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AUFZEICHNUNG STARTEN

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 1


VO Klinische Psychologie (200019, 2022W)
Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und
abhängigen Verhaltensweisen
PD Dr Dr Ricarda Nater-Mewes & PD Dr Jennifer Randerath

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1. Dienstag 04.10: Was ist Klinische Psychologie? RNM
2. Dienstag 11.10: Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen JR
3. Dienstag 18.10: Epidemiologische Beiträge zur KP RNM
4. Dienstag 25.10: Kennen Sie die Grundlagen für diese VO? – Quiz mit den Online verfügbaren
Karteikarten: https://lehrbuch-psychologie-springer-com.uaccess.univie.ac.at/karteikarten/5648/1
5. Dienstag 08.11: Überblick Therapieverfahren JR
6. Dienstag 15.11: Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen
Verhaltensweisen JR
7. Dienstag 22.11: Affektive Störungen RNM
8. Dienstag 29.11: Somatoforme Störungen und stressabhängige körperliche Beschwerden RNM
9. Dienstag 06.12: Angststörungen I JR
10. Dienstag 13.12: Angststörungen I JR
11. Dienstag 10.01: Posttraumatische Belastungsstörung; Zwangsstörung RNM
12. Dienstag 17.01: Psychotische Störungen und Schizophrenie JR
13. Dienstag 24.01: Persönlichkeitsstörungen RNM
14. Dienstag 31.01: 1. Prüfungstermin

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https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=200019&semester=2022W
Literatur
Hoyer & Knappe. Klinische Psychologie & Psychotherapie (Auflage 3). 2020, Springer.
• Teil 1 Grundlagen (v.a. Kapitel 4)
• Teil 2 Panik und Agoraphobie (v.a. Kapitel 47, S. 1073-1094)

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Übersicht und Lernziele Teil 1
Grundlagen
• Sie verstehen die grundlegenden Lernmechanismen der Angst

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Fallbeispiel, Martin, 38 Jahre, Panikstörung
Hoyer & Knappe. Klinische Psychologie & Psychotherapie (Auflage 3). 2020, Springer.
• Zum Nachlesen: S. 1074

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Lernpsychologische Grundlagen

Klassische Konditionierung Operante Konditionierung


Betrachtet stärker die fokussiert vor allem auf die
Entstehungsbedingungen des Konsequenzen von Verhalten
Verhaltens

Es geht um die Assoziation von zwei Es geht um die Assoziation von


Reizen Handlung und Konsequenz

Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Lernpsychologische Grundlagen, KK

US UR NS

CS CR

NS US
https://de.wikipedia.org/wiki/Pawlowscher_Hund#/media/Datei:Pavlov's_dog.svg
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Lernpsychologische Grundlagen, KK
• Reiz -> Reaktion

UCS Zitrone im Mund → UCR vermehrte


Speichelproduktion
(um die Säure zu puffern, z.B. parotis Speicheldrüse
unterhalb des Ohres wird hauptsächlich kontrolliert
durch parasympathische Impulse, die vom Nucleus
salivatorius im Hirnstamm ausgehen)

Kopplung/Konditionierung:
Anblick gelber Zitrone + UCS → UCR

→ CS Anblick gelber Zitrone → CR Speichelproduktion

➢ Der Körper reagiert bereits auf den visuell


verarbeiteten Reiz.
https://piqs.de/schnelluebersicht/search/Zitrone/

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Konsequenzen des Verhaltens bei der operanten
Konditionierung
Operante Konditionierung ist das Mittel der Wahl, um neues Verhalten zu erwerben,
es zu trainieren, und es in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen optimal
einzusetzen. Allerdings kann nur Verhalten verstärkt werden, das auch auftritt.

Tab. 4.1

Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Abb. 4.7 Der Effekt von kurzfristigen versus langfristigen Konsequenzen. (CALVIN AND HOBBES © 1993
Watterson. Reprinted with permission of ANDREWS MCMEEL SYNDICATION. All rights reserved.)
Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Lernpsychologische Grundlagen: Angst erlernen
• Klassisches Konditionieren

z.B. Angstreaktionen lernen John B. Watson (1878- 1958)

Ausgangssituation Konditionierung Reiz-Generalisierung

Neutraler Reiz Konditionierter Reiz Konditionierter Reiz


(Maus mit weissem Fell) (Maus mit weissem Fell) (Männer mit Bart)

Unkonditionierter Reiz/ Stimulus


(lauter Knall)

Unkonditionierte Reaktion Konditionierte Reaktion Konditionierte Reaktion


(Schreck / Weinen) (Schreck / Weinen) (Schreck / Weinen)

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Lernpsychologische Grundlagen: Angstreaktionen verlernen
• Klassisches Konditionieren Ziel der Gegenkonditionierung: eine
bestehende Reiz-Reaktions-Verbindung durch
eine andere (bessere) zu ersetzen.

z.B. Angstreaktionen verlernen Mary Jones (1974)


Ausgangssituation Gegen-
Generalisierung
Konditionierung
Konditionierter Reiz Konditionierter Reiz Reiz
(Hase) (Hase) (andere Tiere)

