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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der

Behavioralen und Psychologischen Symptome der Demenz


(BPSD)

1
Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie&Alterspsychotherapie (SGAP) ,
2
Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG) , Schweizerische
3
Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG) , Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie
4 5
und Psychotherapie (SGPP) , Swiss Memory Clinics (SMC) , Schweizerische
6
Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SGBP) , Schweizerische Vereinigung der
7
Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP) , Schweizer Berufsverband
8
der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) , Schweizerische
9
Alzheimervereinigung

1 3 5 9 1, 4
Authoren: E. Savaskan , I. Bopp-Kistler , M. Buerge , R. Fischlin , D. Georgescu ,
1 6 1 1 3
U. Giardini , M. Hatzinger , U.Hemmeter , I. Justiniano , R. W. Kressig , A.
7 1, 6 2 9 1 8
Monsch , U. P. Mosimann , R. Mueri , A. Munk , J. Popp , R.Schmid , M. A.
1
Wollmer
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Einführung

Die Entwicklung der klinischen Medizin wurde in den letzten Jahren von der
fortschreitenden Ökonomisierung, Juridifizierung, Evidenzbasierung sowie der
Qualitätssicherung massgeblich geprägt. Dadurch wurde der aus dem
angelsächsischen Sprachraum stammende Trend zur Erstellung von Leitlinien– auch
im Bereich der Demenz (1-21) – zunehmend gefördert. Neben den medizinischen
Fachgesellschaften auf nationaler – manchmal mehrere aus demselben Land (z. B.
10-14) – oder internationaler Ebene (17,18), betätigen sich auch Organisationen, die
von Leistungserbringern (z. B. Spitäler) und/oder -trägern (Staat,
Krankenversicherung usw.) finanziert werden, als Herausgeber von Leitlinien oder
Konsensen. Die Empfehlungen können sich deutlich voneinander unterscheiden oder
gar widersprechen, wie z. B. im Bereich der Demenzabklärung und –behandlung (2,
3, 22). Die grösste Akzeptanz bei den praktisch tätigen Ärzten geniessen allerdings
die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften, während Leitlinien von
behörden- oder versicherungsnahen Organisationen deutlich weniger Zuspruch
bekommen (22).

In der Schweiz sind es in erster Linie die medizinischen Fachgesellschaften, die sich
- oft mit Unterstützung von Patientenorganisationen - mit der Entwicklung von
Leitlinien oder Empfehlungen auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin
beschäftigen. In den letzten Jahren profilierte sich neu auch das Swiss Medical
Board, das im Auftrag seiner Trägerschaft (Schweizerische Konferenz der
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, Verbindung der Schweizer
Ärztinnen und Ärzte und Schweizerische Akademie der Medizinischen
Wissenschaften) diagnostische Verfahren und therapeutische Interventionen
analysiert.

Die Therapieempfehlungen sind evidenzbasierte medizinische Richtlinien und


Empfehlungen, die den medizinischen Standard darstellen (23). Solche Standards
sind für die behandelnden Ärzte von praktischer und rechtlicher Bedeutung. Auf
Grund der geltenden heilmittelrechtlichen Rahmenbedingungen sind die Mediziner
nämlich gehalten, bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln die
anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften zu
beachten (Art. 26 HMG) (24). Diese Bestimmung konkretisiert die bei der
Berufsausübung ohnehin zu beachtende ärztliche Sorgfaltspflicht, die sich aus Art.
40 lit. a MedBG ergibt (25).

Auf Grund der medizinischen Sorgfaltspflicht müssen die Ärzte im Grundsatz


verwendungsfertige Arzneimittel einsetzen, die vom Schweizerischen
Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassen sind (Art. 9 Abs.1 HMG) (24). Um über die
obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet zu werden, müssen diese
Arzneimittel ausserdem vom Bundesamt für Gesundheit in der Spezialitätenliste (SL)
aufgeführt sein, denn damit erfüllen sie die geforderten Kriterien der Wirksamkeit,
Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit gemäss Art. 32 KVG (26).
In mehreren Fachbereichen – auch in der Alterspsychiatrie und Geriatrie – kann die
medizinische Versorgung aber nur gewährleistet werden, wenn zugelassene
Arzneimittel auch „Off-Label“ – d. h. abweichend von der Fachinformation, die von
Swissmedic mit dem Zulassungsentscheid genehmigt worden war – eingesetzt
werden (Artikel 9 Abs. 2 HMG) (24). Die Fachinformation umfasst u. a. die

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

zugelassenen Indikationen, Dosierungen, zugelassenen Patientenpopulation sowie


technisch-pharmazeutische Vorgaben (23, 27).

„Off-label use“ ist im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit grundsätzlich zulässig,


wenn der Arzt die anerkannten „Regeln der ärztlichen Kunst“ einhält und der
ärztlichen Sorgfaltspflicht Beachtung schenkt (Art. 3 und 26 HMG) (24).
Vergleichbare Sorgfaltspflichten ergeben sich aus Art. 394 ff. OR in Verbindung mit
Art. 97 OR (im vertraglichen Verhältnis) resp. aus Art. 41 ff. OR (bei einer
ausservertraglichen Haftung) (27, 28). Die Verantwortung für einen solchen Einsatz
ausserhalb der Fachinformation trägt allerdings alleine der behandelnde Arzt, eine
Rechtsprechung hinsichtlich der Haftung des Pharmaunternehmens fehlt (27).
Beim Einsatz eines Arzneimittels ohne behördliche Zulassung muss der
eigenverantwortlich entscheidende Arzt darüber Rechenschaft ablegen können, auf
welche Weise die Sorgfaltspflicht wahrgenommen wurde. Er muss also insbesondere
in der Lage sein, eine hinreichende Aufklärung des betroffenen Patienten
nachzuweisen und plausibel darzulegen, weshalb – gestützt auf die anerkannten
Regeln der medizinischen Wissenschaften – im konkreten Einzelfall ein Arzneimittel
ausserhalb der behördlichen Zulassung eingesetzt wurde. Beim Off-Label Use trägt
der Arzt grundsätzlich eine erhöhte Aufklärungspflicht und muss den Patienten auch
darüber aufklären, dass es sich bei der geplanten Medikation um einen Off-Label
Use handelt (27). Letztere Aufklärung muss auch den wirtschaftlichen Aspekt
beinhalten, da eine fehlende oder falsche Information über die Kostendeckung zu
einer Schadenersatzpflicht des behandelnden Arztes führt, der die Kosten der
Arzneimittel übernehmen muss, falls der Versicherer sich weigert, diese zu tragen
(29, 30).

Zwar sind Haftungsklagen wegen unerwünschter Nebenwirkungen oder


Komplikationen selten. Viel häufiger sieht sich der verordnende Arzt bei der
Behandlung im Off-Label Use oder des viel seltener „Unlicensed Use“ (Einsatz eines
in der Schweiz nicht zugelassenes Arzneimittels) mit dem Problem der Ablehnung
der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung konfrontiert, da ein solcher
Arzneimittel-Einsatz versicherungsrechtlich eine sogenannte „Nichtleistung“ darstellt
(27, 31). Um die Kostenübernahme im Einzelfall durch die Obligatorische
Krankenpflegeversicherung (OKP) zu regeln, erliess der Bundesrat die Art. 71 a und
71 b (in Kraft seit 1. März 2011) der Verordnung über die Krankenversicherung (32).
Diese Artikel umschreiben die Voraussetzungen zur Kostenübernahme durch die
OKP für Off-Label Use erstens der Arzneimittel, die sich auf der SL befinden, für den
Einsatz ausserhalb der SL-Limitation und zweitens für die nicht auf der SL gelisteter
Arzneimittel. Die Kosten dieser Arzneimittel müssen von der Versicherung
übernommen werden, wenn:
• ein Gesuch mit Begründung des Einsatzes eingereicht wird,
• von einem Medikament ein hoher therapeutischer Nutzen erwartet wird,
• keine anderen wirksamen und zugelassenen Behandlungsalternativen
vorliegen (33).

Sowohl die Rechtfertigung seines Behandlungsentscheids hinsichtlich des Off-Label


Use als auch die erfolgte Aufklärung des Patienten sollte der Arzt angemessen
dokumentieren – er soll sich vom Patienten das schriftliche Einverständnis für die
Behandlung geben lassen (27).

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Die Bedeutung der ärztlichen Sorgfaltspflicht ist umso stärker zu gewichten, je


weniger über ein bestimmtes Arzneimittel bzw. über den bestimmten Einsatz eines
Arzneimittels wissenschaftlich bekannt ist.

Davon ausgehend, dass der Arzt in seinem Handeln grundsätzlich dem Wohl des
Patienten verpflichtet ist, und er bei der Wahl der Medikation stets die gebotene
Sorgfalt walten lässt, kann der Off-Label Use sowohl aus Sicht des Arztes als auch
des Patienten auch als Recht auf Zugang zu neuen Behandlungsansätzen und
insgesamt zu einer breiteren Palette an Behandlungsoptionen betrachtet werden (27).
Denn auch beim Off-Label Use muss der Arzt auf den aktuellen medizinischen
Wissenstand Bezug nehmen und demnach fachlich fundiert handeln. Es gibt Fälle,
bei denen sich der Off-Label Use eines Arzneimittels sogar zum medizinischen
Standard entwickelt hat. In einem solchen Fall würde der Off-Label Use zur
Behandlung lege artis gehören und der Arzt wäre dabei nicht nur zur Off-Label-
Verschreibung berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Dessen Nichtberücksichtigung
würde folglich eine Abweichung von der sorgfältigen ärztlichen Behandlung
darstellen (23, 27).

Ein grosses Problem ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen der klinischen
Verschreibungspraxis infolge der „Alltagsevidenz“ und der offiziellen Zulassung.
Wegen der strengen Zulassungskriterien der Swissmedic und des fehlenden
Interesses der pharmazeutischen Unternehmen, die Zulassung von Arzneimitteln mit
abgelaufenem Patent und tiefem Preis dem aktuellen Stand der klinischen Praxis
anzupassen, steigt die Anzahl der Medikamente, die ausserhalb der Zulassung
eingesetzt werden. Der Marktrückzug von bewährten Arzneimitteln aus
wirtschaftlichen Gründen und die zunehmende Fragmentierung von neuen
Zulassungen auf kleine Patientengruppen und enge Indikationsgebiete
(individualisierte Medizin, Orphan Drugs) erschweren die Tätigkeit des
verschreibenden Arztes zusätzlich. Damit ergibt sich eine zunehmende Differenz
zwischen dem medizinischen Bedarf (medical need) und dem Angebot an
zugelassenen Arzneimitteln und Indikationen welche die pharmazeutische Industrie
nach wirtschaftlichen Kriterien auf dem Markt anbietet. Diese Tendenzen führen zu
hohen Arzneimittelpreisen und verstärken den Druck auf den behandelnden Arzt
Arzneimittel im „off label use“ einzusetzen. Die Verantwortung für die
Arzneimitteltherapie geht damit zunehmend vom pharmazeutischen Unternehmen
auf den behandelnden Arzt über.

Gerade im Bereich der psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen – auch


bei Demenz – wurde der Off-Label-Einsatz insbesondere von Antidepressiva,
Antipsychotika und Anxiolytika-Sedativa zunehmend Regel statt Ausnahme, und dies
trotz ungenügender Evidenz durch klinische Studien (34-36). Trotz von
verschiedenen Seiten angekündigter Priorisierung bei der Prüfung der am häufigsten
eingesetzten Arzneimittel (34-36) bleibt vorerst mangels therapeutischer Alternativen
die Aussicht auf eine weitere Tätigkeit im „chronischen Off-Label Use-Zustand“ für
die Behandler unbefriedigend und könnte den Trend hin zur „Defensivmedizin“ u. U.
verstärken.

Bei der Therapie der Personen mit Demenzerkrankungen ist die Situation zusätzlich
durch die Tatsache erschwert, dass eine angemessene Patientenaufklärung wegen
der kognitiven Defizite kaum möglich ist. Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht setzt zudem höhere Anforderungen an


den Umfang der Informationspflicht oder an den Erstellungsaufwand eines
Behandlungsplanes, was gerade bei der Demenzbehandlung nicht nur den Einbezug
von Vertrauenspersonen, sondern auch die Begründung der medizinischen
Massnahmen durch anerkannte Richtlinien praktisch voraussetzt (Art. 433-434 ZGB)
(37). Die laufende Revision des HMG ergibt die Möglichkeit, die aktuelle Situation
und die Medikationssicherheit zu verbessern und zugleich dem ärztlichen Bedürfnis
nach fachlicher und rechtlicher Absicherung der Behandlung Rechnung zu tragen.
Die vom Bundesrat an das Parlament überwiesene Botschaft enthält eine Ergänzung,
welche es erlaubt, anerkannte Richtlinien bei der Verschreibung, Abgabe und
Anwendung von Arzneimitteln für verbindlich zu erklären.

Es ist Aufgabe der betroffenen Interessenvertreter, breitabgestützte Leitlinien oder


Therapieempfehlungen, die den Grad der Empfehlung und die Stufe der Evidenz
aufzeigen, zu erarbeiten. Die vorliegenden evidenzbasierten Therapieempfehlungen
sollen den aktuellen medizinischen Standard wiedergeben. Sie wurden von
mehreren schweizerischen Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit anderen
relevanten Organisationen ausgearbeitet und sind somit sehr breit abgestützt.
Analog den Massnahmen, die teilweise bereits in anderen Disziplinen, in denen der
Off-Label-Einsatz von Arzneimitteln ebenfalls sehr hoch ist, getroffen wurden (38),
sollten/sollte mittelfristig auch in der Alterspsychiatrie und -medizin neben der
Entwicklung von Leitlinien auch:

• die Daten der gerontopsychiatrischen Studien über internetbasierte


Datenbanken frei zugänglich werden,
• die alterspsychiatrisch-geriatrischen Studiennetzwerke ausgebaut werden,
• spezielle Fördermittel für die nicht kommerzielle Forschung von patentfreien
Arzneimitteln verfügbar gemacht werden,
• Off-label-Anwendungen nachträglich zugelassen werden, wenn die Zulassung
im öffentlichen Interesse liegt und letztendlich auch der Rechtssicherheit dient
(23),
• eine "Off-Label-Spezialitätenliste" in Form einer Datenbank von Swissmedic in
Zusammenarbeit mit den Krankenversicherern erarbeitet werden -, die klären
soll, unter welchen Voraussetzungen ein Präparat überhaupt auf diese Liste
kommt und wenn ja, in welcher Rubrik (30),
• ein „Bewertungssystems“ durch die Krankenversicherer (bereits von Helsana
vollzogen) zusammen mit der Schweizer Pharmaindustrie entwickelt werden
zur Prüfung von Gesuchen für die Rückerstattung von Off-Label Use-
Arzneimitteln,
• bestimmte in der Schweiz bekannte bzw. bereits zugelassene, nicht mehr
patentgeschützte Arzneimittel unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit im
Rahmen eines vereinfachten Verfahrens nach Art. 14 HMG und Art 28 ff.
VAZV (24, 39) zugelassen werden.

Bei der Rechtfertigung einer Indikation für eine Arzneimittelbehandlung – unabhängig


davon, ob das Medikament innerhalb oder ausserhalb der in der Spezialitätenliste
festgelegten Limitation eingesetzt wird – oder für eine nichtmedikamentösen
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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Therapie sollen Therapieempfehlungen wie die hier vorliegende einen zentralen


Beitrag leisten. Diese medizinischen Standards müssen den aktuellen Stand von
Wissenschaft und Technik entsprechen, dem behandelnden Arzt erlauben, seine
Sorgfaltspflicht effizient wahrzunehmen (Art. 3 HMG) und bei Haftungsklagen
wirkungsvollen Schutz bieten. Gleichzeitig sollen sie dem Arzt bei der Nutzen-Risiko-
Abwägung und der Auswahl einer wirksamen Therapie helfen und damit einen
wirkungsvollen Beitrag zur Behandlungssicherheit und Qualitätssicherung leisten.
Trotz der Bemühungen der Autoren, den aktuellen Stand abzubilden, hat der Arzt
kritisch zu hinterfragen, inwiefern diese Therapieempfehlungen die verfügbare
Evidenz angemessen berücksichtigen (23). Andererseits muss er allfällige neue
Entwicklungen beachten, welche nach Verabschiedung einer Therapieempfehlung
stattgefunden haben und zum medizinischen Standard geworden sind. (23).

Referenzen :
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(DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S3-Leitlinie
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8. Monsch AU, Büla C, Hermelink M, Kressig RW, Martensson B, Mosimann U,
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2012;101 (19):1239–1249.
9. Monsch AU, Hermelink M, Kressig RW, Fisch HP, Grob D, Hiltbrunner B,
Martensson B, Rüegger-Frey B, von Gunten A, Expertengruppe der Schweiz.
Konsensus zur Diagnostik und Betreuung von Demenzkranken in der Schweiz.
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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

11. American Psychiatric Association (APA). Arlington (VA): American Psychiatric


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12. Knopman DS, DeKosky ST, Cummings JL, Chui H, Corey-Bloom J, Relkin N,
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13. Doody RS, Stevens JC, Beck C., Dubinsky RM, Kaye JA., Gwyther LM, Mohs
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Management of dementia (an evidence-based review): Report of the Quality
Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology
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14. Lyketsos CG, Colenda CC, Beck C, Blank K, Doraiswamy M, Kalunian D, Yaffe
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regarding principles of care for patients with dementia resulting from Alzheimer
disease. Am J Geriatr Psychiatry 2006;14:561–572.
15. American Medical Directors Association. Dementia in the long-term care setting.
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Italian Association of Psychogeriatrics. Drugs & Aging 2005;22 (Suppl. 1):1–26.
17. Hort J, O’Brien JT, Gainotti G, Pirttila T, Popescu BO, Rektorova I, Sorbi S,
Scheltens P, EFNS Scientist Panel on Dementia. EFNS guidelines for the
diagnosis and management of Alzheimer’s disease. Eur J Neurol
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18. Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP). Guideline on
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dementias (Doc. Ref. CPMP/EWP/553/95 Rev. 1). London, European
Medicines Agency 2008.
19. Abbey J, Palk E, Carlson L, Parker D. Clinical Practice Guidelines and Care
Pathways for People with Dementia Living in the Community. Brisbane: QUT;
2008.
20. Ministry of Health Singapore (Hrsg.). Clinical practice guidelines: dementia.
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21. Clinical Research Center for Dementia of South Korea. Clinical practice
guideline for dementia. Part I: diagnosis & evaluation; 2011.
22. Duthie AC, Banerjee S. Use of antidementia medications in Scotland: Views of
old age psychiatrists. GeroPsych 2011;24(1):53-57.
23. Widmer S. Off-label-use in der Schweiz: heilmittelrechtliche Zulässigkeit und
Kostenübernahme. hill. Zeitschrift für Recht und Gesundheit 2013 Nr. 132.
24. Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz,
MedBG) vom 23. Juni 2006 (Stand am 1. September 2013).
25. Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG)
vom 15. Dezember 2000 (Stand am 1. Januar 2014).
26. Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994 (Stand
am 1. März 2014).
27. Bürgi H. Die Voraussetzungen des Off-Label Use von Arzneimitteln in der
Schweiz. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag 2013.

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

28. Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen


Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (Stand
am 1. Juli 2014).
29. Bundesamt für Gesundheit. Allgemeine Bestimmungen zur Spezialitätenliste.
Letzte Änderung: 20.09.2011.
http://www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00263/00264/00265/ind
ex.html?lang=de
30. Petermann FTh. Rechtliche Betrachtungen zum Off-Label Use von
Pharmazeutika. hill. Zeitschrift für Recht und Gesundheit 2007 Nr. 2.
31. Laimböck K. Ob zugelassen oder nicht spielt im medizinischen Alltag keine
Rolle. Psy&Psy Bulletin 2009;2:15-17.
32. Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) vom 27. Juni 1995 (Stand am
1. März 2014).
33. Giger M. Krankenpflegeversicherung und Off-Label-Use: Die Ärzteschaft ist
gefordert. Schweizerische Ärztezeitung. 2014;95(20):798-800.
34. Walton SM, Schumock GT, Lee KV, Alexander GC, Meltzer D, Stafford RS.
Prioritizing Future Research on Off-Label Prescribing: Results of a Quantitative
Evaluation. Pharmacotherapy. 2008;28(12):1443-1452.
35. Chen DT, Wynia MK, Moloney RM, Alexander GC. U.S. physician knowledge of
the FDA-approved indications and evidence base for commonly prescribed
drugs: results of a national survey. Pharmacoepidemiology and drug safety
2009;18(11):1094-100.
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evidence in drug compendia supporting off-label use of typical and atypical
antipsychotic medications. The International Journal of Risk & Safety in
Medicine 2012;24(3):137-46.
37. Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Januar
2013).
38. Kleist P, Stötter H. Gesetzliche Initiativen zur Verbesserung der pädiatrischen
Arzneimitteltherapie. Pädiatrie 2009;4+5:9-12.
39. Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die vereinfachte
Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im
Meldeverfahren (VAZV) vom 22. Juni 2006 (Stand am 1. Januar 2013).

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Prävalenz, Inzidenz und Phänomenologie der Behavioralen und


Psychologischen Symptome der Demenz (BPSD):

Patienten mit Demenz-Erkrankungen, in erster Linie bei der Alzheimer-Demenz (AD),


zeigen neben kognitiven Beeinträchtigungen eine Reihe von Behavioralen und
Psychologischen Symptome der Demenz (BPSD), die insbesondere im späten
Stadium der Krankheit stärker ausgeprägt sind, aber schon in der Prodromalphase
vorhanden sein können (1). Zwei Drittel aller Patienten leiden unter diesen
Symptomen während sie bei einem Drittel klinisch signifikante Ausmasse erreichen
(2). 80% aller Bewohner von Pflegeheimen mit einer Demenz-Erkrankung weisen
BPSD auf (3). Im 5-Jahresverlauf einer Demenz-Erkrankung entwickeln 90% der
Betroffenen auf jedem Fall mindestens ein Symptom (4).

Depressivität und Apathie sind die am häufigsten beobachteten BPSD in den


früheren Stadien der AD und können auch während den Anfangsphasen der
Erkrankung bei einer leichten kognitiven Störung (MCI: Mild Cognitive Impairment)
vorhanden sein (1, 5). Die Inzidenz von verbaler und physischer Agitation ist
ebenfalls sehr hoch und kann in allen Stadien der MCI and AD auftreten. Eher im
späteren Verlauf der AD kommen BPSD wie Wahn, Halluzinationen und Aggression
hinzu. Apathie ist das am meisten persistente BPSD bei allen Schweregraden der
Demenz. Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen ergänzen das Bild neben weiteren
BPSD wie Angst, Enthemmung, Euphorie und Irritabilität.

