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Klinikleitfaden

Kardiologie
5. Auflage

Herausgeber: Prof. Dr. med. Ulrich Stierle, Lübeck; PD Dr. med. Franz Hartmann, Eutin.
Weitere Autoren: Dr. med. Beate Probst-Wiemuth, Bad Pyrmont;
Dr. med. Ronja Westphal, Bad Segeberg; Prof. Dr. med. Uwe Wiegand, Remscheid
Zuschriften an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
E-Mail: medizin@elsevier.de

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Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Er-
fahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die
in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indikation, Dosie-
rung und unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den
Nutzer dieses Werkes aber nicht von der Verpflichtung, anhand weiterer schriftlicher Informations-
quellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Werk abweichen und
seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen.
Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Ver-
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5. Auflage 2014
© Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.

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Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatika-
lisch maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer
gemeint.

Begründer der Reihe: Dr. Arne Schäffler, Ulrich Renz


Planung und Lektorat: Inga Schickerling, München; Julia Glöckner, München
Redaktion: Susanne C. Bogner, Dachau
Herstellung: Sibylle Hartl, Valley; Johannes Kressirer, München
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: CPI Books GmbH, Ulm
Umschlaggestaltung: Spiesz Design, Neu-Ulm
Titelfotografie: © Anette Linnea Rasmus – Fotolia.com
ISBN Print 978-3-437-22282-5
ISBN e-Book 978-3-437-16863-5

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com


Vorwort
Der Klinikleitfaden Kardiologie ist als Begleiter für den kardiologisch tätigen Arzt,
Internisten und Allgemeinmediziner in Klinik oder Praxis konzipiert. Er stellt Fak-
ten und Zusammenhänge übersichtlich dar und schließt so die Lücke zwischen
Kompendium und Lehrbuch. Die Informationen zu Diagnostik und Therapie sind
sehr konkret und praxisnah gehalten. Zu diesem Zweck sind z. B. häufig Hinweise
auf Besonderheiten und vermeidbare Fehler enthalten.
Einsteiger erhalten Sicherheit im Umgang mit den Problemen der klinischen Kar-
diologie, der erfahrene Leser hat mit dem Klinikleitfaden die Möglichkeit, schnell
Antworten auf spezielle Fragen zu bekommen.
Die Akzeptanz in der Leserschaft, die weite Verbreitung mit der Notwendigkeit
einer 5. Auflage und ein breites, positives Leserecho sind Indizien dafür, dass das
Konzept und die Realisierung des Klinikleitfadens Kardiologie richtig waren und
sind.
Wie in allen Bereichen der Medizin war auch auf dem Gebiet der Kardiologie der
Wissenszuwachs in den letzten Jahren erheblich. Randomisierte, prospektive Un-
tersuchungen und Registerstudien haben ein hohes Maß an verlässlichen Eviden-
zen in allen Bereichen der klinischen Kardiologie erbracht. Die Fülle an Leitlinien
– den Eckpfeilern unserer diagnostischen und therapeutischen Bemühungen – der
großen kardiologischen Fachgesellschaften ist für den Praktiker schwer überschau-
bar. Bei der erneuten umfassenden Überarbeitung aller Kapitel wurden die natio-
nalen und internationalen Leitlinien einbezogen, die aktuell gültigen Konzepte von
Diagnostik und Therapie wurden aktualisiert, und es wurde besonderer Wert dar-
auf gelegt, dass der Leser aus den Leitlinienempfehlungen das praktische Vorgehen
in Diagnostik und Therapie entnehmen kann.
Wie bei den Vorauflagen bitten wir auch bei der jetzigen 5. Auflage dieses Buchs
um Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Wir sind bemüht, diese Anregun-
gen bei zukünftigen Bearbeitungen zu berücksichtigen. Der Klinikleitfaden ist in-
nerhalb der 5 Auflagen durch Leserwünsche gewachsen, er hat damit reichlich an
praktischen Erfahrungen gewonnen. So wurde auf die Ausführungen zur kardiolo-
gischen Diagnostik und Therapie zugunsten der klinischen Entitäten verzichtet,
eine Verlagerung des Schwerpunkts zu einem Leitfaden der klinischen Kardiologie
soll dem Nutzer zur Seite stehen.
Wir hoffen, dass die aktualisierte 5. Auflage des Klinikleitfadens bei unseren Lesern
Anklang findet und der Klinikleitfaden unverändert ein guter Ratgeber in Klinik
und Praxis sein wird.

Lübeck, im Juni 2013


Prof. Dr. med. Ulrich Stierle
PD Dr. med. Franz Hartmann
Benutzerhinweise
Der Klinikleitfaden ist ein Kitteltaschenbuch. Das Motto lautet: kurz, präzise und
praxisnah. Medizinisches Wissen wird komprimiert dargestellt. Im Zentrum ste-
hen die Probleme des klinischen Alltags. Auf theoretische Grundlagen wie Patho-
physiologie oder allgemeine Pharmakologie wird daher weitgehend verzichtet.
• Vorangestellt: Tipps für die tägliche Arbeit und Arbeitstechniken.
• Im Zentrum: Fachwissen nach Krankheitsbildern bzw. Organsystemen geord-
net – wie es dem klinischen Alltag entspricht.
• Zum Schluss: praktische Zusatzinformationen.
Wie in einem medizinischen Lexikon werden gebräuchliche Abkürzungen ver-
wendet, die im Abkürzungsverzeichnis erklärt werden.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wurden viele Querverweise eingefügt. Sie sind
mit einem Pfeil ▶ gekennzeichnet.

Wichtige Zusatzinformationen sowie Tipps

Notfälle und Notfallmaßnahmen

Warnhinweise

Internetadressen: Alle Websites wurden vor Redaktionsschluss im März 2013 ge-


prüft. Das Internet unterliegt einem stetigen Wandel – sollte eine Adresse nicht
mehr aktuell sein, empfiehlt sich der Versuch über eine übergeordnete Adresse
(Anhänge nach dem „/“weglassen) oder eine Suchmaschine. Der Verlag über-
nimmt für Aktualität und Inhalt der angegebenen Websites keine Gewähr.
Die angegebenen Arbeitsanweisungen ersetzen weder Anleitung noch Supervision
durch erfahrene Kollegen. Insbesondere sollten Arzneimitteldosierungen und an-
dere Therapierichtlinien überprüft werden – klinische Erfahrung kann durch keine
noch so sorgfältig verfasste Publikation ersetzt werden.
Adressen
Herausgeber
Prof. Dr. med. Ulrich Stierle, Klinik für Herz und thorakale Gefäßchirurgie, Universitäts-
klinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23562 Lübeck
PD Dr. med. Franz Hartmann, Zentrum für Innere Medizin und Intensivmedizin,
Sana Kliniken Ostholstein GmbH, Hospitalstr. 22, 23701 Eutin
Weitere Autoren
Dr. med. Beate Probst-Wiemuth, Praxis für psychotherapeutische Medizin,
Kurfürstenstr. 9, 31812 Bad Pyrmont
Dr. med. Ronja Westphal, Herzzentrum Segeberger Kliniken GmbH,
Am Kurpark 1, 23795 Bad Segeberg
Prof. Dr. med. Uwe Wiegand, Medizinische Klinik 1, Sana Klinikum Remscheid,
Burger Str. 211, 42859 Remscheid
Nach der 4. Auflage ausgeschiedene Autoren
Prof. Dr. med. Friedrich-Karl Maetzel, Lübeck (Kapitel: Prävention und Rehabilitation)
Dr. med. Colmar Niederstadt, Saarbrücken (Kapitel: Entzündliche Herzerkrankungen
und kardiale Raumforderungen; Arterielle Hypertonie, Hypotonie; Pharmakotherapie)

Abbildungsnachweis
A300 Reihe Klinik- und Praxisleitfaden, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag,
München
L106 Henriette Rintelen, Velbert
L115 Rainer Dunkel, Berlin
L157 Susanne Adler, Lübeck
L190 Gerda Raichle, Ulm
T125 Prof. Dr. med. Ulrich Stierle, Lübeck
T544 Univ.-Prof. Dr. med. univ. Burkert Mathias Pieske, Graz, Österreich
X320 Achenbach S et al. Kommentar zu den Leitlinien der Europäischen
Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur Diagnostik und Therapie des akuten
Koronarsyndroms ohne persistierende ST-Streckenhebung. Kardiologe 2012;
6: 283–301. http://leitlinien.dgk.org/2012/pocket-leitlinie-akutes-koronar-
syndrom-ohne-st-hebung-nste-acs/
X321 Silber S et al.: Kommentare zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft
für Kardiologie (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit
ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI). Kardiologe 2010: 4: 84–90.
http://leitlinien.dgk.org/2010/pocket-leitlinie-akutes-koronarsyndrom-mit-
persistierender-st-streckenhebung-stemi
Adressen
Herausgeber
Prof. Dr. med. Ulrich Stierle, Klinik für Herz und thorakale Gefäßchirurgie, Universitäts-
klinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23562 Lübeck
PD Dr. med. Franz Hartmann, Zentrum für Innere Medizin und Intensivmedizin,
Sana Kliniken Ostholstein GmbH, Hospitalstr. 22, 23701 Eutin
Weitere Autoren
Dr. med. Beate Probst-Wiemuth, Praxis für psychotherapeutische Medizin,
Kurfürstenstr. 9, 31812 Bad Pyrmont
Dr. med. Ronja Westphal, Herzzentrum Segeberger Kliniken GmbH,
Am Kurpark 1, 23795 Bad Segeberg
Prof. Dr. med. Uwe Wiegand, Medizinische Klinik 1, Sana Klinikum Remscheid,
Burger Str. 211, 42859 Remscheid
Nach der 4. Auflage ausgeschiedene Autoren
Prof. Dr. med. Friedrich-Karl Maetzel, Lübeck (Kapitel: Prävention und Rehabilitation)
Dr. med. Colmar Niederstadt, Saarbrücken (Kapitel: Entzündliche Herzerkrankungen
und kardiale Raumforderungen; Arterielle Hypertonie, Hypotonie; Pharmakotherapie)

Abbildungsnachweis
A300 Reihe Klinik- und Praxisleitfaden, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag,
München
L106 Henriette Rintelen, Velbert
L115 Rainer Dunkel, Berlin
L157 Susanne Adler, Lübeck
L190 Gerda Raichle, Ulm
T125 Prof. Dr. med. Ulrich Stierle, Lübeck
T544 Univ.-Prof. Dr. med. univ. Burkert Mathias Pieske, Graz, Österreich
X320 Achenbach S et al. Kommentar zu den Leitlinien der Europäischen
Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur Diagnostik und Therapie des akuten
Koronarsyndroms ohne persistierende ST-Streckenhebung. Kardiologe 2012;
6: 283–301. http://leitlinien.dgk.org/2012/pocket-leitlinie-akutes-koronar-
syndrom-ohne-st-hebung-nste-acs/
X321 Silber S et al.: Kommentare zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft
für Kardiologie (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit
ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI). Kardiologe 2010: 4: 84–90.
http://leitlinien.dgk.org/2010/pocket-leitlinie-akutes-koronarsyndrom-mit-
persistierender-st-streckenhebung-stemi
VIII

Abkürzungen
Symbole ARVD arrhythmogene rechtsventri-
® kuläre Dysplasie
Handelsname AS Aortenklappenstenose
↔ normal (im Normalbereich) asc. ascendens
↑ hoch, erhöht ASD Vorhofseptumdefekt
↓ tief, erniedrigt ASH asymmetrische Septum­
→ vgl. mit, daraus folgt hypertrophie
▶ siehe (Verweis) ASL Antistreptolysintiter
+ leicht ASS Acetylsalicylsäure
++ mäßig AT Angiotensin
+++ stark AT III Antithrombin III
Ätiol. Ätiologie
A ATP Adenosintriphosphat
A./Aa. Arterie/n AV atrioventrikulär
Abl. Ableitung(en) AVNRT AV-Knoten-Reentry-Tachy-
a. p. anterior posterior kardie
A. p. Angina pectoris AZ Allgemeinzustand
ACE angiotensin converting
enzyme B
ACI A. carotis interna BB Blutbild
ACS akutes Koronarsyndrom bds. beidseits
ACT activated clotting time bes. besonders
ACVB aortokoronarer Venenbypass BGA Blutgasanalyse
ADH antidiuretisches Hormon Bili Bilirubin
ADP Adenosindiphosphat BIMA bilateral internal mammary
AG Atemgeräusch artery
AH apikale Hypertrophie BMI Body-Mass-Index
AHA American Heart Association BMS bare metal stent
AHB Anschlussheilbehandlung BSG Blutkörperchensenkungs­
AHG ambulante Herzgruppe geschwindigkeit
AK Antikörper BZ Blutzucker
AML anteriores Mitralklappensegel
Amp. Ampulle C
ANA antinukleäre Antikörper
Angio Angiografie, Angiogramm ca. zirka
ANP atriales natriuretisches Peptid Ca2+ Kalzium
ANV akutes Nierenversagen CABG aortokoronare Bypassopera­
Ao Aorta tion
AoK Aortenklappe CCT kraniales Computertomo-
AÖF Aortenklappenöffnungsfläche gramm, kraniale Computer-
AP alkalische Phosphatase tomografie
AR Aortenklappeninsuffizienz Chol. Cholesterin
art. arteriell CI cardiac index, Herzindex
ARVC arrhythmogene rechtsventri- CK Kreatinkinase
kuläre Kardiomyopathie CK-MB Kreatinkinase Herzmuskeltyp
chron. chronisch
 Abkürzungen IX

Cl– Chlorid E
CMP Kardiomyopathie
CO Kohlenmonoxid EBV Epstein-Barr-Virus
CO2 Kohlendioxid E‘lyte Elektrolyte
CoA Coarctatio aortae, Aorten- E‘phorese Elektrophorese
isthmusstenose Echo Echokardiografie
COLD chronisch obstruktive ED Einzeldosis
Lungenerkrankung EDP enddiastolischer Druck
COX Cyclooxygenase EF ejection fraction
CPAP continuous positive airway EK Erythrozytenkonzentrat
pressure EKG Elektrokardiogramm
CPK Karotispulskurve EMD elektromechanische
CPR cardiopulmonary resuscitati- Entkopplung
on, kardiopulmonale EMK erster medizinischer Kontakt
Wiederbelebung EPU elektrophysiologische
CRP C-reaktives Protein Untersuchung
CRT kardiale Resynchronisations- Erkr. Erkrankung(en)
therapie Erw. Erwachsener
CS Koronarsinus EZ Ernährungszustand
CSE Cholesterinsyntheseenzym
CT Computertomogramm F
CTEPH chronisch thrombembolische F French
pulmonale Hypertonie FEV1 Einsekundenkapazität
CTR cardiothoracic ratio, FFR fractional flow reserve,
Herz-Thorax-Quotient fraktionelle Flussreserve
CYP Cytochrom P FIO2 inspiratorische Sauerstoff-
konzentration
D FS fractional shortening,
d Tag Verkürzungsfraktion
DCA direktionale koronare
Atherektomie G
DCB medikamentenbeschichtete GE Gefäßerkrankung
Ballonkatheter Gew. Gewicht
DCM dilatative Kardiomyopathie GFR glomeruläre Filtrationsrate
DD Differenzialdiagnose/n γ-GT Gamma-Glutamyl-Trans­
d. h. das heißt ferase
Def. Definition GOT Glutamat-Oxalacetat-Trans­
Defi Defibrillation aminase
DES drug-eluting stent GP-IIb/ Glykoprotein-IIb/IIIa-
desc. descendens IIIa- GPT Glutamat-Pyruvat-Transami-
Diab. mell. Diabetes mellitus nase
Diagn. Diagnostik
diagn. diagnostisch H
diastol. diastolisch
Diff-BB Differenzialblutbild h Stunde
DL Durchleuchtung Hb Hämoglobin
Dos. Dosierung HBDH Hydroxybutyratde­
DSA digitale Subtraktionsangio- hydrogenase
grafie
X Abkürzungen 

HCM hypertrophische Kardiomyo- J


pathie
HE Hounsfield-Einheit J Joule
HELLP hypertension, elevated liver J. Jahre
enzymes, low platelets -JÜR -Jahres-Überlebensrate
HF Herzfrequenz
HIS His-Bündel K
HIT heparininduzierte K+ Kalium
Thrombopenie kardiovask. kardiovaskulär
Hkt Hämatokrit KBR Komplementbindungsreak­
HMV Herzminutenvolumen tion
HNCM hypertrophische nicht- /kg KG pro Kilogramm Körper­
obstruktive Kardiomyopathie gewicht
HOCM hypertrophische obstruktive KG Körpergewicht
Kardiomyopathie KHK koronare Herzkrankheit
HRV Herzratenvariabilität KI Kontraindikation
hsTn hochsensitives Troponin KM Kontrastmittel
HT Herzton KO Komplikation
HTX Herztransplantation KOF Körperoberfläche
HWI Hinterwandmyokardinfarkt Komb. Kombination
HWZ Halbwertszeit Konz. Konzentration(en)
HZV Herzzeitvolumen Koro Koronarangiografie
kons. konservativ
I körperl. körperlich/e/r/s
i. a. intraarteriell Kps. Kapsel
i. c. intrakoronar Krea Kreatinin
i. m. intramuskulär
i. v. intravenös L
IABP intraaortale Ballonpumpe l Liter
ICD implantierbarer Cardioverter- LA linkes Atrium
Defibrillator LAD left anterior descending,
ICR Interkostalraum Ramus interventricularis
IE Internationale Einheiten anterior
IHSS idiopathische hypertro- LAH linksanteriorer Hemiblock
phische Subaortenstenose LAO linksanteriore schräge Projek-
IMA A. mammaria interna tion
Ind. Indikation LCC linke koronartragende
inf. inferior Klappentasche der
INR International Normalized Aortenklappe
Ratio LDH Laktatdehydrogenase
insb. insbesondere Leukos Leukozyten
Insuff. Insuffizienz LGL Lown-Ganong-Levine-Syn-
intraop. intraoperativ drom
ISA intrinsische sympathomime- li links
tische Aktivität Li-re- Links-rechts-Shunt
ISDN Isosorbiddinitrat Shunt
ISMN Isosorbidmononitrat Lig. Ligamentum
LIMA left internal mammary artery
 Abkürzungen XI

LJ. Lebensjahr MIC minimale Hemm­konzentra­


LSB Linksschenkelblock tion
Lsg. Lösung MIDCAB minimally invasive direct
Lufu Lungenfunktion coronary artery bypass
LV linker Ventrikel, linksventri- min. minimal
kulär Min. Minute
LVAD left ventrikular assist mind. mindestens
device Mio. Millionen
LVEDD linksventrikulärer MK Mitralklappe
enddiastolischer Diameter MKP Mitralklappenprolaps
LVEDP linksventrikulärer mmHg Millimeter Quecksilbersäule
enddiastolischer Druck MO mesoventrikuläre Ob-
LVEDV linksventrikuläres struktion
enddiastolisches Volumen mod. modifiziert/e/r/s
LVEDVI linksventrikulärer Mon. Monat/e
enddiastolischer Volumen­ MÖF Mitralöffnungsfläche
index MÖT Mitralöffnungston
LVEF linksventrikuläre Austrei- MR Mitralklappeninsuffizienz
bungsfraktion MRCA Magnetresonanz-Koronar­
LVESD linksventrikulärer angiografie
endsystolischer Diameter MRT Magnetresonanztomografie
LVESV linksventrikuläres ms Millisekunde/n
endsystolisches Volumen MS Mitralklappenstenose
LVH linksventrikuläre Hyper­ MÜZ mittlere Überlebenszeit
trophie mV Millivolt
LVOT linksventrikulärer
Ausflusstrakt N
LVPFW linksventrikuläre posteriore
freie Wand N., Nn.Nervus, Nervi
LVSV linksventrikuläres Na+ Natrium
Schlagvolumen NaCl Natriumchlorid, Kochsalz
LVSVI linksventrikulärer NaHCO3 Natriumbikarbonat
Schlagvolumenindex NAST Nierenarterienstenose
neg. negativ
M neurol.neurologisch/e/r/s
NMH niedermolekulares Heparin
M Marginalast NNR Nebennierenrinde
M., Mm. Musculus, Musculi NSAR nichtsteroidale Antirheuma-
männl. männlich tika (Syn. NSAID)
max. maximal NSTEMI Myokardinfarkt ohne
MCL Medioklavikularlinie ST-Streckenhebung
med. medikamentös NTG Nitroglyzerin
MEN multiple endokrine NW Nebenwirkung
Neoplasien NYHA New York Heart Association
Mg2+ Magnesium
MHC Hauptkomplex im O
HLA-System des Menschen
MI Myokardinfarkt O2 Sauerstoff
MIBI Methoxyisobutylisonitril od. oder
OP Operation
XII Abkürzungen 

OPCAB off-pump coronary artery PRIND prolonged reversible


bypass, Koronararterien­ ischaemic neurologic deficit
bypass ohne Herz-Lungen- prox. proximal/e/r/s
Maschine PS Pulmonalklappenstenose
OR Odds Ratio PTCA perkutane transluminale
Koronarangioplastie
P PTSD posttraumatische Belastungs-
störung, posttraumatic stress
P Druck disorder
P2 pulmonale Komponente des PTT partielle Thrombinzeit
2. HT PV Pulmonalvene
p. a. posterior anterior PVARP postventrikuläre atriale
P. m. punctum maximum Refraktärperiode
(Herzauskultation) PVR pulmonaler Gefäßwiderstand
p. o. per os
p. p. post partum Q
PA Pulmonalarterie
PAH pulmonalarterielle QP pulmonaler Blutfluss
Hypertension QS systemischer Blutfluss
PAP pulmonalarterieller Druck
Pat. Patient R
pathol. pathologisch
PAVB postatriale ventrikuläre R., Rr. Ramus, Rami
Blankingzeit RA rechtes Atrium
pAVK periphere arterielle RAAS Renin-Angiotensin-Aldoste-
Verschlusskrankheit ron-System
PC Pulmonalkapillare, RAO rechtsanteriore schräge
pulmonalkapillar Position
PCI perkutane koronare RAP rechtsatrialer Druck
Intervention RCA rechte Koronararterie
pCO2 Kohlendioxidpartialdruck RCM restriktive Kardiomyopathie
PCWP pulmonalkapillarer RCX R. circumflexus sinister
Verschlussdruck re rechts
PDA Ductus arteriosus apertus rel. relativ
PDE Phosphodiesterase rezid. rezidivierend
PEA pulslose elektrische Aktivität RF Risikofaktor(en)
PEEP positive endexpiratory RG Rasselgeräusch
pressure RIVA R. interventricularis anterior,
periop. perioperativ syn. LAD
PET Positronenemissionstomo- RIVP R. interventricularis posterior
grafie Re-li- Rechts-links-Shunt
PFO offenes Foramen ovale Shunt
PK Pulmonalklappe RNV Radionuklidventrikulografie
PML posteriores Mitralklappen­ Rö Röntgen
segel RR Blutdruck nach Riva-Rocci
pO2 Sauerstoffpartialdruck RR- Intervall zwischen 2 R-Zacken
pos. positiv Intervall im EKG
postop. postoperativ RSB Rechtsschenkelblock
PR Pulmonalklappeninsuffizienz rt-PA rekombinanter Gewebs-
präop. präoperativ Plasminogenaktivator
 Abkürzungen XIII

RV rechter Ventrikel, rechtsven­ T


trikulär, Residualvolumen
RVAD right ventricular assist device T3, T4 Trijodthyronin, Thyroxin
RVEDP rechtsventrikulärer TAH Thrombozytenaggregations-
enddiastolischer Druck hemmung
RVH rechtsventrikuläre Tbc Tuberkulose
Hypertrophie Tbl. Tablette
RVOT rechtsventrikulärer TEE transösophageale Echo­
Ausflusstrakt kardio­grafie
RVP rechtsventrikulärer Druck TGA Transposition der großen
Gefäße
S Ther. Therapie
therap. therapeutisch
S Septum Thrombo(s) Thrombozyt(en)
s Sekunde TIA transiente ischämische
s. c. subkutan Attacke
s. l. sublingual TK Trikuspidalklappe
SA sinuatrial Tn Troponin
SAM systolic anterior motion TÖF Trikuspidalöffnungsfläche
SAS subvalvuläre Aortenstenose TÖT Trikuspidalöffnungston
sek. sekundär TP Truncus pulmonalis
serol. serologisch TPR gesamter Lungengefäßwider-
SIDS sudden infant death stand
syndrome TR Trikuspidalklappeninsuffi­
SKEZ Sinusknotenerholungszeit zienz
SLE systemischer Lupus TRH thyreotropin releasing
erythematodes hormon
SM Schrittmacher TS Trikuspidalklappenstenose
SO2 Sauerstoffsättigung TSH Thyreoidea stimulierendes
SPECT single photon emission Hormon
tomography TTE transthorakales Echo
SSS Sick-Sinus-Syndrom Tu Tumor
SSW Schwangerschaftswoche TNF Tumornekrosefaktor
stdl. stündlich
Staph. Staphylococcus U
STEMI Myokardinfarkt mit
ST-Streckenhebung u. und
sup. superior u. a. und andere, unter anderem
SV Schlagvolumen UFH unfraktioniertes Heparin
sv supraventrikulär
SVES supraventrikuläre V
Extrasystole V. a. Verdacht auf
SVR systemischer Gefäßwider- v. a. vor allem
stand VA ventrikuloatrial
SVT supraventrikuläre vask. vaskulär
Tachykardie VC Vitalkapazität
Sy. Syndrom VCI Vena cava inferior
systol. systolisch VCS Vena cava superior
VES ventrikuläre Extrasystole
XIV Abkürzungen 

VHF Vorhofflimmern WE Wood-Einheit


VI Vorzeitigkeitsindex weibl. weiblich
Vit. Vitamin(e) WHR Waist-to-Hip-Ratio
Vmax. maximale Geschwindigkeit Wo. Woche/n
Vp Geschwindigkeit des WPW Wolff-Parkinson-White
Füllungsflusses der frühen WW Wechselwirkung (von
diastolischen Füllung in der Arzneimitteln)
Echokardiografie
VSD Ventrikelseptumdefekt Z
VT ventrikuläre Tachykardie
VWI Vorderwandmyokardinfarkt z. B. zum Beispiel
zerebro- zerebrovaskulär
W vask.
ZNS Zentralnervensystem
W Watt ZVD zentraler Venendruck
Wdh. Wiederholung ZVK zentraler Venenkatheter
1 Die Bedeutung kardiovaskulärer
Risikofaktoren
Ulrich Stierle und Franz Hartmann

1.1 Klassifikation der Risikofakto- 1.1.5  iereninsuffizienz 11


N
ren und Risikofaktoreninter- 1.1.6 Weitere Risikomarker der
ventionen 2 Atherosklerose 11
1.1.1 Alter und Geschlecht 3 1.1.7 Medikamentöse Interventio-
1.1.2 Klasse-I-Interventionen 3 nen zur Prävention 11
1.1.3 Klasse-II-Interventionen 6 1.2 Abschätzung des kardiovasku-
1.1.4 Klasse-III-Interventionen 8 lären Risikos 12
2 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

Die Atheromatose hat ein epidemisches Ausmaß, deshalb sind die kardiovask.
Erkr. inzwischen weltweit die häufigste Ursache von Tod u. Invalidität. In sozio-
ökonomisch entwickelten Ländern ist seit Anfang der 1970er-Jahre eine Abnah-
1 me der Mortalität zu verzeichnen (2–3 %/J.). Dies ist Folge einer abnehmenden
Krankheitsinzidenz (teils Folge von Lebensstiländerungen) u. einer verminderten
Mortalität/Morbidität durch eine verbesserte med. Ther.
Diese abnehmende Tendenz schwächt sich seit Ende der 1990er-Jahre trotz der
aufwendigen medizinischen Ther. ab. Die absolute Zahl an kardiovask. Todesfäl-
len u. die Prävalenz der KHK nehmen aus verschiedenen Gründen wieder zu:
• Überalterung der Bevölkerung,
• Zunahme der Übergewichtigen u. der Pat. mit Diab. mell. u./od. art. Hyperto-
nie u./od. Bewegungsmangel,
• dramatische Zunahme von Übergewicht u. Bewegungsmangel bei Kindern u.
Jugendlichen,
• stagnierende Zahl aktiver Raucher (ca. 30 %),
• stagnierende Zahl neu erkannter u. behandelter Hochdruckpat.
Die systemische Erkr. Atherosklerose/Atheromatose kann durch strikte Pri-
mär- u. Sekundärprävention exzellent pos. beeinflusst werden. Die Effekte der
Präventionsmaßnahmen auf Morbidität/Mortalität übersteigen den Nutzen al-
ler noch so sophistischer med. u./od. technischer medizinischer Interventio-
nen.

Abnahme der Sterblichkeit bei koronarer Herzkrankheit


Zwischen 1980 u. 2000 Halbierung der Mortalität bei Frauen u. Männern!
Faktoren, die zur Senkung der KHK-Sterblichkeit beitrugen:
• 47 % medizinischer Fortschritt:
– 11 % Sekundärprävention nach akutem MI od. Revaskularisationsther.
– 10 % bessere Akutther. des akuten MI.
– 9 % bessere Herzinsuff.-Ther.
– 5 % Revaskularisationsther. bei chron. KHK.
– 12 % andere Ther.
• 44 % Änderung der RF (Primärprävention): Chol.-Senkung u. Hoch-
druckther. am effektivsten!
• 9 % andere Faktoren.
! Es zeichnet sich ab, dass die zunehmende Anzahl von Übergewichtigen u.
Diabetikern diesen Trend wieder umkehren wird!

1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und


Risikofaktoreninterventionen
Epidemiologische Studien zeigten einen engen Zusammenhang zwischen be-
stimmten demografischen u. klinischen Faktoren bzw. sozialen Verhaltensweisen
u. KHK. Unter den bekannten RF sind höheres Lebensalter, Dyslipidämie, Hyper-
tonus, Nikotinkonsum, männl. Geschlecht, Diab. mell. u. pos. Familienanamnese
für atherosklerotische Erkr. von bes. Bedeutung.
 1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und Risikofaktoreninterventionen 3

Nicht modifizierbare RF
• Alter
• Männl. Geschlecht 1
• Frau in der Menopause
• Familiäre Disposition mit früher Manifestation einer Gefäßerkr.
• Sozioökonomischer Status
Modifizierbare RF
• Nikotinabusus
• Art. Hypertonie
• Hypercholesterinämie
• Körperl. Inaktivität
Weitere Faktoren:
• Diab. mell.
• Übergewicht
• Hypertriglyzeridämie
• Alkoholkonsum
• Lipoprotein(a)
• Hyperhomocysteinämie
• Infektionen
• C-reaktives Protein
• Typ-A-Persönlichkeit

1.1.1 Alter und Geschlecht


Das KHK-Risiko ist stark altersabhängig. Zwischen dem 30. u. 60. LJ. steigt es bei
Männern um den Faktor 6. Bei Frauen nimmt das Risiko sprunghaft nach der
Menopause zu. Nach dem 50. LJ. ist das KHK-Risiko für Männer etwa doppelt so
hoch wie für Frauen, ab dem 60. LJ. ist die KHK-Mortalität bei Männern u. Frauen
gleich.

1.1.2 Klasse-I-Interventionen
Ein kausaler Zusammenhang zwischen RF u. Atheromatoseentstehung ist erwie-
sen. Eine therap. Intervention führt eindeutig zu einer prognostischen Besserung.

Nikotinabusus
⅓ der deutschen Bevölkerung raucht. Zigarettenrauchen ist statistisch für 21 %
aller KHK-Todesfälle verantwortlich. KHK-Inzidenz für Raucher ist verdoppelt,
KHK-Mortalität um 50 % erhöht, das Infarktrisiko etwa verdoppelt, für starke
Raucher vervierfacht.
• Risiko steigt stetig mit Alter u. Anzahl gerauchter Zigaretten.
• Noch-Raucher: Risiko korreliert mit der Anzahl der täglich gerauchten Ziga-
retten u. der Anzahl der Jahre, die geraucht wurde (nach 30 J. Nikotinkonsum
doppelt so hohes Risiko wie nach 10 J.).
• „Leichte“ Zigaretten sind nicht weniger schädlich. Zigarren u. Pfeifenrauchen
haben keinen statistisch nachweisbaren Einfluss.
• Passivrauchen stellt ebenfalls ein KHK-Risiko dar. Raucht der Lebensgefähr-
te, erhöht sich das rel. Risiko für eine KHK um den Faktor 3.
• Zusätzliche RF erhöhen das KHK-Risiko weit überadditiv.
4 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

• Nach WHO reduziert sich nach Beendigung des Rauchens das KHK-Risiko
um 50 % nach 2 J. Bereits in den ersten Monaten wird die Hauptreduktion an
1 KHK-Ereignissen erreicht. Erst 5 J. nach Beendigung des Rauchens gleicht
sich das Mortalitätsrisiko dem eines primären Nichtrauchers an.
Ther.: kontinuierliche Motivation, ggf. in Komb. mit Verhaltens- u. Pharmako-
ther.
• Nikotinersatzther. als Pflaster od. Kaugummi: Wahrscheinlichkeit des dauer-
haften Nikotinverzichts gegenüber Placebo verdoppelt, nach 1 J. jedoch bei
ca. 20–40 %. Bei korrekter Dos. keine spezielle kardiale Gefährdung bei be-
kannter KHK.
• Bupropion (Zyban®): selektiver Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-
hemmer, Antidepressivum. Dosis: Beginn 1 × 150 mg/d für 6 Tage, dann
2 × 150 mg/d für 7–9 Wo. Wahrscheinlichkeit der Nikotinabstinenz verdop-
pelt sich. KI: Krampfleiden od. Risikokonstellation (z. B. Alkoholabusus).
NW: Kopfschmerzen, Übelkeit, innere Unruhe.
• Vareniclin (Champix®): Partialagonist am Nikotinrezeptor. Führt zur Minde-
rung von Nikotinentzugssymptomen u. hemmt den stimulierenden Effekt
von extern zugeführtem Nikotin. Neuer Ther.-Ansatz, Langzeitstudien stehen
aus. Medizinische Überwachung sollte gewährleistet sein. Dosis: 2 × 1 mg/d
über 12 Wo., NW: Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, abnorme Träu-
me, Einsatz bei psychiatrischen Pat. (Depressionen, suizidale Gedanken) nur
mit größter Vorsicht.

Arterielle Hypertonie
Ca. 20 % der deutschen Bevölkerung leiden unter einer art. Hypertension
(▶ Tab. 1.1), Prävalenz mit zunehmendem Alter steigend (ca. 70 % der über
70-Jährigen!). In jedem Lebensalter enge Assoziation zwischen art. Hypertonie u.
Atheromatoseentwicklung (nahezu lineare Beziehung im Alter 40–70 J.).
• Bei RR > 120/85 mmHg steigt das KHK-Risiko annähernd linear an.
• Risikoanstieg bei erhöhten diastol. Werten deutlich ausgeprägter (bei RR sys-
tol. ≥ 160 mmHg 3-fach höheres Risiko, bei RR diastol. ≥ 100 mmHg 5-faches
Risiko).
• Bei RR diastol. < 85 mmHg sinkt das KHK-Risiko nicht weiter.
Tab. 1.1 Hypertonie: Definition u. Klassifikation [ESHESC-Guidelines 2003]
Bewertung Blutdruck
Optimal < 120/< 80 mmHg
Normal 120–129/80–84 mmHg
Hochnormal 130–139/85–89 mmHg
Milde Hypertonie 140–159/90–99 mmHg
Mittelschwere Hypertonie 160–179/100–109 mmHg
Schwere Hypertonie ≥ 180/≥ 110 mmHg
Isolierte systol. Hypertonie ≥ 140/≥ 90 mmHg

Ther.: Einstellung der RR-Werte auf < 140/90 mmHg, bei Begleiterkr. z.T. niedri-
ger (▶ Tab. 1.2). Neben konsequenter med. Ther. (▶ 9.1.4) sind nichtmed. Maß-
nahmen sehr effektiv. Bei einem Teil der Pat. führen die Allgemeinmaßnahmen
zur völligen Normalisierung des Blutdrucks:
 1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und Risikofaktoreninterventionen 5

• Gewichtsreduktion um 10 kg bis 20 mmHg,


• vermehrte Bewegung bis 10 mmHg,
• NaCl-Reduktion bis 10 mmHg, 1
• bewusste Ernährung (viel Obst, Gemüse, kochsalzarm, fettreduziert) bis
15 mmHg.

Tab. 1.2 Zielblutdruckwerte in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen


Erkrankung Zielblutdruck
Diastol. ± systol. art. Hypertonie < 140/90 mmHg
Isolierte systol. Hypertonie < 140 mmHg
Diabetes mellitus < 130/80 mmHg
Nierenerkrankungen < 130/80 mmHg
RR bei Eigenmessung ohne Begleiterkrankungen < 135/85 mmHg

Die Myokardhypertrophie stellt einen eigenständigen kardiovask. RF bei Pat.


mit art. Hypertonie dar. Eine strikte Hochdruckther. mit Rückbildung der
Hypertrophie führt zur Verbesserung der Prognose.

Hypercholesterinämie
Die kausale Beziehung zwischen erhöhtem Serum-Chol. u. der Entwicklung einer
Gefäßatheromatose ist absolut gesichert.
• Anstieg des KHK-Risikos um 2 % bei 1-prozentiger Erhöhung des Serum-
Chol., bei 10-prozentiger um bis zu 30 %.
• Gesamtchol. > 260 mg/dl (6,7 mmol/l) steigert das KHK-Risiko im Vergleich
zu 200 mg/dl (5,2 mmol/l) um den Faktor 4.
• Ein unterer Schwellenwert existiert nicht.
• Vermutlich auch kurzzeitige Chol. Spitzenwerte schädlich.
• Chol.-Senkung um 10 % reduziert das kardiovask. Sterblichkeitsrisiko um
15 % u. das Gesamtsterblichkeitsrisiko um 10 %.
Ther.: Für die Beratung der Pat. (Lebensstiländerung) u. zur Entscheidung über ei-
ne med. Ther. sollten die Zielwerte so einfach wie möglich definiert sein (▶ Tab. 1.3).

Tab. 1.3 Chol.-Senkung: Intervention in Abhängigkeit von Serum-LDL-Chol.


u. Risikokonstellation
Risiko Lebensstiländerung bei Medikamentöse Therapie bei
KHK od. KHK- ≥ 100 mg% ≥ 130 mg%
Äquivalent1 100–129 mg%: med. Ther. als Option
2 RF2 ≥ 130 mg% Falls 10-Jahres-Risiko3 10–20 %:
≥ 130 mg%
Falls 10-Jahres-Risiko3 < 10 %: ≥ 160 mg%
0–1 RF ≥ 160 mg% ≥ 190 mg%
160–189 mg%: med. Ther. als Option
1
 Diab. mell., pAVK, Bauchaortenaneurysma, Karotisstenose.
2
 Zigarettenrauchen, art. Hypertonie, HDL-Chol. < 40 mg%, pos. Familienanamnese,
Alter Männer > 45 J., Frauen > 55 J.
3
 Kardiovask. Risiko nach dem PROCAM-Score (▶ Tab. 1.4, ▶ Tab. 1.5)
6 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

Med. Ther.: Statin (▶ 11.11.1), Chol.-Absorptionshemmer (▶ 11.11.3); zusätzlich


zu Statin, wenn das therap. Ziel nicht erreicht wird, Nikotinsäure (senkt LDL um
ca. 15 %, erhöht HDL um ca. 25 % u. reduziert Fibrinogen, Lp[a] u. Triglyzeride),
1 Anionenaustauscherharze (LDL-Reduktion bis 30 %, kombinierbar mit Statin od.
Nikotinsäure, wenn das therap. Ziel durch eine Monother. nicht erreicht wird).

1.1.3 Klasse-II-Interventionen
Eine therap. Intervention führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Reduktion kar-
diovask. Ereignisse.

Diabetes mellitus
6–8 % der Bevölkerung sind an Diab. mell. erkrankt (90–95 % Typ-2-Diabetes),
wobei nur ca. 60 % von ihrer Erkr. wissen.
Arteriosklerotische kardiovask. Erkr. sind mit 65–80 % die häufigste Todesursa-
che bei Diabetikern (ca. 30 % bei Nichtdiabetikern). Das hohe Risiko, an kardio-
vask. Ereignissen zu erkranken, macht die Entität zu einem KHK-Äquivalent.
Bereits bei gestörter Glukosetoleranz deutlich erhöhte Infarktmortalität, bei Frau-
en um den Faktor 5, bei Männern um das 1,4-Fache.
Diabetes führt zu vergleichbarer Erhöhung des Mortalitätsrisikos wie ein voraus-
gegangener MI.
Das Reinfarktrisiko eines Diabetikers ist massiv erhöht (bis 50 % in 7 J.).
Neben dem akuten MI-Risiko ist bes. die Häufigkeit der KHK-bedingten Myo­
kard­insuff. deutlich erhöht.
Bes. bei Typ-1-Diabetikern entstehen oft diffuse Stenosen der großen Koronarar-
terien od. überwiegend intramuraler Gefäße („small vessel disease“), was Art u.
Prognose einer Revaskularisationsther. wesentlich beeinflusst (hohe Restenosera-
te nach koronarem Stenting).
Frauen mit Diabetes haben dabei eine bes. schlechte Prognose.

Pat. mit Diabetes müssen deshalb – unabhängig von der Präsenz weiterer RF
– als Hochrisikopat. für die Entwicklung einer KHK betrachtet werden.

Ther.: Normoglykämie anstreben (HbA1c < 7 %), Gewichtsreduktion, vermehrte


körperl. Aktivität, Ziel-RR bei art. Hypertension 130/80 mmHg (ACE-Hemmer
bevorzugt einsetzen), großzügiger Einsatz von Statinen (LDL muss bei < 100 mg%
liegen!). Bei HDL < 40 mg% u. Hypertriglyzeridämie (trotz Normoglykämie) Fi­
brat od. Nikotinsäure. ASS 100 mg/die für Diabetiker mit Makroangiopathie u.
Diabetiker ohne Makroangiopathie mit RF (Rauchen, Hochdruck, Hyperlipopro-
teinämie, Adipositas).

Eine intensive BZ-senkende Ther. reduziert die Inzidenz an mikrovask. Lä­


sionen (Niere, Augen), während keine eindrucksvolle Reduktion kardiovask.
Ereignisse zu sehen ist. Dagegen ist eine aggressive multifaktorielle RF-Inter-
vention erfolgreich (Lebensstil, Ernährung, Gewicht, körperl. Aktivität,
Hochdruckther., Ther. des Lipidstoffwechels, ACE-Hemmer). Eine zu ag-
gressive antiglykämische Ther. (HbA1c < 6 %) ist durch Hypoglykämien
wahrscheinlich prognostisch nachteilig. Die Aussagen gelten auch für Pat.
mit einem metabolischen Syndrom.
 1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und Risikofaktoreninterventionen 7

Übergewicht
Übergewicht (BMI > 25–29 kg/m2) liegt bei 67 % der Männer u. 52 % der Frauen
vor, Adipositas (BMI > 30 kg/m2) bei ca. 20 % der Bevölkerung. Assoziation von 1
Übergewicht/Adipositas mit einer Reihe von Erkr. gesichert (Diab. mell., art. Hy-
pertonie, Hyperlipoproteinämie, kardio- u. zerebrovask. Erkr., Herzinsuff., obst-
ruktive Schlafapnoe, kolorektale u. Brustkrebserkr.).
• Bei alleiniger Adipositas besteht ein moderat erhöhtes Risiko. Sie tritt aller-
dings oft gemeinsam mit anderen RF (z. B. Hypercholesterinämie, Bluthoch-
druck, gestörte Glukosetoleranz, prothrombotischer bzw. proinflammatori-
scher Status) als sog. „metabolisches Syndrom“ auf.
• Charakteristisch hierfür ist die Fettverteilung mit Stammfettsucht: Ein dicker
Bauch bei rel. schlanker Hüfte (schlechte „WHR“) korreliert pos. mit erhöh-
tem KHK-Risiko. Erhöhtes Risiko bei Frauen mit Taillenumfang > 88 cm
bzw. WHR > 0,85 u. Männern > 102 cm bzw. > 0,9–1.

Die Waist-to-Hip-Ratio (WHR)


(adaptiert von: „Waist-to-Hip-Ratio-Rechner“ auf www.gesuenderabnehmen.
com; waist to hip ratio = Taillenumfang/Hüftumfang). Die WHR ist ein Maß-
stab für die Fettverteilung am Körper. Unterschieden werden androider u. gy-
noider Typ.
Androider Typ („Apfeltyp“):
Frauen: WHR > 0,85, Männer: WHR > 1. Fettspeicherung v. a. am Bauch. Die-
se Bauchfettzellen sind sehr stoffwechselaktiv, sie speichern Fett schneller u.
geben die Fettsäuren schneller wieder ab. In Verbindung mit Überwicht (BMI
> 25 kg/m2) stehen die freien Fettsäuren in starkem Verdacht, das Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkr. erheblich zu erhöhen.
Gynoider Typ („Birnentyp“):
Frauen: < 0,85, Männer: < 1. Fettspeicherung v. a. an Beinen u. Gesäß. Da diese
Fettzellen wesentlich weniger stoffwechselaktiv sind, ist diese Fettverteilung
gesundheitlich weniger bedenklich.

Ther.: Kalorienreduktion, strukturierte körperl. Aktivität u. Verhaltenstherapie.


Akzeptabel ist jede Diät, die ausgewogen ist, zu Gewichtsreduktion führt u. vom
Pat. lebenslang eingehalten werden kann.
Med. Ther.: Sibutramin od. Orlistat nur Option für Übergewichtige mit gravierenden
Begleiterkr. (KHK; Diab. mell.) od. für Pat. mit Adipositas unter ärztlicher Kontrolle.

Es fehlen kontrollierte Studien, die aufzeigen, dass eine dauerhafte Gewichtsre-


duktion zur Verbesserung der Prognose führt. Die komplexen pos. Effekte ei-
ner Gewichtsreduktion sind jedoch bekannt, sodass eine Gewichtsnormalisie-
rung als Teil der Gesamtstrategie zur Risikoreduktion allgemein akzeptiert ist.

HDL-Cholesterin
HDL < 40 mg% gilt als unabhängiger kardiovask. RF, die HDL-Erniedrigung ist
Teil des metabolischen Syndroms. Eine Abnahme des HDL um 5 mg% erhöht das
MI-Risiko um 25 %.
• HDL > 65 mg/dl (1,7 mmol/l): KHK-Risiko 5 × niedriger als bei HDL
< 35 mg/dl (0,9 mmol/l).
• Ursachen eines erniedrigten HDL-Spiegels sind u. a. Diab. mell., Rauchen,
Hypertriglyzeridämie, Übergewicht, körperl. Inaktivität.
8 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

Ther.: Gewichtsreduktion, vermehrt körperl. Aktivität, Nikotinabstinenz, fett-


modifizierte Ernährung u. moderater (!) Alkoholkonsum als Allgemeinmaßnah-
men.
1 Med. Ther. orientiert sich an assoziierten Lipidauffälligkeiten: Hohes LDL: Statin
(erhöht HDL bis 10 %). Nikotinsäure zusätzlich zum Statin erhöht HDL bis zu
45 %. Hohe Triglyzeride (oft assoziiert mit HDL-Erniedrigung): Fibrat.

Eine isolierte Intervention bei niedrigem HDL-Chol. ist nicht sinnvoll; eine
Ther. wird sich primär auf die begleitenden Lipidauffälligkeiten konzentrie-
ren.

Körperliche Inaktivität
Bei körperl. Inaktivität ist das Risiko für ein kardiovask. Ereignis doppelt so hoch.
Untrainierte haben ein erhöhtes Infarktrisiko.
Risikosenkung um mehr als den Faktor 3 bei körperl. Betätigung mit Trainingsef-
fekt von > 2,2 h/Wo. (z. B. Jogging, Ballsportarten, schnelles Radfahren). Nur
ca. 15 % der Männer u. 10 % der Frauen sind ausreichend sportlich aktiv (> 30
Min. an den meisten Tagen der Woche). Die günstigen Effekte regelmäßiger kör-
perl. Aktivität sind absolut gesichert, ihre Wirkungen äußerst komplex (Gewicht,
metabolische Faktoren, RR, Gerinnung, endotheliale Funktion, inflammatorische
Marker u. a.). In der Sekundärprävention reduziert regelmäßige körperl. Aktivität
die Gesamt- u. kardiovask. Mortalität um ca. 25 %.
Fitnessgrad kann durch Spiro-Ergometrie quantifiziert werden: Wer bei max.
Leistung mehr als 35 ml/kg KG/Min. O2 verbraucht, gilt als trainiert u. hat ein
vermindertes Koronarrisiko.
Ther.: Mind. 30 Min. körperl. Aktivität an den meisten Tagen der Woche, die Art
der Belastung ist von untergeordneter Bedeutung. Ziele: erhöhter Kalorienver-
brauch u. Verbesserung der Fitness.

Alkoholkonsum
Sowohl gesundheitsfördernde als auch gesundheitsschädliche Effekte: Alkoholab-
stinenz u. übermäßiger Konsum (> 55 g/d) führen zu einer vermehrten Sterblich-
keit. 1 alkoholisches Getränk/d vermindert das kardiovask. Risiko um ca. 40 % bei
Männern. Bei Frauen mit erhöhtem kardiovask. Risiko in der Menopause ist der
protektive Nutzen bei geringen Alkoholmengen (bis 20 g/d) belegt, vor der Meno-
pause sind die Daten widersprüchlich.
Eine Reihe epidemiologischer Studien belegt, dass regelmäßiger mäßiger Alko-
holgenuss die Koronarmortalität senkt (30 % HDL-Spiegel ↑). Die Gesamtmorta-
lität wird nicht beeinflusst, da die Mortalität durch andere Erkr. steigt.
Bei exzessivem, intermittierendem Alkoholkonsum ist das KHK-Risiko erhöht,
die zerebrale Atherosklerose ist beschleunigt.
Ther.: keine grundsätzliche Empfehlung im Rahmen der Leitlinien. Individuelle
Entscheidung unter Berücksichtigung der Begleitsituation (Geschlecht, Leber­
erkr., Neigung zu Abusus u. a.).

1.1.4 Klasse-III-Interventionen
Potenziell modifizierbare RF, für die kein eindeutiger Beweis besteht, dass eine
therap. Intervention zu einer Reduktion kardiovask. Ereignisse führt.
 1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und Risikofaktoreninterventionen 9

Hypertriglyzeridämie
Erhöhte Triglyzeridspiegel sind mit einem höheren kardiovask. Risiko assoziiert
(bei Frauen ausgeprägter als bei Männern). Eine isolierte Triglyzeriderhöhung als 1
alleiniger RF ist selten, meist Komb. mit anderen RF (Diab. mell., Übergewicht).
Eine Verbesserung der Prognose durch eine Triglyzeridsenkung ist umstritten.
Ther.: Sehr effektiv sind Allgemeinmaßnahmen (fettarme Kost, Diabetesther., Ge-
wichtsreduktion, körperl. Aktivität, Verminderung des Alkoholkonsums, keine
kohlenhydratreiche Ernährung, Meiden von Medikamenten wie Kortikosteroide,
Betablocker, Östrogene).
• ≤ 200 mg%: keine spezifische med. Ther.
• 200–290 mg%: LDL-Chol.-Senkung im Vordergrund.
• LDL u. Triglyzeride ↑: primär Statinther., falls unzureichend (insbes. wenn
gleichzeitig niedriges HDL) zusätzlich Nikotinsäure.
• Normales LDL, niedriges HDL u. hohe Triglyzeride: Fibrate.
• Zusätzliche Gabe von Omega-3-Fettsäuren (Omacor®) bis 3 g/d kann Trigly-
zeride bis zu 30 % senken.

Lp(a)
Zwischen der Höhe an Lp(a) u. der KHK-Inzidenz besteht eine klare Assoziation.
Hohe Lp(a)-Konz. bedeutet ein mehrfach erhöhtes KHK-Risiko, da es in athero­
sklerotische Plaques eingebaut wird.
Lp(a) u. LDL wirken synergistisch atherogen, v. a. im Hinblick auf eine frühe Ma-
nifestation einer KHK.
Die Serumkonz. ist ein unabhängiger, zumindest teilweise genetisch determinier-
ter RF der KHK. Normal < 300 mg/l. Die Lp(a)-Konz. lässt sich derzeit nur gering
therap. beeinflussen (Nikotinsäure, Östrogensubstitution bei Frauen).

Generelles Screening nicht empfohlen, Bestimmung evtl. sinnvoll bei Pat. mit
frühzeitiger KHK ohne andere RF.

Ther.: Erstmaßnahme: Normalisierung des LDLCholesterins. Nikotinsäure (bis


4 g/d) reduziert Lp(a) um ca. 40 %, jedoch prognoseverbessernder Effekt nicht er-
wiesen. Statine ohne Einfluss auf Lp(a), Bezafibrat kann den Spiegel senken, eben-
so Östrogenersatzther.

Derzeit keine spezifische Behandlungsempfehlung zur isolierten Beeinflus-


sung des Lp(a).

Homocystein
Homocysteinsäure ist Intermediärprodukt der Proteinbiosynthese ohne physiolo-
gische Funktion.
Assoziation zwischen Homocysteinspiegel u. vask. Risiko: > 15 μmol/l: KHK-Risi-
ko erhöht (um Faktor 1,6 bei Männern bzw. 1,8 bei Frauen je 5 μmol/l Anstieg),
verdoppeltes Infarktrisiko, signifikanter Anstieg der Letalität.
Pathogenese nicht vollständig geklärt, erhöhte Homocysteinspiegel schädigen
vermutlich das Endothel u. blockieren LDL-Rezeptoren (oft mit Hyperlipidämie
kombiniert).
Senkung erhöhter Spiegel um 25 % reduziert das KHK-Risiko um 11 %, das
Schlaganfallrisiko um 19 %.
10 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

Normalbereich (Frauen): 9–12 μmol/l (nüchtern), höher bei höherem Alter, Män-
nern od. postmenopausalen Frauen, Niereninsuff., Hypothyreose, genetischem
Defekt, Vit.-B6-, -B12- od. Folsäuremangel.
1 Ther.: bislang kein Beleg für koronarprotektiven Effekt bei Absenkung des Ho-
mocysteins durch Vit.-Gabe (auch bei normalen Vit.-Spiegeln möglich, 0,4 mg/d
Folsäure senken Homocystein um 25 %).
Versuch mit Folsäure 1 mg/d p. o. für 6 Wo., ggf. zusätzlich Vit. B6 10 mg u. Vit. B12
0,4 mg/d. Generalisierte Folsäuresubstitution über Nahrungsmittel wird diskutiert.
Eine liberale Behandlungsempfehlung besteht nicht. Ausnahmen: familiäre Stö-
rungen des Homocysteinstoffwechsels u. Pat. mit kardiovask. Erkr. mit Hyperho-
mocysteinämie als einzigem erkennbaren RF.

Generelles Screening nicht empfohlen, Bestimmung evtl. sinnvoll bei Pat. mit
frühzeitiger KHK ohne andere RF.

C-reaktives Protein (CRP)


Erhöhte CRP-Werte sind mit atheromatösen Erkr. assoziiert. Das CRP hat einen
guten prädiktiven Wert für das Risiko eines MI. CRP ist assoziiert mit anderen
kardiovask. RF, die höchsten Werte wurden bei Menschen gefunden, die die
größte Anzahl an kardiovask. RF hatten.
Ther.: keine. Statine vermindern sowohl in der Primär- als auch in der Sekundär-
prävention die CRP-Konzentration. ASS, Clopidogrel, Abciximab u. Betablocker
scheinen bei hohen CRP-Werten bes. effektiv zu sein.

Infektionen
Ein Zusammenhang zwischen akuten/chron. Infektionen u. der Atherogenese
wird angenommen (Chlamydia pneumoniae, Helicobacter pylori, Zytomegalie,
Herpes-simplex- u. Hepatitis-A-Viren). Dabei scheint die Gesamtinfektionslast
(Häufigkeit durchgemachter Infektionen) am ehesten prädiktiv für die Präsenz u.
das Ausmaß einer KHK zu sein.
Ther.: keine.

Psychosoziale Faktoren (Depression, Bildung)


Insgesamt widersprüchliche Datenlage.
Hinweise auf erhöhtes kardiovask. Risiko zu Beginn einer Depressionserkr., wo-
bei emotionaler Stress proatherogen wirkt u. das Auftreten von Symptomen bei
KHK triggern sowie ACS u. MI auslösen kann. Statistisch allerdings nicht eindeu-
tig nachweisbar. Typ-A-Persönlichkeit (Ehrgeiz, hohe Konfliktbereitschaft ▶ 14.3)
soll bei unveränderter KHK-Mortalität mit doppeltem Infarktrisiko einhergehen
(Framingham-Studie).
Niedriger Bildungsgrad korreliert statistisch mit erhöhtem RR, vermehrtem Ziga-
rettenkonsum sowie bes. bei Frauen mit Übergewicht u. damit erhöhtem KHK-
Risiko.
Spezifische Ther.-Ind. können nicht abgeleitet werden.

Postmenopausale Hormontherapie
Bei Östrogenmangel steigt das KHK-Risiko: Mit der Menopause steigt die Inzi-
denz der KHK deutlich an, während die Wahrscheinlichkeit eines MI bei Frauen
< 40. LJ. gering ist. Frühzeitige Menopause (od. Z. n. Ovarektomie) erhöht das
KHK-Risiko, die Herauszögerung der Menopause vermindert es. Als Ursache
 1.1 Klassifikation der Risikofaktoren und Risikofaktoreninterventionen 11

werden metabolische Faktoren (Lipidstoffwechsel) u. Veränderungen der Blutge-


rinnung angenommen.
Die Effekte von Östrogenen in physiologischen Dosen auf Gefäßendothel u. Lipo-
proteinmetabolismus sind in der Summe überwiegend antiatherogen. Dies erklärt
1
den rel. Schutz prämenopausaler Frauen vor kardiovask. Ereignissen.
Bisher jedoch keine günstige Beeinflussung des KHK-Risikos durch postmeno-
pausale Östrogensubstitution in kontrollierten Studien. Östrogen-/Gestagensubs-
titution erhöht in der Primärprävention das Risiko für Brustkrebs, Schlaganfall,
KHK u. tiefe Beinvenenthrombose. Trotz pos. Beeinflussung des Lipidstoffwech-
sels auch in der Sekundärprävention keine Vorteile für die Hormonsubstitution.
Die Östrogengabe zur Minderung des KHK-Risikos nach der Menopause kann
derzeit deshalb nicht empfohlen werden.
Orale Kontrazeptiva erhöhen LDL-Cholesterin u. RR, verschlechtern die Gluko-
setoleranz; prokoagulatorische Wirkung. In Komb. mit Rauchen od. art. Hyperto-
nus ist das KHK-Risiko deutlich erhöht, bei fehlenden zusätzlichen RF sind orale
Kontrazeptiva ein äußerst geringer KHK-RF.

Zur Primärprävention kardiovask. Erkr. nach der Menopause sind Hormon-


ther. eher schädlich als nützlich.

1.1.5 Niereninsuffizienz
Bei dialysepflichtiger Niereninsuff. mehr als 10-fach erhöhtes Infarktrisiko. Ursa-
che vermutlich multifaktoriell (Hypertonus, Homocystein, weitere RF).

1.1.6 Weitere Risikomarker der Atherosklerose


Für eine Reihe neuer Risikomarker wurde nachgewiesen, dass sie strikt mit der
Entwicklung einer Atherosklerose assoziiert sind od. zumindest teilweise zur
Atherogenese beitragen: Fibrinogen, Marker der Fibrinolyse (PAI-1, t-PA, D-Di-
mer), Marker der Inflammation (hochsensitives CRP, Interleukin-6, lösliche Ad-
häsionsmoleküle). Bis zur endgültigen Akzeptanz als Standard-RF stehen noch
epidemiologische u. klinische Studien zur Absicherung aus.

1.1.7 Medikamentöse Interventionen zur Prävention


• ASS zur Primärprävention: Bei hohem KHK-Risiko (10-J.-Risiko > 6 %) ist
die niedrig dosierte ASS-Ther. bei akzeptablem Nutzen-Risiko-Verhältnis
vertretbar (KI beachten). Für Frauen nur ungenügende Daten für eine allge-
meine Empfehlung vorhanden.
• ASS zur Sekundärprävention: 25-prozentige Risikoreduktion durch ASS gilt
bei manifester kardiovask. Erkr. als gesichert.
• Langjährige Anwendung eines Betablockers nach akutem MI führt zu einer
bis 23-prozentigen Reduktion der Mortalität. Je ausgeprägter die Betablocka-
de (gemessen an der HF), desto weniger kardiovask. Ereignisse treten auf.
Vor allem Pat. mit eingeschränkter LV-Funktion profitieren davon.
• ACE-Hemmer zur Sekundärprophylaxe: Pat. mit eingeschränkter EF nach
akutem MI profitieren von einer ACE-Hemmung (26-prozentige Mortalitäts-
reduktion). Pat. mit KHK u. Diab. mell.: Vorteile bereits bei normaler LV-
Funktion.
12 1 Die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren 

1.2 Abschätzung des kardiovaskulären Risikos


Risikoscores, die individuelle RF in einem gewichteten Modell einbeziehen, erlau-
1 ben die Abschätzung des individuellen KHK-Langzeitrisikos. Beispiele: Framing-
ham-Risikoscore, Risikoscore der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie u.
deutscher PROCAM-Risikoscore (▶ Tab. 1.4), mit dem sich anhand von 8 qualita-
tiven bzw. quantitativen Risikoparametern bei Männern zwischen 35–65 J. das
Risiko für MI od. kardiovask. Tod innerhalb von 10 J. abschätzen lässt (▶ Tab. 1.5;
www.chdtaskforce.de). Übertragung auf Frauen begrenzt möglich.

Tab. 1.4 Ermittlung des PROCAM-Scores (validiert für Männer von 35–65 J.)
[Hense HW, Schulte H, Löwel H. Fringham risk function overestimates risk of
coronary heart disease in men and women from Germany – results from the
MONICA Augsburg and the PROCAM cohorts. Circulation 105: 310–315; 2002]
Alter (Jahre) LDLChol. (mg/dl) Systol. Blutdruck (mmHg)
35–39 0 < 100 0 < 120 0
40–44 6 100–129 5 120–129 2
45–49 11 130–159 10 130–139 3
50–54 16 160–189 14 140–159 5
55–59 21 > 189 20 ≥ 160 8
60–65 26
Triglyzeride (mg/dl) HDLChol. (mg/dl) Raucher
< 100 0 < 35 11 Nein 0
100–149 2 35–44 8 Ja 8
150–199 3 45–54 5
> 199 4 > 54 0
Diabetiker Pos. Familienanamnese
Nein 0 Nein 0
Ja 6 Ja 4
Die Tabelle gibt die Punktzahl für jeden einzelnen RF an. Alle angegebenen Para-
meter müssen bekannt sein! Nach Addition der Punktwerte wird das Risiko für die
jeweilige Gesamtpunktzahl der folgenden Tabelle entnommen.

Tab. 1.5 Zuordnung des MI-Risikos innerhalb von 10 J. nach PROCAM-Score


[Hense et al. Circulation 105: 310–315; 2002; ▶ Tab. 1.4]
Anzahl der MI-Risiko in Anzahl der MI-Risiko in Anzahl der MI-Risiko in
Punkte 10 J. (%) Punkte 10 J. (%) Punkte 10 J. (%)
≤ 20 ≤ 1,0 34 3,5 48 12,8
21 1,1 35 4,0 49 13,2
22 1,2 36 4,2 50 15,5
23 1,3 37 4,8 51 16,8
24 1,4 38 5,1 52 17,5
25 1,6 39 5,7 53 19,6
 1.2 Abschätzung des kardiovaskulären Risikos 13

Tab. 1.5 Zuordnung des MI-Risikos innerhalb von 10 J. nach PROCAM-Score


[Hense et al. Circulation 105: 310–315; 2002] (Forts.)
Anzahl der MI-Risiko in Anzahl der MI-Risiko in Anzahl der MI-Risiko in 1
Punkte 10 J. (%) Punkte 10 J. (%) Punkte 10 J. (%)
26 1,7 40 6,1 54 21,7
27 1,8 41 7,0 55 22,2
28 1,9 42 7,4 56 23,8
29 2,3 43 8,0 57 25,1
30 2,4 44 8,8 58 28,0
31 2,8 45 10,2 59 29,4
32 2,9 46 10,5 ≥ 60 ≥ 30,0
33 3,3 47 10,7
Anmerkung: Der PROCAM-Score wurde aus den Daten von 35- bis 65-jährigen Män-
nern abgeleitet. Die Anzahl der in der PROCAM-Studie aufgetretenen MI bei Frau-
en erlaubt noch keine Ableitung eines Scores speziell für Frauen. Nach ersten Aus-
wertungen beträgt das Risiko für 45–65-jährige postmenopausale Frauen „nur“ ¼
des Risikos eines gleichaltrigen Manns. Für Frauen wird der ermittelte Gesamtscore
daher durch 4 geteilt. Beachte: Risikoabschätzung gilt nur für 45–65-jährige Frauen
nach den Wechseljahren.
Risikoabschätzung nach Framingham-Algorithmus:
online: http://hp2010.nhlbihin.net/atpiii/calculator.asp
download: http://hp2010.nhlbihin.net/atpiii/riskcalc.htm
2 Kardiale Notfälle
Ulrich Stierle

2.1 Akuter Bewusstseins­ 2.2.3  ortendissektion 36


A
verlust 16 2.2.4 Hypertensive Krise 37
2.1.1 Differenzialanamnese 17 2.3 Akute Luftnot 38
2.1.2 Kreislaufstillstand/ 2.3.1 Differenzialanamnese 38
Reanima­tion 17 2.3.2 Lungenödem 39
2.1.3 Kardiogener Schock, 2.3.3 Perikardtamponade 40
­Hypotonie 29
2.2 Akuter Thoraxschmerz 31
2.2.1 Akutes Koronarsyndrom 34
2.2.2 Lungenembolie 36
16 2 Kardiale Notfälle 

2.1 Akuter Bewusstseinsverlust
Zu Basismaßnahmen bei der Reanimation ▶ Abb. 2.1.

Basismaßnahmen bei Reanimation

2 Bewusstsein überprüfen Schütteln, Ansprechen

Hilfe anfordern
(Rettungsdienst, Rea-Team)

Atemwege freimachen Kopf überstrecken,


Kinn hochziehen

Atmung überprüfen Hören, Sehen, Fühlen

Spontanatmung KEINE Spontanatmung

• Atemwege freihalten
• Evtl. stabile Seitenlage Kreislauf?
• Puls prüfen Kreislauf überprüfen Puls?
(max. 10 s!)

Kreislauf vorhanden KEIN Kreislauf

• Beatmung Weiterführende
• Puls-/RR-Kontrolle Reanimation
1x/Min. nach Algorithmus
„Herzstillstand”
(▶ Abb. 2.2)

Abb. 2.1 Basismaßnahmen bei Reanimation [L157]

Vorgehen bei KF/VT, Asystolie und EMD


▶ Abb. 2.2.
• Absolute Priorität haben die sofortige Herzdruckmassage u. die Frühdefibrillation.
• Präkordialer Faustschlag angemessen bei
– beobachtetem Herz-Kreislauf-Stillstand,
– am Monitor beobachtetem Beginn von VF/VT od. Asystolie,
– technisch bedingter Verzögerung der Defibrillation (Defi).
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 17

• Adrenalin: 1 mg i. v. od. 2–3 mg (1 : 10.000) über den Endotrachealtubus.


• Amiodaron:
– Bei nicht defibrillierbarem VF od. pulsloser VT nach dem 3. Schock.
– 300 mg Amiodaron in 20 ml Glukose 5 % als Bolus.
– Bei Erfolglosigkeit weitere Amiodaron-Dosis (150 mg), gefolgt von Infu­
sion 1 mg/Min. über 6 h, dann 0,5 mg/Min. bis max. 2 g Gesamtdosis.
• Magnesium: bei refraktärem VF u. V. a. Hypomagnesiämie (Dosis 8 mmol).
• Lidocain (100 mg i. v.). Alternative, falls Amiodaron nicht verfügbar.
• Puffer: 2
– NaHCO3 (50 ml, 8,4-prozentige Lsg.) bei metabolischer Azidose (pH
< 7,1).
– Falls keine BGA verfügbar, Puffergabe nach 20–25 Min. Herzstillstand.
• SM: bei extremer Bradyarrhythmie (z. B. bei totalem AV-Block).
• Intubation: Beatmung mit 100 % O2; nie vor Frühdefibrillation; keine wesent-
liche Unterbrechung der CPR durch Intubation od. deren Vorbereitung:
– Ohne Intubation: Thoraxkompression u. Beatmung synchronisieren (Ver-
hältnis 30 : 2).
– Mit Intubation: Thoraxkompression ohne Unterbrechung 100/Min.; Beat-
mungsfrequenz 12/Min.
• I. v. Zugang: Bei peripherem Zugang Medikamente mit 10–20 ml 0,9 % NaCl-
Lsg. einspülen.

2.1.1 Differenzialanamnese
• Kreislaufstillstand (▶ 2.1.2): Karotis- bzw. Femoralispuls nicht palpabel, At-
mung sistiert bzw. rudimentäre Atmung (Schnappatmung).
• Kardiogener Schock (▶ 2.1.3): RR systol. anhaltend < 90 mmHg, Zeichen der
Zentralisation (kalte Akren, marmorierte, kaltschweißige Haut). Bewusstsein
getrübt od. bewusstlos.
• Synkope: spontan reversibler Bewusstseinsverlust.

2.1.2 Kreislaufstillstand/Reanimation
Klinischer Befund
• Bewusstlosigkeit: keine Reaktion auf Ansprache, Berührung od. Schmerzreize
(z. B. in Nasensteg kneifen).
• Atemstillstand: keine Thoraxexkursionen, Zyanose, evtl. Schnappatmung (bei
primärem Kreislaufstillstand nach ca. 15–40 s).
• Karotis- od. Femoralispulse nicht tastbar.
• Evtl. generalisierter Krampfanfall (bei zerebraler Hypoxie).
Basisanamnese
Sofort mit Reanimation beginnen. Falls möglich Zeugen/Angehörige durch Hel-
fer befragen lassen:
• Bisher durchgeführte Maßnahmen durch Laien od. medizinisches Personal?
• Symptomatik unmittelbar vor der Bewusstlosigkeit?
• Zeitdauer seit Eintreten der Bewusstlosigkeit?
• Vorerkr.: Herz-, Nierenerkr.? Malignom? Intoxikation möglich?
• Bisherige Medikation, z. B. Antiarrhythmika (▶ 11.6), Antidepressiva?
18 2 Kardiale Notfälle 

Herzstillstand

Basisreanimation
CPR 30:2
30 Herzdruckmassagen
2 2 Beatmungen

Defibrillator anschließen

Rhythmus-
analyse

Schockbar Nicht schockbar


VF/pulslose VT Asystolie/PEA
Während CPR:
Korrigieren von Ursachen
• Prüfen von Elektroden,
1. Schock Paddles, Kontakt
150–360 J biphasisch • Atemwege frei, O2,
360 J monophasisch i.v. Zugang
• 1 mg Adrenalin i.v.
ineffektiv alle 3 Min.
oder
Sofort fortführen 2–3 mg Adrenalin Sofort fortführen
2 Min. CPR 30:2 1:10 000 in Tubus 2 Min. CPR 30:2

Erwägen:
Amiodaron, Atropin,
Schrittmacher, Puffer

Reversible Ursachen:
Hypoxie
„4Hs” Hypovolämie
+
Hypo-/Hyper-K , metab. Stör.
Hypothermie

Herzbeuteltamponade
„4HITS” Intoxikation
Thrombembolien
Spannungspneumothorax

Abb. 2.2 Vorgehen bei KF/VT, Asystolie und EMD [L157]


 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 19

Indikation zur Reanimation prüfen


Eine allgemeine Empfehlung kann hier nicht gegeben werden, aber auch die
Konsequenzen einer erfolgreichen Reanimation erwägen.
• Dauer der Bewusstlosigkeit? Sichere Todeszeichen (z. B. Totenflecke,
Totenstarre) feststellbar?
• Besteht eine Erkr. mit infauster Prognose?
• Ist der Pat.-Wille bekannt?
• Liegen Anzeichen für einen wahrscheinlichen Reanimationserfolg vor, ist 2
eine vorschnelle Entscheidung zur Vorenthaltung einer Reanimation un-
gerechtfertigt. Schnappatmung, enge Pupillen, erhaltene Lichtreaktion,
Kammerflimmern, Asystolie bzw. pulslose elektrische Aktivität (PEA)
mit sofort behebbarer Ursache (z. B. Hypoxie, Spannungspneumothorax),
Hypothermie, Intoxikation (Sedativa, Narkotika, Hypnotika).

Basisreanimation ABCD-Regel
Basismaßnahmen der Reanimation (▶ Abb. 2.1).
Ggf. erweiterte Maßnahmen der Reanimation (▶ Abb. 2.2).

Wichtig: weitere Hilfe anfordern. Eine definitive Reanimation ist oft nur mit
professionellem Gerät möglich (Defi, Intubation, O2, Medikamente).

ABCD-Regel
A Atemwege freimachen.
B Beatmen.
C Compression des Thorax, Zirkulation wieder herstellen.
D Drugs (▶ Abb. 2.2).
E EKG-Diagnose.
F Fibrillationsther. (d. h. Defi).

• Weitere Helfer rufen lassen. Eine Person koordiniert u. appliziert Medika-


mente, eine Person sichert die Beatmung, eine Person sichert die Zirkulation,
eine Person führt Handreichungen aus.
• Alle Maßnahmen dokumentieren.
Atemwege freimachen
• Fremdkörper aus dem Mund-Ra-
chen-Bereich (z. B. Nahrungsbolus,
Zahnprothese) entfernen, Erbro-
chenes absaugen.
• Esmarch-Handgriff (▶ Abb. 2.3):
Kopf überstrecken, Unterkiefer
nach vorn u. oben ziehen (Kinn
nach oben).
Beatmung
• Mund-zu-Mund, Mund-zu-Nase,
Mund-zu-Tubus (Safar-Tubus,
Guedel-Tubus), Maskenbeatmung
mit Ambu-Beutel bei rekliniertem Abb. 2.3 Esmarch-Handgriff [L190]
20 2 Kardiale Notfälle 

Kopf (▶ Abb. 2.4). Möglichst mit


100 % O2, FIO2 = 1,0.
• Beachten: Mit Herzdruckmassage
beginnen (30×), dann 2× beatmen.
Bei 2 Helfern Thoraxkompression
ohne Unterbrechung 100/Min.,
Atemfrequenz 12/Min.
• Möglichst frühzeitige Intubation,
2 vorher mit 100 % O2 präoxygenie-
ren. Beatmung dabei nicht länger
als 30 s unterbrechen. Ggf. mit
Maske zwischenbeatmen.
• Wenn Intubation od. Beatmung Abb. 2.4 Beatmung mit dem Ambu-
nicht möglich (z. B. Glottisödem), Beutel [L106]
Notfallkoniotomie, ggf. Notfalltra-
chealpunktion mit 3–5 dicken (z. B.
14 G, braun) Venenverweilkanülen zwischen Schild- u. Ringknorpel. O2-In-
sufflation über eine der Punktionskanülen.
• Beatmungserfolg kontrollieren: Atembewegung (sichtbar bei 800–1.200 ml
Atemzugvolumen)? Rückgang der Zyanose? AG symmetrisch?

Tipps & Tricks


• Langsame Inspiration (bis 2 s), Insufflationsvolumen 700–1.000 ml (bei
Maskenbeatmung ⅔ Entleerung), ausreichende Exspirationszeit.
• Bei nicht gesicherten Atemwegen (d. h. ohne Tubus) können kleinere
Beatmungsvolumina bei Beutel-Masken-Beatmung durch O2-Anreiche-
rung eine ausreichende Oxygenierung gewährleisten; das Risiko einer
Magenbeatmung mit Regurgitation u. Aspiration wird verringert. Nach
Intubation: Thoraxkompression 100/Min. ohne Unterbrechung u. si-
multan Beatmung (12/Min., Kinder 15–20/Min.). Unterbrechung nur
zur Defi u. ggf. Pulskontrolle.
• Guedel-Tubus nur verwenden, wenn Intubation nicht möglich ist u. die
Atemwege anders nicht freizuhalten sind. Bei Wiedererlangen der
Schutzreflexe sind Erbrechen u. Laryngospasmus möglich.

Circulation
Herzdruckmassage: Oberkörper flach auf harter Unterlage lagern. Kompression
mit Druckpunkt in Sternummitte. Frequenz Erw. 100/Min., Säuglinge 120/Min.
Keine Unterbrechung > 7 s. 1-Helfer-Methode 30 : 2.
! Nach Intubation simultane Beatmung u. Herzdruckmassage ohne Unterbre-
chung (außer Defi).
! Erfolgskontrolle: A. femoralis ist bei suffizienter Herzdruckmassage palpabel.
! Keine Herzdruckmassage bei vorhandenem Karotispuls!
! Bei Kindern Verhältnis Herzdruckmassage : Beatmung = 15 : 2.
Defibrillation und Drugs (medikamentöse Therapie)
• Bei „beobachtetem Herzstillstand“ Defibrillator mit integriertem Monitor an-
schließen u. EKG über Defibrillator-Paddle („guide look“) ableiten. Über wei-
teres Vorgehen nach EKG-Befund entscheiden (▶ Abb. 2.2).
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 21

Was ist neu bei den Leitlinien zur Reanimation?


• Basismaßnahmen bei Bewusstlosigkeit u. Fehlen einer Atmung sofort be-
ginnen.
• Druckpunkt ist Mitte des Sternums.
• Reanimation startet immer mit Herzdruckmassage. Die initialen Beat-
mungen entfallen.
• Kompression : Ventilation 30 : 2.
• Atemspende max. 1 s. Ziel: Brustkorb soll sich sichtbar heben u. senken. 2
• Präklinisch unbeobachteter Herzstillstand: Immer 2 Min. Basismaßnahmen
(= 5 × 30 : 2) vor Defi. Präklinisch beobachteter Herzstillstand: Sofort Defi.
• Bei Arrhythmien mit Defi-Ind. (VHF, PEA) nur noch 1× Defi, dann ohne
Rhythmus- od. Pulskontrolle für 2 Min. Basismaßnahmen.
• Defibrillatorenergie: monophasisch immer 360 J, biphasisch 1. Schock
150–200 J, alle weiteren Schocks 200–360 J.
• Nach Intubation: Beatmung 10–12/Min. ohne Unterbrechung der Herz-
druckmassage.
• Adrenalin: 1 mg i. v. alle 3–5 Min. Bei Asystolie u. PEA sofort, bei VHF u.
pulsloser VT erst nach 2. erfolglosem Schock.
• Amiodaron: bei VHF u. pulsloser VT 300-mg-Bolus nach 3. erfolglosem
Schock. Persistiert VHF od. pulslose VT, erneut 150 mg, dann 900-mg-
Dauerinfusion/24 h.
• Lidocain: nur wenn kein Amiodaron verfügbar.
• Atropin: 3-mg-Bolus bei Asystolie u. PEA (keine routinemäßige Gabe).
• Frühdefibrillation hat bei Kammerflimmern od. PEA absolute Priorität. Kein
Zeitverzug durch andere Maßnahmen. Bei länger bestehendem Kammerflim-
mern/VT kann Basis-CPR vor Defi den Erfolg gegenüber sofortiger Defi er-
höhen. Deshalb bei präklin. Kreislaufstillstand zunächst Basis-CPR, dann erst
Schock.
! Zur exakten EKG-Diagn. Amplitude am Monitor hochstellen, Artefakte ver-
meiden (z. B. Händetremor, kein Elektrodengel, Pat.-Bewegungen).
• Falls 1. Schock ineffektiv, 2 Min. Herzdruckmassage 30 : 2, Beatmung →
Rhythmusanalyse → 2. Schock, 2 Min. 30 : 2 → Rhythmusanalyse → Adrenalin
1 mg i. v., 3. Schock, 2 Min. 30 : 2
→ Rhythmusanalyse → Amiodaron
300 mg, 4. Schock, 2 Min. 30 : 2.

Tachyarrhythmien
Kammerflimmern, Kammerflattern
• Elektrodengel auf Paddle, kein Ul­
traschallgel, keine NaCl- od. alko-
holgetränkten Kompressen.
• Hauptschalter ein, sicherstellen,
dass „Synchronisation“ aus ist,
Energiewahl (200 J).
• Kondensatoren aufladen.
• Paddle platzieren (oberes Sternum-
drittel u. Apex ▶ Abb. 2.5). Bei SM-
Trägern möglichst Abstand von
Abb. 2.5 Platzierung der Defibrillator-
10–15 cm zwischen Defibrillator- Paddle [L106]
22 2 Kardiale Notfälle 

elektroden u. SM-Gehäuse. SM sollte nicht im direkten Stromfluss zwischen


den beiden Defibrillatorelektroden liegen.
• Monitorrhythmus prüfen.
! Schock ankündigen: Mitarbeiter weg von Bett u. Patienten.
• Defi mit 200 J.
• Falls Kammerflimmern persistiert, erneut Defibrillator laden, dabei Herz-
druckmassage u. Beutelbeatmung weiterführen → erneute Defi (200 J, 360 J).
• Falls Kammerflimmern weiter persistiert, peripher-venösen Zugang legen u.
2 Suprarenin® 1 mg (1 : 10 verdünnt, fraktioniert) i. v. od. 3 mg/10 ml endotra-
cheal. Herzdruckmassage u. Beutelbeatmung weiterführen.
• Nochmals Defi 360 J.
• Falls Kammerflimmern persistiert, Hypoxie beseitigen. Falls noch nicht er-
folgt, orotracheale Intubation, Beatmung mit O2. Beatmung adäquat? Paddle-
Position korrekt? Elektrodengel ausreichend?
• Nochmals Defi.
• Falls Kammerflimmern persistiert, Basisreanimation (Beatmung, Herzdruck-
massage) weiterführen.
• Amiodaron i. v. (▶ Abb. 2.2), alternativ Lidocain i. v.
• Weitere Defi mit 360 J, ggf. weitere Adrenalingaben (bis 3 mg).
• Azidoseausgleich: nach BGA Pufferung mit Bikarbonat 8,4 % (Dos.: 8,4-pro-
zentige NaHCO3-Lsg. 1 mmol/kg KG = 1 ml/kg KG, ggf. 0,5 ml/kg KG nach
weiteren 10 Min.).
• Maßnahmen zur Stabilisierung (▶ 7.5), definitive Ther. s. u.
Tipps & Tricks
• Nach erfolgreicher Defi/Kardioversion ist eine längere Asystolie (präau-
tomatische Pause) möglich, die durch Herzdruckmassage unter fortge-
setzter Beobachtung des Monitors od. bei liegendem SM durch Ventri-
kelstimulation überbrückt werden muss.
• Unbedingt auf ausreichende Oxygenierung achten. Unzureichende
Oxygenierung ist eine häufige Ursache für das Misslingen der Defi.
• Bei SM-Trägern transkutanen SM bereithalten.

Tachyarrhythmien – Diagnostik und definitive Therapie


• Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex schmal (▶ Abb. 2.6):
– Sinustachykardie (▶ 7.6.1),
– AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (▶ 7.7.8),
– orthodrome AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy. (▶ 7.8.1),
– Vorhofflattern mit regelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.5),
– Vorhoftachykardie mit Block (regelmäßige Überleitung; ▶ 7.7.1).
• Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex breit (▶ Abb. 2.7):
– jede regelmäßige SVT mit bevorstehendem od. funktionellem Schen-
kelblock (▶ 7.5.1),
– antidrome AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy. (▶ 7.8),
– VT (▶ 7.9),
– Kammerflattern (▶ 7.9.8).
• Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex schmal:
– Tachyarrhythmia absoluta bei VHF (▶ Abb. 2.8, ▶ 7.7.6),
– Vorhofflattern mit unregelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.5),
– Vorhoftachykardie mit unregelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.1).
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 23

• Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex breit:


– jede unregelmäßige SVT mit bevorstehendem od. funktionellem
Schenkelblock (▶ 7.5.1),
– VHF bei Präexzitationssyndrom (▶ 7.8.2),
– polymorphe VT (▶ 7.9.4),
– Kammerflimmern (▶ Abb. 2.2, ▶ 7.9.8).

Bradyarrhythmien
2
Asystolie, pulslose elektrische Aktivität (elektromechanische Entkopplung,
EMD)
• Reanimationsmaßnahmen nach den ABCD-Regeln: Herzdruckmassage, Be-
atmung, Asystolie in mehr als einer Abl. kontrollieren, i. v. Zugang.
• Ursachen suchen: Hypoxie, Hyper-, Hypokaliämie, Azidose, Hypothermie,
Medikamentenüberdosierung.
• Simultan transkutaner SM u. Medikamente vorbereiten.
• Transkutanen SM so früh wie möglich einsetzen. Selbstklebende SM-Elektro-
den präkordial (neg. Pol) u. li unter der Skapula (pos. Pol) anbringen. Auf Be-
schriftung der Elektroden u. Sensoren achten (z. B. Apex/Rücken). EKG-Ka-
bel zur Abl. eines Triggersignals anbringen. Stimulation beginnen mit Fre-
quenz 90/Min., Impulsdauer 40 ms, Stromstärke 100 mA. Stromstärke [mA]
bzw. Spannung [V] steigern, bis im EKG auf die Stimulationsartefakte
(Spikes) deformierte Kammerkomplexe folgen. Kontrolle des Karotis- od. Fe-
moralispulses.
• Kein Puls tastbar trotz regelrechter SM-Stimulation → Adrenalin (z. B. Supra-
renin®) 1 mg fraktioniert i. v. (1 : 10 vedünnt).
• Wenn weiterhin kein Puls tastbar, EMD. Wenn ohne Verzögerung möglich,
Echo zur Beurteilung der Ventrikelkontraktion u. zum Ausschluss einer Peri-
kardtamponade (▶ 2.3.3).
• Adrenalin: 1 mg i. v. alle 3–5 Min. Falls unzureichend wirksam, Dosiserhöhung
auf 2–5 mg i. v. alle 3–5 Min. bzw. 1 mg, 3 mg, 5 mg i. v. im 3-Min.-Abstand.
• Atropin bis 3 mg i. v.
• Bikarbonat bei gesicherter od. vermuteter Azidose u. bei Hyperkaliämie.
• Maßnahmen zur Stabilisierung (▶ 7.2), definitive Ther. s. u.
Pulslose elektrische Aktivität (PEA)
Tritt auf bei EMD, idioventrikulärem Rhythmus, ventrikulärem Ersatzrhyth-
mus, bradysystolischem Rhythmus, idioventrikulärem Rhythmus nach Defi-
brillation. Immer an behebbare Ursachen denken:
• Hypovolämie: Volumeninfusion.
• Hypoxie: Beatmung.
• Perikardtamponade: Perikardpunktion (▶ 2.3.3).
• Spannungspneumothorax: Dekompression.
• Fulminante Lungenembolie: Fibrinolyse, Chirurgie (▶ 2.2.3).
• Hypothermie: Wiederaufwärmung.
• Hyperkaliämie: Bikarbonat, s. o.
• Azidose: Bikarbonat, s. o.
• Medikamentenüberdosierung: Antidot.
• Großer MI: Reperfusionsther. (▶ 3.6.4).
24 2 Kardiale Notfälle 

Tachykardie mit schmalen QRS-Komplexen

Behandlung wie supraventrikuläre Tachykardie (▶ 7.7)

• O2-Gabe
• i.v. Zugang Vorhofflimmern
Pulslose
2 Herzfrequenz (▶ Abb. 2.8)
> 250/Min. Vagale Manöver

Ineffektiv

Kardioversion Cave: Nicht bei


100, 200, 360 J WPW oder
Adenosin 6 mg i.v.
• Bis zu 3-mal Vorbehandlung
• Falls erforderlich mit Dipyridamol
12 mg oder
alle 1–2 Min. Carbamazepin
oder nach HTX

Ineffektiv → Expertenrat einholen!

Instabil?
Nein • RR systol. Ja
< 90 mmHg
• Angina pectoris Sedierung,
• Herzinsuff. Kurznarkose
• HF > 200/Min.

Gabe eines der Kardioversion


folgenden Medikamente: 100, 200, 360 J
• Esmolol
Ineffektiv
40 mg über 1 Min. i.v. +
Infusion 4 mg/Min. ggf.
i.v. Dosis wiederholen Amiodaron
+ Infusion bis 12 mg/Min. 150 mg i.v. über
• Verapamil 10 Min., dann
5–10 mg i.v. 300 mg i.v. über 1h
• Amiodaron
300 mg über 1h
1× wiederholen, falls nötig
• Digoxin
0,5 mg über 30 Min., 2 × Kardioversion
wiederholen

Abb. 2.6 Vorgehen bei Tachykardie mit schmalem QRS-Komplex (Dosierungen


für Erw. mit mittlerem Gewicht) [L157]
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 25

Tachykardie mit breiten QRS-Komplexen

Behandlung wie anhaltende ventrikuläre Tachykardie (▶ Abb. 7.30)

• O2-Gabe
• i.v. Zugang
Nein
Puls
VF-Algorithmus 2
(▶ Abb. 2.2)

Ja
Expertenrat
einholen!!
Instabil? Sedierung,
Nein Ja
• RR systol. < 90 mmHg Kurznarkose
• Angina pectoris
• Herzinsuff.
• HF > 150/Min.

Kardioversion
• Kaliumchlorid 100, 200, 360 J
+ bis 60 mmol
K < 3,5 mval/l max. 30 mmol/h
• Magnesiumsulfat
5 ml 50 % in 30 Min. +
K < 3,5 mval/l

Amiodaron
300 mg über 10–20 Min.
Amiodaron dann 900 mg über 24 h

Expertenrat
einholen!! Erneute Kardio-
Sedierung, version falls nötig
Kurznarkose

Kardioversion Falls therapierefraktär


100, 200, 360 J • erneut Amiodaron
oder
• Lidocain
oder
• Procainamid
oder
• Sotalol
oder
• Overdrive-Stimulation

Abb. 2.7 Vorgehen bei Tachykardie mit breitem QRS-Komplex (Dosierungen für
Erw. mit mittlerem Gewicht) [L157]
26 2 Kardiale Notfälle 

Vorhofflimmern

Hohes Risiko Mittleres Risiko Niedriges Risiko


• HF > 150/Min. • HF 100–150/Min. • HF < 100/Min.
• Angina pectoris • Dyspnoe • Leichte/keine Sympt.
• Schockzeichen • Schockfragmente • Keine Schockzeichen
2 Expertenrat
einholen Nein Ja
< 24 h
• Heparin
• Kardioversion
100, 200, 360 J Antikoagu- • Heparin
lation, • Amiodaron
ggf. später 300 mg in 1 h
Kardio- ggf. 1 ×
Amiodaron version wiederholen
300 mg über 1 h oder
ggf. wiederholen • Flecainid
100–150 mg
i.v. über
30 Min.

Schockfragmente und/oder
Nein und/oder Ja Evtl.
struktur. Herz- Kardioversion
erkrankung

Nein Ja Nein Ja
< 24 h < 24 h

Frequenz- Versuch Frequenz- Versuch


kontrolle Kardioversion kontrolle Kardioversion

• Betablocker • Heparin • Amiodaron • Heparin


(p.o., i.v.) • Flecainid 300 mg • Kardioversion
oder 100–150 mg in 1 h i.v. 100, 200, 360 J
• Verapamil i.v. über 30 Min. ggf. 1 ×
oder oder wiederholen
• Diltiazem • Amiodaron +
oder 300 mg in 1 h i.v. Antikoagu- • Amiodaron
• Digoxin ggf. 1 × wiederholen lation 300 mg über 1 h
+ • Kardioversion ggf. 1×
Antikoagu- falls nötig wiederholen
lation + +
Antikoagulation Antikoagulation

Abb. 2.8 Vorgehen bei Vorhofflimmern (Dosierungen für Erwachsene mit mitt-
lerem Gewicht) [L157]
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 27

Bradykarde Arrhythmien (ohne Asystolie)


Basismaßnahmen
• ABCD-Regel.
• I. v. Zugang, EKG-Monitoring, RR-Messung, Pulsoxymetrie.
• Beurteilung von Symptomen u. Befunden, die Folge der Bradykardie sind:
– Symptome: Synkope, Schwindel, Somnolenz, Dyspnoe, Angina pectoris.
– Befunde: Bradykardie, Hypotonie, Schock, Schockfragmente, Lungen-
stauung, periphere Hypoperfusion. 2
• Maßnahmen ▶ Abb. 2.9.

Bradykardie

Ohne Herz-Kreislauf-Stillstand

Instabil?
• RR systol. < 90 mmHg
Ja • HF < 40/Min. Nein
• Herzinsuff.
• ventrikuläre Arrhythmien,
die unterdrückt
werden müssen

0,5 mg Atropin i.v.

Ja
Reaktion ausreichend Risiko der Asystolie
• Anamnese Asystolie
Nein
• AV-Block Mobitz II°
• AV-Block III°
0,5 mg Atropin i.v. breiter QRS
bis max. 3 mg • ventrikuläre Pausen
>3s

Nein
Transkutane (externe)
Stimulation 70–100/Min. Überwachung
oder
Adrenalin
2–10 µg/Min.

Transvenöse Stimulation
vorbereiten

Abb. 2.9 Vorgehen bei Bradykardien [L157]


28 2 Kardiale Notfälle 

Vorgehen nach Symptomen und Befunden


• Vasovagale Synkope od. Reaktion (Bradykardie-Hypotensions-Sy.). Häufi-
ger bradykarder Notfall im Rahmen von diagn. od. therap. Maßnahmen.
Komb. von Synkope od. Schwindel mit Bradykardie, Hypotonie, profusem
Schweißausbruch, ggf. weitere vagale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen.
Ther.: Schocklagerung (Beine hoch → Autotransfusion), Atropin 1,0 mg i. v.,
bei protrahierter Hypotonie Volumenzufuhr (Ringer, NaCl 0,9 %) mit hoher
Tropfgeschwindigkeit.
2 • Symptomatischer, bradykarder Pat.:
– Ther. der Wahl: transkutane od. transvenöse SM-Stimulation.
– Medikamente nur zum Überbrücken der Akutsituation, z. B. im Rahmen
der CPR od. bis zur Anlage des temporären SM. Atropin 1,5 mg i. v., Ad-
renalin 2–10 μg/kg KG/Min., Dopamin 5–20 μg/kg KG/Min.
• Asymptomatischer Pat., nur Bradykardie:
– Vorbereitungen für transkutanen od. transvenösen SM treffen.
– Keine spezifische Notfallther., insbes. keine med. Ther. zur Rhythmuskos-
metik.

Tipps & Tricks


• Atropin kann beim AV-Block II° Typ II od. AV-Block III° mit breitem
QRS durch eine Erhöhung der Vorhoffrequenz zu einer paradoxen Ver-
stärkung der AV-Blockierung u. dadurch zu einer kritischen Bradykar-
die führen. In sehr niedrigen Dosen (bis 0,5 mg) hat Atropin einen va-
gusstimulierenden Effekt → Verstärkung einer Bradykardie, evtl. auch
Hypotonie. Konsequenz: ausreichend hohe Einzeldosis von Atropin
(0,75–1,5 mg, komplette Vagolyse bei 3 mg Atropin i. v.).
• Bei Bewusstlosigkeit, Bradykardie u. Hypertension an zentralnervöse
Schädigung denken (große zerebrale Blutung, großer Hirninfarkt).

Bradyarrhythmien – Diagnostik und definitive Therapie


• Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex schmal:
– Sinusbradykardie (▶ 7.2, ▶ 7.3),
– AV-Knoten-Rhythmus (▶ 7.4.4),
– SA-Block II°, Typ II mit regelmäßigem Blockierungsverhältnis (▶ 7.3.2),
– AV-Block II°, Typ II mit regelmäßigem Blockierungsverhältnis (▶ 7.4.2),
– AV-Block III°, mit AV-Knoten-Ersatzrhythmus (▶ 7.4.3),
– VHF mit Pseudoregularisierung (▶ 7.3.4).
• Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex breit:
– jeder regelmäßige, bradykarde Rhythmus mit bevorstehendem Schen-
kelblock (▶ 7.2),
– AV-Block III°, mit ventrikulärem Ersatzrhythmus (▶ 7.4.3),
– idioventrikulärer Rhythmus (▶ 7.4.4).
• Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex schmal:
– Bradyarrhythmia absoluta bei VHF (▶ 7.3.4),
– Sinusbradykardie mit SVES (▶ 7.3.1, ▶ 7.7.7),
– SA-Block II°, Typ II mit unregelmäßigem Blockierungsverhältnis
(▶ 7.3.2),
– AV-Block II°, Typ II mit unregelmäßigem Blockierungsverhältnis
(▶ 7.4.2).
 2.1 Akuter Bewusstseinsverlust 29

• Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex breit:


– jeder unregelmäßige, bradykarde Rhythmus mit bevorstehendem
Schenkelblock (▶ 7.2),
– polymorpher ventrikulärer Ersatzrhythmus (▶ 7.4.4).

Zeichen der erfolgreichen Reanimation


• Tastbare Pulse der großen Arterien. 2
• Haut wird rosig u. warm.
• Pupillen werden eng.
• Spontanatmung setzt ein.
• Bewusstsein kehrt zurück.
! Reanimierte Pat. benötigen immer eine Intensivüberwachung.
Beendigung der Reanimationsmaßnahmen
• Suffiziente Zirkulation u. Atmung.
• Zeichen des zerebralen Kreislaufstillstands (weite, lichtstarre Pupillen, Be-
wusstlosigkeit, keine Spontanatmung) > 30 Min. nach Beginn der ord-
nungsgemäß durchgeführten Reanimation, insbes. nach nicht beobachte-
tem plötzlichem Herztod u. ohne vorangehende Ersthelfermaßnahmen.
Ausnahmen: Hypothermie, Intoxikation, Hyperkaliämie → ausdauernd re-
animieren.
• Zeichen des Herztods im EKG > 15 Min.
• Sichere Todeszeichen.

2.1.3 Kardiogener Schock, Hypotonie


Klinik
RR systol. anhaltend < 90 mmHg, Bewusstsein getrübt, klinische Zeichen der Zen-
tralisation (kalte Akren, marmorierte kaltschweißige Haut), pulmonale Kongesti-
on, Oligo-/Anurie.

Erstmaßnahmen
• ABCD-Regel.
• Sedieren (Diazepam 5–10 mg i. v.) u. im Bedarfsfall analgesieren (Fentanyl®
0,05–0,1 mg i. v.).
• Lagerung des Pat. nach RR. Hypotonie: Kopftieflage. Normo- od. Hypertonie:
erhöhter Oberkörper, Beine tief.
• O2-Zufuhr (4–6 l/Min.), großlumige i. v. Zugänge.
• Monitoring: EKG, Pulsoxymetrie, RR, Urinausscheidung.
• Kurzanamnese, körperl. Untersuchung, 12-Kanal-EKG, evtl. Rö-Thorax.
Ursache klären!
• Arrhythmie: Brady- od. tachykard? Ther. s. o.
• Volumenmangel: Infusion, Transfusion, ursachenspezifische Intervention
(z. B. Blutstillung), Vasopressoren (Dopamin, Adrenalin ▶ 11.1.2).
• Pumpfunktionsstörung des Herzens.
30 2 Kardiale Notfälle 

Pumpfunktionsstörung des Herzens


! Schlüsselfrage: Wie hoch ist der art. RR?
• Neben den therap. Maßnahmen simultan weitere Diagn. veranlassen. Durch
die Diagn. darf der Ther.-Beginn nicht verzögert werden.
• Hämodynamisches Monitoring: Pulmonaliskatheter, direkte, blutige RR-
Messung.

Differenzialdiagnosen
2 Nach Ausschluss eines Volumenmangels u. einer Arrhythmie.
• ACS (▶ 3.5).
• Entzündliche od. chron. nichtentzündliche Herzmuskelerkrankung. Myo-
karditis, fortgeschrittene od. akute valvuläre Herzerkr., Kardiomyopathie,
spezifische Herzmuskelerkr., Herztrauma, Belastung mit neg. inotropen
Substanzen (Pharmaka, Intoxikation).
• Perikardtamponade (▶ 2.3.3): Aortendissektion, entzündliche Herzerkr.,
penetrierendes Thoraxtrauma.
• Lungenarterienembolie (▶ 2.2.3).
Wichtigste differenzialdiagnostische Mittel
• Internistisches Routinelabor: BB, Gerinnung, E‘lyte, Krea, BZ, TnT od. TnI,
D-Dimere, CK, CK-MB, GOT, LDH, HBDH, Lipase, Laktat, BGA.
• EKG.
• Echo, evtl. TEE.
• Rö-Thorax (Bett-Thorax).
• Pulmonaliskatheter: Drücke in RA, RV, PA, PCWP, HZV, peripherer u. pul-
monal-vask. Widerstand.
• Abdomen-Sono.
• Je nach Verdachtsdiagnose weitere Diagn.: CT, Angio.
Hämodynamische Differenzialtherapie des kardiogenen Schocks
Ziel: SVR ≈ 900 dynes × s × cm–5, MAP > 65 mmHg, CI > 2,5 l/Min./m2
• Mittlerer art. Blutdruck < 65 mmHg:
– Volumengabe: Bolus von 250–500 ml NaCl 0,9 %, falls ineffektiv:
– Noradrenalin (Arterenol® ▶ 11.1.2): 0,05–0,3 μg/kg KG/Min., Verdün-
nung 3 Amp. (= 3 mg) od. 5 Amp. (= 5 mg) auf 50 ml NaCl 0,9 % = 60 od.
100 μg/ml (▶ Tab. 11.8). Individuelle Dos., durchschnittlich 0,1 μg/kg KG/
Min.
– Dobutamin (▶ 11.1.2) zusätzlich zu Noradrenalin: 250 mg in 50 ml. Dosis
2–25(–40) μg/kg KG/Min. per Perfusor (2–20–40 ml/h; ▶ Tab. 11.4)
– Evtl. zusätzlich IABP.
• Mittlerer art. Blutdruck 65–80 mmHg:
– SVR bestimmen.
– < 900 dynes × s × cm-5: Noradrenalin-Dosis ↑, evtl. Levosimendan, PDE-
Hemmer.
– > 900 dynes × s × cm-5: Noradrenalin-Dosis ↓, Vasodilatatoren (NTG,
Natriumnitroprussid), evtl. Levosimendan, PDE-Hemmer.
• Mittlerer art. Blutdruck > 80 mmHg:
– Noradrenalin reduzieren.
– Vasodilatatoren (NTG, Natriumnitroprussid).
– Evtl. Levosimendan.
• Weitere Ther. je nach Grundkrankheit.
 2.2 Akuter Thoraxschmerz 31

2.2 Akuter Thoraxschmerz
Differenzialdiagnose: ▶ Abb. 2.10, ▶ Tab. 2.1.

Akuter
Thoraxschmerz

Ja
Typ. Angina Besserung Ja
KHK-Risikofaktoren V. a. KHK auf Nitro
A. p.,
weitere Abklärung 2
Nein Nein
Infektanamnese, EKG suspekt und/ V.a.
Reibegeräusche, Perikarditis oder Infarktmarker Myokardinfarkt
Entzündungsserol.
Nein
Nein
Schocksymptomatik
Thromboserisiko, Diastolikum
pO2 pCO2 Lungenembolie V.a.
Tachykardie Ischämiesymptome
Aneurysma
in anderen
Nein dissecans
Gefäßprovinzen
AG aufgehoben, Spontan-
Nein
tympanit. KS pneumothorax Intensiv-
überwachung,
Nein Instabile Angina? weitere
Pleurareiben, Pleuritis, Abklärung
Dämpfung Pleuraempyem,
Pleuratumor
Nein
Schmerz brennend, Parästhesien Ja
Refluxkrankheit Hyper-
im Liegen verstärkt Karpopedalspasmen ventilations-
Nein
pO2 pCO 2
syndrom
Verschlechterung bei Nein
Nahrungsaufnahme, Achalasie, Thorakales
Paravertebrale
Erbrechen unverdaut. Ösophagusspasmus Wurzelreiz-
Triggerpunkte
Nahrung syndrom
Nein Nein
Abdomen bretthart, Alkohol-, Gallenstein- Akute
(perf.) Ulkus
evtl. Ulkusanamnese anamnese, Lipase Pankreatitis
Nein

Abb. 2.10 Differenzialdiagnose akuter Thoraxschmerz [A300]

Tab. 2.1 Differenzialdiagnose des akuten Thoraxschmerzes1


DD Klinik Wegweisende Diagnostik

ACS (gesichert/möglich)
Angina Typisch: thorakales Druckgefühl od. • EKG: ST-Strecken-Senkun-
­pectoris retrosternales Brennen. Ausstrahlung gen
(chron. stabil/ in li Schulter, li Arm (oft ulnar), Hals, • Labor: neg. Herzenzyme
instabil Unterkiefer, verstärkt bei Belastung,
▶ 2.2.1, ▶ 3.9) Besserung auf NTG (5 Min. abwarten)
Myokard­ Klassisch: „Vernichtungsschmerz“, • EKG: konvexbogige
infarkt Todesangst. ­ST-Strecken-Hebungen
(­NSTEMI/ Schmerz meist nitrorefraktär. • Troponin-Schnelltest:
STEMI, Kaltschweißigkeit, Hypotonie, ­ isikostratifizierung (pos.
R
▶ 3.6, ▶ 3.7) ­Übelkeit. Test: Infarkt hochwahr-
Abdominelle Symptome bei HWI scheinlich)
„Stummer“ (schmerzloser) Infarkt u. • Enzymverlauf: CK, CK-MB,
atypischer Verlauf v. a. im Alter u. LDH, GOT, quantitativ
bei Langzeitdiabetikern möglich ­Troponin
32 2 Kardiale Notfälle 

Tab. 2.1 Differenzialdiagnose des akuten Thoraxschmerzes1 (Forts.)


DD Klinik Wegweisende Diagnostik

Kardiale Erkrankungen ohne ACS


Perikarditis Präkordialer, oft unerträglicher • Anamnese: Infekt, Infarkt,
Schmerz, verstärkt durch Inspiration; Herz-OP
stark fluktuierender Charakter der • Auskultation: Perikardrei-
Schmerzen; Pat. sitzt vornüber ge- ben
2 beugt, evtl. Schonatmung. • Labor: Entzündungszei-
Besserung der Schmerzen bei Erguss- chen (Leukos ↑, CRP ↑,
bildung BSG ↑)
• EKG: konkave ST-Strecken-
Hebung
• Echo
Funktionelle Schmerzen meist umschrieben prä- • „Blumige“ Schilderung
Herzbe­ kordial u. stechend (nicht dumpf od. der Beschwerden
schwerden brennend). • Stechender, exakt lokali-
Pat. eher ängstlich agitiert sierter Schmerz
• Meist Besserung unter Be-
lastung
Nichtkardiale Erkrankungen mit definierter Ursache
Aneurysma Plötzlich einsetzende Schmerzen un- • Anamnese: Hypertonie,
dissecans der terschiedlicher Intensität (oft stärks- marfanoider Habitus, Ka-
thorakalen te interskapuläre Schmerzen) mit theterdiagn. im Bereich der
Ao (▶ 2.2.3, Ausstrahlung in Rücken, Nacken, Ao
▶ 10.2) Abdomen. • Auskultation: diastol. Ge-
Organperfusion gestört: Hemipare- räusch bei AR.
se, MI, Extremitätenischämie, ANV, • Echo (TEE)
akutes Abdomen. • EKG, Rö-Thorax, Sono Ab-
Evtl. Schocksymptomatik, aber auch domen, tCT, MRT, Angio
häufig RR ↑
Lungenembo­ Thoraxschmerz, Dyspnoe, Tachy­ • Anamnese: Immobilität,
lie (▶ 2.2.2) pnoe, Tachykardie, Zyanose, Hypo- Status postop., Tu-Erkr.,
tonie bis Schocksymptomatik je nach bek. Thrombose/-neigung,
Schweregrad, Herzrhythmusstörun- Schwangerschaft, orale
gen, Synkopen, Thrombosezeichen Kontrazeptiva (+ Nikotin),
thromboembolische Erkr.
in der Familie
• Rö-Thorax: oft normal
• BGA: pO2 ↓, pCO2 ↓ → V. a.
Lungenembolie
• Echo (T EE): Rechtsherzdi-
latation, evtl. rel. TR.
• EKG: geringe Sensitivität:
evtl. P pulmonale, SIQIII-
Typ, Rechtsbelastungszei-
chen
• Labor: Normale D-Dimere
schließen Thrombembolie
praktisch aus
Pneumothorax Hypersonorer Klopfschall, Stimmfre- Rö-Thorax!
mitus ↓, AG↓; häufig junge Männer,
Raucher, Pat. mit COPD
 2.2 Akuter Thoraxschmerz 33

Tab. 2.1 Differenzialdiagnose des akuten Thoraxschmerzes1 (Forts.)


DD Klinik Wegweisende Diagnostik

Nichtkardiale Erkrankungen mit definierter Ursache


Pleuritis, Pleu­ Atemabhängige thorakale Schmer- • Auskultation: Pleuritis:
raerguss, zen, Fieber, evtl. Dyspnoe atemabhängiges Pleura-
Pleuraempy­ reiben („Lederknarren“);
em Erguss/Empyem: lokale,
lageinkonstante Klopf- 2
schalldämpfung, AG ↓,
evtl. feinblasige ohrnahe
RG
• Labor: serol. Entzündungs-
zeichen
• Rö-Thorax, Sono Thorax
Refluxöso­ Pat. häufig adipös, Alkoholanamne- • Gastroskopie
phagitis se, retrosternaler brennender • pH-Metrie
Schmerz ohne Ausstrahlung, ver-
stärkt im Liegen. Hiatushernie
Motilitätsstö­ Beschwerden verstärkt bei Nah- • Gastroskopie
rungen des rungsaufnahme, Regurgitation un- • KM-Schluck unter Durch-
Ösophagus verdauter Nahrung leuchtung
• Ösophagusmanometrie
Boerhaave- Erbrechen, vernichtender Thorax- Rö-Thorax: mediastinale
Syndrom schmerz nach reichlicher Mahlzeit, Luftsichel, linksseitiger Pleu-
(spontane Alkoholiker raerguss
Ösophagus-
ruptur)
Akute Gürtelförmiger Oberbauchschmerz, • Anamnese: Alkohol, Gal-
­Pankreatitis Ausstrahlung in den Rücken lensteine, Infekt
• Labor: Leukos ↑, CRP pos.,
Lipase ↑
• Sono Abdomen: Schwel-
lung, Echoarmut
Roemheld- Druckgefühl im Oberbauch, A. p., Aerophagie, Ausschluss kar-
Syndrom Magenschmerzen, Nausea dialer od. gastroenterologi-
(A. p. durch scher Erkr.
Meteorismus
od. luftgefüll-
ten Magen)
Thorakales Evtl. bewegungsabhängiger, durch • Triggerpunkte paraverte­
Wurzelreiz­ Druck auslösbarer Schmerz, beim bral, parasternal
syndrom, Tietze-Sy. evtl. tastbare Schwellungen • Besserung durch Infiltrati-
Tietze-­ parasternal onsther. mit Lokalanästhe-
Syndrom tikum
• DD: Zoster thoracicus mit
Schmerzbeginn häufig vor
Bläschenstadium
• Cave: Eine subjektive Bes-
serung durch Infiltrations-
ther. kann auf einem Pla-
ceboeffekt beruhen. Eine
ernste Ursache ist damit
nicht ausgeschlossen!
34 2 Kardiale Notfälle 

Tab. 2.1 Differenzialdiagnose des akuten Thoraxschmerzes1 (Forts.)


DD Klinik Wegweisende Diagnostik

Nichtkardiale Erkrankungen nicht bekannter Ursache


Hyperventila­ Häufig präkordiales Stechen, Dys- BGA: pO2 ↑, pCO2 ↓, pH ↑
tionssyndrom pnoe, Parästhesien in Extremitäten
u. perioral, Karpopedalspasmen,
Auslöser: oft psychischer od. physi-
2 scher Stress
1
 aus: Braun J, Preuss R. Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier
GmbH, Urban & Fischer Verlag, 2012.

2.2.1 Akutes Koronarsyndrom
Klinik
▶ 3.5.
• Typisch: Angst, linksthorakale Schmerzen, Druck, Kompressionsgefühl mit
Ausstrahlung in den li Arm, den Hals, das Epigastrium.
• Vegetative Symptomatik: Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch, Harn- od.
Stuhldrang.
• Prodromi: Dem Pat. bekannte thorakale Beschwerden bei Belastung od. Käl-
tereiz.
! Bei bis zu 25 % der Pat. fehlen Schmerzen od. Beschwerden sind uncharakte-
ristisch, z. B. Abgeschlagenheit, Leistungsknick.

Diagnostik
▶ 3.5.1, ▶ 3.6.3.
• Auskultation:
– Herz: präsystol. Zusatzton, frühdiastol. Zusatzton, evtl. apikales Systoli-
kum (bei ischämischer MR).
– Lunge: RG bei Lungenstauung u. alveolärem Lungenödem, evtl. auch ver-
längertes Exspirium u. Giemen.
• EKG (▶ 3.6.3).
• Labordiagn. (▶ 3.6.3): Myoglobin (ca. 2 h nach MI ↑, unspezifisch), Troponin
(ca. 3,5 h nach MI ↑), CK, ggf. CK-MB, HBDH, GOT, K+, Krea, BB, Gerinnung.
! Troponin-T-Schnelltest kann bei Niereninsuff. falsch pos. ausfallen od. auch
bei Lungenembolie erhöht sein.

Management
! „Door-to-needle-time“ (Zeit von Krankenhausaufnahme bis Beginn der Fi-
brinolyse) von < 30 Min. anstreben. Ein Pat. mit akutem MI muss mit dersel-
ben Dringlichkeit behandelt werden wie ein Polytraumatisierter.
• Immobilisierung, Oberkörperhochlagerung, beengende Kleidung entfernen.
• Bei Herzkatheterlabor im Haus mit Erfahrung in der Primär-PTCA: umge-
hende Information des Herzkatheterteams.
• Sofortige Verlegung auf Intensivstation bzw. Herzkatheterlabor. Jeder Trans-
port mit Arztbegleitung u. personellen/technischen Möglichkeiten zur CPR.
• Mind. 2 venöse Zugänge, einer davon großlumig (G 12, gelb).
• EKG-Monitor, RR-Messung.
• RR systol. > 100 mmHg: NTG (z. B. 2 Hübe), ggf. wiederholen.
 2.2 Akuter Thoraxschmerz 35

• O2 per Nasensonde (2–6 l/Min.).


• Analgesie: Pat. muss schmerzfrei werden. Fentanyl 0,05–0,1 mg i. v. (z. B.
Fentanyl®-Janssen, ½–1 Amp.), gute Wirksamkeit, kurze Wirkdauer (30–
60 Min.). Bei HWI mit Bradykardie Pentazocin 30 mg i. v. (z. B. Fortral®,
1 Amp.).
• Sedierung mit Diazepam 5–10 mg i. v. (z. B. Valium® ½–1 Amp.). Antidot:
Anexate® (1 Amp. i. v.). Großzügige Sedierung, wenn nach klinischem Ein-
druck erforderlich.
• ASS: 500 mg p. o. od. Aspisol® 500 mg i. v. (wenn keine ASS-Vormedikation). 2
• NTG-Perfusor: Bei RR systol. > 100 mmHg. 50 mg NTG/50 ml, 0,5–5 ml/h
nach RR. Kontraindiziert bei Rechtsherzinfarkt. Alternativ Molsidomin
(▶ 11.3.2).
• Heparin i. v.: 5.000 IE i. v., dann Perfusor 1.000 IE/h (10.000 IE/50 ml 0,9 %
NaCl, 5 ml/h). Ther.-Ziel: PTT 1,5–2,5 × der oberen Normgrenze. Dosis bei
Adipositas primär höher ansetzen. Nicht indiziert bei Einnahme von Vit.-K-
Antagonisten u. INR > 3. Bei KI gegen Lysether. frühzeitige Kontaktaufnah-
me mit nahe gelegenem Zentrum zur interventionellen Rekanalisation.
• Betablocker ohne ISA: z. B. 2,5 mg Atenolol (Tenormin® 5 ml) langsam i. v.,
dann 1 × 25–50 mg/d p. o. od. 5 mg Metoprolol (1 Amp. Beloc®) langsam i. v.,
dann 2 × 25–50 mg/d (Beloc mite® 2 × ½–1 Tbl.). KI: Asthma, AV-Block II°
od. III°, deutliche Lungenstauung, RR systol. < 100 mmHg, Bradykardie < 55/
Min. Vorsicht bei ausgedehntem MI.
• Rhythmusstörungen (▶ 2.1.2).
• Kardiogener Schock (▶ 2.1.3).
Tipps & Tricks
• Keinen ZVK als Standardversorgung. Nach Fehlpunktion keine Ly-
sether. mehr möglich. Bei HWI mit AV-Block od. Bradykardie ZVK mit
SM-Schleuse.
• Der atemdepressive Effekt von Diazepam od. Fentanyl spielt bei Infarkt-
schmerz eine untergeordnete Rolle.
• Bei typischer Symptomatik (anhaltende A. p., ggf. vegetative Symptoma-
tik) u. LSB wie bei akutem MI behandeln (Lyse od. invasive Diagn. u.
ggf. mechanische Rekanalisation), da diese Pat. von einer rekanalisieren-
den Ther. am meisten profitieren u. die Nachteile einer unter nachträg-
licher Betrachtung nicht indizierten Lysether. aufgewogen werden.
• Betablocker so hoch dosieren, dass HF < 70/Min. sinkt. Ggf. höher als
oben angeführt dosieren.

Definitive Therapie
▶ 3.6.4.
Tipps & Tricks
• Nach Diagnosestellung des MI u. Ind.-Stellung zur Fibrinolysether.
(KI?) od. PCI keinen weiteren Zeitverzug, um das Ausmaß der Myo-
kardnekrose möglichst gering zu halten.
• Bei NSTEMI (u. Postinfarktangina ▶ 3.6.7) baldige invasive Diagn. u.
definitive Ther. (interventionelle od. chirurgische Revaskularisation).
36 2 Kardiale Notfälle 

2.2.2 Lungenembolie
Erstversorgung
• Immobilisierung, Oberkörper hochlagern, vorsichtiger Transport.
• O2 4–6 l/Min.
• I. v. Zugang.
• Sedierung, z. B. mit Diazepam 5 mg i. v.
2 • Ggf. Analgesie, z. B. mit Fentanyl 0,1 mg i. v.
• Heparin-Bolus (5.000–10.000 IE i. v.) bereits bei V. a. Lungenembolie u. vor
der endgültigen Diagnosesicherung (▶ 8.5).
• Bei Schock:
– Intubation u. maschinelle Beatmung mit 100 % O2.
– Volumensubstitution, z. B. 500 ml Ringer-Lsg., weitere Volumengabe nach
Pulmonaliskatheter (PC-Druck > 12 mmHg, CI > 2,2 l/Min./m2 anstre-
ben).
– RR systol. > 100 mmHg: Dobutamin 6–12 μg/kg KG/Min. i. v. über Perfu-
sor.
– Trotz Volumenzufuhr von mind. 500 ml RR systol. < 100 mmHg: zusätz-
lich Dopamin 2–6 μg/kg KG/Min. i. v. über Perfusor.
– NTG 1–6 mg/h bei RR systol. > 120 mmHg.
• Labor: U. a. D-Dimere, Troponin.
Definitive Ther. ▶ 8.5.

2.2.3 Aortendissektion
▶ 10.2.
Klinik
• Schwer krank wirkender Pat. mit akut einsetzendem stärkstem Mittellinien-
schmerz.
• Periphere Pulse tasten, RR im Seitenvergleich messen, Differenzen?
• Oft art. Hypertonie. RR diastol. > 160 mmHg möglich. Hypotonie/Schock bei
Perikardtamponade od. Aortenruptur.
• Neurol. Defizit, z. B. Paresen, Verwirrtheit, Amaurosis, Halbseitensymptoma-
tik.
• Symptome an den Vortagen: Bauchschmerzen (Mesenterialbeteiligung)? Neu
aufgetretener art. Hypertonus (Beteiligung der Nierenarterien)? Schmerzen/
Schwäche in Extremitäten?
• Auskultation: Diastolikum über Aortenareal.
Diagnostik
• EKG: Tachykardie, unspezifische ST-T-Veränderungen, trotz heftigstem
Thoraxschmerz meist kein Infarktmuster.
! Sehr selten Infarkt durch Einbeziehung der Koronarostien in die Dissektion.
• Transthorakales (!) Echo: Perikarderguss, AR, Dissektion der Ao asc. (Stan-
ford A).
• TEE: Bei neg. TTE u. kreislaufstabilem Pat. Dissektion der Ao desc. (Stan-
ford B). Bei nichtschlüssigen Echobefunden ggf. Angio-CT od. MRT.
• Koro: bei kreislaufstabilem Pat. vor OP (gleichzeitig Koronar-OP notwen-
dig?).
 2.2 Akuter Thoraxschmerz 37

Eine Angio ist zur Basisdiagn. der Dissektion obsolet. Besteht aufgrund des
TTE der begründete V. a. eine Dissektion der Ao asc., sofort Herzchirurgie
informieren, damit eine Not-OP vorbereitet werden kann. Die weitere Diagn.
(z. B. TEE, falls überhaupt notwendig) kann dann auf dem OP-Tisch erfolgen.

Management
• Immobilisierung, mehrere großlumige venöse Zugänge. 2
• O2 4–6 l/Min. über Nasensonde.
• Analgesie, z. B. mit Fentanyl 0,1 mg i. v., Sedierung, z. B. mit Diazepam 5 mg i. v.
• RR-Regulierung:
– Hypertonie: kontrollierte RR-Senkung, z. B. mit Natriumnitroprussid
(z. B. Nitropruss® ▶ 11.4.3) 0,3–8,0 μg/kg KG/Min., zusätzlich Betablo-
cker, z. B. Metoprolol (Beloc®) 5 mg langsam i. v. Zielwert: RR systol. ca.
100 mmHg.
– Hypotonie, Schock: Volumenzufuhr, RR nicht > 100 mmHg systol. anheben.
• Kreuzblut abnehmen, mind. 10 EK bereitstellen lassen.
• Rasche u. schonende Verlegung auf Intensivstation od. nach Voranmeldung
bei Thoraxchirurgie u. Anästhesie in den OP (Ind. für Not-OP; ▶ 10.2).

Definitive Therapie
• Notfall-OP: Dissektion der Ao asc. (Stanford A, ▶ 10.2).
• Kons. Ther.: Bei Dissektion der Ao desc. (Stanford B), wenn kreislaufstabil u.
keine neurol. KO: RR-Senkung auf systol. Werte < 120 mmHg.

2.2.4 Hypertensive Krise
Definition
Akute krisenhafte Steigerung des systol. u. diastol. RR mit Symptomatik.

Klinik
• RR: meist > 200/120 mmHg. Seitenvergleich re/li!
• Hypertensive Enzephalopathie: Kopfschmerzen, Brechreiz, Erbrechen, Seh-
störungen (Flimmern, Skotome, Amaurosis), Aphasie, generalisierte Krampf-
anfälle, Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Sopor, Koma).
• Hypertensive Herzerkr.: A. p., MI, Luftnot bei Linksherzdekompensation mit
Lungenstauung od. -ödem, Herzrhythmusstörungen (VHF, VES, evtl. höher-
gradige Kammerarrhythmien).
• Niereninsuff., akutes Nierenversagen.
• KO: Lungenödem, zerebrale Blutung, ischämischer Hirninfarkt, Aortendis-
sektion, MI.

Diagnostik
• EKG: Arrhythmien, Linksherzhypertrophie, evtl. mit Erregungsrückbil-
dungsstörungen, Hinweis auf MI.
• Labor: E‘lyte, Krea.
Management
• Ziel: RR auf ca. 170/100 mmHg einstellen.
! Bei abrupter, starker RR-Senkung Gefahr der ischämischen Hirnschädigung.
38 2 Kardiale Notfälle 

• Kontinuierliche RR-Messung.
• 30° Oberkörperhochlagerung.
• O2 per Nasensonde (2–4 l/Min.).
• Sedierung, z. B. Diazepam 5 mg i. v. Bei Übelkeit z. B. Metoclopramid 10 mg
i. v. (z. B. Paspertin® 1 Amp. à 2 ml).
Blutdruckerhöhung mit Symptomen
Sofortige Therapie.
2 • I. v. Zugang.
• Sedierung (z. B. 5–10 mg Diazepam i. v.).
• Erstther.: Urapidil 12,5–25 mg langsam i. v. (z. B. Ebrantil® ¼–½ Amp.
à 50 mg). Anschließend ggf. Urapidil-Perfusor 150 mg/50 ml (z. B. Ebrantil®
3 Amp. à 50 mg), Perfusor auf 2–20 ml/h.
• Wenn erfolglos, Natriumnitroprussid (▶ 11.4.3).
• Bei Lungenstauung: zusätzlich Furosemid initial 40–80 mg i. v. Weitere Dosis
nach Diurese u. Klinik. Zusätzlich NTG-Perfusor (▶ 11.3.1).
• Bei A. p.: NTG s. l., zusätzlich NTG-Perfusor (▶ 11.3.1).
• Bei V. a. Phäochromozytom (▶ 9.1.7): 5 mg Phentolamin i. v. (z. B. ½ Amp.
Regitin®, internationale Apotheke). Ggf. wiederholen!
• Bei terminaler Niereninsuff.: Hämodialyse od. Hämofiltration.
Blutdruckerhöhung ohne Symptome
▶ 10.1.
Sofortige Ther. nur bei extremen Werten erforderlich (z. B. > 220 mmHg systol.,
> 120 mmHg diastol.), orale Ther. mit ACE-Hemmern/Betablockern.

Tipps & Tricks


RR bei Schlaganfall in den ersten 24 h nicht rasch normalisieren, nur bei an-
haltend extrem hohen Werten (> 220 mmHg systol.) schonende RR-Sen-
kung.

2.3 Akute Luftnot
2.3.1 Differenzialanamnese
• Lungenödem (▶ 2.3.2, ▶ 8.3): akute Luftnot ohne od. mit thorakalen Schmer-
zen, bei körperl. Belastung zunehmend. Dyspnoe, Orthopnoe, Husten, evtl.
mit schaumigem Auswurf, Aktivierung der Atemhilfsmuskulatur, Zyanose,
Distanzrasseln.
• Lungenembolie (▶ 2.2.2).
• Asthma bronchiale, Exazerbation einer COLD: zunehmende Luftnot, ver-
längertes Exspirium, zähes Sputum, evtl. mit gefärbtem Auswurf. Anamnes-
tisch bekannte jahreszeitliche Häufung im Frühjahr u. Herbst. Exposition ge-
gen ein bekanntes Allergen.
• Perikardtamponade (▶ 2.3.3): rasch zunehmende Luftnot mit/ohne Thorax-
schmerz. Vorgeschichte: Thoraxtrauma, MI, diagn. od. therap. Intervention
am Herzen; bekannte Perikarditis (selten).
• Hyperventilationstetanie: Luftnot nach psychischer Belastung od. Stress, ak-
rale Parästhesien, evtl. thorakale Stiche u. Spasmus der peripheren Flexoren
(Pfötchenstellung der Hände).
 2.3 Akute Luftnot 39

2.3.2 Lungenödem
Diagnostik
▶ 8.3.
• BGA: pO2, pCO2, SaO2.
• EKG: alte od. frische Infarktzeichen, Zeichen der LVH, LSB (V. a. DCM).
• Echo: regionale u. globale LV-Funktion, Klappenfunktion, Hinweise auf
Klappendestruktion mit endokarditischen Auflagerungen.
• Rö-Thorax: Herzvergrößerung, pulmonalvenöse Kongestion, florides Lun- 2
genödem, Pleuraerguss.
• Pulmonaliskatheter: zur Ther.-Steuerung, PCWP < 18 mmHg u. CI > 2,2 l/
Min./m2 anstreben.

Management
• Oberkörper hochlagern, Beine tief. Volumenrestriktion.
• Atemwege freimachen, ggf. absaugen.
• I. v. Zugang.
• O2 2–6 l/Min. über Nasensonde. Evtl. assistierte Beatmung mit CPAP-Maske
(5–10 cmH2O).
• Respiratorische Insuff.: Intubation u. kontrollierte Beatmung mit PEEP
(­ 5–10 cmH2O). Ind.: Atemfrequenz > 30/Min., pCO2 > 55 mmHg, pO2 bei
Raumluft < 55 mmHg, pO2 bei reinem O2 < 200 mmHg.
• Sedierung u. Analgesie mit Morphin s. c. (10 mg) od. i. v. (kleine Boli à 5 mg).
Bei Schmerzen ausreichend hoch dosieren.
• Unblutiger Aderlass: An den Extremitäten abwechselnd RR-Manschetten an-
legen (Manschettendruck ca. 60–80 mmHg), um venösen Rückstrom zu ver-
ringern.
• Monitoring: EKG, RR, Pulsoxymetrie.
• Nitrate: 1–2 Kps. NTG s. l., danach NTG-Perfusor 1–6 mg/h (▶ 11.3.1).
• Evtl. Natriumnitroprussid (0,3–8 μg/kg KG/Min. ▶ 11.4.3) zur Nachlastsen-
kung in der Akutphase.
! Vorsicht! Engmaschige RR-Kontrollen, sehr effektiver Nachlastsenker.
• Schleifendiuretika: initial Furosemid 0,5–1,0 mg/kg KG i. v. (z. B. 40–60 mg
Lasix®). Nach 20 Min. weitere Einzeldosis (Dos. nach Diurese). Fortsetzung
mit wiederholten Einzeldosen od. Perfusorther. (▶ 11.2.3).
! Bei fehlender Spontandiurese: ANV erwägen. Flüssigkeitselimination, z. B.
durch kontinuierliche arteriovenöse Spontanfiltration od. maschinelle Filtration.
• Heparin über Perfusor 1.000 IE/h (▶ 11.7.1).
• Kaliumchlorid i. v. (bis 15 mval/h): Nicht über periphere Vene geben!
• Differenzialther. mit Sympathomimetika je nach Ausgangslage u. weiterer
Entwicklung des RR (▶ 11.1.2, ▶ 2.1.3).
• Digitalis nur bei Tachyarrhythmia absoluta (▶ 7.7.6), nicht bei Sinustachykardie.
• Tachykarde supraventrikuläre od. ventrikuläre Arrhythmie: großzügige
Ind.-Stellung zur elektrischen Kardioversion.
• Ther.-refraktäre Herzinsuff., lebensbedrohliche od. diagn. unklare Herz-
Kreislauf-Insuff.: Rechtsherzkatheter, IABP.
• Bei Versagen der med. Ther., Hämofiltration zum Flüssigkeitsentzug.
• Definitive Ther. (▶ 8.2.4, ▶ 8.3).
• Bei med. therapierefraktärem Lungenödem u. entsprechender kardialer
Grunderkr. (akute Klappeninsuff., erworbener VSD, KHK) herzchirurgische
Ther. erwägen.
40 2 Kardiale Notfälle 

Tipps & Tricks


• Ursache des akuten Lungenödems möglichst schnell klären, um eine
kausale Ther. so früh wie möglich zu beginnen. Bei kons. therapierefrak-
tären Fällen alternative Behandlungskonzepte (IABP, PCI, Herz-OP) in
die Wege leiten.
• Durch rasches Handeln gelingt oft die Konsolidierung des Pat. u. eine
kontrollierte Beatmung lässt sich vermeiden.
2
2.3.3 Perikardtamponade
Klinik
▶ 6.8.
Diagnostik
▶ 6.8.
• Echo (▶ 6.8): echoarmer Raum zwischen Perikard u. Myokard, evtl. Nachweis
einer intra- od. paraperikardialen Raumforderung (Metastase, Tu).
• Kriterien für Tamponade: frühdiastol. Kollaps des RA u./od. des RV, Kom-
pression der re Herzhöhlen während des gesamten Herzzyklus, verstärkte u.
gleichsinnige Bewegung der Herzvorder- u. -hinterwand („swinging heart“).
• EKG: Niedervoltage, elektrischer Alternans (▶ 6.8) od. atemabhängige Varia-
tionen der QRS-Amplitude. ST-Strecken-Hebung bei erhaltener S-Zacke.
• Rö-Thorax (▶ 6.8): bei akuter Tamponade oft unauffällig. Bei chron. Erguss
verbreiterter Herzschatten mit verstrichener Herztaille (zeltförmig) ohne Zei-
chen der pulmonalvenösen Stauung.

Management
• Immobilisierung.
• O2 4 l/Min. über Nasensonde.
• I. v. Zugang, Volumengabe bei Hypotonie (z. B. Ringer-Lsg. 250 ml in
20 Min.), weitere Infusionsmengen nach RR-Reaktion.
• Evtl. leichte Sedierung, z. B. mit Diazepam 5 mg i. v.
• Bei klinischen Tamponadezeichen (RR-Abfall) zügige Entlastung anstreben:
– Punktion u. 5- bis 7-F-Pigtailkatheter im Perikardraum platzieren. Ind.:
anterior gelegener Erguss, der einer Punktion zugänglich ist. Bei nicht
rasch nachlaufendem Erguss (z. B. Strahlenperikarditis, tuberkulöse Peri-
karditis) nur Herzbeutel entleeren, keine Drainage. Bei unklarer Situation
Perikardkatheter in situ belassen.
– Perikardresektion bzw. -fensterung bei rezid. Perikarderguss, der nicht
weiter therap. angegangen werden kann.
– Operative Revision bei Z. n. kardiochirurgischer OP od. Trauma.
• Diagn. des Punktats, Nachbetreuung.
Die Punktion eines Perikardergusses bei Aortendissektion Stanford A ist
kontraindiziert (▶ 10.2).
3 Koronare Herzkrankheit
Franz Hartmann und Ulrich Stierle

3.1 Definitionen und klinische 3.7 Management des NSTEMI/


­ edeutung 43
B der instabilen Angina
3.2 Pathophysiologie und Risiko- ­pectoris 113
faktoren 44 3.8 Nachbetreuung nach ACS/­
3.2.1 Koronaranatomie 44 Infarkt 115
3.2.2 Pathogenese der KHK 48 3.8.1 Mobilisation und Rehabilita­
3.2.3 Risikofaktoren der koronaren tion 115
Arteriosklerose 49 3.8.2 Diagnostik nach Myokard­
3.3 Epidemiologie 49 infarkt 115
3.4 Leitsymptom 3.8.3 Langzeittherapie nach
Thoraxschmerz 50 ­Myokardinfarkt 115
3.4.1 Stabile Angina pectoris 50 3.8.4 Prognose nach
3.4.2 Differenzialdiagnose des Myokardinfarkt 117
­Thoraxschmerzes 53 3.9 Diagnostik der chronischen
3.4.3 Sonderformen 54 KHK 117
3.5 Akutes Koronarsyndrom – 3.9.1 Basisdiagnostik 117
ACS 59 3.9.2 Ergometrische
3.5.1 Praktisches Vorgehen bei V. a. ­Untersuchungen 120
ACS 63 3.9.3 Myokardszintigrafie 124
3.5.2 Basis der medikamentösen 3.9.4 Echokardiografie und Stress­
­Behandlung der ACS 75 echokardiografie 125
3.6 Myokardinfarkt mit ST-Seg- 3.9.5 Weitere nichtinvasive Unter­
ment-Hebung (STEMI) 84 suchungsverfahren 125
3.6.1 Pathophysiologie 85 3.9.6 Risikostratifizierung von Pa­
3.6.2 Klinik des STEMI 85 tien­ten mit stabiler A. p. 127
3.6.3 Diagnostik bei STEMI 85 3.9.7 Koronarangiografie 128
3.6.4 Therapie des STEMI 93 3.9.8 Spezielle technische Unter­
3.6.5 Besondere Infarkttypen 104 suchungen 129
3.6.6 Frühkomplikationen des Myo­ 3.10 Therapie der chronischen
kardinfarkts 106 KHK 130
3.6.7 Spätkomplikationen des Myo­ 3.10.1 Therapieziele 130
kardinfarkts 111 3.10.2 Therapiestrategien bei stabiler
A. p. 130
3.10.3 K onservative Therapie der 3.11 Prognose der chronischen
­stabilen A. p. 130 KHK/stabilen A. p. 151
3.10.4 Revaskularisationstherapie der 3.11.1 Komplikationen 153
stabilen A. p. 135
 3.1 Definitionen und klinische Bedeutung 43

3.1 Definitionen und klinische Bedeutung


Definitionen
Koronare Herzkrankheit (KHK)
Arteriosklerotische Erkr. der Koronargefäße, die zu Stenosierungen meist der
großen extramuralen Koronargefäße führt.
Weltweit eine der häufigsten Todesursachen; verursacht ca. 40 % der kardiovask.
Todesfälle. Trotz Abnahme der altersadjustierten Inzidenz der Erkr. (um ca. 2 %/J.
bei Männern) in Westeuropa, Zunahme der Prävalenz in der Bevölkerung (als
Folge ihres steigenden Altersdurchschnitts; ▶ 3.3).
Je nach klinischem Verlauf werden 2 Formen unterschieden:
• Chron. KHK
• ACS 3
Chronische KHK
Eine fixierte chron. Lumenreduktion > 50 % an mind. einem großen epikardialen
Gefäß. Ungleichgewicht von O2-Angebot u. -Nachfrage führt zu myokardialer
Isch­ämie in dem der Stenose nachgeschalteten Areal.
Akutes Koronarsyndrom (ACS)
Unter diesem Sammelbegriff werden neuerdings alle koronaren Syndrome mit
Ruhe-Myokardischämie subsumiert. Pathophysiologische Basis ist eine akute dy-
namische Okklusion (mit od. ohne Thrombusbildung) einer Koronararterie.
Die Entwicklung neuer biochemischer Marker (Troponine) u. bildgebender Ver-
fahren hat zu einer Redefinition aller Manifestationen der akuten ischämischen
Herzerkr. geführt. Dabei werden die pathophysiologische Dynamik, die verschie-
denen diagn. u. therap. Strategien u. die Prognose berücksichtigt. Einteilung des
ACS ▶ 3.5.
Sonderformen
Sonderformen u. schwer klassifizierbare Formen (Syndrom X, Prinzmetal-Angi-
na) charakterisieren die klinische Vielfalt der Erkr.

Klinische Bilder
Angina pectoris (A. p.): Thoraxschmerz als Folge einer reversiblen myokardialen
Ischämie.
„Stabile A. p.“ (▶ 3.4.1): Eine fixierte („stabile“) Koronarstenose führt reprodu-
zierbar, über längere Zeit konstant u. ohne Verschlechterung bei Belastungen zur
Myokardischämie u. A. p.
Häufigste Erscheinungsform der KHK. Neben einer erheblichen Einschränkung
der Lebensqualität mit einem 1-J.-Risiko von 3,5 % für einen MI bzw. einem
30-prozentigen Mortalitätsrisiko in 10 J. verknüpft.
Instabile A. p., NSTEMI, STEMI (▶ 3.5, 3.6): Der Dynamik einer („instabilen“)
Koronarstenose entsprechend Wandel des klinischen Bilds mit zunehmender od.
länger anhaltender Angina. Extremvariante: akuter Koronararterienverschluss
mit transmuraler Myokardischämie, die zu einem MI führt.
Ischämische Herzinsuff. (▶ 8.1): Pumpschwäche des LV durch Herzmuskelne­
krosen od. chron. Myokardischämie („hibernation“ ▶ 3.11.1).
Herzrhythmusstörungen (▶ 7.9): durch Myokardischämie verursachte abnorme
Automatie. Tachyarrhythmien, seltener Bradyarrhythmien werden generiert.
44 3 Koronare Herzkrankheit 

Plötzlicher Herztod (▶ 7.11): verursacht durch ischämieassoziierte, anhaltende


ventrikuläre Tachyarrhythmien (seltener Sinusarrest od. totaler AV-Block) od.
akutes Pumpversagen bei extensivem MI.

