynom ist dann zwangsläufig der gradmäßig
größte gemeinsame Teiler des letzten Bruchs und gemäß der Beobachtung damit auch des
Ausgangsbruchs.
Wir erläutern die Methode über ein Zahlenbeispiel.
x2 −3x+2
Beispiel 4.29 f (x) = x3 −2x+1
Beispiel 4.30
y
Wir betrachten die rationale Funktion
(x + 1)(x − 1)(x − 3) 4
f (x) =
x(x − 2)2
−4
♦
Kapitel 5
In diesem Kapitel wollen wir uns mit Polynomen zweiten Grades beschäftigen, die keine
Nullstelle besitzen, und eine Theorie entwickeln, die diesen Funktionen virtuelle Nullstellen
zuordnet. Die dabei entstehenden komplexen Zahlen erweitern die reellen Zahlen und helfen
uns auch später zur einfachen Beschreibung komplizierter Vorgänge (Differentialgleichungen).
Komplexe Nullstellen
Betrachtet man eine beliebige quadratische Gleichung
x2 + px + q = 0,
so besitzt diese die formalen Lösungen
r
p p2
x1/2 =− ± − q.
2 4
Formal“ deshalb, weil durch Ausmultiplizieren leicht bestätigt wird, dass
”
x2 + px + q = (x − x1 )(x − x2 )
gilt, unabhängig von der Frage, ob die Diskriminante
p2
D= −q
4
negativ oder nicht-negativ ist. Ist D ≥ 0, so sind x1 , x2 (gewöhnliche) reelle Nullstellen der
Gleichung. Wenn andernfalls D < 0 gilt, nennt man x1 , x2 komplexe√Nullstellen der Glei-
chung. Dabei ist folgende Schreibweise üblich: Man setzt formal i := −1 und schreibt
r s
p2 √ p2 √
− q = −1 · − − q = i · −D
4 4
(man beachte, dass −D > 0 gilt). Für D < 0 sind dies keine reellen Zahlen.
55
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 56
z = x + iy mit x, y ∈ R
komplexe Zahlen nennen. Dabei heißt x := Re (z) Realteil und y := Im (z) Imaginärteil
von z.
Zwei komplexe Zahlen sind genau dann gleich, wenn sowohl der Realteil als auch der Ima-
ginärteil gleich sind.
Die komplexe Zahlen z = x + iy und z̄ = x − iy, die gleichen Realteil und zueinander
negativen Imaginärteil haben, heißen komplex konjugiert. Für die Menge aller komplexen
Zahlen schreiben wir . C
Rechnen mit komplexen Zahlen
Komplexe Zahlen kann man addieren und subtrahieren,
√ multiplizieren und dividieren genau
wie reelle Zahlen. Man muss dabei nur i2 = ( −1)2 = −1 beachten.
2. Bei der Division komplexer Zahlen benutzt man den Trick“, den Bruch mit der zum
”
Nenner komplex konjugierten Zahl zu erweitern:
3 + 4i 3 + 4i 2 + i 6 + 3i + 8i + 4i2 2 + 11i 2 11
= · = 2
= = + i
2−i 2−i 2+i 4 + 2i − 2i − i 4+1 5 5
Beim letzten Beispiel sind zwei Dinge bemerkenswert:
a) Das Produkt zweier zueinander konjugiert komplexer Zahlen ist eine reelle Zahl:
b) Das Teilen einer komplexen Zahl durch eine reelle Zahl ist problemlos möglich.
R
Wir können die Menge der reellen Zahlen als Teilmenge der komplexen Zahlen C auffassen,
nämlich als solche komplexen Zahlen, die den Imaginärteil 0“ haben:
”
z = x + i0 ∈ R ⊆ C.
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 57
z̄ = a − ib
z1 · z2 = z1 · z2 , z1 + z2 = z1 + z2 , z = z, z · z = |z|2 ,
1 z 1
z −1 := = = 2 z,
z z·z |z|
|z| = |z|, |z1 z2 | = |z1 | · |z2 |, |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 |,
Re (z) = 12 (z + z), Im (z) = 1
2i (z − z).
Beachte: Die letzten beiden Formeln lassen sich in der komplexen Zahlenebene gut verste-
hen. Zu einer komplexen Zahl z erhält man die komplex Konjugierte nämlich (nach Definiti-
on) einfach durch Spiegelung an der x–Achse. Das Addieren und skalare Multiplizieren von
komplexen Zahlen entsprechen in der komplexen Zahlenebene einfach den entsprechenden
Operationen bei Vektoren.
C
Beispiel 5.2 Die Mengen H1 = {z ∈ | Re (z) ≤ −1.5} und H2 = {z ∈ | Im (z) < 0.5} C
beschreiben Halbebenen in der komplexen Zahlenebene.
C
Die Menge K = {z ∈ | |z − (−1 + 2i)| ≤ 1.5} beschreibt einen Vollkreis mit Mittelpunkt
−1 + 2i und Radius 1.5 .
Je nachdem, ob diese Mengen mit ≤- oder <-Ungleichungen beschrieben werden, gehören die
Ränder zu den Mengen oder nicht.
iy iy iy
3
K
2 2 2
H1
1 1 1
x x x
−2 −1 1 2 −2 −1 1 2 −2 −1 1
−1 −1 −1
H2
−2 −2 −2
−3
♦
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 58
Satz 5.3 (Fundamentalsatz der Algebra) Lässt man auch komplexe Nullstellen zu, so
besitzt jedes Polynom eine Faktorisierung nur in Linearfaktoren. Dabei treten (bei Polyno-
men mit reellen Koeffizienten) echt komplexe Nullstellen immer paarweise auf, nämlich zu-
sammen mit ihrer komplex Konjugierten. Das entsprechende Paar von Linearfaktoren bildet
zusammen(ausmultipliziert) ein reelles Polynom 2. Grades ohne reelle Nullstelle.
5.2 Kreisfunktionen
Betrachtet man eine komplexe Zahl z = x + iy als Zeiger in der komplexen Zahlenebene, so
sieht man , dass die Länge des Zeigers r = |z| dem Abstand vom Ursprung entspricht. Dann
kann z offenbar auch mit Hilfe dieses Abstandes r und des Winkels ϕ, den der Zeiger mit der
x–Achse bildet, beschrieben werden. Auch negative Winkel sind möglich.
iy iy iy
3 3 3
z = x + iy
2 2 2
1 1 1
ϕ
x ϕ x x
−2 −1 1 2 3 −2 −1 −3 −2
−1 −1
z = x + iy z ϕ
−2 −2
Die Kreisfunktionen sin und cos haben wir bereits in Kapitel 1 am Einheitskreis eingeführt.
y
sin α
α
x
cos α 1
Aus der Drehung eines ebenen Koordinatensystems wollen wir nun weitere Rechengesetze
ableiten.
liest man ab
x̄ = x̄0 cos(α) − ȳ 0 sin(α)
x̄ = OS − RS
⇒
ȳ = RT + T P ȳ = x̄0 sin(α) + ȳ 0 cos(α)
und umgekehrt gilt
x̄0 = x̄ cos(α) + ȳ sin(α)
ȳ 0 = −x̄ sin(α) + ȳ cos(α),
wie man durch Auflösen der obigen Formeln herausfindet (Übung!). Wenden wir die Formeln
nun auf einen Punkt P auf dem Einheitskreis an, für den
x̄ = cos(β + α), ȳ = sin(β + α), x̄0 = cos(β), ȳ 0 = sin(β)
y P
y0
x0
β
α
x
tan(x) =
sin(x)
cos(x)
für x 6=
π
2
Z
+ kπ, k ∈ ,
cot(x) =
cos(x)
sin(x)
für x 6= 0 + kπ, k ∈ . Z
Die folgende Skizze ordnet tan(x) und cot(x) Strecken am Einheitskreis zu:
cot x
tan x
sin x
cos x 1
Aus den Definitionen und den speziellen Funktionswerten von sin und cos ergeben sich fol-
gende spezielle Funktionswerte für tan und cot:
1 √
tan(π/6) = √ , cot(π/6) = 3,
3
√ 1
tan(π/3) = 3, cot(π/3) = √ ,
3
tan(π/4) = 1, cot(π/4) = 1,
tan(0) = 0, cot(π/2) = 0.
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 61
Ferner ergeben sich aus den Rechenregeln für sin und cos folgende Rechengesetze:
tan(−x) = − tan(x),
cot(−x) = − cot(x).
Die Funktionen tan und cot sind demnach ungerade Funktionen. Desweiteren gilt
tan(x + π) = tan(x),
cot(x + π) = cot(x).
y y
1 sin x 1
cos x
x x
-3 -2 -1 1 2 3 -1 1 2 3 4
-1 -1
y y
tan x
5 5
cot x
x x
-3 -2 -1 1 2 3 -1 1 2 3 4
-5 -5
arcsin : [−1, 1] → [− π2 , π2 ] ⊆ R x
-1 1
-1
Bemerkung: Es sind auch andere Teilintervalle von R zur Umkehrung der Funktion sin in
Gebrauch.
2
arccos : [−1, 1] → [0, π] ⊆ R
1
x
-1 1
Auch cos wird auf mehreren Intervallen umgekehrt, die hier betrachtete Umkehrung ist die
wichtigste.
arctan : R → (− π2 , π2 ) ⊆ R x
-4 -2 2 4
-1
y
3
2
arccot : R → (0, π) ⊆ R
1
x
-4 -2 2 4
Man beachte, dass arctan und arccot auf ganz R definiert sind.
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 63
Man kann also mit der obigen Abkürzung einfach nach den Regeln des Potenzrechnens umge-
hen! Dies hat folgende Auswirkung auf das Multiplizieren und Dividieren komplexer Zahlen:
1. Die komplexen Zahlen z und w werden multipliziert, indem ihre Beträge multipliziert
und ihre Winkel addiert werden:
z · w = |z| eiϕ · |w| eiψ = |z| |w| eiϕ · eiψ = |z| |w| ei(ϕ+ψ) .
2. Zwei komplexe Zahlen z und w werden dividiert, indem ihre Beträge dividiert werden
und ihre Winkel subtrahiert werden:
z |z| eiϕ |z| iϕ 1 |z| iϕ i(−ψ) |z| i(ϕ−ψ)
= = e iψ = e ·e = e .
w |w| eiψ |w| e |w| |w|
Beispiel 5.6 Berechnet werden soll (1 + i)5 · (i − 1)9 . Oftmals bietet es sich in einer solchen
Situation an, die √
zu multipizierenden Zahlen
√ i 3 π in Polardarstellung umzurechnen.
i π4
Es gilt (1 + i) = 2e und (1 − i) = 2e 4 . Dann gilt auch
√ π 5 √ 3 9 √ 14 π 3
(1 + i)5 · (i − 1)9 = 2ei 4 · 2ei 4 π = 2 · ei(5· 4 +9· 4 π)
32
= 27 · ei 4 π = 128 · ei8π = 128e0 = 128
Beispiel 5.7
iy iy
4 4
z9 z8 7
z
3 z6 3
z5 w5 2 w4
2
z4 w6 w3
1 z3 1 w2
z2 w7 w
z
x x
−4 −3 −2 −1 1 2 3 4 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4
−1 w8 −1
−2 −2
−3 w9 −3
−4 −4
π
i 12 i 2π
Die Bilder zeigen Potenzen von z = 1.2 · e und w = 1.2 · e 15 . ♦
iy iy
2 2
z z
r r
b = r · sin(ϕ) eiϕ
ϕ ϕ
x x
−2 a = r · cos(ϕ) 2 −2 2
−2 −2
5
Beispiel 5.8 Betrachtet werde z = ei 4 π . Die Standard-Polardarstellung von z ergibt √sich zu
5 3
z = ei( 4 π−2π) = e−i 4 π . Dann ist |z| = 1 und cos(− 34 π) = cos( 34 π) = − cos( 14 π) = − 22 und
√
2
sin(− 43 π) = − sin( 43 π) = − sin( 14 π) = − 2 .
Also gilt
√ √ √
i 54 π 2 2 2
z=e = −1 · −i =− (1 + i)
2 2 2
Anmerkung: Es ist ei2π = cos(2π) + i sin(2π) = 1 + 0i = 1.
Weiterhin ist eiπ = cos(π)+i sin(π) = −1+0i = −1. Dies wird EULERsche Identität genannt.
Oft hilfreich ist eine Skizze, die verdeutlicht, in welchem Quadranten die darzustellende kom-
plexe Zahl liegt.
KAPITEL 5. KOMPLEXE ZAHLEN UND KREISFUNKTIONEN 66
√ √ √
2 2 2
Beispiel 5.9 Umgerechnet werden soll z = 2 −i 2 = 2 (1 − i) . Für diese Zahl ergibt sich
iy u √ !2
v
√ !2
1 u 2 2 1
|z| = t + =1 und cos(ϕ) = √ bzw. tan(ϕ) = −1.
x 2 2 2
−1 1
z
−1 Wegen a ≥ 0 und b ≤ 0 erhält man daraus ϕ = − π4 . Also ergibt sich insgesamt
1
z = 1 · e−i 4 π
5.5 Anwendungen
n–te Wurzeln in C
Wir suchen die (reellen und) komplexen Nullstellen des Polynoms f (x) = xn − 1, also die
Lösungen der Gleichung xn = 1. Aus dem Fundamentalsatz der Algebra wissen wir, dass f ge-
nau n komplexe Nullstellen besitzt (Vielfachheiten mitgezählt). Über den Satz von de Moivre
können wir unmittelbar n Lösungen der Gleichung angeben. Wegen eik·2π = 1 für beliebiges
Z
k ∈ sind die (voneinander verschiedenen) komplexen Zahlen
k
xk := ei n ·2π , k = 0, 1, 2, . . . , n − 1
genau n Lösungen der Gleichung, mithin die n komplexen Nullstellen von f (x) = xn − 1.
Wir erweitern die Überlegung auf die Gleichung
xn = a, mit a ∈ C vorgegeben.
Sei etwa a = |a| · eiϕ , dann sind die Zahlen
p ϕ+2kπ
n
|a| · ei n , k = 0, 1, 2, . . . , n − 1
5
iy w = 1.25 · ei 12 π
2
1
z2 z1 = 1.2 · ei 12 π
1 2
z2 = 1.2 · ei( 12 + 5 )π
1 4
z3 z3 = 1.2 · ei( 12 + 5 )π
z1 1 6
x z4 = 1.2 · ei( 12 + 5 )π
1 4
−2 2 = 1.2 · ei( 12 − 5 )π
1 8
z5 = 1.2 · ei( 12 + 5 )π
z4 1 2
z5 = 1.2 · ei( 12 − 5 )π
−2
Harmonische Schwingung
Eine Funktion der Form s(t) = A cos(ωt + α), t ∈ R
heißt harmonische Schwingung
(A, ω, α ∈ Rfest vorgegeben). α heißt die Nullphase, ω die Kreisfrequenz, ωt + α die Phase
und A die Amplitude.
Um das Rechnen mit harmonischen Schwingungen zu vereinfachen, betrachtet man häufig
eine Darstellung der Schwingungen mit komplexen Zahlen: Man fasst die Schwingung s(t) als
Realteil (ggf. als Imaginärteil) einer komplexen Funktion auf:
t 7→ s1 (t) + s2 (t)
Beispiel 5.12
y
s1 (t) + s2 (t)
2
s2 (t) = 2 cos( 12 t + π6 )
1 s1 (t) = cos(t)
π
t
− π2 π
2
3π 2π 3π 4π
2
−1
−2
Teil IV
Grenzwertberechnung
68
Kapitel 6
Grenzwerte
Grundlage für den so wichtigen Begriff des Grenzwertes ist der Begriff der Folge.
R
Definition 6.1 Eine Aufzählung reeller Zahlen a0 , a1 , a2 , a3 , . . . ∈ (unendlich viele) nennen
N
wir eine Folge reeller Zahlen. Hier wird jedem n ∈ 0 ein Folgenglied an ∈ zugeordnet. R
Wir schreiben für eine Folge: (an )n∈N0 = (an )n≥0 = (an ).
Genau genommen ist eine Folge also eine Funktion 0 → N R. Eine Folge ist dann fixiert, wenn
N R
zu jedem n ∈ 0 das Folgenglied an ∈ festgelegt ist.
(i) a0 = 1, a1 = 2, a2 = 3, . . . , an = n + 1, . . .
(ii) a0 = 1, a1 = 1, a2 = 21 , a3 = 13 , . . ., an = n1 , . . .
(iii) an = (−1)n n5−n
2 −1 (n ≥ 2)
Bemerkung: Folgenindizes müssen nicht unbedingt bei 0 beginnen, sondern können bei
N
irgendeiner natürlichen Zahl n0 ∈ beginnen; Notation: (an )n≥n0 .
Übung: Geben Sie ein konkretes Beispiel für die arithmetische und die geometrische Folge
an und skizzieren Sie diese Folgen auf der reellen Achse.
69
KAPITEL 6. GRENZWERTE 70
Definition 6.3 Eine vorgegebene Folge (an )n∈N0 strebt gegen 0, wenn zu beliebiger Ge-
nauigkeitsgrenze ε > 0 immer ein Folgenindex n(ε) angegeben werden kann, so dass an(ε)
und die Beträge aller weiteren Folgenglieder sich höchstens um ε vom Wert 0 unterscheiden.
Statt strebt gegen 0“ sagen wir auch konvergiert gegen 0“, bzw. wir nennen die Folge
” ”
(an ) eine Nullfolge.
2ε
a1 a3 a7 0 a8 a6 a5 a4 a0 a2
Durch den folgenden Satz bekommt man weitere Beispiele für Nullfolgen.