Die Prävalenz der einzelnen Symptome variiert zwischen verschiedenen Studien. In


einer Studie mit 682 untersuchten Patienten war sie für Depression 20%, Apathie
15% und Irritabilität 15% bei MCI, und Apathie 36%, Depression 32% und
Agitation/Aggression 30% bei Patienten mit einer Demenz-Erkrankung (6). 80% der
Demenz-Patienten und 50% der Personen mit MCI hatten mindestens ein BPSD bei
klinischer Diagnose der kognitiven Störung. Die Prävalenzraten unterschieden sich
nicht zwischen AD und anderen Demenz-Formen mit Ausnahme des abweichenden
motorischen Verhaltens, welches bei AD-Patienten ausgeprägter war. In einer
anderen Studie, die 319 Betroffene mit MCI und 1590 kognitiv gesunde Personen
verglich, wurden bei 50% der MCI und nur bei 25% der gesunden Kontrollgruppe
mindestens ein BPSD festgestellt (5). Die wichtigsten BPSD, die zur Unterscheidung
der MCI von kognitiv unauffälligen Personen beitrugen, waren Apathie, Depression,
Agitation, Angst und Irritabilität.

Die BPSD haben für die Betroffenen und deren betreuende Bezugspersonen schwer
wiegende Folgen: sie führen zur Verschlechterung der Aktivitäten des täglichen
Lebens (7), zum schnelleren kognitiven Abbau (8), zur Verschlechterung der
Lebensqualität (9), zur früheren und öfteren Institutionalisierung in Alters- und
Pflegeheimen oder Spitälern (10), und zur vermehrten psychiatrischen Erkrankungen
wie Depression bei den Betreuungspersonen (11). Die Diagnose und Therapie der
BPSD bleibt in dieser multimorbiden und vulnerablen Patientengruppe eine
Herausforderung und braucht einen umsichtigen Umgang mit den zur Verfügung
stehenden Behandlungsmöglichkeiten um die Prognose zu verbessern, aber auch
um eine zusätzliche Beeinträchtigung der Betroffenen zu vermeiden.

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

1. Lyketsos CG, Carrillo MC, Ryan JM et al. Neuropsychiatric Symptoms in


Alzheimer’s disease. Alzheimers Dement 2011; 7: 532-539.
2. Lyketsos CG, Steinberg M, Tschanz JT et al. Mental and behavioral
disturbances in dementia: findings from Cache County Study on Memory and
Aging. Am J Psychiatr 2000; 157: 708-714.
3. Margallo-Lana M, Swann A, O’Brien J et al. Prevalence and pharmacological
management of behavioural and psychological symptoms amongst dementia
sufferers living in care environments. Int J Geriat Psychiatry 2001; 16: 39-44.
4. Steinberg M, Shao H, Zandi P et al. Point and 5-year period prevalance of
neuropsychiatric symptoms in dementia: the Cache County Study. Int J Geriatr
Psychiatry 2008; 23: 170-177.
5. Geda YE, Roberts RO, Knopman DS et al. The prevalence of neuropsychiatric
symptoms in mild cognitive impairment and normal cognitive aging: a
population-based study. Arch Gen Psychiatry 2008; 65: 1193-1198.
6. Lyketsos CG, Lopez O, Jones B et al. Prevalence of neuropsychiatric
symptoms in dementia and mild cognitive impairment. JAMA 2002; 288: 1475-
1483.
7. Lyketsos CG, Baker L, Warren A et al. Major and minor depression in
Alzheimer’s disease: prevalence and impact. J Neuropsychiatry Clin Neurosci
1997; 9: 556-561.
8. Stern Y, Tang MX, Albert MS et al. Predicting time to nursing home care and
death in individuals with Alzheimer disease. JAMA 1997; 277: 806-812.
9. Gonzales-Salvador T, Lyketsos CG, Baker AS et al. Quality of life of patients
with dementia in long-term care. Int J Geriatr Psychiatry 2000; 15: 181-189.
10. Steele C, Rovner B, Chase GA et al. Psychiatric symptoms and nursing home
placement of patients with Alzheimer’s disease. Am J Psychiatry 1990; 147:
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11. Gonzales-Salvador T, Aragano C, Lyketsos CG et al. The stress and
psychological morbidity of the Alzheimer patient caregiver. Int J Geriatr
Psychiatry 1999; 14: 701-710.

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Methoden:

Die vorliegenden Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD bei Demenz-
Erkrankungen möchten den aktuellen Stand der vorhandenen Diagnose- und
Behandlungsmöglichkeiten, auf Evidenz basierend und kritisch hinterfragend,
zusammen fassen und als ein Instrument im klinischen Alltag zur Verfügung stellen.
Folgende Fachgesellschaften waren bei der Ausarbeitung der Empfehlungen
beteiligt: Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie&Alterspsychotherapie
(SGAP), Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG), Schweizerische
Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG), Swiss Memory Clinics (SMC), Schweizerische
Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SGBP), Schweizerische Vereinigung der
Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP), Schweizer Berufsverband der
Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) und die Schweizerische
Alzheimervereinigung.

Die Empfehlungen basieren, wenn vorhanden, auf klinisch kontrollierten Studien zur
Wirksamkeit der Therapie-Optionen. Sie sind als Evidenz-Kategorien und
Empfehlungsgrade nach WFSBP (World Federation of Societies of Biologival
Psychiatry) zusammengefasst (1, 2; Tabelle 1). Die Delegierten der
Fachgesellschaften führten systematische Evidenz-Recherchen durch und trugen
diese in regelmässigen Sitzungen zusammen. Die Grundlage für diese Recherchen
waren Datenbanken wie MEDLINE, EMBASE oder ISI (Science Citation Index),
Cochrane-Database, international festgelegte Konsensus-Kriterien, und bestehende
nationale sowie internationale Therapie-Leitlinien. Vor allem die bestehenden
Therapie-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), und
die Leitlinie des National Institute for Clinical Excellence (NICE) wurden als Referenz
angenommen. In der Recherche wurden in erster Linie die kontrollierten Studien,
Übersichtsartikel und Meta-Analysen berücksichtigt. Wenn Studien für die klinische
Evidenz einzelner Therapieverfahren fehlten wurden Experten-Meinungen und
klinische Erfahrungen berücksichtigt, die als Evidenz-Kategorie C3 nach WFSBP
aufgeführt wurden. Zusätzlich wird die Schweizer Experten Meinung (SEM) separat
aufgeführt wenn diese von der vorhandenen Evidenz abweicht.

Referenzen für die Tabelle:


1. Grunze H, Vieta E, Goodwin GM et al. The World Federation of Biological
Psychiatry (WFSBP) Guidelines fort he Biological Treatment of Bipolar
Disorders: Update 2009 on the Treatment of Acute Mania. World J Biol
Psychiatry 2009; 10: 85-116.
2. Bandelow B, Zohar J, Hollander E et al. World Federation of Societies of
Biological Psychiatry (WFSBP) guidelines for the pharmacological treatment of
anxiety, obsessive-compulsive and post-traumatic stress disorders-first
revision. World J Biol Psychiatry 2008; 9: 248-312.

11
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Tabelle I:
Evidenz-Katagorien und Empfehlungsgrade (nach Grunze et al. 2009; Bandelow et al. 2008)

Evidenz-Katagorie: Beschreibung:
A Vollständige Evidenz aus kontrollierten Studien:
zwei oder mehr Doppelblind, Parallelgruppen, randomisierte
kontrollierte Studien (RCTs), die Überlegenheit zum Plazebo
nachweisen (oder bei Psychotherapie-Studien Überlegenheit zum
entsprechenden Plazebo bei adäquater Verblindung
und
eine oder mehr RCT, die Überlegenheit oder gleichwertige Wirkung
zur etablierten Substanz in einer Drei-Arm-Studie mit Plazebo zeigt.
Falls negative Studien vorliegen müssen mindestens zwei positive
Studien mehr vorhanden sein oder eine Meta-Analyse aller
vorhandenen Studien muss die Überlegenheit beweisen und keine
Unterlegenheit zu einer etablierten Therapie aufweisen.
B Limitierte positive Evidenz aus kontrollierten Studien:
eine oder mehr RCT, die Überlegenheit zum Plazebo nachweisen
(oder bei Psychotherapie-Studien Überlegenheit zum entsprechenden
Plazebo)
oder
eine randomisierte kontrollierte Studie mit einer Standard-Behandlung
ohne Plazebo mit ausreichender Fallzahl
und
Falls negative Studien vorliegen muss mindestens eine positive
Studie mehr vorhanden sein oder eine Meta-Analyse aller
vorhandenen Studien muss die Überlegenheit beweisen oder
mindestens eine randomisierte kontrollierte Studie mehr, die keine
Unterlegenheit zu einer etablierten Therapie zeigt
C Evidenz aus unkontrollierten Studien oder Fallbeschreibungen/
Experten-Meinung:
C1 Unkontrollierte Studien:
Eine oder mehr positive naturalistische offene Studie (mind. 5 Fälle)
oder
Vergleich mit einer Referenz-Substanz mit ausreichender Fallzahl
und
keine negative kontrollierte Studie
C2 Fallbeschreibungen:
eine oder mehr positive Fallbeschreibung
und
keine negative kontrollierte Studie
C3 Experten-Meinung oder Klinische Erfahrung
D Inkonsistente Resultate:
Positive RCTs stehen einer gleichen Anzahl von negativen Studien
gegenüber
E Negative Evidenz:
Die Mehrheit der RCTs oder vergleichende Studien zeigen keine
Überlegenheit zum Plazebo oder eher eine Unterlegenheit zur
Vergleichsbehandlung.
F Fehlende Evidenz:
Adäquate Studien, die Wirksamkeit oder Nicht-Wirksamkeit belegen,
fehlen.
Empfehlungsgrade:
1 Kategorie A und gute Risiko-Nutzen Ratio
2 Kategorie A und moderate Risiko-Nutzen Ratio
3 Kategorie B Evidenz
4 Kategorie C Evidenz
5 Kategorie D Evidenz

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Rolle der Komorbiditäten bei BPSD:

Multimorbidität ist die Koexistenz mehrerer chronischer Erkrankungen bei gleicher


Person während bei der Komorbidität eine Krankheit als Index im Vordergrund steht
und die anderen begleitenden Erkrankungen diese begünstigen (1). Multimorbidität
tritt häufiger bei älteren Personen auf und das gemeinsame Auftreten mehrerer
chronischer Krankheiten führt besonders in dieser Altersgruppe zu schweren
Beeinträchtigungen (1, 2). Die Prävalenz der Multimorbidität liegt bei stationär
behandelten Patienten bei 22% während sie bei den Bewohnern von Alters- und
Pflegeheimen (APH) 82% beträgt (2). Bei über 60 jährigen Personen beträgt sie 55
bis 98% (1).Vor allem Frauen aus sozio-ekonomisch benachteiligten Schichten sind
betroffen und Multimorbidität führt zur Verschlechterung der Aktivitäten des täglichen
Lebens. Sie trägt entscheidend zur Steigerung der Gesundheitskosten bei. Als
Risikofaktoren für Multimorbidität wurden verschiedene Ursachen wie Genetik,
biologische Gründe (Cholesterol, Blutdruck, Obesität), Lebensstil (rauchen, trinken,
Ernährung, physische Aktivität), und Umwelteinflüsse (Luftverschmutzung, soziales
Umfeld) untersucht, aber nicht endgültig nachgewiesen.

Das gemeinsame Auftreten von Demenz, Hypertension und Schlaganfall ist die
häufigste Kombination, die man bei Bewohnern von APH beobachten kann (2).
Hohes Alter ist neben der Anzahl der vorbestehenden Krankheiten und niedriges
Bildungsniveau der wichtigste Risikofaktor für Multimorbidität (1). Eine Demenz-
Erkrankung erhöht das Risiko zusätzlich (3). Demente Patienten beider Geschlechter
weisen eine hohe Multimorbidität, vor allem komorbide Infektionskrankheiten, auf, die
zur erhöhten Mortalität führen. Vor allem Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten
Infektionen und erhöhen signifikant die Morbidität (4). Non-E coli Uropathogene
nehmen im hohen Alter deutlich zu. Komorbiditäten wie Demenz oder
zerebrovaskuläre Ereignisse können die Diagnose einer Infektion im Alter zusätzlich
erschweren und zu Komplikationen bei verzögerter Therapie führen.

Die Multimorbidität steigt auch mit psychiatrischen Erkrankungen (5, 6). Schwere
psychiatrische Erkrankungen weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung höhere
Morbiditäts- und Mortalitätsraten infolge von begleitenden Krankheiten wie z.B.
kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes Mellitus, respiratorische Störungen,
Infektionen und Krebs auf. Mindestens 50% aller Patienten mit einer psychiatrischen
Erkrankung haben bekannte somatische Komorbiditäten während zusätzliche 35%
noch nicht diagnostisierte medizinische Probleme aufweisen. Bei 20% dieser
Patienten kann man einen direkten Zusammenhang zwischen der somatischen
Diagnose und der psychiatrischen Erkrankung erkennen.

Depression ist die häufigste psychiatrische Erkrankung, die bei multimorbiden älteren
Patienten auftritt (7). Sie zeigt meistens einen chronischen Verlauf mit somatischen
Symptomen wie z.B. Schmerzen. Die Depression im Alter tritt oft in Begleitung von
gastrointestinalen Krankheiten, Schlaganfall, muskuloskeletalen Beschwerden, M.
Parkinson, Atemweg-Erkrankungen und Obesität auf (8). Umgekehrt ist die
Depression ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Krankheiten, Diabetes Mellitus und
Obesität. Da 18% der älteren Menschen klinisch relevante Depressionssymptome
zeigen und die Prävalenz der Depression bei älteren Personen mit somatischen
Erkrankungen bei 25% liegt, wird die rasche Diagnose und Therapie der affektiven
Störung in dieser Altersgruppe besonders wichtig (9). Bei der Therapie der

13
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Depression in dieser Altersgruppe sind die Interaktionen der eingesetzten


Substanzen mit Komorbiditäten und anderen Medikamenten besonders zu beachten.
Vom Einsatz der tri- und tetrazyklischen Antidepressiva ist wegen ihren
anticholinergen Nebenwirkungen Abstand zu nehmen.

Neben Depression ist vor allem bei Angststörungen und Schizophrenie die
Komorbidität mit somatischen Krankheiten erhöht (10, 11). Respiratorische
Erkrankungen, Diabetes Mellitus, Hypertension und kardiovaskuläre Erkrankungen
kommen auffällig vermehrt bei Patienten mit Angststörungen vor. Und diese scheinen
auch ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Erkrankunken zu haben. Der erhöhte
therapeutische Aufwand bei diesen Patienten erleichtert die Entstehung
medikamentös bedingter Komplikationen. Schizophrene Patienten leiden bis zu 50%
an komorbiden somatischen Krankheiten, vor allem an Diabetes Mellitus,
kardiovaskulären Erkrankungen, Hypertension, Osteoporose, Obesität und
metabolischem Syndrom. Alltagsgewohnheiten dieser Patienten wie z.B. rauchen,
wenig Bewegung, einseitige Ernährung trägt oft zur Entstehung dieser somatischen
Erkrankungen bei.

Multimorbidität führt bei älteren Patienten oft zur Polypharmazie mit


schwerwiegenden Folgen in dieser vulnerablen Altersgruppe. 38% der über 70-
jährigen erhält fünf oder mehr unterschiedliche Medikamente (12). Hinzu kommt,
dass altersassozierte physiologische Veränderungen den Einsatz der Medikamente
erschweren und zu vermehrten Nebenwirkungen infolge der Interaktionen führen.
Wichtig ist bei Auftreten von Verhaltensstörungen, dass immer auch an ein Delir
gedacht werden sollte. Die Abgrenzung eines Delirs zu einer vorbestehenden
Demenzerkrankung oder einer psychiatrischen Erkrankung ist nicht immer einfach.
Gewisse klinische Unterschiede können Hinweise geben: Delir verläuft immer mit
Bewusstseinsstörung, auch wenn aufgrund der Fluktuation der Symptome diese
Störung nicht immer zu beobachten ist. Die Patienten mit Delir zeigen eine
inkohärente Sprache während bei Demenz die Wortfindungsstörungen im
Vordergrund sind. Wahn und Halluzinationen sind bei Delir oft vorhanden während
bei der AD diese Symptome oft erst im späteren Verlauf auftreten. Das klinische Bild
des Delirs fluktuiert sehr stark im Tagesverlauf während bei der Demenz die
Symptomatik stabil bleibt. Einfache Instrumente können bei der Diagnose des Delirs
hilfreich sein, insbesondere wie die Kurzform des „Confusion Assessment Method
(CAM)“.

14
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:
1. Marengoni A, Angleman S, Melis R et al. Aging with multimorbidity: A
systemic review of the literature. Ageing Res Rev 2011; 10: 430-439.
2. Schram MT, Frijters D, van de Lisdonk EH et al. Setting and registry
characteristics affect the prevalence an nature of multimorbidity in the
elderly. J Clin Epidemiol 2008; 61: 1104-1112.
3. Dinkel RH, Lebok UH. The effects of dementia in German acute care
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4. Matthews SJ&Lancaster JW. Urinary tract infections in the elderly
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5. Dixon L et al. The association of medical comorbidity in schizophrenia
with poor physical and mental health. J Nerv Ment Dis 1999: 187: 496-
502.
6. Felker B et al. Mortality and medical comorbidity among psychiatric
patients: a review. Psychiatr Serv 1996; 47: 1356-1363.
7. Spangenberg L, Forkmann T, Brähler E et al. The association of
depression and multimorbidity in the elderly: implications for the
assessment of depression. Psychogeriatrics 2011; 11: 227-234.
8. Nuyen J, Shellevis FG, Satariano WA et al. Comorbidity was associated
with neurologic and psychiatric diseases: a general practice-based
controlled study. J Clin Epidemiol 2006; 59: 1274-1284.
9. Savaskan E. Depressionen im Alter: Was der Hausarzt wissen sollte. Info
Neurologie&Psychiatrie 2011; 5-6: 21-24.
10. Iacovides A&Siamouli M. Comorbid mental and somatic disorders: an
epidemiological perspective. Curr Opin Psychiatr 2008; 21: 417-421.
11. Cimpean D et al. Schizophrenia and co-occurring general medical illness.
Psychiatr Ann 2005; 35: 71-81.
12. Burkhardt H, Wehling M, Gladisch R. Pharmakotherapie älterer Patienten.
Internist 2007; 48: 1220-1231.

15
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Rolle des Umfeldes:

Als Folge des hirnorganischen Abbaus verlieren Menschen mit AD zunehmend


Fähigkeiten verschiedenster Art. Damit verändern sich auch ihr Verständnis und ihre
Wahrnehmung der Umwelt. Beispielsweise können sie Situationen oder Personen als
bedrohlich erleben, weil Zusammenhänge für sie plötzlich nicht mehr erklärbar sind.
Zur Bewältigung solcher Situationen kommen Mechanismen zum Zug, die sich oft in
Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität oder psychischen Symptomen wie
Depression niederschlagen, die sich in einem unvorbereiteten Umfeld noch
verstärken, aber unter geeigneten Bedingungen oft besser überwunden werden
können.

Solche Symptome stellen für das soziale Umfeld eine grosse Herausforderung dar.
Angehörigen, Arbeitskollegen und sonstigen Mitmenschen sind die neu auftretenden
Probleme oft unverständlich, dies umso mehr, wenn noch keine Abklärung
stattgefunden hat. Es ist deshalb vorrangig, das Verständnis für Demenzkrankheiten
und BPSD durch gezielte Information des näheren Umfeldes zu fördern,
beispielsweise in Angehörigenseminaren und Gesprächsgruppen.

Bei Betroffenen mit einer AD ist die Wahrnehmung nicht selten durch eine
Beeinträchtigung der Sinnesorgane (besonders visuell und auditiv) verschlechtert. Es
können motorische Schwierigkeiten dazukommen, welche die Bewegungsfreiheit
einschränken und die Sturzgefahr erhöhen. Diese Faktoren können BPSD
verursachen oder bestehende Symptome verstärken. Zur Verbesserung dieser
Probleme sind Anpassungen nötig, etwa der Einsatz von Hörhilfen und Brille sowie
diverse Anpassungen in der Wohnung oder im architektonischen Bereich. Auch
Orientierungshilfen und körperliche Aktivierung können der kranken Person helfen
und Autonomie fördern. Psychoedukation und angehörigengestützte Verfahren
können durch das Vermitteln des nötigen Verständnisses und Wissens zur
Verbesserung der Interaktionen beitragen, und Konflikte vermeiden oder abbauen
helfen. Sozialberatung sowie gezielte Pflegeinterventionen können den Angehörigen
wichtige Inhalte für den demenzgerechten Umgang mit den Kranken und auch das
Annehmen von Hilfeleistungen weitergeben. Die Angehörigen lernen so auch, sich
vor Erschöpfung zu schützen und schaffen bessere Voraussetzungen dafür, dass
psychische und Verhaltenssymptome gemildert werden damit das Zusammenleben
zu Hause länger dauern kann.

16
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Qualitatives und Quantitatives Assessment der BPSD :

Die Erfassung der BPSD erfordert den Einbezug aller zur Verfügung stehender
Informationsquellen. Nebst der Verhaltensbeobachtung in Untersuchungssituationen
und im klinischen Alltag (Spital, APH) sowie der Fremdanamnese stellt eine
standardisierte Untersuchung mittels etablierter Verfahren eine wesentliche
Komponente dar. Hierbei zeigen sich aber unterschiedliche Bedürfnisse: a) einfache
Erfassung in Bezug auf Vorhandensein, Häufigkeit und Schweregrad eines
Symptoms oder mehrerer Symptome zum Beispiel im Rahmen von
epidemiologischen Studien und b) die Quantifizierung von Veränderungen von BPSD
zur Beurteilung von Erfolg und Misserfolg von Interventionen.