3.2 Pathophysiologie und Risikofaktoren


3.2.1 Koronaranatomie
Röntgenanatomie
Linke Koronararterie (LCA, left coronary artery)
▶ Abb. 3.1.
3 • Li Hauptstamm: entspringt im oberen Anteil des li aortalen Sinus, kreuzt
hinter dem TP nach li u. teilt sich in R. interventricularis anterior (RIVA od.
LAD – left anterior descending) u. R. circumflexus (RCX od. LCX, left cir-
cumflex artery).
• LAD: verläuft im Sulcus interventricularis anterior zur Herzspitze u. gibt da-
bei Septal- (versorgen das Kammerseptum; ▶ Tab. 3.1) u. Diagonaläste (D1,
D2, evtl. D3, versorgen die anterolaterale Wand des LV) ab.

Segmente 5–15 nach AHA

LAO 5
RCX Linksatrialer Ast
5 RAO
6
11
6 Linksatrialer Ast LAD
11 7
LAD R. intermedius
7 13
R. intermedius S1 8
M
RCX
8 13
D 9, 10
S1 12 S1 12

M 15 M 14
14
15
D 9, 10 M

LAO Kraniale Angulation


5

11 Linksatrialer
Ast
LAD LAD: Ramus interventricularis
RCX 13 anterior (RIVA)
6
R.
inter- D: Diagonalast
S1 7 medius
12 S1: Erster Septalast

8 RCX: R. circumflexus
D
9, 10 M: Marginaläste
15
M
M 14

Abb. 3.1 Röntgenanatomie der li Koronararterie , bestehend aus den Segmenten


5–15 des 15-Segment-Modells der American Heart Association (AHA, s. u.) [L157]
 3.2 Pathophysiologie und Risikofaktoren 45

• RCX: verläuft in li AV-Grube nach dorsal, gibt 1–3 Marginaläste (M1, M2,
M3) ab, die die freie Wand des LV nach lateral versorgen. Bei li-dominantem
Koronarsystem ist die RCX ein großes Gefäß, das Posterolateraläste u. den
R. interventricularis posterior (RIVP) abgibt (Versorgung der diaphragmalen
Wand des LV u. des posterioren Kammerseptums).
• R. intermedius: häufige anatomische Variante mit Ursprung aus li Haupt-
stamm zwischen LAD u. RCX u. Verlauf analog der Diagonaläste.
Rechte Koronararterie (RCA, right koronary artery)
▶ Abb. 3.2.
Entspringt aus re aortalem Sinus, verläuft entlang der re AV-Grube zur Crux cor-
dis (Punkt, an dem re u. li AV-Grube u. posteriore Interventrikulargrube sich tref-
fen). Im prox. Drittel gibt sie den Konus- u. Sinusknotenast ab, im mittleren Drit-
tel mehrere RV-Äste (Versorgung der Vorderwand des RV, ▶ Tab. 3.1). Nach der 3
Crux verläuft sie weiter in der li AV-Grube u. gibt einen RIVP, der in der posteri-
oren Interventrikulargrube verläuft u. das posteriore Kammerseptum versorgt, u.
einen Posterolateralast zur Versorgung der diaphragmalen LV-Wand ab
(▶ Tab. 3.1).

Segmente 1–4 nach AHA

LAO RAO

Konusast 1 Konusast
1
Sinusknoten-
Sinusknoten- arterie
arterie Rechtsventrikulärer
und marginaler Ast
Rechtsventrikulärer 2
und marginaler Ast
2
AV-Knotenarterie 3 AV-Knotenarterie

4
Posterolateraläste
3 (RCA)
RIVP RIVP
Posterolateraläste (RCX) 4

RIVP: Ramus interventricularis posterior mit Septalästen

Abb. 3.2 Röntgenanatomie der re Koronararterie, bestehend aus den Segmen­


ten 1 bis 4 des 15-Segment-Modells der American Heart Association (AHA, s. u.)
[L157]

Tab. 3.1 Versorgungsgebiete der Koronararterien


Versorgungsgebiet Koronararterie
Vorderwand LCA, überwiegend LAD
Linke Seitenwand LCA, RCX. Dorsale Anteile selten RCA
Hinterwand LV Wechselnd, v. a. RCX
RV Überwiegend RCA. Hinterwand öfter RCA als RCX
Septum Wechselnd, ventrale Anteile meist LAD
46 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.1 Versorgungsgebiete der Koronararterien (Forts.)


Versorgungsgebiet Koronararterie
Sinusknoten Öfter RCA als LCA
AV-Knoten Meist RCA
HIS Öfter RCA als LCA

Segmentmodell der Koronaranatomie


Bei der Koro häufig verwendete vereinfachte Segmentmodelle zur Zuordnung von
Stenosen zu den verschiedenen Abschnitten der Herzkranzgefäße. In den Abbil-
dungen (▶ Abb. 3.1, ▶ Abb. 3.2) sind neben den anatomischen Bezeichnungen die
von der AHA vorgeschlagenen Bezeichnungen eines 15-Segment-Modells ange-
3 geben. Re Koronararterie: Segment 1 (Abgang aus dem Ostium) bis 4 (RIVP). Li
Hauptstamm: Segment 5. R. circumflexus: Segment 11–15. R. interventricularis
anterior: Segment 6–10.
Versorgungstypen
Bestimmt durch das dominante Gefäß (nach Schlesinger definiert als das Gefäß,
das die inferioren Anteile des Septums u. die diaphragmale Wand des LV via den
RIVP versorgt [meist RCA]). Fließender Übergang der verschiedenen Versor-
gungstypen.
• Rechtsdominanz (ca. 75 %): Prox. RCA kaliberstärker als LCA, Posterolate-
ralast-System der RCA ist auf Kosten der RCX stärker entwickelt u. versorgt
nahezu gesamte LV-Hinterwand. RCX gibt keine Gefäße zur unteren Hälfte
der posterioren Wand ab.
• Balancierter, ausgeglichener Versorgungstyp (12 %): Prox. re u. prox. li Ko-
ronararterie sind von ähnlichem Kaliber. RCA gibt den RIVP ab. Der Poste-
rolateralast der RCA versorgt die diaphragmale Hinterwand des LV, die RCX
die posteriore Hinterwand.
• Linksdominanz (ca. 12 %): Prox. LCA ist kaliberstärker als RCA. Sie versorgt
den gesamten LV inklusive des posterioren Septums. RCA endet vor dem
Sulcus interventricularis posterior u. gibt keinen RIVP ab. RCA versorgt nur
RA u. RV, RIVP geht aus der RCX ab.

Varianten der Koronaranatomie


Bei ca. 1,2 % aller Koro findet sich eine Variante der normalen Koronaranatomie.
81 % der Varianten sind ohne hämodynamische Relevanz („benigne Anomali-
en“), die restlichen können zu verminderter Myokardversorgung führen.
Benigne Koronaranomalien: z. B. hoher Abgang der Koronararterien, separate
Ostien von LAD u. RCX, Abgang des RCX aus RCA od. re Aortenklappentasche,
kleine Koronarfisteln.
Größere Koronarfisteln u. insbes. atypische Abgänge von der A. pulmonalis füh-
ren über erniedrigten koronaren Perfusionsdruck u. ein „Steal-Syndrom“ zur
Myokardischämie.
Bei atypischem Gefäßabgang vom kontralateralen CS ist bei Passage des Gefäßes
zwischen Ao u. RVOT (insbes. wenn ein dominantes Gefäß betroffen ist) ebenfalls
mit Myokardischämie, seltener mit plötzlichem Herztod zu rechnen.
Der Nachweis dieser anatomischen Konstellation (etwa durch Koro bei gleichzei-
tiger Markierung des LVOT durch eingelegten Pulmonaliskatheter) ist deshalb
von Bedeutung. Eine einheitliche Klassifikation der Koronaranomalien existiert
 3.2 Pathophysiologie und Risikofaktoren 47

bei diesen rel. seltenen Veränderungen nicht. Rel. Häufigkeit der verschiedenen
Anomalien ▶ Tab. 3.2.

Tab. 3.2 Relative Häufigkeit der Varianten der Koronaranatomie


Anomalie Häufigkeit (%)
Separater Ursprung von LAD u. RCX 30,4
RCX aus re CS od. RCA 27,7
RCA aus Ao (oberhalb CS) 11,2
Kleine Koronarfisteln 9,7
RCA aus li CS (!) 8,1
Multiple od. große Koronarfisteln (!) 3,7
LAD aus re CS (!) 2,3
3
Alleinige li Koronararterie (!) 1,85
Alleinige re Koronararterie (!) 1,46
LCA aus re Koronarsinus (!) 1,3
LCA aus Ao 0,95
LCA aus PA (!) 0,59
Fehlende RCX (bei supradominanter RCA) 0,24
RCA aus posteriorem CS 0,24
Intrakoronare Verbindung 0,18
RCA aus PA (!) 0,12
LAD aus PA (!) 0,06
LCA aus posteriorem CS 0,06
(!) Potenziell gefährliche Anomalie

Nichtatherosklerotische Koronarerkrankungen
• Bland-White-Garland-Sy.: Abgang der LCA aus der A. pulmonalis. LCA
wird retrograd aus der RCA über Anastomosen gefüllt, Blut fließt zur PA.
Meist bereits in den ersten Lebensmonaten Angina (oft fehlgedeutet), Dys-
pnoe, evtl. Synkope, plötzlicher Tod. Diagn.: Verdacht im EKG (anterolatera-
le Ischämie), echokardiografisch evtl. Wandbewegungsstörung, Sicherung
durch Herzkatheter. Ther.: Implantation des ektopen Gefäßabgangs in die
Ao, alternativ Ligatur der Arterie am Abgang, ACVB od. A.-mammaria-By-
pass (▶ 3.10.4).
• Abgang der RCA aus A. pulmonalis: entspricht klinisch dem Bland-White-
Garland-Sy.
• Ektoper Koronararterienabgang aus dem kontralateralen CS. Bei atypi-
schem Verlauf zwischen Aortenwurzel u. PA-Hauptstamm Kompression der
Koronararterie zwischen Ao u. TP möglich. Evtl. Ursache plötzlichen Herz-
tods bei jungen Männern, meist nach großer körperl. Belastung. Ther.: Bei
Isch­ämienachweis Bypassversorgung (▶ 3.10.4). Stentversorgung in Einzelfäl-
len beschrieben.
• Koronarfisteln (groß bzw. multipel): Verbindung zwischen Koronararterie u.
Herzhöhle. Meist Mündung in RA (26 %) od. RV (41 %) (Li-re-Shunt). Je
nach Shuntvolumen A. p., MI, Herzinsuffizienz. Ther.: Bei Ischämienachweis
48 3 Koronare Herzkrankheit 

operative Fistelligatur od. Verschluss durch Embolisation/Coiling. Ohne


Isch­ämie existiert keine einheitliche Auffassung zum Vorgehen. Zum Spon-
tanverlauf bei Fisteln fehlen sichere Informationen.
• Koronaratresien/kongenitale Koronarstenosen: meist im Kindesalter auf-
tretende Myokardischämie (klinisch wie Bland-White-Garland-Sy.). Je nach
Koronarstatus evtl. Bypass möglich.
• Angeborene od. erworbene Koronarektasie/Koronararterienaneurysmata
(dilatative Koronaropathie/fusiforme Koronarektasie ▶ 3.4.3). Bei 0,3–5 %
aller Koro einzelne od. multiple umschriebene Koronarektasien, vermutlich
bei Schwäche der Media der Arterien. Ursache unklar, evtl. entzündlich, z. B.
bei Kawasaki-Sy., od. als maladaptive Form einer Arteriosklerose (häufig
gleichzeitiges Auftreten von Koronarstenosen). Kongenitale Formen sind
ebenfalls beschrieben (gleichzeitiges Auftreten von Aortenaneurysmata). Sel-
3 ten Folge septischer Embolien (mykotisches Aneurysma). Meist keine spon-
tanen Beschwerden, jedoch Gefahr von Thrombenbildung u. peripheren Em-
bolien mit Infarktbildung durch nichtlaminare Flussverhältnisse. Ther.: bei
Thrombenbildung Antikoagulation u./od. antithrombozytäre Ther. (▶ 11.7).
• Kawasaki-Sy. (▶ 6.4.6): generalisierte Vaskulitis unbekannter Ätiol. bei Kin-
dern u. Jugendlichen. In 25 % Koronarektasien u. Aneurysmen. Ther.: ASS,
Gammaglobuline, ggf. Kortikosteroide, Pentoxifyllin, antithrombotische
Ther. bzw. Antikoagulation, (insbes. bei großen Aneurysmen) Plasmapherese.
• Spontane Dissektionen: selten; bis zu 80 % Frauen, ⅓ p. p.
• Thrombotischer Gefäßverschluss: Nikotinabusus, hormonelle Kontrazepti-
on, Leukämie, Polyzythämie, Thrombozytose.
• Koronarembolien: kalzifizierende Klappenstenosen, Endokarditis.
• Arteriitismanifestationen: SLE, Panarteriitis, Churg-Strauss, Takayasu.

3.2.2 Pathogenese der KHK


Die Pathogenese der KHK ist wesentlich definiert durch Entstehung u. Folgen ei-
ner atheromatösen Plaquebildung in den Herzkranzgefäßen, ein hochkomplexer,
aktiver Prozess, der wesentlich auf einer inflammatorischen Reaktion der Gefäß-
wand beruht. In der Frühphase, dem Stadium der endothelialen Dysfunktion,
kommt es, vermittelt durch Adhäsionsmoleküle, zum Anhaften von Blutmonozy-
ten, die im Verlauf in den subintimalen Raum migrieren u. in Monozyten/Makro-
phagen transformieren. Durch Lipidaufnahme entstehen die die atheromatöse
Plaque (fatty streaks) charakterisierenden Schaumzellen (▶ Abb. 3.3). Durch loka-
le Wachstumsfaktoren werden Bindegewebs- u. Myozytenproliferation gefördert.
Bei geringem Fettgehalt dominieren fibrotische Anteile, sodass das Atherom einer
fibrösen Plaque (stabile Plaque) entspricht (▶ Abb. 3.3).
Fettanteil der Plaque u. inflammatorische Potenz bestimmen die Wahrscheinlich-
keit der Entwicklung in Richtung einer instabilen Plaque: Zentrale Fettakkumu-
lationen u. Entzündungsmarker (Makrophagen, Mastzellen, T-Lymphozyten) in
den Schultern atherosklerotischer Plaques destabilisieren die Plaqueoberfläche.
Fissuren u. Rupturen kennzeichnen die komplizierte Plaque mit Risiko für
Thrombogenese u. Gefäßverschluss binnen kürzester Zeit. Ausdruck der in-
flammatorischen Reaktion ist die Präsenz spezifischer Biomarker (Interleukin-6,
Tumornekrosefaktor-α, Adhäsionsmoleküle) u. klinisch etablierter Entzündungs-
marker (Fibrinogen, CRP als Akute-Phase-Proteine).
 3.3 Epidemiologie 49

Fortge- Komplizierte
Schaum- Fett- Fibröse
schrittene Atherom Plaque/
zellen gewebe
Läsion
Plaque
Ruptur 3

Stabile Instabile
Plaque Plaque

Abb. 3.3 Zeitablauf der Arteriosklerose [L157]

3.2.3 Risikofaktoren der koronaren Arteriosklerose


RF, Klassifikation ▶ 1.1.
Risikoabschätzung, PROCAM-Score ▶ 1.2.

3.3 Epidemiologie
Globale Bedeutung kardiovaskulärer Erkrankungen
Kardiovask. Erkr. haben sich im Lauf des 20. Jahrhunderts weltweit zur Hauptto-
desursache u. einer der Hauptursachen für Morbidität bei Erw. entwickelt. Dabei
verursacht die KHK über 40 % der kardiovask. Todesfälle. Die WHO schätzte die
Zahl der weltweiten KHK-Toten im Jahr 2002 auf > 7 Mio., Europa war mit ca.
2,4 Mio. betroffen. Die jährliche Inzidenz wird auf 5,8 Mio. geschätzt.
In Deutschland sind ca. 20 % aller Todesfälle Folge einer KHK, ca. die Hälfte infol-
ge eines akuten MI, die andere Hälfte durch die chron. kardialen Folgen der KHK
(z. B. Herzinsuff.).

Globale Trends der KHK-Entwicklung


In den westlichen Industrienationen wurden in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
intensive Anstrengungen unternommen, RF für kardiovask. Erkr. zu identifizie-
ren u. zu beseitigen u. die Behandlung insbes. der ACS zu verbessern. Dadurch
gelang es etwa zwischen 1980 u. 1990 in Nordeuropa, die koronare Ereignisrate
50 3 Koronare Herzkrankheit 

um etwa 23 % bei Frauen bzw. 25 % bei Männern zu senken. Gleichzeitig sank die
KHK-Mortalität um 34 % bei Frauen bzw. um 42 % bei Männern.
Inzwischen zeigt sich weltweit ein gegenläufiger Trend. Es wird erwartet, dass zwi-
schen 1990 u. 2020 die KHK-Mortalität um 100 % bei Männern bzw. um 80 % bei
Frauen zunehmen wird. Der größte Teil dieser Zunahme wird in Entwicklungs- u.
Schwellenländern stattfinden, allerdings wird auch ein Anstieg in den westlichen
Industrienationen (von 48 % bei Männern bzw. 29 % bei Frauen) erwartet. Haupt­
ursachen für diese Entwicklung sind neben der deutlichen Zunahme der Lebens-
erwartung mit Verschiebung des Morbiditätsspektrums v. a. Änderungen der Le-
bensgewohnheiten, insbes. fehlende körperl. Betätigung, fett- u. kalorienreiche
Ernährung, Zunahme von Fettleibigkeit, Diab. mell. u. Fettstoffwechselstörungen.

Globale Trends der Risikofaktorentwicklung


3 Zwischen 1979 u. 1996 wurde im Rahmen des WHO-MONICA-Projekts jeweils
eine 10-J.-Verlaufsbeobachtung an 38 Populationen aus 21 überwiegend europä­
ischen Ländern durchgeführt. Ergebnis bzgl. der RF: Abnahme des Rauchens bei
der überwiegenden Zahl der männl. Populationen, doch größtenteils Zunahme in
den weibl. Populationen, geschlechtsunabhängige Abnahme der art. Hypertonie
u. durchschnittlichen Chol.-Konz. in den meisten Populationen sowie signifikan-
te Zunahme des Körpergewichts (BMI) bei der Hälfte der weibl. u. ⅔ der männl.
Populationen.

Bedeutung von Alter und Geschlecht für die KHK-Entwicklung


Die europäische Bevölkerung hat einen im weltweiten Vergleich bes. hohen Al-
tersdurchschnitt. 2004 waren 13,7 % der Bevölkerung älter als 65 J. (Deutschland
18,3 %). Parallel dazu steigt in den westlichen Ländern die Lebenserwartung wei-
ter stetig an, sodass der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung weiter zuneh-
men wird.
Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz kardiovask. Erkr. stark an (kardio-
vask. Mortalität bis zu 50 % bei über 80-Jährigen). Die Rate von MI od. kardio-
vask. Tod ist bei Männern > 85 J. im Vergleich zu Männern von 65–75 J. doppelt,
bei Frauen 4 × so hoch. 83 % der KHK-Todesfälle sind > 65 J.
Auftreten u. Manifestationen der KHK ist bei Frauen um etwa 10 J., Auftreten ei-
nes MI sogar um 20 J. verzögert. Allerdings gleicht sich der Geschlechtsunter-
schied in der KHK-Mortalität im Lauf des Lebens an (rel. Risiko: 3,0 bei 25–34 J.;
1,6 bei 75–84 J.).

3.4 Leitsymptom Thoraxschmerz
3.4.1 Stabile Angina pectoris
Die stabile, belastungsabhängige Angina wird beschrieben als retrosternal lokali-
sierter Thoraxschmerz infolge einer reversiblen myokardialen Ischämie, beruhend
auf fixierten Koronarstenosen mit myokardialer O2-Minderversorgung bei repro-
duzierbarer Kreislaufbelastung. Sie wird typischerweise durch körperl. Belastung,
oft auch durch belastende Mahlzeiten, emotionalen Stress od. physikalische Kälte
ausgelöst bzw. verschlechtert. Schmerzcharakter: Schweregefühl, Ziehen od.
Druck, kann in Arm, Nacken, Kiefer, Schulter od. Rücken ausstrahlen. Schmerzer-
leichterung durch Ruhe od. s. l. Nitrolingual-Gabe. Begleitende Dyspnoe od. gene-
ralisierte Schwäche möglich.
 3.4 Leitsymptom Thoraxschmerz 51

Klassifikation der belastungsabhängigen Angina pectoris


Die „Canadian Cardiovascular Society“ hat eine allgemein akzeptierte Klassifika-
tion der belastungsabhängigen Angina vorgelegt (CCS-Grade, ▶ Tab. 3.3).

Tab. 3.3 CCS-Klassifikation der belastungsabhängigen Angina pectoris


Grad Definition Beispiele
I Keine Angina bei normaler Be­ Gartenarbeit, Schneeschippen, Skifahren
lastung. Angina bei sehr hoher od. Ballsportarten sind möglich
od. andauernder Anstrengung
II Geringe Beeinträchtigung bei Angina beim schnellen Treppensteigen,
normaler Aktivität beim Bergaufgehen, bei Belastung kurz
nach dem Aufwachen
III Deutliche Beeinträchtigung bei
täglichen Aktivitäten
Angina beim An- u. Ausziehen, länge­
rem langsamen Gehen, leichter Hausar­
3
beit
IV Angina bei geringster körperl. Angina unterhalb der bei Grad III ge­
Belastung od. in Ruhe nannten Belastungen

Auslösende Faktoren im Detail


• Körperl. Anstrengung: eher isometrische (z. B. Heben) als dynamische Belas-
tungen (z. B. Gehen).
• Psychische Belastung: Schmerz oft länger anhaltend als nach somatischen
Ursachen. Infarktauslösung möglich.
• Kälte, Hitze, Feuchtigkeit: v. a. bei Gesichtsabkühlung Vasokonstriktion mit
RR-Anstieg. Hitze u. Feuchtigkeit steigern HF.
• Mahlzeiten: Blutumverteilung in abdominales Stromgebiet, HF-Anstieg.
• Geschlechtsverkehr: 20–60 % aller KHK-Pat. meist orgasmusassoziierte An-
gina. Todesfälle selten.

Klinik
• Belastungsabhängige pektanginöse Beschwerden: Bei typischer A. p. besteht
bei Männern in 80–95 % eine KHK, bei Frauen in 45–95 %. Die Spezifität des
Symptoms „Angina pectoris“ nimmt mit dem Alter zu. Bei Frauen ist die Spe-
zifität geringer: Auch bei typischer A. p. vor dem 55. LJ. ist eine KHK nur in
50 % zu erwarten.
• Schmerzlokalisation:
– Meist retrosternal, seltener li-thorakal, sehr selten re-thorakal. Selten kein
thorakaler Schmerz, sondern nur an typischen Orten der Schmerzaus-
strahlung: Halsschmerz beim Gehen, Schmerz im li Arm bei der Arbeit.
– Oft Ausstrahlung in li Arm, Schulter, Hals od. Kinn (Fehldiagnose: Zahn-
schmerz!), selten re-seitig.
– Gelegentlich Bauchschmerz: fast immer oberhalb des Nabels. Evtl. bringt
Aufstoßen Erleichterung.
• Schmerzqualität:
– Meist dumpfer, drückender, einschnürender Schmerz mit thorakalem En-
gegefühl (viszeraler Schmerz).
– „Levine-Zeichen“: Evtl. ballt Pat. die Faust vor der Brust, um den Schmerz
zu beschreiben.
– Selten brennender Schmerz. „Herzstechen“, scharfe Schmerzen sprechen
gegen A. p.
52 3 Koronare Herzkrankheit 

– Nie atemabhängig od. durch Körperhaltung bzw. Thoraxkompression zu


beeinflussen.
• Schmerzstärke: meist unangenehmer, aber nicht max. starker Schmerz. Ein
sehr starker Schmerz (Vernichtungsschmerz) spricht eher gegen A. p.:
z. B. MI, Aortendissektion od. Pleuritis.
• Schmerzdauer: Schmerz schwillt an (Crescendo-Charakter) u. lässt durch
körperl. Ruhe od. NTG binnen Min. nach. Anhaltender Ruheschmerz kann
Vorbote od. Ausdruck eines MI sein.

„Fixed-Threshold“-Angina: stabile Belastungsschwelle, oberhalb der Angina


empfunden wird.
„Variant-Threshold“-Angina: Belastungsschwelle ist jeweils von zusätzlichen
auslösenden Faktoren abhängig, die dynamisch-vasokonstriktorisch wirken u.
3 modulierende Einflüsse auf eine fixierte Stenose haben (z. B. Temperatur,
Wind von vorne, Mahlzeiten).

Thorakale Schmerzen immer, auch bei jungen Pat. ernst nehmen. DD: vaso-
spastische Angina (▶ 3.4.3).

Differenzialanamnese bei Angina pectoris


Wird eine der folgenden Fragen mit JA beantwortet, liegt mit hoher Wahr-
scheinlichkeit keine Angina vor:
• Ändert sich der Schmerz beim tiefen Ein- od. Ausatmen?
• Ändert sich der Schmerz bei Thoraxbeugung od. -wendung?
• Nimmt der Schmerz zu, wenn an bestimmten Stellen auf Thorax od. Ab-
domen gedrückt wird?
• Besteht der Schmerz in dieser od. ähnlicher Form schon seit Tagen, Wo-
chen od. Monaten u. bleibt bei üblichen Tätigkeiten in etwa unverändert?
• Bessert sich der Schmerz bei körperl. Aktivitäten?
Besondere Angina-Typen
• Atypische Angina: Schmerzen, die nicht belastungsabhängig sind, sich nicht
nach NTG bessern od. eine atypische Art od. Lokalisation haben (z. B. „Zie-
hen im Unterarm“, abdominales Druckgefühl). Bei atypischer A. p. beträgt
das KHK-Risiko bei Männern 43–70 %, bei Frauen 15–54 % (mit Alter zuneh-
mend).
• „Walk-through“-Angina: Schmerz lässt trotz gleichbleibender körperl. Be-
lastung (z. B. Gehen) nach.
• Nächtliche A. p.:
– Angina decubitus: in der ersten Nachthälfte durch erhöhte ventrikuläre
Wandspannung bei erhöhter Vorlast durch Flüssigkeitsrückstrom im Lie-
gen. Beschwerden klingen durch Aufsetzen od. NTG rasch ab. Ther.: Vor-
lastsenkung (NTG ▶ 11.3.1, Diuretika ▶ 11.2).
– REM-Schlaf-induzierte A. p.: in der 2. Nachthälfte stark schwankender
RR u. Pulsfrequenz in der Traumphase. Meist kein myopathischer Ventri-
kel. Ther.: Betablocker (▶ 3.5.2, ▶ 11.6.8).
• Angina-Äquivalente: keine thorakalen Schmerzen, aber Belastungsdyspnoe
od. verminderte Belastbarkeit als Folge einer diastol. Funktionsstörung bei
myokardialer Ischämie.
 3.4 Leitsymptom Thoraxschmerz 53

• Stumme Myokardischämie: Bei ca. ⅓ aller Pat. mit stabiler A. p. u. fast allen
mit instabiler A. p. zusätzlich Ischämiephasen ohne Schmerz, da Schmerz-
schwelle nicht bei jedem Anfall erreicht wird. Darüber hinaus verlaufen ca.
25 % aller Infarkte klinisch stumm. Etwa 5 % aller Pat. mit Koronarstenosen
haben nur schmerzlose Ischämien, bes. oft Diabetiker u. Raucher. Stumme
Myokardischämien sind ein Risikoindikator für einen MI in den Folgejahren.
Prognostisch entscheidend ist die Gesamtzeit ischämischer Episoden (mit u.
ohne Angina) pro 24 h. Ob die med. Ther. stummer Ischämien Infarkte ver-
hindert, ist unbekannt. Diagn.: Ergo, ST-Strecken-Analyse im Langzeit-EKG.
Ther.: wie A. p. (▶ 3.5.1, ▶ 3.5.2). Für Betablocker ist Risikominderung nach-
gewiesen.
Klassifikation der instabilen A. p. (▶ 3.5, ▶ Tab. 3.11).

3.4.2 Differenzialdiagnose des Thoraxschmerzes


3

Die klinische Klassifikation des Thoraxschmerzes ist für die Einschätzung


der KHK-Wahrscheinlichkeit u. die Beurteilung der Prognose des Pat. wich-
tig (▶ Tab. 3.4).

Tab. 3.4 Wichtigste Differenzialdiagnosen des Brustschmerzes (infarkttypi-


sche EKG-Veränderungen fehlen [außer bei Perikarditis ▶ 6.5, evtl. Aortendis-
sektion ▶ 10.2])
Diagnose Charakteristika
Angina pectoris Beschwerden verschwinden auf NTG od. Kalziumant­
agonisten bzw. nach RR-Normalisierung
Perikarditis (▶ 6.5) Schwierige DD! Schmerzcharakter stechend, Schmerz
meist lage- u. atemabhängig. Ansprechen auf NSAR
Aortendissektion (▶ 10.2) Schmerz zieht wie ein Messerstich medial von ventral
nach dorsal zwischen die Schulterblätter, dann u. U. nach
kaudal. Durch Abscherung der A. subclavia u. U. RR-Dif­
ferenz li–re. Bei Beginn an der Aortenwurzel evtl. Peri­
karderguss od. MI durch Koronararterienabscherung!
Pneumothorax Einseitig hypersonorer Klopfschall, atemabhängiger
Schmerz, starke Dyspnoe, gestaute Halsvenen bei Span­
nungspneu. Oft jüngere Männer od. Pat. mit bekannter
COPD
Pleurogener Schmerz Sehr häufig! Oft plötzlicher Beginn, starker, stechender
Schmerz, aber stets atemabhängig! Meist anfangs noch
keine radiologischen Veränderungen (z. B. Pneumonie)!
Ansprechen auf NSAR
Vertebragener Schmerz Schmerz ist einem Dermatom zuzuordnen, evtl. durch
Wirbelsäulen- od. Rippenkompression zu verstärken.
Durch Infiltration des Dermatoms mit Lokalanästheti­
kum klingen Beschwerden ab
Lungenembolie (▶ 8.5) Öfter (nicht immer!) Rechtsherzbelastungszeichen im
EKG, Schmerz meist atemabhängig. Meist Embolus aus
Beinvenen (Beinumfang, nach Bus- od. Flugreise, Z. n.
OP). pO2 evtl., pCO2 öfter vermindert (Hyperventilati­
on). Echo: RV-Dilatation
54 3 Koronare Herzkrankheit 

3.4.3 Sonderformen
Anginale Thoraxschmerzen kommen auch in Abwesenheit signifikanter Koro-
nararterienstenosen bei einer Reihe kardialer u. nichtkardialer Erkr. vor
(▶ Tab. 3.5).

Tab. 3.5 Ursachen für Angina pectoris [nach Topol, Textbook of Cardio-vas-
cular Medicine, 2007]
Ursachen Erkrankungen
Arteriosklerotische koronare Herzerkr. • Fixierte Stenosen
• KHK mit dynamischer Flusslimitation
• Mikrovaskuläre Angina (Syndrom X)
Gefäßwandfunktionsstörungen • Variant-Angina, vasospastische (Prinz­
3 metal-)Angina
• Syndrom X
Andere kardiale Erkr. • AS
• HCM
• Hypertensive Herzerkr. u. LVH
• MKP
• Pulmonale u. RVH
Systemerkr. mit Anginaauslösung • Anämie
• Thyreotoxikose
• Hyperzirkulatorische Zustände (z. B.
AV-Shunts)

Vasospastische (Variant-)Angina (Prinzmetal-Angina)

Leitbefunde
Belastungsunabhängige A. p. mit ST-Hebung meist in Ruhe, selten nach Belas-
tung. Oft Raucher, junge Pat., Besserung der Beschwerden durch Kalziumant-
agonisten.

Prinzmetal beschrieb 1952 ein Sy. aus A. p. in körperl. Ruhe mit begleitender ST-
Strecken-Hebung, deren Ursache ein umschriebener Spasmus epikardialer Gefä-
ße ist. Exakte Häufigkeit der vasospastischen Angina ist unbekannt. Vermutlich
spielt sie bei ca. 2–3 % aller Pat. mit Angina eine Rolle.
Pathophysiologie
Normale Koronargefäße reagieren z. B. bei Kälte mit einer generalisierten Zunah-
me des Gefäßtonus. Prinzmetal-Pat. zeigen örtlich umschriebene Koronararteri-
enspasmen, meist an einer, seltener an mehreren Stellen. Die Genese ist unbe-
kannt, der Spasmus nicht zentralnervös ausgelöst. ⅓ der Pat. hat angiografisch
unauffällige Koronararterien, ⅔ zeigen eine geringe bis ausgeprägte koronare Ar-
teriosklerose. Die Spasmen treten oft in prox. Bereichen der Koronargefäße auf,
oft in der Nähe einer fibrösen Plaque. Durch die Myokardischämie können
Rhythmusstörungen auftreten (Blockierungen, Kammertachykardien od. -flim-
mern).
Der Spasmus kann bei längerem Bestehen einen MI auslösen. Teilweise bildet sich
an der spastischen Stelle ein Thrombus, der sich nach Spasmusende wieder auflö-
sen kann.
 3.4 Leitsymptom Thoraxschmerz 55

Klinik
• Frauen : Männer = 1 : 1. Oft starke Raucher. Bei ¼ der Pat. besteht Migräne,
bei 1⁄3 ein Raynaud-Phänomen der Hände. Die Pat. sind oft jünger als andere
KHK-Pat.
• Auslöser: typischerweise Rauchen, E‘lytstörungen, Kokain (s. u.), Kälteprovo-
kation, Hyperventilation, Autoimmunerkr., gelegentlich Alkoholentzug od.
psychische Belastung.
• Schmerz: oft nachts, oft sehr stark, gelegentlich gefolgt von einer Synkope
(vermutlich rhythmogen). Schmerzlokalisation wie bei normaler Angina
(▶ 3.4.1). Meist prompter NTG-Effekt.
• Meist nur Ruheangina. Bei Arteriosklerose der Koronararterien auch Komb.
mit Belastungsangina möglich.
Diagnostik
Diagnosestellung i. d. R. klinisch. Typischerweise auf NTG od. Kalziumantagonis-
3
ten rasch reversible A. p. u. ST-Hebung. Nach ESC 2006 empfohlene Diagn.
▶ Tab. 3.6.
Tab. 3.6 Empfohlene Diagnostik der vasospastischen Angina nach ESC 2006
Empfehlungsgrad Diagnostik
Klasse I • EKG möglichst während eines Anfalls
• Koro bei Pat. mit charakteristischen Episoden von Brust­
schmerz u. Ansprechen auf Nitrate u./o. Kalziumantagonis­
ten, um das Ausmaß der zugrunde liegenden KHK zu be­
stimmen
Klasse IIa • I. c. Provokation mit Acetylcholin zum Nachweis von Koro­
narspasmen bei Pat. mit Normalbefunden od. nichtobstruk­
tiven Läsionen in der Koro u. dem klinischen Bild einer va­
sospastischen Angina
• Ambulantes ST-Segment-Monitoring zum Nachweis von ST-
Strecken-Senkungen

• EKG: Typisch: ST-Hebung im Anfall, evtl. gefolgt von ST-Senkung. Unter


Kalziumantagonisten Normalisierung der ST-Strecke. Wegen der Variabilität
der EKG-Veränderungen ggf. Langzeit-EKG.
• Ergo: nicht aussagekräftig. ST-Hebung, -Senkung od. keine Reaktion.
• Koro: Auch bei eindeutiger Klinik durchführen. In ⅔ arteriosklerotische Ste-
nosen.
• Provokationstests: Invasive Dokumentation der Koronarspasmen durch
Provokationstest gilt als Goldstandard für Diagn. der vasospastischen Angina,
wird in der Praxis jedoch selten durchgeführt. Bei systemischer Provokation
(Ergonovin i. v., stimuliert α- u. Serotoninrezeptoren) häufig schwerwiegende
KO (MI, Kammerflimmern, schwere Bradykardie). Empfohlen wird Acetyl-
cholin i. c. (Acetylcholin-Test) zur Anfallsprovokation unter angiografischer
Kontrolle:
– Durchführung: selektive i. c. Bolusinjektionen von Acetylcholin in stei-
gender Dos. von 10, 25, 50 μg in RCA bzw. 25, 50, 100 μg in LCA im Ab-
stand von jeweils 5 Min.
– Interpretation: fokale od. diffuse Lumeneinengung zwischen 75 u. 99 %
des max. (nach Nitrogabe gemessenen) Diameters. < 30 % Verengungen
nicht diagn. verwertbar.
56 3 Koronare Herzkrankheit 

– KO: bei selektiver i. c. Gabe weitgehend sicheres Verfahren. Bei unselekti-


ver od. i. v. Gabe (insbes. von Ergonovin) fatale KO durch generalisierten
Koronarspasmus möglich.
Therapie
• Allgemeinmaßnahmen: Rauchen einstellen ist die wichtigste Maßnahme!
• Kalziumantagonisten (▶ 11.5): Mittel 1. Wahl, da bessere Anfallsprophylaxe
als durch Nitrate. Ther.-Beginn mit Substanz vom Verapamil-Typ, möglichst
hoch dosiert (bis zu 480 mg/d Verapamil, 360 mg/d Diltiazem). Evtl. 2 Kalzi-
umantagonisten kombinieren, z. B. Diltiazem 2 × 90 mg/d (z. B. Dilzem re-
tard®) mit Nifedipin 2 × 20 mg/d (z. B. Adalat® Retardtbl.). Bei stationärer
Ther. ggf. Adalat®-Perfusor (Fertiglösung 5 mg/50 ml, 6–12 ml/h). Kalzium-
antagonisten für 6–12 Mon. geben. Bei Beschwerdefreiheit langsam ausschlei-
chen. Bei erneuten Beschwerden Ausschleichen erst nach Jahren. Nach Kam-
3 merflimmern od. MI mehrjährige Ther. vor Auslassversuch. Einschränkung:
nur 38 % Schmerzfreiheit unter Monother. mit Kalziumantagonisten. Häufig
Komb. mit Nitraten u. anderen Antianginosa (Nicorandil) nötig.
• Nitrate: weniger potent als Kalziumantagonisten. ISMN 3 × 20 mg/d (z. B.
­Ismo 20® Tbl. 1–1–0–1).
• Evtl. auch pos. Wirkung von Magnesium (im Anfall i. v., dann oral
▶ 11.6.15), Alphablockern wie Prazosin (z. B. Minipress®) od. Clonidin (z. B.
Catapresan®). Einzelfallberichte über erfolgreiche Ther. medikamentenre-
fraktärer Fälle durch koronares Stenting. ACVB nicht indiziert.
• Betablocker evtl. hilfreich bei Vasospasmus mit fixierter Stenose. In Einzel-
fällen wurde aber eine Verstärkung der Spasmusneigung beschrieben.
• Arrhythmieprävention: bei Nachweis von ischämieinduzierten Rhythmus­
ereignissen od. überlebtem Herztod ICD zusätzlich zur med. Ther. indiziert.
! Cave ASS! Kann eine Spasmusneigung verstärken. Alternative: Clopidogrel
(▶ 11.8.2).
Prognose
Abhängig von der Schwere der zugrunde liegenden KHK. Ohne KHK meist gute
Prognose (5-JÜR > 90 %), selten kardiovask. Ereignisse. Jährliche kardiovask. To-
desrate bei insignifikanter KHK um 0,5 %. Schlechtere Prognose bei ST-Hebun-
gen in zahlreichen EKG-Ableitungen, Z. n. Kammerflimmern/-flattern od. MI. Bis
zu 10 % aller Pat. sterben am plötzlichen Herztod. Deshalb nach arrhythmogenen
Episoden ICD-Ther. erwägen.

Bei jüngeren Pat. mit Ruhe-Angina u. bei Angina, die nicht auf Betablocker
anspricht, immer an Prinzmetal-Angina denken.

Kokainassoziierte Thoraxschmerzen
Definition
A. p. in zeitlichem Zusammenhang mit Kokainkonsum. Kokain induziert über ge-
neralisierte Sympathikusaktivierung koronare Vasospasmen u. führt bei regelmä-
ßigem Konsum zu akzelerierter Arteriosklerose.
Klinik
Wie bei ACS; nicht selten Entwicklung eines MI.
 3.4 Leitsymptom Thoraxschmerz 57

Diagnostik
Bei infarkttypischen EKG-Veränderungen invasive Diagn. zur Ther.-Planung.
Therapie
• Aggressive med. Ther. wie bei ACS, primär antithrombozytäre Ther., Antiko-
agulation u. Nitrate.
• Cave: Keine Betablocker ohne gleichzeitige Alphablockade, da hypertensive
Krisen induziert werden können!
Prognose
Trotz jüngeren Alters u. oft geringerer sonstiger RF erhöhtes Risiko für MI.

Syndrom X
Definition
Keine einheitliche Def. des Krankheitsbilds. Als typisch gilt das Vorhandensein
3
der Trias:
• typische belastungsinduzierte A. p. (mit od. ohne zusätzliche Phasen von Ru-
heangina od. Dyspnoe),
• pos. Belastungs-EKG od. anderer pos. Ischämienachweis,
• normale Koronararterien.
Heterogene Pat.-Gruppe mit sehr variabler Symptomatik: Teils lässt sich eine ein-
geschränkte Koronarreserve nachweisen, teils belastungsinduzierte Wandbewe-
gungsstörungen, teils Perfusionsminderung im PET. Befundkonstellation wird
u. a. auf eine endotheliale Dysfunktion zurückgeführt (mikrovask. Angina). Meist
art. Hypertonie ± Hypertrophie u. diastol. Dysfunktion (Echo!).
Klinik
Häufiger bei Frauen, typische od. atypische therapierefraktäre Thoraxbeschwer-
den mit od. ohne ST-Segment-Depressionen bei Belastung.
Diagnostik
Häufig pathologische Belastungsreaktion im EKG, Nachweis von Perfusionsstö-
rungen im PET od. Myokardszintigramm. Normales Koro. Ggf. i. c. Acetylcholin-
Test zum Ausschluss einer vasospastischen Angina bzw. Nachweis einer Endo-
theldysfunktion, die mit einer schlechteren Prognose einhergeht (▶ Tab. 3.7).

Tab. 3.7 Empfohlene Diagnostik bei typischer Konstellation eines Syndrom X


nach ESC 2006
Empfehlungsgrad Diagnostik
Klasse I • Echo bei Pat. mit Angina u. normalen od. nicht hochgradig
stenosierten Koronararterien zum Nachweis ventrikulärer
Hypertrophie u./od. diastol. Dysfunktion
Klasse IIb • Acetylcholin-Test bei Pat. mit Normalbefunden od. nicht­
obstruktiven Läsionen in der Koro zur Untersuchung der
­endothelabhängigen koronaren Flussreserve u. zum Aus­
schluss von Koronarspasmen
• I. c. Ultraschall, koronare Flussreserve od. Messung der FFR
(s. u.) zum Ausschluss nichtdiagnostizierter signifikanter Ko­
ronarstenosen bei angiografisch nichtsignifikanter Läsion u.
großem Ischämieareal in der Belastungsischämie-Bildgebung
58 3 Koronare Herzkrankheit 

Myokardiale fraktionale Flussreserve, fractional flow reserve (FFR)


Index für die funktionelle Bedeutung einer Koronarläsion, abgeleitet von
Druckmessungen während der Koro, wird als max. erreichbarer, myokardi-
aler Fluss bei Präsenz einer Stenose innerhalb der versorgenden Kranzarterie,
dividiert durch normalen Maximalfluss, definiert. FFR ist eine läsionsspezi-
fische Kennzahl, die durch koronare Druckmessungen mittels Führungs-
drähten mit integriertem Drucksensor bestimmt wird.

zentraler Venendruck nicht erhöht (i. e. ≅ 0)


Pa: art. Mitteldruck während max. Hyperämie (prox. der Stenose).
Pd: distaler Koronarmitteldruck während max. Hyperämie (distal der Stenose).
Pv: venöser Mitteldruck während max. Hyperämie.
3 Messmethode: Stenose wird mit einem 0,014“-Druck-Draht zur Registrie-
rung des transstenotischen Gradienten passiert, der nach Applikation eines
max. hyperämischen Stimulus (Adenosin, 18–24 μg RCA bzw. 24–48 μg LCA
Bolus i. c. od. 140 μg/kg KG/Min. als i. v. Dauerinfusion) gemessen wird. Bei
FFR < 0,75: funktionell relevante Stenose.

Therapie
Information des Pat., bei Beschwerdepersistenz Versuch mit lang wirksamem
NTG-Präparat (effektiv in 50 %), ggf. zusätzlich Kalziumantagonisten u. Betablo-
cker (▶ Tab. 3.8). Bei weiterhin symptomatischen Pat. evtl. Versuch mit Ranola-
zin, Nicorandil o. Ä. ACE-Hemmer u. Statine (zugrunde liegende endotheliale
Dysfunktion). Zusätzlich Ausdauertraining, evtl. Imipramin (trizyklisches Anti-
depressivum) od. Neurostimulator.

Tab. 3.8 Zur Besserung der Symptomatik empfohlene Therapie bei


­Syndrom X (nach ESC 2006)
Empfehlungsgrad Medikation
Klasse I • Nitrate, Betablocker u. Kalziumantagonisten allein od. kom­
biniert
• Statine bei Hyperlipidämie
• ACE-Hemmer bei Hypertonie
Klasse IIa • Ther.-Versuch mit anderen antianginösen Medikamenten
(z. B. Nicorandil) od. metabolischen Substanzen (z. B. Ranola­
zin)
Klasse IIb • Aminophyllin bei fortbestehender A. p. trotz Klasse-I-Maß­
nahmen
• Imipramin bei fortbestehender A. p. trotz Klasse-I-Maßnah­
men

Prognose
Bei EF > 50 % u. normalem Koro 7-JÜR von 96 % (entspricht der normalen Le-
benserwartung, CASS-Studie).

Koronararterienektasie
Synonyme: fusiforme Koronararterienaneurysmata, dilatative Koronaropathie.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 59

Pathophysiologie
Bei Arteriosklerose der Koronararterien kompensatorische Zunahme des Gefäß-
gesamtdurchmessers; kann bei überschießender Reaktion im Vergleich zu ande-
ren Koronargefäßen zu umschriebenen Erweiterungen führen. Die meist prox.
gelegenen Gefäßektasien führen beim Bluteinstrom in der Diastole zu einem Blut-
pooling im Koronargefäß → Minderversorgung der Peripherie. Zudem turbulente
Strömung (Blutstase). Koronarektasien in ca. 1,4 % aller Koro, meist gemeinsam
mit Koronarstenosen.
Klinik
A. p. meist erst, wenn auch Koronarstenosen vorliegen. Typisch soll eine Schmerz-
verstärkung durch Vasodilatanzien (verstärktes Blutpooling nach NTG, Molsido-
min od. Kalziumantagonisten) sein.
Diagnostik 3
• Koro: Gefäße mind. 1,5-fach gegenüber anderen Koronargefäßen desselben
Pat. erweitert (keine akzeptierte Def.).
• DD: Kongenitale Koronaraneurysmata (Varianten der Koronaranatomie
▶ 3.2.1) zeigen nur kurzstreckige Dilatation.
Therapie
Ther. oft schwierig, Standards existieren nicht.
• Betablocker: z. B. Metoprolol 2 × 50 mg/d (z. B. Beloc®).
• PTCA, ACVB (▶ 3.10.4): bei gleichzeitig bestehenden Stenosen.
• Vit.-K-Antagonisten (▶ 11.7.4): keine eindeutige Ind., im Einzelfall bei koro-
narangiografisch starkem Pendelfluss im Herzkranzgefäß od. Thrombusnachweis.
! Vasodilatanzien, Kalziumantagonisten, NTG u. Molsidomin sind kontraindiziert.

3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS


Definition
Unter dem Begriff „Akutes Koronarsyndrom (ACS)“ wird ein Spektrum klini-
scher Zustände zusammengefasst, die sich durch das Leitsymptom „nitrorefraktä-
re retrosternale Schmerzen“ definieren.
Def. des ACS (▶ 3.1).

Einteilung
Klinik, EKG-Befund u. Troponin-Konz. (nach 8–12 h) erlauben eine Einteilung in
drei unterschiedliche Formen u. eine grobe Abschätzung der Prognose (▶ Tab. 3.9,
▶ Abb. 3.4).
Tab. 3.9 Einteilung der ACS
Instabile Angina Non-ST-Eleva­ ST-Elevationsmyo-
­pectoris tionsmyokardin- kardinfarkt (STEMI)
farkt (NSTEMI)
Alte Instabile Angina Nichttransmuraler Transmuraler MI
­Nomenklatur ­pectoris MI
Klinik A. p. in Ruhe od. bei Wie „instabile > 20 Min. anhaltender
geringer Belastung, A. p.“, ggf. stär­ Brustschmerz oft mit
> 10–15 Min. ker, länger anhal­ vegetativen Sympto­
tend men
60 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.9 Einteilung der ACS (Forts.)


Instabile Angina Non-ST-Elevati- ST-Elevationsmyo-
­pectoris onsmyokardin- kardinfarkt (STEMI)
farkt (NSTEMI)
TnT < 0,01 ≥ 0,01 bis < 1,0 ≥ 1,0
EKG Normal od. ST ↓ ST ↓ > 20 Min. persistieren­
Transiente ST ↑ Transiente ST ↑ de ST ↑
T-Wellen ↓ od. nor­ T-Wellen ↓ od.
mal normal
30-Tage-­ 4,5 % 10,4 % 12,9 %
Mortalität
6-Mon.-­ 8,6 % 18,7 % 19,2 %
3 Mortalität

ACS mit persistierender ACS ohne persistierende


ST-Strecken-Hebung ST-Strecken-Hebung

Troponin oder CK-MB


regelmäßig erhöht

Troponin erhöht?

Ja Nein

STEMI NSTEMI Instabile Angina

Abb. 3.4 Pathophysiologie u. Einteilung der ACS nach ESC 2011 [L157]

Pathophysiologie der ACS


Heterogene Gruppe akuter kardiovask. Erkr. mit einem gemeinsamen pathophy-
siologischen Mechanismus aus 3 Komponenten:
• Ruptur einer instabilen atherosklerotischen Plaque,
• verschiedene Grade der zusätzlichen Thrombusbildung,
• distale Embolisation.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 61

Häufigkeit der ACS


ACS sind häufige klinische Ereignisse; ca. 3 Krankenhauseinweisungen wegen
NSTEMI pro 1.000 Einwohner/J. ACS ohne persistierende ST-Hebung sind häufi-
ger als STEMI. Akutprognose von NSTEMI-Pat. ist besser (Krankenhausmortali-
tät 5 % vs. 7 % bei STEMI), Langzeitprognose vergleichbar (mehr Ereignisse im
poststationären Verlauf).

Klinik der ACS


Gekennzeichnet durch die in unterschiedlicher Komb. u. Ausprägung auftretende
Trias:
• akuter Brustschmerz unter dem Bild einer instabilen A. p.,
• EKG-Veränderungen,
• Anstieg der kardialen Marker.
Evaluation bei V. a. ACS ▶ Abb. 3.5. 3
Klinik der instabilen Angina pectoris
▶ Tab. 3.10.
• Ruhe-Angina > 20 Min. (80 %).
• Neu aufgetretene Angina der Klasse CCS III.
• Neu aufgetretene Instabilität bei zuvor stabiler Angina, Crescendo-Angina
der Klasse CCS III.
• Postinfarkt-Angina.
• Brustschmerzen sind Folge einer akuten, zunächst reversiblen Myokardisch­
ämie
– von unterschiedlicher Dauer, teilweise anhaltend,
– ausstrahlend in li Arm, Nacken, Kiefer,
– Auftreten in Ruhe od. bei geringer Belastung, Verschlechterung bei kör-
perl. Belastung,
– Besserung in Ruhe u. nach NTG-Gabe.
• Begleitsymptome sind nicht selten: Schwitzen, Übelkeit, Bauchschmerzen,
Dyspnoe, Synkopen.
• Atypische Symptome:
– insbes. epigastrische Beschwerden, neu aufgetretene Verdauungsstörun-
gen, stechender Charakter der Brustschmerzen, Schmerz mit pleuriti-
schem Charakter, zunehmende Dyspnoe,
– insbes. bei jüngeren (25–40 J.), älteren (> 75 J.) Pat., Frauen, Diabetikern
sowie Pat. mit chron. Niereninsuff. od. Demenz nicht selten.
• EKG u. Marker bei instabiler A. p.: Keine Troponinerhöhung: weder messba-
rer Zelluntergang noch persistierende ST-Segment-Elevationen. Meist persis-
tierende od. transiente ST-Segment-Depressionen, T-Inversionen od. abge-
flachte T-Wellen. In 30–40 % der Fälle fließender Übergang in einen MI.
Dann Troponin erhöht, CK, CK-MB, Myoglobin meist neg.
Klinik bei Myokardinfarkt ohne ST-Elevationen (NSTEMI)
• Klinik der instabilen A. p., Schmerzen können heftiger u. länger anhaltend
sein, ggf. vegetative Begleitsymptomatik, Angst, Schwitzen. In 30–40 % flie-
ßender Übergang in MI.
• EKG u. Marker bei NSTEMI: EKG-Veränderungen ohne ST-Segment-Eleva-
tionen. Troponin ↑ (Mikroembolien mit Untergang von Herzmuskulatur):
CK, CK-MB, GOT, HBDH, LDH u. Myoglobin können neg. bleiben.
62 3 Koronare Herzkrankheit 

Akuter Thoraxschmerz
V. a. akutes Koronarsyndrom

• 12-Kanal-EKG innerhalb 10 Min. Schritt 1:


• Kardiale Marker
Orientierende
• Anamnese - Klinische Untersuchung
Untersuchung
• KHK-Wahrscheinlichkeit

Persistierende (> 20 Min.) Keine


15 Min. ST-Hebung ≥ 2 Ableitungen persistierende
oder neuer LSB ST-Hebung
3

Positiv Negativ
STEMI Troponin

NSTEMI EKG +
Dringliche
90 Min. Kardiale Marker
Revaskularisation
nach 6–9 h (3 h
bei hochsensitivem
Assay)

Negativ
• Erneute A.p.
Schritt 2: .
• Positive Tests
Diagnose/ • Intermediäres
Risikoabschätzung oder hohes
Risiko für ACS Positiv Stress-
6–9 h • EKG, Echo- test
kardiografie
• Risikokriterien
(▶ Tab. 3.10)
Negativ

Dringlich Früh Ambulante


(< 120 Min.) (< 24 h) Abklärung
invasive Strategie invasive Strategie
Zeitachse

Abb . 3.5 Algorithmus zur initialen Evaluation von Patienten mit Verdacht auf
ACS [L157]
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 63

Tab. 3.10 Klassifikation der instabilen Angina pectoris (nach Braunwald)


Klasse I Klasse II Klasse III
Crescendo-Angina Subakute Ruhe-Angina Akute Ruhe-Angina
Neue Angina bei geringer Ruheschmerz im letzten Ruheschmerz in den letz­
Belastung, keine Ruhe-An­ Mon., aber nicht in den ten 48 h
gina letzten 48 h
I, II, III A: extrakardiale Auslöser (z. B. Anämie)
I, II, III B: keine auslösenden Ursachen
I, II, III C: nach Infarkt (max. 2 Wo.)

Klinik bei Myokardinfarkt mit ST-Elevationen (STEMI)


Typischer > 20 Min. anhaltender Thoraxschmerz. MI in 25 % Erstmanifestation
einer KHK.
• Infarktverdacht bei A. p. > 20 Min. 3
• Retrosternaler od. li-thorakaler Schmerz, oft Ausstrahlung in li (seltener re)
Arm od. Hals, Gefühl des eingeschnürten Thorax. Oft Crescendo des Schmer-
zes, seltener sofort max. Stärke (DD zum Aortenaneurysma), isolierter Hals-,
li-seitiger Schulter- od. Armschmerz. Häufig vegetative Symptome, Schwit-
zen, Angst, Unruhe bis hin zu Vernichtungsgefühl, Todesangst.
• Dyspnoe häufig parallel zu Schmerz, nicht selten alleiniges Symptom.
• HWI: oft nur abdominaler Schmerz (DD rupturiertes Bauchaortenaneurys-
ma) od. Rückenschmerz, oft Übelkeit, Erbrechen.
• Keine Besserung auf NTG-Gabe.
• Schmerz typischerweise nicht atemabhängig (DD Pleuritis, Perikarditis),
nicht durch Thoraxkompression, Druck auf Rippen od. Sternoklavikularge-
lenk auslösbar (DD vertebragener Schmerz, Tietze-Sy.).
• Bei vorbestehender instabiler A. p. oft Schmerzverstärkung zum Infarktzeit-
punkt (ab dann Zeit für mögliche Lyse berechnen).

Typischer Infarktschmerz fehlt in ca. 25 % aller Infarkte, v. a. bei Diab. mell.

EKG u. Marker bei STEMI: Persistierende ST-Segment-Elevationen (oder gesi-


cherter neuer LSB): Koronargefäßverschluss mit Anstieg aller Infarktmarker ist
wahrscheinlich.
Mögliche Begleitsymptome bei STEMI:
• Zeichen der akuten Linksherzinsuff. (Tachykardie, Hypotonie, Lungenödem,
Kaltschweißigkeit, Zyanose, Schock), Zeichen der akuten Rechtsherzinsuff.
(Halsvenenstauung, Leberstauung, pos. hepatojugulärer Reflux; ▶ 8.5) → V. a.
Rechtsherzinfarkt (▶ 3.6.5).
• Kardiogener Schock (▶ 3.6.6).
• Sinusbradykardie, Asystolie, AV-Block: V. a. HWI.
• Auskultation: evtl. Vorhof-, Ventrikelgalopp, Geräusche eines Klappenviti-
ums (MR, AS); bei Linksherzinsuff. feuchte RG über den Lungen.

3.5.1 Praktisches Vorgehen bei V. a. ACS


Pat. mit ACS präsentieren ein breites Spektrum von Symptomen mit sehr unter-
schiedlichem Risiko. Managementgrundsätze bei allen ACS sind ähnlich u. verfol-
gen folgende Ziele:
64 3 Koronare Herzkrankheit 

• rasche Diagnosesicherung (mögliches vs. gesichertes ACS),


• Risikostratifizierung für kardiovask. KO wie Tod od. definitiven MI,
• Wiederherstellung einer ausreichenden Koronarperfusion,
• Behandlung begleitender KO,
• Prävention des Wiederauftretens eines ACS.
Stufenweises u. standardisiertes Vorgehen nach den ESC-Guidelines ACS
(▶ Abb. 3.5). Spezialisierte Thoraxschmerzeinheiten bieten optimale Vorausset-
zungen für effektive Diagn. u. Ther.

Stufenweises Vorgehen bei V. a. ACS


1. Schritt: Initiale Orientierung
• Pat. mit akutem Brustschmerz mit V. a. ACS insbes. mit hämodynamischen
Auffälligkeiten (Hypo-, Hypertonie, Brady- od. Tachykardie), Synkope od.
3 Präsynkope müssen umgehend im Krankenhaus von einem erfahrenen Arzt
evaluiert werden.
• Initiale Orientierungsuntersuchung (Ziel: innerhalb 10–15 Min. nach Klinik-
aufnahme) zur Erarbeitung einer Arbeitsdiagnose:
– Untersuchung (Kurzanamnese mit Klassifizierung der Schmerzsympto-
matik u. symptomorientierte klinische Untersuchung).
– Abschätzung der KHK-Wahrscheinlichkeit (Parameter: Alter, atheroge-
nes Risikoprofil, Z. n. MI, CABG, PCI).
– 12-Kanal-EKG innerhalb von 10 Min. nach Aufnahme mit sofortiger Be-
urteilung durch einen erfahrenen Arzt, bei Bedarf zusätzliche Abl. (V3R,
V4R, V7–V9). Wdh. bei erneuter Symptomatik bzw. nach 6–9 h u. vor Ent-
lassung. EKG während des akuten Brustschmerzes durchführen (sehr aus-
sagekräftig!), EKG während/nach jeder Schmerzattacke ist obligat.
– Sofortige Blutabnahme für kardiale Marker (mind. TnT od. TnI, CK od.
CK-MB, Krea, Hb, Leukozyten); Ergebnis sollte nach 60 Min. vorliegen.
Wenn neg., Wdh. nach 6–9 h.
• Auf der Basis dieser Evaluation ergeben sich 3 Arbeitsdiagnosen:
– STEMI → sofortige Reperfusionsther.,
– V. a. NSTEMI,
– ACS unwahrscheinlich.
• Parallel zur initialen Evaluation basale therap. Maßnahmen (▶ Tab. 3.11).
– Allgemeinmaßnahmen: Immobilisierung, Oberkörperhochlagerung, be-
engende Kleidung entfernen. Jeder Transport mit Arztbegleitung, EKG-
Monitoring u. personellen/technischen Möglichkeiten zur CPR. Mind. 2
venöse Zugänge, einer davon großlumig (12 G). Intensivüberwachung.
EKG-Monitoring (Arrhythmien, ST-Segmente, HF, RR).
– Antikoagulation u. antithrombozytäre Ther.: frühzeitig ASS u. Antikoagu-
lation (wichtig, weil kausal!), Dos. ▶ Tab. 3.11.
– Ischämiereduktion: O2 per Nasensonde (4–8 l), SaO2 > 90 % (innerhalb
der ersten 6 h). NTG aus therap. (Ischämiereduktion) u. differenzialdiagn.
(Infarktschmerz?) Ind. (Vorsicht bei RR systol. < 90 mmHg!). Betablocker
nach Ausschluss von KI bei symptomatischen Pat. mit RR systol.
> 100 mmHg, HF > 55/Min.
– Analgesie: Falls Pat. nicht schmerzfrei, Morphin (▶ Tab. 3.11) od. alterna-
tiv Fentanyl 0,05–0,1 mg i. v. (z. B. Fentanyl Janssen®): gute Wirksamkeit,
kurze Wirkdauer (30–60 Min.). Ziel: absolute Schmerzfreiheit des Pat.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 65

– Bei sehr unruhigen Pat. zusätzlich Sedierung: Diazepam 5–10 mg i. v.


(z. B. Valium®), Antidot: Flumazenil (Anexate®, 1 Amp. i. v.). Großzügige
Sedierung, wenn nach klinischem Eindruck erforderlich. Bei Übelkeit Me-
toclopramid (z. B. Paspertin®, Gastrosil®) 50 mg i. v. od. Triflupromazin
(Psyquil®) 5–10 mg i. v.

Tab. 3.11 Basistherapie bei ACS


Therapeutikum Dosierung
O2 4–8 l/Min. über Nasensonde/Maske, falls O2-Sättigung
< 90 %
Nitrate NTG s. l. (0,4–0,8 mg) od. i. v. als Perfusor bei RR systol.
> 100 mmHg
ASS Initialdosis von 160–325 mg parenteral (ggf. auch s. l., Tbl. 3
kauen!), dann 75–100 mg/d p. o.
P2Y12-Inhibitor Ticagrelor: 180 mg, dann 2 × 90 mg/d
Clopidogrel: 300 mg (oder 600 mg, falls schnelle Wirkung
nötig), dann 75 mg/d
Antikoagulation, eines • UFH 60–70 IE/kg KG i. v. Bolus (max. 5.000 IE), dann 12–
von: 15 IE/kg KG/h (max. 1.000 IE/h) nach aPTT (Ziel 1,5–
2,5 × Kontrollwert)
• Fondaparinux 2,5 mg/d s. c.
• Enoxaparin 2 × 1 mg/kg KG/d s. c.
• Dalteparin 2 × 120 IE/kg KG/d s. c.
• Nadroparin 2 × 86 IE/kg KG/d s. c.
• Bivalirudin 0,1 mg/kg KG i. v. Bolus, dann 0,25 mg/
kg KG/h
Morphin 3–5 mg i. v. od. s. c., abhängig von Schmerzintensität
Betablocker 5–15 mg i. v., wenn keine KI u. RR systol. > 100 mmHg bzw.
HF > 55/Min.
Atropin 0,5–1 mg i. v. bei Bradykardie, vagaler Reaktion

2. Schritt: Validierung der Diagnose und Risikostratifizierung


Weiteres therap. Management von Pat. mit möglichem ACS basiert auf zusätzli-
chen klinischen Informationen u. weiteren diagn. Schritten:
• Labordiagn.: kardiale Marker bei Aufnahme u. nach 6–9 h, andere Parameter
entsprechend möglicher DD (z. B. D-Dimer, BNP, NT-proBNP).
• EKG nach 6–9 h, optimal kontinuierliches ST-Segment-Monitoring.
• Echo, ggf, MRI, CT, nuklearmedizinische Tests zum Ausschluss wichtiger
DD.
• Klinische Verlaufsbeobachtung: Schmerzentwicklung, Ansprechen auf an-
tianginöse Ther.
• Risikoassessment: Bestimmung eines anerkannten Risikoscores (z. B. GRACE-
Score) zur Abschätzung des initialen u. späteren Risikos (▶ Tab. 3.18).
• Bestimmung des Blutungsrisikos: Individuelles Blutungsrisiko abhängig von
verschiedenen Parametern, u. a. Lebensalter, geringes KG, weibl. Geschlecht,
Nierenfunktion. Es kann z. B. mit dem CRUSADE-Blutungsscore abgeschätzt
werden (▶ Tab. 3.12, ▶ Tab. 3.13). Schwerwiegende Blutungen nach PCI er-
höhen Sterberisiko × 4, Reinfarktrisiko × 5.
• DD nichtkardialer Ursachen werden parallel mit geeigneten Methoden un-
tersucht/ausgeschlossen (z. B. Lungenembolie, Aortendissektion).
66 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.12 CRUSADE-Blutungsscore (Quelle: ESC Guideline NSTE-ACS 2011)


Parameter Score Parameter Score
Baseline-Hkt (%) Geschlecht
• < 31 9 Weibl. 8
• 31–33,9 7 Männl. 0
• 34–36,9 3 Zeichen der Herzinsuff. bei
Aufnahme
• 37–39,9 2 Ja 7
• ≥ 40 0 Nein 0
Krea-Clearance1 Bekanntes Gefäßleiden2
3 (ml/Min.)
≤ 15 39 Ja 6
> 15–30 35 Nein 0
> 30–60 28 Diab. mell.
> 60–90 17 Ja 6
> 90–120 7 Nein 0
> 120 0 Systol. RR (mmHg)
Herzfrequenz ≤ 90 10
(Schläge/Min.)
≤ 70 0 91–100 8
71–80 1 101–120 5
81–90 3 121–180 1
91–100 6 181–200 3
101–110 8 ≥ 200 5
111–120 10
≥ 120 11
1
 Krea-Clearance mit der Cockcroft-Gault-Formel berechnet
2
 Bekanntes Gefäßleiden definiert als periphere Gefäßkrankheit od. vorausgegan­
gener Schlaganfall

Tab. 3.13 Risiko bedeutender Blutungen gemäß CRUSADE-Score


CRUSADE-Score Risiko für große Blutung (%)
1 2,6
10 3,5
20 4,9
30 6,7
40 9,2
50 12,5
60 16,7
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 67

Tab. 3.13 Risiko bedeutender Blutungen gemäß CRUSADE-Score (Forts.)


CRUSADE-Score Risiko für große Blutung (%)
70 21,9
80 28,3
90 35,7
96 40,5

3. Schritt: Festlegung der Behandlungsstrategie und Timing der


Revaskularisationsstrategie
Aus praktischen Gründen Unterscheidung zwischen dringlich invasiver (inner-
halb 120 Min.), frühinvasiver (innerhalb 24 h) u. invasiver (innerhalb 72 h) Strate-
gie empfohlen. Kriterien für hohes Risiko mit Ind. zum invasiven Vorgehen bei 3
NSTE-ACS (▶ Tab. 3.14)

Tab. 3.14 Kriterien für hohes Risiko mit Indikation zum invasiven Vorgehen
Primäre Kriterien Sekundäre Kriterien
• Relevanter Anstieg od. Abfall des Tro­ • Diab. mell.
ponins • Niereninsuff. (eGFR < 60 ml/Min./
• Dynamische Veränderungen der ST- 1,73 m2)
Strecke od. T-Welle (symptomatisch • Eingeschränkte LV-Funktion
od. klinisch stumm) (EF < 40 %)
• Frühe Postinfarktangina
• Kurz zurückliegende PCE
• Zurückliegende ACB-OP
• Mittlerer bis hoher GRACE-Score

• Dringlich invasive Strategie (innerhalb 120 Min.): bei allen Pat., die signifi-
kante Myokardnekrosen entwickeln, od. mit hohem Risiko für rasche Pro-
gression zum Gefäßverschluss (2–15 % aller ACS-Pat.). Hinweise:
– Schwere, therapierefraktäre od. wiederkehrende Angina.
– Rekurrierende Angina in Komb. mit dynamischen EKG-Veränderungen,
ST-Depression (≥ 2 mm) od. tief neg. T-Wellen.
– Klinische Zeichen für Herzinsuff. od. hämodynamische Instabilität
(Schock).
– Lebensbedrohliche Arrhythmien (Kammerflimmern, -tachykardien).
– Zusätzliche Ther. mit einem GP-IIb/IIIa-Inhibitor: empfohlen bei allen
Pat. mit hohem Risiko für ischämisches Ereignis (▶ Tab. 3.18), insbes. bei
Pat. mit erhöhtem Troponin, ST-Segment-Depression od. Diab. mell.:
– Gabe vor invasiver Diagn.: Eptifibatide od. Tirofiban.
– Einsatz nach Koro u. vor geplanter PCI: bevorzugt Abciximab (schnel-
lerer Wirkeintritt).
• Frühinvasive Strategie (innerhalb 24 h): bei allen Pat. mit – trotz Anspre-
chen auf antianginöse Ther. – Hinweisen für hohes Risiko für ischämisches
Ereignis im Verlauf: GRACE Risikoscore > 140 u./od. ein primäres Hochrisi-
kokriterium (▶ Tab. 3.14).
• Invasive Strategie (innerhalb 72 h): bei allen Pat. mit Ansprechen auf antian-
ginöse Ther. u. weniger akutem Risiko (▶ Tab. 3.18).
• Primär kons. Strategie (keine od. elektive Angio): bei allen Pat. ohne wie-
derkehrende Angina, ohne Herzinsuff.-Zeichen, ohne EKG-Veränderungen
68 3 Koronare Herzkrankheit 

(initial od. nach 6–9 h), ohne Troponinanstieg (initial od. nach 6–9 h).
Nichtinvasive Diagn. zum Nachweis induzierbarer Ischämie, im pos. Fall
elektiv invasives Vorgehen.
! Timing des invasiven Vorgehens individuell an klinische Situation anpassen.
4. Schritt: Koronarangiografie und Durchführung der Revaskularisation
Ziele der Revaskularisation bei ACS sind Schmerzbeseitigung, Ischämiebeendi-
gung u. Prognoseverbesserung durch Verhinderung von Infarkt u. Tod. Die Koro
liefert Informationen zu Ausdehnung u. Schwere der KHK, die Basis für die Fest-
legung von Art (ACVB vs. PCI) u. Strategie der Revaskularisationsbehandlung.
Nach TIMI-3B u. FRISC-2 haben 30–38 % der ACS-Pat. eine 1-Gefäß-, 44–59 %
eine Mehrgefäßerkr., 4–8 % eine Hauptstammstenose. Entsprechend ist bei ca.
10 % der ACS-Pat. eine CABG während des initialen stationären Aufenthalts not-
wendig.
3
Bei mit Clopidogrel vorbehandelten ACS-Pat. ist das periop. Blutungsrisiko
erhöht. Bei dringlicher OP-Notwendigkeit sind spezifische Maßnahmen
(Thrombozytensubstitution u. Ä.) zu erwägen. Alternative Strategie: akute Be-
handlung der „culprit lesion“ mit PCI mit späterer Entscheidung (nach invasi-
ver Reevaluation) über die Notwendigkeit einer kompletten Revaskularisation.

PCI bei ACS


• Immer noch hohe periinterventionelle Infarktrate bis10 %. Risikoreduktion
durch spezifische antithrombozytäre Ther.-Verfahren (GP-IIb/IIIa-Rezeptor­
antagonisten prä- u. periinterventionell).
! Das damit assoziierte erhöhte Blutungsrisiko ist wesentlicher zusätzlicher
Prognoseindikator: Bei Wahl des optimalen Zugangswegs u. der antikoagula-
torischen Begleitther. für die Intervention berücksichtigen.
• Erhebliche Risikoreduktion für akuten Gefäßverschluss od. Restenose durch
Stents.
• Wahl der Revaskularisationsstrategie bzw. bei PCI des Stenttyps (BMS vs.
DES): kritische Nutzen-Risiko-Analyse mit Berücksichtigung bekannter
Komorbiditäten od. der Notwendigkeit kurz- od. mittelfristiger nichtkardi-
aler chirurgischer Eingriffe, die vorübergehende od. dauerhafte Beendigung
der antithrombozytären Ther. erfordern. Das grundsätzlich bei ACS-Pat.
höhere Risiko für eine Stentthrombose wird zwar durch den Einsatz von
DES nach bisheriger Studienlage nicht weiter erhöht, jedoch wird für Pat.
mit DES eine verlängerte duale antithrombozytäre Ther. nötig (mind.
12 Mon.).
• PCI einer insignifikanten Koronarläsion wird nicht empfohlen.
Praktische Empfehlungen zur Durchführung der Koronarangiografie bei ACS
• Wegen der bei ACS häufig ausgeprägten Vasokonstriktion großzügig i. c.
Nitrate verwenden.
• Bei hämodynamisch instabilen Pat. i. a. Ballonpumpe, Reduktion der Zahl
der Koronarinjektionen, keine LV-Angio.
• Identifizierung u. vordringliche Behandlung der für das ACS verantwortlichen
„culprit lesion“ mittels Koronaranatomie (Stenosegrad, Exzentrizität, unschar-
fe Begrenzungen, Ulzerationen, „Haziness“, Füllungsdefekte od. Kontrastde-
pots, die auf einen Thrombus hindeuten). Zusätzlich EKG (Lokalisation der
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 69

Ischämiezeichen) u. Lokalisation möglicher Wandbewegungsstörungen (LV-


Angio od. Echo). Sichere Identifizierung nicht immer möglich.

5. Schritt: Weitere Maßnahmen und Entlassungsmanagement


Belastungs-EKG bei Pat. ohne erneute A. p., mit normalem EKG u. neg. Tropo-
nin. Falls kein Ischämienachweis, Entlassung möglich.

EKG bei V. a. ACS


Innerhalb von 10 Min. nach Hospitalisierung, bei jeder Änderung des Pat.-Status
sowie bei primär nichtdiagn. EKG in regelmäßigen Abständen, mind. nach 6–9 h,
bei erneuter A. p. u. vor Entlassung. Infarkttypische u. nicht infarkttypische Ver-
änderungen müssen unterschieden werden.
Infarkttypische EKG-Veränderungen
3
• Persistierende (> 20 Min.) ST-Hebung: ≥ 1 mm in mind. 2 Extremitäten-
od. ≥ 2 mm in Brustwandabl. mit ST-Senkung in spiegelbildlichen Abl. (z. B.
Hebung in V7, Senkung V1/2). DD der ST-Hebung: Perikarditis (▶ 6.5,
▶ 3.6.6), Herzwandaneurysma (▶ 3.11.1), Schenkelblock.
• Neu aufgetretener LSB: Mit Vor-EKG vergleichen!
! Beachte: Infarkttypische Veränderungen zeigen sich bei 60–70 % aller Erst-
EKGs von Infarktpatienten. In ca. 20 % sind die Veränderungen atypisch, in
ca. 15 % ist das EKG unauffällig. Im Verlauf lässt sich in ca. 95 % ein MI im
EKG ausmachen.

Bei Nachweis infarkttypischer ST-Hebungen od. eines neuen LSB im Auf-


nahme-EKG liegt mutmaßlich ein Verschluss eines prox. Koronargefäßes
vor. Vitale Bedrohung des Pat.; es handelt sich um einen medizinischen
Notfall! Keine weiteren diagn. Schritte, z. B. das Warten auf kardiale Mar-
ker, nötig. Unverzüglich max. Anstrengungen zur raschen Reperfusion
des Infarktgefäßes (z. B. umgehende PTCA)! Es gilt der Satz: „Time is
muscle“.

Nicht infarkttypische EKG-Veränderungen


• ST-Segment-Depression: variabel ausgeprägt mit horizontalem od. deszen-
dierendem Verlauf. ST-Segment-Depression ≥ 0,5 mm (0,05 mV) in 2 od.
mehr Abl. in Komb. mit typischer klinischer Symptomatik indikativ für
­NSTEMI. ST-Senkung ≥ 1 mm (0,1 mV) war in einem großen multinationa-
len Register mit einer 11-prozentigen Wahrscheinlichkeit für Tod od. MI in-
nerhalb eines Jahres verknüpft.
! ST-Senkung ist Ausdruck einer reversiblen Ischämie od. Spiegelbild einer ST-
Hebung bei Infarkt in gegenüberliegenden Abl. (z. B. ST-Senkung in V2 bei
strikt posteriorem Infarkt).
• T-Wellen-Veränderung: tiefe, symmetrische T-Wellen-Inversionen in den
anterioren Abl. häufig bei prox. LAD-Stenose; terminal neg. („koronare T“),
biphasische od. präterminal neg. T-Wellen von geringerer prognostischer Be-
deutung.
• AV-Blockierungen: v. a. bei HWI od. Septuminfarkt.
70 3 Koronare Herzkrankheit 

Hinweise für die klinische Praxis


• Fehlende ST-Hebung im EKG: keine sichere Unterscheidung zwischen re-
versibler Ischämie u. transmuralem Infarkt (äußert sich nur indirekt in
Form einer ST-Senkung) möglich.
• Variable Symptomatik: grundsätzlich zum Zeitpunkt der Beschwerden
EKG anstreben. Transiente Veränderungen während symptomatischer
Episode mit Rückbildung im asymptomatischen Intervall → V. a. akute
Isch­ämie.
• Anzahl der Abl. mit ST-Senkung bzw. Ausmaß der ST-Segment-Depression
sind Indikatoren für Ausdehnung u. Schwere der Ischämie u. korrelieren
mit der Prognose. Bes. hohes Risiko bei zusätzlicher transienter ST-Hebung.
• In 5 % normales EKG trotz nachgewiesenem ACS. Zusätzliche Abl. für in-
feriore u. laterale Wand (V4R, V3R, sowie V7–V9) können die diagn. Sensi-
3 tivität verbessern.

Kardiale Marker bei V. a. ACS


• Troponine (cTnT od. cTnI): Grundlage u. Goldstandard der DD (instabile
A. p. vs. NSTEMI) bei fehlender ST-Segment-Elevation im EKG, daher der
CK-MB-Bestimmung vorzuziehen.
• Nach aktuellen ESC/ACC/AHA-Konsensus-Dokumenten liegt per definitio-
nem ein MI vor, wenn Troponin > 99 %-Perzentile einer gesunden Referenzpo-
pulation. Hierfür soll der verwendete Testassay eine Impräzision (VK) < 10 %
besitzen. Erhöhte Troponin-Konz. werden 2–6 h nach einem kardialen Ereignis
messbar. Dynamik u. Konz.-Verlauf helfen bei der Beurteilung des ACS.
• TnT 4. Generation: Nachweisgrenze 0,01 ng/ml, 10 % VK 0,03 ng/ml, Infarkt
bei > 0,03–0,05 ng/ml).
• Hochsensitives Troponin (hsTn): Nachweisgrenze 0,014 ng/ml, 10 % VK
0,013 ng/ml, MI bei > 0,03–0,05 ng/ml od. bei Anstieg (oder Abfall) der hsTn-
Werte innerhalb von 3 h. Bewertung: Klinische Sensitivität von hsTN zur Di-
agn. eines akuten MI ist insbes. in den ersten Stunden nach Symptombeginn
im Vergleich zu konventionellen Assays höher. Dies führt zur Verbesserung
der Frühdiagnose des akuten MI, sodass sowohl das Rule-out wie auch das
Rule-in des akuten MI in kürzerer Zeit, idealerweise innerhalb von max. 2–3 h,
zuverlässig erfolgen kann (▶ Abb. 3.6). Die höhere Sensitivität führt häufiger
zur Feststellung kardialer Nekrosen, die nicht durch einen akuten MI verur-
sacht sind. Erhöhte Tn-Werte müssen deshalb immer in Zusammenschau mit
allen klinischen Befunden, dem EKG sowie den übrigen Befunden beurteilt u.
mögliche DD eines erhöhten Tn-Werts berücksichtigt werden (▶ Tab. 3.15).
• Kinetik (▶ Abb. 3.11): Bei STEMI Tn-Anstieg im peripheren Blut nach 2–4 h.
Erhöhte Werte für bis zu 2 Wo. (Proteolyse des kontraktilen Apparats). Bei
NSTEMI geringe Anstiege für 48–72 h. Hohe Sensitivität der Troponine: bei
bis zu ⅓ der NSTEMI-Pat. pos. Tn-Nachweis trotz fehlendem CK-MB-Anstieg.
• Wegen verzögerter Kinetik bei initial neg. Tn Verlaufsmessungen nach 6–9 h
(3 h bei hsTn) od. nach erneuter A. p. (nicht nötig, falls letzte Schmerzepisode
vor mehr als 12 h [6 h bei hsTn]).
• Kardiale Troponine liefern wertvolle prognostische Information für das Kurz-
zeit- (30 Tage) u. Langzeitrisiko (1 J.) für Tod od. MI. Information unabhängig
von bzw. additiv zu anderen Risikoindikatoren (ST-Veränderungen, Entzün-
dungsmarker). Beitrag zur Verbesserung von Sensitivität u. Spezifität der In-
farktdiagn., der Risikostratifizierung u. der Wahl geeigneter Ther.-Verfahren.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 71

! Troponine sind nicht spezifisch für das Vorliegen einer KHK. Mögliche DD
für nichtkoronare Tn-Erhöhungen („scheinbar falsch-pos.“; ▶ Tab. 3.15). Im
Gegensatz dazu „echt falsch-pos.“ Messungen bei bestimmten Skelettmuske-
lerkr. u. chron. Niereninsuff. (Serum-Krea > 2,5 mg/dl [221 μmol/l]).
• Myoglobin: Bestimmung wegen fehlender Spezifität in der Routinediagn. bei
ACS nicht empfohlen.

Akuter Brustschmerz

hsTn < ULN hsTn > ULN

Schmerz > 6 h Schmerz < 6 h


3

hsTn nach 3 h wiederholen

hsTn Δ Veränderung hsTn TN stark


unverändert (1 Wert > ULN) unverändert erhöht +
klinisches
Bild

Schmerzfrei, Ausschluss
GRACE < 140, DD
DD ausgeschlossen

Entlassung, Invasives
Ischämienachweis Management

Abb. 3.6 Risikostratifizierung mithilfe des hochsensitiven Troponin-Tests (Tn =


Troponin, HsTn = hochsensitives Troponin) [X320; L157]

Tab. 3.15 Erkrankungen mit möglicher Troponin-Erhöhung


Schwere akute od. chronische Herzinsuffizienz
Aortendissektion, Aortenklappenerkr., HCM
Herzkontusion, Z. n. Ablationsbehandlung, herzchirurgischem Eingriff, Pacing, Kar­
dioversion od. Endomyokardbiopsie
Entzündliche Herzerkr. wie Myokarditis od. Myokardbefall bei Endokarditis, Peri­
karditis
Hypertensive Krise
Tachy- od. Bradykardie
Lungenembolie, schwere PAH
72 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.15 Erkrankungen mit möglicher Troponin-Erhöhung (Forts.)


Hypothyreose
Apical Ballooning (Tako-Tsubo-Sy.)
Chronische od. akute Niereninsuff.
Akute neurol. Erkr. wie Schlaganfall, Subarachnoidalblutung
Infiltrative Herzerkr. wie Amyloidose, Hämochromatose, Sarkoidose, Sklerodermie
Medikamententoxizität z. B. nach Adriamycin, 5-Fluorouracil, Herceptin, Schlangengift
Verbrennungstrauma (wenn > 30 % Körperoberfläche betroffen)
Rhabdomyolyse
Kritisch kranke Pat. bes. bei respiratorischer Insuff. u. Sepsis
3
Echokardiografie und nichtinvasive Bildgebung bei V. a. ACS
• Echo: schneller u. einfacher Nachweis einer LV-Dysfunktion (wichtiger prognos-
tischer Marker). Häufig gleichzeitige Detektion einer passageren od. permanen-
ten regionalen Wandbewegungsstörung als Hinweis für regionale Ischämie. DD
wie AS, Aortendissektion, Lungenembolie od. HCM können erkannt werden.
• Die Stressecho (alternativ: Stressszintigrafie) dient nach akuter Stabilisierung
des Pat. dem Nachweis objektiver Evidenzen für Ischämie.
• Stress-MRT: mit spezifischen KM Untersuchung von Ischämie u. Myokard-
vitalität unter Ruhe- u. Stressbedingungen.
• Koro: weiterhin die Standardmethode zur Untersuchung der Koronaranatomie.
• Schnittbildverfahren wie Ultrafast-CT od. -MRT: Wegen unzureichender
räumlicher Auflösung u. fehlender Möglichkeit zur direkten Intervention
kein Stellenwert bei hochgradigem Verdacht auf ACS, können jedoch für eine
„Rule-out“-Strategie bei geringem ACS-Verdacht od. zur differenzialdiagn.
Klärung bei unklarem Thoraxschmerz (Ausschluss Lungenembolie od. Aor-
tendissektion) hilfreich sein.

Differenzialdiagnosen bei V. a. ACS


Immer auch nach nichtkoronaren u. extrakardialen Ursachen der Thoraxbe-
schwerden fahnden! Kardiale od. nichtkardiale Erkr. können das Vorliegen eines
ACS vortäuschen u. müssen durch geeignete diagn. Maßnahmen ausgeschlossen
werden (▶ Tab. 3.16).

Tab. 3.16 Kardiale u. nichtkardiale Erkrankungen, die ein NST-ACS vortäu-


schen können
Kardial Pulmonal Hämato- Vaskulär Gastro­ Orthopädisch
logisch intestinal
• Myokardi­ • Lungen­ • Sichel­ • Aorten­ • Ösophagus­ • Zervikale
tis embolie zell­ dissek­ spasmus Diskopathie
• Perikarditis • Lungen­ an­ tion • Ösophagitis • Rippen­
• CMP infarkt ämie • Aorten­ • Peptisches fraktur
• Herzklap­ • Pneu­ aneurys­ Ulkus • Muskel­
penerkr. monie ma • Pankrea­ verletzung/
• Apical • Pleuritis • CoA titis Entzündung
­Ballooning • Pneumo­ • Zerebro­ • Cholezys­ • Kosto­
(Tako- thorax vask. titis chondritis
Tsubo-Sy.) ­Erkr.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 73

• Nichtkoronare Herzerkr. wie HCM, AoK-Erkr. können die typischen Sym­


ptome u. Befunde (EKG, Marker) eines ACS imitieren wie auch gleichzeitig
mit einer KHK auftreten.
• Eine entzündliche Herzmuskelerkr. (Perimyokarditis) mit EKG-Verän-
derungen u. Markeranstieg lässt sich häufig nur anhand des klinischen
Verlaufs od. durch Angio der Herzkranzgefäße von einem ACS unter-
scheiden.
• Unter den nichtkardialen Ursachen für Thoraxschmerzen müssen wegen
der großen prognostischen Bedeutung u. unterschiedlicher Ther. insbes. Lun-
genembolie u. Aortendissektion rasch diagnostiziert werden.

Risikostratifizierung und Bewertung der KHK-Wahrscheinlichkeit


Ein Risikoassessment von Pat. mit V. a. ACS hilft bei der Wahl der optimalen Be-
handlungsstrategie, liefert wichtige prognostische Informationen u. verbessert die 3
Kosteneffektivität der Ther., da evidenzbasierte Ther.-Verfahren den Pat. zukom-
men, die am meisten davon profitieren.
• Risikountersuchung mittels standardisierter Scores. Übliche Parameter der
Risikostratifizierung:
– Klinische Indikatoren: Alter, HF, RR, Killip-Klasse, Diab. mell., anamnes-
tisch Z. n. MI od. ACVB.
– EKG-Befund: ST-Segment-Depression.
– Labor- u. Markerstatus: Tn, GFR (Krea-Clearance, Cystatin C), BNP/NT-
proBNP, hsCRP.
– Angio-Befunde: LV-Funktion, Hauptstammbeteiligung, Koronaranato-
mie.
• Risikostratifizierung bei Aufnahme, nach 6–8 h, 12–24 h u. vor Entlas-
sung.
! Risiko bei Änderung der klinischen Situation neu einschätzen.
• Einschätzung der KHK-Wahrscheinlichkeit bei Pat. mit V. a. ACS
(▶ Tab. 3.17).
• Anamnestische Angaben u. klinische Befunde erlauben grobe Abschätzung
des Kurzzeitrisikos für Tod od. MI bei Pat. mit ACS:
– Hohes Risiko: Zunahme einer Ruhe-Angina-Symptomatik in den
letzten 48 h, lang anhaltende Beschwerden > 20 Min., Lungenstauung,
neue od. zunehmende MR, Hypotonie, Brady-, Tachykardie,
> 75 J.; Angina in Ruhe mit transienten ST-/T-Veränderungen, neu
aufgetretenem Schenkelblock, anhaltender VT, deutlich erhöhtem Tn
> 0,1 ng/ml.
– Intermediäres Risiko: MI in der Vorgeschichte, peripher- od. zerebrovask.
Erkr., koronare Bypass-OP, ASS-Ther., Ruhe-Angina < 20 Min., NTG-
pos. Angina, > 70 J., T-Wellen-Inversion, pathologische Q-Zacken, leicht
erhöhtes Tn > 0,01–max. 0,1 ng/ml.
– Niedriges Risiko: in den letzten 2 Wo. neu aufgetretene Angina CCS
III od. IV ohne längere Ruhe-Angina-Episoden, EKG in Ruhe od. bei
Beschwerden nicht verändert, Troponin nicht erhöht.
74 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.17 Wahrscheinlichkeit einer KHK bei Thoraxschmerzen


Hoch Mittel Niedrig
• Typische A. p. • Fragliche A. p. • Atypische Thorax­
• Reversible ST-Senkungen • Persistierende EKG-Verän­ schmerzen
• Reversible T-Wellen-Ver­ derungen • Normales EKG
änderungen • Bekannte KHK • ≤ 1 RF1
• ≥ 2 RF1
1
 RF: familiäre Belastung, Hypercholesterinämie, Diab. mell., Hypertonie, Rauchen,
Männer > 60 J., Frauen > 70 J.

Tab. 3.18 Mortalität im Krankenhaus u. nach 6 Mon. bei ACS-Register-Pat. in


Abhängigkeit vom GRACE-Risikoscore (Kalkulation: http://www.outcomes.
3 org/grace)
Risikokategorie (Tertilen) GRACE-Risikoscore Mortalität (%)

Inhospital-Mortalität
Niedrig ≤ 108 <1
Intermediär 109–140 1–3
Hoch > 140 >3
6-Mon.-Mortalität nach Entlassung
Niedrig ≤ 88 <3
Intermediär 89–118 3–8
Hoch > 118 >8

Verschiedene Risikoscores dienen der Vorhersage des individuellen Risikos für


ischämische Ereignisse. Neben den TIMI-Risikoscores wird wegen seiner bes.
guten Trennschärfe der aus dem Global Registry of Acute Coronary Events ab-
geleitete GRACE-Score am häufigsten verwendet. Wegen seiner Komplexität
kann er nur computergestützt od. online (http://www.outcomes.org/grace) be-
stimmt werden.
Unterschiedlich gewichtete Parameter (Alter, RR, Puls, Nierenfunktion,
Herzinsuff.-Zeichen, Z. n. Herzstillstand, ST-Segment ↑, kardiale Marker ↑) bil-
den ein komplexes Risikomodell mit 3 Risikogruppen (▶ Tab. 3.18), jeweils für
Inhospital- u. 6-Mon.-Mortalität.

Praktische Hinweise zur Diagnosestrategie bei V. a. ACS


• Grundsatz: Verdachtsdiagnose (u. Ind. zur Reperfusionsther.) wird an-
hand der Beschwerden u. dem initialen EKG-Befund gestellt.
• Kardiale Marker (insbes. Tn) können hilfreich sein, wenn MI nach Kli-
nik u. EKG nicht bewiesen.
• CK, GOT, LDH, HBDH: zur nachträglichen Bestätigung der Infarktdia­
gnose u. zur Abschätzung von Infarktgröße u. Zeitpunkt. 2 normale CK-
Werte binnen 6 h nach Einlieferung (bzw. Myoglobin, Troponin 2 × bin-
nen 4 h) schließen einen MI weitgehend aus.
• Immer auch an Perikarditis u. Aortendissektion denken.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 75

3.5.2 Basis der medikamentösen Behandlung der ACS


Ziele und Grundsätze der Behandlung der ACS
• Beseitigung der Symptomatik des Pat.,
• Verhinderung des Auftretens od. Fortschreitens eines MI u. dadurch Verhin-
derung kardiovask. Todesfälle,
• Im Fall eines Infarkts Erhaltung der myokardialen Vitalität durch rasche Re-
perfusion,
• Verhinderung od. Behandlung von mit dem ACS zusammenhängenden KO,
• Prävention erneuter kardiovask. Ereignisse im Langzeitverlauf nach einem
isch­ämischen Ereignis.
Antikoagulation u. antithrombozytäre Ther. stehen an erster Stelle, da diese Maß-
nahmen direkt in die Pathophysiologie der ACS eingreifen. Antiischämische u.
kardioprotektive Maßnahmen ergänzen das therap. Spektrum. 3
Antikoagulation, Antithrombintherapie
Thrombin ist eine zentrale Substanz in der Pathogenese der ischämischen Syndro-
me, da es zum einen das Schlüsselenzym in der Gerinnungskaskade mit nachge-
schalteter Fibrinbildung darstellt, zum anderen als sehr potenter Thrombozyten-
aktivator wirkt. Thrombinantagonisten verhindern die Thrombinbildung u. redu-
zieren dadurch thromboseassoziierte Ereignisse. Additive Effekte sind bei Komb.
mit antithrombozytärer Ther. zu erreichen.

Blutungskomplikationen sind die gemeinsame NW aller Antikoagulanzien.

Verschiedene Substanzen wirken an unterschiedlichen Punkten der Gerinnungs-


kaskade:
• UFH (z. B. Liquemin®): indirektes Antithrombin, wirkt nur im Komplex mit
Antithrombin III. Nachteile: schwer abschätzbare Pharmakokinetik u. enges
therap. Fenster, deshalb engmaschiges Monitoring der aPTT nötig. Dos.: Bolus
mit 60–70 IE/kg KG (max. 5.000 IE) i. v., dann als Perfusor: (10.000 IE/50 ml
NaCl 0,9 %) 12–15 IE/kg KG/h (max. 1.000 IE/h = 5 ml/h). Ziel: aPTT 1,5–2,5
der oberen Normgrenze (50–75 s). Nicht indiziert bei Einnahme von Vit.-K-
Antagonisten u. INR > 3. NW: erhöhtes Risiko einer HIT, Thrombozytenakti-
vierung.
• NMH: besser vorhersagbare Pharmakokinetik als UFH, geringeres Risiko ei-
ner HIT, geringere Plättchenaktivierung. NMH, insbes. Enoxaparin, waren in
einigen Studien hinsichtlich der Verhinderung von Tod od. Infarkt UFH
marginal überlegen, hinsichtlich Blutungsrisiko gleichwertig. Vorteile: einfa-
chere Anwendung (2×/d s. c.), einfacheres Monitoring. Dos.: Enoxaparin
(Clexane®) 1,0 mg/kg KG alle 12 h, Dalteparin (Fragmin®) 120 IE/kg KG s. c.,
max. 10.000 IE alle 12 h, Nadroparin (Fraxiparin®) 86 IE/kg KG s. c. alle 12 h;
bei Hochrisiko-Pat. ggf. mit initialem i. v. Bolus (Enoxaparin: 0,3 mg/kg KG).
Dos. nach KG od. (bei Niereninsuff., Adipositas) durch Messung der Anti-
Xa-Aktivität (therap. Bereich 0,6–1,0 IE/ml). KI: Niereninsuff. mit Krea-Clea-
rance < 30 ml/Min.
! Eine formelle Arzneimittelzulassung für NMH für die Ind. STEMI besteht
zurzeit nicht.
• Fondaparinux (Arixtra®): selektiver Faktor-Xa-Inhibitor. Keine HIT-Induk-
tion. Vergleichbare Effektivität wie Enoxaparin (OASIS-5), jedoch bis 50 %
76 3 Koronare Herzkrankheit 

weniger relevante Blutungen (im Endeffekt Prognosevorteil!). Dos.:


1 × 2,5 mg/d s. c.; weder Dosisanpassung noch Monitoring nötig. Keine In-
duktion einer HIT. KI: Niereninsuff. mit Krea-Clearance < 30 ml/Min.
! Wegen Thrombusbildung an Kathetern bei invasiver Diagn. zusätzlich Bolus-
gabe von UFH (60–100 IE/kg KG) empfohlen.
• Bivalirudin (Angiox®): direkter Thrombinhemmer. Keine HIT-Induktion. In
ACUITY gleiche Effektivität bei geringerer Blutungsrate wie die Komb. aus
UFH bzw. NMH plus GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist. Dos.: bei ACS Bolus
0,1 mg/kg KG, dann 0,25 mg/kg KG/h (max. 72 h). Falls PCI unter laufender Bi-
valirudin-Ther. geplant, zusätzlich Bolus 0,5 mg/kg KG u. Erhöhung der i. v.
Dosis auf 1,75 mg/kg KG/h bis zum Ende der Intervention. Zurzeit indiziert als
alternatives Antikoagulans bei dringlicher od. elektiver PCI od. (wie Hirudin,
Agatroban) bei HIT mit thrombotischen KO. Monitoring mit aPTT od. ACT
3 möglich, jedoch nur nötig bei unklarer Pharmakokinetik (Niereninsuff.).
Antikoagulation während PCI bei ACS:
• Akute PCI bei ACS: Standard: UFH 70–100 IE/kg KG bei Monother. od. 50–
60 IE/kg KG bei gleichzeitiger Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
als Bolus. Prozedur > 1 h: erneut 1.500–2.000 IE. Monitoring der Heparinwir-
kung mit ACT wird empfohlen (Zielbereich: 200–250 s bei Komb. mit GP-
IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bzw. 250–350 s bei Monother. mit UFH).
• Bivalirudin ist gleichwertiger Ersatz für UFH, insbes. für Pat. mit HIT od. er-
höhter Blutungsneigung u. geplanter PCI. Provisionelle Komb. mit GP-IIb/
IIIa-Rezeptorantagonisten ist mit einem der Komb. UFH + GP-IIb/IIIa-Re-
zeptorantagonist vergleichbaren Blutungsrisiko möglich. Dos.: Bolus
0,75 mg/kg KG, dann 1,75 mg/kg KG/h bis Ende der PCI od. max. 4 h danach;
bei weiterbestehender klin. Notwendigkeit reduzierte Dosis von 0,25 mg/
kg KG/h für max. 12 h möglich. Nachteil: deutlich höhere Kosten als UFH.
• Bei Vorbehandlung mit Enoxaparin in therap. Dosis (1 mg/kg KG) kein zu-
sätzliches Heparin nötig, wenn PCI innerhalb 6–8 h nach Enoxaparin-Gabe
erfolgt. Bei späterer Gabe sollte ein zusätzlicher i. v. Bolus von 0,3 mg/kg KG
Enoxaparin gegeben werden. Wechsel von NMH auf UFH möglichst vermei-
den: Erhöhtes Blutungsrisiko.
• Bei Vorbehandlung mit Fondaparinux zur PCI ein Standardbolus UFH (60–
100 IE/kg KG). Vermehrt Thrombusbildung an den Kathetern unter Fonda-
parinux allein. Komb. führt zu keiner erhöhten Blutungsrate.

Antikoagulation bei ACS: Empfehlungen der ESC 2011


• Alle Pat. sollten zusätzlich zur antithrombozytären Ther. eine Antikoagu-
lation erhalten (I–A).
• Die Auswahl der Antikoagulanzien sollte sowohl das Risiko für ischämi-
sche Ereignisse als auch das Blutungsrisiko u. das Effektivitäts-Sicher-
heits-Profil der verwendeten Substanz berücksichtigen (I-C).
• Fondaparinux (2,5 mg/d s. c.) wegen sehr günstigem Effektivitäts-Sicher-
heits-Profil (I-A) empfohlen.
• Nach initialer Ther. mit Fondaparinux zusätzlicher i. v. Bolus UFH (85 IE/
kg KG, Anpassung nach ACT bzw. 60 IE/kg KG bei gleichzeitiger Gabe ei-
nes GP-IIb/IIIa-Inhibitors) zum Zeitpunkt einer PCI (I-B).
• Enoxaparin (2 × 1 mg/kg/d), wenn Fondaparinux nicht verfügbar (I-B).
• UFH (Ziel aPTT 50–70 s) od. andere NMH (in spezifischer Dosis), wenn
Fondaparinux u. Enoxaparin nicht verfügbar (I-C).
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 77

• Bivalirudin plus bedarfsweise GP-IIb/IIIa-Inhibitor als Alternative zu


UFH plus GP-IIb/IIIa-Inhibitor bei Pat. mit geplanter dringlicher od. früh
invasiver Strategie, bes. bei hohem Blutungsrisiko (I-B).
• Bei rein kons. Ther. Aufrechterhaltung der Antikoagulation bis zur Kran-
kenhausentlassung empfohlen (I-A).
• Beendigung der Antikoagulation nach einer invasiven Prozedur empfoh-
len, falls nicht aus anderem Grund indiziert (IIa-C).
• Crossover zwischen UFH u. NMH ist nicht empfehlenswert (III-B).

Antithrombozytäre Therapie
Die zentrale Rolle der Thrombozytenaktivierung in der Pathophysiologie der ACS
erfordert zwingend eine effektive u. konsequente antithrombozytäre Ther. sowohl
in der akuten als auch in der chron. Phase nach ACS. Mögliche Angriffspunkte: 3
Hemmung der COX-1 mit ASS, Hemmung des P2Y12-Rezeptors mit Thienopyridi-
nen (Clopidogrel, Prasugrel) bzw. Ticagrelor u. Fibrinrezeptorhemmung durch GP-
IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (Tirofiban, Eptifibatide, Abciximab; ▶ Tab. 3.19).

Tab. 3.19 Dosierungen der wichtigsten gerinnungshemmenden


­Medikamente (nach ESC 2011)
Medikament Dosis

Orale antithrombozytäre Therapie


ASS Initial 150–300 mg nichtenteral (i. v. od. s. l., Tbl. zerkauen lassen),
dann 75–100 mg/d p. o.
Clopidogrel Initial 300 mg (600 mg, wenn schneller Ther.-Beginn erwünscht)
p. o., dann 75 mg/d p. o. (eventuell erhöhte Erhaltungsdosis von
150 mg/d p. o. in der ersten Behandlungswo.)
Prasugrel Initial 60 mg, dann 10 mg/d bzw. 5 mg/d bei Alter > 75 J. (rel. KI) od.
KG < 60 kg
Ticagrelor Initial 180 mg, dann 2 × 90 mg/d
Antikoagulanzien
Fondaparinux1 2,5 mg/d s. c.
Enoxaparin1 1 mg/kg KG s. c. alle 12 h
Dalteparin1 120 IE/kg KG alle 12 h
Nadroparin1 86 IE/kg KG alle 12 h
UFH Initial Bolus 60–70 IE/kg KG (max. 5.000 IE) i. v., gefolgt von
12–15 IE/kg KG/h (max. 1.000 IE/h) Infusion, titriert nach aPTT (Ziel
1,5–2,5 × Kontrollwert)
Bivalirudin1 Initial Bolus 0,1 mg/kg KG i. v. gefolgt von 0,25 mg/kg KG/h. Bei PCI
zusätzlich Bolus 0,5 mg/kg KG u. Erhöhung der Infusionsrate auf
1,75 mg/kg KG/h bis Ende PCI
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten1
Abciximab Initial Bolus 0,25 mg/kg KG i. v., gefolgt von 0,125 μg/kg KG/Min.
(max. 10 μg/Min.) für 12(–24) h
Eptifibatide Initial Bolus 180 μg/kg KG i. v. (bei PCI zweiter Bolus nach 10 Min.),
gefolgt von 2,0 μg/kg KG/Min. für 18–max. 72–96 h
78 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.19 Dosierungen der wichtigsten gerinnungshemmenden


­Medikamente (nach ESC 2011) (Forts.)
Medikament Dosis

GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten1
Tirofiban 0,40 μg/kg KG/Min. i. v. für 30 Min., gefolgt von 0,10 μg/kg KG/Min.
für 12–max. 48–96 h
Restore-Schema: Bolus 10 μg/kg KG (3 Min.), gefolgt von 0,15 μg/
kg KG/Min. für 36 h
Hochdosisprotokoll: Bolus 25 μg/kg KG, gefolgt von 0,15 μg/kg KG/
Min. für 18 h
1
 Dos. gelten bei normaler Nierenfunktion. Gesonderte Dosisempfehlungen bei ein­
geschränkter Nierenfunktion (▶ Tab. 3.20).
3
Tab. 3.20 Dosierungen gerinnungshemmender Medikamente bei
­eingeschränkter Nierenfunktion
Medikament Dosis

Antikoagulanzien
Fondaparinux KI bei Krea-Clearance < 30 ml/Min.
Enoxaparin KI bei Krea-Clearance < 30 ml/Min.
0,5 mg/kg KG s. c. alle 12 h bei Krea-Clearance 30–50 ml/Min. Kon­
trolle mittels Anti-Xa-Spiegel
UFH Titration nach ACT bzw. aPTT (Ziel 1,5–2,5 × Kontrollwert)
Bivalirudin Bolus unverändert. PCI-Infusionsrate von 1,4 mg/kg KG/h bei Krea-
Clearance 30–59 ml/Min., KI bei Krea-Clearance < 30 ml/Min. bzw.
Dialysepflichtigkeit.
ACT-Kontrolle empfohlen!
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
Abciximab Keine Dosisanpassung
Eptifibatide Bolus unverändert, Infusionsrate 1,0 μg/kg KG/Min. bei Krea-Clea­
rance 30–50 ml/Min.
KI bei Krea-Clearance < 30 ml/Min.
Tirofiban Bolus unverändert, Infusionsrate 0,05 μg/kg KG/Min. bei Krea-Clea­
rance < 30 ml/Min.

• ASS: Irreversibler COX-1-Hemmer. Dos.: 150–300 mg i. v. (z. B. Aspisol®) so


früh wie möglich (prästationär). Alternativ: 300 mg ASS s. l. (Tbl. zerkauen
lassen). Fortführung mit 75–100 mg ASS (z. B. Aspirin protect® 100) p. o. zeit-
lebens. NW: gastrointestinale Intoleranz bei 5–40 %, gastrointestinale Blutun-
gen ca. 1 %, Hypersensitivität: Verschlechterung einer COPD; Exanthem od.
andere Hauterscheinungen bei 0,2–0,7 %; selten anaphylaktischer Schock. Bei
ASS-Unverträglichkeit Clopidogrel od. Ticlopidin.
• P2Y12-Inhibitoren: neben den seit längerem bekannten Thienopyridinen
wurden in letzter Zeit neue Substanzen mit unterschiedlichen pharmakologi-
schen Eigenschaften entwickelt. Bzgl. der klinisch relevanten Substanzen
▶ Tab. 3.21.
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 79

Tab. 3.21 P2Y12-Inhibitoren


Clopidogrel Prasugrel Ticagrelor
Klasse Thienopyridine Thienopyridine Triazolopyrimidine
Reversibilität Irreversibel Irreversibel Reversibel
Aktivierung Prodrug, durch Me­ Prodrug, nicht Aktive Substanz
tabolismus beein­ durch Metabolis­
flusst mus beeinflusst
Wirkbeginn 2–4 h 30 Min. 30 Min.
Wirkdauer 3–10 Tage 5–10 Tage 3–4 Tage
Absetzen vor chir- 5 Tage 7 Tage 5 Tage
urgischen Eingrif-
fen 3
• Thienopyridine: Irreversible Hemmstoffe des P2Y12-ADP-Rezeptors:
– Clopidogrel (Iscover®, Plavix®): Initialdosis 4–8 Tbl. = 300–600 mg, Er-
haltungsdosis 75 mg/d p. o. (nach der CURRENT-OASIS-7-Studie erhöhte
Erhaltungsdosis von 150 mg/d p. o. in der ersten Behandlungswo. empfeh-
lenswert).
– Ticlopidin (z. B. Tyklid®): Initialdosis 2 Tbl. = 500 mg, Erhaltungsdosis
2 × 250 mg/d p. o. Kontrolle von Thrombos u. weißem BB.
– Prasugrel (Efient®): Initialdosis 60 mg, Erhaltungsdosis 10 mg/d. p. o.
Pat. ab 75 J.: Behandlung nicht empfohlen od. nach individueller Nutzen-
Risiko-Abschätzung reduzierte Erhaltungsdosis von 5 mg/d. KG < 60 kg:
reduzierte Erhaltungsdosis von 5 mg/d. Keine Dosisanpassung bei Nieren-
insuff., leichter bis mäßiger Leberfunktionsstörung.
Indiziert in Komb. mit ASS zur Prävention atherothrombotischer Ereig-
nisse bei Pat. mit ACS (d. h. instabiler A. p., NSTEMI od. STEMI mit
primärer od. verzögerter PCI).
– Thienopyridine primär als Ersatz für ASS bei ASS-Unverträglichkeit,
meist jedoch in Komb. mit ASS für 9–12 Mon. nach ACS (CURE-Studie)
od. Stent-Implantation. Bei Komb. im Vergleich zu ASS allein mäßig er-
höhte Rate schwerer Blutungen (3,7 vs. 2,7 % in CURE), Rate lebensbe-
drohlicher Blutungen gleichbleibend. Blutungen insbes. bei dringlicher
ACVB-OP, das unter Clopidogrel dann erhöhte Blutungsrisiko normali-
siert sich innerhalb 5 Tagen nach Absetzen.
– Bei geplanter invasiver Strategie u. Verwendung von Clopidogrel: mög-
lichst frühzeitige Sättigung (mit 600 mg) der verzögerten Behandlung
nach Angio überlegen (verzögerter Wirkungseintritt), da die meisten isch­
ämischen Ereignisse sich in der frühen Phase ereignen.
• Neu: P2Y12-Antagonisten (Ticagrelor, Cangrelor, AZD6140): höhere Rezep-
toraffinität, schnellerer Wirkungseintritt u. vorhersehbarere Pharmakokine-
tik. Reversible Rezeptorhemmung.
Ticagrelor (Brilique®): initial 180 mg, dann 2 × 90 mg/d p. o.
Ältere Pat., eingeschränkte Nierenfunktion u. leichte Leberfunktionsstörung:
keine Dosisanpassung erforderlich.
Indiziert in Komb. mit ASS zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse
bei erwachsenen Pat. mit ACS, u. zwar sowohl bei med. behandelten Pat. als
auch bei Pat., bei denen eine PCI od. eine CABG durchgeführt wurde.
80 3 Koronare Herzkrankheit 

• GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten: Hemmstoffe des Fibrinrezeptors, der ge-


meinsamen Endstrecke der Thrombozytenaktivierung. Ind.: zusätzlich zu ASS
u. UFH bei Pat. mit wiederholter Myokardischämie, Hochrisiko-Pat. od. ge-
planter PCI:
– Primär kons. Ther.: kein signifikanter zusätzlicher Effekt im Vergleich zu
Standardther., jedoch erhöhtes Blutungsrisiko.
– Zusätzliche Reduktion ischämischer Ereignisse bei Diabetikern u. bei pri-
mär invasiver Strategie.
– Primär invasive Strategie: Präinterventionelle Upstream-Gabe führt ins-
bes. bei nicht mit Clopidogrel vorbehandelten Pat. zur signifikanten Re-
duktion ischämischer Ereignisse. Alternativ: selektive Gabe unmittelbar
vor einer PCI zu empfehlen.
– Alle GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten spätestens zu Beginn einer ACVB-
3 OP absetzen.
– Bei exzessiver Blutung: Transfusion von Thrombozytenkonzentraten u./
od. Gabe von Fibrinogen (z. B. FFP) nötig.
– Substanzen u. Dos.:
Abciximab (ReoPro® ▶ 11.8.3): Bolus 0,25 mg/kg KG i. v., Erhaltungsdo-
sis: 0,125 μg/kg KG/Min. i. v. (max. 10 μg/Min.) über 12–24 h. Einsatz v. a.
vor PCI. NW: Thrombopenie 1,5 %.
Eptifibatide (Integrilin® ▶ 11.8.3): Bolus 180 μg/kg KG i. v. (Wdh. bei ge-
planter PCI nach 10 Min.), Erhaltungsdosis: 2,0 μg/kg KG/Min. über 18
bis max. 72–96 h.
Tirofiban (Aggrastat® P ▶ 11.8.3): Bolus 0,4 μg/kg KG/Min. i. v. über
30 Min., Erhaltungsdosis: 0,1 μg/kg KG/Min. über 12 bis max. 48–96 h.
Alternativ: Hochdosis-Regime Bolus 25 μg/kg KG, dann 0,15 μg/kg KG/
Min. NW: selten Thrombopenie.

Merksätze antithrombozytäre Therapie bei ACS (ESC bzw. DGK 2011)


• Alle Pat. ohne KI sollten ASS mit einer Initialdosis von 150–300 mg u. ei-
ner Erhaltungsdosis von 75–100 mg/d auf Dauer u. unabhängig von der
ansonsten gewählten Behandlungsstrategie erhalten (I-A).
• Ein P2Y12-Inhibitor sollte der Medikation mit ASS alsbald möglich
hinzugefügt u. über 12 Mon. beibehalten werden, falls KI wie z. B. ein
stark erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt (I-A).
• Ein Protonenpumpenhemmer (vorzugsweise nicht Omeprazol) wird in
Komb. mit dualer TAH bei Pat. mit zurückliegender gastrointestinaler
Blutung od. Ulkus empfohlen u. ist bei Pat. mit mehreren RF (Helicobac-
ter-pylori-Infektion, Alter ≥ 65 J., gleichzeitige Einnahme von Antikoagu-
lanzien od. Steroiden) angebracht (I-A).
• Längerfristiges od. permanentes Absetzen von P2Y12-Inhibitoren inner-
halb von 12 Mon. nach dem Indexereignis ist nicht zu empfehlen, wenn es
nicht klinisch erforderlich ist (I-C).
• Ticagrelor (180 mg Startdosis, dann 2 × 90 mg/d) ist bei allen Pat. mit mo-
deratem bis hohem Risiko ischämischer Ereignisse (z. B. erhöhtes Tn)
empfohlen, unabhängig von der initialen Behandlungsstrategie, u. auch
bei Pat., die mit Clopidogrel vorbehandelt sind (Clopidogrel sollte abge-
setzt werden, wenn Ticagrelor begonnen wird; I-B).
• Prasugrel (60 mg Startdosis, dann 10 mg/d) ist bei allen Pat. empfohlen, die
nicht mit P2Y12-Inhibitoren vorbehandelt sind (v. a. bei Pat. mit Diabetes),
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 81

deren Koronaranatomie bekannt ist u. die einer PCI zugeführt werden,


wenn kein hohes Risiko lebensbedrohlicher Blutungen od. andere KI beste-
hen (I-B).
• Clopidogrel (300 mg Startdosis, dann 75 mg/d) ist bei Pat. empfohlen, die
kein Ticagrelor od. Prasugrel erhalten können (I-A).
• Eine Startdosis von 600 mg Clopidogrel (oder eine zusätzliche Dosis von
300 mg zum Zeitpunkt der PCI nach einer initialen Startdosis von 300 mg)
ist bei Pat. empfohlen, die einer invasiven Strategie zugeführt werden u.
die kein Ticagrelor od. Prasugrel erhalten können (I-B).
• Eine erhöhte Erhaltungsdosis von 150 mg/d Clopidogrel sollte während
der ersten 7 Tage bei Pat. erwogen werden, die mittels PCI behandelt wur-
den u. bei denen kein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt (IIa-B).
• Eine erhöhte Erhaltungsdosis von Clopidogrel auf der Basis von Throm- 3
bozytenfunktionstests ist nicht als Routine indiziert, kann aber in ausge-
wählten Fällen erwogen werden (IIb-B).
• Genotypisierung u./od. Thrombozytenfunktionstests können bei Clopido-
grel-Ther. im Einzelfall erwogen werden (IIb-B).
• Bei Pat. unter Behandlung mit P2Y12-Inhibitoren, die sich einem elektiven
großen chirurgischen Eingriff unterziehen müssen (einschließlich ACB-
OP), sollte erwogen werden, die OP für zumindest 5 Tage nach Absetzen
von Ticagrelor u. Clopidogrel sowie für zumindest 7 Tage nach Absetzen
von Prasugrel zu verschieben, falls klinisch möglich u. falls der Pat. nicht
ein hohes Risiko für ischämische KO aufweist (IIa-C)
• Der (Wieder-)Beginn einer Ther. mit Ticagrelor od. Clopidogrel sollte
nach ACB-OP so schnell wie sicher möglich geplant werden (IIa-B).
• Die Komb. von ASS mit NSAR (selektive COX-2-Inhibitoren u. nichtse-
lektive NSAR) ist nicht empfohlen (III-C).

Resistenz gegen antithrombozytäre Substanzen und


Medikamenteninteraktionen
Das Ansprechen sowohl auf ASS als auch auf Clopidogrel weist eine sehr ausge-
prägte Variabilität auf. Daneben können Medikamenteninteraktionen zur Un-
wirksamkeit einer antithrombozytären Ther. beitragen.
ASS
• 3 mögliche Faktoren für ASS-Resistenz: transiente COX-2-Expression in ju-
gendlichen Thrombos, Thromboxan-A2-Quellen außerhalb der Thrombos,
Interferenz mit NSAR.
• NSAR wie Ibuprofen interferieren bei COX-1-Inaktivierung durch Kompeti-
tion mit ASS an der Bindungsstelle. Gilt nicht für selektive COX-2-Hemmer.
Trotzdem führen beide Substanzgruppen bei Pat. mit ACS zu erhöhten Raten
ischämischer Ereignisse.
Clopidogrel
• Inaktive Prodrug, hepatischer Aktivierungsprozess durch Oxidation über
CYP450.
• Standarddosis führt zur 30–50-prozentigen Hemmung der ADP-induzierten
Plättchenaggregation. Auch intraindividuell sehr variables Ausmaß der Hem-
mung (zahlreiche Interaktionen bei Aktivierung u. Inaktivierung).
82 3 Koronare Herzkrankheit 

• Unzureichendes Ansprechen auf Standarddosis bei 4–30 % der Pat. Klinische


Bedeutung unklar, jedoch zunehmend Hinweise auf gehäuftes Auftreten kar-
diovask. Ereignisse bei Pat. mit Clopidogrel-Resistenz.
• Einige Statine, z. B. Atorvastatin, interagieren mit der Aktivierung von Clopi-
dogrel; klinische Relevanz nicht bekannt.
Prasugrel (Quelle: Arznei-Telegramm 4/09)
• Inaktive Prodrug; aktiver Metabolit wird durch CYP-Enzyme gebildet, dar-
unter v. a. CYP3A4 u. 2B6, weniger 2C9 u. 2C19.
• Aktiver Metabolit hemmt ADP-vermittelte Thrombozytenaktivierung u. -ag-
gregation über die irreversible Bindung an den P2Y12-Rezeptor
• Eine Aufsättigungsdosis von 40 od. 60 mg Prasugrel führt schneller zu einer
stärkeren Plättchenhemmung als Clopidogrel.
3 • Erniedrigter Spitzenspiegel des aktiven Metaboliten bei Komedikation mit
Säurehemmern (H2-Blockern od. Protonenpumpenhemmern) od. mit poten-
tem CYP-3A4-Hemmer.
Ticagrelor (Quelle: Arznei-Telegramm 1/11)
• Aktive Wirksubstanz.
• Selektiver u. reversibler ADP-Rezeptorantagonist am P2Y12-ADP-Rezeptor.
• Die Thrombozytenaggregation wird ähnlich schnell u. stark gehemmt wie un-
ter Prasugrel, aber stärker u. schneller als unter Clopidogrel. 2 h nach einer
Aufsättigungsdosis wird bei 90 % der Pat. eine 70-prozentige Hemmung er-
reicht.
• Starke CYP3A4-Inhibitoren, z. B. Clarithromycin, Ketoconazol u. Ritonavir,
kontraindiziert, Dosishalbierung von Ticagrelor bei mäßigen CYP3A4-Inhi-
bitoren wie Diltiazem; starke CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Phenytoin
u. Carbamazepin führen zur Wirkabschwächung.
• Ticagrelor selbst hemmt CYP3A4 schwach, CYP2C9 mäßig u. CYP3A5 stark.
Unter Ticagrelor erhöhte Plasmaspiegel von Simvastatin u. Lovastatin schei-
nen bei Standarddosierungen bis 40 mg/d sicher. Metabolismus von
­Atorvastatin u. oralen Antikontrazeptiva ist nicht relevant verändert;
• Als Inhibitor des p-Glykoprotein kann Ticagrelor den Digoxinspiegel erhöhen.
Vorzeitige Beendigung der antithrombozytären Therapie
• Die zeitweise Unterbrechung od. Beendigung der dualen antithrombozytären
Ther. innerhalb der ersten 12 Mon. nach ACS wird nicht empfohlen.
• Zeitweise Unterbrechung kann zwingend nötig sein bei lebensbedrohlichen
Blutungen od. chirurgischen Eingriffen, bei denen auch geringe Blutungen zu
schweren Konsequenzen führen können (Gehirn, Rückenmark).
• Längere od. permanente Unterbrechung der Ther. mit ASS, Clopidogrel od.
beiden nur bei klarer klinischer Indikation. Individuelle Risikoabwägung un-
ter Berücksichtigung von Ischämierisiko, Art u. Dauer der Behandlung, Typ
eines implantierten Stents u. Zeit seit dem Eingriff.
Management von Blutungskomplikationen
• Abschätzung des Blutungsrisikos ist wichtige Komponente der Ther.-Pla-
nung. Erhöhtes Blutungsrisiko bei hohen Dos. antithrombotischer Substan-
zen, langer Behandlungsdauer, Komb. od. Wechsel mehrerer antithromboti-
scher Substanzen, höherem Lebensalter, reduzierter Nierenleistung, geringem
KG, weibl. Geschlecht, niedrigem basalem Hkt u. invasiven Prozeduren
(▶ Tab. 3.12).
 3.5 Akutes Koronarsyndrom – ACS 83

• Wahl der Behandlungsstrategie inkl. der Zugangswege für invasive Prozedu-


ren sowie der verwendeten Medikamente bzw. Medikamentenkomb. auf ein
evtl. erhöhtes Blutungsrisiko abstimmen.
• Bei geringfügigen Blutungen vorzugsweise keine Unterbrechung der anti-
thrombozytären Ther.
• Schwerwiegende, nicht durch spezifische hämostatische Maßnahmen be-
herrschbare Blutungen können die Unterbrechung u./od. Antagonisierung
sowohl der Antikoagulation als auch der antithrombozytären Ther. erfordern.
• Individuelle Ind.-Stellung für Bluttransfusionen, sie können das Outcome
weiter verschlechtern. Grenzwerte bei hämodynamisch stabilen Pat. Hkt von
25 % od. Hb von 8 g/l.
Thrombozytopenie unter antithrombozytärer Therapie
Eine Thrombozytopenie liegt vor bei Abfall der Thrombo-Zahl < 100.000/μl od. 3
um > 50 % des Ausgangswerts. Sie gilt als mäßig bei Werten zwischen 20.000 u.
50.000/μl, als schwer bei < 10.000/μl.
Typische Auslöser können sein:
• UFH od. NMH: leichter Abfall bei bis zu 15 % 1–4 Tage nach Ther.-Beginn.
Schwerer Abfall (> 50 %) durch HIT typischerweise 5–14 Tage nach Ther.-Be-
ginn bei 0,1–5 %. Gegenmaßnahme: sofortige Beendigung der Heparinther.
u. alternative Antikoagulation mit direkten Thrombinhemmern (Hirudin,
Agatroban, Bivalirudin) od. Danaparoid (Orgaran®).
• GP-IIb/IIIa-Inhibitoren: in 0,5–5,6 %, insbes. nach Abciximab. Thrombo-
Kontrolle 8 h nach Beginn einer GP-IIb/IIIa-Inhibitoren-Ther. empfohlen.
Thrombozytopenie meist asymptomatisch. Bei schwerer Thrombozytopenie
Beendigung der Ther., bei Blutung Thrombo-Transfusion u./od. Fibrinogen-
substitution mit FFP.

Antiischämische Substanzen
Reduktion des myokardialen O2-Verbrauchs durch HF-Reduktion, RR-Senkung,
neg. Inotropie u./od. Vasodilatation.
• Betablocker: ohne ISA, z. B. 1–5 (in Einzelfällen –15) mg Metoprolol (Beloc®)
langsam i. v., dann 50–100 (max. 200) mg/d (z. B. Beloc-Zok mite® od. Beloc-
Zok® 2 × 1 Tabl.). I. v. Gabe des Betablockers v. a. bei Pat. mit rekurrierenden
Beschwerden, p. o. Gabe bei asymptomatischen Pat. Ziel-HF 50–60/Min. KI:
Asthma bronchiale, COLD, AV-Block II° u. III°, RR systol. < 100 mmHg, Bra-
dykardie < 55/Min., akute Herzinsuffizienz.
• Nitrate: Nitro-Perfusor bei systol. RR > 100 mmHg: 50 mg Nitro/50 ml NaCl
0,9 % auf 0,5–5 ml/h nach RR. Bei Pat. mit gesichertem MI in den ersten 48 h,
bei Herzinsuff., großem MI, persistierender Ischämie u. art. Hypertonie. KI:
Hypotonie < 100 mmHg, Bradykardie < 50/Min., Schock, Rechtsherzinfarkt,
Begleitther. mit PDE-5-Inhibitoren (Sildenafil). Alternativ Molsidomin (z. B.
Corvaton®). Dauer 48 h, dann orale Ther.
• ACE-Hemmer: innerhalb der ersten 24 h eines STEMI od. bei nachgewiese-
ner Herzinsuff. bzw. EF < 40 %, wenn RR > 100 mmHg u. keine KI gegen
ACE-Hemmer, z. B. Ramipril (z. B. Vesdil® 2,5–10 mg/d, nach RR steigern).
Bei Hypertension, die nicht durch NTG i. v. u. Betablocker kontrolliert ist.
Vorteilhaft v. a. bei eingeschränkter systol. LV-Funktion u. Pat. mit ACS u.
gleichzeitigem Diab. mell. Genereller Einsatz von ACE-Hemmern bei allen
Pat. mit ACS wird noch kontrovers beurteilt, bei EF 40–60 % scheinen sie
vorteilhaft zu sein.
84 3 Koronare Herzkrankheit 

• Kalziumantagonisten: Bei KI für Betablocker u. Beschwerdepersistenz od.


wiederholten Ischämieepisoden im EKG: Kalziumantagonist vom Nicht-­
Dihydropyridin-Typ, z. B. Verapamil od. Diltiazem. Bei VHF mit Tachyar-
rhythmie zur Frequenzsenkung. KI: Erhebliche LV-Funktionseinschrän-
kung (klinische Zeichen der Herzinsuff. od. EF < 40 %), AV-Block! Falls
Verapamil od. Diltiazem kontraindiziert, Kalziumantagonist vom Dihydro-
pyridin-Typ z. B. retardiertes Nifedipin, Amlodipin od. ähnlicher Kalzium-
antagonist vom Dihydropyridin-Typ möglichst nur in Komb. mit Betablo-
cker. Nichtretardiertes Nifedipin als Routine grundsätzlich kontraindiziert
(Tachykardie, Hypotonie)!
• Ausnahme: Kalziumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ sind Mittel der
Wahl bei vasospastischer Angina.

3 Sonderfall: Vasospastische Angina


• Bei V. a. vasospastische Angina (Prinzmetal-Angina, wechselnde ST-Stre-
cken-Hebungen): Diltiazem initial 0,3 mg/kg KG langsam i. v. (bei
75 kg KG 25 mg = 1 Amp. à 25 mg), dann Perfusor mit 100 mg/50 ml, ca.
10–20 mg/h (nach RR) = 5–10 ml/h. Dosisbereich: 0,0028–0,014 mg/
kg KG/Min.

Merksätze antiischämische Therapie (ESC 2007)


• Betablocker sind bei fehlenden KI insbes. bei Hypertonie od. Tachykardie
zu empfehlen (I-B).
• I. v. od. orale Nitrate sind symptomatisch wirksam zur akuten Behandlung
anginöser Episoden (I-C).
• Kalziumantagonisten führen zu zusätzlicher Symptomreduktion bei Pat.,
die bereits Nitrate u. Betablocker erhalten; sie sind hilfreich bei Pat. mit
KI für Betablocker u. bei vasospastischer Angina (I-B).
• Nifedipin od. andere Kalziumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ soll-
ten nur in Komb. mit einem Betablocker verwendet werden (III-B).

3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung


(STEMI)
Häufigkeit u. Prognose bei MI: 2003 waren in Deutschland 29.550 Frauen (6,5 %
aller verstorbenen Frauen) u. 34.679 Männer (9,4 % aller verstorbenen Männer)
an einem akuten MI gestorben (Todesursachenstatistik des Statistischen Bundes-
amts), ihr durchschnittliches Sterbealter betrug 81 J. (Frauen) u. 72 J. (Männer).
Im altersstandardisierten Durchschnitt waren dies 32 Sterbefälle je 100.000 Ein-
wohner bei Frauen u. 71 bei Männern.
Die Letalität hängt davon ab, wie schnell der Pat. in ein Krankenhaus kommt. Die
meisten Todesfälle geschehen in der ersten Stunde nach Infarkt. Die Kranken-
hausletalität beträgt bei früher Eröffnung des Infarktgefäßes (Fibrinolyse) etwa
4 %, wird später lysiert, ca. 9 % u. ohne Lysether. etwa 12 %. Mit der Redefinition
der ischämischen Herzerkr. ist die absolute Häufigkeit an „Infarkten“ sehr viel
größer, die neuen biochemischen Infarktmarker erfassen auch minimale Myo-
kardnekrosen, die nach alter Def. nicht als solche erkennbar gewesen wären (in-
stabile A. p. mit Troponin-Erhöhung, NSTEMI ▶ 3.5).
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 85

3.6.1 Pathophysiologie
Ursache der Herzmuskelnekrose durch Gewebehypoxie ist in 90 % ein Koronarar-
terienverschluss, in 10 % eine hochgradige Stenose. Ein Koronararterienverschluss
führt zu sofortigem Verlust der Kontraktilität des nachgeschalteten Gewebes. Bei
kompletter Ischämie wird der endokardnahe Herzmuskel nach ca. 20 Min. irre-
versibel nekrotisch. Die Nekrose dehnt sich über Stunden zum Perikard hin aus.
Nach 1 Tag sind nur wenige Prozent perikardnahen Myokards vital. Nach Reper-
fusion einer verschlossenen Koronararterie ist das Myokard noch „gelähmt“
(„stunning“), erst nach Tagen bis Wo. erholt sich die Pumpfunktion wieder. Re-
perfusion einer zuvor verschlossenen Koronararterie führt häufig zu Schäden im
nachgeschalteten Myokard durch ein starkes Zellödem u. kleine Myokardhämor-
rhagien („Reperfusionsschaden“). In ca. 25 % spontane Wiedereröffnung des In-
farktgefäßes binnen 24 h durch körpereigenes Plasmin (Fibrinolyse).
3
Pathogenese
▶ 4.2.2.
3.6.2 Klinik des STEMI
▶ 3.5.
3.6.3 Diagnostik bei STEMI
EKG
Infarkttypische EKG-Veränderungen
• Persistierende (> 20 Min.) ST-Hebung: ≥ 1 mm in mind. 2 benachbarten Ex-
tremitätenabl. od. ≥ 2 mm in mind. 2 benachbarten Brustwandabl. mit ST-
Senkung in spiegelbildlichen Abl. (z. B. Hebung in V7, Senkung V1/2);
(▶ Abb. 3.7). DD der ST-Hebung: Perikarditis (▶ 6.5), Herzwandaneurysma
(▶ 3.11.1), Schenkelblock.
• Neu aufgetretener LSB: Mit Vor-EKG vergleichen!
! Bei Pat. mit anhaltendem Brustschmerz, neu aufgetretenen monophasischen
ST-Segment-Hebungen (≥ 1 mm) in mind. 2 benachbarten EKG-Abl. od. neu
aufgetretenem LSB ist die Wahrscheinlichkeit eines Koronararterienver-
schlusses ca. 90 %. Ohne Zeitverzug Reperfusionsther. einleiten. Für Ther.-
Entscheidung kein Nachweis kardialer Enzyme (CK, CK-MB) od. Marker-
proteine (Troponin T od. I) erforderlich.
Spezielle EKG-Befunde
• Strikt posteriorer Infarkt (▶ Abb. 3.8): keine direkten Infarktzeichen in den
üblichen Abl.! In V2–4 schneller R-Aufbau, dort ST-Senkung (spiegelbildliche
Infarktzeichen). ST-Hebung nur in V7–9.
• NSTEMI; nichttransmuraler Infarkt alter Def. (▶ Abb. 3.9): Eine exakte
Beurteilung, ob ein Infarkt alle Wandschichten betrifft, ist im EKG nicht
möglich. Typisch ist ein unauffälliger QRS-Komplex (kein pathologisches
Q, keine R-Reduktion), leicht gesenkte ST-Strecke, deutlich spitzgipflig neg.
T-Welle.
• Isolierter Septuminfarkt: Selten! Oft AV- od. Schenkelblockierungen einzi-
ges Infarktzeichen im EKG.
86 3 Koronare Herzkrankheit 

Initialstadium Beträchtliche T-Überhöhung


(Erstickungs-T); meist bei
Klinikeinweisung nicht mehr
nachweisbar

Erstickungs-T

Stadium I ST-Hebung, mit Abgang aus dem


(frisches Stadium) absteigenden QRS-Schenkel,
evtl. in den gegenüberliegenden
Ableitungen spiegelbildliche
Senkung

Zwischenstadium ST-Hebung, Auftreten


3 pathologisch tiefer Q-Zacken,
evtl. R-Verlust, terminal spitz-
negative T-Welle.
ST-Hebung > 6 Wochen:
an Aneurysma denken!

Stadium II Rückbildung der ST-Hebung,


(Folgestadium) T-Welle wird tiefer, spitzer,evtl.
Aufbau einer kleinen R-Zacke,
pathologische Q-Zacken
persistieren (Pardée-Q)

Stadium III Pathologische Q-Zacken, ST-


(Endstadium) Hebung nicht mehr nachweisbar,
T-Wellen positiv, R-Zacke nimmt
wieder an Höhe zu

Abb. 3.7 Infarkttypische Veränderungen im EKG [L157]

• Rechtsherzinfarkt (▶ 3.6.5): Einige Stunden anhaltende ST-Hebung


> 0,1 mV in V3r–5r (▶ Abb. 3.10). Außerdem evtl. RSB u. AV-Blockierun-
gen.
• Pardée-Q: Q-Welle ≥ 0,04 s od. mind. ¼ der Amplitude der folgenden R-Za-
cke. Auch kleinere Q-Zacken sind bei entsprechender Anamnese Infarktzei-
chen. Ein Q entsteht meist nach 1–5 Tagen, vertieft sich u. wird dann über
Monate kleiner. Nicht spezifisch für einen Infarkt.
DD: Ventrikeldilatation (V5/6), Septumhypertrophie (I, aVL, V5/6), in III bei
Ventrikelhypertrophie, Adipositas/Zwerchfellhochstand (verschwindet in In-
spiration).
• Infarktdiagnose bei vorbestehendem Schenkelblock:
– RSB: normale Infarktkriterien anwendbar; bes. in Extremitätenabl. übli-
che infarkttypische Veränderungen.
– LSB: erschwerte Infarktdiagnostik. Bei VWI gelegentlich für Schenkel-
block im Vergleich zu QRS-Komplex übermäßige ST-Hebung in V1–3 mit
rascher Änderung in seriellen EKG, außerdem typisch: Q in I, aVL, R-
Verlust in V2–5. HWI ist kaum zu diagnostizieren.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 87

I V1

II V2

III V3

aVR V4

3
aVL V5 V7

aVF V6 V8

Keine Infarktzeichen Rascher R-Aufbau in den Brustwandab-


in den Extremitätenableitungen leitungen, diskrete ST-Senkung in V2 möglich,
korrespondierend zu ST-Hebung in V8

Abb. 3.8 EKG bei strikt posteriorem Infarkt [L157]

Infarktlokalisation im EKG
• Septal: V1, V2. I V1
• Anteroseptal: V1–V4.
• Lateral: I, aVL, V6.
• Anterolateral: I, aVL, V3–V6.
• Ausgedehnt anterior: I, aVL, II V2
V1–V6.
• Inferior: II, III, aVF.
• Strikt posterior: ST-Senkung III V3
V1–V3, R/S V1 > 1, ST-Hebung
V7–8.
• RV: V3r, V4r. V4
aVR

Labordiagnostik
Serumparameter frühestens 2 h nach V5
Infarkt nachweisbar. Myoglobin u. mit aVL
Einschränkung Troponine u. CK sind
so früh pos., dass noch mit Fibrinolyse V6
aVF
od. PTCA reagiert werden kann. GOT,
LDH u. HBDH dienen der nachträgli-
chen Diagnosesicherung.
Abb. 3.9 EKG bei NSTEMI [L157]
Anforderungen an moderne biochemi-
sche Marker für akute ischämische
Herzerkr.:
88 3 Koronare Herzkrankheit 

• hohe Spezifität für Herzmuskel,


• schneller Anstieg im Blut nach kar-
dialem Ereignis,
• deutlicher Anstieg bereits bei gerin-
ger Myokardschädigung (z. B. insta-
bile A. p.),
• fehlende Nachweisbarkeit bei Ge-
sunden,
• einfache u. schnelle Bestimmung,
• geringe Kosten.
Bisherige Marker: Enzymaktivitäten
von GOT (AST), CK, CK-MB, LDH,
HBDH.
3 Abb. 3.10 EKG-Elektrodenposition bei
Neue notfalltaugliche Marker: kardi- Rechtsherzableitung [L157]
ale Troponine, CK-MB-Masse, Myo-
globin.
Marker in Entwicklung: Myosin-Leichtketten, CK-Isoformen, fettsäurebinden-
des Protein, Glykogen-Phosphorylase-lsoenzym BB.
Troponin T, Troponin I
Troponin T (TnT) u. I (TnI) sind Bestandteile der kontraktilen Elemente des
Herzmuskels u. nahezu herzmuskelspezifisch (TnI 100 %; unterschiedliche
Aminosäuresequenzen von Herz- u. Skelettmuskel-Troponinen). TnC bindet
Ca2+. TnI hemmt abhängig von der Kalziumbindung des TnC die Aktomyosin-
ATPase. TnT vermittelt die Bindung des Komplexes an Tropomyosin. Durch
intrazelluläre Kompartimentierung sind 5 % frei im Zytosol, 95 % an das Zyto-
skelett gebunden.
Troponin T
• Normalwert für Assay der Generation 4: neg. bzw. < 0,01 (–0,03) ng/ml. Pa-
thologisch ≥ 0,1 ng/ml. Graubereich 0,03–0,1 ng/ml.
• Kinetik: Basalspiegel im Plasma/Serum sehr niedrig bis nicht nachweisbar.
Wird 2–12 h nach Infarkt im Serum nachweisbar. Biphasische Freisetzung
(▶ Tab. 3.22): schnelle Freisetzung des zytosolischen Troponin (beginnend
2–4 h nach Infarkt mit 1. Gipfel nach 12–48 h). Späte Freisetzung aus dem
Zytoskelett-Pool. Dadurch Spätdiagn. von Infarkten möglich. Langes diagn.
Intervall. TnT bleibt ca. 6–14 Tage nachweisbar.
• Bestimmungsmethode: Quantitativ: Elektrochemie-Lumineszenz-Immuno-
assay. Bettseitig semiquantitativ messbar mit Roche Cardiac reader. Qualita-
tiv: Troponin T Schnelltest®, Streifentest. Pos. Ergebnis, wenn Troponin T
> 0,1 ng/ml (Testdauer: 10–20 Min.).