Satz 6.4 (Vergleichskriterium) Eine Folge (an ) ist eine Nullfolge, wenn es eine bekannte
Nullfolge positiver Zahlen (bn )n≥0 gibt, so dass ab einem bestimmten Index n0 für alle Indizes
n ≥ n0 gilt:
0 ≤ |an | ≤ bn .
Beachte: Es genügt, dass diese Bedingung ab einem festen Index gilt. Für die Eigenschaft,
Nullfolge zu sein, kommt es nur auf das Verhalten der ”letzten” Folgeglieder, nicht auf das
Verhalten der ”ersten” Folgeglieder an.
Beispiel 6.5
1.) (an )n≥1 mit an = n12 ist Nullfolge wegen 0 ≤ n12 ≤ n1
(n ≥ 1),
1
2.) (an )n≥1 mit an = (−1) · n ist Nullfolge, da gilt: 0 ≤ (−1)n · n1 ≤ n1 ,
n
3.) (an )n≥0 mit an = 2nn ist Nullfolge, da gilt; 0 ≤ 2nn ≤ n1 für n ≥ 4.
Definition 6.6 Eine Folge (an )n∈N0 heißt gegen einen Wert a ∈ R
konvergent, wenn
die Folge (bn )n≥0 mit bn = |an − a| eine Nullfolge bildet. Die Zahl a heißt dann Grenzwert
der Folge (an ), bzw. man sagt auch die Folge (an ) strebt gegen a. Für diesen Sachverhalt
schreibt man:
lim an = a.
n→∞
Eine nicht konvergente Folge heißt divergent.
Beispiel 6.7
1. an = n−1
n (n ≥ 1) strebt gegen a = 1, d.h. n→∞lim n−1
n = 1. Dies zeigt die folgende
Umformung:
n − 1 n − 1 − n −1 1
|an − 1| = − 1 = = = .
n n n n
2 2
2. an = n2n 2n
2 +1 (n ≥ 1) strebt gegen a = 2, d.h. lim n2 +1 = 2. Dies zeigt die folgende
n→∞
Abschätzung:
2n2
2
2n − 2(n2 + 1) −2 1
n2 + 1 − 2 = = n2 + 1 ≤ n (n ≥ 1).
n2 + 1
3. (an )n∈N0 mit an = (−1)n ist divergent. (Warum?)
KAPITEL 6. GRENZWERTE 71
Rechenregeln
Aus der Definition des Grenzwertes können nun folgende Rechengesetze abgeleitet werden,
die das Rechnen mit Grenzwerten (bzw. mit konvergenten Folgen) enorm erleichtern.
Satz 6.8 Vorgegeben seien zwei konvergente Folgen (an ), (bn ) mit den jeweiligen Grenzwerten
R
a, b ∈ . Dann gilt:
Man beachte, dass die Regel (vii) i.a. nicht für <“ anstelle ≤“ gilt, zum Beispiel an = 0,
” ”
bn = n1 . Ferner beachte man, dass die Regeln (i) und (ii) nur so gelten, wenn (an ) und (bn )
als konvergente Folgen vorgegeben sind. Aber: Aus der Konvergenz von (an + bn ) folgt in
der Regel nicht die Konvergenz von (an ) bzw. (bn ).
Beispiel 6.9
1 1
1. lim 1 + n = lim 1+ lim n =1+0=1
n→∞ n→∞ n→∞
√ √
2. lim n
n = 1: Dazu zeigen wir, dass bn := n
n − 1 ≥ 0 eine Nullfolge ist!
n→∞
n = (bn + 1)n
n(n − 1) 2 n(n − 1) 2
= 1 + n · bn + bn + . . . + bnn ≥ 1 + bn
2 2
(n − 1) · 2 2
⇒ 0 ≤ b2n ≤ = .
n(n − 1) n
Nun ist n2 nach (iii) eine Nullfolge, also auch b2n (nach dem Vergleichskriterium). Nach
(vi) ist dann auch bn eine Nullfolge.
KAPITEL 6. GRENZWERTE 72
(i) Ist die Folge (an ) konvergent, so ist der Grenzwert der Folge eindeutig bestimmt.
(ii) Ist die Folge (an ) konvergent, so ist die Folge beschränkt, d.h. es gibt ein K ∈ R so,
N
dass |an | ≤ K gilt für alle n ∈ .
(iii) Ist die Folge beschränkt und monoton, d.h. entweder gilt
a0 ≤ a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ an ≤ . . . (monoton steigend)
oder es gilt
a0 ≥ a1 ≥ a2 ≥ . . . ≥ an ≥ . . . (monoton fallend),
so ist die Folge konvergent, ohne dass der Grenzwert unmittelbar angegeben werden
kann.
(iv) Das Produkt einer beschränkten Folge mit einer Nullfolge ist eine Nullfolge.
Teilfolgen
Definition 6.11 Ist (kn )n≥0 eine Folge natürlicher Zahlen und (an )n≥0 eine gegebene Folge,
so nennen wir die Folge (bn )n≥0 mit bn := akn eine Teilfolge der Folge (an ).
Beispiel 6.13 Die Folge (an )n≥0 mit an = (−1)n hat die beiden konstanten (also konvergen-
ten) Teilfolgen (bk ) und (ck ) mit
bk = a2k = 1 (k ≥ 0),
ck = a2k+1 = −1 (k ≥ 0).
Die Grenzwerte der Teilfolgen (bk ) und (ck ), b = 1 und c = −1 sind (die beiden einzigen)
Häufungspunkte der Folge (an ). Die Folge (an ) divergiert also.
KAPITEL 6. GRENZWERTE 73
Hinweis: Die Divergenz einer Folge (an ) kann man oft dadurch nachweisen, dass man zwei
Teilfolgen mit unterschiedlichen Grenzwerten angibt!
Grenzwert ∞“
”
Wir sagen, die Folge (an ) ist uneigentlich konvergent gegen ∞, wenn an > 0 gilt für
n ≥ n0 und a1n (n ≥ n0 ) eine Nullfolge ist; entsprechend defininieren wir auch uneigentliche
Konvergenz gegen −∞. In diesen Fällen schreiben wir lim an = ∞ bzw. lim an = −∞.
n→∞ n→∞
Beachte: Eine Folge (an ) mit lim an = ±∞ ist divergent, und heißt uneigentlich konvergent
n→∞
mit dem (uneigentlichen) Grenzwert ±∞.
R
Beispiel 6.14 Wir betrachten die Folge (an ) mit an = xn für festes x ∈ . Diese Folge hat
unterschiedliches Konvergenzverhalten, je nach dem, welchen Wert x hat:
1
a) Ist |x| < 1, so ist lim xn = 0. Denn: |x| < 1 ⇒ |x| = 1 + p (mit p > 0)
n→∞
⇒ |x|1n = (1 + p)n =
1 + np + . . . + pn ≥ 1 + np
1 1
⇒ 0 ≤ |xn | ≤ 1+np ≤ np = p1 · n1 .
c) lim 1n = 1
n→∞
d) für x = −1 divergiert die Folge (xn )n≥0 , sie besitzt die Häufungspunkte 1 und −1.
e) für x < −1 divergiert die Folge (xn )n≥0 ebenfalls mit den beiden Häufungspunkten ∞
und −∞.
6.2 Reihen
Eine wichtige Spezialform von Folgen sind Reihen. Bei Reihen (an ) besteht das allgemeine
Folgenglied aus einer Summe
n
X
an := ci = c0 + c1 + c2 + . . . + cn (n ≥ 0)
i=0
R
mit vorgegebenen reellen Zahlen ci ∈ . Jedes Folgenglied entsteht aus dem vorherigen, indem
ein Summand hinzugefügt wird. In der rekursiven Form kann die obige Reihe also geschrieben
werden als
a0 = c0 , an+1 = an + cn+1 (n ≥ 0).
Schreibweise: Folgende Abkürzung für den Grenzwert einer Reihe ist üblich
∞ n
!
X X
ci := lim ci .
n→∞
i=0 i=0
Beispiel 6.15
KAPITEL 6. GRENZWERTE 74
2. Harmonische Reihe:
n
X 1 1 1 1
an = =1+ + + ... + (n ≥ 1).
i 2 3 n
i=1
∞
(−1)i+1 1
P
Diese konvergiert mit i = ln(2).
i=1
∞ n
!
X 1 X 1 π2
4. Es gilt 2
= lim = .
i n→∞ i2 6
i=1 i=1
∞
X
Definition 6.16 Die Reihe bj heißt absolut konvergent, wenn die Reihe der Beträge
j=0
∞
X
|bj | = |b0 | + |b1 | + . . . konvergiert.
j=0
Aus dem Vergleichskriterium erhalten wir sofort, dass jede absolut konvergente Reihe auch
konvergent im normalen“ Sinne ist, d.h. es gilt
”
KAPITEL 6. GRENZWERTE 75
Satz 6.17 (Majorantenkriterium) Gilt 0 ≤ |ak | ≤ bk für alle k ≥ k0 und konvergiert die
∞
X ∞
X
Reihe bk , so ist die Reihe ak absolut konvergent.
k=0 k=0
Beachte: Nicht jede konvergente Reihe ist auch absolut konvergent, wie das Beispiel der
∞
X 1
alternierenden harmonischen Reihe (−1)j · zeigt.
j
j=0
Ein weiteres, wichtiges Hilfsmittel für Konvergenzuntersuchungen von Reihen ist das folgende
Kriterium:
Satz 6.18 (Quotientenkriterium) Sei (ak ) eine Folge mit ak 6= 0 für alle k ≥ k0 .
∞
X
gilt (mit k1 ≥ k0 ), so konvergiert die Reihe ak absolut.
k=0
Damit ist das Quotientenkriterium erfüllte (mit q = 12 ) und die Reihe konvergiert. Was
ist der Grenzwert? – Darüber sagt das Quotientenkriterium nichts aus.
KAPITEL 6. GRENZWERTE 76
∞
X 3k 31 32 33
b) Wir betrachten: = + + + ...
k 10 110 210 310
k=1
Mit dem Quotientenkriterium folgt:
an+1 3
= →3 (für n → ∞).
an n+1 10
n
d.h.
m ∞
X 2 X 2 2
sm = = −
k(k + 1) k k+1
k=1 k=1
2 2 2 2 2 2 2 2
= − + − + − + ··· + −
1 2 2 3 3 4 m m+1
2
=2−
m+1
(Teleskopsumme). D.h. Grenzwert:
∞
X 2 2
= lim 2 − =2
k(k + 1) m→∞ m+1
k=1
Bei diesem Beispiel ist das Verhalten der Funktion f links und rechts der Definitionslücke
x0 = 0 leicht berechenbar. Bei anderen Funktionen ist dies nicht so einfach. Wir wollen daher
R
eine vorgegebene Funktion f betrachten und eine Stelle x0 ∈ . Wir interessieren uns für das
Verhalten der Funktionswerte f (x), wenn sich das Argument x von links bzw. von rechts der
Stelle x0 nähert.
Definition 6.21 Wir sagen, die Funktion f hat für x gegen x0 den rechtsseitigen Grenz-
R
wert c1 ∈ , wenn für jede Zahlenfolge (xn )n≥1 mit xn > x0 aus dem Definitionsbereich von
f , die gegen x0 konvergiert, die Folge der Funktionswerte f (xn ) (n ≥ 1) gegen c1 konvergiert;
in Zeichen
lim f (x) = c1 .
x→x0+
lim f (x) = c2 .
x→x0−
Beispiel 6.22
1 1 1 1
lim = ∞, lim = −∞, lim = 0, lim = 0.
x→0+ x x→0− x x→∞ x x→−∞ x
Satz 6.23 (Rechenregeln für Grenzwerte von Funktionen) Es seien lim f (x) = c und
x→x0
lim g(x) = d vorgegeben. Dann gilt:
x→x0
(v) Gilt für eine Funktion h(x), dass f (x) ≤ h(x) ≤ g(x) für alle in der Nähe von x0
gelegenen Stellen x und gilt c = d, so gilt lim h(x) = c = d.
x→x0
Beachte: Entsprechende Rechenregeln gelten auch für die einseitigen Grenzwerte und für die
Stellen x0 = ±∞, allerdings immer nur für endliche Grenzwerte c und d (d.h. c, d ∈ ). R
6.4 Begriff der Stetigkeit
Besonders einfach ist der Grenzwert lim f (x) einer gegebenen Funktion f : D →
x→x0
R zu
ermitteln, wenn für diese Funktion bekannt ist, dass
lim f (x) = f (x0 )
x→x0
gilt (sofern f (x0 ) definiert ist). Funktionen mit dieser Eigenschaft heißen stetig und sollen
nun studiert werden:
y y
f (x0 )
f (x0 )
x x
a x0 b a x0 b
Ist in der obigen Definition x0 ein Grenzpunkt von I, so sind die Grenzwerte als einseitige
Grenzwerte zu verstehen. Ist die Funktion f in allen Punkten x0 ∈ I stetig, so heißt f stetig
auf I.
KAPITEL 6. GRENZWERTE 79
Satz 6.25 Alle Polynome und die Funktionen sin und cos sind in jedem Punkt x0 ∈ R
stetig.
Begründung: Für jedes Polynom f (x) und jede Stelle x0 gilt:
aufgrund der Regeln (i)-(iii) und der Tatsache, dass lim x = x0 gilt.
x→x0
R
Satz 6.26 Sind f und g auf einem Intervall I stetig, so gilt dies auch für f + g, α · f (α ∈ )
und f · g. Desweiteren ist fg stetig in allen x ∈ I mit g(x) 6= 0. Ist h auf einem Intervall I
stetig und streng monoton, dann ist auch die Umkehrfunktion h−1 stetig (auf h(I)).
(i) Eine rationale Funktion f = pq ist in allen Stellen x mit q(x) 6= 0 stetig.
√
(ii) Die Funktion f (x) = n x ist in allen x ≥ 0 stetig (n ≥ 2).
(iii) Die Funktionen tan und cot sind in allen Punkten ihres Definitionsbereiches stetig.
lim f (x) = −1
x→0
lim f (x) = ∞
x→1+
lim f (x) = −∞
x→1−
lim f (x) = 0
x→−1
1
lim f (x) =
x→−2 3
lim f (x) = 1
x→±∞
Beweis: Vorangegangene Sätze und Regel (iv). Man beachte, dass bei rationalen Funk-
tionen oft eine Faktorisierung von Zähler- und Nennerpolynom nützlich ist.
sin(x) x
(vii) lim = 1 = lim
x→0 x x→0 sin(x)
KAPITEL 6. GRENZWERTE 80
tan x
sin x
0 cos x 1
R R
Zwei Funktionen f : I → und g : D → mit f (I) ⊆ D kann man zu einer Funktion h wie
folgt verketten:
h(x) = g (f (x)) = (g ◦ f ) (x) (für alle x ∈ I)
Die Funktion h nennt man Hintereinanderausführung oder Verkettung. Beachte die
Schreibweise: h = g ◦ f .
f g
I D IR
h
Abbildung 6.1: Skizze zur Verkettung
So beschreibt sich z.B. die Funktion h (x) = (x + 1)2 als Hintereinanderausführung (”Verket-
tung”) der zwei Funktionen f (x) = x + 1 und g (z) = z 2 . Es gilt also h (x) = g (f (x)) =
(g ◦ f ) (x) .
KAPITEL 6. GRENZWERTE 81
Beispiel 6.29 Verkettete Funktionen aus den bisher rgenannten Funktionen sind auf ihrem
Definitionsbereich stetig. Zum Beispiel: f (x) = cos 5 p(x)
q(x)
Stetige Ergänzbarkeit
Ist eine Funktion durch einen geschlossenen Ausdruck“ definiert, so ist gemäß den genannten
”
Rechenregeln die Funktion in der Regel unmittelbar als stetig zu erkennen. Anders verhält
es sich, wenn die Funktion eine geteilte Definition“ besitzt, wenn also die Funktionswerte
”
auf verschiedenen Teilfeldern des Definitionsbereichs verschieden definiert ist. Dann muss
die Definition der Stetigkeit verwendet werden, um in den Grenzpunkten“ der Teilfelder
”
die Stetigkeit explizit zu überprüfen ( linksseitiger Grenzwert gleich rechtsseitiger Grenzwert
”
gleich Funktionswert“).
Die Stetigkeit dieser Funktion ist klar für alle x 6= 0. An der Stelle x = 0 ist sie allerdings
gesondert zu überprüfen. Wie wir wissen, gilt
sin(x) sin(x)
lim = lim = 1,
x→0+ x x→0− x
daher ist f auf dem gesamten R stetig.
Hätten wir in dem Beispiel nur die Funktion
sin(x)
f (x) = für alle x 6= 0
x
betrachtet, so wäre diese unmittelbar als stetig auf dem Definitionsbereich R
\ {0} zu er-
kennen. Wie wir im Beispiel gesehen haben, kann der Definitionsbereich dieser Funktions-
vorschrift aber um einen Punkt vergrößert werden, so dass die erweiterte Funktionsvorschrift
immer noch eine stetige Funktion beschreibt. Diesen Vorgang der Vergrößerung des Defi-
nitionsbereichs einer stetigen Funktion mit der Eigenschaft, dass dabei erneut eine stetige
Funktion entsteht, nennt man stetige Ergänzung. Stetige Ergänzbarkeit kann durch die
Berechnung der Grenzwerte an den begrenzenden Punkten des Definitionsbereichs überprüft
und festgestellt werden.
Satz 6.31 Sei f : [a, b] → R auf dem abgeschlossenen Intervall [a, b] stetig. Dann gilt:
(i) f ist auf [a, b] beschränkt, d.h. es gibt ein K ∈ R mit |f (x)| ≤ K für alle x ∈ [a, b].