Obwohl einige dieser Instrumente diagnostisch hilfreich sein können, weil mit ihnen
ein Muster der BPSD erarbeitet werden kann, das für bestimmte Formen von
Demenz charakteristisch ist (1), zeigen sich eine Reihe von Schwierigkeiten derer
man sich bewusst sein muss. Eine sorgfältige psychiatrische Exploration braucht viel
Erfahrung und einige Zeit. Beides steht z.B. im Rahmen von klinischen Studien oder
im hektischen klinischen Alltag oft nicht zur Verfügung. Es stellt sich die Frage, nach
welchen Kriterien BPSD "gemessen" werden sollen. Sollen Diagnosekriterien
abgefragt werden? Falls ja, welche? Summenwerte von globalen Verhaltensskalen
werden zwar oft verwendet oder in wissenschaftlichen Arbeiten erwähnt, sind aber
für die adäquate Beschreibung eines Patienten wenig sinnvoll. Besser wäre es,
einzelne Symptome oder Symptomenkomplexe vertieft zu beschreiben, resp. zu
beurteilen. BPSD-Skalen verlassen sich oft ausschliesslich auf die Äusserungen und
Beobachtungen der Angehörigen und vernachlässigen die wahrscheinlich oft
hilfreiche Beurteilung durch psychiatrisch geschulte Fachpersonen.

In den letzten Jahren wurde mehrere Instrumente vorgestellt, die sich in ihrer
Konstruktion und psychometrischen Eigenschaften stark unterscheiden. Die
eingangs beschriebenen oft sehr grosse Variabilität von Inzidenz und Prävalenz von
BPSD sind nicht zuletzt auch auf die Verwendung dieser verschiedenen
Untersuchungsinstrumente zurückzuführen (2). Es wäre sicher sinnvoll und
wünschenswert, aus der Vielzahl von über 100 Instrumenten die besten zu
identifizieren, und damit nicht zuletzt auch die Kommunikation über BPSD zu
verbessern. Allerdings muss trotzdem – wie oben beschrieben – vor der Wahl des
Instrumentes jeweils die Frage des Ziels der Erfassung der BPSD sorgfältig reflektiert
werden.

Bei der Beurteilung von BPSD können zwei Arten von Skalen unterschieden werden:
a) Globale Skalen zur Erfassung der BPSD und
b) Spezifische Skalen von bestimmten Unterformen von BPSD.

Globale Skalen zur Erfassung der BPSD


Inbezug auf die globalen Skalen für BPSD unternahm ein Team von Experten vor
kurzem eine sehr ausführliche Analyse von insgesamt 138 verfügbaren Instrumenten
(2). Es gelang ihnen, mittels sorgfältig ausgesuchten Kriterien und deren
entsprechenden Gewichtung drei Instrumente zu empfehlen: das
Neuropsychiatrische Inventar (NPI; 3), die Behavioral Pathology in Alzheimer’s
Disease Rating Scale (BEHAVE-AD; 4) und das Consortium to Establish a Registry
for Alzheimer's Disease-Behavior Rating Scale for Dementia (CERAD-BRSD; 5).

17
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Eine zweite Expertengruppe (6) war bereits früher zu einem sehr ähnlichen Ergebnis
gekommen (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1. Vergleich verschiedener als gut befundenen Skalen zu BPSD (6)

Skala Anzahl Spannweite Maximum


der Items der Items
Globale Skalen zu BPSD
Neuropsychiatric Inventory (3) 12 0-12 144
a
CERAD-Behaviour Rating Scale for Dementia (7) 46 0-4 148
Behavioral Pathology in AD Scale (4) 25 0-3 75

Depression
Cornell Scale for Depression in Dementia (8) 19 0-2 38

Agitation
Cohen-Mansfield Agitation Inventory (9) 29 1-7 203
a
37 items werden 0-4 bewertet
b
17 items betreffen Stimmung

Als eine globale Skala für BPSD ist NPI zu empfehlen.

Das Neuropsychiatrische Inventar (NPI)


Der Zweck des NPI ist das Sammeln von Informationen über die Psychopathologie
von Patienten mit Gehirnerkrankungen. Das NPI wurde für die Anwendung bei
Patienten mit AD und anderen Formen von Demenz entwickelt, kann aber auch zur
Beurteilung von Verhaltensveränderungen bei anderen Krankheitszuständen nützlich
sein. Das NPI umfasst 10 Verhaltensbereiche und zwei neurovegetative Bereiche
(Schlafen, Essen):

• Wahnvorstellungen
• Halluzinationen
• Erregtheit
• Depression
• Angst
• Euphorie
• Apathie
• Enthemmung
• Reizbarkeit
• Motorische Verhaltensstörungen
• Veränderte Schlafgewohnheiten
• Veränderungen von Appetit und Essgewohnheiten

Das NPI basiert auf Antworten eines Angehörigen, der vorzugsweise mit dem
Patienten zusammenlebt und ist fokussiert auf Veränderungen, die seit
Erkrankungsbeginn aufgetreten sind. Bei jeder Verhaltensänderung wird zunächst
eine Screeningfrage gestellt und falls diese bejaht wird, das entsprechende
Verhalten vertieft exploriert. Alle 12 Aspekte werden inbezug auf Häufigkeit und
Schweregrad und auch in Bezug auf die Belastung für den Angehörigen beurteilt.
Für die Verwendung durch professionelle Pflegekräften wurde die NPI-NH (NH steht

18
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

für nursing home) entwickelt. Der Inhalt entspricht genau dem des ursprünglichen
NPI. Die Fragen wurden allerdings umformuliert, um zu berücksichtigen, dass die
professionelle Pflegekraft den Patienten vor Ausbruch der Krankheit nicht kannte und
daher nicht wissen kann, ob sich die bestehenden Verhaltensmuster des Patienten
von den Verhaltensmustern vor Ausbruch der Krankheit unterscheiden. Die Fragen
zur Belastung der Pflegeperson wurden ebenfalls umformuliert, um den "zusätzlichen
Aufwand an Pflege durch das Verhaltensmuster" beurteilen zu können. Da das
Vorgehen mit Screeningfrage und vertiefter Exploration zeitaufwändig ist, wurde das
NPI-Questionnaire entwickelt (10), welches durch den Angehörigen ohne Interviewer
ausgefüllt werden kann. Dieses Instrument kann auch für den Einsatz durch
Grundversorger empfohlen werden (11).

Spezifische Skalen für bestimmte Symptome der BPSD:

Depression:
Wie bereits oben erwähnt, kommt es bei der Wahl des Untersuchungsinstrumentes
darauf an, welche Frage beantwortet werden soll. Für die Depression wurden
folgende Testverfahren vorgeschlagen (Tabelle 2; 12):

Tabelle 2. Depressionsskalen (12)

Skala Zeitbedarf (Min.)

Screening
Geriatric Depression Scale (13) 5
Cornell Scale for Depression in Dementia (8) 30
Center for Epidemiological Studies – Depression (14) 5

Schweregrad
Hamilton Rating Scale for depression (15) 20-30

Selbstbeurteilung
Beck Depression Inventory (16) 20

Veränderungsbeurteilung
Montgomery & Asberg Depression Rating Scale (17) 20

Je nachdem also, welche Frage es zu beantworten gilt, muss die Wahl des
Instrumentes getroffen werden. Im Beispiel der Depressionsskalen – vor allem wenn
diese nicht im Interviewstil durchgeführt werden – ist zudem zu beachten, dass die
kognitiven Schwierigkeiten des Patienten es ihm verunmöglichen können, die Fragen
zu verstehen. In unserem klinischen Alltag haben wir gute Erfahrungen mit der 15-
item Version der Geriatric Depression Scale (13) und bei Patienen in sehr frühen
Stadien einer Demenz mit dem Beck Depression Inventory (16) machen können.
Empfohlen ist die neuere Version Beck Depressions-Inventar (BDI-II; deutsche
Version, 2.Auflage, 2009).

19
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen

1. Caputo M, Monastero R, Mariani E, et al: Neuropsychiatry symptoms in 921


elderly subjects with dementia: a comparison between vascular and
neurodegenerative types. Acta Psychiatr Scand 2008; 117:455–464
2. Jeon YH, Sansoni J, Low LF et al. Recommended measures for the
assessment of behavioral disturbances associated with dementia. Am J
Geriatr Psychiatry. 2011;19(5):403-15
3. Cummings JL, Mega M, Gray K et al.The Neuropsychiatric Inventory:
comprehensive assessment of psychopathology in dementia. Neurology.
1994;44(12):2308-14.
4. Reisberg B, Borenstein J, Salob SP, et al: Behavioral symptoms in Alzheimer’s
disease: phenomenology and treatment. J Clin Psychiatry 1987; 48(suppl
1):9–15.
5. Tariot PN. CERAD Behavior Rating Scale for dementia. Int Psychogeriatr
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6. Conn D & Thorpe L. Assessment of Behavioural and Psychological Symptoms
Associated with Dementia. Can. J. Neurol. Sci. 2007; 34: Suppl. 1 - S67-71.
7. Morris JC, Mohs RC, Rogers H et al. Consortium to Establish a Registry for
Alzheimer's Disease (CERAD): clinical and neuropsychological assessment of
Alzheimer's disease. Psychopharmacol Bull. 1988; 24: 641-52.
8. Alexopoulos GS, Abrams RC, Young RC et al. Cornell scale for depression in
dementia. Biological Psychiatry 1988, 23, 271–284.
9. Cohen-Mansfield, J. Conceptualization of agitation: results based on the
Cohen-Mansfield Agitation Inventory and the Agitation Behavior Mapping
Instrument. Int. Psychogeriatr. 1996, 8 (Suppl. 3), 309–315; discussion, 351–
354.
10. Kaufer DI, Cummings JL, Ketchel P et al. Validation of the NPI-Q, a brief
clinical form of the Neuropsychiatric Inventory. J Neuropsychiatry Clin
Neurosci. 2000 Spring;12(2):233-9.
11. Forester BP, Oxman TE. Measures to assess the noncognitive symptoms of
dementia in the primary care setting. Primary Care Companion J Clin
Psychiatry 2003;5:158–163.
12. Burns A, Lawlor B, Craig S. Rating scales in old age psychiatry. Bri J Psychiatr.
2002;180:161-7.
13. Sheikh, J. & Yesavage, J. Geriatric Depression Scale; recent findings in
development of a shorter version. In Clinical Gerontology: A Guide to
Assessment and Intervention. Ed. J. Brink). New York: Howarth Press 1986.
14. Radloff, L. S. The CES-D scale: A self report depression scale for research in
the general population. Applied Psychological Measurements, 1977; 1, 385-
401.
15. Hamilton M. A rating scale for depression. J Neurol Neurosurg Psychiatr.
1960;23:56-62.
16. Beck AT, Ward CH, Mendelson M et al. An inventory for measuring depression.
20
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Arch Gen Psychiatry. 1961;4:561-71.


17. Montgomery, S. Asberg, N. A new depression scale designed to be sensitive
to change. Bri J Psychiatr 1979;134:382-9.

Zusätzliche Referenzen:

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behavior disturbance scale. J Am Geriatr Assoc 1990; 38:221–226.
David R, Mulin E, Mallea P, Robert PH. Measurement of neuropsychiatric
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Levin HS, High WM, Goethe KE, et al: The neurobehavioural rating scale:
assessment of the behavioural sequelae of head injury by the clinician. J Neurol
Neurosurg Psychiatry 1987; 50: 183–193.
Overall JE, Beller SA. The Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) in
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1984; 39: 187-93.
Overall JE, Gorham DR. The Brief Psychiatric Rating Scale. Psychol Rep. 1962;
10: 799-812.

21
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Diagnostische Empfehlungen bei BPSD in der Pflege:

Cohen-Mansfield-Assessment Instrument (CMAI: Cohen Mansfield Agitation


Inventory):
Das Instrument wurde speziell zur Erfassung von agitiertem Verhalten auf der Basis
empirischer Beobachtungen zu Forschungszwecken entwickelt (1, 2). Es gibt auch
eine Version für die häusliche Pflege. Das Instrument basiert auf der Beobachtung
von agitiertem Verhalten während zwei Wochen, und rückschauender Bewertung von
gewählten Strategien und Interventionen. Es gibt zahlreiche Untersuchungen zur
Validität und Reliabilität der Skala (2-4). Mit CMAI können nur Ausschnitte von
herausfordernden Verhalten erfasst werden. Es lassen sich keine Erkenntnisse über
die Ursachen des Verhaltens ableiten.

Empfehlungsgrad 3, Evidenzkategorie B

Referenzen:

1. Razney, B. (2004) Mini-Mental-Status-Test und Cohen Mansfield Agitation


Inventory. In „Assessmentinstrumente in der Pflege . Möglichkeiten und
Grenzen“. Bartolomeyczik et al. (Hrsg.): Hannover, Schlütersche 101-114
2. Cohen Mansfield, J. , Libin, A. (2004). Assessment of agitation in elderly
patients with dementia: correlations between informant rating and direct
observation. International Journal of Geriatric Psychiatry 19 (9): 881 -891
3. Oppikofer S.(2008). Lebensqualität bei Demenz. Zürich, Zentrum für
Gerontologie
4. Oppikofer S. (2008). Pflegeinterventionen bei Agitation und schwerer Demenz.
Zürich, Zentrum für Gerontologie

22
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Therapien

Basale Therapieverfahren

Obwohl kontrollierte Studien für die meisten der basalen Therapieverfahren


unausreichend vorhanden und die Evidenz-Kategorien niedrig sind haben sich diese
Interventionen im klinischen Alltag sehr gut bewährt. Deswegen möchte die
Experten-Gruppe der Schweizer Fachgesellschaften diese Therapieverfahren als
Schweizerische Experten Meinung (SEM) empfehlen.

SEM: Alle pflegerischen und psychosozialen Interventionen werden als erste Wahl
und als begleitende Verfahren empfohlen.

Psychosoziale Interventionen bei BPSD

Psychoedukation:

Psychoedukation hat zum Ziel, komplizierte medizinisch-wissenschaftliche Fakten so


zu vermitteln, dass sie von Kranken und deren Angehörigen gut verstanden werden.
Psychoedukation ist die therapeutisch angeleitete Vermittlung vom Wissen über die
Erkrankung, die erforderlichen Therapien, die möglichen Selbsthilfestrategien und die
Prognose (1). Im psychoedukativen Einzelgespräch versucht der Therapeut in sehr
anschaulicher und verständlicher Weise, den Kranken oder auch dessen Angehörige
über die Hintergründe der Erkrankung und die erforderlichen
Behandlungsmaßnahmen aufzuklären. In der psychoedukativen Gruppen-Therapie
stehen das gemeinsame Gespräch und der gemeinsame Erfahrungsaustausch
zwischen den Teilnehmern untereinander und dem Gruppenleiter im Vordergrund.
Darauf aufbauend werden die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse so
vermittelt, dass die Patienten und Angehörigen einen vernünftigen Überblick über die
Erkrankung und die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen bekommen (1).

Neben dieser Informationsvermittlung spielt die gleichzeitige emotionale Entlastung


eine ganz wesentliche Rolle. Mit emotionaler Entlastung ist gemeint, dass die
gefühlsmäßige Betroffenheit und die Erschütterung, die mit der Erkrankung
zwangsläufig verbunden ist, entsprechend aufgefangen und bearbeitet wird. Durch
die klar gegliederte Informationsvermittlung soll den Betroffenen geholfen werden,
die persönlichen Erlebnisse in ein System einzuordnen und auf das bereits
bestehende Vorwissen aufzubauen. Es werden ergänzende Informationen geliefert,
beraten und praktische Unterstützung angeboten. Die Betroffenen werden motiviert,
die erforderlichen Therapien tatsächlich in Anspruch zu nehmen und
gesundheitsförderndes Verhalten zu entwickeln um allmählich Sicherheit und
Gelassenheit im Umgang mit ihrer Erkrankung zu bekommen.

Insgesamt zeigen Studien zur Psychoedukation und zu kognitiv-behavioralen


Psychotherapieformen eine hohe Wirksamkeit in der Reduktion der psychischen
Belastung und der psychopathologischen Symptome sowohl bei den Angehörigen
als auch bei Patienten mit AD (2-4). Psychoedukation für die Angehörigen wirkt sich

23
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

im Weiteren positiv auf den Gesamtwert des „Neuropsychiatrischen Inventars“ von


AD aus (5-8).
Psychoedukative und psychotherapeutische Interventionsformen können somit bei
primären Betreuungspersonen von Demenzerkrankten effektiv zur Prävention und
Reduktion psychischer Symptome und zur Entwicklung von Bewältigungsstrategien
beitragen. Es zeigen sich auch signifikant positive Effekte von multimodalen
Angeboten sowie von Case und Care Management einerseits auf die psychische
Belastung von pflegenden Angehörigen, andererseits auf deren Kompetenz im
Umgang mit behavioralen und psychologischen Symptomen des von ihnen
gepflegten Menschen mit Demenz (9-14) .
Beurteilung: Für Menschen mit AD ist Psychoedukation ab Beginn der Krankheit bis
etwa mittleres Stadium nutzbringend. Für Angehörige ist sie besonders in Form von
Angehörigengruppen und –Seminaren sehr wirkungsvoll. Sie kann bei BPSD und bei
psychiatrischen Folgeerkrankungen der Angehörigen vorbeugend wirken und
Symptome mildern.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

Sozialberatung:

Sozialberatung beinhaltet Beratung der Kranken und der betreuenden Angehörigen


im Hinblick auf gesetzliche, soziale, finanzielle und organisatorische Aspekte im
Zusammenhang mit der Krankheit, aber auch Unterstützung beim Ausfüllen von
Formularen und Anträgen, und bei Vermittlung von Entlastungsdiensten. Nach dem
ersten Stadium der Krankheit richtet sich die Sozialberatung vorwiegend an die
Angehörigen.
Es zeigt sich insgesamt eine moderate bis hohe empirische Evidenz der Wirksamkeit
verschiedener Formen von Sozialberatungen im Umgang mit Demenz (15, 16).
Es besteht eine gewisse Erfolgsquote durch spezifisch geschulte Hausärzte, welche
an die betreuenden Angehörigen Dienstleistungen zur Unterstützung vermitteln (17).
Es ist weiter belegt, dass ein adäquates Beratungs- und Unterstützungsangebot für
die Angehörigen den Heimeintritt der dementen Person zeitlich verzögern kann (18).
So können multikonzeptionelle und proaktive Interventionsansätze die Belastungen
der pflegenden Angehörigen signifikant reduzieren. Es konnten verbesserte
Zufriedenheitsraten bei den Betreuenden in Bezug auf die Wahrnehmung sozialer
Unterstützung durch Beratungen beim Eintrittsentscheid in ein Pflegeheim aufgezeigt
werden (19, 20).

Beurteilung: Sozialberatung ist nützlich zur Wahrung der Lebensqualität und zur
Verhütung des Auftretens von BPSD, bzw. deren Milderung. Um die Ressourcen und
Grenzen zu erkennen und bei Bedarf frühzeitig eingreifen zu können, ist eine
präventive Begleitung in Form von zugehender Beratung oder Care/Case
Management wünschenswert, da es die Belastbarkeit der Angehörigen erhöht.
In der Praxis ist der kombinierte Einsatz von Sozialberatung und Psychoedukation zu
empfehlen.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C

24
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Angehörigenbasierte Verfahren:

Unter „angehörigenbasierte Verfahren“ sind verschiedene Ansätze von kognitivem -


und Verhaltens-Training zur Stärkung der betreuenden Angehörigen zu verstehen.
Das Training, während dem sie mit BPSD umzugehen lernen, steigert die
Belastbarkeit der betreuenden Angehörigen (21, 22). Diese unterstützenden
Therapieansätze für die Angehörigen sind eine Ergänzung zur Psychoedukation.
Es zeigt sich insgesamt eine mittlere empirische Evidenz in Studien zur Wirksamkeit
von angehörigenbasierten Verfahren (23).

Wie bereits oben unter „Psychoedukation“ aufgeführt, zeigen psychoedukative


Interventionen für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz die beste
Wirksamkeit. Kognitives Verhaltenstraining zur Unterstützung von pflegenden
Angehörigen weist hohe bis moderate Effekte auf (24-26).
Es zeigt sich, dass eine massgeschneiderte Unterstützung der pflegenden
Angehörigen sehr wichtig ist. Unterstützende Interventionen für pflegende
Angehörige können Heimeintritte von Demenzerkrankten verzögern (27).
Generell lässt sich sagen, dass die Stärkung von Angehörigen durch
bewältigungsbasierte Therapie eine Verbesserung der Lebensqualität von Menschen
mit Demenz bewirken kann. Eine hohe Wirksamkeit zeigt sich für psychosoziale
Interventionen, welche von pflegenden Angehörigen bei Menschen mit Demenz
angewendet werden (28). Diese können die Häufigkeit und Schwere von BPSD
reduzieren. In mehreren Studien wird eine hohe Wirksamkeit für die kombinierte
Anwendung von einerseits körperlichen Übungen der Betroffenen mit andererseits
Training im Verhalten bzw. im Umgang mit Demenzerkrankten für die pflegenden
Angehörigen ausgewiesen (25, 29). Zudem kann durch diese kombinierte
Intervention die funktionale Abhängigkeit der Menschen mit Demenz und in der Folge
die Belastung der Betreuenden reduziert werden.

Beurteilung: Angehörigenbasierte Verfahren sind hilfreich, um die eigenen


Ressourcen optimal zu nutzen (Empowerment), was gleichzeitig dem Kranken
Sicherheit gibt und die Symptome verringern hilft.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

Milieutherapeutische Interventionen:

Es zeigt sich eine zunehmende empirische Evidenz für die positive Wirksamkeit einer
milieutherapeutischen Umweltgestaltung auf demenzspezifische Symptome (30).
Es wurde gezeigt, dass die Pflege-, Arbeits- und therapeutische Umwelt eine
bedeutsame beeinflussende Wirkung auf die Lebensqualität von Menschen mit
Demenz und auf deren Angehörige hat. Generell gilt, dass Milieutherapie wirksam
und vor allem nebenwirkungsfrei ist (31). Strukturiertes und gesichertes Umfeld und
klare Informationen können BPSD mildern/verhindern.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C

25
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

26
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Pflegerische Interventionen:

Es stehen verschiedene Interventions-Möglichkeiten zur Verfügung, die die Kognition


der Betroffenen stabilisieren oder aktivieren helfen, und indirekt die BPSD
verbessern. Z.B. zeigt sich eine moderate Wirksamkeit für die Anwendung von
kognitiver Stimulation zur Stabilisierung kognitiver Funktionen bei leichter bis
mittelschwerer AD (32). Eine hohe Wirksamkeit zeigt sich bei
Mehrkomponenten­Interventionen, welche die Lebensqualität sowohl bei den
Betroffenen als auch bei den Betreuenden verbessern (8). Gruppentherapeutische
Programme in kognitiver Stimulation bewirken eine signifikante Verbesserung von
kognitiven Fähigkeiten bei Demenzkranken (33). Körperliches Training bei Menschen
mit Demenz zeigt eine hohe Wirksamkeit in der Verbesserung des Wohlbefindens
der Betroffenen (34). Ergotherapeutische Interventionen (z.B. TAP­Programm)
bewirken einen moderaten Zugewinn an Wohlbefinden bei den Betroffenen und bei
den Betreuenden (35). Hohe Wirksamkeit in Bezug auf verbesserte
Bewältigungsstrategien im Umgang mit Demenz zeigt ein kognitives
Verhaltenstraining für das Pflegepersonal (36). Diese Interventions-Möglichkeiten
werden im Detail besprochen.