Tab. 3.22 Unterschiede zwischen Troponin T und I


cTnT cTnI
• Gut standardisierter Test eines • Tests verschiedener Hersteller,
­Herstellers verfügbar ­ adurch geringere Standardisierung,
d
• Länger anhaltender Anstieg als cTnI eingeschränkte Vergleichbarkeit
• Meist 2-gipfeliger Verlauf • Meist 1-gipfeliger Verlauf
• Evtl. falsch-pos. Resultate bei • Spezifität nahezu 100 %
­Myopathien • Keine Expression bei Myopathien
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 89

Troponin I
• Normalwert: < 0,1–1,5 ng/ml (je nach Hersteller des Assay).
• Lokalisation: Muskelfilament gebunden an Tropomyosin, Zytosol; 3 Isofor-
men; kardiales TnI nur 60 % Sequenzhomologien zu den anderen Isoformen;
hohe Myokardspezifität; Anstieg im Serum bereits bei kleinen Myokardläsio-
nen.
• Kinetik: Anstieg ca. 4–6 h nach kardialem Ereignis (▶ Tab. 3.22).
• Bestimmungsmethode: Troponin I Cardiac Status®-Test ebenfalls ab 0,1 ng/
ml pos.
Hochsensitive Troponine
▶ Kap. 3.5
Diagnostische Bedeutung der Troponine
• Sensitivste Marker eines Herzmuskelschadens (Sensitivität u. Spezifität 3
> 95 %):
– Risikostratifizierung bei Pat. mit instabiler A. p.: erhöhtes Tnl → erhöhtes
Risiko für kardiales Ereignis.
– Diagnosesicherung eines fraglichen MI. Nach neuer Definition
(▶ Tab. 3.9) wird ein MI über Troponin-Erhöhung definiert.
! Aber: Troponine sind kein Frühmarker für ein kardiales Ereignis.
! Cave: Troponine zeigen eine Schädigung des Herzmuskels, nicht die Isch-
ämie!
Kreatinkinase, CK, CK-MB
Überwiegend muskelspezifisches Enzym. 3 Isoformen: CK-MM (v. a. Skelettmus-
kel), CK-MB (v. a. Herzmuskel) u. CK-BB (Hirn).
Gesamt-CK-Aktivität: entspricht beim klinisch Gesunden überwiegend der Akti-
vität des muskelspezifischen Isoenzyms CK-MM.
• Normalwerte: CK < 190 U/l (Männer) bzw. < 170 U/l (Frauen).
• Kinetik (▶ Abb. 3.11): Normalwertüberschreitung 4–8 h nach Infarkt,
Höchstwert nach etwa 21 h. 2–3 Tage nachweisbar. Bei erfolgreicher Fibrino-
lyse Enzymauswaschphänomen („Washout“), d. h. CKmax schon ca. 8–17 h
nach Infarkt.
• CK-Masse (anstatt Enzymaktivität): entspricht der Konz. der CK. Normal-
wert: < 7 ng/ml. Bei Infarkt ca. 1 h früher pathologisch als die übliche CK-
Messung.
• CK-MB: Isoform der CK. Vorkommen im Myokard u. geringer im Skelett-
muskel. Erhöhung des CK-MB-Anteils durch KHK, Muskelerkrankungen.
• CK-MB-Aktivität: Referenzbereich: < 24 U/l od. < 6 % Anteil an Gesamt-CK.
Anteil von 6–25 % der Gesamt-CK spricht für Enzymfreisetzung aus Myo-
kard. > 25 %: V. a. Makro-CK.
• CK-MB-Masse: entspricht der Konz. der CK-MB. Höhere Spezifität als CK-
MB-Aktivität, da keine Störung durch andere CK-Isoformen; schnellerer An-
stieg (2–6 h) bei kardialem Ereignis.
– Bedeutung: Abklärung unklarer CK-Erhöhung; evtl. Ersatz für Bestim-
mung der CK-MB-Aktivität; rel. Frühmarker für kardiale Ereignisse.
– Referenzbereich: < 5 ng/ml.
• Makro-CK: Wenn CK-MB-Aktivität > 25 % der CK-Gesamtaktivität, liegt
meist Makro-CK zugrunde:
– Typ I: AK gegen das Enzym? Bildung eines Enzym-Ig-Komplexes.
– Typ II: Oligomerisierung.
90 3 Koronare Herzkrankheit 

• CK-MB-Isoformen: 2 Isoformen der CK-MB. Vom Herzen freigesetzte CK-


MB2 wird im Blut teilweise zu CK-MB1 gespalten. Frühe sensitive u. spezifi-
sche Infarktdiagnose (nach 6 h Sensitivität u. Spezifität > 90 % bei CK-MB2/
CK-MB1-Verhältnis > 1,5).

Troponin Normwerte
CK 10–80 U/l
8
CK CKMB < 10 U/l
GOT 19 U/l
GOT HBDH 68–135 U/l
6
Troponin negativ
Myoglobin < 50 µg/l

3 4
HBDH

2
Norm-
grenze Myoglobin
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

6 h 12 h
Tage nach Infarkt

Abb . 3.11 Verlauf von Troponin, CK, Myoglobin, GOT u. HBDH nach Myokardin­
farkt ohne Fibrinolyse [L157]

Tipps & Tricks


• Bewertung von CK, CK-MB: Infarktsensitivität bei ca. 99 %! MI wahr-
scheinlich, wenn Gesamt-CK erhöht u. CK-MB > 6–8 %. Bei erfolgloser
bzw. nicht durchgeführter Fibrinolyse korreliert die CKmax mit der Ne­
krosegröße.
– 6 %-Regel: Ein Myokardschaden liegt vor bei CK-Gesamt > 170 U/l
u. CK-MB > 6 %.
– 25 U/l-Regel: Ein Myokardschaden liegt vor bei CK-MB > 25 U/l.
• Mögliche Ursachen für CK-Erhöhung mit CK-MB > 6 %:
– CK-BB, z. B. bei ZNS-Entzündungen, Tumoren, gastrointestinalen
Erkr. (Mesenterialinfarkt, Pankreasaffektionen).
– Bei CK-MB > 25 % Messung einer Makro-CK Typ 1 od. 2, kein Hin-
weis auf Herzinfarkt!

Myoglobin
• Nichtherzspezifischer Marker für Muskelschäden. Schneller als andere Mar-
ker nachweisbar, deshalb Frühmarker für MI. Hoher neg. prädiktiver Wert
(98 %). Diagnose MI muss bei erhöhtem Myoglobin durch herzspezifische
Marker wie TnT/Tnl bestätigt werden.
• Lokalisation: Zytosol.
• Normalwert: < 50 μg/l.
• Bestimmungsmethode: Z. B. Roche Cardiac reader ermöglicht bettseitige
Messung. Bestimmung in Zentrallabor zeitintensiv.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 91

• Kinetik: schneller Anstieg nach Schmerzbeginn, ca. 2–3 h nach Schmerzbe-


ginn signifikant erhöht (▶ Abb. 3.11). Maximum nach weiteren 5 h ohne Fib-
rinolyse bzw. nach 2,1 h bei erfolgreicher Fibrinolyse. Kurze Serum-HWZ
von 10–20 Min.
• Verwendung:
– Infarktdiagn.: Bei > 130 μg/l besteht mit einer Spezifität von ca. 95 % u.
einer Sensitivität von ca. 80 % ein MI. Myoglobin wird so früh pos., dass
noch eine Fibrinolyse od. PTCA möglich ist (verdächtig: > 80 μg/l, sehr
wahrscheinlich > 130 μg/l).
– Fibrinolyseerfolg: Bei Wiedereröffnung des Infarktgefäßes steigt Myoglo-
bin sehr schnell an („Washout“). Bei Anstieg um 150 μg/l/h bei z. B. stdl.
Messung kann eine erfolgreiche Fibrinolyse mit einer Sensitivität u. Spezi-
fität von ca. 90 % angenommen werden.
! Fehlender Myoglobin-„Washout“ nach Fibrinolyse: evtl. sofort PTCA. 3
! Myoglobin nach Skelettmuskelschaden (z. B. i. m. Injektion, Reanimation)
nicht verwertbar!
Kinetik der verbreiteten Infarktmarker (▶ Tab. 3.23).

Tab. 3.23 Kinetik der wichtigen Infarktmarker


Parameter HWZ (h) Anstieg (h) Gipfel (h) Normalisie-
rung (Tage)
CK 17 3–12 12–24 3–4
CK-MB- 13 3–12 12–24 2–3
Aktivität
CK-MB-Masse 13 2–6 12–24 3
Myoglobin 0,25 2–6 6–12 1
cTnT 2–4 3–8 12–96 7–14
cTnI 2–4 3–8 12–24 7–10
LDH 110 6–12 48–144 7–14

Weitere Laborparameter
• Marker der Entzündungsaktivität: bei großem Infarkt regelmäßig pos.
(Leukozytose; CRP evtl. > 100 mg/l). Hochsensitives CRP (hsCRP) in zahl-
reichen Studien Parameter für eine erhöhte Langzeitmortalität (> 6 Mon.
bis 4 J.) bei NSTEMI. Prognostische Bedeutung unabhängig vom Troponin-
spiegel.
• B-Typ-Natriuretisches Peptid (BNP) bzw. NT-proBNP: Marker der neuro-
hormonalen Aktivierung. Sensitive u. spezifische Parameter für Vorliegen ei-
ner LV-Dysfunktion u. zur Risikostratifizierung nach MI (Langzeitverlauf).
– ACS: Erhöhtes BNP od. NT-proBNP (Messung optimal wenige Tage nach
dem Indexereignis) bedeutet 3–5-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko im Lang-
zeitverlauf.
– Als Akutparameter geeignet zur DD von kardialen u. nichtkardialen Ur-
sachen einer Dyspnoe.
• Parameter der Nierenfunktion: Eingeschränkte Nierenfunktion ist ein star-
ker unabhängiger Prädiktor für erhöhte Langzeitmortalität (OR für Mortali-
tät nach 1 J.: 1,76 bei leichter, 2,72 bei mäßiger, 6,18 bei schwerer Nierenin-
suff.). Wegen der variablen Beziehung der Krea-Plasmaspiegel zur Nieren-
funktion empfiehlt sich Bestimmung der Krea-Clearance.
92 3 Koronare Herzkrankheit 

• Neue Biomarker: Der zusätzliche prognostische Wert einer Reihe neuer


Marker für oxidativen Stress (Myeloperoxidase), Thrombose od. Inflammati-
on (löslicher CD40-Ligand u. a.) konnte in retrospektiven Analysen gezeigt
werden. Die Parameter haben aktuell keine klinische Bedeutung.
• Multimarker-Ansatz: Kombinierter Einsatz von Markern für Myokardne­
krose, Inflammation, Herzmuskel- u. Niereninsuff. sowie neurohormonale
Aktivierung kann Identifikation von Risikopat. verbessern. Zurzeit keine ex-
akten Empfehlungen zum kombinierten Einsatz von Troponinen, Krea-Clea-
rance, BNP u. hsCRP u. der Interpretation der Messergebnisse.
• Point-of-care(bedside)-Biomarkermessungen: Bettseitige Messung kardialer
Marker mit qualitativen od. semiquantitativen Schnelltests kann Akutdiagn.
u. Risikostratifizierung der ACS verbessern, wenn Messung durch ein Zen­
trallabor innerhalb von 60 Min. nicht möglich ist. Ergebnisse untersucherab-
3 hängig, sollten im neg. Fall durch quantitativen Test bestätigt werden.

Auskultation
• Akut häufig wenig spezifisch: Evtl. 3. u. 4. HT bei Dysfunktion des LV. Ver-
änderungen im Verlauf können Infarkt-KO anzeigen.
• Perikardreiben: nach frühestens 1 Tag, häufig flüchtig zu hören, meist li
parasternal (▶ 6.5). Kann Hinweis auf drohende Ventrikelruptur sein
(Echo!).
• Systolikum: MR bei Papillarmuskeldysfunktion, TR (verstärkt durch Inspira-
tion), VSD durch Septumruptur.
• Lungenstauung/-ödem (Killip-Klassifikation ▶ 3.6.6).
! Jeden Infarktpat. regelmäßig, in den ersten Tagen mehrmals täglich, auskul-
tieren!

Rö-Thorax
Keine spezifischen Befunde. Herzverbreiterung, Lungenstauung (meist erst Stun-
den nach Infarkt, Einteilung nach Killip ▶ 3.6.6) bei akuter od. vorbestehender
LV-Dilatation MR (auch akut bei Papillarmuskelabriss).

Echo
Bei nichtdiagn. EKG hilfreich zur Diagnosesicherung: Darstellung der regionalen
Wandbewegungsstörungen. DD: alte Narbe (Wand normalerweise verdünnt),
Myokarditis (Perikarderguss). Perikardtamponade bzw. Aortendissektion im Ab-
schnitt 1. Zuverlässige Darstellung von KO u. Ursachen einer Herzinsuff.: Infarkt-
ausdehnung; Wandruptur/VSD; ischämische MR; RV-Infarkt; Thrombusausbil-
dung; Perikarderguss.

Koronarangiografie
Erstes Ziel des invasiven Vorgehens beim akuten MI: Sicherung der Diagnose. In
mehr als 90 % der Fälle kann ein thrombotisch verschlossenes Koronargefäß
nachgewiesen werden. I. d. R. schließt sich die Wiedereröffnung des Gefäßes (di-
rekte PCI) an.

Merksätze zur Diagnostik bei V. a. Myokardinfarkt nach DGK 2004


• Bei andauernden, typischen Thoraxschmerzen in Ruhe (> 20 Min.) ist die
Verdachtsdiagnose eines MI zu stellen.
• Bei Diabetikern, alten Pat. u. Frauen häufig atypische Symptomatik.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 93

• Die Diagnose eines STEMI ist möglichst schon prästationär durch ein
12-Abl.-EKG zu stellen.
• Von einem STEMI ist bei einem der folgenden EKG-Befunde auszugehen:
– ST-Strecken-Hebung von > 0,1 mV in mind. 2 zusammenhängenden
Extremitätenabl.
– ST-Strecken-Hebung > 0,2 mV in mind. 2 zusammenhängenden
Brustwandabl.
– LSB mit infarkttypischer Symptomatik.
• Die Messung von Biomarkern darf die Ther.-Entscheidung nicht verzö-
gern.

3.6.4 Therapie des STEMI 3


Allgemeine Maßnahmen u. med. Basisther. (▶ 3.5.1, ▶ Tab. 3.11).

Reperfusionstherapie bei STEMI

Ein ACS mit ST-Elevation od. neuem LSB ist ein medizinischer Notfall; der
Pat. ist vital bedroht! Meist liegt der Verschluss eines großen epikardialen Ge-
fäßes vor. Primäres Ziel: Erhalt von vitalem Myokard durch rasche Reperfusi-
onsther. unter max. Pharmakother. u. lückenloser Pat.-Überwachung ohne
jeglichen Zeitverzug! Time is muscle! Ther. des Pat. mit STEMI hat dieselbe
Dringlichkeit wie die eines polytraumatisierten Pat.

Reperfusionstherapie bei Myokardinfarkt


Die Entwicklung von Methoden zur zeitnahen Wiedereröffnung eines verschlos-
senen Infarktgefäßes war der entscheidende Durchbruch zur Verbesserung der
Prognose nach Infarkt. Der größte prognostische Gewinn wird durch Wiederher-
stellung der Perfusion in den ersten 60 Min., der sog. „golden hour“ erzielt. Mit
der med. Fibrinolyse u. der mechanischen Wiedereröffnung mittels PCI stehen
grundsätzlich zwei verschiedene Vorgehensweisen zur Verfügung.
• Thrombolyse: I. v. Applikation eines Fibrinolytikums führt bei ca. 50 % der
Pat. zu einem TIMI-3-Fluss innerhalb von 90 Min. Nachteile: zahlreiche KI
für diese Ther. u. relevantes (bis zu 0,9 %) Risiko für eine intrakranielle Blu-
tung. Die Fibrinolyse hat in Zeiten einer flächendeckenden Verfügbarkeit der
direkten PTCA stark an Bedeutung verloren. Ihre sofortige Verfügbarkeit
kann bei langer Transportzeit zur PCI zur Verkleinerung des Zeitfensters von
Infarktgefäßverschluss bis zur Wiedereröffnung führen. Ziel: „Door-to-need-
le-time“ (Zeit von Krankenhausaufnahme bis Beginn der Reperfusionsther.)
< 30 Min.
• Direkte mechanische Reperfusion mittels PTCA/PCI („direkte PCI“): Die
Primärdilatation ist nach letzten Studienergebnissen Reperfusionsverfahren
der 1. Wahl, da unter optimalen Voraussetzungen der Thrombolyse überle-
gen (höhere Offenheitsraten des Infarktgefäßes mit konsekutiv geringerer
Mortalität). Einzige Option zur Revaskularisation bei unklarer diagn. Situati-
on u. bei KI zur Fibrinolyse. Bei Pat. im kardiogenen Schock sind die Ergeb-
nisse mit der Fibrinolyse schlecht, sodass hier ebenfalls die Katheterinterven-
tion vorrangig empfohlen wird. Voraussetzungen: erfahrenes, sofort einsatz-
fähiges ärztliches u. nichtärztliches Team u. Interventionsbeginn ohne Zeit-
94 3 Koronare Herzkrankheit 

verzug (< 90 Min. erreichbar). Zusätzlich besteht die Ind. zur PCI bei
Ineffektivität der Fibrinolyse u. kurzen Wegstrecken zu einem sofort verfüg-
baren, erfahrenen Katheterteam.
– Rescue-PCI: Ballondilatation nach einer vorhergehenden Thromboly-
sether. bei „ineffektiver“ Lysether.
– Facilitated PCI: Komb. einer Ballondilatation mit einer vorhergehenden
Thrombolysether. (Gefäß häufig nach Lyse offen, es muss nur noch die
bestehende Stenose dilatiert werden).

Transfer zur direkten PCI


Mehrere kontrollierte klinische Studien (PRAGUE, Air.PAMI, DANAMI)
zeigten eine Überlegenheit der direkten PCI über die Thrombolyse auch bei
Pat., die in ein interventionelles Zentrum verlegt werden mussten u. damit eine
3 Verzögerung der Reperfusionsther. bis 90 Min. erfuhren. Dies gilt insbes. für
Pat. mit Ischämiedauer zwischen 3 u. 12 h. Bei Ischämiedauer < 3 h scheint die
Fibrinolyse hinsichtlich des myokardialen Salvages der PCI gleichwertig.
Hauptgrund für die Wahl der direkten PCI als Reperfusionsverfahren bei die-
sen Pat. ist eine geringere Rate therapieassoziierter Schlaganfälle (2,0 % nach
Thrombolyse vs. 1,0 % nach PCI). Die Entscheidung für eine Ther. im primär
versorgenden Krankenhaus od. Verlegung in ein interventionelles Zentrum
hängt von den lokalen Möglichkeiten ab u. kann deshalb nicht generell getrof-
fen werden.

Wahl des Reperfusionsverfahrens


Für die Wahl der Ther. entscheidend: mutmaßliche Zeit bis zur Reperfusion,
Erfahrung/Vertrautheit des Arztes mit der Reperfusionsstrategie u. Sicherheit
des Patienten. Die Möglichkeit zur Primär-PCI ist naturgemäß nicht in allen
Krankenhäusern in Deutschland gegeben, die MI-Pat. versorgen. Aus diesem
Grund muss sich die optimale Behandlungsstrategie nach der lokalen Verfüg-
barkeit dieser Methode richten. Empfohlene Rangfolge der verschiedenen Re-
perfusionsmöglichkeiten ▶ Tab. 3.24. Schema zur rationalen Entscheidungsfin-
dung ▶ Abb. 3.12. Die primäre PCI sollte möglichst unmittelbar, nicht aber
später als 2 h nach dem ersten medizinischen Kontakt (EMK) begonnen wer-
den. Lediglich bei Pat. mit großem VWI, bei denen die Diagnose innerhalb von
2 h nach Symptombeginn gestellt werden konnte, beträgt die max. „erlaubte“
Zeitverzögerung zwischen EMK u. PCI-Beginn 90 Min. Ist das Einhalten dieser
zeitlichen Obergrenzen nicht möglich, muss – bei fehlenden KI – die Lyse mög-
lichst sofort eingeleitet werden. Auch im Fall einer erfolgreichen Lyse soll inner-
halb von 24 h (aber nicht früher als 3 h) eine Herzkatheteruntersuchung in PCI-
Bereitschaft erfolgen.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 95

Reperfusionsstrategien bei Patienten mit STEMI

Erster medizinischer Kontakt durch: Rettungswagen, Praxis


oder PCI-Klinik (24/7) oder Klinik ohne PCI-Bereitschaft

Zeit- PCI < 2 h möglich PCI < 2 h nicht möglich


grenzen

Prähospitale/
Primäre PCI
2h in-hospitale Thrombolyse 3

nicht
Rettungs-PCI erfolgreich
12 h erfolgreich

Herzkatheter in
24 h PCI-Bereitschaft

Abb. 3.12 STEMI. Reperfusionsstrategien (nach ESC Guidelines STEMI 2008 bzw.
deutsche Übersetzung der Pocketleitlinie 2010): Dicke Pfeile = bevorzugter Ab­
lauf, PCI-Klinik = Klinik mit 24 h/7 Tage PCI-Bereitschaft [X321; L157]

Die optimale Behandlung des STEMI sollte ein medizinisches Notfallsystem be-
inhalten, das ein Netzwerk von Krankenhäusern unterschiedlicher Versor-
gungsstufen durch ein effektives Transportsystem verbindet, um die Mehrzahl
der Pat. einer direkten PCI innerhalb des empfohlenen Zeitintervalls zuzufüh-
ren (▶ Abb. 3.13).
Von bes. Bedeutung ist die Kontrolle des Zeitintervalls bis zur Reperfusion
(▶ Tab. 3.24). Es wird empfohlen, diese Größe im eigenen Vorgehen regelmäßig
zu überprüfen.
96 3 Koronare Herzkrankheit 

Prähospitale Behandlung

Symptomatik vereinbar mit Herzinfarkt

Prähospitale Allgemeinarzt, Selbst-


Notfallsystem
Diagnose Kardiologe einweisung
und Therapie,
Entscheidungs-
findung
3 eigener
Rettungswagen
Transport

PCI-Klinik Transfer Klinik ohne


(24/7) PCI-Bereitschaft

Blaue Pfeile: Bevorzugter Ablauf; gestrichelte Pfeile: Nicht empfehlenswert.


PCI-Klinik: 24 h/7 Tage PCI-Bereitschaft.
Zur Auswahl der Reperfusionsstrategie ► Abb. 3.12

Abb. 3.13 STEMI: Flowchart zur Infarktherapie (nach ESC Guidelines STEMI 2008
bzw. deutsche Übersetzung der Pocketleitlinie 2010): Dicke Pfeile = bevorzugter
Ablauf, gestrichelte Linie = nicht empfehlenswert. PCI-Klinik (24/7) = Klinik mit
24 h/7 Tage PCI-Bereitschaft [X321; L157]

Tab. 3.24 Empfehlungen zu Reperfusionstherapien bei akutem MI (< 12 h


Symptomdauer) (nach ESC 2012)
Empfehlungen Empfehlungsstärke/
Evidenz

Allgemeine Empfehlungen
Eine Reperfusionsther. ist indiziert bei allen Pat. mit einer I-A
Anamnese von Brustschmerzen < 12 h u. persistierenden
ST-Strecken-Hebungen od. (vermutlich) neu aufgetrete­
nem LSB
Eine Reperfusionsther. (vorzugsweise primäre PCI) ist indi­ I-C
ziert bei Evidenz für fortbestehende Ischämie auch bei
Symptombeginn vor > 12 h od. bei wiederkehrendem
Schmerz od. EKG-Veränderungen
Eine Reperfusionsther. mittels PCI kann erwogen werden IIb-B
bei stabilen Pat. > 12–24 h nach Symptombeginn
Die Routine-PCI eines Gefäßverschlusses > 24 h nach Sym­ III-A
ptombeginn bei stabilen Pat. ohne Ischämiezeichen ist we­
niger sinnvoll (unabhängig davon, ob mit od. ohne vorhe­
rige Thrombolyse)
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 97

Tab. 3.24 Empfehlungen zu Reperfusionstherapien bei akutem MI (< 12 h


Symptomdauer) (nach ESC 2012) (Forts.)
Empfehlungen Empfehlungsstärke/
Evidenz

Empfehlungen zur primären PCI


Die primäre PCI ist der Thrombolyse vorzuziehen, wenn sie I-A
durch ein erfahrenes Herzkatheterteam innerhalb von
120 Min. nach dem EMK durchgeführt werden kann
Die primäre PCI ist indiziert für Pat. mit schwerer akuter I-B
Herzinsuff. od. kardiogenem Schock, wenn die geplante
PCI zu keiner exzessiven Zeitverzögerung führt u. der Pat.
sich frühzeitig nach Symptombeginn vorstellt
Antithrombozytäre Begleittherapie 3
ASS oral od. i. v. I-B
Ein ADP-Rezeptorantagonist zusätzlich zu ASS, eine der I-A
folgenden Optionen (jeweils Beginn mit Loading-Dosis) ist
möglich:
• Prasugrel bei nicht mit Clopidogrel vorbehandelten Pat. I-B
ohne Schlaganfall/TIA in der Vorgeschichte, Alter < 75 J.
• Ticagrelor I-B
• Clopidogrel, insbes., wenn Prasugrel od. Ticagrelor ent­ I-C
weder nicht verfügbar od. kontraindiziert sind
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten werden als Bail-out-Stra­ IIa-C
tegie bei angiografischem Nachweis von ausgedehntem
Thrombus, Slow- od. Low-Reflow od. einer thrombotischen
KO empfohlen
Der routinemäßige Einsatz eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorant­ IIb-B
agonisten als Begleitther. bei primärer PCI unter Verwen­
dung von UFH kann bei fehlenden KI erwogen werden
Bei Hochrisiko-Pat., die zur direkten PCI verlegt werden, IIb-B
kann die Upstream-Verwendung eines GP-IIb/IIIa-Rezeptor­
antagonisten erwogen werden
Mögliche GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten sind:
• Abciximab A
• Tirofiban B
• Eptifibatide B
Antithrombintherapie
Bei primärer PCI ist die Verwendung einer parenteralen I-C
antithrombotische Substanz indiziert
Bivalirudin (als Monother. bzw. in Komb. mit GP-IIb/IIIa-Re­ I-B
zeptorantagonisten als Bail-out-Ther.) ist UFH in fester
Komb. mit einem GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten vorzu­
ziehen
Enoxaparin (mit od. ohne Routine-Komb. mit einem GP- IIb-B
IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten) kann UFH vorgezogen wer­
den
98 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.24 Empfehlungen zu Reperfusionstherapien bei akutem MI (< 12 h


Symptomdauer) (nach ESC 2012) (Forts.)
Empfehlungen Empfehlungsstärke/
Evidenz

Antithrombintherapie
UFH (mit od. ohne Routine-Komb. mit einem GP-IIb/IIIa-Re­ I-C
zeptorantagonisten) ist indiziert, wenn weder Bivalirudin
noch Enoxaparin zum Einsatz kommen
Fondaparinux ist bei primärer PCI nicht zu empfehlen III-B
Die Durchführung einer Thrombolyse vor geplanter primä­ III-a
rer PCI ist nicht zu empfehlen

3 Zusätzliche Therapie
Thrombusaspiration als Routinemaßnahme ist zu empfehlen IIa-B

Thrombolysetherapie
Die Wirksamkeit der Fibrinolyse bei STEMI ist bis zur 12. h nach Symptombe-
ginn belegt u. strikt zeitabhängig. In den ersten 2–4 h nach Symptombeginn
besteht ein exponentieller Wirksamkeitsverlust der Lysether., danach ist der
Abfall eher linear. Deshalb ist jeder Zeitgewinn in den ersten Stunden nach
Symptombeginn von erheblicher Bedeutung für die Prognose. Liegen die ge-
nannten EKG-Kriterien für STEMI nicht vor, ist die Lysether. nicht indiziert
(▶ Tab. 3.25).

Tab. 3.25 Empfehlungen zur fibrinolytischen Therapie bei akutem Herzin-


farkt (< 12 h Symptomdauer; nach ESC 2012)
Empfehlung Empfehlungsstärke/
Evidenz
Empfohlen innerhalb von 12 h nach Symptombeginn, I-A
wenn keine KI (▶ Tab. 3.26) vorliegen u. eine primäre PCI
nicht von einem erfahrenen Team innerhalb von 120 Min.
nach Erstkontakt durchgeführt werden kann
Bei Pat. mit großem MI u. geringem Blutungsrisiko, die IIa-B
sich früh (< 2 h) nach Symptombeginn vorstellen, sollte ei­
ne Fibrinolyse erwogen werden, wenn eine direkte PCI
nicht innerhalb 90 Min. nach Erstkontakt möglich ist
Ein fibrinspezifisches Medikament (Tenecteplase, Altepla­ I-B
se, Reteplase) sollte bevorzugt gegeben werden
Die prähospitale Einleitung einer fibrinolytischen Ther. ist IIa-A
nicht zu empfehlen
Antithrombozytäre Zusatztherapie
Wenn nicht bereits eine ASS-Medikation besteht, dann I-B
orale od. i. v. Dosis von ASS
zusätzlich Clopidogrel (Bolusdosis bei einem Alter ≤ 75 J. I-B
od. Beginn mit einer Erhaltungsdosis bei einem Alter
> 75 J.)
oder bei einem Alter > 75 J. Beginn mit einer Erhaltungs­ IIa-B
dosis
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 99

Tab. 3.25 Empfehlungen zur fibrinolytischen Therapie bei akutem Herzin-


farkt (< 12 h Symptomdauer; nach ESC 2012) (Forts.)
Empfehlung Empfehlungsstärke/
Evidenz

Antithrombin-Begleitther. mit Alteplase, Reteplase od.


Tenecteplase
Enoxaparin i. v. Bolus, 15 Min. später gefolgt von der ers­ I-A
ten s. c. Dosis (bei Alter > 75 J. keine i. v. Bolusgabe u. Be­
ginn mit einer reduzierten ersten Subkutandosis)
Falls Enoxaparin nicht verfügbar: gewichtsadaptierter Bo­ I-A
lus von Heparin i. v. gefolgt von einer gewichtsadaptierten
i. v. Infusion mit erster aPTT-Kontrolle nach 3 h
Antithrombin-Begleitther. mit Streptokinase 3
Fondaparinux i. v.-Bolus gefolgt von einer s. c. Dosis 24 h IIa-B
später oder
Enoxaparin i. v. Bolus gefolgt 15 Min. später von der ersten IIa-B
s. c. Gabe (bei einem Alter > 75 J. keine Gabe eines i. v. Bo­
lus u. Beginn mit einer reduzierten ersten Subkutandosis)
oder gewichtsadaptierte Dosis von i. v. Heparin gefolgt IIa-C
von einer gewichtsadaptierten Infusion
Transfer in ein PCI-Zentrum nach Fibrinolyse
Indiziert bei allen Pat. nach Thrombolyse I-A
Interventionelle Ther. nach Thrombolyse
Eine Rescue-PCI ist indiziert unmittelbar nach einer erfolg­ I-A
losen Thrombolyse (< 50 % ST-Segment-Resolution nach
60 Min.)
Eine dringliche PCI ist indiziert bei wiederkehrender Isch­ I-B
ämie od. Evidenz für eine Reokklusion nach initial erfolg­
reicher Thrombolyse
Eine dringliche Angio zur Planung der Revaskularisation ist I-A
indiziert bei Pat. mit akuter Herzinsuff./kardiogenem Schock
Eine Angio zur Planung der Revaskularisation (des Infarkt­ I-A
gefäßes) ist indiziert nach erfolgreicher Thrombolyse
Optimaler Zeitpunkt der Angio bei stabilen Pat. nach er­ IIa-A
folgreicher Thrombolyse: 3–24 h

Indikationen
• Typischer Schmerz > 20 Min.
• ST-Strecken-Hebung > 0,1 mV in > 2 zusammenhängenden Extremitäten- u./
od. > 0,2 mV in > 2 zusammenhängenden Brustwandabl. od. LSB mit infarkt-
typischer Symptomatik.
• Symptomdauer < 12 h (optimal < 6 h, danach eventuell bei kardiogenem
Schock u. persistierendem Schmerz, falls PCI nicht verfügbar).
• Fehlen absoluter KI (▶ Tab. 3.26).
Durchführung
• rt-PA (Actilyse®): Dosis ▶ Tab. 3.27; vereinfachtes Schema: 15 mg rt-PA als
Bolus über 1–2 Min. i. v., anschließend 50 mg rt-PA auf 50 ml NaCl 0,9 % über
100 3 Koronare Herzkrankheit 

30 Min. (Perfusor 100 ml/h), danach 35 mg auf 50 ml NaCl 0,9 % über 1 h


(Perfusor 50 ml/h). Gesamtdosis 100 mg, bei KG < 65 kg Dosisanpassung auf
1,5 mg/kg KG. Geringfügige Vorteile von rt-PA gegenüber Streptokinase: v. a.
bei frühem Ther.-Beginn (< 3 h), ausgedehntem Infarkt u. Alter < 75 J., wahr-
scheinlich durch schnelleren Lyseerfolg mit höherer Offenheitsrate nach
90 Min. (54 % gegenüber 31 % bei Streptokinase, GUSTO-Studie).
• Reteplase (Rapilysin®) ▶ 11.9.4.
• Tenecteplase (Metalyse®) ▶ 11.9.5.
• Streptokinase (z. B. Streptase®): wird nur noch selten verwendet; Dosis
▶ Tab. 3.27; ggf. vorher 250 mg Prednisolon i. v. (z. B. Solu-Decortin H®).
Streptokinase nicht nach Streptokinasether. in den letzten 4–6 Mon. (vermin-
derte Wirksamkeit aufgrund neutralisierender AK), bis 1,7 % allergische NW.
Beginn der High-Dose-Heparinther. ca. 6 h nach Lyseende.
3 Beurteilung des Lyseerfolgs
Partielle od. vollständige Rekanalisierung kann angenommen werden bei folgen-
den Befunden:
• Rasche Rückbildung der EKG-Veränderungen u. klinischen Symptomatik.
• Rascher Anstieg der Herzenzyme: Auswascheffekt, v. a. Myoglobin (Anstieg um
150 μg/l/h, Sensitivität 90 %), CK (Maximum 8–17 h nach Infarkt) u. CK-MB.
• Auftreten von Reperfusionsarrhythmien: VES, idioventrikuläre Ersatzrhythmen.
Prognose
Reperfusionsrate 75–80 %, Reokklusionen in 5–25 % (Verminderung durch ASS),
schwere Blutungs-KO in bis zu 2 %, intrakranielle Blutungen 0,75 %.
Kontraindikationen
Thrombolyse nicht indiziert bei NSTEMI (d. h. bei MI ohne ST-Segment-Elevati-
on); bei STEMI, wenn Infarktalter > 24 h u. kein Ischämieschmerz mehr vorliegt
(▶ Tab. 3.26).

Tab. 3.26 Kontraindikationen für Thrombolyse


Absolute Kontraindikationen Relative Kontraindikationen
• Hämorrhagischer Apoplex od. Apoplex • TIA (< 6 Mon.)
unklarer Ursache • Orale Antikoagulation
• Ischämischer Apoplex (< 6 Mon.) • Schwangerschaft od. ≤ 1 Wo. p. p.
• ZNS-Trauma od. -Tumore • Protrahierte Reanimation
• Trauma/OP/Kopfverletzung (< 3 Wo.) • Refraktäre Hypertension (systol.
• Gastrointestinale Blutung (< 1 Mon.) > 180 mmHg u./od. diastol.
• Bekannte Gerinnungsstörung > 110 mmHg)
• Aortendissektion • Fortgeschrittene Lebererkr.
• Nicht komprimierbare Punktionsstellen • Infektiöse Endokarditis
(z. B. nach Leberbiopsie, Lumbalpunktion) • Aktives Magenulkus

Prähospitale Thrombolyse/Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten


Randomisierte Studien haben gezeigt, dass die prähospitale Thrombolyse im Ver-
gleich zur Hospitallyse zu einer signifikanten Mortalitätsreduktion führt. Die Durch-
führung der Ther. in den ersten 2 h nach Symptombeginn war bes. effektiv u. einer
primären Katheterintervention bzgl. Reduktion der Letalität gleichwertig. Eine zeit-
liche Vorverlagerung der Behandlung in die Prähospitalphase ist daher prinzipiell
sinnvoll. Der Zeitgewinn durch die prähospitale im Vergleich zur stationären Lyse
beträgt im Mittel 60 Min. (30–130 Min.). Als einzige KO bei prähospitaler Fibrinoly-
se ist eine geringe Häufung prähospitalen Kammerflimmerns beobachtet worden.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 101

• Mögliche Ind. für prähospitale Thrombolyse:


– innerhalb der ersten 60(–180) Min. nach Schmerzbeginn bei jüngeren Pat.
mit großem (Vorderwand-)Infarkt,
– falls Hospitalbehandlung innerhalb von 60 Min. nicht möglich.
• Durchführung: I. d. R. durch einmalige Injektion eines modernen Bolus-
Thrombolytikums (Reteplase, Tenecteplase, ▶ Tab. 3.27).

Tab. 3.27 Fibrinolytika bei akutem Myokardinfarkt (nach DGK 2004)


Dosierung Heparin-Begleittherapie
Streptokinase (SK) 1,5 Mio. IE über 30–60 Min. Keine Initialgabe
Heparin nach 6–24 h
Anistreplase 30 IE in 5 Min. i. v.
Alteplase (tPA) 15 mg i. v. Bolus I. v. Bolus: 60 IE/kg KG, 3
(z. B. Actilyse®) 0,75 mg/kg KG über 30 Min., dann max. 5.000 IE
0,5 mg/kg KG über 60 Min. i. v. I. v. Infusion: 12 IE/kg KG/h
Gesamtdosis ≤ 100 mg, Dosisan­ über 48 h, max. 1.000 IE/h
passung bei KG < 65 kg auf 1,5 mg/ Ziel: aPTT 50–70 s
kg KG
Reteplase (r-PA, 10 IE + 10 IE i. v. Bolus im Abstand I. v. Bolus: 60 IE/kg KG,
z. B. Rapilysin®) von 30 Min. max. 5.000 IE
I. v. Infusion: 12 IE/kg KG/h
über 48 h, max. 1.000 IE/h
Ziel: aPTT 50–75 s
Tenecteplase i. v. Bolus I. v. Bolus: 60 IE/kg KG,
(TNK-tPA, z. B. 30 mg < 60 kg KG max. 5.000 IE
Metalyse®) 35 mg 60–< 70 kg KG I. v. Infusion: 12 IE/kg KG/h
40 mg 70–< 80 kg KG über 48 h, max. 1.000 IE/h
45 mg 80–< 90 kg KG Ziel: aPTT 50–75 s
50 mg ≥ 90 kg KG

Akute perkutane Koronarintervention (direkte PCI/PTCA) bei STEMI


Die mechanische Rekanalisation (Dilatation mit/ohne Stentimplantation) ist nach
aktuellen Empfehlungen bei STEMI Reperfusionsverfahren der ersten Wahl,
wenn ein erfahrenes Team bereitsteht u. die dadurch verursachte Zeitverzögerung
90 Min. nicht überschreitet.
• Ind.: wie Thrombolyse. Zusätzlich:
– KI gegen Thrombolyse.
– Nach erfolgloser Thrombolyse (bei weiter bestehender Symptomatik) als
Rescue-PCI.
– Kardiogener Schock innerhalb der ersten 36 h nach ST-Elevation bzw.
neuer Schenkelblock. Reperfusion innerhalb von ≤ 18 h nach Schockbe-
ginn anstreben.
• Voraussetzungen:
– Sofortige Einsatzbereitschaft eines in der interventionellen u. Pharmako-
ther. des akuten MI erfahrenen Teams (ärztliches u. nichtärztliches Perso-
nal), „door-to-dilatation-time“ < 90 ± 30 Min.
– PTCA/PCI innerhalb der ersten 12 h nach Schmerzbeginn. Danach bei
weiter bestehenden Beschwerden aufgrund einer weiter bestehenden od.
fortschreitenden Myokardischämie.
• Nicht indiziert: > 12 h nach Schmerzbeginn, falls keine Beschwerden od. Evi-
denzen für Myokardischämie.
102 3 Koronare Herzkrankheit 

• Begleitther.:
– Prähospitale Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (Abciximab, Ti-
rofiban, Eptifibatide) vor primärer PCI kann die Rate offener Infarktgefä-
ße mit initial normalem Koronarfluss (TIMI 3) erhöhen, die Thrombus-
last vor Koronarintervention reduzieren u. möglicherweise den mikro-
vask. Fluss nach Koronarintervention verbessern. Eine Reduktion der Le-
talität konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Deshalb ist dieses
Vorgehen bisher nicht für die Routine zu empfehlen.
– Die Komb.-Ther. mit Fibrinolytika vor Intervention (sog. „facilitated
PCI“) hat in randomisierten Studien zu keiner Prognoseverbesserung ge-
führt u. kann deshalb ebenfalls nicht empfohlen werden.

Indikationen zur akuten chirurgischen Koronarrevaskularisation


3 Die Bypass-Chirurgie spielt als primäres Revaskularisationsverfahren wegen
des hohen periop. Risikos im akuten Infarkt keine Rolle. Wenn irgend möglich,
Herz-OP in einem zeitlichen Intervall (> 2 Wo.) nach dem Infarkt durchführen.
Eine frühzeitige OP nach Infarkt kann jedoch unter folgenden Umständen zu
erwägen sein:
• Fehlgeschlagene PTCA/PCI bei Pat. mit anhaltenden Beschwerden od.
hämodynamischer Instabilität, wenn die erwartete Letalität des Eingriffs
kleiner als die einer rein med. Weiterbehandlung wäre.
• STEMI mit persistierender od. rekurrierender Ischämie u. einer Koronar-
morphologie, die ungeeignet für eine kathetertechnische Intervention ist
(z. B. Hauptstammstenose od. schwere diffuse 3-GE ohne klar zu identifi-
zierende „Culprit“-Stenose).
• KO nach Ballondilatation (z. B. Perforation eines Koronargefäßes).
• Bypass-Versorgung im Rahmen der chirurgischen Ther. einer schweren
Infarkt-KO:
– infarktbedingter VSD,
– schwere MR durch Papillarmuskeldysfunktion od. -abriss,
– Ventrikelperforation,
– kardiogener Schock mit für die chirurgische Ther. geeigneter Koronarana-
tomie, wenn eine PTCA/PCI nicht durchführbar od. ungeeignet ist.

Indikationen zur Koronarangiografie und ggf. PTCA/PCI während des stationä-


ren Aufenthalts
• Erfolglose Fibrinolyse od. unklarer Lyseerfolg: umgehend (IIa-B).
• Bleibende hämodynamische Instabilität, wiederholte Ischämie, Wieder-
verschluss nach initial erfolgreicher Fibrinolyse: umgehend (I-B).
• Bei erfolgreicher Fibrinolyse: innerhalb von 3–24 h nach Beginn der fibri-
nolytischen Ther. Um PCI in der frühen prothrombotischen Phase nach
Lysether. zu vermeiden, wird ein optimales Zeitfenster von 3–24 h für die
Angio ggf. mit PCI empfohlen (IIa-A).
• Bei instabilen Pat., die keine Reperfusionsther. erhalten haben: umgehend
(I-C).
• Bei stabilen Pat., die keine Reperfusionsther. erhalten haben: vor Entlas-
sung (IIb-C).
• Vor chirurgischer Ther. mechanischer KO (akute MR, VSD, Pseudoaneu-
rysma, LV-Aneurysma).
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 103

! Pat., die für eine Revaskularisationsmaßnahme nicht infrage kommen, brau-


chen keine angiografische Diagn.
Begleitende Maßnahmen
• Initial Bettruhe (12–24 h), Stuhlregulierung, Thromboseprophylaxe. Psychi-
sche Führung. Verlegung auf periphere Station nach Normalisierung der CK
u. Beschwerdefreiheit.
• Bei kleinem MI ist eine frühzeitige Mobilisation ab dem 2. Tag möglich, bei
größerem Infarkt Schonung über mind. 1 Wo. mit vorsichtiger krankengym-
nastischer Mobilisation nach Stufenschema. Nach ca. 2 Wo. bei ausreichen-
dem AZ des Pat. Belastungsuntersuchungen, s. o.

Medikamentöse Langzeittherapie nach STEMI (nach ESC 2008)


• ASS auf Dauer (75–100 mg/d) bei allen Pat. ohne ASS-Allergie (I-A). 3
• Clopidogrel (75 mg/d) über 12 Mon. in Komb. mit ASS für alle Pat. unab-
hängig von der Art der Akutbehandlung (IIa-C). Alternativ: Ticagrelor
(180 mg Initialdosis, 2 × 90 mg/d Erhaltungsdosis) od. bei bekannter Ko-
ronaranatomie Prasugrel (60 mg Initialdosis, 10 mg/d Erhaltungsdosis).
• Clopidogrel (75 mg/d) für alle Pat. mit KI gegen ASS (I-B).
• Orale Antikoagulation mit Ziel-INR von 2–3 für Pat., die weder ASS noch
Clopidogrel tolerieren (IIa-B).
• Orale Antikoagulation bei dem empfohlenen INR, wenn klinisch indiziert
(z. B. bei VHF, LV-Thrombus, mechanischen Herzklappen; I-A).
• Orale Antikoagulation (bei INR 2–3) in Ergänzung zu niedrig dosiertem
ASS (75–100 mg/d) bei Pat. mit sehr hohem Risiko für thromboemboli-
sche Ereignisse (IIa-B).
• Orale Antikoagulation zusätzlich zu ASS u. Clopidogrel (nach kürzlich er-
folgter Stentimplantation u. Ind. für orale Antikoagulation; IIb-C). Ist eine
orale Langzeit-Antikoagulation erforderlich, sollte bevorzugt ein unbe-
schichteter Stent u. kein Medikamente freisetzender Stent implantiert wer-
den, weil dies den Pat. nur für kürzere Zeit dem Risiko einer 3-fachen an-
tithrombotischen Ther. u. damit einem kürzeren erhöhten Blutungsrisiko
aussetzt.
• Orale Antikoagulation zusätzlich zu ASS od. Clopidogrel (nach kürzlich
erfolgter Stentimplantation u. Ind. für orale Antikoagulation u. erhöhtes
Blutungsrisiko; IIb-C). Alternativ: Ticagrelor (180 mg Initialdosis,
2 × 90 mg/d Erhaltungsdosis) od. bei bekannter Koronaranatomie Prasu­
grel (60 mg Initialdosis, 10 mg/d Erhaltungsdosis).
• ACE-Hemmer sollten bei allen Pat. ohne KI erwogen werden, unabhängig
von RR od. LV-Funktion (IIa-A).
• AT-Rezeptorblocker für alle Pat. ohne KI, die keinen ACE-Hemmer tole-
rieren, unabhängig von RR od. LV-Funktion (IIa-C).
• Orale Betablocker für alle Pat., die diese Medikation tolerieren u. keine KI
haben, unabhängig von RR od. LV-Funktion (I-A).
• Statine für alle Pat., wenn keine KI vorliegen, unabhängig vom Chol.-
Spiegel. So früh wie möglich beginnen, um ein Ziel-LDL < 100 mg/dl
(< 2,5 mmol/l) zu erreichen (I-A).
• Influenza-Impfung für alle Pat. (I-B)
104 3 Koronare Herzkrankheit 

3.6.5 Besondere Infarkttypen
Rechtsherzinfarkt
Unterscheidet sich wesentlich vom Linksherzinfarkt. Die „übliche“ Ther. ist nicht
geeignet, um die hohe Letalität zu senken. Ein isolierter Rechtsherzinfarkt findet
sich bei ca. 3 % aller Infarktpatienten. Bei posteriorem bzw. HWI ist der RV in ca.
50 % beteiligt. Meist löst ein prox. Verschluss der RCA, selten der RCX (bei Links-
versorger) einen Rechtsherzinfarkt aus. Bei LAD-Verschluss können zusätzlich
auch kleinere Anteile der RV-Vorderwand infarzieren.
Pathophysiologie
Ein Pumpversagen des RV senkt die Vorlast des LV. Liegt auch ein Linksherzin-
farkt vor, besteht die Gefahr des kardiogenen Schocks. Therap. Ziel ist es, die Vor-
3 dehnung des LV durch Volumensubstitution zu erreichen.
Klinik
• Typische Trias mit Hypotonie, Zeichen der Rechtsherzinsuff.: Halsvenenstau-
ung, ZVD ↑, pos. Kussmaul-Zeichen (▶ 7.7) u. meist fehlende Lungenstau-
ung.
• Evtl. kardiogener Schock ohne Lungenstauung, da Vorlast des LV fehlt u. bei
gleichzeitigem Linksherzinfarkt der LV wenig durch Katecholamine stimu-
lierbar ist.
Diagnostik
• EKG: Rechtsherzabl. (▶ Abb. 3.10). Auch geringe ST-Hebungen repräkordia-
ler Abl. (V3r–5r ▶ Abb. 3.14) sind rel. sensitiv u. hochspezifisch. Sie bestehen
nur für ca. 10 h! Außerdem RSB, AV-Block (III° bei ca. 50 %). VHF bei be-
gleitendem Vorhofinfarkt.
• Echo: Dilatation des RV mit Wandbewegungsstörungen. Dilatation des RA,
Ausbildung einer TR. Shift des Septums nach li (RV-Dilatation u. verminder-
te li-seitige Füllung).
• Pulmonaliskatheter: zur Ther.-Steuerung od. bei unklarer Diagnose. Cave:
Wegen erhöhtem Risiko für Kammerflimmern beim Einführen nicht als Rou-
tine.
– Typischer Befund: ZVD ↑ (meist > 10 mmHg); PCWP nicht od. kaum ↑
(normal: Mitteldruck < 10 mmHg). Meist ZVD > PCWP. HZV ↓. Druck-
kurven im RV evtl. „Dip-Plateau-Form“ (▶ 5.1.3).
– Ther.-Ziel: Anhebung des PCWP (u. damit des HZV) durch Volumen-
gabe.
Therapie
Isolierter Rechtsherzinfarkt
Rel. unkompliziert, da intakter LV die fehlende Vorlast ausgleichen kann.
• Infarktther. (▶ 2.2.2, ▶ 3.5.1, ▶ 3.5.2): großzügige Volumensubstitution zur
Hebung der LV-Vorlast, Vermeidung von Vasodilatanzien, aggressive Ther.
des häufigen VHF (Amiodaron, Kardioversion).
• Temporärer SM: Wegen häufiger AV-Blockierungen frühzeitig SM-Schleuse
legen. Bei zunehmendem AV-Block I° od. II°, nur bei Pulsfrequenz < 50/Min.
einschalten (bei Schock eher), bei AV-Block III° erforderlich. Nach Möglich-
keit Zweikammer-SM verwenden, da bessere hämodynamische Wirkung.
• Reperfusion: Fibrinolyse bei reinem Rechtsherzinfarkt wenig effektiv; PCI
bevorzugt.
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 105

I V2

II V1

III V3R

aVR V4R 3

aVL V5R

aVF V6R

Deutliche ST-Hebung in II, III und aVF bei großem Hinterwandinfarkt.


Signifikante ST-Hebung in V3R bis V6R durch rechtsventrikulären Infarkt.
Vermutlich proximaler RCA-Verschluss.

Abb . 3.14 EKG bei Hinterwandinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung [L157]

Kombinierter Links- und Rechtsherzinfarkt


Hohe Letalität!
• Bei Hypotonie: rasche Infusion von Volumen (HAES 6 %, Ringer-Lsg.),
ggf. 1–2 l so schnell wie möglich. Volumengabe (trotz hohem ZVD!) bis
RR > 80 mmHg systol. bzw. bis zur beginnenden pulmonalen Stauung. Bis
3 mg Atropin i. v.
• Katecholamine: Bei RR ↓ trotz Volumen LV-Stimulation durch Dop­
amin bzw. Dobutamin (▶ 11.1.2) meist erfolglos. Vorsichtige (!) Nachlast-
steigerung des LV mit Noradrenalin bzw. Adrenalin (▶ 11.1.2) kann ver-
sucht werden (steigert auch Füllungsdruck des LV).
• Notfall-PTCA (▶ 12.1.4): alternativ zur Fibrinolyse (▶ 3.6.4) u. bei kons.
nicht zu stabilisierenden Pat.

Nitro, Diuretika u. Morphin bei Rechtsherzinfarkt kontraindiziert: Jede Vor-


lastsenkung vermeiden (Analgesie bei starkem Schmerz erlaubt).

Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
Symptome des akuten MI mit folgenden Leitbefunden:
• stressinduzierte, heftige Thoraxschmerzen,
• ST-T-Veränderungen im EKG meist über der Vorderwand,
106 3 Koronare Herzkrankheit 

• Freisetzung von kardialen Markern der Myokardnekrose,


• r eversible, vorwiegend apikale Wandbewegungsstörung des LV bei angiogra-
fisch „normalen“ Koronararterien.
Synonyme: Apical Ballooning Syndrome, „Broken Heart Syndrome“, Katechol­
amin-CMP.
Tako-Tsubo (= Tintenfischfalle) beschreibt die typische endsystol. Form des LV
mit ballonartiger Auftreibung des LV-Apex.
Klinik
• Vermehrt bei Frauen auftretend,
• heftige Thoraxschmerzen wie Angina pectoris,
• häufig nach exzessiver emotionaler od. körperl. Belastung,
• weitere klinische Manifestationen wie bei ACS.
3 Diagnostik
• EKG mit ST-T-Hebungen od. (häufiger) T-Wellen-Veränderungen (terminal
neg. T wie bei NSTEMI).
• Echo: apikale A- bis Dyskinesie ähnlich einem Vorderwandaneurysma.
• Labor: kardiale Marker (Tn, CK) im Verhältnis zur Ventrikelläsion oft nur
mäßiggradig erhöht.
• Koro: „normale Koronararterien“ ohne Nachweis stenosierender Verände-
rungen, nicht selten massive systol. LV-Dysfunktion.
Therapie
Keine Reperfusionsther. nötig, ansonsten wie bei STEMI od. NSTEMI (▶ 3.6.4,
▶ 3.7).
Komplikationen
Alle KO des ACS möglich, je schlechter die systol. Ventrikelfunktion, desto häufi-
ger KO.
Prognose
Vollständig reversible Ventrikeldysfunktion innerhalb von Tagen bis Wochen.
Langzeitprognose scheint günstig zu sein. Zum Schutz vor Katecholaminexzessen
Betablocker empfohlen.

3.6.6 Frühkomplikationen des Myokardinfarkts


Reinfarkt nach erfolgreicher Fibrinolyse
Nach erfolgreicher Fibrinolyse in ca. 4 % Reverschluss des Infarktgefäßes nach
Stunden bis wenigen Tagen.
Therapie
• Direkte PTCA/PCI, da wahrscheinlich günstiger als erneute Lyse. Koro nach
Reinfarkt umgehend anstreben (ggf. Verlegung in kardiologisches Zentrum).
• Fibrinolyse: wenn PTCA nicht möglich; t-PA ist bei Reverschluss in ca. 75 %
erfolgreich. Blutungsrisiko der Relyse entspricht vermutlich einer Erstlyse.
! Cave: Wegen Allergiegefahr nicht 2-mal Streptokinase bzw. APSAC.
Arterielle Hypotonie
Die Hypotonie nach Infarkt beruht oft auf einem Vorwärtsversagen des LV. Leta-
lität deutlich erhöht (22 %). Differenzialtherap. muss zwischen hypovolämiebe-
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 107

dingtem Vorwärtsversagen des LV (gute Prognose) u. kombiniertem Vorwärts-


Rückwärts-Versagen des LV bei schwerer Kontraktilitätsstörung unterschieden
werden. Ther.-Ziel: Steigerung der Inotropie des LV durch Katecholamine u. Vor-
laststeigerung (Volumengabe).
Therapie
• Bett kippen: Hochlagerung des Fußendes. Bei RR-Anstieg um > 10 mmHg
systol. profitiert der Pat. von höherer Vorlast. Dann Diuretika reduzieren, In-
fusion z. B. von 500 ml Ringer-Lsg., Flüssigkeitsbilanz nicht neg. halten. Bei
liegendem ZVK ZVD anheben.
• Wenn unzureichend, Dobutamin 250 mg/50 ml, 4–8–12 ml/h (z. B. Dobutrex®
▶ 11.1.2). Ist RR systol. weiterhin < 100 mmHg: zusätzlich Dopamin
250 mg/50 ml, 4–8–12 ml/h (▶ 11.1.2).
• Bei ausbleibendem Erfolg entweder weitere Volumengabe bis radiologisch ge- 3
ringe pulmonale Stauung od. Pulmonaliskatheter zur Ther.-Steuerung einfüh-
ren. Volumengabe bis PCWP > 20 mmHg.

Linksherzdekompensation
Ein Lungenödem tritt auf, wenn die Pumpleistung des LV unter die des RV sinkt
(bei PCWP > 25–28 mmHg). Hoher PCWP u. niedriges HZV sind Indikatoren
einer schlechten Prognose nach Infarkt. Die pulmonale Stauung nach MI wird
nach Killip klassifiziert (▶ Tab. 3.28).

Tab. 3.28 Killip-Klassifikation der Herzinsuffizienz nach Infarkt


Stadium Klinischer Befund Infarktletalität
Daten: GISSI, Killip
Killip I Keine pulmonale Stauung Ca. 6 %
Killip II Rasselgeräusch < 50 % der Lunge, 3. HT, Halsve­ Ca. 18 %
nenstauung bzw. ZVD ↑
Killip III Lungenödem (Rasselgeräusche > 50 % der Lunge) Ca. 36 %
Killip IV Kardiogener Schock Ca. 70–80 %
Killip I bedeutet nicht, dass keine Linksherzinsuff. besteht, sondern es liegt keine
Herzinsuff. im Stadium NYHA IV vor (in körperl. Ruhe diagnostizierbar).

Therapie
• Oberkörper hochlagern, Beine tief („Herzbett“, Vorlastsenkung durch venö-
ses Pooling).
• O2 per Nasensonde (2–6 l/Min.).
• Ggf. unblutiger Aderlass zur Akutther.: Stauschlauch um 2 Extremitäten (ve-
nöses Pooling), nach max. 15 Min. Extremität wechseln!
• Morphin 5–10 mg i. v.: bewirkt Dilatation der präkapillären pulmonalen Ge-
fäße, Sedierung, Analgesie, Anxiolyse.
• Diurese steigern: Furosemid je nach Krea 40–120 mg i. v. (z. B. Lasix®), ggf.
wiederholt.
• Pos. inotrope Substanzen: z. B. Dobutamin 2,5–10 μg/kg KG/Min. (▶ 11.1.2).
Bei persistierender Kreislaufinstabilität Dopamin in niedriger Dosis (1,5–
5 μg/kg KG/Min. ▶ 11.1.2). Bei Vorwärtsversagen (kardiogener Schock): Do-
butamin u. Dopamin kombinieren im Verhältnis 2 : 1 od. 1 : 1. Alternativ
Adrenalin 0,02–0,1–0,5 μg/kg KG/Min. (▶ 11.1.2, HZV-Anstieg u. RR-Stabili-
sierung).
108 3 Koronare Herzkrankheit 

• Intraaortale Ballon-Gegenpulsation bei unzureichendem Effekt der med. Ther.


• Bei respiratorischer Insuff. → Intubation u. Beatmung:
– Masken-CPAP; 30 % Reduktion der Intubationshäufigkeit.
– Bei Erfolglosigkeit kontrollierte Beatmung. Ind.: O2-Sättigung < 80 % für
> 20 Min. od. rascher Abfall < 80 %. pCO2 > 50 mmHg, Tachypnoe > 30/
Min. Erschöpfung, RR < 70 mmHg systol., hypoxämische Bradykardie.
• Nachlast senken bei RR systol. > 110 mmHg:
– Nitro-Perfusor: 50 mg/50 ml, 0,5–5 ml/h (z. B. Perlinganit®) nach RR. Vor-
teil gegenüber Natriumnitroprussid: kein koronarer Steal-Effekt.
– Alternativ: Natriumnitroprussid (nipruss® ▶ 11.4.3). Art. Blutdruckmessung!
• Wenn Katecholamine unzureichend, evtl. PDE-Hemmer (▶ 11.1.3). Nachteil:
schlechte Steuerbarkeit.
• Frühzeitig ACE-Hemmer (Prognoseverbesserung!): Bei RR > 100 mmHg,
3 kleine Dosen, z. B. Ramipril 1,25 mg, steigern je nach RR (möglichst hohe
Zieldosis anstreben).
• Zügig Koro anstreben. Nur Revaskularisation (PTCA od. OP) bessert bei
isch­ämischer Myokardschädigung langfristig die Prognose.

Kardiogener Schock
Anhaltend RR systol. < 90 mmHg, CI < 2,2 l/Min./m2 u. PCWP deutlich
> 15 mmHg. Ein Schock entsteht, wenn > 40 % des li Herzens infarzieren, Letalität
ca. 70 %.

An Rechtsherzinfarkt (▶ 3.6.5) denken → schnelle Infusion von deutlich > 1 l


Flüssigkeit hilft!

Klinik
Art. Hypotonie, oft Bewusstsein getrübt, meist klinische Zeichen der Zentralisati-
on (kalte Akren, marmorierte kaltschweißige Haut), Oligo- bis Anurie. Meist Lak-
tat deutlich erhöht.
Pulmonaliskatheter
Diagn. nur bei unklarer Genese des Schocks (▶ 2.1.3), ansonsten zur Ther.-Steue-
rung. Bei kardiogenem Schock CI bzw. HZV ↓ (s. o.), PCWP ↑ (s. o.). Peripherer
Widerstand ƒ (> 2.000 dyn/s/cm-5), zentralvenöse O2-Sättigung ↓ (< 75 %, ver-
mehrte Ausschöpfung des Bluts).
Differenzialdiagnose
• Sepsis: Anamnese, normales EKG. Pulmonaliskatheter: bei Sepsis peripherer
Widerstand ↓, CI ↑.
• Aortendissektion (▶ 10.2): EKG, ggf. CT, TEE.
• Perikardtamponade (▶ 2.3.3): Echo.
Therapie
• Basismaßnahmen (▶ 2.1.3).
• Pulmonaliskatheter: zur Ther.-Steuerung. Ziel: CI > 2 l/Min./m2. Volumen-
gabe, um PCWP auf > 15–20 mmHg anzuheben.
• Rhythmisierung: bei neu aufgetretenem VHF Elektrokonversion, bei Brady-
kardie temporärer SM (möglichst Zweikammer-Stimulation).
• Intraaortale Ballon-Gegenpulsation (IABP): Bei weiter bestehender massi-
ver Myokardischämie trotz intensiver med. Ther. od. bei persistierender Hy-
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 109

potonie (Schock od. Schockfragmente): in Komb. mit Koro u. Revaskularisa-


tionsversuch mittels PTCA/PCI notfallmäßig indiziert. Ziel: verbesserte
Myokardreperfusion durch Anheben des koronaren Perfusionsdrucks. Wei-
tere Ind.: akute MR od. VSD als Infarkt-KO zur Stabilisierung vor Angio u.
OP, wiederholte intraktable ventrikuläre Arrhythmien mit hämodynamischer
Beeinträchtigung u. therapierefraktäre Angina nach Infarkt zur Überbrü-
ckung der Zeit bis zur Angio u. Revaskularisation.
• Notfall-PTCA (auch unter Reanimation), Stent od. Bypass-OP (nach Koro).
Bes. bei jungen Pat. mit kardiogenem Schock immer versuchen, mittels PCI
das Infarktgefäß zu reperfundieren. Einzige Möglichkeit, Letalität (70 %) zu
senken.
• Wenn PTCA nicht möglich, evtl. Fibrinolyse (▶ 3.6.4). Erfolg nicht belegt.
Rhythmusstörungen 3
Bradykarde Rhythmusstörungen
Häufig v. a. bei HWI in den ersten Stunden (Sinus- od. AV-Knoten kann im Ne­
krosebereich liegen).
• Sinusbradykardie (▶ 7.3.1): bei Frequenz < 50/Min. Atropin 0,5–1 mg i. v.,
ggf. wiederholt. Bei ausbleibender Wirkung evtl. transvenöser SM (möglichst
Vorhof-SM).
• Asystolie ohne Ersatzrhythmus (▶ 2.1.2):
– Eintreten der Asystolie wurde beobachtet: Basisreanimation bis SM-Anla-
ge (▶ 2.1.2).
– Asystolie wird vermutet (DD: feines Kammerflimmern): Reanimation
(▶ 2.1.2), Adrenalin 1 mg i. v. u. Defibrillation. Wenn weiterhin keine Ak-
tionen im EKG → SM.
• AV-Blockierung:
– AV-Block I°: keine Ther., Betablocker absetzen.
– AV-Block II°: Schleuse legen, u. U. auch SM-Kabel. Bes. ein Mobitz-Block
Typ II° (meist Infra-His-Block) kann öfter in AV-Block III° übergehen.
Atropin i. d. R. wirkungslos.
– AV-Block III°: SM legen, aber nur bei unzureichender Ersatzfrequenz ein-
schalten (Frequenz < 50/Min., bei Lungenödem od. Schock eher).
• Schenkelblock: Bei neuem bifaszikulärem Block (RSB plus LAH od. linkspos-
teriorer Hemiblock) hohes Risiko eines kompletten AV-Blocks → vorsorglich
SM legen.
Therapie
• SM: transkutan (evtl. mittels Defi), transösophageal (auf Vorhofebene) od.
transvenös im RA od. RC bzw. als Zweikammer-SM.
! Hämodynamisch ist eine transkutane Stimulation nicht deutlich schlechter
als eine intraventrikuläre Einkammer-Stimulation, aber für Pat. belastend.
• Implantation eines permanenten SM erst mehrere Tage nach Infarkt, häufig
spontane Besserung der Blockierung.
Tachykarde Rhythmusstörungen
• Paroxysmale SVT (▶ 7.7): Karotisdruck. Wenn erfolglos, schnelle Injektion
von Adenosin max. 12 mg (Adrekar®). Alternativ Verapamil 5 mg schnell i. v.
(z. B.: Isoptin®) od. Esmolol 500 μg/kg KG i. v. (3–4 ml Brevibloc®). Bei wie-
derholtem Auftreten Rezidivprophylaxe mit Betablockern od. Verapamil.
110 3 Koronare Herzkrankheit 

• Vorhofflimmern/-flattern: Wenn neu aufgetreten, großzügige Ind. zur Elek­


trokardioversion, v. a. bei schneller Überleitung. Analgesie od. Kurznarkose,
z. B. Fentanyl 0,1 mg + Etomidat bis 20 mg i. v. (1 Amp. Hypnomidate®), dann
initial 25 od. 50 J. Schnelle Digitalisierung (▶ 11.1.1) zum Bremsen der AV-
Überleitung möglich. Bei art. Hypertonus alternativ Diltiazem- od. Verapa-
mil-Perfusor (▶ 11.5, ▶ 11.6.12).
• Gehäufte VES, ventrikuläre Couplets od. Salven: Eindeutige Ind. zur antiar-
rhythmischen Ther. bestehen nicht. Bes. früh einfallende Extrasystolen („R-
auf-T“) sind Indikatoren eines drohenden Kammerflimmerns. Vorgehen:
– Serum-K+ < 4–5 mmol/l: sofort 50 mval/50 ml KCl über ZVK, Perfusor
anfangs 20 ml/h, stdl. Kaliumkontrolle.
– Bestehen weiterhin mehrere VES/Minute od. Salven → Lidocain 75–
100 mg i. v. (z. B. Xylocain 2 % 5 ml), anschließend Perfusor 1 g/50 ml (5 ml
3 Xylocain® 20 % auf 50 ml aufziehen), 4–6(–8) ml/h. Senkt Letalität nicht,
mindert aber Inzidenz des Kammerflimmerns.
– Wenn Lidocain erfolglos, evtl. Sotalol 20 mg langsam i. v. (z. B. ½ Amp.
Sotalex®) od. Amiodaron 150–300 mg langsam i. v. (1–2 Amp.
Cordarex®), immer als Kurzinfusion. Bei Erfolg weitere Aufsättigung
(▶ 11.6.9). Halbiert bei ventrikulären Rhythmusstörungen nach Infarkt
die Letalität, Gesamtletalität sinkt nicht signifikant (CAMIAT-Studie).
– Nach Lidocain od. Sotalol i. v. evtl. auf orale Medikation umsetzen. Gene-
relle Regeln existieren nicht (Senkung der Letalität nicht belegt). Z. B. So-
talol 2–3 × 80–160 mg/d (z. B. Sotalex mite®).
• Bigeminus: meist keine Ther.-Indikation. Evtl. kann jede zweite Herzaktion
(die Extrasystole) zu keiner Pumpaktion führen, sodass z. B. bei einer HF im
EKG von 70/Min. eine Pulsfrequenz von 35/Min. mit konsekutiver Links-
herzdekompensation resultiert. Dann wie gehäufte VES therapieren.
• VT: Möglichst schnell beenden! Sofort präkordialer Faustschlag. Wenn er-
folglos: Lidocain 100 mg i. v., bei anhaltender VT Elektrokardioversion mit
niedriger Stromstärke (z. B. 50 J) u. anschließend Lidocain-Perfusor (s. o.).
K+-Mangel schnell ausgleichen (s. o.). Rezid. VT od. Kammerflimmern nach
Fibrinolyse evtl. Hinweise auf hochgradige Koronarstenosen (Hauptstamm?)
→ baldige Koro!
• Kammerflimmern: Reanimation (▶ 2.1.2). Dabei Amiodaron 300 mg lang-
sam i. v., gefolgt von Amiodaron p. o. (z. B. Cordarex®).
• Rezid. Kammerflimmern: Hypokaliämie ausgleichen. Azidose (pH < 7,1) mit
NaHCO3 8,4 % 50–200 ml puffern. Bei Hypoxie Beatmung mit 100 % O2. Ver-
such der med. Stabilisierung. Gesicherte Ther.-Schemata existieren nicht.
Vorschlag zur Rezidivprophylaxe:
– Amiodaron 150–300 mg langsam als Kurzinfusion (Cordarex®), evtl. wie-
derholen, anschließend Erhaltungsdosis (▶ 11.6.10, ▶ 2.1.2), wenn erfolglos:
– Lidocain 75–100 mg i. v., anschließend Lidocain-Perfusor (1 g/50 ml),
4–8 ml/h (▶ 11.6.4), wenn erfolglos:
– Sotalol 20 mg i. v. (z. B. Sotalex®), Nachteil: neg. inotrop (▶ 11.6.9).
! Wenn Pat. nicht stabilisierbar, sofortige Koro mit PTCA (soweit verfügbar),
auch unter Reanimation.

Perikarditis
Tritt typischerweise innerhalb der ersten Wochen nach dem Infarktereignis, ins-
bes. bei transmuralen Infarkten u. verspäteter Reperfusion auf u. ist prognostisch
ungünstig. DD: Reinfarkt od. Infarktausdehnung auszuschließen. Für eine Peri-
 3.6 Myokardinfarkt mit ST-Segment-Hebung (STEMI) 111

karditis sprechen lage- u. atemabhängiger Schmerz u. der Auskultationsbefund


eines Perikardreibens. Im EKG finden sich häufig ubiquitär ST-Strecken-Hebun-
gen konkavförmig aus dem aufsteigenden Schenkel der S-Zacke. Zur Behandlung
sollte zuerst die ASS-Dos. erhöht werden. NSAR u. Steroide zurückhaltend einset-
zen. Ein Perikarderguss ist selten. Ein hämorrhagischer Perikarderguss kann im
Rahmen der Antikoagulation auftreten. Perikardpunktion nur bei echokardiogra-
fisch erwiesener hämodynamischer Relevanz.
Therapie
ASS 4 × 0,5–1 g/d, wenn unzureichend Prednisolon 1 mg/kg KG/d (z. B. Urba-
son®), binnen Tagen ausschleichen (keine hochpotenten NSAR ▶ 3.6.7).

Perikarditis kann Ausdruck einer beginnenden Ventrikelruptur sein. Echo­-


kontrolle! 3

3.6.7 Spätkomplikationen des Myokardinfarkts


Postinfarktangina
Das Wiederauftreten einer A. p. od. erneute ST-Hebungen nach MI sind Zeichen
einer fortbestehenden Gefährdung des Myokards durch Ischämie. Postinfarktangina
tritt bei ca. 20 % aller Pat. auf, gehäuft bei NSTEMI od. Mehrgefäßerkr. sowie insbes.
nach Thrombolyse. Letalität: mit Postinfarktangina 15 %, ohne 4 %. Bei gleichzeiti-
gen Erregungsrückbildungsstörungen im EKG 28 % Reinfarkt-Risiko, ohne 3,5 %.
Therapie
Wie bei instabiler Angina (▶ 3.5).
• Koro zeitnah anstreben!
Inzwischen:
• ASS, Nitroperfusor (50 mg/50 ml, 0,5–5 ml/h).
• Heparin-Perfusor 10.000 IE/50 ml. Ziel: 1,5–2,5-facher oberer Normwert der
PTT.
• Evtl. GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (▶ 3.5.2, ▶ 3.6.4, ▶ 11.8.3).
• Betablocker, z. B. Metoprolol 2 × 50 mg (z. B. Beloc mite®). Ziel: HF < 70/Min.
Ventrikelthromben
Die Herzmuskelnekrose aktiviert die Blutgerinnung. Bes. bei ausgedehnten In-
farkten entstehen in über 40 % Herzwandthromben. Die meisten Thromben lösen
sich spontan auf, die restlichen werden binnen Mon. von Endothel überzogen.
Klinik
Meist Zufallsbefund im Echo. Nur 1 % aller kardialen Thromben wird durch Em-
bolien symptomatisch.
Diagnostik
Echo, CT od. MRT (letzteres sehr sensitiv, aber selten indiziert).
Therapie
Antikoagulation. 6 Mon. Marcumar® (▶ 11.7.4) bei dilatiertem Ventrikel mit gro-
ßem Infarktareal u. großen Thromben. Im Einzelfall auch bei kleineren Thromben
Antikoagulation erwägen. Dauerhafte Antikoagulation bei kardiogenen Embolien
Wochen od. Monate nach Infarkt.
112 3 Koronare Herzkrankheit 

Dressler-Syndrom
Diffuse Perikarditis bzw. Pleuroperikarditis nach MI. U. U. direkt nach Pericardi-
tis epistenocardica. Auftreten meist 2–10 Wo. nach Infarkt. RF: großer Infarkt,
orale Antikoagulanzien. Häufigkeit 1–2 % aller Infarkte. Verlauf meist gutartig.
Therapie
ASS 4 × 0,5–1 g/d. Selten Steroide erforderlich, z. B. Prednisolon 1 mg/kg KG/d,
über 7–14 Tage ausschleichen (z. B. Urbason®). Cave: Hochpotente NSAR (z. B.
Diclofenac, Indometacin) verschlechtern Infarktnarbenbildung!

Herzwandruptur, VSD
Bei ca. 1,5 % aller Infarkte Ruptur der LV-Wand. Ursache von ca. 15 % aller To-
desfälle nach Infarkt im Krankenhaus.
3 Klinik
Meist in den ersten 5 Tagen nach Infarkt, selten nach dem 14. Tag.
• Herzwandruptur: Herzbeuteltamponade mit Schock. Verlauf meist tödlich.
Gelingt eine Not-OP, ist weitere Prognose gut.
• VSD: Symptome reichen von der milden Linksherzinsuff. bis zum akuten
Linksherzversagen. Tritt dieses auf, ist der Verlauf meist rasch progredient.
Diagnostik
Auskultation, Echo. Im Zweifelsfall Rechtsherzkatheter mit Nachweis einer SO2-
Zunahme (Li-re-Shunt).
Therapie
▶ 4.15.6.
Je nach Größe des Shunts. Bei asymptomatischen Zufallsbefunden keine Therapie.
Bei Herzinsuff. zunächst übliche med. Ther. mit Diuretika u. ACE-Hemmern
(▶ 8.2.4). OP im Intervall. Bei großem VSD mit therapierefraktärer Herzinsuff. u.
Schock evtl. Not-OP. IABP zur Überbrückung bis zur OP.

Bei regelmäßiger Auskultation nach Infarkt auf Geräusch durch VSD achten
(li parasternales raues, holosystolisches Geräusch). Wichtigste DD: akute MR
durch Papillarmuskeldysfunktion od. -abriss.

Akute Mitralinsuffizienz
• Durch Nekrose eines Papillarmuskels kann der muskuläre MK-Halteapparat
abreißen → akute MR.
! Auch kleine Infarkte können zum Papillarmuskelabriss führen.
Klinik
Akute schwere MR (▶ 4.5.2); evtl. sehr schnell zunehmendes Lungenödem. Cave:
Akute Linksherzdekompensation kann einziges klinisches Infarktzeichen sein
(keine Angina!).
Diagnostik
• Auskultation: neues, raues holosystolisches Geräusch (bei abnehmendem RR
immer leiser). Echo, TEE (zeigt Ausmaß der Klappendestruktion).
! Pulmonaliskatheter diagn. nicht zwingend erforderlich. In der Wedge-Kurve
sehr prominente v-Welle u. PAH. Kein Sprung in der O2-Sättigung (DD zum
VSD).
 3.7 Management des NSTEMI/der instabilen Angina pectoris 113

Therapie
• Frühzeitig OP. Bis dahin med. Stabilisierung (so kurz wie möglich). Intensiv-
medizinische Überwachung, Pulmonaliskatheter. Nachlastsenkung (Natri-
umnitroprussid od. NTG, Diuretika). Ggf. IABP, Diuretika, bei Schock auch
Volumengabe.
! Keine Katecholamine, Lungenödem ist nicht Folge einer Linksherzinsuffizienz.
Ventrikelaneurysma
Bis zu 15 % aller Infarktpat. entwickeln ein Ventrikelaneurysma. Meist ist der
Vorderwandspitzenbereich betroffen (nach LAD-Verschluss). Es entsteht eine
akinetische, bis mehrere Zentimeter große, bindegewebige Aussackung. Im Ver-
lauf kann der Bereich verkalken. Die entstandene Ventrikeldilatation nimmt mit
der Zeit zu. Im Akutstadium bilden sich meist parietale Thromben über der Ne­
krose (▶ 3.6.7). Im chron. Stadium kann das Aneurysma durch parietale Throm- 3
ben ausgefüllt werden.
Klinik
Meist symptomlos. KO: VT, plötzlicher Herztod (Inzidenz nach MI mehrfach er-
höht), zunehmende Herzinsuff. („remodeling“). Eine Ruptur ist selten. Auch im
weiteren Verlauf kardiogene Embolien möglich.
Diagnostik
Im EKG fortbestehende ST-Strecken-Hebung (typisch, aber nicht sensitiv). Echo
od. Linksherzkatheter.
Therapie
• Antikoagulation: Zunächst Heparin (i. v. high-dose ▶ 11.7.1), dann Kumarin-
derivat (▶ 11.7.4) für 3–6 Mon., bis Oberfläche endothelialisiert. Danach indi-
viduelles Vorgehen, bei großem Aneurysma od. schlechter Ventrikelfunktion
Antikoagulation fortsetzen (bei EF < 35 % verminderte Letalität bei fortge-
setzter Antikoagulation).
• Nachlastsenker: z. B. Ramipril 5–10 mg/d (z. B. Vesdil®), nach RR steigern,
möglichst hohe Dosis anstreben. ACE-Hemmer verringern die Letalität bei
eingeschränkter Ventrikelfunktion nach MI.
• Rhythmusstörungen (▶ 7.2, ▶ 7.5).
• OP: bei großem Aneurysma, rezid. VT od. Kammerflimmern u. sonst gutem
AZ Resektion des Aneurysmas (Endoaneurysmorrhapie) u. koronare Revasku-
larisation, evtl. in Verbindung mit ICD-Implantation (▶ 12.5). OP-Letalität 10 %.

3.7 Management des NSTEMI/der instabilen


Angina pectoris
Die Ther.-Maßnahmen bei NSTEMI sind bis zur Entscheidung für Reperfusions-
ther. identisch mit den Basismaßnahmen u. der Pharmakother. bei STEMI
(▶ 3.5.1, ▶ 3.5.2).

Risikostratifizierung
Nach Basismaßnahmen u. Pharmakother. erneute Risikostratifizierung als Ent-
scheidungsgrundlage für Koronardiagn. (invasiv/nichtinvasiv) u. Ther. (kons.
Ther., Katheterintervention od. koronarchirurgische Behandlung). Umgehende (je
nach Klinik spätestens nach 72 h) Koro für Pat. mit hohem ischämischem Risiko.
114 3 Koronare Herzkrankheit 

Risikomerkmale für hohes akutes thrombotisches Risiko, einen MI od. kardialen


Tod zu erfahren sind:
• wiederholter Ruheschmerz,
• dynamische ST-Strecken-Veränderungen (ST-Strecken-Senkung ≥ 0,1 mV
od. transiente [< 20 Min.] ST-Strecken-Elevation ≥ 0,1 mV),
• erhöhtes TnT, TnI od. CK-MB,
• hämodynamische Instabilität innerhalb der Beobachtungsperiode,
• bedeutsame Arrhythmien (VT, Kammerflimmern),
• frühe Postinfarktangina,
• Diab. mell.
Unter Ther. beschwerdefreie Pat. mit geringem Ischämierisiko: zunächst Belas-
tungsuntersuchung. Differenzialtherap. Prozedere ▶ Abb. 3.15.
• Ein hohes Risiko mit Empfehlung zur unmittelbaren invasiven Ther. liegt vor
3 bei anhaltender od. rezid. A. p. mit od. ohne EKG-Veränderungen, fehlendem

Akutes Koronarsyndrom

Klinische • Schmerzqualität
Evaluation • Symptomorientierte Untersuchung
• Kurze Anamnese hinsichtlich
KHK-Wahrscheinlichkeit
• EKG (ST-Hebung)

Diagnosefindung/ Keine KHK ACS möglich STEMI


Risikostratifizierung

Reperfusion

• Ansprechen auf
antianginöse Therapie
• Labor/Troponin
• EKG
• Echokardiografie
• Risikoscore (GRACE)
• Risikokriterien
• Optional: CT, MR, Szintigrafie
Koronar-
angiografie

Dringend Früh Früh


< 120 Min. < 24 h < 72 h Elektiv

Abb . 3.15 Flowchart zur Planung von Diagnostik u. Therapie von Patienten mit
NSTEMI/IAP (nach ESC Guideline NSTE-ACS 2011 bzw. DGK Pocketleitlinie NSTE-
ACS 2012) [X320; L157]
 3.8 Nachbetreuung nach ACS/Infarkt 115

Ansprechen auf antianginöse Ther., Zeichen für Herzinsuff. od. zunehmende


hämodynamische Instabilität od. Auftreten lebensbedrohlicher Arrhythmien
(VT, Kammerflimmern).
• Ein intermediäres Risiko mit Empfehlung zur frühinvasiven Strategie haben
Pat. mit pos. Troponin, dynamischen ST-Strecken-Veränderungen, Diab. mell.,
Niereninsuff., LVEF < 40 %, früher Postinfarktangina, Z. n. Infarkt, ACVB od.
PCI innerhalb von 6 Mon. sowie intermediärem od. hohem GRACE-Score.

Belastungsuntersuchungen
• Ergometrie: bei aussagefähigem EKG, d. h. keine ST-T-Veränderungen im
Ruhe-EKG, kein Hypertrophiemuster od. Schenkelblock bzw. SM-Rhythmus.
• Ergometrie u. Myokardszintigrafie bzw. Stress-Echo: Pat. mit vorbestehenden
EKG-Veränderungen, die eine Ischämiediagn. erschweren od. unmöglich machen.
• Pharmakologische Belastung (Stress-Echo, Myokardszintigrafie): bei ungenügend 3
belastbaren Pat. (orthopädische, neurol. Probleme, pAVK, pulmonale Erkr.).

3.8 Nachbetreuung nach ACS/Infarkt


3.8.1 Mobilisation und Rehabilitation
Rehabilitation ▶ 13.2.
Es gibt keinen Hinweis, dass eine bes. schonende Mobilisation nach Infarkt indi-
ziert ist. KO durch lange Bettlägerigkeit (v. a. Lungenembolie) überwiegen kardio-
gene KO deutlich.
• Unkomplizierter MI: Monitoring für 48 h, Bettruhe für 12–24 h od. bis CK
deutlich gefallen ist.
• Großer transmuraler MI: verzögerte Mobilisation. Erhöhtes Risiko für
Herzwandruptur in der 1. Wo. (Vermeiden einer erhöhten Wandspannung
durch körperl. Anstrengung).
• Kleiner MI ohne weitere Koronardiagn.: Entlassung aus stationärer Behand-
lung nach 5–7 Tagen möglich.

3.8.2 Diagnostik nach Myokardinfarkt


• Auskultation: Bei jedem Pat. anfangs mehrmals täglich, nach ca. 1 Wo. täg-
lich. Bei V. a. neue MR od. VSD umgehend Echo.
• Echo: EF, regionale Wandbewegungsstörungen, VSD, MR (vor Entlassung).
• Ergometrie: ca. 14 Tage nach Infarkt submaximale Belastungsuntersuchung
zum Ischämienachweis.
• Stress-Echo od. Stress-MRT: Nachweis einer Myokardischämie bzw. von vi-
talem Myokard.
• Myokardszintigrafie: Ischämienachweis od. Nachweis von vitalem Myokard
bei akinetischer Infarktzone in Echo od. Koro → Revaskularisation.

3.8.3 Langzeittherapie nach Myokardinfarkt


• Pat.-Schulung/-Instruktion: Schulung zur Verbesserung des Krankheitsver-
ständnisses u. Motivation zur RF-orientierten Ther. (▶ 13).
• Bewegungs-/Trainingsther. (▶ 13.2).
• Med. Ther. (▶ 3.5.2).
116 3 Koronare Herzkrankheit 

Sekundärprävention der chronischen KHK


▶ 13.1.2.
• Komplettes Einstellen des Rauchens.
• Antihypertensive Ther.: Ziel < 140/90 mmHg; bei Herz- od. Niereninsuff.
< 130/85 mmHg; bei Diab. mell. < 130/80 mmHg.
• Lipidsenkende Ther.: Ziel LDL-Chol. < 100 mg% (optimal 70 mg%). Diäteti-
sche Behandlung mit < 7 % gesättigten Fetten u. < 200 mg Chol.-Aufnahme/d.
Körperl. Aktivitäten steigern, Gewicht reduzieren. Vermehrte Aufnahme von
Omega-3-Fettsäuren (1 g/d). Med. Ther. ▶ 13.1.2.
• Körperl. Aktivität: Minimalziel sind 30 Min. an 5 Tagen/Wo., optimal ist das
tägliche Training (Walking, Joggen, Radfahren). Belastungen nur unterhalb
der A.-p.-Schwelle.
! Individuelle Beratung.
3 • Gewichtsreduktion. Ziel: BMI 18,5–24,9 kg/m2.
• Diab.-mell.-Ther.: Ziel: HbA1c < 7 %. Energische Behandlung weiterer RF
(Übergewicht, Rauchen, Inaktivität, Hochdruck, Hyperlipidämie).
• TAH: ASS 75–100 mg/d auf Dauer. Bei Unverträglichkeit od. KI Clopidogrel
75 mg/d od. orale Antikoagulation mit Cumarin-Derivat (INR 2–3).
• ACE-Hemmer: Dauerther. bei jedem Pat. nach MI, falls keine KI. Frühzeiti-
ger Beginn der Ther. nach MI, v. a. bei stabilen Hochrisiko-Pat. (anteriorer
MI, Reinfarkt, Killip-Klasse ≥ II).
• Betablocker: Dauerther. bei allen Postinfarkt-Pat., falls keine KI od. ausge-
prägten unerwünschten NW.
Hyperhomocysteinämie
• Bestimmung sinnvoll bei frühzeitiger Atherosklerose, Fehlen anderer RF od.
Niereninsuff.
• Bei Erhöhung können Folsäure, Vit. B6 u. B12 möglicherweise effektiv sein
(z. B. Medyn® 1–2 Tbl./d). Ob die so reduzierten Homocysteinspiegel zur Re-
duktion kardiovask. Ereignisse führen, ist unbekannt.
Antioxidanzien
Oxidierte LDL tragen wesentlich zur Atherogenese bei.
• Theoretischer Ansatz: antioxidativ wirkende Substanzen (Vit. A u. C, Betaka-
rotin, Flavonoide) als Nahrungssupplemente, in der Nahrung u. evtl. im Rot-
wein.
• Daten nicht ausreichend für Empfehlung.
• Komb. von Vit. E u. ASS mit erhöhtem Blutungsrisiko assoziiert!
• Komplexe Lebensstiländerung (psychosoziale Faktoren, vermehrte körperl.
Aktivität, Reduktion des Nahrungsfetts, mediterraner Ernährungsstil, Reduk-
tion/Beseitigung bekannter RF) vielfach effektiver als Nahrungssupplementa-
tion.
• Grundsätzliche Empfehlung zum regelmäßigen Alkoholgenuss in geringer
Menge kann nicht erfolgen. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis ist individuell sehr
unterschiedlich, der Nettoeffekt auf die Gesundheit ist – wenn überhaupt prä-
sent – sehr gering.
Hormonersatztherapie
Als Maßnahme der Sekundärprävention kann bei postmenopausalen Frauen eine
generelle Hormonersatzther. nicht empfohlen werden (HERS). Bereits vor der
Dia­gnose einer KHK behandelte Frauen sollten die Hormonersatzther. weiterfüh-
ren.
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 117

3.8.4 Prognose nach Myokardinfarkt


Die Letalität nach MI hängt überwiegend von der Größe der Muskelnekrose ab. Je
ausgedehnter sie ist, desto stärker ist die Ventrikelfunktion eingeschränkt. Bei ab-
nehmender EF, erniedrigtem HZV od. zunehmendem Ventrikeldurchmesser ver-
schlechtert sich die Prognose deutlich.
• Krankenhausletalität: Ohne spezielle Ther. ca. 12 %, bei früher Gabe von ASS
ca. 9 %, ebenso bei Streptokinase. Komb. Streptokinase + ASS ca. 8 % Letali-
tät. Frühe Fibrinolyse mit t-PA (max. 4 h nach Infarkt) ca. 4,5 % Letalität. Die
meisten Todesfälle in den ersten 24 h. Mortalität nach Entlassung bei norma-
ler Ventrikelfunktion ca. 3–4 %/J.
• Schwere Herzinsuff. (CI < 2,2 l/Min./m2, PCWP > 18 mmHg) bzw. kardioge-
ner Schock: Klinikmortalität ca. 70 %. 30-Tage-Sterblichkeit je nach Killip-
Klasse (▶ 3.6.6) 5,1 % (I), 13,6 % (II), 32,2 % (III) bzw. 57,8 % (IV).
• Ventrikelfunktion: Bei EF < 30 % Mortalitätsanstieg auf > 10 %/J. Prognose- 3
verbesserung durch ACE-Hemmer, Mortalität aller Infarktpat. sinkt um
7 %/J. Bei Zeichen der Herzinsuff. bzw. bei VWI ohne Fibrinolyse sinkt die
Mortalität um ca. 27 % binnen 1 J. (SOLVD, SMILE).
• Geringe od. fehlende Ergometerbelastbarkeit ca. 6 Wo. nach Infarkt u. ein
echokardiografisch dilatierter, kontraktionsgestörter Ventrikel sind Indikato-
ren für schlechte Prognose.
• Postinfarktangina: Letalität erhöht, bes. bei ST-Strecken-Veränderungen, die
nicht dem ursprünglichen Infarktgebiet zuzuordnen sind.

3.9 Diagnostik der chronischen KHK


Zur initialen Diagn. des Thoraxschmerzes ▶ Abb. 3.16, zur Ther. ▶ Abb. 3.17.

3.9.1 Basisdiagnostik
Ziel der Basisdiagnostik
• Klassifizierung der Symptomatik. Bestimmung der KHK-Wahrscheinlichkeit.
• Diagnosesicherung.
• Erfassung von Begleitumständen, Komorbiditäten u. auslösenden Faktoren.
• Risikostratifizierung.
• Überprüfung der Ther.-Effizienz.
Die Anamnese ist die Basis der KHK-Diagnostik!
Am Ende von Anamnese, körperl. Untersuchung u. Erhebung der RF muss
der Arzt in der Lage sein, eine Aussage zur Wahrscheinlichkeit einer KHK
(gering – mittel – hoch) machen zu können (▶ 3.8.2, ▶ Tab. 3.17).

Körperliche Untersuchung
Spezifische Veränderungen bei KHK bestehen nicht. Indirekte Hinweise od. Hin-
weise für DD sind möglich:
• Körpergewicht u. -größe: Übergewicht, Hip-to-Waist-Ratio (▶ 1.1).
• Xanthelasmen, Arcus lipoides: bei Pat. < 50 J. auch bei normalem Serum-
Chol. Risikoindikator für KHK.
• Anämie: Konjunktiven, Nagelbett.
118 3 Koronare Herzkrankheit 

Diagnostik Thoraxschmerz

Klinische Evaluation V. a.
Anamnese Lungenerkrankung
Klinische Untersuchung
EKG, Labor

Rö-Thorax

Instabile Angina Nichtinvasiver


V. a. Herzinsuffizienz,
3 Ischämietest
Belastungs-EKG oder
Z. n. Myokardinfarkt,
pathol. EKG,
Perfusionsuntersuchung
klin. US, Hypertonie,
mit medikamentöser
Diabetes mellitus
Algorithmus oder physikal. Belastung
akutes
Koronarsyndrom
(▶ Abb. 3.5)

Wiederholte Echokardiografie
Untersuchung (oder MRT) zur Unter-
der Wahrscheinlichkeit suchung struktureller
einer Ischämie als oder funktioneller
Ursache der Symptome Abnormalitäten

Kein Hinweis
für kardiale
Ursache der
Symptome Bei kardialer Ursache: Wenn Diagnose KHK
Untersuchung der sicher, aber LV-Funktion
Prognose auf der Basis noch nicht untersucht:
der klinischen Untersuchung der
Evaluation und der LV-Funktion
Diagnoseüber- nichtinvasiven Tests
prüfung
Untersuchung
auf oder
Management
von alternativen Therapie Ischämie
Diagnosen (▶ Abb. 3.17)

Abb. 3.16 Algorithmus zur initialen Evaluation von Patienten mit Thoraxschmerz
(nach ESC-Guideline „Stable Angina“ 2006) [L157]

• Blutdruck: Junger Pat. u. hoher RR → bds. u. auch am Bein messen (DD CoA
▶ 4.17).
• Art. Durchblutungsstörungen: Fußpulse, Strömungsgeräusche über A. caro-
tis. Erhöhte KHK-Inzidenz bei nachgewiesenen art. Stenosen in anderen Re-
gionen.
• Lateralisierter Herzspitzenstoß.
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 119

Therapie Ischämie

Niedriges Risiko Intermediäres Risiko Hohes Risiko


Kardiovask. Mortalität Kardiovask. Mortalität Kardiovask. Mortalität
< 1 %/J. 1–2 %/J. > 2 %/J.

Medikamentöse Medikamentöse Medikamentöse


Therapie Therapie +/− Therapie und
Koronarangiografie Koronarangiografie 3
(abhängig vom zur vollständigeren
Schweregrad der Risikoabschätzung
Symptome und und Prüfung der
der klinischen Notwendigkeit einer
Einschätzung) Revaskularisation

Untersuchung des Hochrisiko-


Ansprechens auf die Nein Koronaranatomie mit
medikamentöse voraussichtlichem
Therapie Benefit von
Revaskularisation

Ja

Bei unzureichendem
Ansprechen auf Koronarangiografie
Therapie:
Prüfung der Eignung
für Revaskularisation
Revaskularisation

Abb. 3.17 Algorithmus zur Therapie von Patienten mit Thoraxschmerz (nach
ESC-Guideline „Stable Angina“ 2006) [L157]

• Auskultation: Aortenvitium (▶ 4.7.3, ▶ 4.8.3); rel. MR bei Ventrikeldilatation


(▶ 4.4.3); 4. HT (spätdiastol. Vorhofton), Maximum meist 4. ICR li paraster-
nal, entsteht bei Ventrikel-Compliance ↓ u. Füllungsdruck ↑. Nur bei Sinus-
rhythmus hörbar.
• Bewegungsapparat: extrakardiale Ursachen für Brustschmerz, z. B. Verspan-
nungen, BWS-Arthrose, Tietze-Sy. (Sternoklavikulargelenksarthrose).
120 3 Koronare Herzkrankheit 

Labor
Nüchtern-BZ, ggf. oraler Glukosetoleranztest, HbA1c, Chol., wenn erhöht zusätz-
lich HDL u. LDL. Bei gesicherter KHK od. Atherosklerose evtl. Lp(a), Homocys­
tein (▶ 1.1), Serum-Krea. BB mit Hb, Leukos. Präzipitierende Faktoren: Anämie,
Schilddrüsenwerte. Bei Instabilität kardiale Marker.

Ruhe-EKG
Normales Ruhe-EKG schließt KHK, instabile A. p. od. MI nicht aus! Normales
Standard-EKG bei > 50 % der KHK-Pat. In ca. 50 % normales EKG auch während
eines A. p.-Anfalls. Mögliche EKG-Veränderungen sind:
• Deszendierende od. horizontale ST-Senkung: sehr unspezifisch, signifikante
KHK nur bei weiteren Symptomen.
• Präterminal neg. T od. sehr flaches T (kleiner 1⁄7 der vorausgehenden R-Zacke).
3 • Neg. U-Welle.
! Erregungsrückbildungsstörungen wenig spezifisch für relevante Koronarste-
nosen → ohne weitere Hinweise auf Myokardischämie (A. p., pos. Ergo) keine
weitere Diagn. erforderlich.
• Schenkelblock: LSB spezifischer für KHK als RSB. Bei LSB öfter deutliche LV-
Dysfunktion.
! Bei KHK u. LSB erhöhte Mortalität (50 % in 10 J.).
• Neu aufgetretener Hemiblock u. Angina können Hinweis auf KHK sein.
• Rhythmusstörungen: Insbes. ventrikuläre Ektopien können auf hochgradige
Koronarstenosen hindeuten.
• Alter Infarkt: R-Zacken-Verlust über Infarktnarbe. Pathologisches Q (≥ 0,04 s
Breite, Amplitude ¼ der R-Zacke).

3.9.2 Ergometrische Untersuchungen
Verschiedene Verfahren zur diagn. Ischämieprovokation mit unterschiedlichen
Testcharakteristika werden durchgeführt (▶ Tab. 3.29).

Tab. 3.29 Testverfahren zur Ischämieprovokation u. ihre diagn. Effizienz


(nach ESC 2006)
Verfahren Sensitivität (%) Spezifität (%)
Belastungs-EKG 68 77
Echo mit ergometrischer Belas­ 80–85 84–86
tung
Perfusionsszintigrafie mit ergo­ 85–90 70–75
metr. Belastung
Dobutamin-Stress-Echo 40–100 62–100
Adenosin-Stress-Echo 56–92 87–100
Perfusionsszintigrafie mit Ade­ 83–94 64–90
nosinstress
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 121

Belastungs-EKG
▶ Tab. 3.30.
Tab. 3.30 Indikationen u. Bewertungen der Ergometrie bei V. a. KHK
Diagnostisches Ziel Situation

Ergometrie bei KHK sinnvoll (Klasse-I-Indikation, ESC 2006)


Zur initialen Diagn. bei Pat. mit Angina u. intermediärer Vortest­ Diagn. der KHK
wahrscheinlichkeit, basierend auf Alter, Geschlecht, Symptoma­
tik (▶ Tab. 3.31), sofern Belastung möglich u. EKG diagn. aus­
wertbar
Bewertung des Ausmaßes der Ischämie → prognostische Bedeu­ Bekannte KHK
tung
Basisevaluation nach akutem MI (submaximale Belastung nach Nach MI 3
4–7 Tagen; symptom-l-imitierte Belastung nach 14–21 Tagen)
Ischämienachweis, Überprüfung der Belastungstoleranz Vor/nach Revas­
kularisation
Ergometrie eingeschränkt sinnvoll (Klasse-IIb-Indikation, ESC 2006)
Bestätigung der Diagnose Koronarinsuff. bei typischer Angina Diagn. der KHK
Begründung: geringer diagn. Zugewinn, ggf. gleich Koro (spezi­
ell CCS-III- od. -IV-Angina)
≥ 1 mm ST-Depression im Ruhe-EKG Diagn. der KHK
Nach Alter, Geschlecht u. Symptomatik geringe Vortestwahr­ Diagn. der KHK
scheinlichkeit (< 10 %) für KHK (▶ Tab. 3.31)
Atypischer Brustschmerz Diagn. der KHK
Begründung: Sensitivität max. 85 %: Koro unabhängig vom Aus­
gang der Ergometrie u. bei fortbestehendem KHK-Verdacht indi­
ziert
KHK-Ausschluss bei asymptomatischen Personen (z. B. vor größe­ Diagn. der KHK
rer OP)
Begründung: schlechte Sensitivität u. Spezifität
Überprüfung der Belastbarkeit bestimmter Berufsgruppen (z. B. Diagn. der KHK
Berufsfeuerwehr)
Begründung: Belastbarkeit prüfbar, KHK-Ausschluss unsicher
Hypertonie-Pat.: Überprüfung des RR-Verhaltens bei Belastung Diagn. der KHK
Begründung: KHK-Ausschluss unsicher
Vasospastische Angina Diagn. der KHK
Begründung: keine einheitlichen ST-Veränderungen bei Belas­
tung

Aussagekraft und Bewertung der Ergometrie


Die Ergometrie dient bei V. a. KHK zur Diagnosesicherung, Risikostratifizierung
u. ggf. Überprüfung der Effizienz der Therapie. Ihr diagn. Wert („diagnostic pow-
er“) ist abhängig von der Prävalenz der KHK in der untersuchten Gruppe (sog.
„Prätestwahrscheinlichkeit“: Wahrscheinlichkeit einer KHK vor einem diagn.
Test). Determinanten hierfür sind im Wesentlichen Alter, Geschlecht u. Art der
Symptomatik. Bei pos. Test steigt die Wahrscheinlichkeit für KHK, die sog. Post-
testwahrscheinlichkeit, an (▶ Tab. 3.31, ▶ Tab. 3.32).
122 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.31 Wahrscheinlichkeit einer KHK in Abhängigkeit von Alter,


­Geschlecht u. Symptomatik (Prätestwahrscheinlichkeit [%])
Alter (J.) Typische Angina Atypische Angina Nichtanginöser
­Thoraxschmerz

Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen


30–39 69,7 ± 3,2 25,8 ± 6,6 21,8 ± 2,4 4,2 ± 1,3 5,2 ± 0,8 0,8 ± 0,3
40–49 87,3 ± 1,0 55,2 ± 6,5 46,1 ± 1,8 13,3 ± 2,9 14,1 ± 1,3 2,8 ± 0,7
50–59 92,0 ± 0,6 79,4 ± 2,4 58,9 ± 1,5 32,4 ± 3,0 21,5 ± 1,7 8,4 ± 1,2
60–69 94,3 ± 0,4 90,1 ± 1,0 67,1 ± 1,3 54,4 ± 2,4 28,1 ± 1,9 18,6 ± 1,9

3 Tab. 3.32 Wahrscheinlichkeit einer KHK in Abhängigkeit von Alter, Ge-


schlecht u. Symptomatik mod. nach dem Ergebnis der Ergometrie (Posttest-
wahrscheinlichkeit [%])
Alter ST-Er- Typische Atypische Nichtanginöser Asymptoma-
(J.) niedri- ­Angina ­Angina Thoraxschmerz tisch
gung
(mV) Män­ Frauen Män­ Frauen Män­ Frauen Män­ Frauen
ner ner ner ner
30–39 0,00–0,04 25 7 6 1 1 <1 <1 <1
0,05–0,09 68 24 21 4 5 1 2 4
0,10–0,14 83 42 38 9 10 2 4 <1
0,15–0,19 91 59 55 15 19 3 7 1
0,20–0,24 96 79 76 33 39 8 18 3
≥ 0,25 99 93 92 63 68 24 43 11
40–49 0,00–0,04 61 22 16 3 4 1 1 <1
0,05–0,09 86 53 44 12 13 3 5 1
0,10–0,14 94 72 64 25 26 6 11 2
0,15–0,19 97 84 78 39 41 11 20 4
0,20–0,24 99 93 91 63 65 24 39 10
≥ 0,25 > 99 98 97 86 87 53 69 28
50–59 0,00–0,04 73 47 25 10 6 2 2 1
0,05–0,09 91 78 57 31 20 8 9 3
0,10–0,14 96 89 75 50 37 16 19 7
0,15–0,19 98 94 86 67 53 28 31 12
0,20–0,24 99 98 94 84 75 50 54 27
≥ 0,25 > 99 99 98 95 91 78 81 56
60–69 0,00–0,04 79 69 32 21 8 5 3 2
0,05–0,09 94 90 65 52 26 17 11 7
0,10–0,14 97 95 81 72 45 33 23 15
0,15–0,19 99 98 89 83 62 49 37 25
0,20–0,24 99 99 96 93 81 72 61 47
≥ 0,25 > 99 99 99 98 94 90 85 76
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 123

Hinweise zur Durchführung und Bewertung der Ergometrie


• Laufbandergometrie physiologischer als Fahrradergometrie.
• Steigerung der Arbeitslast meist in Anlehnung an Bruce-Protokoll.
• Pathologisch ist eine ST-Senkung von mind. 0,1 mV 60–80 ms nach dem
J-Punkt. Deszendierende ST-Senkungen sind spezifischer als horizontale.
Träge aszendierende ST-Strecken sind pathologisch, wenn sie mind.
0,2 mV 60–80 ms nach dem J-Punkt gesenkt sind.
• ST-Hebungen über nichtinfarziertem Areal sind Ausdruck einer schwe-
ren Ischämie.
• Belastungsinduzierter RR-Abfall: Hinweis auf schlechte Prognose bei
3-GE od. li Hauptstammstenose. RR-Abfall > 10 mmHg begleitet von
­Angina, Ischämiezeichen od. ventrikulären Arrhythmien ist ein Abbruch-
kriterium.
• Unter Digitalis-Medikation bis zu 40 % ST-Senkungen bei Koronarge- 3
sunden. Somit gilt nur ein neg. Ergebnis bzw. das Auftreten von Angina
als verwertbar.
• Betablocker u. Nitrate erhöhen die Ischämieschwelle, Betablocker sollten
48 h vor Ergometrie abgesetzt werden. Ausnahme: Überprüfung der an-
tianginösen Ther.
• Die Abl., in denen die ST-Senkungen auftreten, sind nicht geeignet, die
Isch­ämieregion od. die stenosierte Arterie zu identifizieren.
• Bei LSB sind ST-Senkungen physiologisch, ein Belastungs-EKG wird zur
Primärdiagn. der KHK nicht empfohlen. Bei RSB sind die Ableitungen
V1–V3 nicht verwertbar, die übrigen Abl. werden wie üblich beurteilt.
• Indikatoren drohender koronarer Ereignisse: kurze Belastbarkeit, Angi-
na bei geringer Belastung, fehlender RR-Anstieg bzw. RR-Abfall, ST-Stre-
cken-Hebung bei Belastung, ST-Senkungen > 2 mm während Belastung,
aber auch 2 Min. nach Belastungsende.
• Pat. mit nachgewiesener KHK, aber hoher ergometrischer Belastbarkeit,
haben unabhängig vom Angio-Befund eine gute Prognose.
• KI für Ergometrie: unkontrollierte Hypertonie, schwere AS.
Kriterien für die Beendigung der Ergometrie
• Limitierende Symptomatik, z. B. Schmerz, Dyspnoe, Erschöpfung, Claudi-
catio.
• Symptome in Komb. mit ST-Veränderungen.
• Sicherheitsgründe:
– ausgeprägte ST-Senkung (> 2 mm rel., > 4 mm absolute Ind. für Been-
digung),
– ST-Hebung ≥ 1 mm,
– signifikante Arrhythmien,
– anhaltender RR-Abfall um > 10 mmHg,
– ausgeprägte Hypertonie (> 250 mmHg systol. od. > 115 mmHg diastol.).
• Bei gut belastbaren u. noch nicht erschöpften Pat. nach Entscheidung des
Untersuchers ggf. Erreichen der altersentsprechend max. HF.

Langzeit(Holter)-EKG
Nachweis von Ischämie bei Alltagsaktivitäten. Episoden asymptomatischer Isch­
ämie gelten als prognostischer Indikator für kardiale Ereignisse. Ob eine Ther. die-
ser Episoden die Prognose verbessert, ist unklar. Deshalb keine Routinediagn. bei
stabiler A. p. Indiziert bei Pat. mit vasospastischer Angina zur Ther.-Überprüfung.
124 3 Koronare Herzkrankheit 

Indikationen
• Angina mit Verdacht auf Arrhythmien,
• V. a. vasospastische Angina.

3.9.3 Myokardszintigrafie
Indikationen

Indikationen zur Myokard-Perfusionsszintigrafie od. Stressechokardiografie


Klasse-I-Ind. (ESC 2006):
• Primärdiagn. einer KHK bei mittlerer od. hoher KHK-Wahrscheinlich-
keit, wenn eine Ergometrie neg., nicht möglich od. nicht aussagefähig ist
3 (WPW-EKG, LSB, > 1 mm ST-Senkung in Ruhe, SM-EKG, unter Digita-
lis),
• Pat. mit nichtkonklusivem Belastungs-EKG-Befund, jedoch ausreichender
Belastbarkeit, wenn die KHK-Wahrscheinlichkeit nicht hoch ist.
Klasse-IIa-Ind. (ESC 2006):
• Pat. mit A. p. nach PTCA od. ACVB zur Ischämielokalisation,
• Szintigrafie zur gefäßbezogenen Ischämielokalisation, als Alternative zum
Stress-Echo (bei schlechter Schallbarkeit) zur Planung der Revaskularisa-
tionsstrategie nach Koro,
• Beurteilung der funktionellen Signifikanz einer intermediären Stenose,
• Vitalitätsdiagn. nach MI,
• Prognoseabschätzung,
• als Alternative zur Fahrradergometrie zum Ausschluss einer KHK bei
geringer Vortestwahrscheinlichkeit (insbes. Frauen mit atypischem
Brustschmerz).
Keine Indikation:
• KHK-Screening bei asymptomatischen Pat. ohne spezielle Risiken,
• Ischämie-Screening nach PTCA, ACVB bei asymptomatischen Pat.

Aussagekraft
• Im Ruheszintigramm entsteht eine Minderperfusion erst ab einer Koro-
narstenose > 90 %, bei Belastung führen Stenosen ab ca. 50 % zu einer Myo-
kardischämie.
• Sensitivität: Relevante Koronarstenosen werden in > 90 % erkannt.
• Spezifität: ca. 70–80 %, bei SPECT-Technik teilweise noch darunter. Daher
als Screening bei Personen ohne Angina nicht geeignet.
• Eingeschränkte Aussagekraft bei Beurteilung der Hinterwand, Betablocker- u.
Kalziumantagonisteneinnahme (möglichst 24[–48] h vorher absetzen), LSB u.
bei Frauen.
• Prognoseabschätzung: sehr gute Prognose bei normaler Perfusionsszintigra-
fie trotz angiografisch nachgewiesenen Koronarstenosen: 0,9 % Infarkte/J.
(entspricht fast der Normalbevölkerung). Bei pathologischem Szintigramm
sind Anzahl u. Größe ischämischer Areale Indikatoren für eine schlechte Pro-
gnose (MI, Herztod).
! Bei nicht ergometrierbarem Pat.: pharmakologische Belastung indiziert.
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 125

3.9.4 Echokardiografie und Stressechokardiografie


Standardechokardiografie
Bringt als Routinediagn. therap. nutzbare zusätzliche Informationen bei Pat. mit
typischer Angina mit zusätzlicher Herzinsuff.-Symptomatik od. pathologischem
Auskultationsbefund (mögliche Klappenerkr.) od. nach MI.
Indikationen (Klasse I, ESC 2006)
• V. a. Herzinsuff.,
• Pat. mit pathologischem Auskultationsbefund, V. a. Herzklappenerkr. od. mit
HCM,
• nach MI (zur Bewertung der systol. Ventrikelfunktion u. der Wandbewe-
gungsstörungen),
• Pat. mit LSB, Q-Zacken, Hinweis für LVH od. anderen Veränderungen im 3
Ruhe-EKG.

Stressechokardiografie
Indikationen
▶ 3.9.3.
Aussagekraft und Bewertung
• Sensitivität u. Spezifität jeweils 80–90 %.
• Vielseitiger als szintigrafische Techniken: umfassendere Darstellung der kar-
dialen Strukturen.
• Prognostische Bedeutung: hoher neg. prädiktiver Wert für Tod od. MI (wohl
aussagekräftiger als die angiografischen Parameter).
• Diagn. Mittel zur Risikostratifizierung. Unauffälliges Stress-Echo: klinischer
Verlauf in 95 % unauffällig; auffälliges Stress-Echo: kardiale Ereignisse in
85 %.
• Geeignet zur präop. Risikoabschätzung vor nichtkardialen OP (neg. prädikti-
ver Wert bis 100 %).
• Dobutamin-Stress-Echo ist geeignet, die „kontraktile Reserve“ bei Wandbe-
wegungsstörungen zu erfassen: Unterscheidung von „hibernating myocardi-
um“ (Myokard im Winterschlaf bei chron. Hypoperfusion) u. „stunned myo-
cardium“ (trotz Reperfusion noch gelähmtes Myokard nach akuter transmu-
raler Ischämie). Wichtig zur Vitalitätsdiagn. vor Revaskularisation.
• Wesentliche Voraussetzungen: gute Schallbarkeit des Pat., hoher Ausbil-
dungsstand u. Erfahrung des Untersuchers.

3.9.5 Weitere nichtinvasive Untersuchungsverfahren


Elektronenstrahl-Computertomografie (EBCT)
CT mit kurzer Akquisitionszeit (50–100 ms) u. hoher Detailauflösung (< 0,5 mm2).
Sensitivstes nichtinvasives Verfahren zur Erkennung von Koronarverkalkungen.
Nichtkalzifizierte Plaques können nicht nachgewiesen werden, eine fortgeschrit-
tene KHK ist aber eher unwahrscheinlich.
• Hohe Sensitivität bis 90 %, jedoch geringe Spezifität bis 50 %, d. h. häufig
falsch-pos. Befunde.
• Agatston-Score gibt das Ausmaß der Verkalkungen semiquantitativ an.
• Stellenwert für das praktische diagn. u. therap. Vorgehen bei KHK noch nicht
klar definiert. Nicht indiziert als Routineverfahren bei stabiler A. p.
126 3 Koronare Herzkrankheit 

Multislice-Computertomografie (MBCT)
• Neuer diagn. Ansatz zur nichtinvasiven 3-D-Rekonstruktion der Koronarge-
fäße nach KM-Gabe. Bei optimaler Bildqualität hohe Sensitivität u. Spezifität
von jeweils > 90 % (16-Zeilen-Scanner) bzw. 90–94 % Sensitivität/95–97 %
Spezifität (64-Zeilen-Scanner) sowie inzwischen guter neg. prädiktiver Wert
(93–99 %). In mind. ⅓ der Untersuchungen jedoch unzureichende Bildquali-
tät; somit kein Routineverfahren für die klinische Praxis.
• Ind.: Pat. mit geringer (< 10 %) Prätestwahrscheinlichkeit u. nicht eindeuti-
gen Ergebnissen bei der nichtinvasiven Ischämiediagn.
• KI: KM-Allergie, Schwangerschaft.
• Nachteile: hohe Strahlenbelastung, Röntgenkontrastmittel.
Magnetresonanztomografie (MRT)
3 Sich rasch entwickelndes neues nichtinvasives Bildgebungsverfahren; Vorteil: feh-
lende Strahlenbelastung. Bei Verwendung von MR-KM gute Abgrenzung der
Herzhöhlen u. großen Gefäße. Koronarverkalkungen können nicht dargestellt
werden. Goldstandard bei Messung kardialer Volumina u. Bestimmung der glo-
balen u. regionalen LV-Funktion.
Während die MR-Angio in der klinischen Routine für die Beurteilung von Arteri-
en u. Venen des gesamten Körpers genutzt wird, ist die MR-Koro (MRCA) wegen
des geringen Gefäßdiameters sowie der gewundenen u. komplexen 3-D-Anato-
mie der Koronararterien u. durch die kontinuierliche Herz- u. Atembewegung
technisch deutlich anspruchsvoller. Im direkten Vergleich zum Mehrzeilen-CT
können mit der MRCA derzeit weniger Koronarsegmente dargestellt werden, die
diagn. Genauigkeit ist geringer. Daher können derzeit lediglich die Darstellung
der prox. Gefäße zur Erfassung möglicher Fehlverläufe u. die Darstellung von Ko-
ronaraneurysmata mit der MRCA empfohlen werden.
Chron. MI können mit hoher Genauigkeit u. Sensitivität durch KM-verstärkte
Spätaufnahmen („late enhancement“) dargestellt werden. 10–20 Min. nach i. v.
Gabe von 0,1–0,2 mmol/kg KG eines extrazellulären gadoliniumhaltigen KM wird
die Bildgebung durchgeführt. Die in der klinischen Routine verwendeten extra-
zellulären KM verteilen sich rasch in den Kapillaren u. interstitiell, jedoch nicht
intrazellulär. Nach MI ist im Bereich des irreversibel geschädigten Myokards der
extrazelluläre Bereich durch Zelluntergang u. anschließende Narbenbildung ver-
größert. Dies führt zur höheren Gadolinium-Konz. u. somit zum helleren Signal
in den KM-verstärkten Spätaufnahmen. Aufgrund der hohen räumlichen Auflö-
sung u. des sehr guten Signal-zu-Rausch-Verhältnisses können mit „late enhance-
ment“ die transmurale Ausdehnung eines MI bestimmt u. auch sehr kleine suben-
dokardiale MI dargestellt werden. Die Technik kann auch zur Vitalitätsbeurtei-
lung u. damit zur Vorhersage einer Funktionsverbesserung nach Revaskularisie-
rung genutzt werden.
Das in Entwicklung befindliche Stress-MRT unter Verwendung von Dobutamin
od. Vasodilatanzien entspricht im diagn. Ansatz dem Stress-Echo: Die Untersu-
chung der myokardialen Perfusion erfolgt mit der First-Pass-Perfusionsmessung,
d. h. der Analyse der ersten Passage eines KM-Bolus durch das Myokard.
Haupteinsatzgebiet der First-Pass-Perfusion ist die Detektion einer hämodyna-
misch relevanten KHK durch den Nachweis einer Minderperfusion v. a. nach
pharmakologischer Belastung. Diese dient zum Nachweis einer Perfusionsstörung
bzw. einer potenziellen Ischämie od. zum Vitalitätsnachweis. Für die Detektion
einer Perfusionsstörung wird Adenosin (seltener Dipyridamol) als Vasodilatator
verwendet. Ischämie u. Vitalität können mittels pos. inotroper Substanzen (Do-
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 127

butamin) entsprechend der mechanischen Ischämiekaskade nachgewiesen wer-


den. Pat.-Management, Überwachung u. KI entsprechen denen der pharmakolo-
gischen Stress-Echo.

3.9.6 Risikostratifizierung von Patienten mit stabiler A. p.


Unter Verwendung der klinischen Bewertung (Anamnese), der nichtinvasiven
Isch­ämiediagn. sowie Daten der Ventrikelfunktion u. der Koronaranatomie ist es
möglich, sowohl die KHK-Wahrscheinlichkeit des Pat. als auch sein individuelles
Risiko abzuschätzen (Risikostratifizierung). Diese Information hilft bei der Pla-
nung der weiteren Diagn. u. Ther.

KHK mit hohem Risiko (Sterblichkeit > 3 %/J.)


• Ausgeprägte systol. LV-Dysfunktion in Ruhe (EF < 35 %). 3
• Ergometrie: ausgeprägte ST-Depressionen bei geringer Belastung, lang an-
haltende ST-Depressionen nach Belastungsende, A. p. als limitierender Fak-
tor, nur kurze Belastbarkeit.
• Myokardszintigrafie: ausgeprägte systol. LV-Dysfunktion unter Belastung
(EF < 35 %); großer Perfusionsdefekt (v. a. anterior); Nachweis multipler Per-
fusionsdefekte; großer, fixierter Perfusionsdefekt mit Ventrikeldilatation u.
vermehrte Nuklidaufnahme in die Lungen; mittelgroße Perfusionsdefekte bei
Belastung mit Ventrikeldilatation u. vermehrter Nuklidaufnahme in die Lun-
gen.
• Stress-Echo: Wandbewegungsstörungen (> 2 Segmente) bei niedriger Dobut-
amin-Dosis (< 10 mg/kg KG/Min.) od. bei niedriger HF (< 120/Min.); Nach-
weis einer ausgedehnten Ischämie im Stress-Echo.

KHK mit mittlerem Risiko (Sterblichkeit 1–3 %/J.)


• Mäßiggradige systol. LV-Dysfunktion in Ruhe (EF 35–49 %).
• Ergometrie: geringe ST-Depressionen bei mittlerer Belastungsintensität, kei-
ne od. nur geringe A. p. bei mittlerer od. hoher Belastung.
• Myokardszintigrafie: geringe Perfusionsdefekte ohne Ventrikeldilatation od.
vermehrter Nuklidaufnahme in die Lungen.
• Stress-Echo: Wandbewegungsstörungen von bis zu 2 Segmenten bei hoher
Dobutamin-Dosis.

KHK mit niedrigem Risiko (Sterblichkeit < 1 %/J.)


• Ergometrie: hohe Belastbarkeit (Dauer u. Intensität) mit nur geringen ST-
Veränderungen od. geringen Beschwerden.
• Myokardszintigrafie: unauffällige Perfusionsverhältnisse od. nur geringe
Perfusionsdefekte in Ruhe od. unter Belastung.
• Stress-Echo: normale Wandbewegungen od. Nachweis von geringen Wand-
bewegungsstörungen, die sich unter Belastung nicht wesentlich ändern.
Alternativ kann z. B. mit dem Duke treadmill score die Prognose abgeschätzt wer-
den (▶ Tab. 3.33).

Tab. 3.33 Duke treadmill score (DTS)


Risikogruppen DTS1 Jährliche Mortalität
Niedrigrisiko ≥5 0,25 %
Intermediärrisiko –10 bis +4 1,25 %
128 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.33 Duke treadmill score (DTS) (Forts.)


Risikogruppen DTS1 Jährliche Mortalität
Hochrisiko ≤ –11 5,25 %
1
 Belastungszeit (Min.) auf einem Standard-Bruce-Protokoll minus (5 × ST-Segment-
Abweichung) minus (4 × Angina-Index); Angina-Index: 0 = keine; 1 = nicht belas­
tungslimitierende; 2 = belastungslimitierende Angina

3.9.7 Koronarangiografie
Zur Diagnosesicherung, Ther.-Planung u. Prognoseabschätzung der KHK. Sensi-
tivität u. Spezifität für Koronarstenosen sehr hoch. Aussagen über Infarktwahr-
3 scheinlichkeit in der Zukunft nur unzuverlässig möglich, da „insignifikante“ Ste-
nosen bei Instabilität zu einem MI führen können. Auch aus Kostengründen nicht
als Screeningverfahren geeignet. Die Gesamtmortalität der stabilen KHK wird
durch eine breitere Anwendung nicht reduziert. Risiken einer diagn. Koro
▶ Tab. 3.34.
Tab. 3.34 Risiken der Koronarangiografie
Ereignis Risiko
Tod 0,07–0,12 %
Schlaganfall 0,14–0,25 %
Myokardinfarkt 0,1–0,16 %
Arrhythmien 0,2–0,4 %
Komplikationen des art. Zugangs 0,17–0,25 %
Kontrastmittelallergie 0,1 %

Indikationen
Konsensus besteht, dass v. a. Pat. mit hohem Risiko aufgrund der nichtinvasiven
Risikostratifizierung vom diagn. Zusatzgewinn der Koro im Hinblick auf eine
(auch prognostisch) optimierte Ther.-Strategie profitieren.

Indikationen zur Koronarangiografie


ESC 2006 Klasse-I-Ind.:
• schwere A. p. (CCS III od. IV) mit hoher Prätestwahrscheinlichkeit, ins-
bes. bei unzureichendem Ansprechen auf med. Ther.,
• nach überlebtem plötzlichem Herztod,
• Pat. mit höhergradigen ventrikulären Arrhythmien,
• nach vorausgegangener Revaskularisation (PCI, ACVB), wenn es frühzei-
tig wieder zu A. p. (CCS II–III) kommt.
ESC 2006 Klasse-IIa-Ind.:
• Pat. mit mittlerem bis hohem KHK-Risiko u. nichtkonklusiven od. wider-
sprüchlichen Ergebnissen in der nichtinvasiven Evaluation,
• Pat. mit hohem Restenose-Risiko nach PCI, wenn die PCI an prognos-
tisch wichtiger Lokalisation durchgeführt wurde.
 3.9 Diagnostik der chronischen KHK 129

Aussagekraft
• Morphologische Beurteilung: z. B. Lokalisation u. Ausmaß der KHK.
• Objektivierung der Ther.-Strategie: kons. od. invasiv; ggf. dringliche OP od.
fehlende OP-Möglichkeit.
• Sensitivität u. Spezifität: deutliche Untersucherabhängigkeit. Befunde zum
Grad von Koronarstenosen u. Anzahl von Stenosen schwanken je nach Be-
funder um 20–30 %.
• Funktionsbeurteilung: Ventrikulografie als Goldstandard zur Beurteilung
der LV-Funktion. Begleiterkr. (z. B. MR).

• Die Koro kann nur Stenosen, nicht die Ischämie nachweisen. Bei Steno-
sen > 90 % darf auf Ischämie geschlossen werden, bei geringeren Steno-
sen Ischämie durch FFR-Messung (▶ 3.9.8), Szintigrafie od. Stress-Echo 3
überprüfen.
• Bei mäßigen Stenosen besteht die Gefahr einer Überther.: Vermutlich
überschreitet die Morbidität durch Ther.-Maßnahmen hier oft deren
therap. Wert.

3.9.8 Spezielle technische Untersuchungen


Intrakoronarer Ultraschall (IVUS)
1,2–1,7 mm durchmessende Ultraschallsonden, die in die Herzkranzgefäße einge-
führt werden. Der Schallkopf liefert ein 360°-Bild vom Gefäß. Gefäßweite u. Mor-
phologie insbes. bei komplexen Stenosen können exakter beurteilt werden als
mittels Koro. Nach Stent-Implantation, PTCA od. Atherektomie kann das Ergeb-
nis kontrolliert werden. Der Nachweis eines pos. Einflusses auf die Ther.-Ent-
scheidung u. den Krankheitsverlauf der KHK durch IVUS-Befunde steht noch
aus.

Verfahren zur Bestimmung der funktionellen Bedeutung von


Koronarstenosen
Koronare Vasodilatatorreserve (CVR)
Verhältnis hyperämischer zu basaler Flussgeschwindigkeit, gemessen mittels
Dopplerdraht vor u. nach Gabe eines starken Vasodilatators (z. B. Adenosin).
CVR abhängig sowohl von der Schwere einer epikardialen Koronarstenose als
auch dem Widerstand im Kapillarbett.
Fraktionierte funktionelle Flussreserve (FFR)
Verhältnis von Koronardruck distal einer Läsion zum Aortendruck, gemessen
mittels Druckdraht. FFR ist normal 1,0, unabhängig vom Widerstand im Kapillar-
bett. Bei FFR ≤ 0,75 liegt mutmaßlich eine signifikante epikardiale Koronarsteno-
se vor.
Ind.: Beurteilung der klinischen Signifikanz intermediärer Koronarstenose (Ste-
nosegrad 30–70 %). Bei FFR > 0,75 gute Prognose mit geringer Wahrscheinlich-
keit eines ischämischen Events.
130 3 Koronare Herzkrankheit 

3.10 Therapie der chronischen KHK


3.10.1 Therapieziele
Verbesserung der Prognose durch Vermeidung von MI u. kardialen Tod:
• Reduktion der Plaqueprogression,
• Plaquestabilisierung,
• Vermeidung von Thrombose im Zusammenhang mit Endotheldysfunktion
od. einer Plaqueruptur,
• Reduktion od. Beseitigung der Symptomatik.

3.10.2 Therapiestrategien bei stabiler A. p.


3 Die Ther. der chron. KHK hat 3 Ansatzpunkte:
• Vermeiden von Myokardischämien durch Verhaltensänderung u. med. Maß-
nahmen,
• Beeinflussen von RF (▶ 1.1), Fetten (▶ 11.11), Hypertonus (▶ 9).
• Verbesserung der myokardialen Perfusion durch Revaskularisation (z. B.
PTCA, ACVB ▶ 3.6.4).

3.10.3 Konservative Therapie der stabilen A. p.


Allgemeine Maßnahmen
• Beseitigung von RF: Rauchstopp, Gewichtsnormalisierung, Hypertonus ein-
stellen (▶ 9.1.4), Diabetes behandeln, körperl. Training (Ausdauersport).
• Hypercholesterinämie: verminderte Energiezufuhr mit Gewichtsnormalisie-
rung, Aufnahme von tierischem Fett u. Chol. senken (▶ 13.1.2). „Mediterrane
Diät“, wenig Fleisch, eher Fisch, kein sichtbares Fett, vermehrt komplexe
Kohlenhydrate (Gemüse, Getreide). Zucker meiden, Alkohol in mäßiger Do-
sis evtl. vorteilhaft, in höheren Dosen sicher schädlich. Fischöl, reich an Ome-
ga-3-Fettsäuren, mind. 1×/Wo. Höhere körperl. Aktivität (Sport 3–4×/Wo.
30 Min., besser täglich 30 Min.). Pharmakother. (▶ 11.11).
• Erhöhten kardialen O2-Verbrauch senken: mögliche Ursachen Hyperthyre-
ose, AS (▶ 4.7.2), Tachykardie/-arrhythmie, Anämie, Fieber. Keine körperl.
Spitzenbelastungen (kein falscher Ehrgeiz!).
• Pat. u. Angehörige informieren über Symptome des MI u. Erstmaßnahmen.
Bei anhaltendem Brustschmerz für > 10–20 Min. ohne zu zögern Krankenwa-
gen rufen, bis dahin Herzlagerung (Oberkörper hoch, Beine tief), Nitro-Spray.

Medikamentöse Therapie der stabilen Angina pectoris


▶ Abb. 3.18. Spezielle Ther. bei vasospastischer Angina (▶ 3.4.3) u. Koronararte-
rienektasie (▶ 3.4.3).
 3.10 Therapie der chronischen KHK 131

Medikament

• Koronardilatation N, K
N: Nitrate/
Verbesserung • Eröffnung von (N), (K) Molsidomin,
Koronarkollateralen
des O2-Angebots
B: Betablocker
• Diastolenverlängerung B, K1 (ohne ISA),

• Linksventrikulärer N, (K) K: Kalzium-


enddiastolischer Druck antagonisten
Therapieprinzip
(N): Geringe
• Herzfrequenzsenkung B, K1 Wirkung

• Systolische Blutdrucksenkung K, B, K1: Nicht alle


Minderung (Nachlast ) (N), A Kalzium-
antagonisten
3
des O2-Verbrauchs • Kontraktilitätssenkung üben diese
B, K1
Wirkung aus
• Linksventrikuläre
Wandspannung (Vorlast ) N, (K) A: ACE-Hemmer

Abb . 3.18 Prinzipien der pharmakologischen KHK-Therapie [L157]

Empfehlungen zur pharmakologischen Therapie der stabilen A. p. mit dem Ziel


der Prognoseverbesserung
Klasse-I-Ind. nach ESC 2006:
• ASS 75–100 mg/d für alle Pat. ohne KI (aktive gastrointestinale Blutung,
ASS-Allergie, vorhergegangene ASS-Intoleranz),
• Statinther. für alle Pat.,
• ACE-Hemmer-Ther. für Pat. mit zusätzlichen Ind. für diese Ther., z. B. Hyper-
tonie, Herzinsuff., LV-Dysfunktion, Z. n. MI mit LV-Dysfunktion, Diabetes,
• orale Betablocker für alle Pat. nach MI od. mit Herzinsuffizienz.
Klasse-IIa-Ind. nach ESC:
• ACE-Hemmer-Ther. für alle Pat. mit Angina u. nachgewiesener KHK,
• Clopidogrel bei KI od. Unverträglichkeit für ASS,
• hochdosiert Statine bei nachgewiesener KHK u. hohem Risiko (> 2 %
jährliche kardiovask. Mortalität).
Klasse-IIb-Ind. nach ESC:
• Fibrate bei Pat. mit niedrigem HDL u. hohen Triglyzeriden bei gleichzeiti-
gem Vorliegen eines Diabetes od. eines metabolischen Sy.,
• Fibrate od. Nikotinsäure in Komb. mit einem Statin bei Pat. mit niedri-
gem HDL u. hohen Triglyzeriden u. hohem Risiko (> 2 % jährliche kar-
diovask. Mortalität).