Unkonditionierter Reiz/ Stimulus


(Lieblingsspeise)
Konditionierte Reaktion
Unkonditionierte Reaktion (Kein Schreck / Kein Konditionierte Reaktion
(Speise geniessen) Weinen, angenehme (Kein Schreck /
Empfindung) Kein Weinen)

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Frühe positive Lernerfahrungen können vor späteren
Ängsten schützen

Abb. 4.4 : Zwei mit ihrem Hund spielende Kinder. (© Eni Becker)

Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Lernpsychologische Grundlagen
Shaping, Chaining, Habituation, Extinktion

◦ Shaping bedeutet, dass schrittweise Annäherungen an ein Ziel verstärkt


werden (z.B. Tokens geben/Loben immer dann, wenn das Vh in die richtige
Richtung geht)
◦ Beim Chaining wird gelernt, einzelne, schon existierende Verhaltensweisen zu
einer neuen Kette von Handlungen zu verbinden (z.B. beim Kind das Anziehen
schrittweise üben, dann immer mehr allein)
◦ Habituation bezeichnet die Abnahme der Reaktionswahrscheinlichkeit und -
stärke nach wiederholter Darbietung eines Stimulus, der zunächst eine
Reaktion auslöst.
◦ Löschung/Extinktion bedeutet, dass ein Verhalten immer seltener oder gar
nicht mehr gezeigt wird, sobald es nicht mehr verstärkt wird (bei zuvor
intermittierenden Verstärkung schwieriger)
Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Lernpsychologische Grundlagen
Exposition Löschungsprozess einer
• Zwei Erklärungsansätze für Extinktionslernen
erlernten Konditionierung
-> aktuelle Überlegungen: potentiell parallel
Ableitungen:
Veränderung
der Spike-
A Frequenz über
Lernzeit: Für
Oder ➔ Schwächung oder gar Verschwinden die drei
Habituation der alten CS-US Verbindung vorhergesagten
Lernmodulatio
➔ Alte Ver-
nen konnten
bindung bleibt
B einzelne
Zelltypen
identifiziert
Neue Assoziation parallel ➔ Neulernen
werden
zur alten einer Hemmung
Neuroforum, Volume 24: Issue 2
V: Assoziationsstärke Sonderforschungsbereich (SFB 1280) „Extinktionslernen“
Spikefrequenz ~ Feuerfrequenz Sprecher: Onur Güntürkün & Dagmar Timmann-Braun, 2017 (12-Jahres-Plan)
https://www.degruyter.com/view/journals/nf/24/2/article-p129.xml
Siehe auch Hoyer & Knappe, Kap. 4
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Lernpsychologische Grundlagen
Extinktion
→ Expositionsbehandlung bei Angst eine der best belegtesten Therapien mit stabilen
und lang anhaltenden Effekten

Wichtige Faktoren bei Konfrontation:


• Zeitraum zwischen verschiedenen Expositionen: je länger der zeitliche Abstand ist,
desto wahrscheinlicher wird die urpsrüngliche Bedeutung reaktiviert, es kommt zur
sogenannten → Spontanerholung der Angstassoziation
• Breite des Kontextes: wenn in nur wenigen Kontexten mit wenig Variation (z.B. bei
Spinnenphobie mit nur 1 Spinne im Therapieraum), dann wird in anderen Kontexten
die alte Assoziation wahrscheinlicher wieder reaktiviert (z.B. Spinne zu Hause im
Keller)
➔ Die katastrophalen Erwartungen, die auf der ursprünglichen Angstassoziation
beruhen, müssen möglichst klar widerlegt werden.
Hoyer & Knappe, Kap. 4

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Lernpsychologische Grundlagen
JEDOCH: ➢ Verlernen/ Extinktion NICHT IN JEDEM EINZELFALL so einfach!
• Beispiel: Ein Kurierdienstfahrer sitzt in seinem Auto an einer roten Ampel und schaut in
den Rückspiegel. In dem Moment sieht er, wie ein roter Laster ziemlich schnell auf ihn
zufährt. Er versucht noch zu reagieren, aber es ist zu spat und es knallt. Von den
physischen Folgen des Unfalls ist er wieder genesen, aber nun hat er beim Autofahren
Angst, sobald der einen roten LKW sieht. Dann rast sein Herz. Sogar wenn er nicht am
Straßenverkehr teilnimmt, meidet er rote LKWs, schaltet sogar das Fernsehprogramm um,
sobald er dort mit einem roten Laster konfrontiert ist. Mit einer Konfrontationstherapie
bekommt der Psychotherapeut gemeinsam mit dem Patienten die Angst vor roten LKWs
wieder in den Griff. Allerdings sieht es so aus, als ob die Therapie nur Teile des
Geschehens verändern konnte. Die Angst kommt nun in neuen Situationen immer wieder
hoch.
• Überlegungen dazu: Während beim Erstlernen der Kontext kaum abgespeichert wird (Ort
des Unfalls, Wetter beim Unfall, etc.), wird beim Extinktionslernen der Kontext mitgelernt
In Anlehnung an: https://www.degruyter.com/view/journals/nf/24/2/article-p129.xml