Methodik der pflegerischen Interventionen:

Verstehender Ansatz (Identifikation von Bedingungsfaktoren)


Need-Driven-Dementia-Compromised Behavior Modell (NDB: Bedürfnisbedingtes
Demenz-Verhaltensmodell):

Die Anwendung dieses Struktur-Modells der verstehenden Diagnostik wird durch


eine Expertengruppe vom Deutschen Bundesministerium für Gesundheit als
Rahmenempfehlung und Grundlage für den Umgang mit herausforderndem
Verhalten empfohlen (37). Herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz
wird verstanden als Resultat der Unfähigkeit, Bedürfnisse verständlich auszudrücken.
Daraus leitet sich für die Betreuenden die Aufgabe ab, die Bedeutung dieser
Verhaltensweise zu erkennen und den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Bei dem Modell wird das Verhalten mit zwei Arten von Faktoren erklärt. Es wird
grundsätzlich unterschieden zwischen einerseits Hintergrundfaktoren, die durch
Interventionen kaum beeinflussbar sind und als Risikofaktoren identifiziert werden
können (Gesundheitsstatus, physische und kognitive Fähigkeiten,
Persönlichkeitseigenschaften usw.). Auf der anderen Seite sind die Proximalen/
Nahen Faktoren. Diese können BPSD auslösen und sind durch Interventionen eher
beeinflussbar (Schmerzen, Hunger, Durst, Umgebungsreize usw).
Das NDB Modell kann herausforderndes Verhalten modellhaft erklären. Aber es gibt
keine Hinweise auf spezifische Assessmentinstrumente, zu deren Abfolge und
daraus resultierenden spezifischen Massnahmen. Dies ist aber unabdingbar, damit
eine Umsetzung in der Praxis möglich wird (40-42). Trotzdem ist die
Rahmenempfehlung der Expertengruppe (37, 38, 43) als grundlegende Methodik in
der Therapie der BPSD zu empfehlen.

27
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Serial Trial Intervention (STI):

Strukturiertes Verfahren auf dem Hintergrund des NDB Modells: Suche nach der
Ursache des Verhaltens mit definierter Abfolge des Erkennens von
Verhaltensveränderungen, definierter Abfolge von Assessments, definierter Abfolge
von Interventionen. STI ist die Weiterentwicklung des Assessment-Instruments
„Assessment of Discomfort in Dementia“ zu dem positive Evaluationen vorliegen
(44). Zwei kontrollierte Studien in Pflegeheimen bei Patienten mit AD sind vorhanden
(40-42). Ergebnisse zeigen gute Wirksamkeit bei Reduktion von BPSD und
Rückgang der Psychopharmaka-Verordnungen bei der Interventions- und
Kontrollgruppe, ohne eindeutigen Vorteil für STI. STI führte zu stärkerer
Wahrnehmung von körperlichen Symptomen als Ursache des Verhaltens. Ein
strukturierter Rahmen zum Umgang mit BPSD, unabhängig zum eingesetzten
Verfahren, führte zu einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung. Die höhere
Sicherheit des geschulten Personals führte zu einer Reduktion von
Verhaltensauffälligkeiten (40, 41).

Fallgespräche:

Eine Literaturanalyse zur Fallbesprechung in der Pflege ausgehend von einer


systematischen Datenbankrecherche hat ergeben, dass in allen Settings
professioneller Pflege Fallgespräche durchgeführt werden (45). Diese weisen eine
grosse, kaum überblickbare Variabilität auf. Die systematische Erforschung der
Praxis der Fallbesprechungen fehlt (37). Trotzdem sind von der Expertengruppe bei
den Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten
Fallbesprechungen explizit empfohlen, dies zur Bezugspersonenarbeit,
Informationsaustausch, Zielvereinbarungen und Abstimmung von Interventionen (37).

Studien zur pflegerischen Interventionen:

Pflegerische Interventionen lassen sich in drei Hauptkategorien einordnen (50):


1. Interventionen zu unerfüllten Bedürfnissen
2. Interventionen zu Lernen und Verhalten (learning and behavioral
interventions)
3. Interventionen mit Bezug auf Vulnerabilität des Umfelds und Interventionen
zur Reduktion der Stress-Schwelle (environmental vulnerability and reduced
stress threshold interventions)
Ayalon (2006) fand in ihrer Review (50) mehrere hundert Studien in welchen die
Effizienz von Interventionen untersucht wurden, aber nur neun davon erfüllten die
Einschlusskriterien der Studie, davon waren sechs mit single case designs. Es gibt in
den Studien Aussagen zu Interventionen, die als effizienter goldener Standard
gelten, aber leider oft nicht ausreichende Evidenz zur Wirksamkeit. Viele
systematische Reviews schliessen nur randomisierte kontrollierte Studien (RCT) ein.
Bei RCT’s müssen Interventionen gebündelt und limitiert werden. Diese
Begrenzungen beeinflussen die Generalisierbarkeit der Resultate auf andere
28
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Populationen. Viele Probleme im Verhalten von Meschen sind signifikant, aber nicht
ausreichend prävalent um eine ausreichende Grösse eines Samples zu rekrutieren.
Im Gegensatz dazu sind „natürliche Studien“ (natural studies), welche z.B. in
Pflegeheimen durchgeführt werden mehr generalisierbar im Bezug auf die
Bedingungen des realen Alltags. Diese Studien sind gemäss Cohen-Mansfield et al
2014 sehr wichtig, weil sie mehr Antworten auf die wahren Bedürfnisse der Praxis
suchen. Mansfield postuliert daher, dass es entscheidend ist, vermehrt auch aus den
Erkenntnissen der „natural studies“ zu lernen (Cohen-Mansfield, J., Buckwalter, K.,
Beattie, E., Rose, K., Neville, Ch., Kolanowski, A. : Expanded Review Criteria: The
Case of Nonpharmacological Interventions in Dementia. Journal of Alzheimer’s
Disease ISSN 1387 -2877/14).

Best Evidence Practice und Leitlinien:

Klinische Leitlinien/Guidelines bieten Empfehlungen von Expert/Innen zu Evidenz


basierten Interventionen (51-53). Empfohlen werden in den Guidelines generelle
Interventionen zu der jeweiligen Verhaltensstörung und daraus abgeleitete
individuelle Patienteninterventionen. Als Grundlage dafür gilt ein individuelles
Assessment des Verhaltens und der Ursachen, die beim Patienten und seinem
Umfeld erkannt werden (verstehender Ansatz NDB, strukturiertes Assessment STI).
Beispiele sind:

Auf den Kranken abgestimmte Pflege-Interventionen:

Pflege von Menschen mit disruptiver Vokalisation:


Die Grundlage bildet die „Practice Guideline for Vocally Disruptive Behaviour in
Persons with Dementia“ (51, 54-56), (Management von vokalen Störungen bei
Demenz). Systematische Behandlungsstudien gibt es wenige und es fehlen
empirische Daten zur Evidenz von spezifischen Interventionen, wie sie in der Praxis
angewendet werden (57). Generelle pflegerische Interventionen von Menschen mit
Vokalisation sind (51, 57):
1. Ruhige, nicht hastige Annäherung
2. warme , beruhigende Stimme
3. non-verbale Kommunikation und Augenkontakt
4. Handlungen erklären
5. Vermeidung von Ausdrücken von wertenden Gedanken und Gefühlen
6. Reduktion von bedeutungslosen exzessiven Stimuli und Lärm (z.B. TV)
7. Schaffen von sofortiger Erleichterung von Unbehagen
8. Hinweise zur Orientierung geben
9. Eine sinnvolle Aktivität anbieten
Die auf die Patientensituation massgeschneiderten Interventionen sollen abgeleitet
sein von den generellen pflegerischen Interventionen bei vokalen Störungen und

29
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

vom individuellen Assessment des Verhaltens und den Ursachen, die beim Patienten
und seinem Umfeld erkannt werden (NDB-Modell).

Evidenzkategorie C3, Empfehlungsgrad 4

Pflege von Menschen mit sexuellen Verhaltensstörungen bei Demenz:

Die publizierten nicht medikamentösen Therapiestrategien sind bezüglich


Wirksamkeit unbefriedigend untersucht. Zudem ist die Definition der Störung
uneinheitlich. Breit akzeptierte spezifische Erfassungsinstrumente scheint es nicht zu
geben. Falls Assessment-Instrumente in Studien aufgeführt werden, sind es in der
Regel Erfassungsinstrumente für Verhaltensstörungen allgemein, die das sexuelle
störende Verhalten nur mit einem Item abbilden (53).

Generelle pflegerische verhaltens- und milieutherapeutische Massnahmen zur


Vermeidung von Situationen, die das problematische Verhalten hervorrufen sind
(53,58, 59):
1. Pflege durch eine Person, welche keine sexuelle Attraktion auslöst

2. Feedback über Unangemessenheit des Verhaltens

3. Ablenken

4. Aufklären verunsicherter Angehöriger

5. Patientenkontakt nicht reduzieren

6. Einheitliche Haltung von Pflegenden

7. Gute Information vor/während der Körperpflege

8. Kleider, die sich schwer öffnen/ schwer ausziehen lassen

9. Hintergrundmusik

10. Milieuwechsel

11. Erwünschtes Verhalten gezielt verstärken, unerwünschtes ignorieren

Die auf die Patientensituation massgeschneiderten Interventionen sollen abgeleitet


sein von den generellen pflegerischen Interventionen bei sexuellen
Verhaltensstörungen und vom individuellen Assessment des Verhaltens und den
Ursachen, die beim Patienten und seinem Umfeld erkannt werden (NDB-Modell).

Evidenzkategorie C3, Empfehlungsgrad 4

Empfehlungen zum nicht- pharmakologischen Management von Aggression bei


Menschen mit Demenz:

30
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

In der Literatur zum Management von Aggression bei Demenz findet sich häufig die
Empfehlung, dass verstehende Assessments zum Patienten und seinem Umfeld die
Grundlage für pflegerische Behandlungspläne bilden sollen (60). Bei der
Literaturrecherche von Vickland (2012) erwiesen sich 45 Studien, 16 Guidelines, vier
Konsensuspapiere von Experten als verwertbar (52). Bei der Entwicklung von
individualisierten Guidelines zum Management von Aggression bei dementen
Menschen sind vier Dimensionen zu berücksichtigen (52):
1. Patient: individuelle Charakteristik, persönliche Lebensgeschichte,
persönliches Umfeld

2. Störung: Beschreibung der Symptome und der Theorie möglicher Ursachen


für das Verhalten

3. Behandlung: Ziele und Erwartungen an die nicht pharmakologischen und


pharmakologischen Interventionen, ethische Entscheidungen und Notfall-
Behandlung

4. Vertrauen in die Empfehlungen: evidenzbasiert, aktuell, vorausschauend auf


potentielle Konflikt, Verbraucherfreundlichkeit und Zugänglichkeit der
vorhandenen Empfehlungen.

Zum Management der Aggression bei Demenz ist die Berücksichtigung multipler
Faktoren, wie z.B. psychologische, medizinische, kognitive und umweltbezogene
Faktoren, notwendig. Leitlinien und Aspekte im Umgang mit aggressivem Verhalten
(nicht demenzspezifisch) sind auch auf die Demenzpflege anwendbar (61).
Die auf die Patientensituation massgeschneiderten Interventionen sollen abgeleitet
sein von den generellen pflegerischen Interventionen bei aggressivem Verhalten und
vom individuellen Assessment des Verhaltens und den Ursachen, die beim Patienten
und seinem Umfeld erkannt werden (NDB-Modell -Auslöser identifizieren und
vermeiden).

Evidenzkategorie C3, Empfehlungsgrad 4

31
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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53. Kämpf, C. , Abderhalden, C. (2012). Sexuelle Verhaltensstörungen bei
Demenz. In: Fortschr. Neurol Psychiatr 2012; 80 (10): 580-588
54. White, M.et al. (1996). Vocally disruptive behavior. In : Journal of
Gerontological Nursing 22 (11), 23 -29
55. Lai, C. K. Y. (1999). Vocally disruptive behaviors in people with cognitive
impairment, current knowlwdge and future research directions. In : American
Journal of Alzheimers’s Disease, 14(3), 172 -180
56. Cohen-Mansfield, J., Werner, P. (1997) Management of verbally disruptive
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57. Mc. Minn, B. Draper, B. (2005) Vocally disruptive behavioir in dementia:
Development of an evidence based practice guideline. In: Aging & Mental
Health, January 2005; 9 (1) 16 – 24
58. Hajjar, RR., Kamel, HK. (2004). Sexuality in the nursing home, part 1:
attitudes and barriers to sexual expression. In : J Am Med Dir Assoc 2004 ; 5 :
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59. Kamel, HK. Hajjar RR. (2004). Sexuality in the nursing home, part 2:
managing abnormal behavior-legal and ethical issues. In: J Am. Med Dir
Assoc 5: 48-52
60. Hall, K.A, O’Connor, D.W. (2004). Correlates of aggressive behavior in
dementia. In: International Psychogeriatrics,16, 141 – 158
61. Sauter et al (2004). Lehrbuch Psychiatrische Pflege. Bern, Verlag Hans Huber

36
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Personenzentrierte Pflege von Menschen mit Demenz:

Tom Kitwood (1997) wendet sich in seinem Konzept der personenzentrierten Pflege
gegen die ausschließliche Sichtweise der Demenz als hirnorganischem Geschehen.
Er ist bestrebt, die psychosozialen Bedürfnisse der betroffenen Menschen zu
erkennen und auf der Grundlage eines verstehenden Vorgehens eine
bedürfnisorientierte Pflege und Betreuung zu erzielen. Die Einzigartigkeit der Person
soll im Mittelpunkt stehen. Daher ist die Erhaltung und Stärkung des Person seins
das oberste Ziel. Kitwood stellte die Hypothese auf, dass eine personenzentrierte
Pflege den Verlauf einer Demenzerkrankung positiv beeinflussen kann. Durch
gezielte auf die Person zentrierte Massnahmen sollen grundlegende Bedürfnisse
erfüllt werden und dabei sinnvoll erlebte Beschäftigung ermöglichen. Individuell
abgestimmte angenehme Aktivität (Personalized pleasant activities) sind abgestimmt
auf individuelle Interessen und Gewohnheiten. Sie umfassen sensorische,
körperliche (Bewegung), kommunikative, biographische und kognitive Angebote.

Tom Kitwood entwickelte das strukturierte personenzentrierte Beobachtungs- und


Evaluationsverfahren Dementia Care Mapping (DCM). Die Beobachtung (Mapping)
erfolgt durch ausgebildete Beobachter. Die ermittelten Daten werden in ein
Beobachtungsschema eingetragen und dienen als Grundlage für einen auf die
Bewohner/Innen abgestimmten Pflegeprozess.

Effekt von personenzentrierter Pflege in Bezug auf BPSD:

In den letzten 10 Jahren steht der personenzentrierte Ansatz bei der Pflege von
Menschen mit Demenz zunehmend im Fokus bei der Suche nach effektiven
psychosozialen und pflegerischen Interventionen bei BPSD. Testad et al (2014)
schlossen 40 Studien in ihre Review ein, die zwischen 2000 und 2012 zur Evidenz
von psychosozialen Interventionen mit einem personenzentrierten Ansatz
durchgeführt wurden. Davon waren 26 RCTs und 14 hatten ein quasi experimentelles
Design. Die Studien stammen aus 13 Ländern. Die Interventionsperioden dauerten
von einer bis 78 Wochen. Die Frequenz der Interventionen variierte von einmal
wöchentlich bis zweimal täglich. Die individuellen Massnahmen dauerten jeweils von
30 Minuten bis zu vier Stunden.
Es wurden 10 Studien in die Review eingeschlossen zum Thema „Individuell
abgestimmte angenehme Aktivitäten“ (personalized pleasant activities) mit oder ohne
soziale Interaktion. In vier Studien (Kovach 2004, Cohen-Mansfield et al. 2007, 2010,
2012) zeigte sich ein signifikanter Benefit in der Behandlung von Agitation im
Vergleich mit Kontrollgruppen. Nur drei kontrollierte Studien konnten gefunden
werden, die den Effekt von Training von Pflegeteams in personenzentrierter Pflege
untersuchten (person-centered care training interventions). Alle drei Studien
identifizierten einen Nutzen. Chenoweth et al (2009) berichteten von einer
Verbesserung der Symptome von Agitation. Fossey et al (2006) berichtete von einer
Abnahme von Antipsychotika. Brooker et al. (2011) zeigten eine Verbesserung der
Stimmung auf.

Evidenzkategorie B, Empfehlungsgrad 3

37
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

Tom Kitwood (2004). Demenz: Der Personenzentrierte Ansatz im Umgang mit


verwirrten Menschen. Deutschsprachige Ausgabe hrsg. von C. Müller-Hergl, Bern.
Huber

Ingelin Testad, Ann Corbett, Dag Aarsland, Kristin Osland Lexow, Jane Fossey, Bob
Woods and Clive Ballard (2013). The value of personalized psychosocial
interventions to address behavioral and psychological symptoms in people with
dementia living in care home settings: a systematic review In: International
Psychogeriatrics: page 1 of 16 International Psychogeriatric Association 2014

Kovach, C.R et al. (2004). Effect oft he BACE intervention on agitation of people with
demetia. The Gerontologist, 44, 797–806

Cohen-Mansfield, J. et al. (2012) Efficacy of nonpharmological interventions for


agitation in advanced dementia : a randomized, placebo controlled trial. Journal of
Clinical Psychiatry, 73, 1255 -1261

Chenoweth, L. et al. (2009). Caring for Aged Dementia Care. Resident Study
(CADRES) of person-centered care, dementia- care mapping und usual care in
dementia : a cluster randomised trial : Lancet Neuroloy, 8, 317- 325.

Fossey, J. et al ( 2006).Effect of enhanced psychosocial care on antipsychotic use in


nursing home residents with severe dementia : cluster randomised trial.British
Mediacal Lournal, 332, 756 –761.

Brooker, D.J.et al.(2011). The enriched opportunities programme for people with
dementia : a cluster randomized controlled trial in 10 extra housing schemes. Aging
and Mental health, 15, 1008-1017.

38
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Zusatztherapien

Validationstherapie:

Als Basis für die Arbeit und Kommunikation mit Menschen mit Demenz und
herausforderndem Verhalten wird eine validierende wertschätzende Grundhaltung
empfohlen (1). Validation nach Naomi Feil (2) hat ihren Ursprung in der
Humanistischen Psychologie von Rogers. Nach Feil sind Situationen und Ereignisse
aus der Vergangenheit mögliche Ursachen für herausforderndes Verhalten. Demenz
wird als eine Möglichkeit zur Erfüllung von unerledigten Lebensaufgaben verstanden.
In der Validation begibt sich die Anwenderin in die innere Welt der Demenzkranken.
Grundpfeiler des Konzepts sind Einfühlungsvermögen, Umgangsfertigkeiten und
Kenntnisse der Stadien einer Demenz. Für jedes Stadium der Demenz gibt
körperliche und psychische Merkmale, auf die mit beschriebenen
Anwendungstechniken reagiert werden soll. In der Validation begibt sich die
Anwenderin in die innere Welt der Demenzkranken.
Nicole Richards (3) hat das Konzept als Integrative Validation übernommen. Sie
wendet sich von der Annahme ab, dass Demenz eine Möglichkeit zur Erfüllung
unvollendeter Lebensaufgabe sei. Sie richtet den Schwerpunkt ihres Konzeptes auf
Vermittlung von praktischen Fähigkeiten. Sie beschreibt vier Ausgangspunkte
(personenzentrierte, wertschätzende Grundhaltung, Wahrnehmungskompetenz der
Pflegenden, validierende Umgangsfertigkeiten). Der Umgang mit Menschen mit
Demenz beruht auf Bestätigung der Gefühle, Verständnis und Anerkennung der
Antriebe und das Mitgehen in die Gefühlswelt der Menschen mit Demenz.
Erlebnisorientierte Pflege (4): Weiterentwicklung der validierenden Pflege bei der
nicht die Veränderungen des Verhaltens im Zentrum stehen sondern die positiven
Begegnungen und die Kreativität im Umgang. Es wird nicht nur ein Mitgehen in die
Gefühlswelt empfohlen, sondern auch ein angemessenes Gegengewicht, das heisst,
auch das Setzen von Grenzen.
Es sind 3 Studien zur Validationstherapie vorhanden (5-7), darunter eine kontrollierte
Studie. Forschungsergebnisse sind nicht eindeutig und auch wenn einige positive
Resultate aufweisen. Deutlichere Resultate zeigen Studien, in denen Validation in
Kombination mit anderen Methoden eingesetzt wurde, z.B. mit Aromatherapie,
Massage oder Musiktherapie (1).