Antithrombotische Therapie
ASS 75–100 mg/d (▶ 11.8.1). irreversible Hemmung der COX-1. Grundsätzlich bei
allen KHK-Pat. indiziert, da nachgewiesene Reduktion des Infarktrisikos bei manifes-
ter KHK (Sekundärprävention). Als Maßnahme der Primärprävention ohne gesicher-
te KHK nicht generell indiziert, da Beeinflussung der Gesamtmortalität nicht nachge-
wiesen ist (NW schmälern hier den möglichen Gesamtnutzen). KI beachten (▶ 11.8.1).
Clopidogrel: Plavix®, Iscover® 75 mg/d (▶ 11.8.2). irreversible Hemmung der
ADP-abhängigen Thrombo-Aktivierung. Mittel der Wahl bei ASS-Unverträglich-
132 3 Koronare Herzkrankheit 

keit. Im direkten Vergleich mit ASS marginal effektiver (CAPRIE), jedoch deut-
lich teurer. Bei geplanter PTCA/PCI Loading-Dosis von 300–600 mg.
Nach koronarem Stenting, ACS od. STEMI ist für einen definierten Zeitraum die
Komb.-Ther. mit ASS u. Clopidogrel indiziert. Es gibt jedoch keine generelle
Empfehlung zur dualen antithrombozytären Ther. bei stabiler A. p.
Pharmakokinetische Besonderheiten: Clopidogrel wird als Prodrug durch
CYP3A4-abhängigen Metabolismus aktiviert. Infolge genetischer Dispositionen
od. Medikamenteninteraktionen kann das Ansprechen auf Clopidogrel sehr vari-
abel sein. Z. B. reduziert Atorvastatin, nicht aber Pravastatin die Clopidogrel-Wir-
kung dosisabhängig. Klinische Bedeutung dieser Interaktion bisher unklar. Inter-
aktionen auch mit anderen Inhibitoren (z. B. Erythromycin) od. Induktoren (z. B.
Rifampicin) des CYP3A4-Systems.
Ticlopidin: Tiklyd® 2 × 250 mg/d. Wirkmechanismus wie Clopidogrel. Erwiesener
3 Effekt nach Stent-Implantation u. nach TIA/Apoplex. Clopidogrel besser verträglich.
Keine Daten zum Nutzen bei stabiler, chron. KHK (Bedeutung nur als Ausweichme-
dikament bei Clopidogrel-Unverträglichkeit). Seltene, aber schwerwiegende NW
(Leuko-, Thrombopenie): regelmäßige BB-Kontrollen während der Anwendung.
Neue P2Y-Rezeptorantagonisten: Prasugrel, Ticagrelor sind bei stabiler A. p.
nicht zugelassen. Ein Einsatz z. B. von Prasugrel bei Clopidogrel-Resistenz kann
erwogen werden.
Antianginöse Therapie
Ziel: Reduktion der Symptomatik durch Verminderung des O2-Verbrauchs od.
Verbesserung des O2-Angebots. Basisther. bei guter Verträglichkeit, Effekt auf
Prognose ist nicht gesichert. Indiziert, wenn Bedarfsther. mit Nitro-Spray od.
ISDN 5 mg s. l. aufgrund der Angina-Häufigkeit nicht ausreicht. Medikamenten-
wahl orientiert sich an Begleiterkr., LV-Funktion u. evtl. KI (Arrhythmien, COLD,
pAVK). Wahl der antiischämischen/antianginösen Ther.: s. o. Bei „Fixed-
Threshold“-Angina sind Betablocker (▶ 11.3.3) eher geeignet, bei „Variant-
Threshold“-Angina lang wirkende Kalziumantagonisten (▶ 3.4.1, ▶ 11.5). Kurz
wirksame Dihydropyridine (z. B. Nifedipin) sind mit erhöhtem Infarktrisiko asso-
ziiert u. daher nicht empfehlenswert. Betablocker reduzieren die Mortalität nach
MI (Sekundärprävention), bei der Primärprävention nicht nachgewiesen, den-
noch sind Betablocker Mittel 1. Wahl.
Die antianginöse Ther. beginnt üblicherweise als Monother. (Betablocker od. Ni­
trat). Häufig ist die Komb. mit einer zweiten, in seltenen Fällen mit einer dritten
Substanz nötig. Bei unzureichender med. Kontrolle der A. p. sollte eine Revasku-
larisation angestrebt werden.
Betablocker (▶ 11.3.3): Initialtherapie. 30 % Risikoreduktion für kardiovask. Tod
u. MI in Postinfarktstudien, 24 %-Mortalitätsreduktion im Langzeitverlauf in der
Sekundärprävention nach MI (Studien allerdings eingeschränkt verwertbar, da vor
Einführung moderner Reperfusionsstrategien u. vor ACE-Hemmer-Ära). Bei sta-
biler A. p. kein sicherer Einfluss auf Prognose, jedoch effektive Reduktion der Sym-
ptomatik. β1-selektive Betablocker wegen günstigerem NW-Profil zu bevorzugen.
• KI beachten: AV-Block, Sinusknotendysfunktion, Asthma bronchiale, fortge-
schrittene COLD. Rel. KI: pAVK, instabiler Diab. mell., Depression (alterna-
tiv Atenolol).
• NW: kalte Extremitäten, Bradykardie, Symptomverschlechterung bei COPD/
Asthma, Müdigkeit/Schwäche (0,4 %), sexuelle Dysfunktion (0,5 %).
• Bes. geeignete Pat.: A. p. bei körperl. Belastung, Hypertoniker, supraventriku-
läre u. ventrikuläre Arrhythmien, Angina nach MI, eingeschränkte systol.
LV-Funktion, Herzinsuff. NYHA II u. III, ängstlicher Pat.
 3.10 Therapie der chronischen KHK 133

• HF in Ruhe sollte unter Ther. bei 55–60/Min. liegen, bei ausgeprägter Angina
um 50/Min., wenn keine Symptome der Bradykardie vorliegen. Betablocker
bremsen die Frequenzantwort bei körperl. Belastung, die max. HF sollte bei
75 % der Angina-HF liegen. Dos.: z. B. Metoprolol (Beloc Zok® ▶ 11.3.3) Be-
ginn 2 × 25 mg/d, langsam über Tage/Wochen steigern bis max. 2 × 100 mg/d.
Zieldosen für volle antianginöse Wirkung: Bisoprolol 1 × 10 mg/d; Metopro-
lol CR 2 × 100 mg/d; Atenolol 1 × 100 mg od. 2 × 50 mg/d.
• Häufigste Fehler: zu hohe Initialdosis, ungenügende Dosisanpassung, oft
Überbewerten von NW durch Pat. u. Arzt, sodass das Ther.-Prinzip frühzeitig
aufgegeben wird.
Kalziumantagonisten (▶ 11.5): Diltiazem verbessert Prognose nach MI. Kein Ef-
fekt auf Prognose bei stabiler A. p. Frequenzreduzierende Kalziumantagonisten
(Verapamil, Diltiazem) sind effektive antianginöse Ther. bei KI für od. ungenü-
gendem Effekt der Betablocker. Reduktion des myokardialen O2-Bedarfs u. Erhö- 3
hung des O2-Angebots. Effektiv v. a. bei Angina mit vasospastischer od. vasokons-
triktorischer Komponente (Prinzmetal-, Variant-Threshold-Angina, Angina bei
ungenügender vasodilatatorischer Reserve der kleinen Koronargefäße). Rein va-
sodilatierende Kalziumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ sollten mit Beta-
blocker kombiniert werden. Kurzwirksame Dihydropyridine, z. B. unretardiertes
Nifedipin, in der Dauerther. möglichst vermeiden (bei hoher Dos. Infarktrisiko
evtl. erhöht).
• NW (15–20 %): Kopfschmerzen, Schwindel, Palpitationen, Flush, Hypotonie
u. Beinödeme als Folge der Vasodilatation. Verstärkung der A. p. nach Nife-
dipin möglich. Obstipation (Verapamil). Bradykardie u. AV-Überleitungsstö-
rungen bei Substanzen vom Verapamil-Typ. Auslösung od. Verschlechterung
einer Herzinsuff. durch alle Kalziumantagonisten.
• Bes. geeignete Pat.: KI gegen Betablocker, ungenügende Betablocker-Wir-
kung, Hinweise auf vasospastische Angina (Prinzmetal), ungenügende koro-
nare Flussreserve (small vessel disease) od. dynamische Koronarstenosen
(Variant-Threshold-Angina).
• Dos.: retardiertes Diltiazem (Dilzem® ret. bis 2 × 90 mg/d), retardiertes Nife-
dipin (Adalat® SL bis 2 × 20 mg/d), retardiertes Verapamil (Isoptin® KHK ret.
bis 2 × 120 mg/d). Lang wirksame Dihydropyridine: Amlodipin (Norvasc® 1
[bis 2] × 5 mg/d), Felodipin (Modip® bis 2 × 5 mg/d), Isradipin (Vascal®
UNO ret. 1 × 5 mg/d), Nisoldipin (Baymycard® bis 2 × 20 mg/d).
• Häufigste Fehler: fehlende Komb. mit Betablocker, zu hohe/zu niedrige Dosis.
Nitrate u. Molsidomin (▶ 11.3.1, ▶ 12.3.2): meist als Basisther., gute Verträglich-
keit. Gefäßdilatatoren mit Wirkung v. a. im venösen Schenkel, damit Vorlastsen-
kung, Reduktion der Wandspannung mit verbesserter Koronarperfusion u. Ab-
nahme des O2-Bedarfs; zusätzlich direkte koronare Vasodilatation bei dynami-
schen Stenosen. Lang wirksame Nitrate reduzieren Schwere u. Häufigkeit von
Angina-Anfällen u. erhöhen Belastungstoleranz. Kein Einfluss auf Prognose.
• NW: Kopfschmerzen, Flush od. Hypotonie. Neigung zur Hypotonie mit
vagovasaler Komponente v. a. bei älteren Pat.
• Bes. geeignet: Zusatzther. zu Betablocker, individuelle Prämedikation vor
körperl. Belastung bei Fixed-Threshold-Angina, bei seltenen Angina-Episo-
den, Dauerther. bei Variant-Threshold-Angina.
• Dos.: Nitroglyzerin (Nitrolingual-Kps., -Spray) 0,4–0,8 mg od. 2 Spray-Hübe
bei Bedarf. Isosorbid-Dinitrat – ISDN (Isoket®) 5 mg als Sublingualtbl. bei
Bedarf. Dauerther.: ISDN (Isoket®) 10–40 mg 2–3 ×/d. Isosorbid-5-Mononi­
trat – ISMN (Isomo®) 2 × 20 mg/d (1–1–0). 10–12-stündige Nitratpause zur
134 3 Koronare Herzkrankheit 

Vermeidung einer Nitrattoleranz. Alternative mit vergleichbarem Wirkspekt-


rum: Molsidomin (Corvaton® ret.) 2 × 8 mg/d.
Weitere konservative Therapieansätze
ACE-Hemmer (▶ 11.4.1): 26 % Reduktion von Tod/MI bei Pat. mit KHK, pAVK,
Schlaganfall od. Diab. mell. u. einem weiteren RF (HOPE). Risiko „ischämischer
Ereignisse“ u. Bedarf an Revaskularisationsprozeduren reduziert, kein Einfluss auf
Anginafrequenz u. -schwere. Wirkung mutmaßlich über Beeinflussung der korona-
ren Endothelfunktion, der Gefäß- u. Ventrikelfunktion, direkte Beeinflussung der
atherosklerotischen Plaques sowie des sympathoadrenergen Tonus. ACE-Hem-
mer-Ther. etabliert bei Pat. mit eingeschränkter LV-Funktion unabhängig von der
Ursache. NW, Interaktionen u. das Erreichen der in kontrollierten Studien verwen-
deten Dos. beachten. Theoretische Interaktionen von ASS mit ACE-Hemmern
(ASS hemmt Prostaglandinsynthese) ohne nachgewiesene klinische Bedeutung.
3 • Ind.: grundsätzlich bei stabiler A. p., wenn gleichzeitig Hypertonus, Diab.
mell., Z. n. MI, symptomatische Herzinsuff. od. asymptomatische LV-Dys-
funktion vorliegt. Bei Unverträglichkeit od. NW (▶ 11.4.1) alternativ AT1-
Antagonisten (▶ 11.4.2).
• Dos.: Captopril (Lopirin®) bis 3 × 25–50 mg/d, Enalapril (Xanef®) bis
2 × 10 mg/d, Ramipril (Vesdil®) bis 2 × 5 mg/d.
• Häufigste Fehler: zu hohe Initialdosis, keine Dosisanpassung (zur Dosisfin-
dung geringe Dosissteigerungen in kleinen Schritten über Wo.) zu geringe
Erhaltungsdosis.
• ACE-Hemmer zu selten eingesetzt. Mehrzahl der Pat. unterdosiert, sodass
der in Megastudien beschriebene Nutzen nicht erreicht wird u. auch nicht er-
wartet werden darf. Ther. ist effektiv, verträglich u. billig – also sollte sie auch
praktiziert werden.
Neue Substanzen
Kaliumkanalaktivatoren
Nicorandil (Schweiz: Dancor®): Leitsubstanz dieser Gruppe, Nicotinamidderivat
mit einer Nitratgruppe. Eigenschaften der Nitrate, zusätzlich Aktivator der ATP-
abhängigen K+-Kanäle (durch Reduktion intrazellulären Kalziums verbesserte
kardiale Relaxation u. Vasodilatation). Zusätzlich kardioprotektiv; Prognosever-
besserung jedoch bisher nicht belegt. Toleranzentwicklung möglich, jedoch keine
Kreuztoleranz mit Nitraten. Dos.: 2 × 10–20 mg/d. NW: Kopfschmerz.
Sinusknotenhemmer
Ivabradin (Procoralan®): Leitsubstanz dieser Gruppe. Selektiver Hemmer der
kardialen Schrittmacherspannung u. damit der Depolarisation im Sinusknoten;
neg. dromotroper Effekt in Ruhe u. unter Belastung; antianginöse Wirkung bei
Pat. mit KI für Betablocker od. in Komb. bei unzureichendem Betablocker-Effekt;
nur bei Sinusrhythmus. Dos.: 2 × 5 (–7,5) mg/d.
Metabolika
• Ranolazine (Ranexa®): antianginöse Substanz aus der Gruppe der Piperazin-
derivate, wirkt durch Hemmung des späten Na+-Stroms mit konsekutiver Ab-
senkung der Natrium- u. Kalziumüberlast, Verbesserung der diastol. Funkti-
on, Myokardperfusion. Zugelassen in Komb. bei unzureichender Wirkung od.
Unverträglichkeit z. B. von Betablockern, Kalziumantagonisten. Dos.: Beginn
mit 2 × 375 mg/d, nach 2–4 Wo. 2 × 500 mg/d, max. 2 × 750 mg/d; vorsichtig
titrieren im Alter, bei geringem KG, Herz- u. Niereninsuff. sowie bei leichter
 3.10 Therapie der chronischen KHK 135

Leberfunktionsstörung; bei schwerer Niereninsuff. u. ab mäßiger Leberfunkti-


onsstörung kontraindiziert. Metabolisierung vorwiegend über CYP3A4. Viel-
fältige relevante WW sind bekannt (siehe Produktinformation). QT-Zeit wird
im Mittel nur gering, dosisabhängig, in bis zu 4 % aber deutlich verlängert.
Einzelne Todesfälle unter Ranolazin sind beschrieben.
• Trimetazidine (metabolische Effekte ohne hämodynamische Veränderun-
gen): zurzeit in Deutschland nicht gelistet.

Empfehlungen zur pharmakologischen Therapie der stabilen A. p. mit dem Ziel


der Symptomverbesserung und Ischämiereduktion
• Klasse-I-Ind. nach ESC 2006:
– Kurz wirksame Nitrate zur akuten Symptomreduktion u. situativen
Prophylaxe nach eingehender Instruktion des Pat.
– β1-Blocker mit Testdosis u. Titration auf volle Dosis. Ggf. Notwendig- 3
keit einer 24-h-Protektion gegen Ischämie erwägen.
– Bei Betablockerintoleranz od. unzureichendem Effekt Versuch einer
Monother. mit Kalziumantagonisten, lang wirksamem Nitrat od. Nico-
randil.
– Bei nicht ausreichender Effektivität der Betablocker Komb. mit Kalzi-
umantagonisten vom Dihydropyridin-Typ.
• Klasse-IIa-Ind. nach ESC:
– Bei Betablockerintoleranz Versuch mit Sinusknotenhemmer.
– Falls Kalziumantagonisten-Monother. od. Komb.-Ther. mit Betablocker
erfolglos, Ersatz des Kalziumantagonisten durch lang wirksames Nitrat
od. Nicorandil. Maßnahmen zur Vermeidung einer Nitrattoleranz.
• Klasse-IIb-Ind. nach ESC: metabolische Substanzen zusätzlich zu od. als
Ersatz bei Intoleranz konventioneller Substanzen.

Definition einer erfolgreichen konservativen Therapie


• Kons. Ther. erfolgreich, wenn A.-p.-Beschwerden allenfalls noch minimal
vorhanden u. normale Alltagsaktivitäten entsprechend einer funktionellen
Belastbarkeit CCS I möglich sind. Dieses Ziel sollte mit einem Minimum an
Medikamenten-NW erreicht werden.
• Mehrzahl der Pat. mit niedrigem KHK-Risiko (▶ 3.9.6) profitiert bei konse-
quenter kons. Ther. prognostisch nicht von einer Revaskularisationsther.
• Individuell unterschiedlicher Umfang einer med. Ther.: Mit einer 2–3er-
Komb. können die meisten Pat. ausreichend behandelt werden.
• Annahme des Versagen kons. Ther., wenn unter einer 3er-Komb. die Belas-
tungstoleranz gering ist u. A. p. Alltagsaktivitäten limitiert. Erneute nichtin-
vasive Diagn. angezeigt, um ggf. eine Revaskularisation anzustreben.

3.10.4 Revaskularisationstherapie der stabilen A. p.


Ziele der Revaskularisationsther. bei stabiler A. p. sind
• Verbesserung der Prognose bzw. des infarktfreien Überlebens,
• Symptomreduktion bei med. unzureichend behandelbaren Pat.
Die 2 Standardverfahren der Revaskularisation sind die koronare Bypass-OP
(ACVB) u. die perkutane Koronarintervention (PTCA, PCI). Entscheidungs-
grundlage für eines der Verfahren: anatomische Def. der Koronarmorphologie
mittels Koro sowie Eignung des Pat. für das jeweilige Revaskularisationsverfahren.
136 3 Koronare Herzkrankheit 

• Prognostische Ind. zur Revaskularisationsther. (nach ESC 2011):


– Stenose des li Hauptstamms > 50 %* (I-A),
– jede prox. LAD-Stenose > 50 %* (I-A),
– 2- od. 3-GE mit eingeschränkter LV-Funktion* (I-B),
– Nachweis eines großen Ischämieareals (> 10 % des LV; I-B),
– Stenose des letzten offenen Gefäßes > 50 %* (I-C).
• Symptomatische Ind. zur Revaskularisationsther. (nach ESC 2011):
– jede Stenose > 50 % mit limitierender Angina od. Anginaäquivalent,
die nicht auf optimale med. Ther. anspricht (I-A),
– Dyspnoe/Herzinsuff. u. Nachweis eines großen (> 10 % LV) Ischämiea-
reals mit einer > 50-prozentigen Stenose der versorgenden Koronarar-
terie (IIa-B).
3 • Keine Ind. für Revaskularisationsther. (nach ESC 2011):
– Pat. mit 1- od. 2-GE ohne signifikante prox. LAD-Stenose u. ohne
> 10-prozentige Ischämie des LV (III-A),
– wenn nach Einleitung einer optimalen med. Ther. keine limitierende
Symptomatik mehr vorliegt (III-C).
* Bei Stenosen zwischen 50 u. 90 % wird ein Ischämienachweis od. eine FFR
≤ 0,75 als Voraussetzung für die Intervention empfohlen.

Mehrere kontrollierte Studien zeigen in bestimmten klinischen Situationen ver-


besserte Überlebensraten unter Revaskularisationsther. im Vergleich zur kons.-
med. Therapie. Dies gilt insbes. für die aortokoronare Bypass-OP bei Mehrgefäß-
KHK, die Datenlage für die transkutane Katheterintervention ist weniger klar.

Differenzialindikation zur Revaskularisationstherapie bei stabiler A. p.


▶ Tab. 3.35.
Tab. 3.35 Differenzialindikation zur Revaskularisationsther. bei stabiler A. p.,
wenn die Koronaranatomie für beide Revaskularisationsverfahren geeignet
ist u. ein niedriges Mortalitätsrisiko bei einer OP vorliegt (Quelle: ESC Guide-
lines on myocardial revascularization 2010)
Koronaranatomie Evidenz Evidenz
für ACVB für PCI
1-GE od. 2-GE, keine prox. LAD-Stenose IIb-C I-C
1-GE od. 2-GE mit prox. LAD-Stenose I-A IIa-B
3-GE mit einfacher Läsionscharakteristik, komplette Revasku­ I-A IIa-B
larisation mittels PCI möglich, SYNTAX-Score1 ≤ 22
3-GE mit komplexer Läsionscharakteristik, nur unvollständige I-A III-A
Revaskularisation mittels PCI möglich, SYNTAX-Score > 22
Li Hauptstammstenose (isoliert od. in Komb. mit 1-GE) an I-A IIa-B
­Ostium od. Schaft
Li Hauptstammstenose (isoliert od. in Komb. mit 1-GE) an der I-A IIb-B
distalen Bifurkation
Li Hauptstammstenose mit 2-GE od. 3-GE, SYNTAX-Score ≤32 I-A IIb-B
Li Hauptstammstenose mit 2-GE od. 3-GE, SYNTAX-Score ≥ 33 I-A III-B
1
 SYNTAX-Score = Score zur Risikoeinschätzung einer PCI nach SYNTAX-Studie
(▶ Tab. 3.36)
 3.10 Therapie der chronischen KHK 137

PTCA/PCI
PTCA: perkutane transluminale Coronarangioplastie. PCI: perkutane koronare
Intervention.
Technik, Ergebnisse, KO, KI ▶ 12.1.
Ursprünglich im Wesentlichen auf die Behandlung von 1-GE beschränkt, inzwi-
schen verbreitete Methode zur Versorgung eines breiten Spektrums der KHK mit
hoher prozeduraler Erfolgsrate bei akzeptablem Risiko. Risiko einer schwerwie-
genden KO bei Routine-PTCA liegt bei 0,3–1 %. Allerdings konnte bisher kein
eindeutiger Prognosevorteil im Vergleich zur med. Ther. für die PTCA im Gegen-
satz zur ACVB gezeigt werden, jedoch deutlich bessere Beseitigung der Symptome
als mit rein med. Ther.
Entsprechend dem symptomatischen Charakter des Verfahrens bedarf die Ind.-
Stellung einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung, wobei insbes. eine Ab-
schätzung des erwarteten PTCA-Erfolgs, des Risikos des Eingriffs u. des Risikos 3
alternativer Revaskularisationsverfahren zu erfolgen hat. Hierfür wurden Scoring-
Systeme entwickelt u. klinisch evaluiert:
SYNTAX-Score: angiografischer Score, basierend auf der Koronaranatomie u.
der Charakteristik der Läsionen. Er wurde in der SYNTAX-Studie verwendet, um
die Anatomie der Koronararterien basierend auf 9 anatomischen Kriterien, ein-
schließlich Läsionshäufigkeit, -komplexität u. -lage, zu beschreiben (▶ Tab. 3.36).
Auf diese Weise wurde jedem Pat. ein Wert zugeordnet. Höhere SYNTAX-Scores
deuten auf Pat. mit komplexeren Erkr. u. erhöhten Behandlungsanforderungen
hin. Die Ermittlung des Scores kann webbasiert mit dem SYNTAX-Score-Kalku-
lator (www.syntaxscore.com) erfolgen.

Tab. 3.36 SYNTAX-Score-Algorithmus


1. Dominanz
2. Anzahl der Läsionen
3. Pro Läsion betroffene Bereiche: Darstellung der Läsionen
4. Totalverschluss
• Zahl der betroffenen Bereiche
• Vorliegen eines Totalverschlusses (> 3 Mon.)
• Stumpf
• Brückenkollateralen
• Erster sichtbarer Bereich nach Okklusion durch antegrade od. retro­
grade Füllung
• Seitenastbeteiligung
5. Trifurkation: Anzahl betroffener Bereiche
6. Bifurkation
• Typ
• Angulation zwischen distalem Hauptgefäß u. Seitenast < 70°
7. Aorto-ostiale Läsion
8. Massive Tortuosität
9. Länge > 20 mm
10. Thrombus
11. Diffuse Läsionen/kleine Gefäße: Anzahl der Bereiche mit diffusen Läsio­
nen/kleinen Gefäßen
138 3 Koronare Herzkrankheit 

Nach S. Garg kann die Vorhersagegenauigkeit des SYNTAX-Scores verbessert


werden, indem man ihn um einige einfache klinische Parameter wie Alter, Aus-
wurffraktion u. Krea-Clearance, zu einem klinischen SYNTAX-Score erweitert.
„European System for Cardiac Operative Risk Evaluation“ (EuroSCORE): Das
in Europa am meisten verwendete Modell zur periop. Risikoabschätzung vor By-
pass-OP. Wegen unzureichender Vorhersagegenauigkeit des additiven Modells
wurde der logistische EuroSCORE entwickelt, der mittels webbasiertem Rechner
(www.euroscore.org) zu ermitteln ist. Auch dieser führt jedoch in einzelnen Pat.-
Gruppen zur Überschätzung des Mortalitätsrisikos.
Society of Thoracic Surgeons (STS-)Score: wird wie der EuroSCORE als leicht
anzuwendender Online-Rechner zur Vorhersage der postop. Mortalität von Pat.,
die einer offenen Herz-OP unterzogen werden, verwendet (www.sts.org). Führt im
Gegensatz zum EuroSCORE meist zur leichten Überschätzung des Mortalitätsrisi-
3 kos. Eine Komb. der Scores, die anatomische u. verschiedene klinische Faktoren,
z. B. Alter, Auswurffraktion, Krea-Clearance, enthalten, könnte die Risikovorher-
sage bei der Auswahl der Revaskularisationsmethode verbessern.
Indikationen zur PTCA/PCI

Indikationen zur PTCA/PCI


• Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2006:
– Typische A. p. bei 1-GE trotz adäquater kons. Ther.
– Stabile A. p. bei 2-GE mit 2 gut zugänglichen Stenosen, die mit hoher
Erfolgsaussicht u. akzeptablem Risiko dilatiert werden können. Bei
2-GE mit prox. LAD-Stenose ist zu berücksichtigen, dass eine korona-
re Bypass-OP eine Prognoseverbesserung erzielen kann.
– Koronare 3-GE u. guter Ventrikelfunktion mit guter Erfolgsaussicht
für eine Revaskularisation.
Keine Indikation zur PTCA/PCI:
– Koronarstenosen ohne Ischämienachweis od. insignifikante (< 50 %)
Stenosen,
– kleines Myokardareal im Versorgungsgebiet der Stenose,
– geringe Erfolgs- od. hohe KO-Wahrscheinlichkeit,
– 3-GE mit reduzierter LV-Funktion u. Ind. zur Bypass-OP aus prognos-
tischen Gründen,
– Li Hauptstammstenose ≥ 50 %, wenn Eignung zur Bypass-OP gegeben.

Abschätzen des PTCA-/PCI-Erfolgs


Anatomische Faktoren
• Hohe PTCA-Erfolgsrate > 95 % (Typ-A-Stenose): kurze Stenosen < 10 mm,
konzentrisch, gut zugänglich, keine Krümmung im Stenosebereich > 45°,
glatte Kontur, keine/wenige Verkalkungen, kein Totalverschluss, nicht osti-
umnah, keine wesentliche Seitenastbeteiligung, kein Thrombusnachweis.
• Mittlere PTCA-Erfolgsrate 90–95 % (Typ-B-Stenose): Stenose 10–20 mm,
exzentrische Lage, mäßig geschlängelt, mäßige Krümmung des Gefäßes
(> 45°, < 90°), unregelmäßige Stenosekontur, mäßige bis hochgradige Verkal-
kungen, Totalverschluss < 3 Mon. alt, ostiumnah, Bifurkationsstenose, gerin-
ge Thrombusmasse im Stenosebereich.
• Geringe PTCA-Erfolgsrate 80–85 % (Typ-C-Stenose): Stenose über 20 mm
Länge, prox. Segment stark geschlängelt, Stenosekrümmung > 90 %, Totalver-
 3.10 Therapie der chronischen KHK 139

schluss > 3 Mon., wesentlicher Seitenast nicht zu schützen, degenerierter Ve-


nenbypass mit komplexer Läsion.
Abschätzen des PTCA-/PCI-Risikos
Klinische Faktoren, die auf ein erhöhtes Risiko hinweisen
Alter, weibl. Geschlecht, verminderte systol. LV-Funktion, Anzahl der Gefäße mit
einer Stenose > 70 %, instabile A. p., CCS Klasse IV, Herzinsuff., akuter MI < 24 h,
Prozedur unter Notfallbedingungen, kardiogener Schock, Bedarf eines Unterstüt-
zungssystems (IABP), begleitende AoK-Erkr., MR > II°, Diab. mell., pAVK,
Schlaganfall, Krea > 2 mg%, Dialyse-Pat., Hypercholesterinämie, intraluminaler
Thrombus.
Periinterventionelle Komplikationen der PTCA/PCI bei stabiler A. p.
• Mortalität < 0,1 %. 3
• Notfall-ACVB < 0,1.
• Gefäß-KO: OP-pflichtig 3–4 %.
Die Angaben der periprozeduralen Infarktraten variieren sehr stark (bis 3 %),
Gefäßfrühverschlüsse vor Einführung der Koronarstents 2–8 % (¾ im Katheterla-
bor, ¼ innerhalb von 24 h), inzwischen durch Stentimplantation in der Mehrzahl
der Fälle beherrschbar.
RF für Gefäßverschluss: ACS, Mehrgefäßerkr., weibl. Geschlecht, intrakoronarer
Thrombus, Stenosenlänge > 10 mm, kalzifizierte Stenose, exzentrische Stenose,
ausgedehnte Dissektion, überdimensionierter Ballon, hochgradige Stenose.
PTCA mit Stent-Implantation vs. Ballonangioplastie
Koronare Stents lösten ein wesentliches Problem der PTCA, den akuten Gefäß-
verschluss durch ausgedehnte okkludierende Dissektion. Einsatz zunächst bei un-
zureichendem Ergebnis nach Ballondilatation od. drohendem Gefäßverschluss
(„provisionelles Stenting“). Halbierung der hohen Restenose-Rate nach alleiniger
PTCA. Heute i. d. R. geplantes, elektives Stenting bei den meisten Koronarläsio-
nen → je nach Zentrum 80–95 % aller PTCA mit Stent-Implantation. Vorteile:
Reduktion der Restenose- u. der Re-PTCA-/-PCI-Rate.
BMS vs. DES
Nach koronarer Stent-Implantation kommt es in bis zu 20 % der Fälle, meist in-
nerhalb von 3–6 Mon., zur sog. „In-Stent-Restenose“.
• Ursache: Intimahyperplasie innerhalb des Stents, im Nativgefäß an den
Stent-Enden.
• Risiko erhöht: Diab. mell., kleiner Gefäßdurchmesser (< 3 mm), geringe Lu-
menweite nach Dilatation, höhere Stent-Länge.
• Ther.: Ballonredilatation (Hochdruckballons) zur weiteren Expansion des
implantierten Stents, Nachteil: erneute Rezidive in bis zu 60 %.
Brachyther. (▶ 12.3.5) inzwischen historisches Verfahren mit interventionel-
ler β- od. γ-Bestrahlung; reduziert Restenose-Rate von 60 % auf 25–35 %;
Nachteil: hoher logistischer Aufwand, Risiko von späten Restenosen nach 12–
24 Mon., Spätthrombosen u. Gefäßverschlüssen.
Drug-eluting-Stent (DES): inzwischen Standardmethode bei rezid. In-Stent-
Restenosen. Nachteil: lang dauernde, evtl. lebenslange antithrombozytäre
Komb.-Ther. (Spätthrombose- u. Gefäßverschlussrisiko).
• Ind. für DES: Primär sollten DES bevorzugt bei Pat. mit erhöhtem Resteno-
se-Risiko implantiert werden (stabile KHK mit zu Symptomatik/Myokar-
dischämie führender De-novo-Koronarstenose mit einem Gefäßdurchmesser
140 3 Koronare Herzkrankheit 

≤ 3,0 mm u./od. Stenosenlänge ≥ 15 mm; nach erfolgreicher Wiedereröffnung


eines chron. verschlossenen Koronargefäßes u. bei In-Stent-Restenose eines
unbeschichteten Koronarstents). Zurückhaltender Einsatz bei Pat. mit erhöh-
tem Stentthrombose-Risiko (▶ Tab. 3.37).
DES sollten eher nicht verwendet werden, wenn verlängerte Clopidogrel-Ga-
be nicht möglich bzw. Compliance nicht gegeben od. nicht eruierbar (bzgl.
hinsichtlich zu erwartender Compliance schwierig zu erhebende Anamnese,
Multimorbidität/hohe Tablettenanzahl, demnächst geplante OP, erhöhtes
Blutungsrisiko, bekannte Clopidogrel-Allergie, Ind. zur Dauerantikoagulati-
on z. B. TAA, Klappenprothese).
• Medikamentenbeschichtete Ballonkatheter (DCB): Weiterentwicklung ei-
nes herkömmlichen Ballonkatheters, wobei die Oberfläche, meist unter Ver-
wendung eines die Kinetik beeinflussenden Zusatzstoffs, mit einem antiproli-
3 ferativen Medikament beschichtet wird, das am Ort der Gefäßverengung so-
fort freigesetzt wird. DCB eignen sich insbes. zur Behandlung koronarer In-
Stent-Stenosen (ISR) u. möglicherweise für De-novo-Läsionen, bei denen
eine Stent-Einlage nicht möglich od. erwünscht ist (kleine Gefäße, Bifurkati-
onsläsionen). Eine Komb. mit BMS-Implantation (Vordehnung mit DCB,
provisionelle BMS-Implantation) ist möglich. Alle DCB sind mit Paclitaxel in
Komb. mit unterschiedlichen Zusatzstoffen beschichtet. Kontrollierte angio-
grafische Endpunktstudien existieren für die Behandlung der ISR nach BMS
sowie De-novo-Läsionen in Komb. mit BMS. Klinische Endpunktstudien feh-
len bisher.

Tab. 3.37 Allgemeine Risikofaktoren für die Entwicklung einer Stent-­


Thrombose nach Implantation unbeschichteter od. Medikamente freisetzender
Koronarstents (DKG Positionspapier Koronarstents 2011)
Patientenbezogene RF Prozedurale RF Histopathologische RF
• ACS • Multiple Läsionen, Mehrgefäß­ • Chron. Ent­
• Diab. mell. erkr., Mehrgefäß-PCI zündungsreaktion
• Vorausgegangener MI • Kleine Gefäße • Fibrinauflagerung
• Reduzierte LV-­ • Lange Stents, multiple Stents • Eosinophile
Auswurffraktion • Ostiale u. Bifurkationsstenosen Granulozyten­
• Niereninsuff. • Inkomplette Stententfaltung infiltration
• Vorzeitiges Absetzen • Verbliebenes Restdissekat • Riesenzellen
der dualen anti­ • Persistierender langsamer • Lymphozytäre
thrombozytären Ther. Blutfluss nach PCI Zellinfiltration
• ASS- u./od. Clopido­ • Stentfraktur • Verzögerte Reendo­
grel-„Resistenz“ thelialisierung

Medikamentöse Begleittherapie vor, während und nach PTCA/PCI


• ASS bei nicht vorbehandelten Pat. bis 500 mg p. o. mehr als 3 h vor od.
300 mg i. v. direkt vor dem Eingriff.
• Clopidogrel 300 mg p. o. mind. 6 h vor dem Eingriff, optimal am Vortag, falls
nicht möglich, 600 mg p. o. möglichst 2 h vor dem Eingriff.
• Alternativ bei Clopidogrel-Unverträglichkeit Ticlopidin (2 × 250 mg) vor der
Prozedur.
• Dauer der antithrombozytären Ther.: ASS 100 mg/d + Clopidogrel
1 × 75 mg/d od. Ticlopidin 2 × 250 mg/d für mind. 4 Wo., anschließend ASS
100 mg/d. Verlängerte Komb.-Ther. nach Brachyther. (12 Mon.) bzw. nach
DES (mind. 6, bei nicht erhöhtem Blutungsrisiko optimal 12 Mon.).
 3.10 Therapie der chronischen KHK 141

Clopidogrel u. Ticlopidin vergleichbar effektiv (CLASSICS), jedoch höhere


NW-Rate unter Ticlopidin: Regelmäßige BB-Kontrollen wegen Thrombo-,
Leukopeniegefahr (ca. 1 %). Ticlopidin weitgehend durch Clopidogrel abge-
löst, zukünftig möglicherweise Dauerther. von ASS mit Clopidogrel bei be-
stimmten Risikokonstellationen vorteilhaft.

• Heparin: Gewichtsadaptierter Bolus zum Zeitpunkt der Prozedur 70–100 IE/


kg KG od. 50–60 IE/kg KG bei gleichzeitiger Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezep­
tor­antagonisten; wegen wechselnder Bioverfügbarkeit besser Titration unter
ACT-Kontrolle. Zielbereich: 250–350 s bei Monother., 200–250 s bei gleich-
zeitger Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten. Ob niedrigerer ACT-
Zielbereich (≤ 200 s) Sicherheit u. Effizienz der PCI insbes. bei gleichzeitiger
Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten od. Vorbehandlung mit Clopi- 3
dogrel verbessern kann, wird zurzeit untersucht.
• NMH: als alleinige antithrombotische Medikation bei PCI nicht empfohlen
(limitierte Datenlage). Bei in therap. Dosis vorbehandelten Pat. keine zusätz-
liche Antikoagulation nötig, wenn PCI innerhalb von 4–6 h nach der letzten
Gabe stattfindet. Sonst zusätzliche i. v. Bolusgabe von NMH (z. B. Enoxaparin
0,3 mg/kg KG) empfohlen. Wechsel von NMH auf UFH mit höherem Blu-
tungsrisiko verknüpft.
• GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (▶ 11.8.3): Abciximab reduziert signifi-
kant die KO-Rate (Tod, Infarkt, Revaskularisationsrate, Epilog, Epistent), Ep-
tifibatide u. Tirofiban sind ebenfalls effektiv (Esprit, Restore, Prism-Plus).
Hauptind.: instabile A. p. od. andere klinische Hochrisikogruppen. Bei stabi-
ler A. p. GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten keine Routinether. (unsichere
Datenlage, hohe Kosten). Bei PCI komplexer Läsionen u. nicht mit Clopido­
grel vorbehandeltem Pat., drohendem od. manifestem Gefäßverschluss, sicht-
barem Thrombus od. „no/slow reflow“ zu erwägen.
• Direkte Thrombinhemmer: günstiges Nutzen-Risiko-Profil für Bivalirudin
im Vergleich zu UFH. Nachteil: deutlich höhere Kosten. Bivalirudin deshalb
nicht als Routine. Empfohlen als Ersatz für UFH (NMH) für Pat. mit HIT u.
sonstigen KI für UFH sowie Pat. mit erhöhter Blutungsneigung.
Nachsorge nach PTCA/PCI
▶ Tab. 3.38.
Tab. 3.38 Empfehlungen zur Risikoreduktion bei Pat. mit KHK nach PCI
(nach ACC 2006)
Risikofaktoren und Ziel Empfehlungen zur Intervention
Rauchen Nachfrage nach Tabakkonsum bei jeder Visite. Nachdrück­
Ziel: Komplette Rau­ liche Empfehlung an Pat. u. Familie, das Rauchen einzu­
cherentwöhnung ein­ stellen u. passive Tabakrauchexposition zu vermeiden. Klä­
schließlich passiver Ta­ rung der Bereitschaft u. Unterstützung bei der Entwick­
bakrauchexposition lung eines Plans, das Rauchen einzustellen. Arrangierung
von Nachkontrollen, Spezialprogrammen u. med. Unter­
stützung (Nikotinersatzpräparate, Buproprion = Zyban®,
Vareniclin = Champix®). Drängen auf Vermeidung von pas­
siver Tabakrauchexposition zu Hause u. in der Arbeit.
142 3 Koronare Herzkrankheit 

Tab. 3.38 Empfehlungen zur Risikoreduktion bei Pat. mit KHK nach PCI
(nach ACC 2006) (Forts.)
Risikofaktoren und Ziel Empfehlungen zur Intervention
Blutdruck Bei RR > 120/80 mmHg: Einleitung eines Programms zur
Ziel: < 140/90 mmHg Änderung des Lebensstils (Gewichtsreduktion, sportliche
od. < 130/90 mmHg bei Betätigung, Reduktion des Alkoholkonsums, mäßige Na+-
chron. Niereninsuff. Zufuhr, Bevorzugung von Obst, Gemüse u. fettreduzierter
od. Diab. mell. Nahrung). Bei RR > 140/90 mmHg (> 130/80 mmHg bei Pat.
mit Niereninsuff. od. Diab. mell.) zusätzlich med. RR-Sen­
kung, insbes. Betablocker, RAAS-Hemmer.
Blutfette bei Gesamt- Diät für alle Pat. (weniger als 7 % der Gesamtkalorien als
cholesterin < 200 mg/ gesättigtes Fett, weniger als 200 mg Chol./d). Sportliche
dl Betätigung u. Gewichtsreduktion. Empfehlung zur Einnah­
3 Ziel: LDL-Chol. deutlich
< 100 mg/dl (bei Hoch­
me von Omega-3-Fettsäuren in Fisch od. 1 g/d Omega-3-
Fettsäuren als Nahrungsergänzung (höhere Dosen nötig
risiko-Pat. optimal bei Behandlung erhöhter Triglyzeride).
< 70 mg/dl) Falls LDL-Chol. > 100 mg/dl (Baseline od. unter Behand­
lung): Einleitung od. Initiierung einer med. Chol.-senken­
den Therapie. Statine je nach Effekt kombinieren mit Stan­
darddosen Ezetimib, Gallensäurebinder, Niacin.
Blutfette bei Gesamt- Falls Triglyzeride ≥ 150 mg/dl od. HDL-Chol. < 40 mg/dl: Ge­
cholesterin ≥ 200 mg/ wichtsreduktion, sportliche Betätigung, Einstellen des Rau­
dl chens. Falls Triglyzeride zwischen 200 u. 499 mg/dl: zusätz­
Ziel: Non-HDL-Chol. lich LDL-Chol.-reduzierende med. Ther., evtl. in Komb. mit
(= Gesamtcholesterin – Fibraten, Niacin.
HDL-C) deutlich Falls Triglyzeride > 500 mg/dl: evtl. Fibrate, Nikotinsäure als
< 130 mg/dl Initialther., im zweiten Schritt Komb. mit LDL-Chol.-Senker.
Zur Triglyzeridsenkung evtl. zusätzlich Omega-3-Fettsäu­
ren.
Körperl. Aktivität Risikoscreening mit Belastungstest vor der Verordnung.
Ziel: 30 Min. Sport an Dann Empfehlung zu 30–60 Min. sportlicher Betätigung
5 Tagen/Wo., optimal täglich od. mind. an 5 d/Wo. (flottes Gehen, Joggen, Rad­
täglich fahren od. ähnliche aerobe Ausdauerbelastungen), er­
gänzt durch Zunahme der täglichen körperl. Alltagsbelas­
tungen (Gehpausen bei der Arbeit, Garten-, Hausarbeit).
Empfehlung zum Widerstandstraining 2 ×/Wo.
Empfehlung, an einem kardialen Rehabilitationsprogramm
teilzunehmen, insbes. für Pat. mit multiplen RF od. mittle­
rem bis hohem Risiko mit der Notwendigkeit einer medizi­
nischen Überwachung bei körperl. Betätigung.
Körpergewicht: Errechnung des BMI u. Messung des Taillienumfangs basal
Ziel: BMI 18,5–24,9 kg/ u. im Verlauf unter Ther.
m2 Programm zur Gewichtsreduktion u. körperl. Aktivität mit
Taillienumfang: Frauen Zielbereich: BMI 18,5–24,9 kg/m2.
< 88 cm, Män­ Falls Taillienumfang > Zielwerte: Programm zur Änderung
ner< 102 cm der Lebensgewohnheiten u. Behandlung des vorliegenden
metabolischen Syndroms.
Diabetes mellitus Geeignete BZ-Ther. mit dem Ziel einer weitgehenden Nor­
Ziel: HbA1c < 7 % malisierung der Nüchtern-BZ-Werte, dokumentiert durch
ein HbA1c < 7 %. Behandlung anderer RF (körperl. Aktivi­
tät, Übergewicht, RR, Blutfette).
 3.10 Therapie der chronischen KHK 143

Tab. 3.38 Empfehlungen zur Risikoreduktion bei Pat. mit KHK nach PCI
(nach ACC 2006) (Forts.)
Risikofaktoren und Ziel Empfehlungen zur Intervention
Antithrombozytäre ASS1 für alle Pat. nach PCI: 75–150 mg/d für mind. 1 Mon.
Ther./Antikoagulation nach BMS-, für mind. 6 Mon. nach DES-Implantation, ohne
Zeitbegrenzung bei allen Pat. ohne KI.
Clopidogrel1 für alle Pat. nach PCI: 75 mg/d für mind.
1 Mon. nach BMS, für mind. 6 Mon, idealerweise (bei allen
Pat. ohne erhöhtes Blutungsrisiko) für 12 Mon. nach DES-
Implantation. Die zusätzliche Gabe von Marcumar® nur bei
dringlicher Ind. u. mit großer Vorsicht u. engmaschiger Ge­
rinnungskontrolle (INR 2,0–3,0). Marcumar® (INR 2,5–3,5)
bei spezifischer Ind. nach MI od. bei Unmöglichkeit einer
ASS- od. Clopidogrel-Ther.
RAAS ACE-Hemmer bei allen Pat. mit manifester KHK, Z. n. kar­
3
diovask. Ereignis; Start früh nach MI bei stabilen Pat. mit
hohem Risiko (anteriorer MI, Reinfarkt, Killip ≥ II) Fortset­
zung der Ther. ohne Zeitbegrenzung bei allen Pat. mit LV-
Dysfunktion (LVEF ≤ 0,4) od. symptomatischer Herzinsuffi­
zienz. Bei allen anderen Pat. nach klinischer Ind., insbes.
zur chron. RR-Therapie. AT-Rezeptorblocker bei allen Post-
MI-Pat. mit Unverträglichkeit für ACE-Hemmer u. klini­
schen od. radiologischen Zeichen einer Herzinsuff. od.
LVEF ≤ 0,4.
Aldosteronblocker bei allen Pat. nach MI ohne signifikante
Niereninsuff. (Krea ≤ 2,5 mg/dl bei Männern od. ≤ 2,0 mg/dl
bei Frauen) od. Hyperkaliämie (K+ ≤ 5 mol/l), die bereits
­eine therap. Dosis eines ACE-Hemmers erhalten, eine LVEF
≤ 0,4 haben u. entweder an einem Diab. mell. od. einer
manifesten Herzinsuff. leiden.
Betablocker Einleitung der Ther. bei allen Post-MI-Pat. u. bei akuter
Ind. (Arrhythmien, LV-Dysfunktion, induzierbarer Isch­
ämie). Fortsetzung der Ther. unter Berücksichtigung der
üblichen KI für mind. 6 Mon., bei allen Post-MI-Pat. ohne
Zeitbegrenzung, bei allen anderen Pat. nach klinischer Ind.
(Behandlung von Angina, Arrhythmien, Hypertonie).
1
 Dos. von ASS u. Clopidogrel mod. nach neueren Empfehlungen u. europäischen
Dosisrichtlinien

Nachsorge während des Klinikaufenthalts ▶ 12.1.6.


• RF-Modifikation (▶ 3.8.3, ▶ 13.1.2): Energische, aggressive Ther. der RF ist
Basis der Nachsorge. Pat. muss seine RF kennen, Schritte zur Reduktion des
Risikos müssen – wie die Begleitmedikation – besprochen werden.
• Medikation: konsequenter Einsatz der effektiven Medikation bei chron. KHK
(ASS ▶ 11.8.1, Betablocker ▶ 11.3.3, lipidsenkende Ther. ▶ 11.11).
• Belastungs-EKG nach 4 Wo. u. 6 Mon.
• Erneute Koro bei typischen Beschwerden od. Ischämienachweis; in Ausnah-
mefällen (nicht schlüssige Klinik, großes abhängiges Myokardareal, fraglich
pos. Belastungs-EKG) Myokardszintigrafie, ggf. Re-Angio.

Eine Routine-Re-Koro nach PTCA/PCI ist nicht indiziert.


144 3 Koronare Herzkrankheit 

Koronare Bypass-OP
Ergebnisse
• Krankenhausmortalität (UK-Registerdaten): 1,1 % bei elektiver, 2,6 % bei
dringlicher OP, 1,5 % bzw 2,5 % ohne bzw mit Hauptstammstenose; 1,6 %
bzw 2,6 % ohne bzw. mit Diab. mell.
• Frühereignisrate (3 Mon.): Mortalität 1–2 %, Morbidität (Stroke, Nierenver-
sagen, Herzinsuff., Blutung, Mediastinitis) 1–2 %
• 5-JÜR 83–92 %, 10-JÜR ca. 81 %.
• A. p.-frei: nach 5 J. 67–83 %, nach 10 J. 47–63 %; unter med. Ther. 38 % bzw.
42 %.
• Risiko eines nichttödlichen MI durch die Bypass-OP nicht in jedem Fall ver-
mindert; gesichert nur bei Hochrisikogruppen, bei CCS III u. IV u. Pat. mit
3-GE.
3 • Bypass-Verschlussrate: Nach 1 Mon. sind bis 12 %, nach 1 J. 15–31 % der Ve-
nengrafts verschlossen, nach 10 J. 50 %. Bypässe auf die LAD od. Gefäße
> 1,5 mm zeigen bessere Langzeitergebnisse. Nur in 10 % Mammaria-interna-
Grafts nach 10 J. verschlossen! A.-radialis-Grafts nach 3 J. < 10 % verschlos-
sen.
• „Off-pump“-Bypass-OP: kein Unterschied in der periop. KO-Rate u. Out-
come in den ersten 1–3 J., jedoch im Vergleich zu konventioneller OP gerin-
gere Offenheitsrate der Grafts nach 3–6 Mon. (90 vs. 98 %).
Risikoabschätzung
• Prädiktoren der periop. Mortalität: Notfall-OP, Alter, Herz-Re-OP, EF sind
Hauptprädiktoren. Weitere RF: Stenosegrad des li Hauptstamms, Anzahl der
> 70 % stenosierten Hauptkoronargefäße, weibl. Geschlecht, pAVK, Nieren-
insuff., Diab. mell., MI < 7 d, COLD, zerebrovask. Insuff.
• Prädiktoren einer Mediastinitis: Diab. mell., Adipositas, Vor-OP.
• Prädiktoren eines zerebralen Insults: Alter, Z. n. TIA/Apoplexie, Atheroma-
tose der prox. Ao, Diab. mell., Hypertonie.
! Quantitative Abschätzung des individuellen Risikos nach statistischem Risi-
komodell (▶ Tab. 3.39, ▶ Tab. 3.40).

Tab. 3.39 Parameter zur präop. Abschätzung des Risikos für periop. Mortali-
tät, zerebrovaskuläres Ereignis u. Mediastinitis (additive STS-Score nach ACC
2004)
Parameter Mortalität Zerebrovask. Mediastinitis
(Risiko- Ereignis (Risikopunkte)
punkte) (Risikopunkte)
Alter 60–69 J. 1,5 1,5 1
Alter 70–79 J. 2,5 2,5 1,5
Alter ≥ 80 J. 6,5 3 2
Weibl. Geschlecht 2 1,5 0
Adipositas (BMI 31–36 kg/m2) 0 0 2
Schwere Adipositas (BMI ≥ 37 kg/m2) 0 0 4,5
Diab. mell. 1 1,5 1,5
COPD 2 0 2
PAVK 1,5 1,5 0
 3.10 Therapie der chronischen KHK 145

Tab. 3.39 Parameter zur präop. Abschätzung des Risikos für periop. Mortali-
tät, zerebrovaskuläres Ereignis u. Mediastinitis (additive STS-Score nach ACC
2004) (Forts.)
Parameter Mortalität Zerebrovask. Mediastinitis
(Risiko- Ereignis (Risikopunkte)
punkte) (Risikopunkte)
Dialysepflichtigkeit 4 2 3
Krea ≥ 2 mg/100 ml 2 2 0
MI ≤ 7 d 1,5 0 0
Z. n. ACVB 2,5 0 0
LVEF < 40 % 2 1,5 1,5
3-GE 1,5 0 0 3
Hauptstammstenose 50–89 % 1,5 0 0
Hauptstammstenose ≥ 90 % 2 0 0
Leukozyten > 12.000 2,5 0 0
Dringliche-OP 2 1,5 2
Notfall-OP 5 3,5 2

Tab. 3.40 Präop. Risiko für periop. Mortalität, zerebrovask. Ereignis od. Me-
diastinitis in Abhängigkeit von der Gesamt-Punktezahl (additiver STS-Score
nach AHA 2004)
Gesamt-Score Mortalität (%) Zerebrovaskuläres Ereignis (%) Mediastinitis (%)
0 0,2 0,4 0,3
1 0,2 0,3
2 0,3 0,6 0,4
3 0,3 0,9 0,5
4 0,5 1,3 0,7
5 0,7 1,4 0,9
6 1,0 2,0 1,3
7 1,3 2,7 1,7
8 1,8 3,4 2,5
9 2,3 4,2 3,2
10 3,0 5,9 4,2
11 4,0 7,6 5,6
12 5,3 ≥ 10,0 ≥ 7,3
13 6,9
14 8,8
15 11,5
16 14,1
17 18,7
18 ≥ 23,0
146 3 Koronare Herzkrankheit 

Vergleich ACVB vs. konservative Therapie


• Eine Reihe klinischer Studien (CASS, Veterans Administration Study u. a.)
belegt im Mittel 40 % Mortalitätsreduktion durch OP vs. kons. Ther., insbes.
bei:
– li Hauptstammstenose > 50 % od. li Hauptstammäquivalent,
– koronarer 3-GE mit CCS III u. IV, prox. LAD-Stenose, eingeschränkter
LV-Funktion u. ausgedehnter Myokardischämie,
– 1–2-GE mit prox. LAD-Stenose (v. a. wenn zusätzlich eine LV-Dysfunkti-
on vorliegt).
• Die Verwendung eines IMA-Bypasses zur LAD allein od. in Komb. mit Ve-
nengrafts ergibt einen klaren Überlebensvorteil im Vergleich zu OP ohne
IMA.
• Je ausgeprägter die systol. Ventrikeldysfunktion ist, desto stärker profitieren
3 die Pat. von einer OP.
• Unterschiede der Überlebenswahrscheinlichkeit operativ vs. med. sind nach
5 J. am größten u. nehmen dann stetig ab.
• Verbesserung von Symptomen u. Lebensqualität entspricht in etwa dem An-
teil an Lebensverlängerung.
• Aber: Studienlage entspricht Situation der 1980er- u. 1990er-Jahre, zur Zeit
einer suboptimalen med. Therapie. Da die Gabe von ASS, Betablockern,
ACE-Hemmern u. Statinen die Mortalität wesentlich beeinflusst, ist eine
Neubewertung des Vergleichs notwendig.
• Ein aktuelles Review der Ergebnisse randomisierter Vergleichsstudien beider
Verfahren zeigte allerdings weiter einen signifikanten Mortalitätsvorteil (7,9
vs. 9,8 %) für die Revaskularisationsstrategie bei gleicher Infarktrate in beiden
Gruppen.
Vergleich ACVB vs. PTCA
• Frühere vergleichende Studien (CABRI, BARI, GABI, EAST, RITA, ERACI,
Toulouse) ergaben keinen eindeutigen Unterschied hinsichtlich Mortalität,
MI-Rate u. dem kombinierten Endpunkt Mortalität/Infarkt.
• PTCA-Pat. sind seltener beschwerdefrei u. benötigen deutlich häufiger Rein-
terventionen; auch Pat. nach koronarer Stent-Implantation (ARTS, m SoS).
• ACVB: höhere initiale KO-Rate, höhere Behandlungskosten u. längere Dauer
der Krankenhausbehandlung.
• Diabetiker scheinen von einer ACVB-OP im Vergleich zur PTCA prognos-
tisch zu profitieren.
• Gesamtbehandlungskosten: bei 3-GE ausgeglichen, bei 2-GE mit PTCA ge-
ringer als bei OP.
• Pat., die einen prognostischen Vorteil durch die ACVB-OP haben (s. o.), wur-
den nicht od. unzureichend in vergleichende Untersuchungen ACVB vs.
PTCA eingeschlossen, sodass ein solcher Vergleich nur Teilaspekte des klini-
schen Spektrums erfasst. Andererseits war die Stent-Implantationsrate in den
erwähnten Studien gering.
• SYNTAX-Studie: prospektive, randomisierte, multizentrische Studie bei
1.800 Pat. mit koronarer 3-GE od. Hauptstammstenose, die entweder eine
Dilatation mit Einlage eines beschichteten Stents (Taxus) od. eine koronare
Bypass-OP erhielten. 4-Jahres-Resultaten (▶ Tab. 3.41):
Gesamtmortalitätsrate wie auch die Mortalität wegen kardialer Ereignisse wa-
ren signifikant höher nach PCI als nach Bypasschirurgie. Die ursprünglich
höhere Stroke-Rate nach Bypasschirurgie ist nach 4 J. in beiden Gruppen
ähnlich.
 3.10 Therapie der chronischen KHK 147

Tab. 3.41 Zusammenfassung der klinisch wichtigen Resultate der SYNTAX-Stu-


die nach 4 J. (nach Carrel T u. Eckstein F. Therapie der koronaren Herzkrankheit:
„je länger, desto besser für die Chirurgie“. Schweiz Med Forum 2012:12[3]:39–41)
Resultat Chirurgie PTCA/Stent p
(n = 897) (n = 903)
Signifikante kardiale u. zerebrovask. KO 23,6 % 33,5 % < 0,002
Tod/Hirnschlag/MI 14,6 % 18,0 % 0,07
Globale Mortalität (alle Ursachen) 8,8 % 11,7 % 0,048
Tod durch kardiale Ursachen 4,3 % 7,6 % 0,004
Zerebrovask. Insult 3,7 % 2,3 % 0,06
MI 3,8 % 8,3 % < 0,001
Wiederholte Revaskularisationen 11,9 % 23,0 % < 0,001
3
Indikationen
▶ Tab. 3.35.
Spezifische Probleme und Konzepte der operativen Revaskularisation
Stenosen der A. carotis
• Bei 30 % aller Pat. mit periop. Apoplexie extrakranielle Karotisstenose. Apo-
plexierate vom Schweregrad der Stenosierung abhängig (bei Karotisstenosen
< 50 % ca. 2 %, bei Stenosen 50–80 % 10 %, bei > 80-prozentigen Stenosen 11–
19 %, bei bds. hochgradigen Stenosen od. einseitigem Verschluss u. kontra-
laterler Stenose ≥20 %).
• Präop. od. simultane Karotis-Endarteriektomie reduziert Apoplexierate auf
< 4 % (simultane OP) bei niedriger periop. Mortalität (3,5 %). 10-J.-Freiheit
von Stroke: 88–96 %.

Empfehlungen
• Karotis-Endarteriektomie vor od. simultan zur ACVB: bei allen Pat. mit
symptomatischen Karotisstenosen od. asymptomatischen Pat. mit uni-
od. bilateraler Stenose der A. carotis int. ≥ 80 %.
• Präop. Screening auf Vorliegen einer Karotisstenose: bei allen Pat.
> 65 J., Hauptstammstenose, pAVK, Raucher, Z. n. TIA, Stroke, Strö-
mungsgeräusch über Karotis.

Minimalinvasive Koronarchirurgie
MIDCAB – minimal invasive direct coronary artery bypass: Mammaria-interna-
Bypass auf LAD od. großen Diagonalast am schlagenden Herzen ohne Herz-Lun-
gen-Maschine.
OPCAB – off-pump coronary artery bypass: chirurgische Revaskularisation einer
koronaren Mehrgefäßerkr. am schlagenden Herzen ohne Herz-Lungen-Maschine.
Zugang: mediane Sternotomie, partielle Sternotomie, li-anterolaterale „Minitho-
rakotomie“.
• Vorteil: MIDCAB/OPCAB: deutlich niedrigere Kosten bei ausgewählten Pat.,
kürzere Krankenhausaufenthaltsdauer, besseres kosmetisches Ergebnis.
Durch Verzicht auf extrakorporale Zirkulation weniger neurol. NW u.
Schlaganfälle. MIDCAB: zusätzlich gute Erreichbarkeit der LAD u. gute Of-
fenheitsrate der LIMA (> 92 % nach 1 J.).
148 3 Koronare Herzkrankheit 

• Nachteil:
– OPCAB: Qualität der Bypass-Anastomosen oft problematisch, Offen-
heitsraten der Grafts im Langzeitverlauf geringer, mehr postop. Infarkte u.
erneute A. p.
– MIDCAB: inkomplette Revaskularisation, bei Mehrgefäßerkr. Komb. mit
PCI erwägen.
Roboterchirurgie
Total endoskopische Revaskularisation von 1- u. Mehrgefäßerkr. unter Verwen-
dung eines OP-Roboters mit endoskopischen bzw. videoskopischen Komponen-
ten u. Telemanipulatoren. Nur von wenigen Zentren angeboten, da technisch
noch nicht ausgereift.
• Vorteil: weitere Reduktion der Invasivität; „zitterfreie“ Manipulation.
3 • Nachteil: extreme Kosten u. hoher technischer Aufwand.
Wahl des Bypasses
Venenbypass (ACVB)
• Technik: Bypassgefäße meist oberflächlicher Beinvenen (V. saphena), in Not-
fällen u. U. Armvenen (V. cephalica). Bei Varikosis kann die Vene nicht ver-
wendet werden. Mehrere Bypässe möglich, auch als „jump“ zwischen 2 Koro-
nararterien.
• Ind.: Revaskularisation aller Gefäßgebiete u. der Hinterwand möglich.
• Vorteil: OP einfacher, schneller u. blutungsärmer als bei IMA-Bypass. Venen
bei Not-OP schneller zu gewinnen als die A. thoracica.
• Nachteil: vorzeitige Degeneration mit Offenheitsraten von nur 70–80 % nach
5 u. 40–60 % nach 10 J.
Arterielle Grafts: A. thoracica interna (A. mammaria, IMA) li od. re, A. radialis
• Technik: Bei Pat. < 65 J. ist die A. mammaria selten atherosklerotisch verengt
u. kann als In-situ-Bypass dienen. Meist End-zu-Seit-Anastomose der li
A. mammaria mit der LAD, seltener zusätzlich der re A. mammaria mit der
RCA (BIMA-Grafting). Alternativ A. radialis (seltener re A. mammaria) als
freies Transplantat zwischen Ao u. Koronararterie.
• Ind.: In-situ-Bypass möglich zur Revaskularisation der LAD. Weniger geeig-
net für die Hinterwand.
• Vorteile: Verschlussrate u. Inzidenz von postop. Angina geringer als bei
Venenbypässen. Im 1. J. postop. verschließen nur ca. 5 % der IMA-Bypäs-
se. Offenheitsrate von > 90 % nach 10 J., assoziiert mit besserer Überle-
bensrate.
• Nachteile: Mobilisation der A. thoracica technisch aufwendig; verlängerte
OP-Zeit. BIMA-Grafting mit erhöhter Rate von Wundheilungsstörungen ver-
bunden.

Empfehlung nach AHA/ACC 2004


Bei jedem Pat. mit geplanter ACVB sollte die Eignung der li A. mammaria
int. zur Revaskularisation der LAD geprüft werden.

OP-Vorbereitung
• Koro, aktuelles EKG u. Labor (Herzenzyme ▶ 3.6.3, E‘lyte, Krea, kleines BB,
Quick, PTT, Fibrinogen), Rö-Thorax, Blutgruppe, Kreuzblut für 4 EK.
• Rasur vom Hals bis zur Schamregion sowie ggf. der Beine.
 3.10 Therapie der chronischen KHK 149

• Bei elektiver OP zusätzlich Doppler der A. carotis (Ausschluss hochgradiger


Karotisstenosen). BGA, bei Lungenvorerkr. Lufu-Prüfung.
• Inspektion der Beinvenen: entnahmefähige Gefäße (keine Varikosis).
• Aufklärung (▶ 12.1.2) über Behandlungsalternativen (PTCA, kons. Ther.) u.
typische OP-Risiken, z. B. Wundinfektion (u. U. Re-OP-bedürftig), Allge­mein­
infektion, MI bei od. nach der OP, Rhythmusstörungen (u. U. schrittmacher-
od. wiederbelebungspflichtig).
Peri-, postoperative Therapie
• Bei stabilen Pat. Clopidogrel 5–7 Tage vor OP absetzen, ASS i. d. R. periop.
fortführen.
• Antibiotikaprophylaxe indiziert: Beginn vor Hautschnitt, 1-Tages-Ther. mit
Cephalosporin.
• Betablocker periop. beibehalten (Prävention des postop. VHF). 3
• ASS 100 mg/d dauerhaft, Fortführung der Ther. ab 1. postop. Tag, alternativ
Clopidogrel bei ASS-Unverträglichkeit, Ticlopidin Mittel der 2. Wahl.
• Antikoagulation mit Cumarinen nur bei VHF od. nonvaskulären Indikatio-
nen. Offenheit des Bypasses wird durch Antikoagulation nicht verbessert.
• Antilipämische Ther. mit CSE-Hemmer (▶ 11.11.1): pos. Effekt auf klinische
u. angiografische Parameter, evtl. Senkung der kardiovask. Mortalitätsrate
(post CABG Trial). Bei stabilen Pat. Initiierung der Ther. optimalerweise vor
der Bypass-OP, da Reduktion der periop. Ereignisrate.
Myokardrevaskularisation bei speziellen klinischen Problemen
Systolische Ventrikeldysfunktion
• Auch bei stark reduzierter LV-EF ist Überlebensvorteil durch die OP zu er-
warten. CASS-Register: 5-JÜR von 73 % bei LVEF 31–35 %, 70 % bei LVEF
26–30 % u. 62 % bei LVEF ≤ 25 %. Duke-Register: Pat. mit der schlechtesten
LVEF (< 35 %) hatten im Vergleich zur med. Ther. den größten Gewinn hin-
sichtlich der 10-JÜR (46 vs. 27 %).
• Symptomatische Herzinsuff.: OP-Mortalität 5–16 %, u. U. bis 30 % (Alter, Ko-
morbiditäten; bei EF < 35 % ohne Herzinsuff. 3,5 %).
• Bypassfähige Gefäße, ausreichend vitales Myokard u. Nachweis bzw. anato-
mische Abgrenzung von vitalem, hibernierendem Myokard von prognosti-
scher Bedeutung (Dobutamin-Stress-Echo, Stress-MRT, Thallium SPECT,
PET als Goldstandard) u. Voraussetzung für die Ind.-Stellung.
• Bei LV-EF < 20 % u. LVEDD im Echo > 70–75 mm OP meist nicht mehr
möglich. Bei Nachweis von Vitalität PCI erwägen.
Ungeschützter Hauptstamm
• Bei ungeschützter Hauptstammstenose (Stenosen des li Hauptstamms ohne
Kollateralversorgung über Bypässe) u. nicht wesentlich erhöhtem OP-Risiko
ist die Bypass-OP weiterhin das aktuelle Standardverfahren der Revaskulari-
sation u. in prognostischer Hinsicht indiziert.
• In einer Subgruppenanalyse der SYNTAX-Studie fanden sich vergleichbare
Häufigkeiten für Tod u. schwerwiegende kardiovask. Ereignisse 1 u. 2 J. nach
ACVB bzw. DES-Implantation bei isoliertem Hauptstamm od. Hauptstamm
u. 1-GE.
• Interventionelle Ther. der ungeschützten Hauptstammstenose zurzeit be-
schränkt auf Pat. mit hohem OP-Risiko od. sonstigen KI od. fehlender Eig-
nung/Bereitschaft für OP.
150 3 Koronare Herzkrankheit 

Mehrgefäßerkrankung bei Patienten mit Diabetes mellitus


• KHK häufigste Todesursache bei erwachsenen Diabetikern, verursacht bei
Diabetikern 3 × so viele Todesfälle wie bei Nichtdiabetikern.
• In mehreren Studien war der Überlebensvorteil von mit ACVB behandelten
Diabetikern mit Mehrgefäßerkr. vergleichbar den Nichtdiabetikern; ACVB
einer kons. Ther. deutlich überlegen.
• Signifikant bessere Überlebensrate von Diabetikern mit ACVB-OP mit LIMA
zur LAD als für PCI-behandelte Pat. (Mortalität nach 5,4 J.: 5,8 % vs. 20,6 %;
BARI-Studie).
• Komb. aus Abciximab u. Stent-Implantation führt bei Diabetikern zu signifi-
kant reduzierter Mortalitätsrate u. erneuter Zielgefäßrevaskularisation (im
Vergleich zu Stent allein bzw. PCI/Abciximab; EPISTENT-Studie).
• Bei interventioneller Ther. mit PCI führen DES zu einer signifikanten Reduk-
3 tion der ansonsten bei Diabetikern sehr hohen Restenose-Rate nach Stent-
Implantation u. zur Reduktion von erneuten Zielgefäßrevaskularisationen.
• Zur Verbesserung der Langzeitprognose optimiertes BZ-Management für
Dia­betiker nach Revaskularisation; Ziel: HbA1C < 7,0 %.
• SYNTAX-Studie: vergleichbare Raten von Tod u. MI 1 J. nach ACVB od.
DES, jedoch höhere Wahrscheinlichkeit für erneute Revaskularisation nach
DES.
Niereninsuffizienz
• Hohe KHK-Prävalenz bei Dialysepat.; hier 54 % der Todesfälle durch kardio-
vask. Mortalität, > 30 % der Pat. gleichzeitig Diab. mell.
• Bei ACVB erhöhte OP-Mortalität (9–12 %), Mediastinitisrate (3,6 %) u.
Schlaganfallwahrscheinlichkeit (4,3 %). 5-JÜR nur 27–40 %, im Vergleich zur
kons. Ther., aber günstigerer Verlauf.
• Sehr schlechte Ergebnisse bei PTCA: Hospitalmortalität bis 5,4 %, hohe peri-
interventionelle KO-Rate, hohe Restenose-Rate.
Frauen
• Weibl. Geschlecht mit erhöhter periop. Morbidität u. Mortalität assoziiert.
• Erhöhtes Risiko zum größten Teil bedingt durch assoziierte RF: höheres Le-
bensalter, Komorbiditäten (Diab. mell., Niereninsuff., Adipositas, Hyperto-
nie).
• Langzeitprognose nach überlebter OP vergleichbar der von Männern.
ACVB bei alten Patienten (> 70 J.)
• Deutliche Zunahme der Zahl operativer Myokardrevaskularisationen bei al-
ten Pat. in den letzten Jahren (> 80 J. von 2,3 % in 1994 auf 8,5 % in 2005).
• Zusammenhang zwischen Alter u. OP-Mortalität linear bis ca. 70. LJ.; ab 75 J.
überproportionaler Anstieg des Risikos.
• Krankenhaussterblichkeit bei Pat. > 80 J. mit 8,3 % signifikant höher als bei
jüngeren Pat. mit 3,0 %.
• Insbes. periop. Schlaganfallrate erhöht.
• Ursache häufig Komorbiditäten (Niereninsuff., Diab. mell., zerebrovask. Er-
kr., COPD), Adipositas, eingeschränkte LV-Funktion, fortgeschrittenen
KHK, Z. n. MI.
• Bes. hohes Risiko bei Notfall-OP (> 20 %) sowie bei Re-OP.
• Bei Hochrisiko-Pat., insbes. LVEF < 35 % „Off-Pump“-Verfahren bevorzu-
gen.
 3.11 Prognose der chronischen KHK/stabilen A. p. 151

• Postop. VHF: häufiges Problem mit erheblicher zusätzlicher Morbidität u.


Verlängerung der Hospitalisierung.
• Langzeitprognose nach überlebter ACVB entspricht altersgematchtem Ver-
gleichskollektiv, Lebensqualität wird verbessert.
ACVB bei Lungenerkrankungen, COPD, respiratorischer Insuffizienz
• Anamnestische COPD sowie präop. mittelschwer bis schwer eingeschränkte
Ausatemkapazität (FEV1 < 70 % bzw. < 50 % des vorhergesagten Normal-
werts) sind mit erhöhter periop. Morbidität u. Mortalität assoziiert.
• Ausgeprägte COPD jedoch keine absolute KI. Mit guter Vorbehandlung u.
periop. Ther. häufig erfolgreiche OP möglich.
ACVB bei Z. n. ACVB, Reoperation
• Nach Registerdaten ist bei Pat. nach ACVB in 8,6–10,4 % mit der Notwendig-
keit einer erneuten Bypass-OP zu rechnen. 3
• Wegen des höheren durchschnittlichen Lebensalters, fortgeschrittenerer
KHK u. schlechterer LV-Funktion ist die Re-ACVB mit deutlich höherer
Mortalität u. Morbidität behaftet.
• Nach überlebter Re-ACVB beträgt die Überlebenstrate nach 5 J. 90–95 %,
nach 10 J. > 75 %.

3.11 Prognose der chronischen KHK/stabilen


A. p.
Bei ca. ⅓ der KHK-Pat. ist die Erstmanifestation der Erkr. der plötzliche Herztod
(▶ 7.11), bei mind. ebenso vielen der MI, der in ca. 10 % tödlich verläuft. 50 % aller
Todesfälle durch KHK beruhen auf plötzlichem Herztod, 80 % aller Fälle von
plötzlichem Herztod beruhen auf einer KHK.
Bei stabiler A. p. ist im Einzelfall bei Kenntnis des Koronarstatus, von Informatio-
nen zum Vorliegen einer Belastungs- bzw. Ruheischämie, der Ventrikelfunktion,
der RF u. des Alters des Pat. mit Einschränkungen eine Prognose möglich. Die
folgenden Angaben beziehen sich auf die kons. Therapie. Für Pat. ohne KHK
< 60 J. liegt die Mortalität etwas unter 1 %/J.

Koronarstatus
• Anzahl der stenotischen Gefäße: Mortalität bei 1-GE 2 %/J., 2-GE 4 %/J., 3-GE
8 %/J.
• Prox. Stenosen u. Stenosen der li Kranzarterie prognostisch ungünstiger als
distale Stenosen bzw. solche der re Kranzarterie.
• Stenose > 50 % des Hauptstamms der li Kranzarterie ist bes. RF: Stenose
> 60 % bedeutet Mortalität von ca. 6 %/J., Stenose > 80 % von fast 15 %/J.

Ventrikelfunktion
Bei reduzierter EF u. KHK erhöhte Mortalität: EF > 50 %, Mortalität 2 %/J.; EF
35–50 %, Mortalität 4 %/J.; EF < 35 %, Mortalität > 10 %/J. Je mehr Gefäße steno-
siert sind, desto höher ist die Mortalität.

Ischämienachweis
• Ergometrie: Belastbarkeit ist ein guter Risikoprädiktor. Bei 3-GE u. normaler
Belastbarkeit bei kons. Ther. geringfügig erhöhte Koronarmortalität. Ist Pat.
152 3 Koronare Herzkrankheit 

kaum belastbar, beträgt die Mortalität ca. 12 %/J. Bes. ungünstige Prognose
bei schlechter Belastbarkeit u. ausgeprägter ST-Senkung (▶ 3.9.2,
▶ Abb. 3.19).
• Szintigrafie: Erhöhtes Risiko bei Ischämienachweis, insbes. bei multiplen
Speicherdefekten.
• Pat. mit schwerer Angina haben eine schlechtere Prognose, obwohl Angina u.
objektiver Ischämienachweis nicht immer zusammenpassen.

ST-Abweichung Ischämie- Angina bei Prognose Belastungsdauer


bei Belastung linie Belastung
5-Jahres- durch- Met Min.
Über- schnittliche
0 mm keine 20 18
lebensrate Mortalität/Jahr
0,99 0,2% 17 15
nicht 0,98 0,4% 13 12

3 1 mm
limitierend
0,95 0,1% 10 9
0,93 1,5% 7 6
0,90 2%
0,85 3% 5 3
limitierend 0,80 4%
0,75 5% 0 0
2 mm
➌ 0,70 6%

0,55 9%


3 mm

Maximale ST-Strecken-Abweichung bei Belastung minus ST-Abweichung vor
4 mm
Belastung in mm auf Skala ➊ markieren. Auf Skala ➌ Punkt für Angina bei
➊ Belastung markieren, dann Punkte verbinden und Schnittpunkt mit Skala ➋
markieren. Auf Skala ➎ Belastungsniveau in Met markieren. Punkte auf
Sakla ➋ und ➎ verbinden: ergibt auf Skala ➍ die 5-Jahres-Überlebens-
wahrscheinlichkeit. Gilt nicht bei Z.n. ACVB oder kürzlichem Myokardinfarkt.

Abb . 3.19 Überlebenswahrscheinlichkeit nach Ergometrieergebnis (Met = meta­


bolisches Äquivalent) [A300]

KHK-Risikofaktoren
Alterskorrigiertes Risiko für Männer abhängig von den „klassischen“ RF, an einer
KHK zu sterben. Mit Zunahme des RF Alter verlieren die übrigen RF an Bedeu-
tung. Mit zunehmendem Alter steigt sowohl die Inzidenz der KHK als auch die
Schwere des Verlaufs: Wesentlich mehr Infarkte verlaufen tödlich.

Instabile A. p.
Bei instabiler Angina besteht ein Infarktrisiko von ca. 7–16 % u. eine Mortalität
von 3–4 % innerhalb 1 Jahres. Schlechtere Prognose bei:
• Längeren Phasen stummer Ischämie im 24-h-EKG.
• Anhaltendem Ruheschmerz: 50 % Infarkte binnen 4 Wo.
• Höhere „Braunwald-Klasse“ (▶ 3.5): höheres Risiko weiterer A. p., wahr-
scheinlich erhöhtes Infarktrisiko u. im Verlauf wahrscheinlich öfter invasive
Maßnahmen erforderlich.
 3.11 Prognose der chronischen KHK/stabilen A. p. 153

3.11.1 Komplikationen
Häufig bestimmen KO der KHK den Verlauf u. tragen damit wesentlich zur Pro­
gnoselimitation bei.

Herzinsuffizienz durch chronische KHK


Klinische Unterscheidung von anderen Formen der CMP nicht möglich; schlech-
te Prognose. Klinik (▶ 8.2.1), Diagn. (▶ 8.2.2). Ursachen bei KHK:
• Umschriebene Myokardnarben: Sind ca. 20 % des LV nekrotisch, kann das
Restmyokard den Verlust nicht kompensieren.
• „Small vessel disease“: Die intramyokardialen, kleinen Gefäße sind diffus
stenosiert, die epikardialen Koronargefäße meist unauffällig. Oft diffuse Myo-
kardvernarbung. Selten Angina. Auftreten bei Diab. mell., Amyloidose, Spei-
cherkrankheiten (z. B. M. Fabry), nach HTX, bei manchen Kollagenosen bzw.
Vaskulitiden (z. B. Sklerodermie, M. Wegener, rheumatoide Arthritis).
3
• Herzwandaneurysma: In der Systole wölbt sich das Aneursyma nach außen
u. „schluckt“ so SV. Trotz ausreichender Kontraktilität des Restmyokards
vermindertes HZV. Weitere Funktionseinschränkungen im Langzeitverlauf
durch Remodeling.
• VSD (▶ 4.15.2).
• MR (▶ 4.4.2): bei Papillarmuskeldysfunktion od. Klappenringerweiterung.
• „Hibernating myocardium“ (hibernation = Winterschlaf): Ursache der
Herzinsuff. bei KHK. Hypoxisches, aber nicht nekrotisches Muskelgewebe
büßt Kontraktilität ein. Echo u. Herzkatheter zeigen das akontraktile Myo-
kard. DD zu Narbe schwierig (Narbe: Wand eher verdünnt). Szintigramm:
Tracer-Redistribution in Ruhe beweist Vitalität des Myokards (Tracer-Auf-
nahme im Vergleich zu unauffälligem Myokard jedoch herabgesetzt. Ggf.
Nachinjektion nach 24 h). Ther.: frühzeitig PTCA od. ACVB.
Therapie
Deutliche Besserung nur bei Gewährleistung der O2-Versorgung des Herzens
(PTCA, ACVB).
• Ther. Herzinsuff. (▶ 8.2.4).
• „Hibernating myocardium“: umgehende PTCA od. ACVB zur Vermeidung
einer Nekrose, verbessert auch die Herzinsuff.
• Aneurysma: bei kons. nicht beherrschbarer Herzinsuff. od. zunehmender Di-
latation des nicht vernarbten Ventrikels ggf. Resektion des Aneurysmas. Ho-
he OP-Letalität (ca. 10 %).
• HTX: bei jüngeren Pat. mit stark eingeschränkter Ventrikelfunktion (EF
< 25 %) erwägen.

Rhythmusstörungen durch KHK


Selten alleinige KHK-Manifestation, v. a. bei ausgeprägter KHK. Keine spezifi-
schen Rhythmusstörungen bei KHK. Diagn. (▶ 7.1, ▶ 3.6.6).
Therapie
• PTCA, ACVB: bei nachgewiesener Ischämie Beseitigung der Rhythmusstö-
rungen möglich.
• Antiarrhythmika: bei tachykarden Rhythmusstörungen bevorzugt Betablo-
cker, z. B. Metoprolol 2 × 50 mg/d (z. B. Beloc®).
154 3 Koronare Herzkrankheit 

• Neu aufgetretenes VHF bei bekannter KHK: zunächst med. Rhythmisierung


versuchen (▶ 7.7.6), bei ausbleibendem Erfolg zügige elektrische Kardiover­
sion, zuvor Antikoagulation (▶ 11.7).
• Bedrohliche ventrikuläre Arrhythmien (▶ 3.6.6): ICD (▶ 12.5) v. a. bei redu-
zierter LV-Funktion. Amiodaron vermindert Todesfälle nach MI, keine Ab-
senkung der Gesamtletalität. Komb. mit Betablockern wahrscheinlich vorteil-
haft (Cave: Bradykardie). Dos. (▶ 11.6.10).

3
4 Herzklappenerkrankungen u.
angeborene Vitien
Ulrich Stierle

4.1 Ätiologie der Herzklappen­ 4.6  itralklappenprolaps 188


M
fehler 158 4.6.1 Ätiologie 188
4.2 Grundsätze der 4.6.2 Symptome 188
­Diagnostik 158 4.6.3 Nichtinvasive Diagnostik 188
4.3 Mitralklappenstenose 4.6.4 Invasive Diagnostik 191
(MS) 159 4.6.5 Differenzialdiagnose 191
4.3.1 Ätiologie 159 4.6.6 Therapie 192
4.3.2 Anamnese u. Symptome 159 4.6.7 Komplikationen u. ihre
4.3.3 Nichtinvasive Diagnostik 160 ­Behandlung 192
4.3.4 Invasive Diagnostik 164 4.6.8 Natürlicher Verlauf 193
4.3.5 Differenzialdiagnose 165 4.7 Aortenstenose (AS) 194
4.3.6 Therapie 166 4.7.1 Ätiologie 194
4.3.7 Komplikationen u. ihre 4.7.2 Symptome 195
­Behandlung 170 4.7.3 Nichtinvasive Diagnostik 195
4.3.8 Natürlicher Verlauf 171 4.7.4 Invasive Diagnostik 199
4.4 Chronische Mitralklappen­ 4.7.5 Differenzialdiagnose 203
insuffizienz 171 4.7.6 Therapie 203
4.4.1 Ätiologie 172 4.7.7 Komplikationen u. ihre
4.4.2 Anamnese u. Symptome 172 ­Behandlung 206
4.4.3 Nichtinvasive Diagnostik 172 4.7.8 Natürlicher Verlauf 207
4.4.4 Invasive Diagnostik 177 4.8 Chronische Aortenklappen­
4.4.5 Differenzialdiagnose 178 insuffizienz 207
4.4.6 Therapie 179 4.8.1 Ätiologie 208
4.4.7 Natürlicher Verlauf 183 4.8.2 Symptome 208
4.5 Akute Mitralklappen­insuffi­ 4.8.3 Nichtinvasive Diagnostik
zienz 183 209
4.5.1 Ätiologie 184 4.8.4 Invasive Diagnostik 214
4.5.2 Symptome 184 4.8.5 Differenzialdiagnose 215
4.5.3 Nichtinvasive Diagnostik 184 4.8.6 Therapie 216
4.5.4 Invasive Diagnostik 186 4.8.7 Komplikationen u. ihre
4.5.5 Differenzialdiagnose 187 ­Behandlung 219
4.5.6 Therapie 187 4.8.8 Natürlicher Verlauf 219
4.5.7 Natürlicher Verlauf 188
4.9 Akute Aortenklappen­ 4.14.6 K  omplikationen u. ihre
insuffizienz 219 ­Behandlung 244
4.9.1 Ätiologie 219 4.14.7 Natürlicher Verlauf 245
4.9.2 Symptome 220 4.15 Ventrikelseptumdefekt
4.9.3 Nichtinvasive Diagnostik 220 (VSD) 245
4.9.4 Invasive Diagnostik 223 4.15.1 Formen 245
4.9.5 Therapie 224 4.15.2 Klinik u. nichtinvasive
4.9.6 Natürlicher Verlauf 225 ­Dia­gnostik 246
4.10 Trikuspidalklappeninsuffizienz 4.15.3 Invasive Diagnostik 249
(TR) 225 4.15.4 Hämodynamische Eintei­
4.10.1 Ätiologie 225 lung 250
4.10.2 Symptome 226 4.15.5 Differenzialdiagnose 251
4.10.3 Nichtinvasive Diagnostik 226 4.15.6 Therapie 251
4.10.4 Invasive Diagnostik 228 4.15.7 Natürlicher Verlauf 253
4.10.5 Differenzialdiagnose 229 4.16 Ductus arteriosus apertus 253
4.10.6 Therapie 229 4.16.1 Formen u. Patho­
4.10.7 Natürlicher Verlauf 230 physiologie 253
4.11 Trikuspidalklappenstenose 4.16.2 Klinik u. nichtinvasive
(TS) 231 ­Dia­gnostik 254
4.11.1 Ätiologie 231 4.16.3 Invasive Diagnostik 255
4.11.2 Symptome 231 4.16.4 Differenzialdiagnose 257
4.11.3 Nichtinvasive Diagnostik 4.16.5 Therapie 257
231 4.16.6 Natürlicher Verlauf,
4.11.4 Invasive Diagnostik 232 Prognose 258
4.11.5 Therapie 233 4.17 Aortenisthmusstenose 258
4.11.6 Natürlicher Verlauf 233 4.17.1 Formen 259
4.12 Pulmonalklappeninsuffizienz 4.17.2 Klinik u. nichtinvasive
(PR) 233 Befunde 259
4.12.1 Ätiologie 233 4.17.3 Invasive Diagnostik 261
4.12.2 Klinik u. nichtinvasive 4.17.4 Differenzialdiagnose 262
­Dia­gnostik 234 4.17.5 Therapie 262
4.12.3 Invasive Diagnostik 234 4.17.6 Natürlicher Verlauf 263
4.12.4 Differenzialdiagnose 234 4.18 Fallot-Tetralogie 263
4.12.5 Therapie u. natürlicher 4.18.1 Klinik u. nichtinvasive
Verlauf 235 Befunde 264
4.13 Pulmonalstenose 235 4.18.2 Invasive Diagnostik 265
4.13.1 Ätiologie u. Formen 235 4.18.3 Differenzialdiagnose 267
4.13.2 Klinik u. nichtinvasive 4.18.4 Therapie 267
­Dia­gnostik 235 4.18.5 Natürlicher Verlauf 268
4.13.3 Invasive Diagnostik 237 4.19 Ebstein-Anomalie 268
4.13.4 Differenzialdiagnose 237 4.19.1 Klinik u. nichtinvasive
4.13.5 Therapie 238 Befunde 269
4.13.6 Natürlicher Verlauf 238 4.19.2 Invasive Diagnostik 270
4.14 Vorhofseptumdefekt 4.19.3 Therapie u. natürlicher
(ASD) 238 Verlauf 270
4.14.1 Formen 239 4.20 Transposition der großen
4.14.2 Klinik u. nichtinvasive ­Arterien (TGA) 270
­Dia­gnostik 240 4.20.1 D-Transposition 270
4.14.3 Invasive Diagnostik 241 4.20.2 L-Transposition (korrigierte
4.14.4 Differenzialdiagnose 243 Transposition der großen
4.14.5 Therapie 244 ­Gefäße) 272
4.21 Der Patient mit Herzklappen­ 4.22.3 H erzklappenprothesen 282
ersatz 273 4.22.4 Angeborene Herzfehler 283
4.21.1 Kriterien der 4.23 Erwachsene mit angeborenen
Herzklappenwahl 273 Herzfehlern (EMAH) 284
4.21.2 Folgen des 4.23.1 Einteilung nach Komplexität
Klappenersatzes 274 der Vitien 284
4.21.3 Verlaufskontrollen nach Herz­ 4.23.2 Kardiale Probleme bei
klappenersatz 278 EMAH 285
4.21.4 Operative Eingriffe bei 4.23.3 Nichtkardiale Probleme von
­Patienten mit EMAH 288
Herzklappenprothesen 280 4.23.4 Empfehlungen zur Nachunter­
4.22 Schwangerschaft u. Herzklap­ suchung 288
penerkrankungen 281
4.22.1 Allgemeines Manage­
ment 281
4.22.2 Herzklappenerkrankun­
gen 282
158 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.1 Ätiologie der Herzklappenfehler


• R heumatische Herzklappenfehler: Folge einer abakteriellen rheumatischen
Pankarditis bei akutem rheumatischem Fieber (▶ 6.3). Die Klappenläsion tritt
bevorzugt an den mechanisch beanspruchten Klappenpartien auf. Die Beteili-
gung der Schließränder der AoK u. MK ist typisch (Abgrenzung zur primär
degenerativen Klappenerkr.). Typische Herzklappenfehler: MS, kombiniertes
Mitralvitium, Mitral- u. AoK-Erkr.
!  iegt eine Stenosekomponente der MK vor, handelt es sich praktisch immer
L
um einen Herzklappenfehler rheumatischen Ursprungs.
•  egenerative Herzklappenfehler: primär degenerative Veränderungen der
D
Herzklappen od. sek. reparative Veränderungen nach mechanischen od.
entzündlichen Läsionen. Der Prozess beginnt an der Klappenbasis. Die fib-
rodegenerative Umwandlung führt zur Destruktion der Klappe u. geht meist
mit ausgeprägten Verkalkungen einher. Typische Herzklappenfehler: kalzi-
fizierte, bikuspide AS, senile AS (▶ 4.7), Mitralringverkalkung mit MR
(▶ 4.4).
•  erzklappenfehler nach infektiöser Endokarditis: Defektheilung mit Klap-
H
pendeformation od. Defekte durch die entzündliche Destruktion (Klappen-
4 segelperforation, -ein- od. -ausriss ▶ 4.5, ▶ 4.9). Typische Herzklappenfehler:
AR, MR, TR.

4.2 Grundsätze der Diagnostik


Immer diagnostizieren:
• A rt des Klappenfehlers.
• W eitere Klappenfehler als Folge des Vitiums (z. B. rel. MR od. TR) od. eigen-
ständiger Klappenfehler.
• Ä tiol.
• K linischer Schweregrad: kompensiert od. dekompensiert, NYHA-, CCS-­
Klasse.
• H ämodynamischer Schweregrad: Art u. Ausmaß der hämodynamischen Be-
einträchtigung. Liegt eine re-/li-seitige Kongestion, low output od. Komb.
von Kongestion u. low output vor? Wie ist die Ventrikelfunktion? Sind die
hämodynamischen u. morphologischen Veränderungen des kardiovask. Sys-
tems Folge des Vitiums od. liegen zusätzliche Schädigungen vor (CMP, KHK,
entzündliche Herzerkr.)?
• E rstmanifestation: akut, chron., rapid progredient, langsam progredient, sta-
tionärer Zustand?
• B isheriger Verlauf: Stabil od. komplikationsträchtig? Sind die Zeitintervalle u.
die Wahl der diagn. Mittel bei einer Verlaufskontrolle ausreichend? Kann ei-
ne Progredienz der Erkr. damit rechtzeitig erfasst werden?
• K O: Arrhythmien, Embolien, Herzinsuff., akuter entzündlicher Prozess, z. B.
infektiöse Endokarditis.
• K ardiale Begleiterkr.: KHK, CMP, art. Hypertonie?
• E xtrakardiale Erkr.: Bestehen Auswirkungen auf die Herzerkr.?
• F alls operative Ther. erwogen wird: Müssen weitere kardiale Erkr. mitversorgt
werden (z. B. KHK, rel. Klappenvitien)? Sorgfältige Abschätzung des OP-Risi-
kos → Online-Risiko-Rechner: http://209.220.160.181/STSWebRiskCalc261/
u./od. www.euroscore.org
 4.3 Mitralklappenstenose (MS) 159

Verlaufskontrollen
Abhängig vom klinischen/hämodynamischen Schweregrad, von der Progressi-
onsneigung u. der Existenz von KO:
• leichter Klappenfehler – 1- bis 2-jährlich,
• m ittelschwerer Klappenfehler – jährlich,
• K lappenfehler an der Grenze zur OP-Ind., bei Unsicherheit über Progredienz
u. bei drohenden KO – vierteljährlich.

4.3 Mitralklappenstenose (MS)
Leitbefunde
Anamnestisch rheumatisches Fieber, Belastungsdyspnoe, paroxysmale nächtliche
Dyspnoe, pektanginöse Beschwerden, allgemeine körperl. Schwäche, art. Embolie.
Lauter 1. HT, betonter P2 des 2. HT, MÖT, diastol. Geräusch.
EKG: P sinistroatriale od. VHF, RVH.
Echo: verkalkte, immobile MK, LA-Dilatation, normale LV-Größe u. -Funktion.
Typisch: Diskrepanz zwischen guter LV-Funktion u. Schwere der Herzinsuff.
4
4.3.1 Ätiologie
• R heumatisch: in unseren Breiten praktisch immer (▶ 4.1). 25 % reine MS,
40 % kombiniertes Mitralvitium. Bei 50–60 % aller Kinder mit rheumatischem
Fieber entwickelt sich im Erw.-Alter eine valvuläre Herzerkrankung. Frauen
sind 3× häufiger betroffen (▶ 6.3). Nur 60 % der Pat. geben in der Anamnese
ein rheumatisches Fieber an!
•  eltene Ursachen: kongenital, malignes Karzinoid, SLE, rheumatoide Arthritis,
S
Mukopolysaccharidose, LA-Tumor mit Prolaps ins Mitralorifizium, Thrombo-
se einer MK-Prothese, Cor triatriatum mit kongenitaler Membran des LA.

Bei MS immer weitere Klappenfehler ausschließen. Bei rheumatischer Ätiol.


meist mehrere Klappen beteiligt.

4.3.2 Anamnese u. Symptome
• R F in Kindheit od. Jugend: häufige Racheninfekte, schmerzhafte Gelenker-
kr., Immobilisation mit Wattepackungen der großen Gelenke, Befreiung vom
Schulsport.
•  llgemeine Leistungsminderung (▶ 8.2.1).
A
•  yspnoe: meist Belastungsdyspnoe; abhängig vom Ausmaß der pulmonalen
D
Kongestion. Orthopnoe u. paroxysmale nächtliche Dyspnoe („Asthma car-
diale“) bei höhergradigen Stenosen. Husten od. Hustenreiz mit geringen Spu-
tummengen. Ein akutes Lungenödem kann Erstmanifestation sein. Auslöser
einer Dekompensation: psychische od. physische Belastungen, Fieber, An­
ämie, pulmonale Infekte, Rhythmusstörungen (VHF → low output). Evtl.
Erstmanifestation während einer Schwangerschaft (▶ 4.22).
•  ämoptysis: geringe, rostig braune Blutbeimengungen zum Sputum; seltener
H
Hämoptoe mit massivem Bluthusten (Perforation von gestauten Bronchialve-
nen). Nach langjährigem Verlauf kann Hämoptysis abnehmen.
160 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• B rustschmerzen: Ursache unklar. DD zur A. p. bei KHK schwierig, meist nur


durch Koro möglich.
• P alpitationen: oft bei VHF od. abnormen präkordialen Impulsen, z. B. bei bi-
atrialer od. RV-Dilatation.
• E mbolie: in alle art. Stromgebiete möglich. Begünstigt durch hohes Pat.-Al-
ter, VHR, niedriges HZV u. LA-/linksaurikuläre Dilatation.
• A
 kute klinische Verschlechterung oft bei neu aufgetretenem VHF (Reduktion
des HZV).

Tipps & Tricks


• Jede art. Embolie bei einem kombinierten Mitralvitium kann Folge einer
infektiösen Endokarditis sein. Bei reiner MS ist eine Endokarditis eher
selten.
•  ei jedem Lungenödem u. jeder Rechtsherzinsuff. MS ausschließen.
B
•  ämoptysen u. Rechtsherzinsuff. sind Spätsymptome. Trotz ausgepräg-
H
ter Rechtsherzinsuff. besteht evtl. nur geringe Dyspnoe.
•  S nach rheumatischem Fieber meist bei älteren Pat. od. Pat. aus Ge-
M
genden mit hoher Inzidenz an rheumatischem Fieber (Türkei, Osteuro-
4 pa, Afrika, Asien).

4.3.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Inspektion
• F acies mitralis: Lippenzyanose, rötlich-livide Wangenverfärbung.
• P rominente a-Welle des Jugularvenenpulses bei Sinusrhythmus.
• P rominente Halsvenen, evtl. mit inspiratorischer Betonung, bei zusätzlicher TR.
Palpation
• K leine art. Pulsamplitude bei schwerer MS (kleines SV),
• u nregelmäßiger Puls bei VHF, ggf. mit Pulsdefizit,
• e pigastrisch od. parasternal prominenter RV-Impuls bei pulmonalem Hoch-
druck tastbar,
• H epatomegalie, pos. hepatojugulärer Reflux,
• p eriphere Ödeme u. evtl. Aszites bei fortgeschrittener Rechtsherzinsuff.
Auskultation
• L auter 1. HT: „paukend“. Bei dicker, unbeweglicher MK verminderte Laut-
heit des 1. HT (fortgeschrittene, verkalkte Vitien), bei VHF wechselnde Laut-
heit. Betonter 2. HT bei PAH.
• M ÖT durch abrupte Anspannung des Klappenapparats zum Zeitpunkt der
max. möglichen frühdiastol. Öffnung (▶ Abb. 4.1). Meist nur bei lautem
1. HT.
• A bstand 2. HT – MÖT zur Schweregradbeurteilung: leichte Stenose – langes
Intervall, schwere Stenose – kurzes Intervall.
! D iastol. Geräusch („rumble“, „Katzenschnurren“): vom 2. HT abgesetzt,
unmittelbar nach MÖT beginnend, niederfrequentes Decrescendo. Akzentu-
ierung des Diastolikums in der Präsystole ist ein Frühzeichen der MS (bei Si-
nusrhythmus).
 4.3 Mitralklappenstenose (MS) 161

• G
 raham-Steel-Geräusch evtl. bei EKG
PAH: weiches, hochfrequentes dias-
tol. Geräusch mit p. m. über dem
Pulmonalareal (entspricht einer PR).
• D D des Diastolikums: Carey- Präsystolikum 1. HT 2. HT MÖT
Diastolikum
Coombs-Geräusch des akuten
rheumatischen Fiebers (▶ 4.16.2);
Austin-Flint-Geräusch bei AR
(▶ 4.9); Graham-Steel-Geräusch
(s. u.).
• S ystolikum bei TR (▶ 4.10), ggf. zu-
sätzlich 3. HT des RV.
• Ü ber den Lungen feuchte RG je Abb. 4.1 Auskultationsbefund bei Mi­
nach Ausmaß der pulmonalen tralstenose [L157]
Stauung.

Tipps & Tricks


• O
 ptimale Auskultation des Diastolikums: Linksseitenlage des Pat. mit
Apex als Auskultationsareal. 4
• L eichte Belastung durch mehrmaliges Aufsetzen u. Hinlegen steigert
HZV u. damit Intensität des Geräuschs.

EKG
• P sinistroatriale bei li-seitiger Vorhofüberlastung: P in II breit u. zweigipflig.
• V orhofflimmern od. -flattern bei fortgeschrittener MS. Häufiger grobes VHF
mit hohen Amplituden der Flimmerwellen. Eine Vorhofextrasystolie kann
Vorbote des VHF sein.
•  eichen der RVH bei massiver PAH mit RV-Belastung.
Z

Röntgen-Thorax
• H erzkonfiguration bei geringer Stenose nicht verändert.
• B ei schwerer Stenose: LA, RA u. RV vergrößert, angehobene RV-Ausfluss-
bahn. Herztaille verstrichen, Pulmonalsegment prominent, evtl. sichtbares, di-
latiertes li Herzohr, dilatierte PA in ihren Hauptstämmen, Ösophagusverdrän-
gung durch dilatiertes LA (Ösophagusbreischluck bei lateraler Aufnahme!).
•  vtl. Hinweise auf pulmonalvenöse Kongestion u. PAH.
E
!  ö-DL: Nachweis von Nativverkalkungen des MK-Apparats.
R

Echokardiografie
Immer Einsatz aller Echo-Verfahren inkl. TEE anstreben.
M-Mode
Anlotebene: li parasternale lange od. kurze Achse.
• E chodense, verdickte MK-Strukturen: multiple parallele Echos mit teils aus-
gedehnten echodensen Massen (▶ Abb. 4.2). AML u. PML sind nicht zu un-
terscheiden. Kein diastol. M-Muster der MK; die mittdiastol. Schließbewe-
gung u. die atriale Öffnungskomponente fehlen.
• V ermindertes Gefälle der EF-Strecke: EF-Slope < 30 mm/s. Immer bei MS
vorhanden, aber auch bei Linkshypertrophie, vermindertem HZV, PAH u. PS.
162 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• K
 onkordante Bewegung des PML: PML bewegt sich meist parallel (konkor-
dant) zum AML, physiologisch ist eine diskordante Bewegung.
• V
 erminderte DE-Amplitude des AML: Ausdruck einer verminderten initia-
len Klappensegelöffnung.

RV freie Wand
RV
RV IVS
LV
IVS
LVPFW
verdickte
LV Mitralklappe
Ao
AML

4
PML LA

Abb. 4.2 Echo-Befunde bei Mitralstenose [T125]

2-D-Echokardiografie
Beste Übersicht in apikaler Anlotung im 4-Kammer-Blick od. RAO-Äquivalent.
AML u. PML sind nebeneinander dargestellt, der subvalvuläre Anteil einschließ-
lich der Papillarmuskeln ist gut einsehbar.
• T ypische Konstellation der Herzhöhlengröße in der Echo-Übersicht: großes
LA, kleiner LV, evtl. vergrößerter RV u. RA.
• T ypische Klappenkonfiguration:
– Doming (▶ Abb. 4.2): domförmige Stellung der stenosierten Klappe in der
Diastole. Ein „Doming“ schließt eine exzessive Fibrose od. destruierende
Verkalkung praktisch aus.
– Monotone „Klick-klack-Restbewegung“ einer massiv echogenen Klappen-
masse bei Mitralvitium mit fibrokalzifizierendem Prozess. Eine klappener-
haltende OP ist nicht mehr möglich.
! F ibrose- u. Verkalkungsausmaß in allen Standardanlotungen beurteilen, um
Streuechos („Echoreverberationen“) zu erkennen.
• L A-Thromben: selten im TTE, TEE Mittel der Wahl.
TEE
Evtl. Nachweis von Spontanechos im LA als Zeichen eines erhöhten Thrombem-
bolierisikos. Die Ausdehnung der Verkalkung im Klappen- u. v. a. Klappenring-
bereich ist besser erkennbar, das Ausmaß der LA-Dilatation besser abzuschätzen,
die Klappenbeweglichkeit sehr gut beurteilbar u. die Flächenbestimmung der Ste-
nose meist exakter. Ind.:
 4.3 Mitralklappenstenose (MS) 163

• E ine exakte Beurteilung der MK ist von transthorakal nicht möglich.


• A usschluss von Thromben im LA u. li Vorhofohr.
• V on transthorakal nicht genau bestimmbarer MS-Gradient im cw-Doppler
(z. B. bei zu hohem Winkelfehler). Planimetrie der MÖF.
• Z ur Ind.-Stellung einer Ballonvalvuloplastie: Ausschluss einer relevanten MR,
keine schwere Kalzifizierung von Klappe od. Halteapparat u. gute Beweglich-
keit der Klappensegel. Valvuloplastieergebnis mittels TEE kontrollieren (Re-
levante MR? Gradient nach Valvuloplastie? Iatrogener ASD nach transsepta-
ler Katheterplatzierung?).
Doppler
• T ypisches Dopplerprofil: hohe initiale, transmitrale Flussgeschwindigkeit
mit langsamer Abnahme (korrespondiert mit abgeflachtem EF-Slope). Bei Si-
nusrhythmus überhöhte A-Welle mit Strömungsbeschleunigung nach der at-
rialen Kontraktion. Bei VHF keine A-Welle.
• D ruckgradient: Vmax messen u. max. Druckgradienten berechnen. Sicher pa-
thol. > 8 mmHg. Verfahren ist fluss- u. frequenzabhängig, deshalb ergänzend
MÖF-Bestimmung nach Druck-HWZ-Methode u. direkte Planimetrie der
Öffnungsfläche.
• M ÖF: Bestimmung nach der Druck-HWZ-Methode. 4
! B esteht zusätzlich eine AR od. MR, sind methodische Fehler möglich. Besser:
direkte Planimetrie.

Schweregrade
Einteilung der MS nach klinischen u. nichtinvasiven Kriterien in folgende Schwe-
regrade:
Leichte Mitralstenose
MÖF > 1,5 cm2.
• K eine Dyspnoe, gelegentlich uncharakteristische Beschwerden, häufig asym­
ptomatisch.
• 1 . HT laut, Diastolikum meist nur präsystol., evtl. Diastolikum unmittelbar
nach Belastung.
• E KG u. Rö-Thorax meist normal.
• E cho: verdickte Mitralsegel, verminderter EF-Slope, A-Welle vermindert.
Mittelgradige Mitralstenose
MÖF 1,0–1,5 cm2.
• D yspnoe u. Palpitationen bei höhergradiger Belastung, Dyspnoe-Attacken,
Leistungsminderung.
• 1 . HT laut, MÖT u. 1. HT mit weitem Intervall, rollendes diastol. Decrescen-
do („rumble“), Präsystolikum bei Sinusrhythmus.
• E KG: VHF bei 50 %, P sinistroatriale.
• R ö-Thorax: geringe LA-Vergrößerung, verstrichene Herztaille, Aufspreizung
des Tracheobronchialwinkels, pulmonalvenöse Kongestion, Klappenverkal-
kung.
• E cho: typisches Bild, gleichsinnige Bewegung beider Segel nicht obligat, A-
Welle bei Sinusrhythmus noch erhalten, LA vergrößert.
Hochgradige Mitralstenose
MÖF < 1 cm2.
164 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• D
 yspnoe bei geringer Belastung, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, belas-
tungsinduzierter Husten, häufig bronchitische Infekte, evtl. rezid. Lungen-
ödem. Facies mitralis, Zyanose möglich.
• 1 . HT paukend, Intervall 1. HT – MÖT kurz, rollendes diastol. Decrescendo
meist holodiastol., Herzspitzenstoß abgeschwächt, vermehrte präkordiale
Pulsationen.
• E KG: VHF, Steil-, Rechtstyp, RVH.
• R ö-Thorax: pulmonalvenöse Kongestion u. PAH.
• E cho: typisches Bild mit erheblich verdickten, immobilen, verkalkten Klap-
pensegeln, dilatiertes LA.

4.3.4 Invasive Diagnostik

Leitbefund
Verkalkte, immobile MK mit verminderter MÖF, diastol. Druckgradient über
der MK, normale LV-Größe u. -Funktion, PAH.

4 Indikationen
• S ymptomatische Pat. mit MS, kombiniertem Mitralvitium od. multivalvulärer
Herzerkr. präop. vor Ballonvalvuloplastie od. chirurgischer Ther.,
• s ymptomatische Pat. mit nichtinvasiv ungenügend bestimmbarem Schwere-
grad der MS, begleitenden Vitien od. weiteren kardialen Erkr. (z. B. ASD bei
Lutembacher-Sy. ▶ 4.14).
•  . a. KHK als wesentliche Ursache der Beschwerden.
V

Der Ausschluss/Nachweis einer KHK als Teil der OP-Planung ist wesentli-
cher Bestandteil der Ind. v. a. bei Pat. mit „KHK-RF“: Männer > 40 J., Frauen
> 50 J.

Hämodynamik u. angiografische Befunde


• F ormanalyse der Drücke (▶ Abb. 4.3): PC-Druck mit trägem Abfall der v-y-
Strecke (LV-Füllungsstörung!), a-Welle (bei Sinusrhythmus) höher als v-
Welle, v-Welle bei bedeutsamer MR überhöht. Fläche zwischen PC- u. LV-
Druckkurve in der Diastole entspricht Füllungsgradienten des LV.
•  bsolute Drücke: PC- u. PAP erhöht. RVEDP u. RAP bei Rechtsherzinsuff.
A
erhöht. Evtl. deutlich erhöhte v-Welle im RA bei TR (▶ 4.10). Gradientbe-
stimmung.
•  ZV: bestimmt wesentlich den Druckgradienten mit. Bei schwerer MS oft er-
H
niedrigt.
!  ei vermindertem HZV wird evtl. trotz hochgradiger Stenose ein zu niedriger
B
Gradient gemessen.
•  ÖF: Beurteilung: > 4 cm2 normal; > 1,5 cm2 leichte MS; 1,0–1,5 cm2 mittel-
M
schwere MS; < 1 cm2 „chirurgische“ MS.
•  ulmonaler Widerstand: erhöht. Abnahme des HZV, PAP ↑ bis zu systemi-
P
schen Druckwerten, Rechtsherzbelastung.
!  er postop. Abfall des pulmonalen Gefäßwiderstands ist umso stärker, je hö-
D
her er präop. war. Eine massive Widerstandserhöhung ist also keine KI für ei-
ne OP.
 4.3 Mitralklappenstenose (MS) 165

• L V-Angio: LV nicht vergrößert. Diastol. typisches „schüssel- od. halbmond-


förmiges“ Bild der MK in RAO (konkave Seite nach LA, konvexe Seite nach
LV). EF meist normal. Bei LV-Dysfunktion nach Ursache suchen (koronar,
primär myokardial).
• A ortografie: häufig begleitende, min. AR. Teils verdickte AoK-Taschen ohne
hämodynamische Bedeutung bei rheumatischem Prozess.
• K oro: Ausschluss/Nachweis einer begleitenden KHK. Bei Normalbefund rei-
chen wenige Projektionen aus.
• „ Stumme Mitralstenose“: Verschiedene morphologische u. hämodynami-
sche Veränderungen kaschieren die hämodynamischen u. klinischen Befunde
einer MS:
– Niedriges HZV, ausgeprägte PAH mit hohem pulmonalem Gefäßwider-
stand u. schwere TR.
– Lutembacher-Sy. (▶ 4.14): niedriger Gradient durch „Entlastung“ via Sep-
tumdefekt.
• T rikuspidalstenose: Reduktion des MS-Gradienten durch verminderten pul-
monalen Blutfluss (▶ 4.11).

4
EKG

mmHg
100 Ao

50
a c v
PC

0 LV

Phono

Diastolikum 2. HT MÖT
Präsystolikum 1. HT

Abb. 4.3 Hämodynamisches Profil der Mitralstenose [L157]

4.3.5 Differenzialdiagnose
 R (▶ 4.4): bei schwerer MR kann ein Diastolikum als „rumble“ entstehen.
• M
Bei MR jedoch immer Holosystolikum, meist LV-Dilatation.
• L A-Myxom (▶ 6.9.1): im Vergleich zur MS sehr selten. Symptome abhängig
von der Körperposition. MÖT u. Tu-Plop klinisch oft nicht zu unterscheiden.
DD durch Echo.
166 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

 SD (▶ 4.14): Bei Li-re-Shunt „funktionelles“ Diastolikum, das dem „rumb-


• A
le“ der MS gleicht. DD durch Echo u. Rö-Thorax.
• C or triatriatum: extrem selten. Membranöses Septum im LA mit Kommuni-
kation der Kompartimente. Klinische Symptomatik bereits im Säuglingsalter,
kein MÖT, kein Diastolikum.
•  ongenitale MS: selten, klinische Symptomatik bereits im Säuglingsalter,
K
MÖT selten, Diastolikum häufig. Im Echo „parachute valve“ (fallschirmartige
Klappe), singulärer Papillarmuskel. Häufig weitere kardiale Anomalien.
•  bliteration der Pulmonalvenen: selten, ostiumnahe Lokalisation. Evtl. Dia-
O
gnose durch TEE.

4.3.6 Therapie
! B ei neu auftretenden Symptomen, Symptomänderung od. KO komplette
­ iagn. des Vitiums durchführen, um die OP-Ind. zu klären. Symptomatische
D
Pat. haben eine schlechte Prognose.
!  ie Dyspnoe bei pulmonaler Kongestion ist ein typisches MS-Merkmal u. Folge
D
der mechanischen Obstruktion; sie darf nicht mit einer Herzinsuff. (myogene
4 Pumpinsuff.) verwechselt werden! Eine Rechtsherzinsuff. bei MS ist Ausdruck ei-
ner fortgeschrittenen Erkr. u. bedarf der raschen Abklärung u. Ther. (▶ Abb. 4.4).

Konservative Therapie
• A
 symptomatische Pat.: Wert einer med. Ther. ist nicht gesichert. „Allgemei-
ne Regeln“ (s. u.) beachten u. Ind. zur Antikoagulation überprüfen.
• S ymptomatische Pat.: kons. Ther. bei Pat. ohne KO, die Alltagsbelastungen
gut tolerieren.
Allgemeine Regeln
• S chwerere körperl. Belastungen meiden. Einschränkungen abhängig vom
Schweregrad der MS.
• H  ypo- u. hypervolämische Zustände vermeiden: ausgeprägte Anämie, Fieber,
Trinkexzesse, periop. Infusionsbehandlung, NaCl-Belastungen.
• R ezidivprophylaxe eines rheumatischen Fiebers (▶ 6.3), Prophylaxe einer in-
fektiösen Endokarditis (▶ 6.1.4).

Alle Maßnahmen, die zur Erhöhung des HZV führen (Belastung, Tachykar-
die, Medikamente, Infektion, Schwangerschaft), erhöhen den Gradienten u.
können zur stetigen od. akuten Verschlechterung führen.

Medikamentöse Therapie
 iuretika (▶ 11.2): niedrig dosieren. Evtl. Besserung der Dyspnoe.
• D
• D
 igitalisglykoside, Betablocker: gesicherte Ind. bei VHF (Kontrolle der Ven-
trikelfrequenz ▶ 4.3.7).
 icht indiziert bei Sinusrhythmus.
! N
 ntiarrhythmika (▶ 11.6): bei Vorhofflimmern/-flattern, ventrikuläre Ar-
• A
rhythmien.
 ntikoagulation (▶ 4.3.7): Marcumar® od. i. v. Heparin nach PTT. Ind.:
• A
– Gesichert: VHF mit/ohne art. Thrombembolie; instabiler Sinusrhythmus;
art. Thrombembolie; Sinusrhythmus u. Thrombusnachweis im Echo. LA-
Dilatation > 50 mm.
– Umstritten: Sinusrhythmus u. großes LA (< 50 mm).


Mitralstenose nach ACC/AHA Task Force Report

Asymptomatisch NYHA II NYHA III–IV

2 2 2 2 2 2
MÖF > 1,5 cm MÖF ≤ 1,5 cm MÖF > 1,5 cm MÖF ≤ 1,5 cm MÖF > 1,5 cm MÖF ≤ 1,5 cm

• Konservativ Geeignet für Geeignet für Geeignet für


• Jährliche perkutane Belastung perkutane Belastung perkutane
Kontrolle Ballon-Valvuloplastik Ballon-Valvuloplastik Ballon-Valvuloplastik

Ja Ja
Ja Nein

Abb. 4.4 Flussdiagramm Mitralstenose [L157]


Systol. PAP > 50 mmHg PAP > 60 mmHg Nein Ja PAP > 60 mmHg
Nein PCWP ≥ 25 mmHg PCWP ≥ 25 mmHg
Gradient > 15 mmHg Gradient > 15 mmHg Hohes
chirurgisches
Nein Ja Risiko
Nein Nein

Belastung • Konservativ • Konservativ • Konservativ


• Jährliche • ½ -jährliche • ½ -jährliche Kontrolle Ja Nein
Kontrolle Kontrolle • Andere Ursachen der
Klinik
Mitralklappen-
rekonstruktion
PAP > 60 mmHg Ja Perkutane oder
PCWP ≥ 25 mmHg Ballon-Valvuloplastik Mitralklappenersatz
4
4.3 Mitralklappenstenose (MS) 167
168 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Ballonvalvuloplastie
Interventionelle (Katheter-)Technik zur Lösung der Verwachsungen im Kommis-
surenbereich der Mitralsegel. Ziel ist die Verminderung des Druckgradienten
über der MK.
• I nd. ▶ Abb. 4.4.
• K  I: LA-Thrombus, hämodynamisch relevante MR (Grad III, IV), ausgeprägte
Verkalkungen der Kommissuren, fehlende Fusion der Kommissuren, zusätz-
lich relevante AoK-Erkr. bzw. kombiniertes Trikuspidalvitium, KHK mit der
Notwendigkeit zur Bypass-OP.
• E rgebnisse:
– Akutergebnisse: bei günstiger Klappenmorphologie Reduktion des Druck-
gradienten über der MK um > 50 %.
– Langzeitergebnisse: günstiger als bei AoK-Valvuloplastie.
– Restenose-Rate: 10–20 % innerhalb 1–2 J. in Abhängigkeit von Klappen-
morphologie u. erzieltem Resultat. Klinische Besserung beim Großteil der
Pat.
• K  O: Mortalität bis 4 %. Kleiner ASD häufig (35 %), hämodynamisch relevan-
ter Defekt selten. Zerebrale Embolien bei bis zu 4 %, v. a. bei VHF, Z. n. Em-
bolie, LA-Dilatation. LV-Perforation mit Perikardtamponade bis 4 %. Schwe-
4 re MR mit OP-Ind. in 2 %, leichte MR bei > 30 %.

Chirurgische Therapie
Indikation
Ind. zur Kommissurotomie großzügiger stellen als zum Klappenersatz (geringe
OP-Letalität u. geringere postop. Morbidität).
• S ymptomatische Pat. im klinischen Stadium:
– NYHA III: Klappenöffnungsfläche 1–1,5 cm2, ggf. PAH u. Erhöhung des
pulmonalen Gefäßwiderstands bei Belastung, Beschwerden bei alltägli-
chen Belastungen.
– NYHA IV: Klappenöffnungsfläche < 1,0 cm2, reduziertes HZV, PAH u.
Erhöhung des pulmonalen Gefäßwiderstands, immobilisierte Pat.
• R ezid. art. Thrombembolien trotz ausreichender Antikoagulation.
• M ultivalvuläre Herzerkr. u. Notwendigkeit des AoK-Ersatzes od. zusätzlich
erforderliche ACVB-OP: Ind.-Stellung zur operativen MK-Intervention auch
bei moderaten Stenosen.
Keine Indikation
• B ei asymptomatischen Pat. ohne KO.
• A symptomatische Pat. mit KO: VHF kann bereits früh im natürlichen Ver-
lauf auftreten. Eine einmalige art. Thrombembolie ist keine gesicherte OP-In-
dikation. Lungenödem mit erkennbarer Ursache (körperl. Belastung,
Schwangerschaft, intermittierendes VHF, inadäquate med. Ther.).
• S ymptomatische Pat. im klinischen Stadium NYHA II: Leistungsfähigkeit des
Pat. reicht i. d. R. aus, die Belastungen des Alltags zu tolerieren. Neben der
Belastbarkeit spielen die zukünftig gewünschte Belastbarkeit (z. B. junge
Frauen mit Kinderwunsch) u. morphologische Kriterien (Möglichkeit einer
klappenerhaltenden OP) eine Rolle. Im Einzelfall hier Ind. zur klappenerhal-
tenden OP.
! K eine OP mit Klappenersatz im Stadium II!
 4.3 Mitralklappenstenose (MS) 169

Operative Verfahren
Offene Kommissurotomie
Frühletalität 1,2 %. Funktionelles Langzeitergebnis im Vergleich zum geschlosse-
nen Vorgehen günstiger. Gleichzeitige Entfernung von Vorhof- u./od. Vorhof­
ohrthromben ist möglich, evtl. zusätzliche Maze-OP bei VHF. In 10 % Re-OP in-
nerhalb von 5 J., 60 % in 10 J.
Voraussetzungen:
• K eine wesentlichen Verkalkungen des MK-Apparats.
• G ute Biegsamkeit/Beweglichkeit bei nur geringer Fibrose der Klappensegel.
• N ormaler od. allenfalls gering veränderter submitraler Klappenapparat. Keine
Adhäsionen/Verkürzungen der Sehnenfäden.
• N ormale Funktion u. Beschaffenheit des Mitralklappenanulus.
• K eine od. nur geringe MR.
• K ein zusätzlicher, einen prothetischen Ersatz erfordernder Klappenfehler.
Ind.:
• N YHA III–IV, MÖF ≤ 1,5 cm2, Morphologie ist geeignet zur Rekonstruktion,
perkutane Ballonvalvuloplastie nicht verfügbar.
• N YHA III–IV, MÖF ≤ 1,5 cm2, Morphologie geeignet zur Rekonstruktion,
LA-Thrombus trotz Antikoagulation. 4
• N YHA III–IV, MÖF ≤ 1,5 cm2, Morphologie nicht günstig zur Rekonstruk­
tion (Verkalkungen, geringe Beweglichkeit). Intraop. Entscheidung, ob Re-
konstruktion od. Klappenersatz.
Offene, klappenerhaltende Mitralchirurgie
Komb. der offenen Kommissurotomie mit rekonstruktiven Verfahren an MK u.
Halteapparat (▶ 4.4.6).
Mitralklappenersatz
Ersatz durch künstliche Herzklappenprothese bei fibrosierten, kalzifizierend dest-
ruierten Klappen ohne Möglichkeit von rekonstruktiven Verfahren. Frühletalität
5–8 %. Erhöhtes Risiko bei NYHA IV, hohem PAP präop., massiver LA-Dilatati-
on u. kardiochirurgischem Re-Eingriff.
Die klinische Besserung postop. ist abhängig von der Normalisierung der Drücke
im kleinen Kreislauf. Pat. mit hohen PAP haben auch postop. noch erhöhte Drü-
cke. Die klinische Besserung ist selten mehr als ein Schweregrad nach NYHA, sel-
ten völlig asymptomatische Pat. postop.
Ind.:
• N  YHA III–IV, MÖF ≤ 1,5 cm2, Morphologie ungeeignet für Ballonvalvulo-
plastie od. chirurgische Rekonstruktion,
• N  YHA I–II, MÖF ≤ 1,0 cm2, systol. PAP > 60–80 mmHg, ungeeignet für Bal-
lonvalvuloplastie od. chirurgische Rekonstruktion.
Langzeitergebnis: klinisch nach 10 J. NYHA I < 5 %, NYHA II 50–60 %, NYHA III
30–40 %, NYHA IV < 5 %. 12-JÜR nach MK-Ersatz 75 %, bei natürlichem Verlauf
ohne OP 30 %.
Die Protheseneigenschaften bei der klinischen Beurteilung postop. berücksichti-
gen (▶ 4.21). Mindestaußendurchmesser der Kunstklappe sollte 29 mm sein. Obs-
truktion bei MK-Ersatz:
• N  ormale MK: > 4 cm2.
• L eichte MK: > 1,5 cm2.
• M  itralbioprothese: 1,4–2,4 cm2.
• M  echanische Klappen: 2,2–3,7 cm2.
170 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Tab. 4.1 Mittlerer Gradient von Klappenprothesen bei körperlicher Ruhe


Klappe Mittlerer Gradient [mmHg]
St. Jude Medical 2–3
Björk-Shiley 4–5
Medtronic-Hall 5–6

Implantation der größtmöglichen Klappe mit dem günstigsten Strömungspro-


fil (z. B. St. Jude-Medical-Doppelflügelklappe; ▶ Tab. 4.1).

4.3.7 Komplikationen u. ihre Behandlung


Vorhofflimmern (VHF)
In 80 % bei fortgeschrittener MS, kann jedoch auch im Frühstadium auftreten.
Auftreten von VHF ist meist mit erheblichem Leistungsknick (Verschlechterung
um 1–2 NYHA-Klassen) verbunden. Der Erhalt des Sinusrhythmus schützt vor
4 KO u. schiebt evtl. den OP-Zeitpunkt hinaus.

Wiederherstellung des Sinusrhythmus


Ind. zur Rhythmisierung: klinische Verschlechterung unter VHF, 1. od. 2.
Episode eines VHF, keine exzessive Dilatation des LA. VHF < 3–6 Mon. Aus-
schluss von LA-Thromben (TEE).

Akutes Lungenödem
Intermittierend nach bestimmten Auslösern (▶ 4.3.2) od. im fortgeschrittenen
Stadium. Ther.:
• B ettruhe, Herzbett, bei Fieber antipyretische, ggf. Infektther., bei Anämie Hb
u. Hkt ausgleichen, Trink- bzw. Infusionsmenge beschränken.
• N  TG s. l., Morphin (3–10 mg i. v.), Diuretika (Lasix® 40–125 mg i. v., ggf.
Etacrynsäure). Weitere Ther. ▶ 8.3.3.
• Intermittierendes VHF: Kardioversion.
• T achyarrhythmie: chron. od. nicht ansprechend auf Kardioversion. Fre-
quenzsenkung durch rasche i. v. Digitalisierung (▶ 11.5.1), Verapamil
5–10 mg i. v. (z. B. 1–2 Amp. Isoptin®) od. 1–2 mg Propranolol i. v. (z. B. 1–2
Amp. Dociton®), ggf. wiederholen.
! V  orsicht bei Medikamenten, die zur HZV-Steigerung u./od. HF-Beschleuni-
gung führen (Katecholamine, art. Vasodilatatoren, Theophyllin, Atropin, To-
kolytika). Rapide Verschlechterung der Beschwerden möglich.

Thrombembolie
• U
 rsache: Blutstagnation in LA bei MS u. fehlende od. ungenügende Antiko-
agulation. Ind. zur Antikoagulation (▶ 4.3.6).
• V
 orgehen: TTE u. TEE. Bei zerebralem Insult sofortige CCT-Diagn. u. Ver-
laufsuntersuchung innerhalb von 48 h. Falls keine massiven Blutungszeichen
od. kein ausgedehntes ischämisches Areal besteht, Antikoagulation mit Hepa-
rin i. v. in therap. Dosis nach PTT (▶ 4.3.6).
 4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 171

! B ei VHF u. Embolieereignis nicht sofort Rhythmisierung anstreben. Falls


sinnvoll, nach 4–6 Wo. versuchen. Nach chirurgischer Thrombektomie peri-
pherer od. viszeraler Arterien sofortige therap. Antikoagulation.

Eine art. Embolie bei MS ist unabhängig vom zugrunde liegenden Rhythmus
eine Ind. zur Dauerantikoagulation.

Infektiöse Endokarditis
Bei isolierter MS selten, nicht jedoch bei kombinierten Mitralvitien! Diagn. u.
Ther. ▶ 6.5.1.

Rechtsherzinsuffizienz
Im fortgeschrittenen Stadium (▶ 8.4). OP erforderlich.
! B ei Diskrepanz zwischen Schweregrad einer MS u. pulmonalem Hochdruck
an Lungenembolie denken. Eine Lungenembolie tritt rel. häufig bei MS auf u.
ist u. a. auch prognosebestimmend.

4.3.8 Natürlicher Verlauf 4
Im Vergleich zu anderen Herzklappenfehlern ist die Prognose quoad vitam selbst
bei fortgeschrittenen MS unter kons. Ther. besser.
• D  ie asymptomatische Latenzzeit nach akutem rheumatischem Fieber beträgt
in unseren Breiten 20–40 J. Innerhalb weiterer 5–10 J. ist eine Progression
vom klinischen Stadium II nach III u. IV zu erwarten.
• B ei asymptomatischen Pat. (NYHA I) unter kons. Ther. tritt in 40 % eine Ver-
schlechterung in einem Zeitraum von 10 J. auf, im Stadium II in 80 %!
• N  YHA III u. IV: Mittlere Überlebensrate (50 %-Mortalität) nach Stellen der
OP-Ind. 4 J., ca. 40 % leben > 10 J. Zum Vergleich: Mittlere Überlebensrate
bei reiner od. überwiegender MR: 2,2 J.
• 5 -JÜR abhängig vom klinischen Stadium: NYHA III ca. 60 %, NYHA IV ca.
15 %.
• P rogression abhängig von ethnischen u. sozioökonomischen Faktoren: in
subtropischen Regionen u. bei Farbigen öfter akzelerierter Verlauf.
• H  äufigste Todesursachen: fulminantes Lungenödem, Herzinsuff. (60–70 %),
art. Thrombembolie (20–30 %), Lungenembolie (10 %).

4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz
Leitbefunde
• U
 ncharakteristische Beschwerden, allg. Leistungsminderung, Belastungs-
dyspnoe, Orthopnoe mit Neigung zur Progredienz, Palpitationen.
• H olosystol. Geräusch, lauter P2 des 2. HT, 3. HT.
• E cho: hyperkontraktiler, dilatierter LV u. dilatiertes LA, charakteristisches
Dopplerprofil.
• T ypisch: Diskrepanz zwischen guter LV-Funktion (im Echo) u. Zeichen
der Herzinsuff. mit überwiegender Kongestion.
172 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.4.1 Ätiologie
Eine MR liegt bei 10–15 % aller Klappenerkr. vor. Meist rel. MR durch LV- u.
Anulus-mitralis-Dilatation. Häufige Ursachen einer reinen („pure“) MR sind
MKP 60 %, Papillarmuskeldysfunktion bei KHK 30 %, infektiöse Endokarditis 5 %.
• E ntzündlich: rheumatische Herzkrankheit, SLE, Sklerodermie, infektiöse En-
dokarditis.
• D egenerativ: myxomatöse Degeneration, Mitralringverkalkung, Marfan-,
Ehlers-Danlos-Sy.
• S trukturell: Chordae-Rupturen, Papillarmuskelruptur, -dysfunktion, Mitral-
ring- u. LV-Dilatation, paravalvuläres Leck einer Kunstklappe.
• K ongenital: Mitralsegelfensterung, „parachute mitral valve“ (▶ 4.3.5) als Teil
des Endokardkissendefekts, endokardiale Fibroelastose, TGA.

4.4.2 Anamnese u. Symptome
Asymptomatische Verläufe über Jahrzehnte sind möglich. Bei VHF verschlechtert
sich oft die klinische Situation, allerdings nicht so dramatisch wie bei MS.
• A  llgemeine Leistungsminderung u. Schwäche als Folge eines reduzierten HZV.
4 • D  yspnoe bei Belastung, Orthopnoe u. paroxysmale nächtliche Dyspnoe in
Abhängigkeit vom PAH. Selten Hämoptysis u. Lungenödem (Ausnahme:
Akute MR-Komponente bei chron. MR, z. B. durch infektiöse Endokarditis).
• P alpitationen: häufig. Verursacht durch atriale od. ventrikuläre Arrhythmi-
en, hypermotilen LV od. Impuls des Regurgitationsjets nach LA („left atrial
heave“).
• A  ngina pectoris: im Gegensatz zur MS seltener, meist atypische Angina.
! B ei typischer Angina V. a. KHK od. weitere valvuläre Erkr. (z. B. AS).
• E mbolie: seltener als bei MS, meist bei VHF od. infektiöser Endokarditis.
Tipps & Tricks
• S chwere MR: Symptome des reduzierten HZV, weniger der pulmonalen
Kongestion. Akute od. subakute MR: Symptome der Kongestion.
• T rügerischer asymptomatischer Verlauf zwischen Beginn der Regurgita-
tion u. der ersten klinischen Manifestation bei Fehlen eines „Frühwarn-
systems“.
•  ei jeder Herzinsuff. mit pulmonaler Kongestion od. typischen „Mitra-
B
lis-KO“ (z. B. VHF, Embolie, Rechtsherzinsuff.) MR ausschließen.

4.4.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Inspektion
• Jugularvenendistension bei Rechtsherzinsuff., evtl. mit inspiratorischer Beto-
nung (Folge einer TR).
• F acies mitralis (▶ 4.3.3) fehlt fast immer.
Palpation
• A rt. Puls mit raschem Anstieg (DD AS), in fortgeschrittenen Fällen (HZV ↓)
kleine Pulsamplitude.
• H erzspitzenstoß: hyperdynamisch nach li verlagert, verbreitert u. hebend.
 4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 173

• S ystol. Schwirren in Linksseitenlage bei schwerer MR.


• P arasternal palpabler systol. Impuls als „left atrial heave“, korreliert mit
Schwere der MR.
Auskultation
▶ Abb. 4.5..
• 1 . HT: normal od. abgeschwächt, bei VHF wechselnde Lautheit.
• 2 . HT: physiologisch gespalten bei leichter MR, weite Spaltung bei schwerer
MR (kurze LV-Ejektion, PAH), P2 ist dann betont.
• 3 . HT ist bei erheblicher Volumen-
belastung immer vorhanden (DD:
MÖT bei MS ▶ 4.3.3).
! C ave! Eine schwere MR hat gele- EKG
gentlich ein diastol. LV-Füllungsge-
räusch. Systolikum
• S ystol. Geräusch: typisches apikales
Systolikum mit Beginn zum Zeit- gering
punkt des 1. HT. Holosystol., band-
1. HT A 2 P2
förmig, hochfrequent blasend. P. m.
über Herzspitze, Fortleitung in 4
Axilla u. Rücken. Systolikum wird mittelschwer
leiser bei Adipositas, Emphysem,
begleitender MS, niedrigem HZV, 1. HT A2 P2 3. HT

extrem großem LA.


– MKP mit MR (▶ 4.6.3).
Diastolikum

– Papillarmuskeldysfunktion, z. B. schwer
bei KHK: meist kein systol.
Click, Systolikum mitt- bis end- A 2 P2 3. HT

systolisch, bei akuter Papillar-


muskeldysfunktion meist holo- Abb. 4.5 Auskultationsbefunde bei
systolisch. Mitralinsuffizienz [L157]

Schweregrade
• L eichte MR: hochfrequentes, hell blasendes Systolikum.
• S chwere MR: tiefer frequentes, raues Systolikum.
DD des Systolikums
• H OCM u. AS: bei MR keine wesentliche Intensitätsänderung des Systolikums
bei wechselnden RR-Intervallen im EKG (VHF).
• T R: bei MR keine Atemvariabilität der Lautheit des Systolikums (▶ 4.10).
• M KP (▶ 4.6.3), VSD (▶ 4.15.2).
• Ü ber den Lungen feuchte RG je nach Ausmaß der pulmonalen Stauung.
EKG
Unspezifische EKG-Veränderungen, abhängig von Dauer u. Schwere der MR.
• P sinistroatriale od. mitrale mit tiefem terminal neg. Anteil in V1. Tritt im
Vergleich zur MS rel. spät auf.
• V HF: grobe Flimmerwellen bei LA-Vergrößerung.
• Z eichen der LVH bei ca. 30 %; hohe R-Zacken li-präkordial mit tiefen S-Za-
cken repräkordial.
• Z eichen der RVH bei fortgeschrittener MR mit pulmonalem Hochdruck u.
Rechtsherzbelastung. Dann biventrikuläre („balancierte“) Hypertrophie.
174 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• H
 äufig ST-T-Veränderungen (uncharakteristische Schädigungszeichen bei
LV-Belastung).
• E KG-Varianten beim MKP (▶ 4.6.3) u. bei KHK (▶ 3.9.1) als Ursache der MR.
Röntgen-Thorax
• H
 erzkonfiguration: bei leichter MR unverändert, bei schwerer chron. MR
LV-, LA-, u. RV-Vergrößerung u. Zeichen der pulmonalen Stauung.
• L A-Dilatation: Aufspreizung des Tracheobronchialwinkels im p. a. Bild, Ver-
lagerung des Ösophagus (Breischluck) nach posterior im Seitbild.
• L V-Vergrößerung: Kardiomegalie durch Verbreiterung des Herzschattens nach
li, CTR > 0,5. Praktisch immer in Komb. mit LA-Dilatation u. Lungenstauung.
• L ungengefäßveränderungen: pulmonalvenöse Kongestion („Refluxlunge“)
mit Blutumverteilung nach kranial, Kerley-Linien, interstitielles Ödem in
fortgeschrittenen Fällen. Pleuraerguss.
•  ei pulmonalem Hochdruck erweiterte zentrale PA, angehobene re-seitige
B
Ausflussbahn u. Herzverbreiterung nach re durch RA-Dilatation.
•  ativverkalkungen von MK-Strukturen.
N

4 Bei normaler Herzsilhouette mit massiven Zeichen der pulmonalen Konges-


tion (Prälungenödem) V. a. akute MR od. akute Komponente einer leichten
chron. MR.

Echokardiografie
Meist indirekte Hinweise zum Schweregrad der MR u. den Auswirkungen auf die
kardialen Strukturen.
M-Mode
• L A u. LV: Dilatation, überhöhte Bewegungsamplituden von Septum u. freier
LV-Hinterwand. LA-Hinterwand zeigt evtl. systol. Expansionsbewegung nach
dorsal (Folge des Regurgitationsjets).
• A oK-Bewegungsmuster: allmähliche Schließbewegung (Konvergenz der
Klappentaschen) in der Systole. Verminderte Exkursionsbewegungen der
Aortenwurzel in fortgeschrittenen Fällen (HZV ↓).
• D ie MK-Strukturen können unauffällig sein! Chaotische Bewegungen bei
Ein- od. Abriss eines Klappensegels („flail mitral valve“). Bei Endokarditis
(▶ 5.1) Nachweis flottierender Vegetationen. Bei rheumatischer MR verdickte
Klappensegel, ggf. pathol. Vorwärtsbewegung des PML bei verklebten Kom-
missuren u. abgeflachtem EF-Slope. MKP (▶ 4.6.3).
• D D rel. vs. primäre MR: Rel. MR bei dilatiertem LV mit großem E-Septum-
Abstand u. kleinen Bewegungsexkursionen der Mitralsegel (Zeichen des
transmitralen low flows).
2-D-Echokardiografie
Übersicht bei apikaler Anlotung (4-Kammer-Blick od. RAO-Äquivalent) mit
Darstellung des gesamten MK-Apparats einschließlich der Papillarmuskeln.
• T ypische Konstellation der Herzhöhlengröße: großes LA, normal großer od.
dilatierter LV. Normo- od. hyperkontraktiler LV trotz LV-Dilatation.
• H inweise zur Ätiol.: MKP (▶ 4.6.3), Endokarditisvegetationen (▶ 6.5.1), MK-
Ausriss („flail“), Ruptur der Chordae tendineae, verklebte Mitralsegelkom-
missuren (rheumatisch ▶ 4.3.1), Mitralringverkalkung, Spaltbildung der Mi­
tralsegel (kongenital), Endokardkissendefekt (▶ 4.14.2, ▶ 4.15.2).
 4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 175

Doppler
Auch bei Gesunden häufig Regurgitationen ohne Krankheitswert nachweisbar.
Typisches Dopplerprofil: zur raschen Orientierung im apikalen 4-Kammer-Blick
mit Farbdoppler anloten. Das Rückflusssignal beginnt bei holosystol. Regurgitati-
on am Ende des QRS-Komplexes.
• F arb-Doppler: Turbulente Strö-
mungen erscheinen als türkis ge- EKG
sprenkeltes Muster.
• Im pw-Doppler mit Messvolumen
auf Höhe der MK-Ebene entsteht m/s
wegen der hohen Geschwindigkei- 0
ten ein Aliasing-Phänomen.
• D ie cw-Dopplerkurve (▶ Abb. 4.6) 2 Holosystolische
Mitralinsuffizienz
zeigt eine von Turbulenzechos aus- 4
gefüllte Hüllkurve.
! C ave! Exzentrische Jets u. kurze, Abb. 4.6 Dopplerprofil (cw) einer ho­
mitt- bis endsystol. Regurgitationen losystolischen Mitralinsuffizienz [L157]
können leicht übersehen werden.
Schweregradbestimmung 4
Semiquantitative Abschätzung durch Bestimmung von Defektgröße an der Klap-
pe (V. contracta), Regurgitationsgeschwindigkeit (Längen- bzw. Flächenausdeh-
nung) u. -dauer.
• D efektgröße (V. contracta): Breite des Refluxsignals in seinem Ursprung
entspricht nahezu der morphologischen Defektgröße in der Klappenebene.
MK in der kurzen Achse darstellen, Durchmesser der kleinsten Defektstelle
im Farbdoppler erfassen: < 4 mm leichte, 4–7 mm mittelschwere, > 7 mm
schwere MR. Bei apikaler Anlotung in mind. 2 senkrecht aufeinanderstehen-
den Achsen untersuchen (4-Kammer-Blick, RAO-Äquivalent), große Fluss-
konvergenz, systol. Flussumkehr in den Pulmonalvenen; dichtes, trianguläres
cw-Profil, prominente E-Welle (> 1,2 m/s). Quantitative Parameter: Regurgi-
tationsvolumen > 60 ml/Schlag, Regurgitationsfraktion > 50 %, effektive Re-
gurgitationsöffnungsfläche > 0,4 cm2.
• L ängen- bzw. Flächenausdehnung im Farbdoppler, pw-Mapping.
• D auer der Regurgitation: Das Regurgitationsvolumen ist direkt proportional
der zeitlichen Dauer eines Refluxes. Die Dauer der MR aus dem Farb-M-­
Mode entnehmen.
• T EE-Farb-Doppler: sehr sensitiv. Bei leichter u. mittelschwerer MR ist TEE
der TTE u. der Angio überlegen. LA in mehreren Ebenen untersuchen u.
größte Ausdehnung des Refluxjets erfassen; auch nach atypischen, exzentri-
schen Regurgitationsjets suchen.
! E xakte quantitative Schweregradbestimmung ist mit keiner Doppler-Metho-
de, auch nicht im TEE, möglich.
• S chweregradbeurteilung nach Fläche des Refluxes in Relation zur Größe
des LA:
– Leichte MR: < 4 cm2 (< 40 % Vorhofgröße).
– Mittelschwere MR: 4–8 cm2 (40–60 %).
– Schwere MR: > 8 cm2 (> 60 %). Cave! Sehr empfindlich für RR-Schwan-
kungen (RR hoch → Jet groß, RR niedrig → Jet klein).
• G epulste Doppler-TEE: Schweregradbeurteilung mittels pw-Doppler durch
Mapping. Mit Messvolumen Breite u. Tiefenausdehnung bestimmen. Insge-
176 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

samt schwieriger, störanfälliger u. zeitaufwendiger als die Farb-Doppler-Me-


thode. Schweregradeinteilung nach den gleichen Kriterien.
• S chweregradbestimmung nach PISA-Methode:
– Regurgitationsöffnung ermittelt nach proximaler Konvergenzmethode:
< 0,1 cm2 leichte, 0,1–0,4 cm2 mittelschwere, > 0,4 cm2 schwere MR.
– Max. Regurgitationsfluss nach proximaler Konvergenzmethode:
< 100 ml/s leichte, 100–180 ml/s mittelschwere, > 180 ml/s schwere MR.