KAPITEL 6. GRENZWERTE 82
d.h. f nimmt an der Stelle x1 ein Minimum und an der Stelle x2 ein Maximum an.
(iii) (Zwischenwertsatz) Zu jeder Zahl c ∈ Rzwischen dem Minimum f (x1 ) und dem
Maximum f (x2 ) (d.h. f (x1 ) ≤ c ≤ f (x2 )) gibt es ein x ∈ [a, b] mit f (x) = c.
x
a x b
Gleichmäßige Stetigkeit
Grundlegend für den nächsten Abschnitt ist die folgende Eigenschaft stetiger Funktionen auf
abgeschlossenen Intervallen:
Satz 6.32 (Gleichmäßige Stetigkeit) Betrachtet werde eine stetige Funktion f : [a, b] →
R . Dann gibt es zu jeder vorgegebenen Genauigkeit ε > 0 eine Zahl δ > 0 so, dass sich
Funktionswerte f (x1 ) und f (x2 ) höchstens um ε unterscheiden, sobald x1 und x2 in einem
Teilintervall der Breite δ von [a, b] liegen, egal wo sich diese beiden Stellen im Intervall befin-
den.
x
δ
Etwas lax ausgedrückt bedeutet dies, dass das Annähern zweier Funktionswerte f (x1 ) und
f (x2 ) überall im Intervall gleich schnell stattfindet, wenn man x1 und x2 sich annähern
lässt.
Kapitel 7
7.1 Flächenberechnung
Als Anwendung des Grenzwertbegriffs von Folgen und Funktionen wollen wir die Berechnung
von Flächeninhalten betrachten.
f (x)
G
x
a b
Wir wollen versuchen, den Flächeninhalt FG von G als Grenzwert einer Folge darzustellen.
Dazu unterteilen wir das Intervall durch fortgesetzte Halbierung in n = 2k gleich breite
N
Teilfelder (mit k ∈ ).
xn−1 xn
x0 x1 x2
a .........
b
Die Grenzpunkte dieser Teilfelder zählen wir ab von 0 bis n und nennen sie Stützstellen
x0 , . . . , xn . Da die Funktion f auf jedem Teilfeld [xi−1 , xi ] stetig ist, nimmt sie dort einen
minimalen Funktionswert mi und einen maximalen Funktionswert Mi an. Wählen wir noch
aus jedem Teilfeld [xi−1 , xi ] eine feste Stelle ξi (beliebig) aus und notieren mit
b−a b−a
∆xn = = k
n 2
die Breite jedes Teilfeldes, so gilt
n
X n
X n
X
mi ∆xn ≤ f (ξi )∆xn ≤ Mi ∆xn .
i=1 i=1 i=1
83
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 84
Anschaulich gesehen wird durch die linke Summenbildung der Flächeninhalt FG der Fläche
unterschätzt, durch die rechte Summe überschätzt.
y
M2
m2 = M 1
m1
ξ1 ξ2
a = x0 x1
x
b = x2
Den mittleren Term betrachten wir als Näherung für den Flächeninhalt FG . Wir setzen
n
X n
X n
X
sk = mi ∆xn , Fk = f (ξi )∆xn , Sk = Mi ∆xn
i=1 i=1 i=1
ak = Sk − sk
Xn n
X
= Mi ∆xn − mi ∆xn
i=1 i=1
= M1 ∆xn + . . . + Mn ∆xn − m1 ∆xn − . . . − mn ∆xn
= (M1 − m1 )∆xn + . . . + (Mn − mn )∆xn
n n n
≤ max (Mi − mi ) ∆xn + max (Mi − mi ) ∆xn + ... + max (Mi − mi ) ∆xn
i=1 i=1 i=1
n n
= n · max (Mi − mi ) ∆xn = max (Mi − mi ) (b − a)
i=1 i=1
Nach dem Satz über die gleichmäßige Stetigkeit von f wird nun
n
max (Mi − mi )
i=1
beliebig klein, wenn nur ∆xn = b−a n klein genug, also k genügend groß ist. Damit bildet
(ak )k≥1 eine Nullfolge. Nach den Grenzwertregeln gilt daher
lim sk = lim Sk .
k→∞ k→∞
Anschaulich muss dieser Grenzwert der gesuchte Flächeninhalt FG sein. Nach dem Vergleichs-
kriterium gilt damit
FG = lim Fk .
k→∞
Für diesen Grenzwert ist eine abkürzende Bezeichnung üblich:
n
X
! Zb
FG = lim f (ξi ) ∆xn =: f (x) dx.
n→∞
i=0 a
beliebig gut angenähert werden, wenn nur k groß genug gewählt wird. Man nennt diesen
Vorgang Numerische Integration (oder Quadratur).
Für die konkrete Durchführung müssen dabei die Zwischenstellen ξi konkret gewählt werden.
Eine erste Idee wäre, ξi als Mittelpunkt des Teilfelds [xi−1 , xi ] zu wählen. Dies tut man auch
und erhält als einfache Formel, die (zusammengesetzte) Mittelpunktsregel mit der man
ein Integral numerisch ausrechnen kann: (für äquidistante Stützstellen xi = a + i · b−an )
Zb
b−a x0 +x1
x1 +x2
xn−2 +xn−1 xn−1 +xn
f (x)dx ≈ n f 2 +f 2 + ... + f 2 +f 2 .
a
Als günstiger erweist sich allerdings die folgende Wahl: Setzt man ci = 12 (f (xi−1 ) + f (xi )),
also gleich dem Mittelwert der Funktionswerte, so wird dieser Wert nach dem Zwischenwertsatz
von der auf [xi−1 , xi ] stetigen Funktion f an einer Zwischenstelle ηi ∈ [xi−1 , xi ] angenommen:
1
f (ηi ) = ci = (f (xi−1 ) + f (xi )) .
2
Man wählt dann ξi = ηi (alle i) und erhält als konkrete Formel der numerischen Integration
n n
X b−aX b−a
f (ξi )∆xn = ci = (c1 + . . . + cn )
n n
i=1 i=1
b−a 1 1 1 1 1 1
= f (x0 ) + f (x1 ) + f (x1 ) + f (x2 ) + . . . + f (xn−1 ) + f (xn ) ,
n 2 2 2 2 2 2
also die
(Zusammengesetzte) Trapezregel:
Zb
b−a 1 1
f (x)dx ≈ f (x0 ) + f (x1 ) + . . . + f (xn−1 ) + f (xn )
n 2 2
a
b−a
mit den (äquidistanten) Stützstellen: xi = a + i · n , (i = 0, . . . n).
Der Name ergibt sich, da 21 (f (xi−1 ) + f (xi )) ∆x gerade die Fläche eines Trapezes angibt. Mit
der zusammengesetzten Trapezregel kann man effizient Näherungswerte für das bestimmte
Integral ermitteln.
y
f (xi )
f (xi−1 )
xi−1 xi
x
∆x
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 86
Beispiel 7.1 a) Wir betrachten f (x) = x2 auf dem Intervall [a, b] = [1, 2]. Wir wählen
n = 4 = 22 und erhalten mit x0 = 1, x1 = 1.25, x2 = 1.5, x3 = 1.75, x4 = 2 für die
Fläche zwischen f und der x-Achse
Z 2
2−1 1 2 1
x2 dx ≈ · 1 + 1.252 + 1.52 + 1.752 + 22 = 2.34375.
1 4 2 2
7
Wie wir gleich sehen werden ist der exakte Wert 3 = 2.3̄.
b) Wir betrachten 2
R 1 2f (x) = x auf dem Intervall [a, b] = [0, 1]. Wir berechnen das bestimm-
te Integral 0 x dx als Grenzwert der Riemannsummen, die sich bei Verwendung der
zusammengesetzten Trapezregel ergeben durch die Stützstellen xi = ni , i = 0, . . . , n:
1
1−0 1
Z
2 1
x dx = lim f (x0 ) + f (x1 ) + . . . + f (xn−1 ) + f (xn )
0 n→∞ n 2 2
1 1 2 1
= lim x + x21 + . . . + x2n−1 + x2n
n→∞ n 2 0 2
2 !
n − 1 2 1 n 2
1 1 2 1
= lim 0 + + ... + +
n→∞ n 2 n n 2 n
1 1
= lim 3 12 + . . . + (n − 1)2 + n2
n→∞ n 2
n
!
1 X 2 1 2
= lim 3 i − n
n→∞ n 2
i=1
n
!
1 X 2 1 n(n + 1)(2n + 1) 2 1
= lim 3 i = lim 3 = = .
n→∞ n n→∞ n 6 6 3
i=1
n
X n(n + 1)(2n + 1)
Die Formel für die Summe der ersten n Quadratzahlen i2 =
6
i=1
lässt sich mittels vollständiger Induktion beweisen.
c) Wir betrachten nun f (x) = x2 auf den Intervallen [0, 2] und [0, 3] undR allgemeiner [0, p]
N p
für ein p ∈ . Wir gehen zur Berechnung des bestimmten Integrals 0 x2 dx wie in b)
vor, nummerieren jedoch die Stützstellen mit
1 n n+1 p·n
x0 = 0, x1 = , . . . , xn = = 1, xn+1 = , . . . , xp·n = = p.
n n n n
1
Die Länge der Teilintervalle ist dann weiter
. Analog wie in b) erhalten wir
n
Z p
2 1 1 2 2 2 1 2
x dx = lim x + x1 + . . . + xp·n−1 + xp·n
0 n→∞ n 2 0 2
p·n
!
1 X 2 1
= lim 3 i − (p·n)2
n→∞ n 2
i=1
p·n
!
1 X 2 1 p·n(p·n + 1)(2p·n + 1) 1
= lim 3 i = lim 3 = p3 .
n→∞ n n→∞ n 6 3
i=1
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 87
Bemerkung: In der obigen Formel muss nicht unbedingt n = 2k gewählt werden (für ein k ∈
N ), aber eine fortgesetzte Halbierung bringt rechnerische Vorteile, wenn man die Trapezregel
zur Verbesserung des Ergebnisses mehrfach anwenden will. (Warum?)
Damit ist das Integral für beliebige Grenzen a, b aus dem Definitionsbereich von f festgelegt.
Ferner setzen wir für stetige Funktionen f : D → , für die R
f (x) ≤ 0 für alle x ∈ [a, b]
gilt:
Zb Zb Zb
f (x) dx := − |f (x)| dx = − (−f (x)) dx (≤ 0).
a a a
Skizze: y
f (x)
a1 a3
a0 a2 a4 a5
x
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 88
Man beachte: Das Integral berechnet die schraffierten Flächeninhalte unterhalb der x-Achse
Rb
negativ. Das Integral f (x) dx gibt also in diesem Fall nicht den schraffierten Flächeninhalt
a
an, sondern einen Wert, der die oberhalb der x−Achse liegenden Flächenanteile positiv und
die unterhalb der x−Achse liegenden Flächenteile negativ aufsummiert. Soll der schraffierte
Flächeninhalt F berechnet werden (Fläche zwischen Graphen und der x-Achse), so müssen
die negativen Integrale im Betrag genommen werden:
Z an Z a1 Z a2
F = |f (x)|dx =
f (x)dx +
f (x)dx + . . .
a0 a0 a1
Integralberechnung
Damit ist der Integralbegriff für beliebige stetige Funktionen auf abgeschlossenen Intervallen
festgelegt. Die obigen Formeln zur Trapezregel können völlig unverändert angewendet werden.
Negative Funktionswerte müssen dabei auch so in die Formel eingesetzt werden.
In Beispiel 7.1 haben wir gesehen, dass das bestimmte Integral unter Umständen auch genau
berechnet werden kann. Dazu werde hier eine Formel vorweggenommen, die wir erst später
allgemeiner begründen können (wenn wir ”Stammfunktionen” besprechen). Es gilt
Z b
1
xn dx = bn+1 − an+1
(7.1)
a n+1
R N
für beliebige a, b ∈ , n ∈ 0 . Diese Formel gibt also das bestimmte Integral von f (x) = xn
exakt (analytisch) an, nicht numerisch!
Beispiel 7.2 Betrachten wir die Funktion f (x) = x = x1 . Zu dieser Funktion wollen wir
das Integral von a = −1 bis b = 1 berechnen. Offensichtlich ist der Flächeninhalt F , den
die Funktion mit der x−Achse über dem Intervall [−1, 1] einschließt gerade F = 1. Da aber
das linke Dreieck dabei durch
R 1 das Integral nach Konstruktion negativ gezählt wird, muss der
exakte Wert des Integrals −1 x dx gleich 0 sein. Genau dies liefert die Formel
Z 1
1 2 1
x1 dx = 1 − (−1)2 = · 0 = 0.
−1 1+1 2
rechnen.
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 89
Wir führen noch folgende Abkürzung ein: Ist f eine beliebige Funktion so setzen wir zur
Abkürzung
b
f (x) := f (b) − f (a) .
a
In diesem Sinne schreibt sich obige Formel der exakten Berechnung des Integrals von xn :
Z b
b
n 1 n+1 n+1
1 n+1
x dx = b −a = x
a n+1 n+1
a
Rb Rc Rb
(ii) f (x)dx = f (x) dx + f (x)dx (c ∈ D)
a a c
Rb Rb
(iii) f (x) ≤ g(x) für alle x ∈ [a, b] ⇒ f (x)dx ≤ g(x)dx
a a
Rb
(iv) m ≤ f (x) ≤ M (für alle x ∈ [a, b]) ⇒ m(b − a) ≤ f (x) dx ≤ M (b − a)
a
(v) Mittelwertsatz der Integralrechnung: Gilt zusätzlich g(x) ≥ 0 für alle x ∈ [a, b],
dann gibt es eine Stelle ξ ∈ [a, b] mit
Zb Zb
f (x) · g(x) dx = f (ξ) · g(x) dx .
a a
Zb
f (x)dx = f (ξ) (b − a) für ein ξ ∈ [a, b] .
a
Zb
1
Damit stellt f (x) dx einen Mittelwert von f in dem Intervall [a, b] dar.
b−a
a
Rb Rb
(vi) Es gilt immer f (x) dx ≤ |f (x)| dx.
a a
Diese Rechenregeln haben diverse Anwendungen, von denen hier einige beispielhaft aufgeführt
werden sollen.
1. Mit Hilfe der Rechenregel (7.1) kann das bestimmte Integral eines beliebigen Polynoms
exakt ausgerechnet werden.
KAPITEL 7. DAS BESTIMMTE INTEGRAL 90
Beispiel 7.4
Z1 Z1 Z1 Z1
2 2 1
x0 dx
3x − 2x + 5 dx = 3 x dx − 2 x dx + 5
0 0 0 0
1 3 1
1 1 1 1
= 3 x − 2 x2 0 + 5 x1 0
3 0 2 1
1 1 1
= 3 13 − 03 − 2 12 − 02 + 5 (1 − 0)
3 2 1
= 1 − 1 + 5 = 5.
Zb
F = (g(x) − f (x)) dx
a
y F
g(x)
f (x)
x
Beweis: Man addiert zu beiden Funktionen eine genügend große Konstante, so dass die
Fläche oberhalb der x-Achse verläuft und wendet dann die Rechenregel 7.3(i) an.
Oftmals kann eine gegebene Fläche G durch achsenparallele Schnitte in mehrere Teilflächen
zerlegt werden, die einzeln nach dieser Formel berechnet werden können, z.B.
y
F2
F1
F3
x
Beachte, dass die berandenden Kurven Graphen von Funktionen sein müssen (keine
Doppeldeutigkeit!).
Teil V
Differentialrechnung
91
Kapitel 8
Ein sehr mächtiges Werkzeug zur Untersuchung von Funktionen entsteht aus dem Begriff der
Ableitung einer Funktion.
f (x0 )
x
x0
Eine solche Gerade nennen wir Tangente an f im Punkt x0 . Sie hat in der Nähe der Stelle
x0 annähernd den gleichen Funktionsverlauf wie die gegebene Funktion, sie ”schmiegt sich
an diese an”, wenn es überhaupt eine Tangente gibt. (Übung: Geben Sie eine Funktion und
Stelle x0 an ohne Tangente.)
Zur präzisen mathematischen Formulierung der zweiten Bedingung benutzen wir eine Grenz-
wertberechnung. Dazu betrachten wir neben der Stelle x0 noch die Stelle x0 + ∆x mit gewähl-
tem ∆x ∈ .R y
f (x0 +∆x)
t(x0 +∆x)
α β
f (x0 )=t(x0 )
f
t
∆x
x
x0 x0 + ∆x
92
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 93
Anschaulich strebt bei immer kleiner werdender Größe ∆x der Winkel β gegen den Winkel
α. Beschreiben wir also die Tangente durch die Funktionsvorschrift
R → R, t(x) = a1x + a0
t:
mit zunächst freien Parametern a1 , a0 ∈ R, so können wir die beiden die Tangente definie-
renden Bedingungen genauer fassen:
1. f (x0 ) = t(x0 ) = a1 x0 + a0 ,
t(x0 +∆x)−t(x0 ) f (x0 +∆x)−f (x0 )
2. ∆x = lim ∆x ,
∆x→0
wobei wir anstelle von α und β deren Tangenswerte tan(α) und tan(β) betrachtet haben. Wir
berechnen
t(x0 + ∆x) − t(x0 ) a1 (x0 + ∆x) + a0 − (a1 x0 + a0 )
=
∆x ∆x
a1 x0 + a1 ∆x + a0 − a1 x0 − a0
= = a1 .