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C

Aromatherapie/ Aromapflege:

Mehrere kleine bis mittelgroße Studien mit kurzer Dauer und verschiedenen
methodischen Schwächen sprechen für eine günstige Beeinflussung von Agitation
durch Aromatherapie (8-13). Bezogen auf das verwendete Aroma und den
Applikationsweg besteht die beste Datenlage für vernebeltes Lavendelöl und für in
die Haut einmassiertes Melissenöl. Unterschiede in Wahl des essentiellen Öls,
Applikationsweg und anderen Aspekten des Studienprotokolls lassen derzeit keine
sinnvollen Metaanalysen zu. Vorteilhaft sind das exzellente Risiko- und
Nebenwirkungsprofil sowie die kostengünstige und einfache Anwendung. Selten sind
Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen beschrieben. Bei Applikation durch
einmassieren wird die Aromatherapie mit Aspekten der basalen Stimulation

39
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

kombiniert. Es ist nicht klar, ob und in welchem Ausmaß eine Beeinträchtigung des
Geruchssinns, die bei vielen älteren Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen
vorkommt, die Wirksamkeit der Aromatherapie beeinflusst. Der Einsatz von
Aromatherapie in der Behandlung von Agitation bei Demenz wird empfohlen. Da
aber die meisten Studien von kurzer Dauer waren und kleine Fallzahlen aufwiesen
beruht die Evidenz in erster Linie auf guter klinischer Erfahrung.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Snoezelen:

Multisensorische Stimulation durch unterschiedliche visuelle, akustische,


olfaktorische, taktil-haptische, vestibuläre und /oder vibratorische Angebote.
Snoezelen kann einzeln oder in Gruppen in separaten Räumlichkeiten oder im Alltag
integriert stattfinden. Drei randomisierte kontrollierte Studien und einzelne
Fallbeschreibungen zeigten die (oft nicht signifikante) Wirksamkeit der Methode bei
störendem Verhalten, Depression, Aggression, Apathie, Kognition und Agitation
während der Intervention (5). In sechs Übersichtsartikeln wurde über eine mögliche
Wirkung diskutiert (14). Der Effekt war unmittelbar nach der Intervention positiv, hielt
aber nicht dauerhaft an. Snoezelen hat eine weite klinische Verbreitung in der Arbeit
mit Menschen mit Demenz gefunden. Positive Wirkung auf das herausfordernde
Verhalten von Menschen mit Demenz steht vor allem im Zusammenhang mit
Konzepten, die das Snoezelen im Alltag einer Institution integrieren (4). Die
Empfehlung basiert auf guter klinischer Erfahrung.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Basale Stimulation:

Basale Stimulation wurde vom Sonderpädagogen Fröhlich entwickelt und durch


Bienstein in die Pflege übertragen. Die Anwenderinnen sind bestrebt durch einfache
Formen der Kontaktaufnahme über den Körper, über Berührung und Bewegung zu
kommunizieren. Es sollen dadurch Informationen über sich selbst und die Umwelt
gegeben werden. Der Körper kann so erfahrbar gemacht werden. Basale Stimulation
wird vor allem bei der Körperpflege z.B. beim Waschen eingesetzt. Aufbau von
Vertrauen und die Vermittlung von Sicherheit können zur Reduktion von
herausforderndem Verhalten bei der Körperpflege beitragen.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Bewegungsförderung:

Bei Menschen mit Demenz finden sich zahlreiche Bewegungsmuster, von


gänzlichem Bewegungsmangel bis zum gesteigerten Bewegungsdrang.
Bewegungstraining mit Menschen mit Demenz umfassen gezielte Programme, oft
kombiniert mit Musik, Tanz, aber auch mit Aktivitäten zur Orientierung im Alltag wie

40
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

z.B. regelmässige langsame Spaziergänge. Dem Bewegungsdrang soll stattgegeben


werden unter Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte.
In einem Review und einer Metaanalyse (7, 15) wurden 30 kontrollierte Studien
untersucht. Die Bewegungsförderung hatte signifikant positive Wirkungen auf
funktionelle und kognitive Leistungsfähigkeit, und auf die NPS. Positive
Auswirkungen wurden auch auf Wandering (15), nächtliches Wandern (17),
Aggressivität (18) und Agitation (19). Menschen mit Demenz und NPS sollen täglich
ausreichende Möglichkeiten zur Bewegung haben.

Empfehlungsgrad 1, Evidenz-Kategorie A

41
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:
1. Bartholomeyczik S. et al. Rahmenempfehlungen zum Umgang mit
herausfordernden Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären
Altershilfe, Bundesministerium für Gesundheit. 2006.
2. Feil N. Validation therapy. Geriatr Nurs 2004; 13: 129-133.
3. Richard N. Integrative Validation : Brücken bauen in der Welt dementiell
Erkrankter. Hannover: Vincentz Verlag 1999.
4. Van der Kooij C. Das mäeutische Pflegekonzept und die Einführung der
integrierten erlebnisorientierten Pflege in psychogeriatrischen Wohnbereichen.
Dissertation. Utrecht. Freie Universität Amsterdam 2003.
5. Livingston G, Johnston K, Katona C et al. Systematic review of psychological
approaches to the management of neuropsychiatric symptoms of dementia.
Am J Psychiatry 2005; 162: 1996-2021.
6. Neal M&Barton Wright P. Validation therapy for dementia. Cochrane Database
of Systematic Reviews Issue 3. Art.No. CD001394. doi: 10.1002/14651858.
CD001394, 2003.
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interventions to address behavioral and psychological symptoms in people
with dementia living in care home settings : a systematic review. Int
Psychogeriatr 2014 ; 26 : 1083-1093.
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placebo controlled trial. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2003; 74: 863-886.
9. Ballard CG, O’Brien JT, Reichelt K et al. Aromatherapy as a safe and effective
treatment for the management of agitation in severe dementia: the results of a
double-blind, placebo-controlled trial with melissa. J Clin Psychiatry 2002; 63:
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10. Holmes C, Hopkins V, Hensford C et al. Lavender oil as a treatment for
agitated behaviour in severe dementia: a placebo controlled study. Int J
Geriatr Psychiatry 2002; 17: 305-308.
11. Smallwood J, Brown R, Coulter F et al. Aromatherapy and behaviour
disturbances in dementia: a randomized controlled trial. Int J Geriatr
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13. Thorgrimsen LM, Spector AE, Wiles A et al. Aroma therapy for dementia.
Cochrane Database of Systematic Reviews Issue 3. Art.No.: CD003150.
doi:10.1002/14651858.CD003150, 2003.
14. Hulme C, Wright J, Crocker T et al. Non-pharmacological approaches for
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15. Heyn P, Abreu BC, Ottenbacher KJ. The effects of exercise training on elderly
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42
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

18. Forbes DA. Strategies for managing behavioural symptomatology associated


with dementia of the Alzheimer type: a systematic overview. Can J Nurs Res
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residents with dementia-related behavioral symptoms. Psychiatr Clin North Am
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43
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Kognition-stabilisierende Therapien

Kognitive Stimulation:

Eine gesamthafte Betrachtung von drei kleinen Studien, die für sich genommen keine
signifikanten Effekte zeigen und einer aktuellen randomisierten, kontrollierten Studie,
die an einer kleinen Zahl von Patienten einen signifikanten Effekt zeigt, spricht für die
kurzfristige Wirksamkeit der kognitiven Stimulation auf verschiedene
Verhaltenssymptome bei Demenzpatienten. Positive Effekte sind auch unter
Anwendung von kognitiver Stimulation als Teil eines aus verschiedenen
Komponenten bestehenden Behandlungsansatzes beobachtet worden. Nach einem
Jahr ist auch eine signifikante Stimmungsverbesserung eingetreten. Kognitive
Stimulation als Teil eines Behandlungsplans kann empfohlen werden.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Reminiszenztherapie:

Die Reminiszenztherapie benützt Materialien wie alte Zeitungen oder Haushaltgeräte


um die Gedächtnisfunktionen zu stärken und um die Erfahrungen der Betroffenen zu
aktivieren. Zur Reminiszenztherapie liegen mehrere kleine zum Teil randomisierte,
kontrollierte Studien vor. Die Mehrzahl der Studien zeigt keine signifikante Besserung
von Verhaltessymptomen aber ein neueres Review für 6 kontrollierte Studien (Testad
et al. 2014) kommt zum Schluss dass vor allem die Depression sehr von der
Reminiszenztherapie profitiert. Bezüglich Stimmungsverbesserung oder Rückgang
depressiver Symptome sind günstige Effekte erkennbar.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

Realitätsorientierungstherapie (ROT):

Realitätsorientrierungstherapie ist in mehreren kleinen und mittelgroßen zum Teil


randomisierten, kontrollierten Studien untersucht worden. Die methodisch beste der
vorliegenden Studie zeigt keine spezifische Wirksamkeit der ROT. Die Mehrzahl der
übrigen methodisch schwächeren Studien sprechen für eine günstige Beeinflussung
von Stimmung und Verhaltenssymptomen. Angesichts der inkonsistenten Datenlage
kann eine konsequente Umsetzung der ROT nicht empfohlen werden. Allerdings
sollten Elemente der ROT bei der Milieugestaltung in Therapie- und
Wohneinrichtungen für Demenzpatienten berücksichtigt werden.

Empfehlungsgrad 5, Evidenz-Kategorie D

Selbsterhaltungstherapie:

Selbsterhaltungstherapie, die Elemente aus Validation, Reminiszenztherapie und


psychotherapeutischen Verfahren enthält, hat in einer Studie zu signifikanter
Verbesserung der Stimmung und Reduktion von Verhaltenssymptomen geführt.

44
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Patienten sind für die Intervention drei Wochen lang gemeinsam mit Angehörigen in
einer spezialisiert Einrichtung aufgenommen worden. Deshalb kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die beobachtete Besserung auf Milieufaktoren
zurückzuführen ist. Die Datenlage ist für eine Empfehlung unzureichend.

Evidenz-Kategorie F

45
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

1. Azermaia M, Petrovic M, Elseviers MM, Bourgeois J, Van Bortel LM, Vander


Stichele H. Systematic appraisal of dementia guidelines for the management
of behavioural and psychological symptoms. Ageing Res Rev. 2012; 11: 78–
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2. Ballard CG, Gauthier S, Cummings JL, Brodaty H, Grossberg GT, Robert P,
Lyketsos CG. Management of agitation and aggression associated with
Alzheimer disease. Nat Rev Neurol. 2009; 5: 245–255.
3. Farina E, Mantovani F, Fioravanti R, Pignatti R, Chiavari L, Imbornone E,
Olivotto F, Alberoni M, Mariani C, Nemni R. Evaluating two group programmes
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4. Gauthier S, Cummings J, Ballard C, Brodaty H, Grossberg G, Robert P,
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Nonpharmacological Therapies in Alzheimer’s Disease: A Systematic Review
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8. Su TW, Wu LL, Lin CP. The prevalence of dementia and depression in
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Int J Geriatr Psychiatry. 2012; 27: 187-196.
9. Viola LF, Nunes PV, Yassuda MS, Aprahamian I, Santos FS, Santos GD,
Brum PS, Borges SM, Oliveira AM, Chaves GF, Ciasca EC, Ferreira RC,
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Forlenza OV. Effects of a multidisciplinary cognitive rehabilitation program for
patients with mild Alzheimer's disease. Clinics (Sao Paulo). 2011;66: 1395-
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10. Wang JJ. Group reminiscence therapy for cognitive and affective function of
demented elderly in Taiwan. Int J Geriatr Psychiatry. 2007; 22: 1235-1240.
11. Testad I, Corbett A, Aarsland D et al. The value of personalized psychosocial
interventions to address behavioral and psychological symptoms in people
with dementia living in care home settings : a systematic review. Int
Psychogeriatr 2014 ; 26 : 1083-1093.

46
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Spezifische nicht-pharmakologische Therapien

Psychologisch-psychotherapeutische Verfahren:

Die Ziele der nicht- pharmakologischen Interventionen sind zahlreich (1):

- Verbesserung der kognitiven Funktionen und der Stimmung sowie der


Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten
- Reduktion des durch die Krankheit hervorgerufen Stresses und Reduktion von
Stressfaktoren
- Möglichst lange Aufrechterhaltung eines autonomen Funktionsniveaus
(Körperpflege, Kontinenz/WC-Gänge, Ernährung/Essen)
- Möglichst lange Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten und Verbindungen
- Bewahrung und auch Verbesserung der Lebensqualität
- Unterstützung, Hilfe und Gewährleistung von psychischer und physischer
Gesundheit der Pflegenden

Es gibt wenig kontrollierte randomisierte Studien, welche die Wirksamkeit von


Psychotherapie in dieser Patientengruppe untersuchen. Burns et al. (2) haben den
Einsatz von psychodynamischer interpersoneller Therapie in zwei Gruppen von
jeweils 20 Patienten mit Alzheimer-Demenz (MMSE 15 oder höher, mit konstanter
Betreuung) untersucht. Die Interventionsgruppe konnte sechs psychotherapeutische
Sitzungen in Anspruch nehmen, die Kontrollgruppe erhielt lediglich allgemeine
Empfehlungen. Die Intervention zielte darauf ab die interpersonellen Konflikte, die zu
emotionalen Belastungen führten, aufzudecken.

Die Autoren zeigten, dass die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe


keine Verbesserung beim MMSE, bei Verhaltensauffälligkeiten, bei Aktivitäten des
täglichen Lebens und bei depressiver Symptomatik zeigte. Eine leichte Verbesserung
wurde bei dem Betreuer im Umgang mit Verhaltensstörungen berichtet. Obwohl sich
keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigten, kamen die
Autoren zur Schlussfolgerung, dass es möglich ist Patienten mit einer Alzheimer-
Demenz eine adäquate Psychotherapie anzubieten und diese möglicherweise bei
den Betreuer dazu führt mit Krankheitssymptomen besser umzugehen.

Die Studie zeigte wie schwierig es ist, den Erfolg bzw. die Wirksamkeit von
Psychotherapie bei Demenz zu evaluieren: Skalen zeigen wenig aussagekräftige
Ergebnisse (Kognition, Verhalten, motorische Aktivität), dafür ergeben sich
Veränderungen in weniger messbaren Bereichen, wie der besseren Befindlichkeit
beim Patienten und Pflegenden. Für den Psychotherapeuten ist es wichtig dass die
Patienten die Probleme ausdrücken und mit diesen im Alltag umgehen können. Der
Psychotherapeut evaluiert vor allem die Art und Weise wie der der Patient mit seiner
Erkrankung umgeht und diese wahrnimmt. Gerade zu Beginn einer dementiellen
Erkrankung ist es wichtig ist auf einen verbalen Austausch Wert zu legen mit den
Zielen Ängste besser zu kontrollieren, Selbstwertgefühl zu erhalten und die Kognition
anzuregen.
47
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Die klinische Erfahrung zeigt, dass die verbale Kommunikation - der Dialog mit dem
Psychotherapeuten - dem Patienten die Möglichkeit gibt, sich auszudrücken und sich
Gehör zu verschaffen. Durch die Psychotherapie ist es möglich eine Beziehung nach
Aussen aufzubauen und mit sich selbst im Dialog zu bleiben (3). Diese Verbindung
zu sich und zum anderen kann zum Wohlbefinden des Patienten beitragen.

Es ist schwierig zu sagen, bis zu welchem Stadium der Demenz verbale


psychotherapeutische Ansätze gerechtfertigt sind. Die psychotherapeutische
Betreuung kann individuell, systemisch oder auch als Gruppentherapie erfolgen. Eine
Schwierigkeit dieser Herangehensweise ist, dass sie nur durchgeführt werden kann
mit dem Einverständnis der betroffenen Person und mit einem genauen Ziel, das im
Prinzip gemeinsam definiert wurde. Dies verpflichtet dazu, die Grenzen der
Psychotherapie bei Patienten mit kognitiven Problemen neu zu definieren, da das
Verständnis oder auch die Festlegung eines therapeutischen Ziels nicht immer
möglich ist. Psychotherapie sollte sich als Austausch von verbalem und affektivem
Inhalt definieren, der innerhalb eines bestärkenden und regelmässigen Rahmens-
bestärkt durch Empathie – stattfindet (4). Innerhalb dieses Austausches hat jeder
einen Teil der Arbeit zu verrichten: Der Patient hat die Aufgabe, kognitive Defizite
und Selbstwertverluste einzubringen, sowie den Prozess des Denkens neu
anzustossen. Der Therapeut sollte genauso die allgemeinen Aspekte, die zu Beginn
des Textes genannt wurden, integrieren und auch eine Funktion des „hilfestellenden
ich“ übernehmen als Gegenüber zum „schwachen/nachlassenden ich“ des Patienten.

Die vorhandenen kontrollierten Untersuchungen und die Meta-Analysen der Studien


über die Wirksamkeit von psychologisch psychotherapeutischen Interventionen bei
Patienten mit BPSD weisen vor allem positive und anhaltende Wirkung für
Verhaltensmanagement, Interventionen bei Angehörigen und Betreuer, Kognitive
Stimulation und für Aufbau angenehmer, strukturierter Aktivitäten auf (5, 6). Am
besten wirken diese Methoden bei Depression und Angst, die als Komorbidität bei
Demenz auftreten (7). Über die Wirksamkeit von psychologischen Ansätzen bei
Aggressivität und Vokalisation gibt es nur Fallstudien, die individuell zugeschnittene,
die Gründe der Verhaltensstörung analysierende und die Betreuer miteinbeziehende
Interventionen erfolgreich einsetzen (8-11).

Der kombinierte Einsatz von Psychotherapie, Psychoedukation und praktische


Unterstützung bei Angehörigen der Patienten zeigt die beste Wirksamkeit bei BPSD
(6, 12). Mindestens neun bis zwölf auf die Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer
Angehörigen zugeschnittene Sitzungen innerhalb von drei bis sechs Monaten sind
notwendig um eine hohe und anhaltende Wirksamkeit zu erreichen. Individuelle
Interventionen sind wirksamer als Gruppentherapien. Die Alltagsprobleme des
Patienten müssen in die Psychotherapie miteinbezogen werden. Die
Psychoedukation muss die Gründe, den Verlauf und die Folgen der Krankheit, und
die vorhandenen unterstützenden Massnahmen beinhalten. Die Emotionen und
Reaktionen der Betreuer wie Depression und Angst müssen aktiv behandelt werden.

48
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Strategien der Stressbewältigung, Kommunikationsstil in der Beziehung und


Genusstraining gehören zum Psychotherapieprogramm.

Das Verhaltensmanagement als Methode hat einen lang anhaltenden Effekt auf
Symptome wie Depression, Aggression, Agitation und Aktivitäten des täglichen
Lebens wie z.B. Nahrungsaufnahme und Ankleiden wenn ein individualisierter
Ansatz mit Einbezug der Angehörigen und Betreuer befolgt wird (5). Massnahmen
wie Stimuluskontrolle (z.B. Reizabschirmung, Vermeiden von Kritik, Ablenkung,
routinierter Tagesablauf), Beratung von Angehörigen und Betreuer mit Vermittlung
von Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Patienten, Operantes Konditionieren
(Lob), Information über vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag und
medizinische Abklärung zur Behandlung von Komorbiditäten, die die
Selbstständigkeit der Patienten beeinträchtigen, gehören zum
Verhaltensmanagement und müssen kombiniert eingesetzt werden.

Einige randomisierte kontrollierte Studien zeigen positive Hinweise, dass


Strukturierter Lebensrückblick bei BPSD als Intervention eingesetzt werden kann
(13). Dabei werden vergangene Aktivitäten, Ereignisse und Erfahrungen des
Patienten mit strukturierten Fragen besprochen. Bei positiven Erinnerungen werden
die Stärken und bei negativen Erinnerungen die Problemlösungsstrategien
angegangen. Die Studien zeigen signifikante Veränderungen vor allem bei Kognition
und Stimmung. Bei den Betreuern werden gesteigertes Verständnis und Geduld für
den Patienten beobachtet.

Kognitive Therapie wird in erster Linie bei Patienten mit einer Demenz und
Depression eingesetzt (14). Das Ziel dieser psychotherapeutischen Intervention ist
dysfunktionelle Gedanken von ihrem negativen Kontext zu befreien und mit
funktionellen, positiven Gedanken zu ersetzen. Listen von Gedanken werden
gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet und mit dem Betreuer als Coach eingeübt.
Bei Depression im Rahmen einer Demenz-Erkrankung sind behaviorale
Interventionen wirksam (15). Dieses Therapieverfahren stellt die angenehmen
Erfahrungen, Erlebnisse des Patienten und die Problemlösungsstrategien der
Angehörigen in den Mittelpunkt. Bei Patienten mit leicht bis mittel schweren Demenz-
Erkrankungen scheinen Multikomponenten-Programme mit kognitiv-behavioralen
Interventionen erfolgreich zu sein. Bisher sind nur Fallstudien zu diesen Techniken
vorhanden: ein psychotherapeutisches Programm, welches Psychoedukation mit
kognitiver Umstrukturierung, Aufbau angenehmer Aktivitäten und Verbesserung der
sozialen Beziehungen verbindet, erreichte positive Wirkung auf kognitive
Funktionalität und emotionalen Stress (16). Ein anderes Verfahren, welches
Elemente der Selbsterhaltungstherapie einsetzt und die Betreuer mit
Psychoedukation, positiven Aktivitäten, Lebensrückblick und Interventionen für
Angehörige mitbehandelt, zeigte gute Resultate für Depression bei Patienten und
Angehörigen (17).

Empfehlungsgrad 1, Evidenz-Kategorie A

49
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

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Disease Therapy Center, 2002 ; 35 : 118-128.

51
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Spezialtherapeutische Angebote:

Musiktherapie:

Der Einsatz von Musik ist ein von Patienten sehr geschätztes Therapieangebot.
Patienten können einer Musik zuhören, selber Instrumente spielen oder in Gruppe
musizieren. Die Wirkung von bekannter und biografisch relevanter Musik scheint
besser zu sein. Von insgesamt 24 Studien mit Musiktherapie sind sieben kontrollierte
Studien (1-3). Es wurden signifikante Effekte auf Agitation festgestellt. In einer Studie
in Kombination mit Massage war die Therapie auch nach der Sitzung anhaltend
wirksam. Vor allem individualisierte Einzelsitzungen scheinen wirksam zu sein und
nachhaltig zu wirken.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

Referenzen:
1. Livingston G, Johnston K, Katona C et al. Systematic review of psychological
approaches to the management of neuropsychiatric symptoms of dementia.
Am J Psychiatry 2005; 162: 1996-2021.
2. Hulme C, Wright J, Crocker T et al. Non-pharmacological approaches for
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with dementia living in care home settings : a systematic review. Int
Psychogeriatr 2014 ; 26 : 1083-1093.

Aktivierungstherapie:

Bei der Aktivierungstherapie, zu der auch Ergotherapie gehört, werden die


Alltagstätigkeiten, die eine individuelle Bedeutung haben, gezielt gefördert. Sie nimmt
Bezug auf die persönliche Geschichte der Betroffenen und auf die von der
Beeinträchtigung betroffenen Alltagsfähigkeiten. Aktivierungstherapie wird zum Erhalt
der alltagspraktischen Kompetenz bei mittelschwerer Demenz empfohlen (1). Eine
Meta-Analyse von 5 kontrollierten Studien mit mindestens 30 Teilnehmern kommt
zum Schluss dass zwei Studien keine signifikante Wirksamkeit, eine Studie positive
Wirkungs und zwei teilweise positive Wirkung zeigen (2).

Empfehlungsgrad 5, Evidenz-Kategorie D

Referenzen:
1. Hüll M, Voigt-Radloff S. Nichtpharmakologische Behandlungsmethoden bei
Demenzen. Der Nervenarzt 2008; Suppl 3: 159-166.
2. Rieckmann N, Schwarzbach C, Nocon M et al. Concepts of care for people with
dementia. GMS Health Technol Assess 2008; 4: 1-9.