Schweregrade
Einteilung der MR nach klinischen u. nichtinvasiven Kriterien in folgende Schwe-
regrade:
Leichte Mitralinsuffizienz
• K  linik: meist asymptomatisch, gelegentlich Dyspnoe bei höhergradiger Belas-
tung, vereinzelt Palpitationen.
• A  uskultation: bandförmiges Geräusch, evtl. Crescendo-Decrescendo od.
Crescendo-Geräusch, 3. HT eher selten.
• E KG: kein wesentlicher pathol. Befund. P mitrale möglich.
• R ö-Thorax: kein wesentlicher pathol. Befund, unter DL evtl. verstärkte Pulsa-
4 tionen des LA.
• E cho: Hyperkinetischer LV ohne wesentliche Dilatation, LA mäßig dilatiert,
Doppler-Schweregrad I–II.
Mittelgradige Mitralinsuffizienz
• K linik: uncharakteristische Symptome (Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Palpi-
tationen), Dyspnoe bei mittelgradiger od. höhergradiger Belastung.
• P alpation: Herzspitzenstoß hebend, lateralisiert, verbreitert. Evtl. Pulsus celer
et altus.
• A uskultation: 1. HT abgeschwächt; hochfrequentes, meist bandförmiges Ho-
losystolikum über Herzspitze mit Fortleitung in die Axillarlinie, weite Spal-
tung des 2. HT, 3. HT regelmäßig vorhanden.
• E KG: P mitrale, Linkstyp, diskrete Zeichen der LVH, keine relevanten ST-T-
Veränderungen („Schädigungszeichen“).
• R ö-Thorax: Vergrößerung des LA, Herztaille verstrichen, LA re randbildend,
LV vergrößert, keine wesentlichen pulmonalen Stauungszeichen.
• E cho: LV enddiastol. vergrößert, endsystol. noch normal, erhebliche LA-Di-
latation, LV-Hyperkinesie, vorzeitiger AoK-Schluss. Doppler-Schweregrad
II–III.
Hochgradige Mitralinsuffizienz
• K linik: Zeichen der Links- u. evtl. Rechtsherzinsuff., periphere Zyanose,
hochgradige Dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe.
• A uskultation: 1. HT abgeschwächt, bandförmiges Holosystolikum, breite
Spaltung des 2. HT, 3. HT, diastol. transmitrales Strömungsgeräusch.
• E KG: VHF, evtl. ventrikuläre Arrhythmien, LVH u. ST-T-Veränderungen,
Zeichen der Rechtsbelastung.
• R ö-Thorax: Kardiomegalie durch progrediente Vergrößerung von LA u. LV
bis Cor bovinum, Lungenstauung bis Prälungenödem.
• E cho: LA u. LV dilatiert, hypermotiler LV, frühzeitiger AoK-Schluss. Nach
Dekompensation Abnahme der LV-Motilität, Doppler-Schweregrad III–IV.
 4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 177

4.4.4 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Pulmonalart. u. pulmonalkapilläre Druckerhöhung mit hoher v-Welle bei Re-
gurgitation, vermindertes HZV, hyperkontraktiler LV mit systol. Volumenre-
gurgitation nach LA.

Indikationen
• C hron. MR im klinischen Stadium NYHA II–IV.
• C hron. stabile MR mit V. a. akute Komponente.
• M R u. eingeschränkte LV-Gesamtfunktion. DD primäre od. rel. MR.
• S chwere MR mit normaler LV-Funktion u. geringer klinischer Symptomatik,
insbes. wenn klappenerhaltende OP noch möglich erscheint.
• M R bei multivalvulärer Herzerkr., wenn die Befunde der nichtinvasiven
­Diagn. nicht schlüssig sind od. eine operative Ther. geplant ist.
•  R mit Ind. zur operativen Ther.
M
•  R u. Notwendigkeit einer Koro bei Pat. > 40 J. od. mit RF für atherosklero-
M
tische Erkrankungen. 4
Hämodynamik u. angiografische Befunde
Schweregradeinschätzung anhand der Höhe der v-Welle, des PCWP u. PAP, der
diastol. LV-Drücke, der LV-Funktion u. des angiografischen Regurgitations-
bilds.
Drücke
• F ormanalyse: Typisch hohe v-Welle in PCW-Position, steiler Abfall der v-
Welle zum y-Tal. Evtl. erhöhter PA-Mitteldruck u. LVEDP. Bei kombinier-
tem Vitium besteht ein Druckgradient (▶ 4.4.4.).
• A bsolute Drücke: v-Welle, PCW- u. PAP sind abhängig vom Schweregrad
der MR. Der LVEDP ist typischerweise sehr viel niedriger als der mittlere PC-
Druck (▶ Abb. 4.7).
• Interpretation des v-Wellen-Verhaltens:
– Chron. MR: Regurgitation in ein dilatiertes LA, das ein großes Refluxvo-
lumen ohne wesentlichen Druckanstieg aufnehmen kann (hohe Compli-

chronische Mitralinsuffizienz akute Mitralinsuffizienz

EKG

mmHg
100 Ao
Ao
v LV
PC
50 LV
PC
a
y Phono
x
0

1. HT 2. HT 3. HT 4. HT 1. HT 2. HT 3. HT
Systolikum Systolikum

Abb. 4.7 Hämodynamisches Profil der chron. u. akuten Mitralinsuffizienz [L157]


178 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

ance). Auch bei schwerer MR kein wesentlicher Druckanstieg in der PC-


Position.
– Akute MR ▶ 4.5.4.
!  ehlt eine hohe v-Welle, ist eine schwere MR nicht ausgeschlossen!
F

Fehlermöglichkeiten
• E ine prominente v-Welle kann auch ohne MR bei LV-Dysfunktion u.
hohen li-seitigen Füllungsdrücken während der Ventrikelsystole auftre-
ten. Die v-Welle des PCWP muss mind. 50 % höher sein als die a-Welle
des gleichen Drucks, um als Hinweis auf MR zu gelten. Die diagn. Aus-
sagekraft umso größer, je höher die v-Welle in Relation zur a-Welle ist.
•  ohe v-Wellen bis 50 mmHg ohne MR: bei allen Erkr. mit hohem pul-
H
monalen Fluss möglich, z. B. erworbener VSD bei akutem MI.

LV-Angiografie
Bestimmung der Ventrikelvolumina in Endsystole u. -diastole (in ml/m2), der
Gesamt-EF (in %) u. des Ausmaßes der MR (Grad I–IV).
• E F: im kompensierten Stadium einer MR durch die reduzierte Nachlast „su-
4 pernormal“ (MK als Leck). Eine „normale EF“ (60–65 %) ist Hinweis auf eine
systol. LV-Dysfunktion, reduzierte EF (40–60 %) bei erheblicher Ventrikel-
dysfunktion. Aussagekräftiger Indikator für den peri- u. postop. Verlauf.
• L VESV: normal < 30 ml/m2. Maß der LV-Funktion mit prognostischer Be-
deutung. Günstiger Verlauf bei normalem LVESV. Bei LVESV 30–90 ml/m2
postop. Besserung nicht zwingend zu erwarten. Bei LVESV > 90 ml/m2 hohe
OP-Letalität u. schlechte LV-Funktion postop.

Grundsatz: „Mitral regurgitation begets mitral regurgitation“. Eine MR ver-


stärkt durch eine zunehmende LV-Volumenbelastung u. -Dilatation die be-
stehende MR.

Aortografie
Zum Ausschluss/Nachweis einer AR.

4.4.5 Differenzialdiagnose
 S (▶ 4.7): Crescendo-/Decrescendo-Austreibungsgeräusch, P. m. über Herz-
• A
basis, gelegentlich bis apikal reichend! Fortleitung in Karotiden, teils tastbares
Schwirren über Herzbasis. Geräusch zeigt keine Atemabhängigkeit. Ge-
räuschintensität nimmt bei Valsalva-Manöver ab, postextrasystolisch zu.
EKG: ausgeprägte LVH. Echo zur definitiven Diagnose.
•  SD (▶ 4.15): holosystol., bandförmiges Pressstrahlgeräusch mit P. m. über
V
dem li unteren Sternalrand, teils tastbares Schwirren, fehlende Atemabhän-
gigkeit. Bei großen Defekten leiser u. spindelförmig. Hyperkinetischer Herz-
spitzenstoß. EKG u. Rö-Thorax: biventrikuläre Hypertrophie, pulmonale Ple-
thora im Rö. Definitive Diagnose durch Doppler.
•  OCM (▶ 5.5.1): Ausflusstraktgeräusch u. Geräusch der MR möglich. Systo-
H
likum mit P. m. über unterem Sternalrand, nicht in die Karotiden fortgeleitet,
vom 1. HT abgesetzt, meso-spätsystol. Maximum, meist lauter 4. HT. Gut ge-
füllter Puls, evtl. Pulsus bisferiens. Zunahme des Geräuschs nach Gabe von
 4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 179

Amylnitrit. Valsalva: in der Pressphase Zunahme, nach Loslassen Abnahme


der Geräuschintensität, Geräusch postextrasystolisch akzentuiert. EKG: aus-
geprägte LVH. Echo zur definitiven Diagnose.
•  R (▶ 4.10): holosystol. Geräusch ohne Fortleitung über li u. gelegentlich
T
auch re unterem Sternalrand, Geräuschzunahme bei Inspiration, prominente
v-Welle des Venenpulses, pulsatile Leber, normaler Herzspitzenstoß.
•  unktionelles Geräusch: selten holosystol., meist ohne 3. HT. EKG, Rö-Tho-
F
rax meist normal.

4.4.6 Therapie
Grundsätze
• Immer an klinischen u. hämodynamischen Parametern (Schwere der MR,
LV-Dysfunktion) orientieren.
• B ei Erstsymptomen, Änderung der Klinik bei bisher stabilem Verlauf od. KO
vor Revision der bisherigen Ther.-Strategie komplette Diagn. durchführen.
• N
 ormale Messwerte der systol. Funktion (LVEF, LVESV) signalisieren bereits
eine wesentliche Funktionseinbuße: Die Entscheidung über eine operative
Ther. muss ohne Zeitverzug erfolgen. 4
Der systol. LV-Funktion kommt bei der MR eine Schlüsselrolle zu: Bei keiner
anderen Herzklappenerkr. sind Operabilität, OP-Letalität, klinischer Verlauf
nach OP u. Prognose so entscheidend abhängig von systol. Funktion wie bei
der MR.

Konservative Therapie
Allgemeine Regeln
• R egelmäßige Verlaufskontrollen (▶ 4.2) wegen Gefahr der rel. rasch einset-
zenden Verschlechterung u. der Unterschätzung einer LV-Dysfunktion.
• A  rt. Hypertonie (▶ 9.1) konsequent behandeln (erhöhte Nachlast verschlech-
tert MR).
• B ei Herzinsuff., die nicht prompt u. stabil auf med. Ther. anspricht, ist eine
baldige Dekompensation wahrscheinlich. Konsequent chirurgische Ther. des
Vitiums anstreben.
• B ei klinischer Verschlechterung auch an zusätzliche akute MR denken
(Chordae-Abriss, Endokarditis).
• P rophylaxe eines rheumatischen Fiebers (▶ 6.3) u. einer infektiösen Endokar-
ditis (▶ 6.1.4).
• A  symptomatische Pat.: kons. Ther., Verlaufsbeobachtung. Je schwerer die
MR, desto kürzer die Abstände.
! W  ichtig! OP-Ind. auch bei asymptomatischen Pat. beachten (s. u.).
Medikamentöse Therapie
 iuretika (▶ 11.2): günstiger Einfluss auf pulmonale Kongestion u. damit auf
• D
Dyspnoe. Vorsicht bei dekompensierten Pat. mit bereits erniedrigtem HZV
(Gefahr der kritischen Vorlastreduktion, v. a. bei kombinierten Mitralvitien).
Keine Diuretika bei asymptomatischen Pat.
 igitalisglykoside (▶ 11.5.1): adjuvante Maßnahme bei eingeschränkter sys-
• D
tol. LV-Funktion. Gesicherte Ind. bei VHF zur Kontrolle der Ventrikelfre-
quenz. Evtl. zusätzlich Verapamil od. Betablocker (▶ 11.3.3).
180 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

 CE-Hemmer: (▶ 11.4.1): bei art. Hypertonie od. zur postop. Behandlung


• A
bei eingeschränkter systol. LV-Funktion, d. h. bei manifester Herzinsuff. ge-
ben.
•  ntikoagulation (▶ 11.7, ▶ Tab. 4.2).
A

Tab. 4.2 Antikoagulation bei MR


Indikation Befunde
Gesichert Kombinierter Mitralfehler + VHF
MR + VHF + Thrombembolie
MR od. kombiniertes Vitium + Sinusrhythmus + Embolie
Weitgehend akzeptiert MR + VHF + sehr großes LA
MR + Sinusrhythmus + einmalige Embolie
Umstritten MR + VHF + mäßig dilatiertes LA
Keine Indikation MR + Sinusrhythmus
MR od. kombiniertes Mitralvitium + Sinusrhythmus ohne
Embolie + mäßige LA-Dilatation
4
Chirurgische Therapie
▶ Abb. 4.8.
Indikationen bei organischer Mitralinsuffizienz
• S chwere, akute MR.
• M K-Endokarditis mit kons. nicht beherrschbarer Infektion.
• A symptomatische Pat. mit schwerer MR und
– paroxysmalem od. neu aufgetretenem VHF oder
– systol. PAP in Ruhe > 50 mmHg oder
– LVEF < 60 % u. LVESD > 45 mm u. fehlender kontraktiler Reserve (bei
Belastung).
• A symptomatische Pat. mit schwerer chron. MR u. LVEF > 60 %, wenn Re-
konstruktion bei niedrigem OP-Risiko dauerhaft möglich (Ind. wird noch
kontrovers diskutiert).
• A symptomatische Pat. mit schwerer chron. MR mit LVEF < 60 % u./od.
LVESD > 45 mm.
• S ymptomatische Pat. mit schwerer chron. MR u. LVEF > 30 % u. LVESD
< 55 mm.
• S ymptomatische Pat. mit schwerer chron. MR mit LVEF < 30 % u./od.
LVESD > 55 mm, wenn Rekonstruktion dauerhaft möglich.
! N eben der Klinik sind die Dimensionen u. die systol. Funktion des LV (ge-
messen an der EF u. dem endsystol. Diameter) Dreh- u. Angelpunkt des Vor-
gehens: Ein Trend zur früheren operativen Ther. vor manifester systol. Dys-
funktion zeichnet sich ab. Eine frühzeitige operative Ther. muss v. a. dann
diskutiert werden, wenn bei niedrigem OP-Risiko (u. a. auch geringe Komor-
biditäten) eine dauerhafte Rekonstruktion möglich ist.
Indikationen bei funktioneller Mitralinsuffizienz
• S chwere chron. MR bei ausgewählten Pat. mit zusätzlicher „Rekonstruktion
des LV“ (z. B. Dor-OP) bei hochgradiger systol. LV-Dysfunktion, die trotz
umfangreicher kons. Ther. symptomatisch sind.


Chronische, schwere Mitralinsuffizienz

NYHA I NYHA II NYHA III–IV

Normale Eingeschränkte Normale MK-Rekonstruktion


LV-Funktion LV-Funktion LV-Funktion wahrsch. möglich?

EF > 60% EF ≤ 60% EF > 60%


LVESD < 40 mm LVESD ≥ 40 mm LVESD < 40 mm Ja Nein

• Vorhofflimmern? MK-Rekonstruktion
EF > 30%
• Systol. PAP↑? wahrsch. möglich?
> 50 mmHg in Ruhe
> 60 mmHg bei Nein Ja
Belastung Ja Nein

Nein Ja
MK-Rekonstruktion MK- Konservative
oder MK-Ersatz MK-Ersatz
Rekonstruktion Therapie
MK-Ersatz

Abb. 4.8 Flussdiagramm chronische, schwere Mitralinsuffizienz [L157]


• Konservativ
• ½-jährliche Kontrollen
4
4.4 Chronische Mitralklappeninsuffizienz 181
182 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

 iese restriktive Ind. gilt ausschließlich bei isolierten Eingriffen an der MK,
! D
um eine HTX zu vermeiden od. aufzuschieben. Das MK-Clipping stellt heute
eine Option im Sinne einer palliativen Maßnahme dar (Diskussion im Herz-
team, Durchführung nur in erfahrenen Zentren).
Indikationen bei chronischer ischämischer Mitralinsuffizienz
• S chwere MR mit LVEF > 30 % im Rahmen einer koronaren Bypass-OP,
• m ittelschwere MR im Rahmen einer koronaren Bypass-OP, wenn Rekonst-
ruktion möglich,
• s ymptomatische Pat. mit schwerer MR bei LVEF < 30 % bei zusätzlicher ko-
ronarer Bypass-OP,
• s ymptomatische Pat. trotz optimaler kons. Ther. mit schwerer MR, LVEF
> 30 % ohne Möglichkeit einer koronaren Bypass-OP (bei niedriger Komorbi-
dität).
Operative Verfahren
Bei Pat. im Stadium NYHA IV sehr hohe OP-Letalität. Allerdings auch sehr
schlechte Spontanprognose, kons. Ther. führt meist zu keiner Besserung.

4 Mitralklappenrekonstruktion
• I nd.: ausgeprägter MKP (▶ 4.6), Abriss des posterioren Papillarmuskels. Dila-
tation des muralen Anteils des Mitralklappenanulus od. des PML. Rheuma-
tisch bedingte MR bei Kindern u. Jugendlichen ohne Klappenverkalkungen u.
Stenosekomponente.
•  ngeeignet für Rekonstruktion: kombinierte Mitralvitien, MR bei florider
U
Endokarditis, Ruptur von Sehnenfäden des AML, Prolaps des AML.
•  erfahren:
V
– Anuloplastik bei dilatiertem od. deformiertem Klappenring mit Ringpro-
these (Duran-, Carpentier-Ring) od. speziellen Nahttechniken.
– Valvuloplastik: Defektverschluss durch Naht od. Patch u. Anulusraffung
bei Segeleinriss. Verkürzungs- od. Verschiebeplastik bei elongierten Segel-
fäden. Raffung od. Teilresektion des PML bei rupturierten Chordae. Re-
konstruktion mit autologem od. künstlichem Material, Transposition von
Sehnenfäden bei rupturierten Chordae des AML.
•  orteile im Vergleich zum Klappenersatz: Funktionelle Einheit des Mitral-
V
klappenapparats bleibt erhalten, niedrige Thrombembolierate (0,9 %/J.), Anti-
koagulation nur bei weniger als der Hälfte der Pat. notwendig, Endokarditis-
gefährdung geringer, keine Hämolyse, kein Klappengeräusch, Re-OP-Inzi-
denz abhängig von Ätiol. (ischämisch 0,6 %/J., rheumatisch 2,5 %/J., degene-
rativ [MKP] bis 3,0 %/J.).
•  eriop. Letalität: abhängig von Ätiol. (rheumatisch 2–4 %, degenerativ
P
5–8 %, ischämisch bis 20 %).
Interventionelle Therapie: Mitralklappen-Clipping
• P erkutane Implantation eines Clips, der die mittleren Segmente der AML u.
PML fasst. Die Klappenöffnungsfläche wird durch das neue „doppelte Orifizi-
um“ reduziert, die MR wird reduziert (Verfahren imitiert das chirurgische
Vernähen der Segmente – sog. Alfieri-Stich). Ziel des Verfahrens: Reduktion
des Schweregrads einer MR von „schwer“ nach „leicht bis mittelschwer“.
• V  erfahren ist in Entwicklung begriffen, in Einzelfällen Option für ausgewähl-
te Pat., interdisziplinäre Ind.-Stellung ist essenziell.
 4.5 Akute Mitralklappeninsuffizienz 183

• Ind.: schwere organische od. funktionelle MR bei Pat. mit hohem OP-Risiko.
Grundsätzlich gelten die gleichen Kriterien wie für einen chirurgischen Klap-
peneingriff.
•  oraussetzungen, geeignete Klappenanatomie: LVEF > 25 %, LVESD
V
< 55 mm, zentraler Jetursprung, Klappenöffnungsfläche > 4 cm2, nur geringer
Prolaps < 10 mm über korrespondierendem Segel, Prolapsbreite < 15 mm,
beide Segel müssen auf dem jeweiligen Clip-Arm aufladbar sein (Probleme
bei Restriktion des PML, ausgeprägtem MKP, Chordae-Rupturen).
•  rgebnisse: akute Erfolgsrate um 95 %, Reduktion von Regurgitationsgrad u.
E
NYHA-Stadium. Im Vergleich zum chirurgischen Verfahren ist die Prozedur si-
cher u. genauso effektiv. Noch keine mittel- od. langfristigen Ergebnisse verfügbar.
!  K-Clipping ist eine attraktive Alternative zur chirurgischen Ther. bei
M
schwerer MR bei ausgewählten Pat.; Einsatz nur in ausgewählten Zentren mit
wissenschaftlicher Begleitung.
Mitralklappenersatz
• P rothesen u. Protheseneigenschaften ▶ 4.3.6.
• P eriop. Letalität: u. a. abhängig vom klinischen Stadium zum Zeitpunkt der
OP. NYHA II, III 4–8 %, NYHA IV bis 30 %. Sie wird beeinflusst durch Pat.-
Alter u. das funktionelle Stadium nach NYHA, HZV, LVEDP, LVESVI u. EF. 4
• L angzeitergebnisse: abhängig von Ätiologie. 10-JÜR nach MK-Ersatz um
65 %, natürlicher Verlauf ohne OP < 25 %. Bei ischämischer Genese schlechte
Langzeitergebnisse: 5-JÜR ca. 30 %!
Komplikationen der MR u. ihre Behandlung
▶ 4.3.7.
4.4.7 Natürlicher Verlauf
Prognose quoad vitam (nach Stellung der OP-Ind., aber kons. Behandlung): MS
> MR > kombiniertes Mitralvitium.
• B ei asymptomat. Pat. mit leichter MR stabiler Verlauf über Jahrzehnte möglich.
• B ei Bindegewebserkr. raschere Progression als bei rheumatischer Genese.
• D eterminanten einer schlechten Prognose bzw. eines akzelerierten Ver-
laufs: LVEF ↓, HZV ↓, LVEDP ↑, LVESV ↑, LVEDV ↑, Kardiomegalie mit
CTR > 0,6.
• M ittlere Überlebensrate der reinen MR bei kons. Ther. nach Stellen der OP-
Ind.: 2,2 J.

4.5 Akute Mitralklappeninsuffizienz
Leitbefunde
• P erakute Dyspnoe, die auf therap. Maßnahmen nicht od. schlecht an-
spricht, Tachykardie, Schock, Kongestion, low output.
• R aues Systolikum mit frühsystol. Maximum über dem gesamten Präkordi-
um, Rücken, Halsregion, Summationsgalopp, feuchte RG über den Lungen.
• R ö-Thorax: normale Herzsilhouette, pulmonalvenöse Kongestion bis
florides Lungenödem.
• E cho: hyperkontraktiler, normal großer LV, normal großes LA, typische
Läsionen von MK u. Halteapparat.
184 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.5.1 Ätiologie
• A
 kuter MI: häufigste Ursache. Papillarmuskeldysfunktion od. -ruptur tritt
40–60 h nach Beginn eines inferioren MI auf (▶ 3.6). Häufigkeit < 1 % der
HWI, Mortalität bis 70 %. Viel häufiger sind Papillarmuskelnekrosen ohne
Ruptur (> 50 % der HWI).
• I nfektiöse Endokarditis: zweithäufigste Ursache, meist Chordae-Rupturen,
seltener Klappenperforationen.
• S pontane Chordae-Rupturen durch mechanische Überlastung der Klappe,
myxomatöse Degenerationen od. Jet-Läsionen bei florider AoK-Endokarditis.
• R heumatische MK-Endokarditis: nur bei kompliziertem Verlauf (Degenera-
tion, Endokarditis).
• M KP: bei myxomatöser Degeneration Spontanruptur der Chordae od. Perfo-
rationen voluminöser Klappensegel.
•  oraxtrauma: Chordae- u. Papillarmuskelrupturen mit akuter MR meist
Th
tödlich.
• P aravalvuläres Leck: akute MR frühpostop. bei Nahtinsuff. od. Prothesenen-
dokarditis.

4 V. a. akute MR bei jeder akuten od. subakuten Verschlechterung einer chron.


MR, jeder akuten Linksherzdekompensation bei MK-Endokarditis u. bei infe-
riorem MI („unerklärbare klinische Verschlechterung“).

4.5.2 Symptome
• S ymptome der kardialen Grundkrankheit: KHK (▶ 3.4), infektiöse Endo-
karditis (▶ 6.1), MKP (▶ 4.6.2), chron. MR (▶ 4.4.2).
• S ymptome der akuten MR: Dys-, Ortho-, Tachypnoe. Distanzrasseln bei flo-
ridem Lungenödem. Zeichen der peripheren Hypoperfusion (▶ 4.4.2).
 bortive Verlaufsformen mit subakutem Verlauf sind nicht selten: „Knick“
! A
im klinischen Verlauf, weniger ausgeprägte Kongestionssymptome. Bei vor-
geschädigtem LV kann sich trotz subakuter, geringer akuter MR rasch eine
Herzinsuff. mit low output u. peripherer Hypoperfusion entwickeln (▶ 8.2.1).

4.5.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Inspektion
Schwer kranke Pat. mit Orthopnoe, Tachypnoe u. Distanzrasseln. Habitus: Mar-
fan-Sy., Stigmata des MKP (▶ 4.6.3). Periphere Zeichen einer infektiösen Endo-
karditis (▶ 6.1).
Palpation
Karotispuls mit schnellem Aufstrich u. kleiner Amplitude (DD zu AR); hyperdy-
namer Herzspitzenstoß, selten nach lateral verlagert. Spätsystol. li parasternaler
Impuls („left atrial heave“, „lift“) durch Expansion des LA beim Auftreffen des
Regurgitationsjets. Evtl. palpables Schwirren über der Herzspitze.
 4.5 Akute Mitralklappeninsuffizienz 185

Auskultation
• S ystolikum mit frühsystol. Maximum (höchster Druckgradient zwischen LV
u. LA), dann oft Decrescendo (Abnahme der Druckdifferenz gegen Ende der
Systole). Gelegentlich Holosystolikum mit Decrescendo-Charakter. Klang-
charakter meist extrem rau. P. m. über gesamtem Präkordium mit Fortleitung
in Axillarlinie, Rücken od. nach kranial bis ins Jugulum (Verwechslung mit
AS möglich!). Bei Beteiligung des PML P. m. über Herzbasis u. oberer vorde-
rer Thoraxapertur. Bei Beteiligung des AML Fortleitung in Axilla u. Rücken.
• D iastolikum bei schwerer akuter MR (transmitrales Flussgeräusch).
• H erztöne: 2. HT bei vorzeitigem AoK-Schluss u. betontem P2 akzentuiert,
weit gespalten. 3. u. 4. HT als Summationsgalopp.
• F euchte RG über allen Lungenpartien bei florider Kongestion. Wesentlich
geringer ausgeprägt, wenn low-output überwiegt.

Tipps & Tricks


• S ystolikum kann trotz schwerer akuter MR fehlen, z. B. bei Papillarmus-
kelruptur mit erheblicher Linksherzinsuff. in ca. der Hälfte der Fälle!
• P at. mit akutem MI täglich auskultieren u. Befund dokumentieren. Si-
chert frühzeitige Erkennung einer akuten MR u. eines erworbenen VSD 4
(wichtigste DD).

EKG
Sinustachykardie (DD zur chron. MR mit VHF) mit unspezifischen ST-T-Verän-
derungen. P-Wellen-Veränderungen, supraventrikulären Arrhythmien u. Zei-
chen der Rechtsbelastung bei subakuten Verläufen. Akuter MI (▶ 3.6); MKP
(▶ 4.6).

Röntgen-Thorax
Typisch: Herzsilhouette in Rö-Übersicht unauffällig. Gleichzeitig Zeichen der
pulmonalen Kongestion bis zum Lungenödem. Lungenödem evtl. atypisch (Sei-
tenbetonung, Betonung einzelner Lungenlappen).

Echokardiografie
M-Mode
• L A u. LV normal groß.
• Ü berhöhte (hyperkinetische) Bewegungsamplituden von Septum u. LV-Hin-
terwand. Evtl. systol. Expansionsbewegung der LA-Hinterwand nach dorsal.
• V orzeitige Schließbewegungen der AoK-Taschen (systol. Konvergenzbewe-
gung) bei vermindertem Vorwärts-SV.
• M K-Strukturen: Fremdmassen bei Endokarditis, chaotisch bewegliche
Chordae- od. Segelstrukturen bei ausgerissener Klappe/Klappenteilen, Pro-
lapsbewegungen von Teilen des MK-Apparats nach LA.
2-D-Echokardiografie
• S ynoptische Darstellung von LA, LV u. MK. LA u. LV normal groß. Hyper-
kinetischer LV. Gestörte regionale Wandbeweglichkeit, z. B. bei HWI hypo-
od. akinetische Hinterwand u. hypermotile anteriore Wandabschnitte.
• V eränderungen der MK: Prolapsbewegungen von Teilen des MK-Apparats,
chaotische Bewegungsexkursionen von Klappenteilen bei Ausrissen („flail
mitral valve“), endokarditisverdächtige Fremdmassen.
186 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

TEE
Differenzierte Beurteilung der MK-Morphologie u. -Funktion auch bei hämo-
dynamisch massiv eingeschränkten Pat.; Endokarditisdiagn. (▶ 6.5.1); Nachweis
von Chordae-Rupturen, Rupturen von Papillarmuskelapices, Segeleinrissen u.
-prolapsbewegungen; Nachweis eines paravalvulären Lecks od. von Teilausrissen
von Mitralkunstklappen. Im Farb-Doppler sensitiver Nachweis exzentrischer Re-
gurgitationsjets auch bei Kunstklappe in Mitralposition.
Doppler
Keine DD zwischen akuter u. chron. MR möglich. Schweregradbeurteilung (▶ 4.4.3).

Tipps & Tricks


• „ Normales“ TTE schließt akute/subakute MR nicht aus. Eine weitere
Klärung durch TEE ist zwingend erforderlich!
• Jeder V. a. eine Mitralkunstklappendysfunktion od. infektiöse Endokar-
ditis der MK muss mittels TEE geklärt werden!

4 4.5.4 Invasive Diagnostik
Leitbefunde
Pulmonalart. u. pulmonalkapillare Druckerhöhung mit hoher v-Welle, hyper-
kontraktiler LV mit systol. Volumenregurgitation in ein nicht dilatiertes LA.

Indikationen
Eine klinische Schweregradbestimmung ist bei akuten MR meist unzureichend.
Pat. stabilisieren (▶ 4.4.6), um invasive Diagn. vornehmen zu können:
• p räop. bei akuter od. subakuter MR,
• a kute od. subakute MR bei akutem MI, ohne Möglichkeit zur kons. Stabilisie-
rung; Klärung des Koronarstatus,
• b ei nicht schlüssigen Befunden der nichtinvasiven Diagn. u. weiter bestehen-
den DD-Problemen, z. B. akute MR – VSD.

Rechtsherzkatheter zur Diagnostik auf der Intensivstation


• v -Welle (Regurgitationswelle) im PCWP registrieren. Der PCW-Mitteldruck
ist erhöht, die v-Welle beträgt mehr als das Doppelte des PCW-Mitteldrucks.
Formal v-Welle wie bei chron. MR; die absolute Höhe in Relation zum mitt-
leren PCW-Druck ist i. d. R. größer (▶ Abb. 4.7).
• P AP: erhöht, oft mit v-Wellen-Komponente („Refluximprint“ in PA).
• N ormale gemischt-venöse PA-SO2 bei noch normalem HZV. Sättigungsab-
nahme bei beginnender terminaler Dekompensation.
• S tufenweise Bestimmung der SO2 (Oxymetry-Run) in PA, RV u. RA zum
Ausschluss eines erworbenen VSD (wichtigste DD!).
• R echtsherzkatheter zum hämodynamischen Monitoring belassen: HZV, PA-
Sättigung, PAP, PCW-Druck, v-Wellen-Höhe überwachen.

Lävokardiografie
LV-Angio in 2 Ebenen: hypermotiler, normal großer LV, Regurgitationsjet in
nichtdilatiertes LA, KM-Reflux meist bis in Pulmonalvenen. Regurgitation nach
angiografischen Kriterien quantifizieren (▶ 4.4.4).
 4.5 Akute Mitralklappeninsuffizienz 187

Eine sichere angiografische Differenzierung der Ätiol. ist nicht in jedem Fall
möglich: „flail valve“ od. Endokarditisvegetationen sind nur selten darstell-
bar, ein MKP ist besser durch Echo-Techniken zu erfassen.

4.5.5 Differenzialdiagnose
▶ 4.4.5.
 SD (▶ 4.15): Pressstrahlgeräusch, meist sehr laut, holosystol., bandförmig,
• V
mit Schwirren. Wichtigste DD beim akuten MI: erworbener VSD bei großen
septalen MI, akute MR bei HWI. Unterscheidung mit Doppler (möglichst
TEE-Farb-Doppler). Ind. zur Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Oxyme­
trie großzügig stellen!
•  hron. MR (▶ 4.4): klinische Unterscheidung oft nicht möglich, deshalb Echo
C
u. evtl. invasive Diagnostik. Eine inadäquate Dilatation von LA u. LV im Ver-
gleich zur Schwere der Volumenbelastung ist oft das einzige diagn. Zeichen
der akuten MR. Subakute Verlaufsformen können der Diagn. entgehen. Häu-
figste Fehlinterpretation: progrediente Verschlechterung einer chron. MR.
•  R. (▶ 4.10): DD nur bei Systolikum nach Thoraxtrauma. TR dabei häufiger
T 4
als akute MR. Pansystolikum am li Sternalrand ohne Fortleitung od. Schwir-
ren. Veränderungen des Geräuschs bei Atmung. Leberpulsationen. Keine
pulmonale Kongestion bei TR, dafür ausgeprägte Rechtsherzbelastung (akute
re-seitige Kongestion). Diagn.: Echo.

4.5.6 Therapie
Bei V. a. akute MR Diagn. u. Ther. ohne Zeitverzug. Invasives hämodynamisches
Monitoring (▶ 4.5.4).
• A  kute, schwere MR: sofortige OP.
• M  ittelschwere, akute MR: OP, wenn keine prompte Besserung bei kons.
Ther. (v. a. Maßnahmen der Nachlastsenkung).
• L eichte, akute MR: gutes Ansprechen auf kons. Maßnahmen, auch bei mäßi-
ger LV-Dysfunktion.
• A  kute MR bei KHK: Intensivüberwachung. Bei Stabilisierung unter kons. Ther.
engmaschig überwachen u. weiter med. behandeln. Bei klinischer Verschlechte-
rung (Zunahme der Ventrikeldysfunktion, Instabilität der KHK) umgehend OP.

Konservative Therapie
 er. des akuten Lungenödems (▶ 8.3.3).
• Th
 atriumnitroprussid (▶ 11.4.3): gutes Ansprechen v. a. bei noch guter LV-
• N
Funktion. Bei LV-Dysfunktion ggf. Komb. mit IABP.
• IABP: bei kardiogenem Schock od. akuter Koronarinsuff. zur Stabilisierung
präop.

Chirurgische Therapie
• I nd.: jede akute, symptomatische MR, die nicht prompt auf kons. Ther. an-
spricht (▶ Abb. 4.8).
• V
 erfahren: meist MK-Ersatz, seltener rekonstruktive Verfahren. Bei KHK in
gleicher Sitzung koronare Bypass-Versorgung.
• P eriop. Letalität: bei KHK bis 20 %, bei nichtkoronarer Ätiol. 10–15 %. Außer­
dem abhängig von LV-Funktion.
188 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.5.7 Natürlicher Verlauf
• S pricht die akute MR auf med. Interventionen (Nachlastsenkung) nicht an,
ist dies ein signum mali ominis.
• E ine KHK mit akutem MI u. akuter, schwerer MR wird unter kons. Ther.
praktisch nicht überlebt. Letalität innerhalb 24 h bis 75 %.

4.6 Mitralklappenprolaps
• M
 itralklappenprolaps (MKP): abnorme Protrusion eines od. beider Mitral-
segel nach li-atrial während der Ventrikelsystole mit/ohne MR.
• M
 KP-Sy.: MKP u. assoziierte Beschwerden.
Leitbefunde
• D
 iagn. Chamäleon: Klinik u. diagn. Befunde können variieren, andere Er-
kr. imitieren u. weitere Erkr. begleiten. Oft atypische klinische Bilder,
komplexe Symptomkonstellationen, evtl. asthenischer Habitus.
• S ystol. Click, systol. Geräusch mit typischer Variabilität bei dynamischer
4 Auskultation.
• E cho: verdickte Mitralsegel mit abrupter systol. Prolapsbewegung nach li-
atrial, geringe, spätsystol. MR.

4.6.1 Ätiologie
• P rimärer MKP: myxomatöse Degeneration von Teilen des MK-Apparats.
• S ek. MKP: bei KHK (Papillarmuskeldysfunktion), rheumatischer MK-Erkr.,
ASD (Secundumtyp), HCM, Systemerkr. (Marfan-, Ehlers-Danlos-Sy., Osteo-
genesis imperfecta, Speicherkrankheiten).

4.6.2 Symptome
• D ie Mehrzahl der Pat. ist asymptomatisch!
• S ymptomatische Pat. zeigen häufig atypische klinische Bilder u. komplexe
Symptomkonstellationen: Leistungsminderung, Benommenheit, mangelnde
körperl. Belastbarkeit, Schwächegefühl, Schwindel, Synkopen, Dyspnoe, Hy-
potension, li-thorakale Schmerzen (nitroneg., fehlende Belastungsabhängig-
keit, atypische, punktuelle Lokalisation), Palpitationen, Herzstolpern, Herzra-
sen.

Die „diffuse, atypische Klinik“ verleitet zur leichtfertigen Vorverurteilung


od. zum „diagnostischen overkill“.

4.6.3 Nichtinvasive Diagnostik
Der MKP ist ein diagn. Problem. Im Echo Erw. lässt sich bei 5–10 % ein MKP
nachweisen. Davon besteht auskultatorisch bei nur 11 % ein Click u. bei 7 % ein
systol. Geräusch. Bei sehr strengen Echo-Kriterien haben < 1 % der Erw. ein MKP.
Ein MKP (Echo u. Auskultationskriterien) besteht bei ca. 1–5 % der Bevölkerung,
ein MKP-Sy. nur bei einem Bruchteil.
 4.6 Mitralklappenprolaps 189

 iagnose von MKP u. MKP-Sy. restriktiv stellen. Die klassischen Auskulta­


! D
tionsmerkmale müssen vorliegen u. die Echo-Kriterien strikt erfüllt werden.

Körperliche Untersuchung
Inspektion
Habitus: Primärer MKP vorwiegend bei asthenischen Personen, v. a. jungen
Frauen. Hinweise auf Bindegewebeschwäche („Formes fruste“ eines Marfan-Sy.?),
Konstitutionsanomalien (geringer Thoraxdurchmesser, Pectus excavatum, Flach-
rücken, Kyphose, Skoliose).
Auskultation
• 3 . u./od. 4. HT kann physiologisch bei jugendlichen Pat. auftreten.
• S ystol. Click: dezenter, kurzer, heller Ton als auskultatorischer Leitbefund
(durch plötzliche Anspannung des nach LA prolabierenden Segels). Evtl.
auch multiple Clicks, gelegentlich in Serie. P. m. li unterer Sternalrand. Click
kann unmittelbar nach dem 1. HT auftreten u. ist oft vom 1. HT nicht mehr
zu unterscheiden (Resultat: bes. lauter 1. HT), das Geräusch ist dann holosys-
tolisch.
• M itt- bis endsystol. Geräusch nach dem Click bis zum 2. HT möglich. Heller, 4
hochfrequenter Klangcharakter („click-murmur-syndrome“).
• D ynamische Auskultation: Variabler Auskultationsbefund ist typisch:
– Verlagerung des Clicks in Richtung des 1. HT in der Pressphase des Val-
salva-Manövers, nach Amylnitritinhalation u. Aufstehen,
– Verlagerung in Richtung des 2. HT nach Valsalva-Manöver, isometrischer
Arbeitsbelastung (Händedruck, Hocken, Kauern, Anheben der Beine im
Liegen), Betablockern.
• S pielarten des MKP: Mesosystol. Click, spätsystol. Geräusch. Meso- bis spät-
systol. Geräusch, kein Click. Holosystol. Geräusch mit/ohne Click, kein Click,
kein Geräusch (▶ Abb. 4.9).
! E in Auskultationsbefund, der heute erhoben wurde, kann morgen fehlen od.
verstärkt sein.

1. HT 2. HT 1. HT 1. HT 2. HT 1. HT 1. HT 2. HT 1. HT

Stumm Nur Click Click und Geräusch

Mehrere Clicks Mehrere Clicks Nur Geräusch


und Geräusch

Geräusch mit Holosyst. Geräusch Holosyst. Geräusch


Crescendo ohne Click mit Clicks

Abb. 4.9 Auskultatorische Varianten des Mitralklappenprolapses [L157]


190 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

EKG
• M
 eist normales EKG bei asymptomatischen Pat. mit „echokardiografischem
MKP“.
• S T-T-Veränderungen: Häufig. ST-Segment-Veränderungen, T-Wellen-Inver-
sionen, biphasische T-Wellen, v. a. über II, III, aVF.
• S elten QT-Verlängerung.
• A rrhythmien: Alle Varianten (supraventrikuläre, ventrikuläre Arrhythmien,
Präexzitationsmuster). Häufiger bei Pat. mit ST-T-Veränderungen im Ruhe-
EKG.

Inzidenz falsch pos. Belastungs-EKGs ist sehr hoch! Diagn. Crux: Variieren-
de ST-T-Veränderungen, pos. Belastungs-EKG u. li-thorakale Beschwerden
sind eine häufige Befundkonstellation beim MKP u. mit einfachen nichtinva-
siven Mitteln nicht ausreichend sicher von der KHK zu unterscheiden → Aus-
gangspunkt einer „kardiologischen Karriere“ einer großen Anzahl von Pat.

Röntgen-Thorax
• K eine Veränderung der Herzkonfiguration bei reinem MKP. Bei hämodyna-
4 misch relevanter MR ▶ 4.4.3.
• A bnormitäten des Stammskeletts (s. o.): Flachrücken, Pectus excavatum, Sko-
liose.

Echokardiografie
M-Mode
• Ü bergang vom LA zur LV posterioren freien Wand in der parasternalen lan-
gen od. kurzen Achse exakt senkrecht anloten. 2-D-Kontrolle zur exakten
Angulierung des M-Mode-Strahls.
• T ypische, abrupte systol. Posteriorbewegung von PML u./od. AML
(▶ Abb. 4.10).
! V orsicht: Gefahr falsch pos. MKP-Befunde im M-Mode, wenn Schallkopfpo-
sition u. Anlotrichtung nicht korrekt sind! Keine MKP-Diagnose nur nach
M-Mode-Kriterien stellen!
! M ehrfach-Echos (Reverberationen) der myxomatös degenerierten, verdickten
Klappen können die Prolapsbewegung kaschieren.
• G elegentlich frühsystol. Anteriorbewegung der CD-Strecke als Ausdruck hy-
permotiler Klappensegel.

PML
Klappen-
AML LA ebene
IVS

MV
Ao
LV
Prolaps- RV
bewegung LVPFW

Abb. 4.10 Mitralklappenprolaps (M-Mode u. 2-D-Echokardiografie) [T125]


 4.6 Mitralklappenprolaps 191

2-D-Echokardiografie
• S ystol. Vorbuckelung eines od. beider Mitralsegel über die Mitralklappen­
ring­ebene hinaus nach LA.
• P rolapsbewegungen (▶ Abb. 4.10) im apikalen 4- od. 2-Kammer-Blick sind
diagn. sehr aussagekräftig (Schallrichtung verläuft senkrecht, seltener falsch
pos. Befunde).
• V erdickung der Mitralsegel u. zusätzliche Prolapsbewegungen der TK.
• P rovokationsmanöver (Amylnitritinhalation): Verstärken die Prolapsbewe-
gung. Nicht indiziert bei eindeutigen Echo-Befunden.
• I nd. zum TEE: Diagn. Zweifelsfälle. MKP mit KO (Thrombembolie, relevante
MR, Arrhythmien).
Doppler
Sehr sensitive Methode zur Erfassung auch geringer Formen einer MR (▶ 4.4.3).
die Echo ist keine Methode, die einen MKP definitiv u. unabhängig erfasst. Klinik,
Auskultationsbefund u. Echo synoptisch bewerten.

4.6.4 Invasive Diagnostik
4
Leitbefunde
Normale Hämodynamik, angiografischer Nachweis des MKP, geringe MR, an-
giografisch unauffällige Koronararterien.

Indikationen
• B ei klinischen Zweifelsfällen zur DD einer KHK, insbes. bei Pat. mit RF für
eine atherosklerotische Gefäßerkrankung,
• Ind. aufgrund einer kardialen Erkr., die häufig einen MKP als Begleitmanifes-
tation hat (z. B. ASD),
• b ei klinisch od. hämodynamisch relevanter MR (▶ 5.4.4).
Praktisches Vorgehen u. Interpretation
Besonderheiten bei MR ▶ 4.4.4.
• H ämodynamik: unauffällig bei MKP ohne od. mit nur geringer MR, bei rele-
vanter MR (▶ 4.4.4).
• L ävokardiografie: keine pathognomonischen Befunde. Evtl. hypermotiler LV
mit prominenten Papillarmuskeln, Nebeneinander von hyper- u. hypomotilen
Segmenten, segmentale systol. Frührelaxation. In RAO ist die Protrusionsbe-
wegung des PML, in LAO des AML beurteilbar. Geringe Spezifität u. hohe
Sensitivität der Angio bei Bewertung der Prolapsbewegung berücksichtigen.
• K oro: zum Ausschluss bzw. Nachweis einer KHK (i. d. R. Ind. zur invasiven
Diagn. bei MKP).

4.6.5 Differenzialdiagnose
• S ehr großes DD-Spektrum. Nichtinvasive Diagn. meist ausreichend. Invasive
Diagn. nur in Ausnahmefällen durchführen.
• P rimärer vs. sek. MKP: Diagnose eines primären MKP ist eine Ausschluss­
diagnose. Alle mit einem MKP assoziierten kardialen od. systemischen Erkr.
ausschließen (▶ 4.6.1).
•  D der chron. (▶ 4.4.5) u. akuten MR (▶ 4.5.5) bei MKP mit relevanter MR.
D
192 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.6.6 Therapie
Grundsätze
Vor Ther. exakt klären. ob MKP od. MKP-Sy. vorliegt.

Indikation zur Endokarditisprophylaxe


• M KP mit Click u. Geräusch.
• M KP mit definitivem MR-Nachweis (unabhängig vom Schweregrad).
• R el. Ind.: massiver Prolaps, verdickte, redundante Segel.
! D ie Entscheidung trifft der Kliniker u. nicht der Echo-Untersucher!
! N otwendigkeit einer Endokarditisprophylaxe ist nach den neuen Leitlini-
en nicht zwingend gegeben → individuelle Abwägung bei Pat., die bisher
eine Prophylaxe ohne Probleme od. NW eingenommen haben.

• S portliche Aktivitäten: meist keine Einschränkungen. Kein Wettkampf-/


Leistungssport bei Synkopen in der Anamnese, plötzlichem Herztod in der
Familie, belastungsabhängigen Thoraxschmerzen, Häufung supraventrikulä-
rer (VHF, AV-junktionale Reentry-Tachykardien) od. ventrikulärer Arrhyth-
4 mien (häufig Couplets, nichtanhaltende od. anhaltende VT), MR (mittel-
schwer od. schwer), anderen KO des MKP, z. B. Thrombembolien.
•  chwangerschaft: Der MKP nimmt ab, Click u. Geräusch werden oft leiser
S
od. verschwinden. Bei Ind. zur Betablockade mit β1-selektiven Betablockern
niedrig dosiert weiterbehandeln. Peripartale Endokarditisprophylaxe, wenn
indiziert (s. o.). Bei MKP mit mittelschwerer od. schwerer MR ▶ 4.22.
•  arkose, operative Eingriffe: Bei unkompliziertem MKP kein erhöhtes Risi-
N
ko, bei höhergradiger MR erhöhtes Risiko. Engmaschiges Monitoring erfor-
derlich. Ind. zur Antibiotikaprophylaxe beachten.
Asymptomatische Patienten
Keine med. Therapie. Pat. über Harmlosigkeit des Befunds informieren. Verlaufs-
untersuchungen alle 2–3 J. Ind. zur Antibiotikaprophylaxe beachten.
Symptomatische Patienten
Behandlungsversuch bei Beeinträchtigung im Alltagsleben durch pektanginöse
Beschwerden, Palpitationen, Schwindel.
 er.-Versuch auf ein Minimum beschränken!
! Th
• B etablocker (▶ 11.3.3): Behandlungsind. kritisch stellen. Kardioselektive Be-
tablocker haben keine Vorteile. Falls keine Besserung unter Betablockern, auf
weitere Medikation verzichten, um langjährige, ineffektive med. Ther. zu ver-
hindern.
• M R (▶ 4.4.6, ▶ 4.5.6).

4.6.7 Komplikationen u. ihre Behandlung


Potenzielle KO nicht dramatisieren! Meist ist es günstiger, Pat. zu beruhigen u.
technische Befunde zu bagatellisieren.
• M R (▶ 4.4, ▶ 4.5): MKP ist häufigste Ursache einer reinen („pure“) MR. Re-
konstruktive Verfahren sind meist möglich, ein MK-Ersatz ist nur in Ausnah-
mefällen erforderlich.
• V HF (▶ 7.7.6).
 4.6 Mitralklappenprolaps 193

• V
 entrikuläre Arrhythmien: häufig VES, Couplets u. Salven. Ther. mit Beta-
blockern od. Sotalol (▶ 11.6.9). Kontrollen mit Ergo u. Langzeit-EKG. Eng-
maschige Verlaufskontrolle bei großer Häufung von VES u. VT. Intensive
Rhythmusdiagn. mit Langzeit-EKG, Ergometrie, evtl. EPU bei:
– verlängertem QT-Intervall,
– ST-T-Veränderungen u./od. pos. ergometrischer Belastung,
– gehäuften VES > Lown II (umstrittene Marker!),
– Synkopen od. wiederholten präsynkopalen Zuständen,
– mittelschwerer bis schwerer MR (insbes. bei eingeschränkter LV-Funkti-
on),
– verdickten, redundanten MK-Segeln mit massiver Prolapsbewegung.
• P lötzlicher Herztod: durch maligne Ventrikelarrhythmien. Sehr seltene KO
des MKP, v. a. bei relevanter MR u. eingeschränkter LV-Funktion. Risiko-
konstellation: weibl. Geschlecht, Click u. Geräusch, Synkope od. Präsynkope
in der Vorgeschichte, ST-T-Veränderungen mit QT-Verlängerung u. ventri-
kulären Arrhythmien bei relevanter MR. Ther.: Keine prophylaktische Be-
handlung bei Risikokonstellation! Nach Arrhythmieprofil im Langzeit-EKG
u. EPU therapieren (▶ 7.11). ICD-Implantation bei Überlebenden eines plötz-
lichen Herztods erwägen. Ein MK-Ersatz aus antiarrhythmischen Gründen
ist umstritten.
4
• I nfektiöse Endokarditis: erhöhtes Endokarditisrisiko bei MR od. voluminö-
sen redundanten, verdickten Mitralsegeln mit massivem Prolaps (Risiko
1 : 2.000 Pat.-Jahre; allgemeine Bevölkerung 1 : 25.000 Pat.-Jahre). Ind. zur
Endokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4). Ther. ▶ 6.1.
•  rombembolie: Meist zerebrale Embolien: junge Pat. mit TIA, Amaurosis
Th
fugax, Apolex. Art. Thrombembolien in extrazerebralen Gefäßprovinzen sind
häufig asymptomatisch. Insgesamt günstige Prognose, Rezidivrate 5–10 %/J.
Ther.:
– MKP ohne Thrombusnachweis u. ohne Embolie: keine prophylaktische
Ther.
– Nach zerebraler TIA ohne weitere Emboliequelle: 100–300 mg ASS.
– Marcumar® nach zerebralem Insult.
– Marcumar® bei Pat. > 65 J., VHF, art. Hochdruck, MR od. Vorgeschichte
einer Herzinsuff.
– Rezidivembolie od. Embolie mit Thrombusnachweis: orale Antikoagulati-
on mit Marcumar® (therap. Quick 15–25 %, INR 2,5–3).
– Thrombusnachweis ohne Embolie: prophylaktische orale Antikoagulation
mit Marcumar® (Quick 15–25 %).

4.6.8 Natürlicher Verlauf
• S ehr gute Prognose, Lebenserwartung im Allgemeinen nicht eingeschränkt;
Mehrzahl der Pat. bleibt asymptomatisch u. benötigt keine Ther.
• E in Wandel von Klinik, EKG-, Echo-Manifestationen ist möglich, ohne dass
sich zwingend ein Einfluss auf die Prognose ergibt.
• B eim manifesten MKP-Sy. können KO prognosebestimmend werden
(▶ 4.6.7), ihre absolute Häufigkeit wird jedoch überschätzt (< 2 % aller MKP-
Sy.-Pat.).
194 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.7 Aortenstenose (AS)
Leitbefunde
• A . p., Dyspnoe, Schwindel, Synkope bei Belastung.
• P ulsus parvus et tardus, hebender Herzspitzenstoß, Crescendo-Decre-
scendo-Systolikum mit Fortleitung in Karotiden u./od. nach apikal, A2 des
2. HT kann fehlen.
•  KG: Links- od. überdrehter Linkstyp, Zeichen der LVH, unspezifische
E
ST-T-Veränderungen („Schädigungszeichen“, „strain“).
•  ö-Thorax: li-verbreitertes Herz mit gerundeter Herzspitze, Nativverkal-
R
kung der AoK, Dilatation der Ao asc.
•  cho: normal großer LV mit guter systol. Funktion, LVH, AoK-Verkal-
E
kung, Dilatation der Ao asc.

4.7.1 Ätiologie

4 Valvuläre
• K
Aortenstenose
 ongenital: Häufigste Ursache der AS zwischen 15. u. 65. LJ. Das frühe Ma-
nifestationsalter ist die wichtige DD zur rheumatischen AS.
– Unikuspide, domartige AoK mit Stenose bereits im Kindesalter (ca.
10 %).
– Bikuspide Klappe mit kongenitaler Fusion beider Kommissuren (ca.
60 %). Faustregel: Je 1⁄3 führt zu AS, AR od. hat eine normale Funktion.
– Trikuspide Klappe mit ungleich großen Klappentaschen u. partieller Fusi-
on der Kommissuren sowie hypoplastischem Anulus (ca. 30 %).
•  heumatisch: selten isoliert. Verdickte, verkürzte Taschen, fusionierte Kom-
R
missuren. Immer mit AR.
•  alzifizierte bikuspide AS: häufigste Form der AS im Erw.-Alter. Degenera-
K
tive Veränderungen als Folge chron. Traumatisierung durch Strömungstur-
bulenzen. Meist zusätzlich geringe AR.
•  rimär degenerative kalzifizierte AS (senile AS): immobile, stenosierte tri-
P
kuspide AK durch Kalzifikation von Anulus u. Klappenbasis, die zum freien
Klappenrand fortschreitet. Kommissurenfusion meist nicht vorhanden. All-
mählicher Übergang von Aortenklappensklerose zur -stenose.

Supravalvuläre Aortenstenose
Kongenitale Ausflussobstruktion an der oberen Begrenzung der Sinus Valsalvae.
Meist diffuse Hypoplasie der Ao asc., seltener umschriebene membranöse (Sand-
uhr-)Einengung.

Subvalvuläre Aortenstenose
Kongenital angelegtes fibröses Diaphragma („discrete subaortic stenosis“) od. fi­
bromuskulärer Tunnel. Bei HOCM muskuläre, subvalvuläre Obstruktion unter-
halb der AoK-Ebene (▶ 5.5.1), häufig in Verbindung mit AR.
 4.7 Aortenstenose (AS) 195

4.7.2 Symptome
• B eschwerdefreiheit/-armut trotz relevanter AS möglich.
• E vtl. langjährig bekanntes Herzgeräusch bei Aortensklerose. Bei kongenital
bikuspider AoK häufig systol. Geräusch in Kindheit od. Adoleszenz, manifes-
te Stenose oft erst > 65. LJ.
•  heumatisches Fieber: Anamnestische Hinweise sind bei isolierter AS eine
R
Rarität; falls vorhanden, nach multivalvulärer Herzerkr. suchen.
•  . p.: häufiger bei AS (> 50 %) als bei anderen valvulären Erkr., mit zuneh-
A
mender Laufzeit der AS ausgeprägter. Koinzidenz von AS u. KHK in 50 %.
•  chwindel, Synkopen: oft bei od. unmittelbar nach Belastungen.
S
•  eichen der Linksherzinsuff. (▶ 8.2.1): Dyspnoe, paroxysmale nächtliche
Z
Dyspnoe, Schwäche, verminderte Belastbarkeit.
•  ymptome einer infektiösen Endokarditis (▶ 6.5.1): plötzliche klinische
S
Verschlechterung, unklares Fieber, progrediente Herzinsuff., art. Embolien.
!  ei jeder Verschlechterung erneute Diagn. des Vitiums, Endokarditis aus-
B
schließen.

Wird die AS symptomatisch, ist die Prognose ohne OP schlecht. Beschwer-


den treten spät auf u. signalisieren eine potenzielle Gefährdung. 4

4.7.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Palpation
• H ebender, nach li lateralisierter, verbreiterter Herzspitzenstoß, systol.
Schwirren im 2. ICR li beim Vornüberbeugen.
• P ulscharakteristika: Pulsus parvus et tardus („klein u. spät“). Träger Pulsan-
stieg mit systol. Vibrationen über den Karotiden. Bei begleitender AR od.
jungen, gut elastischen Gefäßen evtl. normale Pulsqualität.
Auskultation
(▶ Abb. 4.11).
• H erztöne: 1. HT normal od. abgeschwächt. 2. HT abhängig von Schwere der
AS. Bei fehlendem A2 nur P2-Komponente. Bei verlängerter LV-Austrei-
bungsperiode können A2 u. P2 zusammenfallen. Der 2. HT kann völlig fehlen
(P2 geht im Systolikum unter). Paradoxe Spaltung (P2 vor A2 in Exspiration u.
Fusion von A2 u. P2 in Inspiration). 3. HT bei kardialer Dekompensation.
Fast immer 4. HT.
• V alvulärer Ejection Click kann 1. HT folgen (nur bei noch beweglichen Klap-
pentaschen).
• S ystolikum: Austreibungsgeräusch (typisch rau, mittel- bis tieffrequent), be-
ginnt nach 1. HT u. endet vor 2. HT (DD Pansystolikum der MR), Crescen-
do-Decrescendo (spindelförmig) mit P. m. über Herzbasis mit Projektion in
Karotiden u. nach apikal (Gallavardin-Phänomen, Verwechslung mit MR
möglich).
• D iastolikum: häufig Begleitdiastolikum bei min. AR. Der Übergang zum
kombinierten Ao-Vitium ist fließend.
196 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

EC Der Schweregrad der Aortenstenose


A2
S1 P2 nimmt zu, wenn
1. ein 4. HT (S4) auftritt
S4 2. der Austreibungston (EC) in Richtung
des 1. HT (S1) verlagert wird
3. die Austreibungszeit sich verlängert und
damit A2 später auftritt
4. die Intensität des Aortenklappentons
A2 abnimmt
5. das Maximum des Geräuschs in die
Spätsystole verlagert wird.

Abb. 4.11 Auskultationsmerkmale der valvulären Aortenstenose [L157]

DD des Systolikums
▶ 4.4.5.
• M R: Bei AS nimmt das Systolikum postextrasystol. od. nach langer RR-Perio-
de bei bestehendem VHF zu.
• H OCM: Bei AS nimmt das Systolikum in der Valsalva-Pressphase ab.
• V SD: Pulsus celer et altus, postextrasystol. od. nach langer RR-Periode keine
4 Akzentuierung.

Tipps & Tricks


• E in lautes Geräusch ist immer mit schwerer Stenose assoziiert, eine
schwere Stenose hat jedoch nicht immer ein lautes Geräusch.
• Je länger das Systolikum anhält u. je später es sein Maximum erreicht,
desto schwerer ist die Stenose.
• S tumme AS bei schlechten Schallleitungsbedingungen (Adipositas, Em-
physem).
• L autheit u. Fortleitung des Systolikums nehmen mit Verschlechterung
der LV-Funktion (Pumpinsuff.) ab, obwohl eine signifikante AS vorliegt.
• B ei Komb. von Beschwerden + li-seitigem Ausflusstraktgeräusch + Zeichen
der LVH (EKG, Echo od. Klinik) immer AS nachweisen/ausschließen.

EKG
• L inks- od. überdrehter Linkstyp, bei ausgeprägtem Emphysem auch Indiffe-
renztyp.
• P sinistroatriale: Auch ohne MK-Erkr.
• V HF bei fortgeschrittener, dekompensierter AS.
• L VH: häufig, aber wenig sensitiv.
• E vtl. AV-Leitungsstörungen, typische Schenkelblockbilder u. intraventrikulä-
re Erregungsausbreitungsstörungen.
• P seudoinfarktmuster über den anteroseptalen Ableitungen möglich.
• S T-T-Veränderungen („Schädigungszeichen“, „strain“): sehr häufig. Oft be-
reits vor den Zeichen einer LVH.

Röntgen-Thorax
Die Rö-Übersicht kann auch bei kritischer AS unauffällig sein.
• M eist nur gering nach li verbreitertes Herz mit prominent gerundeter li-sei-
tiger Kontur (LV). Deutliche Kardiomegalie bei fortgeschrittener, dekompen-
sierter AS u. kombinierten Vitien mit dominierender AR.
 4.7 Aortenstenose (AS) 197

• P rominente poststenotische Dilatation der Ao asc. typisch bei valvulärer AS


(Abgrenzung zur sub- u. supravalvulären AS). Ao asc. wird re-seitig randbildend.
• N
 ativverkalkungen in Projektion auf den AoK-Bereich (DL-Bild!). Fehlen
bei älteren Pat. praktisch nie, sind jedoch auch ohne signifikante AS möglich.
DD Mitralklappenringverkalkung.
•  ulmonalvenöse Kongestion u. PAH bei fortgeschrittenen, dekompensier-
P
ten AS.

Echokardiografie
M-Mode
• E chodense, verdickte AoK-Strukturen. Einzelne Taschen wegen ausgedehn-
ter echodenser Massen oft nicht zu unterscheiden. Meist geringe Restbeweg-
lichkeit (DD Klappenverkalkung u. Verkalkungen der Aortenwand).
! H äufige Fehlinterpretation: Arteriosklerose der basalen Aortenwurzel wird
als immobile Verkalkung der re- od. non-koronaren Klappentasche verkannt
→ 2-D-Echo (s. u.).
• B ikuspide AoK ohne Stenose: deutlich exzentrische Lage des diastol. AoK-
Echos. Bei bikuspider AS charakteristisches systol. Aufblähen („doming“) der
biegsamen, aber verengten Klappentaschen (▶ Abb. 4.12). Bei sek. Verkal- 4
kungen ist die bikuspide Natur oft nicht mehr zu erkennen.
• K lappenseparation als Hinweis auf Schweregrad der Obstruktion: Mäßiggra-
dig eingeschränkte Taschenseparation (< 15 mm) kann Hinweis auf AS sein, aus-
geprägt eingeschränkte Separation (< 8 mm) macht relevante AS wahrscheinlich.
! F ehlinterpretationen bei asymmetrischen Klappentaschen u. vermindertem
HZV möglich.
• L VH: meist konzentrische Hypertrophie (Dickenzunahme auf Kosten des
Kavums). Evtl. exzentrische Formen, z. B. als asymmetrische Septumhyper-
trophie. LV-Diameter zur Beurteilung der systol. Funktion bestimmen. Bei
dekompensierten Formen LV-Dilatation (E-Septum-Abstand vergrößert),
LA-Dilatation u. verminderte systol. Verdickung der Myokardwände.

verkalkte,
Doming bikuspide
der AK AK
LA Ao
RA

Ao
RVOT
LVOT
RVOT LV

Abb. 4.12 Valvuläre Aortenstenose (TEE) [T125]

2-D-Echokardiografie
• N ormal großer, hypertrophierter LV u. normal großes LA.
• K alkmassen in Aortenposition: Verkalkungen der Aortenwurzel u. primäre
Klappentaschenverkalkungen sind gut abzugrenzen.
198 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• V
 erminderte Separationsbewegung der Klappentasche: in basaler kurzer
Achse fischmaulförmig oder, bei beweglichen Klappentaschen, haubenförmig
aufgebläht. „Doming“ in parasternaler langer Achse (▶ Abb. 4.12).
•  oststenotische Dilatation der Ao asc.
P
•  ÖF: in parasternaler kurzer Achse bestimmen (Planimetrie). Wichtig: exakte
A
vertikale Anlotung. Zu hohe Echo-Verstärkung vermeiden. TEE zur Planime-
trie exakter.
•  embranöse Leisten od. fibromuskuläre Einengungen des LVOT in apikaler
M
RAO-Darstellung beurteilen. Supravalvuläre Stenosen sind transthorakal
nicht immer zu erkennen →TEE.
TEE-Indikationen
• E xakte Beurteilung der AoK von transthorakal nicht möglich,
• B eurteilung des hämodynamischen Schweregrads von transthorakal unsicher,
• B eurteilung der poststenotischen Dilatation der Ao asc.,
• V . a. subvalvuläre od. supravalvuläre AS,
• e xakte Beurteilung von LVOT, Aortenklappenring u. Ao asc. (z. B. sub- u. su-
pravalvuläre AS),
• p räop. zur Bestimmung des Durchmessers des AoK-Rings,
4 • V . a. infektiöse Endokarditis,
• V . a. zusätzliche valvuläre Manifestationen (z. B. MK), die von transthorakal
ungenügend beurteilt werden können.
Doppler
Anlotung mit cw-Doppler von apikal (RAO-Äquivalent), ggf. auch von supraster-
nal od. re parasternal.
• T ypisches Dopplerprofil (▶ Abb. 4.13): hohe Vmax mit breitem Frequenz­
muster bei turbulenten Strömungen. Turbulenzen u. ihre Richtung mit Farb-
Doppler lokalisieren, dann mit cw-Doppler messen. Parallele Ausrichtung
von Doppler-Richtung u. Richtung des Stenoseflusses ist entscheidend.
! Immer nach Vmax suchen, nicht nach der schönsten Kurve!
• M  ax. Druckgradient: Aus Maximum der Hüllkurve (Vmax) max. Gradient ab-
leiten. ΔPmax = 4 × Vmax2.
• B estimmung des mittleren systol. Druckgradienten.
• A  ÖF: bestes Maß der AS, da Gradient wesentlich vom Fluss (HZV, SV) abhängig
ist. Bestimmung nach Kontinuitätsgleichung (effektive Öffnungsfläche, EOA).
• Immer subvalvulären Bereich mittels pw-Doppler untersuchen (zusätzliche
Stenose im li Ausflusstrakt bei LVH?).

Aorten-
m/s insuffizienz
0
Prästenotisches
Strömungssignal
2

Stenotisches
4 Strömungssignal

Abb. 4.13 Kombiniertes Aortenvitium (cw-Dopplerprofil) [L157]


 4.7 Aortenstenose (AS) 199

Schweregrad
Einteilung der AS nach Klinik u. anhand der nichtinvasiven Diagn. in folgende
Schweregrade:
Leichte Aortenstenose (> 1,5 cm2 Öffnungsfläche)
• K  linik: meist asymptomatisch, Palpitationen, rasche Ermüdbarkeit.
• R R, Pulsqualität u. Herzspitzenstoß unauffällig.
• A  uskultation: unauffällige Herztöne, spindelförmiges Austreibungsgeräusch
mit früh- bis mesosystol. Maximum, evtl. Ejektion-Click.
• E KG: unauffälliger Lagetyp, teils LVH, keine ST-T-Veränderungen.
• R ö-Thorax: kein typischer Befund, evtl. abgerundete Herzspitze.
• E cho: verdickte AoK-Taschen, verminderte Separationsbewegung, mäßiggra-
dige Myokardhypertrophie.
Mittelgradige Aortenstenose (1,0–1,5 cm2)
• K linik: asymptomatisch, evtl. schnelle Ermüdbarkeit, Schwindel od. A. p.
• R R normal, evtl. Pulsus parvus et tardus, systol. Schwirren.
• A uskultation: mesosystol., spindelförmiges Geräusch, normaler 2. HT, evtl.
4. HT.
• E KG: LVH, ST-T-Veränderungen, P sinistroatriale. 4
• R ö-Thorax: abgerundete Herzspitze, Dilatation der Ao asc., Kalknachweis.
• E cho: echodense Massen im Bereich des AoK-Niveaus, eingeschränkte Sepa-
rationsbewegung, symmetrische LVH bei kleinem LV-Kavum.
Hochgradige Aortenstenose (< 1,0 cm2)
• K linik: eingeschränkte Leistungsfähigkeit, schnelle Ermüdbarkeit, periphere
Zyanose, Schwindel, Synkope, A. p.
• P ulsus parvus et tardus, systol. RR evtl. ↓, Herzspitzenstoß nach li u. inferior
verlagert.
• A uskultation: raues spindelförmiges Systolikum mit spätsystol. Maximum,
evtl. paradoxe Spaltung des 2. HT, 4. HT.
• E KG: LVH, ST-T-Veränderungen, Arrhythmien möglich.
• R ö-Thorax: nach li verbreitertes Herz, Zeichen der Lungenstauung.
• E cho: bei fehlender Dekompensation wie bei mittelgradiger AS, bei Dekom-
pensation Zunahme der LV-Dimensionen, Abnahme der systol. Durchmes-
serverkürzung.

4.7.4 Invasive Diagnostik
Leitbefunde
Druckgradient über der AoK, LVH, poststenotische Dilatation der Ao asc., Nativ-
verkalkung der verdickten u. immobilen AoK-Taschen.

Indikationen
• V . a. hämodynamisch relevante AS bei symptomatischen Pat.,
• a symptomatische Pat. mit normaler LV-Funktion u. V. a. schwere AS,
• a symptomatische Pat. mit eingeschränkter LV-Funktion u. progredienter
Kardiomegalie,
• s ymptomatischer Verlauf einer nach nichtinvasiven Kriterien leichten AS;
überwiegend zur DD einer begleitenden KHK.
200 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Hämodynamik
Für die Schweregradeinschätzung sind die absoluten Drücke, bes. der Peak-to-
Peak-Gradient, das HZV u. die Bestimmung der AÖF von bes. Bedeutung.
Formanalyse der Drücke
▶ Abb. 4.14.

150 EKG

Druckgradient

100
Aorta

50

4 LV
0 Phono

4. HT 1. HT Systolikum 2. HT
Ejektions-Click

Abb. 4.14 Hämodynamisches Profil einer valvulären Aortenstenose [L157]

Deformierte Aortendruckkurve durch verzögerten Druckanstieg mit Kerbungen


u. Oszillationen. Bild wie bei Hahnenkamm-Phänomen der CPK. Überhöhte a-
Welle der LV-Druckkurve. AoK-Gradient: Fläche zwischen den Kurven bei si-
multaner Druckmessung in Ao u. LV ist proportional dem AoK- bzw. LV-Aus-
flussgradienten.
Absolute Drücke
• S ignifikanter systol. Gradient: Peak-to-Peak-Gradient von > 50 mmHg bei
normalem HZV. Sinkt HZV, nimmt der Gradient ab u. der Schweregrad der
AS wird unterschätzt (Low-Gradient-AS).
• L VEDP meist erhöht.
! V orsicht bei Ventrikulografie u. LVEDP > 30 mmHg → Gefahr der akuten
Dekompensation.
• V erminderter systol. art. Druck bei fortgeschrittener AS mit LV-Dysfunkti-
on.
• P CWP: v-Welle > a-Welle bei begleitender MR od. ausgeprägter LV-Dys-
funktion.
HZV
Orientierende Bestimmung anhand der gemischt-venösen SO2 in PA. Für die Be-
rechnung der Klappenöffnungsfläche nach Gorlin (▶ Tab. 4.3) ist eine exakte
Bestimmung mit Thermodilution erforderlich.
 4.7 Aortenstenose (AS) 201

Tab. 4.3 Beurteilung der Aortenklappenöffnungsfläche


Klappenöffnungsfläche [cm2] Beurteilung
2,6–3,6 Normal
1,5–2,0 Leichte AS
1,0–1,5 Mittelgradige AS
<1 „Chirurgische“ AS
< 0,75 Schwere, kritische AS.

Bei AS < 0,75 cm2 sind Fehlbestimmungen der Öffnungsfläche nach Gorlin
wahrscheinlich, da der retrograd eingeführte Katheter zusätzlich eine Obst-
ruktion darstellt.

LV-Angio
• L V-Kavum: klein mit ausgeprägter Trabekularisierung bei konzentrischer
LVH.
• A oK: verdickte Klappentaschen, immobil od. nur partiell mobil mit Verkal- 4
kungen, systol. haubenartiges Aufblähen als „doming“ (angiografische Zei-
chen der AS). Darstellung des systol. KM-Jets durch die Stenose.
• L VEF: Mit zunehmender Dekompensation kommt es zur Zunahme der LV-
Volumina (LVEDVI, LVESVI), zur Abnahme der EF u. zu einer rel. MR.
Aortografie
Zahl der Klappentaschen, Ausmaß einer begleitenden AR u. Dilatation der Ao
ascendens. Bei SAS liegt sehr häufig eine AR vor.
Koronarangiografie
Zum Ausschluss/Nachweis einer begleitenden KHK. Die Koronararterien sind bei
Aortenvitien meist großkalibrig mit sehr hohem Fluss. Selektive KM-Injektionen
kontrastieren die Gefäße mitunter nur flau → kritische Interpretation des Koro
(Vollständig? Aussagekräftig?).
Klassifikation der Aortenklappenstenose
▶ Tab. 4.4.
Tab. 4.4 Klassifikation der Aortenstenose anhand hämodynamischer Parame­
ter
Parameter Schwere der Aortenstenose

Leicht Mittelschwer Schwer


2
AÖF (cm ) > 1,5 1,5–1,0 < 1,0
AÖF-Index (cm2/m2) < 0,6
Mittlerer Druckgradient (mmHg) < 25 25–40 > 40
Max. transvalvuläre Flussgeschwindigkeit (m/s) <3 3,0–4,0 > 4,0

• B estimmung der anatomischen Öffnungsfläche (durch Planimetrie od. nach


Gorlin) führt zur Unterbewertung des Stenosegrads, d. h., Öffnungsfläche
wird größer als die echokardiografisch bestimmte.
202 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• B estimmung der effektiven Öffnungsfläche (nach Kontinuitätsgleichung)


führt zur Überbewertung des Stenosegrads.
 iele Daten zum Schweregrad einer AS beruhen auf invasiven Untersuchun-
! V
gen, keine einfache Übertragung auf Doppler-abhängige Daten!
• P hänomen der Druckerholung (pressure recovery) in Aorta asc. beeinflusst
Gradienten u. Öffnungsfläche (nach Kontinuitätsgleichung): Mittels Doppler
gemessener Druckabfall > invasiv gemessener Druckabfall. Durch diesen
Energieverlust AS im Echo häufig überbewertet (gilt v. a. bei niedrigen trans-
valvulären Flussgeschwindigkeiten u. kleineren Durchmessern der Ao asc.).
Low-Flow-Low-Gradient-Aortenklappenstenose mit eingeschränkter
Ventrikelfunktion
• D iagn. u. therap. Dilemma bei niedrigem transvalvulärem Gradienten
< 30 mmHg, eingeschränkter LVEF (< 40 %, dadurch low flow mit SV-Index
< 35 ml/m2) u. einer berechneten AÖF < 1 cm2: „wahre AS“ mit schlechter
Ventrikelfunktion als Folge der AS od. „Pseudoaortenklappenstenose“ mit
primär myokardialem Problem (Klappe verkalkt, nicht hochgradig stenosiert,
öffnet jedoch aufgrund der eingeschränkten Pumpleistung mit geringem
transvalvulärem Fluss nicht hinreichend).
4 • Invasive Diagn. u. Echo in Ruhe können Differenzierung beider Formen
nicht leisten (Klappengradient, Gorlin-Formel wie auch Berechnungsmodus
der effektiven Klappenöffnungsfläche im Echo sind flussabhängig).
• L ow-Dose-Dobutamin-Stressecho: Stimulation der myokardialen kontrakti-
len Reserve mit Dobutamin → transvalvulärer Fluss ↑: Bei wahrer AS nimmt
der Gradient zu, die effektive Klappenöffnungsfläche bleibt < 1 cm2, bei Pseu-
do-AS nehmen Gradient u. effektive Klappenöffnungsfläche (auf > 1 cm2) zu.
• D obutamin-Stressecho-Protokoll nach Monin: Ruhe-Echo mit hämodynami-
scher Vermessung der AoK (Gradient, Klappenöffnungsfläche nach Kontinu-
itätsgleichung, Bestimmung der LVEF) durchführen, dann Dobutamininfusi-
on (Beginn 5 μg/kg KG/Min., alle 5 Min. um 2,5 μg/kg KG/Min. erhöhen),
Stopp der Dobutamingabe, wenn HF > 10/Min. ansteigt. Auf jeder Stufe be-
stimmen: HF, RR, Klappengradient, AÖF.
• A uswertung: 1. Anstieg des Gradienten, Klappenöffnungsfläche < 1 cm2 →
wahre AS; 2. Anstieg des Gradienten (pos. kontraktile Reserve bei Zunahme
des SV um > 20 %), Zunahme der Öffnungsfläche > 1 cm2 → Hinweise auf
Pseudo-AS; 3. Gradient u. Klappenöffnungsfläche sind unverändert → keine
kontraktile Reserve vorhanden, fortgeschrittene LV-Funktionseinschrän-
kung, therap. Dilemma bei schlechter Prognose (evtl. geeignet für interven­
tio­nellen Klappenersatz).
Low-Flow-Low-Gradient-Aortenklappenstenose ohne eingeschränkte
Ventrikelfunktion
• B ei ca. 1⁄3 aller Pat. mit hochgradiger AS (nach AÖF) u. erhaltener EF besteht
eine paradoxe Low-Flow-AS, davon bei > 50 % zusätzlich eine Low-Gradient-
AS et vice versa.
• T ypisch bei Frauen, höherem Alter, ausgeprägter konzentrischer Hypertro-
phie, gestörter diastol. Funktion, kleinem enddiastol. Ventrikelvolumen u.
höherer globaler Nachlast des LV. Kritische diagn. Situation, die gemessene
EF unterbewertet die systol. Dysfunktion (mit folgendem low-flow).
! B ei AS ist ein kleiner, massiv hypertrophierter Ventrikel mit scheinbar nor-
maler systol. Funktion immer verdächtig auf eine Low-Flow-Low-Gradient-
AS. Ther. wie bei jeder anderen Form der AS.
 4.7 Aortenstenose (AS) 203

4.7.5 Differenzialdiagnose
• S ubvalvuläre, valvuläre u. supravalvuläre AS (▶ 4.7).
• M R (▶ 4.4.5).
• A ortensklerose: normale Pulsqualität; weniger raues, lautes Geräusch als bei
AS. Keine Dynamik bei Interventionen wie bei AS (aber: kontinuierlicher
Übergang Sklerose → Stenose).
•  SD (▶ 4.15): Pulsus celer et altus, Geräuschprojektion oft in alle Richtun-
V
gen, bei Nachlastreduktion (Amylnitrit) Abnahme der Geräuschintensität.
Großer Defekt meist mit 3. HT.
•  S (▶ 4.13.4): normale Pulsqualität, meist sehr lautes Geräusch ohne Fortlei-
P
tung in obere Thoraxapertur od. Hals, sehr weite Spaltung des 2. HT, klinisch
Rechtsbelastungszeichen.

4.7.6 Therapie
Konservative Therapie
Allgemeine Regeln
Eine kons. Ther. ist i. d. R. bei asymptomatischen Pat. mit leichter AS indiziert. 4
Pat. ausführlich informieren, regelmäßige Verlaufsuntersuchungen durchführen.
Pat. muss Bedeutung von Symptomen kennen u. sich bei Beschwerden umgehend
vorstellen.

Die Progressionstendenz ist v. a. bei der „senilen AS“ unkalkulierbar rasch →


kürzere Intervalle bei der Verlaufsbeobachtung.

• K eine sportlichen Aktivitäten u. schweren körperl. Belastungen in Beruf u.


Freizeit bei mittelschwerer u. schwerer AS.
 ntibiotikaprophylaxe der infektiösen Endokarditis (▶ 6.1.4): bei allen
• A
Schweregraden u. allen pathol.-anatomischen Varianten. Auch bei Pat. mit
ausgeprägter Aortensklerose.
•  ekundärprophylaxe des rheumatischen Fiebers bei gesicherter Ätiol. bis ins
S
junge Erw.-Alter (▶ 6.3).
Medikamentöse Therapie
 iuretika (▶ 11.2): nur bei Kongestionszeichen. Bei Hypovolämie mit redu-
• D
ziertem HZV Gefahr der kritischen Senkung der LV-Füllungsdrücke mit Hy-
potonie u. weiterer Reduktion des HZV.
 igitalisglykoside (▶ 11.5.1): präop. nicht indiziert. Nach Klappenersatz bei
• D
fortgeschrittener Herzinsuff. od. bei Rhythmusstörungen (VHF ▶ 7.7.6).
 ntiarrhythmika (▶ 11.6).
• A
 CE-Hemmer, Kalziumantagonisten sind kontraindiziert (wegen Nachlastre-
! A
duktion)!
 ntikoagulation (▶ 11.7): Marcumar® od. i. v. Heparin nach PTT. Ind.: AS
• A
mit rezid. Thrombembolien, VHF.

Ballonvalvuloplastie
Interventionelle Technik zur Lösung der Verwachsungen im Kommissurenbe-
reich. Palliative Maßnahme, kein Ersatz für AoK-OP.
204 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• I nd.:
– P  at. in hohem Lebensalter (> 80 J.) mit sehr hohem OP-Risiko.
– Pat. mit inadäquat hohem OP-Risiko bei AoK-Ersatz: schwere Begleiter-
kr., inoperable KHK, dringende Ind. zur OP einer extrakardialen Erkr.,
AS mit intraktabler Herzinsuff. zur Verbesserung der Ausgangssituation
einer elektiven AoK-OP („Brücke zur Chirurgie“),
– Kinder u. Jugendliche mit kritischer AS (nichtkalzifizierend, kongenital)
als Ersatz für Aortenkommissurotomie.
•  rgebnisse:
E
– Akutergebnisse: Gradientenreduktion im Mittel von 70 auf 30 mmHg, Zu-
nahme der Öffnungsfläche in 60 % > 1 cm2, in 30 % > 1,2 cm2.
– Langzeitergebnisse: enttäuschend. Die Restenose-Rate beträgt 50 % in
6 Mon., die klinische Besserung hält länger an. Die Mortalität entspricht
nach Dilatation der des natürlichen Verlaufs ohne Intervention.
•  O: Letalität 2–5 %! Schwerwiegende KO > 10 %, Gefäß-KO der A. femoralis
K
> 10 %! Selten schwere AR od. Aortenruptur. Periphere Embolien < 2 %, Ven-
trikelperforation, irreversible Hypotonien nach Balloninsufflation bei vorbe-
stehender (meist fortgeschrittener) LV-Dysfunktion. Passagere Hypotonien,
4 ! häufig reversible Bradykardien u. AV-Leitungsstörungen.
 allonvalvuloplastie im Erw.-Alter nur in Ausnahmefällen als überbrückende
B
Maßnahme bis zum interventionellen od. transapikalen AoK-Ersatz. Selten
als Maßnahme vor dringlicher nichtkardialer OP od. als Palliativmaßnahme
(hohe KO-Rate, hohe Restenose-Rate).

Kathetergestützte Aortenklappenimplantation
• T AVI (transcatheter aortic valve implantation): gefaltete Bioprothese aus tie-
rischem Perikard mit Stentgerüst. Ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
wird die Klappe nach Vordilatation (Ballonvalvuloplastie) der stenosierten
AoK transfemoral od. transapikal (kleine li anterolaterale Thorakotomie) ein-
gebracht. Für eine stabile Platzierung ist eine Reduktion des SV durch hoch-
frequentes Ventrikelpacing (180–220/Min. über ca. 10 s) erforderlich.
• 2 Klappentypen:
– C  oreValve® System – trikuspide Bioprothese aus Schweineperikard auf
einem selbstexpandierenden Nitinol-Stent. Kein Ballon zur Expansion er-
forderlich, Freisetzung der Prothese durch Rückzug der Katheterhülse.
Hochfrequente Ventrikelstimulation nicht zwingend erforderlich. System
stützt sich in Ao asc. u. li Ausflusstrakt ab. Koronarperfusion durch offene
Rahmenstruktur nicht beeinträchtigt. Geeignet für Implantation via A. fe-
moralis od. A. axillaris, ungeeignet für transapikalen Zugang.
– E  dwards-Sapien – gerüsttragende Bioprothese aus Rinderperikard, die
nach Vordilatation der stenosierten AoK mittels Ballonkatheter entfaltet
wird. Zugang transfemoral od. transapikal: Freilegen u. Punktion der
Herzspitze, Führungsdraht über stenosierte AoK, Vordilatation durch
Ballonvalvuloplastie unter hochfrequenter Ventrikelstimulation. Über
spezielles Einführungsbesteck Platzierung der Klappe durch Ballonexpan-
sion.
• G eeignete Pat.: Symptomatische kalzifizierte AS, milde bis moderate beglei-
tende AR ist keine KI, CoreValve® auch bei AR (falls Dimensionen von
LVOT u. Aortenring geeignet), Alter > 70 J., hohes OP-Risiko aufgrund von
Komorbiditäten (EuroSCORE > 20, www.euroscore.org, od. STS-Score > 10,
www.sts.org), Abstand der Koronargefäße vom Aortenklappenanulus
 4.7 Aortenstenose (AS) 205

> 10 mm, erforderliche Klappengröße verfügbar. Bei transfemoralem Zugang


geeignete periphere Gefäße u. Ao (Diameter, gewundener Verlauf, Verkal-
kungen). Ind.-Stellung u. Durchführung im Herz-Team, Hybrid-OP essenzi-
ell.
•  rgebnisse: primäre Erfolgsrate um 98 %. Im Vergleich zur chirurgischen
E
Ther. geringere Mortalität, aber höhere KO-Rate (zerebrale Apoplexien, Ge-
fäß-KO, ca. ¼ der Pat. nach transfemoraler CoreValve®-Implantation benö-
tigt ein permanentes SM-System). Unmittelbare hämodynamische Verbesse-
rung, diese hält mittelfristig an, mittlerer Gradient um 11 mmHg, Klappenöff-
nungsfläche um 1,6 cm2. Beide perkutanen Klappentypen sind den chirur-
gisch implantierten Bioprothesen nicht unterlegen. Die „Abdichtung“ des
Anulus aortae ist meist inkomplett → triviale bis milde paravalvuläre Leckage
ist häufig, selten relevant, im Verlauf stabil u. i. d. R. gut toleriert. Da ein Naht­
ring fehlt, sind die systol. Flusscharakteristika oft besser als bei den „chirurgi-
schen“ Bioprothesen.
!  onventionelle OP bei isolierter AS, komplexen kardialen Erkr. (z. B. AS u.
K
KHK) od. weiteren Vitien bei Fehlen relevanter Risikoindikatoren.
!  aten eines direkten Vergleichs von CoreValve® mit Edwards-Sapien bzw.
D
des transfemoralen mit dem transapikalen Zugang sind nicht verfügbar.
!  ransapikale/transfemorale Implantation einer Edwards-Sapien-Klappe bei
T 4
symptomatischen operablen Hochrisikopat. mit kalzifizierter AS Alternative
zur konventionellen OP.
!  ei inoperablen Pat. mit symptomatischer AS ist die transfemorale AoK-Im-
B
plantation einer Edwards-Sapien-Klappe einer kons. Ther. überlegen (Ther.
der ersten Wahl).
!  ine isolierte Valvuloplastie ist eine palliative Maßnahme: Einsatz bei Pat.,
E
die für keine weitere Option geeignet sind od. als Maßnahme zur Konditio-
nierung vor TAVI (bridge to TAVI).

Chirurgische Therapie
Aortenklappenersatz
OP-Verfahren der Wahl bei allen degenerativ veränderten AoK-Vitien. Die Val-
vulotomie ist nur bei Kindern/Jugendlichen mit kongenitalen, nicht degenerativ
veränderten AS indiziert. Alternative Verfahren (chirurgisches Débridement, Ul-
traschalldébridement) haben keine akzeptablen Langzeitergebnisse.
Alternative zum prothetischen AoK-Ersatz: ROSS-OP (Ersatz der erkrankten
AoK durch pulmonalen Autograft, die dann fehlende PK wird durch einen Ho-
mograft ersetzt); kein Antikoagulationsbedarf, der Autograft wächst bei Kindern
u. Jugendlichen mit, die Hämodynamik ist exzellent. Aufwendige OP, wird nur in
wenigen Zentren durchgeführt.
Indikationen
• S ymptomatische Pat. mit AS < 1,0 cm2 od. < 0,6 cm2/m2,
• P at. mit AS < 1,5 cm2 (Gradient > 40–60 mmHg), die zusätzlich einer OP der
Koronargefäße, einer anderen Herzklappe od. der Ao bedürfen,
• a symptomatische Pat. mit AS < 1,0 cm2 od. < 0,6cm2/m2 und
– eingeschränkter systol. LV-Funktion,
– abnormer Kreislaufreaktion bei Belastung (Hypotonie),
– VT,
– massiver LVH (≥ 15 mm),
– AÖF < 0,6 cm2.
206 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Komplikationen
Frühletalität des elektiven AoK-Ersatzes 2–8 %. Sehr hohes OP-Risiko bei Notfall-
OP im florid dekompensierten Stadium mit einer Letalität von 10–25 %, Spontan-
prognose ohne OP jedoch extrem schlecht.
Erhöhtes OP-Risiko bei ausgeprägter Symptomatik (NYHA III, IV), einge-
schränkter LV-Funktion, ventrikulären Arrhythmien, hohem Lebensalter, beglei-
tender mittelschwerer bis schwerer AR, begleitender KHK, v. a. wenn sie in glei-
cher Sitzung nicht komplett revaskularisiert werden kann.
Langzeitprognose
10-JÜR 70 %, 15-JÜR 50 %. Einfluss von Begleiterkr. auf 10-JÜR: AoK-Ersatz u.
KHK ohne Bypass 25 %, AoK-Ersatz u. KHK mit Bypass 40 %. Weitgehende Rück-
bildung der Myokardhypertrophie innerhalb von 5 J. nach AoK-Ersatz.

Die Frage nach der Operabilität, die bei verschiedenen Vitien mit erheblich
eingeschränkter LV-Gesamtfunktion eine Rolle spielt, stellt sich bei der AS
nicht. Die operative Beseitigung der Druckbelastung bei Ausflussobstruktion
führt akut u. anhaltend zu einer Nachlastverminderung u. verbessert postop.
bei der Mehrzahl der Pat. die LV-Funktion.
4
Aortenstenose mit niedrigem Gradienten bei eingeschränkter systol. Funktion
des li Ventrikels
Eine schwere AS zeigt bei niedrigem HZV (als Folge der AS) nur einen geringen
Gradienten. Schwierige DD von Pat. mit niedrigem HZV (als Folge einer LV Dys-
funktion nonvalvulärer Genese) u. nur mäßiggradiger AS. DD mittels Dobut­
amin-Infusion: Bei hochgradiger AS bleibt nach Erhöhung des SV die effektive
Klappenöffnungsfläche noch kritisch klein, bei nur mäßiggradiger AS nimmt die
kalkulierte Öffnungsfläche deutlich zu.

4.7.7 Komplikationen u. ihre Behandlung


 HF (▶ 7.7.6): frühzeitige aggressive Behandlung bei signifikanter AS. Bei
• V
kritischer AS rapide klinische Verschlechterung, deshalb umgehende Kardio-
version u. Reevaluation des Vitiums (OP-Planung). Auch früh postop. wird
VHF schlechter toleriert als bei anderen valvulären Erkrankungen.
•  entrikuläre Arrhythmien: Präop. bestehende ventrikuläre Arrhythmien
V
verschlechtern auch die postop. Prognose. Erhöhte Inzidenz ventrikulärer
Arrhythmien früh postop. Evtl. prophylaktische Ther. mit Lidocain (▶ 11.6.4)
od. Amiodaron (▶ 11.6.10).
•  radykarde Rhythmusstörungen: totaler AV-Block als KO der Klappener-
B
satz-OP („chirurgischer AV-Block“). Inzidenz abhängig vom Ausmaß der
Klappenringverkalkung u. von der Notwendigkeit einer plastischen Klappen-
ringerweiterung (intraop. Entscheidung: Implantation epikardialer perma-
nenter SM-Elektroden, an die postop. ein SM-Aggregat angeschlossen wer-
den kann). Perivalvuläres Ödem nach Klappenersatz als Ursache eines AV-
Blocks III° bildet sich meist innerhalb 2 Tagen zurück; bei AV-Block > 5 Ta-
gen permanente SM-Versorgung (möglichst Zweikammersystem). Auch spät
postop. Zunahme der perivalvulären Kalzifikation möglich → totaler AV-
Block. Bei Verlaufskontrollen PR-Zeit im EKG beachten u. Langzeit-EKG
durchführen.
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 207

 kutes Lungenödem: kons. Ther.-Versuch (▶ 2.3.2, ▶ 8.3.3). Kein Einsatz


• A
potenter art. Vasodilatatoren (z. B. Nitroderivate). Bei Ther.-Resistenz Ballon-
valvuloplastie od. Akut-OP. Nach Rekompensation Elektiv-OP in bestmögli-
chem stabilen Zustand. Bei inkompletter Rekompensation evtl. Ballonvalvu-
loplastie zur Überbrückung bis zur OP.
•  rombembolie: seltene Manifestation einer isolierten AS. Meist klinisch in-
Th
apparente Kalkembolien (s. o.). Bei assoziiertem Mitralvitium Antikoagulati-
on (▶ 4.3.6, ▶ 4.4.6).
• Infektiöse Endokarditis (▶ 6.1).

4.7.8 Natürlicher Verlauf
Günstige Prognose. Erst nach Auftreten von Beschwerden schlechte Prognose.
MÜZ nach dem Auftreten von A. p. 5 J., nach einer Synkope 3 J., bei Zeichen der
Linksherzinsuff. 2 J.
• P lötzlicher Herztod: 3,5 % bei asymptomatischer AS, 15–20 % bei sympto-
matischer AS!
• M ittlere Überlebensrate bei kons. Ther. nach Stellen der OP-Ind.: 2 Jahre.
Überlebensrate aller Schweregrade: 5 J. 40 %, 10 J. 20 %. 4
• P rogression:
– Kongenitale valvuläre AS: Stenosegrad kann in der Wachstumsphase un-
verändert bleiben, zunehmen od. abnehmen. Wird das Erw.-Alter er-
reicht, hängt der Verlauf vom Ausmaß der sek., degenerativen Verände-
rungen ab.
– Primär degenerativ kalzifizierende („senile“) AS: individuelle Progressi-
onstendenz, akzeleriert in höherem Alter u. bei LV-Dysfunktion mit re-
duziertem HZV. Progression bei seniler AS deutlich schneller als bei prä-
senilen Formen.
• F aktoren mit prognostischer Bedeutung: EF, HZV, LVEDP, mittlerer
PCWP u. PAP, CTR, Beschwerden, gehäuft VES im EKG. Klappengradient
ohne signifikanten Einfluss auf Überlebenszeit.
• K HK als Begleiterkr.: deutlich schlechtere Prognose im natürlichen Verlauf
u. auch nach OP (▶ 4.7.6).

4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz
Leitbefunde
• T ypisch: große RR-Amplitude mit niedrigem diastol. Druck (häufig als
„art. Hypertonie“ verkannt). Rasche Ermüdbarkeit, Dyspnoe, A. p. nach
langjährigem beschwerdefreiem Intervall, Symptome der Linksherzinsuff.
u. Kreislaufzeichen eines hohen SV (s. u.).
•  ulsus celer et altus, hyperdynamer Herzspitzenstoß, diastol. Regurgitati-
P
onsgeräusch mit Decrescendo, Austin-Flint-Geräusch, Duroziez-Zeichen.
•  KG: Links- od. überdrehter Linkstyp, Zeichen der LVH, unspezifische
E
ST-T-Veränderungen li-präkordial bzw. anterolateral („Schädigungszei-
chen“, „strain“).
•  cho: dilatierter, hypermotiler LV.
E
208 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.8.1 Ätiologie
Erkrankungen der Aortenklappe
• R heumatisches Fieber (▶ 6.3): im akuten Stadium des rheumatischen Fiebers
meist geringe AR.
• I nfektiöse Endokarditis: Klappendestruktion durch entzündlichen Prozess.
Langsam progredienter bis akuter Verlauf möglich. Die infektiöse Endokardi-
tis tritt v. a. bei vorgeschädigten Klappen (bikuspide od. rheumatisch vorge-
schädigte AoK) auf. Auch nach ausgeheilter Endokarditis Zunahme der AR
durch narbigen Umbau u. fibrotische Retraktion möglich.
•  yphilis: kardiale Beteiligung heute selten.
S
•  eitere entzündliche Ursachen: rheumatoide Arthritis, Spondylitis ankylo-
W
poetica, SLE, M. Reiter, Takayasu-Arteriitis (▶ 10.4.1).
•  trukturelle Klappendefekte: rupturiertes Sinus-Valsalva-Aneurysma, Spalt-
S
bildungen, traumatische Klappendestruktion, art. Hochdruck in Verbindung
mit klinisch inapparenten Klappenveränderungen (myxomatöse Degenerati-
on, Spaltbildung, bikuspide AoK).
•  ongenitale Klappenanomalien: bikuspide AoK, myxomatöse Degenerati-
K
4 on/Proliferation, kongenitale Spaltbildungen meist mit ASD, subvalvuläre AS
(praktisch immer auch AR). Bindegewebserkr. (Ehlers-Danlos-, Marfan-Sy.,
Osteogenesis imperfecta).

Erkrankungen der Aortenwurzel


Primäre strukturelle Schädigung der proximalen Ao od. Dilatation der Ao asc. mit
Beteiligung des klappentragenden Aortenanteils.
• E ntzündliche Ursachen: syphilitische Aortitis, Bindegewebserkr. mit ent-
zündlicher Komponente wie rheumatoide Arthritis, M. Bechterew, M. Reiter,
M. Behçet, Riesenzellarteriitis, Osteogenesis imperfecta, zystische Mediane­
krose mit/ohne Marfan-Stigmata.
• P rogrediente idiopathische Aortendilatation: bei chron. Druck- od. Volu-
menbelastung bei art. Hypertonie, Niereninsuffizienz. Evtl. zusätzlich Hin-
weise auf eine „Forme fruste“ eines Marfan-Sy.
• A nulo-aortale Ektasie (▶ 14.1.2): Oberbegriff der idiopathischen Aortendi-
latation, Marfan-Sy. u. seine „Forme-fruste-Varianten“, zystische Mediane­
krose.
• S inus-Valsalva-Aneurysma: abnorme Aortenwurzelgeometrie mit Traktions-
kräften auf Klappentaschen, gelegentlich kompliziert durch infektiöse Endo-
karditis.
• T raumatische Lazeration od. spontane Dissektion der Ao asc. (▶ 10.2): pri-
märe Klappenbeteiligung od. sek. durch Traktions- od. Kompressionskräfte.

4.8.2 Symptome
Häufig Beschwerdefreiheit/-armut über Jahrzehnte trotz relevanter AR.
• H auptsymptome: rasche Ermüdbarkeit, A. p., Dyspnoe, Schwindel, Synko-
pen. Oft erst im fortgeschrittenen Stadium.
• L angsame Symptomentwicklung. Plötzlich od. rapid progredient Beschwer-
den bei kompliziertem Verlauf, z. B. interkurrente Klappenendokarditis mit
akuter Klappendestruktion.
• H erzinsuff. u. Kreislaufzeichen eines großen SV (s. u.): rasche Ermüdbar-
keit, Belastungsdyspnoe, gelegentlich Episoden einer Orthopnoe u. paroxys-
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 209

male nächtliche Dyspnoe-Attacken bei Dekompensation. Kongestion od. re-


duziertes HZV, meist bei irreversibler LV-Dysfunktion („point of no re-
turn“).
•  ngina pectoris: seltener. Meist atypisch, auch nächtlich paroxysmal in Ver-
A
bindung mit Palpitationen, Dyspnoe u. profusen Schweißausbrüchen.
!  ei typischer A. p. an zusätzliche KHK denken.
B
•  chwindel u. Synkope: selten, besitzen nicht die Bedeutung wie bei der AS.
S
•  aroxysmal auftretende Beschwerden: Oft bei Bradykardie.
P

Tipps & Tricks


• E ine art. Hypertonie verstärkt durch einen hohen aorto-ventrikulären
Druckgradienten die Regurgitation u. beschleunigt das Fortschreiten
der AR.
•  iagn. einer art. Hypertonie bedeutet immer Nachweis/Ausschluss ei-
D
ner AR.

4.8.3 Nichtinvasive Diagnostik
4
Körperliche Untersuchung
Inspektion
• H abitus wie bei Marfan-Sy. od. „Formes-fruste-Marfan“ (▶ 4.6.2), Hinweise
auf weitere Bindegewebserkr., Hautstigmata einer infektiösen Endokarditis
(▶ 6.5.1).
• K reislaufzeichen eines großen SV: pulssynchrone Bewegungen von Kopf,
Kehlkopf u./od. Uvula. Quincke-Kapillarpuls (rhythmische Perfusionsphäno-
mene bei Nagelbett- od. Lippenkompression), sichtbar pulsierende Gefäße
(Schläfe, Hals, Jugulum, Leisten).
Palpation
• P ulscharakteristika: Pulsus celer et altus (Wasserhammerpuls, Kollapspuls,
„Corrigan pulse“). Große RR-Amplitude mit schnellem Pulsanstieg u. raschem
diastol. Kollaps, tastbarer Fingerpuls, systol. RR-Überhöhung an Beinen (Hill-
Phänomen: Systol. Druck > 60 mmHg über dem der oberen Extremitäten).
• H erzspitzenstoß: hyperdynam,
nach li u. unten verlagert. Teils sys-
tol. Schwirren über Herzbasis tast- EKG
bar (DD AS!).
• D D des Kollapspulses: offener Systolikum Diastolikum
Ductus Botalli, aortopulmonales
Leichte
Fenster, Ruptur eines Sinus-Valsal- Aorten-
va-Aneurysmas, Koronarfistel, peri- insuffizienz
phere AV-Fistel, Anämie, M. Paget, 1. HT 2. HT
hyperdyname Kreislaufsituation bei
Fieber, Hyperthyreose. Systolikum Diastolikum
Schwere
Auskultation Aorten-
▶ Abb. 4.15. insuffizienz
• H erztöne: Normaler 1. HT bei Click

leichter bis mittelschwerer AR. Bei


Abb. 4.15 Auskultationsmerkmale der
schwerer od. dekompensierter AR leichten u. schweren AR [L157]
210 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

leise od. nicht mehr hörbar. 2. HT mit normaler Spaltung. A2 fehlt bei verkal-
kenden Vitien, abgeschwächt bei Beteiligung der Klappenränder (z. B. rheu-
matisch, Immobilität der Klappentaschen). Lauter, paukender 2. HT bei Aor-
tenwurzelerkr. ohne Beteiligung der Klappen (z. B. Lues). P2 über dem Pul-
monalareal nur bei pulmonalem Hochdruck betont, kann jedoch im diastol.
Geräusch untergehen. Häufig 3. HT.
•  jektions Click: Aortendehnungston (hohes SV in früher Systole).
E
•  iastol. Geräusch: Beginn frühdiastol. als Sofortgeräusch nach 2. HT. Decre-
D
scendo-Charakter (in der Diastole sinkt Druckgradient zwischen Ao u. LV).
Typisch hochfrequent mit „gießendem“ Charakter. Meist leises Diastolikum
(1⁄6–2⁄6, selten 3⁄6) → Geräusch suchen! Lautes Diastolikum (meist rau klingend)
nur bei signifikanter AR, ein leises Geräusch schließt sie jedoch nicht aus.
– Leichte AR: kurzes Diastolikum, nur in der 1. Hälfte der Diastole hörbar,
weicher, hauchender Klangcharakter.
– Mittelschwere AR: holodiastol. Geräusch, blasender bis gießender Klang-
charakter.
– Schwere od. freie AR: kurzes, evtl. lautes Diastolikum in der 1. Hälfte der
Diastole (rascher Druckausgleich zwischen Ao u. LV), rauer Klangcharakter.
4 !  iastolikum am besten hörbar über mittlerem Sternaldrittel od. unterem li
D
Sternalrand, wenn Pat. nach vorn übergebeugt sitzt.
•  ynamische Auskultation: Alle Maßnahmen, die art. Druck erhöhen (rasches
D
Aufsitzen, Kauern, isometrische Belastung), akzentuieren das diastol. Geräusch.
•  D des Diastolikums: Pulmonalinsuff. bei PAH (Graham-Steel-Geräusch);
D
MS. DD aufgrund der peripheren Kreislaufzeichen der AR meist „bedside“
möglich.
•  ustin-Flint-Geräusch: Mitt- bis spätdiastol. Geräusch über Apex, tief fre-
A
quenter, „rumpelnder“ Charakter wie bei MS („funktionelle MS“, da die MK-
Öffnung durch AR behindert wird). Nur bei hämodynamisch relevanter AR.
DD: Diastolikum der MS (▶ 4.3.5).
•  ystol. Geräusch: funktionelles Geräusch über aortaler Ausflussbahn (großes
S
SV). Nimmt bei LV-Dysfunktion ab u. wird evtl. durch systol. Regurgitations-
geräusch einer rel. MR abgelöst.
•  efäßauskultation: Auskultationsphänomene der A. femoralis sind Korrela-
G
te des AR-Pulses. Kann als klinisches Maß des Regurgitationsschweregrads
herangezogen werden.
– D  uroziez-Zeichen: Leichte Kompression der A. femoralis durch das Ste-
thoskop führt zu einem systol./diastol. Geräusch. Wird das Gefäß proxi-
mal des Auskultationspunkts mit den Fingern komprimiert, entsteht ein
systol., bei distaler Kompression ein diastol. Geräusch.
– T  raube-Zeichen: Ohne Gefäßkompression sind hochfrequente, systol. u.
diastol. Töne hörbar („pistol-shots“). Folge der abrupten Gefäßwanddeh-
nung bei hohem SV.

EKG
• L inks- od. überdrehter Linkstyp.
• L VH mit hohen T-Wellen u. kleinen Q-Zacken lateral bei Volumenbelastung
über eine kurze Laufzeit.
• U
 nspezifische ST-T-Veränderungen bei lang andauernder Volumenbelastung.
• U
 nspezifische Erregungsausbreitungsstörungen ohne typisches Schenkel-
blockbild (atypischer od. inkompletter LSB) bei chron., schwerer AR mit er-
heblicher LV-Dysfunktion.
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 211

• E vtl. AV-Leitungsstörungen u. klassische LSB-Muster bei florider Endokarditis.


• N ormales EKG-Muster lediglich bei geringer, auch chron. AR möglich.
Röntgen-Thorax
• L eichte chron. AR: unauffällige Rö-Übersicht.
• V ergrößerung des LV bei zunehmender LV-Volumenbelastung: Verlagerung
nach lateral, unten u. teils nach posterior. Zunahme des CTR.
• L A-Vergrößerung: bei zusätzlicher MK-Erkr. od. fortgeschrittener AR mit
pulmonaler Kongestion.
• N
 ativverkalkungen meist bei kombiniertem Aortenvitium, bei reiner AR selten.
• D
 ilatation der Aorta asc.: umfasst meist gesamten Aortenbogen, im Gegen-
satz zur poststenotischen Aortendilatation bei AS.
– Deutliche Aortendilatation bei leichter bis mittelschwerer AR: eigenstän-
dige Aortenerkr. als Ursache der AR (anulo-aortale Ektasie, zystische Me-
dianekrose, Marfan-Sy., Aortenaneurysma).
– Schwere AR ohne Aortendilatation bei akuter od. subakuter AR.
•  ulmonalvenöse Kongestion u. PAH im fortgeschrittenen Stadium mit er-
P
heblicher LV-Dysfunktion.
4
Echokardiografie
M-Mode
• A oK-Bewegungsmuster: evtl. unauffällig. Verdickte Klappentaschen u. Ste-
noseelemente bei kombinierten Aortenvitien. Gelegentlich auch pathogno-
monischer Befund: Vegetationen auf Klappentaschen bei florider infektiöser
Endokarditis, Prolapsbewegungen von Klappentaschen, Ektasie/Aneurysma
der Sinus Valsalvae u./od. Dilatation der angrenzenden Ao asc.
• M K-Ebene: klassisches Bild des diastol. Flatterns (hochfrequente Oszillatio-
nen) meist des vorderen, gelegentlich beider, seltener des hinteren Mitralse-
gels, des septalen Endokards u./od. des Endokards der posterioren freien
Wand. Indirektes Zeichen einer AR. Gelegentlich DD-Schwierigkeiten, da
Oszillationen feinen Vegetationen gleichen können.
• F rühverschluss der MK: diastol. Schluss der MK noch vor Beginn des QRS-
Komplexes. Der C-Punkt des M-Modes der MK tritt vor Q-Zacke des EKG
auf. Indirektes Zeichen einer schweren AR; häufiger bei der akuten als bei der
chron. AR.
• G röße, Funktion des LV: indirektes Zeichen für die Schwere der Volumen-
belastung. Dilatation des LV mit überhöhten systol. Bewegungsamplituden
der Myokardwände (Hypermotilität). Systol. Verdickung u. Verkürzungs-
fraktion des LV (FS, Maß der systol. Funktion) zeigen im kompensierten Sta-
dium eine „supernormale“ Funktion an.
2-D-Echokardiografie
Ausmaß der LV-Dilatation, LVH, globale LV-Funktion, Größe von Bulbus aortae
u. angrenzender Ao asc. beurteilen.
• V  erdickte AoK-Taschen: fibrotisch, myxomatös od. fibrokalzifizierend dege-
neriert.
• H  inweise auf Ursache einer AR: paravalvulärer Abszess, VSD, prolabierende
AoK-Tasche, subvalvuläre Membran bei subvalvulärer AS, bikuspide AoK,
Klappensklerose, Ao-asc.-Dilatation bzw. -Aneurysma, evtl. Dissektions-
membran.
• V  erlaufsbeurteilung der LV-Funktion bei chron. AR.
212 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

TEE-Indikationen
Transthorakal nicht ausreichend gut beschallbare Pat., insbes. wenn Klappen-
morphologie exakt beurteilt werden muss. V. a. Klappenendokarditis. V. a. AR
nach Thoraxtrauma. Kongenitale AR zum Nachweis/Ausschluss von Begleitde-
fekten. AR im Rahmen eines Aortenaneurysmas u./od. einer Dissektion der Ao
asc.

Bei Ao-asc.-Dissektion mit Perikarderguss keine weitere zeitraubende Diagn.


durchführen. Die Belastung des Pat. durch eine auch schonend durchgeführ-
te TEE-Untersuchung kann fatal enden → umgehend Kontaktaufnahme mit
Herzchirurgie. Evtl. TEE auf OP-Tisch (▶ 10.2).

Doppler
Anlotung apikal im RAO-Äquivalent od. präkordiale kurze Achse (▶ Abb. 4.16).
• D iastol. turbulenter Regurgitationsfluss mit hoher Geschwindigkeit u. brei-
tem Geschwindigkeitsspektrum im cw-Doppler.
• H ohe Regurgitationsgeschwindigkeiten während der gesamten Diastole (also
auch in der Enddiastole) bei hohem enddiastol. aortoventrikulären Druckgra-
4 dienten → Hinweis (kein Beweis) auf eine leichtere Form der AR.
• A bnehmende Regurgitationsgeschwindigkeiten im Verlauf der Diastole u.
niedrige enddiastol. Geschwindigkeiten bei enddiastol. Ao-LV-Druckaus-
gleich können Zeichen einer schweren AR sein.
• B estimmung des „slope“ der AR-Dopplerkurve: Tangente an Geschwindig-
keitsprofil anlegen u. Druck-HWZ bestimmen. Je kürzer die Druck-HWZ,
desto höhergradiger ist die AR: > 500 ms leichte AR; 350–500 ms moderate
AR; 200–350 deutliche AR; < 200 ms schwere AR.
! B ei leichter AR oft nur schwache Doppler-Signale, bei schwerer AR meist
kräftiger.
• F arb-Doppler erfasst auch min. Formen der AR mit hoher Sensitivität. Ei-
ne Lokalisation des Defekts u. der Richtung des Regurgitationsjets ist mög-
lich.

Geringe Aorteninsuffizienz Schwere Aorteninsuffizienz

LV
100
Aorta Aorta

Diastol.
LV Druckgradient
Diastol.
Druckgradient zwischen Aorta und LV
0

EKG

Abb. 4.16 Dopplerbefunde u. hämodynamische Profile bei geringer u. schwerer


Aorteninsuffizienz: Hinterlegte Fläche entspricht dem diastol. Druckgradienten
zwischen LV u. Aorta [L157]
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 213

Quantifizierung der AR mittels Doppler


Eine sichere quantitative Bewertung ist nicht möglich.
• A usdehnung des Refluxsignals (▶ Abb. 4.17): Breite von Basis u. Tiefenaus-
dehnung in den LV mit Farb-Doppler beurteilen, Relation des Regurgitati-
onssignals mit Weite des LVOT bestimmen. Proximaler Jetquerschnitt im
Verhältnis zum Querschnitt des LVOT (Farb-Doppler):
– < 40 % leichte AR,
– 40–60 % mittelschwere AR,
– > 60 % schwere AR.
• p w-Doppler-Mapping: Mit pw-Doppler Tiefenausdehnung durch sukzessive
Verlagerung des Messvolumens vom AoK-Niveau nach LV abschätzen. Brei-
tenausdehnung wird meist nicht erfasst.
• V ena contracta: schwere Regurgitation bei V. contracta > 0,6 cm (Nyquist-
Grenze 50–60 cm/s). Im Farb-Doppler in den präkordialen Kurzachsen-
schnitten basale Größe der Durchtrittsfläche (Dicke u. Breite bzw. Fläche der
Regurgitationsöffnung) u. Relation zum Durchmesser (bzw. Querschnitt) des
LVOT bestimmen:
– < 40 % leichte AR,
– 40–60 % mittelschwere AR,
– > 60 % schwere AR. 4
• H olodiastol. Flussumkehr in der Ao desc.: pw-Doppler-Messvolumen in der
Mitte des Lumens der Ao desc. platzieren. Deutlicher diastol. Refluxanteil ist
Hinweis auf signifikante AR.
• P robleme der Quantifizierung:
– Exakte Diskriminierung zwi-
schen Mitraleinfluss u. AR oft
nicht möglich. 4
– Regurgitationsjets oft atypisch,
exzentrisch gerichtet. Mit zu- 3

nehmender LV-Dysfunktion RV 2 LV
kann sich das LV-Kavum trotz 1 Reflux-
schwerer AR nicht mehr voll- Ao
signal
ständig mit dem Signal anfüllen
(Verwirbelungen). LA
• Q uantitative Parameter: RA

– Regurgitationsvolumen:
> 60 ml/Schlag.
– Regurgitationsfraktion: > 50 %.
– Effektive Regurgitationsfläche: Abb. 4.17 Quantifizierung der AR an­
0,3 cm2. hand des Refluxsignals im LV [L157]

Radionuklidventrikulografie
Zur Bestimmung der EF u. der globalen u. regionalen Wandbewegung in Ruhe u.
nach Belastung. Indiziert bei AR u. V. a. Ventrikeldysfunktion bei Belastung. Zur
Verlaufsuntersuchung nur einsetzen, wenn klinische u. echokardiografische Ver-
fahren unzureichend sind (rel. hohe Strahlenbelastung). Bei noch normaler Ruhe-
EF u. Abnahme der EF unter Belastung frühzeitigen operativen Klappenersatz
erwägen.
214 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Schweregrade
Einteilung der chron. AR nach Klinik u. nichtinvasiver Diagn. in folgende Schwe-
regrade:
Leichte Aorteninsuffizienz
• K  linik: meist asymptomatisch, gelegentlich präkordiale Pulsationen, „Organ-
gefühl“.
• P uls u. RR unverändert.
• A  uskultation: 1. HT normal, leises systol. Austreibungsgeräusch mögl., 2. HT
betont, hauchendes diastol. Decrescendo.
• E KG: häufig Linkstyp, sonst unauffällig.
• R ö-Thorax: Herzschatten gering nach li verbreitert, Aortenektasie, bei DL
verstärkte aortale Pulsationen.
• E cho: Oszillationen des AML, LV-Diameter im Bereich der Norm od. nur ge-
ring vergrößert, Doppler s. o.
Mittelgradige Aorteninsuffizienz
• K linik: Dyspnoe, A. p.
• R R-Amplitude erhöht, meist Pulsus celer et altus, hebender Herzspitzenstoß.
4 • A uskultation: 1. HT normal, frühsystol. Ejektions-Click, systol. Austrei-
bungsgeräusch über li Ausflussbahn, rel. lautes, holodiastol. Decrescendo.
• E KG: häufig Linkstyp, LVH, ST-T-Veränderungen.
• R ö-Thorax: li-betonte Herzverbreiterung, Retrokardialraum eingeengt, Aor-
tenektasie, in DL vermehrte aortale Pulsationen.
• E cho: Oszillationen von Mitralsegelstrukturen, hypermotile LV-Wandbewe-
gungen, LV-Dilatation → Zeichen vermehrter chron. Volumenbelastung,
Doppler s. o.
Hochgradige Aorteninsuffizienz
• K linik: Dyspnoe, oft Orthopnoe (wiederholte Linksherzdekompensationen),
profuse Schweißausbrüche, thorakale u. abdominale Schmerzen, Palpitationen.
• R uhetachykardie, hohe RR-Amplitude, Pulsus celer et altus, pos. Kapillarpuls.
• A uskultation: 1. HT leise, systol. Austreibungsgeräusch über li Ausflussbahn,
leiser od. fehlender AoK-Schlusston, Decrescendo-Diastolikum oft nicht
während der gesamten Diastole, 3. HT, Austin-Flint-Geräusch möglich.
• E KG: Linkstyp, LVH, ST-T-Veränderungen, QRS-Verbreiterung, evtl. AV-Block I°.
• R ö-Thorax: Aortenkonfiguration des Herzens durch LV-Vergrößerung, ver-
mehrte Pulsationen der gesamten thorakalen Ao, pulmonale Stauungszeichen.
• E cho: LV-Dilatation, hyperkinetische Wandbewegungen, die im Stadium der
Dekompensation abnehmen, Abnahme der systol. Durchmesserverkürzung,
vorzeitiger MK-Schluss, eingeschränkte Öffnungsamplitude der Mitralsegel,
Doppler s. o.

4.8.4 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Art. Hypertension mit niedrigem diastol. Aortendruck u. hoher RR-Amplitu-
de, Dilatation von LV u. Ao asc., Hypermotilität des LV, in fortgeschrittenen
Fällen globale LV-Dysfunktion mit verminderter EF, KM-Reflux nach LV bei
Injektion in die Ao ascendens. Befunde einer primären Aortenerkr. (Ektasie,
Aneurysma, Dissektion).
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 215

Indikationen
• S ymptomatische AR,
• a symptomatische AR u. eingeschränkte LVEF od. erhöhtes endsystol. Volu-
men in Ruhe,
• D
 iskrepanz zwischen Ausmaß der LV-Funktionseinschränkung u. nichtinva-
siv bestimmtem Schweregrad der AR, Ausschluss weiterer Erkr. als Ursache,
• m
 ultivalvuläre Herzerkr. od. weitere Herzerkr. (z. B. VSD, aorto-pulmonales
Fenster, Sinus-Valsalvae-Aneurysma),
• Jede akute/subakute AR u. jede progrediente Aortenwurzeldilatation.
Hämodynamik
Formanalyse der Drücke
• A ortendruckkurve: Systol. meist doppelgipflig, diastol. sinkt Aortendruck bei
schwerer AR steil ab → große Druckamplitude. Kein Druckangleich zwischen
EDP in Ao u. LV (DD zur akuten, schweren AR).
• L VEDP: bei kompensierter AR normaler LVEDP; im dekompensierten Stadi-
um immer erhöht, zusätzlich PAH.
Aortografie 4
AoK-Taschen u. thorakale Ao in LAO-Projektion beurteilen: Beweglichkeit der
Taschenklappen, Zahl der Taschen, Verkalkungen von AoK u./od. thorakaler Ao,
Dilatation der thorakalen Ao, Sinus-Valsalvae-Aneurysma, Dissektionen, Koro-
narostiumveränderungen u. begleitender VSD.
Zur Einteilung des Schweregrads ▶ Tab. 4.5.

Tab. 4.5 Schweregrad der AR nach angiografischen Kriterien


Grad KM-Verteilung KM-Dichte Regurgitations­
fraktion (%)
I Geringe KM-Menge erreicht diastol. eben den LV << Ao < 20
LVOT. KM wird in jeder Systole wieder ausge­
worfen
II Diastolisch Anfärbung des gesamten LV LV < Ao 20–40
III Deutliche Anfärbung des gesamten LV LV = Ao 40–60
IV Anfärbung des gesamten LV während eines LV > Ao > 60
Herzzyklus

LV-Angiografie
• L V-Kavum: enddiastol. vergrößert. Endsystol. LV-Dilatation bei fortgeschrit-
tener AR mit LV-Dysfunktion.
• E jektionsfraktion: je nach Laufzeit u. Kompensationsgrad Normalwerte od.
global gestörtes Kontraktionsverhalten. Sorgfältige Bestimmung von EF,
LVEDVI (ml/m2) u. LVESVI (ml/m2) → wichtig für Ther.-Planung.
• R el. MR bei erheblicher LV-Dilatation.

4.8.5 Differenzialdiagnose
 kute AR (▶ 4.9): akuter Verlauf einer progredienten Linksherzinsuff. mit
• A
Kongestion u./od. low output ohne die peripheren Kreislaufzeichen einer AR.
Auskultation wenig aussagekräftig. Anamnese, „akute Klinik“ u. Echo (Aor-
tenwurzelerkr., AoK-Endokarditis) sind meist pathognomonisch.
216 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• A S (▶ 4.7).
• P R (▶ 4.12): Kreislaufzeichen der AR fehlen. Klinische Zeichen der Links-
herzinsuff. mit PAH (häufigste Ursache einer Pulmonalinsuff., Graham-Steel-
Geräusch), einer primären pulmonalen Erkr. od. eines Eisenmenger-Sy. bei
kongenitalem Vitium. Bei PR immer Zeichen der re-kardialen Belastung (Di-
latation, Hypertrophie), AR mit li-kardialer Belastung.
•  DA (▶ 4.16): Kontinuierliches Geräusch des Ductus kann mit systol. u. dias-
P
tol. Geräusch der AR verwechselt werden. Eine große Pulsamplitude ist bei
beiden möglich. Der 2. HT ist bei der AR meist erkennbar, beim Ductus
nicht; Rö-Thorax: Hinweise auf pulmonale Plethora bei Li-re-Shunt; Dopp-
ler-Echo meist beweisend.
•  ortopulmonales Fenster: wie beim PDA.
A
•  erforiertes Aneurysma eines Sinus Valsalvae: Bild einer akuten AR, jedoch
P
mit kontinuierlichem Geräusch. Eine Perforation nach re-ventrikulär wird
hämodynamisch oft gut toleriert. Pathognomonischer Echo-Befund.
•  rteriovenöse Fisteln der Koronararterien: sehr seltene Ursache eines
A
kontinuierlichen Geräuschs. Meist leises Geräusch, keine Kreislaufzeichen
der AR.
4 •  itralstenose (▶ 4.3).
M

4.8.6 Therapie
Die AR wird klinisch u. hämodynamisch erstaunlich lange toleriert. Durch Nach-
lastsenkung kann die Regurgitation verringert werden. Bei Zeichen der LV-Dys-
funktion operativ behandeln, um irreversible Schädigung zu verhindern. Wichtig
ist, diesen „Point of no Return“ frühzeitig zu erkennen.
Die Hämodynamik, d. h. die messbare LV-Funktion, hat einen dominierenden
Stellenwert bei der Ther.-Entscheidung (wesentlicher Unterschied zur AS!). Bei
Beginn einer LV-Dysfunktion besteht absolute Notwendigkeit zur Reevaluation u.
Änderung der Therapie. Alle Maßnahmen müssen eine weitere LV-Funktionsver-
schlechterung verhindern, da diese potenziell irreversibel ist.

Verlaufskontrollen bei konservativer Therapie


• 6 –12 Mon.: asymptomatischer Pat., keine LV-Dysfunktion, Angio-Schwere-
grad I od. II.
• 3 –6 Mon.: asymptomatischer Pat., diastol. RR < 55 mmHg, EKG-Verände-
rungen zunehmend, CTR im Rö-Thorax zunehmend. LV-Funktion im Echo
„normal“, Ruhe-EF > 60 %, EF-Abfall bei Belastung, rheumatisches Fieber
> 30–50 % od. Angio-Schweregrad III od. IV. Kritische Beurteilung, ob OP
erforderlich.

Konservative Therapie
Allgemeine Regeln
Kons. Ther. i. d. R. indiziert bei asymptomatischen Pat. ohne LV-Dysfunktion.
Pat. ausführlich informieren, regelmäßige Verlaufskontrollen durchführen.
• K ein Wettkampfsport u. keine schwere körperl. Belastungen bei mittelschwe-
rer u. schwerer AR.
• K  linische Verschlechterung: infektiöse Endokarditis ausschließen (▶ 6.5.1).
Bei Thoraxschmerzen an Aortendissektion denken!
• A  ntibiotikaprophylaxe der infektiösen Endokarditis: bei allen Schweregraden.
 4.8 Chronische Aortenklappeninsuffizienz 217

• A rt. Hochdruck konsequent therapieren (▶ 9.1).


• B radykardisierende Medikamente meiden.
Medikamentöse Therapie
Vasodilatatoren-Ther. (retardiertes Nifedipin, ACE-Hemmer) mit dem Ziel, den
systol. RR zu senken. Dosisanpassung, bis messbare Reduktion des erhöhten RR
erreicht ist. Bei primär normalem RR u./od. normal großem LV keine Vasodilata-
toren-Therapie. Vollständige Normalisierung des RR bei AR selten möglich u.
auch nicht anzustreben.
Keine Vasodilatatoren-Ther. bei asymptomatischen Pat. mit geringer AR u. nor-
maler LV-Funktion bei fehlendem art. Hochdruck.
Indikationen
• S chwere AR mit Symptomen u./od. LV-Dysfunktion, wenn eine erforderliche
chirurgische Ther. aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden kann,
• s chwere AR mit LV-Dilatation, jedoch normaler systol. LV-Funktion bei
asymptomatischen Pat.,
• a symptomat. Pat. mit art. Hochdruck unabhängig vom Schweregrad der AR,
• k urzzeitig vor chirurgischer Ther. bei manifester Herzinsuff. u. erheblicher
LV-Dysfunktion, um hämodynamische Voraussetzungen zu verbessern. 4
Chirurgische Therapie
▶ Abb. 4.18.
Das optimale Timing des operativen Klappenersatzes bei relevanter AR ist oft
schwierig: So früh wie nötig (d. h. vor Entwicklung einer LV-Dysfunktion) u. so
spät wie möglich (d. h. kons. Ther., solange es Klinik u. Hämodynamik zulassen).
Je ausgeprägter die Symptome, je geringer die Belastungstoleranz, je schlechter die
systol. LV-Funktion u. je länger die Zeit einer LV-Dysfunktion, desto höher die
postop. Sterblichkeit bzw. desto geringer die postop. symptomatische Besserung.
Indikationen
• S chwere, akute AR.
• A oK-Endokarditis mit AR u. kons. nicht beherrschbarer Infektion.
• C hron., symptomatische AR: progrediente Dyspnoe, paroxysmale nächtliche
Dyspnoe, Leistungsknick, pulmonale Kongestion, A. p.
• C hron., asymptomatische AR mit eingeschränkter LV-Funktion in Ruhe
(LVEF < 50 %, LVESD > 50 mm). Die LV-Dysfunktion muss durch die chron.
Volumenbelastung bedingt sein.
• C hron., asymptomatische AR mit Symptomen bei Belastung LVEF 50–60 %
u. LVESD 45–50 mm.
• C hron., asymptomatische AR mit der Notwendigkeit einer Bypass-OP od. OP
einer weiteren Herzklappe.
• A R unabhängig vom Schweregrad bei Aortenwurzel-, Ao-asc.-Aneurysma
(> 45 mm bei Marfan-Sy., > 50 mm bei bikuspider Klappe, > 55 mm in ande-
ren Fällen).
Aortenklappenersatz
Klappenerhaltende Verfahren sind anzustreben. Bei Aortenwurzelerkr. besteht
die Möglichkeit, ein klappentragendes Conduit einzusetzen od. klappenerhaltend
nach David od. Yacoub zu operieren. Frühe operative Ther. vor einer relevanten
LV-Dysfunktion anstreben. Zur Differenzialind. „mechanische Prothese, Biopro-
these, Ross-OP“ ▶ 4.21.
218 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Chronische, schwere Aorteninsuffizienz

Symptome?

Unsicher

Nein Ja

Belastung Symptome

Aorten-
ø Symptome klappen-
ersatz

4
LV-Funktion?

EF > 60% EF < 60%

LV-Dimensionen

LVESD < 45 mm 45–50 mm > 50 mm

Falls klinisch stabil: Nota bene: Unabhängig vom


• Konservativ Schweregrad der AR besteht
• Klin. Kontrolle in 3 Mon. eine OP-Ind. bei Aortenwurzel-/
• Falls unverändert stabil Ascendens-Diametern:
Kontrolle in 6–12 Mon. > 45 mm: Marfan-Sy. (▶ 4.8)
> 50 mm: bikuspide Aortenklappe
> 55 mm: alle weiteren Aorten-
erkrankungen

Abb. 4.18 Flussdiagramm: chronische, schwere Aorteninsuffizienz [A300]

• K
 O: Frühletalität 3–5 %. OP-Risiko wesentlich von präop. Ventrikelfunktion
od. einer zusätzlichen KHK abhängig. Bei AoK-Ersatz u. ungestörter LV-
Funktion Letalität um 2 %.
•  angzeitprognose: 5-JÜR ca. 85 % (natürlicher Verlauf ohne AoK-Ersatz ca.
L
40 %!), 10-JÜR ca. 80 % (natürlicher Verlauf um 30 %!). Die Langzeitprognose
ist umso besser, je geringer die präop. LV-Dysfunktion u. je jünger die Pat.
zum Zeitpunkt des AoK-Ersatzes sind. Im funktionellen Stadium III u. IV be-
steht eine wesentlich schlechtere Langzeitprognose, wobei sie jedoch deutlich
besser ist als bei rein kons. Ther.
 4.9 Akute Aortenklappeninsuffizienz 219

4.8.7 Komplikationen u. ihre Behandlung


 HF, VT, Bradyarrhythmien (▶ 7).
• V
 kutes Lungenödem: kons. Ther. (▶ 2.3.2, ▶ 8.3.3). Potente art. Vasodilatato-
• A
ren großzügig einsetzen. Bei akuter AR od. kons. nicht beherrschbarer sub-
akuten od. chron. AR mit pulmonaler Kongestion → OP.
! IABP ist kontraindiziert!
•  rombembolie: seltene Manifestation einer reinen AR. Es besteht immer
Th
der V. a. eine infektiöse Endokarditis!
• Infektiöse Endokarditis (▶ 6.1).

4.8.8 Natürlicher Verlauf
Asymptomatische Pat. haben über viele Jahre/evtl. Jahrzehnte einen stabilen
Verlauf. Treten jedoch Symptome auf, beträgt die Überlebenszeit lediglich
2–4 J.
• M ittlere Überlebensrate bei kons. Ther. nach Stellen der OP-Ind.: ca. 40 %
5 J., ca. 30 % 10 J. Auffällig kurzes Intervall vom Auftreten von Kardinalsym­
ptomen bis zum Tod: A. p. 4 J., nach Linksherzdekompensation < 2 J.
• F aktoren mit prognostischer Bedeutung: 4
– Indices der systol. LV-Funktion haben eine überragende Bedeutung: EF in
Ruhe u. unter Belastung, LVESVI, FS u. systol. Wandverdickung im Echo.
– LV-Dilatation: LVEDVI, Kardiomegalie (CTR) im Rö-Thorax.
– Weitere Faktoren: progrediente Abnahme der Belastbarkeit, progredien-
te Dyspnoe, diastol. RR < 55 mmHg, komplexe ventrikuläre Arrhythmi-
en, LVH u. ST-T-Veränderungen im EKG, Regurgitationsfraktion
> 50 %.

4.9 Akute Aortenklappeninsuffizienz
Leitbefunde
• A
 kute, unerklärbare, intraktable Herzinsuff. Perakute Dyspnoe, Tachy-
kardie, Schock, pulmonale Kongestion u. low output. Typisch ist, dass
keine Pulsmerkmale u. Auskultationsbefunde der chron. AR vorliegen.
•  urz dauerndes frühdiastol. Geräusch, Austin-Flint-Geräusch.
K
•  ö-Thorax: unauffällige Herzsilhouette u. floride pulmonale Kongestion.
R
•  cho: hyperkontraktiler, normal großer LV, normal großes LA. „Super-
E
normale“ systol. Ventrikelfunktion bei klinischer Linksherzinsuffizienz.
Vorzeitiger MK-Schluss.

4.9.1 Ätiologie
• I nfektiöse Endokarditis: V. a. bei bikuspider AoK. Erkr. tritt plötzlich ohne
anamnestische Hinweise auf kardiale Grunderkr. auf. Eine bakterielle Endo-
karditis bei leichter AR od. kombinierten Aortenvitien kann zu einem Misch-
bild von chron. AR mit einer akuten Komponente führen.
! Jede akute Verschlechterung einer bekannten AR ist verdächtig auf eine
akute AR.
220 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• S inus-Valsalvae-Ruptur: Ruptur nach LV od. ins Niederdrucksystem (meist


den RV). Evtl. Komb. mit infektiöser Endokarditis.
• P aravalvuläres Leck einer AoK-Prothese. Folge einer infektiösen Endokardi-
tis früh postop. od. Nahtproblem (seltener).
•  allonvalvuloplastie bei AS: meist Verstärkung einer vorbestehenden AR bei
B
kombiniertem Vitium. Schwere akute AR eher selten.
•  ostop., iatrogene akute AR: Bei chirurgischer Valvuloplastie einer kongeni-
P
talen AS. Selten, wird jedoch vom hypertrophierten, compliancegestörten LV
hämodynamisch schlecht toleriert.
•  ortendissektion: in 30–50 % bei den proximalen Formen (De Bakey I u. II)
A
durch Einbeziehung der Aortenwurzel. AR durch direkte Klappenzerstörung
od. sek. durch Kompressions- od. Traktionskräfte (Wandhämatom/paraaor-
tales Hämatom). Ausdehnung der Dissektion (Folgen: akute AR, MI, Peri-
kardtamponade) u. extrakardiale KO (zerebraler Insult, Ischämiesy. der Ex­
tremitäten) bestimmen Hämodynamik u. klinisches Bild.
•  oraxtrauma: meist AoK u. Ao asc. betroffen. Häufigste valvuläre Läsion
Th
nach überlebtem, nicht penetrierendem Thoraxtrauma, in 1⁄3 ohne äußere
Verletzungszeichen. Klinisch tritt die AR oft nach einem freien Intervall von
4 • Tagen mit unerklärbarer, intraktabler Herzinsuff. auf!
 pontanrupturen der AoK-Taschen: bei myxomatöser od. arterioskleroti-
S
scher Degeneration, Spaltbildungen.

4.9.2 Symptome
• S ymptome der kardialen Grundkrankheit prägen evtl. das klinische Bild.
• D yspnoe, Orthopnoe, Tachypnoe.
• P eriphere Hypoperfusion mit Akrozyanose, Schock. Bei abortivem Verlauf
lediglich „Knick“ im klinischen Verlauf erkennbar, die Herzinsuff.-Merkmale
sind weniger eindrucksvoll.
• A
 kuter Thoraxschmerz mit/ohne Ischämiesy. des Gehirns u./od. der Extremi-
täten: Hinweis auf Aortendissektion.
DD ▶ 4.8.5.

Tipps & Tricks


• B ei jeder akuten od. subakuten Verschlechterung einer chron. AR be-
steht V. a. eine zusätzliche akute AR.
• E ine „unerklärbare hämodynamische Verschlechterung“ bei infektiöser
Endokarditis der AoK od. bei AoK-Prothese kann der erste Hinweis auf
eine akute AR sein. An die Möglichkeit eines klinisch abortiven Verlaufs
mit Oligosymptomatik denken!
•  ei jeder Linksherzdekompensation ohne erkennbare Ursache akute AR
B
ausschließen.

4.9.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Inspektion
• E vtl. Marfan-Stigmata als Prima-Vista-Hinweis auf Bindegewebserkr.,
• Z eichen einer infektiösen Endokarditis (▶ 6.1),
 4.9 Akute Aortenklappeninsuffizienz 221

• a kute Ischämie von Extremitäten bei Aortendissektion, zerebraler Insult, Zei-


chen des kardiogenen Schocks,
• k linische Merkmale der Herzinsuff. (▶ 8.2.1).
Palpation
• T ypische Befunde der chron. AR fehlen, keine Merkmale eines hohen SV
(▶ 4.8.2, ▶ 4.8.3).
• P ulsqualität: uncharakteristisch, ggf. Pulsus alternans, normale od. nur ge-
ring vergrößerte Pulsamplitude, art. Hypotonie, Tachykardie, Herzspitzen-
stoß uncharakteristisch.
Auskultation
• H erztöne: 1. HT leise od. fehlt. Variabler 2. HT fehlt, wenn Klappe weitge-
hend zerstört od. immobil ist, P2 laut bei PAH. 3. HT bei Tachykardie u. be-
tonter frühdiastol. Füllung, häufig Ventrikel- od. Summationsgalopp.
• S ystol. Austreibungsgeräusch: im Vgl. zur chron. AR rel. leise.
• D iastol. Regurgitationsgeräusch: beginnt mit 2. HT u. ist nur kurz dauernd,
weniger hochfrequent, eher unrein u. weicher. Bei Klappenperforation od.
-prolaps ist ein lautes musikalisches „Möwenschreigeräusch“ möglich.
• D uroziez- u. Traube-Zeichen fehlen (▶ 4.8.3). 4
• A ustin-Flint-Geräusch (▶ 4.8.3): bei akuter AR häufig nachweisbar. Prak-
tisch immer mittdiastolisch.

Das Regurgitationsgeräusch der akuten AR ist oft sehr leise. Deshalb: kein
Ausschluss einer akuten AR nur auf der Basis der klinischen Untersuchung!

EKG
• N ormales EKG bei akuter AR ohne kardiale Vorerkr.,
• S inustachykardie mit unspezifischen ST-T-Veränderungen bei akuter schwe-
rer AR,
• H
 ypertrophiemuster mit sek. ST-T-Veränderungen bei vorbestehendem Aor-
tenvitium od. art. Hypertonie.
• M
 I-Muster durch Aortendissektion od. septische Koronarembolien bei flori-
der Endokarditis.

Röntgen-Thorax
• T ypisch: Komb. von unauffälliger Herzsilhouette in der Thoraxübersicht u.
Zeichen der floriden pulmonalen Kongestion.
• H
 inweise auf Grunderkr. (z. B. valvuläre Herzerkr., art. Hypertonie).
• V
 eränderungen der thorakalen Ao als indirekter Hinweis auf Dissektion:
Aortenektasie, -elongation, atypische Lokalisationen von Intimaverkalkun-
gen. Bestehen DD-Zweifel u. ist der Zustand des Pat. stabil → TEE od. thora-
kales Angio-CT bzw. MRT zum Ausschluss einer Aortendissektion (▶ 10.2).