∆x
Den zu f gehörenden Grenzwert kann man nur im konkreten Fall ausrechnen. Zur Abkürzung
setzen wir
f (x0 + ∆x) − f (x0 ) ∆f (x0 ) df (x0 ) df
lim =: lim =: =: (x0 )
∆x→0 ∆x ∆x→0 ∆x dx dx
d
=: f (x0 ) =: f 0 (x0 )
dx
und nennen diesen Grenzwert (wenn er existiert) die Ableitung von f an der Stelle x0 .
Dabei heißt ∆f∆x
(x0 )
Differenzenquotient.
Lineare Approximation
Damit schreiben sich die beiden Bedingungen an die Tangente t nun wie folgt:
1. a0 = f (x0 ) − a1 x0
2. a1 = f 0 (x0 )
also
t(x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 )
Wir nennen diese Funktion auch die lineare Approximation von f an der Stelle x0 .
Diese kann bei vorgegebener Funktion f konkret berechnet werden. Man beachte, dass die
Ableitung f 0 (x0 ) die ”Steigung” (d.h. a1 = tan(x)) der linearen Approximation (Tangente)
angibt.
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 94
1. f (x) = x0 = 1
f (x0 + ∆x) − f (x0 ) 1−1
f 0 (x0 ) = lim = lim =0
∆x→0 ∆x ∆x→0 ∆x
2. f (x) = x1 = x
f (x0 + ∆x) − f (x0 ) x0 + ∆x − x0
f 0 (x0 ) = lim = lim =1
∆x→0 ∆x ∆x→0 ∆x
3. f (x) = xn (n ≥ 2)
(x0 + ∆x)n − xn0
f 0 (x0 ) = lim
∆x→0 ∆x
n n−2 2
+ xn0
+ x nx0n−1 ∆x
∆x + . . . + ∆xn − xn0
2 0
= lim
∆x→0 ∆x
n−1 n n−2 n−1
= lim nx0 + x ∆x + . . . + ∆x
∆x→0 2 0
= nxn−1
0 .
√
4. f (x) = x (x ≥ 0)
√ √
0 x0 + ∆x − x0
f (x0 ) = lim
∆x→0 x0 + ∆x − x0
1 1
= lim √ √ = √
∆x→0 x0 + ∆x + x0 2 x0
Wir fassen die Ableitungsregeln aus dem Beispiel zusammen:
d n
dx x = nxn−1 (n ≥ 0, x ∈ R)
d √ 1
√
dx x =
2 x
(x > 0)
Differenzierbarkeit
Man beachte, dass die Ableitung f 0 (x0 ) nicht immer existiert. Dazu sei daran erinnert, dass
lim ∆f∆x
(x0 )
ein beidseitiger Grenzwert ist. Nicht immer stimmen linksseitiger und rechtssei-
∆x→0
tiger Grenzwert überein.
x
-3 -2 -1 1 2 3
Definition 8.3 Wir nennen eine Funktion f an der Stelle x0 differenzierbar, wenn dort
die Ableitung f 0 (x0 ) (als beidseitiger Grenzwert) berechnet werden kann. f heißt differen-
zierbar auf dem offenen Intervall (a, b), wenn f in allen Punkten x0 ∈ (a, b) differenzierbar
ist (a = −∞, b = ∞ sind hier zulässig). So entsteht die Ableitungsfunktion f 0 . Ist f 0 sogar
stetig, dann nennen wir f stetig differenzierbar.
Beachte:
(i) Eine auf (a, b) differenzierbare Funktion ist automatisch stetig! Wäre nämlich
lim [f (x + ∆x) − f (x)] 6= 0,
∆x→0
so würde
f (x + ∆x) − f (x)
lim
∆x→0 ∆x
nicht existieren.
(ii) Andererseits ist nicht jede auf (a, b) stetige Funktion dort auch differenzierbar: Die oben
R
betrachtete Funktion f (x) = |x| z.B. ist stetig auf ganz , aber im Punkte x = 0 nicht
differenzierbar, da dort die Ableitung nicht als beidseitiger Grenzwert berechenbar ist.
(iii) Die Ableitung einer Funktion ist im Allgemeinen nicht stetig: Betrachte
f (x) =
R
x · sin( x1 ) für alle x ∈ \{0}
0 x=0
und die Stelle x = 0. (Übung!)
Satz 8.5 (Mittelwertsatz der Differentialrechnung) Sei f : [a, b] → R stetig und auf
(a, b) differenzierbar. Dann gibt es eine Stelle x0 ∈ (a, b) so, dass
f (b) − f (a)
f 0 (x0 ) = .
b−a
y
f (b)
f (a)
x
a x0 b
Skizze zum Mittelwertsatz der Differentialrechnung.
Satz 8.6 Es seien f und g zwei Funktionen und x eine vorgegebene Stelle. Dann gilt:
d
dx
d d
(αf (x) + βg(x)) = α f (x) + β g(x) für alle α, β ∈
dx dx
R (8.1)
d df (x) dg(x)
(f (x) · g(x)) = g(x) + f (x) (Produktregel) (8.2)
dx dx dx
g 0 (x)
d 1
= − , falls g(x) 6= 0. (8.3)
dx g(x) (g(x))2
Mit Hilfe dieser Regeln können wir nun beliebige rationale Funktionen ableiten.
Beispiel 8.7
Beispiel 8.10 Polynome sind auf ganz R beliebig oft (stetig) differenzierbar.
f (x) = 3x4 − 2x + 1,
f 0 (x) = 12x3 − 2,
f 00 (x) = 36x2 ,
f 000 (x) = 72x,
f (4) (x) = 72,
f (5) (x) = 0,
f (6) (x) = 0, usw.
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 99
Quadratische Approximation
Mit Hilfe der höheren Ableitungen können Funktionen höherwertig approximiert werden, z.B.
durch die quadratische Approximation. Darunter verstehen wir ein Polynom q zweiten
Grades, das sich an der Stelle x = x0 an eine gegebene Funktion f so anschmiegt, dass nicht
nur der Funktionswert und die Steigung von q und f überseinstimmen, sondern auch das
Krümmungsverhalten. Dazu sollen folgende Forderungen erfüllt sein:
(i) q(x0 ) = f (x0 ),
(ii) q 0 (x0 ) = f 0 (x0 ),
(iii) q 00 (x0 ) = f 00 (x0 ).
y
f (x)
t(x)
q(x)
Es ist anschaulich wohlbegründet, dass sich die quadratische Approximation besser an die
gegebene Funktion anschmiegt als die lineare. Zur näheren Bestimmung von q setzen wir an:
q(x) = a0 + a1 x + a2 x2 (mit freien Koeffizienten a0 , a1 , a2 ∈ R) .
Dann schreiben sich die obigen Bedingungen:
(i) f (x0 ) = q(x0 ) = a0 + a1 x0 + a2 x20 ,
(ii) f 0 (x0 ) = q 0 (x0 ) = a1 + 2a2 x0 ,
(iii) f 00 (x0 ) = q 00 (x0 ) = 2a2 .
Also gilt
1 00
a2 = f (x0 ),
2
a1 = f 0 (x0 ) − f 00 (x0 )x0 ,
1
a0 = f (x0 ) − x0 f 0 (x0 ) − f 00 (x0 )x0 − f 00 (x0 )x20 .
2
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 100
Wir testen die Näherungseigenschaft der quadratischen Approximation q wie im Falle der
linearen Approximation an der Wurzelfunktion.
√
Beispiel 8.11 Wir berechnen die quadratische Approximation von f (x) = x an der Stelle
x0 = 1.96 und wissen bereits f 0 (x) = 2√1 x . Weiteres Ableiten ergibt nach der Quotientenregel
1
√
00
f (x) = 2 − √ 2 = − 14 x√
1 2 x 1
und damit
( x) x
1 1 1 1
q(x) = 1.4 + (x − 1.96) + − (x − 1.96)2 .
2.8 2 4 1.96 · 1.4
Für x = 2 ergibt sich:
0.04 0.042
q(2) = 1.4 + − = 1.414212828 . . .
2.8 8 · 1.4 · 1.96
f (2) = 1.414213562 . . .
also eine bessere Annäherung als mit der linearen Approximation (Tangente).
Höherwertige Approximation
Man kann noch bessere Approximationen erreichen, wenn weitere (höhere) Ableitungen inve-
stiert werden.
Satz 8.12 Gegeben sei eine Funktion f , die an der Stelle x0 n-mal differenzierbar ist (n ∈ N).
Dann hat das Polynom n-ten Grades
1 (0) 1 1
tn (x) = f (x0 ) (x − x0 )0 + f (1) (x0 ) (x − x0 )1 + f (2) (x0 ) (x − x0 )2
0! 1! 2!
1
+ . . . + f (n) (x0 ) (x − x0 )n
n!
die Eigenschaften
Beispiel 8.13 Wir betrachten die Funktion f (x) = sin x und die Stelle x0 = 0. Dann gilt:
f (x) = sin(x) f (x0 ) = 0
f 0 (x) = cos(x) f 0 (x0 ) = 1
f 00 (x) = − sin(x) f 00 (x0 ) = 0
f 000 (x) = − cos(x) f 000 (x0 ) = −1
f (4) (x) = sin(x) f (4) (x0 ) = 0
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 101
usw., daher
1 3 1 1 1 1
tn (x) = x − x + x5 − x7 + x9 ∓ . . . ± f (n) (0) xn .
3! 5! 7! 9! n!
Skizzen für t3 und t5 :
y y
sin(x) sin(x)
1 1
1 3 1 5
t3 (x) = x − 13 x3 t5 (x) = x − 3! x + 5! x
x x
-2 -1 1 2 -2 -1 1 2
-1 -1
Übung: Man ermittle den Unterschied von sin(x) und t5 (x) numerisch durch Einsetzen von
(zufällig) ausgewählten Stellen x ∈ [−2, 2]. Wir wollen später diesen Unterschied vom Betrag
her abschätzen, also eine obere Schranke für den Betrag des Unterschiedes für beliebiges
x ∈ [−2, 2] ausrechnen.
Beispiel 8.14 Betrachten wir die Funktion f (x, y, z) = xy 2 + xyz − 3x3 z −1 . Für diese Funk-
tion berechnet man beispielsweise die folgenden partiellen Ableitungn:
∂ ∂
xy 2 + xyz − 3x3 z −1 = y 2 + yz − 9x2 z −1
f (x, y, z) =
∂x ∂x
∂ ∂
xy 2 + xyz − 3x3 z −1 = 2xy + xz
f (x, y, z) =
∂y ∂y
∂ ∂
xy 2 + xyz − 3x3 z −1 = xy + 3x3 z −2
f (x, y, z) =
∂z ∂z
KAPITEL 8. ABLEITUNGEN VON FUNKTIONEN 102
∂2 ∂
f (x, y, z) = (2xy + xz) = 2y + z
∂x∂y ∂x
∂2 ∂
f (x, y, z) = (2xy + xz) = 2x
∂y 2 ∂y
als zwei Beispiele aus neun verschiedenen partiellen Ableitungen zweiter Ordnung. Eine par-
tielle Ableitung dritter Ordnung wäre
∂3 ∂
f (x, y, z) = (2y + z) = 1.
∂z∂x∂y ∂z
Kapitel 9
Durch die Einführung des Begriffs der Ableitung sind wir nun in der Lage, Funktionen und
ihre Eigenschaften näher zu untersuchen.
f : (a, b) → R
und eine Stelle x0 ∈ (a, b). x0 möge eine (grobe) Näherung einer Nullstelle x∗ von f sein.
Zunächst betrachten wir anstelle von f deren lineare Approximation an der Stelle x0
und lösen das Nullstellenproblem für t1 . Dies ist einfach, da t1 eine lineare Funktion ist.
f (x0 )
− = x1 − x0
f 0 (x0 )
f (x0 )
⇔ x1 = x0 − .
f 0 (x0 )
103
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 104
y
f t1
a x∗
x1 x
x0 b
Anschaulich ist x1 eine Näherung für die gesuchte Nullstelle x∗ von f , sofern x0 nicht zu weit
von x∗ entfernt liegt, da t1 die Funktion f in der Nähe der Stelle x0 gut“ annähert. Ist x1 eine
”
bessere Näherung als x0 , so kann der o.g. Vorgang mit x1 anstelle von x0 erneut durchlaufen
werden:
f (x1 )
x2 = x1 − 0
f (x1 )
(sofern f 0 (x1 ) 6= 0). Hierbei wird die Frage, ob x1 als bessere Näherung für x∗ als x0 anzusehen
ist, einfach durch den Funktionswert entschieden: x1 ist eine bessere Näherung als x0 , falls
Diese Methode, eine bessere Näherung für x∗ zu ermitteln, kann fortlaufend durchgeführt
werden. Es entsteht dann das Newtonverfahren, das die Iterierte xk über die Formel
f (xk−1 )
xk = xk−1 − (k = 1, 2, . . .)
f 0 (xk−1 )
berechnet, sofern f 0 (xk−1 ) 6= 0 bleibt. Dass dieses Verfahren unter gewissen Voraussetzungen
die gesuchte Nullstelle bestimmt, begründet der folgende
Satz 9.1 Ist f zweimal stetig differenzierbar, liegt der Startpunkt x0 des Iterationsverfahrens
nahe genug bei der gesuchten Nullstelle x∗ von f und gilt gleichzeitig f 0 (x∗ ) 6= 0, so kann
die Newtoniteration beliebig oft durchgeführt werden und die Folge (der Iterierten) (xn )n∈N
konvergiert gegen x∗ .
f (x) = x3 + x2 + 2x + 1.
Dieses hat eine Nullstelle in [a, b] = [−1, 0], da f (−1) = −1 und f (0) = 1 gilt. Ein erster
Schritt der Bisektion liefert
Zu erwarten ist also eine Nullstelle im Intervall [−1, −0.5]. Wir führen einen Schritt des
Newtonverfahrens durch. Es ist
x30 + x20 + 2x0 + 1
x1 = x0 −
3x20 + 2x0 + 2
und für x0 = −0.5:
x1 = −0.5714 mit f (x1 ) = −2.9 · 10−3 < 0 und |f (x1 )| < |f (x0 )| ,
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 105
wodurch x1 als bessere Näherung (und x∗ ∈ [x1 , x0 ]) erkannt wird. Weitere Schritte über
liefern
Das Newtonverfahren liefert also bereits nach drei Schritten die Nullstelle x∗ auf neun Dezi-
malen genau.
Benutzt man das Hornerschema, um (x − x∗ ) aus f herauszufaktorisieren, so bleibt ein qua-
dratisches Polynom übrig, das mit der (p, q)-Formel auf Nullstellen untersucht werden kann.
Es zeigt sich, dass keine reellen Nullstellen dieses Polynoms existieren. Das Ausgangspolynom
besitzt also nur eine einzige Nullstelle, die Stelle x∗ = x3 .
|xk − x∗ | ≤ M |xk−1 − x∗ |2
Anschaulich bedeutet dies, dass sich die Anzahl der bereits richtig berechneten
Dezimalstellen bei jeder Iteration ungefähr verdoppelt, wenn sich das Verfahren der
Stelle x∗ genügend angenähert hat.
Die Voraussetzungen des obigen Konvergenzsatzes sind in der Praxis nicht vorab nachprüfbar,
so dass in der praktischen Anwendung der Erfolg des Newtonverfahrens nicht gesichert ist.
Im Zweifel greift man auf das Bisektionsverfahren zurück:
Senkt ein Newtonschritt den Betrag des Funktionswert nicht genügend ab (z.B. auf weniger als
die Hälfte des vorherigen Wertes) oder ist die laufende Iterierte nicht im Betrachtungsintervall
[a, b], so wird wieder ein Bisektionsschritt durchgeführt. Es ist daher sinnvoll – wie im obigen
Beispiel – von der Situation auszugehen, bei der auch das Bisektionsverfahren startet: f hat
an den Stellen a und b unterschiedliches Vorzeichen. Dann ist die Existenz einer Nullstelle
zwischen a und b nach dem Zwischenwertsatz gesichert. Kann diese Ausgangssituation nicht
erreicht werden, so sollte zunächst eine Kurvendiskussion begonnen werden, d.h. die Ableitung
der Funktion f in die Betrachtung einbezogen werden (siehe Abschnitt 9.3).
zu berechnen. Ist hierbei g(x0 ) 6= 0, so lässt sich der Grenzwert wegen der Stetigkeit der
Funktionen leicht ausrechnen:
f (x0 )
lim h(x) = .
x→x0 g(x0 )
Wenn g(x0 ) = 0 und f (x0 ) 6= 0 gilt, haben wir (falls der uneigentliche Grenzwert existiert)
lim h(x) = ±∞
x→(x0 )±
(einseitige Grenzwerte).
Problematisch ist hauptsächlich der Fall, dass g(x0 ) = 0 und f (x0 ) = 0 gilt. Hierbei entsteht
durch Einsetzen von x = x0 der unbestimmte Ausdruck 00 “.