52
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Pharmakologische Therapien

Besonderheiten bei Einsatz von Psychopharmaka bei Patienten mit einer Demenz-
Erkrankung:

Ältere Menschen, insbesondere die mit einer Demenz-Erkrankung, weisen oft


komorbide Krankheiten auf, die zur Verschreibung von mehreren Medikamenten
führen können. Polypharmazie ist gerade in dieser hoch vulnerablen Gruppe ein
grosses Problem. Die Prävalenz der gleichzeitigen Verordnung von 5 und mehr
Medikamenten liegt bei über 70-jährigen bei 38% (1). Und es gibt eine exponentielle
Korrelation zwischen Nebenwirkungen/Interaktionen und der Zahl der
eingenommenen Medikamente (2). Die Wahrscheinlichkeit einer Interaktion bei
gleichzeitiger Verordnung von 7 oder mehr Medikamenten liegt bei 90%. Deswegen
muss die Pharmakotherapie in dieser Patientengruppe immer kritisch betrachtet und
die Verabreichung der Substanzen unter regelmässiger klinischer Überwachung
erfolgen. Die Indikation der Psychopharmaka muss regelmässig neu überdacht und
der Einsatz zeitlich limitiert erfolgen. Hinzu kommt, dass viele Psychopharmaka, die
in dieser Altersgruppe eingesetzt werden, aufgrund fehlender Studien und
Indikationsprüfung als Off-label Medikation Verwendung finden. Dies macht eine
nationale Konsens-Findung für einheitliche und verbindliche Therapieempfehlungen
notwendig.
Die Therapie einer komplexen Erkrankung wie der Demenz ist grundsätzlich
multimodal (3). Eine alleinige medikamentöse Therapie ist zu vermeiden. Diese darf
nur eingesetzt werden wenn andere Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. Nicht-
medikamentöse Behandlungen haben immer Vorrang und müssen auch eine
Pharmakotherapie begleiten. Vor allem soziale und psychotherapeutische
Massnahmen sind neben medizinischen Interventionen erforderlich (3). Die
Betreuungspersonen und Angehörige müssen in das Therapiekonzept mit
einbezogen werden.
Im Alter findet eine Reihe von physiologischen Veränderungen statt, die die
Pharmakokinetik der Medikamente beeinflussen können (4, 5, 6): Diese sind in erster
Linie die Einschränkung der renalen Funktion, reduzierte Motilität im
Gastrointestinaltrakt, verzögerte Magenentleerung, reduzierte Oberfläche des
intestinalen Epitheliums, erhöhte Magen-pH bei geringerer Säureproduktion,
reduzierte Leber-Perfusion und Abnahme der Plasma-Transportproteine. Generell
nimmt im Alter das Körperfett auf Kosten des Körperwassers zu, wodurch sich die
Verteilungsvolumina verändern. Der Anteil an ungebundenen freien
Psychopharmaka nimmt zu (4).
Aufgrund pharmakodynamischer Veränderungen weisen ältere Menschen eine
verstärkte Sensitivität gegenüber Psychopharmaka auf (4, 7). Z.B. ist die Wirkung
von Benzodiazepinen, die zur Sedation und Sturzneigung führen können, ist
verstärkt und es kann vermehrt paradoxe Exzitation auftreten. Die Alterationen in den
Zielorganen tragen ebenfalls zu den unerwünschten Wirkungen der
Psychopharmaka bei: die meisten psychotropen Substanzen, Levodopa und
Antiepileptika können z.B. die Neigung zur Entwicklung eines Delirs begünstigen.

Grundsätze der Psychopharmaka-Behandlung bei Demenz:


(Mod. nach Mosimann UP&Müri RM; Lewy-Körperchen-Demenz - ein Update.
Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 2011; 162: 102-7).

53
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

1. In erster Linie sollen nicht-medikamentöse Therapien eingesetzt werden.


Wenn diese nicht ausreichen können zusätzlich Medikamente eingesetzt
werden.
2. Ein individueller Therapieplan soll erstellt werden.
3. Sorgfältige Durchsicht der eingenommenen Medikamente – wenn
möglich Pharmakotherapie vereinfachen, bevor zusätzliche Medikamente
verschrieben werden.
4. Wenn möglich Monotherapie
5. Serielle und nicht parallele Interventionen, d.h. eine Substanz nach der
anderen beginnen, und nicht mehrere Substanzen gleichzeitig.
6. Wenn möglich Rezeptorantagonisten (d.h. Anticholinergika,
Antihistaminika, Dopaminantagonisten) vermeiden
7. Tiefe Startdosis, langsames Aufdosieren (Go slow!) – bei Antidepressiva
sorgfältig aufdosieren, Zieldosis nach Kompendium oder bis zur
Remission
8. Die Betreuung der Angehörigen ist zu gewährleisten.
9. Zur Evaluation ungeeigneter Medikamente können gut etablierte Listen
verwendet werden: z.B. die Beers-Kriterien (https://www.dcri.org/trial-
participation/the-beers-list/ ) oder die Priscus-Liste:
http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf
10. Zur Evaluation möglicher Interaktionen gibt es viele elektronische
Möglichkeiten. Dabei ist insbesondere die elektronische Datenbank von
MediQ sehr empfehlenswert http://www.mediq.ch/welcome_public .

54
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

1. Steinhagen-Thiessen E&Borchelt M. Morbidität, Medikation und


Funktionalität im Alter. In: Mayer KU, Baltes PB (Hrsg) Die Berliner
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Wehling M&Burkhardt H (Hrsg) Arzneitherapie für Ältere. Springer-Verlag
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Arzneimittelwirkung durch Erbfaktoren und Erkrankungen. Internist 2000;
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55
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Antidementiva

Sowohl für Cholinesterasehemmer wie auch Memantin gibt es gute wissenschaftliche


Evidenz, dass sie BPSD positiv beeinflussen können.

Cholinesterasehemmer:

Die meisten Daten zur Behandlung von BPSD stammen von Donepezil (1-4), wo sich
in Interventions- und placebo-kontrollierten randomisierten Absetzungsstudien
insbesondere NPI-Domänen wie Apathie, Depression, Angespanntheit und Irritabilität
signifikant verbesserten. Ähnliche Daten liegen auch für Galantamin (5) und
Rivastigmin (6) vor. Die Behandlung von Agitation bei Alzheimererkrankung mit
Donepezil erwies sich als unwirksam (7). In einer für Cholinesterasehemmer
erstellten Metaanalyse wurde ein bescheidener BPSD-Therapieeffekt bei leichter bis
mittelschwerer Demenzerkrankung vom Alzheimertyp gefunden (8).

Memantin:

Eine gepoolte Analyse von 6 Studien mit Memantin-Therapie bei mittelschwerer


Alzheimer Demenz (9) mit allen NPI-Domänen als primären oder sekundären
Endpunkten fand insbesondere positive Effekte auf den NPI-Cluster von Agitation,
Aggression, Wahn und Halluzination. Im gleichen Datensatz konnte auch gezeigt
werden, dass unter bestehender Memantin-Therapie neu signifikant weniger
Verhaltensstörungen auftraten. Eine andere gepoolte Analyse von drei grossen
randomisiert-kontrollierten Memantin-Interventionsstudien bei mittelschwerer und
schwerer Alzheimerdemenz bestätigte die signifikante Verbesserung der
obengenannten Verhaltensdomänen (Agitation, Aggression, Wahn und
Halluzination), wie auch ein signifikant vermindertes Neuauftreten derselben unter
bestehender Memantin-Therapie (10). Eine erst kürzlich erschienene randomisiert
und Plazebo kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Memantin bei Vorliegen von
deutlich schwereren BPSD als in obengenannter Analyse von Gauthier (9) (mittlerer
NPI Score 36 versus 15) konnte hinsichtlich dem Primärendpunkt „Agitation“ nach 12
Wochen Therapie keinen spezifischen Benefit nachweisen (11).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Cholinesterasehemmer v.a. bei


Verhaltensauffälligkeiten wie Apathie, Depression, Angespanntheit und Irritabilität
(„Minus-Symptome“) bei leichter bis mittelschwerer AD einen positiven Effekt haben,
wogegen Memantin eher bei Verhaltensauffälligkeiten wie Agitation, Aggression,
Wahn und Halluzination („Plus-Symptome“) bei mittelschwerer bis schwerer AD
wirksam ist.

Empfehlungsgrad 2, Evidenz-Kategorie A

56
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

1 Feldman H, Gauthier S, Hecker J et al. A 24-week, randomized, double-blind study


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10 Wilcock GK, Ballard CG, Cooper JA, Loft H. Memantine for agitation/aggression
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57
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Antidepressiva

Im Rahmen von Verhaltensauffälligkeiten bei dementiellen Erkrankungen gehören


Depression und Ängstlichkeit zu den häufigsten Symptomen. Beide werden in
Abhängigkeit der Studie zwischen 20 – 60% angegeben (Lyketsos et al. 2002). Die
Kriterien für eine Major Depression sind in der Grössenordnung von 5 – 40% erfüllt,
bis 15% leiden zudem an subsyndromalen Depressionen (Banerjee et al 2011;
Steffens DC et al 2009, van Asch et al 2012). Depression bei Demenz führt nicht nur
zur typischen depressiven Symptomatik, sondern auch generell zu einer grösseren
funktionellen Verschlechterung. Während die Behandlung mit Antidepressiva von
Depressionen im höheren Lebensalter bei Patienten ohne Demenz eine gut belegte
Effizienz zeigt, ist die Datenlage bei dementen Patienten mit Depression kontrovers
(Nelson JC et al 2008). Eine Schwierigkeit dabei dürfte sein, dass die Zuordnung des
dementiellen Syndroms zu unterschiedlichen ätiopathogenetischen Mechanismen,
d.h. zu einer spezifischen Demenzform, nicht immer zuverlässig durchführbar ist.
Zudem ist die Verfügbarkeit von placebokontrollierten Studien bei dieser
Krankheitskonstellation beschränkt. Bisher wurden die meisten Studien bei Patienten
mit Alzheimer Demenz durchgeführt. Ein weiteres Problem stellt die Bestimmung des
Schweregrades der Depression bei dieser komorbiden Krankheitskonstellation dar.
So unterscheidet sich die Therapieantwort bei leichteren Depressionen in der Regel
nicht von Placebo, während schwere depressive Zustandsbilder in der Regel gut auf
die Therapie ansprechen (Lyketsos et al. 2003, Kirsch et al. 2008).

Trizyklische Antidepressiva:

Lediglich zwei Studien wurden placebokontrolliert durchgeführt worden: Imipramin


zeigte keine signifikante Verbesserung während Clomipramin eine signifikant höhere
Remissionsrate unter Verum zeigte (Reifler et al. 1989; Petracca et al 1996).
Allerdings wurden bei Clomipramin als Hauptnebenwirkung grössere kognitive
Beeinträchtigungen beschrieben, wahrscheinlich aufgrund der anticholinergen
Nebenwirkungen. Die anticholinergen Nebenwirkungen der Trizyklischen
Antidepressiva stellen ein grundsätzliches Problem dar.

Empfehlungsgrad 5, Evidenz-Kategorie D

SEM: Der Einsatz von Trizyklischen Antidepresiva wird aufgrund von anticholinergen
Nebenwirkungen nicht empfohlen

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI):

Bei den neueren Antidepressiva wurden vor allem SSRI‘s untersucht. Eine Studie mit
Sertralin und eine Studie mit Citalopram zeigten signifikante Verbesserungen
depressiver Symptomatik im Vergleich zu Placebo (Nyth et al 1992; Lyketsos et al
2003), während eine Studie mit Fluoxetin und eine andere Studie mit Sertralin keine
Signifikanz aufwies (Petracca 2001, Magai 2000). Neuere Studien mit Sertralin
zeigten keine signifikante Besserung im Vergleich zu Placebo (Rosenberg et al 2010
und Banerjee S et al 2011). Eine grössere doppelblinde randomisierte
placebokontrollierte Studie bei 128 Patienten mit einem dementiellen Syndrom,
welche ein SSRI für mindestens 3 Monate aufgrund einer depressiven Verstimmung

58
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

erhielten, zeigte, dass das Absetzen der Antidepressiva eine signifikante Zunahme
der depressiver Symptomatik bewirkte (Bergh S et al 2012). Dies deutet darauf hin,
dass die Gabe von SSRI‘s bei adäquater Indikation einen Benefit bringen kann.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

MAO-Hemmer:

Moclobemid wurde bisher in einer einzigen kontrollierten Studie bei dementen


Patienten mit Depression untersucht (Roth 1996): Es fand sich eine signifikante
Wirkung auf die depressive Symptomatik. Hier ist die Datenlage für eine Empfehlung
noch nicht klar.

Diverse:

Untersuchungen zu Mirtazapin und Venlafaxin lieferte in einer doppelblinden,


randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie ähnliche Wirksamkeit wie Plazebo
(Banerjee S 2011, de Vasconcelos et al 2007).

Keine Empfehlung, Evidenz-Kategorie E

Andere Indikationen:

Neben der Indikation für Depression bei Demenz wurden Antidepressiva auch in
einigen Untersuchungen für die Zielsymptome Agitation und Psychose im Rahmen
der Demenz untersucht. In einer aktuellen Analyse wurden neun Studien
eingeschlossen, in denen entweder SSRI’s mit Placebo resp. SSRI’s mit
Antipsychotika verglichen wurden. Nur die SSRI’s Sertralin und Citalopram waren im
Vergleich zu Placebo mit einer leichten und signifikanten Reduktion der Symptome
„Agitation und Psychose“ assoziiert (Seitz et al. 2011). Generell ist die Datenlage für
diese Indikation zu dünn, um eine generelle Empfehlung auszusprechen.

Empfehlungsgrad 5, Evidenz-Kategorie D

59
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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61
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Antikonvulsiva/Phasenprophylaktika

Carbamazepin:

Antikonvulsiva, vor allem Carbamazepin, wird als alternative Medikation zu


Antipsychotika bei Agitation und Aggression in AD empfohlen (1, 2). Drei Plazebo-
kontrollierte, randomisierte Studien zeigen die Wirksamkeit von Carbamazepin bei
agitierten und aggressiven dementen Patienten, die therapieresistent gegenüber
anderer Medikation, insbesondere Antipsychotika, waren (2-5). Diese Studien
untersuchten relativ geringe Fallzahlen und verfügen meistens über eine kurze
Therapiedauer. Trotzdem weist eine Meta-Analyse der zwei Studien (3, 4) eine
signifikant bessere Wirksamkeit von Carbamazepin bei Agitation und Aggression
nach (6). Eine Plazebo-kontrollierte Studie zeigte keine Wirksamkeit für
Carbamazepin bei Agitation (7) und eine andere Studie keine Wirksamkeit von
Oxcarbazepin bei Agitation und Aggression (8). Mortalitätsrisiko war beim Einsatz
von Carbamazepin niedriger als beim Einsatz von Antipsychotika (9).

Die Gabe von Carbamazepin bei älteren dementen Patienten ist eine Off-label-
Behandlung. Die Indikation ist nur für Epilepsie gegeben. Obwohl die Studien eine
gute Wirksamkeit zeigen limitieren mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen von
Carbamazepin den Einsatz bei älteren Menschen: Sedation, Schwindel und
Muskelschwäche sind oft vorhanden und können zu Stürzen führen.
Gastrointestinale Störungen wie Nausea und Erbrechen werden oft beobachtet. Sehr
häufige Gamma-GT-Erhöhungen machen regelmässige Laborkontrollen notwendig.
Carbamazepin kann die Kognition beeinträchtigen und allergische Hautreaktionen
verursachen. Selten können kardiale Überleitungsstörungen auftreten.
Medikamenteninteraktionen von Carbamazepin sind vielfältig und erschweren die
Kombination mit anderen Substanzen.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

SEM: Carbamazepin wird nicht als Therapie der ersten und zweiten Wahl empfohlen

Valproat:

Auf der Basis von Fallberichten und unkontrollierten Studien wurde Valproat
ursprünglich zur Behandlung von BPSD bei der AD empfohlen (10). Aber die
Plazebo-kontrollierten Studien zeigen keine Wirksamkeit und eine sehr hohe
Nebenwirkungsrate (2, 11-17). Vor allem Somnolenz, Gangstörung, Tremor, Diarrhoe
und Schwäche sind schwer beeinträchtigende Folgen der Valproat-Therapie mit
vermehrter Sturztendenz. Die langfristige Gabe von Valproat kann sogar zur
Hirnabbau und Verschlechterung der Kognition führen (18). Der Einsatz von Valproat
bei dementen Patienten ist eine Off-label-Behandlung.

Nicht empfohlen, Evidenz-Kategorie E

Gabapentin:

62
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Obwohl viele Fallberichte, Fallserien, unkontrollierte Studien und retrospektive


Untersuchungen die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit von Gabapentin bei
dementen Patienten zeigen, gibt es bisher keine kontrollierte Studie (2, 10, 19). Die
vorhandenen Studien deuten auf eine Wirksamkeit bei Agitation, Aggression, Angst
und Schlafprobleme hin. Nebenwirkungen sind selten, aber vor allem Sedation ist ein
Problem. In einer Studie wurde auf eine adverse Reaktion bei Patienten mit Lewy-
Körperchen-Demenz hingewiesen (20). Der Einsatz von Gabapentin bei dementen
Patienten ist eine Off-label-Behandlung.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C1

Lamotrigin:

Es bestehen mehrere unkontrollierte Studien, die eine gute Verträglichkeit und


Wirksamkeit von Lamotrigin bei Agitation, Aggression, Disinhibition, manischen und
depressiven Symptomen bei Demenz zeigen (2, 10). Kontrollierte Studien fehlen. Die
Nebenwirkungen sind gering aber Somnolenz, Tremor und Hautausschläge können
auftreten. Die langsame Aufdosierung von Lamotrigin über Monate ermöglicht keinen
Einsatz in der Akuttherapie. Der Einsatz von Lamotrigin bei dementen Patienten ist
eine Off-label-Behandlung.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C1

Lithium:

Einige Fallserien beschreiben den Einsatz von Lithium bei BPSD (2). Eine Studie
berichtet Wirksamkeit aber zwei weitere Studien konnten keine Wirksamkeit
nachweisen. Verwirrtheit und Ataxie sind oft beobachtete Nebenwirkungen. Ältere
Patienten haben aufgrund der verminderten Nierenfunktion vermehrt das Risiko einer
Lithium-Intoxikation. Der Einsatz ist bei sehr limitierten Evidenz-Lage und hohem
Risiko nicht gerechtfertigt.

Der Einsatz wird nicht empfohlen

Topimarat:

In einer kontrollierten Studie wies Topimarat eine ähnliche Wirksamkeit wie


Risperidon bei Agitation bei AD auf (21). In einer anderen Fallserie war Topimarat
erfolgreich in der Behandlung von Agitation bei Demenz (22). Beeinträchtigung der
Kognition ist aber eine häufige Nebenwirkung von Topimarat.

Der Einsatz wird nicht empfohlen.

63
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

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65
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Antipsychotika

Antipsychotika (Neuroleptika) zur Behandlung von neuropsychiatrischen Störungen


bei Demenz:

Antipsychotika gehören zu den am meisten verschriebenen Medikamenten zur


Behandlung von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenzen, insbesondere von
agitiertem Verhalten, Aggressivität und psychotischen Symptomen wie Wahn und
Halluzinationen [1].
Der Einsatz von Antipsychotika bei älteren Menschen mit Demenz ist mit dem Risiko
von potentiell schwerwiegenden Nebenwirkungen und mit erhöhten Mortalitätsraten
verbunden. Zu den Nebenwirkungen einzelner Substanzen gehören extrapyramidal-
motorischen Symptome vor allem unter der Therapie mit sogenannten typischen
Antipsychotika, Sedierung, kardiale Symptome und orthostatische Dysregulation mit
der Gefahr von eingeschränkter Mobilität und von Stürzen. Sowohl unter typischen
als auch unter atypischen Antipsychotika treten Hüftgelenkfrakturen und Pneumonien
häufiger auf [2, 3]. Die Behandlung mit Antipsychotika kann mit ungünstigen
metabolischen Veränderungen [4, 5] sowie mit beschleunigten kognitivem Abbau und
funktioneller Einschränkung einhergehen [6, 7]. Darüber hinaus ist ein erhöhtes
Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse generell für die Behandlung mit typischen und
atypischen Antiypsychotika [8-10] sowie für einzelne Substanzen wie Risperidon [11],
Olanzapin [12], und Quetiapin [13] beschrieben worden. Der Einsatz von Aripiprazol
war in einem RCT mit vermehrtem Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen
assoziiert [14]. Weitere Studien bestätigten jedoch nicht diesen Zusammenhang [15,
16].
In einer Studie bei zu Hause lebenden Patienten mit leichter bis mittelschwerer
Alzheimer-Demenz war das Auftreten von psychiatrischen Symptomen mit verkürzter
Zeit bis zur Heimeinweisung und mit erhöhter Mortalität assoziiert, während die
Verwendung von typischen oder atypischen Antipsychotika diese Grössen nicht
beeinflusste [17]. Weitere Studien und Metaanalysen zeigten jedoch, dass der
Einsatz von Antipsychotika mit erhöhter Mortalität assoziiert ist [9, 18]. Des Weiteren
legen mehrere große retrospektive Kohortenstudien nahe, dass das Risiko für die
Behandlung mit typischen im Vergleich zu atypischen Antipsychotika tendenziell
höher ist [19-22]. Besonders hoch scheint das Risiko bei höheren Dosierungen und
in den ersten Behandlungswochen zu sein. In einem RCT zum Absetzen von
Antipsychotika wurde jedoch gezeigt, dass auch langfristig weiter behandelte
Patienten signifikant niedrige Überlebensraten im Vergleich zu solchen haben, bei
denen die Antipsychotika abgesetzt wurden [23]. Im Vergleich einzelner Substanzen
untereinander wurden höhere Mortalitätsraten für Haloperidol, Phenothiazine und
weitere typische Antipsychotika im Vergleich zu Risperidon berichtet [24]. In weiteren
retrospektiven Studien wies die Behandlung mit Haloperidol die höchste
Mortalitätsrate auf, gefolgt von Risperidon, Olanzapin und Quetiapin [25, 26]. Kein
signifikanter Unterschied in Bezug auf Mortalität wurde für Risperidon im Vergleich
mit Aripiprazol, Olanzapin und Ziprasidon gefunden [26].
Das Absetzen einer Behandlung mit Antipsychotika ist in vielen Fällen möglich ohne
erneutes Auftreten oder Zunahme von neuropsychiatrischen Störungen. Unter
Berücksichtigung von bis Ende 2012 publizierten Studien, kamen die Autoren eines
Cochrane-Reviews zu dem Schluss, dass Absetzprogramme in die klinische Routine
Eingang finden können. Allerdings wurde in einem Teil der Studien beobachtet, dass
bei Patienten mit ausgeprägteren Symptomen bei Behandlungsbeginn sowie bei

66
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Patienten, die von der Behandlung mit Antipsychotika deutlich profitierten, nach dem
Absetzen häufiger neuropsychiatrische Störungen auftraten [27].