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Neuropsychologische Grundlagen
Besondere Rolle
Besondere Rolle frontaler Strukturen eines Netzwerks,
(“Kontrollstation”) das Reiz-
Diskriminierung
unterstützt.
Annahme:
temporäre
Aktivierung des
Sympathischen
Nervensystems

functional connectivity changes in the Default Mode Network related to trait anxiety (left of
figure) and state anxiety (right of figure) https://www.nature.com/articles/s41598-020-68008-z

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Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz
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An- Ent-
spannung spannung

Hoyer & Knappe, Kap. 7


VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Abb. 7.5 Autonomes Nervensystem mit Zielorganen von Seite 21
Sympathikus und Parasympathikus. (Aus Ehlert 2003)
Angst
• Evolutionär sinnvolle Stressreaktion.
➢ als Warnimpulsgeber und Steuerungsinstrument des Verhaltens bei Gefahr stellt die
beherrschte nicht krankhafte Angst eine unverzichtbare Grundausstattung im Rahmen
des funktionierenden Selbsterhaltungstriebs dar

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Biopsychologische Grundlagen Angst-Stadium

Schauer & Elbert erklären


Dissoziation als weiteren
Schritt in einer Angstkaskade

The freeze-flight-fight-fright-flag-faint defense cascade (Reproduced with permission from Zeitschrift fuerPsychologie/Journal of Psychology, Vol.
218(2):109–127, #2010 Hogrefe Publishing www.hogrefe.com DOI:10.1027/0044-3409/a000018 (20) (PDF) Dissociation, Dissociative Disorders,
and PTSD. Available from: https://www.researchgate.net/publication/303747900_Dissociation_Dissociative_Disorders_and_PTSD

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Neuropsychologische Grundlagen
Bedrohliche Reize
führen häufig zu
subjektiver Angst via
Schaltkreise höherer
Ordnung und lösen
parallel über den
defensiven
Überlebenskreislauf
Verhalten und
Blockade körperlich physiologische
physiolog. Reaktion Reaktionen aus.
bewirkt Trennung von Fight/flight
VH oder bewusster
Wahrnehmung Blockade körperlich behavioraler Reaktion
(Dissoziation) bewirkt Trennung von Konditioniertem
oder vorhergesagten Handlungen oder
bewusster Wahrnehmung (Dissoziation)
https://www.nature.com/articles/s41380-021-01395-5
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 24
Neuropsychologie der Angst
• bislang speziell für Patienten mit Panikstörung: Verzerrung in der
Informationsverarbeitung zugunsten bedrohlichen Materials im Sinne einer
verstärkten Aufmerksamkeitsfokussierung auf bzw. einer erhöhten Ablenkbarkeit
durch sowie einer intensivierten Enkodierung von solchem Material
• Dysfunktionen im Amygdala-Hippokampus-Komplex mit Auswirkungen auf die
Gedächtnisbildung und Informationsverarbeitung bei bedrohlichem Material ->
Veränderungen in der Amygdala neben Alterationen in der Insula (Damsa et al. 2008).

➢ Die gängige Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen problematisch:


diese Medikamentengruppe beeinträchtigt offenbar auch v.a. das explizite Gedächtnis.

Stefan Lautenbacher. Neuropsychologie psychischer Störungen (German Edition) (S.196). Springer.

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Epidemiologische
Befunde

Abb. 3.10 Psychische Störungen nach Prävalenz (und in Klammern die geschätzte Anzahl betroffener Personen in Europa, in
Millionen; Wittchen et al. 2011, © 2011, with permission from Elsevier). Trotz höherer Prävalenz kann die Anzahl
betroffener Personen in einzelnen Fällen geringer ausfallen als bei Störungen mit geringerer Prävalenz, weil sich die
Schätzungen bei den einzelnen Störungen auf unterschiedliche Altersgruppen beziehen können

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Überblick: Panikstörung & Agoraphobie
Panikstörung und Agoraphobie sind häufige und chronische Störungen
Meist werden vor der angemessenen Behandlung mehrere Ärzte
aufgesucht (manchmal auch die Notaufnahme)
Durchschnittlich dauert es 7-8 Jahre bis zur Diagnose

Kognitive Verhaltenstherapie, insbesondere die In-vivo


Expositionsbehandlung ist Methode der Wahl
Bei komorbider Panikstörung und Agoraphobie ist die kognitive
Verhaltenstherapie und die Kombinationstherapie (KVT+Medikamente)
Methode der Wahl
Hoyer & Knappe, Kap. 47
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 27
Epidemiologie und Verlauf: Panikstörung
◦ „Zu beachten ist, dass bei Frauen mehrheitlich ein früherer Beginn der Panikstörung
zumeist mit Erstmanifestation in den ersten drei Lebensdekaden liegt,
◦ bei Männern findet sich eine zweigipflige Ersterkrankungskurve: Der erste Gipfel
ähnelt dem Muster bei Frauen, jedoch findet sich nach dem 40. Lebensjahr bei
Männern eine zweite Ersterkrankungshäufung.“
◦ „Patienten mit Panikstörung leiden häufig unter sozialen, beruflichen und
physischen Einschränkungen, zudem berichten Betroffene häufig von einem
schlechteren physischen Gesundheitszustand (Goodwin et al. 2005).
◦ Im Vergleich mit anderen psychischen Störungen greifen Panikpatienten am
häufigsten auf Notfalleinrichtungen zurück, da sie die Symptome der Panikattacken
oft einer ernsthaften körperlichen Erkrankung (z. B. Herzinfarkt o. Ä.) zuordnen
(Weissman 1991).“