”
Wir kennen bereits Beispiele, wo in diesen Fällen dennoch ein Grenzwert existiert, etwa
sin(x)
lim =1
x→0 x
Sind f und g auf einem Intervall (a, b), dass den Punkt x0 enthält, differenzierbar, so können
wir den Mittelwertsatz der Differentialrechnung verwenden, um den Ausdruck fg(x) (x)
geeignet
umzuformen. Sei nun x ∈ (a, b). Nach dem Mittelwertsatz gibt es eine Zwischenstelle ξf
zwischen x0 und x, so dass
Genauso gibt es für die Funktion g eine - möglicherweise andere - Zwischenstelle ξg mit
f (x) − f (x0 )
Eine Verallgemeinerung des Mittelwertsatzes besagt sogar, dass in dem Quotienten
g(x) − g(x0 )
für Zähler und Nenner dieselbe Zwischenstelle ξ verwendet werden darf. Damit ist
f 0 (ξ) f (x)
Existiert nun der Grenzwert lim 0
so existiert auch der Grenzwert lim und beide
ξ→x0 g (ξ) x→x 0 g(x)
sind gleich. Wir formulieren dies als
Satz 9.3 (Regel von De L’Hospital) Betrachtet werden zwei auf (a, b) differenzierbare
Funktionen f und g und eine Stelle x0 ∈ [a, b]. Ist dann lim f (x) = 0 und lim g(x) = 0 und
x→x0 x→x0
existiert der Grenzwert
f 0 (x)
lim
x→x0 g 0 (x)
(±∞ für den Grenzwert zugelassen), so gilt
f (x) f 0 (x)
lim = lim 0 .
x→x0 g(x) x→x0 g (x)
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 107
gilt. Außerdem kann die Regel mehrfach hintereinander angewendet werden, um ein Ergebnis
zu erzielen.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten
Des weiteren können oft Ausdrücke der Form 0 · ∞“ bzw. ∞ − ∞“ nach geschickter Um-
” ”
formung mit der Regel von de L’Hospital bearbeitet werden. Man verwendet hierbei die
Identitäten: (f (x) 6= 0, g (x) 6= 0)
f (x)
f (x) · g(x) = 1
g(x)
1 1
und f (x) − g(x) = f (x)g(x)( − ).
g(x) f (x)
1 1 1 1
Beispiel 9.6 lim − = lim (sin(x) − x)
x→0 x sin(x) x→0 x sin(x)
sin(x) − x
= lim
x→0 x sin(x)
L0 Hosp. cos(x) − 1
= lim
x→0 x cos(x) + sin(x)
L0 Hosp. − sin(x)
= lim = 0.
x→0 2 cos(x) − x sin(x)
9.3 Kurvendiskussion
Durch die Berechnung der Nullstellen einer Funktion und die Analyse ihres Grenzverhaltens
an bestimmten ausgesuchten Stellen erhalten wir bereits einen ungefähren Eindruck vom
Verlauf (des Graphen) der Funktion.
Extremstellen
Ein weiterer Untersuchungsgegenstand im Zusammenhang mit der Analyse von Funktionen
sind Extremstellen. Wir wissen, dass stetige Funktionen auf abgeschlossenen Intervallen einen
maximalen bzw. einen minimalen Wert annehmen. Im folgenden sollen Stellen x0 berechnet
werden, an denen diese extremen Funktionswerte angenommen werden. Zur Präzisierung der
Problematik legen wir fest:
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 108
Definition 9.7 Betrachtet werde eine Funktion f : D → R und eine Stelle x0 ∈ D. Dann
heißt x0 eine
Beachte: Erfüllt ein ε > 0 die genannte Bedingung, so auch jedes kleinere (positive) ε1
(0 < ε1 < ε). Damit ist ε also nicht eindeutig bestimmt, sondern muss nur klein genug“ sein.
”
Man kann also den Begriff der lokalen Minimalstelle so interpretieren, dass x0 eine Stelle mit
kleinstem Funktionswert in der näheren Umgebung von x0 darstellt.
Entsprechend sind globale Maximalstellen und lokale Maximalstellen definiert. Soll
nicht zwischen minimalen und maximalen Stellen unterschieden werden, so sprechen wir ein-
fach von Extremstellen. Man beachte, dass globale Extremstellen auch lokale Extremstellen
sind.
x
a = x2 x1 x4 x5 b = x3
Satz 9.9 Sei f : (a, b) → R differenzierbar. Ist dann x0 ∈ (a, b) lokale Extremstelle, so ist
f 0 (x0 ) = 0.
Beachte, dass dies im obigen Beispiel nicht für x1 , x2 , x3 zutrifft. (Warum?)
Wir schließen daraus: Bei einer beliebigen Funktion f : D → R sind folgende Punkte Kan-
didaten für lokale Extremstellen:
Monotonieverhalten
Um entscheiden zu können, an welchen Kandidatenstellen tatsächlich Extrema vorliegen,
betrachten wir folgende Begriffe:
Wiederum kann die Ableitung der Funktion f (sofern sie existiert) zur Charakterisierung der
Monotonie herangezogen werden.
Man beachte, dass aus dem letzten Teil dieses Satzes eine interessante Aussage folgt, die
R
wir später entscheidend nutzen werden: Für differenzierbare Funktionen f, g : (a, b) → gilt
Extremstellenuntersuchung
Damit können wir das Extremstellenverhalten einer beliebigen stückweise differenzierbaren
Funktion f : D → R diskutieren. Stückweise stetig diffenzierbar bedeutet hier: es gibt
nur endlich viele [”wenige”] Stellen, an denen die ansonsten stetig differenzierbare Funktion
f nicht differenzierbar ist.
Für den Fall, dass sämtliche Nullstellen, Unstetigkeitstellen und Definitionslücken der Ablei-
tung f 0 bekannt sind, kann nun eindeutig geklärt werden, für welche x ∈ [a, b]
gilt, denn nach dem Zwischenwertsatz kann bei Stetigkeit zwischen zwei solchen Stellen
(Nullstellen, Unstetigkeit, Definitionslücke) die Ableitung nicht ihr Vorzeichen wechseln! Man
braucht also nur einzelne Punkte in f 0 einzusetzen, um das Vorzeichen auf je einem Teilbereich
zu ermitteln.
Damit kann gemäß obigem Satz das Monotonieverhalten von stetigen Funktionen f beschrie-
ben werden, insbesondere können lokale Extremstellen angegeben werden.
• Ist x0 ein Kandidat für eine Extremstelle und gilt f 0 (x) ≤ 0 links von x0 sowie f 0 (x) ≥ 0
rechts von x0 , so liegt bei x0 eine lokales Minimum vor.
• Ist x0 ein Kandidat für eine Extremstelle und gilt f 0 (x) ≥ 0 links von x0 sowie f 0 (x) ≤ 0
rechts von x0 , so liegt bei x0 eine lokales Maximum vor.
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 110
• Ist x0 ein Kandidat für eine Extremstelle und liegt links und rechts von x0 gleiches
(strenges) Monotonieverhalten vor und ist f in x0 differenzierbar, so ist x0 keine Ex-
tremstelle, sondern ein Sattelpunkt.
An den Randpunkten liegt eine entsprechende Extremstelle vor, wenn in den obigen Defini-
tionen jeweils der mögliche Teil erfüllt ist. An Unstetigkeitsstellen sind diese Festlegungen
entsprechend einseitig zu interpretieren.
y
f
x
y
>0 >0 f0
=0 x
a =0 <0 =0 =0 b
Monotonieverhalten und Extremstellen.
Bemerkung: Sind dagegen nicht alle Nullstellen von f 0 sicher ermittelt, so kann bei den
gefundenen Nullstellen lokal argumentiert werden:
• Ist x0 Kandidatenstelle, weil f 0 (x0 ) = 0 gilt und ist f 00 (x0 ) > 0, so ist f 0 in der Nähe
von x0 streng monoton wachsend, also gilt f 0 (x) < 0 links von x0 , f 0 (x0 ) > 0 rechts von
x0 , somit hat f bei x0 ein lokales Minimum.
Man beachte, dass sich das globale Minimum einer Funktion als kleinster Wert unter allen
Funktionswerten von Kandidaten für Extremstellen ergibt. Entsprechend kann das globale
Maximum durch Vergleich der Funktionswerte der Kandidaten für Extremstellen ermittelt
werden.
Krümmungsverhalten
Genau wie f 0 können auch die zweite und höhere Ableitungen von f auf Nullstellen, Mono-
tonieverhalten und Extrema untersucht werden und Rückschlüsse für die Funktion f gezogen
werden.
Ein Punkt x0 ∈ (a, b), in dem bei stetigem f das Krümmungsverhalten wechselt, heißt Wen-
depunkt von f .
Kandidaten für Wendepunkte sind also Punkte aus (a, b),
R
Bemerkung: Sei f : (a, b) → zweimal differenzierbar, x0 ∈ (a, b) und t : R → R die lineare
Approximation von f an der Stelle x0 .
a) ist f auf (a, b) linksgekrümmt, so gilt f (x) ≥ t(x) für alle x ∈ (a, b).
b) ist f auf (a, b) rechtsgekrümmt, so gilt f (x) ≤ t(x) für alle x ∈ (a, b).
Beweis: Kurvendiskussion für die Hilfsfunktion h(x) = f (x)−t(x), für die h(x0 ) = h0 (x0 ) = 0
gilt.
sin(x)
f (x) = für |x| ≤ π.
x
1. Grenzwerte
sin(x)
Wir wissen bereits lim x = 1. Ferner gilt wegen der Stetigkeit von sin
x→0
sin(x) sin(x)
lim =0 und lim = 0.
x→π− x x→−π+ x
2. Definitionsbereich
f ist definiert für alle x ∈ [−π, π] mit Ausnahme von x = 0. Wegen 1. kann f durch
f (0) = 1 auf ganz [−π, π] stetig fortgesetzt werden.
3. Symmetrie
f ist eine gerade Funktion, denn
4. Nullstellen
Es ist f (x) = 0 ⇒ sin(x) = 0. Auf [0, π] folgt x = 0 oder x = π. Die Stelle x = 0
scheidet aus wegen f (0) = 1. Also ist x = π die einzige Nullstelle auf [0, π] und x = −π
die einzige auf [−π, 0].
5. Vorzeichenverteilung von f
Da f stetig ist und da x = π und x = −π die einzigen Nullstellen von f sind, sowie
f (0) = 1 gilt, hat f durchgehend positives Vorzeichen auf [−π, π] .
Um festzustellen, ob auch f 0 (0) existiert, muss die Definition der Ableitung herangezo-
gen werden:
sin(∆x)
∆x −1 sin(∆x) − ∆x cos(∆x) − 1 − sin(∆x)
lim = lim = lim = lim = 0.
∆x→0 ∆x ∆x→0 ∆x2 ∆x→0 2∆x ∆x→0 2
Also gilt f 0 (0) = 0.
Beachte: die Funktion f 0 ist an der Stelle x = 0 stetig wegen
x cos(x) − sin(x)
lim f 0 (x) = lim
x→0 x→0 x2
cos(x) − x sin(x) − cos(x)
= lim
x→0 2x
1
= − lim sin(x) = 0 = f 0 (0)
2 x→0
Aus dem Graph der Funtionen tan(x) und x entnehmen wir, dass eine positive Lösung
von tan(x) = x einen Wert > π haben muss.
y
5
4
3
2
1
x
-1 1 2 3 4 5
-1
-2
-3
also
x −π (−π, 0) 0 (0, π) π
f0 1
π + 0 − − π1
f TP % HP & TP
Bei x = −π und x = π liegen also lokale Minima (Tiefpunkte, TPe) vor, bei x = 0 ein
lokales Maximum (Hochpunkt, HP).
KAPITEL 9. ANALYSE VON FUNKTIONEN 113
Anders als bei der ersten Ableitung ergeben sich noch Lösungen mit |x| < π. Mit dem
Newtonverfahren findet man (Startwert z.B. x = ±1.5)
x1/2 = ±2.08158.
9. Skizze
y
x
-3 -2 -1 1 2 3
Teil VI
Elementare Funktionen
114
Kapitel 10
b) Ist f stetig differenzierbar und gilt f 0 (x) 6= 0 für alle x ∈ I, so ist f auf I umkehrbar.
c) Ist f auf I umkehrbar, so erhält man den Graphen der Umkehrfunktion f −1 aus dem
Graphen von f durch Spiegeln an der Geraden y = x.
Zum Beweis beachte man, dass b) aus a) folgt und die Formel aus d) eine einfache Folgerung
der Kettenregel ist. Für g = f −1 folgt:
d d
f (g(x)) = x ⇒ [f (g(x))] = x ⇒ f 0 (g(x)) · g 0 (x) = 1.
dx dx
Bemerkung: In Erweiterung von Teil b) des Satzes gilt sogar: Besitzt f 0 an allen Stellen
x ∈ I das gleiche Vorzeichen bis auf endlich viele Stellen, an denen f 0 auch den Wert 0 haben
darf, so ist f auf I umkehrbar.
115
KAPITEL 10. ABLEITUNGEN DER UMKEHRFUNKTION UND STAMMFUNKTIONEN116
6
√
4 x
x
2 4 6 8 10
Rationale Exponenten
R R
Wir betrachten nun die Funktion f : + → + , x 7→ xα für beliebiges α ∈ Q. Es gilt dann
die Ableitungsformel
d α
x = αxα−1 (x > 0).
dx
Beweis: Sei etwa α = m
n, n∈ N, m ∈ Z. Dann gilt zunächst
d m
x = mxm−1 falls m ≥ 0
dx
und für m < 0:
d m d −|m| d 1
x = x =
dx dx dx x|m|
|m| x |m|−1
= − = mxm−1 (Quotientenregel)
x2|m|
d 1 1 1 1
xn = 1 n−1 = 1
dx n xn (n−1)
n xn
1 1 1 1 −1
= = xn (Satz 10.1)
n x1− n1 n
d α d 1 1 1 1
x = (x n )m = m(x n )m−1 · x n −1
dx dx n
m m − 1 + 1 −1 α−1
= x n n n = αx (Kettenregel)
n
Beachte: Somit kann die Funktion f (x) = xα beliebig oft abgeleitet werden. Folglich können
ihre Funktionswerte über eine Taylorentwicklung näherungsweise berechnet und mit f kann
eine Kurvendiskussion durchgeführt werden.
Für die Ableitung von arcsin ermitteln wir aus dem Hauptsatz
d 1 1 1
arcsin(x) = 0 = =p 2
dx sin (arcsin(x)) cos(arcsin(x)) 1 − sin (arcsin(x))
d 1
⇒ arcsin(x) = √ .
dx 1 − x2
Für die Ableitung von arccos : [−1, 1] → [0, π] ⊆ R gilt analog
d 1
arccos(x) = − √ .
dx 1 − x2
Für die Ableitungen von arctan : R
→ (− π2 , π2 ) ⊆ R und arccot : R → (0, π) ⊆ R benutzt
2 1
man z.B. cos (x) = 1+tan2 (x) und erhält:
d 1 d 1
arctan(x) = , arccot(x) = − .
dx 1 + x2 dx 1 + x2
10.2 Stammfunktionen
Viele Vorgänge in den Naturwissenschaften werden durch Gleichungen beschrieben, deren
Unbekannte nicht einfach Zahlen x, sondern Funktionen y, z, w, . . . sind. Hängen diese Funk-
tionen alle von derselben Variablen x ab, so gelten die Gleichungen simultan für alle x aus
R
einem bestimmten Intervall I ⊆ . (Dabei müssen die x natürlich im Definitionsbereich der
Funktionen y, z, w, . . . liegen.) Wir nennen diesen Typ von Gleichung Funktionalgleichung,
die Variable der gesuchten Funktionen heißt unabhängige Veränderliche.
Differentialgleichungen
Treten neben den unbekannten Funktionen y, z, w, . . . auch deren unbekannte Ableitungen in
den Gleichungen auf, so nennen wir diese Funktionalgleichungen Differentialgleichungen
(Dgl).
Beispiel 10.3 Dgl für eine unbekannte Funktion y = y (x) (man beachte die Schreibweise):
a) y 00 + 2y = sin(x)
b) xy 000 − (1 + x)y 0 = 0
c) yy 000 + y 0 y 00 = x
Eine Dgl heißt explizite Differentialgleichung n-ter Ordnung für y, wenn y (n) die
höchste auftretende Ableitung ist und die Dgl nach y (n) aufgelöst ist.
KAPITEL 10. ABLEITUNGEN DER UMKEHRFUNKTION UND STAMMFUNKTIONEN118
d) y 00 = 3x + y + y 0
e) y 000 = y 2 − y 0
f) y 0 = cos(x) + x
g) y (5) = x2 − 2x + 1
Stammfunktionen
Die Beispiele f) und g) stellen die einfachste Form einer expliziten Dgl dar, da die unbekannte
Funktion nur in Form einer Ableitung vorkommt. Im folgenden soll erklärt werden, wie man
an Lösungen dieses Typs von Dgl kommt. Dazu genügt es grundsätzlich, wenn wir die Dgl
vom Typ
y 0 = f (x)
für eine vorgegebene stetige Funktion f lösen können, denn die Dgl
kann wegen
d (n−1)
y (n) =
y
dx
danach durch sukzessive Anwendung dieser Methode gelöst werden.
Bezeichnung: Eine Lösung der Differentialgleichung y 0 = f (x) nennen wir eine Stamm-
funktion von f .
Vorgegeben sei nun die Dgl y 0 = f (x). Wir wollen uns klarmachen, dass wir alle Stammfunk-
”
tionen von f kennen, wenn wir eine einzige kennen.“
Beweis: Für die Hilfsfunktion h = y1 − y2 gilt h0 (x) = y10 (x) − y20 (x) = 0 für alle x ∈ I. Daher
ist h nach dem Satz zur Taylorapproximation eine konstante Funktion.
Addiert man also zu einer (beliebigen) bekannten Lösung y auf I der Differentialgleichung
R
y 0 = f (x) eine (freie) Konstante c ∈ hinzu, so erhält man alle Lösungen aus I. Wir nennen
eine solche Lösung mit freiem Parameter c ∈ R
eine allgemeine Lösung der Differential-
0
gleichung y = f (x) auf I.
KAPITEL 10. ABLEITUNGEN DER UMKEHRFUNKTION UND STAMMFUNKTIONEN119
(αf + βg)0 = αf 0 + βg 0
ausgehend von der Tabelle auch weitere Differentialgleichungen gelöst werden können, denn
sind F und G Stammfunktionen von f und g, so ist offensichtlich αF +βG eine Stammfunktion
von αf + βg.