Echokardiografie
M-Mode
• L A u. LV normal groß. Normale od. überhöhte (hyperkinetische) Bewe-
gungsamplituden von Septum u. LV-Hinterwand.
• A K-Muster kann unauffällig sein. Evtl. verdickte Klappen od. Stenoseelemen-
te bei kombiniertem Vitium. Pathognomonische Muster bei florider infektiö-
222 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

ser Endokarditis (Vegetationsnachweis), Prolapsbewegungen von AoK-Ta-


schen, Ektasie/Aneurysma von Sinus Valsalvae u./od. Dilatation der angren-
zenden Ao ascendens. Nachweis einer Dissektionsmembran im M-Mode un-
ter 2-D-Kontrolle: flottierende Strukturen im Niveau der AoK-Taschen u. der
angrenzenden Ao asc.
!  orsicht! Nicht kalkulierbare Gefahr falsch neg. Befunde, deshalb ergänzend
V
TEE-Untersuchung!
•  K-Ebene: diastol. Flatterbewegungen (Oszillationen) von MK-Strukturen
M
od. Endokard wie bei chron. AR. Aussage zu Schweregrad od. Akuität nicht
möglich. Vorzeitiger MK-Schluss (vor QRS-Beginn) weist auf hämodynami-
sche Beeinträchtigung durch hohe diastol. Ventrikeldrücke u. ein evtl. ver-
mindertes HZV hin. Evtl. verspätete MK-Öffnung. Verminderter EF-Slope
(v. a. initialer Anteil).
•  erikarderguss evtl. als einziger Echo-Hinweis auf ein disseziierendes Aorten­
P
aneurysma!
2-D-Echokardiografie
▶ 4.8.3. Keine pathognomonischen Zeichen einer akuten AR.
4 TEE
• I nd. (▶ 4.8.3):
– Akute Linksherzinsuff. ungeklärter Genese u. transthorakal schlecht/un-
genügend untersuchbarer Pat. (z. B. bei Beatmung).
– Dissektion der thorakalen Ao (▶ 10.2): bei jedem klinischen Verdacht.
TEE ersetzt meist Angio, CT od. MRT. Vorher immer orientierendes
TTE.
• B esonderheiten der Durchführung: Chirurgisches Team über Verdachtsdia-
gnose u. diagn. Vorgehen informieren, evtl. sofortige chirurgische Interventi-
on bei instabilem Pat. i. v. Zugang, Pat. ausreichend sedieren u. analgesieren.
Rachenanästhesie, RR- u. HF-Überwachung, evtl. Schockbehandlung u. kont-
rollierte Beatmung.
! S chmerzreize mit RR-Anstieg, Würgen u. Pressen bei der TEE-Untersuchung
vermeiden.
! Z eit u. Sicherheit kann gewonnen werden, wenn die TEE auf OP-Tisch
durchgeführt wird.
• B efunde: Geometrie der thorakalen Ao, Perikarderguss, Nachweis eines Inti-
ma-Flaps im freien Aortenlumen sowie des wahren u. falschen Aortenlu-
mens, Lokalisation des Ein- u. Austritts mit Farb-Doppler, reduzierter Blut-
fluss/Prästagnation im falschen Lumen (Spontanechos, thrombotische Aufla-
gerungen), wandständige Thromben, Paravasate bei gedeckten Perforationen.
AoK-Beteiligung u. Schweregrad einer akuten AR beurteilen.

Tipps & Tricks


• B ei weitgehend gesicherter Dissektion der Ao asc. mit Perikarderguss
auf weitere zeitraubende Diagn. verzichten. Belastung des Pat. durch ei-
ne auch schonend durchgeführte TEE-Untersuchung kann fatal enden.
•  in „normales“ TTE darf keine absolute diagn. Sicherheit vermitteln; es
E
schließt weder eine Aortendissektion noch eine akute od. subakute AR
aus → weitere Klärung durch TEE.
 4.9 Akute Aortenklappeninsuffizienz 223

Doppler
• T ypisches Dopplerprofil (▶ 4.8.3).
• S chweregradbestimmung (▶ 4.8.3): Rasche Dezeleration der max. diastol.
Geschwindigkeiten (steiler Slope der Hüllkurve, d. h. kurze Druckhalbwerts-
zeit < 200 ms) spricht für raschen aortoventrikulären Druckausgleich bei
schwerer AR.

4.9.4 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Hoher LVEDP mit Angleichung des EDP der Ao u. des LV, erhöhte Drücke der
pulmonalen Strombahn. Kleiner, hypermotiler LV mit supernormaler systol.
Funktion, i. d. R. freie Regurgitation in den LV bei Aortografie.

Indikationen
• P räop.
! In Ausnahmefällen kann eine operative Ther. auch ohne Zeitverzug u. ohne
vorherige Herzkatheterdiagn. erfolgen, z. B. bei Kunstklappenausriss mit in- 4
traktabler Herzinsuff., nicht beherrschbarer Sepsis bei infektiöser Endokardi-
tis u. hämodynamischer Instabilität sowie Alter < 45 J. ohne RF, Thoraxtrau-
ma, Ao-asc.-Dissektion mit Perikarderguss/-tamponade.
• D D-Probleme: Wenn nicht alle krankheitsbestimmenden Faktoren exakt u.
komplett vorliegen, z. B.:
– Nachweis u. Quantifizierung der Klappeninkompetenz,
– Beurteilung des hämodynamischen Schweregrads,
– komplexe ätiologische Konstellation als Ursache (AoK-Endokarditis mit
Perforation eines Sinus-Valsalvae-Aneurysmas, Shuntverbindungen),
– Beurteilung der Aortenwurzelmorphologie bei Dissektionsverdacht
(Grenzen u. Ausdehnung einer Dissektion, Beteiligung der Abgänge gro-
ßer zentraler Gefäße inkl. der Koronarostien),
– Suche nach begleitenden u./od. komplizierenden kardialen Erkr. (KHK,
MK-Erkr.).
• I nd. zur Koro: Klärung der Koronarsituation vor geplantem operativen Klap-
penersatz. Gilt v. a. für Pat. > 45 J. mit RF für eine atherosklerotische Gefäßer-
kr. u./od. „Koronaranamnese“.

Hämodynamik
• F ormanalyse der Drücke (▶ Abb. 4.19): systol. LV- u. Aortendruck eingipf-
lig. LVEDP massiv erhöht. Druckangleichung zwischen diastol. Aortendruck
u. LVEDP. PCWP deutlich unter dem LVEDP (Folge des vorzeitigen Mitral-
klappenschlusses).
•  ortografie, Lävokardiografie (▶ 4.8.4): sichere ätiologische Klärung nicht
A
immer möglich.
•  oro: Ausschluss/Nachweis einer begleitenden KHK.
K
224 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Chronische Aorteninsuffizienz Akute Aorteninsuffizienz

EKG EKG
mmHg
150

Ao
Ao 100

50
LV
LV

0
1. HT 2. HT 1. HT 2. HT
Diastolikum Systolikum Diastolikum Systolikum
Click

• Niedriger diastol. Aortendruck • Normaler diastol. Aortendruck


4 • Große Pulsamplitude
• Schnellender Pulsanstieg
• Normale Pulsamplitude
• Normaler oder verzögerter Pulsanstieg
• Gering erhöhter LVEDD • Sehr hoher LVEDD

Abb. 4.19 Hämodynamisches Profil der chronischen u. akuten Aorteninsuffizienz


[L157]

4.9.5 Therapie
Grundsätze
• D
 ie klinische Schweregradbewertung ist bei akuter AR nur unzureichend
möglich. „Akut“ ist nicht gleichbedeutend mit „schwer“ et vice versa.
• Invasives hämodynamisches Monitoring: Zur Ther.-Steuerung in der Akut­
situation. Kontinuierlich periphere SO2, art. Druck, PA-, PC-Druck.

Konservative Therapie
• B ehandlung des akuten Lungenödems (▶ 8.3.3): Nitroprussidnatrium (Mittel
der Wahl! ▶ 11.4.3) zur Vor-/Nachlastsenkung bei gutem art. Druck.
! E ine aortale Ballonpumpe ist absolut kontraindiziert.
• B ehandlung der infektiösen Endokarditis (▶ 6.1): Bei florider AoK-Endokar-
ditis mit akuter AR, die hämodynamisch gut toleriert wird u. noch nicht
kompliziert verlaufen ist (Abszesse, Embolien), zunächst intensive antibioti-
sche Ther. durchführen. Die operative Ther. u. damit die präop. invasive
­Diagn. kann um 2–3 Wo. hinausgeschoben werden. Akute Intervention bei
ersten Hinweisen auf eine hämodynamische Instabilität.
Behandlung der Regurgitation
• S chwere akute AR (Angio-Schweregrad III u. IV): sofortige OP. Art. Vaso-
dilatatoren können Hämodynamik günstig beeinflussen (Nitroprussidnatri-
um bis zur OP, Dosis nach art. Druck ▶ 11.4.3), sind jedoch kein Substitut für
eine OP.
• M ittelschwere akute AR (Angio-Schweregrad II, II–III): falls unter kons.
Ther. keine prompte Besserung → OP.
 4.10 Trikuspidalklappeninsuffizienz (TR) 225

• L eichte akute AR (Angio-Schweregrad I, I–II): spricht meist gut auf die


kons. Maßnahmen an (Vasodilatatoren-Ther.).

Chirurgische Therapie
Indikationen
• A kute AR, die nicht prompt auf eine kons. Ther. anspricht.
• A kute AR u. floride infektiöse Endokarditis: hämodynamische Instabilität,
persistierende Bakteriämie, Abszedierung, Embolie.
• A kute AR bei Dissektion od. Perforation im Bereich der Ao asc.
Aortenklappenersatz
AoK-Ersatz od. Ersatz der Aortenwurzel mit einem klappentragenden Conduit u.
Reimplantation der Koronararterien od. klappenerhaltende OP nach David/­
Yacoub. Ggf. koronare Bypass-Versorgung in gleicher Sitzung.
• O P-Letalität: wird bestimmt durch Ätiol., LV-Funktion u. Ausmaß der präop.
hämodynamischen Belastung.
• B ei infektiöser Endokarditis postop. erhöhtes Risiko einer Reinfektion od. ei-
nes paravalvulären Lecks der Klappenprothese. Antibiotische Endokarditis-
Ther. konsequent weiterführen, engmaschige Verlaufskontrollen. 4
4.9.6 Natürlicher Verlauf
Prognose der akuten od. subakuten schweren AR quoad vitam bei kons. Ther. ex-
trem schlecht. LV meist nicht in der Lage, sich an die massive Volumenbelastung
anzupassen, sodass Herzinsuff. meist rapid progredient fatal verläuft. Nur eine so-
fortige chirurgische Ther. kann Prognose günstig beeinflussen.

Komplikationen der akuten AR


VHF (▶ 7.7.6), akutes Lungenödem (▶ 2.3.2, ▶ 8.3), Thombembolie, infektiöse
Endokarditis (▶ 6.1).

4.10 Trikuspidalklappeninsuffizienz (TR)
Leitbefunde
• R echtsherzinsuff., v-Welle der Jugularvenen ↑, präkordiale Pulsationen,
Leberpulsationen, hochfrequentes, holosystol. Geräusch, 3. HT des RV.
• E KG: Rechtsherzbelastung mit RSB-Varianten, RVH, P biatriale.
• R ö-Thorax: RA-, RV-Dilatation, prominente RV-Ausflussbahn, unauffäl-
lige Lungengefäßzeichnung.
• E cho: RV- u. RA-Dilatation, evtl. Veränderungen der TK, im Doppler
TR-Nachweis.

4.10.1 Ätiologie
Primäre TR
Eigenständige strukturelle Erkr. der TK.
226 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• R heumatisch: multivalvuläre Erkrankungen. Klinische Bild durch das li-seiti-


ge Vitium geprägt. TR entsteht meist durch organische u. funktionelle Stö-
rungen (primäre u. sek. TR). Praktisch immer Stenosekomponente.
•  icht penetrierendes Thoraxtrauma: bleibt meist lange Zeit asymptomatisch,
N
bis Rechtsherzinsuff. auftritt. Bei vorbestehendem PAH häufig akzelerierter
Verlauf.
•  olge einer Endokarditis (i. v. Drogenabusus), bei RV-MI, Endomyokardfi­
F
brose des RV, infiltrativ wachsenden Tumoren.
•  ongenitale TR: Einfache kongenitale TR: TK-Dysplasie mit Re-li-Shunt auf
K
Vorhofebene u. frühzeitiger Rechtsherzinsuffizienz. Ebstein-Anomalie
(▶ 4.19). TK-Prolaps.

Sekundäre TR
Häufigste Form der TR. Ursache: Dilatation od. Druckbelastung des RV (v. a. bei
PAH). Die TK-Strukturen u. ihr Halteapparat sind unauffällig („funktionelle
TR“).

4.10.2 Symptome
4
• R echtsherzinsuff. (▶ 8.4.2): rasche Ermüdbarkeit, Ödeme der abhängigen
Körperpartien, Halsvenenstauung u. -pulsation, Appetitlosigkeit, Übelkeit,
Gewichtsverlust, Kachexie mit Aszites, periphere Zyanose, Oberbauch-
schmerzen, Hepatomegalie, pulsatile Leber, Ikterus.
•  erkmale der li-seitigen valvulären Erkr. (▶ 4.3, ▶ 4.4, ▶ 4.7, ▶ 4.8).
M
•  ymptome der primären pulmonalen Erkr.: COLD, Asthma bronchiale, pri-
S
märe PAH, Lungenembolie.

4.10.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
• R echtsherzinsuff. mit Kachexie, Ödemen der abhängigen Partien, Halsvenen-
distension.
• P ulsationsphänomene der Halsvenen: sichtbare v-Welle, betonter Abfall
zum y-Tal.
! F ehlt der rasche Abfall zum y-Tal, liegt eine RV-Einflussbehinderung vor!
• T astbare präkordiale/epigastrische Impulse durch einen hypermotilen, dila-
tierten/hypertrophierten RV.
• S ystol. Leberpulsationen.
• S ystolikum: hochfrequentes, holosystol. Geräusch im 4./5. ICR li parasternal
u. in Xiphoid-Region. Inspiratorisch akzentuiertes Systolikum (Zeichen nach
Rivero-Carvalho = DD zu MR).
•  iastolikum: bei Komb. mit organischer TS od. funktionell durch vermehr-
D
ten transtrikuspidalen Fluss.
•  erztöne: 3. HT des RV, wird bei Inspiration lauter. 1. u. 2. HT unauffällig.
H
P2 bei PAH betont.
•  esonderheiten bei infektiöser Endokarditis: bei akuter TR kurzes, leises De-
B
crescendo-Systolikum, das in der Mittsystole endet (praktisch nie pansystol.).
•  usätzliches li-seitiges Vitium: Auskultationsphänomene können das Bild
Z
beherrschen od. stumm bzw. abgeschwächt erscheinen, weil TK als „Über-
laufventil“ wirkt („stumme MS“ ▶ 4.3.4).
 4.10 Trikuspidalklappeninsuffizienz (TR) 227

EKG
Nicht spezifisch. Bei li-seitigen Vitien können ihre EKG-Manifestation dominie-
ren. Häufig VHF. Bei Sinusrhythmus Kerbungen der P-Welle (P biatriale). Oft
inkompletter RSB. In 30 % RVH.

Röntgen-Thorax
• V
 erbreiterung des Herzschattens durch prominente RV-Ausflussbahn, RV-
u. RA-Dilatation.
• U
 nauffällige Lungengefäßzeichnung.
• D
 L: systol. Pulsationen von RA u. VCS.
• M
 ultivalvuläre Herzerkr. mit TR: Erweiterung aller 4 Herzhöhlen. Pulmonale
Stauung ist durch den „protektiven Effekt der TR“ auffällig gering.

Echokardiografie
M-Mode
• R V-Dilatation, paradoxe Bewegung des Kammerseptums bei RV-Volumen-
belastung.
• B ei simultaner Darstellung der MK u. TK parasternal an Ebstein-Anomalie
denken: überschießende Bewegungen des anterioren Trikuspidalsegels u. im 4
Vergleich zur MK verspäteter Schluss.
2-D-Echokardiografie
• R A- u. RV-Dilatation.
• T K-Darstellung: von apikal septales u. anteriores Segel; von subkostal alle
3 Segel.
• E vtl. Veränderungen der TK: Prolaps, bakterielle Endokarditis, „flail valve“
bei Chordae-Abriss, abnorm dichte, immobile TK (bei Karzinoid), abnorme
Verlagerung nach RV (Ebstein-Anomalie ▶ 4.19).
Doppler
• V orgehen wie bei MR (▶ 4.4.3). Anlotebenen: parasternale kurze Achse,
4-Kammer-Blick, subkostale Ebene.
• F arb-Doppler: Existenz u. Richtung eines Regurgitationsjets nachweisen. Ty-
pisch: Doppler-Signale der TR sind atemabhängig (Zunahme bei Inspiration,
Abnahme bei Exspiration).
• „ Physiologische TR“: Geringe klappennahe, mesosystolische TR mit Vmax
< 3,0 m/s u. geringer Signalintensität ist ein Normalbefund.
• B estimmung der max. Geschwindigkeit des Regurgitationsjets mit cw-
Doppler.
• S emiquantifizierung: wie bei der MR (▶ 4.4.3) vorgehen.
– Farb-Doppler: Längen- bzw. Flächenausdehnung, Defektgröße (V. con-
tracta) bestimmen.
– Prominente E-Welle des transtrikuspidalen Flusses (> 1 m/s).
– Intensität des Doppler-Signals kann Hinweise auf Schweregrad geben:
schwaches Signal → geringe TR, intensives Signal → schwere TR.
– Farb-M-Mode: Dauer der Regurgitation.
– Pw-Mapping.
– Flussprofil der VCI bzw. V. hepatica (systol. Flussumkehr bei schwerer
TR).
• V CI: normaler Diameter < 10 mm. Pw-Doppler: systol.-diastol. Signal, das
vom Transducer weggerichtet ist. Oft nur unreines Doppler-Spektrum ableit-
228 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

bar, da Anlotwinkel nicht optimal ist. Atemabhängige Variabilität des Kava-


Diameters auf < 50 % eingeschränkt, oft markante Kava-Dilatation.
• V . hepatica: Bei TR betonter retrograder systol. Fluss in dilatierten Leberve-
nen nachweisbar (im Farb-Doppler „rot“). Bei bidirektionalem Fluss wird mit
zunehmendem TR-Schweregrad der Fluss zugunsten des retrograden Flusses
verschoben (retrograd = rot = TR; antegrad = blau = normaler diastol. Fluss).
Verhältnis des Flusses retro-/antegrad ist normalerweise < 1,0, bei TR = 1,0.
• D as cw-Signal ist bei schwerer TR dicht u. triangulär konfiguriert mit frühem
Peak.
• V . contracta des Regurgitationsdurchschnitts > 0,7 cm.
• A usgeprägte Flusskonvergenz mit Radius > 0,9 cm (Nyquist-Limit 40 cm/s)
bei zentralem Regurgitationsjet.
• B estimmung des systol. RVP aus dem TR-Doppler-Spektrum:
– Vmax des Regurgitationsjets mit cw-Doppler bestimmen (Maß der Druck-
differenz zwischen RV u. RA).
– Zur kalkulierten Druckdifferenz geschätzten RAP addieren. Summe ent-
spricht dem systol. RVP. Fehlt eine PS, entspricht er auch dem systol.
PAP.
4 • B ei normalem RAP von 0–5 mmHg (unauffällige Jugularvenen!) ist RA-Kom-
ponente praktisch vernachlässigbar. Erhöhten RAP jedoch unbedingt hinzu-
addieren, um systol. RVP nicht zu unterschätzen.
• A bschätzung des PAP via Doppler ist essenziell: TR bei pulmonaler Hyper-
tension? TR ohne pulmonale Hypertension?
• S orgfältige Beurteilung sämtlicher Herzklappen u. der li Seite des Herzens.

4.10.4 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
RAP ↑, evtl. PAP, RVP ↑, hohe v-(Regurgitations-)Welle des RAP. Systol. Vo-
lumenregurgitation in dilatiertes RA.

Indikationen
Präoperativ. Bei multivalvulären Vitien mit TK-Beteiligung wird Ind. i. d. R. vom
li-seitigen Vitium bestimmt.

Praktisches Vorgehen u. Interpretation


Rechtsherzkatheteruntersuchung
Druck in RV u. RA simultan registrieren (▶ Abb. 4.20).
• R AP: x-Tal fehlt u. wird durch eine Regurgitations-(v-)Welle ersetzt („Ven­
trikularisierung des Vorhofdrucks“). Erhöhter RA-Mitteldruck. Bei tiefer Ins-
piration nimmt physiologisch der RAP ab, bei TR bleibt er konstant od. steigt
an (atemabhängiger RAP).
• P AP: Absolute Höhe des PAP od. RVP ermöglicht grobe ätiologische Klassi-
fizierung der TR:
– TR ohne PAH: primäre TR.
– TR mit PAH: sek., funktionelle TR wahrscheinlich.
– Schwere TR, leichter PAH: primäre TR wahrscheinlich.
– Leichte TR, deutlicher PAH: sek., funktionelle TR.
 4.10 Trikuspidalklappeninsuffizienz (TR) 229

mmHg
50

40 RV

30 V

massive TR
20
leichte TR
RA s v
10 normal

Abb. 4.20 Hämodynamisches Profil bei Trikuspidalinsuffizienz [L157]

Fehlermöglichkeiten 4
• E ine normale RAP-Kurve schließt eine TR nicht aus: Bei massiver RA-
Dilatation u. erhaltener RA-Compliance wird eine signifikante TR ohne
wesentliche formale RAP-Änderung toleriert.
•  HF kann auch ohne TR eine RAP-Kurve hervorrufen, die formal der
V
einer TR gleicht: a-Welle fehlt, v-Welle ist prominent.

Dextrokardiografie
RV-Angio in RAO 15° u. LAO 75° mit Pigtail- od. Multipurpose-Katheter. Semi-
quantitative Bewertung (Kriterien ▶ 4.4.3).

4.10.5 Differenzialdiagnose
 R (▶ 4.4, ▶ 4.5): Häufig liegen eine MR u. eine TR vor!
• M
 S (▶ 4.7).
• A
 OCM (▶ 5.5.1, ▶ 5.2.1): oft kombiniert mit leichter MR. Bei TR Atemvaria-
• H
bilität von Systolikum u. Jugularvenenpulsverhalten. DD durch Echo.
 SD (▶ 4.15): klinisch große DD-Schwierigkeiten. Atemvariabilität des Sys-
• V
tolikums u. das Jugularvenenpulsverhalten können weiterhelfen.

4.10.6 Therapie
Medikamentöse Therapie
 er. der Rechtsherzinsuff. (▶ 8.4.5).
• Th
 igitalisglykoside, Betablocker (▶ 11.5.1): v. a. zur Frequenzkontrolle bei
– D
VHF. Als pos. inotrope Substanzen bei Rechtsherzinsuff. nur von gerin-
gem Wert.
 achlastsenker (z. B. ACE-Hemmer ▶ 11.4.1): führen v. a. bei funktionel-
– N
ler TR zur Reduktion des PAH (und damit der RV-Belastung) durch Ent-
lastung des LV.
 orlastsenker (z. B. Nitro-Präparate ▶ 11.3.1) u. Diuretika (▶ 11.2) kön-
– V
nen Symptome der Rechts- u. Linksherzinsuff. mildern.
230 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

 iuretika nicht unkontrolliert einsetzen → kritische Minderung des HZV u.


! D
zunehmende periphere Hypoperfusion möglich. Ggf. frühzeitiger Einsatz von
Mineralkortikoidrezeptorantagonist (▶ 11.2.2).
•  ndokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4).
E
•  ntikoagulation (▶ 11.7): Ind. großzügig stellen. Bei Immobilisation des Pat.
A
hohes Thromboserisiko, bei ausgeprägter Rechtsherzinsuff. u./od. geringem
Mobilisationsgrad evtl. Langzeitantikoagulation.

Chirurgische Therapie
Verfahren
Plastische Techniken (Carpentier-Ring, Anuloplastik nach DeVega) od. Klappen-
ersatz mit größtmöglicher Bioprothese. Nur in Ausnahmefällen Kunstklappe mit
günstigem Strömungsprofil implantieren.
Indikationen
• T K-Endokarditis mit kons. nicht beherrschbarer Infektion.
• S chwere TR, wenn gleichzeitig andere (li-seitige) Klappeneingriffe durchge-
führt werden (im Einzelfall OP auch bei moderater TR).
4 • S chwere primäre TR bei symptomatischen Pat. trotz kons. Ther. mit/ohne
RV-Dysfunktion.
• S chwere TR bei symptomatischen Pat. nach li-seitigen Klappen-OP (ohne
Fehlfunktion der li-seitigen Klappen, erhaltene LV- u. RV-Funktion, systol.
PAP < 60 mmHg).
! B ei schwerer isolierter TR kann eine Klappen-OP bei asymptomatischen od.
nur mild symptomatischen Pat. dann durchgeführt werden, wenn eine pro-
grediente RV-Dilatation od. Verschlechterung der systol. RV-Funktion im
Verlauf festgestellt wird.
• In Einzelfällen auch OP bei moderater TR, wenn eine li-seitige Klappen-OP
durchgeführt wird.
Besonderheiten
• H ohe Rate an TR-Rezidiven nach plastischer Chirurgie, wenn PAH postop.
(nach Versorgung der li-kardialen Vitien) nicht ausreichend gesenkt wird.
• N ach TK-Ersatz ist das Thrombembolierisiko durch Kunstklappe höher als
bei li-seitigem Kunstklappenersatz.
• T K-Endokarditis: hohes Risiko der Protheseninfektion bei nicht sanierter En-
dokarditis. Klappenexzision mit anschließender antibiotischer Ther. u. Klap-
penersatz im freien Intervall ist eine erfolgversprechende Alternative. Verlust
der TK wird bei normalen PAP oft gut toleriert. Tritt eine kons. nicht be-
herrschbare Rechtsherzinsuff. auf, kann eine Bioprothese implantiert werden.

4.10.7 Natürlicher Verlauf
• R heumatische TR: Verlauf wird von den begleitenden li-seitigen valvulären
Erkr. bestimmt. TR kann ihre Manifestation maskieren/mildern.
• T raumatische TR: wird oft erst Monate/Jahre nach einem Thoraxtrauma kli-
nisch auffällig. Es sind chron. stabile u. rasch progrediente Verläufe möglich.
• E bstein-Anomalie (▶ 4.19.3).
• I solierte kongenitale TR: schlechte Prognose bereits im Säuglingsalter.
• T R bei Endokarditis: Verlauf hängt vom Ansprechen auf antibiotische od.
chirurgische Ther. ab (s. o.).
 4.11 Trikuspidalklappenstenose (TS) 231

4.11 Trikuspidalklappenstenose (TS)
Leitbefunde
• K örperl. Schwäche, rasche Ermüdbarkeit, periphere Zyanose. Symptome
der Rechtsherzinsuff.
• H
 alsvenendistension, prominente a-Welle, träger Abfall zum y-Tal, bei
Inspiration akzentuiertes Diastolikum.
• E KG: P-Wellenveränderungen, häufig VHF.
• R ö-Thorax: RA-Dilatation bei normaler Lungengefäßzeichnung.
• E cho: RA-Dilatation, „doming“ der TK, Druckgradient im Doppler.

4.11.1 Ätiologie
• R heumatisch: immer mit MS od. AS. Meist zusätzlich TR.
• N icht rheumatisch: kardiales Karzinoid, Folge einer Endokarditis, RA-
Raumforderungen (Metastase, Myxom, Thrombus), konstriktive Perikarditis,
kongenitale TS.
!  S maskiert Klinik u. Hämodynamik einer MS („stumme MS“).
T 4

4.11.2 Symptome
•  eist Frauen im 30.–60. LJ. Rheumatisches Fieber in Kindheit/Jugend.
M
•  llgemeine Leistungsminderung, rasche Ermüdbarkeit, Belastungsdyspnoe.
A
•  eichen der re-seitigen Kongestion, v. a. nach Entwicklung von VHF.
Z
•  alpitationen, Halsvenendistension bei Sinusrhythmus.
P

MS häufig vergesellschaftet mit TS. Symptome u. Befunde der TS werden meist


der MS zugeordnet. Bei MS immer nach zusätzlicher TS suchen!

4.11.3 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
• I nspektion/Palpation: Halsvenendistension mit prominenter a-Welle des Ju-
gularvenenpulses bei Sinusrhythmus. Charakteristischer träger Abfall zum y-
Tal. Doppelgipfliger Venenpuls (hohe a- u. v-Welle): kombiniertes Trikuspi-
dalvitium.
•  uskultation: mittelfrequentes Diastolikum mit P. m. am li unteren Sternal-
A
rand. Inspiratorisch akzentuiertes „rumpelndes“ Diastolikum (Carvalho-Zei-
chen). Bei Sinusrhythmus nimmt Geräusch präsystol. zu. Ein TÖT ist selten
von einem MÖT abgrenzbar.

Tipps & Tricks


• D iastolikum der TS höherfrequent als das Geräusch der MS.
• B ei der Auskultation nach körperl. Belastung (HZV ↑) wird das Diasto-
likum deutlicher hörbar.
232 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

EKG
Überhöhte, nicht verbreiterte P-Wellen in II, V1/2 > 0,25 mV, doppelgipfliges P bei
MS u. TS. Häufig VHF. Bei zusätzlich li-seitigen Vitien können deren EKG-Mani-
festationen dominieren.

Röntgen-Thorax
Kardiomegalie durch RA-Vergrößerung. Unauffällige zentrale PA u. unauffällige
Lungengefäßzeichnung.
! B ei pulmonalvenöser Kongestion u. PAH immer V. a. koexistente MS.
Echokardiografie
• 2 -D: RA-Dilatation. Verdichtete, selten kalzifizierte Klappensegel, Adhäsio-
nen der Kommissuren. Diastol. Dom-Konfiguration der Klappensegel. Mit-
beteiligung der Mitral- u. AoK nachweisen/ausschließen.
•  oppler: TS gleicht formal der MS (▶ 4.3.3). Meist nur Erhöhung der Ein-
D
stromgeschwindigkeit. Vmax > 1 m/s weist bereits auf eine signifikante TS hin.
Gradientenkalkulation nach modifizierter Bernoulli-Gleichung.

4 4.11.4 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
RAP mit hoher a-Welle u. trägem Abfall zum y-Tal. Druckgradient zwischen
RA u. RV, der bei Inspiration zunimmt.

• I nd.: präop. Diagn. bei i. d. R. multivalvulärer rheumatischer Herzerkrankung.


• V orgehen bei Rechtsherzkatheter: doppellumige Katheter zur simultanen
Druckmessung in RA u. RV od. Katheterrückzug PA → RV → RA zur Doku-
mentation des Gradienten über der TK. RA-Cine-Angio in 20–30° RAO-Pro-
jektion.
•  AP (▶ Abb. 4.21): prominente spitzgipflige a-Welle, evtl. hohe v-Welle bei
R
TR, langsamer Abfall zum y-Tal. Bei VHF ist nur der langsame Abfall zum y-
Tal verwertbar, weil a-Welle fehlt.

EKG
mmHg Exspiration
40
Inspiration

30 RV

20
a c v
10 y
RA
x
0
Druckgradient
über der
Trikuspidalklappe: Zunahme bei Inspiration Abnahme bei Exspiration

Abb. 4.21 Hämodynamisches Profil einer Trikuspidalstenose. Der diastolische


Druckgradient nimmt bei Inspiration zu [L157]
 4.12 Pulmonalklappeninsuffizienz (PR) 233

 ruckgradient (▶ Abb. 4.21): Druckdifferenz zwischen mittlerem RAP u.


• D
mittlerem diastol. RVP. Signifikanter Gradient in Ruhe > 2 mmHg, unter Be-
lastung > 3 mmHg. Zunahme bei HZV ↑ (z. B. Belastung) u. Inspiration. Ab
einem Gradienten > 5 mmHg Symptome der venösen Kongestion.
•  lappenöffnungsfläche: Kalkulation nach der Gorlin-Formel. TÖF < 1,3 cm2
K
signifikante TS, < 1,0 cm2 schwere TS.
•  A-Angio: dilatiertes RA. Verdickte, immobile TK-Segel. Trichterartiger
R
KM-Jet ist ein angiografisches Maß für die TS-Schwere.

4.11.5 Therapie
Medikamentöse Therapie
▶ 4.10.6. Nachlastsenker nicht indiziert.
Chirurgische Therapie
• I nd.:
– m  ittlerer Gradient > 5 mmHg u. gleichzeitig anderer herzchirurgischer
Eingriff,
– mittlerer Gradient > 5 mmHg u. Symptome trotz kons. Ther. 4
•  alvuloplastik mit Wiederherstellung der antero- u. posterolateralen Kom-
V
missuren sowie Anuloplastik (Carpentier-Ring, DeVega-Plastik). Gleiches
Vorgehen bei kombiniertem Trikuspidalvitium. Meist ist Valvuloplastik Teil
einer multivalvulären chirurgischen Ther.
•  K-Ersatz mit Bioprothese ist immer eine Ultima Ratio, da Früh- u. Später-
T
gebnisse insgesamt schlecht sind.
•  eriop. Letalität: wird durch die Komplexität der valvulären Klappenerkr.
P
bestimmt. Valvuloplastik u. li-seitiger Klappenersatz ca. 10 %, re- u. li-seitiger
Klappenersatz ca. 15–20 %.

4.11.6 Natürlicher Verlauf
Verlauf u. Prognose quoad vitam v. a. durch die assoziierten Vitien bestimmt (ins-
bes. MS u. AS ▶ 4.3.7, ▶ 5.7.8).

4.12 Pulmonalklappeninsuffizienz (PR)
Leitbefunde
Langjährig asymptomatischer Verlauf. Hochfrequentes Diastolikum mit De-
crescendo, lauter P2. EKG: Zeichen der Rechtsherzbelastung. Rö-Thorax: Kar-
diomegalie durch RA-/RV-Dilatation, prominenter PA-Stamm.

4.12.1 Ätiologie
• P rimäre PR: selten. Meist nach infektiöser Endokarditis, Kommissurotomie
od. Ballonvalvuloplastie bei PS, rheumatischer Herzerkr. od. Karzinoid-Sy.
• S ek. PR: Folge einer PAH, primär od. sek. bei bronchopulmonalen Erkr. od.
li-seitigen Herzerkr. mit pulmonaler Stauung.
234 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.12.2 Klinik u. nichtinvasive Diagnostik


• A
 namnese u. Symptome: meist asymptomatisch bei unkompliziertem Ver-
lauf. Kardiale Dekompensation (Rechtsherzinsuff.) ist signum mali ominis u.
praktisch immer Folge von KO (Linksherzinsuff., kardiopulmonale Erkr.).
• A uskultation: Lautheit des diastol. Geräuschs hängt von der Größe des De-
fekts u. des PAP ab.
– Sek., funktionelle PR: Graham-Steel-Geräusch, „High-Pressure-PR“.
­Diastolikum von einem AR-Diastolikum nicht zu unterscheiden. Es ist
hochfrequent, weich, hauchend, beginnt sofort nach einem lauten P2 u.
hat P. m. über dem 2.–4. ICR des li Sternalrands.
– Organische PR: „Low-Pressure-PR“, nieder- bis mittelfrequentes Diastoli-
kum, meist von P2 abgegrenzt, mit Decrescendocharakter. Endet vor dem
1. HT.
• E KG: keine typischen Befunde. Bei primärer od. sek. PAH Zeichen der
Rechtsherzbelastung.
• R ö-Thorax: Prominenter PA-Stamm, „tanzende Hili“ bei DL, Kardiomegalie
mit Zeichen der RV-/RA-Vergrößerung. Zeichen der primären pulmonalen
Erkrankung.
4 • E cho: Oft ohne typischen diagn. Befund. Doppler (farbkodiert od. cw-Doppler)
in parasternaler kurzer Achse. Auch geringe PR wird erfasst. Refluxgeschwin-
digkeit entspricht diastol. Druckunterschied. Bei Vmax > 1,7 m/s → erhöhter
­diastol. PAP. Geringe „physiologische“ Regurgitation bei vielen Gesunden.

4.12.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Hohe Druckamplitude mit niedrigem diastol. Druck des PAP, Druckanglei-
chung von PAP u. RVP bei schwerer PR.

Befunde u. ihre Interpretation


Meist Diagn. kombinierter kardialer Läsionen.
• D
 rücke: bei leichter PR formal unauffällig. Bei schwerer PR hohe Druckamp-
litude des PAP, tiefe dikrote Inzisur. Druckäquilibrium des RVP u. PAP, d. h.
PAP gleicht formal dem RVP. Ist der Druck bereits mittdiastol. in PA u. RV
identisch, besteht eine freie PR.
• A
 ngio: Pulmonalis-Angio mit KM-Injektion in den PA-Hauptstamm. Bei
leichter PR evtl. Fehlinterpretation durch Regurgitationsartefakte des trans-
valvulär eingeführten Angio-Katheters.

4.12.4 Differenzialdiagnose
• Idiopathische Dilatation des Truncus pulmonalis: Dilatation des Truncus pul-
monalis (und evtl. re/li PA) unbekannter Genese. Oft mit diskreter PR assozi-
iert. Pat. klinisch asymptomatisch. Rö-Thorax: prominentes Pulmonalissegment
ohne weitere Auffälligkeiten. Echo: geringe PR (wenn überhaupt), Dilatation des
PA-Hauptstamms (normal Ao : PA = 1 : 1). Keine spezifische Ther. erforderlich.
•  R (▶ 4.8.3): auskultatorische Unterscheidung von AR u. PR bei PAH prak-
A
tisch nicht möglich. DD am ehesten durch Pulscharakteristika der AR.
 4.13 Pulmonalstenose 235

4.12.5 Therapie u. natürlicher Verlauf


Keine Ther. der unkomplizierten PR. Prophylaxe u. Ther. von KO (z. B. infektiöse
Endokarditis). Klappenersatz bei schwerer PR u. zunehmender RV-Dilatation,
möglichst vor Auftreten einer irreversiblen RV-Dysfunktion, d. h. bei milden Zei-
chen der Rechtsherzinsuff. OP in Betracht ziehen.
PR hat, auch bei komplexen kardialen Läsionen, keinen Einfluss auf den natürli-
chen Verlauf.

4.13 Pulmonalstenose
Leitbefunde
• H
 erzgeräusch seit Kindheit, verminderte Belastbarkeit, Dyspnoe, A. p.,
Synkope. Ejektion Click, systol. Austreibungsgeräusch.
• E KG: P pulmonale, Rechtstyp, RVH.
• R ö-Thorax: RA- u. RV-Vergrößerung, prominentes Pulmonalsegment u.
dilatierte li PA.
• E cho: Dom-Stellung der PK, RVH. 4

4.13.1 Ätiologie u. Formen
• V
 alvuläre PS:
– K  ongenital: häufiges kongenitales Vitium. Oft mit weiteren Vitien (ASD,
VSD, Fallot-Tetralogie, TGA, hypoplastischer RV) kombiniert.
– Rheumatische Genese selten.
– Erworbene PS: selten. Kardiale od. extrakardiale Ursachen (Metastasen,
Aorten- u. Sinus-Valsalvae-Aneurysma, iatrogen als „Banding“-OP).
– PK-Dysplasie: selten. Verdickte, myxomatöse, rigide Klappen. Meist mit
hypoplastischem RV, supravalvulärer AS, Koronaranomalien.
•  ubvalvuläre PS: infundibulär od. subinfundibulär. Bei allen Formen der
S
RVH möglich, auch bei valvulärer PS.
•  upravalvuläre PS: Stenosen der pulmonal-art. Strombahn. Ätiologisch un-
S
geklärte, umschriebene Stenosen od. diffuse, langstreckige supravalvuläre Hy-
poplasien („pulmonal-art. Koarktation“). Oft mit weiteren kardialen Defek-
ten assoziiert.

4.13.2 Klinik u. nichtinvasive Diagnostik


Anamnese u. Symptome
• P at. (auch im Erw.-Alter) überraschend symptomarm od. -frei. Meist Zufalls-
befund. Evtl. ist anamnestisch seit der Kindheit ein Herzgeräusch bekannt.
• V
 erminderte Belastungskapazität, rasche Ermüdbarkeit, Dyspnoe, Thorax-
schmerzen, Schwindel od. Synkope. Manifeste Rechtsherzinsuff. tritt erst spät
im Verlauf auf u. ist prognostisch ungünstig.
!  er Schweregrad einer PS u. die geklagten Symptome korrelieren nur
D
schwach!
236 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Körperliche Untersuchung
• N
 ormales, gesundes Erscheinungsbild trotz eines lauten systol. Geräuschs seit
der Geburt.
• Z eichen der Rechtsherzinsuff. (▶ 8.2.1, ▶ 8.4.2), TR (▶ 4.10.3).
• P alpation: hebende Pulsation des li Sternalrands u. epigastrisch (RVH).
Systol. Schwirren im 2. ICR li parasternal. Intensität hängt vom Grad der
PS ab.
• 1 . HT normal. Spaltung des 2. HT nimmt mit Schweregrad zu, Atemvariabili-
tät bleibt erhalten. P2 wird bei hochgradiger PS leiser. Rechtsventrikulärer
4. HT.
• F rühsystol. Ejection Click („valvulärer Click“) im 2. ICR li parasternal (Ver-
wechslung mit 1. HT möglich).
• S ystol. Austreibungsgeräusch im 2./3. ICR li parasternal als Leitbefund. Ist
vom 1. HT abgesetzt, tritt nach dem Click auf u. klingt ungewöhnlich laut
u. rau (> 4⁄6). Typisch ist ein Crescendo-Decrescendo, dessen Maximum
sich mit zunehmendem Schweregrad der PS in Richtung des 2. HT verla-
gert.

4 EKG
Hohe, spitze P-Wellen (P pulmonale). Steil- bis Rechtstyp. RVH: R/S in V1 > 1; R
> 10 mm, tiefes S in V6. QRS in V1 meist qR- od. rsR’- Muster. Tiefe, invertierte
T-Wellen mit ST-Senkungen re präkordial u. inferior.

Röntgen-Thorax
RV u. RA vergrößert; die RV-Ausflussbahn im Seitbild angehoben. Poststenoti-
sche Dilatation des PA-Hauptstamms u. v. a. der li PA. Normale pulmonale Ge-
fäßzeichnung (erst bei manifester Rechtsherzinsuff. vermindert).

Echokardiografie
• M
 -Mode: PK v. a. bei Kindern gut darstellbar. Prominente a-Welle mit end-
diastol. Posteriorverlagerung > 8 mm.
• 2 D: hypertrophierter RV, meist ausgeprägtes Trabekelwerk. Dilatation von
RV u. RA im Spätstadium.
– Kurze basale Ventrikelachse: „Dom-Stellung“ der stenosierten PK.
– Dysplastische PK: echodichte Bande ohne wesentliche Bewegungsampli-
tuden.
!  ontrast-Echo od. TEE zum Ausschluss eines ASD od. eines PFO bei jeder
K
Form der PS durchführen.
•  EE: immer bei PS. Nach ASD od. PFO suchen. RVOT beurteilen (Methode
T
der Wahl bei der Suche nach subvalvulärer PS).
•  oppler:
D
– cw-Doppler in kurzer parasternaler, basaler Achse. Im Ausflusstrakt bzw.
auf Höhe der PK beschleunigter Fluss mit Turbulenzen. Klappengradient
aus Vmax des PK-Flusses bestimmen.
– Zusätzliche infundibuläre, subvalvuläre Stenose: Vmax im Ausflusstrakt
(VRVOT) u. supravalvulär (VPV) bestimmen. Zur Berechnung des Gradien-
ten über der PK muss eine Korrektur erfolgen (Gradient wird sonst über-
schätzt): Δ P=4 × (VPV2 − VRVOT2 ).
– F arb-Doppler: beschleunigter Fluss u. Turbulenzen im Ausflusstrakt bzw.
auf Höhe der PK.
 4.13 Pulmonalstenose 237

4.13.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Druckgradient über PK mit hohem RV- u. niedrigem PA-Druck, evtl. zusätz-
lich Druckgradient im RV. RVH, prominente Crista supraventricularis. „Do-
ming“ der PK, poststenotische Dilatation des TP.

Indikationen
• S ymptomatische Pat.
• A symptomatische Pat. mit Zeichen einer schweren PS.
• B ei DD-Problemen: valvuläre – subvalvuläre PS, V. a. periphere Stenosen der
PA, komplexe kongenitale Herzerkr. mit/ohne Zyanose u. re-seitiger Aus-
flussobstruktion. Diskrepanz zwischen morphologischem Schweregrad u. kli-
nischem Bild.

Praktisches Vorgehen u. Interpretation


Niveau u. Schweregrad der Obstruktion, Morphologie des RVOT, Ausmaß der
RV-Dysfunktion u. begleitende Herzfehler bestimmen. 4
Rechtsherzkatheteruntersuchung
Stenose mit Swan-Ganz- od. Multipurpose-Katheter passieren. PA bilateral zum
Ausschluss einer peripheren PS sondieren u. Katheterrückzug von PA nach RA
zur Gradientenbestimmung. Ggf. Katheterrückzug zum sicheren Ausschluss/
Nachweis einer subvalvulären PS wiederholen.
Analyse der Drücke
• S ystol. Druck in RV erhöht. Druckgradient zwischen PA u. RVOT ist Maß
des Schweregrads einer PS:
– < 25 mmHg: klinisch unbedeutend.
– 25–50 mmHg: leichte Stenose; Öffnungsfläche > 1,0 cm2.
– 50–80 mmHg: mittelschwere Stenose; Öffnungsfläche 0,5–1,0 cm2.
– > 80 mmHg: schwere Stenose; Öffnungsfläche < 0,5 cm2.
• I ntraventrikulärer Druckgradient bei infundibulärer Stenose: Druckgra­
dient tritt bei Katheterrückzug aus dem RVOT in die RV-Spitze auf.
• E rniedrigter PAP. Erhöhter RVEDP bei schwerer PS u. im dekompensierten
Stadium.
• R AP: hohe a-Welle bei ausgeprägter RVH, v-Welle bei rel. TR. Bei PFO od.
ASD Re-li-Shunt.
Angiografie
RV-Cine-Angio in p. a. u. lateraler Projektion mit Darstellung des supravalvulä-
ren PA-Bereichs. Selektive Pulmonalis-Angio.

4.13.4 Differenzialdiagnose
 SD (▶ 4.14.4): hat fixe Spaltung des 2. HT u. pulmonale Plethora im Rö-
• A
Thorax.
• I diopathische Dilatation der PA (▶ 4.12.4): Zeichen der RV-Belastung feh-
len, das Austreibungsgeräusch oft nur diskret vorhanden.
 S (▶ 4.7.5): Geräusch der AS wird in Karotiden fortgeleitet. Zeichen der
• A
LVH (klinisch, EKG, Echo) deuten auf einen LV-Ursprung hin.
238 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• B ikuspide AoK (▶ 4.7.1): Austreibungsgeräusche meist weniger laut u. rau,


Zeichen der Rechtsherzbelastung fehlen.
 R (▶ 4.4.5): holosystol. Geräusch mit P. m. apikal u. Fortleitung in Axilla,
• M
Zeichen der LV-Belastung.
 SD (▶ 4.15.5): holosystol., oft bandförmiges Geräusch über gesamtem unte-
• V
rem Sternumdrittel, Zeichen der LV-Belastung.
• F unktionelles, physiologisches Geräusch: frühsystol. Geräusch, meist Folge
von Turbulenzen im LVOT. Meist nur während des ersten Systolendrittels,
verschwindet im Sitzen od. Stehen. Keine Zeichen der Rechts- od. Linksherz-
belastung.

4.13.5 Therapie
Medikamentöse Therapie
• A symptomatische Pat.: keine.
• S ymptomatische Pat.: Rechtsherzinsuff. therapieren (▶ 8.4.5).
• B ei kons. behandelten Kindern mit PS nimmt Wahrscheinlichkeit, dass eine
operative/interventionelle Ther. erforderlich wird, mit dem bei der Erstunter-
4 suchung bestehenden Gradienten zu: < 25 mmHg: 5 %; 25–49 mmHg: 20 %;
50–79 mmHg: 76 %.

Chirurgische/interventionelle Therapie
• I nd.: symptomatische Pat. od. signifikante PS (Maximalgradient > 60 mmHg).
Bei Gradient zwischen 40 u. 60 mmHg ist Entscheidung vom Alter des Pat. u.
dem Ausmaß der RVH abhängig.
•  ombinierte valvuläre u. subvalvuläre PS: chirurgische Valvulotomie u. Re-
K
sektion der infundibulären Obstruktion. Sehr effektiv, um Stenose zu beseiti-
gen; in 50 % leichte bis mittelschwere PR.
•  eine valvuläre PS: Ballonvalvuloplastie, evtl. perkutane Implantation einer
R
Bioprothese (Melody-Klappe) in erfahrenen Zentren.
•  ei Neugeborenen mit hochgradiger PS u. klinischen Zeichen der Herzinsuff.
B
bzw. Zyanose Notfallvalvuloplastie.

4.13.6 Natürlicher Verlauf
• N
 eugeborene mit schwerer symptomatischer PS (Herzinsuff., Zyanose) haben
bei kons. Ther. eine extrem schlechte Prognose.
• B ei schwerer, asymptomatischer PS mittlere Lebenserwartung von ca. 30 J.
• M ehrzahl der Pat. (ca. 40 %) haben nach Diagnosestellung innerhalb von
5–8 J. einen stabilen, stationären Befund. ¼ zeigen Regression od. Progression.

4.14 Vorhofseptumdefekt (ASD)
Leitbefunde
• H
 erzgeräusch seit Kindheit, verminderte Belastbarkeit, Dyspnoe, Palpita-
tionen, evtl. Symptome einer Rechtsherzinsuff.
• F ixiert gespaltener 2. HT, systol. Austreibungsgeräusch (pulmonal), dias-
tol. Geräusch (trikuspidal).
 4.14 Vorhofseptumdefekt (ASD) 239

• E KG: inkompletter od. kompletter RSB, Rechtstyp bei ASD II, Linkstyp
bei ASD I, atriale Tachyarrhythmien, PQ-Verlängerung.
• R ö-Thorax: RA- u. RV-Vergrößerung, prominenter Truncus pulmonalis
u. dilatierte PA, pulmonale Plethora.
• E cho: RA-, RV-Dilatation, direkte Lokalisation u. Größenbestimmung ei-
nes Defekts des Vorhofseptums. TEE-Doppler erfasst den Shunt.

4.14.1 Formen
10 % aller kongenitalen Vitien. Einer der häufigsten kongenitalen Herzfehler im
Erw.-Alter (▶ Abb. 4.22).

Sinus-venosus-Defekt V. cava superior

4
Sekundum-Defekt
Primum-Defekt
Koronarsinus AV-Knoten
V. cava inferior Trikuspidalklappe

Abb. 4.22 Schematische Darstellung der ASD-Lokalisationen. Blick auf das Vor­
hofseptum bei eröffnetem re Vorhof [L157]

• O
 ffenes Foramen ovale (PFO): bei ca. 25 % aller Menschen ohne pathol. inte-
ratriales Shunting. Bestehen zusätzliche Vitien (PS, MS), kann ein relevanter
Shunt entstehen. Paradoxe Embolien sind möglich (aber selten). Streng ge-
nommen kein ASD im eigentlichen Sinn.
•  stium-secundum-Defekt (ASD II): im mittleren Vorhofseptum im Bereich
O
der Fossa ovalis. 70 % aller ASD. Bei Frauen 3 × häufiger. Lutembacher-Sy.:
MS u. ASD II. In 25 % zusätzlich Lungenvenenfehleinmündungen.
•  stium-primum-Defekt (ASD I): 15 % aller ASD. Liegt im unteren Teil
O
(AV-Ebene) des Vorhofseptums. Oft mit Spaltbildung des AML od. abnor-
mer Insertion von rudimentären Chordae tendineae assoziiert (▶ 4.4.1).
Spaltbildung der TK möglich. Der ASD I ist Teil des Spektrums der AV-Ka-
nal-Defekte (Endokardkissendefekt):
– P  artieller AV-Kanal: kein VSD, Spaltbildung des AML mit MR.
– K  ompletter AV-Kanal: ASD I u. VSD, Fehlbildung von MK u. TK, rudi-
mentäre Chordae, Segel „überbrücken“ VSD.
•  inus-venosus-Defekt: 15 % aller ASD. Nahe der Einmündung der VCS. Fast
S
immer mit Lungenvenenfehleinmündungen aus re Oberlappen od. den unte-
ren Teilen der re Lunge verbunden.
240 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.14.2 Klinik u. nichtinvasive Diagnostik


Auch assoziierte Fehlbildungen erfassen:
• O
 stium-primum-Defekt: Down-, Klinefelter-, Noonan-Sy.. Kardiale Anomali-
en: PS, CoA, gemeinsamer Vorhof, CS ohne Dach (li obere Hohlvene nach LA).
• O
 stium-sekundum-Defekt: MKP; PS als Ausgangspunkt eines Re-li-Shunts;
Lungenvenenfehleinmündungen, v. a. bei Sinus-venosus-Defekt; MS (Lutem-
bacher-Sy.).
• A
 SD als Teil eines komplexen kongenitalen Vitiums: Pulmonalatresie mit in-
taktem Ventrikelseptum, Trikuspidalatresie, TGA, totale Lungenvenenfehl-
einmündung.

Anamnese u. Symptome
• H
 äufig: systol. Herzgeräusch bei Routineuntersuchung im Kindes- od. Ju-
gendalter. Erste Symptome meist im späten Kindes- od. Jugend- bzw. Erw.-
Alter. Verschlechterung mit zunehmendem Alter. Asymptomatische Verläufe
nach 50. LJ. selten.
•  erminderte Leistungsfähigkeit, Dyspnoe bei Belastung, gelegentlich Ortho-
V
pnoe („steife Lunge“, nicht Ausdruck einer Herzinsuff.), Husten, Häufung
4 bronchopulmonaler Infekte.
•  alpitationen bei atrialen Tachyarrhythmien. Nicht selten klinische Ver-
P
schlechterung, wenn sich VHF entwickelt.
•  echtsherzinsuff. (▶ 8.4): nach langjährigem Verlauf u. Entwicklung einer PAH.
R
•  aradoxe Embolien bei Shuntumkehr (Hirnabszedierungen).
P
•  eriphere Zyanose bei großem Li-re-Shunt durch geringes HZV.
P
!  in ASD I manifestiert sich oft bereits in der Kindheit, ein kompletter AV-
E
Kanal im Säuglingsalter. Symptome sind Dyspnoe, rezid. Bronchitiden, zen­
trale Zyanose bei Re-li-Shunt (nach Entwicklung Lungengefäß-KO).

Körperliche Untersuchung
• E vtl. Distension der Jugularvenen mit prominenten a- u. v-Wellen.
• P alpation: RV-Impuls über li unterem Sternalrand, gelegentlich auch Pulsa­
tionen der PA.
• 1 . HT normal od. gespalten mit betontem T1 (TK-Schlusston). 2. HT fixiert
gespalten (A2 P2), keine atemabhängige Variabilität. Rechtsventrikulärer 3. HT.
• S ystolikum: mittsystol. pulmonales Austreibungsgeräusch, das durch Atemma-
növer nicht zu beeinflussen ist. Evtl. zusätzlich apikales Holosystolikum bei MR.
• D iastolikum: mittdiastol. Flussgeräusch über TK bei großem Shuntvolumen.
• F ortgeschrittener ASD:
– P
 AH: Systol. Geräusch über Pulmonalareal u. diastol. Geräusch über Tri-
kuspidalareal nehmen ab. Akzentuierter P2 des 2. HT. Evtl. diastol. Ge-
räusch bei PR (Graham-Steel).
– R
 e-li-Shunt: zentrale Zyanose, Trommelschlägelfinger.

EKG
Inkompletter (rSR’ od. rsR’) od. kompletter RSB; Rechtstyp bei ASD II; Linkstyp
bei ASD I; Linkstyp des P-Vektors bei Sinus-venosus-Defekt; PQ-Verlängerung
häufig, totaler AV-Block bei ASD I möglich. Atriale Tachyarrhythmien.

Röntgen-Thorax
RA- u. RV-Vergrößerung. RV kann li-seitig randbildend werden. Angehobener
RVOT. Prominenter Truncus pulmonalis, prominente zentrale PA. Verstärkte
 4.14 Vorhofseptumdefekt (ASD) 241

pulmonale Gefäßzeichnung („pulmonale Plethora“). Kleiner Aortenknopf. ASD I


ohne weitere spezifische Zeichen. Totaler AV-Kanal: großes kugelförmiges Herz
u. pulmonale Plethora.

Echokardiografie
• M
 -Mode: RA- u. RV-Dilatation. Paradoxe Beweglichkeit des Kammersep-
tums als Ausdruck einer erheblichen RV-Volumenbelastung. LA-Dilatation
nur bei zusätzlicher MR.
• 2 -D: Defekt des Vorhofseptums v. a. bei subkostaler Anlotung direkt darstell-
bar.
! T ransthorakale Anlotungen zur Beurteilung der Defektgröße der TEE unter-
legen!
• K M-Echo: zum Nachweis eines Li-re-Shunts. Evtl. sind auch min. Re-li-
Shunt-Anteile zu sehen. Auswaschphänomen (neg. Kontrast) durch Li-re-
Shunt bei Passage des KM durch RA. Hustenstoß od. Valsalva-Manöver, um
Übertritt von wenig KM nach LA zu provozieren (min. bidirektionaler
Shunt).
TEE
Indiziert bei allen ASD-Formen präop. od. bei unsicherer bzw. inkompletter 4
ASD-Diagnose.
• D irekte Darstellung des Defekts, ggf. multiple kleinere Defekte od. Defekt in
einem Aneurysma des Vorhofseptums.
• D oppler: Bei TEE-Anlotung kann die Doppler-Anlotung parallel zum Shunt-
fluss (und senkrecht zum Vorhofseptum) ausgerichtet werden → sehr sensitiv
auch bei min. Shunts.
– Kleiner Defekt: turbulenter Fluss über Defekt, hohe Flussgeschwindigkeit
im Defektbereich.
– Großer Defekt: breites Flusssignal über einem breiten Defekt mit rel.
niedriger Flussgeschwindigkeit.
• F ehleinmündende Pulmonalvenen: oft nicht direkt darstellbar. Turbulenter
Fluss in RA od. VCS als indirektes Zeichen.
• E in ASD I bzw. AV-Kanal mit Anomalien der AV-Klappen ist komplett ein-
sehbar.
• B egleitende Defekte wie MR u. TR (mitunter schwierig, da ASD u. TR-Signal
sich vermischen) bzw. komplexe kardiale Fehlbildungen können direkt dar-
gestellt werden.

MRT
• Sinnvoll bei unzureichender Echo-Qualität,
• B eurteilung assoziierter kardialer Fehlbildungen (fehleinmündende Lungen-
vene, Sinus-venosus-Defekt, CS-Defekt),
• d irekte Shunt-Quantifizierung (Qp/Qs) in Zweifelsfällen.

4.14.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Direkte Sondierung des ASD, SO2-Sprung auf Vorhofebene als Hinweis auf
Li-re-Shunt, PAH, typisches Angio: KM-Übertritt von LA nach RA, „Gänse-
halsdeformierung“ bei ASD I.
242 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Aus diagn. Gründen selten erforderlich, da nichtinvasive Diagn. ausreichend In-


formationen ergibt. Im Kindes- u. Jugendalter OP auch ohne vorherige invasive
Diagn. möglich.

Indikationen
ASD mit atypischen Befunden („diagnostische Unsicherheit“). ASD mit PAH,
­Zyanose, Rechtsherzinsuff. od. weiteren kardialen Anomalien.

Praktisches Vorgehen
Bestimmung von ASD-Niveau, Shuntgröße, PAP u. pulmonalem Gefäßwider-
stand. Im Erw.-Alter v. a. zum Nachweis/Ausschluss einer KHK.
Rechtsherzkatheteruntersuchung
Gefäßzugang über V. femoralis. Pulmonale Strombahn mit halbsteifem Cour­
nand-Katheter sondieren. PCWP, PAP, RVP u. RAP messen.
• D irekte Sondierung des ASD mit Cournand-Katheter. Typischer Verlauf:
– Im oberen Drittel der Herzsilhouette → V. a. Sinus-venosus-Defekt,
– im mittleren Septumdrittel → V. a. Sekundum-Typ,
– im unteren Septumdrittel → V. a. Primum-Typ.
4 ! B ei Primum- u. Sinus-venosus-Typ direkte Sondierung häufig nicht möglich
(weiteres diagn. Kriterium!).
• D irekte Sondierung fehleinmündender Pulmonalvenen: re Seitenwand des
RA am Übergang von VCS zum RA abtasten.
• S huntbestimmung u. -lokalisation: Bestimmen der SO2 in PV, LA, unterem,
mittlerem, oberem RA, vorhofnaher VCS, VCS vor Einmündung der V. bra-
chiocephalica, VCI unterhalb der Lebervenen, RV (Einfluss- u. Ausflusstrakt),
PA, peripherer Arterie u. Ao ascendens. Shunt kalkulieren.
• K atheterrückzug aus LA → RA u. PC → PA → RV → RA; Drücke dokumentieren.
Pulmonalis-Angiografie
Als Durchlauf-Angio in p. a. u. lateraler Projektion durchführen.
Lävokardiografie
ASD I: typische „Gänsehalsdeformierung“ („goose-neck-sign“ ▶ Abb. 4.23) des
LVOT. Evtl. Spaltbildung der MK sichtbar.

Sekundum-Defekt Primum-Defekt

Schwanenhals

gespaltene
Mitralklappe

Abb. 4.23 Lävoangiogramm in RAO-Projektion bei ASD I u. ASD II [L157]

Kann das Vorhofseptum mit einem Herzkatheter nach li passiert werden,


beweist dies nicht die Existenz eines ASD. Die direkte LA-Sondierung ist
 4.14 Vorhofseptumdefekt (ASD) 243

auch bei PFO möglich. Ein Defekt des Vorhofseptums hat nur dann eine
Bedeutung, wenn neben der Sondierbarkeit auch die Sättigungs- u. Druck-
kriterien erfüllt sind. Ein PFO ist demnach kein ASD im strengen Sinne.

Interpretation der Befunde


Drücke
• R A u. LA normal. Prominente a- u. v-Welle (meist a = v). Bei Druckdifferenz
> 5 mmHg zwischen RA u. LA ist ein ASD unwahrscheinlich.
• P AP erhöht. Evtl. auch bei normalem pulmonalen Gefäßwiderstand (hoher
pulmonaler Blutfluss). Systol. RAP u. RVP meist zwischen 30 u. 40 mmHg
(selten > 50 mmHg).
O2-Sättigungsverhalten
• E in Sättigungssprung von 10–25 % auf Vorhofebene ist typisch, „signifikan-
ter“ Sättigungssprung ab > 10 %.
• S O2 in VCS > 80 % → V. a. fehleinmündende Pulmonalvene.
• S huntgröße u. -richtung: Mit steigendem PAP nimmt RV-Compliance ab
→ Li-re-Shunt nimmt ab → ein bidirektionaler Shunt entsteht. Im weiteren 4
Verlauf entwickelt sich ein Re-li-Shunt.

Differenzialdiagnose einer hohen O2-Sättigung im rechten Atrium


• A SD,
• p artielle Pulmonalvenenfehleinmündung,
• L V-RA-Shunt,
• r upturierter Sinus Valsalvae von Ao nach RA,
• K oronarfistel, die ins RA mündet,
• T R bei VSD.

4.14.4 Differenzialdiagnose
• I diopathische Dilatation der PA (▶ 4.12.4): DD-Probleme durch systol. pul-
monales Austreibungsgeräusch, Dilatation des Truncus pulmonalis u. promi-
nente zentrale PA. Abgrenzung durch Auskultation (normale Spaltung des
2. HT), EKG (unauffällig), Rö-Thorax (keine pulmonale Plethora) u. Echo
(keine Zeichen der re-kardialen Belastung, kein ASD nachweisber). Im Zwei-
felsfall Rechtsherzkatheter.
•  unktionelles Herzgeräusch: meist leises Geräusch. Intensität nimmt beim
F
Valsalva-Manöver od. im Sitzen ab.
•  oraxskelettabnormalitäten: Bei Flachrücken („straight back“) od. Pectus
Th
excavatum tritt oft ein systol. Austreibungsgeräusch u. ein inkompletter RSB
auf. DD durch Auskultation (normale Spaltung 2. HT), Rö-Thorax (Plethora
fehlt) u. Echo.
•  ikuspide AoK: oft mit systol. Austreibungsgeräusch. 2. HT jedoch normal
B
gespalten. Weitere DD durch EKG, Rö-Thorax u. Echo.
•  S: weite Spaltung des 2. HT u. Zeichen der RV-Belastung. DD durch Aus-
P
kultation (nichtfixierte Spaltung des 2. HT), Rö-Thorax (Fehlen einer pulmo-
nalen Plethora) u. Echo (direkter Defektausschluss). Im Zweifelsfall Rechts-
herzkatheter.
244 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• M
 K-Erkr.: Geräuschbefunde, RSB im EKG u. pulmonale Plethora grenzen ei-
ne MK-Erkr. ab. DD-Mittel der Wahl: Echo u. Doppler; bei MR u. ASD
Rechtsherzkatheter.
•  utembacher-Sy.: ASD II u. MS: parasternaler RV-Impuls, betonter 1. HT, fi-
L
xierte Spaltung 2. HT, MÖT. Definitive Diagnose durch Echo u. Doppler.
•  FO: Oft Zufallsbefund bei Rechtsherzkatheter, ein min. Shunt ist möglich.
P
Ein signifikanter Defekt ist nur anhand der Sättigungs- u. Druckkriterien ei-
nes ASD nachzuweisen.
•  artielle Pulmonalvenenfehleinmündung: meist mit ASD. Keine sichere
P
nichtinvasive DD möglich → Rechtsherzkatheter.

4.14.5 Therapie
ASD II
• Insignifikanter Shunt < 40–50 % mit Fluss-Ratio pulmonal : systemisch
< 1,5 : 1: kons. Ther.
• L i-re-Shunt > 40–50 % mit Fluss-Ratio pulmonal : systemisch > 1,5 : 1: OP.
Frühen OP-Zeitpunkt anstreben (5.–10. LJ.). Verschluss des Septumdefekts
4 durch Naht od. Patch. OP-Letalität < 1 %, OP-Letalität nach 60. LJ. > 6 %!
•  idirektionaler Shunt: nur bei überwiegendem Li-re-Shunt OP.
B
•  isenmenger-Reaktion (Re-li-Shunt ▶ 4.15.2): OP zum Defektverschluss kon-
E
traindiziert! Herz-Lungen-Transplantat ist einzige Alternative.
•  in perkutaner ASD-Verschluss (Prothese als „doppelter Regenschirm“) ist
E
eine Alternative zur OP, wenn der Defekt nicht zu groß für eine interventio-
nelle Deckung ist u. der Operateur ausreichend Erfahrung hat. Bevorzugt bei
rel. zentral gelegenen Defekten < 40 mm mit Randsaum von mind. 5 mm. Er-
folgsrate ca. 90 %, KO 1–2 %, Rest-Shunt in bis zu 10 %. Antikoagulation (ASS
+ Clopidogrel) für 3 Mon., Endokarditisprophylaxe für 6 Mon.

ASD I, AV-Kanal-Defekte, AV-Septum-Defekte


• P artieller AV-Kanal (ASD I) ohne VSD od. signifikanter MR/TR: wie bei
ASD II (OP vor Schulalter).
• K
 ompletter AV-Kanal-Defekt: OP in der Mitte des 1. LJ.
– B
 anding-OP: Chirurgisch wird eine künstliche PS erzeugt, um eine PAH
zu verhindern. Das hohe Risiko, dass sich eine reaktive obstruktive Lun-
gengefäßerkr. entwickelt, wird vermindert.
– P
 rimäre Korrektur-OP: Ther. der Wahl. ASD- u. VSD-Verschluss, Spal-
ten des überbrückenden Klappensegels, ggf. MK-Ersatz. Meist wird zu-
sätzlich ein permanenter SM wegen eines AV-Block III° notwendig.

4.14.6 Komplikationen u. ihre Behandlung


• R echtsherzinsuff.: selten. Ther. ▶ 8.4.5.
• A triale Tachyarrhythmie (▶ 7.7): im fortgeschrittenen Stadium.
• A V-Block III°: Bei OP eines ASD II seltene KO. Häufiger bei OP eines ASD I,
sehr oft bei totalem AV-Kanal. Sinus-venosus-Defekt hat rel. hohe Inzidenz
an Sinus- u. AV-Knoten-Dysfunktionen auch ohne OP (▶ 7.3, ▶ 7.4).
• I nfektiöse Endokarditis: Beim ASD II geringes Risiko, dennoch Endokardi-
tisprophylaxe (▶ 6.1.4). Bei ASD I u. allen AV-Kanal-Defekten hohes Endo-
karditisrisiko.
 4.15 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 245

• P aradoxe Embolie: seltene KO bei ASD II od. PFO. Bei embolischem Ereig-
nis immer an die Möglichkeit denken. Häufiger Mechanismus: Lungenembo-
lie mit PAH → hohe atriale Drücke → bei erneuter venöser Thrombembolie
Transport via Septumdefekt od. PFO in die systemische Strombahn.

4.14.7 Natürlicher Verlauf
• D
 urchschnittliche Lebenserwartung ohne Ther. ca. 40 Jahre. Eine reaktive
„obstruktive Pulmonalgefäßerkr.“ mit PAH entwickelt sich nur langsam →
Abnahme des Li-re-Shunts → im weiteren Verlauf oft bidirektionaler Shunt →
Eisenmenger-Reaktion mit persistierendem Re-li-Shunt im Endstadium.
• S ignifikanter PAH meist nach 20. LJ., Rechtsherzinsuff. ist eher selten.
• A SD I bzw. kompletter AV-Kanal-Defekt haben ohne OP bereits im Säug-
lingsalter eine sehr schlechte Prognose. Letalität bis 50 % im 1. LJ.!

4.15 Ventrikelseptumdefekt (VSD)
Leitbefunde 4
• L autes Herzgeräusch seit der Kindheit, Belastungsdyspnoe.
• L autes holosystol. bandförmiges Geräusch, weite Spaltung des 2. HT, P2
betont, 3. HT. Pulmonales u. transmitrales Strömungsgeräusch.
• E KG: LVH, evtl. biventrikuläre Hypertrophie.
• R ö-Thorax: Kardiomegalie mit großem LV, RV, RA, prominente zentrale
Lungengefäße, pulmonale Plethora.
• E cho: RVH, LVH, LV-, RV-Dilatation, direkter Defektnachweis.

4.15.1 Formen
Der VSD ist der häufigste kongenitale Herzfehler im Kindesalter. Er tritt als einzi-
ger kardialer Defekt isoliert od. in Komb. mit weiteren kardialen Läsionen auf
(Fallot-Tetralogie, Pulmonalatresie, AV-Kanal-Defekt, TGA, „double-outlet right
ventricle“).
Einteilung
▶ Abb. 4.24.
• M embranöser Typ (75 %): Synonym: perimembranöser VSD. In der Nähe
der AoK, posterior u. inferior der Crista supraventricularis in der Region des
membranösen Septums.
• M uskulärer Typ (< 10 %): Im muskulären Anteil des Kammerseptums. Nicht
selten multiple Defekte („Schweizer Käse“).
• I nfundibulärer Typ (< 10 %): supra- od. infracristal, d. h. superior u. anterior
od. innerhalb der Crista. Enge Nachbarschaft zur PK.
• V SD vom AV-Kanal-Typ (< 10 %): inferior des membranösen Septums in
der Nähe des septalen Segels der TK (AV-Kanal-Defekte ▶ 4.14.1).
246 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

V. cava superior

Infundibulärer Typ
Membranöser Typ

AV-Kanal-Typ

Multiple Defekte
muskulärer Typ

V. cava inferior

4
Abb. 4.24 Schematische Darstellung der VSD. Blick auf Kammerseptum bei eröff­
netem RV [L157]

4.15.2 Klinik u. nichtinvasive Diagnostik


Anamnese u. Symptome
• K
 leiner VSD: meist asymptomatisch. In der Kindheit lautes holosystol. Ge-
räusch u. palpables präkordiales Schwirren als Zufallsbefund. Selten infektiö-
se Endokarditis (▶ 6.1).
•  ittelgroßer VSD: meist normale körperl. Entwicklung, eingeschränkte Be-
M
lastbarkeit mit Belastungsdyspnoe.
•  roßer VSD: Linksherzinsuff. bereits im 1. LJ. (Tachykardie, Trinkschwä-
G
che, Entwicklungshemmung). Wird Herzinsuff. überstanden, ändert sich
die Symptomatologie mit der Entwicklung einer Eisenmenger-Reaktion
(s. u.) → zunächst klinische Verbesserung durch Abnahme des Li-re-Shunts.
In der Adoleszenz Entwicklung eines Re-li-Shunts, zunächst bei Belastung.
Im Terminalstadium Vollbild des Eisenmenger-Sy. mit permanentem Re-li-
Shunt.

Eisenmenger-Syndrom
Bei Li-re-Shunt durch zunehmenden PAH zunächst biventrikulärer Shunt
dann Re-li-Shunt. Symptome: Zyanose, A. p., Belastungssynkope, Belastungs-
dyspnoe, Polyzythämie, Rechtsherzinsuff., Hämoptysen, Hyperurikämie, zere-
brale Thrombembolie, zerebrale Abszesse, plötzlicher Herztod.

Evtl. kritische klinische Verschlechterung in den ersten Monaten postnatal.


PVR sinkt postnatal → Li-re-Shunt nimmt zu!
 4.15 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 247

Körperliche Untersuchung
▶ Abb. 4.25.
mmHg
120

Aorta Aorta
80
Aorta
+ PA
LV
40 RV
PA PA

1. HT 2. HT 1. HT 2. HT 1. HT 2. HT

großer Defekt
4
kleiner Defekt mittelgroßer Defekt

Abb. 4.25 Auskultationsbefunde u. hämodynamisches Profil bei VSD mit ver­


schiedenen Defektgrößen [L157]

• K
 leiner VSD, geringer Li-re-Shunt, normaler PVR: lautes, hochfrequentes
holosystol., bandförmiges Geräusch („Pressstrahl“). Evtl. Distanzgeräusch
(„viel Lärm um nichts“). P. m. über li unterem Sternalrand, weite Fortleitung
über gesamtem Präkordium u. Rücken. Häufig palpables Schwirren. 1. HT
normal. 2. HT mit normaler Spaltung, teils betont. Kein 3. HT. Dynamik: lei-
ser nach Amylnitrit, lauter nach Belastung.
•  ittelgroßer VSD, mittlerer Li-re-Shunt, normaler od. leicht erhöhter
M
PVR: lautes, holosystol., bandförmiges Geräusch. P. m. wie bei kleinem VSD.
1. HT normal, 2. HT weit gespalten, betonte Pulmonalkomponente P2. 3. HT.
Mesosystol. pulmonales Austreibungsgeräusch als Flussgeräusch. Mesodias-
tol., transmitrales Flussgeräusch (hörbar über Herzspitze in Linksseitenlage).
Dynamik wie bei kleinem VSD.
•  ittelgroßer VSD, mittlerer Li-re-Shunt, mittelgradig erhöhter PVR:
M
systol. Geräusch kürzer u. leiser, meist spindelförmig. Beginn nach 1. HT,
Ende vor A2. Normaler 1. HT, 2. HT mit betonter Pulmonalkomponente.
3. HT. Diastol. Strömungsgeräusch über Mitralis, mesosystol. Austrei-
bungsgeräusch über Pulmonalis. Dynamik: lauter nach Amylnitrit od. nach
Belastung.
•  roßer VSD, geringer Li-re-Shunt od. vorwiegend Re-li-Shunt bei Druck-
G
ausgleich (Eisenmenger-Reaktion): kein od. nur leises frühsystol. VSD-Ge-
räusch. 2. HT eng gespalten od. Spaltung nicht mehr hörbar. P2 ist laut, PK-
Schluss oft palpabel. Leises, kurzes Austreibungsgeräusch über Pulmonalis.
Häufig Graham-Steel-Geräusch: Hauchendes frühsystol. Decrescendo bei
„High-Pressure-Pulmonalinsuffizienz“. Kein 3. HT od. Mitralisdurchflussge-
räusch.
248 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Sonderformen
• M
 uskulärer VSD: scharfes Pressstrahlgeräusch, oft Decrescendo mit Ende in
der Mittsystole. Kein 3. HT od. Mitralis-Flussgeräusch („viel Lärm, wenig hä-
modynamische Belastung“).
•  rworbener VSD durch Septumruptur bei MI: sehr lautes, raues Holosysto-
E
likum. P. m. zwischen Apex u. li unterem Sternalrand. Ausstrahlung auch zur
li Axilla. Klinische DD zur akuten MR bei MI oft unmöglich (▶ 4.5.3, ▶ 4.5.5).
•  SD mit erworbener infundibulärer PS: Eine Minorität der Kinder mit gro-
V
ßem VSD entwickelt aufgrund der Druck- u. Volumenbelastung des RV pro-
gredient eine infundibuläre PS (▶ 4.13). Klinisches Bild von einer Fallot-Te­
tralogie (▶ 4.18.1) nicht zu unterscheiden.

EKG
• K
 leiner VSD: normales EKG, gelegentlich rsr’ in V1.
• M
 ittelgroßer VSD ohne OAH: LVH mit hohen R-Zacken li- u. tiefen S-Za-
cken re-präkordial, li-präkordial große pos. T-Wellen, evtl. zusätzlich unspe-
zifische Repolarisationsstörungen.
•  ei PAH: Zeichen der RVH (▶ 5.5.1) mit rsR’-Muster in V1.
B
4 •  roßer VSD mit PAH: RVH mit rsR’ od. große monophasische R-Zacken
G
re-präkordial. Li-präkordial R-Zacken-Abnahme u. Ausbildung deutlicher
S-Zacken. Rechtstyp od. SISIISIII.

Röntgen-Thorax
• K
 leiner VSD: Herzgröße u. -konfiguration normal. Unauffällige Lungenge-
fäße.
• M
 ittelgroßer VSD: Kardiomegalie mit prominentem LA, LV u. Pulmonalis-
segment, große zentrale Pulmonalgefäße, vermehrte Lungengefäßzeichnung
(„pulmonale Plethora“).
•  roßer VSD mit PAH: Herzgröße nahezu normal, großer RVOT, angehobe-
G
ne Herzspitze durch RV-Vergrößerung, massiv dilatierte zentrale PA u. große
Seitenäste („tumoröses Hilusbild“). Spärliche Lungengefäßzeichnung in der
Peripherie → typisches Bild bei PAH mit sek. pulmonalvaskulärer Obstruk­
tion (Eisenmenger-Reaktion).

Echokardiografie
• M
 -Mode: Dilatation u. Hypertrophie von RV u. LV. LA-Dilatation möglich.
Paradoxe Beweglichkeit des Kammerseptums.
• 2 -D-Echo: direkte Darstellung des VSD ab einer Defektgröße > 3 mm mög-
lich. Kammerseptum in kurzer Achse von präkordial mit farbkodiertem
Doppler-Echo absuchen.
!  ehlermöglichkeiten: Kleine muskuläre Defekte können dem direkten Nach-
F
weis entgehen; das infundibuläre Septum kann von apikal nicht eingesehen
werden.
•  EE: zur exakten Beurteilung des membranösen u. muskulären Septums so-
T
wie weiterer morphologischer Veränderungen (z. B. Septumaneurysma). Oft
gelingt direkter Nachweis des Septumdefekts.
•  oppler:
D
– Darstellung des Shuntjets: Richtung, Basis des Shuntflusses u. evtl. Jet-Lä-
sionen am septalen Segel der TK mit Farb- u. cw-Doppler erfassen.
– M  ax. systol. Druckgradient: Max. Jet-Geschwindigkeit mit cw-Doppler
bestimmen. Druckgradient zwischen LV u. RV berechnen. Nur bei mittel-
 4.15 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 249

großen bis großen Defekten exaktes Doppler-Profil (weniger Randfluss-


überlagerungen).
– R
 VP: Gradienten zwischen RV u. RA über TR bestimmen, RVP berech-
nen.

MRT
• S innvoll bei unzureichender Echo-Qualität.
• D a in 50 % weitere kardiovask. Fehlbildungen vorliegen, hilfreich zur Bewer-
tung der Komorbiditäten.
• D
 irekte Defektdarstellung, Planimetrie des Defekts, Shunt-Quantifizierung
(Qp/Qs).

4.15.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Direkte Sondierung des VSD, SO2-Sprung auf Ventrikelebene, PAH u. pulmo-
nale Widerstandserhöhung. Typisches Angiogramm: direkter KM-Übertritt
von LV nach RV. 4
Indikationen
• P räop.: V. a. VSD mit hämodynamischer Relevanz od. V. a. reaperten VSD
nach operativem Verschluss.
• K linischer V. a. VSD u. nicht schlüssige nichtinvasive Befunde, z. B. bei allen
Formen einer PAH, deren Ausmaß u. Ursache nicht zweifelsfrei feststeht.
• V
 SD u. weitere, teils komplexe kardiale Fehlbildungen.
Praktisches Vorgehen
Bestimmung von VSD-Niveau, Shuntgröße, PAP, PVR. Charakterisierung beglei-
tender Fehlbildungen. Im Erw.-Alter v. a. Nachweis/Ausschluss einer KHK.
Rechtsherzkatheteruntersuchung
Mit Swan-Ganz-Katheter (Thermodilution) od. halbsteifen Cournand-Katheter
via V. femoralis Drücke im kleinen Kreislauf bestimmen (PCWP, PAP, RVP,
RAP). HZV mittels Thermodilutionsmethode bestimmen u. PVR kalkulieren.
• K  athetertransit von RV nach LV u. in Ao bei großen Defekten, bei Kindern
auch Passage nach LA via PFO (Lävokardiografie via venösen Zugang).
• S huntbestimmung: SO2 („oxymetry run“) mit halbsteifem Katheter etagen-
weise bestimmen: PA, RVOT, RV-Spitze, RV-Einflusstrakt, RA (oben, Mitte,
unten), VCS, VCI.
Angiografie
Lävokardiografie (beste Kammerseptumdarstellung in LAO 60° u. 20–30°-Angu-
lation nach kranial), Aortografie u. Koro.

Interpretation der Befunde


Drücke
• K leiner VSD: normale Drücke im kleinen Kreislauf.
• M ittelgroßer VSD: mäßiggradig erhöhte systol. Drücke in RV u. PA. Mäßig
erhöhter LA- u. LVEDP.
250 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• G
 roßer VSD: Druckangleich zwischen LV u. RV i. d. R. bei Defektgröße > ½
des AoK-Diameters. Systol. Drücke in Ao u. PA sind angeglichen, diastol.
Druck in PA niedriger als der aortale. Deutlich erhöhter EDP in LA- u. LV.
Evtl. Druckgradient über PK (bis 30 mmHg) u. MK (bis 5 mmHg) durch er-
höhten Fluss der Rezirkulation („Flussgradient“). Wichtige DD: subvalvuläre
PS im Rahmen der kompensatorischen RVF („erworbene Stenose“).
Lungengefäßwiderstand
Mit zunehmendem Widerstand im kleinen Kreislauf sinken LA-Druck u. LVEDP.
Diastol. Druck in PA nimmt zu u. kann sich dem diastol. Aortendruck angleichen.
O2-Sättigungsverhalten
Ein SO2-Sprung von mind. 5–10 % zwischen RA u. RV ist typisch.
• S uprakristaler VSD: SO2-Sprung zwischen RV u. PA.
• S ehr großer VSD: SO2 in PA beträgt 85–90 %.
• K leiner VSD: Oft kein typischer Sättigungssprung.
• E isenmenger-Sy.: Abnahme der SO2 in der Ao u. den peripheren Arterien.
Bei identischem PVR u. SVR nimmt art. SO2 bei Belastung od. nach Gabe pe-
ripherer Vasodilatatoren ab.
4
DD einer hohen O2-Sättigung im rechten Ventrikel
VSD; tief sitzender ASD; koronare AV-Fistel mit Drainage nach RV; Ruptur
eines Sinus-Valsalvae-Aneurysmas nach RV; Li-re-Shunt nach PA mit PR.

Angiografie
• L ävokardiografie: Lokalisation des VSD. Nachweis/Ausschluss weiterer Fehl-
bildungen.
– Jetförmiger KM-Übertritt nach RV u. Auswaschen des KM nach PA.
– Multiple Defekte: oft bei muskulärem Typ des VSD. KM-Übertritt nach
RV nur in Frühsystole, da sich die Defekte während der Ventrikelkon-
traktion verschließen.
• A ortografie zum Ausschluss/Nachweis einer AR (häufig bei VSD).

4.15.4 Hämodynamische Einteilung
• K
 leiner VSD (M. Roger): Defektgröße < 0,5 cm2/m2 KOF, Qp/QS < 1,5, Li-re-
Shunt < 30 %. Lungenstrombahn u. LV nicht volumenbelastet, RV meist nicht
volumen- od. druckbelastet. Große Druckdifferenz zwischen LV u. RV, gerin-
ges Shuntvolumen, lautes Geräusch (Leitbefund!), diskrete od. fehlende Sym-
ptome.
•  ittelgroßer VSD: Defektgröße 0,5–1 cm2/m2 KOF, Qp/QS = 1,5–2, Li-re-
M
Shunt 30–50 %, Shuntvolumen > 3 l/Min. Zeichen der Rezirkulation (pulmo-
nale Plethora), PAP/systol. Aortendruck < 0,5. Zeichen der Links- u. Rechts-
herzbelastung. Mittelgroße Druckdifferenz zwischen LV u. RV, großes Shunt-
volumen, lautes Geräusch, symptomatischer Pat.
•  roßer VSD: Defektgröße > 1 cm2/m2 KOF. Freie Kommunikation zwischen
G
beiden Ventrikeln. Nur bei Persistenz des hohen fetalen Lungengefäßwider-
stands Druckausgleich zwischen RV u. LV. Geringer Li-re- od. Re-li-Shunt.
Lungengefäßwiderstand bestimmt Schicksal der Kinder. Ohne OP pulmonal
obstruktive Lungengefäßreaktion (Eisenmenger-Reaktion) u. Übergang in ir-
reversible PAH (Eisenmenger-Sy.): Qp/QS > 2, PAH obligat. PAP/systol. Aor-
 4.15 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 251

tendruck > 0,5. Zeichen der Links- u. Rechtsherzbelastung u. der PAH. Ver-
lauf: Spontanverschluss sehr selten. Entwicklung einer pulmonalvaskulären
Obstruktion od. einer infundibulären PS → Abnahme des Li-re-Shunts u.
schließlich Shuntumkehr mit Re-li-Shunt. Wachstumsretardierung, häufige
pulmonale Infekte.

4.15.5 Differenzialdiagnose
 D des isolierten VSD: subvalvuläre, valvuläre, supravalvuläre AS (▶ 4.7), PS
• D
(▶ 4.13), MR (▶ 4.4, ▶ 4.5), AV-Kanal-Defekte (▶ 4.14), Fallot-Tetralogie
(▶ 4.18).
•  D des VSD mit AR: PDA (▶ 4.16), Sinus-Valsalvae-Fistel, große koronarar-
D
teriovenöse Fistel, kombiniertes Aortenvitium, Truncus arteriosus commu-
nis.

4.15.6 Therapie
Konservative Therapie
 leiner VSD: konsequente Endokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4). Kein Leistungs- 4
• K
sport. Verlaufskontrollen alle 2–3 J. (Spontanverschluss? Konsequente Endo-
karditisprophylaxe? Entwicklung einer AR?).
•  SD mit Li-re-Shunt < 50 %: Endokarditisprophylaxe, keine weiteren Medi-
V
kamente, Verlaufskontrolle 1 ×/Jahr.

Chirurgische Therapie
OP-Indikationen
• L i-re-Shunt > 50 %, Verhältnis PAP/systol. Aortendruck meist > 0,5–0,7,
• P AH mit erhöhtem PVR bis 7 WE (normal < 1,5 WE),
• n ach therapierter infektiöser Endokarditis, unabhängig vom Shuntvolumen,
• infundibuläre, suprakristale Defekte mit AR auch bei mittelgroßem VSD,
• a usgeprägter Prolaps einer AoK-Tasche mit/ohne AR,
• g roßer VSD mit infundibulärer PS (▶ 4.13),
• k atheterinterventioneller Verschluss in Ausnahmefällen (perimembranöser,
membranöser VSD).
Ergebnisse
• O P-Letalität: bei unkompliziertem VSD ca. 2 %, bei Verhältnis PAP/systol.
Aortendruck > 0,7 5–20 %!
• K linische Ergebnisse: sehr gute Resultate in der Mehrzahl der Fälle (sympto-
matische Besserung, normales Wachstum). Kardiomegalie u. eingeschränkte
Belastungstoleranz umso häufiger, je später die OP erfolgt. Gilt v. a. bei OP
nach dem 5. LJ.
• R est-Shunt: kleiner, hämodynamisch irrelevanter Li-re-Shunt nach OP in bis
zu 25 % der Fälle.
• E ndokarditisrisiko: bei komplettem Verschluss wie bei Normalbevölkerung,
bei Residual-VSD erhöhtes Endokarditisrisiko (Prophylaxe durchführen).
• K O: RSB u. LAH durch OP in > 50 % je nach OP-Technik. Ein reversibler pe-
riop. AV-Block III° ist häufig, ein irreversibler AV-Block III° tritt periop. in
ca. 2 % auf. Bei RSB u. LAH entwickeln ca. 25 % aller Pat. (oft erst nach Jah-
252 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

ren) einen AV-Block III° → Verlaufskontrollen! Ggf. Implantation eines per-


manenten Herzschrittmachers.
•  ostop. Verlaufskontrollen: Achten auf Wiedereröffnung des Defekts, Belas-
P
tungstoleranz (klinisch, Ergo, ggf. mit Rechtsherzeinschwemmkatheter), kon-
sequente Endokarditisprophylaxe, Zunahme einer vorbestehenden AR, Pro-
gression von Leitungsstörungen im EKG (ggf. Langzeit-, HIS-EKG).

Therapeutische Besonderheiten
Säuglinge, Kleinkinder
• M ittelgroßer Shunt (< 50 %) u. günstiges Verhältnis von PAP/systol. Aorten-
druck < 0,5 → kons. Ther.
• G roßer VSD mit Li-re-Shunt > 50 % u. PAP/systol. Aortendruck < 0,7 ohne
Herzinsuff.: Kons. Ther., engmaschige Verlaufskontrolle, ggf. wiederholte
Herzkatheteruntersuchungen. Ist im Verlauf die Ratio PAP/systol. Aorten-
druck > 0,7 operativer VSD-Verschluss; < 0,7 OP weiter aufschieben (bis ca.
4. LJ.), dann OP; < 0,5 mit Herzinsuff. od. kons. ungenügend beherrschbarer
Herzinsuff. trotz hohem OP-Risiko operativer VSD-Verschluss (Alternative:
„PA-Banding“).
4 Adoleszenten, Erwachsene
Große od. mittelgroße VSD sind in dieser Altersgruppe eher selten.
• K leiner VSD: Shunt < 30 %, normale Ratio PAP/systol. Aortendruck. Kons.
Ther. mit konsequenter Endokarditisprophylaxe. Shunt 30–50 % individuelle
Entscheidung über OP.
• M ittelgroßer VSD: Shunt > 50 %, Ratio PAP/systol. Aortendruck < 0,5 → OP.
• G roßer VSD: meist kleiner Shunt bei Ratio PAP/systol. Aortendruck > 0,7 u.
PVR > 7 WE → „Grauzone“, da Grenze zur Inoperabilität. Falls PAP-Senkung
unter Vasodilatator od. O2-Atmung möglich, OP bei hohem Risiko. Bei
> 10 WE besteht ein sicher inoperabler Zustand, einzige Alternative ist eine
Herz-Lungen-Transplantation.
• A R: in ca. 5 % zumeist nach dem 5. LJ., vorwiegend bei kleinen bis mittelgro-
ßen infundibulären (supracristalen) VSD-Typen mit subvalvulärer PS. Bei
mittelschwerer AR VSD-Verschluss u. AoK-Valvuloplastie durchführen.
• P ulmonalvaskuläre Obstruktion: OP muss vor Entwicklung einer PAH er-
folgen.
– Beginnende PAH: Li-re-Shunt nimmt ab → systol. Geräusch wird leiser,
Schwirren wird geringer, Häufigkeit pulmonaler Infekte nimmt ab, P2-
Komponente des 2. HT wird lauter, Herzgröße im Rö-Thorax nimmt ab.
Umgehend präop. invasive Diagn.
– Geringgradige PAH: Bei OP vor 2. LJ. ist eine Normalisierung des pulmo-
nalen Widerstands zu erwarten. Ist der pulmonale Widerstand < 1⁄3 des
systemischen Gefäßwiderstands, tritt auch bei älteren Pat. keine weitere
Progression postop. auf.
– Mittelschwere u. schwere PAH: nach VSD-Verschluss bleibende od. sich
weiter verschlechternde PAH!
– Faustregel: Bei PA-Mitteldruck < 50 mmHg nimmt der Druck nach OP
ab. Bei PA-Mitteldruck > 50 mmHg bleibt er gleich od. nimmt zu!
– E  isenmenger-Sy.: Inoperabilität. Sek. Polyzythämie mit Thrombosege-
fährdung in allen Gefäßprovinzen → wiederholte Aderlässe (isovol­
ämisch) bei Hkt > 0,65. Orale Kontrazeption kontraindiziert. Bei Schwan-
gerschaft u. Eisenmenger-Sy.: hohes mütterliches Risiko, Interruptio-Ind.!
 4.16 Ductus arteriosus apertus 253

4.15.7 Natürlicher Verlauf
Besonderheiten im Säuglings- u. Kleinkindalter
Rel. häufig tritt eine Herzinsuff. im 1. LJ. auf. Unmittelbar postnatal ist eine kardi-
ale Dekompensation selten → Frühdiagnose zur optimalen Pat.-Führung. Hohe
Spontanverschlussrate bei kleineren Defekten (ca. 50 % in den ersten 3 LJ.). Hohe
Rate an partiellem Verschluss u. Verkleinerung des Defekts mit zunehmendem
Körperwachstum. Bei großen Defekten Gefahr der Herzinsuff., von wiederholten
pulmonalen Infekten, Wachstumsretardierung.

4.16 Ductus arteriosus apertus


Leitbefunde
• E ntwicklungshemmung, Linksherzinsuff., Belastungsdyspnoe, körperl.
Schwäche, dissoziierte Zyanose.
• K ontinuierliches Maschinengeräusch, 3. HT, hohe RR-Amplitude, Merk-
male der PAH.
• E KG: Zeichen der LVH, bei PAH Zeichen der RVH. 4
• R ö-Thorax: LV-, LA-Vergrößerung, dilatierte Ao asc. u. Aortenbogen.
• E cho: LV-, LA-Vergrößerung, kontinuierliche, hochfrequente, retrograd
gerichtete Flussjets im TP.

4.16.1 Formen u. Pathophysiologie
Der offene Ductus arteriosus Botalli (PDA) ist eine fetale Gefäßverbindung zwi-
schen der li PA (unmittelbar nach Bifurkation) u. Ao desc. distal des Abgangs der
li A. subclavia. Durch Persistenz nach der Geburt besteht ein Li-re-Shunt mit Vo-
lumenbelastung von LA, LV, Ao asc. u. Aortenbogen bis zum Abgang des Ductus.
Der PDA ist eine der häufigsten Anomalien im Säuglingsalter, im Erw.-Alter ist er
eher selten. 2 Formen im Erw.-Alter:
• k leiner, „restriktiver“ PDA mit kleinem Shunt, ohne wesentliche PAH,
• g roßer, „nichtrestriktiver“ PDA mit PAH (weitgehend organisch fixiert) u.
Eisenmenger-Reaktion/-Sy.

Pathophysiologie
• E influss des Ductus-Widerstands:
– G  roß: kleiner Shunt, normale kardiale Befunde („restriktiver Ductus“).
– Mittel: deutlicher Shunt, mäßige Linksherzbelastung, mäßige PAP-Erhö-
hung.
– Klein: großer Shunt, erhebliche Linksherzbelastung, deutliche PAP-Erhö-
hung („nichtrestriktiver Ductus“).
•  influss des PAP/pulmonalen Widerstands:
E
– Erhöhter PAP aber < Aortendruck: kleiner Li-re-Shunt.
– PAH mit PAP > Aortendruck: Eisenmenger-Reaktion/-Syndrom. Shunt­
umkehr mit dissoziierter Zyanose (Zyanose der unteren Körperhälfte) u.
dominierender RV-Belastung.
254 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.16.2 Klinik u. nichtinvasive Diagnostik


Anamnese u. Symptome
Frauen sind 2–3× häufiger betroffen. Höhere Inzidenz bei Menschen, die in gro-
ßen Höhen leben. Vererbung ist möglich. Das Risiko beträgt 1 % bei einem Eltern-
teil mit PDA. PDA kann Folge einer Rötelninfektion in der Schwangerschaft sein.
• B egleitende Herzfehler: CoA, VSD, PS, AS, evtl. Teil komplexer Fehlbildun-
gen: Pulmonalatresie mit intaktem Kammerseptum, Sy. des hypoplastischen
li Herzens, unterbrochener Aortenbogen.
• K  leiner PDA: asymptomatischer Pat., normale kindliche Entwicklung.
• M  ittelgroßer PDA: i. d. R. asymptomatischer Verlauf bis zur 3. Lebensdeka-
de. Dann Belastungsdyspnoe, verminderte Belastungskapazität als Folge des
vermehrten pulmonalen Flusses u./od. einer mäßiggradigen Herzinsuff. bei
LV-Volumenbelastung.
• G  roßer PDA: klinische Manifestation innerhalb des 1. LJ.: Tachypnoe, exzes-
sives Schwitzen, Trinkschwäche, Entwicklungshemmung. Bei kons. Ther. ho-
he Mortalitätsrate. Ohne OP bis zur Adoleszenz irreversible pulmonalvasku-
läre Obstruktion mit PAH (Eisenmenger-Sy. ▶ 4.15.2, ▶ 4.15.6).
4
Körperliche Untersuchung
• K
 leiner PDA: „kontinuierliches Geräusch“ („Maschinengeräusch“) als typi-
sches u. einziges Zeichen. P. m. in MCL des 1. od. 2. ICR (Pulmonalareal).
Leises, hochfrequentes, in der Systole beginnendes u. über den 2. HT hinweg
in die Diastole reichendes Geräusch, füllt evtl. gesamte Diastole aus.
! „ Kontinuierlich“ bezieht sich auf das über den 2. HT hinausreichende Ge-
räusch (ohne Unterbrechung).
! In der Neonatalperiode ist das kontinuierliche Geräusch kein typischer klini-
scher Befund, da durch den hohen PVR nur ein kleiner Li-re-Shunt besteht.
•  ittelgroßer PDA: Kontinuierliches Geräusch beginnt nach 1. HT, Maxi-
M
mum zum Zeitpunkt des 2. HT, Intensitätsabnahme in der Diastole. P. m. im
2. ICR li parasternal. Lautstärke u. Dauer des Geräuschs nehmen bei Belas-
tung zu u. nach Amylnitrit ab. Lauter 3. HT (gelegentlich palpabel). Mitral-
strömungsgeräusch bei Volumenbelastung (Carey-Coombs). Große RR-Am-
plitude des art. Drucks (wie bei AR).
•  roßer PDA: Auskultationsbefunde sind weniger ausgeprägt. Merkmale der
G
PAH stehen im Vordergrund. Das über den 2. HT hinausreichende Geräusch
wird kürzer u. leiser, verschwindet bei Druckausgleich bzw. Shuntumkehr
(Eisenmenger-Reaktion, „silent ductus“). Lauter 2. HT mit enger od. fehlen-
der Spaltung.
•  DA mit schwerer PAH (Eisenmenger-Reaktion): Ein PDA-Geräusch ist
P
nicht mehr zu hören. Dissoziierte Zyanose mit Trommelschlägelphänomen
(„Clubbing“) der Zehen. Merkmale der PAH: Lauter P2, enge od. fehlende
Spaltung. Austreibungsgeräusch über Pulmonalareal. Graham-Steel-Ge-
räusch einer PR (▶ 4.12). TR-Geräusch (▶ 4.10).

EKG
„Spiegel der hämodynamischen Belastung“:
• K leiner PDA: normales EKG.
• M ittelgroßer PDA: Zeichen der LVH.
• G roßer PDA mit PAH: Zeichen der LVH nehmen ab, deutliche Merkmale
der RVH (▶ 5.2.1) mit großen, monomorphen R-Zacken re-präkordial, evtl.
 4.16 Ductus arteriosus apertus 255

rsR’-Muster über V1, reziproke Veränderungen li-präkordial mit R-Zacken­


abnahme u. Entwicklung tiefer S-Zacken, Rechtstyp, SISIISIII. EKG gleicht
dem bei VSD mit PAH.
Röntgen-Thorax
• K leiner PDA: normale Herzgröße u. -konfiguration; normale Lungengefäß-
zeichnung.
• M ittelgroßer PDA: mäßige Kardiomegalie durch LV- u. LA-Vergrößerung.
Ao asc. u. Aortenknopf aufgrund der Volumenbelastung prominent. Ver-
stärkte pulmonale Gefäßzeichnung (Plethora), große zentrale PA.
• G roßer PDA mit PAH: Absolute Herzgröße ist nahezu normal. RV-Vergrö-
ßerung u. dadurch angehobene Herzspitze. TP u. zentrale Pulmonalgefäße
sind dilatiert, die Gefäße des peripheren Drittels sind spärlich (Bild wie bei
VSD mit PAH).
• E ine Nativverkalkung des PDA ist gelegentlich bei DL zu erkennen.
! P DA kann aneurysmatisch dilatiert sein u. einen „mediastinalen Tumor“ im
li oberen Mediastinum vortäuschen.

Echo
• K
 leiner PDA: normales 2-D-Echo. 4
• H
 erzhöhlen: LV-, LA-Dilatation. Bei lange bestehendem PAH: RA- u. RV-
Dilatation.
• D
 uctus-Darstellung: Bei Säuglingen u. Kleinkindern (nicht bei Erw.) ist eine
direkte Darstellung des Ductus im 2-D-Bild der para- u. suprasternalen
Schnittebenen meist gut möglich:
– Kurze Achse parasternal: Darstellung von Pulmonalisbifurkation u. Duc-
tus als „drittes Lumen“ nahe der li PA.
– Suprasternal: Aortenbogen im Längsschnitt darstellen. Ductus-„Nase“ an
innerer Kurvatur nachweisbar. Längsachse des Ductus nahezu senkrecht
zur Schallrichtung.
•  arb-Doppler: retrograder Ductus-Jet in Richtung auf die PK.
F

MRT
• Bildgebung bei V. a. Komorbiditäten (in 15 %).
• B estimmung des hämodynam. Schweregrads in Zweifelsfällen:
Qp/Qs ≙ SV MK/SV TK.

4.16.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Direkte Sondierung des PDA, SO2-Sprung zwischen RV u. PA, PAH u. PA-
Widerstandserhöhung. Typisches Angiogramm: KM-Übertritt von der Ao
nach PA.

Indikationen
•  DA mit PAH od. unbekanntem PAP-(Widerstands-)Niveau,
P
•  räop. bei Hinweisen auf Lage- u. Ursprungsanomalien aus der Ao,
p
•  estimmung der Shuntgröße aus diagn. Gründen od. präop.,
B
•  ei begleitenden Herz- od. Gefäßfehlbildungen (▶ 4.16.4).
b
256 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Praktisches Vorgehen
Bestimmung von Shuntgröße, pulmonaler Hämodynamik (Druck, Widerstand),
Ductusmorphologie u. Charakterisierung begleitender Fehlbildungen des Her-
zens.
Rechtsherzkatheteruntersuchung
• H albsteifen Cournand- od. Multi­
Aorta
purpose-Katheter via re V. femora-
lis im TP platzieren.
• P DA-Sondierung versuchen. Orifi- PA
zium liegt in der Nähe des Abgangs
der li PA. Katheter via PDA in die RA
Ao desc. vorschieben u. typischen RV
Katheterverlauf röntgenologisch
dokumentieren (▶ Abb. 4.26).
• S huntbestimmung: SO2 mittels
halbsteifen Katheter etagenweise
bestimmen: li PA, re PA, RVOT,
RV-Einflusstrakt, RA (Mitte, oben,
4 unten), VCS, VCI, Ao desc., Ao asc.
• H ZV (Thermodilution mit Swan- Abb. 4.26 Rö-Thorax in p. a. Projekti­
Ganz-Katheter) u. Druck in PCW on bei PDA. Der Herzkatheter passiert
u. PA bestimmen. PVR kalkulie- den PDA via RA, RV u. PA zur Ao desc.
ren. [L157]
Angiografie
PDA durch Handinjektion im Bereich des Ductus-Abgangs darstellen. Aortogra-
fie des Aortenbogens in LAO-Projektion (50–70° od. li-lateral) zur Darstellung
des PDA u. der PA über den PDA. Supravalvuläre Aortografie zum Nachweis/
Ausschluss einer AR (häufige Begleitanomalie!). Lävokardiografie zum Nachweis/
Ausschluss eines VSD.

Interpretation der Befunde


Drücke
• K  leiner PDA: Sättigungssprung zwischen RV u. PA < 10 %. Normale Drücke
pulmonal-art. u. systemisch-arteriell. Qp : Qs < 1,5 : 1.
• M  ittelgroßer PDA: Sättigungssprung 10–20 %. Niedriger diastol. Aorten-
druck u. hohe art. Druckamplitude; erhöhte systol. Drücke in RV u. PA bis ½
des systol. Aortendrucks. LVEDP nur mäßig erhöht. Qp : Qs = 1,5–2,2 : 1.
• G  roßer PDA: systol. u. diastol. Druckangleichung in Ao u. PA. Hoher
­LVEDP. Qp : Qs > 2,2 : 1.
• E ntwicklung einer PVR-Erhöhung: Li-re-Shunt nimmt ab, häufig bidirektio-
naler Shunt. Systol. Druck in PA = systol. Druck in Ao. Anstieg des diastol.
Drucks u. Abnahme der Druckamplitude in der PA.
O2-Sättigungsverhalten
• L i-re-Shunt: Typisch ist ein SO2-Sprung von mind. 3–5 % zwischen RVOT u.
PA.
• B idirektionaler Shunt: SO2-Sprung zwischen RV u. PA sowie Ao asc. u. Ao
desc.
 4.16 Ductus arteriosus apertus 257

• B esonderheiten:
– E in kleiner Li-re-Shunt via PDA kann durch SO2-Analyse übersehen wer-
den. Sicherer PDA-Nachweis/-Ausschluss dann durch Angio.
– SO2 kann bei PDA mit PR bereits im RVOT erhöht sein.

DD einer hohen O2-Sättigung in der Pulmonalarterie


PDA; aortopulmonales Fenster; koronarpulmonal-art. Fistel; kongenitale Ko-
ronaranomalie mit Abgang aus der PA; supracristaler, subpulmonaler VSD
(▶ 4.15).

Angiografie
Bei kleinem PDA ist Angio die sensitivste Methode der Diagnosesicherung. Der
Ductus-Abgang aus der Ao ist meist als trichterförmige Ductus-Ampulle darge-
stellt. Der PDA selbst ist ein schmaler Gefäßstrang vor der li PA.
PDA mit Re-li-Shunt: Durch KM-Injektion in PA-Truncus wird der Ductus dar-
gestellt, das KM drainiert in die Ao desc.

4.16.4 Differenzialdiagnose 4
Alle Anomalien, die ein kontinuierliches Geräusch über dem li oberen Sternal-
rand od. li infraklavikulär hervorrufen: aortopulmonales Fenster, VSD mit AR,
rupturiertes Sinus-Valsalvae-Aneurysma, koronare AV-Fisteln nach RA, RV od.
CS, Fehlabgang der li Koronararterie aus PA, traumatische AV-Fistel (nach Tho-
raxtrauma), periphere PS, bronchiale Kollateralgefäße, pulmonale AV-Fistel,
CoA, Nonnensausen (akzidentelles venöses Geräusch), laktierende Mamma, hy-
perthyreote Struma, chirurgische Shunts (Waterston, Blalock).
! E ine sichere DD ist meist erst nach invasiver Diagn. möglich.

4.16.5 Therapie
• K
 leiner PDA: Kons. Ther. zwar grundsätzlich möglich, operative Unterbin-
dung zum Vermeiden von KO (v. a. Endokarditis) jedoch günstiger.
! Je älter ein Ductus ist, desto häufiger u. umfangreicher sind Ductusverkal-
kungen, die Probleme bei der chirurgischen Versorgung aufwerfen.
• M ittelgroßer PDA ohne PVR-Erhöhung: OP.
• P DA mit PVR-Erhöhung:
– > 10 WE: inoperabel (Eisenmenger-Sy.). Kons. Ther.
– 8–10 WE: individuelle Entscheidung über OP, da erhöhtes OP-Risiko (bis
12 %!) u. unkalkulierbarer postop. Verlauf. Bei Re-li-Shunt ist OP strikt
kontraindiziert.

Operative Therapie
• O
 P im Kleinkindesalter: OP-Letalität 0,5–1 %. Technik: anterolaterale Tho-
rakotomie, multiple Ligaturen u. Durchtrennung des Ductus.
• O
 P im Erw.-Alter: OP-Letalität 1–5 % bei normalem PAP, bis 12 % bei
PAH. Technik: mediane Sternotomie, kardiopulmonaler Bypass, Hypother-
mie. Diese im Vergleich zum Kleinkindesalter abweichenden Techniken
sind notwendig bei PAH, aneurysmatischer Dilatation u. Verkalkung des
Ductus.
!  P nach infektiöser Endokarditis > 6 Wo. nach Infektionseradikation.
O
258 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Interventioneller Ductus-Verschluss
Doppelscheiben-Katheter nach Rashkind zum PDA-Verschluss (Rashkind-PDA-
Occluder, Amplatzer occlusion device, Coil-Embolisation). Mögliche Alternative
bei hohem chirurgischem Risiko. Gefahr der Embolisation des
Verschlusspfropfens/-schirms in PA in 10 %. Rel. hohe Rate an Rest-Shunts (bis
10 %) mit persistierendem Ductitis-Risiko.

4.16.6 Natürlicher Verlauf, Prognose


Verlaufsbestimmende Faktoren: Größe von PDA u. Shunt. Verhältnis zwischen
PVR u. SVR. Fähigkeit des LV, sich an Volumenbelastung anzupassen.
• G roßer PDA: früh postnatal symptomatischer Verlauf mit Linksherzinsuffi-
zienz. Zunehmende PAH (Eisenmenger-Sy.). MÜZ 2 J.
• M ittelgroßer PDA: oft normale Entwicklung des Kinds. Kardiale Anpassung
durch LV-Dilatation u. LVH: PAH entwickelt sich verzögert. Häufig bron-
chopulmonale Infekte.
• K leiner PDA: asymptomatischer Verlauf, normale Entwicklung des Kinds.
Diagnose wird bei einer Routineuntersuchung gestellt. KO: bakterielle Aorti-
tis od. Ductitis.
4 • I nfektiöse Endokarditis: In bis zu 10 % tritt eine bakterielle Aortitis bzw.
Ductitis (meist am pulmonalen Ende des Ductus) auf. Septische Embolien in
die Lunge u. die Entwicklung eines Aneurysmas des Ductus od. der angren-
zenden Ao sind möglich.
• P ulmonal vask. Obstruktion (▶ 4.15).
• P DA-Spontanverschluss: im späten Kindesalter u. frühen Erw.-Alter selten
möglich (< 1 %/J.).
• L inksherzinsuff.: Je größer der PDA bzw. der Shunt, desto wahrscheinlicher
die Entwicklung einer Herzinsuff.
• D uctusverkalkungen: Mit zunehmendem häufiger u. ausgeprägter. Sie kom-
plizieren das Vorgehen bei einer operativen Ther.

4.17 Aortenisthmusstenose
Leitbefunde
• Im Säuglingsalter Herzinsuff., im Erw.-Alter beschwerdearm/beschwerde-
frei. Rasche Ermüdbarkeit der Beine, Kopfschmerzen, Nasenbluten.
• E rhöhter RR der oberen Extremitäten, normaler od. erniedrigter RR der
unteren Extremitäten. Spätsystol. Geräusch mit spindelförmigem Charak-
ter interskapulär li paravertebral.
•  KG: LVH mit ST-T-Veränderungen.
E
•  ö-Thorax: LV-Vergrößerung, „3-Konfiguration“ des Aortenknopfs, Rip-
R
penusuren.
•  cho: direkte Darstellung der Stenose von suprasternal u. transösopha­
E
geal.

Die Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae, CoA) ist eine angeborene Enge


bzw. leistenförmige Obstruktion der thorakalen Ao zwischen Abgang der li
A. subclavia u. Übergang des Aortenbogens in die Ao desc.
 4.17 Aortenisthmusstenose 259

4.17.1 Formen
▶ Abb. 4.27.
re. + li. li. li. li.
A. carotis comm. A. subclavia A. subclavia A. subclavia

re. Botalli re.


A. sub- Botalli A. sub-
clavia
clavia
Aorta Aorta
Aorta

TP TP
TP
Botalli

Coarctatio Coarctatio Coarctatio


nach der linken vor der linken mit anomalem
A. subclavia A. subclavia Ursprung der rechten
A. subclavia
distal der Coarctatio
4
Abb. 4.27 Typische Varianten der Aortenisthmusstenose [L157]

• E rw.-Form: asymmetrische, membranöse Stenose distal des Lig. Botalli


(„postduktal“, „juxtaduktal“). Tritt selten mit weiteren kardiovask. Defekten
auf (Ausnahme: bikuspide AoK).
•  indliche Form: Stenose liegt bei PDA gegenüber od. direkt proximal des
K
Ductus („präduktal“). Oft weitere kardiovask. Defekte (VSD, PDA, valvuläre
od. subvalvuläre AS, Anomalien der MK).

Tipps & Tricks


• D
 ie CoA ist häufig (bis 80 %) mit einer bikuspiden AoK u. Aneurysmen
des Circulus arteriosus Willisii (Hirnbasisaneurysma) assoziiert.
• D
 ie sehr gute kardiovask. Adaptation bei CoA ist eine diagn. Falle. Die
CoA ist die am häufigsten übersehene kardiovask. Anomalie im Kindes-
u. Erw.-Alter (Haupt-DD bei jugendlichen Hypertonikern!).

4.17.2 Klinik u. nichtinvasive Befunde


Anamnese und Symptome
Säugling
Bei „kritischer, infantiler CoA“ bereits im Säuglingsalter Herzinsuff. (▶ 8.2). Vita-
le Bedrohung in den ersten Lebensmonaten. Der Ductus arteriosus bleibt offen, es
entsteht ein Re-li-Shunt.
Adoleszenten/Erwachsene
Kinder, Jugendliche u. Erw. mit adulter Form sind meist beschwerdefrei/-arm. Eine
Gefährdung besteht bei Extrembelastungen od. durch KO als Erstmanifestation.
• R asche Ermüdbarkeit der unteren Extremitäten („schwere Beine“), selten ty-
pische Claudicatio bei art. Hypotonie der unteren Extremitäten.
• K opfschmerzen, Nasenbluten bei art. Hypertonie der oberen Körperhälfte.
260 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• P alpitationen durch art. Pulsationen.


• K O als Erstmanifestation:
– H erzinsuff.: als Folge der chron. Druckbelastung od. als Folge begleiten-
der kardialer Anomalien.
– K alzifizierte AS: degenerierte, kalzifizierte bikuspide AoK. Tritt evtl. auch
noch nach OP der CoA auf.
– A R: anuloaortale Ektasie (Folge der chron. art. Hypertonie ▶ 4.8.1).
– A ortenruptur, -dissektion: vor (dilatierte Ao asc.) od. nach CoA (Post-
CoA-Aneurysma) lokalisiert.
– I nfektiöse Endokarditis/Endarteriitis: Endokarditis der bikuspiden AoK
od. Aortitis distal der CoA.
– I ntrazerebrale Blutung: bei Hirnbasisaneurysmen od. chron. art. Hyper-
tonie.

Körperliche Untersuchung
Inspektion/Palpation
• B eim Erw. selten unterentwickelter li Arm, athletischer Thorax, schmächtige
Hüften u. muskelschwache untere Extremitäten.
4 • K reislaufzeichen:
– Sichtbare Pulsationen der Karotiden u. des Jugulums.
– Pulsus durus. Pulsdifferenz zwischen re u. li Arm bei Stenose vor dem Ab-
gang der li A. subclavia.
– Pulsdifferenz zwischen re Arm u. A. femoralis.
– Femoral- u. Fußpulse: verzögert u. abgeschwächt od. nicht tastbar. Art.
Hypertonie der oberen Körperhälfte, art. Hypotonie der unteren Körper-
hälfte (gleichzeitige Palpation A. radialis re u. A. femoralis re od. li).
– Betonter, hebender Herzspitzenstoß.
Blutdruckmessung
RR-Messung an beiden Armen u. beiden Beinen. Systol. RR des re Arms (oft auch
des li Arms) ist erhöht, systol. RR der unteren Extremitäten ist erniedrigt. Diastol.
RR bleibt meist unbeeinflusst. Ist keine eindeutige RR-Differenz (> 20–30 mmHg)
zwischen oberer u. unterer Extremität vorhanden → RR-Messung nach Belastung
(z. B. Kniebeugen) wiederholen, um Druckgradienten über der CoA zu erzeugen
(Belastungshypertonie). Bei Erw. mit sehr gut ausgebildetem Kollateralkreislauf
können Kreislaufzeichen wie auch RR-Differenzen fehlen!

Häufigste Ursachen der verkannten CoA


• E rstaunliche Beschwerdearmut des Pat.
• F lüchtige Untersuchung ohne RR-Messung an beiden Armen!
• K eine RR-Messung an Armen u. Beinen bei art. Hypertonie.
• Inadäquate Auskultation. Auskultation des Rückens gehört zur kardialen
Auskultation!

Auskultation
• B etonter 1. u. 2. HT; häufig 4. HT u. aortaler Ejection Click.
• S ystolikum: vom 1. HT abgesetztes („spätsystol.“) Geräusch mit spindelför-
migem Charakter u. P. m. interskapulär li paravertebral.
• S pätsystol., teils kontinuierliche Geräusche über oberer Rückenpartie („Kolla-
teralgeräusche“).
 4.17 Aortenisthmusstenose 261

• E vtl. leises aortales Austreibungsgeräusch.


• K urzes diastol. Regurgitationsgeräusch bei sek. AR.
EKG
Bei Adoleszenten/Erw. meist typische LVH mit sek. ST-T-Veränderungen (unspezi-
fische Schädigungszeichen, „strain“). Kann bei insignifikanter CoA auch fehlen, aber
auch bei signifikantem Druckgradienten mit art. Hypertonie (bis zu 50 % der Fälle!!).

Röntgen-Thorax
• V ergrößerung des LV.
• T ypische Kerbe im Isthmusbereich (p. a. Aufnahme): Es entsteht eine
„3-Konfiguration“ des Aortenknopfs u. spiegelbildlich eine „E-Konfigurati-
on“ des bariumgefüllten Ösophagus.
•  ippenusuren: Irregularitäten od. Aussparungen an den inferioren Rändern
R
der posterioren Rippensegmente (v. a. 3. u. 4. Rippe) treten erst nach dem
6 LJ. bei signifikanter CoA auf.

Echo
• B ei Säuglingen/Kleinkindern ist Darstellung im 2-D-Echo von suprasternal 4
möglich. Später TEE.
• D ruckgradienten über der CoA: Mit cw-Doppler bestimmen. Typisch ist ein
Doppler-Signal mit erhöhter Vmax u. kontinuierlichem Fluss auch in der Dias-
tole. Im Erw.-Alter ist die Stenose im Aortenbogenbereich wegen des zu gro-
ßen Winkelfehlers mit dem Doppler nicht optimal beurteilbar.
• S ek. kardiale Veränderungen der assoziierten Fehlbildungen: Bikuspidale
AoK (▶ 4.7.1), AR (▶ 4.8.1), VSD (▶ 4.15.1), LVH (▶ 5.5.1), MK-Erkr.
• T EE: bei jedem V. a. CoA. Exakte Beurteilung der AoK u. nahezu der gesam-
ten thorakalen Ao möglich (aneurysmatische Dilatation?). Im Farb-Doppler
typische stenosebedingte Turbulenzen.

MRT
Exzellentes nichtinvasives, bildgebendes Verfahren zur Darstellung einer CoA,
ersetzt jedoch vor einer geplanten OP nicht die Herzkatheterdiagnostik. Methode
der Wahl auch zur postop. Verlaufskontrolle.

4.17.3 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Druckgradient im Isthmusbereich, leichte AR, LVH, Dilatation der Ao asc. u.
poststenotische Dilatation der Ao desc., Kollateralkreislauf.

Indikationen
V. a. hämodynamisch relevante CoA u. DD-Probleme, z. B. bei „Pseudo-CoA“
(Kinking der thorakalen Ao u. gleichzeitige art. Hypertonie), sowie präop.

Praktisches Vorgehen
Beurteilung des Schweregrads der CoA, Darstellung der Anatomie des Aortenbogens
u. des Kollateralkreislaufs, Beurteilung der Koronargefäße beim Erw., Erfassung be-
gleitender kardialer Defekte u. Bestimmung ihrer hämodynamischen Relevanz.
262 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Interpretation der Befunde


• D
 ruckgradient über CoA: Systol. Druck der Ao asc. erhöht, distal der CoA
zeigt der art. Druck eine kleine Pulsamplitude.
 er systol. Druckgradient über der CoA ist nur bedingt ein Maß des Schwe-
! D
regrads der Obstruktion. Bei gut ausgebildetem Kollateralfluss wird der
Schweregrad unterschätzt. Oft tritt sek. eine Erhöhung des peripheren Gefäß-
widerstands der unteren Körperhälfte auf; dadurch nimmt Differenz des art.
Drucks der oberen u. unteren Körperhälfte ab.
•  ävokardiografie: Hypertrophierter LV. VSD? MR?
L
•  ortografie: Dilatation der Ao asc., Lumeneinengung im Stenosebereich,
A
poststenotisch dilatierte Ao descendens. Häufig zusätzlich bikuspide AoK mit
AR. Dilatierte Kollateralgefäße (A. thoracica interna, Interkostalarterien).
Fehlende Kollateralgefäße bei geringem Schweregrad der CoA. Die li A. sub-
clavia ist dilatiert, wenn Abgang vor der CoA, hypoplastisch, wenn Ursprung
im Stenosebereich od. distal der Stenose.
•  oro: bei Pat > 30 LJ. zum Nachweis/Ausschluss einer begleitenden KHK.
K
KHK bei CoA frühzeitiger u. akzeleriert!

4 4.17.4 Differenzialdiagnose
Art. Hypertonie anderer Genese, PDA (▶ 4.16).

4.17.5 Therapie
Konservative Therapie
• B ei Erstmanifestation in den ersten Lebensmonaten: Aggressive Ther. einer
Herzinsuff. (▶ 8.2.4). Falls sich Herzinsuff. als intraktabel erweist od. ein Rezi-
div auftritt → OP.
•  eine effektive kons. Ther. der CoA verfügbar. Bei allen Entscheidungen be-
K
rücksichtigen, dass KO nicht selten sind. Zusätzlich kann eine art. Hypertonie
der oberen Körperhälfte auch nach OP bestehen bleiben.

Chirurgische Therapie
• I nd.: „Signifikante CoA“ mit ständiger art. Hypertonie od. systol. Druckgra-
dienten > 30 mmHg zwischen oberer u. unterer Körperhälfte.
• O
 P-Zeitpunkt: 2.–6. LJ. Bei verspäteter OP vermehrt OP-KO durch degene-
rative Veränderungen der Ao u. aneurysmatisch dilatierte Kollateralgefäße.
• O P-Letalität: < 2 %.
• T echnik: plastische Erweiterung der Stenose durch Patch od. Stenoseresekti-
on u. Implantation einer Gefäßprothese.
• B allonangioplastie: v. a. im Kindesalter zur Behandlung einer nativen CoA
od. von Rezidivstenosen nach OP. Die Angioplastie kann den Druckgradien-
ten effektiv reduzieren. Langzeitresultate noch unbefriedigend. Im Erw.-Alter
ist die Ballonangioplastie mit/ohne Stentimplantation eine Alternative auch
bei Re-Coarctatio od. Residualstenose nach OP.
•  rgebnisse: meist gutes funktionelles Ergebnis.
E
– Reststenose mit Ruhegradient in 20 % postop.
– Art. Hypertonie: Rückbildung bei 1⁄3 im 1. Mon., bei 2⁄3 im 1. J. postop.
 4.18 Fallot-Tetralogie 263

• O
 P-Komplikationen:
– E  xzessive, paradoxe art. Hypertonie: teils gefährliche akute Druckbelas-
tung innerhalb der 1.–2. Wo. postop.
– „Akutes Abdomen“ durch nekrotisierende Aortitis mesenterialis od. Mes­
enterialinfarkt.
– Rückenmarksläsionen durch Störung der spinalen Durchblutung → Quer-
schnittslähmung!
•  erlaufskontrollen: Alle 6–12 Mon., auch bei erfolgreicher, „kurativer“ OP
V
erforderlich, da Pat. lebenslang durch KO bedroht sind. Ein Screening nach
intrazerebralen Gefäßanomalien wird empfohlen.

4.17.6 Natürlicher Verlauf
• „ Kritische CoA“ im Säuglingsalter: führt unbehandelt rasch zum Tod.
• E rste klinische Manifestation zwischen 20. u. 30. LJ.: mittlere Lebenserwar-
tung ohne OP 30–35 J.; mitunter Beschwerdefreiheit bis ins hohe Alter mög-
lich. Verlauf wird v. a. durch typische KO der CoA bestimmt (▶ 4.17.2).

4
4.18 Fallot-Tetralogie
Leitbefunde
• Z entrale Zyanose, Trommelschlägelfinger, Belastungsdyspnoe, hypoxämi-
sche Anfälle, zerebrale Symptome, Herzinsuff.
• P räkordialer Impuls u. Schwirren, 2. HT „single“, Systolikum der PS.
• E KG: RVH.
• R ö-Thorax: Holzschuhherz, dilatierter TP, nach re verlagerte thorakale
Ao.
• E cho: VSD mit überreitender Ao, PS, RVH.
Der häufigste zyanotische Herzfehler im Erw.-Alter, wird durch folgende Anoma-
lien charakterisiert (▶ Abb. 4.28):
• Infundibuläre od. infundibuläre-valvuläre PS.
• M  embranöser VSD.
• „ Überreiten“ der Ao: Ao nach re verlagert, sodass sie über dem VSD „reitet“.
• R VH.
• F allot-Pentalogie: Fallot-Tetralogie u. ASD.
• F allot-Hexalogie: Fallot-Pentalogie u. PDA.
Der Schweregrad wird vom Ausmaß der RV-Ausflussobstruktion bestimmt. Sie
führt zur Minderung des pulmonalen Blutflusses u. fördert einen Re-li-Shunt via
VSD mit Zyanose u. Hypoxie. Bei geringgradiger RV-Ausflussobstruktion fehlt
Re-li-Shunt → azyanotisches Vitium („Pink Fallot“).
264 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Ao
valvuläre
PA Pulmonalstenose

LA
RA subvalvuläre
Pulmonalstenose

VSD

RV LV

Abb. 4.28 Befunde bei Fallot-Tetralogie [L157]

4.18.1 Klinik u. nichtinvasive Befunde


4 Anamnese, Symptome
• Z yanose bei Geburt od. im 1. Lebenshalbjahr (durch Verschluss des Ductus
arteriosus verminderte Lungendurchblutung). Verstärkung der Zyanose
durch körperl. Belastung, Abnahme in Hockstellung.
•  yspnoe bei Belastung.
D
•  ypoxämische Anfälle bei Belastung od. Aufregung. Evtl. mit Todesfolge.
H
•  örperl. u. geistige Entwicklung bleibt zurück.
K
•  erebrale Symptome: Schwindel, Synkope, epileptische Anfälle.
Z
•  olgen des Re-li-Shunts u. Polyzythämie: zerebrale Embolien, Thrombosen,
F
Hirnabszesse.
•  rogrediente Herzinsuff.
P

Körperliche Untersuchung
• I nspektion: zentrale Zyanose, verzögerte körperl. Entwicklung, Trommel-
schlägelfinger, -zehen, Uhrglasnägel, Herzbuckel.
• P alpation: präkordialer Impuls über unterem Sternumdrittel, tastbares
Schwirren li parasternal.
• A
 uskultation:
– N ormaler 1. HT, 2. HT erscheint „single“ (nur A2 ist hörbar) u. betont.
– S ystolikum: Über 3. ICR li parasternal durch PS. Nimmt der Schweregrad
der PS zu, vermindert sich die Lautheit des systol. Geräuschs (anders bei
isolierter PS: hier Zunahme der Lautheit mit höherem Schweregrad der
Obstruktion). Während eines hypoxämischen/zyanotischen Anfalls
nimmt das Geräusch ab od. verschwindet ganz.
– Kontinuierliches Geräusch bei assoziiertem PDA.
– Bei älteren Pat. zusätzlich diastol. Geräusch der AR.

EKG
Rechtstyp u. RVH. RVH ist selten so ausgeprägt wie bei einer reinen PS. Bei
Linkstyp an AV-Kanal-Malformation denken. Nach Korrektur-OP häufig RSB u.
komplexe ventrikuläre Arrhythmien.
 4.18 Fallot-Tetralogie 265

Röntgen-Thorax
• N
 icht vergrößertes Herz mit angehobener, gerundeter Herzspitze („Holz-
schuhherz“, „Coeur en sabot“) bei schwerer PS u. kleinem LV,
• D ilatation des TP,
• a usgeprägte Herztaille,
• b reites Gefäßband durch erweiterte, nach re verlagerte Ao u. Dilatation des TP,
• s pärliche Lungengefäßzeichnung durch verminderte Lungendurchblutung.

Echo
• 2 -D-Echo:
– P  arasternal lange Achse: Darstellung des VSD u. seiner Beziehung zur
überreitenden Ao.
– Parasternal kurze Achse: Darstellung der PS.
– Bei Neugeborenen übersichtliche Darstellung von VSD, PS u. Ao von sub-
kostal möglich.
• c w-Doppler: Druckgradienten über RVOT (▶ 4.13.2) bestimmen, Nachweis
des VSD (▶ 4.15.2).
• F arb-Doppler: zum Nachweis des VSD u. der Obstruktion des RVOT bzw.
der PK.
• T EE: v. a. zur Beurteilung der Morphologie des RVOT u. der PK sowie der 4
Lagebeziehung zwischen VSD u. Ao asc., wenn diese transthorakal nicht aus-
reichend dargestellt werden können.

MRT
• Gute Darstellung der komplexen Defekte u. weiterer Fehlentwicklungen (bis
30 % Koronaranomalie, re liegender Aortenbogen, Pulmonalisatresie).
• P ostop. bei PR u. zur Beurteilung von Größe u. Funktion des RV.

4.18.2 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
Druckgradient über RVOT, normale od. erniedrigte PAP, Angleichung des
RV- u. LV-Drucks, Koronaranomalien.

Indikationen
Alle zyanotischen Vitien. Abgrenzung zu klinisch u. hämodynamisch ähnlichen En-
titäten: TGA mit VSD u. PS; korrigierte Transposition mit VSD u. PS; Double-out-
let right ventricle mit PS; Single ventricle mit PS; Endokardkissendefekt mit PS.

Vorbereitung
• V
 or Untersuchung Gerinnung u. Hkt bestimmen. Häufig liegen plasmatische
Gerinnungsstörungen u. exzessive Hkt-Erhöhungen vor.
• A
 usreichende i. v. Flüssigkeitszufuhr: Ther. bzw. Prophylaxe einer Hypovol­
ämie; Reduktion des hohen Thrombembolierisikos.
• A
 usreichende Sedierung mit Diazepam od. Morphin.
266 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Interpretation der Befunde


Drücke
• N ormale RA- u. LA-Drücke. RVP = LV-Druck. Erniedrigter PAP mit kleiner
Druckamplitude (poststenotischer Druck).
• „ Drucksprung“ während des Katheterrückzugs aus PA → RV → RA bei valvu-
lärer PS (▶ Abb. 4.29). Evtl. zweizeitiger Drucksprung bei valvulärer u. sub-
valvulärer PS.

Druckgradient
subvalvuläre
mmHg Pulmonalstenose

150

100 Druckgradient
4 valvuläre
Pulmonalstenose

50

PA RV-Ausflusstrakt RV-Einflusstrakt

Abb. 4.29 Fallot-Tetralogie. Druckkurve bei Katheterrückzug aus der PA in den


RVOT u. den RV-Einflusstrakt [L157]

O2-Sättigung
• D ie systemische, art. SO2 ist proportional zum pulmonalen Fluss u. damit
Spiegelbild des funktionellen Schweregrads (RVOT-Obstruktion mit Re-li-
Shunt)!
• S O2 in Vv. cavae, RA, RV u. PA meist gleich u. vermindert. SO2 in PA > RV
bei PDA.
• S O2 in LV-Apex od. LA > Ao asc. > RV: Re-li-Shunt via VSD.
• B ei geringgradiger RVOT-Obstruktion evtl. bidirektionaler Shunt auf Ventri-
kelebene od. dominierender Li-re-Shunt.
• S huntkalkulation.
Angiografie
• R V: nicht dilatiert, ausgeprägte Hypertrophie. Verschiedene morphologische
Varianten des RVOT sind möglich (von umschriebener subpulmonaler Ste-
nose bis zu langstreckigen Stenosen des RVOT). Bei valvulärer PS poststeno-
tische PA-Dilatation. KM tritt bei RV-Angio nach PA u. via VSD in den
LVOT bzw. die überreitende Ao asc. über.
• L V: meist normal groß, gelegentlich dilatiert u. global hypomotil. Lage des
VSD kann beurteilt werden, multiple VSD sind möglich.
• A orta: Lage der Ao, Ausmaß einer AR, Koronarmorphologie.
! E ktoper Ursprung der LAD aus RCA mit Verlauf zwischen Ao u. RVOT bzw.
vor dem RVOT immer ausschließen bzw. nachweisen.
 4.18 Fallot-Tetralogie 267

• N
 achweis von Kollateralgefäßen Ao → PA. Evtl. zusätzlich Ao desc. darstel-
len.
• N
 achweis von chirurgischen Shunts nach palliativer OP: A. subclavia → PA
(Blalock-Taussig); Ao desc. → PA (Pott); Ao asc. → PA (Waterston).

4.18.3 Differenzialdiagnose
TGA mit VSD u. PS; korrigierte Transposition mit VSD u. PS; Double-outlet
right ventricle mit PS; Single ventricle mit PS; Endokardkissendefekt mit PS.

4.18.4 Therapie
Konservative Therapie
•  ndokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4).
E
•  lüssigkeitsverluste (z. B. bei interkurrenten Erkr.) konsequent ausgleichen.
F
•  etablocker (▶ 11.3.3) zur Dauerprophylaxe von hypoxämischen Anfällen.
B
•  isensubstitution: z. B. Eryfer®, 1 × 100 mg/d, bis Hb im Normalbereich. Ver-
E
mindert Thrombose- u. Embolierisiko, reduziert hypoxämische Anfälle. BB-
Kontrollen, da unter Eisensubstitution Polyzythämie entstehen kann. 4
•  gf. Aderlässe durchführen.
G
•  rombo-Funktion u. PTT kontrollieren.
Th
•  llopurinol: bei Hyperurikämie, z. B. Zyloric®, 100–300 mg/d.
A

Therapie des hypoxämischen Anfalls (Stufenschema)


• H
 ockstellung od. Simulation einer Hockstellung durch Halten des Kinds
auf dem Arm mit gebeugten Knien/Hüften.
• S edierung, z. B. Diazepam 5–10 mg als Rectiole.
• O 2-Insufflation (4–6 l/Min. über Nasensonde).
• G gf. Morphin (0,01–0,1 mg/kg KG s. c.).
• I. v. Volumengabe zur Expansion des intravasalen Volumens.
• N aHCO3 bei anhaltender Zyanose u. Basendefizit bis 5 mmol/l. Dosis
nach BGA.
• P eripherer Vasokonstriktor: bei ausgeprägter Hypotonie, Dopamin in
niedriger Dosis mit blutigem RR-Monitoring (▶ 11.1.2). Gefahr der
Verstärkung der RVOT-Obstruktion.
• B etablocker (Dociton®) in kleinen Dosen i. v. (0,025–0,1 mg/kg KG).
• U ltima Ratio: Allgemeinanästhesie.

Kontraindiziert sind Digitalisglykoside, art. Vasodilatatoren, ASS u. NSAR.

Chirurgische Therapie
• I nd.: korrigierende OP bei allen symptomatischen Fällen in jeder Altersstufe,
wenn Anatomie es gestattet. Bei nicht geeigneter Anatomie Shunt-OP als Pal-
liativmaßnahme (Shunt zwischen systemischer Arterie u. PA zur Erhöhung
des pulmonalen Blutflusses).
•  P-Zeitpunkt: am günstigsten zwischen 2. und 4. LJ., bei günstiger Anato-
O
mie schon im 1. LJ.
•  P-Letalität: < 5 %.
O
268 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• P ostop. Ergebnisse: sehr gute Ergebnisse bei primärer Korrektur-OP in > 2⁄3
aller Fälle.
• P ostop. Probleme: Gefahr des plötzlichen Herztods durch komplexe ventri-
kuläre Arrhythmien (bis 6 %!). Aneurysma des RVOT (nach Patch-Erweite-
rung). PR, selten mit Rechtsherzinsuffizienz. Residuelle RVOT-Obstruktion:
Re-OP bei ΔP > 50 mmHg. Rest-VSD: Re-OP bei größerem Li-re-Shunt
(Qp : Qs > 1,5 : 1), > 25 % Li-re-Shunt. Herzinsuff. (▶ 8.2). Infektiöse Endokar-
ditis (▶ 6.1).
Verlaufskontrollen
Halbjährliche Kontrollen auch bei erfolgreicher, „kurativer“ OP, da Pat. lebens-
lang durch KO bedroht sind: Ventrikuläre Tachyarrhythmien, Herzinsuff.,
RVOT-Obstruktion, VSD, progrediente TR u./od. PR, RVOT-Aneurysma, infek-
tiöse Endokarditis u. Thrombose-, Blutungsgefahr, Hyperurikämie.

4.18.5 Natürlicher Verlauf
Je ausgeprägter die Zyanose, desto kürzer der natürliche Verlauf. Mittlere Lebens-
erwartung ohne OP: 12 J. Ca. 10 % erreichen ohne OP das 20. LJ. Deshalb frühe
4 chirurgische Totalkorrektur anstreben.

4.19 Ebstein-Anomalie
Leitbefunde
• D
 yspnoe, atypische A. p., Palpitationen, intermittierende zentrale Zyano-
se. Weite Spaltung des 1. HT, „sail sound“, lauter 3. HT, Systolikum der
TR.
•  KG: P dextroatriale, RSB, WPW-Muster Typ B, atriale Tachyarrhyth­
E
mien.
•  ö-Thorax: Kardiomegalie durch RA-Dilatation, verminderte Lungen-
R
durchblutung.
•  cho: RA-Dilatation, kleines RV-Kavum, überschießende Beweglichkeit
E
des anterioren Trikuspidalsegels, Verlagerung des septalen Segels nach
apikal, Shuntfluss auf Vorhofebene u. TR.