Hoyer & Knappe, Kap. 47

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Epidemiologie und Verlauf: Agoraphobie
➢12 Monats Prävalenz von 2%, Lebenszeitprävalenz 4%
➢Frauen > Männer
➢Störungsbeginn etwas später als bei Panikstörung

➢Chronischer ungünstiger Verlauf bei beiden Störungen, Spontanremission nur bei


ca. 14% nach 7 Jahren

Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 29


Übersicht und Lernziele Teil 2
A. Panik und Agoraphobie
1. Wie werden Panikstörungen und Agoraphobie heute klassifiziert?
2. Welche Erklärungsmodelle gibt es, und was sind Risikofaktoren?
3. Wie werden die Störungen diagnostiziert?
4. Welche Behandlungsansätze gibt es?

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Störungsbild und Klassifikation
Vom DSM-IV-TR zum DSM-5 wurden die Kriterien für Panikattacken und die Panikstörung
weitgehend unverändert gelassen.
◦ Bei der Panikattacke wurde die Beschreibung der Dauer, bis die Angstsymptome ihren
Höhepunkt erreichen, von „innerhalb von 10 Minuten“ in „innerhalb von Minuten“
geändert.
◦ Des Weiteren sollen kulturspezifische Symptome während eines Panikanfalls beachtet
werden, welche aber nicht in die Anzahl erforderlicher Symptome mitgezählt werden.
◦ Panikattacken können nun als Zusatzcodierung für alle DSM-5-Störungen vermerkt werden.
◦ Geändert wurden die Kriterien für die Agoraphobie (s. unten) und dass die Panikstörung
und die Agoraphobie voneinander unabhängige Diagnosen sind. Die unabhängige
Betrachtung der Störungsbilder wird auch durch eine Analyse von Komorbiditätsmustern
unterstützt, die konzeptionell
die Agoraphobie eher den Phobien und
die Panikstörung eher der Gruppe mit den depressiven Störungen und der generalisierten
Angststörung zuordnet (Greene und Eaton 2016).

Hoyer & Knappe, Kap. 47

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Störungsbild und Klassifikation
DSM V (Zusammenfassung) → Ausführliche Darstellung in Hoyer & Knappe, S. 1076 /1077
Panikstörung: Wiederholte unerwartete Panikattacken,
bei mindestens einer der Attacken folgte ein Monat (oder länger) mindestens eines
der folgenden Symptome:
1. anhaltende Besorgnis oder Sorgen über das Auftreten weiterer Panikattacken oder ihre
Konsequenzen
2. eine deutlich fehlangepasste Verhaltensänderung infolge der Attacken

Agoraphobie: Ausgeprägte Furcht oder Angst vor mindestens zwei der folgenden
Situationen:
1. Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel
2. auf offenen Plätzen sein
3. in geschlossenen Öffentlichen Räumen sein
4. Schlange stehen oder in einer Menschenmenge sein
5. allein außer Haus sein
Furcht/Vermeidung dieser Situationen, weil im Falle panikartiger Symptome keine Hilfe da
sein kann
Anhaltend, typischerweise über sechs Monate oder länger

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 32


Störungsbild und
Klassifikation Panikattacke

https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klas
sifikationen/ICD/ICD-11/_node.html

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Parästhesien: Missempfindungen (z.B. Taubheit,
Kribbeln)
Derealisation: zeitweilige oder dauerhafte abnorme
oder verfremdete Wahrnehmung der Umwelt
Störungsbild und Klassifikation Depersonalisation: Zustand der Selbstentfremdung,
mit Verlust oder einer Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsbewusstseins

ICD-11
Einzelne Panikattacken unter der Codierung ICD-11 MB23.H:
Eine diskrete Periode intensiver Angst oder Befürchtungen, die mit dem schnellen
und gleichzeitigen Auftreten einer Reihe charakteristischer Symptome einhergeht.
Zu diesen Symptomen gehören u.a.
Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen, Zittern, das Gefühl von
somatisch
Atemnot, Erstickungsgefühle, Schmerzen in der Brust, Übelkeit oder
Bauchschmerzen, Schwindelgefühle oder Benommenheit, Schüttelfrost oder
Hitzewallungen, Kribbeln oder fehlendes Gefühl in den Extremitäten (d.h.
Parästhesien),
Depersonalisierung oder Derealisierung, Angst, die Kontrolle zu verlieren oder
kognitiv
verrückt zu werden, und Angst vor dem bevorstehenden Tod.
Panikattacken können aus heiterem Himmel auftreten oder durch bestimmte
Situationen ausgelöst werden.
Hoyer & Knappe, Kap. 47