Satz 10.7 (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung) Ist f auf dem Inter-
vall [a, b] stetig und x0 ∈ [a, b] ein beliebig ausgewählter Punkt, dann ist die Funktion y mit
Z x
y(x) := f (t)dt
x0
Beweis: Es gilt gemäß der Definition der Ableitung für eine beliebige Stelle x ∈ (a, b)
1
y 0 (x) = lim (y(x + ∆x) − y(x)) .
∆x→0 ∆x
letzteres nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung (vgl. Satz 7.3), wobei die Zwischen-
stelle ξ zwischen x und x + ∆x liegt und nicht näher bekannt ist. Es gilt jedoch
Für x = a bzw. x = b gilt obiges Argument, wobei jeweils der einseitige Grenzwert zu be-
trachten ist.
y 0 = f (x)
als vollständig gelöst gelten, da die Stammfunktion y an jeder Stelle x ∈ [a, b] etwa mit der
Trapezformel beliebig gut numerisch berechnet werden kann.
2. Es gilt y(x0 ) = 0. Da die zur Konstruktion von y gewählte Stelle x0 ∈ [a, b] beliebig
war, kann so beeinflußt werden, an welcher Stelle die Stammfunktion ȳ eine Nullstelle
hat.
y(a) = y0 mit y0 ∈ R
zu erfüllen, so wird dies durch c = y0 erreicht, denn es gilt:
Z a
y(a) = f (t) dt + y0 = y0 .
a
5. Setzen wir in der letzten Formel b für x ein, so erhalten wir eine Methode, um bestimmte
Integrale auszurechnen. Ist etwa F eine beliebige, bekannte Stammfunktion von f , so
gilt
Z b
f (x) dx = F (b) − F (a).
a
Mit Hilfe der Tabelle der Stammfunktionen und der Rechenregeln für das bestimmte Integral
können wir nun (bestimmte) Integrale ausrechnen, deren Werte wir bisher nur numerisch
ermitteln konnten.
Beispiel 10.8
Z1
√
1
a) x+ dx = ?
1 + x2
0
√ 1 3
Eine Stammfunktion für x = x 2 ist 23 x 2 (auf R+0) und eine Stammfunktion für 1+x1
R
2
ist arctan(x) (auf ). Daher gilt:
Z1 Z1 Z1
√ √
1 1
x+ dx = x dx + dx
1 + x2 1 + x2
0 0 0
2 3 2 3
= · 1 2 − · 0 2 + arctan(1) − arctan(0)
3 3
2 π
= + .
3 4
Zπ
b) (sin(x) − 2 cos(x)) dx = ?
0
d d
Wegen dx sin(x) = cos(x), dx (− cos(x)) = sin(x) folgt
Zπ Zπ Zπ
(sin(x) − 2 cos(x)) dx = sin(x) dx − 2 cos(x) dx
0 0 0
= (− cos(π) + cos(0)) − 2 (sin(π) − sin(0))
= 2.
Kapitel 11
Logarithmus- und
Exponentialfunktion
1. Sie ist Stammfunktion für f (x) = x−1 auf jedem abgeschlossenen Teilintervall von R+ ,
das die Stelle x = 1 enthält.
2. F (1) = 0.
R
Daher gibt es ein c ∈ , so dass c = h(x) = F (x · y) − F (x) − F (y) für alle x. Wegen
h(1) = F (y) − F (1) − F (y) = 0 gilt dann 0 = h(x) = F (x · y) − F (x) − F (y).
Diese besonderen Recheneigenschaften legen nahe, dass die Funktion F einen eigenen Namen
verdient. Sie heißt natürliche Logarithmusfunktion (logarithmus naturalis). Wir schreiben
für alle x > 0:
ln(x) := F (x).
122
KAPITEL 11. LOGARITHMUS- UND EXPONENTIALFUNKTION 123
1
1
1/2
f (x) = x
1/3
1/4
x
0 1 2 3 4 5
Also ist ( lim ln(x) + 1) größer oder gleich dem Grenzwert der harmonischen Reihe, von
x→∞
dem wir schon wissen, dass er ∞ ist.
Entsprechend zeigt man
lim ln(x) = −∞.
x→0
d
• Da dx ln(x) > 0 gilt für alle x > 0, besitzt ln keine lokale Extremstellen.
d2 1
ln(x) = − 2 < 0 (alle x > 0).
dx2 x
Daher gibt es auch keine Wendepunkte und ln ist immer rechtsgekrümmt (konkav ).
KAPITEL 11. LOGARITHMUS- UND EXPONENTIALFUNKTION 124
y
2
1
x
1 2 3 4 5
-1
-2
dn dn−1 −1
ln(x) = (x ) = (−1)n−1 (n − 1)!x−n
dxn dxn−1
ln(n) (1) = (−1)n−1 (n − 1)!
t1 (x) = x − 1.
y
20
15
10
x
-4 -2 0 2 4
Die Funktion exp heißt Exponentialfunktion. Für exp leitet man aus ln die folgenden
R
Rechenregeln ab (x1 , x2 ∈ , r ∈ ): Q
d
exp(x) = exp(x)
dx
exp(x1 + x2 ) = exp(x1 ) exp(x2 )
exp(rx) = exp(x)r
exp(0) = 1
lim exp(x) = 0
x→−∞
lim exp(x) = ∞.
x→∞
Zum Beweis: Nach der Regel für die Ableitung der Umkehrfunktion gilt
d 1 1
exp(x) = 0 = 1 = exp(x).
dx ln (exp(x)) exp(x)
Die Eulerzahl
Im folgenden stellen wir exp(1) als Grenzwert einer Folge dar: Ausgangspunkt ist der zuletzt
für ln berechnete Grenzwert:
ln 1 + n1
ln(x) ln(1 + x)
1 = lim = lim = lim 1
x→1 x − 1 x→0 x n→∞
n
1 n
1
= lim n · ln 1 + = lim ln 1 +
n→∞ n n→∞ n
n
1 n
1
⇒ exp(1) = exp lim ln 1 + = lim exp ln 1 +
n→∞ n n→∞ n
n
1
= lim 1 + .
n→∞ n
Setzen wir zur Abkürzung e := exp(1) und nennen diese Zahl die Eulerzahl, so gilt also
n
e = lim 1 + n1 = 2,718281828 . . . .
n→∞
KAPITEL 11. LOGARITHMUS- UND EXPONENTIALFUNKTION 126
Somit sind nun Potenzen mit rellen Exponenten erklärt; mit diesen rechnet man wie bisher.
R
Es gelten die bekannten Potenz-Gesetze (für alle a, b ∈ , x, y > 0) (die man aus dieser
Formel direkt herleiten kann):
xa+b = xa xb
(xy)a = xa y a
(xa )b = xab .
Insbesondere gilt
f: R → R+ , f (x) = ax (a ∈ R+ fest, x∈ R)
KAPITEL 11. LOGARITHMUS- UND EXPONENTIALFUNKTION 127
loga :R+ → R.
Für sie gelten die Formeln (a, x, y ∈ R+ , b ∈ R)
ln(x)
loga (x) = ,
ln(a)
d 1
loga (x) = ,
dx x · ln(a)
loga (x · y) = loga (x) + loga (y),
b loga (x) = loga (xb ),
Sie haben Recheneigenschaften, die sehr stark an sin und cos erinnern, obwohl sie mit diesen
Funktionen nicht direkt etwas zu tun haben:
sinh(−x) = − sinh(x)
cosh(−x) = cosh(x)
cosh (x) − sinh2 (x) = 1
2
60 y
40 40
20 30
x 20
-4 -2 2 4
-20 10
-40 x
-4 -2 2 4
-60 Skizze von cosh(x)
y y
1 10
0.5 5
x x
-4 -2 2 4 -4 -2 2 4
-0.5 -5
-1 -10
Beachte:
arsinh : R → R,
arcosh : [1, ∞) → R+0.
So wie sinh und cosh durch die e-Funktion ausgedrückt werden, können die Area-Funktionen
durch die Logarithmusfunktion beschrieben werden. Wir sehen dies ein durch Auflösen der
Gleichungen
y = sinh(x)
bzw. y = cosh(x)
nach x:
ex − e−x
y = sinh(x) ⇐⇒ y = ⇔ ex − 2y = e−x ⇔ (ex )2 − 2yex = 1
2p
⇐⇒ ex = y ± y 2 + 1.
p
kann das −“-Zeichen nicht auftreten, da y 2 + 1 > y und ex > 0. Also gilt x =
Dabei p
”
ln(y + y 2 + 1).
Damit hat man
R
p
arsinh(x) = ln x + x2 + 1 (x ∈ ).
Entsprechend gilt p
arcosh(x) = ln x + x2 − 1 (x ≥ 1).
KAPITEL 11. LOGARITHMUS- UND EXPONENTIALFUNKTION 130
Mit diesen Darstellungen sind arsinh und arcosh auch leicht über die Kettenregel ableitbar:
d 1
arsinh(x) = √
dx x2 +1
d 1
arcosh(x) = √ .
dx x2 − 1
Schließlich gilt für die Umkehrfunktion von tanh:
R,
1 1+x
artanh : (−1, 1) → artanh(x) = ln
2 1−x
d 1
artanh(x) = .
dx 1 − x2
Ein wichtiges Anwendungsbeispiel für die Hyperbelfunktionen ist:
Beispiel 11.1 Ein homogenes, an seinen Endpunkten aufgehängtes, nur durch sein Eigenge-
wicht belastetes Seil hat die Form einer Kettenlinie
x−b
y(x) = a cosh + c.
a
40
30
20
10
x
1 2 3 4 5
Teil VII
Integralrechnung
131
Kapitel 12
Grundtechniken der
Integralrechnung
R
Wir haben bereits gesehen, dass zu jeder stetigen Funktion f : [a, b] → , −∞ < a < b < ∞,
mit Hilfe des bestimmten Integrals eine Stammfunktion Fa angegeben werden kann:
Z x
R
Fa : [a, b] → , Fa (x) = f (t)dt
a
R
mit einer (freien) Konstanten C ∈ . Damit gilt insbesondere
Z b
f (t)dt = F (b) − F (a)
a
R
(mit C ∈ ) schreiben, wobei F (x) eine irgendwie vorgewählte Stammfunktion von f ist, da
diese sich ja von Fa nur um eine feste Konstante unterscheidet. Die Darstellung ist in diesem
Sinne nicht eindeutig!
132
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 133
die die Verbindung zwischen bestimmtem Integral und unbestimmten Integral herstellt. Hier-
bei benutzen wir die (allgemeine) Abkürzung (w beliebige Funktion)
w(x)|ba := w(b) − w(a).
Wie wir an den obigen Beispielen sahen, können wir bestimmte Integrale mit Hilfe der Tabelle
der Stammfunktionen und geeigneten Rechenregeln berechnen. Dabei haben wir bereits die
folgende bekannte Rechenregel (Linearität des Integrals) benutzt:
Z b Z b Z b
(αf (x) + βg(x)) dx = α f (x)dx + β g(x)dx,
Za Za Za
(αf (x) + βg(x)) dx = α f (x)dx + β g(x)dx,
wobei sich die Formel für das unbestimmte Integral unmittelbar aus der ersten Formel und
der Tatsache ergibt, dass Stammfunktionen mit Hilfe des bestimmten Integrals beschrieben
werden können.
Genereller Hinweis: (zur Berechnung von bestimmten Integralen)
Man sollte prinzipiell immer erst das unbestimmte Integral lösen (wenn die Integralberech-
nung komplizierter ist) und dann nur noch für das bestimmte Integral die Hauptformel der
Integralrechnung auswerten.
Beispiel 12.1
R
a) x cos(x) dx = ?
Wir interpretieren
v(x) = x, u0 (x) = cos(x)
und erhalten
v 0 (x) = 1, u(x) = sin(x)
Beachte: Hier kann, ausgehend von u0 (x), irgendeine Stammfunktion u(x) gewählt
werden.
Damit gilt
Z Z
x cos(x) dx = x sin(x) − sin(x) · 1 dx
= x sin(x) − (− cos(x) + D)
= x sin(x) + cos(x) + C.
Rπ
b) x2 sin(x) dx = ?
0
x2 sin(x) dx.
R
Dazu berechnen erst das unbestimmte Integral:
Wir setzen: v(x) = x2 , u0 (x) = sin(x)
v 0 (x) = 2x, u(x) = − cos(x).
Damit gilt
Z Z
2 2
x sin(x) dx = (− cos(x))x − 2x(− cos(x)) dx
Z
= −x2 · cos(x) + 2 x cos(x) dx .
0
= π 2 + 2(0 − 1) − (0 + 2(0 − 1))
= π 2 − 4.
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 135
Rπ
c) ex sin(x) dx = ?
−π
ex sin(x) dx:
R
Also erstmal
0
v(x) = sin(x), u (x) = ex
v 0 (x) = cos(x), u(x) = ex
gilt: Z Z
ex sin(x) dx = ex sin(x) − ex cos(x) dx .
und erhalten
Z Z
ex sin(x) dx = ex sin(x) − ex cos(x) − ex (− sin(x)) dx .
bzw. Z
1
ex sin(x) dx = ex (sin(x) − cos(x)) .
2
Für das bestimmte Integral folgt:
Z π
1 π
ex sin(x) dx = e − e−π .
−π 2
R
d) ln(x) dx = ? (x > 0)
Wir setzen v(x) = ln(x), u0 (x) = 1
v 0 (x) = x1 , u(x) = x
und erhalten
Z Z
1
ln(x) dx = x ln(x) − x dx
x
= x ln(x) − x + C.
cos2 (x) dx =
R R
e) cos(x) cos(x) dx = ?
Wir setzen: v(x) = cos(x), u0 (x) = cos(x)
v 0 (x) = − sin(x), u(x) = sin(x).
Hieraus folgt:
Z Z
2
cos (x) dx = sin(x) cos(x) + sin2 (x)dx
Z
1 − cos2 (x) dx
= sin(x) cos(x) +
Z
= sin(x) cos(x) + x − cos2 (x)dx
Z
1
⇒ cos2 (x)dx = (sin(x) cos(x) + x) + C.
2
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 136
also
Z b Z g(b)
f (g(x))g 0 (x)dx = f (t)dt.
a g(a)
F (x) = ln |x|.
g 0 (x)
Z
dx = ln |g(x)| + C (g(x) 6= 0)
g(x)
b) Es gilt Z
1
[g(x)]2 g 0 (x)dx = [g(x)]3 + C
3
(ln(x))2
Z Z
1
dx = (ln(x))2 · dx
x x
1
= (ln(x))3 + C
3
oder Z
1
sinh2 (x) · cosh(x) dx = (sinh(x))3 + C
3
d) Man findet Z
eg(x) g 0 (x)dx = eg(x) + C,
konkret etwa Z
esin(x) cos(x) dx = esin(x) + C.
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 138
(für den Übergang von t zu g(x)). Kann nun (mit anderen Mitteln) das dort auftretende
Integral berechnet werden, etwa zu
Z
f (g(x))g 0 (x)dx = K(x) + C2 ,
so kennt man mit F (g(x)) = K(x) + C die Stammfunktion F von f wenigstens an den Stellen
g(x). Ist nun noch die Gleichung t := g(x) nach x auflösbar (also g umkehrbar), etwa zu
x = h(t), so kennt man F (t) explizit über die Gleichung
F (t) = K(h(t)) + C .
Beachte: Diese Methode wird also angewendet, wenn f (g (x)) g 0 (x) dx bei Rgeeigneter frei
R
wählbarer, umkehrbarer Substitution t = g(x) einfacher zu berechnen ist als f (t) dt. Dies
sei an folgenden Beispielen erläutert.
Beispiel 12.4
R 2t
a) Es sei eet −1 dt = F (t) + C zu berechnen.
2t
Für x > 0 substituieren wir t = ln(x). Dann gilt mit f (t) = eet −1 , g(x) = ln(x) über die
Substitutionsgleichung
e2 ln(x)
Z
1
C1 + F (ln(x)) = · dx
eln(x) − 1 x
x2
Z Z
1 x
= · dx = dx
x−1 x x−1
Z Z Z
1 1
= 1+ dx = 1dx + dx
x−1 x−1
= x + ln |x − 1| + C2 .
R√
b) Für |t| ≤ 1 sei 1 − t2 dt = F (t) + C zu berechnen.
Für − π2 ≤ x ≤ π
2 substituieren wir hier t = sin(x). Dann gilt gemäß der Substitutions-
formel
Z q
C1 + F (sin(x)) = 1 − sin2 (x) cos(x) dx
Z
= cos(x) · cos(x) dx.
p
1
cos2 (x) dx = 1 − sin2 (x) + C2 (siehe oben) folgt
R
Wegen 2 x + sin(x)
1 p
F (t) = arcsin(t) + t 1 − t2 + C .
2
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 139
Anwendung: Damit gilt z.B. für den Flächeninhalt der halben Einheitskreisscheibe:
Z 1p
1 p 1
1 − t2 dt = arcsin(t) + t 1 − t2
−1 2 −1
1 π π
= +0− − +0
2 2 2
π
=
2
1. Ableiten: dt
dx = g 0 (x)
3. Unter dem Integralzeichen entweder (t und dt) oder (x und dx) ersetzen.
Beispiel 12.5
R (ln(x))2
a) x dx = ?