Die bestehenden Risiken und die erhöhten Mortalitätsraten unter der Behandlung mit
Antipsychotika sind bei der Erstellung eines individuellen Therapieplans und der
Entscheidung über den Einsatz und die Auswahl dieser Mittel zu berücksichtigen.
Wenn eine Behandlung eingeleitet wird, soll sie mit der geringstmöglichen Dosis,
unter engmaschiger Kontrolle und limitiert auf einen möglichst kurzen Zeitraum
erfolgen.

SEM: Der Einsatz aller Neuroleptika muss regelmäßig, spätestens alle 6 Wochen
reevaluiert und die Indikation überprüft werden!

Typische Antipsychotika:

Zur Wirksamkeit von typischen Antipsychotika liegen nur wenige Plazebo-


kontrollierte Studien bei älteren Menschen mit Demenz vor. Eine Metaanalyse von
RCTs mit relativ kleinen Fallzahlen zeigte, dass typische Antipsychotika signifikant,
wenngleich nur geringfügig besser wirksam als Plazebo sind [28], wobei zu
berücksichtigen ist, dass in den meisten Studien die Plazebo-Effekte ausgeprägt
waren. Es wurden keine Vorteile einzelner Substanzen gegenüber anderen typischen
Antipsychotika gefunden. In weiteren Studien wurde eine Wirksamkeit von
Haloperidol hinsichtlich der Behandlung von Aggressivität und psychotischen
Symptomen bestätigt [29, 30]. Dabei wurde ein signifikanter Unterschied zu Plazebo
für eine Tagesdosierung von 2-3 mg Haloperidol, nicht jedoch für eine Dosierung von
0,5-0,75 mg berichtet [29]. In einer doppelblinden randomizierten Studie mit kleinen
Fallzahlen zu Haloperidol bei psychotischen Symptomen und Agitation traten bei
Respondern nach Abbruch der Behandlung häufiger wieder psychotische Symptome
auf als bei Respondern, bei denen die Behandlung fortgesetzt wurde [31]. Kein
signifikanter Unterschied zu Plazebo wurde in einem systematischen Review über
fünf RCTs zur Wirksamkeit von Haloperidol in der Behandlung von agitiertem
Verhalten gefunden [30]. Höhere Dosierungen und längere Behandlungsdauer
gingen mit vermehrtem Auftreten von extrapyramidalen Nebenwirkungen einher.

Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Risiken (siehe oben) kann eine
Behandlung mit Haloperidol (0,5-2mg) bei Aggressivität und psychotischen
Symptomen erwogen werden.

Empfehlungsgrad 2, Evidenz-Kategorie A

SEM: Haloperidol darf nur unter strenger Indikationsstellung und niedrig dosiert in der
Akutbehandlung der Aggressivität und psychotischer Symptomatik, und bei
Übergängen zum Delir eingesetzt werden.

Für die Wirksamkeit weiterer Antipsychotika, wie zum Beispiel Pipamperon, die
häufig wegen ihrer sedierender Wirkung bei Patienten mit Demenz eingesetzt
werden, gibt es keine ausreichende Evidenz. Aber gerade Pipamperon wird in
alltäglicher Praxis oft eingesetzt und es besteht gute klinische Erfahrung.

67
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

SEM: Pipamperon kann unter Berücksichtigung ihrer Nebenwirkungen bei Agitation


und Aggressivität eingesetzt werden.

Atypische Antipsychotika:

Die Wirksamkeit von atypischen Antipsychotika in der Behandlung von


neuropsychiatrischen Symptomen wurde in mehreren qualitativ hochwertigen
systematischen Reviews und Metaanalysen untersucht. Ein Cochrane-Review fand
unter Einschluss von bis 2004 publizierten Studien eine Überlegenheit gegenüber
Plazebo für Risperidon und Olanzapin zur Reduzierung von Aggressivität und für
Risperidon zur Verbesserung psychotischer Symptome. Für Quetiapin, und
Aripiprazol fand sich kein Wirksamkeitsunterschied zu Plazebo [32]. Unter
Berücksichtigung weiterer Studien zeigte eine Metaanalyse eine Überlegenheit
gegenüber Plazebo für Risperidon (0,5-2mg) und Aripiprazol (2,5-15mg) zur
Behandlung von Agitation sowie für Risperidon zur Behandlung psychotischer
Symptome. Olanzapin und Quetiapin zeigten keine Wirksamkeit in der Behandlung
dieser Symptome [18]. Eine neuere Metaanalyse die bis 2011 publizierte Daten
auswertete, fand für Risperidon, Olanzapin und Aripiprazol eine gering, jedoch
signifikant bessere Wirksamkeit im Vergleich zu Plazebo hinsichtlich Agitation,
psychotischer und neuropsychiatrischer Symptomen allgemein [9]. Die
Datenauswertung einer großen multizentrischen RCT ergab, dass die Belastung der
pflegenden Angehörigen geringgradig aber signifikant unter Behandlung mit
atypischen Antipsychotika im Vergleich zu Plazebo abnahm [33]. In
Vergleichsstudien war eine Behandlung mit Risperidon einer Behandlung mit
Haloperidol gleichwertig oder überlegen hinsichtlich der Wirksamkeit auf Agitation
und aggressives Verhalten bei weniger Nebenwirkungen [34-36]. In einer Studie mit
kleiner Fallzahl zeigte sich kein Unterschied zwischen Olanzapin und Haloperidol in
Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen [37].

Wenn eine pharmakologische Behandlung von Agitation, Aggressivität und


psychotischen Symptomen bei Demenz erforderlich wird, kann Risperidon (0,5-2mg)
eingesetzt werden. Risperidon ist als zeitlich limitierte Therapie einer schweren
Aggressivität oder schwerer psychotischer Symptome bei Demenz in der Schweiz
zugelassen.

Empfehlungsgrad 2 , Evidenz-Kategorie A

Alternativ kann eine zeitlich limitierte Behandlung mit Aripiprazol erwogen werden.
Aripiprazol hat für diese Indikationen keine Zulassung, die Behandlung erfolgt off-
label.

Empfehlungsgrad 3 , Evidenz-Kategorie B

68
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Für Quetiapin besteht bisher wenig Evidenz aber die Substanz wird oft eingesetzt
und es besteht gute klinische Erfahrung.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

SEM: Quetiapin kann unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen und der Vorgaben
für Off-label-Einsatz eingesetzt werden.

69
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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72
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Benzodiazepine/Hypnotika

Schlafstörungen in Form von chronischen Ein- und Durchschlafstörungen treten mit


zunehmendem Alter gehäuft auf (Foley et al 1995; Delini-Stula et al 2007). Signifikant
häufiger finden sich Schlafstörungen bei Patienten mit Demenz im Vergleich zu
altersgleichen, nicht dementen Menschen (Trachtenberg et al 2005).
Neben primären Schlafstörungen, die bei einzelnen Demenzformen häufiger
auftreten, wie restless legs Syndrom, Schlaf-Apnoe, REM-Schlafverhaltensstörung
(v.a. bei Lewy Körper Demenz und Demenz bei M. Parkinson) und dann spezifisch
behandelt werden müssen, liegen insbesondere Ein- und Durchschlafstörungen,
sowie Störungen des Schlaf-Wachrhythmus insgesamt vor.
Aus diesem Grund werden bei diesen Patienten auch häufig schlafanstossende und
schlafregulierende Substanzen eingesetzt.
Es liegen jedoch zum Einsatz von klassischen Hypnotika bei Patienten mit Demenz
keine kontrollierten Studien vor (Sack et al. 2007).
Eine Bewertung kann somit nur anhand der Studienlage hinsichtlich des Einsatzes
dieser Substanzen bei älteren Menschen generell, sowie aufgrund des
Nebenwirkungsprofils der jeweiligen Substanz oder Substanzklasse mit ungünstigen
Auswirkungen auf den älteren Menschen, speziell den Menschen mit Demenz
erfolgen.

Benzodiazepine:

Benzodiazepine sind gut wirksame Schlafmittel. Die Anwendung im Alter sollte


aufgrund pharmakodynamischer und pharmakokinetischer Eigenschaften und dem
damit verbundenen Nebenwirkungsprofil in der Dosierung zurückhaltend und nur in
kurzzeitiger Anwendung (< 4 Wochen) vorgenommen werden. Insbesondere sollten
wegen der Kumulationsgefahr nur Benzodiazepine verabreicht werden, die nicht über
das Cytochrom 450 System der Leber abgebaut werden und damit bei einer
Reduktion der Leberfunktion im Alter unproblematisch sind. Diese Kriterien erfüllen
Lorazepam, Oxazepam, und Temezepam, das speziell als Hypnotikum entwickelt
wurde. Weitere Probleme der Gabe klassischer Benzodiazepine sind die erhöhte
Sturzgefahr aufgrund der Muskelrelaxation, der Wirkverlust und das
Abhängigkeitspotential. Spezielle Probleme bei Patienten mit Demenz stellen die
kognitiven Nebenwirkungen, sowie die Gefahr einer deliranten Symptomatik dar,
sowohl bei Entzug, wie auch bei Überdosierung.

Eine Metanalyse zeigt, dass Benzodiazepine nur im kurzzeitigen Gebrauch (3 bis 4


Wochen) Plazebo überlegen waren. Es fehlen Studien zur Langzeitwirksamkeit.
Es ist zu bedenken, dass Benzodiazepine ein anderes Nebenwirkungsspektrum
besitzen als Substanzklassen, die ebenfalls zur Schlafregulation eingesetzt werden
(z.B. Antidepressiva –Gewichtszunahme, Antipsychotika – cardiale Probleme, EPS).
Somit kann dann wenn Co-Morbiditäten vorliegen, die den Einsatz anderer
hypnotisch wirksamer Substanzen limitieren, im Einzelfall die (ggf. auch
längerfristige) Gabe von Benzodiazepinen durchaus sinnvoll sein.

Kurz wirksame Benzodiazepine werden nur bei Notfällen und zeitlich limitiert
empfohlen. Sonst dürfen Benzodiazepine aufgrund ihrer hohen
Nebenwirkunspotential nicht eingesetzt werden.

73
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Benzodiazepin-Analoga (Zopiclon, Zolpidem, Zaleplon):

Die Datenlage von 4 Metanalysen bei nicht-dementen Patienten zeigt, dass


Benzodiazepin-Analoga zumindest gleich wirksam sind, wie klassische
Benzodiazepine. Studien zur Langezeitwirksamkeit und Verträglichkeit liegen für
Eszopiclon und Zolpidem CR vor (Krystal et al 2003 und 2008).
Die Nebenwirkungen, die den Einsatz der klassischen Benzodiazepine limitieren (z.B.
Muskelrelaxation, Atemdepression), treten wie auch die Rebound Insomnie in
geringerer Form auf (Wiegand 2003). Dennoch wurde auch unter Zopiclon eine
erhöhte Zahl an Stürzen in einer kontrollierten Studie gezeigt.
Die Daten zur Wirksamkeit bei BDZ im Alter sind unterschiedlich, eine Metanalyse
kommt zum Schluss, dass bei über 60jährigen die Nebenwirkungen den Nutzen
überwiegen (S3 Leitlinie).

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Hypnotisch wirksame Antidepressiva und Antipsychotika:

Zur Behandlung der Insomnie, wie auch nächtlicher Unruhezustände bei


Demenzpatienten werden –vor allem dann, wenn eine längerfristige Gabe notwendig
ist- Substanzen ohne Abhängigkeitspotential eingesetzt (Trazodon, Trimipramin,
Doxepin). An erster Stelle stehen hier nieder potente Antipsychotika (De-Martinis u.
Winokur 2007, Ballard u. Howard 2006; Franco et al. 2006) sowie Schlaf
anstossende Antidepressiva (Walsh 2004).
Wenige Studien an nicht-dementen Insomnie-Patienten zeigen hier positive
Wirkungen auf die Schlafdauer und die nächtliche Wachzeit. Grundsätzlich gilt, dass
von Substanzen mit anticholinergen Nebenwirkungen (u.a. kognitive Störungen,
Harnverhalt, Obstipation etc.) Abstand genommen werden sollte.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3

Melatonin, Melatonin-Agonist Circadin:

3 Metanalysen weisen auf eine gewisse Wirkung bei circadian bedingten


Schlafstörungen hin, nicht jedoch bei reinen Insomnien. Das Nebenwirkungsprofil ist
unproblematisch. Die Melatonin-extended release form Circadin ist zur Behandlung
von Schlafstörungen bei über 55jährigen zugelassen. Nebenwirkungen werden
Reizbarkeit, Nervosität, Albträume, und psychomotorische Hyperaktivität angegeben,
die zu beachten sind. In einer Studie an 157 Patienten mit Alzheimer Demenz zeigte
sich nach 2,5 mg Slow-release-Melatonin oder 10 mg Melatonin im Vergleich zu
Plazebo einen tendenziell höheren Patientenanteil, deren nächtliche Schlafzeit um
mindestens 30 min zunahm; v. a. nach 10 mg Melatonin (Sack et al. 2007).

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

74
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Chloralhydrat:

Keine kontrollierten Studien, rascher Wirkverlust und geringe therapeutische Breite,


daher nicht im Alter oder bei Demenz zu empfehlen (Gauillard et al 2002).

Nicht empfohlen, Evidenz-Kategorie F

Diphenhydramin, Doxylamin:

Beide Substanzen sind freiverkäuflich und auch Bestandteil von


Kombinationspräparaten (z.T. mit Phytopharmaka). Sie haben eine langsame
Anflutungsgeschwindigkeit und mittellange Halbwertzeit. Wegen der rasch
nachlassenden Wirkung bei regelmässiger Anwendung (Toleranz) sollten diese
Substanzen nur zeitlich limitiert eingenommen werden (Richardson et al 2002).
Wegen der zusätzlich ausgeprägten anticholinergen Komponente ist der Einsatz bei
älteren Menschen nicht zu empfehlen.

Nicht empfohlen, Evidenz-Kategorie E

Chlormethiazol:

Clormethiazol wird in der klinischen Praxis ebenfalls als Hypnotikum eingesetzt. Es


liegt eine kontrollierte Studie bei 11 Patienten mit Demenz vor, in der sich kein
Unterschied auf die Schlafparameter gegenüber Placebo zeigte (Mead 1982).
Aufgrund des gehäuften co-morbiden Auftretens von Demenz und Schlaf-Apnoe und
der atemdepressiven Wirkung von Clormethiazol sollte diese Substanz nicht
gegeben werden.

Nicht empfohlen, Evidenz-Kategorie E

Phytotherapeutika / Baldrian:

Von den Phytotherapeutika ist Baldrian am besten untersucht. Es liegen drei


Metaanalysen vor (Stevinson u. Ernst 2000; Bent et al. 2006; Taibi et al. 2007),
deren Ergebnisse ein uneinheitliches Bild zeigen. Die geringe Toxizität und das sehr
geringe Auftreten von Nebenwirkungen (in Ausnahmefällen gastrointestinale Effekte
und Hautreaktionen) erlauben Therapieversuche.

Keine Empfehlung, Evidenz-Kategorie F für Demenz

75
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Referenzen:

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77
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Andere Substanzen:

Analgetika:

Schmerzen können zu BPSD beitragen. Bei der Suche nach Ursachen für BPSD soll
auch nach Schmerzen gefahndet werden. Die Datenlage zu einer günstigen
Beeinflussung von BPSD, insbesondere von Agitation durch den Einsatz von
Analgetika ist inkonsistent. Es sind mehrere randomisierte, kontrollierte Studien zu
Behandlungen mit Einzelsubstanzen (Paracetamol, Opioide) oder mit verschiedenen
Wirkstoffen in Stufenschemata durchgeführt worden. Neben Studien, die für eine
günstige Beeinflussung von agitierten Verhaltenssymptomen sprechen, können
andere Untersuchungen einen solchen Effekt nicht zeigen. Viele Analgetika haben
dämpfende und anxiolytische Nebenwirkungen. Es ist unklar ob die beobachteten
positiven Effekte auf Agitation alleine auf analgetische oder auch auf andere
psychotrope Effekte der verwendeten Analgetika zurückzuführen sind. Umgekehrt
können andere Substanzen wie Antidepressiva, Neuroleptika und Antiepileptika
analgetische oder koanalgetische Eigenschaften haben, die auch zu deren Wirkung
auf BPSD beitragen können. Schmerzen sollen bei Demenzpatienten gezielt und
suffizient behandelt werden. Bei fehlenden konkreten Hinweisen auf das
Vorhandensein von Schmerzen kann ein probatorischer Einsatz von Analgetika unter
sorgfältiger Risikoabwägung sinnvoll sein. Ein systematischer Einsatz im Zuge von
Behandlungsalgorithmen wird durch die aktuelle Datenlage noch nicht ausreichend
gestützt.

Empfehlungsgrad 5, Evidenz-Kategorie D

SEM: Schmerzen sollen bei Patienten mit einer Demenz-Erkrankung gezielt


behandelt werden unter Berücksichtigung der delirogenen Potential der Substanzen

Referenzen:

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Ginkgo biloba:

Mehrere randomisierte kontrollierte Studien an heterogenen Kohorten von


Demenzpatienten zeigen eine Verbesserung von BPSD gemessen am NPI-Gesamt-

78
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Score unter Behandlung mit dem standardisierten Ginkgo biloba Extrakt EGb 761.
Diese Resultate wurden auch in einer Meta-Analyse der kontrollierten Studien
bestätigt. Vor allem positive Einflüsse auf Angst, Reizbarkeit, Apathie und
Depression sind beobachtet worden. Verbesserung des Stresses der Betreuer war
eine begleitende Wirkung der Therapie. Der Einsatz von EGb 761 zur Behandlung
von BPSD kann empfohlen werden.

Empfehlungsgrad 2, Evidenz-Kategorie A

Referenzen:
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79
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Medikamentöse Behandlung der BPSD bei speziellen Demenz-Formen:

Vaskuläre Demenz:

Vaskuläre Demenz (VaD) ist definiert als eine kognitive Störung infolge von
ischämischen oder hämorrhagischen Hirnläsionen (1, 2). In der strukturellen
neuroradiologischen Unterschung finden sich ausgesprägte mikro- oder
makrovaskuläre Läsionen. Risikofaktoren sind Geschlecht, hohes Alter, niedriges
Bildungsniveau, vorbestehende oder familiäre Demenz-Erkrankungen und
kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes, Vorhofflimmern, Hypertonie,
Dyslipidämie, sowie eine Anamnese mit St. nach CVI, TIA Das kognitive
Ausfallsmuster ist sehr heterogen abhängig von der Lokalisation der vaskulären
Läsionen. Dysexektive Störungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Denkstörungen,
Störungen des Verhaltens und der Emotionensregulation sind häufig (2, 3). Die
Heterogenität des klinischen Bildes und der Läsionen erschwert eine gezielte
Therapie der Begleitsymptome der VaD.

Antidementiva zeigen neben geringfügigen Veränderungen der kognitiven Symptome


gewisse positive Effekte auf BPSD bei VaD. Meta-Analysen über die Wirksamkeit
von Memantin bei VaD weisen auf positive Effekte auf Verhalten in NOSGER und
CGIC hin (1, 4, 5). Von den Cholinesterasehemmern war Galantamin laut zwei Meta-
Analysen wirksam bei einigen Items der ADAS-Cog, CIBIC+ und NPI (1, 4, 6).
Donepezil zeigte in drei grossen kontrollierten Studien nutzbringende Effekte auf
kognitive Funktionen und Aktivitäten des täglichen Lebens (1, 4, 7). Rivastigmin wies
in einer grossen kontrollierten Studie zwar Wirksamkeit bei kognitiven Störungen auf
aber nicht bei Aktivitäten des täglichen Lebens oder Verhaltensstörungen (1, 4, 8).
Die Datenlage zur Wirksamkeit der Antidementiva bei Begleitsymptomen der VaD ist
aber weiterhin nicht durch ausreichende Evidenz gesichert, und da insbesondere die
klinische Relevanz der Ergebnisse unklar ist.

Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C

SEM: Antidementiva werden bei reiner VaD nicht empfohlen

Neuroleptika: Aufgrund vom erhöhten Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse (9), der
schnelleren Krankheitsprogresion und der erhöhten Mortalität (10) wird der Einsatz
dieser Medikamente bei VaD als Therapie der ersten Wahl nicht empfohlen.

Der Einsatz der Neuroleptika wird nur bei genauer Indikationsstellung empfohlen.

Antidepressiva: Zerebrovaskuläre Ereignisse gehen oft mit schwerer Depression


einher was den Einsatz von Antidepressiva notwendig machen kann. In einer Meta-
Analyse von fünf kontrollierten Studie zur Wirksamkeit von Antidepressiva bei AD,
VaD und Mischdemenz zeigten vor allem Serotoninwiederaufnahmehemmer und
Trazodon gute Verträglichkeit und Wirksamkeit bei Agitation im Vergleich zu Plazebo
und Neuroleptika (11). Antidepressiva können aber gerade bei VaD auch schwere
Nebenwirkungen zeigen wie Elektrolytenabfall und Antriebssteigerung. Deshalb sind
sie nur unter regelmässiger klinischer Kontrolle einzusetzen.

80
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B
Demenz mit Lewy-Körperchen:

Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) ist eine fortschreitende kognitive Störung mit
ausgeprägten Fluktuationen der kognitiven Störungen, visuellen Halluzinationen und
motorischen Symptomen wie z.B. Rigor, Bradykinese und Hypophonie. Klinisch,
neuroradiologisch und neuropathologisch sind die DLB und die Parkinson Demenz
sehr ähnliche Syndrome und in klinischen Studien sind oft beide
Patientenpopulationen eingeschlossen, was eine Unterscheidung der Wirksamkeit
betreffend Diagnosekategorie schwierig macht. Obwohl Begleitsymptome wie
Halluzinationen im Vordergrund stehen, besteht wegen neuroleptischer Sensitiviät
eine relative Kontraindikation für den Einsatz derselben (12). Es sind einige
Fallstudien zum niedrig dosierten Einsatz von Clozapin und zu Quetiapin gegen
Psychose bei DLB vorhanden, doch die Evidenz betreffend Wirksamkeit ist
unkonklusiv, aber es besteht für diese Substanzen gewisse klinische Erfahrung.

Grundsätzlich wird der Einsatz der klassischen Neuroleptika nicht empfohlen.


Empfehlungsgrad 4, Evidenz-Kategorie C3 für atypische Neuroleptika Quetiapin und
Clozapin

SEM: Quetiapin und Clozapin können bei genauer Indikationsstellung als


Medikament der zweiten Wahl eingesetzt werden.