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Symptome
Panikattacke

Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 35


Störungsbild und
Klassifikation Panikstörung

https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klas
sifikationen/ICD/ICD-11/_node.html

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 36


Störungsbild und Klassifikation
ICD-11
Panikstörung / rezidivierende Panikattacken unter der Codierung ICD-11 6B01:
Die Panikstörung ist durch wiederkehrende unerwartete Panikattacken gekennzeichnet,
die nicht auf bestimmte Reize oder Situationen beschränkt sind.
Panikattacken sind diskrete Episoden intensiver Angst oder Befürchtungen, die mit dem
raschen und gleichzeitigen Auftreten mehrerer charakteristischer Symptome einhergehen
(z. B. Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, Zittern, Kurzatmigkeit,
Schmerzen in der Brust, Schwindel oder Benommenheit, Schüttelfrost, Hitzewallungen,
Angst vor dem bevorstehenden Tod).
➢Darüber hinaus ist die Panikstörung durch anhaltende Besorgnis über das
Wiederauftreten oder die Bedeutung von Panikattacken oder durch Verhaltensweisen
gekennzeichnet, die darauf abzielen, ihr Wiederauftreten zu vermeiden, und die zu
einer erheblichen Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen,
beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führen.
➢Die Symptome sind nicht Ausdruck einer anderen Erkrankung und sind nicht auf die
Wirkung einer Substanz oder einer Medikation auf das zentrale Nervensystem
zurückzuführen.
Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 37


Störungsbild und Klassifikation
Ein Geschäftsführer (48 Jahre) einer mittelgroßen, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Firma,
der nach einer Phase starker beruflicher Belastung, verbunden mit wenig Schlaf, an seinem freien
Wochenende von einer stark beängstigenden Panikattacke überrascht wurde, berichtet: Er habe am
Samstagvormittag in aller Ruhe die Wochenendausgabe der Tageszeitung gelesen. Dabei habe er in recht
krummer Haltung am Boden gesessen, manchmal gekniet, ja sogar halb gelegen, da die Zeitung so
unhandlich groß gewesen sei und er vor allem auch die ihn interessierenden Stellenangebote genau
studieren wollte. Er habe sich nach der unerfreulichen zurückliegenden Woche entschieden, eine neue
Stelle zu suchen, was in seinem Alter nicht mehr ganz so einfach sei. Er sei schon über Stunden wach
gewesen und habe sich, ohne etwas zu essen, davor und während des Lesens mehrere (starke, schwarze)
Tassen Kaffee gegönnt. Wie aus dem Nichts habe plötzlich das Herzrasen begonnen, seine Brust wurde
eng und der linke Arm, auf dem er sich gerade aufstützte, wurde kribblig und taub. Auch seine Beine
hätten sich so angefühlt. Er knickte ein, konnte jedoch seine Frau um Hilfe rufen. Für ihn sei sofort klar
gewesen, jetzt bekomme er einen Herzinfarkt und sein letztes Stündlein habe geschlagen. Die Notärztin
versicherte ihm, dass an seinem Herzen alles in Ordnung sei und es keinen Grund zur Panik gebe.

Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 38


Störungsbild und Klassifikation
→ Organische Faktoren mitdenken
z.B. Koffeinkonsum kann angstassoziierte körperliche Symptome auslösen, indem er zu
einer gesteigerten Reaktion des sympathischen Nervensystems führt.

Zu den körperlichen Erkrankungen bzw. medizinischen Krankheitsfaktoren, die direkt oder


indirekt über eine als gefährlich wahrgenommene Situation Panikattacken auslösen können,
zählen Schilddrüsenüberfunktion, Unterzuckerung,
Aber auch Erkrankungen wie das Phäochromozytom (ein katecholamin-produzierender
Tumor), Temporallappenepilepsie, paroxysmale Tachykardie (schnelle Herzfrequenz beginnt
und endet meist plötzlich) sowie das Menière-Syndrom (Innenohr-Problem)

Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 39


Störungsbild und
Klassifikation Agoraphobie

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 40


Störungsbild und Klassifikation
ICD-11
Agoraphobie ist gekennzeichnet durch ausgeprägte und übermäßige Angst oder
Beklemmung, die als Reaktion auf zahlreiche Situationen auftritt, in denen die Flucht
schwierig sein könnte oder keine Hilfe verfügbar ist, wie z. B. bei der Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel, in Menschenmengen, wenn man sich allein außerhalb des
Hauses aufhält (z. B. in Geschäften, Theatern, beim Anstehen). Der Betroffene hat ständig
Angst vor diesen Situationen, weil er bestimmte negative Folgen befürchtet (z. B.
Panikattacken, andere untaugliche oder peinliche körperliche Symptome).
Die Situationen werden aktiv vermieden, nur unter bestimmten Umständen, z. B. in
Anwesenheit einer vertrauten Person, aufgesucht oder mit intensiver Furcht oder Angst
ertragen.
Die Symptome halten mindestens mehrere Monate lang an und sind so schwerwiegend,
dass sie zu erheblichem Leidensdruck oder erheblichen Beeinträchtigungen in
persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen
Funktionsbereichen führen.

Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 41


Typische Denkfehler bei Panikstörung und Agoraphobie
• Ich mache mich zum Gespött der Leute.
• Alle halten mich für einen Säufer.
• Ich bekomme einen Herzinfarkt.
• Ich habe einen Hirntumor.
• Ich bekomme einen Schlaganfall.
• Ich ersticke.
• Ich verliere die Kontrolle.
• Die Angst bringt mich um.
• Ich werde verrückt.
• Ich halte das nicht aus.
• Meine Adern platzen und ich verblute innerlich.
• Jetzt mache ich mir gleich in die Hose.
• Ich werde nie wieder gesund.
Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 42


Übersicht und Lernziele
A. Panik und Agoraphobie
1. Wie werden Panikstörungen und Agoraphobie heute klassifiziert?
2. Welche Erklärungsmodelle gibt es, und was sind Risikofaktoren?
3. Wie werden die Störungen diagnostiziert?
4. Welche Behandlungsansätze gibt es?

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 43


Mowrer & Mowrer (1960): Die Zwei-Faktoren-Theorie der Angst.
Klassische Konditionierung und Vermeidung (operant)
Situation im Bus

Entstehung

UCS=unkonditionierter Stimulus, UCR=unkonditionierte Reaktion,


CS=konditionierter Stimulus, CR=konditionierte Reaktion,

Aufrechterhaltende
Faktoren

SD=diskriminierender Stimulus/angstauslösende Situation, Abb. 2.4 Aus: Zwick J. & Hautzinger M.


R=Reaktion, K -=Wegfallen einer neg. Konsequenz (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz
Siehe auch Hoyer & Knappe,
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Kap. 4 / 47 / 50 Seite 44
Aufrechterhaltende Faktoren
• Vermeidung
• Sicherheitsverhalten: ähnlich wie Vermeidung, jedoch Situation wird nicht gänzlich
vermieden, sondern nur unter Bestimmten Bedingungen ausgehalten, die ein
Sicherheitsgefühl vermitteln bzw. bei Einsatz von beruhigenden Kognitionen /
Ablenkung

➢Kurzfristig: Reduktion der Angst


➢Langfristig: Festigung des Problemverhaltens. Durch den Spannungsabfall findet einerseits
eine implizite Bestätigung des Sicherheitsverhaltens statt, und andererseits können
dysfunktionale Gedanken (z.B. Busfahren ist lebensgefährlich) nicht widerlegt werden.

• Funktionalität: es lassen sich manchmal auch »positive Nebenwirkungen« finden.


Hierzu zählt beispielsweise die besondere Aufmerksamkeit der Angehörigen. Beispiel:
bereits erwachsene Kinder kümmern sich in übermäßigem Maße um das an
Panikstörung und Agoraphobie erkrankte Elternteil, indem sie wieder zuhause einziehen
und sich dort um alles kümmern.

45 Titel der Präsentation [Einfügen über Kopf- und Fußzeile]


Psychophysiologisches
Modell der
Panikstörung

Ehlers & Margraf, 1989

Hoyer &
Knappe,
Abb. 47.2 (Nach Margraf und Schneider 2000) Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 46


Teufelskreis der Angst

→ Gut geeignet, um die


Dynamik eines Angstanfalls zu
beschreiben und den
Aufschaukelungsprozess
zwischen katastrophisierenden
Gedanken und physiologischen
Veränderungen zu beschreiben

Abb. 47.1 Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 48


Vulnerabilitätsfaktoren
Nach der “modernen Lerntheorie der Panikstörung” von Bouton et al., 2001

Drohendes Unheil → autonome Erregung → ausgeprägte Kampf-/ Fluchtreaktion

Angst als antizipatorischer emotionaler Zustand: häufig durch somatische Symptome


charakterisiert und als Vorbereitung auf den nächsten Panikanfall

Anfälligkeit eines Individuums für die Koonditionierung einer Panikstörung beeinflusst


durch 3 Gruppen von Vulnerabilitätsfaktoren:
1. Unspezifisch biologisch: Biologische Prädisposition: eher auf neg Lebensereignisse /
Stress mit Emotionalität, neg Affektivität und ggf. Panikanfällen zu reagieren
2. Unspezifisch psychologisch: frühe Erfahrungen von Unvorhersehbarkeit /
Unkontrollierbarkeit
3. Spezifisch: über Modell- und operantem Lernen vermittelte Erfahrungen, z.B.erlernen
panikrelevanter kognitiver Schemata mittels Elterlichem Modell, das zeigt:
unerwartete körperliche Symptome sind gefährlich
Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 49


Ätiologiemodell der Panikstörung und Panikstörung mit Agoraphobie

Stellt das
Zusammenspiel
der 3
Vulnerabilitäts-
faktoren
dar

Hoyer & Knappe, Kap. 47


Abb. 47.3. (Nach White und Barlow 2002.)

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 50


Abwärtsspirale bei Angststörungen

Markgraf & Schneider, 2009,


Kap. 1, Abb. 1.1

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 51


Übersicht und Lernziele
A. Panik und Agoraphobie
1. Wie werden Panikstörungen und Agoraphobie heute klassifiziert?
2. Welche Erklärungsmodelle gibt es, und was sind Risikofaktoren?
3. Wie werden die Störungen diagnostiziert?
4. Welche Behandlungsansätze gibt es?