Kongenitale Fehlbildung des TK-Apparats mit Deformierung u. Verlagerung der


TK ventrikelwärts (TK-Dystopie). Zusätzlich liegt meist eine interatriale Verbin-
dung vor, sodass ein Re-li-Shunt zu einem potenziell zyanotischen Vitium führen
kann (▶ Abb. 4.30).
 4.19 Ebstein-Anomalie 269

PA PA

RA RV
RA

RV

• Verlagerung der Trikuspidalklappe gering • Starke Verlagerung der Trikuspidalklappe


• Leichte Trikuspidalinsuffizienz • Starke Trikuspidalinsuffizienz
• Links-rechts-Shunt oder • Rechts-links-Shunt auf Vorhofebene
intaktes interatriales Septum

Abb. 4.30 Morphologie bei leichter u. schwerer Form einer Ebstein-Anomalie


[L157]

4
4.19.1 Klinik u. nichtinvasive Befunde
Anamnese u. Symptome
Breites klinisches Spektrum je nach Morphologie u. funktionellem Schweregrad:
Lebensuntüchtiger, tief zyanotischer Säugling bis asymptomatischer Erwachse-
ner. Begleitende Fehlbildungen können im Vordergrund stehen (PS od. Pulmona-
latresie, ASD I, VSD, evtl. kombiniert mit L-Transposition). Symptome: zentrale
Zyanose, Merkmale der Herzinsuff. mit Dyspnoe, atypische A. p., Palpitationen
bei supraventrikulären Arrhythmien.

Körperliche Untersuchung
• R e parasternaler Impuls. Evtl. Halsvenenstauung (v-Welle ↑) u. Hepatome-
galie.
• W eit gespaltener 1. HT, normaler 2. HT. Meist lauter, früh auftretender 3. HT.
• „ Sail sound“: systol. Click, der einem verspäteten TK-Schlusston entspricht.
Systolikum einer TR (▶ 4.10.3).

EKG
P dextroatriale, verlängerte PQ-Zeit, RSB-Muster. In 25–30 % WPW-Muster
(Typ B) mit d-Welle u. kurzer PQ-Zeit. Häufig supraventrikuläre Tachyarrhyth-
mien (▶ 7.6): AV-Reentry-Tachykardien, paroxysmale atriale Tachykardien,
VHF.

Röntgen-Thorax
Charakteristisches, bocksbeutelförmiges Herz mit schmalem Gefäßband. Die
Kardiomegalie wird v. a. durch die massive RA-Dilatation hervorgerufen. Ver-
minderte Lungengefäßzeichnung bei normal großen PA.

Echokardiografie
• M
 -Mode: überschießende Exkursionsbewegungen des anterioren Trikuspi-
dalsegels u. verzögerter TK-Schluss (> 40 ms nach dem MK-Schluss).
270 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• 2 -D-Echo: Im apikalen 4-Kammer-Blick RA dilatiert, RV zugunsten des gro-


ßen RA verkleinert. Das septale Segel der TK ist in Richtung RV-Apex verla-
gert, das anteriore Segel überschießend beweglich.
•  oppler: TR (▶ 4.10.3).
D
•  arb-Doppler od. KM-Echo: ASD od. PFO (▶ 4.14).
F
•  EE: bei ungenügender transthorakaler Anlotung v. a. zur Beurteilung des in-
T
teratrialen Septums.

MRT
Nur bei unzureichendem Echobefund erforderlich.

4.19.2 Invasive Diagnostik

Leitbefunde
RAP bei RV-EKG, Re-li-Shunt auf Vorhofebene, TR.

Typisches Muster bei simultaner Registrierung von Druck u. intrakardialem EKG


4 mittels Zucker-Katheter: Bei Katheterrückzug PA → RV → RA tritt ein RAP auf,
obwohl noch ein RV-EKG registriert wird (Position des atrialisierten RV). TR
(▶ 4.10.4). Re-li-Shunt auf Vorhofebene (▶ 4.14.3). Angio nur präop. indiziert.

4.19.3 Therapie u. natürlicher Verlauf


• O
 P indiziert bei funktionellem Stadium III od. IV, massiver Kardiomegalie
(CTR > 0,65), Zyanose od. art. SO2 < 90 %, klinischer Beeinträchtigung bereits
in der Kindheit.
•  P-Verfahren: plastische Korrektur od. TK-Ersatz, ASD-Verschluss. Evtl.
O
kavopulmonale Anastomose od. Fontan-OP.
•  atürlicher Verlauf: Lebenserwartung abhängig vom Ausmaß der Fehlbil-
N
dung. Gutartige Formen verlaufen oligosymptomatisch > 30 J.
•  O: hartnäckige supraventrikuläre Tachyarrhythmien, die häufig von Präexzi-
K
tationssy. begleitet sind (akzessorische Bahnen posteroseptal u. posterolateral).

4.20 Transposition der großen Arterien (TGA)


4.20.1 D-Transposition

Leitbefunde
Zentrale Zyanose nach Geburt, Eiform des Herzens, Shuntverbindungen,
PAH. Die anterior gelegene Ao entspringt dem RV, die posterior gelegene PA
dem LV.

Morphologie u. Pathophysiologie
„Switch“ von Ao u. PA, d. h. PA entspringt dem LV, Ao dem RV („ventrikuloarte-
rielle Diskordanz“). Die Ao liegt anterior, die PA posterior.
 4.20 Transposition der großen Arterien (TGA) 271

• S huntverbindung: PDA, Foramen ovale, ASD (> 30 %), VSD (ca. 40 %). Oh-
ne Shunt ist Pat. nicht lebensfähig, da beide Kreisläufe parallel geschaltet sind.
• E vtl. PS mit intaktem Ventrikelseptum (6 %).
• B ing-Taussig-Komplex: Sonderform. Komplette Transposition der Ao (sie
entspringt dem RV) u. inkomplette Transposition der PA (entspringt u. „rei-
tet“ nach anterior verlagert über einem VSD).

Klinik, Symptome
• F rühpostnatal: extreme zentrale Zyanose mit Azidose. Rasche Entwicklung
einer irreversiblen PAH. Liegt gleichzeitig ein großer VSD vor, ist die hämo-
dynamische Situation günstiger.
•  uskultation: wenig auffällig; evtl. nur Geräusch eines VSD od. einer PS.
A

EKG
Bei Geburt unauffällig. Im späteren Lebensalter Rechtstyp, RSB, RVH, biventriku-
läre Hypertrophie bei großem VSD.

Röntgen-Thorax
Wenig vergrößertes, eiförmiges Herz mit schmalem Gefäßband, deutliche pulmo- 4
nale Plethora.

Echokardiografie
Im 2-D-Echo Darstellung der großen Gefäße u. ihrer Zuordnung zum „falschen“
Ventrikel: Ao verläuft nach posterior gekrümmt; PA zeigt früh ihre Bifurkation,
Ao u. PA liegen parallel zueinander im parasternalen Längenschnitt, in der kurzen
Achse liegt Ao vor der PA. Assoziierte Defekte nachweisen: ASD (▶ 4.14.2), VSD
(▶ 4.15.2), PS (▶ 4.13.2).

MRT
Zur Diagnosestellung selten notwendig, bei komplexen Läsionen vor OP hilfreich.
Postop. Verlaufskontrollen.

Invasive Diagnostik
• B efund: transponierte, anterior gelegene Ao, die aus dem RV entspringt; nach
posterior verlagerte PA, die aus dem LV entspringt. Shuntverbindung via
ASD, VSD od. PDA.
•  oronarmorphologie beurteilen: Ursprungs- u. Verlaufsanomalien.
K

Therapie
• Th
 er. beim kritisch zyanotischen Neugeborenen: Rashkind-Ballon-Septo­
stomie: Palliativmaßnahme. Ballontragenden Katheter von LA nach RA zie-
hen, um interatriale Kommunikation zu ermöglichen od. zu verbessern
→ bessere Durchmischung von venösem u. art. Blut.
•  rostaglandin-E1-Infusion: Palliativmaßnahme, um Ductus Botalli offen zu
P
halten.
•  orrektur-OP nach Mustard: zur definitiven chirurgischen Therapie. Exzisi-
K
on des Vorhofseptums, Einnähen eines Perikardpatches, sodass pulmonalve-
nöses Blut zur TK u. systemvenöser Fluss zur MK geleitet wird.
•  natomische Korrektur, Arterial-Switch-OP: Transsektion von Ao u. PA,
A
dann Anastomose von prox. PA mit distaler Ao u. prox. Ao mit distaler PA.
Reimplantation der Koronararterien in die „neue“ Ao. Ein „Arterial Switch“
272 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

ist nur möglich, wenn der LV (der ursprünglich die PA versorgte) den Sys-
temkreislauf druck- u. volumenmäßig versorgen kann. OP-Zeitpunkt: erste
Lebenswochen. Langzeitergebnisse noch nicht bekannt.

Natürlicher Verlauf
• M ortalitätsrate ohne Ther.: 30 % in der ersten Lebenswoche, 70 % im 1. LJ.
• Je nach Fehlbildungskomb. günstiger natürlicher Verlauf mit Überleben bis
ins Kindesalter, v. a. bei Komb. mit VSD u. leichter PS.

4.20.2 L-Transposition (korrigierte Transposition der großen


Gefäße)

Leitbefunde
PA entspringt aus LV, Ao aus RV. Zusätzlich ist das RA mit dem LV, LA mit
RV verbunden. Ao liegt li u. anterior, PA re u. posterior, ohne dass sie sich
überkreuzen. Häufig AV-Block III° u. AV-Klappeninsuff. als einzige Manifes-
tationen.
4
Morphologie u. Pathophysiologie
• A
 ngeborene, korrigierte ZGA, d. h. PA entspringt aus dem anatomischen LV,
Ao aus dem anatomischen RV („ventrikuloarterielle Diskordanz“).
• Z usätzlich liegt eine „atrioventrikuläre Diskordanz“ vor: RA ist mit dem
LV, LA mit dem RV verbunden. TK ist die li-seitige, MK die re-seitige AV-
Klappe.
Eine isolierte L-TGA ist selten. Evtl. Zufallsbefund beim Erw., da keine relevanten
Funktionseinschränkungen bestehen. Häufiger ist eine Komb. mit begleitenden
Fehlbildungen: VSD, subvalvuläre, valvuläre PS, Anomalien der li-seitigen AV-
Klappe (trikuspidal, in 90 % mehr od. weniger dysplastisch u. insuffizient), Defek-
te des Reizleitungssystems → kompletter AV-Block im jungen Erw.-Alter, WPW-
Sy. überproportional häufig, Lageanomalien des Herzens u. der Bauchorgane.

Tipps & Tricks


• 1 × Diskordanz = zyanotisches Vitium (= D-TGA).
• 2 × Diskordanz = Korrektur der 1. Diskordanz durch 2. Diskordanz =
nichtzyanotisches Vitium (= L-TGA).

Klinik, Symptome
• S ymptome durch Begleitfehlbildungen.
• A uskultation: Leitbefund: „Single“ 2. HT (lauter A2-Schlusston; leiser, nicht
hörbarer P2-Schlusston), AV-Regurgitationsgeräusche, Systolikum von VSD
od. PS.

EKG
Inkompletter od. kompletter AV-Block (> 50 %). Kleine („normale“) Q-Zacken
fehlen li-präkordial u. in I, aVL u. sind stattdessen in V½, III u. aVF. T-Wellen
sind re-präkordial pos., li-präkordial abgeflacht. Gehäuft akzessorische Leitungs-
bahnen.
 4.21 Der Patient mit Herzklappenersatz 273

Röntgen-Thorax
Normales PA-Segment fehlt, da der PA-Stamm zu weit medial liegt. Am li Herz-
rand ist die li aszendierende Ao randbildend.

Echokardiografie
• Im 4-Kammer-Blick Inversion der Ventrikel: Erkennbar an „Aufhängung“
der AV-Klappen; die MK im re gelegenen LV ist apexferner, die li-seitige TK
ist apexnäher.
•  ie großen Arterien verlaufen parallel anstatt sich früh zu überkreuzen. Im
D
TEE ist der Verlauf der großen Gefäße in den Longitudinalschnitten gut ein-
sehbar.

MRT
Diagn. hilfreich zur Beurteilung der Diskordanzen u. der Gefäßverläufe.

Invasive Diagnostik
• D
 ie Kreisläufe sind funktionell korrigiert, d. h. hämodynamische Auffälligkei-
ten bestehen nur bei PS, VSD, MR, TR.
• T ypischer Gefäßverlauf: Ao verläuft anterior u. li, PA posterior u. medial → 4
bei simultaner Platzierung eines Katheters in PA u. LV überkreuzen sich die-
se Katheter nicht, wie es bei Normalbefund der Fall ist.
•  ngio: morphologischer RV an LV-Position u. morphologischer LV an RV-
A
Position. Das Kammerseptum steht nahezu sagittal.

Komplikationen
Herzrhythmusstörungen (v. a. AV-Block III°), AV-Klappeninsuff. (MR, TR),
Funktionseinschränkung des morphologisch RV, der den Systemkreislauf ver-
sorgt. Erw.-Alter wird häufig erreicht, Lebenserwartung aber deutlich einge-
schränkt: Entwicklung einer kongestiven Herzinsuff. nach Jahrzehnten, in 2 %/
Jahr AV-Block III°, progrediente TR (mit systol. Dysfunktion des RV).

Therapie
Bei asymptomatischen Pat. keine. Evtl. operative Ther. der Begleitanomalien.

Bei allen herzchirurgischen Eingriffen muss die Inversion des Koronarsys-


tems berücksichtigt werden!

4.21 Der Patient mit Herzklappenersatz


4.21.1 Kriterien der Herzklappenwahl
Wesentlichste Gesichtspunkte betreffen die Haltbarkeit der Klappenprothese, das
Risiko von Thrombembolien u. die Gefahr einer Blutungs-KO unter Antikoagula-
tion.
! G  rundsatz: Bis zum 65. LJ. erscheint eine mechanische Klappe geeigneter,
> 65. LJ. eine Bioprothese (höhere KO-Raten bei Antikoagulation, niedrigere
Degenerationsrate bei Bioprothesen).
! H  omograft-Implantation in Aortenposition in Ausnahmefällen bei AoK-En-
dokarditis.
274 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

 utograft-Prozedur (Ross-OP): Ersatz der AoK durch pulmonalen Autograft,


! A
Ersatz der PK durch kryokonservierten pulmonalen Homograft. Exzellente
Hämodynamik, geringe Thromembolierate, Mitwachsen im Kindesalter. Op-
tion bei KI gegen Antikoagulation, Wunsch des informierten Pat., Patientin-
nen mit Kinderwunsch, AoK-Ersatz in der Kindheit, sportlich aktiven Patien-
ten. Re-OP-Rate ca. 1 %/Patientenjahr. OP in spezialisierten Zentren nach
ausführlicher Diskussion mit Pat.
!  rundsätzlich immer Option einer Herzklappenrekonstruktion prüfen: v. a.
G
MK-Rekonstruktion, klappenerhaltende OP der AoK (Rekonstruktion v. a.
bei nichtdegenerierten, insuffizienten bikuspiden AoK, Ao-asc.-Ersatz mit Er-
halt der nativen AoK nach David od. Yacoub).

Kunstklappe empfohlen
• W unsch des informierten Pat. ohne KI für eine orale Dauerantikoagulation,
• P at. mit langer Lebenserwartung (≤ 65 J. bei AoK-, ≤ 70 J. bei MK-Ersatz),
• D oppelklappenersatz (insbes. wenn bereits eine Kunstklappe implantiert
wurde),
• N otwendigkeit eines composite grafts (Klappe + Aortenwurzel),
4 • P at. mit Risiko einer akzellerierten strukturellen Bioklappendegeneration
(junges Alter, Hyperparathyr.),
• P at., die aus anderen Gründen einer dauerhaften Antikoagulation bedürfen.
Bioprothese empfohlen
• W unsch des informierte Pat.,
• P at., die eine orale Antikoagulation ablehnen od. diese aus anderen KI nicht
erhalten dürfen (hohes Blutungsrisiko, Compliance-Probleme, Lebensstil, Be-
ruf des Pat.),
•  at. mit eher kürzerer Lebenserwartung (individuell beurteilen),
P
•  at. ≥ 65 J. bei AoK-Ersatz ohne weitere Risiken für Thrombembolien (VHF,
P
erhebliche LV-Dysfunktion, anamnestisch Thrombembolie, Zustand der Hy-
perkoagulabilität),
•  at. > 70 J. bei MK-Ersatz ohne weitere Risiken für Thrombembolien,
P
•  e-OP bei Thrombose einer mechanischen Prothese durch ungenügende An-
R
tikoagulation,
•  ontrovers diskutierte Empfehlung: Frauen mit Kinderwunsch.
K

4.21.2 Folgen des Klappenersatzes


Abnorme Hämodynamik
Sie wird bestimmt durch die hydrodynamischen Klappeneigenschaften u. das
Ausmaß der Ventrikelfunktionsstörung. Ein transvalvulärer Druckgradient ist bei
allen Kunstklappen bereits in Ruhe messbar, er nimmt bei Belastung durch die
Zunahme des HZV wesentlich zu. Folge: auch postop. häufig belastungsassoziier-
te Beschwerden. Verlaufskontrolle: Ausmaß u. Ursache einer inadäquaten funk-
tionellen Beeinträchtigung kontrollieren (Klinik, Ergometrie, Echo).

Mechanische Störungen der Kunstklappenfunktion


Paravalvuläres Leck
• U rsachen sind Endokarditis, Pankarditis, Verkalkungen, inadäquate chirur-
gische Technik od. Pat.-Prothesen-Mismatch mit ungenügender Prothesen-
 4.21 Der Patient mit Herzklappenersatz 275

größe. Bei Spätmanifestationen nach Monaten od. Jahren liegt meist eine
Prothesenendokarditis vor od. ein früh postop. aufgetretenes Leck wurde
nicht erkannt.
•  olgen: Instabilität der Prothese, hämodynamische Belastung durch Regurgi-
F
tationsvolumen, Hämolyse, erhöhte Endokarditisgefahr.
•  erlaufskontrolle:
V
– Abnormer Auskultationsbefund: systol. Geräusch bei MK-Prothese,
­diastol. Geräusch bei AoK-Prothese.
– Labor: inadäquate Hämolyse (s. u.) v. a. bei kleinen Lecks.
– Hinweise auf akuten entzündlichen Klappenprozess (▶ 6.5.1)?
Therapie
Re-OP bei Endokarditis als Ursache des Lecks od. bei Hämolyse mit der Notwen-
digkeit zur wiederholten Bluttransfusion od. bei symptomatischem Verlauf durch
gestörte Hämodynamik.
Mechanische Prothesenfunktionsstörung
Selten Defekte od. Brüche von Klappenanteilen, häufiger Interferenz von Naht-
material od. biologischem Gewebe mit beweglichen Teilen der Klappe (Klappen-
thrombose od. Pannus).
• F olge: Klappendysfunktion mit hämodynamischer Belastung, Hämolyse, 4
Thrombembolien.
• V  erlaufskontrolle:
– Klinik: rel. plötzliche klinische Verschlechterung (akute Dyspnoe, Synkope).
– Auskultationsbefund verändert: Prothesenclicks leiser, evtl. Flussgeräu-
sche lauter.
! E ine mechanische Prothesenfunktionsstörung ist ein Klappennotfall! Soforti-
ge diagn. Klärung mit Echo, Rö-DL od. invasiver Diagn.
Therapie
• R e-OP bei kritischer Klappenobstruktion. Fibrinolyse als Option bei multi-
morbiden Pat. mit extrem hohem OP-Risiko, nicht transportfähigen Pat.,
Thrombose einer Trikuspidal- od. Pulmonalprothese.
• B ei kleinen, nichtobstruktiven Thromben (< 10 mm) ohne Embolie → kons.
Ther. mit Intensivierung der Antikoagulation vertretbar.
• B ei großen Thromben (> 10 mm), embolisierenden od. größenkonstanten
Thromben trotz Antikoagulation → Re-OP.
Degeneration von Bioprothesen
Klappenperforationen, -einrisse, -spätinfektionen u. -einblutungen können plötz-
lich auftreten. Nach 5 J. ist der Degenerationsprozess unkalkulierbar akzeleriert!
• F olge: Klappendysfunktion mit hämodynamischer Belastung, Hämolyse,
Thrombembolien.
• V  erlaufskontrolle:
– Klinik: „Knick“ im klinischen Verlauf, zunehmende Einschränkung der
Belastbarkeit od. akute Verschlechterung des Befindens.
– Veränderung des Auskultationsbefunds (s. o.).
– Echo zur Kontrolle durchführen.
Therapie
• R e-OP bei symptomatischen Pat. mit signifikanter Prothesendysfunktion,
• R e-OP bei asymptomatischen Pat. mit signifikanter Prothesendysfunktion u.
niedrigem OP-Risiko (einer Not-OP mit hohem Risiko soll vorgebeugt werden).
276 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Myogene Herzinsuffizienz
V. a. bei fortgeschrittener MR od. AR mit LV-Dilatation u. eingeschränkter EF od.
bei kombinierten kardialen Erkr. (z. B. KHK).
• F olge: erhöhte periop. Letalität u. Morbidität; verzögerte u. meist inkomplette
Erholung bzw. unbefriedigende klinische Verbesserung. Neben zunehmender
Herzinsuff. Gefahr von Arrhythmien.
• V  erlaufskontrolle: engmaschig durchführen, z. B. alle 3 Monate. Größte
Sorgfalt bei der klinischen Beurteilung u. der med. Ther.! Immer Prothesen-
dysfunktion als kausal behandlungsfähige Ursache ausschließen; an Pat.-Pro-
thesen-Mismatch denken (Klappe zu klein für den Pat.?). Quantifizierung der
Ventrikeldysfunktion früh postop. u. im Verlauf: Ventrikeldiameter im Echo,
LVEF (Echo od. RNV), Pulmonaliskatheter mit/ohne Belastung.
Therapie
▶ 8.
Arrhythmien
 HF (▶ 7.7.6), ventrikuläre Arrhythmien (▶ 7.9, ▶ 7.10, ▶ 7.11) durch Kon-
• V
takt der Prothese mit Endokard sind bei modernen Klappen mit kleinem Pro-
4 fil eher selten.
•  radyarrhythmien: Ein intraop. AV-Block bildet sich selten zurück. Trotz
B
Klappenersatz kann die verkalkende Destruktion im Anulus-Bereich weiter-
gehen (v. a. bei verkalkenden Aortenvitien) → AV-Leitungsstörungen.
•  olge: meist akute hämodynamische Verschlechterung mit Palpitationen,
F
Hypotonie, Schwindel, Synkope.
•  erlaufskontrolle: Klinik (▶ 7.1), EKG, Langzeit-EKG.
V
Therapie
▶ 7. Antithrombotische Ther. nach Klappenersatz ▶ Tab. 4.6.
Tab. 4.6 Antithrombotische Therapie nach Herzklappenersatz
Zeitspanne Therapie
Erste 3 Mon. nach Klappenersatz Marcumar® INR 2,5–3,5
Nach 3 Mon.
Kunstklappen
• AKE ohne RF
– Zweiflügelklappe, Medtronic Hall Marcumar® INR 2,5–3,0
– Andere Kippscheibenprothesen Marcumar® INR 2,5–3,5
• AKE mit RF Marcumar® INR 2,5–3,0
• MKE Marcumar® INR 2,5–3,0
Bioprothese
AKE ohne RF ASS 100 mg/d
AKE mit RF Marcumar® INR 2–3
MKE ohne RF ASS 100 mg/d
MKE mit RF Marcumar® INR 2,5–3,5
AKE = AoK-Ersatz, MKE = MK-Ersatz. RF = VHF, erhebliche LV-Dysfunktion, anam­
nestisch Thrombembolie, Zustand der Hyperkoagulabilität, LA-Diameter > 50 mm,
dichter spontaner Echokontrast in LA, Mitralstenose.
 4.21 Der Patient mit Herzklappenersatz 277

Klappenthrombose
Manifestation als Klappendysfunktion mit Reduktion der Klappenöffnungsfläche.
Metalle, Kunststoffe u. Bioprothesen sind vor ihrer Neoendothelialisierung sehr
thrombogen. Gefährdung besteht v. a. bei Kugelprothesen, Kippscheibenprothe-
sen u. Prothesen in Mitralposition (3–4× häufiger als bei AoK-Prothesen!).
• F olge: progrediente od. akute hämodynamische Verschlechterung, art. Embolie.
• V erlaufskontrolle: Veränderungen im klinischen Verlauf; meist progrediente
klinische Verschlechterung, selten akute kardiale Dekompensation. Diagn.:
Auskultation (Änderung der Prothesenclicks, der Flussgeräusche), Echo u.
Rö-DL der Prothese.
Therapie
S. o. (▶ 4.21.2, „Mechanische Prothesenfunktionsstörung“).

Systemische Thrombembolien
Prothesenbedingte Thrombembolien sind abhängig von den hydrodynamischen
Protheseneigenschaften u. der Güte der Antikoagulation (wesentlichster Faktor!).
Inzidenz nach MK-Ersatz bis 4,6 Episoden/100 Patientenjahren, nach AoK-Ersatz
2,9. Bei Bioprothesen v. a. in den ersten 3 Mon. postop.
Nicht nur Klappe als Embolieursache betrachten, auch nach anderen Embolie- 4
quellen suchen (z. B. Gefäße, Vorhof).
• F olge: akute Ischämie-Sy. zerebral, intestinal od. peripher.
• V  erlaufskontrolle: Antikoagulation prüfen (Quick 15–25 %, INR 3,5–4,0), je
nach Klappentyp evtl. abweichende INR-Werte, lückenlose Dokumentation
der Antikoagulation (Ausweis). Mitarbeit von Pat. u. Hausarzt ist lebenswich-
tig. Antikoagulationsregime nur nach Absprache mit Kardiologen od. Kar-
diochirurgen u. nur bei begründeten, vitalen Ind. ändern.
Therapie
• Th
 er. von veränderlichen RF: VHF, art. Hypertonie, Hypercholesterinämie,
Diab. mell., Rauchen, chron. Infekte.
• O ptimierung der Antikoagulation: bisherigen INR-Verlauf prüfen. Pat.-Schu-
lung zur INR-Selbstkontrolle. Anheben des Ziel-INR als Ultima Ratio.
• Z usätzliche Gabe von ASS 100 mg/d nach Nutzen-Risiko-Abwägung. Über-
antikoagulation vermeiden!
• E rster postop. Monat hat höchste Thrombembolierate: regelmäßige Gerin-
nungskontrolle, zur niedrige INR vermeiden.

Blutungskomplikationen durch Antikoagulation


Häufigkeit leichtgradiger Blutungen 2–4 %; schwere Blutungen 1–2 %, fatale Blu-
tungen 0,2–0,5 %/Jahr. Verlaufskontrolle: auf zerebrale (Kopfschmerz, neurol.
Symptome), gastrointestinale (Erbrechen, Teerstuhl), retroperitoneale (Rücken-
schmerzen) u. renale (Hämaturie, Flankenschmerz, Kolik) Symptome achten. Bei
Routinekontrolle Haemoccult® u. Urinstatus durchführen.
Therapie
• H ohe Variabilität des INR vermeiden (Prädiktor einer Blutung): Schulung
des Pat. zur INR-Selbstbestimmung.
• INR bis 4,5: Antikoagulation bei fehlender Blutung reduzieren.
INR > 6,0: stationäre Aufnahme, Antagonisieren mit Vit. K oral.
INR > 10,0: Gabe von Fresh Frozen Plasma u. Vit. K.
• B lutungen bei therap. INR: Ursache identifizieren u. behandeln.
278 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Hämolyse
Mechanische Destruktion von Erythrozyten an der Klappenprothese. Leichte bis
mittelschwere Hämolysen sind mit „normaler“ Klappenfunktion vereinbar. Ausmaß
der Hämolyse korreliert mit transvalvulärem Gradienten, transvalvulärer Flussge-
schwindigkeit, Existenz von Turbulenzen u. effektiver Klappenöffnungsfläche. Epi-
sodenhafte Hämolysen bei intermittierenden schweren körperl. Belastungen.
• F olge: chron. Anämie.
• V erlaufskontrolle: LDH, HBDH, freies Hb im Serum, Haptoglobin. Jede
Klappenprothese hat ein Hämolyseprofil, das postop. als Vergleichswert für
Verlaufsuntersuchungen dokumentiert werden muss.
– LDH bis 400 U/l: leichte Hämolyse.
– LDH > 800 U/l: schwere Hämolyse mit Hyperbilirubinämie, Retikulo-
zytose, fehlendem Haptoglobinnachweis, Nachweis von Fragmentozy-
ten.
• B ei inadäquat gesteigerter Hämolyse mechanische Klappendysfunktion, para-
valvuläres Leck u. Prothesenendokarditis ausschließen. Weitere Diagn. durch
Anamnese, Auskultation, Echo, Rö-DL, ggf. invasive Diagnostik. Bei wieder-
holter Transfusionspflichtigkeit bei ansonsten klinisch kompensierter Klap-
pendysfunktion → operative Revision.
4
Prothesenendokarditis
▶ 6.1.2.
• U
 rsachen: Frühendokarditis bis 60 Tage postop. meist periop. erworben (Sta-
phylokokken, gramneg. Erreger), Spätendokarditiden entweder periop. od.
als eigenständige Infektion (Erregerspektrum der Nativklappenendokarditis
▶ 6.5.1). Höheres Risiko bei Mehrklappenersatz, AoK-Ersatz, Bioprothesen-
implantation u. Klappenersatz wegen infektiöser Endokarditis.
•  olge: Kunstklappendysfunktion, Thrombembolien, akute/chron., intraktable
F
Infektion.
•  erlaufskontrolle: Hinweise auf Infektion sind u. a. Thrombembolien, para-
V
valvuläres Leck, direkte mechanische Klappendysfunktion, neu aufgetretene
Klappengeräusche u./od. geänderte Klappentöne. Klinische Endokarditiszei-
chen ▶ 6.1, Diagn. u. Ther. ▶ 6.1.

Tipps & Tricks


• B ei jeder noch so atypisch verlaufenden Infektion eines Kunstklappen-
pat. besteht Endokarditisverdacht, bis das Gegenteil bewiesen ist.
• C ave! Atypisch, schleichend verlaufende Endokarditiden bei frühzeitig,
jedoch unzureichend behandelten Infektionen.
• E ine sofortige antibiotische Ther. ist aus vitaler Ind. nur ausnahmsweise
erforderlich, es bleibt immer Zeit zur Diagnosesicherung (d. h. zahlrei-
che Blutkulturen sichern vor Beginn der antibiotischen Ther.).

4.21.3 Verlaufskontrollen nach Herzklappenersatz


Kontrollintervalle
• U nkomplizierter Verlauf: alle 6–12 Mon.
• K omplizierter Verlauf od. Z. n. KO: alle 3–6 Mon.
 4.21 Der Patient mit Herzklappenersatz 279

• G
 erinnungskontrollen (Quick, INR): je nach Einstellbarkeit keine zu langen
Intervalle (z. B. alle 1–2 Wo. od. INR Selbstbestimmung), da Thrombembolie-
od. Blutungsrisiko unkalkulierbar wird.
• A kute KO od. chron. progrediente klinische Verschlechterung: stationäre
­Diagn. in fachkardiologischer Klinik.

Diagnostik
• K
 linische Verfahren: Auskultation u. Phono als Basis der Kontrollen; Quali-
tät der Öffnungs- u. Schließtöne der Prothese u. der Flussgeräusche über dem
Ventil dokumentieren.
•  abor: BB, E’lyte, BSG, CRP, LDH, HBDH, freies Hb im Serum, evtl. zusätz-
L
lich Bili, Haptoglobin, Fragmentozyten, Retikulozyten, Quick, PTT.
•  cho: Herzhöhlendiameter, Ventrikelbeweglichkeit, formale Beweglichkeit
E
der Klappenprothese mit Dokumentation im M-Mode (mit EKG!) u. Dopp-
ler-Analyse (▶ Tab. 4.7). Bei speziellen Fragestellungen TEE: V. a. Endokardi-
tis, Klappenthrombose, mechanische Klappendysfunktion, paravalvuläres
Leck od. Abszess.

Tab. 4.7 Normale transprothetische Gradienten im Doppler (Mittelwert [MW] 4


± Standardabweichung [SD]). Mittlerer Gradient in mmHg.
Aortal Mitral Trikuspidal

Klappenprothese MW ± SD Klappen­ MW ± SD Klappen­ MW ± SD


prothese prothese
St. Jude Medical St. Jude 3,5 ± 1,3 St. Jude 2,7 ± 1,1
­Medical Medical
• Nr. 19 17 ± 7
• Nr 13 10 ± 6
Sorin (Zweiflügel) Björk-Shiley Bioprothe­ 3,2 ± 1,1
sen
• Nr. 19 13 ± 5 Nr. 25 6,1±2,3
• Nr. 29 5±2 Nr. 31 4,8±1,6
Björk-Shiley (Kipp­ Carpentier- 6,5 ± 2,1
scheibe) Edwards-
Bioprothese
• Nr. 19 27 ± 9
• Nr. 29 7±1
Carpentier-Ed­ 14 ± 6 Hancock- 4,3 ± 2,1
wards-Bioprothese Bioprothese
Hancock-Biopro­ 11 ± 2
these

• R ö-DL: Bei Kenntnis der normalen Prothesenbewegungen u. der physiologi-


schen, triaxialen Kippbewegungen der gesamten Kunstklappe exzellentes
Verfahren mit rascher Übersicht u. hoher Aussagefähigkeit auch beim akuten
Klappennotfall. Aussagen:
– Fehlen von Prothesenanteilen.
– Abnorme Prothesenringbewegung.
– Behinderte Öffnung, inkompletter Schluss.
– Kippscheiben- u. Doppelflügelklappen: charakteristischer Winkel in ge-
schlossenem/geöffnetem Zustand zwischen Nahtring u. Okkluder (Scheibe,
280 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Flügel): St. Jude Medical Schlusswinkel 120°, Öffnungswinkel je 85°; Öff-


nungswinkel der Björk-Shiley-Kippscheibe 60–70°; Lillehei-Kaster-Kipp-
scheibe Öffnung 80°, Schluss 18°; Omnicarbon-, Omniscience-Kippscheibe
Öffnung 80°, Schluss 12°; Medtronic-Hall-Kippscheibe Öffnung 75°.
• I nvasive Verfahren: nicht indiziert bei unkompliziertem Verlauf. Pulmona-
liskatheter bei Herzinsuff. (Verlauf, Ansprechen auf therap. Interventionen),
Linksherzkatheteruntersuchung mit Angio nur in Zweifelsfällen bei V. a. Pro-
thesendysfunktion od. als präop. Maßnahme vor Revisionseingriff.

MRT-Untersuchung nach Herzklappen-OP. (Info unter www.mri-safety.


com).
• N icht bei Pat. mit paravalvulärem Leck od. Gefäß-Clips ohne Verwen-
dung von Titan/Titanlegierungen.
• N icht bei SM-Trägern od. Trägern unbekannter Metallfremdkörper.
• V orsicht bei Herzklappen mit Baujahr 1969 u. älter.
• M RT-tauglich sind: Björk-Shiley, CarboMedics, Hall-Kaster, Hancock I
u. II, Ionesen-Shiley, Lillehei-Kaster, Medtronic Hall, Omnicarbon,
Omniscience, St. Jude Medical.
4
4.21.4 Operative Eingriffe bei Patienten mit
Herzklappenprothesen
• E lektiveingriffe in bestmöglichem kardialem Zustand durchführen.
• U nkontrollierte Volumensubstitution vermeiden.
• P os. inotrope u. Tachykardie fördernde Pharmaka vermeiden.
• S orgfältige Überwachung mit Ein-/Ausfuhrkontrolle, EKG-Monitoring
postop. sichern.
• D iuretisch vorbehandelte, volumendepletierte Pat. können bei Narkoseeinlei-
tung mit profunden Hypotensionen reagieren.
• P eriop. Entwicklung von VHF: sofortige med. Rhythmisierung. Bei Erfolglo-
sigkeit Kardioversion.
• Im NYHA-Stadium III u. IV: Postop. Intensivüberwachung u. -therapie. Ver-
legung auf Allgemeinstation nur in stabilem Zustand (Anämieausgleich, Ein-/
Ausfuhr-Bilanz, stabile Oxygenierung, ausgeglichener Säure-Basen- u.
E’lythaushalt).
• P eriop. med. Ther.: keine prophylaktische Digitalisierung, Digitalis nur aus
antiarrhythmischer Ind. (VHF) od. im Stadium NYHA III u. IV. I. v. Hepari-
nisierung. Marcumar® 1–3 Tage präop. absetzen. 3 h präop. Heparin-Ther.
aussetzen. Wiederaufnahme postop. so früh wie möglich nach Absprache mit
dem Chirurgen.
• „ Bridging“ der Antikoagulation ▶ 11.7.11.

Häufigste Fehler
• K eine Endokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4).
• A ntikoagulation bei Pat. mit Herzklappenprothese präop. unkontrolliert
abgesetzt. Das Thrombembolierisiko ist unkalkulierbar hoch. Antiko-
agulation nur bei vitaler Bedrohung durch Blutungs-KO beenden. Jede
Änderung der Antikoagulation erst nach Absprache mit Kardiologen.
 4.22 Schwangerschaft u. Herzklappenerkrankungen 281

4.22 Schwangerschaft u.
Herzklappenerkrankungen
Besonderheiten während der Schwangerschaft
Zu Beginn der Schwangerschaft steigen HF u. RR an, Normalisierung im letzten
Trimenon. Blutvolumenzunahme um 30–40 %, HZV-Zunahme um 30–50 %, am
deutlichsten bis zur 20. SSW. Periphere Widerstand insgesamt vermindert, PAP
unverändert. Es besteht eine Hyperkoagulabilität mit der Gefahr thrombemboli-
scher KO.

4.22.1 Allgemeines Management
Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gynäkologie u. Kardiologie ist essen-
ziell.
• B ei bekanntem Vitium möglichst vor einer Schwangerschaft exakte kardiolo-
gische Diagn.: Herzinsuff.? Klinisches Stadium? Thrombemboliegefährdung?
Ind. zur Antikoagulation?
• M  ed. Ther. od. deren Änderung nur nach Absprache aller Beteiligten. 4
• N  YHA-Klassen I u. II: körperl. Schonung, ausreichend Ruhephasen, Linkssei-
tenlage bevorzugen, salzarme Diät, evtl. niedrig dosierte Diuretika.
• N  YHA-Klassen III u. IV: Schwangerschaft vermeiden. Vor einer Schwanger-
schaft Korrektur des Vitiums u. klinische Konsolidierung anstreben. Bei
NYHA III, IV Ind. zur Interruptio. Bei therapierefraktärer Herzinsuff. kann
in der fortgeschrittenen Schwangerschaft ein kardiochirurgischer Eingriff er-
forderlich werden.
• A  nämie < 11,5 g% vermeiden bzw. therapieren.
Entbindung
Entbindung von Risikopat. in Zentren mit Gynäkologie, Pädiatrie, Kardiologie,
Kinderkardiologie u. Herzchirurgie. Vaginale Entbindung anstreben. Sectio cae-
sarea meist ohne Vorteil. Ind. zur Sectio: grenzwertig kompensierte od. chron.
stabil dekompensierte Patientinnen. Cave: intraop. Infusionsmenge gering halten!
• E ndokarditisprophylaxe (▶ 6.1.4): auch bei unkompliziertem Verlauf u. Viti-
en mit geringem Risiko. Penicillin u. Gentamycin, bei Penicillin-Allergie:
Vancomycin i. v. (▶ 11.12) 30–60 Min. vor der Entbindung, danach alle 8 h
bis 3./4. Tag p. p.
• F lüssigkeitsrestriktion, möglichst körperl. Schonung: Gefahr der akuten kar-
dialen Dekompensation (Zunahme von Volumenbelastung u. HZV) unter
der Geburt.
• K onsequente Analgesie u. Anxiolyse.
! C  ave! Durch Gefäßdilatation bei Epiduralanästhesie droht eine massive Hy-
potonie; ggf. Volumensubstitution.
• E vtl. Rechtsherzkatheter legen zur Überwachung u. Ther.-Führung.
• E röffnungsphase in Linksseitenlage um Kavakompressionssy. zu vermeiden.
• A  ustreibungsphase schonend, kurz halten. Ind. für operative Entbindung
großzügig stellen.
• U  nmittelbar nach der Plazentalösung weitere kritische Periode (Volumenbe-
lastung).
• S tabilisierung innerhalb 3–4 Tagen p. p.
282 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Absolute Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch


Therapierefraktäre Herzinsuff. in der Frühschwangerschaft; floride entzündliche
Herzerkr. in der Frühschwangerschaft; rapide Beschwerdeprogredienz in der
Frühschwangerschaft trotz med. Ther.; Vitium mit Eisenmenger-Reaktion
(▶ 4.15, ▶ 4.22.4), Marfan-Sy. mit Ao-asc.-Aneurysma > 40 mm, hochgradige
symptomatische Klappenstenose, die nicht erfolgreich interventionell behandelt
werden kann.

4.22.2 Herzklappenerkrankungen
• M
 S: klinische Erstmanifestation einer nicht bekannten MS nicht selten als
akutes Lungenödem. Bei MS NYHA I, II chron. od. akute Verschlechterung
nach NYHA III, IV. Pat. mit MS engmaschig überwachen. Bei Zunahme einer
Lungenstauung stationär aufnehmen. S. c. Heparin-Ther. in therap. Dosis
(▶ 11.7.1). Behandlung von KO (z. B. Lungenödem ▶ 2.3.2). Bei therapieresis-
tenter Lungenstauung notfallmäßige Kommissurotomie. Keine grundsätzli-
che Ind. zur Sectio caesarea.
!  arcumar®-Behandlung vor der 16. SSW kontraindiziert (Teratogenität).
M
4 •  R: Bei NYHA-Klassen I, II i. d. R. keine wesentlichen Probleme, evtl. Ver-
M
schlechterung um eine NYHA-Klasse. Akute Linksherzdekompensationen
eher selten. Bei MKP keine Häufung kardialer KO.
•  ortenvitien: klinische Verschlechterung um mind. eine NYHA-Klasse.
A
– NYHA-Klasse I, II: engmaschige interdisziplinäre klinische Kontrolle
während der Schwangerschaft.
– NYHA-Klasse III, IV u. alle Formen mit eingeschränkter LV-Funktion
(▶ 4.22.1).
– Eine kongenitale AS, eine LVOT-Obstruktion od. eine asymptomatische
AR werden bei normaler LV-Funktion meist gut toleriert.
•  S: Systol. RVP-Erhöhung bis zur Hälfte des systemischen Drucks wird im All-
P
gemeinen gut toleriert. Bei höhergradiger PS evtl. Erstmanifestation od. Ver-
schlechterung einer Rechtsherzinsuffizienz. Bei nicht beherrschbarer Rechts-
herzinsuff. Ballonvalvuloplastie (▶ 4.13.5) od. OP in der Schwangerschaft.
•  rikuspidalvitien: meist mit anderen Vitien. Wegen Zunahme der Rechts-
T
herzinsuff. wird eine Schwangerschaft bei einem Trikuspidalvitium schlecht
toleriert; eine Interruptio wird oft erforderlich. Deshalb möglichst Schwanger-
schaft vermeiden od. Vitium vor der Schwangerschaft operativ korrigieren.

4.22.3 Herzklappenprothesen
Risiken: Manifestation od. Zunahme einer Herzinsuff., erhöhte Thrombembolie-
gefährdung, KO der Antikoagulation.
Herzinsuff.: Während der Schwangerschaft nimmt der transvalvuläre Druckgra-
dient der Klappenprothese zu. NYHA-Klassen I u. II tolerieren dies gut. Meist
Verschlechterung um eine NYHA-Klasse in der 2. Schwangerschaftshälfte.

Antikoagulation in der Schwangerschaft


• B ei Bioprothesen i. d. R. keine Antikoagulation erforderlich.
• B ei mechanischen Prothesen Antikoagulation essenziell.
• K umarine (▶ 11.7.11) und Schwangerschaft: Kumarine passieren die Plazenta
u. führen dosisabhängig zur Kumarinembryopathie (Störungen der Knorpel-
bildung, der Epiphysen, intrazerebrale Blutungen). Kind ist in der Früh-
 4.22 Schwangerschaft u. Herzklappenerkrankungen 283

schwangerschaft (bei unreifer Leber) oft stärker antikoaguliert als die Mutter,
INR der Mutter darf nicht über 3,5 liegen. Bei Warfarin-Dosis < 5 mg (ent-
spricht Phenprocoumon < 3 mg) sehr geringes Embryopathierisiko.
•  ine Schwangerschaft unter Antikoagulationsalternativen (UFH mit aPTT-
E
Kontrollen, NMH unter Kontrolle der Anti-Faktor-Xa-Aktivität) hat ein ge-
nerell erhöhtes Klappenthrombose-/Thrombembolierisiko der Mutter zur
Folge, zusätzlich Gefahr der Osteoporose u. Thrombozytopenie. NMH bei
mechanischen Prothesen nicht zugelassen.
•  mpfehlung: Orale Antikoagulation während der gesamten Schwangerschaft
E
(bis 36. SSW, dann stationäre Aufnahme u. Umstellung auf aPTT-gesteuerte
i. v.-Ther. mit UFH bis 6 h vor Geburt) bietet größte Sicherheit für die Mutter
u. hat bei niedrigem Dosisbedarf ein geringes/kein Embryopathierisiko →
Warfarin-Dosis < 5 mg bzw. Phenprocoumon-Dosis < 3 mg, wöchentliche
INR-Kontrollen, INR darf 3,5 nicht überschreiten, Ziel-INR bei mechani-
schen AoK 2,5, bei mechanischen MK 3,0. Keine vaginale Entbindung unter
laufender oraler Antikoagulation (intrakranielle kindliche Blutungen!), bei
vorzeitiger Geburt Sectio. Stillen unter Kumarinen möglich, nur geringer
Übertritt in die Muttermilch.
•  ei höherer Kumarin-Dosis ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung er-
B
4
forderlich. Bei Entscheidung für UFH: innerhalb der ersten 12 SSW 3 ×/d,
aPTT soll mind. 2-fach verlängert sein. Bei Entscheidung für gewichtsadap-
tiert NMH: Anti-Faktor Xa-Aktivität 0,6–0,7 U/ml (Talspiegel) bzw. > 1,0 U/
ml nach 4 h. Bestimmung alle 1–2 Wo., 18–24 h vor OP absetzen u. auf UFH
umstellen. Cave: zunehmender Dosisbedarf während der Schwangerschaft,
Ther.-Führung sehr aufwendig, keine Zulassung des Medikaments für diese
Indikation. Nach der 12. SSW kann bis zur 36. SSW mit Kumarin-Präparat
behandelt werden, dann erneut Heparin bis Entbindung.

4.22.4 Angeborene Herzfehler
Kongenitale Herzklappenerkr. (▶ 5.13–5.20).
30–50 % aller kardialen Erkr. bei Schwangeren sind kongenitale Vitien. Das müt-
terliche Risiko hängt vom Typ der Grunderkr. u. vom Schweregrad ab.
• G  enetische Beratung:
– Kongenitales Vitium der Mutter: 3–18 % Risiko des Kinds, ein kongenita-
les Vitium zu bekommen.
– Kongenitales Vitium des Vaters: 1,5–3 % Risiko des Kinds.
– Mehrere Angehörige mit kongenitalem Vitium: sehr hohes Risiko!
• C oA: Gefährdung der Mutter durch Aortendissektion, Aortenruptur, Ruptur
zerebraler Aneurysmen u. Linksherzdekompensation. Kindliche Letalität
durch verminderten uterinen Blutfluss bis auf 20 % erhöht! Auch nach einer
operativen Ther. der CoA besteht Restgefährdung durch Aortenrupturen
bzw. -dissektionen. Ther.: sorgfältige RR-Einstellung (▶ 9.1).
• A  SD II: bei unkompliziertem ASD meist keine Probleme. Bei Zeichen der re-
seitigen Volumenüberlastung evtl. Rechtsherzversagen („grenzwertig kom-
pensierter ASD“).
– Unter der Geburt ausreichende Volumensubstitution (durch Blutverlust
Verstärkung des Li-re-Shunts).
– Konsequente Thromboseprophylaxe wegen Gefahr paradoxer Embolien,
z. B. bei rezid. Lungenembolien mit PAH u. Shuntumkehr. Shuntumkehr
auch unter Valsalva-Manöver möglich.
284 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• V
 SD: Verlauf hängt von der Größe des Defekts u. vom PVR sowie SVR ab.
– K  leinerer VSD od. Z. n. VSD-Verschluss: meist problemlos.
– Großer VSD: Gefahr der Herzinsuff., Arrhythmien, Endokarditis, parado-
xe Embolien. Ther.: Volumensubstitution, Vasopressorentherapie. Durch
Hypotonie u. Hypovolämie Shuntumkehr mit Re-li-Shunt möglich. Bei
PAH (> ½ systemischer Druck) bzw. Eisenmenger-Reaktion (s. u., ▶ 4.15)
Interruptio wegen hohem mütterlichem Risiko.
•  DA: unproblematisch bei kleinem Shunt, nur geringem PAH u. normaler
P
Ventrikelfunktion. Symptomatischer Verlauf: Bettruhe, Herzinsuff.-Ther.
(▶ 8.2.4), ggf. operativer od. interventioneller Ductusverschluss.
•  DA mit Shuntumkehr: Zunahme des Re-li-Shuntflusses in der Schwanger-
P
schaft. Hypotonie u. Hypovolämie vermeiden → weniger zyanotische Episoden.
! S ystemischer Gefäßwiderstand sinkt in der Schwangerschaft → Shuntfluss ↓.
•  yanotische Herzfehler: Spontanabortrate hängt von Zyanose u. Hypoxämie
Z
ab: ca. 80 % bei Hkt > 60 % u. art. SO2 < 80 %.
– F  allot-Tetralogie: am häufigsten Ursache einer Zyanose (in der Schwan-
gerschaft nimmt Re-li-Shunt zu). Akute Gefährdung durch Hypovolämie
u./od. Hypotonie. Gefährdung auch bei palliativ operierten od. inkom-
4 plett operierten Fallot-Patientinnen, z. B. bei systol. Druck im RV
> 60 mmHg u. Shunt > 50 %, Rechtsherzinsuff. bei PR.
– Operativ korrigierte komplexe zyanotische Vitien: Beratung vor einer
Schwangerschaft anhand der aktuellen, individuellen hämodynamischen
Situation u. der zu erwartenden physiologischen Belastung.
•  isenmenger-Reaktion (▶ 4.15): absolute KI für eine Schwangerschaft (müt-
E
terliche Letalität 30–70 %, kindliche Letalität ca. 30 %). Falls doch eine Schwan-
gerschaft ausgetragen wird, engmaschige Verlaufskontrollen durchführen. Mit
Abnahme des systemischen Gefäßwiderstands während der Schwangerschaft
nimmt bei fixiertem Lungengefäßwiderstand der Re-li-Shunt zu → kritischer
HZV-Abfall, Synkopen, Hämoptysen. Wegen ausgeprägter Thrombose- u.
Embolieneigung Antikoagulation (▶ 11.7). Die höchste mütterliche Gefähr-
dung besteht während Geburt u. in der ersten Woche p. p.
! C ave! Anästhesie zur Interruptio bedeutet per se ebenfalls ein hohes Risiko
für die Mutter.

4.23 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern


(EMAH)
Gesamtzahl an EMAH ca. 250.000, 20–50 % davon mit komplexen Vitien. Die
operativen Verfahren in der Kindheit sind selten kurativ, meist korrigierend od.
palliativ: hieraus ergeben sich je nach Komplexität der Verhältnisse kardiale u.
nichtkardiale Besonderheiten u. Erfordernisse für die Verlaufskontrolle.

4.23.1 Einteilung nach Komplexität der Vitien


(nach Diller GP, Breithardt G u. Baumgartner H. Angeborene Herzfehler im Er-
wachsenenalter. Dtsch Ärztebl Int 2011; 108(26): 452–459)
Herzfehler niedriger Komplexität
• U nkorrigierte Herzfehler
– Isolierte kleine ASD (ASD II)
– Isolierte restriktive VSD
 4.23 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) 285

– Leichte PS (Gradient < 30 mmHg)


– Kleiner, restriktiver PDA
– isolierte kongenitale AS
– Isolierte angeborene MK-Erkr.
• H erzfehler nach Korrektur
– Z. n. Verschluss eines ASD (Ausnahme AV-Defekt)
– Z. n. unkompliziertem Verschluss eines VSD
– Z. n. Verschluss eines PDA
Herzfehler mittlerer Komplexität
• A trioventrikulärer Septumdefekt (AVSD)/ASD I
• S inus-venosus-Defekte
• C oA
• E bstein-Anomalie
• F allot-Tetralogie
• V SD mit assoziierten Fehlbildungen
• M ittel- u. höhergradige Pulmonalstenose od. -regurgitation
• L ungenvenenfehlmündung
• P SA (unkorrigiert)
Herzfehler hoher Komplexität
• Z yanotische Herzfehler (unabhängig von der Anatomie) 4
• K omplexe Herzfehler mit funktionell univentrikulärer Anatomie
• P at. nach Fontan-OP
• T GA
• Jede Form der diskordanten Verbindung zwischen Vorhöfen, Ventrikeln u.
großen Gefäßen
• P at. mit implantierten Konduits, ASD; atrioventrikulärer Septumdefekt;
TGA; VSD.

4.23.2 Kardiale Probleme bei EMAH


Chirurgische, interventionelle Therapie
• V
 iele EMAH wurden bereits während der Kindheit operiert. Erneute operati-
ve Maßnahmen können auch im Erw.-Alter erforderlich werden:
– Pat. mit Korrektur-OP mit noch Restdefekten od. neuen Problemen,
– Pat. mit Palliativeingriffen,
– Pat. mit nicht diagnostizierten Problemen od. Läsionen, die aufgrund ih-
rer Schwere in der Kindheit noch nicht operiert werden mussten.
•  eine bis niedrige Re-OP-Raten (< 10 %): ASD II, Lungenvenenfehleinmün-
K
dung, PS, VSD, CoA (OP jenseits des Neugeborenen-, Säuglingsalters), AV-
Septumdefekte, TGA (atriale u. arterielle Switch-OP), modifizierte Fontan-
OP.
•  ittlere Re-OP-Raten (10–30 %): Fallot-Tetralogie, CoA (OP im Neugebore-
M
nen-, Säuglingsalter), Subaortenstenose, TGA mit VSD.
•  ohe Re-OP-Raten (> 30 %): AS, Conduit-OP.
H

Arrhythmien u. plötzlicher Herztod


• H
 auptursache der Hospitalisierung von EMAH u. wesentliche Determinan-
ten der Morbidität u. Mortalität.
• S ymptome von Palpitationen bis Synkope, nicht selten Leistungsknick mit
verminderter Belastbarkeit u. hämodynamische Dekompensation.
286 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

• M
 ed. antiarrhythmische Ther. aufgrund neg. inotroper Wirkungen u. anderer
NW häufig schlecht toleriert.
• K atheterablationsther. bei EMAH meist schwieriger. Es liegen weniger Erfah-
rungen vor. Als Option bei symptomatischen Tachyarrhythmien in Betracht
ziehen.
• ICD-Implantation indiziert bei Überlebenden eines Herzstillstands nach Aus-
schluss reversibler Ursachen, Pat. mit spontanen anhaltenden VT. Vor ICD
invasive Beurteilung der Hämodynamik u. EPU. Kriterien für primärprophy-
laktische ICD-Implantation sind nicht exakt definiert.
• Invasive Beurteilung der Hämodynamik u. EPU bei Pat. mit unklarer Synko-
pe u. eingeschränkter Ventrikelfunktion.
• P lötzlicher Herztod ist bei EMAH eine bes. Bedrohung, insbes. bei Fallot-Te­
tralogie (2,5 % pro 10 J.! Ventrikuläre u. supraventrikuläre Arrhythmien),
TGA, kongenital korrigierte TGA, AS u. univentrikuläre Herzen.

Herzinsuffizienz
• H
 äufiges Problem bei komplexen Herzfehlern u. solchen mit systemischem
RV (22 % der Pat. kongenital korrigierter TGA, 32 % bei TGA nach Vorhof-
4 umkehr-OP, bis 40 % nach Fontan-OP).
•  otenziell behebbare Ursachen (relevante Shunts, Klappeninsuff. u. -steno-
P
sen, intrakardiale od. vask. Obstruktionen, Rhythmusstörungen, PAH) müs-
sen erfasst u. behandelt werden.
•  mpfehlungen für die Herzinsuff.-Ther. ▶ 8.
E

Infektiöse Endokarditis
• A lle EMAH haben ein erhöhtes Endokarditisrisiko.
• E mpfehlung zur prophylaktischen Antibiotika-Ther. bei Hochrisikogruppe:
Pat. mit komplexen, i. d. R. zyanotischen Vitien, Pat. mit implantierten pro-
thetischen Klappen sowie Pat. mit Residualdefekten in unmittelbarer Nähe zu
implantiertem Fremdmaterial (Patches, Conduits) u. Pat., die bereits eine En-
dokarditis hatten. Zusätzlich für 6 Mon. nach herzchirurgischen Eingriffen
mit Patch od. Conduit u. nach Katheterintervention mit Verwendung von
Implantaten.
•  ute Mundhygiene u. regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind essenziell.
G
Empfehlung auf zahnärztliche Eingriffe begrenzt.

Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH), Zyanose, Erythrozytose u.


Eisenmenger-Syndrom
• D
 a Pat. mit PAH nach Shuntverschluss pathophysiologisch jenen mit idiopa-
thischer PAH ähneln, führt eine schwere PAH bei unoperierten Pat. i. d. R.
zur Shuntumkehr mit Eisenmenger-Sy. (Komb. aus PAH u. Zyanose).
•  ei chron. Zyanose deutlich reduzierte Leistungsfähigkeit, Neigung zu Infek-
B
ten (u. a. Endokarditis u. zerebrale Abszesse) u. multiple Endorganschäden im
Sinne einer Multisystemerkrankung. Typische KO: Infekte, Blutungsproble-
me, Thrombembolien, Arrhythmien, Nierenfunktionsstörung, Gallensteine u.
rheumatische Beschwerden.
•  rythrozytose: Folge der chron. Hypoxie, ermöglicht erhöhte O2-Transport-
E
kapazität des Bluts, verbessert Gewebeoxygenierung, falls ausreichend Eisen
verfügbar ist.
•  yanotische Pat., insbes. Eisenmenger-Pat., sind teils durch min. medizini-
Z
sche Interventionen gefährdet, wenn ihre Besonderheiten nicht entsprechend
 4.23 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) 287

berücksichtigt werden (Einfluss einer Narkose, Beatmung, vasoaktiver Medi-


kamente, Volumenverschiebungen).
• S pezifische Ther. der PAH nur in spezialisierten EMAH-Zentren (Bosentan,
PDE-5-Inhibitoren, Prostanoide, Komb. der Medikamente). Keine Ther. mit
Kalziumantagonisten.
• S pät-KO: Hyperviskositätssymptome: Kopfschmerz, Mattigkeit, Schwindel,
Müdigkeit, Tinnitus, Verschwommensehen, Parästhesien von Fingern, Zehen
u. Lippen, Muskelschmerzen u. Schwäche. Unwahrscheinlich bei Pat. ohne
Eisenmangel mit Hkt < 65 %, Blutungen: Zahnfleischbluten, Epistaxis, Me-
norrhagien, Hämoptysen (häufigste bedeutsame Blutung). Thrombose: Ko-
agulationsstörungen, Blutstase, Atherosklerose, thrombogenes Material
(Conduits) sowie Arrhythmien. Zerebrovask. Ereignisse durch thromboem-
bolische Ereignisse (paradoxe Embolien), rheologische Faktoren (Mikrozyto-
se), endotheliale Dysfunktion verursacht (Mikrozytose durch Eisenmangel
nach inadäquaten Aderlässen ist Prädiktor für zerebrovask. Ereignisse). Ei-
senmangel häufig durch inadäquate Aderlässe verursacht. Arrhythmien. In-
fektiöse KO: Endokarditis, zerebrale Abszesse, Pneumonie, Nierenfunktions-
störungen.
• M anagement zyanotischer Patienten. 4
Diagnostik
• P ulsoxymetrie: mind. 5 Min. bestimmen, Belastungskapazität mittels 6-Min.-
Gehtest beurteilen.
• L abor: BB einschließlich MCV, Ferritin, Serumeisen, Transferrin u. Transfer-
rinsättigung (Nachweis eines Eisenmangels), Krea, Harnsäure, Gerinnung,
BNP od. pro-BNP, Folsäure, Vit. B12 bei erhöhtem MCV-Wert u. normalem
MCV, aber erniedrigtem Serumferritin.
• M ed. Ther.:
– Spezifische PAH-Ther. (▶ 8.4.6).
– Sinusrhythmus sollte erhalten bleiben, antiarrhythmische Ther. unter sta-
tionären Bedingungen, Meiden transvenöser SM od. ICD-Sonden.
– Aderlass: nur bei moderatem/schwerem Hyperviskositätssy. aufgrund ei-
ner sek. Erythrozytose (Hkt > 65 %). Dehydratation u. Eisenmangel als
Ursachen der Beschwerden ausschließen. Isovolämischer Flüssigkeitser-
satz (750–1.000 ml isotonische NaCl-Lsg. bei Aderlass von 400–500 ml
Blut).
– Eisensubstitution bei Eisenmangel (MCV < 80), Kontrollen wegen Gefahr
eines überschießenden Hb-Anstiegs.
– Erhöhtes Blutungsrisiko, keine routinemäßige orale Antikoagulation/
Ther. mit ASS.
– Ind. für orale Antikoagulation: Vorhofflattern/-flimmern (Ziel-INR 2–2,5;
höherer Ziel-INR bei mechanischer Klappe).
– Hyperurikämie: keine Ind. zur Ther. bei asymptomatischer Hyperurik­
ämie, bei akuter Gichtarthropathie Colchicin, Probenecid u. antiinflam­
matorische Medikamente. Probenecid od. Allopurinol dienen der Rezi-
divprophylaxe.
– Jährliche Influenzaimpfung, Pneumokokkenimpfung alle 5 J.
– Körperl. Überanstrengung u. akute Hitzeexposition (Sauna, heißes Baden/
Duschen) meiden.
– Umgehende Ther. von Atemwegsinfekten.
– Kontrazeption.
288 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

4.23.3 Nichtkardiale Probleme von EMAH


Schwangerschaft, Kontrazeption u. genetische Beratung
• M ehrzahl der EMAH toleriert eine Schwangerschaft gut.
• S pezialisierte Betreuung im Rahmen eines multidisziplinären Teams aus
EMAH-Kardiologie, Geburtshilfe, Anästhesie, Hämatologie, Neonatologie u.
Genetik.
•  rühzeitig individuelle Risikoabschätzung, um ungewollte Hochrisiko-
F
schwangerschaften zu verhindern: schwere PAH (Eisenmenger-Pat. u. ande-
re), schwere Linksherzausflusstrakt- od. -einstromobstruktion, eingeschränk-
te systemische Ventrikelfunktion (EF < 40 %), Aortenwurzeldilatation bei
Marfan-Sy. u. ähnlichen Sy. (Ehlers-Danlos, Loeys-Dietz), Zyanose (SO2
< 85 %), mechanische Klappenprothese, hochgradige PR mit eingeschränkter
RV-Funktion.
•  ötale Echo in der 16.–18. SSW empfohlen.
F
•  CE-Hemmer, AT-II-Rezeptorblocker u. Amiodaron sind kontraindiziert.
A
•  ontrazeption: Die kombinierten oralen Kontrazeptiva sind hochwirksam
K
(99,9 %), sie sollten jedoch bei Pat. mit präexistierendem thrombotischem Ri-
4 siko (Fontan-Zirkulation, zyanotische Pat., eingeschränkte systemische Ven­
trikelfunktion) vermieden werden. Kontrazeptiva, die nur Progesteron ent-
halten, haben dieses hohe Thromboserisiko nicht.

Psychosoziale Aspekte, Berufswahl u. sportliche Betätigung


• L ebensqualität der meisten EMAH ist eingeschränkt: reduzierte körperl. Be-
lastungstoleranz, kardiale Arrhythmien, wiederholt erforderliche katheterin-
terventionelle od. operative Eingriffe, kosmetische Probleme.
•  ngste u. Unsicherheiten bzgl. möglicher KO, zunehmender Behinderung u.
Ä
reduzierter Lebenserwartung → psychosoziale Betreuung z. B. in erfahrenen
überregionalen EMAH-Zentren.
•  eratung bei Berufswahl u. Wahl einer sportlichen Aktivität unter Berück-
B
sichtigung sämtlicher Behandlungsdaten u. objektiver Maße der Leistungsfä-
higkeit (z. B. durch spiroergometrischer Untersuchung).

4.23.4 Empfehlungen zur Nachuntersuchung


ASD
• B eurteilung eines residuellen Shunts, RV-Größe u. -Funktion, TR u. des PAP
mittels Echo sowie Beurteilung von Arrhythmien durch Anamnese, EKG u.
Langzeit-EKG.
•  uch Jahre nach OP treten häufig intraatriale Reentry-Tachykardien od. Vor-
A
hofflattern auf, die mittels Katheterablation erfolgreich behandelt werden
können. VHF tritt v. a. bei älteren u. nicht operierten Pat. auf (antiarrhythmi-
sche Ther., Antikoagulation).
•  at., die im Alter < 25 J. ohne relevante Folgen od. Residuen (kein residueller
P
Shunt, normaler PAP, normaler RV, keine Arrhythmien) korrigiert wurden,
bedürfen keiner regelmäßigen Nachuntersuchung. Tachyarrhythmien im
späten Verlauf möglich.
•  at. mit residuellen Shunts, erhöhtem PAP od. Arrhythmien (vor od. nach
P
dem Eingriff) u. Pat., die im Erw.-Alter korrigiert wurden (bes. > 40 J.), soll-
ten regelmäßig nachuntersucht werden.
 4.23 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) 289

VSD
• S pezielle Aspekte der Nachuntersuchung: Entwicklung einer AR od. TR, Aus-
maß eines Rest-Shunts, LV-Funktionseinschränkung, Anstieg des PAP, Ent-
wicklung einer diskreten Subaortenstenose.
• P at., die einen bifaszikulären Block od. fakultativ trifaszikulären Block nach
VSD-Verschluss entwickeln, haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten ei-
nes AV-Block III°.
• Jährliche Untersuchungen bei Pat. mit LV-Dysfunktion, Rest-Shunt, PAH,
AR, RVOT- od. LVOT-Obstruktion.

Kompletter AV-Kanal-Defekt
• S pezielle Aspekte der Nachuntersuchung: Rest-Shunt, AV-Klappendysfunkti-
on, LV- u. RV-Vergrößerung u. -Funktionsstörung, PAP-Erhöhung, Subaor-
tenstenose u. Arrhythmien.
•  ebenslange Endokarditisprophylaxe bei Exposition.
L
•  in operativ korrigierter Defekt ohne relevante Restdefekte sollte mind. alle
E
2–3 J. nachuntersucht werden, bei Restdefekten kürzere Intervalle.

Offener Ductus arteriosus 4


• S pezielle Aspekte der Nachuntersuchung: Größe/Funktion des LV, PAP,
Rest-Shunt, begleitende Läsionen.
•  at. mit LV-Dysfunktion u. Pat. mit PAH alle 1–3 J. kontrollieren.
P
•  at. ohne Rest-Shunt u. normalem LV, normalem PAP benötigen keine regel-
P
mäßigen Kontrollen.

Linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion
• S pezielle Aspekte der Nachuntersuchung: Schweregrad der Stenose, Aorten-
dilatation.
• Jährliche Kontrollen nach Klappenintervention.
• S upravalvuläre AS:
– G röße u. Funktion des LV, Restenosen, Entwicklung von Aneurysmen,
– Subaortenstenose,
– Schweregrad u. Progression der Obstruktion u. einer AR, Funktion u.
Größe des LV,
– bei postop. Kontrollen Beurteilung einer möglichen Restenose, einer progre-
dienten AR, eines iatrogenen VSD u. Arrhythmien (inklusive AV-Block).

Aortenisthmusstenose (CoA)
• A
 rt. Hypertonie in Ruhe od. unter körperl. Belastung (häufig, selbst nach er-
folgreicher Behandlung).
• E ine Rest- od. Re-CoA kann zu einem systemischen art. Hochdruck u. dessen
KO führen od. einen bestehenden Hochdruck verschlechtern, aggravieren.

Marfan-Syndrom
• B etablocker als Standardmedikation können potenziell die Progression der
Aortendilatation reduzieren u. das Überleben zumindest bei Erw. verbessern.
• K onsequente antihypertensive Ther. sollte auf systol. Werte < 120 mmHg
bzw. < 110 mmHg bei Pat. mit Aortendissektion hinzielen. Losartan soll zu-
sätzlich vorteilhaft sein.
•  ebenslange, jährliche Kontrolluntersuchungen: Darstellung der Aortenwur-
L
zel u. Beurteilung der kompletten Ao mittels Angio-MRT, AV-Klappeninsuff.
290 4 Herzklappenerkrankungen u. angeborene Vitien 

Rechtsventrikuläre Ausflusstraktobstruktion
Empfehlungen zur Nachuntersuchung:
• P at. mit leichtgradiger valvulärer PS od. Reststenose müssen lediglich in 5-J.-
Abständen kontrolliert werden.
• H öhergradige PS sollten jährlich untersucht werden.
Ebstein-Anomalie
Bes. Aspekte der jährlichen Kontrolle: persistierende od. neu aufgetretene TR,
Funktionen des RV od. LV, Rest-Shunts auf Vorhofebene, Arrhythmien u. höher-
gradige AV-Blockierungen.

Fallot-Tetralogie
• Jährliche Nachuntersuchungen mit bes. Beachtung von Spät-KO:
– P  R: fast immer nach transanulärer Patchkorrektur, mit RV-Dilatation u.
-Dysfunktion.
– Residuelle RVOT-Obstruktion: lokalisiert in Infundibulum, PK od. PA-
Hauptstamm bzw. distal der Bifurkation.
– RV-Dilatation u. -Dysfunktion: meist bei langjährige PR u. Ausflusstrakt­
4 obstruktion.
– TR durch RV-Dilatation.
– Rest-VSD: LV-Volumenüberlastung.
– Dilatation der Aortenwurzel: führt zu AR u. selten zur Dissektion.
• E PU u./od. Ablation bei symptomatischen Pat. mit V. a. od. bei dokumentier-
ten symptomatischen supraventrikulären od. ventrikulären Arrhythmie.
• Ind. zur ICD-Implantation als Primärprävention umstritten. RF für maligne
Arrhythmien: RV- u./od. LV-Dysfunktion, ausgedehnte ventrikuläre Fibrose
(im MRT), QRS > 180 ms, signifikante PR, nicht anhaltende VT, induzierbare
VT, langjährige, palliative Shunt-Versorgung u. höheres Alter zum Zeitpunkt
der Korrektur-OP. Hier individuelle Entscheidung zur ICD-Ther.
• U ntersuchung mind. 1× jährlich in spezialisiertem EMAH-Zentrum.
• A spekte der Verlaufskontrolle: Dysfunktion des re. Systemventrikels, Entwick-
lung einer TR durch RV-Dilatation, Tachyarrhythmien (typisch ist Vorhofflat-
tern), tachykarde Kammerarrhythmien, Bradyarrhythmien bei fortschreitender
Sinusknotendysfunktion. Intraatriale Tunnelleckagen können einen Li-re- od.
Re-li-Shunt verursachen. Obstruktion der systemvenösen u./od. pulmonalve-
nösen Drainage, subpulmonale Ausflusstraktobstruktion können durch vor-
wölbende Linksverlagerung des Ventrikelseptums verursacht sein.

Kongenital korrigierte Transposition der großen Arterien


Untersuchung in jährlichen Intervallen: Überleitungsstörungen (AV-Block), Dys-
funktion des Systemventrikels sowie AV-Klappeninsuff.
5 Kardiomyopathien
Ulrich Stierle

5.1 Primäre Kardiomyo­ 5.1.5 Non-Compaction-­


pathien 293 Kardiomyo­pathie 322
5.1.1 Hypertrophe Kardiomyopathie 5.1.6 Tako-Tsubo-
(HCM) 293 Kardiomyopathie 323
5.1.2 Dilatative Kardiomyopathie 5.2 Sekundäre
(DCM) 305 Kardiomyo­pathien 323
5.1.3 Restriktive Kardiomyopathie 5.2.1 Hypertrophe Formen 323
(RCM) 315 5.2.2 Dilatative Formen 324
5.1.4 Arrhythmogene rechtsventri- 5.2.3 Restriktive Formen 326
kuläre Kardiomyopathie
(ARVC)/Dysplasie (ARVD) 320
292 5 Kardiomyopathien 

Definition
Kardiomyopathien (CMP) sind Herzmuskelerkr. als heterogene Gruppe (Ätiol.,
Phänotyp). Die Entwicklung der Definitionen in den letzten Jahren macht deut-
lich, wie durch neue Erkenntnisse der Komplexität dieser Gruppe an Erkr. Rech-
nung getragen wird:
WHO 1996
Erkr. des Myokards, die mit einer kardialen Dysfunktion einhergehen. Als For-
men werden unterschieden: dilatative, hypertrophe, restriktive CMP, arrhythmo-
gene RV-CMP u. verschiedene nicht weiter klassifizierbare CMP. Hiervon werden
10 spezifische CMP abgegrenzt: ischämische, valvuläre, hypertensive, inflamm-
atorische, metabolische, toxische, hyperergische, peripartale CMP, CMP bei Sys-
temerkr., bei muskulärer Dystrophie u. bei neuromuskulären Erkrankungen.
American Heart Association 2006
Heterogene Gruppe an Herzmuskelerkr., die mit mechanischen u./od. elektri-
schen Störungen einhergehen u. eine inadäquate Hypertrophie od. Dilatation als
Folge verschiedener (oft genetischer) Ursachen aufweisen. Die Erkr. beschränkt
sich auf das Herz od. ist Teil eines generalisierten, systemischen Prozesses.
• Primäre Kardiomyopathien:
– genetisch (hypertrophe CMP, arrhythmogene RV-CMP, LV-Non-Com-
paction, kardiale Glykogenspeicherkrankheiten, Leitungsstörungen des
Herzens, Mitochondropathien, Ionenkanaldefekte wie Brugada-, Long-
QT-, Short-QT-Sy., katecholaminsensitive polymorphe VT),
– erworben (inflammatorisch, stressinduziert wie Tako-Tsubo, tachykar-
5 dieinduziert, peripartal, CMP bei Kindern von Mütter mit Diab. mell.),
– gemischt (DCM, RCM).
• Sek. CMP: kardiale Beteiligung bei Systemerkr., früher als „spezifische Kar-
diomyopathien“ klassifiziert.
European Society of Cardiology 2008
Myokarderkr. mit strukturellen u. funktionellen Störungen, wobei eine Koronar-,
Klappen- od. kongenitale Herzerkr. als Ursache ausgeschlossen sein muss. Eintei-
lung nach 5 Phänotypen: dilatativ, hypertroph, restriktiv, arrhythmogene RV-
CMP, nicht klassifizierbare CMP (Tako-Tsubo-, Non-Compaction-CMP). Zu-
sätzliche Einteilung nach familiär/genetisch od. nicht familiär/nichtgenetisch (er-
worben im Rahmen einer spezifischen Erkr. wie RCM bei Amyloidose od. idopa-
thisch). Im Gegensatz zu AHA werden Ionenkanalerkr. nicht als CMP angesehen.
Die folgenden Ausführungen unterscheiden primäre (oft genetisch vermittelte) u.
sek. CMP mit spezifischer, nichtgenetischer Ätiologie. Für klinische Belange sind
so Phänotyp, Funktion u. Ätiol. ausreichend berücksichtigt.

Fragestellungen für die Diagnostik


• Art: hypertroph – dilatativ – restriktiv.
• Ätiol.: bekannt – unbekannt.
• Hämodynamik: Kongestion, low output, Restriktion.
• Kardiale Begleiterkr.: KHK, valvulär.
• Systembeteiligung: systemische Erkr. im Gefolge der Myokarderkr. od. mit
Rückwirkungen auf die Herzerkrankung.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  293

5.1 Primäre Kardiomyopathien


5.1.1 Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)

Leitbefunde
• Myokardhypertrophie.
• HCM mit Obstruktion: systol. intraventrikulärer Druckgradient (in Ru-
he, nach Provokation, pathognomonisch: Dynamik des Gradienten).
• HCM ohne Obstruktion: kein Druckgradient.
• Gestörte diastol. Ventrikelfunktion: gestörte Ventrikelrelaxation, abnor-
me Kammer- u. Myokardsteifigkeit, Beeinträchtigung der Ventrikelfül-
lung mit hohen enddiastol. Ventrikeldrücken (Kongestion). Diskrepanz
zwischen guter systol. Ventrikelfunktion („hyperdynamer Ventrikel“, su-
pernormale EF) u. diastol. Funktionsstörung bei allen Formen der HCM.
• Jede Myokardhypertrophie ohne erkennbare Ursache ist HCM-verdächtig.
Ätiologisch ungeklärte („primäre“) Erkr. des Ventrikelmyokards mit pathol., dis-
proportionaler (d. h. nichtkonzentrischer) Hypertrophie der Ventrikel. Die Ven­
trikel sind nicht dilatiert.
Bei ca. der Hälfte aller Erkr. besteht ein autosomal-dominanter Erbgang (familiäre
HCM). Wahrscheinlich ist ein Großteil der sporadischen HCM Folge von Spon-
tanmutationen. Mutationen von Chromosomen (1, 11, 14, 15) führen zu Defekten
von β-Myosin, TnT u. TNI, α-Tropomyosin. Penetranz bei jungen Pat. inkom- 5
plett, mit zunehmendem Alter bis 100 %. Prävalenz 1 : 500 Erwachsene. Häufigste
Ursache des plötzlichen Herztods bei Jugendlichen u. Sportlern.
Manifestation überwiegend li-ventrikulär mit bevorzugter Beteiligung des Kam-
merseptums; eine biventrikuläre Erkr. ist möglich, eine alleinige RVH selten. Dia-
gnose gesichert, wenn weitere Ursachen einer Myokardhypertrophie ausgeschlos-
sen sind (z. B. hypertensive Herzerkr. ▶ 9.1, AS ▶ 4.7). „Diagn. Grauzone“: HCM
plus art. Hypertonie.

Klassifikation der HCM


Nach Hypertrophielokalisation u. klinisch-funktionell:
• Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie (HOCM):
– idiopathische hypertrophische Subaortenstenose (IHSS, „typische HOCM“),
– mesoventrikuläre Obstruktion (MO, „atypische HOCM“).
• Hypertrophische nichtobstruktive Kardiomyopathie (HNCM):
– asymmetrische Septumhypertrophie (ASH),
– apikale Hypertrophie (AH).
• Mischformen.
Symptome
Die meisten Pat. sind asymptomatisch od. nur gering symptomatisch (Dyspnoe, A. p.,
Schwindel, Synkopen). Der plötzliche Herztod kann Erstmanifestation der HCM
sein. Häufigkeitsgipfel der symptomatischen HCM in der 2. bis 3. Lebensdekade.
• Allgemeine Leistungsminderung („Klinik der Herzinsuffizienz“): funktio-
nelle Einteilung nach NYHA (▶ 8.2, ▶ Tab. 8.1).
• Dyspnoe: überwiegend bei Belastung. Ausdruck hoher li-seitiger Füllungs-
drücke mit pulmonalvenöser Kongestion („Erkr. der Ventrikeldiastole“).
294 5 Kardiomyopathien 

• Typische od. atypische A. p.: bei ¾ aller symptomatischen Pat. Oft inkon­
stante Beziehung zu körperl. Belastungen od. Auftreten nach Beendigung ei-
ner Belastung. Klinische DD zur stenosierenden KHK i. d. R. nicht möglich
(nicht selten: HCM plus Koronarerkr.). Ca. 20 % der älteren Pat. haben au-
ßerdem atheromatöse, stenosierende Veränderungen der Koronarien.
• Palpitationen: bei tachy- od. bradykarden Rhythmusstörungen bzw. hyper-
kontraktilem LV.
• Schwindel u. Synkope: rel. häufig (10–30 %), meist multifaktoriell bedingt.
Folge von ventrikulären Tachyarrhythmien od. inadäquatem HZV unter Be-
lastung. Bei Kindern u. Jugendlichen Hinweis auf hohes Risiko für den plötz-
lichen Herztod.
! Bei Synkopen ist die Inzidenz an VT erhöht → konsequente Diagn. u. Ther.

Tipps & Tricks


• Hohe Variabilität des klinischen Bilds.
• Nur lose Beziehung zwischen Beschwerdebild u. Ausmaß der Hypertro-
phie bzw. Veränderungen der zentralen Hämodynamik.
• Exakte Diagnose bei Kindern u. Jugendlichen von großer Bedeutung
(überdurchschnittlich hohe Mortalitätsrate: Synkope od. plötzlicher
Herztod beim Sport od. anderen schweren körperl. Belastungen!).
• Familiäre Häufung in > 50 %. Konsequenz: echokardiografische Scree-
ninguntersuchung von Angehörigen.

5 Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Bei asymptomatischen Pat. ohne Gradient oft Normalbefund; mitunter nur 4. HT
hörbar. Ausgeprägte Befunde i. d. R. bei Pat. mit Ausflusstraktgradient.
• Inspektion: sichtbare a-Welle des Jugularvenenpulses.
• Palpation: breiter, hebender, lateralisierter Herzspitzenstoß, apikaler Doppel­
impuls (systol. Doppelgipfel) od. Tripelimpuls (systol. Doppelgipfel u. palpa-
bler 4. HT), apikales u. basales systol. Schwirren, palpabler 4. HT, palpabler
Pulmonalton, schnellender Karotispuls („jerky“).
• Auskultation: 1. HT normal, 2. HT mit normaler Spaltung, gelegentlich
3. HT, oft 4. HT, ¾–4⁄6 systol. Austreibungsgeräusch (vom 1. HT abgesetzt,
mitt- bis endsystol. Crescendo-Decrescendo, nicht fortgeleitet), gelegentlich
apikales pansystol. Geräusch.
• Dynamische Auskultation: enge Beziehung zwischen Intensität des Austrei-
bungsgeräuschs u. Höhe des intraventrikulären Gradienten. Geräusch in In-
tensität u. Dauer typisch labil:
– Provokation eines Geräuschs od. Zunahme der Intensität bei Maßnah-
men, die die Kontraktilität erhöhen od. die Vorlast bzw. Nachlast vermin-
dern: z. B. in der Pressphase des Valsalva-Manövers, bei raschem Aufste-
hen aus dem Liegen, postextrasystolisch, bei körperl. Belastungen, nach
Gabe pos. inotrop wirkender Pharmaka (z. B. Isoproterenol), bei Nach-
lastreduktion durch Nitro-Derivate.
– Intensität des Ausflusstraktgeräuschs nimmt ab bei Minderung der Kon-
traktilität, bei Vorlast- od. Nachlasterhöhung: z. B. in der Phase nach Be-
endigung eines Valsalva-Pressversuchs (Overshoot), im Müller-Manöver
(Inspiration bei geschlossener Glottis), in Hockstellung od. nach Phenyl­
ephrin, Betablockern.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  295

EKG
Geringe Sensitivität u. Spezifität. Normales EKG gelegentlich bei asymptomati-
schen Pat. mit milder od. lokalisierter, zirkumskripter Hypertrophie; häufiger bei
Kindern. Häufigkeit eines normalen EKG nimmt mit zunehmendem Alter ab
(nur selten normales EKG > 60 LJ.).
• Ventrikelhypertrophie (▶ Abb. 5.1): Klassische EKG-Manifestation mit pos.
Sokolow-Lyon-Index bei LVH. Je ausgeprägter die LVH, desto größer ist
i. d. R. der intraventrikuläre Gradient. Isolierte RVH sehr selten (isolierte
RVOT-Obstruktion), häufiger biventrikuläre Hypertrophie im EKG bei LV-
u. RV-HCM.
• ST-T-Veränderungen: Bei symptomatischen Pat. praktisch immer. Spektrum
von diskreten ST-T-Depressionen bis zu grotesken terminalen T-Negativie-
rungen („giant negative T-waves“, u. a. bei AH). ST-T-Veränderungen sind
uncharakteristische Zeichen bei LVH bzw. LV-Druckbelastung („strain“).
• Linkstyp bis überdrehter Linkstyp. Bei AH häufig Indifferenztyp.
• Pathol. Q-Zacken in bis zu 50 % (v. a. inferiore Abl.).
• VHF in ca. 10 %. Oft Ausdruck der atrialen Belastung aufgrund der ventriku-
lären Dehnbarkeitsstörung. Bei VHF meist rapide klinische Verschlechterung.
• Ventrikuläre Arrhythmien: komplexe VES in ca. 80 % (> Lown III), VT in
ca. 20 %. Bei VT häufig schlechte Prognose (plötzlicher Herztod). Keine enge
Korrelation zwischen zentraler Hämodynamik bzw. Ausmaß der Hypertro-
phie u. Häufigkeit von VT.
• Spätpotenzialdiagn. hat keinen verlässlichen prädiktiven Wert.
I aVR V1 V4
5

II aVL V2 V5

III aVF V3 V6

Abb. 5.1 EKG bei hypertropher, nichtobstruktiver Kardiomyopathie [L157]

Langzeit-EKG
Indiziert bei jedem Pat. mit HCM. In diagn. Zweifelsfällen Langzeit-EKG über 48
od. 72 h. Wiederholte Langzeit-EKG-Untersuchungen u. Langzeit-EKG > 24 h bei
erhöhtem Risiko für plötzlichen Herztod: familiäre Form der HCM od. plötzli-
cher Herztod in der Familie, Überlebende des plötzlichen Herztods, junge Pat.,
anamnestisch Synkope od. bekannte ventrikuläre Rhythmusstörungen, massive
intraventrikuläre Obstruktion, Pat. mit hohen li-seitigen Füllungsdrücken od.
PAH, geänderte od. progrediente Symptomatik (s. natürlicher Verlauf).
Elektrophysiologische Untersuchung
Zur Diagn., Ther.-Kontrolle bzw. Risikostratifizierung kontrovers beurteilt wegen
eingeschränktem prädiktivem Wert. Häufig Nachweis polymorpher VT als un-
296 5 Kardiomyopathien 

spezifische Antwort. Bei Risikogruppen frühzeitig fachrhythmologische Abklä-


rung (s. u., natürlicher Verlauf).
Röntgen-Thorax
Häufig Normalbefund. Keine HCM-typische Veränderung der Herzsilhouette in
der Thoraxübersicht.
Echokardiografie
Diagn. Mittel der Wahl. Diagnose der HCM, Hypertrophieverteilung u. -lokalisa-
tion, systol. u. diastol. Ventrikelfunktion, Quantifizierung der Obstruktion, Loka-
lisation des Obstruktionsniveaus, Begleitbefunde (z. B. MR), Familienscreening u.
Verlaufsuntersuchungen.
M-Mode u. 2-D-Echo
▶ Abb. 5.2, ▶ Abb. 5.3.

IVS

Mitralklappe
5 SAM

LVPFW

Abb. 5.2 M-Mode-Echokardiografie bei HOCM [T125]

RV
IVS
MK LV LV
Ao

LVPFW

Abb. 5.3 M-Mode-Echokardiografie bei HNCM. Massiv verdickte Myokardwän-


de, kleines LV-Kavum [T125]

• Asymmetrische Septumhypertrophie (ASH):


– Dickenverhältnis „Interventrikularseptum : LVPFW“ > 1,3 (normal um
1,0). Hohe Sensitivität dieses Befunds bei geringer Spezifität (ASH bei
Vielzahl von Herzerkr., z. B. art. Hypertonie, KHK, Sportlerherz, Aorten-
vitium, kongenitale Vitien mit Rechtsherzbelastung u. a.).
– ASH betrifft v. a. basale Septumanteile mit geringen Bewegungsamplitu-
den, die angrenzende anterolaterale Wand ist häufig ebenfalls hypertro-
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  297

phiert. ASH als Kriterium der HCM ist dann zuverlässig, wenn Hypertro-
phie weiterer Ventrikelanteile des LV mittels 2-D-Echo nachgewiesen ist.
– ASH ist v. a. Leitbefund der IHSS (obstruktive HCM) u. der HNCM. MO
u. AH zeigen keine markante ASH.
• SAM-Phänomen (▶ Tab. 5.1): Systol. Vorwärtsbewegung von Strukturen des
MK-Apparats („systolic anterior movement“). Frühsystol. bewegen sich An-
teile des AML (gelegentlich auch des PML) nach anterior zum Kammersep-
tum hin, um sich in variablem Ausmaß an das Septum anzulegen. Vor Beginn
der Diastole rasche Dorsalbewegung (Trapezform des SAM). Ursachen: Ven-
turi-Effekt (Sog durch Blutstrom).
! Absoluter Gradient u. Ausmaß/Dauer des SAM korrelieren gut; SAM-Phäno-
men v. a. Leitbefund der IHSS, selten bei MO, fast nie bei HNCM.
! „Pseudo-SAM“ abgrenzen: v. a. bei Erkr. mit Ventrikelhypertrophie od. Hy-
perkontraktilität, z. B. TGA, art. Hypertonie, Hypovolämie, Perikarderguss.
Exkursionsamplitude des wahren SAM deutlich größer, Pseudo-SAM mit syn-
chroner u. paralleler Bewegung zum Endokard der posterioren freien Wand.
! SAM ist ein Marker der Ausflusstraktobstruktion, nicht ihre Ursache.
• Vorzeitige AK-Schließbewegungen: Nach regelrechter initialer Öffnung der
Klappentaschen im M-Mode folgen nach 20–100 ms eine od. mehrere Schließbe-
wegungen der Klappentaschen. Ursache: abnormes Strömungsprofil im LVOT.
! Vorzeitige Schließbewegungen v. a. bei IHSS u. MO; bei HNCM fehlen sie
i. d. R. Weitere kardiale Erkr. mit vorzeitigen Schließbewegungen: subvalvulä-
re AS, Aortenaneurysma, kongenitale Herzfehler, MR, VSD.
• Weitere M-Mode- u. 2-D-Echobefunde: kleiner LVOT (Abstand C-Punkt
der MK – Kammerseptum), abgeflachter EF-Slope, evtl. LA-Dilatation, klei- 5
nes LV-Kavum, verlängerte isovolumetrische Relaxationszeit (Intervall zwi-
schen AK-Schluss u. MK-Öffnung). Auf regionales Verteilungsmuster der
Hypertrophie achten (Ausmaß, Lokalisation), Echo-Morphologie des LV ex-
akt bestimmen (Reduktion der Anzahl falsch neg. Befunde des M-Mode).

Tab. 5.1 Echobefunde bei der HCM


Befund IHSS MO ASH AH
SAM + (+) – –
ASH + (+) + (+)
Vorzeitiger Aortenschluss + + – –

Doppler
• LV-Füllung: mit pw-Doppler beurteilen. Früh- u. spätdiastol. max. Füllungs-
geschwindigkeiten E u. A, Ratio E/A < 1 als unspezifisches Zeichen der LV-
Dehnbarkeitsstörung. Nachweis/Ausschluss einer MR (häufig begleitender
Befund), Gewebedoppler zur Beurteilung der Relaxations- (E/E’ < 10) u.
Compliancestörung (E/E’ > 10).
• Systol. Austreibung: mit cw-Doppler Druckgradienten der Obstruktion be-
stimmen, Niveau der Obstruktion (mesoventrikulär, subaortal) bestimmen
(Farbumschlag im Farbdoppler). Typisches Geschwindigkeitsprofil der LV-
Austreibung („säbelartig“ mit spätsystol. Maximum).
Magnetresonanztomografie
Darstellung der Myokardhypertrophie, v. a. bei unzureichenden Schallbedingun-
gen (z. B. HNCM: AH). Hypertrophieverteilungsmuster kann sehr sensitiv erfasst
298 5 Kardiomyopathien 

werden. Bestimmung des LV-Massenindex (je höher, desto schlechter die Pro­
gnose) u. des myokardialen Kollagenanteils (in bis zu 80 %; Substrat ventrikulärer
Arrhythmien). Hauptind. zur MRT: DD zu Myokarderkr. mit dem Phänotyp ei-
ner HCM (z. B. Amyloidose, Sarkoidose).

Invasive Diagnostik
Indikationen
• Symptomatische HOCM, die operativ behandelt werden soll,
• sonst nicht bestimmbarer Schweregrad der Obstruktion u. begleitende Funk-
tionsstörungen (z. B. MR),
• nichtinvasiv unsichere Diagnose (z. B. bei MO od. AH),
• V. a. zusätzliche KHK,
• HOCM od. HNCM eines Risikopat.,
• HCM mit RV-Beteiligung,
• Erstdiagn. einer HCM (umstritten).
Technik
• F8-Schleuse in A. femoralis, F7-Schleuse in V. femoralis.
• Pigtail- od. Multipurpose-Katheter in die Spitze des LV.
• LVEDP bestimmen u. simultane Druckmessung über Katheter u. Seitenarm
der art. Schleuse (Ruhegradient?). Katheterrückzug aus LV-Spitze in LVOT u.
dann in die Ao (Niveau der Obstruktion, mehrfache Obstruktionen?). Kathe-
ter erneut in LV-Spitze platzieren zur dynamischen Evaluation.
• Extrasystole durch Katheterbewegungen auslösen u. erneute Druckregistrie-
5 rung. Postextrasystolische Entstehung od. Zunahme eines Druckgradienten
durch Zunahme des intraventrikulären Drucks u. Abnahme der aortalen
Puls­amplitude.
• Druckregistrierung während Valsalva-Manöver (Gradient nimmt während
der Anspannungsphase zu, in der Post-Valsalva-Phase ab).
• Ggf. Druckregistrierung nach i. v. Infusion von Isoproterenol (Provokation
eines Gradienten durch Sympathomimetikum).
• Swan-Ganz- od. Cournand-Katheter in die Pulmonalkapillare platzieren. Si-
multane Druckregistrierung von LV u. PC. Katheterrückzug von PC nach PA,
RV u. RA (intraventrikulärer RV-Gradient?).
• Angio (LV, Ao asc., evtl. biventrikuläre Angio, Koro).
Hämodynamik
• Prominente a-Wellen der atrialen Drücke.
• LVEDP u. RVEDP oft erhöht, evtl. erhöhter PCWP u. PAP.
• Bei Obstruktion systol. Gradient zwischen LV-Spitze (Hochdruckkammer) u.
LVOT (Niederdruckkammer) bzw. Ao (▶ Abb. 5.4). Bei Fehlen einer Obst-
ruktion in Ruhe ggf. Provokation eines systol. Gradienten als Brocken-
brough-Phänomen (▶ Abb. 5.5) od. während eines Valsalva-Manövers.
• Formanalyse von Ventrikeldruck, art. Druck. Hochdruckkammer: träger
Druckanstieg mit Kerbungen im ansteigenden Schenkel, Niederdruckkam-
mer: systol. Doppelgipfligkeit, Ao: „Spike-and-dome“-Muster mit prominen-
tem frühsystol. Aufstrich, mitt- bis spätsystol. Retraktion (auch bei RV-Obst-
ruktion).
• Bei HNCM u. HOCM Gefahr des Katheterentrapments: artifizielle Provokati-
on eines Gradienten.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  299

mmHg

160 LV-Einflusstrakt LV-Ausflusstrakt Aorta ascendens

∆P

80

Abb. 5.4 Systolischer Gradient innerhalb des LV-Kavums bei HOCM [L157]

VES
EKG

mmHg
200

5
100
Femoral-
arterie

LV
0

Abb. 5.5 Brockenbrough-Phänomen. Postextrasystolische Zunahme des intraka-


vitären Gradienten u. Abnahme der aortalen Pulsamplitude. Pathognomonisch
für HOCM [A300]

Angiografie
• Cine-Angio: essenzieller Teil der invasiven Diagnostik. Darstellung des LV in
2 Ebenen (RAO 35°, LAO 55°). Zur Darstellung der LV-Septumkontur zu-
sätzlich kaudokraniale Angulation in LAO um 30–40°. Darstellung des Kam-
merseptums in seiner Längsachse durch biventrikuläre simultane Ventrikulo-
grafie (Lävo. u. Dextrokardiografie). Dicke u. Form (Trapez) des Kammersep-
tums wird beurteilbar.
• LV hypertrophiert. Kavum erscheint enddiastol. normal groß od. klein. Bei
einer supernormalen Auswurffraktion (EF) sind Teile des LV, vornehmlich
die Spitze, endsystol. obliteriert (▶ Abb. 5.7). LV bei IHSS in seiner Längsach-
se mesoventrikulär nach ventral anguliert (Bananenform).
• LV in LAO: systol. Vorwärtsbewegung des AML in Richtung auf das Septum,
sichtbar an ringförmiger KM-Aussparung.
• RV-Obstruktion: häufig im Bereich der Ausflussbahn. Darstellung in li-late-
raler u. anteroposteriorer Projektion (systol. fingerförmige KM-Aussparung
im Bereich der RV-Ausflussbahn, die ventrikelwärts weist).
300 5 Kardiomyopathien 

Angiografische DD der HCM


• MO: Angio-Bild pathognomonisch (▶ Abb. 5.6). LV-Kavum in RAO zeigt
enddiastol. taillenartige mittventrikuläre Einengung (Sanduhrform). DD des
Angio-Bilds: VWI mit Ausbildung eines apikalen Aneurysmas.
• AH: in RAO typisches enddiastol. Bild mit Trichterform des LV („spade-
like“) durch umschriebene apikale Myokardhypertrophie (▶ Abb. 5.7). Systol.
nahezu vollkommene Elimination des LV-Kavums durch kräftige, symmetri-
sche Kontraktion des Ventrikels (mäuseschwanzartiger KM-Rest apikal).

Diastole Systole

5
Abb. 5.6 Lävokardiogramm bei HOCM (mesoventrikuläre Obstruktion) [T125]

Abb. 5.7 Lävokardiogramm einer HNCM vom apikalen Typ [T125]

Koronarangiografie
Essenzieller Bestandteil der invasiven Diagn. zur DD pektanginöser Beschwerden.
Schlängelung der Koronargefäße wie bei anderen Formen der Myokardhypertrophie.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  301

Elektrophysiologische Untersuchung
Kein gesicherter Wert für Risikoprädiktion in der Primärprophylaxe. In Aus-
nahmefällen vor ICD-Implantation od. Ablationsprozeduren (z. B. Präexzitati-
onssy.).

Therapie der HCM


Exakte, komplette Diagn. vor Einleitung der Ther.! Ziel: Besserung von Sympto-
men, Verhinderung von KO u. Prävention vor plötzlichem Herztod.
Allgemeine Regeln
• Schwere körperl. Belastungen vermeiden (kein Wettkampfsport!).
• Hypovolämische Zustände vermeiden.
• Keine pos. inotropen Substanzen einsetzen. Digitalis nur bei VHF, wenn Be-
tablocker od. Verapamil ineffektiv sind.
! Digitalis nicht bei Herzinsuff.-Symptomen einsetzen.
• Keine potenten Vasodilatatoren wie Nitrate, ACE-Hemmer.
• Vorsicht beim Einsatz von Diuretika. Indiziert bei kongestiven Verläufen in
Verbindung mit Betablockern od. Verapamil.
• Endokardititsprophylaxe bei Exposition (▶ 6.1.4).
Medikamentöse Therapie
• Asymptomatische Pat.: Behandlungsind. nicht gesichert. Med. Behandlung
verhindert weder Hypertrophieprogression noch KO. Wichtig: Allgemeine
Verhaltensmaßregeln (s. o.)! Evtl. Behandlung bei pos. Familienanamnese,
massiver Hypertrophie, hohen intraventrikulären Gradienten od. supraven­
trikulären od. ventrikulären Arrhythmien.
5
• Gering od. mäßig symptomatische Pat.: Betablocker od. Verapamil als Ba-
sistherapie. Betablocker als Mittel der 1. Wahl, Verapamil bei ungenügender
Betablocker-Wirkung.
– Betablocker (▶ 11.3.3): z. B. Propranolol 160–320 mg/d, kardioselektive
Betablocker (z. B. Atenolol, Metoprolol) haben keine zusätzlichen Vor-
teile.
– NW der Betablocker nicht mit Symptomen der HCM verwechseln. KI u.
v. a. elektrophysiologische NW bei hoch dosierter Betablocker-Ther. be-
achten. Falls unverträglich od. weiterhin symptomatischer Verlauf, zu
Kalziumantagonisten (s. u.) wechseln.
– Kalziumantagonist (▶ 11.5): Verapamil 240–480 mg/d bei Pat., die auf
Propranolol nicht od. ungenügend ansprechen. Wegen neg. Inotropie,
Vasodilatation u. Störungen von Sinus- od. AV-Knoten-Funktion (EKG-
Verlaufskontrollen) ist die (hoch dosierte) Verapamil-Ther. evtl. einge-
schränkt.
– Kein Nifedipin bei sehr hohen Ausflusstraktgradienten.
– Falls ungenügendes Ansprechen auf Betablocker od. Kalziumantagonis-
ten, alternative invasive Ther.-Optionen erwägen.
– Amiodaron: bei VHF zur Kardioversion od. nach Kardioversion zur Sta-
bilisierung des Sinusrhythmus. Keine effektive Verhinderung des plötzli-
chen Herztods bei Risikopat. (▶ 12.5).
• Massiv symptomatische Pat.: bei symptomatischem Verlauf mit Kongestion
(Lungenstauung, akute Linksdekompensation) Betablocker od. Verapamil
mit Diuretikum (▶ 11.2) kombinieren. Bei ungenügender Wirksamkeit, chir-
urgische od. interventionelle Verfahren anstreben.
302 5 Kardiomyopathien 

Chirurgische Therapie
Bei Ausflusstraktobstruktion > 50 mmHg septale Myotomie/Myektomie zur Er-
weiterung der Ausflussbahn, Verringerung der Obstruktion u. Verbesserung der
Ventrikelrelaxation. Gelegentlich zusätzlich MK-Ersatz. OP-Mortalität ca. 5 %,
symptomatische Verbesserung in 70 %, Besserung der Prognose durch OP frag-
lich.
Indikation
• Kons. nicht erreichbare Besserung des Krankheitsbilds,
• Manifestation in jungen Jahren (< 30 J.), v. a. bei Kindern,
• erbliche Belastung,
• anhaltende VT,
• wiederholte Synkopen,
• rasche Progression (Klinik, Hämodynamik, Hypertrophie).
Schrittmachertherapie, Septumablation
Implantation eines DDD-SM bei hohem Gradienten u. ausgeprägten Beschwer-
den. Meist klinische Besserung u. Gradientreduktion um 25 %. Geeignet bei Pat.
mit hohem OP-Risiko (z. B. Ältere). Langzeitergebnisse: geringer symptomati-
scher Nutzen, objektiv (Belastbarkeit, Hämodynamik) kein Nutzen. Alternativ:
septale Ablation durch Alkoholinstillation in prox. Septumarterie zur Induktion
eines therap. Infarkts des prox. Kammerseptums (TASH). Gradientreduktion wie
bei OP, Langzeitergebnisse inkonsistent, in 20 % wiederholte Prozedur od. SM-
pflichtige AV-Blockierungen. Hospitalmortalität bis 4 %. Septale Narbe wird als
potenzielles instabiles arrhythmogenes Substrat für bedrohliche ventrikuläre Ar-
5 rhythmien angesehen (in ca. 10 %!). Alternative zur OP bei inoperablen Pat. od.
Pat. mit hohem OP-Risiko (Komorbiditäten).
Richtlinien bei operativen Eingriffen
• Narkotika od. weitere Medikamente mit Vor- u. Nachlast senkenden Effekten
(z. B. Nitrat-Präparate) vermeiden.
• Bes. Anästhesieformen (z. B. Spinalanästhesien) können zur plötzlichen
Nachlastreduktion u. damit Verstärkung des intrakavitären Gradienten füh-
ren.
• Keine Katecholamine u. andere pos. inotrop wirkenden Medikamente einset-
zen.
• Tachykardien als Medikamenten-NW, Schmerzen od. Volumenmangel ver-
meiden.
• Sorgfältige Bilanzierung des Wasserhaushalts (evtl. Swan-Ganz-Katheter).
• KO (Hypo-, Hypertonie, Arrhythmien) frühzeitig therapieren.
• Bei septischen Eingriffen adäquate antibiotische Ther.
• Postop. immer hoch dosierte Betablocker- od. Kalziumantagonisten-Ther.
fortsetzen.

HCM u. Schwangerschaft
Veränderung der zentralen Hämodynamik während der Schwangerschaft durch
Zunahme von Blutvolumen u. HMV. Veränderungen des venösen Angebots (Hy-
potonie in Rückenlage mit Kavakompression), Änderung des systol. u. diastol. RR.
• Nicht selten Erstdiagnose einer HCM in der Schwangerschaft. Keine grund-
sätzliche Ind. zum Schwangerschaftsabbruch. Sind beide Elternteile an einer
HCM erkrankt od. bei hoher familiärer Belastung, sollte von einer Schwan-
gerschaft abgeraten werden.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  303

• Die Schwangerschaft ist grundsätzlich eine Risikoschwangerschaft mit der


Notwendigkeit einer engmaschigen interdisziplinären Kontrolle, sie wird
i. d. R. gut toleriert. Körperl. Belastungen sollten v. a. in der 2. Schwanger-
schaftshälfte reduziert werden (häufige Ruheperioden mit Linksseitenlage).
• Bei symptomatischer HCM in der Schwangerschaft Propranolol- od. Verapa-
mil-Ther. nach Absprache mit Gynäkologen. Überwachung von fetaler HF/
Uteruskontraktionsverhalten.
! Cave! Tokolyse (Sympathikomimetika) kann zu unkontrolliert hohen intra-
ventrikulären Gradienten führen u. diastol. Ventrikelfunktion weiter ver-
schlechtern (KI!).
! Cave! Periduralanästhesie (Vasodilatation u. Reflextachykardie). Blutverluste
vermeiden, Hypovolämie frühzeitig ausgleichen.
• Valsalva-Manöver können den intraventrikulären Druckgradienten unkalku-
lierbar steigern. Dennoch keine grundsätzliche KI zur vaginalen Entbindung.
• Oxytocin hat einen vasodilatierenden Effekt (Gradientenzunahme). Secale-
Alkaloide p. p. sind aufgrund ihrer vasokonstriktorischen Effekte vorteilhaft.

Komplikationen u. ihre Behandlung


Vorhofflimmern
Indikator eines fortgeschrittenen Krankheitsstadiums. Gefahr der akuten hämo-
dynamischen Dekompensation durch unkontrolliert hohe Ventrikelfrequenzen.
Bei akuter Dekompensation notfallmäßige Elektrokardioversion. Zur Frequenz-
kontrolle Betablocker od. Verapamil (s. o.). Zur Frequenzkontrolle u. Konversi-
onsther. Amiodaron (▶ 11.6.10). Nach Rhythmuskonversion zur Stabilisierung 5
des Sinusrhythmus vorteilhaft. Digitalisglykoside aus antiarrhythmischer Ind.
nicht absolut kontraindiziert, meist aber entbehrlich. Ind. zur Langzeitantikoagu-
lation großzügig stellen (erhöhtes Embolierisiko).
Ventrikuläre Tachyarrhythmien
• Betablocker, Verapamil od. chirurgische Ther. i. d. R. nicht ausreichend wirk-
sam, um komplexe ventrikuläre Arrhythmien zu kontrollieren.
• Pat. mit anhaltenden VT u. hohen Ausflusstraktgradienten: chirurgische
Ther., postop. Rhythmusanalyse inklusive EPU, ggf. ICD-Ther. (▶ 12.5).
! Pat. mit asymptomatischen, kurzen, nicht anhaltenden VT ohne wesentlichen
Gradienten (< 50 mmHg) od. bei HNCM: EPU (Rhythmusanalyse u. ggf.
Überprüfung der med. antiarrhythmischen Ther.; evtl. ICD-Ther.). Bei med.
antiarrhythmischer Ther. Sotalol (80–160–320 mg/d, therap. Plasmaspiegel
1–3 μg/ml ▶ 11.6.9) od. (bevorzugt) Amiodaron (▶ 11.6.10).
• ICD-Ther. bei Pat. mit symptomatischen VT trotz (nach elektrophysiologi-
schen Kriterien effektiver) antiarrhythmischer Ther.
! Großzügige Ind.-Stellung zur ICD-Ther. bei Risikopat.
Bradykarde Rhythmusstörungen
Herzschrittmacherther. symptomatischer Bradykardien nach den Ind.-Richtlini-
en zur SM-Ther. (▶ 12.5.1). AV-sequenziellen Stimulationsmodus (Zweikammer-
SM) auch aus hämodynamischen Gründen bevorzugen (Erhalt des atrialen Bei-
trags bei einer primär gestörten diastol. Funktion).
Systemische Embolien
Risiko v. a. bei chron. VHF erhöht. Lebenslange Antikoagulation bei intermittie-
rendem od. chron.-persistierendem VHF. KI beachten (▶ 11.7).
304 5 Kardiomyopathien 

Infektiöse Endokarditis
• Primärprophylaxe bei Exposition: keine.
• Ther. der manifesten bakteriellen Endokarditis (v. a. AoK u. MK ▶ 7.1).
Herzinsuffizienz
• In 10 % progredienter Verlauf mit Abnahme des intraventrikulären Gradienten,
Abnahme od. Verschwinden des systol. Geräuschs, Kavumdilatation, EF ↓, häu-
fig VHF-Arrhythmie u. Symptomenkonstellation der kongestiven Herzinsuffizi-
enz. Systol. Pumpfunktionsstörung überwiegt: Ther. nach klassischen Grundsät-
zen mit Digitalisglykosiden, Diuretika u. evtl. ACE-Hemmern (▶ 11.4.1).
• „Herzinsuffizienz bei HCM“ mit normaler od. hyperdynamer Ventrikelfunk-
tion u. diastol. Funktionsstörung (klinisch: Stauungsherzinsuff.): pos. inotro-
pe Ther. kontraindiziert. Behandlung mit Betablockern od. Kalziumantago-
nisten. Falls unzureichend, kritisch kontrollierte Diuretikabehandlung.

Differenzialdiagnose der HCM


• HOCM: AS, PS, Mitralvitien, funktionelles Geräusch.
• HNCM: hypertensive Herzerkr., MR, Speicherkrankheit, MKP, KHK, Sport-
lerherz, funktionelles Geräusch.

Differenzialdiagnose Myokardhypertrophie bei Sportlern


• Wanddicke > 12 mm ohne gleichzeitige LV-Dilatation spricht eher für HCM,
LVEDD > 55 mm → Sportlerherz.
• HCM-Kriterien: atypische, segmentale LVH, LVEDD < 45 mm, LA-Dilatati-
5 on, gestörte Diastole, weibl. Geschlecht, Familienanamnese für HCM, EKG-
Veränderungen.
• Im Zweifelsfall: genetische Diagn.
Differenzialdiagnose hypertensive Herzerkrankung
• 20 % d. HCM-Pat. haben art. Hypertension.
• Geringe LVH spricht für art. Hypertension.
• HCM-Kriterien: asymmetrische LVH (Septum : Hinterwand > 1,3), Druck-
gradient in Ruhe, ausgeprägte Hypertrophie (> 15 mm) bei nur milder Hy-
pertension.

Tipps & Tricks


• Erhebliche DD-Probleme z. B. zur KHK v. a. im Erw.-Alter. Diagnose-
stellung oft erst nach invasiver Diagn. möglich.
• Fehldiagnosen v. a. bei älteren Pat. häufig (DD zur valvulären u. korona-
ren Herzkrankheit).

Natürlicher Verlauf, Prognose


Der natürliche Verlauf bei HCM ist ausgesprochen variabel:
• Die Mehrzahl der Erw. ist langjährig asymptomatisch od. hat nur geringe Be-
schwerden u. zeigt einen stabilen Verlauf (60–80 %). Eine Minorität ist kli-
nisch erheblich symptomatisch (10–20 %). Die klinische Verschlechterung
verläuft meist langsam (Ausnahme: plötzlicher Herztod). Der Anteil sympto-
matischer Pat. nimmt mit dem Lebensalter zu. Tritt VHF neu auf, droht eine
progrediente, gelegentlich dramatische, klinische Verschlechterung. Konges-
tive Herzinsuff. (bei ca. 10 %) ist nach dem plötzlichen Herztod die zweithäu-
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  305

figste Todesursache der HCM (u. a. durch zunehmende LV-Dilatation mit


Abnahme des intrakavitären Gradienten). Gesamte jährliche Letalität zwi-
schen 3 u. 4 % (unabhängig von Symptomatologie u. Hämodynamik).
• Sehr schlechte Prognose bei HCM im Kleinkindesalter, v. a. in Verbindung
mit kongestiver Herzinsuffizienz. Auch Kinder u. Jugendliche haben im Ver-
gleich zu Erw. eine schlechtere Prognose, bes. bei familiärer Belastung u. sym-
ptomatischen Formen. Auch bei nur geringer Hypertrophie Prognose bei
Kindern schlecht. Oft Diskrepanz zwischen auffälligem EKG u. nur geringer
Hypertrophie im Echo.
• Der plötzliche Herztod (▶ 7.11) ist mit 50–90 % die häufigste Todesursache.
Terminale Arrhythmie ist Kammerflimmern, Asystolie ist selten. Erhöhtes
Risiko für plötzlichen Herztod bei pos. Familienanamnese für HCM od.
plötzlichen Herztod, überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand, Adoleszenz od.
jungem Erw.-Alter, vorausgegangenen Synkopen, VT, ausgeprägter Obstruk-
tion (v. a. Komb. der Variablen), inadäquatem RR-Anstieg unter Belastung
(< 25 mm/kg), massiver LVH (> 30 mm). Plötzlicher Herztod v. a. bei od. un-
mittelbar nach körperl. Belastung. Weniger das Ausmaß der Hypertrophie
bestimmt die Neigung zur elektrischen Instabilität, sondern die mikromor-
phologische zelluläre Disorganisation (disarray).

5.1.2 Dilatative Kardiomyopathie (DCM)


Ätiologisch ungeklärte Erkr. des Myokards mit Ventrikeldilatation u. Pumpfunk-
tionsstörung. Ca. 35 % genetisch vermittelt (familiäre DCM), vorwiegend autoso-
mal-dominant, seltener X-chromosomal mit Mutation des Dystrophin-Gens, bei 5
autosomal-rezessiver Vererbung Mutation des Troponin-I-Gens.

Leitbefunde
• Herzinsuff. als klinischer Leitbefund. Kongestion bei Stauungsherzinsuff.
(li-, re-, biventrikulär). Hypoperfusion bei „low output“ (HZV ↓).
• Dilatation des RV, LV od. beider Ventrikel, große endsystol. u. enddiastol.
Volumina.
• Einschränkung der systol. Pumpfunktion (EF ↓, HZV ↓) u. meist auch
der diastol. Funktion (LVEDP ↑, LV-Füllungsdrücke ↑).

Häufigste Form der primären CMP, Tendenz steigend. Viele nicht erkannte For-
men, weil asymptomatisch. Auftreten in jedem Lebensalter, Alter bei Diagnose-
stellung im Mittel um 40. J., Männer > Frauen. Familiäre Form bei Nachweis eines
DCM bei einem Verwandten 1. Grads od. plötzlicher Herztod < 35 LJ. bei einem
Verwandten 1. Grads. Bei inkompletter Penetranz u. variabler Expression spielen
Gen-Faktoren u. oft unbekannte Faktoren eine Rolle (viral, toxisch, immunolo-
gisch). Die dominierenden ätiologischen Faktoren sind zum Zeitpunkt der Dia­
gnosestellung meist nicht mehr definierbar.
Die DCM ist das uniforme, finale Erscheinungsbild eines multifaktoriellen Pro-
zesses. Potenzielle Noxen: immunologisch, neurohumoral, infektiös, toxisch, ge-
netisch determinierte Disposition des Organismus zu abnormer (inadäquater)
Reaktion auf unterschwellige Belastung(en), Störungen des zellulären Katechol­
amin-/Kalziummetabolismus. Bei manifester Erkr. RF od. Noxe oft nicht mehr
definierbar. DCM als Folge einer Virusmyokarditis: Diese kausale Verknüpfung
erfolgt zu häufig; bei strengen Kriterien weisen < 10 % der Pat. mit DCM Merkma-
le einer Myokarditis auf.
306 5 Kardiomyopathien 

DCM ist ein Sy., das durch Herzvergrößerung u. eingeschränkte systol. Ven-
trikelfunktion (eines od. beider Ventrikel) gekennzeichnet ist. DCM u. Herz-
insuff. sind keine Synonyma. Herzinsuff. ist ohne DCM möglich, DCM ohne
manifeste Herzinsuff. nicht selten!

Symptome
• Herzinsuff. (▶ 8.2): meist allmählich sich entwickelnde Symptomatik über
Monate/Jahre (häufigste Form der Erstmanifestation), gelegentlich rapide
Progredienz. Selten akute Herzinsuff. als Erstmanifestation. Symptome der li-
(häufig), re- (isoliert selten) od. biventrikulären (meist fortgeschrittenes Sta-
dium) Herzinsuff.
• Allgemeine Leistungsminderung (Belastungstoleranz ↓), rasche Ermüdbar-
keit. Einteilung nach NYHA (▶ 8.2). Symptome eines verminderten HZV
(„low output“ ▶ 8.1), anfänglich unter Belastung, in fortgeschrittenen Fällen
auch in Ruhe.
• Belastungsdyspnoe häufigstes initiales Symptom als Folge einer pulmonalve-
nösen Kongestion. Paroxysmale nächtliche Dyspnoe (intermittierende,
nächtliche Kongestion). Ruhedyspnoe u. Orthopnoe bei akuter Dekompensa-
tion od. im Terminalstadium. Ebenfalls Kongestionsfolgen: Hämoptysis,
chron. Husten mit u. ohne Auswurf (Dyspnoeäquivalent, „Stauungshusten“).
• Thoraxschmerzen in bis zu 50 % der Fälle (typische od. atypische A. p.). Be-
gleitende stenosierende KHK od. „Angina bei normalen Koronarien“.
5 • Oberbauchschmerzen im Gefolge einer hepatischen Kongestion (Hepatome-
galie bei Rechtsherzinsuff.). Übelkeit bei Stauung im Splanchnikusgebiet.
• Palpitationen durch tachy- od. bradykarde Rhythmusstörungen. Pulmonal-
art. Distension bei PAH. Epigastrische Palpitationen bei Rechtsbelastung.
• Gewichtszunahme durch Flüssigkeitseinlagerungen.
Tipps & Tricks
• Nicht selten asymptomatischer Pat. bei Diagnosestellung. Zufallsbefund
im Rö-Thorax, Echo-Diagnose ohne Klinik.
• Bei atypischen Brustschmerzen auch an Lungenembolie denken! Erhöh-
te Inzidenz bei DCM durch peripher-systemische u. pulmonalart. Em-
bolien! Jede akute Dyspnoeattacke mit od. ohne Brustschmerz ist bei
DCM verdächtig auf eine Lungenembolie. Nicht alle Beschwerden sind
Symptome der Grundkrankheit, sondern oft die ihrer KO!

Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Auf Merkmale der Herzinsuff. achten. Dominierend sind die Zeichen der Konges-
tion (re- od. li-seitig), weniger häufig die der peripheren Hypoperfusion, in fortge-
schrittenen Fällen Kongestion u. Hypoperfusion.
• Inspektion: kühle, blasse Haut, periphere (Ausschöpfungs-)Zyanose, Jugular-
venendistension (ZVD ↑) mit prominenter a- u. v-Welle (tiefes y-Tal, TR).
• Palpation: Tachykardie, evtl. Hypotonie, Pulsus mollis (kleine RR-Amplitude),
Pulsus alternans (Alternieren der art. Pulsamplitude), pos. hepatojugulärer Re-
flux, systol. Leberpulsationen, Hepatomegalie, Aszites, Anasarka, Pleuraerguss,
Ödeme der unteren Extremitäten. Hypodynamer Herzspitzenstoß, bei Kardio-
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  307

megalie nach li lateralisiert, prominente epigastrische Pulsationen bei Rechts-


herzinsuff., -dilatation. Gelegentlich palpabler 3. HT od. P2 des 2. HT.
• Auskultation: leiser 1. HT (Regel: je myopathischer der LV, desto leiser der
1. HT). Alternierend lauter 1. HT bei Pulsus alternans, Spaltung des 1. HT bei
LSB od. RSB akzentuiert. 2. HT physiologisch gespalten, Lautheit v. a. durch
P2 bestimmt (Regel: je höher der PAP, desto lauter P2). Paradoxe Spaltung des
2. HT (P2A2) bei massiver LV-Dysfunktion. Der 3. HT (protodiastol. Galopp,
DD: MÖT, Perikardton) ist i. d. R. umso deutlicher, je stärker die Kongestion.
4. HT (präsystol. Galopp) rel. häufig.
! Bei physiologischer HF „Viererrhythmus“ (4.–1.–2.–3. HT). Bei Tachykardie
„Dreierrhythmus“ (1.–2.–3./4. HT, Summationsgalopp). Galopp meist Aus-
druck einer fortgeschrittenen myokardialen Schädigung („Embryokardie“).
– Systol. Geräusche häufig (Regurgitationsgeräusche bei rel. MR u. TR).
– Feuchte RG inspiratorisch bilateral, dorsobasal betont (feuchte Dekom-
pensation = Kongestion) bis hin zum floriden Lungenödem mit Distanz-
rasseln. Asthma cardiale (= Kongestionsvariante) als bronchiale Obstruk-
tion durch pulmonalvenöse Kongestion.
• Dynamische Auskultation: Systolikum der TR bei tiefer Inspiration lauter
(pos. Carvallo-Zeichen ▶ 6.7), MR akzentuiert bei isometrischer Belastung
(handgrip).
EKG
Sehr selten normal. Keine typischen pathol. Muster, jedoch Häufung pathol.
EKG-Befunden.
• Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Meist unspezifische QRS-Ver- 5
breiterung mit Übergang in komplettes Schenkelblockbild. LSB in > 1⁄3 aller
DCM, dabei oft distaler, „intraventrikulärer“ Block. LSB u. AV-Block I° häu-
fig assoziiert. RSB mit < 10 % rel. selten.
• ST-T-Veränderungen: praktisch immer, diagn. Wert gering, meist als sek.
Phänomene (bei Schenkelblock, bei LVH).
• Meist Linkstyp od. überdrehter Linkstyp (mit V. a. LAH). P-Wellen-Verände-
rungen in > 1⁄3 der Fälle, oft als P sinistroatriale.
• Ventrikelhypertrophiekriterien in 2⁄3 der DCM-Fälle.
• Pathol. Q-Zacken u. Pseudoinfarktmuster bei 20–30 %.
• VHF mit 30 % rel. häufig.
• Ventrikuläre Arrhythmien: komplexe VES bei bis zu 90 %. Keine Korrelation
mit funktionellem Status (NYHA) u. ventrikulärer Funktionsstörung. Lang-
zeit-EKG diagn. sensitivste Methode. Programmierte Ventrikelstimulation
zum Nachweis od. Ausschluss einer elektrischen Instabilität rel. insensitiv.
Gleiches gilt für Spätpotenzialnachweis.

Tipps & Tricks


• Häufigste, jedoch nicht pathognomonische EKG-Konstellation: LSB od.
intraventrikuläre Erregungsausbreitungsstörung, ST-T-Veränderungen
u. Rhythmusstörungen (VHF u./od. ventrikuläre Arrhythmien).
• Klinik der Herzinsuff. mit Kardiomegalie (körperl. Untersuchung, Rö,
Echo) + EKG-Merkmale + anamnestisch fehlender Hinweis auf KHK
(MI, RF) → dringender V. a. DCM.
• Aggressive Diagn. (Grundlage einer konsequenten antiarrhythmischen
Ther.) bei anhaltenden VT u. Überlebenden des plötzlichen Herztods.
308 5 Kardiomyopathien 

• Komplexe ventrikuläre Arrhythmien nicht gleichbedeutend mit schlech-


ter Prognose. Komplexe Arrhythmien + massive Ventrikeldysfunktion =
schlechte Prognose.

Langzeit-EKG
Ind. zum Langzeit-EKG bei jedem Pat. mit DCM. Wiederholte Untersuchungen
(½-jährlich) bei progredienter Klinik, massiver LV-Dysfunktion, anamnestischen
Synkopen od. bekannten ventrikulären Arrhythmien bzw. zur antiarrhythmi-
schen Ther.-Kontrolle.
Röntgen-Thorax
• Kardiomegalie als Kardinalbefund (CTR > 0,5). Synoptischer Eindruck von
Herzgröße, Herzkonfiguration u. Zeichen der pulmonalvenösen Kongestion
u. PAH. Meist Vergrößerung aller Herzhöhlen. Bei isolierter LV-Vergröße-
rung häufig Verlagerung des LV-Schattens nach inferior u. posterior.
• Pumlonalvenöse Kongestion: weite, geschlängelte Venen bis in Gefäßperi-
pherie, interstitielles Ödem, alveoläres Ödem.
• PAH: Blutumverteilung nach kranial, prominenter PA-Stamm, breiter Gefäß-
schatten der re PA, Kalibersprung der Gefäße nach peripher, Kerley-Linien.
Echokardiografie
Diagn. Mittel der Wahl zur DD einer Kardiomegalie. Beurteilung von Morpholo-
gie u. Funktion der Ventrikel, Veränderungen weiterer Herzhöhlen, indirekten
5 Kriterien der Ventrikelfunktion. Ausschluss weiterer Erkr., die eine Kardiomega-
lie hervorrufen können, massive Ventrikelhypertrophie, Perikarderguss, valvuläre
Erkrankungen.
M-Mode, 2-D-Echo
• Ventrikel-/Vorhofdilatation, eingeschränkte Ventrikelfunktion
(▶ Abb. 5.8):
– Morphologie: Kavumdurchmesser (LV, RV, LA, RA) ↑. Ventrikeldimen-
sionen der Endsystole (Norm: variabel, abhängig von systol. Wandverdi-
ckung) u. Enddiastole (Norm: LV 35–57 mm, RV 9–26 mm) als Ausgangs-
wert für Verlaufsuntersuchungen. Bei LV-Diameter (Systole) > 42 mm
LVEF < 50 %. LA-Dilatation in variablem Ausmaß (Norm: 19–40 mm).
Myokardwanddiameter (Kammerseptum u. posteriore freie Wand, Norm:
6–11 mm) variabel. ES-Abstand ↑ (Distanz E-Punkt der MK bis Kammer-
septum, Norm: < 8 mm). Nachweis intrakavitärer Thromben (v. a. LV-,
LA-Thromben).
– Funktion: hypokinetisches Bewegungsmuster aller Wandabschnitte bei
Ventrikeldilatation. Absolute systol. Wandverdickung u. Geschwindigkeit
dieser Wandverdickung nimmt ab. Segmental betonte Wandbewegungs-
störungen möglich.
• Verminderte Verkürzungsfraktion (FS, fractional shortening, Norm:
> 0,25): grobes, absolutes Maß der Ventrikelfunktion (Durchmesserverkür-
zung).
• Indirekte Zeichen einer verminderten LV-Funktion: MÖF ↓, MK-Exkursi-
onen ↓, EF-Slope der MK ↓, vorzeitiger MK-Schluss (PQ-AC-Intervall ↓),
AC-Strecke mit B-Schulter, Bewegungsamplituden der Aortenwurzel ↓, AÖF
↓ bei low output mit vorzeitigen Schließbewegungen.
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  309

IVS

Septum-E- Endsystolischer Enddiastolischer


Abstand Diameter Diameter
E

LVPFW

Abb. 5.8 M-Mode bei DCM. Dilatierter LV, dünnes Interventrikularseptum, ver-
größerter ES-Abstand, geringe Beweglichkeit der Mitralklappe [T125]

Doppler
Nachweis/Ausschluss einer MR, TR (▶ 5.4, ▶ 5.5, ▶ 5.10). Bei TR.: systol. PAP aus
cw-Doppler-Signal kalkulieren. 5
Echo-Techniken sind die nichtinvasiven Methoden der Wahl bei DCM. Sie
lassen keine od. nur eingeschränkte Aussagen zur Ätiol. zu, z. B. ist keine
Abgrenzung einer CMP bei KHK („ischämische Kardiomyopathie“) mög-
lich.

Magnetresonanztomografie
• Darstellung von Größe u. Funktion der Ventrikel.
• Mehr als 50 % der Pat. mit DCM zeigen Areale mit umfangreichen Fibrosie-
rungen (late enhancement) nichtkoronarer Ursache. Fleckförmige od. längli-
che mittmyokardiale Fibrose (v. a. basales Septum) wird als Korrelat eines ar-
rhythmogenen Substrats betrachtet (prognostisch bedeutsam).
• DD-Verfahren der Wahl zum Nachweis/Ausschluss einer floriden Myokardi-
tis.

Invasive Diagnostik
Indikation
Links-/Rechtsherzkatheteruntersuchung
• Linksherzinsuff. ungeklärter Genese. Ausnahme: Pat. mit extrem schlechtem
AZ u. schwere, die Prognose limitierende Begleiterkr.
• Ausschluss/Nachweis einer stenosierenden KHK (KHK als Begleiterkr. od.
Ursache der LV-Dysfunktion, sog. „ischämische CMP“).
• Bestimmung der aktuellen Hämodynamik vor HTX.
• Erstdiagn. einer DCM (umstritten).
• Rechtsherzkatheter (Swan-Ganz) mit Belastung zur Verlaufskontrolle.
310 5 Kardiomyopathien 

Endomyokardbiopsie
• Herzinsuff. seit < 2 Wo. ungeklärter Ätiol. (LV normal groß od. dilatiert),
• Herzinsuff. seit 2 Wo. bis 3 Mon. ungeklärter Ätiol., LV dilatiert, ventrikuläre
Arrhythmien od. AV-Block neu aufgetreten od. fehlendes Ansprechen auf
Ther. innerhalb von 1–2 Wo.,
• Abgrenzung einer DCM mit bekannter Ätiol. bei Hinweisen auf infiltrative
CMP bzw. spezifische Herzmuskelerkr. (Amyloidose, Hämochromatose, Sar-
koidose, Glykogenspeicherkrankheiten, M. Fabry, Karzinoid, hypereosino-
philes Sy., Endokardfibrose, Strahlenschäden, Kardiotoxizität von Zytostati-
ka, Herztumoren, RV-Lipomatose).
• Herzinsuff. mit V. a. entzündliche Genese („Myokarditis“ nach Klinik u. La-
bor: Zytomegalie, Toxoplasmose, Lyme-Karditis, Riesenzellmyokarditis, eosi-
nophile Myokarditis, lymphozytäre Myokarditis u. a.).
• Bei DD-Zweifelsfällen zwischen RCM u. DCM.
Technik der Herzkatheteruntersuchung
• Immer simultane Rechts- u. Linksherzkatheteruntersuchung.
• Swan-Ganz-Katheter im kleinen Kreislauf platzieren. HZV mittels Thermodi-
lutionsmethode bestimmen.
• Pigtail-Katheter im LV platzieren. Frühdiastol. sowie enddiastol. LV-Druck
bestimmen. Simultane Druckmessung des LV (via Pigtail) u. in PC (via Swan-
Ganz). Exakte PC-Druckkurve erforderlich (a-, v-Welle, x-, y-Tal). Katheter-
rückzug aus PC nach PA, RV u. RA.
• Nachweis/Ausschluss einer TR (RA-Druckkurve mit hoher v-Welle, Zunah-
5 me des y-Tals bei tiefer Inspiration).
• Bei hohen PAP: überprüfen, ob PAP fixiert ist. Applikation von 6 l O2 via
Maske über 10 Min. → Druck- u. HZV-Kontrolle. 0,8 mg NTG s. l. (ggf. wie-
derholen od. Nitro-Perfusor) → Druck- u. HZV-Kontrolle. Kalkulation von
SVR u. PVR vor u. nach Intervention. Wichtige Informationen bei geplanter
HTX!
• Angio (LV, evtl. Ao asc., evtl. RV, Koro).
Hämodynamik
Großer Kreislauf
• Aorta: systol. Druck n bis ↓, diastol. Druck n bis ↑, Druckamplitude n bis ↓,
Pulsus alternans, SO2 n bis ↓.
• LV: systol. Druck n bis ↓, früh-, enddiastol. Druck n bis ↑, Alternans-Mus-
ter, restriktives Druckmuster, pos. dP/dtmax ↓, neg. dP/dtmax ↓.
Kleiner Kreislauf
• PA: PC-Druck n bis ↑, v-Welle bei MR, systol. PAP n bis ↑, diastol. Druck n
bis ↑, mittlerer PAP n bis ↑, SO2 n bis ↓.
• RV: systol. Druck n bis ↑, EDP n bis ↑, pos. dP/dtmax ↓, neg. dP/dtmax ↓.
• RA: Mitteldruck n bis ↑, v-Welle bei TR.
• HZV: n bis ↓.
• SVR: n bis ↑.
• PVR: n bis ↑.
Befunde
• Ventrikeldruckkurven (RV ▶ Abb. 5.9) zeigen Triangelform (Prima-Vista-
Diagnose: träger Druckanstieg u. -abfall.).
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  311

• Gelegentlich Dip-Plateau-Muster in RV bzw. LV (▶ 5.1.3). Inkonstanter Be-


fund. „Restriktives Bild“ bei gestörter diastol. Funktion (DD: RCM, Pericardi-
tis constrictiva, Normalbefund bei Bradykardie).

mmHg Pulsus
alternans
50

RV

Abb. 5.9 RV-Druck bei DCM mit kongestivem Verlauf. Pulsus alternans als Aus-
druck einer fortgeschrittenen, ventrikulären Funktionsstörung [L157]

Angiografie
• Cine-Angio als essenzieller Teil der invasiven Diagnostik. Darstellung des LV
(RAO 35°, LAO 55°), evtl. des RV (p. a. u. laterale Projektion), in 2 Ebenen.
• Ventrikel in Enddiastole u. -systole vergrößert. Diffuse Hypomotilität. Um-
schriebene Hypo-, A- u. Dyskinesien möglich (imitieren das Bild einer KHK).
Nicht selten apikal gelegene KM-Aussparungen (parietale Thromben). Ven­
trikel auffällig globulär konfiguriert u. erscheinen bei fehlendem Trabekel- 5
werk wie ausgewalzt.
• Häufig MR (rel. MR), selten sehr ausgeprägt.
• Kalkulation typischer Indices aus dem Ventrikel-Angio: enddiastol.
Volumen(-index) ↑, endsystol. Volumen(-index) ↑, SV(-index) ↓, EF ↓.
• Koro: keine hämodynamisch relevanten arteriosklerotischen Stenosen. Weite,
gestreckte Gefäße, rarefiziertes Erscheinungsbild aufgrund der Ventrikeldila-
tation, verminderte Koronarbewegungen bei Ventrikelhypomotilität.

Therapie
Die Behandlung der symptomatischen DCM gleicht der Ther. einer myokardialen
Herzinsuffizienz. Ziel: symptomatische Besserung. Lebensverlängerung ist unge-
wiss (Ausnahme: HTX). Behandlung u. Prävention von KO.
Behandlungsgrundsätze
• Kardiotoxische bzw. -depressive Einflüsse wie Alkohol, Medikamente, An­
ämie, Tachykardie vermeiden.
• Kardiale Arbeitsbelastung vermindern, z. B. durch körperl. Schonung, häufige
Ruheperioden, Gewichtsabnahme. Es können alle Tätigkeiten unternommen
werden, die der Pat. asymptomatisch durchführen kann.
• Verminderte Wasser- u. NaCl-Aufnahme.
• Med./chirurgische Ther. nach funktionellem Status (NYHA).
Oft vernachlässigt: art. Hypertonie als kardiale Noxe. „Schlechter Ventrikel“
wird durch hohe Nachlast belastet. Einfache Diagn. u. Therapie. Ther.-Erfolg
garantiert.
312 5 Kardiomyopathien 

Konservative Therapie
Grundsätze (▶ 8.2.4).
• Bei NYHA IV: Ther. mit Sympathikomimetika (Dopamin, Dobutamin).
Günstig ist Komb. „pos. inotrope Substanz + Vasodilatator“, ebenso die inter-
mittierende Sympathikomimetika-Ther.: Dopamin/Dobutamin (Perfusor
250 mg/50 ml, 4 ml/h) über 4 h, dann 4 h Pause. Swan-Ganz-Katheter-Moni-
toring.
– Amrinon (▶ 11.1.3) ist selten erfolgreich. Wenn klassische Katecholamine
versagt haben, Ther.-Versuch als Ultima Ratio (Cave: Rhythmusstörun-
gen). Gleiches gilt für neue Katecholaminanaloga u. weitere PDE-Hem-
mer (▶ 11.1.3). Swan-Ganz-Katheter-Monitoring erforderlich.
– Komb. ACE-Hemmer mit einem vorwiegend venösen Vasodilatator
(NTG p. o., i. v. od. ISDN/ISMN) sinnvoll. Dosissteigerung klinisch kon­
trollieren, da tolerierte Dosen oft erstaunlich niedrig.
• Betablocker (▶ 8.2.4, ▶ 11.3.3), niedrig dosiert (z. B. Metoprolol
2–3 × 12,5 mg/d), v. a. bei Ruhetachykardie vorteilhaft. Engmaschig klinisch
kontrollieren; Gefahr der Dekompensation!
• Carvedilol (▶ 11.3.3) als nichtselektiver Beta- u. α1-Blocker: 1 × 3,125 mg bis
2 × 25 mg/d nach Verträglichkeit. RR-senkenden Effekt beachten. Reduktion
der Mortalität durch pos. Einfluss auf Pumpfunktion u. plötzlichen Herztod
(Carvedilol Heart Failure Study).
! DCM-Pat. (wie alle herzinsuffizienten Pat.) profitieren nicht zwangsläufig
von allen verfügbaren Pharmaka. Differenzierte Ther. nach Klinik! Cave: Ver-
schlechterung nach diuretischer Ther., Vorlast- od. Nachlastsenkung mög-
5 lich. Nicht jedes hörbare feuchte RG mittels Diuretika wegbehandeln! Gefahr
der kritischen Senkung der nötigen Vorlast. Aber: Eine auf Evidenzen basie-
rende Ther. (▶ Tab. 5.2) darf dem Pat. bei der prognostisch schlechten DCM
nicht vorenthalten werden.
• Antikoagulation (▶ 11.7): erhöhte Inzidenz venöser u. art. Thromben bzw.
Thrombembolien. 1⁄5–¼ aller Pat. erleiden fatale thrombembolische KO!
Quelle: LV, LA, Becken-, Beinvenen (Risiko durch Immobilisation, HZV ↓,
Ödeme, Diuretika, VHF). Großzügige Ind.-Stellung zur oralen Antikoagulati-
on bei Ventrikeldilatation u. EF < 25 %, bei VHF, Z. n. Embolie (systemisch,
pulmonalart.) u. bei phlebologischen Problempat. I. v. Antikoagulation bei
Immobilisation (z. B. prolongierte Rekompensationsphase).
! Antikoagulanzienbedarf bei DCM häufig niedrig (eingeschränkte Leberfunk-
tion bei Herzinsuff.).

Tab. 5.2 Therapie der DCM


Medikament NYHA I NYHA II NYHA III NYHA IV
ACE-Hemmer + + + +
Betablocker Nach MI bei +1 +1 +1
ohne ISA ­Hypertonie
Diuretika Evtl. bei Bei Flüssigkeitsretention +2 +2
­Hypertonie
Aldosteron­ – Bei Hypokaliämie + +
antagonist
Herzglykosid Bei VHF VHF; bei Symptomen trotz + +
ACE-Hemmer u. Diuretika
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  313

Tab. 5.2 Therapie der DCM (Forts.)