In einer Meta-Analyse aller kontrollierten Studien zum Einsatz von


Cholinesteraseinhibitoren bei DLB und Parkinson Demenz blieb die Wirksamkeit
dieser Medikamente bei DLB unklar (14). Eine kontrollierte Studie, die die
Wirksamkeit von Rivastigmin bei DLB untersuchte zeigte positive Effekte dieser
Substanz bei BPSD bei DLB (15).

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B (SEM: Cholinesterasehemmer werden als


Medikament der ersten Wahl bei DLB empfohlen)

Es sind einige positive Hinweise aus kontrollierten Studien vorhanden dass


Memantin bei Patienten mit DLB die Aktivitäten des täglichen Lebens,
Begleitsymptome der Demenz und Lebensqualität verbessert (16, 17).

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

SEM: Memantin kann als Medikament der dritten Wahl bei DLB empfohlen werden

Parkinson Demenz:

Der M. Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die kortikale und


subkortikale Stukturen (Substantia nigra) betrifft. Neuropathologisch finden sich
Gemeinsamkeiten mit der Lewy Körperchen Demenz. Klinisch finden sich die
Symptomtrias Bradyphrenie, Tremor und extrapyramidalmotrische Störungen. Eine
dementielle Entwicklung und neuropsychiatrische Störungen insbesondere

81
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Depression, visuelle Halluzinationen und Psychose, sind häufig. In der kognitiven


Testung bestehen oft Aufmerksamkeitsdefizite, sowie ein dysexekutives Syndrom mit
visuo-perzeptiven Funktionsbeeinträchtigungen. Die episodische Gedächtnisleistung
ist im Vergleich zur Alzheimer Erkrankung erhalten. Die motorischen
Beeinträchtigungen erschweren den Einsatz von Medikamenten die zu einer
Inhibition des dopaminergen, cholinergen oder histaminergen Systemes führen. Beim
Einsatz dieser Medikamente kommt es zu Hypotonie, Stürzen oder Konfusion. Bei
der Behandlung der Parkinson Demenz erkrankten stellt sich oft die Frage, wie eine
sehr komplexe, ausgebaute Parkinsontherapie vereinfacht werden kann.
In fünf kontrollierten Studien zum Einsatz von Cholinesteraseinhibitoren bei Demenz
bei M. Parkinson positive Effekte auf Aktivitäten des täglichen Lebens,
Verhaltensstörungen und kognitive Funktion (14). Dieser Effekt scheint in erster Linie
für den Cholinesterasehemmer Rivastigmin zu gelten (18, 19). Zwei plazebo
kontrollierte Studien fanden marginale Effekte für neuropsychiatrische Symptome
beim Einsatz von Memantin (16, 17). Deswegen gilt für den Einsatz von
Antidementiva bei Demenz bei M.Parkinson:

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie B

SEM: Der Einsatz von Antidementiva bei Demenz bei M.Parkinson ist eine off-label
Anwendung

Zwei randominsierte placebokontrollierte Studien haben die Wirksamkeit von


tiefdosiertem Clozapin bei M. Parkinson und Psychose untersucht, zu einer Zeit als
die klinische Unterscheidung zwischen M.Parkinson und Parkinson Demenz noch
nicht gemacht wurde (20, 21). Sie fanden gute Wirksamkeit. Zu beachten sind jedoch,
dass Clozapin in steigender Dosierung ausgeprägte anticholinerge Nebenwirkungen
hat und dass die Labor Leukozyten Kontrollen unabhängig von der Dosierung nach
den Vorgaben im Kompendium durchgeführt werden müssen. Zusätzlich weisen
Fallberichte auf mögliche Verträglichkeit und Wirksamkeit von Clozapin und
Quetiapin bei Psychose hin, doch insgesamt ist die klinische Evidenz nicht eindeutig.
Und Nebenwirkungen wie Orthostase, Sturzneigung müssen beachtet werden.

Bei der Wahl der Antidepressiva müssen Substanzen mit anticholinergen


Nebenwirkungen (z.B. Trizyklika) vermieden werden. Ebenfalls eine schnelle
Aufdosierung der Antidepressiva, weil die Antriebssteigerung gelegentlich zur
Agitation und Verschlechterung der motorischen Symptomatik führen kann.
Grundsätzlich müssen bei Auftreten von BPSD alle Medikamente mit anticholinerger
Wirkung vermieden und Levodopa und andere Anti-Parkinson-Medikamente zu einer
minimalen notwendigen Dosierung reduziert werden, weil diese BPSD wie Psychose
verursachen können. Durch diese Massnahme allein kann oft der Einsatz von
zusätzlichen Psychopharmaka vermieden werden.

82
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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84
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Frontotemporale Demenz (FTD):

Die Studienlage für die Behandlung der FTD ist nicht eindeutig. Die Fallzahlen sind
meist klein, viele Studien sind Einzelfall- oder unkontrollierte Studien. Ebenfalls sind
die Studien schwierig zu vergleichen, da sehr unterschiedliche Outcome Variablen
verwendet wurden. Eine krankheitsspezifische Therapie besteht bis heute nicht. Die
Studien, welche die für die AD wirksamen Antidementiva bei Patienten mit FTD
getestet haben, ergaben weitgehend negative oder widersprüchliche Resultate. So
konnte etwa die kürzlich erschienene doppelblinde Plazebo kontrollieren Studie an
81 FTD Patienten von Boxer und Kollegen (Boxer et al., 2012) keinen signifikanten
Effekt einer 26 wöchigen Behandlung mit Memantin auf den NPI oder den CGIC
zeigen. Ähnliche negative Resultate einer Memantin-Behandlung bei 49 FTD
Patienten fand eine Studie von Vercelletto et al (2011). Die Resultate der Studien,
welche den Einsatz von Cholinesterase-Hemmern geprüft haben, sind ebenfalls
wenig überzeugend: Kertesz et al. (2008) hat in seinen 66 Patienten mit FTD
(Verhaltensvariante oder primäre progressive Aphasie) keine signifikante
Verbesserung unter Galantamin gefunden, jedoch einen Trend bei den Patienten mit
primärer progressiver Aphasie.

Moretti et al. (2004) behandelte in einer open-label Studie Patienten mit FTD über 12
Monate mit Rivastigmin oder Antipsychotika, Benzodiazepine und Seleginin
(Kontrollgruppe). Sie fanden nach 12 Monaten eine Verbesserung im NPI und in der
Behavioral Pathology in Alzheimer's Disease Rating Scale. Die kognitive
Verschlechterung, gemessen mit dem MMSE, konnte allerdings nicht beeinflusst
werden. Im Gegensatz dazu haben Mendez et al. (2007) eine Verschlechterung des
Verhaltens unter Donezepil gefunden. Allerdings waren nur 12 Patienten in der
Studie eingeschlossen, die über 6 Monate Donezepil erhielten. Im Vergleich zu 12
Kontrollpatienten zeigte sich bei 4 Patienten in der Behandlungsgruppe eine
Verschlechterung auf Verhaltensebene welche auch zum Abbruch der Therapie
führte.

Eine bessere Evidenz für eine effektive Intervention bei FTD kommt vom Einsatz von
Antidepressiva. Verschiedene Substanzen wurden getestet: Trazodon (Adler et al.
2003; Lebert et al. 2004), Paroxetin (Moretti et al. 2003; Deakin et al. 2004), Sertalin
(Prodan et al. 2009). Diese Studien konnten signifikante (wenn auch in
unterschiedlichem Masse) Verbesserungen im NPI, aber auch bezüglich Depression,
Agitation und Aggressivität bei FTD Patienten zeigen. In keiner dieser Studie wird
von einer Verschlechterung der Verhaltensauffälligkeiten oder der psychiatrischen
Symptome als Konsequenz der antidepressiven Therapie berichtet. Einzig die Studie
von Deakin et al. (2004) hat eine Verschlechterung der Kognition unter Paroxetin
beschrieben. Andere hingegen (Adler et al. 2003; Moretti et al. 2002) haben eine
Verbesserung kognitiver Funktionen unter Therapie mit Antidepressiva gefunden.
Antipsychotika wurden auch in verschieden Studien eingesetzt. Eine open-label
Studie mit Olanzapin (Moretti et al. 2003) hat eine Verbesserung der
Verhaltensauffälligkeiten gezeigt. Eine Einzelfallstudie hat dies auch für Risperdon
gezeigt (Curtis et al. 2000). Allerdings scheinen FTD sehr empfindlich auf diese
Medikamente mit einem hohen Prozentsatz von extrapyramidalen motorischen
Nebenwirkungen zu reagieren (Pijnenburg et al. 2003; Czarnecki et al. 2008). Weiter
haben Studien ein erhöhtes Mortalitätsrisiko unter atypischen Antipsychotika (aber
auch klassische Substanzen wie Haloperidol oder Thioridazin) bei Patienten mit

85
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Demenzen gezeigt. Somit sollte in jedem individuellen Fall das Risiko/Nutzen


Verhältnis abgewogen werden, da die Verhaltensstörungen ein grösseres Risiko für
Patienten und deren Betreuer darstellen als das der Gabe von Antipsychotika.
Bei der Behandlung von Patienten haben nichtpharmakologische Interventionen eine
grosse Bedeutung (Merrilees, 2007; Talerico et al. 2001; Perry & Miller 2001). Im
Zentrum stehen die Führung und Information der Betreuer. Betreuer von Patienten
mit FTD haben eine deutlich höhere Belastung als Betreuer von AD Patienten. Die
Betreuer spielen eine zentrale Rolle im multidisziplinären Behandlungsteam von
Patienten mit FTD. Obwohl diese Tatsache allgemein akzeptiert wird, gibt es zu
diesem Thema wenig Studien (Nunnemann et al. 2012). Ein weiterer wichtiger Faktor
ist, Medikamente zu vermeiden, welche die Verhaltensstörungen akzentuieren
können. Viele psychotrope Medikamente wie Stimulantien, Sedativa oder Anxiolytika
können die Verhaltensstörungen verstärken. Aber auch Alkohol, Nikotin und Koffein
sollten gemieden werden. Eine klare Tagesstruktur sowie die Vermeidung von
Risiken zu Hause und in der Öffentlichkeit (z.B. Autofahren) sind weitere
Massnahmen, die schon früh eingeleitet werden sollen.

Bei Patienten mit FTD steht die symptomatische Therapie und die
nichtpharmakologischen Interventionen im Vordergrund.

Cholinesterase-Hemmer und Memantin können nicht empfohlen werden. Evidenz-


Kategorie E

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Biologische Therapien

Lichttherapie:

Der Einsatz der Lichttherapie bei Patienten mit Demenz zielt primär auf die
Behandlung von Störungen des Schlafs, der Tagesmüdigkeit und des cirkadianen
Rhythmus ab. Hierzu liegt eine grosse Zahl an Studien, vorwiegend bei Patienten mit
Alzheimer Demenz vor (Zhou et al. 2012). Die Mehrzahl der Studien zeigen
Verbesserungen in den Zielparametern Verbesserung des Schlafs sowie der Aktivität
des cirkadianen Rhythmus (Zhou et al 2012, Cardinali et al 2011). Es liegen aber
auch zwei neuere Studien, die an einer grossen Patientenzahl durchgeführt wurden,
mit negativem Ergebnis vor (Harper et al 2001, Volicer et al 2001).

Die Gründe für die z.T. unterschiedlichen Resultate, wie auch die negativen
Resultate der genannten Studien liegen in unterschiedlichen Studiendesigns,
insbesondere in unterschiedlicher Anwendung der Lichttherapie (Lichttherapie -
morgens vs. mittags oder abends, unterschiedliche Lichtintensitäten,
unterschiedliche Vergleichsgruppen). Eine task force der amerikanischen
Gesellschaft für Schlafmedizin (American Academy of Sleep Medicine) hat praktische
Therapieempfehlungen für die Anwendung der Lichttherapie bei Patienten mit
Demenz verfasst (Sack et al 2007, Morgenthaler et al 2007). Diese basieren auf
neun grossen Studien mit positiven Effekten, die in Altenheimen durchgeführt wurden.
Die Patientenpopulation bestand in der Mehrzahl aus Patienten mit Demenz.
In diesen Studien wurden primär Verbesserungen einzelner Schlafparameter
(Einschlafzeit, bessere Schlafeffizienz, weniger nächtliche Wachphasen) gefunden,
z.T. auch eine höhere Tagesaktivität mit weniger Tagesschläfrigkeit (Napping) und
ruhigerer Nacht (Zhou et al 2012).

Anhand der vorliegenden Studien kann kein Zeitpunkt der Lichtgabe bei Patienten
mit Demenz favorisiert werden. Sowohl morgendliche wie auch abendliche
Applikation können als wirksam angesehen werden, so dass am ehesten beide
Applikationen am Tag oder von der Raumdecke ausstrahlendes Licht tagsüber
empfohlen werden können. Dies wird durch eine Studie belegt, in der sowohl
morgendliches Licht, wei auch Licht aus einer Deckenbestrahlung über den ganzen
Tag zu signifkanten Schlafverbesserungen bei Heimbewohnern (meist mit Demenz)
führten (Sloan et al 2007).

In einigen Studien wurde Lichttherapie auch in Kombination mit anderen nicht-


pharmakologischen und pharmakologischen Interventionen eingesetzt, insbesondere
zusammen mit Melatonin, aber auch körperlicher Aktivität etc.
Diese Studien zeigen meist intensivere und länger anhaltende Effekte.
Die stärkste Indikation für Lichttherapie stellt die Behandlung depressiver Zustände
im Rahmen saisonaler Depressionen dar (Pall et al 2011). Es liegt bisher aber keine
Studie vor, in der bei Patienten mit Demenz und depressivem Syndrom die
Veränderung der depressiven Symptomatik unter Lichttherapie untersucht wurde.
Da Schlafstörungen jedoch eng mit Störungen des Verhaltens assoziiert sind, kann
angenommen werden, dass es unter der Besserung des Schlafs und der
Tagesaktivität auch zu einer Besserung der emotionalen Befindlichkeit kommt.

89
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Eine bei Demenzen spezifische Verhaltensstörung stellt das „Sundowning-


Syndrom“ als typisches chronobiologisches Phänomen dar. Es ist durch Agitiertheit,
Unruhe, Umherwandern und Verwirrtheit gekennzeichnet. Es tritt bei ca. 25% der
Patienten mit Alzheimer Erkrankung (aber auch anderen Demenzen) immer am
späten Nachmittag oder am frühen Abend auf (Taylor et al 1997).
In zwei Studien, in denen speziell diese Zielsymptomatik untersucht wurde, konnten
deutliche Verbesserungen nach Lichttherapie gezeigt werden (Mishima et al 1994,
Yamadera et al 2000). Auch in anderen Studien, in denen Sundowning jedoch kein
primäres Zielsymptom war, wurden Verbesserungen berichtet (Zhou et al 2012,
Cardinali et al 2011). Schlafstörungen sind auch mit der kognitiven Leistungsfähigkeit
assoziiert (Kundermann et al 2011). In einer Studie führte die Lichttherapie
Applikation sowohl zu einer Besserung des Schlafs wie auch der kognitiven
Leistungsfähigkeit der untersuchten Demenzpatienten (der Lek et al 2008).

Empfehlungsgrad 3, Evidenzkategorie B für die Behandlung von Schlafstörungen


(Ein- und Durchschlaf) und cirkadiane Rhythmusstörungen, Sundowning
Empfehlungsgrad 5, Evidenzkategorie D für Depression im Rahmen der Demenz

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Schlafentzug -Wachtherapie:

Schlafentzug oder Wachtherapie (gesamte Nacht, erste oder zweite Nachthälfte) ist
bei Patienten mit Depression eine gut wirksame, nebenwirkungsarme Behandlung,
deren Effekt bei ca. 60% der Patienten rasch einsetzt (Hemmeter et al 2010,
Benedetti & Colombo 2011). Während für Patienten mit Altersdepression Studien
vorliegen, die eine antidepressive Wirksamkeit auch im Alter zeigen (Hernandez et al
2000), wurden keine Wirksamkeitsstudien zu Schlafentzug bei Patienten mit primärer
Demenz und sekundär depressivem Syndrom durchgeführt.

In den 80ger Jahren kam die Überlegung auf, Schlafentzug als


differentialdiagnostisches Tool zur Klärung der Frage Vorliegen einer Depression
oder Demenz zu verwenden. Unter dieser Fragestellung wurden auch Patienten mit
Demenz einem Schlafentzug unterzogen. Einzelfallberichte sowie eine Studie zeigt,
dass es bei Patienten mit Demenz und sekundärem depressiven Syndrom -im
Gegensatz zu den Patienten mit primärer Depression- zu keiner Verbesserung des
Gesamtbildes, sondern eher zu einer Verschlechterung oder gar einem
Verwirrtheitszustand kam (Williams et al 1994, Letemendia et al 1986, Reynolds et al
1987, Zaptozky 1996). Hirnorganische Erkrankungen könnten daher sogar als
relative Kontraindikation für Schlafentzug angesehen werden. Hinzu kommt, dass der
unspezifische Stress der mit dem forcierten Wachbleiben über die Nacht verbunden
ist, v.a. bei Patienten mit somatischen (cardialen) Vorerkrankungen, die Alter
häufiger auftreten, zu unerwarteten körperliche Komplikationen führen kann (Delva et
al 2001, Suh et al. 2007).

Nicht empfohlen, Evidenzkategorie F

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Elektrokrampftherapie (EKT):

Elektrokrampf- oder Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist eine etablierte und gut


untersuchte Methode zur Behandlung von affektiven Störungen wie schwere oder
wahnhafte Depression, Therapieresistenz oder Katatonie (Van der Wurff et al 2003).
Auch für ältere Patienten mit Depression liegen kontrollierte Studien zur EKT-
Behandlung vor, die z.T. einer höhere Effizienz zeigen als für jüngere Depressive
und sich als sicher und gut verträglich erwiesen (Tow et al 1999, Sartorius & Hewer
2007).

Depressive Syndrome finden sich mit 20-25% häufig bei Patienten mit Demenz, z.T.
mit intensiver Therapieresistenz (Rao & Lyketsos 2000). Die häufigste Nebenwirkung
bei EKT sind kognitive Störungen wie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen,
sowie Störungen der Orientierung, die in der Regel akut auftreten und meist
innerhalb von wenigen Tagen reversibel sind.

Das Auftreten von Gedächtnisstörungen, die mit der Durchführung der EKT
verbundene Narkose, die vorbestehenden hirnorganischen Störungen
(neurodegenerativ oder zerebrovaskulär) und die damit verbundene Idee, diese
irreversibel zu verschlechtern sind Gründe, warum Patienten mit hirnorganischen
Störungen bisher nur wenig mit EKT behandelt bzw. in Studien untersucht wurden.

Es wurden zu dieser Fragestellung mehrere Fallberichte und wenige offene Studien,


in die sowohl Patienten mit vaskulärer wie auch neurodegenerativer Demenz
eingeschlossen wurden publiziert. Insgesamt zeigte sich nach der Durchführung
mehrerer EKTs eine gute antidepressive Wirksamkeit, bei ca. der Hälfte der
Patienten trat jedoch vorübergehend eine delirante Symptomatik auf. Zum Teil wurde
auch von signifikanten Verbesserungen der Kognition (MMSE-Wert) berichtet
(Oudman 2012, Wilkins et al 2008). Die Studien deuten daraufhin, dass kognitive
Nebenwirkungen eher bei vaskulären Demenzen und eher in späteren Stadien der
Demenz auftreten (Rao & Lyketsos 2000, Oudman 2012).

In einer kürzlich publizierten Studie wurde die Frage EKT-Behandlung bei Patienten
mit Depression bei Demenz kontrolliert untersucht. Es wurden auch Patienten mit
leichter kognitiver Störung (MCI) (sowie Demenzen vs. Personen ohne kognitive
Störung) einbezogen (Hausner et al 2011). Die Ergebnisse zeigten in allen Gruppen
einer Verbesserung der affektiven Symptome. Nach einer initialen Verschlechterung
der Kognition in allen Gruppen (Depression, Depression + MCI, Depression +
Demenz) ergab sich eine mittelfristige Verbesserung über 6 Monate in der kognitiven
Leistung. Bei Demenzpatienten war die Verbesserung dann ausgeprägt, wenn
gleichzeitig Antidementiva eingenommen wurden (Haussner et al 2011).

In jüngster Zeit wurde EKT auch zur Behandlung von aggressiven Zuständen und
Agitation eingesetzt, bei denen verhaltensorientierte und medikamentöse Ansätze
nicht wirksam waren. Beide Verhaltensstörungen treten im Verlauf einer Demenz
häufig auf (Agitation zu 50%, Aggressivität zu ca. 30%, Tariot 1999). Es liegen zu
dieser Thematik keine kontrollierten Studien vor, es gibt jedoch einige Fallberichte
(ca. 10), die meist Patienten mit schwerer Depression betreffen. Alle berichten von
einer guten und raschen Besserung der Aggressivität und Agitation nach EKT
(bereits nach 2 bis 4 Behandlungen), die z.T. lange anhielt oder in Einzelfällen auch

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

dauerhaft war. Die EKT wird als gut verträglich und sicher beschrieben (Wilkins et al
2008).

In 2 Arbeiten wurden explizit Patienten mit Lewy Körper Demenz und depressiver
Symptomatik behandelt (Rasmussen et al 2003, Takahashi et al 2009). Bei den
meisten Patienten kam es auch hier zu einer guten antidepressiven Wirkung mit
unterschiedlichen Effekten auf visuelle Halluzinationen, Wahn und
Parkinsonsymptomen (Burgut & Kellner 2010).
Eine Publikation berichtet über zwei Fälle mit Alzheimer Demenz, in denen EKT bei
intensiver Vokalisation erfolgreich angewendet wurde (Bang et al 2008).

Fazit: EKT kann bei Patienten mit Demenz angewendet werden, a) zur Behandlung
eines Therapie resistenten depressiven Syndroms, b) zur behandlung von
Aggressivität und Agitation, als ultima ratio für intensive Vokalisation. Auf kognitive
Störungen und delirante Symptome als akute Nebenwirkung ist zu achten,
insbesondere bei Patienten mit vaskulärer Demenz und Demenz im späteren
Stadium.

Empfehlungsgrad 3, Evidenz-Kategorie C1

SEM: Aufgrund der möglichen kognitiven und somatischen Nebenwirkungen ist EKT
bei dieser Patienten-Gruppe sehr zurückhaltend und als letzte Therapie-Möglichkeit
einzusetzen

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

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Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der BPSD - November 2014

Therapeutischer Algorithmus bei BPSD

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