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 52


Diagnostik von Angststörungen
◦ Die Diagnostik von Angststörungen (und anderen psychischen
Störungen) wird mit Hilfe von diagnostischen Kriterien (ICD, DSM),
klinischer Interviews und diagnostischer Instrumente getroffen.

Hoyer & Knappe, Kap. 21 / 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 53


Diagnostik von Angststörungen
◦ Es sollte eine medizinische Abklärung vorangestellt werden, um den
Verdacht auf körperliche Ursachen (z. B. Hyperthyreose oder Asthma)
zu beseitigen (Konsiliarbericht)

◦ Strukturierte Interviews: z.B. SCID-5-CV zunächst Screening und dann


Teil F Angststörungen (Beesdo-Baum et al. 2019)

◦ Halbstrukturierte Interviews, z.B. Hamilton Angstskala (HAM-A)


(Stieglitz, 2000, 2001)

◦ Symptomorientierte Fragebögen, z.B. Beck-Angstinventar (BAI), State-


Trait-Angstinventar (STAI)

Hoyer & Knappe, Kap. 21 / 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 54


Diagnostik von Angststörungen
PAS: Selbst & Fremdbeurteilungsfragebogen (B. Bandelow, 1997)
Schweregrad der Symptome bei Patienten mit Panikstörung / Agoraphobie innerhalb der
vergangenen Woche bzgl. 5 Bereiche: Panikattacken, agoraphobische Vermeidung,
antizipatorische Angst, Einschränkung sowie Gesundheitsbefürchtungen

https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0041-101048.pdf

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 55


Diagnostik von Panikstörung und Agoraphobie

Wenn Screening positiv, dann vertiefend, z.B. mit standardisierten Interviewverfahren

Beispiel für Screeningfrage

Beispiel für Screeningfrage

Ausschnitt S. 26, Aus: Hagena & Gebauer, Therapie Tools. Angststörungen. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 56


Schaubild Differentialdiagnosen
Auschnitt S. 34, Aus: Hagena & Gebauer, Therapie Tools.
Angststörungen. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath


Seite 57
Schaubild Differentialdiagnosen
Die Grafik soll verdeutlichen, in welchen Symptomen sich die
Differentialdiagnosen gleichen bzw. unterscheiden. Psychovegetative
Angstsymptome können bei allen diesen psychischen Störungen vorkommen –
daher stehen diese im Zentrum der Grafik
1 . Von diesem Kern zum Rand der Grafik ausgehend unterscheiden wir zunächst
die Inhalte der Ängste/Sorgen und zentrale Themen der einzelnen
Krankheitsbilder
2. Die Angst vor Kontrollverlust ist mehreren Störungsbildern gemeinsam.
3 . Überschneidungen bei den Störungsbildern sind hier als »Gemeinsamkeit« zu
verstehen.
4 »Vermeidung« etc.. Der innere Kreis der Umrandung beschreibt die
dysfunktionalen Bewältigungsstrategien des Patienten und differenziert
gleichzeitig die Störungsbilder hinsichtlich des Problemverhaltens.
5. Der äußerste Kreisbeschreibt die Korrigierbarkeit der Überzeugungen als
wichtiges differentialdiagnostisches Kriterium in Abgrenzung zur Schizophrenie.

Auschnitt S. 34, Aus: Hagena & Gebauer, Therapie Tools. Angststörungen. Beltz

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Übersicht und Lernziele
A. Panik und Agoraphobie
1. Wie werden Panikstörungen und Agoraphobie heute klassifiziert?
2. Welche Erklärungsmodelle gibt es, und was sind Risikofaktoren?
3. Wie werden die Störungen diagnostiziert?
4. Welche Behandlungsansätze gibt es?

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 59


Angsttagebuch (Diagnostik/Behandlung)

• Liefern zusätzliche Infos zu den klin. Interviews / Fragebögen


• Erlauben herausarbeitung differenzierter bedingungsanalytischer Zusammenhänge
• Instrument zur kontinuierlichen Betrachtung des Verlaufs

Abb. 47.4 Angsttagebuch Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 60


Individueller Teufelskreis der Angst

• Psychoedukation / Vermittlung eines Erklärungsmodells


• PatientIn soll Teufelskreis erarbeiten / entdecken → vereinfachte
Abb. 47.5 Version des Psychophysiologischen Modells
Hoyer & Knappe, Kap. 47
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 61
SORK
• S: Sammlung und ggf. Hierarchisierung von eigentlich harmlosen, doch Angst
auslösenden Bedingungen, also etwa im Stau stehen, ein Flugzeug besteigen
• O: Genetische Veranlagung, Erfahrungen in der Vergangenheit (z. B.
Unkontrollierbarkeit, Unvorhersehbarkeit, traumatische Erfahrungen),
Persönlichkeitszüge (z. B. war schon immer ängstlich) oder auch Modell in der
Familie (z. B. meine Mutter hat immer vor den Gefahren gewarnt).
• R: Eingrenzung und Beschreibung der Angstsymptome auf somatischer, emotionaler,
kognitiver und motorischer Ebene.
• K: Welche Folgen ergeben sich, wenn ich in einer bestimmten Situation Angst
bekomme, also »vermeiden, weglaufen, raus rennen, aussteigen, Hilfe rufen, eine
Arztpraxis aufsuchen, eine Tablette nehmen, Bekannte um Begleitung bitten, sich
ablenken und zusammenreißen usw.« Mit welcher Veränderung der Angst gehen
diese Folgen einher? Lässt die Angst nach, werden die Symptome weniger?

Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 62


VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 63
Korrigieren von Fehlinterpretationen während Panikanfalls

Tab. 47.1 Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 64


Behandlung: Verhaltensexperimente / Hypothesen
prüfen

Tab. 47.2 Interozeptive Expositionen zur Provokation von


Angstsymptomen
Zur Erinnerung: somatische Abklärung zu Beginn der Therapie
notwendig, bei Bedarf update, das nichts gegen Expositionen spricht Hoyer & Knappe, Kap. 47
Behandlung: Exposition
• Flucht- und Vermeidungsverhalten muss aufgegeben werden. Dabei muss man
erfahren, dass Angst entsteht und dann erleben, dass die Angst von alleine
verschwindet, obwohl man unverändert in der gefürchteten Situation ist. ->
prolongierte Exposition.

Aus: Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz

66
Behandlung: Konfrontation
Abb. 47.5 Grafische Darstellung des Verlaufes von
Angst bzw. Erregung bei der Konfrontation mit
Angstreizen.
a Verlaufskurven ohne therapeutische Intervention:
Typisch ist der rasche Anstieg mit einem langsameren
Abfallen der Angst. Ohne Behandlung zeigen die
Patienten in der Regel Vermeidungsverhalten (Kurve A:
Vermeidung) und erreichen so nicht den Punkt, an dem
die Kurve von allein abfällt (Kurve B: Habituation).
Die Kurven C und D zeigen die vom Patienten
befürchteten Verläufe mit einer scheinbar „unendlich“
anhaltenden (C) oder immer weiter ansteigenden (D)
Angst, die erst durch eine als imminent
wahrgenommene Katastrophe (z. B. Herzinfarkt)
beendet werden könnte.
b Verlaufskurven bei therapeutischer Konfrontation:
Dabei machen die Patienten die Erfahrung, dass Angst
von allein abnimmt („habituiert“), wobei die Kurve bei
wiederholter Konfrontation (1.–4. Durchgang) immer
weiter abflacht
Hoyer & Knappe, Kap. 47
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 67
Behandlung: Strategien zur Optimierung von Expositionsübungen.

Tab. 47.3 (Nach Craske et al. 2014, © 2014, with permission from Elsevier; Craske, 2015, © Karger; Mohr und Schneider 2015, Copyright © 2015 S. Karger
GmbH, Freiburg)
Hoyer & Knappe, Kap. 47

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 68


Behandlung S3 Leitlinie

https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-028l_S3_Behandlung-von-
Angststoerungen_2021-06.pdf

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 69


Behandlung S3 Leitlinie

https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-028l_S3_Behandlung-von-
Angststoerungen_2021-06.pdf

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 70


Behandlung S3 Leitlinie

https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-028l_S3_Behandlung-von-
Angststoerungen_2021-06.pdf
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 71
Vertiefende Literatur
• Lautenbacher, S., Gauggel, S., 2010. Neuropsychologie psychischer Störungen. Springer.
• Zwick J. & Hautzinger M. (2017). Panik und Agoraphobie. Beltz
• Schumacher B. (2006) Die Balance der Unterscheidung: Zur Form systemischer Beratung und
Supervision. Carl-Auer Verlag

VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 73


1. Dienstag 04.10: Was ist Klinische Psychologie? RNM
2. Dienstag 11.10: Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen JR
3. Dienstag 18.10: Epidemiologische Beiträge zur KP RNM
4. Dienstag 25.10: Kennen Sie die Grundlagen für diese VO? – Quiz mit den Online verfügbaren
Karteikarten: https://lehrbuch-psychologie-springer-com.uaccess.univie.ac.at/karteikarten/5648/1
5. Dienstag 08.11: kurzer Überblick Therapieverfahren; Störungen im Zusammenhang mit
psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen I JR
6. Dienstag 15.11: Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen
Verhaltensweisen II JR
7. Dienstag 22.11: Affektive Störungen RNM
8. Dienstag 29.11: Somatoforme Störungen und stressabhängige körperliche Beschwerden RNM
9. Dienstag 06.12: Angststörungen I JR
10. Dienstag 13.12: Angststörungen II JR
11. Dienstag 10.01: Posttraumatische Belastungsstörung; Zwangsstörung RNM
12. Dienstag 17.01: Psychotische Störungen und Schizophrenie JR
13. Dienstag 24.01: Persönlichkeitsstörungen RNM
14. Dienstag 31.01: 1. Prüfungstermin
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 74
https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=200019&semester=2022W

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