Eigentlich würde dies nach der direkten Methode bearbeitet (vgl. Beispiel 12.3b). Jetzt
verfahren wir wie folgt:
dt
Substituiere t = ln(x) ⇒ dx = x1 ⇒ dx = x dt. Hieraus folgt
(ln(x))2 t2
Z Z Z
dx = x dt = t2 dt
x x
1 3 1
= t + C = (ln(x))3 + C
3 3
R√
b) 1 − t2 dt = ? (für |t| ≤ 1)
Dies ist ein typisches Beispiel für die zweite Methode. Wir wenden das Rezept an:
Für |x| ≤ π2 substituiere t = sin(x) ⇒ dxdt
= cos(x) ⇒ dt = cos(x) dx. Hieraus folgt:
Z p Z q Z
2
1 − t dt = 1 − sin (x) cos(x) dx = cos2 (x)dx
2
1 1
q
2
= (x + sin(x) cos(x)) + C = x + sin(x) 1 − sin (x) + C
2 2
1 p
= arcsin(t) + t 1 − t2 + C
2
Bemerkung: Primär bezogen sich die Beispiele bezogen auf das unbestimmte Integral. Ist
ein bestimmtes Integral mit der Substitutionsmethode zu bearbeiten, so wird empfohlen,
zunächst das unbestimmte Integral zu berechnen und erst im Nachhinein die Grenzen einzu-
setzen. Dies ist weniger fehleranfällig als die anfänglich hergeleitete Formel für das bestimmte
Integral zu verwenden!
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 140
Beispiel 12.6 Am Beispiel des Flächeninhalts des halben Einheitskreises sei gezeigt, wie
man die Integralgrenzen bei der Sustitution mitschleppen kann (vgl. oben):
π π
Z 1 p Z
2
q Z
2
1 − t2 dt = 1 − sin2 (x) cos(x) dx = cos2 (x)dx
−1 − π2 − π2
π π
1 1
2 q 2
2
= (x + sin(x) cos(x)) = x + sin(x) 1 − sin (x)
2 − π2 2 − π2
1 π
π π
= + 1 · 0 − − + (−1) · 0 =
2 2 2 2
wobei ausgenutzt wurde, dass in der Substitution t = sin(x) bei t = −1 gilt x = − π2 sowie
bei t = 1 gilt x = π2 .
• die Funktion nur auf dem (halb-)offenen Intervall stetig ist und in a und/oder b gegen
±∞ strebt.
f (x)
x
0 a b b b ∞
2. Entsprechend betrachten wir eine stetige Funktion f auf (−∞, b] und setzen fest
Z b Z b
f (x)dx := lim f (x)dx ,
−∞ a→−∞ a
Das neu definierte Integral nennen wir uneigentliches Integral. – Divergiert der Limes
bestimmt gegen ∞ (oder −∞), dann schreibt man auch dies auch als Ergebnis für das unei-
gentliche Integral.
Beispiel 12.7
a) Wir
R ∞ untersuchen die Funktion f : R+ → R, f (x) = xα für festes α ∈ R und wollen
1 f (x)dx berechnen: Z ∞ Z b
xα dx = lim xα dx.
1 b→∞ 1
Es gilt also: Z ∞
α ∞ für α ≥ −1,
x dx = 1
1 − α+1 für α < −1.
Z ∞
1
b) dx = ?
−∞ 1 + x2
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 142
Man beachte, dass, wenn f sogar auf [a, b] stetig ist, das neu festgesetzte Integral mit dem
alten übereinstimmt!
a b 0 c d
x
wobei jedes Teilintegral als uneigentliches Integral berechnet wird. Das Gesamtintegral kon-
vergiert nur, wenn alle Teilintegrale konvergieren.
Ein Vergleichskriterium
Anschaulich kann das uneigentliche Integral bei unendlicher Intervallgrenze nur existieren,
wenn sich die zu integrierende Funktion zum Unendlichen hin sehr schnell der x-Achse nähert.
Was ”sehr schnell nähert” konkret heißt, kann z.B. an folgendem Vergleichskriterium ab-
gelesen werden.
Satz 12.9 Sind f auf [a, ∞) , a > 0, und g auf (0, b] , b < ∞ stetig und sind K ∈ R, dann
gilt:
1
a) Ist |f (x)| ≤ K · xα für alle a ≤ x < ∞ und ist α > 1, dann existiert
Z ∞
f (x) dx.
a
KAPITEL 12. GRUNDTECHNIKEN DER INTEGRALRECHNUNG 144
1
b) Ist |g(x)| ≤ K · xα für alle 0 < x ≤ b und ist 0 < α < 1, dann existiert
Z b
g(x) dx.
0
Die Gammafunktion
Anwendung findet dieser Satz beim Beweis der Konvergenz des folgenden uneigentlichen In-
tegrals: für beliebig vorgegebenes x > 0 existiert das uneigentliche Integral
Z ∞
e−t tx−1 dt.
0
Γ (x + 1) = x · Γ(x),
und Z ∞
Γ (1) = e−t dt = 1.
0
Deshalb gilt:
Γ (n + 1) = n! (n ∈ N) .
√
Ferner hat man: Γ( 12 ) = π.
Kapitel 13
Durch den Begriff des uneigentlichen Integrals stellt die Integration echt gebrochen rationaler
Funktionen mit ihren Polstellen keine prinzipielle Schwierigkeit dar. Allerdings reichen die
Werkzeuge partielle Integration“ und Substitution“ oft als Hilfsmittel für die konkrete Be-
” ”
rechnung solcher Integrale nicht aus. Im folgenden besprechen wir eine Methode, die immer
(wenn auch mit einigem Aufwand) zum Ziel führt.
13.1 Partialbruchzerlegung
Vorgegeben sei eine echt gebrochen rationale Funktion
p(x)
f (x) =
q(x)
(d.h. deg(q) > 0). Wir entwickeln eine Methode, mit deren Hilfe diese Funktion in eine
Linearkombination einfacher rationaler Bausteine zerlegt wird, wobei die Stammfunktion der
Bausteine jeweils mit elementaren Mitteln berechnet werden kann.
gilt. Gilt nämlich deg(p) ≥ deg(q), so wissen wir bereits, dass f in die Form
r(x)
f (x) = h(x) +
q(x)
gebracht werden kann, wobei h, r Polynome sind mit deg(r) < deg(q).
Folgerung: Soll die Funktion f integriert werden, so kann stattdessen h + qr integriert
werden, wobei eine Stammfunktion von h leicht angegeben und nur noch eine solche
von qr berechnet werden muss .
x2
R
Beispiel 13.1 Gesucht sei x−1 dx.
145
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 146
x2 = x − 1
Polynomdivision: x+1 +1
− x2 + x
x
−x+1
1
x2 1
⇒ =x+1+
x−1 x−1
x2
Z Z Z
1 1
⇒ dx = (x + 1) dx + dx = x2 + x + ln |x − 1| + C.
x−1 x−1 2
2. Es sei nun deg(p) < deg(q) vorausgesetzt.
Die Idee für das zu beschreibende Verfahren ziehen wir aus dem folgenden
1
Wir wollen f (x) = x2 −1
umformen, um es leichter integrieren zu können. Es gilt offen-
sichtlich:
1 1
1= (x + 1) − (x − 1)
2 2
also auch
1
1 2 (x + 1) − 12 (x − 1) 1 1 1 1
2
= = − .
x −1 (x + 1) (x − 1) 2x−1 2x+1
In dieser Form ist eine Stammfunktion für f leicht ermittelt:
Z Z
1 1 1 1 1
dx = − dx
x2 − 1 2x−1 2x+1
Z Z
1 1 1 1
= dx − dx
2 x−1 2 x+1
1 1
= ln |x − 1| − ln |x + 1| + C
2s 2
x − 1
= ln + C.
x + 1
Im Beispiel konnte das Integral deswegen berechnet werden, weil es uns gelungen war,
die zu integrierende rationale Funktion als Linearkombination einfacherer rationaler
Bausteinfunktionen umzuschreiben. Die Idee ist nun, eine Zerlegung in eine Linear-
kombination einfacherer Bausteinfunktionen auch für beliebige rationale Funktionen
f (x) = p(x)
q(x) mit deg(p) < deg(q) zu suchen. Dazu brauchen wir eine Methode, die uns
sagt, wie diese Zerlegung zu finden ist.
Wir machen für f den folgenden Ansatz
R
wobei A1 , . . . , Am ∈ freie reelle Parameter und die Funktionen fi (x) rationale Funk-
tionen. Dabei brauchen wir dann nur die Stammfunktionen der betrachteten Baustein-
funktionen fi (x) berechnen zu können.
Wie sollen die rationalen Bausteinfunktionen konkret gewählt werden? Die folgende
Prozedur gibt uns die nötigen Informationen:
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 147
Beispiel 13.3 x5 − 5x4 + 14x3 − 22x2 + 17x − 5 = (x − 1)3 (x2 − 2x + 5). Beachte:
x2 − 2x + 5 hat keine reelle Nullstelle.
(ii) Zu jedem Linearfaktor (x − λ) von q mit der Vielfachheit l betrachten wir nun l
Bausteinfunktionen (Partialbrüche)
1 1 1
, 2
, ... ,
x − λ (x − λ) (x − λ)l
und für jeden quadratischen Faktor g(x) der Vielfachheit k die 2k Bausteinfunk-
tionen (Partialbrüche)
1 x 1 x 1 x
, , 2
, 2
, ... , k
, .
g(x) g(x) g(x) g(x) g(x) g(x)k
Beispiel 13.4
a) q(x) = (x − 1)3 (x − 2)
Ansatz der Partialbruchzerlegung:
p(x) A1 A2 A3 A4
3
= + 2
+ 3
+
(x − 1) (x − 2) (x − 1) (x − 1) (x − 1) x−2
p(x) A1 A2 B1 x + C1 B2 x + C2
2 2 2
= + 2
+ + 2
(x − 1) (x + 1) x − 1 (x − 1) x2 + 1 (x + 1)2
Es gilt der
Satz 13.5 Wird die Partialbruchzerlegung wie angegeben angesetzt, dann gibt es immer reelle
Zahlenwerte für die darin enthaltenen freien Parameter, so dass die Gleichung (für alle x ∈ R
mit q(x) 6= 0) gültig ist.
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 148
Beispiel 13.6
x+1 A1 A2 A3 A4
3
= + 2
+ 3
+ .
(x − 1) (x − 2) x − 1 (x − 1) (x − 1) x−2
Dann ist
Einsetzen von
x=1 : 2 = A3 · (−1) ⇒ A3 = −2
x=2 : 3 = A4 · 1 ⇒ A4 = 3
x=0 : 1 = A1 · (−2) + A2 · 2
+A3 · (−2) + A4 · (−1)
⇒ −2A1 + 2A2 = 0 ⇒ A1 = A2
x = 3 : 4 = 4A1 + 2A2 + (−2) + 8 · 3
⇒ 4A1 + 2A2 = −18
⇒ A1 = −3
A2 = −3
Also gilt
x+1 3 3 2 3
3
=− − 2
− 3
+ .
(x − 1) (x − 2) x − 1 (x − 1) (x − 1) x−2
1 1 A1 A2
= = +
x2 −1 (x − 1)(x + 1) (x − 1) (x + 1)
1 = A1 (x + 1) + A2 (x − 1)
x0 : 1 = A1 − A2 ⇒ A1 = 21
x1 : 0 = A1 + A2 ⇒ A2 = − 12
c) Man kann Koeffizientenvergleich“ und Einsetzen von Zahlenwerten“ mischen, wie das
” ”
folgende Beispiel zeigt:
x−1 A Bx + C
2
= + 2
(x + 1)(x + 1) x+1 x +1
2
⇒ x − 1 = A(x + 1) + (Bx + C)(x + 1)
x0 : −1 = A + C ⇒ C = 0
x1 : 1 = B+C ⇒ B = 1
Ergebnis:
x−1 1 x
=− + .
(x + 1)(x2 + 1) x + 1 x2 + 1
Z Z
ax + b a ap dx
F) 2 k
dx = − 2 k−1
+ b−
(x + px + q) 2(k − 1)(x + px + q) 2 (x + px + q)k
2
4x3 + 4x2 − 7x + 5 A1 A2 Bx + C
2 2
= + 2
+ 2
(x − 1) (x + 1) x − 1 (x − 1) x +1
x=1 : 6 = 2A2 ⇒ A2 = 3
x=0 : 5 = −A1 + 3 + C ⇒ C − A1 = 2
x = −1 : 12 = −4A1 + 2 · 3 + (C − B)4
⇒ 6 = 4C − 4B − 4A1 = 4(C − A1 − B)
1
⇒ 6 = 8 − 4B ⇒ B=
2
Koeffizientenvergleich für x1 :
1
−7 = A1 + − 2C
2
1
⇒ −7 = C − 2 + − 2C
2
11 11 7
⇒ − = −C ⇒ C= ⇒ A1 =
2 2 2
Also
4x3 + 4x2 − 7x + 5 7 1 3 1 (x + 11)
= + + .
(x − 1)2 (x2 + 1) 2 x − 1 (x − 1)2 2 x2 + 1
Damit ergibt sich
4x3 + 4x2 − 7x + 5
Z Z Z Z
7 1 1 1 x + 11
2 2
= dx + 3 2
dx + dx
(x − 1) (x + 1) 2 x−1 (x − 1) 2 x2 + 1
7 1 1 1 2
= ln |x − 1| − 3 + ln x + 1 + 11 arctan(x) + c
2 x−1 2 2
7 1 1 11
= ln |x − 1| − 3 + ln x2 + 1 + arctan x + c.
2 x−1 4 2
Beispiel 13.8 Gesucht sei Z
x
dx.
(x2 + 1)2
Zunächst lösen wir die Aufgabe mit einer geschickten Substitution: Setze z = x2 + 1 ⇒ dz =
2x dx. Dann ergibt sich:
Z Z Z
x x 1 1 1 1 1 1
2 2
dx = 2
dz = 2
dz = − z −1 + c = − 2 +c
(x + 1) z 2x 2 z 2 2x +1
Alternativ lösen wir die Aufgabe mit Hilfe der soeben erarbeiteten Methode:
Eine Polynomdivision entfällt, da Zählergrad kleiner Nennergrad. Eine Partialbruchzerlegung
entfällt, da nur ein“ Faktor des Nennerpolynoms existiert. Daher kann direkt berechnet
”
werden: Z Z
x 1 dx 1 1
2 2
dx = − 2
+0 2 2
+c=− 2 +c
(x + 1) 2(x + 1) (x + 1) 2x +1
mit der oben genannten Liste von Integralen für die Partialbrüche.
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 151
Z.B. ist jede Funktionsvorschrift, die eine rationale Funktion darstellt, ein rationaler Ausdruck
(in x) und für jeden rationalen Ausdruck R(x) kann f (x) = R(x) als rationale Funktion
dargestellt werden.
Sind g(x), h(y), k(z), . . . Funktionen, so beschreibt R(g(x), h(y), k(z), . . .) einen rationalen
Ausdruck, in dem die Variablen durch die Funktionen ersetzt sind.
Beispiel 13.9
x2 + y 2
R(x, y) = +1
x·y
1 1 1
R(x) = + 2+ 3
x x x
R(e3x ) = e−3x + e6x − 2
√ √ 1
R(x, 6 x + 1) = x2 (1 + 3 1 + x) − √
2
x 1+x
2
R(sin(x), cos(x)) = sin x + 2 cos(x)
ad − bc 6= 0
q
gilt. Wir setzen nun zur Substitution t := k ax+b
cx+d . Dazu benötigen wir auch die Umkehrfunk-
tion, wir müssen diese Gleichung also nach der Variablen x auflösen: Die k − te Potenz der
Gleichung liefert
tk (cx + d) = ax + b
⇒ x(ctk − a) = b − dtk .
b − dtk
x=
ctk − a
und daher
−kdtk−1 (ctk − a) − kctk−1 (b − dtk )
dx = dt
(ctk − a)2
−ktk−1 (cdtk − da + cb − cdtk )
= dt
(ctk − a)2
tk−1
= k(ad − bc) k dt.
(ct − a)2
Damit überführt unsere Substitution das zu lösende Integral in einen rationalen Ausdruck:
r !
b − dtk tk−1
Z Z Z
k ax + b
R x, dx = k(da − cb) R ,t dt = R̃ (t) dt.
cx + d ctk − a (ctk − a)2
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 153
Man beachte, dass bei dieser Substitution für x nur der Bereich −π < x < π zugelassen ist.
(Warum?)
Wir berechnen das Integral auch mit Hilfe der neuen Methode: Setze t = tan( x2 )
2 2t 1 − t2
⇒ dx = dt, sin(x) = und cos(x) = .
1 + t2 1 + t2 1 + t2
Damit gilt
Z Z Z Z
sin(x) 2t 2 2t
tan(x) dx = dx = dt = 2 dt.
cos(x) 1 − t2 1 + t2 1 − t4
KAPITEL 13. INTEGRATION RATIONALER FUNKTIONEN 154
⇒ 1 = A(1 + z) + B(1 − z)
1 1
⇒ 2A = 1 ⇒ A = und 2B = 1 ⇒ B =
2 2
1 1 1
⇒ = + .
1 − z2 2(1 − z) 2(1 + z)
Also
Z Z Z
dz dz
tan(x) dx = 2 +2
2(1 − z) 2(1 + z)
= − ln |1 − z| + ln |1 + z| + C
1 − t2
1 − z
= − ln + C = − ln
1 + t2 + C
1 + z
= − ln |cos(x)| + C .
Das Beispiel zeigt sehr schön, dass durch geschickte Substitution die zu berechnenden Integrale
manchmal sehr viel eleganter gelöst werden können. Leider klappt dies nicht immer! Die neue
Methode führt dagegen sicher zum Ziel.
√
13.3.4 Integration von R x, ax2 + bx + c
√
Der letzte Fall ist der kniffligste. Wir betrachten R(x, ax2 + bx + c). Soll dieser Ausdruck
integriert werden, so muss durch geeignete Substitutionen der Form
u = αx + β , α, β ∈ R
(die mit Hilfe einer quadratischer Ergänzung bestimmt wird, s.u.) der Ausdruck unter der
Wurzel vereinfacht werden. Dies geschieht so, dass einer der folgenden Typen rationaler Aus-
drücke entsteht, die mit folgenden Standardsubstitution berechnet werden können:
√ √ √
a) R u, u2 + 1 bzw. b) R u, u2 − 1 bzw. c) R u, 1 − u2
a) u = sinh(t) bzw. b) u = cosh(t) bzw. c) u = sin(t).
1
Substituiere dann w = x − 4 ⇒ dw = dx
Z p Z r Z p
1 1
2x2 − x dx = 2w2 − dw = √ 16w2 − 1 dw .
8 8
Substituiere erneut u = 4w ⇒ du = 4 dw
Z p Z p
2
1
⇒ 2x − x dx = √ u2 − 1 du .
8 2
Damit ist das erste Etappenziel erreicht. (Bemerke: u = 4x − 1. Die Substitution kann man
auch auf einmal durchführen.)
Substitutiere nun wie oben vorgeschlagen: u = cosh(t). Dann gilt du = sinh(t) dt, damit
Z p Z
1
2
2x − x dx = √ sinh2 (t) dt
8 2Z
1 1 t
= √ (e − e−t )2 dt
8 2 Z4
1
= √ (e2t − 2 + e−2t ) dt
32 2
1 1 2t 1
= √ e − 2t − e−2t + C
32 2 2 2
1 1
= √ (et − e−t )(et + e−t ) − √ t + C
64 2 16 2
1
= √ (sinh(t) cosh(t) − t) + C
16 2
1 p 2
= √ u − 1 · u − arcosh (u) + C
16 2
1 p 2 p
= √ u − 1 · u − ln u + u2 − 1 + C,
16 2
also gilt
Z p
1 hp p i
2x2 − x dx = √ (4x − 1)2 − 1(4x − 1) − ln 4x − 1 + (4x − 1)2 − 1 + C
16 2
1p 2 1 √ p
= 2x − x (4x − 1) − √ ln 4x − 1 + 2 2 2x2 − x + C .
8 16 2
Literaturhinweis:
Viele weitere Integrale finden Sie in Formelsammlungen. Eine umfassende
Sammlung finden Sie im sogenannten ”Bronstein”:
157
Kapitel 14
Im folgenden wollen wir weiteren Nutzen aus der Berechenbarkeit von Integralen und den
Rechenregeln der Integralrechnung ziehen.
158
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 159
folgt
Z x x Z x
f 0 (t) dt = −(x − t)f 0 (t) − (−(x − t))f 00 (t) dt
a a
Z xa
0
= (x − a)f (a) + (x − t)f 00 (t) dt.
a
Eingesetzt ergibt dies
Z x
0
f (x) − f (a) = (x − a)f (a) + (x − t)f 00 (t) dt,
a
also Z x
R1 (x) = f (x) − t1 (x) = (x − t)f 00 (t) dt.
a
Wiederum konnte der Unterschied zwischen f und der Taylorapproximation 1. Grades t1
durch ein bestimmtes Integral angegeben werden.
Nach diesem Erfolg versuchen wir es einfach nochmal mit partieller Integration. Mit
v(t) = f 00 (t), u0 (t) = x − t,
1
v 0 (t) = f 000 (t), u(t) = − (x − t)2
2
erhalten wir
Z x x Z x 1
1
(x − t)f 00 (t) dt = − (x − t)2 f 00 (t) − (− (x − t)2 )f 000 (t) dt
a 2 a 2
Z ax
1 1
= (x − a)2 f 00 (a) + (x − t)2 f 000 (t) dt,
2 2 a
damit ist
1 x
Z
R2 (x) = f (x) − t2 (x) = (x − t)2 f 000 (t) dt.
2 a
Führt man immer wieder diese gleichartigen partiellen Integrationen durch, so erhält man
schließlich das Restglied Rn (x) nach Cauchy
1 x
Z
Rn (x) = f (x) − tn (x) = (x − t)n f (n+1) (t) dt,
n! a
das den Fehler“ quantifiziert, den man bei der Annäherung von f (x) für beliebiges x ∈
”
R
durch tn (x) macht. Umgestellt erhält man die allgemeine Taylorformel:
n
X f (k) (x0 )
f (x) = tn (x) + Rn (x) = (x − x0 )k + Rn (x).
k!
k=0
und somit
1
Rn (x) = f (n+1) (ξ)(x − a)n+1 .
(n + 1)!
Diese Form des Restgliedes wird nach Lagrange benannt. Zu beachten ist, dass ξ nur eine
theoretisch existente, aber keineswegs bekannte Zwischenstelle ist.
Wieso kann also die Lagrange-Form des Restgliedes größere praktische Bedeutung haben?
Nun, mit ihrer Hilfe kann der Fehler zwischen f und tn abgeschätzt werden!
14.2 Taylorreihen
In den folgenden Beispielen wollen wir den Unterschied zwischen dem Wert f (x) einer gegebe-
nen Funktion f an einer fest vorgewählten Stelle x und dem Wert tn (x) ihrer Taylorapproxi-
mation n-ten Grades an dieser Stelle dem Betrag nach abschätzen und so beurteilen, ob dieser
Unterschied bei wachendem n gegen null strebt. D.h. wir untersuchen, ob die Annäherung der
Funktion f durch das Taylorpolynom tn an dieser Stelle x mit wachsendem n immer besser
wird.
-1
Über die Taylorformel können wir auch bemessen, ob Taylorapproximationen höherer Ord-
nung eine bessere Annäherung bringen. Bei f (x) = sin(x) ist dies der Fall, denn es gilt
1
Rn (x) = · sin(n+1) (ξ) · xn+1
(n + 1)!
1
⇒ |Rn (x)| ≤ · |x|n+1 .
(n + 1)!
Für festes |x| ≤ 1 kann dies mit n → ∞ beliebig klein gehalten werden, selbst für beliebiges
x trifft dies zu, da (für ein fest gewähltes x) |x|n+1 weniger schnell mit n gegen ∞ strebt als
(n + 1)! gegen ∞ strebt.
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 161
Insgesamt ergibt sich also durch die Taylorentwicklung bei a = 0 die Gleichheit (Taylorformel)
1 3 1 1 1
sin(x) = x − x + x5 + . . . + (−1)k+1 x2k−1 + sin(2k) (ξ)x2k
3! 5! (2k − 1)! (2k)!
N
für beliebige k ∈ , x ∈ R
und ein geeignetes ξ ∈ R
zwischen 0 und x. Dabei strebt das
Restglied für jedes x mit wachsendem n gegen 0, so dass für sin(x) eine von x abhängige
Reihenentwicklung existiert:
∞
1 3 1 1 1 X 1
sin(x) = x − x + x5 − x7 + x9 − . . . = x2k+1 .
3! 5! 7! 9! (2k + 1)!
k=0
f 0 (x) = x−1 , f 00 (x) = −x−2 , f 000 (x) = 2x−3 , ..., f (n) (x) = (−1)n−1 (n − 1)! x−n .
f (1) = 0, f 0 (1) = 1, f 00 (1) = −1, f 000 (1) = 2, ..., f (n) (1) = (−1)n−1 (n − 1)!
und somit
1 1 1
tn (x) = (x − 1) − (x − 1)2 + (x − 1)3 − . . . + (−1)n−1 (x − 1)n .
2 3 n
1
0.5
−1.5 log(x)
x−1
x−1−0.5*(x−1)**2
x−1−0.5*(x−1)**2 + ((x−1)**3)/3
−2
0 0.5 1 1.5 2 2.5
wie wir bereits wissen. Sie konvergiert nicht für x > 2, wie man beweisen kann.
Wie wir an den letzten beiden Beispielen gesehen haben, gibt es Stellen x, an denen die
Taylorpolynome tn (x) für n gegen ∞ gegen einen endlichen Wert konvergieren. Für jedes x
beschreibt der Grenzwert eine Reihe, die Taylorreihe. Wir schreiben sie
∞
X 1 (k)
ta (x) = f (a)(x − a)k .
k!
k=0
Betrachtet man ta als Funktion von x, so spricht man auch von einer Potenzreihe.
2. Es gibt Taylorreihen, die konvergieren zwar an gewissen Stellen x, aber nicht gegen den
Wert f (x).
R
Beispiel 14.3 Ein Beispiel dafür, dass die Taylorentwicklung für alle x ∈ konvergiert
und dennoch nur am Entwicklungspunkt mit der zu entwickelnden Funktion überein-
stimmt, ist y
(
− 12 1
f (x) = e x , x 6
= 0
0, x=0 x
-2 -1 1 2
Also konvergiert die Taylorreihe für alle x ∈ R gegen null. Sie stimmt aber nur für x = 0
mit der gegebenen Funktion f überein.
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 163
Restgliedabschätzung
Mit dem nächsten Beispiel erläutern wir die Technik der Restgliedabschätzung. Dabei soll ge-
zeigt werden, dass bei unterschiedlich großem Rechenaufwand durchaus unterschiedlich schar-
fe Abschätzungen erreicht werden können.
die in der Statistik eine wichtige Rolle spielt (bei der Normalverteilung). Da das Integral
elementar nicht berechenbar ist, ist die Taylorentwicklung eine hilfreiche Alternative, die
Funktion zumindest näherungsweise zu berechnen. Die Taylorformel gibt dabei Auskunft über
die Güte der Annäherung. Wir nehmen als Entwicklungspunkt wieder die Stelle a = 0. Dann
gilt: Z x Z 0
2 2
f (x) = e−t dt und f (0) = e−t dt = 0
0 2
0
f 0 (x) = e−x und f 0 (0) = 1
2
f 00 (x) = −2x · e−x und f 00 (0) = 0
2
f 000 (x) = −2 · e−x · (1 − 2x2 ) und f 000 (0) = −2
2
f (4) (x) = −2 · e−x · (4x3 − 6x) und f (4) (0) = 0 usw.
Man erhält:
2 3
tn (x) = 0 + 1x + 0 − x + 0 + ...
3!
n
X x2k+1
= (−1)k
k!(2k + 1)
k=0
scharf) abschätzen:
1 2
|R3 (x)| = e−ξ (2ξ 3 − 3ξ)x4 .
6
a) Für die erste Abschätzung benutzen wir die Dreiecksungleichung:
1 −ξ2 3
e 2ξ − 3ξ x4
|R3 (x)| =
6
1 1
≤ · 1 · 2 |ξ|3 + 3 |ξ| ·
6 16
1 1 1 1
≤ · 2· +3· ·
6 8 2 16
1 7 1
= · ·
6 4 16
7
= .
384
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 164
1 −ξ2 2
e |ξ| 2ξ − 3 x4
|R3 (x)| =
6
1 1 1
≤ ·1· ·3·
6 2 16
6
≤ .
384
Damit ist
1 −ξ2
e 2 · ξ 3 − 3 · ξ x4
R3 (x) =
6
1 5 1 5
≤ ·1· · = .
6 4 16 384
2
d) Zuletzt führen wir eine Kurvendiskussion für h(ξ) = e−ξ (2ξ 3 − 3ξ) durch:
2 2
h0 (ξ) = (−2ξ) e−ξ 2ξ 3 − 3ξ + e−ξ 6ξ 2 − 3
2
= e−ξ −4ξ 4 + 6ξ 2 + 6ξ 2 − 3 .
Es gilt
4ξ 4 − 12ξ 2 + 3 = 0 ⇐⇒
3
ξ 4 − 3ξ 2 + = 0 ⇐⇒
4 r √
3 9 3 3± 6
ξ2 = ± − =
2 4 4 2
und somit ξ1 = ±0.52465, ξ2 = ±1.6507, d.h. zwischen − 12 und 1 0
0
21 hat h ein eindeutiges
Vorzeichen. Wegen h (0) = −3 liegt das Minimum von h auf − 2 , 2 bei ξ = 21 , wobei
1
− 14 1 1 5 1
1
= − exp− 4 = −0.9735.
h 2 = exp 2· −3
8 2 4
Das Maximum von h auf − 2 , 2 liegt bei ξ = − 12 mit h(− 12 ) = 0.9735. Damit gilt nun
1 1
1 1 4
|R3 (x)| ≤ · 0.9735 · ≤
6 16 384
Wir haben gesehen, dass das Restglied Rn (x) recht unterschiedlich abgeschätzt werden kann.
In der Regel ergibt die Benutzung der Dreiecksungleichung eine grobe, die einer Kurvendis-
kussion eine bessere Abschätzung.
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 165
Beachten wir, dass y eine von x abhängige gesuchte Funktion ist, dann gilt:
h(x)
y0 = ⇐⇒ f (y(x)) · y 0 (x) = h (x) ,
f (y)
also Z Z
0
f (y(x)) · y (x) dx = h(x) dx
F (y) = H(x) + C.
Kann diese Gleichung nach y aufgelöst werden, so hat man eine Lösung der gegebenen Diffe-
rentialgleichung gefunden.
Man beachte, dass die so erhaltene Lösungsfunktion y vom Parameter C abhängt, also nicht
eindeutig bestimmt ist. Will man Eindeutigkeit, so muss die gegebene Dgl (1. Ordnung) noch
mit einer Anfangsbedingung (Nebenbedingung) versehen werden, die die gesuchte Funk-
tion an einer frei gewählten Stelle festlegt. Diese Vorgehensweise entspricht dem praktischen
Anwendungsfall, in dem oft zur Dgl noch eine technische Bedingung hinzukommt.
Wir demonstrieren dies an mehreren Beispielen:
für y > 0 aufgrund der Anfangsbedingung y(0) = 1 > 0, der Forderung y 6= 0 und der
Stetigkeit von y. Es ist F (y) = − y1 eine Stammfunktion von f (y) = y12 und H(x) = x eine
Stammfunktion von h(x) = 1, womit wir
1
− =x+C
y
1
erhalten. Die Gleichung nach y aufgelöst, ergibt: y = −x−C . Setzen wir nun die Anfangs-
1
bedingung ein, so ergibt sich aus y(0) = −0−C = 1, dass C = −1 ist. Das Ergebnis lautet
schließlich (für x < 1 wegen der Bedingung y > 0):
1
y(x) = für x ∈ (−∞, 1) .
1−x
Man prüft leicht nach, dass diese Funktion die gestellten Bedingungen erfüllt.
5
1/(−x−1)
1/(−x)
Die nebenstehende Skizze zeigt 4 1/(−x+1)
1/(−x+2)
die Lösung y(x) der Anfangs- 3
wertaufgabe (schwarze Linie)
2
zusammen mit anderen Funk-
tionen aus der Lösungsschar der 1
Differentialgleichung. 0
−1
−2
−3
−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4
Bemerkung Oft werden bei der Lösung von Differentialgleichungen mit Nebenbedingungen
einschränkende Annahmen gemacht (um z.B. nicht durch Null teilen zu müssen). Erhält man
dadurch eine Lösung, die sowohl die Differentialgleichung als auch die Nebenbedingung erfüllt,
so ist dies in Ordnung.
1 1 + y2 1
y0 = · =: h (x) ·
x y f (y)
−3 −sqrt(0.5*x*x−1)
−sqrt(x*x−1)
−sqrt(2*x*x−1)
−sqrt(3*x*x−1)
−sqrt(4*x*x−1)
−4
−3.5 −3 −2.5 −2 −1.5 −1 −0.5 0 0.5
Beispiel 14.7 Manchmal kann eine Differentialgleichung, die nicht trennbar ist, durch eine
Variablentransformation in eine trennbare umgewandelt werden. Betrachten wir etwa die
Differentialgleichung
y
y 0 = 1 − , mit der AB y(1) = 0
x
für x > 0 (siehe Nebenbedingung) und transformieren v(x) := y(x)x . Es gilt dann xv = y und
d d 0 0 0
somit dx (xv) = dx y, also v + xv = y . Wegen y = 1 − v folgt (für x 6= 0)
1 − 2v
v + xv 0 = 1 − v ⇒ v0 = .
x
Diese trennbare Ersatz Dgl für die unbekannte Funktion v = v (x) lösen wir wie oben:
Z Z
1 1
dv = dx,
1 − 2v x
wobei gemäß Nebenbedingung 1 − 2v > 0 angenommen wird. Mit der Substitution z = 1 − 2v
erhalten wir dz = −2dv, also
Z Z
1 1 1 1
− dz = dx ⇒ − ln(z) = ln(x) + C1 .
2 z x 2
1
Mit C2 = eC1 > 0 folgt z − 2 = C2 x und einsetzen liefert
1 y
1 − 2v = z = Cx−2 ⇒ v= 1 − Cx−2 = ,
2 x
wobei C = C2−2 gesetzt wurde. Damit gilt
1
x − Cx−1 ,
y(x) = x > 0.
2
KAPITEL 14. ANWENDUNGEN DER INTEGRALRECHNUNG 168
Einsetzen der Nebenbedingung ergibt offensichtlich C = 1. Somit ergibt sich als Endergebnis
1
x − x−1
y(x) = für alle x ∈ (0, ∞) .
2
Um das Ergebnis zu verifizieren, machen wir die Probe:
1
y0 = 1 + x−2
2
und
x − x−1
1
y 2
1− = 1−
x x
1
1 − x−2
= 1−
2
1 1 −2
= + x
2 2
1
1 + x−2 .
=
2
Damit ist die Dgl erfüllt. Da y(1) = 12 (1 − 1−1 ) = 0, ist auch die Anfangsbedingung erfüllt.
Differentialgleichung.
−2
(x−4/x)/2
−3 (x−2/x)/2
(x−1/x)/2
(x−0.5/x)/2
(x−0.25/x)/2
−4
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3