Medikament NYHA I NYHA II NYHA III NYHA IV
AT1-Rezep­ – Bei ACE-Hemmer-NW
torblocker
+ Indiziert; – Nicht indiziert.
1
 Nur bei stabilen Pat., einschleichend dosieren, engmaschige Kontrolle
2
 Meist Komb. von Schleifendiuretikum u. Thiazid (potenzierende Wirkung)

Antiarrhythmische Therapie
• Ventrikuläre Tachyarrhythmie: Ther. der Herzinsuff. ohne erwiesene antiar-
rhythmische Effekte. Bei symptomatischen ventrikulären Arrhythmien wie
anhaltende Kammertachykardien, Kammerflimmern, Überlebende eines
plötzlichen Herztods aggressive antiarrhythmische Ther. (▶ 7.11).
– Antiarrhythmika: limitiert durch neg. inotrope Wirkung u. nicht kalku-
lierbaren proarrhythmischen Effekt. Amiodaron (▶ 11.6.10) Mittel
1. Wahl. Pharmakologische Suppression der Arrhythmie ohne Aussage
hinsichtlich Rezidivfreiheit. Engmaschige Verlaufskontrolle (Rhythmus-
profil mittels Langzeit-EKG, Klinik, Echo). Programmierte Ventrikelsti-
mulation zur Ther.-Kontrolle nicht zuverlässig (Nichtauslösbarkeit ventri-
kulärer Tachyarrhythmien identifiziert keine „Low-Risk“-Gruppe). Lang-
zeit-EKG sensitivste Kontrollmethode.
– ICD: entwickelt sich zum effektivsten antiarrhythmischen Prinzip. Indi-
ziert bei anhaltenden ventrikulären Tachyarrhythmien, Kammerflimmern
u. Überlebenden des plötzlichen Herztods. 5
– Antiarrhythmische Chirurgie: nur in Ausnahmefällen, da hohes Risiko bei
schlechter LV-Funktion. HTX als Ultima Ratio der antiarrhythmischen Ther.
• VHF: aus hämodynamischen Gründen Rhythmisierung anstreben (bei VHF
< ½ J. ▶ 7.7.6):
– Bevorzugt DC-Kardioversion (50 J, bei Erfolglosigkeit 100–300 J). Bei
Vorhofflattern od. atrialen Tachykardien: Overdrive-Stimulation.
– Med. Kardioversion (▶ 7.7.6).
! Keine jahrelange Rezidivprophylaxe mit Chinidin od. anderen Antiarrhyth-
mika (Ausnahme: Amiodaron). Pat. leben mit Sinusrhythmus, dafür aber
kürzer (proarrhythmische Effekte)!
Chirurgische Therapie
HTX (▶ 8.6) bei med. nicht behandelbarer DCM. Verbesserung der Prognose
quoad vitam gesichert (1-JÜR: 80 %, 5-JÜR: 50 %). In Ausnahmefällen mechani-
sches Assist-System in der Wartezeit auf Transplantat od. als definitive Ther. (de-
stination therapy).

Durch eine konsequente med. Ther. kann die Prognose quod vitam bei guter
Lebensqualität verbessert werden. Eine HTX ist so für einen Teil der Pat. nicht
anzustreben u. nicht erforderlich. Häufigster Fehler: inkonsequente kons. Ther.

! Pumlonalvaskulärer Widerstand häufig limitierend für orthotope Transplan-


tation. Nachweis einer Reagibilität des kleinen Kreislaufs (PAP-Senkung un-
ter O2-Gabe u. Vasodilatatoren ▶ 11.4). Obergrenze < 6 WE (Norm:
< 1,5 WE) = 480 dynes × s × cm–5 (Norm: 20–130 dynes × s × cm–5) bei kör-
perl. Ruhe. Bei fixiertem PAH evtl. heterotope HTX.
314 5 Kardiomyopathien 

Richtlinien bei operativen Eingriffen


• Elektiveingriffe in bestmöglichem kardialem Zustand.
• Bei Narkoseeinleitung → Änderung von Vor-/Nachlast → Gefahr kritischer
Hypotensionen. Gefahr größer bei diuretikavorbehandelten, hypovolämi-
schen Pat.
• Ein- u. Ausfuhr bilanzieren. Bei beatmeten Pat. Kongestion (bis Lungen-
ödem) spät erkennbar. Nicht jede Hypotonie mit unkritischer Volumengabe
beantworten. SO2-Monitoring (art., gemischt-venös), ggf. Swan-Ganz-Moni-
toring.
• Tachykardien (Sinus- od. VHF) durch Schmerz, ungenügende Narkosetiefe,
exogene Katecholaminzufuhr, Beatmungsprobleme, Volumenmangel od.
-überschuss u. Anämie meiden. Keine symptomatische antitachykarde Ther.
mit Digitalis, Verapamil od. Betablockern!
• Früh postop. intensive Überwachung (Infusionsther. wird häufig unkontrol-
liert weitergeführt). Verlegung auf Allgemeinstation erst in stabilem Zustand
(Anämieausgleich, Ein-/Ausfuhr-Bilanz, Oxygenierung, Säure-Basen-Haus-
halt). Rö-Thorax-Kontrollen, da Kongestion mitunter erst Stunden nach der
Extubation.
• Präop. Digitalisierung: aus Inotropiegründen nicht indiziert, nur aus antiar-
rhythmischer Ind. (VHF mit hohen Ventrikelfrequenzen). Cave: Nicht alle
Tachykardien bei VHF sind Folge ungenügender Digitalisierung (s. o.).
• Periop. Vormedikation weiterführen. Ggf. Umsetzen u. i. v. Gabe.
Marcumar®-Ther. präop. beenden. Zum Timing Rücksprache mit Chirurgen
(OP ab Quick 45–50 % möglich). Bei absoluter Ind. für eine Antikoagulation
5 i. v. Heparin nach PTT. Heparinzufuhr 3 h präop. stoppen, Wiederaufnahme
so früh wie möglich. Postop. Phase der Immobilisation = Phase erhöhter
Thrombemboliegefährdung.
• Periop. E’lyte kontrollieren u. ausgleichen (Na+, K+, Cl–, Ca2+, Mg2+, HCO3–,
Krea).
• Passagerer SM: indiziert bei fakultativ trifaszikulärem Block (auch LSB + AV-
Block I° > 250 ms); nur LSB ist keine Indikation. Applikation unmittelbar
präop., Entfernung früh postop. Meist reicht eine Einführungsschleuse für
SM-Elektrode.
• Postop. Probleme sind chirurgisch u. internistisch. Begleit- u. Folgeerkr. nicht
vergessen (Leber-, Nierenfunktionsstörungen, Pneumoniegefährdung).

Natürlicher Verlauf
• Dauer des präsymptomatischen Intervalls ist unbekannt.
• Grundsatz: je ausgeprägter die LV-Funktionseinschränkung (LV-Volumina,
EF, LVEDP, PAP), desto schlechter die Prognose. Weitere Indikatoren einer
schlechten Prognose sind intraventrikuläre Erregungsausbreitungsstörungen
im EKG, atriale u. ventrikuläre Arrhythmien, Alter des Pat., CTR im Rö-Tho-
rax, CI, PAH, Krea, Serum-Na+, NT-proBNP, Hypotonie, Diuretikadosis u. a.
• Kumulative Letalität: 1 J. 25 %, 5 J. > 60 % (Letalität 10–20 %/J.). Verlauf i. d. R.
chron. progredient mit variabler Geschwindigkeit. Nur < ¼ verbleiben stabil
od. bessern sich. Todesursache: ca. 50 % progrediente, unbehandelbare Herzin-
suff., ca. 25 % plötzlicher Herztod, ca. 25 % fatale KO (v. a. Thrombembolien).
• Besonderheit bei Kindern: rascher, fataler Verlauf bei DCM, die auf kons.
Ther. nicht anspricht. Bei kons. stabilisierbarer DCM zunehmende Heilungs-
tendenz mit günstiger Langzeitprognose (unbekannter Anteil postmyokardi-
tischer Zustände).
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  315

5.1.3 Restriktive Kardiomyopathie (RCM)

Leitbefunde
• Klinischer Leitbefund: Herzinsuff.
• Nichthypertrophierter, nichtdilatierter Ventrikel.
• Gestörte diastol. Funktion: Behinderung (Restriktion) der Ventrikelfül-
lung. Meist erhaltene systol. Funktion.
• Diskrepanz zwischen Herzgröße u. Ausmaß der Herzinsuff. charakteris-
tisch für RCM.

! Myokardiale Form: fibrotische Infiltration des Myokards, beide Ventrikel be-


troffen.
! Endokardiale Form: Endokardverdickung mit RV- od. LV-Betonung, v. a.
Einflusstrakt u. Apex. Kavumobliteration durch Thromben u. Fibrose, Klap-
penbeteiligung (MR, TR), fibrotische Infiltration des Subendokards.
! Kombinierte Form am häufigsten. Myokardiale Form zeigt meist endokardia-
le Beteiligung u. umgekehrt.
Seltenste idiopathische Form der CMP in unseren Breiten (< 5 %; Frauen : Män-
ner 2 : 1). Endokardfibrose ohne Eosinophilie in den Tropen mit hoher Prävalenz
(häufiger Männer). Ätiologisch ungeklärte Myokarderkr. mit diffuser endomyo-
kardialer Fibrose, die einen od. beide Ventrikel betrifft u. diastol. Ventrikelfüllung
behindert. Meist Beteiligung der AV-Klappen, die Ausflusstraktregion bleibt aus-
gespart. In fortgeschrittenen Fällen typische Kavumobliteration der Ventrikel.
Formen: 5
• idiopathische Myokardfibrose,
• Endokardfibrose mit Eosinophilie (nichttropische Endokardfibrose = Löffler
eosinophile Endomyokarderkr. = Endocarditis parietalis fibroplastica, hyper-
eosinophiles Sy. v. a. in Äquatorialafrika).
• Endokardfibrose ohne Eosinophilie (tropische Endokardfibrose).
Einteilung nach Ätiol.:
• Idiopathische RCM
• Familiäre genetische RCM
– Sarkomer-Protein-Mutationen
– Familiäre Amyloidose
– M. Fabry
– Hämochromatose
– Glykogenspeicherkrankheiten
– Pseudoxanthoma elasticum
• Spezifische RCM (spezifische Herzmuskelerkr.)
– AL-Amyloidose (Leichtketten)
– Senile Amyloidose
– Sarkoidose
– Sklerodermie
– Nach Radiatio
– Endomyokardfibrose
– Karzinoid, metast. Malignom
– Medikamentös (Methysergid, Busulfan, Anthracyclin)
316 5 Kardiomyopathien 

Symptome
• Belastungsdyspnoe, rasche Ermüdbarkeit, Ödeme, typische/atypische A. p.
• Biventrikuläre Herzinsuff. (▶ 8.2) v. a. bei myokardialer Form. Meist domi-
nierende Rechtsherzinsuff.
• Links- od. Rechtsherzinsuff. (▶ 8.2) v. a. bei endokardialer Form.
• Herzinsuff. als Kongestion: diastol. Füllungsbehinderung → pulmonale Kon-
gestion, Hepatomegalie, Aszites, Beinödeme. Inadäquate HZV-Steigerung bei
Belastung (Tachykardie verkürzt diastol. Füllung, die bereits gestört ist).
• Häufig Regurgitationsvitien (MR u./od. MR). Selten klinisch führend.
• Thrombembolische KO als Erstmanifestation (Ventrikelthromben typisch für
RCM!).

Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Auf Merkmale der Herzinsuff. achten (typische Stauungsherzinsuff. mit Seitenbe-
tonung re > li, li > re).
• Inspektion: Jugularvenendistension, pos. Kussmaul-Zeichen (▶ 5.1.3), v-
Welle bei TR, inspiratorisch akzentuiert (Carvallo-Zeichen ▶ 6.7), prominen-
tes y-Tal, Aszites, Ödeme, periphere Zyanose.
• Palpation: unspezifischer Apeximpuls, evtl. palpabler P2 des 2. HT.
• Auskultation: 1. HT eher leise, P2 des 2. HT akzentuiert, 4. u./od. 3. HT, MR-
Geräusch (▶ 4.4.3), TR-Geräusch (pos. Carvallo-Zeichen ▶ 6.7).
• Labor: fakultativ mäßiggradige Bluteosinophilie bei M. Löffler.
5 EKG
Häufig abnorm, kein pathognomonischer Befund, QRS-Veränderungen („Hyper-
trophie“ od. Niederspannung), atriale/ventrikuläre Arrhythmien, intraventrikulä-
re Erregungsausbreitungsstörungen (unspezifisch bis Schenkelblock), ST-T-Ver-
änderungen.
Röntgen-Thorax
• Bei dominierender LV-Manifestation: mäßige li-seitige Herzvergrößerung,
LA-Dilatation, pulmonale Kongestion, Pleuraerguss, LV-Apex mit endokar-
dialer Kalkdeposition.
• Bei dominierender RV-Manifestation: oft massive Herzverbreiterung (RA ↑,
Perikarderguss), kleiner Pleuraerguss, minderperfundierte Lungen. Kalkde-
positionen des RV-Apexendokards möglich.
Echokardiografie
• Endokardiale Verdickung mit Obliteration des Ventrikelkavums, bevorzugt
in Einflusstrakt u. Ventrikelapex (▶ Abb. 5.10). Ausflusstrakt typischerweise
ohne Endokardverdickung.
• Häufig Ventrikelthromben.
• Verdickte MK u. TK. Nachweis einer MR u. TR. Dilatation von LA u. RA. PK
u. AoK unauffällig.
• Systol. Wandbeweglichkeit regelrecht. Kontrast zum klinischen Bild der Stau-
ungsherzinsuff.
• Bei RV-Beteiligung (häufigste Form: biventrikulär) paradoxe Septumbewe-
gung. Abrupte Septumbewegungen bei behinderter Ventrikelfüllung
(▶ Abb. 5.11). Dokumentation des pathol. Füllungsmusters mittels Doppler.
• Häufig geringer Perikarderguss.
• Doppler-Befunde:
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  317

– Hohe E-Welle, kleine A-Welle → E/A > 2.


– E’ im Gewebe-Doppler septaler Mitralanulus ↓ < 7 cm/s (DD zu Kon­
striktion: E’-Geschwindigkeit meist normal).
– Kurze Dezelerationszeit der E-Welle.
– Farb-M-Mode des Mitraleinstroms: initialer, frühdiastol. Füllungsfluss ist
vermindert.
• Pulmonalvenenfluss: Abnahme in Systole, Zunahme in Diastole.

LV

RV

RA

Abb. 5.10 2-D-Echo bei RCM. Obliteration des apikalen Bereichs von LV u. RV
durch Fremdmassen [T125]
5

RV

LV

Abb. 5.11 M-Mode bei RCM. Paradox bewegliches Interventrikularseptum.


­Diastol. abrupte Dorsalbewegung mit Übergang in die Horizontale (entspricht
Plateau im Druckverlauf) [T125]

Computer-/Magnetresonanztomografie
• Überragender Wert zum Ausschluss einer Perikardverdickung (DD zur Pericar-
ditis constrictiva). Apikale Kavumobliteration im CT/MRT als hypodense Masse.
318 5 Kardiomyopathien 

• Weitere differenzierte Ventrikeldiagn. durch MRT (beste nichtinvasive Me-


thode zur DD RCM u. Pericarditis constrictiva). Durch MRT wertvolle Zu-
satzinformation zur DD sämtlicher Myokarderkr. (ARVD, Endokardfibrose,
Myokarditis, Amyloidose, Sarkoidose).

Invasive Diagnostik
Indiziert bei jedem V. a. RCM. Ziele u. Ind. der invasiven Diagn.:
• Unterscheidung zwischen Restriktion u. Konstriktion.
• Objektivierung des Ausmaßes der diastol. Funktionsstörung.
• Präop.
• Endomyokardbiopsie:
– Falls Herzkatheteruntersuchung u. nichtinvasive Verfahren keine Unter-
scheidung zwischen RCM u. Pericarditis constrictiva erbringen. Ind. um-
stritten, da Endokardmassen häufig nicht biopsierbar. Falsch neg. Befunde
unkalkulierbar häufig. Mobilisation intrakavitärer Thromben möglich.
– V. a. Myokardspeicherkrankheit.
Technik
Simultane re- u. li-seitige Herzkatheteruntersuchung.
• Druckmessung in PC, PA, RV, RA u. LV.
• Simultane Druckregistrierung in RV u. LV (in Ruhe u. unter Volumenbelas-
tung).
• Druckregistrierung in der Ao bei tiefer In- u. Exspiration (Pulsus paradoxus).
Druckregistrierung in der V. subclavia od. V. jugularis (extrathorakal) bei tie-
5 fer In- u. Exspiration (Kussmaul-Zeichen ▶ 7.7).
• Dextrokardiografe in p. a. u. lateraler Projektion. Lävokardiografie in 35°
RAO u. 55° LAO.
Hämodynamik
• Ventrikeldruck: „Dip-Plateau“-Muster, „Square-Root“-Zeichen (▶ Abb. 5.12,
▶ Tab. 5.3). LVEDP und RVEDP erhöht, wobei LVEDP > RVEDP (DD zur
Pericarditis constrictiva: LVEDP =
RVEDP). Plateau des diastol. RV-
EKG
Drucks < 1⁄3 des systol. RV-Drucks
(DD Pericarditis constrictiva: dias-
tolisches Plateau > 1⁄3 des systol. mmHg
100
RV-Drucks).
• Atrialer Druck (▶ Abb. 5.13): Mit-
LV
teldruck erhöht. Prominentes y-Tal
gefolgt vom raschen Druckanstieg
zum Plateau. Abfall zum x-Tal steil.
M- od. W-Muster der atrialen 50
RV
Druckkurve: Hohe a- u. v-Wellen,
tiefe x- u. y-Täler; meist a = v.
• PAP: häufig > 50 mmHg (DD Peri-
carditis constrictiva: meist normale „square root“
PAP). 0
• Isolierte RV-Beteiligung: normale Dip Plateau
PAP. Pathognomonisches Bild: dia-
stol. Plateau von RA, RV u. PA Abb. 5.12 RV- u. LV-Druck bei RCM.
(▶ Tab. 5.3), d. h. diastol. identische Dip-Plateau-Muster („square root“) in
Drücke („Drucktransmission in ei- beiden Ventrikeln [L157]
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  319

ner starren Röhre“). PA-, RV- u. RA-Druck gleichen sich formal (keine typi-
sche art. PA-Kurve). RV erreicht nicht das Nullniveau in der frühen Diastole
(DD zur Pericarditis constrictiva).
• Kussmaul-Zeichen (inspiratorischer Anstieg des ZVD) bei RCM u. auch
bei Pericarditis constrictiva (▶ 6.7, ▶ Tab. 5.3). Pulsus paradoxus (inspirato-
risch Abnahme des art. Drucks) im Vergleich zur Konstriktion gering aus-
geprägt.

EKG
mmHg
40

a
v

20 c

x
RV RA
5
0

Abb. 5.13 Druckverlauf in RV u. RA bei RCM. Dip-Plateau-Muster u. tiefe Druck-


täler (x, y) des atrialen Drucks [L157]

Tab. 5.3 Differenzialdiagnose der hämodynamischen Befunde


Parameter Perikardtamponade Pericarditis RCM
­constrictiva

Perikarderguss + – –

Perikardverkalkung – + –

Pulsus paradoxus + (+) –

Kussmaul-Zeichen – + +

Gleiche diastol. Drücke + + –

Dip-Plateau – + +

LVEDP/RVEDP LVEDP = RVEDP LVEDP = RVEDP LVEDP > RVEDP

Ratio RV-Plateau/Systole > 1⁄3 < 1⁄3

PAP 35–50 < 50 > 50

RA-Druckkurve, formal X od. Xy XY od. xY XY od. xY


320 5 Kardiomyopathien 

Angiografie
• Ventrikulogramm (RV, LV): kleine Ventrikel, apikal auffällig abgerundet,
globulär konfiguriert. Ventrikelspitze erscheint abgeschnitten, da vollstän-
dig mit fibrotischen Massen u. Thromben obliteriert. Lakunäre KM-Depots
bei RV-Beteiligung. KM-Aussparungen können Fibrose od. Thromben
entsprechen (Cave: Emboliegefahr!). RVOT, LVOT kontrastieren regel-
recht.
• Ventrikelgesamtfunktion (EF) ist normal (Ausnahme: Endstadium).
• MR u. TR (oft schwer), dilatierte Atria.
• Koronarien unauffällig.
Therapie
• Kons. Ther.: geringe Erfolge.
– Diuretika (niedrig dosiert) von partiellem Nutzen. Gefahr der Hypovol­
ämie mit kritischer Reduktion der Vorlast. Als Basismaßnahmen NaCl- u.
Flüssigkeitszufuhr einschränken.
– Antikoagulation (▶ 11.7) bei Thrombusnachweis, VHF od. Z. n. Embolie.
– Digitalis (ausgenommen bei VHF) ineffektiv.
– Ther. der Grundkrankheit bei spezifischer RCM (Ther. der Eisenüberla-
dung, Enzymersatz bei M. Fabry, Ther. der Amyloidose).
– Bei ausgeprägter Eosinophilie u. Nachweis einer eosinophilen Leukämie
onkologische Ther. (Methotrexat, Cyclophosphamid).
• Chirurgische Ther.: Endokarddekortikation, MK-, TK-Ersatz od. -Plastik.
Bei hoher OP-Letalität (15–25 %) gute klinische u. hämodynamische Ergeb-
5 nisse. Insgesamt begrenzte Erfahrungen bei der seltenen Erkrankung.

Differenzialdiagnose
Pericarditis constrictiva (akut, subakut, chron.), Perikardtamponade, Ebstein-
Anomalie. Spezifische Herzmuskelerkr. mit restriktiver Hämodynamik wie Amy-
loidose, Hämochromatose, Sarkoidose, Sklerodermie, Pseudoxanthoma elasti-
cum, M. Fabry, M. Gaucher, endokardiale Fibroelastose, Neoplasma, Karzinoid,
Strahlenschaden.

Verlauf
Rel. langes präsymptomatisches Intervall. Nach erster klinischer Manifestation
chron. progredienter Verlauf. Schlechte Prognose bei fortgeschrittenen Erkr.
(2-J.-Letalität: 50 %).

5.1.4 A
 rrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
(ARVC)/Dysplasie (ARVD)

Leitbefunde
• Junger Pat. mit Palpitationen, unklarer Synkope od. pötzlichem Herztod
(„Herz-Lungen-Wiederbelebung bei sportlicher Aktivität“).
• Hauptkriterien:
– RV-Dilatation, Reduktion der RV-EF, regionale RV-Akinesien od.
-Dyskinesien (Aneurysmen), regionale RV-Dilatation,
– fibrolipomatöser Ersatz des Myokards in Biopsie u./od. MRT,
– familiäre Erkr. (gesichert durch Sektion od. OP).
 5.1 Primäre Kardiomyopathien  321

• Nebenkriterien:
– EKG-Veränderungen (s. u.),
– LSB-konfigurierte Kammertachykardie, große Häufung an VES,
– Familienvorgeschichte einer ARVC, klinisch diagnostiziert.
Diagnose sicher bei 2 Hauptkriterien od. 1 Haupt- u. 2 Nebenkriterien od.
3 Nebenkriterien.

Arrhythmogene RV-Erkr. (Syn. RV-Dysplasie) ist ein seltenes Sy. der Adoleszenz
u. des frühen Erw.-Alters. Typisch ist ein partieller od. kompletter Ersatz des RV-
Myokards durch Fett u. fibröses Gewebe, die Lokalisation ist vorwiegend im sog.
Dysplasie-Dreieck zwischen lateraler RV-Spitze, RV-Infundibulum (Einfluss-
trakt) u. RVOT. Folge ist eine Dilatation des RV mit systol. Dysfunktion u. den
klinischen Zeichen der Herzinsuffizienz. Ätiol. nicht bekannt. Eine pos. Familien-
anamnese besteht in 30–50 %, insgesamt 6 Gendefekte konnten identifiziert wer-
den (ein spezifischer diagn. Gentest besteht nicht). Genetische Heterogenität,
meist autosomal-dominanter Erbgang mit inkompletter Penetranz. Ein Großteil
der plötzlichen Herztodesfälle junger Erw. (und insbes. bei Sportlern) wird auf die
ARVC zurückgeführt.

Klinik u. Symptome
• Manifestation vorwiegend um das 30. LJ., Männer : Frauen = 3 : 1.
• Symptome: Palpitationen, unklare Synkopen, plötzlicher Herztod.
• Seltener klassische Herzinsuff.-Symptome (Belastungsdyspnoe, A. p., periphe-
re Ödeme, Stauungshepatitis od. -gastropathie). 5
Nichtinvasive Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Keine pathognomonischen Befunde, evtl. Zeichen der Rechtsherzinsuff.
EKG
Verbreiterung des QRS-Komplexes (bis Schenkelblock) u./od. T-Negativierungen
in re-präkordialen Abl. (bis V3), Epsilon-Potenzial nach dem QRS-Komplex in
20 %, steil- bis re-typische elektrische Achse in der Frontalebene. Normales Ruhe-
EKG schließt eine ARVC nicht aus! Spätpotenziale im Signalmittlungs-EKG bei
2
⁄3. Evtl. Arrhythmien im Belastungs-EKG (bis VT).
Typische Arrhythmie ist eine Kammertachykardie mit LSB-Muster.
Echokardiografie
RV-Dilatation, segmentale Wandbewegungsstörungen des RV, vermehrtes Tra-
bekelwerk des RV nur bei morphologisch ausgeprägten Fällen nachweisbar, seg-
mentale Sakkulationen.
Magnetresonanztomografie
Nachweis einer RV-Dilatation mit Hypokinesie von RV-freier Wand, Apex u.
RVOT. Fettige Degeneration von Myokardwandabschnitten kann sehr sensitiv
erfasst werden u. ist pathognomonisch, aneurysmatische Aussackungen.

Invasive Diagnostik
• Myokardbiopsie zur Gewebecharakterisierung gilt als Goldstandard: Nach-
weis eines fibrolipomatösen Ersatzes des RV-Myokards. Cave: Nur der pos.
322 5 Kardiomyopathien 

Befund ist diagn. verwertbar! Biopsie aus „triangle of dysplasia“ empfohlen


(freie RV-Wand-Apex-RVOT). Immunhistochemie essenziell (Verminde-
rung des Plakoglobins). Gefahr der Fehlinterpretation bei Biopsie in nichter-
krankten RV-Bereichen.
• EPU: indiziert bei ARVC, wenn als Ther.-Option eine Ablationsbehandlung
angestrebt wird. I. d. R. lassen sich die spontan auftretenden Tachykardien
auslösen u. ihren Ursprungsort charakterisieren. In > 80 % monomorphe VT
induzierbar, in ∼ 70 % mehr als eine VT-Morphologie. Pat. mit auslösbaren
VT haben ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod (EPU zur Risi-
kostratifizierung).

Therapie
• Ther. der Rechtsherzinsuff., falls nach klinischen Kriterien erforderlich.
• Ther. bei Kammerarrhythmien: Betablocker od. Amiodaron. Bei pos. Famili-
enanamnese für plötzlichen Herztod od. Nachweis maligner ventrikulärer
Arrhythmien od. nach erfolgreicher Reanimation Implantation eines ICD.
ICD primärprophylaktisch bei induzierbaren VT, nicht anhaltenden VT im
Langzeit-EKG, ausgeprägten morphologischen Veränderungen des RV, un-
geklärten Synkopen. Insgesamt großzügige Ind.-Stellung bei gesicherter Dia­
gnose, zusätzlich Betablocker u. ACE-Hemmer. Die Möglichkeit einer Kathe-
terablation des arrhythmogenen Fokus sollte untersucht werden. Auch bei er-
folgreicher Ablation wird wegen der unbekannten Rezidivneigung eine ICD-
Implantation erforderlich sein (diffuse Ausbreitung u. progrediente
Veränderungen des arrhythmogenen Substrats).
5
Differenzialdiagnose
Uhl-Erkrankung
Vollständige fettige Degeneration der gesamten RV-Wand (bei ARVC fokale De-
generation), teils papierdünne RV-Wand, teils auch vermehrte apoptotische Akti-
vität in anderen Organen (Knochenmark). Klinische Symptomatik ähnelt der
ARVC, Rechtsherzinsuff. allerdings ausgeprägter u. häufig therapieresistent. Ther.
wie ARVC, bei intraktabler Herzinsuff. HTX als Option.
Weitere DD: RV-Myokarditis, DCM, idiopathische RV-Tachykardie.

5.1.5 Non-Compaction-Kardiomyopathie
„Unklassifizierte CMP“. Ursache nicht bekannt, familiäre Häufung in ca. 40–50 %.
Häufiger bei Männern, Diagnose in jedem Lebensalter möglich. Aufgelockerte,
schwammartige Myokardtextur, ausgeprägte LV-Trabekularisierung, tiefe inter-
trabekul. Recessus (Sinusoide) mit Verbindung zum LV-Kavum (= gestörte Myo-
kardmorphologie mit Persistenz embryonaler Strukturen).

Symptome
Herzinsuff., Arrhythmien, Thromboembolien, A. p., Synkopen.

Diagnostik
• EKG: unspezifische ST-T-Veränderungen, AV-Leitungsstörungen, Arrhyth-
mien.
• Echo: ausgeprägte Trabekularisierung des LV, tiefe intertrabekuläre Recessus
mit Verbindung zum LV-Kavum (Farbdoppler!). Myokard erscheint zweila-
 5.2 Sekundäre Kardiomyopathien  323

gig: dünne, kompakte epikardiale Schicht; dicke, nichtkompakte endokardiale


Schicht (Dickenverhältnis 1 : 2). Prädikationsstellen apikal, mittventrikulär
lateral u. inferior. EF oft vermindert. Weitere kardiale Anomalien müssen
ausgeschlossen sein. Screening Verwandter 1. Grads.
• MRT: sehr gute Darstellung der dünnen, kompakten u. dicken, nichtkompak-
ten Schicht.

Therapie
Herzinsuff.-Ther., therap. Antikoagulation zumeist indiziert, primärprophylak-
tisch ICD-Implantation als Einzelfallentscheidung.

5.1.6 Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
Stressinduzierte CMP, apical ballooning (▶ 3.6.5).

5.2 Sekundäre Kardiomyopathien


Leitbefunde
Die spezifischen Myokarderkr. imitieren morphologisch die klassischen CMP:
hypertrophe, dilatative, restriktive, kombinierte Formen. Häufig Nachweis
entzündlicher Infiltrate. Grenze zur „Myokarditis“ nichtinfektiöser Genese oft
fließend.
5
Spezifische Herzmuskelerkr. mit bekannter Ätiologie. Bei bekannter systemischer
Grundkrankheit oft spezifische Ther. u. präventive Maßnahmen möglich. Hier
sind lediglich die wichtigsten sek. Herzmuskelerkr. unserer Breiten aufgeführt.

5.2.1 Hypertrophe Formen


• Idiopathische HCM (▶ 5.1).
• Friedreich-Ataxie: rezessiv vererbte degenerative Erkr. der Hinterwurzeln u.
Hinterstränge des Rückenmarks („neuromuskuläre“ Erkr.). Häufig mit HCM
assoziiert (genetisch determinierte Koinzidenz?). Klinik, Diagn. u. Morpholo-
gie wie bei HCM (▶ 5.1.1).
• Lentiginosis, Neurofibromatose Recklinghausen: Nävuserkrankung. Häufige
Entwicklung einer HCM mit typischer Klinik u. Befunden. Myo- u. epikardi-
ale Fibrome, erworbene fibromuskuläre Stenose von RVOT/LVOT (typisches
Bild der HOCM).
• Hyperthyreose: Myokardhistologie kann HCM gleichen. Hypertrophieent-
wicklung (mäßiggradig), nach Normalisierung der Stoffwechsellage reversi-
bel.
• Akromegalie: Kardiomegalie. Ausgeprägter als die generalisierte Viszerome-
galie. Ätiol.: direkte Hormonwirkung u. art. Hypertonie. Häufig entzündliche
Myokardinfiltrate.
• Diab. mell.: Neugeborene diabetischer Mütter weisen in > 50 % eine Kardio-
megalie auf. Formen:
– HOCM- od. HNCM-ähnliche Hypertrophien,
– DCM mit komplikationsträchtigem Verlauf,
– transiente, voll reversible Form.
324 5 Kardiomyopathien 

• Phäochromozytom: hypertrophe u. dilatative Komponente (Katecholamin-


toxizität, „Katecholamin-Myokarditis“). Klinisch dominieren extrakardiale
Katecholamineffekte.
• Speicherkrankheiten:
– Glykogenose Typ II Pompe: autosomal-rezessiv vererbt. Myokardhyper-
trophie durch Ablagerung strukturell normalen Glykogens. Bild gleicht
der HCM. Unterscheidung durch Endomyokardbiopsie.
– M. Fabry: X-chromosomale Lipidspeicherkrankheit. Akkumulation von
Glykosphingolipiden im Myokard. Myokardhypertrophie gleicht HCM.
Diagnose durch Biopsie, spezifische Ther. durch Enzymsubstitution mög-
lich.

5.2.2 Dilatative Formen


Idiopathische CDM (▶ 5.1.2).

Infektiös-entzündliche Erkrankungen
Myokarditis (▶ 6.4) kann Vorläufer einer DCM sein. Z. B. Verlauf einer akuten
viralen Myokarditis unter dem Bild einer DCM od. „chron. CMP als ausgebrann-
tes Stadium einer viralen Myokarditis“. Schlussfolgerung nur erlaubt bei zeitli-
chem Bezug zu einer akuten viralen Erkr. (häufig Infekte der Luftwege) u. anhal-
tend verminderter Belastbarkeit nach viralem Infekt. Ebenfalls bei erhöhten vira-
len AK u. persistierenden Echo- (Dilatation, Ventrikeldysfunktion) u. EKG-Ver-
änderungen (LSB, ST-T-Veränderungen, Arrhythmien). Konzept noch
5 kontrovers diskutiert, da meist diagn. Lücken (Anamnese vage, Histologie fehlt
im Verlauf, keine viralen AK-Titer od. -Titerverläufe). Dennoch: häufiges klini-
sches Problem, komplette Diagn. erforderlich.

Toxische Einflüsse
Zahlreiche bekannte toxische Noxen als Ursachen einer dilatativen Herzmuskel­
erkr.: Infekt, Medikamente (Amphetamin, Phenothiazin, trizyklische Antide-
pressiva, Adriamycin/Doxorubicin, Bleomycin, Cyclophosphamid, Methyser-
gid, Katecholamine, Emetin, Chloroquin, Lithium, Paracetamol, Reserpin,
Vit. D, Kortikosteroide). Alkohol, Elemente (Kobalt, Arsen, Antimon, Blei,
Phosphor, Quecksilber), CO, Tetrachlorkohlenwasserstoffe, Schlangengifte, In-
sektengifte.
! Diagn. Crux: Möglichkeit der Koinzidenz einer idiopathischen CMP. Multi-
faktorielle Genese der klassischen DCM (zahlreiche, auch unterschwellige
Noxen, jedoch uniformes Erscheinungsbild als DCM).
Alkoholische Kardiomyopathie
Ca. 80 % aller DCM-Bilder sind mit Alkoholabusus assoziiert. Oft unbekannt: Al-
kohol als präzipitierender Faktor einer klassischen DCM od. einzige ätiologisch
wirksame, toxische Noxe. Klinik u. Diagn. gleichen der DCM. Absolute Alkohol-
menge u. Dauer des Abusus von untergeordneter Bedeutung. Häufig weitere kar-
diovask. Erkr. (art. Hypertonus, KHK). Absolute Alkoholabstinenz als einzige
kausale Ther., Vit.-B-Gaben u. klassische Herzinsuff.-Behandlung als Begleitthe-
rapie. Ohne Abstinenz schlechte Prognose: 40 %-Letalität in 3 J.
! Die alkoholische CMP ist das typische Beispiel einer potenziell reversiblen
Herzmuskelerkr. (Ausnahme: Endstadien).
 5.2 Sekundäre Kardiomyopathien  325

Anthrazyklin-Kardiomyopathie
Adriamycin, Doxorubicin, Daunorubicin. In bis zu 20 % von klinischer Bedeu-
tung. Akute, subakute (unabhängig von kumulativer Dosis) u. chron. (dosisab-
hängig!) Formen:
• Akute Form (Frühform): Symptome in den ersten Stunden nach Applikation.
Sinusarrhythmien, supraventrikuläre, ventrikuläre Arrhythmien, AV-Lei-
tungsstörungen, ST-T-Hebungen od. akute MI-Muster. Einschränkung der
Pumpfunktion, Restitutio nach Tagen.
• Subakute Form: innerhalb von Wochen nach 1. od. 2. Applikationszyklus.
Toxische Myokarditis, Perikarditis mit akuter Herzinsuffizienz. Häufiger bei
älteren, kardial vorerkrankten Pat. Fataler Verlauf droht!
• Chron. Form: größte klinische Bedeutung. Inzidenz bis 7 %. „Risikofaktoren“
(Inzidenz bis 20 %): kumulative Dosis > 500 mg/m2 KOF, ältere Pat., vorange-
gangene Bestrahlung des Mediastinums, weitere Zytostatika (Cyclophospha-
mid). Symptome u. Befunde wie bei biventrikulärer Herzinsuff. der DCM.
Selten restriktives Bild (normale Herzgröße, Herzinsuff.). EKG: unspezifische
ST-T-Veränderungen, periphere Niedervoltage möglich, Arrhythmien. Echo:
diagn. Mittel der Wahl, auch für Verlaufsuntersuchungen bei Anthrazyklin-
Therapie. Bei Ventrikelfunktionsverschlechterung > 10 % Ther.-Abbruch.
Troponin-Bestimmung nach Behandlung, auch im Langzeitverlauf. Endo-
myokardiale Katheterbiopsie: bei Pat. mit „Risikofaktoren“ (s. o.) u. hoher
kumulativer Dosis. Hohe Aussagekraft der Histologie! Keine protektiven
Maßnahmen bekannt, konsequente Betablocker- u. ACE-Hemmer-Ther.

Malnutrition 5
• Kwashiorkor: hyperkalorische Ernährung mit Kohlenhydraten u. extremem
Proteinmangel. Hydropische Herzinsuff. klinisch führend.
• Beriberi: Thiamin-(Vit.-B1-)Mangel. Hyperzirkulatorische Herzinsuff. mit
generalisiertem Hydrops.

Endokrine u. Stoffwechselerkrankungen
• Hyperthyreose: DCM bei kongenitalen Formen der Thyreotoxikose möglich.
Im Erw.-Alter häufiger Dekompensation einer vorbestehenden Herzerkr. (als
Herzinsuff.) im Rahmen der thyreogenen Belastung.
• Hypothyreose: Herzinsuff. mit Ventrikeldilatation, klinisch erstaunlich sym-
ptomarm.
• Akromegalie: I. d. R. meist zusätzliche dilatative Komponente.
• Diab. mell.: Entwicklung einer dilatativen Herzmuskelerkr. („diabetische
Kardiomyopathie“) auf der Basis von Makro-/Mikroangiopathie u. art. Hy-
pertonie. Krankheitsbild von DCM nicht unterscheidbar.
• Phäochromozytom: meist hypertroph, gelegentlich dilatativ mit akuter
Linksherzdekompensation.

Speicherkrankheiten
• Hämochromatose: typisch Ventrikelhypertrophie u. -dilatation, systol.
Pumpfunktionsstörung u. Restriktion, klinisch biventrikuläre Kongestion.
• Lipidspeicherkrankheiten Fabry, Gaucher: überwiegend hypertroph, zusätz-
lich dilatative Komponente. Herzinsuff. bei systol. u. diastol. Ventrikeldys-
funktion.
• Mucopolysaccharidose Hurler: morphologisches u. klinisches Bild der DCM,
zusätzlich koronare u. valvuläre Manifestationen.
326 5 Kardiomyopathien 

Sarkoidose (s. u.)


Kardiale Beteiligung bei 20 %. Häufigste kardiale Manifestation: Cor pulmonale
bei Lungensarkoidose. Klinisches Bild einer DCM bei nicht od. nur gering dila-
tiertem Ventrikel (geringe Kavumvergrößerung, massive systol. Dysfunktion).
Schenkelblock, AV-Block, maligne ventrikuläre Arrhythmien. Oft geringer Peri-
karderguss. Kardio-MRT u. 18F-FDG-PET mit hoher Sensibilität.

Bindegewebserkrankungen
• Sklerodermie (s. u.), SLE, Dermatomyositis, nekrotisierende Vaskulitis: Be-
troffen können alle Herzstrukturen sein, eher selten dilatativer Verlauf. Klini-
sche Manifestation als Herzinsuff., abhängig vom Ausmaß der strukturellen
Schäden.
• Ankylosierende Spondylitis: Ventrikeldilatation korrespondiert nicht mit
Schweregrad der (häufigen) AR.
• Rheumatisches Fieber: Manifestation als Pankarditis; im Akutstadium Bild
der DCM möglich.

Fibroplastische Erkrankungen
• Endocarditis fibroplastica Löffler in der Akutphase („initiales Stadium“) oft
dilatativ mit Klinik der Herzinsuff. (▶ 9.2).
• Erkr. mit Skelettmuskeldystrophie: Myotonia dystrophica Curschmann-Stei-
nert, progressive Muskeldystrophie Duchenne, Becker, Erb. Dystrophische
myokardiale Komponente mit Myokardhypertrophie u. Dilatation der Herz-
höhlen. Herzbeteiligung praktisch immer, prägt aber selten das klinische Bild.
5
Peripartale Kardiomyopathie
Seltene kardiovask. KO gegen Ende der Schwangerschaft, bes. in den ersten post-
partalen Monaten. Ventrikeldilatation mit gestörter Pumpfunktion u. Klinik einer
progredienten Herzinsuffizienz. RF: Mehrlingsschwangerschaft., Alter > 30 J., Ge-
stationshypertonie, Mehrfachgeburten, protrahierte Tokolysether., familiäre Be-
lastung für CMP, ethnische Faktoren. Klinische Abgrenzung zur idiopathischen
DCM nicht möglich. Bromocriptinther. erwägen.

5.2.3 Restriktive Formen


Idiopathische RCM (▶ 5.1.3), fibroplastische endo- u. endomyokardiale Erkran-
kungen.

Karzinoidsyndrom
Metastasierender Karzinoid-Tu (meist im Appendixbereich), Hautflush, Diarrhö,
Bronchialobstruktion u. re-seitige endokardiale Fibrose. In 2⁄3 klinisch manifest, in
¼ li-seitige Herzmanifestationen. Selten u. von geringer klinischer Bedeutung.
Klinisch oft TR, echokardiografisch verdickte TK od. PK, RA- u. RV-Dilatation.
Hämodynamik: TR, gelegentlich PS. Teils restriktive Füllungsdynamik, teils hy-
perdynamischer Ventrikel mit hyperzirkulatorischer Herzinsuff.

Pseudoxanthoma elasticum
Autosomal-dominant od. -rezessiv vererbte Bindegewebserkrankung. Defekt der
elastischen Fasern. Verdickung des atrialen u. ventrikulären Endokards, Klinik
einer Stauungsherzinsuff. bei Restriktion.
 5.2 Sekundäre Kardiomyopathien  327

Sarkoidose
Nichtverkäsende Granulome des Myokards (v. a. in basalen Abschnitten von
Kammerseptum, freier Ventrikelwand mit Aneurysmaausbildung, Papillarmus-
keln), des Perikards, der Herzklappen (MR) u. Ao. Kardiale Manifestation in 1⁄5,
am häufigsten als Cor pulmonale bei pulmonaler Sarkoidose.
Klinik
Klinische Manifestationen in 5 %: Arrhythmien (häufig: ventrikuläre Tachyar-
rhythmien, totaler AV-Block), plötzlicher Herztod, progrediente kongestive
Herzinsuff. (typisch: kongestive u. restriktive Merkmale).
Diagnostik
• EKG mit AV-Leitungsstörungen, Schenkelblock, ST-T-Veränderungen, Ta-
chyarrhythmien.
• Echo: geringe Ventrikeldilatation mit markanter systol. Dysfunktion, gerin-
ger Perikarderguss, regionale Wandbewegungsstörungen. MRT diagn. Mittel
der Wahl.
Therapie
Kortikosteroide/Immunsuppressiva bei kardialer Beteiligung, klassische
Herzinsuff.-Behandlung, permanenter SM bei AV-Leitungsstörungen, antiar-
rhythmische Ther. mit Betablocker, ggf. implantierbarer Defibrillator (ICD).

Sklerodermie
Progressive systemische Sklerose mit Herzbeteiligung in 50 % (art. Hypertonie,
Cor pulmonale, Myokardbeteiligung mit Herzinsuff., Infarzierungen u. Arrhyth- 5
mien). Kleine Koronargefäße sehr anfällig für den sklerosierenden Prozess (Inti-
masklerose), Folge: Myokardischämie, kleine Infarkte, Fibrose, Entwicklung eines
„stiff heart“ (▶ 6.10.3).
Klinik
Belastungsdyspnoe, atypische A. p., Schmerzen bei Perikarditis. Häufig systol. Ge-
räusche bei MR, TR.
Diagnostik
• EKG: Niedervoltage, Schenkelblock, ventrikuläre Arrhythmien.
• Echo: Bild der DCM u. RCM, häufig Perikarderguss.
• Hämodynamik: Kongestion u. Restriktion.
Therapie
Klassische Herzinsuff.-Ther., Kortikosteroide bei Perikarditis u. Perikarderguss
(kein Einfluss auf Grundkrankheit), Vasodilatatoren (Nifedipin) möglicherweise
vorteilhaft.

Hämochromatose
Eisendeposition in parenchymatösen Organen. Herzbeteiligung mit Herzinsuff.
häufigste Todesursache, Komb. von geringer Hypertrophie u. progredienter Dila-
tation mit systol. u. diastol. Funktionsstörung. Kardiale Symptome oft initiale Ma-
nifestation der Hämosiderose (v. a. bei Kindern u. Jugendlichen).
Klinik
Meist Merkmale der biventrikulären Kongestion, seltener Restriktion.
328 5 Kardiomyopathien 

Diagnostik
• EKG: Niedervoltage, gelegentlich LVH, unspezifische ST-T-Veränderungen,
häufig Vorhofarrhythmien, ausgesprochen selten ventrikuläre Arrhythmien.
• Echo: Ventrikel- u. Vorhofdilatation, ubiquitär hypomotile (rigide) Ventri-
kel; verdickte, echodense Myokardabschnitte.
• Hämodynamik: Kongestion u. Restriktion.
• Diagnose: Serumeisen ↑, Knochenmarkdiagn., Leberbiopsie, Myokardbiopsie.
Therapie
Aderlässe, Desferoxamin. Frühdiagnose wichtig, da schlechte Prognose (< 20 %
überleben 5 J.!).

Amyloidose
Erkr.-Komplex mit diffuser perivaskulärer, perizellulärer od. nodulärer Ablage-
rung amorpher Proteingrundsubstanzen in nahezu allen Organen. Kardiales Vor-
kommen: myokardial, valvulär, fokal endokardial, koronar (kleine, intramurale
Gefäße).
Formen
• Primäre Amyloidose = AL-Amyloidose: oft Folge eines Plasmozytoms
(Leichtketten-Immunglobuline).
• Sek. Amyloidose = AA-Amyloidose: Überproduktion von Proteinen, die
nicht zu den Immunglobulinen gehören.
• Familiäre Amyloidose = autosomal-dominant vererbte Produktion eines Prä-
albuminproteins.
5 • Senile systemische Amyloidose = Produktion eines atrial-natriuretisch-ähnli-
chen Proteins od. eines Präalbuminproteins (zunehmend häufiger, da Alter
der Bevölkerung zunimmt).
Klinik
• Befunde der Restriktion mit re-seitiger Betonung.
• Kongestive Herzinsuff. bei systol./diastol. Dysfunktion.
• Orthostatische Hypotonie (Beteiligung des autonomen Nervensystems); Hy-
povolämie durch nephrotisches Sy. od. diuretische Ther. des nephrotischen
Sy. (maskiert Herzinsuff.!).
• Arrhythmien u. Erregungsleitungsstörungen (plötzlicher Herztod rel. häufig).
Diagnostik
• Rö-Thorax: normale Herzgröße bei restriktiver Form, Kardiomegalie bei
kongestiver od. kombiniert restriktiv-kongestiver Form. Pleuraerguss.
• EKG: allgemeine Niedervoltage (Kardinalbefund!), Pseudoinfarktmuster,
AV-Leitungsstörungen, häufig ventrikuläre Arrhythmien, VHF.
• Echo: häufigste Fehldiagnose HCM. Kleine LV-Diameter, Myokardhypertro-
phie (inklusive RV), echodenses, granuläres Myokardmuster, verdickte MK,
rigide Wandbeweglichkeit u. indirekte Zeichen des low output. Doppler gibt
Hinweise auf gestörte Ventrikelfüllung u. evtl. MR. Perikarderguss.
• MRT: typisches Late-Gadolinium-Enhancement.
• Hämodynamik: SV ↓, HZV ↓, meist geringe PAH, typische restriktive Hä-
modynamik (▶ 5.1.3).
• Myokardbiopsie: Nur bei diagn. Unsicherheit; zuvor Rektum-, Gingiva- od.
Bauchhautfettbiopsie. Histochemische Untersuchung wichtig zur DD von
systemisch seniler, familiärer od. primärer Form.
 5.2 Sekundäre Kardiomyopathien  329

Therapie
Unbefriedigend, weil ineffektiv, erhöhte Digitalissensitivität. Cave: unter Nifedi-
pin-Ther. Gefahr der Akkumulation im Myokard! Vorsichtige Ther. mit Diuretika
od. Vasodilatatoren (Hypotoniegefahr). Umstritten: Ther. mit Dimethylsulfoxid
(DMSO) od. Zytostatika. Stammzelltransplantation bei AL-Amyloidose.

5
6 Entzündliche Herzerkrankungen,
kardiale Raumforderungen
Ulrich Stierle

6.1  akterielle Endokarditis 332


B 6.5  erikarditis 354
P
6.1.1 Infektiöse Endokarditis nativer 6.5.1 Virale Perikarditis, idiopathi­
Klappen 332 sche Perikarditis 357
6.1.2 Kunstklappen­ 6.5.2 Bakterielle Perikarditis 357
endokarditis 339 6.5.3 Tuberkulöse Perikarditis 358
6.1.3 Blutkulturnegative 6.5.4 Pilzperikarditis 359
Endokarditis 340 6.5.5 Pericarditis
6.1.4 Rechtsherzendokarditis 340 epistenocardiaca 359
6.1.5 Endokarditisprophylaxe 6.5.6 Maligner Perikarderguss 359
341 6.5.7 Urämische Perikarditis 360
6.2 Nichtinfektiöse Endokard­ 6.5.8 Strahlenperikarditis 360
erkrankungen 343 6.5.9 Perikarditis bei Autoimmun­
6.2.1 Marantische Endokarditis erkrankungen 360
(nichtbakterielle thromboti­ 6.5.10 Seltene Perikarditiden 361
sche Endokarditis) 343 6.6 Postkardiotomie-/Postinfarkt­
6.2.2 Karzinoidsyndrom 343 syndrom 361
6.2.3 Löffler-Endokarditis 344 6.7 Pericarditis constrictiva 362
6.2.4 Endokarditis Libman- 6.8 Herzbeuteltamponade 365
Sacks 344 6.9 Herztumoren 366
6.2.5 Endomyokardfibrose 345 6.9.1 Benigne Herztumoren 367
6.2.6 Endokardiale Fibroelastose 6.9.2 Maligne Herztumoren 368
(EFE) 345 6.10 Herzbeteiligung bei Vaskuliti­
6.3 Rheumatisches Fieber 345 den u. Kollagenosen 369
6.4 Myokarditis 348 6.10.1 Lupus erythematodes 369
6.4.1 Virusmyokarditis 348 6.10.2 M. Wegener 370
6.4.2 HIV und Myokard 351 6.10.3 Progressive systemische
6.4.3 Nichtvirale infektiöse ­Sklerose (Sklerodermie) 370
­Myokarditiden 352 6.10.4 Rheumatoide Arthritis 371
6.4.4 Sarkoidose (M. Boeck) 353 6.10.5 M. Bechterew (ankylosierende
6.4.5 Medikamentöse Spondylitis) 371
­Herzschäden 353 6.10.6 Polymyositis/
6.4.6 Kawasaki-Syndrom 354 Dermatomyositis 372
332 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

6.1 Bakterielle Endokarditis
Leitbefunde
Fieber, Herzgeräusche u. Embolien.

6.1.1 Infektiöse Endokarditis nativer Klappen


Die bakterielle Endokarditis ist eine Infektion der Herzklappen, die zu Klappen-
zerstörung u. septischen Embolien führen kann. Unbehandelt oft tödlich. Am
häufigsten ist die MK betroffen (40 %), gefolgt von AoK (ca. 25 %), TK (ca. 20 %)
u. PK (ca. 2 %). In ca. 25 % sind mehrere Klappen betroffen.
Risikofaktoren
Ca. 70 % aller bakteriellen Endokarditiden betreffen Risikopat. mit vorgeschädig-
ten Klappen, Immundefizit od. benennbarer Bakteriämiequelle (▶ 6.1.4).

Endokarditisrisiken (nach Häufigkeit)


• Arteriosklerotisch geschädigte Klappen.
• Z. n. rheumatischem Fieber.
• I. v. Drogenabusus.
• Diab. mell.
• Kongenitale Herzfehler, häufig: MKP mit MR-Geräusch, PDA, bikuspi-
de AoK, Shuntvitien, inkomplett korrigierte Vitien.
• Kunst- u. Bioklappenprothesen, implantiertes Fremdmaterial.
• Frühere Endokarditis.
• HCM.
Erreger
6 Ca. 40 % Streptokokken, v. a. Streptococcus viridans, ca. 30 % Staph. aureus (häu-
figster Erreger überhaupt), 10 % Staph. epidermidis, 10 % Enterokokken (früher
den Streptokokken zugerechnet). Also sind ca. 90 % durch grampos. Keime be-
dingt. Jeweils weniger als 10 % der Endokarditiden sind durch gramneg. Bakterien
(HACEK-Erreger in 3 %: Haemophilus, Actinobacillus, Cardiobacterium, Ei-
kenella, Kingella), Pilze (in 1–2 %) od. andere Bakterien verursacht. In 10–20 %
misslingt der Keimnachweis. Bes. Staph. aureus u. Pilze können nichtvorgeschä-
digte Klappen infizieren.
Klinik

Bei ungeklärtem Fieber, Neuauftreten od. Aggravierung eines Herzgeräuschs


ist der V. a. infektiöse Endokarditis immer naheliegend.

Spektrum reicht vom fulminanten, evtl. binnen Tagen tödlichen Verlauf (meist
Staph. aureus), bis zu schleichender, über mehrere Monate andauernde Krankheit
(z. B. Streptococcus viridans).
• Praktisch immer „B-Symptomatik“: Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß.
• Meistens Herzgeräusche: oft wechselnd (tägliche Auskultation!).
• Neu aufgetretene Herzinsuff.
• Petechiale Blutungen (40 %):
 6.1 Bakterielle Endokarditis 333

– Osler-Splits: kleine, dunkle, feste Knötchen, v. a. an Akren, oft schmerz-


haft.
– Konjunktivale Blutungen.
– Roth-Flecken: retinale Blutungen.
– Janeway-Läsionen: 1–4 mm große, subkutane Blutungen an Hand od.
Fußsohle.
– Splitter-Blutungen: streifenförmige subunguale Hämorrhagien, oft nach
Trauma.
• Septische Embolien: auch als Erstsymptom, z. B. Schlaganfall. Embolien kön-
nen Abszesse bilden, z. B. kutan (Keimnachweis!) od. als Osteomyelitis.
! Stets Endokarditisverdacht bei multiplen zerebralen Insulten u. Fieber!
• Arthralgien (durch zirkulierende Immunkomplexe?).
• Glomerulonephritis: Bis zu 90 %. Immunkomplexnephritis. Sehr selten Nie-
reninsuff.

Rechtsherzendokarditis
Die Diagnose ist sehr schwierig. Risikogruppen: i. v. Drogenabhängige, Pat.
mit lange liegenden zentralen Zugängen (auch Ports, Demers-Katheter etc.),
Hämodialysepat. (Shuntpunktionen).
• Typisch ist Komb. Pneumonie (oft Lungenabszesse) durch septische
Embolien u. neu aufgetretene Rechtsherzinsuff.
• Typische Herzgeräusche fehlen fast immer.
• Keime: 60 % Staphylokokken, 10 % Pilze.
Diagnostik
• Blutkulturen: Permanente Bakteriämie (pathognomonisch!).
– Fulminanter Verlauf: 3–5 periphervenöse Blutkulturen innerhalb 1–2 h
vor Ther.-Beginn (art. Kulturen sind nicht überlegen); mikrobiologisches
Labor informieren (Bebrütung > 30 d).
– Schleichender Verlauf: multiple Blutkulturen, Ther. erst bei Keimnach- 6
weis.
– Bei liegenden Venenkathetern: Kultur auch durch Katheter abnehmen;
zusätzlich Entnahmen aus Kubitalvene.
! Blutkulturen nicht nur im Fieberschub positiv.
• Bakteriämiequelle suchen:
– Anamnese: Iatrogene Maßnahmen, z. B. Zahn-, HNO-ärztliche, gastroen-
terologische, urologische Diagn.? Hämodialyse? Trauma? Divertikulitis?
Kunststoffimplantate (Prothesen, Spirale, Stents)?
– Untersuchung: Zahnstatus, Nasennebenhöhlen, Urogenitaltrakt, Haut
(Zehenzwischenräume!).
– Zugänge: Braunüle, zentraler Zugang, Dauerkatheter. Zugänge entfernen,
Spitze mikrobiologisch untersuchen.
• Labor: BSG ↑, CRP ↑. Leukozytose (nur bei Staph. aureus ausgeprägt). Nor-
mochrome Anämie. DNA-Amplifikation eubakterienspezifischer Sequenzen
in Ausnahmefällen zur ätiologischen Klärung; noch kein Routineverfahren.
• Urin: Erythrozyturie, glomeruläre Proteinurie (häufig!). Nachweis zirkulie-
render Immunkomplexe (> 50 %), pos. Rheumafaktor (ca. 50 %).
• Sono: Splenomegalie (ca. 30 %), evtl. Organinfarkte od. Abszesse.
334 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

EKG
Nur bei KO auffällig. AV-Blockierungen bei septalem Abszess, Perikarditis bei
Ausdehnung des Abszesses.
Echokardiografie
• TTE: Sensitivität ca. 60–70 %, bes. bei kleinen verrukösen Veränderungen
neg. (< 3 mm). Befunde wie bei TEE.
! Bei V. a. Endokarditis immer TEE durchführen.
• TEE: Sensitivität bei der Erkennung von Vegetationen > 90 %, bei degenerativ
vorgeschädigten, verkalkten Klappen (alte Pat.) deutlich geringere Spezifität.
Typische Befunde:
– Eigenbewegliche Fremdstrukturen (Vegetationen), mit diastol. u. systol.
Flatterbewegungen, unscharf begrenzt, zottig, oft hypodens. Sitzen auf en-
dokardialen Oberflächen von Klappen, Herz- u. Gefäßwänden. Klappen-
beweglichkeit meist nicht eingeschränkt.
– Chordarupturen u./od. Segelperforationen.
– Prolaps von Vegetationen über die Klappenringebene.
– Perivalvuläre echofreie Räume od. umschriebene Bezirke mit abnormer
Echogenität (Abszesse).
– Hämodynamische Folgezustände von Klappenläsionen, z. B. Dilatation
durch Volumenbelastung.
– Beurteilung des Embolierisikos: 2–3-fach erhöht bei mobilen Vegetatio-
nen > 10 mm, v. a. an MK.
• Doppler (pw, cw, farbkodiert): zur Darstellung u. Verlaufskontrolle von Re-
gurgitationen u. irregulären, turbulenten Strömen im Bereich der Vegetatio-
nen.
Linksherzkatheter
Zur Diagn. der Endokarditis nicht erforderlich. Vor Klappen-OP bei älteren Pat.
Koro durchführen (begleitende OP-bedürftige KHK?).
6
Kriterien der Endokarditisdiagnose (mod. Duke-Kriterien)
• Hauptkriterien
– Pos. Blutkultur:
2× pos. bei Streptococcus viridans, bovis, HACEK, Staph. aureus, Entero-
kokken.
1× pos. bei Coxiella od. AK-Titer > 1: 800.
– Nachweis einer endokardialen Beteiligung (Vegetationen, Abszess, Dehis-
zenz, Klappeninsuff.).
• Nebenkriterien
– Prädisponierende kardiologische Erkr., i. v.-Drogenabusus.
– Fieber > 38 °C.
– Vask. Phänomene (art. Embolie, septischer Lungeninfarkt, mykotisches
Aneurysma, intrakranielle Blutung, Janeway).
– Immunologische Phänomene: Glomerulonephritis, Osler-Knötchen,
Roth-Flecken, Rheumafaktor.
– Pos. Mikrobiologie (pos. Blutkultur, die Hauptkriterien nicht erfüllend
od. aktive Infektion mit potentem Endokarditiserreger).
• Definitive Endokarditis
–2 Hauptkriterien oder
–1 Hauptkriterium + 3 Nebenkriterien oder
–5 Nebenkriterien.
 6.1 Bakterielle Endokarditis 335

• Mögliche Endokarditis
–1 Haupt- + 1 Nebenkriterium oder
–3 Nebenkriterien.
Differenzialdiagnose
Bei foudroyantem Verlauf ist eine Endokarditis kaum verkennbar (hohes Fieber,
schwere Krankheit, Herzgeräusch). Bei schleichendem Verlauf DD zu allen Erkr.,
die eine B-Symptomatik auslösen.
• Infektionen anderer Genese, z. B. Pneumonie, Harnwegsinfekt. Bei langsa-
mem Verlauf Tbc.
! Im Zweifel immer TEE.
• Malignome (v. a. Lymphome): Sono Abdomen (Lymphome, Nieren).
• Autoimmunerkr.: bei jüngeren Pat. v. a. SLE (ANA, dsDNS), bei älteren v. a.
Vaskulitiden (ANCA).
• Rheumatisches Fieber (▶ 6.3) v. a. bei Kindern. Heute in Europa sehr selten!
• DD bei echokardiografischem „Vegetationsnachweis“: ausgeheilte/floride Ve-
getationen, MPK, Sehnenfäden-, Papillarmuskelabriss, Klappenverkalkungen
(auch Klappenring), Lambl-Exkreszenzen („valvular strands“), Klappen-Tu
(Fibrome), thrombotische Auflagerungen, nichtbakterielle thrombotische En-
dokarditis bei Tu-Pat., Kollagenosen, Erkr. des rheumatischen Formenkrei-
ses, traumatische Klappenläsionen.

Tipps & Tricks


• Blutkulturen absolut korrekt abnehmen! Falsch pos. Blutkulturen füh-
ren leicht zu falscher Diagnose mit falscher Therapie.
• Bei chron. entzündlichem Krankheitsbild lässt sich manchmal eine Endo-
karditis weder ausschließen noch belegen. Evtl. muss 4 Wo. ex juvantibus
antibiotisch behandelt werden (z. B. Penicillin + Gentamycin ▶ Tab. 6.2).
• Emboliesuche: Haut, Augen, Nieren, Milz, Leber, Lunge, Gehirn.
• AK-Bestimmung bei Infektionsverdacht durch Legionella, Bavtonella, 6
Coxiella, Chlamydien, Mykoplasmen, Brucella; evtl. PCR bei kulturneg.
u. AK-neg. Infektionen
• Streptococcus-bovis-Infektionen sind häufig mit Malignomen des Ko-
lons assoziiert; weitere Diagn. nach Beherrschung der Infektion.

Therapie
• Bei akuter Endokarditis, hämodynamischer Instabilität, großen Vegetationen
od. V. a. Prothesenendokarditis umgehend kalkulierte antimikrobielle Therapie.
• Bei klin. stabilen Pat. kann meist das Ergebnis der Diagn. abgewartet werden.
• Bei antibiotischer Vorbehandlung individuell entscheiden, ob Unterbrechung
der antibiotischen Ther. sinnvoll, um Sensitivität der mikrobiologischen
­Diagn. zu verbessern. Nach Kurzzeitantibiose 3 Tage warten, nach längerer
Antibiotikather. 6–7 Tage Pause vor Blutkulturdiagnostik. Bei V. a. infektiöse
Endokarditis u. neg. Blutkulturen → Kontaktaufnahme mit Mikrobiologen
(Planung weiterer Nachweismethoden).
• Antibiotikather. immer parenteral (Venenpunktion od. periphere Verweilka-
nüle, nur im Ausnahmefall ZVK).
• Strenge Bettruhe nur bei Schwerkranken erforderlich.
• Therap. Antikoagulation bei Infektion nativer Klappen eher schädlich als hilf-
reich; vermehrt zerebrale Einblutungen, auch unter ASS; Thromboseprophy-
laxe möglich.
336 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Antibiotische Therapie
Immer erforderlich.
• Ther.-Beginn bei schneller Krankheitsentwicklung nach 3 Blutkulturen bin-
nen 2 h. Bei milderem Krankheitsverlauf Ther.-Beginn nach Keimnachweis.
• Ther.-Überwachung: Antibiotikum-Dosis nach Krea-Clearance u. KG anpas-
sen (▶ 11.12). Therap. Bereiche: Gentamycin-Talspiegel < 2 μg/ml, 30 Min.
nach Infusion < 8 μg/ml, bei 1 × täglicher Gabe 16–24 μg/ml. NW v. a. bei zu
hohem Talspiegel, Dos. nur nach Talspiegel. V. a. bei älteren Pat. weniger
NW bei 2 × täglicher Gabe. Vancomycin: Talwert < 10 μg/ml.
• Bakterienempfindlichkeit: MIC der Antibiotika bei Streptokokken u. Sta-
phylokokken muss vom mikrobiologischen Labor in μg/ml angegeben wer-
den. Die Resistenzlage der Keime schwankt!
Wahl des Antibiotikums (▶ Tab. 6.1, ▶ Tab. 6.2):

Tab. 6.1 Initiale Therapie bei unbekanntem Erreger


Antibiotikum (Dosis bei normaler Nieren­ Dauer
funktion)

Nativklappen Ampicillin/Sulbactam 12 g/d i. v. (in 4 ED) oder 4–6 Wo.


Amoxicillin/Clavulansäure 12 g/d i. v. (in 4 ED)
+ Gentamycin 3 mg/kg KG/d i. v. (in 2–3 ED)

Alternativ: Vancomycin + Gentamycin


+ Ciprofloxacin

Klappenprothese Vancomycin 30 mg/kg KG/d i. v. (in 2 ED) 4–6 Wo.

+ Gentamycin 3 mg/kg KG/d i. v. (in 2–3 ED) 2 Wo.

+ Rifampicin 1.200 mg/d oral (in 2 ED) 6 Wo.

• Bei ungenügendem Ansprechen der Nativklappenendokarditis Komb. mit Carba­


penem od. Komb. aus Vancomycin u. Gentamycin
6 • Bei foudroyantem Verlauf u. bei i. v. Drogenabhängigen statt Ampicillin Dicloxa­
cillin, Flucloxacillin od. Oxacillin
• Bei gutem Ansprechen kann Gentamycin auf 2 Wo. limitiert werden
• Alternativ zu Vancomycin: Teicoplanin (initial 800–1.200 mg/d über 4–5 d, dann
400 mg/d)

Tab. 6.2 Antibiose nach Antibiogramm


Erreger MIC Antibiotikum (Dosis bei normaler Dauer
(mg/ml) Nierenfunktion) (Wo.)

Bakterielle Endokarditis

Streptokokken1 < 0,125 Penicillin G 4 × 5 Mio. IE/d 4

Penicillin G 4 × 5 Mio. IE/d + Genta­ 2


mycin5
3 mg/kg KG/d in 2–3 ED

Bei Penicillinallergie: Vancomycin5 4


2 × 1 g/d od. Ceftriaxon 2 g/d in 1 ED
+ Gentamycin5 3 mg/kg KG/d in
2–3 ED
 6.1 Bakterielle Endokarditis 337

Tab. 6.2 Antibiose nach Antibiogramm (Forts.)


Erreger MIC Antibiotikum (Dosis bei normaler Dauer
(mg/ml) Nierenfunktion) (Wo.)

Bakterielle Endokarditis

Entero-, Streptokok­ > 0,5 Ampicillin 3 × 4 g/d + Gentamycin5 4–6


ken 3 mg/kg KG/d in 2–3 ED

Bei Penicillinallergie: Vancomycin5 4–6


*2 × 1 g/d + Gentamycin5 3 mg/
kg KG/d in 2–3 ED

Staphylokokken2, <1 Flucloxacillin 4 × 2–3 g/d + Genta­ 4–6


methicillinsensibel mycin5
3 mg/kg KG/d in 2–3 ED, evtl.
+ Rifampicin3 10 mg/kg KG/d p. o.
od. i. v. in 1–2 ED

Bei Penicillinallergie: Statt Flucloxa­ 4–6


cillin Cefazolin 3 × 1–2 g/d

Staphylokokken, >1 Vancomycin5 2 × 1 g/d (evtl. 4–6


­methicillinresistent2 + Rifampicin3 10 mg/kg KG p. o. od. (od. län­
i. v. in 1–2 ED) + Gentamycin 3 mg/ ger) 2
kg KG/d in 2–3 ED

E. coli, Haemophilus, Cefotaxim 3 × 2 g + Gentamycin5 4–6


Acinetobacter, Kleb­ 3 mg/kg KG/d in 2–3 ED
siella, Proteus, Serra­
tia, Enterobacter

Pseudomonas Ceftazidim 3 × 2 g/d + Gentamycin5 6


­aeruginosa 3 mg/kg KG/d in 2–3 ED

Pilzendokarditis

Candida4 Amphotericin B, Dosis s. o. präop.


6
(ggf. ­liposomal verkapselt, s. o.) 1–2,
+ 5-Flucytosin 3 × 50 mg/kg KG/d postop.
ca. 6

Aspergillus, Mucor4 Amphotericin B Dosis s. o. präop.


(ggf. liposomal verkapselt, s. o.) 1–2,
postop.
ca. 6
1
 2- u. 4-wöchige Ther. bei unkompliziertem Verlauf gleichwertig. Bei komplizier­
tem Verlauf doppelte Ther.-Dauer (d. h. evtl. 8 Wo.)
2
 Selten med. Heilung bei Staphylokokkenendokarditis, ggf. frühzeitiger Entschluss
zum Klappenersatz
3
 Bei Abszedierungen, sehr großen Vegetationen od. Staph. epidermidis
4
 Heilung durch Antibiose nicht möglich! Nach antibiotischer Anbehandlung früh­
zeitiger Klappenersatz
5
 Bei eingeschränkter Nierenfunktion: Spiegelbestimmung u. ggf. Dosisreduktion.
Alternativ zu Vancomycin: Teicoplanin (initial 800–1.200 mg/d über 4–5 d, dann
400 mg/d).

• Gentamycin: Erste Dosis stets 1,5–2 mg/kg KG. Erhaltungsdosis bei normaler
Nierenfunktion 2–3 mg/kg KG/d in 2–3 Dosen. Mind. gleichwertig: einmal
tägliche Gabe: 1 × 360 mg/d über 60 Min. Bei eingeschränkter Nierenfunktion
338 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Dosis gemäß Krea-Clearance, z. B. Clearance 30 ml/Min.: Dosis 30 % der


Standarddosis. Die Inzidenz von NW steigt mit Ther.-Dauer → bei Gabe
> 14 d eher niedriger dosieren, Spiegel kontrollieren.
! Penicillin inaktiviert Gentamycin bei gleichzeitiger Gabe → stets nacheinan-
der infundieren!
• Penicillin: HWZ < 1 h! Tagesbedarf möglichst in 4 Gaben infundieren.
• Rifampicin beschleunigt Elimination vieler hepatisch metabolisierter Medi-
kamente (z. B. Ciclosporin A), wird aktiv von Granulozyten aufgenommen,
ist daher bei Abszessen (insbes. bei Staphylokokken) sinnvoll.
• Dosisanpassung bei Niereninsuff. ▶ 11.12.
! Keine Monother. mit Rifampicin, da schnelle Resistenzentwicklung.
• Amphotericin B ist u. a. nephrotoxisch. Dos. entweder nach Beipackzettel od.
Beginn mit 0,3 mg/kg KG, tägliche Steigerung um ca. 0,2 mg/kg KG bis ca.
1 mg/kg KG/d. Renale Elimination. Infusion über ca. 4 h, bei rascher Infusion
oft Fieber → Gabe z. B. über 12 h über Nacht. Oft Thrombophlebitis, mög-
lichst Infusion über ZVK. Lichtgeschützte Infusion! Erhöhte Nephrotoxizität
bei Hyponaträmie, ggf. frühzeitige Na+-Gabe. 3×/Wo. Krea-Kontrolle, bei
deutlichem Anstieg absetzen (Wirkdauer mehrere Tage). Bei längerer Ther.
möglichst Spiegelkontrolle, Ziel ca. 2–3 mg/l. Es kann auch in Liposomen ver-
kapselt gegeben werden (z. B. AmBisome®, Rücksprache mit Apotheke): NW
sinken deutlich, vermutlich steigt die fungizide Aktivität. Diese Zubereitung
ist extrem teuer.
Beurteilung des Ther.-Erfolgs:
• Ther.-Versagen bei persistierendem Fieber > 10 Tage. DD: toxisch-allergische
Medikamentenreaktion (drug fever) unter Penicillin u. Oxacillin, embolische
Ereignisse, Venenkatheterinfektionen, neue Infektionen aus perivalvulärem
od. peripherem Abszess.
• Tägliche Untersuchung, Echo 1×/Wo. Normalisierung der unspezifischen
Entzündungsparameter (z. B. CRP) ist Maß für erfolgreiche Therapie.
6 • Nach Beendigung der i. v. Ther. u. Normalisierung der Entzündungsparame-
ter keine orale Anschlusstherapie.
• Sanierung (auch operativ) extrakardialer infektiöser Prozesse so früh wie
möglich anstreben.
• Bei aktiver od. ausgeheilter Endokarditis mit neu aufgetretenen Schmerzzu-
ständen an mykotische Aneurysmen (septische Gefäßembolien) denken: Sep-
tisch-embolisierende Endokarditiden gehen meist mit Milzabszessen einher;
bei multiplen großen Abszessen ggf. Splenektomie (zuvor Pneumokokken- u.
Haemophilus-influenzae-Impfung).
Operative Therapie
Nicht alle Endokarditiden sind antibiotisch heilbar. Trotz noch nicht destruierter
Klappe Klappenersatz-OP evtl. sinnvoll. Vor Klappenersatz mit antibiotischer
Ther. beginnen. Die entfernte Klappe mikrobiologisch untersuchen lassen.
OP-Ind.:
• Herzinsuff. infolge akuter AR od. MR, Rechtsherzinsuff.,
• schwere Sepsis u. septischer Schock (> 48 h),
• Pilzendokarditis, MRSA, Endokarditis,
• kardialer Abszess, Aneurysma, paravalvuläre Ausbreitung,
• persistierende Infektzeichen (Fieber, Leukozytose) u. Klappendysfunktion
trotz 7–10 Tage adäquater Ther., persistierende Bakteriämie trotz adäquater
Ther.,
• rezid. Embolien unter Ther.,
 6.1 Bakterielle Endokarditis 339

• Vegetationen > 10 mm an der MK od. Größenzunahme der Vegetationen,


Ausbreitung auf weitere Nativklappen, lokal destruierender Verlauf,
• Endokarditis durch Bakterien mit schlechter Empfindlichkeit gegen Antibio-
tika u. Klappendysfunktion,
• Prothesenendokarditis (bei penicillinsensiblen Streptokokken kons. Ther.-
Versuch),
• akute zerebrale Embolie nach Ausschluss einer Hirnblutung.
OP-Ind. unter Vorbehalt: fortdauernder i. v. Drogengebrauch. Sehr hohe Rezi-
divgefahr einer Rechtsherzendokarditis. Pragmatische Notlösung kann komplet-
te Entfernung der TK sein (▶ 4.10.6).

6.1.2 Kunstklappenendokarditis
Etwa 10–15 % aller Endokarditiden betreffen Klappenprothesen. Je Klappenpat.
liegt das Risiko bei ca. 1–4 %. Bioprothesen u. Kunstklappen unterscheiden sich
nicht wesentlich in der Endokarditishäufigkeit.
• Frühform: bis 2 Mon. postop.; Erreger werden meist bei OP eingeschleppt, in
50 % Staphylokokken, 20 % gramneg. Erreger, 10 % Pilze, bis zu 10 % Diph-
theroide.
• Spätform: > 2 Mon. postop.; Keime entsprechen einer Endokarditis nativer
Klappen (▶ 6.1.1).
Klinik
Wie bei Endokarditis nativer Klappen (▶ 6.1.1). Frühendokarditiden zeigen sich
meist binnen 3 Wo. postop., Verlauf oft foudroyant, schneller Ther.-Beginn wich-
tig. Postop. oft schwierige DD (z. B. Fieber bei Pneumonie, Harnwegsinfekt).
Diagnostik
Wie bei Endokarditis nativer Klappen (Blutkulturen ▶ 6.1.1). Schnelles, konse-
quentes Vorgehen, Diagn. binnen Stunden abschließen, Sensitivität der Duke-
Kriterien reduziert. 6
• Echo: bei Bioprothesen möglich. Bei Kunstklappen Detailbeurteilung zum
Nachweis/Ausschluss einer Endokarditis nahezu unmöglich. Evtl. Nachweis
paravalvulärer Abszesse, Instabilität der gesamten Klappe, große, mobile Ve-
getationen (▶ 6.1.1).
• Klappenfilm: Motilitätsstörungen von Metallklappen od. teilweise Lösung
des Klappenrings im Koro-Labor nachweibar (ohne KM).
Therapie
• Frühform: Vancomycin 2 × 1 g i. v. + Gentamycin 3 mg/kg KG/d i. v. in 3 ED
+ Rifampicin 10 mg/kg KG p. o. od. i. v. in 1–2 ED bzw. jeweils nach Nieren-
funktion/Blutspiegel (▶ 11.12). Ther.-Dauer: Gentamicin 2 Wo. Vancomycin
u. Rifampicin ≥ 6 Wo.
• OP-Ind.:
– Wie Endokarditis nativer Klappen (▶ 6.1.1).
– MRSA, koagulaseneg. Staphylokokken, Enterococcus faecalis u. faecium:
frühzeitige Re-OP erwägen. Nur bei penicillinsensiblen Streptokokken
kons. Ther.-Versuch vertretbar.
• Antikoagulation:
– Orale Antikoagulation auf i. v. Dauerinfusion mit Heparin (nach PTT)
umstellen.
340 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

– Beim Auftreten neurol. Symptome: Unterbrechen der Antikoagulation bis


zum Ausschluss intrazerebraler Blutung (CT, MRT).
! NMH nicht indiziert bei mechanischen Klappenprothesen.
• Spätform: wie Endokarditis nativer Klappen, eher Rifampicin od. Fosfomy-
cin zusätzlich geben.

6.1.3 Blutkulturnegative Endokarditis
Ursachen
• Antibiotische Vorbehandlung (∼ 50 %),
• schwer anzüchtbare Keime (HACEK, Bartonella, Coxiella: ∼ 15 %),
• nichtaktive infektiöse Läsionen nach Endokarditis, Thromben, degenerative
Veränderungen.
Vorgehen
• Korrekte Abnahme von Blutkulturen.
• Bei stabilen Pat.: Pausieren einer antibiotischen Ther. über Tage.
• Identifikation schwer anzüchtbarer Keime: Rücksprache mit Mikrobiologen,
um weitere Diagn. festzulegen (Serologie, PCR).
Therapie
• Ampicillin, Gentamycin u. Ceftriaxon (Dos. ▶ 6.1.1).
– Da in der Mehrzahl Staphylokokkeninfektionen vorliegen, kann anstelle
von Ampicillin auch Oxacillin od. Flucloxacillin eingesetzt werden.
– Vancomycin bei MRSA-Infektionen (z. B. Pat. nach MRSA-Besiedelung,
Heimbewohner, wiederholte Hospitalisierungen).
– Wert der Komb.-Ther. mit Gentamycin wohl gering.
• Bei ungenügendem Ansprechen Einsatz von Reserveantibiotika:
– Linezolid (Zyvoxid®): 2 × 600 mg/d.
– Daptomycin: 4 mg/kg KG/d i. v. (1 ED).
6 • Häufig kombinierte antibiotische u. chirurgische Therapie. Bei gesicherter
Endokarditis ist operative Sanierung der einzige unabhängige protektive Fak-
tor hinsichtlich der Letalität.

6.1.4 Rechtsherzendokarditis
Nahezu ausschließlich bei i. v. Drogenkonsumenten od. im Gefolge von Gefäßka-
theter, SM-, ICD-Kabel.

V. a. bei rezid. septischen Lungenembolien (klinisch: wiederholte Pneumoni-


en) an Rechtsherzendokarditis denken
• In 60–90 % Staph. aureus (bei initialer Antibiotikather. berücksichtigen),
bei Heroinabusus Candida häufig.
• Meist nur TK betroffen, seltener PK od. Valvula Eustachii.
• Bei SM-/ICD-Infektion: schwierige Diagnose durch TTE od. TEE; evtl.
CT-Diagn.; sehr sensitiv ist PET-Diagnostik.
Systemexplantation + Antibiotikather. ist die einzige kurative Maßnahme.
 6.1 Bakterielle Endokarditis 341

6.1.5 Endokarditisprophylaxe
Pat. mit hohem Endokarditisrisiko (▶ 6.1.1) sollten vor Maßnahmen mit großer
Bakteriämiegefahr ein Antibiotikum erhalten.
Indikation zur Prophylaxe
• Herzklappenprothesen.
• Z. n. Endokarditis.
• Angeborene Herzfehler:
– Nicht therapierte Herzfehler.
– Herzfehler mit residualen Defekten.
– Mit prothetischem Material, z. B. Shunt (Conduit).
– Korrigiertes Vitium für 6 Mon. nach OP od. interventioneller Implantati-
on von Fremdmaterial (bis zur vollständigen Endothelialisierung). Gilt
auch für rekonstruierte Herzklappen mit alloprothetischem Material.
• HTX u. Valvulopathie.
• Bei allen Endokarditisgefährdeten: großzügige Ind. zur operativen Sanie-
rung von Bakteriämiequellen (z. B. infizierte Nierensteine). Ein Harnwegsin-
fekt muss bei Risikopat. vor Manipulationen an den Harnwegen saniert wer-
den. Dauerantibiose bei Venen- od. Blasenkatheter od. fortbestehender extra-
kardialer Infektion (z. B. Divertikulitis).

Ind. zur Endokarditisprophylaxe wird seit 2007 nur bei wenigen kardialen
Läsionen gesehen (s. o.): MKP, weitere Erkr. von Nativklappen od. HCM be-
nötigen nach dem aktuellen Stand keine Prophylaxe.

Eingriffe mit Bakteriämiegefahr


Zahnärztliche Maßnahmen mit Zahnfleischverletzung, Tonsillektomie, HNO-
OP, starre Bronchoskopie, Ösophagusvarizensklerosierung, Ösophagusdeh-
nung, ERCP, Gallengangschirurgie, Darm-OP, Zystoskopie, Prostata-OP, OP 6
am offenen Herzen bei Klappenvitium.
Bei vielen weiteren Maßnahmen kann – zumindest bei Hochrisikopat. – im
Einzelfall eine Antibiotikaprophylaxe ebenfalls sinnvoll sein. Speziell bei Ma-
nipulationen in infizierten Regionen (z. B. Dauerkatheteranlage bei Harn-
wegsinfekt).

Auswahl des Antibiotikums


• Bei mäßigem Endokarditisrisiko genügt 1 Antibiotikum-Dosis (p. o. od. i. v.).
• Bei hohem Risiko je 1 Dosis vor u. nach dem Eingriff (▶ Tab. 6.3).
Zusätzlich Prophylaxe bei offenen Herz-OP u. Endokarditisrisiko: z. B. Cefazolin
(Elzogram®) 3 × 2 g/d (bzw. nach Nierenfunktion), beginnend präop.; Dauer
mind. 24 h bzw. solange Zugänge liegen.
342 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Tab. 6.3 Endokarditisprophylaxe (Empfehlungen der AHA [Circulation 1997:


96; 358–66])
Situation Antibiotikum Dosis/Applikation

Eingriffe im Bereich der Zähne, der Mundhöhle, des Ösophagus od. des Respirati­
onstrakts

Standard Amoxicillin Erw.: 2 g oral; Kinder: 50 mg/


kg KG oral; jeweils 1 h vor
dem Eingriff

Penicillinallergie Clindamycin Erw.: 600 mg oral; Kinder:


20 mg/kg KG oral; jeweils 1 h
vor dem Eingriff

Azithromycin od. Erw.: 500 mg oral; Kinder:


Clarithromycin 15 mg/kg KG oral; jeweils 1 h
vor dem Eingriff

Eingriffe im Bereich des Gastrointestinal- (ohne Ösophagus) od. Urogenitaltrakts

Mittleres Standard Amoxicillin Erw.: 2 g oral; Kinder: 50 mg/


Risiko kg KG oral; jeweils 1 h vor
dem Eingriff

Penicillinallergie Vancomycin Erw.: 1 g i. v. über 1 h; Kin­


der: 20 mg/kg KG i. v. über
1 h; Ende der Infusion inner­
halb von 30 Min. vor dem
Eingriff

Hohes Standard Ampicillin (A) plus Erw.: A: 2 g i. m. od. i. v. plus


­Risiko Gentamycin (G) G: 1,5 mg/kg KG i. m. od. i. v.
(bis max. 120 mg) innerhalb
von 30 Min. vor dem Ein­
6 griff; 6 h später A: 1 g i. m.
od. i. v.
Kinder: A: 50 mg/kg KG i. m.
od. i. v. plus G: 1,5 mg/kg KG
i. m. od. i. v. innerhalb von
30 Min. vor dem Eingriff, 6 h
später A: 25 mg/kg KG i. m.
od. i. v.

Penicillinallergie Vancomycin (V) Erw.: V: 1 g i. v. über 1 h plus


plus Gentamycin G: 1,5 mg/kg KG i. v. od. i. m.
(G) (bis max. 120 mg); Kinder: V:
20 mg/kg KG i. v. über 1 h
plus G: 1,5 mg/kg KG i. v. od.
i. m.; Ende der Infusion in­
nerhalb von 30 Min. vor dem
Eingriff

Tipps & Tricks


• Bei Herzklappenläsionen im Zweifelsfall großzügige Ind. zur Antibioti-
kumgabe, falls Antibiotikather. bisher gut vertragen wurde.
• Pat. über Endokarditisrisiko informieren, Pass aushändigen.
 6.2 Nichtinfektiöse Endokarderkrankungen 343

6.2 Nichtinfektiöse Endokarderkrankungen
6.2.1 Marantische Endokarditis (nichtbakterielle
thrombotische Endokarditis)
Bei der sog. marantischen Endokarditis bilden sich 1–2 mm große Fibrinklümp-
chen an den Klappenschließungsrändern. Meist ist MK betroffen. Die Ablagerun-
gen sind nicht infiziert. Histologisch bestehen keine Entzündungszeichen, die
Klappen werden weder destruiert noch verkleben sie. Bevorzugt vorgeschädigte
Klappen betroffen. Die Veränderung ist zu Lebzeiten des Pat. nicht diagnostizier-
bar (zu kleine Strukturen), sie kann erst post mortem gesichert werden (1,3 % der
Autopsien, bei sehr alten Menschen öfter). Eine Hypothese besagt, dass die ma-
rantische Endokarditis RF einer bakteriellen Endokarditis sei, da eine Bakteriämie
zur Infektion der Thromben führen könne. Klinik: Meist bei chron. kranken od.
ausgezehrten Pat., Beschwerden entstehen nur durch Thrombembolien. Ther. od.
Prophylaxe nicht bekannt.

Die marantische Endokarditis kann Ursache zerebraler Insulte bei chron.


Kranken sein.

6.2.2 Karzinoidsyndrom
Karzinoide sind potenziell endokrin aktive Tu mit mäßiger Metastasierungsten-
denz, die verschiedene Hormone bilden können (am häufigsten Histamin, Seroto-
nin). Lokalisation: in 80 % der Darm (oft Zökalbereich), seltener Bronchien. Die
Leber, geringer auch die Lunge, metabolisiert die Tu-Produkte zügig zu inaktiven
Metaboliten. Hepatisch metastasierte Tu od. Tu ohne venösen Abfluss in die Leber
(z. B. Lungenkarzinoide) verursachen endokrin bedingte Symptome. Chron. resul-
tiert bei ⅔ der Pat. eine plaqueartige Verdickung von Herzklappen, Ventrikelendo-
6
kards meist des re Herzens sowie A. pulmonalis.
Klinik
Führend sind endokrin bedingte Symptome: explosionsartiger Durchfall, Flush,
Bronchuskonstriktion, Hypotonie (evtl. von A. p. begleitet). Am Herzen fibröse
Verdickung von TK u. PK, Ventrikelendokards sowie PA.
Diagnostik
• Tu-Suche: Sono, CT-Abdomen u. -Thorax, Dünndarmpassage nach Sellink.
131J-MIBG-Szintigrafie, evtl. 99mTc-Octreotid-Szintigrafie.

• 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-h-Urin (ggf. wiederholt!). Vorher Pheno-


thiazine absetzen, keine Bananen, Nüsse, Ananas. Verdächtig > 8 mg/d
(40 μmol), wahrscheinlich > 15 mg/d (80 μmol).
• Echo: TK-Dysfunktion mit verdickten, geschrumpften, teils immobilen Tri-
kuspidal- bzw. Pulmonalsegeln, evtl. TR (▶ 5.10). Endokardverdickung von
RA u. RV; RA- u. RV-Dilatation.
Therapie
• Symptomatische Ther. der Herzinsuff. (▶ 8.2.4), selten operative Klappenkor-
rektur.
344 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

• Endokrinologische Ther. durch entsprechendes Zentrum. Serotoninhem-


mung durch Octreotid s. c. (z. B. Sandostatin®), bei Diarrhö Loperamid, bei
Bronchokonstriktion Steroide.

6.2.3 Löffler-Endokarditis
Synonym: Parietale fibroplastische Endokarditis. Bei schwerer chron. Eosinophi-
lie (z. B. hypereosinophiles Sy., Wurmkrankheiten) kommt es in ca. 75 % der Fälle
zur biventrikulären Endokardverdickung mit sehr ausgeprägter parietaler Throm-
bosierung. Auch eine Myokarditis bei Vaskulitis kleiner Herzgefäße kommt vor.
Klinik
Symptome durch Eosinophilie: Asthma, Gewichtsverlust, Flush. Zeichen der
Herzinsuff., meist multiple kardiogene Embolien, z. B. apoplektischer Insult.
Diagnostik
• Echo: posterobasal betonte Endokardverdickung, Behinderung des PML,
Ventrikelthromben (v. a. Apex), AV-Klappeninsuff., Vorhofdilatation.
• Herzkatheter: Bild der RCM (▶ 5.1.3, ▶ 5.2.3).
Therapie
• Ther. der Herzinsuff. (▶ 8.2.4).
• Vorbeugung weiterer Thrombenapposition: Vit.-K-Antagonisten (z. B. Mar-
cumar® ▶ 11.7.4).
• Evtl. operative Entfernung von Ventrikelthromben (schwierig) u. Dekortika-
tion des Endokards. Evtl. bei Progression unter Vit.-K-Antagonisten.
• Ther. der Grundkrankheit, bei hypereosinophilem Sy. evtl. Chemother. mit
Hydroxyharnstoff (z. B. Litalir®).

6 6.2.4 Endokarditis Libman-Sacks
Bei SLE (▶ 6.10.1) kann eine Degeneration der Bindegewebsgrundsubstanz mit
sog. „fibrinoiden Nekrosen“ überall im Herzen vorkommen. Findet diese in den
Klappen statt u. wird das Endothel durchbrochen, lagern sich den Nekrosen
Thromben an, die durch Granulationsgewebe organisiert werden. Es entstehen
Verdickungen des Endokards, die an den Klappen einzeln od. multipel pilzartig
wachsen können u. bis ca. 4 mm groß werden. Diese Wärzchen (verrucae) finden
sich überwiegend an der Unterseite der AV-Klappen. Der Pathologe findet eine
Endokarditis Libman-Sacks bei ca. 50 % aller Lupuspat., klinisch selten relevant.
Klinik
Fast immer symptomlos. Selten OP-pflichtige Klappendysfunktion mit entspre-
chender Klinik.
Diagnostik
Echokardiografisch meist diffuse AV-Klappenverdickung, seltener Klappendys-
funktion. Biopsie wegen fehlender Konsequenz nicht sinnvoll.
Therapie
Keine spezielle Ther.-Option. Bei vermutlich frischen Veränderungen (aktiver Lu-
pus) Endokarditisprophylaxe bei entsprechenden Eingriffen (▶ 6.1.4).
 6.3 Rheumatisches Fieber 345

6.2.5 Endomyokardfibrose
Nur in Tropen u. Subtropen, v. a. Mittelafrika, auftretende Erkr., die dort für
> 10 % aller Fälle von Herzinsuff. verantwortlich ist. Genese unbekannt, fraglich
genetisch bedingt. Jedes Alter ist betroffen. Es besteht eine teils massive Endo-
kardverdickung unterhalb der AV-Klappen eines od. beider Ventrikel bis in die
Ventrikelspitze mit Thrombenapposition. Raffung der Chordae mit TR u. MR,
AML bleibt typischerweise ausgespart. Ventrikel dilatieren nicht, das Myokard ist
fibrosiert, Vorhöfe können extrem dilatieren. Oft sehr ausgeprägter Perikarder-
guss, normale Koronargefäße.
Klinik
Je nachdem, welche Kammer stärker betroffen ist, überwiegt Rechts- od. Links-
herzinsuff. Bei führender Rechtsherzbeteiligung oft ausgeprägter Aszites, Hepa-
tosplenomegalie. Progredienter Verlauf, teils rasch, öfter wenige Jahre, aber stets
letal.
Diagnostik
Typischer Lebensraum, Gesamtbild, Ausschluss einer Löffler-Endokarditis
(▶ 6.2.3). Echo. Evtl. histologische Sicherung durch Endomyokardbiopsie.
Therapie
Antikoagulation (▶ 11.7). Ggf. Perikardfensterung. Evtl. Endokardresektion mit
Klappenrekonstruktion. Heilung nur durch HTX.

Pat. aus Mittelafrika mit Herzinsuff.: Endomyokardfibrose ausschließen.

6.2.6 Endokardiale Fibroelastose (EFE)


Meist in den ersten beiden LJ. auftretende, fleckförmige knorpelartige Endokard- 6
verdickung des LV. Sek. Ventrikelhypertrophie, später Dilatation, auch Ventrikel-
thromben möglich. Ursache: vermutlich Mumps-Myokarditis (abnehmende Inzi-
denz in Ländern mit Impfung). RF: erhöhte Ventrikelbelastung (AS, PDA).
Klinik
Entwicklungsverzögerung u. Trinkschwäche der Kinder, Tachykardie.
Diagnostik
Echokardiografisch kann die Endokardverdickung vermutet werden, beweisend
ist die Endomyokardbiopsie. Wie bei anderen Formen der DCM beim Kind
schlechte Prognose.
Therapie
Möglichst HTX.

6.3 Rheumatisches Fieber
Leitbefunde
Fieber, Gelenkschmerzen u. Zeichen der Herzkrankheit 1–5 Wo. nach Hals-
entzündung.
346 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Das rheumatische Fieber ist eine immunologisch vermittelte akute Entzündung,


die nach einem Racheninfekt (nicht bei Hautinfektionen) mit Streptokokken der
Gruppe A auftritt u. Herz, Gelenke, Haut u. Arterien betreffen kann. Das Risiko
steigt mit Dauer u. Schwere der Pharyngitis. Meist erkranken Kinder. In der Drit-
ten Welt eine der Haupttodesursachen bei Kindern, in Industrieländern heute
sehr selten.
Klinik
Im Mittel etwa 2 Wo. (6–35 d) nach fieberhaftem Halsinfekt Fieber und Sympto-
me durch die möglichen Organbeteiligungen.
• Herz: Herzbeteiligung bei 75 % der erkrankten Kinder, aber nur bei 35 % der
Erw. Stets „Pankarditis“ (Endo-, Myo- u. Perikarditis). Klinisch kann ein
Herzteil führend sein.
– Endokarditis: Akut: Klappenverdickung, mm-große Fibrinknötchen an
den Schließungsrändern (verrucae) u. Chordae tendineae, Klappenränder
verschmelzen. Chron.: Klappeninsuff., seltener -stenose durch Raffung
der Klappe. Meist LV-Klappen betroffen, bes. die MK. Langfristig evtl.
OP-pflichtiges Vitium, Risiko infektiöser Endokarditis erhöht.
– Myokarditis: evtl. Herzinsuff., evtl. tödliche Rhythmusstörungen, bes. bei
Beteiligung des Reizleitungssystems. Ursache: diffuse entzündliche Infilt-
rate, evtl. pathognomonische fibrinoide Nekrosen („Aschoff-Knötchen“).
– Perikarditis: meist ausgeprägte Fibrinansammlung im Herzbeutel, selte-
ner großer Erguss. Starke Schmerzen, selten Herzbeuteltamponade
(▶ 6.8).
• Gelenke: akute, nicht destruierende Entzündung der großen Gelenke, oft rasch
wechselnd („migratorische Polyarthritis“). Arthritis klingt binnen Wo. ab.
• Haut:
– Erythema anulare: oft unauffällige, zart rosafarbene bis livide Rötung,
nicht juckend, meist am Stamm lokalisiert. Tritt fast nur bei Kindern auf.
– Rheuma-Knötchen: kleine subkutane Knötchen im Bereich von Sehnen-
6 ansätzen (v. a. bei Kindern).
• Gehirn: selten Chorea minor („Sydenham“), choreatische Bewegungen der
Hände, Gesichtsgrimassieren, emotionale Labilität (durch Vaskulitis basaler
Hirnarterien). Tritt spät im Verlauf auf, meist bei älteren Mädchen.
Diagnostik
• Anamnese: Racheninfekt, Scharlach.
• Rachenabstrich: Streptokokken der Gruppe A.
• Blut: AK gegen Streptokokkenantigene (im Verlauf wiederholt; jeder Test
hat Sensitivität von max. 70 %): Antistreptolysin (ASL), Anti-Streptokok-
ken-Hyaluronidase, Anti-Streptokokken-DNAase B. Außerdem BSG, CRP,
Blutbild.
• Gelenk-Rö: nichtdestruierende Arthritis.
• EKG: Typisch sind AV-Block I°, Tachykardie mit Frequenzstarre, Zeichen
der Perikarditis (▶ 6.5).
• Echo: Klappenverdickung/-verplumpung, keine akute Klappendestruktion.
Ventrikeldilatation mit rel. MR (▶ 4.4.3). Evtl. Perikarderguss. Spätfolgen: am
häufigsten MS (▶ 5.3), kombiniertes Aortenvitium od. MR.
 6.3 Rheumatisches Fieber 347

Jones-Kriterien (Revision 1992)


Da es keinen beweisenden Test gibt, kann die Diagnose nur wahrscheinlich
gemacht werden. International üblich: Diagnosefindung anhand der „Jones-
Kriterien“.
• Grundvoraussetzung: vorangegangener Scharlach od. Nachweis von
Streptokokken Gruppe A im Rachenabstrich od. pos. AK gegen Strepto-
kokkenantigene (ASL etc.).
• Hauptkriterien: Karditis, migratorische Polyarthritis, Chorea minor, Ery-
thema anulare, Rheuma-Knötchen.
• Nebenkriterien: Fieber, Arthralgie, AV-Block I°, BSG/CRP ↑.
• Diagnosestellung rheumatisches Fieber: Grundvoraussetzungen plus
2 Hauptkriterien od. Grundvoraussetzungen plus 1 Haupt- u. 2 Nebenkri-
terien.

Differenzialdiagnose
• Andere Endokarditiden: Blutkulturen, Echo, Verlauf.
• Myokarditiden: Virusserologie, evtl. Myokardbiopsie, Verlauf.
• Reaktive Arthritiden: z. B. durch Salmonellen, Yersinien (Kulturen, Serolo-
gie).
• Bei Kindern: juvenile chron. Arthritis. Schwierige DD, die Arthritis ist destru-
ierend.
! Das rheumatische Fieber ist in Industrieländern gerade beim Erw. sehr selten
→ Diagnose stets hinterfragen.
Therapie
Akuter Krankheitsverlauf nicht beeinflussbar, nur symptomatische Behandlung
möglich. Wichtig ist daher die frühzeitige vorbeugende antibiotische Ther. von
bakteriellen (!) Halsentzündungen.
• Antibiose: Jeden Pat. streptokokkenwirksam behandeln, i. d. R. mit Penicillin:
akut z. B. 3 × 5 Mio. IE/d Benzylpenicillin i. v. (z. B. Penicillin „Grünenthal“®), 6
Dauer: ca. 10 Tage.
• Gelenkschmerz: NSAR, z. B. Diclofenac (z. B. Voltaren®) 4 × 50 mg/d (Ma-
genschutz!). Ther.-Dauer: ca. 4–6 Wo., Antiphlogistika ausschleichen.
• Karditis: bei schwerer Erkr. (z. B. Herzinsuff.) Versuch mit Glukokortikoiden,
z. B. Prednisolon 4 × 30 mg/d. Bei Ther.-Erfolg langsame Dosisreduktion.
• Chorea minor: Sedierung mit Benzodiazepinen (z. B. Diazepam
4 × 5–10 mg/d).
• Rezidivprophylaxe: Erkr. ist potenziell tödlich. Pat., die einmal erkrankt sind,
haben ein stark erhöhtes Risiko, erneut zu erkranken, bes. bei Herzbeteili-
gung. Daher Gabe von Antibiotika über Jahre!
– RF ohne Herzbeteiligung: 5 J. Prophylaxe, i. d. R. bis zum 21. LJ.
– RF mit Herzbeteiligung, aber ohne Klappenschaden: 10 J. Prophylaxe
bzw. bis ins Erw.-Alter.
– RF mit Herzbeteiligung u. Klappenschaden: 10 J. Prophylaxe, mind. bis
40. LJ. evtl. lebenslang.
• Prophylaxe mit z. B. Benzylpenicillin (z. B. Tardocillin® 1.200) 1×/Mon.
1,2 Mio. IE i. m., bei Klappenschaden alle 3 Wo. Bei Penicillinallergie Ery­
thromycin (z. B. Erythrocin® 250 Filmtbl.) 250 mg/d p. o.
348 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

6.4 Myokarditis
Oberbegriff für klinisch u. ätiologisch sehr unterschiedliche Herzmuskelentzün-
dungen od. Schädigungen. Seit 1996 von der WHO als „inflammatorische Kardio-
myopathien“ zusammengefasst. Akute Myokarditis bezeichnet meist eine Virus-
infektion des Herzmuskels. Die Entzündung kann entweder nur den Herzmuskel
betreffen od. den Herzbeutel mit einbeziehen (Perimyokarditis).
Pathophysiologie
Die Myokardschädigung kann durch eine Herzmuskelentzündung (z. B. Coxsa-
ckie-B-Infektion), eine Vaskulitis mit sek. Herzschaden (z. B. Rickettsieninfekti-
on, α-Methyldopa) od. eine nichtinfektiöse Schädigung (Radiatio, α-Interferon)
bedingt sein (▶ Tab. 6.4). Bes. Belastungen (z. B. Entbindung, sportliche Hochleis-
tungen) können eine virale Myokarditis demaskieren, evtl. auch auslösen. Das
Herz kann klinisch führend sein (z. B. Trypanosomeninfektion) od. nur am Rande
mitreagieren (z. B. bei Meningokokkensepsis).

Tab. 6.4 Ursachen der Myokarditis (Auswahl)


Ursachen Beispiele

Infektio­ • Viren: Coxsackie, Zytomegalie, HIV, EBV, HSV, Parvovirus B19, Ma­
nen sern, Mumps, Influenza A, Röteln, Varicella Zoster, Tollwut
• Bakterien: Diphtherie, Meningokokken, Haemophilus, Mykoplas­
men, Pneumokokken, Salmonellen, Rickettsien (Rickettsia rickettsii,
Coxiella burneti), Spirochäten (Borrelien, Leptospira)
• Protozoen: Trypanosoma cruzi, Toxoplasmen
• Parasiten: Ascaris, Echinokokken, Taenia solium, Trichinen, Schisto­
somen

Immunver­ • Allergie: viele Medikamente (Antibiotika, Antiphlogistika, Diuretika)


mittelt • Autoimmunität: Sarkoidose, SLE, Sklerodermie, Chagas-Krankheit,
6 chron. entzündliche Darmerkr., Vaskulitiden (M. Wegener, Churg-
Strauss-Sy. etc.)
• Transplantatabstoßung
Toxisch • Pharmaka: Alkohol, Chemotherapeutika (v. a. Anthrazykline), 5-Fluo­
rouracil, Lithium, Katecholamine, Kokain, Cyclophosphamid
• Physikalische Noxen: Strahlung, Hyperthermie, Elektroschock
• Metalle: Kupfer, Eisen, Blei, Arsen
Diverses CO, Insektenstiche, Schlangenbiss, Skorpionstich, Spinnenbiss

6.4.1 Virusmyokarditis

Leitbefunde
Neu aufgetretene Herzinsuff. od. neu aufgetretene Rhythmusstörungen, serol.
Entzündungszeichen bei Ausschluss einer KHK.

Häufigste Myokarditis, Inzidenz unbekannt. Klinik u. Verlauf sehr variabel. Die


Myokarditis ist histomorphologisch definiert („Dallas-Kriterien“).
• Akute Myokarditis: leukozytäre Infiltrate mit Myozytennekrose.
• Borderline-Myokarditis: wenige Lymphozyten, keine Myozytennekrose.
 6.4 Myokarditis 349

Es werden auch eine „fortbestehende Myokarditis“ u. eine „abheilende Myokardi-


tis“ beschrieben. Hierbei zeigen Folgebiopsien ein gleich bleibendes od. rückläufi-
ges lymphozytäres Infiltrat. Da bei geringer Leukozytendichte die histologische
Diagnose oft schwer gelingt, Biopsien immunhistologisch untersuchen (lassen).
Klinik
Oft 1–2 Wo. vor kardialen Beschwerden Atemwegsinfekt. Schwäche, Müdigkeit,
Abgeschlagenheit u. Gliederschmerz sind typisch. Evtl. Palpitationen, Tachykar-
die, evtl. thorakales Engegefühl. Bei Fortschreiten ggf. Herzinsuff., Rhythmusstö-
rungen jeglicher Art.
Diagnostik
Diagnose kann bei Ventrikeldysfunktion, typischer Klinik u. nach Ausschluss an-
derer Herzerkr. (z. B. KHK) nur wahrscheinlich gemacht werden, beweisend ist
allein die pos. Myokardhistologie.
• EKG: oft Sinustachykardie. AV-Block I° bis III°, jede Art von VES u. SVES u.
Schenkelblockbilder möglich. Bei Perikardbeteiligung (▶ 6.5) Niedervoltage,
ST-Strecken- u. T-Wellen-Veränderungen (auch infarktartig!).
• Rö-Thorax: evtl. Herzverbreiterung, bei Herzinsuff. pulmonale Stauung, bei
Perikarderguss Herzschatten dreiecks- od. bocksbeutelartig verbreitert.
• Echo: oft umschriebene Wandbewegungsstörungen, bei schwerem Verlauf
evtl. generalisiert. Teils umschriebene Wandverdickungen (Ödem). Ventri-
keldilatation mit rel. MR, teils mit Wandthromben, Perikarderguss.
• Labor: in der Frühphase Entzündungszeichen (BSG/CRP ↑), selten Leukozy-
tose. Herzenzyme (CKMB, GOT, auch Myoglobin, TnT/TnI) evtl. leicht er-
höht. Antimyokardiale AK oft ca. 4 Wo. nach Myokarditis nachweisbar (ty-
pisch, aber nicht spezifisch), öfter zirkulierende Immunkomplexe.
• Erregernachweis: Nachweis eines Virusinfekts anstreben, gelingt aber selten.
Auslösende Viren: meist Enteroviren (Gruppe der Picornaviren), speziell
Coxsackie B, gelegentlich Influenza-, Adeno-, Herpes-, Masern-, Röteln- od.
Hepatitisviren. Bei immunsupprimierten Pat. evtl. Zytomegalie. Serologie nur 6
in ca. 10 % pos., nur IgM-Titer sind rel. aussagekräftig. (CMV)-early Antigen
(pp65, aus EDTA-Blut) ist bei Zytomegalie spezifisch. Virusnachweis prinzi-
piell auch in Rachenspülwasser, Perikarderguss (Viruskultur) u. Myokardbi-
opsie möglich (mRNA Nachweis).
• Virologische Untersuchungen zum Nachweis einer AK-Bewegung: Coxsa-
ckie B1–B5, ECHO, Rota-, Herpes-, Influenza-, Parainfluenza-, Zytomegalie-,
Hepatitisvirus, Parvovirus B19, HIV, EBV. Diagn. ist ein Titeranstieg um den
Faktor 2.
• Myokardbiopsie: transvenös mehrere Biopsien aus RV. Möglichst frühzeitig
durchführen sowie nach 6 Mon. u. bei fortbestehenden Krankheitssympto-
men. Aufarbeitung der Biopsie nur im Speziallabor. Licht-, Elektronenmikro-
skopie (Hinweise auf DCM), Immunhistologie (Lymphozytentypisierung),
Molekularbiologie (Virusnachweis). Ind.: strittig. Zwar diagnosesichernd,
aber derzeit ohne therap. Konsequenzen. Sinnvoll bei myokardialer Funk­
tionsstörung unklarer Genese (Ausschluss KHK). Bewertung: einziges Ver-
fahren, das eine Myokarditis beweisen kann. Sensitivität bei alleiniger Licht­
mi­kroskopie gering, bei Immunhistologie weit besser. Neg. Histologie schließt
eine Myokarditis nicht aus. Ohne immunhistologische Aufarbeitung für den
Kliniker oft unbefriedigende Ergebnisse wegen unzureichender histologischer
Kriterien. Weiteres Ziel der Myokardbiopsie: Identifikation bzw. Ausschluss
350 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

spezifischer Herzmuskelerkr. (Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose,


M. Wilson u. a. Speicherkrankheiten).
• Perikardpunktion: bei V. a. Virusmyokarditis diagn. nicht indiziert (fehlende
Konsequenz), Viruskultur möglich. Perikarditis unklarer Genese (▶ 6.5).
• Kardio-MRT: aktuell beste nichtinvasive Untersuchung. Ind.: bei jedem V. a.
inflammatorische Herzmuskelerkrankung.
Befunde:
– regional u. global erhöhte Signalintensität bei Gewebeödem,
– frühes Gadolinium-Enhancement bei Hyperämie (Kapillarleck),
– Late-Gadolinium-Enhancement bei Nekrose/Fibrose als irreversibler Zell-
schaden.
• Koro: Bei Kontraktilitätsstörung unklarer Genese indiziert (KHK?). Bei Myo-
karditis evtl. „Slow-Flow-Phänomen“ in epikardialen Gefäßen: Hinweis auf
Mikroperfusionsstörung bei Myokarditis. Hauptind. v. a. zum Ausschluss ei-
ner KHK als Ursache der Ventrikeldysfunktion.
Verlauf
Vermutlich meist folgenlose Ausheilung. Bei fulminantem Verlauf evtl. akuter
Tod an Rhythmusstörungen od. Herzinsuffizienz. Eine Herzmuskelerkr. nach
Myokarditis (LV-Dysfunktion) unter dem Bild einer DCM (▶ 5.1.2) entsteht mit
unbekannter Häufigkeit. Vermutet werden folgende 3 Ursachen: postmyokarditi-
sche Herzdilatation nach schwerer Erkr., chron. virale Herzmuskelerkr. („chron.
Myokarditis“ bzw. „dilatative Kardiomyopathie mit Inflammation“) u. fraglich
durch das Virus angestoßene chron. autoimmunologische Myokarditis ohne Vi-
ruspersistenz. Ob für spezielle Pat.-Gruppen je nach Histologie spezifische Ther.-
Optionen bestehen (antiviral bzw. immunsuppressiv), ist derzeit unklar.
Therapie der akuten Myokarditis
Es gibt keine med. Ther., deren Wirksamkeit in randomisierten Studien belegt
wurde. Einzelfallbeschreibungen legen die Wirksamkeit einer Immunsuppression
6 nahe, randomisierte Studien haben jedoch für Steroide, Ciclosporin und Immun-
globuline keinen pos. Effekt gezeigt. Ther.-Leitlinien der Fachgesellschaften liegen
nicht vor.
• Senkung des myokardialen O2-Verbrauchs: körperl. Schonung für 3–6 Mon.
(kein Sport!), bei manifester Herzinsuff. Bettruhe. Grundlage der Ther.: Be-
handlung der Herzinsuff. u. der Arrhythmien.
• Spezifische Ther. richtet sich nach Ergebnis der Myokardbiopsie: Bisheriger
Verlauf u. aktuelle Klinik bestimmen das Vorgehen. Wenig Studiendaten,
meist Erfahrungswerte weniger großer Zentren.
• Ca. 60 % der Pat. zeigen spontane Viruselimination u. rückläufige Entzün-
dungsmerkmale unter ACE-Hemmern u. Betablockern → abwartendes Ver-
halten bei stabilisierbaren Pat.
• Entwickeln sich progrediente Pumpfunktionsstörungen od. intraktable Ar-
rhythmien → rasche, ätiologisch orientierte Ther. nach Biopsie bei Riesen-
zell-, eosinophiler u. nekrotisierender Myokarditis (nach Kühl u. Schultheiss):
– Riesenzellmyokarditis
OKT3 (Anti.CD3.AK): 5 mg/d i. v. über 7 d oder 10 mg/kg KG (3 Tage)
Ciclosporin: Talspiegel 100–120 μg/ml
Methylprednisolon: 1 mg/kg KG (1 Wo.)
Reduktion um 10 mg/4 Wo.
 6.4 Myokarditis 351

– Chron./autoimmune Myokarditis, eosinophile Myokarditis, entzündli-


che CMP
Methylprednisolon: 1 mg/kg KG (2 Wo.), dann Reduktion 10 mg/4 Wo.;
Erhaltungsdosis 10 mg/d; Behandlungsdauer 6 Mon.
Azathioprin: 50–150 mg/d (6 Mon.).
– Beachte: zusätzlich Pantoprazol 20 mg/d + Kalzium 1 × 1 g/d
Kontrolle BB, Leber-, Nierenwerte, BZ.
• Bei Virusmyokarditis ist Viruspersistenz ungünstig. NSAR begünstigen myo-
kardiale Zellschädigung (KI!). Konsequente Herzinsuff.-Ther.! Entero- u.
Adenovirusinfekte sprechen auf Interferon-β an. Anwendung nur bei selekti-
onierten Pat. im Rahmen von Studien in spezialisierten Zentren.
• Weitere Ther.-Optionen: Parvovirus: Immunglobuline u. Interferone; Zyto-
megalievirus: Ganciclovir, Foscarnet, Cidofovir; EBV: Ganciclovir, Foscarnet,
Cidofovir; Herpes-simplex-Virus: Aciclovir; RS-Virus: Ribavirin; Hepatitis-
C-Virus: Interferon + Ribavirin; HIV: antiretrovirale Medikation.

Merksätze zur Myokarditis


• Bei neu aufgetretener Herzinsuff. ohne direkt erkennbare Ätiol. an „Myo-
karditis“ denken. Häufig grippale od. gastroenteritische Symptome in den
zurückliegenden Wochen.
• In unseren Breiten ist „Myokarditis“ fast ausschließlich virusbedingt.
• Diagnose basiert auf Klinik („Grippe“, Gastroenteritis), Hinweisen auf Vi-
rusinfektion, EKG-Veränderungen, perikardialen Schmerzen,
Herzinsuff.-Symptomen. Diagnose bei Nachweis zellulärer Infiltrate mit
Zellnekrosen in der Myokardbiopsie gesichert. Serol. Titerbewegungen
sind wertvolle Hinweise, jedoch keine absoluten diagn. Kriterien.
• Abhängig von Klinik u. Verlauf Zusammenarbeit mit Kompetenzzentrum
(molekularbiologische, immunologische Diagn.).
• Ind. zur Myokardbiopsie gegeben bei klinischem V. a. Myokarditis, Nach-
weis eines infektiösen Geschehens, zum Ausschluss spezifischer Herzmus- 6
kelerkrankungen. MRT-Diagn. nimmt zentrale Stelle ein.
• Ther. der Myokarditis ist Ther. der Herzinsuff. u. der Arrhythmien. Immun-
modulierende Ther. sind kein Standard (nur im Rahmen klin. Studien).

6.4.2 HIV und Myokard


HIV-Infizierte haben eine erhöhte Inzidenz einer LV-Dysfunktion. Ursache ist
die direkte Myokardschädigung durch das HIV od. eine andere infektiöse Myo-
karditis. RF der HIV-CMP: CD4-Zellzahlen < 400/mm3. Inzidenz ca. 1,6 %/J., bei
abnehmender CD4-Zahl höher. Etwa 10 % der AIDS-Kranken sind klinisch herz-
krank.
• Klinik: progrediente LV-Dysfunktion mit Herzinsuff., oft NYHA III od. IV.
• EKG: teilweise neg. P in V1, VES, Zeichen der LVH.
• Echo: Dilatation aller Herzhöhlen, diffuse Hypokinesie, selten geringer Peri-
karderguss. Bei pathologischem Befund alle 3 Mon. Kontrolle.
• Prognose: bei DCM schlecht (Überleben im Schnitt 100 Tage), bei reiner LV-
Dysfunktion nicht wesentlich schlechter als andere HIV-Infizierte.
• Weitere Herzschäden bei HIV: häufig Pleuraerguss, Ursache oft unklar, teils
Malignome od. Infektion. Myokardmalignome: i. d. R. Metastasen andere Tu.
• Monitoring bei HIV: jährlich Echo, Langzeit-EKG alle 2 J.
352 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

6.4.3 Nichtvirale infektiöse Myokarditiden


Diphtherie
Zunehmende Häufigkeit! 2–6 Wo. nach Infektion bei ⅔ der Erkrankten Herzbe-
teiligung, davon in 10 % gravierend. Toxin blockiert kardialen oxidativen Stoff-
wechsel, bes. im Reizleitungssystem.
Klinik
Herzdilatation, AV- od. Schenkelblockierungen, auch tachykarde Rhythmusstö-
rungen.
Diagnostik
Keimnachweis im Rachenabstrich.
Therapie
Schon bei Verdacht schnellstmöglich Antitoxin-Gabe (Behringwerke). An 3 auf-
einanderfolgenden Tagen 30.000–120.000 IE/d (je nach Erkrankungsschwere, in-
trakutan vortesten), Isolation. Nicht auf mikrobiologische Ergebnisse warten.
Außerdem für ca. 14 Tage hoch dosiert Penicillin, Bettruhe.

Borrelien
Ca. 4–6 Wo. nach oft unbemerktem (!) Biss durch infizierte (!) Zecken entsteht in
10 % eine Lyme-Karditis (Myo- od. Pankarditis).
Klinik
Meist in Sommermonaten, vorher oft Erythema chronicum migrans an der Biss-
stelle. Geringes Fieber, Abgeschlagenheit, Lymphknotenschwellung, wechselnde
Arthritis, Meningoradikulitis (z. B. Fazialisparese). Typisch bei Herzbeteiligung:
AV-Blockierung (fast immer reversibel).
Diagnostik
6 • Aufenthalt in Endemiegebiet? Borrelien-ELISA.
! Borrelien-AK weisen keine akute Erkr. nach. Sie sind oft noch Jahre nach ei-
ner Infektion pos. bzw. es gibt falsch-pos. Serologien: Befund mit Labor dis-
kutieren.
Therapie
Bei Karditis Ceftriaxon (z. B. Rocephin®) 2 g/d i. v. für 4 Wo.

Trypanosoma cruzi (Chagas-Krankheit)


Endemisch in Mittel- u. Südamerika, häufigste Ursache für Herzinsuff. z. B. in
Brasilien. Übertragen durch Wanzen (v. a. Unterschicht betroffen). Bei chron.
Chagas-Krankheit ca. 20 J. nach Erstinfektion oft extreme Herzdilatation mit An-
eurysmabildung bei meist gut erhaltener Septumkontraktilität.
Diagnostik
Selten direkter Erregernachweis im Blut möglich, meist AK-Nachweis (ELISA,
KBR). Oft komplexe ventrikuläre Rhythmusstörungen (Langzeit-EKG), die spezi-
ell durch Belastung auslösbar sind.
Therapie
Antibiose im chron. Stadium wirkungslos. Bei Rhythmusstörungen gute Wirk-
samkeit von Amiodaron (▶ 11.6.10), wegen häufiger kardiogener Embolien bei
deutlicher Ventrikeldilatation Vit.-K-Antagonisten (▶ 11.7.4). Ggf. HTX.
 6.4 Myokarditis 353

Rickettsien
Z. B. Fleckfieber (Rickettsia [R.] prowazekii), Wolhynisches Fieber (R. quintana).
Übertragen durch Läuse, Flöhe od. Zecken. In Mitteleuropa heute selten, in ver-
schiedenen Teilen der Welt sind unterschiedliche Rickettsien endemisch (z. B.
R. rickettsii in Nordamerika → Rocky Mountain spotted fever).
Klinik
Je nach speziellem Typ meist hohes Fieber, Kopfschmerz, Hautausschlag. Herz:
u. a. Myokarditis durch immunologisch vermittelte Vaskulitis.
Diagnostik
Serologie, Klinik.
Therapie
Tetrazykline.

Wichtige infektiologische Raritäten


Pilzperimyokarditis: Vor allem bei Malignom-Pat. (▶ 6.5.4). Trichinose: über
Schweinefleisch übertragener Wurm. Larven leben teils Jahrzehnte im Muskel.
Zystizerkose (Taenia solium): Schweinebandwurmzysten im Myokard verursa-
chen evtl. Rhythmusstörungen.

6.4.4 Sarkoidose (M. Boeck)


Granulombildende Entzündung unbekannter Genese mit vorwiegendem Lun-
gen- u. Hautbefall. Selten myokardiale Granulome.
Klinik
Bei chron. Verlauf: bihiläre Lymphome u./od. lymphozytäre Alveolitis (evtl. Hus-
ten, meist radiologischer Zufallsbefund). Spätstadium: Lungenfibrose. Auch aku-
ter Verlauf (Löfgren-Sy.) mit Fieber, Arthritis u. Erythema nodosum möglich. 6
Evtl. Rhythmusstörungen, v. a. Blockierungen mit Möglichkeit des plötzlichen
Herztods. Evtl. auch deutliche Ventrikeldilatation unter dem Bild der DCM
(▶ 5.1.2), bei Perikardbeteiligung Erguss.
Diagnostik
Durch klinisches Gesamtbild, Myokardbiopsie möglich, Gallium-67-Myokard­
szintigrafie, evtl. MRT.
Therapie
Bei Zufallsbefund od. geringen Beschwerden zunächst keine Ther. (hohe spontane
Remissionsquote). Bei abnehmender Lungenfunktion, deutlichen Aktivitätszei-
chen in der bronchoalveolären Lavage od. schwerwiegender Herzbeteiligung
8–16 mg Prednisolon/d, anfangs evtl. bis 1 mg/kg KG/d, über 6–12 Mon. reduzie-
ren (pulmonologisches Konsil). Bei Blockierungen frühzeitig SM. Bei tachykarden
ventrikulären Arrhythmien ggf. ICD (▶ 12.5).

6.4.5 Medikamentöse Herzschäden
• Interferon-α: direkt kardiotoxisch. Symptome: Herzinsuff., Rhythmusstörun-
gen. Häufige NW!
• α-Methyldopa, Penicillin, Tetrazykline, Amphotericin B, Sulfamethoxazol:
hyperergische Herzschädigung.
354 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

• Anthrazyklin-Chemotherapeutika (v. a. Doxorubicin ▶ 5.2.2): nicht selten


akute Herzschädigung mit Rhythmusstörungen od. Perimyokarditis. Auch
chron. Herzschädigung möglich. Meist 1–6 Mon. nach Gabe Herzinsuff. mit
rel. schlechter Prognose. Spitzenspiegel von Anthrazyklinen unbedingt ver-
meiden, kumulative Dosis auf < 550 mg/m2 KOF begrenzen, Echokontrolle
der LV-Funktion vor Ther. sowie nach ca. 3 Mon. (EF?).
• Weitere Herzschädigungen selten klinisch relevant, begünstigt durch hohe
Bergspiegel der Medikamente.
Klinik
• Doxorubicin, Methotrexat, Cisplatin, 5-Fluorouracil: evtl. Rhythmusstörungen.
• Cyclophosphamid: evtl. Perikarditis.
• Vincristin, Cisplatin, 5-Fluorouracil: evtl. Koronarstenosen.
Therapie
Bei chemotherapieinduzierter Kardiotoxizität mit frühem Anstieg von Troponin
im Serum u. Persistenz der Spiegel hohes Risiko für die Entwicklung einer anthra-
zyklinbedingten CMP. Ther. mit Enalapril u./od. Carvedilol kann Kardiotoxizität
mindern.

6.4.6 Kawasaki-Syndrom
Sy.: Mukokutanes Lymphknotensy.. Vaskulitis, die v. a. Kleinkinder betrifft. In
> 30 % Herzbeteiligung, häufigste erworbene kindliche Herzerkrankung. Bis zu
25 % der unbehandelten Kinder entwickeln Koronararterienaneurysmen. Auch
eine Myokarditis ist möglich.
Klinik
• Fieber, Konjunktivitis, Pharyngitis, Palmarerythem, Halslymphknoten-
schwellung, später Exanthem.
6 • Herz: Perikarditis (evtl. mit Erguss), Myokarditis in 30–50 %. In 25 % durch
Vaskulitis der Vasa vasorum, Koronararterienaneurysmen, evtl. mit Throm-
benbildung u. MI (ca. ab 3. Wo.).
Therapie
Frühzeitige einmalige Gabe von Gammaglobulin: 2 g/kg KG i. v. Antiphlogistische
Ther. mit ASS 100 mg/kg KG/d, wenn Fieber abgeklungen ist für 8 Wo. 5 mg/
kg KG ASS/d. Manche Kinder benötigen Steroide. Bei MI evtl. Fibrinolyse od.
PTCA. Notfalls HTX.
Prognose
Meist gut; viele Aneurysmen bilden sich zurück. Letalität ca. 1 %. Bei MI evtl. spä-
tere Herzinsuff.

6.5 Perikarditis
Leitbefunde
Fieberhafte Erkr., retrosternaler Schmerz. Evtl. Perikardreiben. Typischer
EKG-Befund.
 6.5 Perikarditis 355

Entzündung des Herzbeutels mit Ergussbildung. Mögliche Spät-KO: Pericarditis


constrictiva.

Ätiologie
Eine Perikardinfektion kann primär den Herzbeutel betreffen od. sek. auf ihn
übergehen, z. B. bei Endokarditis mit Abszess od. von extrakardial ausgehend bei
Pleuropneumonie. Bei den meisten primären Perikarditiden findet man keinen
Auslöser, Viren sind wahrscheinlich. Häufig Entzündung mehrerer Herzschich-
ten (z. B. Perimyokarditis bei Coxsackie-B-Infektion). Eine generalisierte Entzün-
dung seröser Häute kann den Herzbeutel mitbetreffen (z. B. Urämie, SLE).
Ursachen der Perikarditis: idiopathisch, Viren (▶ 6.5.1, z. B. Coxsackie B, Echovi-
ren), Bakterien (▶ 6.5.2, primär, per continuitatem od. postop.), Tbc (▶ 6.5.3),
Pilze (▶ 6.5.4), Herztrauma (OP, MI, Unfall), Urämie (▶ 6.5.7), Strahlung
(▶ 6.5.8), Malignom (▶ 6.5.6), Autoimmunerkr., rheumatisches Fieber (▶ 6.3),
Medikamente (▶ 6.5.10, z. B. Minoxidil, Cyclophosphamid), Hypothyreose, Chol.
(▶ 6.5.10).

Symptome
• Akute Entzündung: Fieber, allgemeine Entzündungszeichen, Tachykardie. Bei
plötzlichem Beginn oft retrosternaler Schmerz, li-thorakal od. epigastrisch (DD
MI!). Typische Schmerzverstärkung durch Bewegung, Husten od. Atmen.
• Chron. Verlauf: Oft oligo-, asymptomatisch, klinische Diagnose oft unmög-
lich. Evtl. Rechtsherzinsuff., Zeichen der Perikardtamponade (▶ 6.8).

Auskultation
Bei frischer Entzündung od. wenig Erguss Perikardreiben, P. m. Herzbasis, nicht
fortgeleitet. Hochfrequentes systol.-diastol. Geräusch, das keiner Klappe zugeord-
net werden kann (DD: kombiniertes Mitralvitium). Klassischerweise 3 Kompo-
nenten: präsystol. (= Vorhofkontraktion), systol. (= Ventrikelkontraktion), früh-
diastol. (= Ventrikelfüllung). 6
Diagnostik
EKG
• Typischerweise stadienhafter Verlauf:
– Stadium 1: ST-Hebung vieler/aller Ableitungen (DD: MI).
– Stadium 2: nach einigen Tagen ST-Strecke meist wieder isoelektrisch, T-
Welle abgeflacht.
– Stadium 3: Negativierung der T-Welle in vielen/allen Ableitungen.
– Stadium 4: Normalisierung des EKG, bei chron. Verlauf oft keine EKG-
Normalisierung.
• Manchmal Niedervoltage, elektrisches Alternans (▶ 6.8).
Röntgen-Thorax
Bei akuter Perikarditis keine Herzverbreiterung. Chron. evtl. allseitige Herzdilata-
tion (Dreiecks- od. Bocksbeutelform), evtl. Kalzifikation.
Labor
• Je nach Genese evtl. allgemeine Entzündungszeichen (BB, CRP, BSG), leichte
CK-, CK-MB-Erhöhung, TnT/TnI evtl. positiv.
• Blutkulturen, Virusserologie (Screening: Coxsackie B, Echo-, Adenoviren),
Krea, Tubergen-Test. Je nach klin. Verdachtsdiagnose ASL-Titer (Strepto-
356 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

kokken), TSH, fT3 (Hypothyreose), ANA/Anti-DNA-AK (SLE), c-ANCA


(M. Wegener).
Echokardiografie
Ergussmenge? Binnenechos (Blut/Eiter)? Perikardverdickung? Zeichen der Peri-
kardtamponade (▶ 6.8)?
MRT
Sinnvolle Ergänzung zum Echo (zusätzliche Entzündung des Myokards? Peri-
karddicke? Extrakardiale Prozesse?).
Perikardergusspunktion
• Ind.: V. a. bakterielle Perikarditis, Perikardtamponade (▶ 6.8), anhaltende Pe-
rikarditis unklarer Genese.
• Analytik: Kulturen (Bakterien, Tbc, Pilze), Gram- u. Ziehl-Neelsen-Färbung.
Evtl. Viruskultur, evtl. Tbc-PCR. Zytologie (maligne Zellen, Chol.-Kristalle
▶ 6.5.10), BB aus Perikardpunktat: hämorrhagisch, Leukozytose (Granulozy-
ten, Lymphozyten), Chol.-Bestimmung.
• Perikardbiopsie: evtl. bei Perikarditis unklarer Genese > 10 Tage Dauer ohne
Besserung u. zu wenig Erguss für Punktion.
! Cave: elektive Perikardpunktion bei V. a. Tbc möglichst erst nach mehrtägi-
ger antituberkulotischer Anbehandlung, sonst Gefahr der Landouzy-Sepsis
(punktionsbedingt hämatogene Aussaat der Tuberkelbakterien).

Differenzialdiagnose
Jede Ursache des Thoraxschmerzes, speziell Pleuritis, MI (▶ Tab. 6.5).

Tab. 6.5 Differenzialdiagnose Perikarditis – Myokardinfarkt


Befund Perikarditis Myokardinfarkt

6 Anamnese Evtl. zuvor Atemwegsinfekt, gastro­


intestinaler Infekt
Evtl. Belastungsangina

Beginn Oft plötzlich, evtl. Fieber Meist plötzlich, teils


­Crescendo-Charakter

EKG ST-Hebung, oft in fast allen Ableitun­ ST-Hebung, lokalisiert,


gen, evtl. eher konkav, keine ST-Sen­ eher horizontal od. kon­
kung in spiegelbildlichen Ableitung vex, ST-Senkung in spie­
gelbildlichen Ableitung

Schmerz Li-thorakal, meist stechend, nitroneg., Retrosternal, evtl. li Arm,


oft atemabhängig Kinn. Eher dumpf,
­drückend, Engegefühl.
Evtl. Nitro-Effekt, nicht
atemabhängig

Labor CK ↑, Leukozytose, CRP ↑ bis ↑↑ CK im Verlauf ↑↑, CRP im


Verlauf oft ↑↑

Echo Regionale Wandbewegungsstörung Regionale Wandbewe­


möglich! gungsstörung
 6.5 Perikarditis 357

6.5.1 Virale Perikarditis, idiopathische Perikarditis


Bei vielen Perikarditiden findet sich kein Auslöser. Die meisten dieser idiopathi-
schen Perikarditiden sind vermutlich viral bedingt.

Erreger
Meist Coxsackie- od. Echoviren. Selten EBV (bei Mononukleose auch Myokardi-
tis möglich), bei Immunsupprimierten CMV, auch HIV (▶ 6.4.2), sehr selten an-
dere (Hepatitis, Mumps, Influenza etc.).

Klinik
Oft vorangegangener Atemwegsinfekt. Typisch: akuter Beginn, junge Pat., starker
Thoraxschmerz, Perikardreiben. Meist spontane Abheilung in 1–3 Wo. Myokard-
beteiligung möglich, Perikardverdickung bzw. Pericarditis constrictiva selten. In
25 % der Fälle Rezidive!

Diagnostik
▶ 6.5.
Therapie
Symptomatisch bei Schmerzen, z. B. Diclofenac (z. B. Voltaren®), 2–4 × 50 mg/d,
(Magenschutz!). Wenn nicht ausreichend, Steroide (Prednisolon, ca. 80 mg/d,
rasch ausschleichen).

Prompte Besserung eines Thoraxschmerzes auf NSAR (z. B. Diclofenac)


spricht gegen MI/A. p. u. für Perikarditis.

6.5.2 Bakterielle Perikarditis
6
Infektionswege: hämatogen im Rahmen einer Sepsis, oft Pneumo-, Meningokok-
ken, Staph. aureus od. Haemophilus. Nach Thorakotomie sind alle Keime mög-
lich. Bei Endokarditis durch Myokardabszess. Per continuitatem (Lunge, Retrope-
ritoneum).

Klinik u. Diagnostik
Meist foudroyanter Verlauf mit hohem Fieber u. schwer krankem Pat., meist feh-
lender Brustschmerz, evtl. Perikardreiben, oft Zeichen der Perikardtamponade
(▶ 6.8) als erster klinischer Hinweis auf Herz als Fieberquelle. Bei V. a. bakterielle
Perikarditis ohne Verzögerung Perikardpunktion, da Letalität auch bei adäquater
Ther. hoch. Im Perikardpunktat massenhaft Granulozyten, Eiweiß > 30–40 g/l,
Glukose deutlich unter Serum-Glukose.

Therapie
Antibiose möglichst erst nach Perikardkultur (nach Gram-Präparat!), z. B. Cefo-
taxim 3 × 2 g/d (z. B. Claforan®) plus Gentamycin (z. B. Refobacin®) nach Krea
(▶ 11.12) plus Rifampicin 10 mg/kg KG/d (1–2 ED; z. B. Rifa®). Chirurgische Peri-
karddrainage oft erforderlich (häufig Perikardtamponade od. -empyem).
358 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

6.5.3 Tuberkulöse Perikarditis
In Deutschland rel. selten, gelegentlich bei Immunsupprimierten (HIV, Organ-
transplantierte). In der Dritten Welt noch sehr häufig.

Klinik
Zwei klinische Bilder: akute Perikarditis mit Erguss od. Spätstadium mit Pericar-
ditis constrictiva (▶ 6.7). Meist langsamer Verlauf (foudroyanter Verlauf mög-
lich!) ohne gleichzeitige Lungensymptomatik!
• Eher geringes Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust.
• Oft Zeichen der Perikardtamponade (▶ 6.8): Tachykardie, Halsvenen-/Leber-
stauung, allgemeine Leistungsschwäche, Pleuraerguss, Hypotonie. Selten Pe-
rikardreiben, selten Schmerzen.
! Auftreten während antituberkulotischer Ther. (z. B. einer Lungen-Tbc) mög-
lich!

Diagnostik
Der Beweis der Tbc ist schwierig u. zeitaufwendig. I.d.R. kann Diagnose klinisch
so wahrscheinlich gemacht werden, dass eine antituberkulotische Ther. möglich
ist.
• Kultur, Histologie: bei extrakardialer Symptomatik z. B. Bronchoskopie,
Lymphknoten-PE.
• Tuberkulin-Hauttest: wenig aussagekräftig (nur bei 70 % der Pat. reaktiv, bei
Pat. mit nichttuberkulöser Perikarditis in 30 % pos.!).
• Perikardpunktion: Bei Tbc-Verdacht möglichst erst nach antituberkuloti-
scher Anbehandlung (Gefahr hämatogener Streuung). Ziehl-Neelsen-Fär-
bung, Kultur dauert Wochen, stets inkl. Resistenztestung. Neg. Kultur
schließt Tbc nicht aus! Wenn verfügbar Tbc-PCR (Ergebnis nach wenigen
Tagen).
6 • Perikardhistologie: evtl., wenn bei lang dauernder od. rezid. Perikarditis un-
klarer Genese Zweifel an einer Tbc (auch zur DD Mesotheliom). Viel Materi-
al gewinnen, da sonst keine sichere Aussage möglich. Evtl. gleich großzügige
Perikardfensterung od. -ektomie!
! Keine Biopsie ohne vorherige antituberkulotische Ther. bei klinischem Ver-
dacht!

Therapie
! Antituberkulotische Ther. bei Verdacht, nicht erst nach Kulturergebnis!
• Antituberkulotische Ther.: Dauer 9 Mon., davon die ersten 3 Mon. Drei-
(Vier-)fach-Kombination. Dann bei rückläufigen Entzündungszeichen
6 Mon. Konsolidierungstherapie. Mögliche Komb.: Isoniazid + Rifampicin
(potenteste Mittel) + Pyrazinamid (evtl. + Ethambutol), in der Konsolidie-
rung Isoniazid + Rifampicin. Bei Ther.-Beginn alle 3 Tage ein weiteres Medi-
kament einführen.
– Isoniazid (Isozid®): 1 × 300 mg/d, Komb. mit Pyridoxin erforderlich (z. B.
in Isozid compositum®). Transaminasenkontrolle!
– Rifampicin (z. B. Rifa®): 1 × 10 mg/kg KG/d, max. 600 mg. Transamina-
sen kontrollieren.
– Pyrazinamid (z. B. Pyrafat®): 1 × 1,5 g/d (Hyperurikämie? Transaminasen?).
– Ethambutol (z. B. Myambutol): 2 × 7 mg/kg KG/d (Sehstörungen? Augen-
ärztliches Konsil vor u. unter Ther.).
 6.5 Perikarditis 359

• Prednisolon: ca. 50 mg/d. Bei tuberkulöser Pericarditis constrictiva Vermin-


derung der Letalität. Bei Schwerkranken vermutlich sinnvoll. Nach mehrtägi-
ger Anbehandlung der Tbc.
• Perikarddrainage: bei V. a. Perikardtamponade (▶ 6.8).
• Perikardektomie: bei hämodynamisch wirksamer Konstriktion (frühzeitig
durchführen ▶ 6.5), rezid. Erguss.

• Eine neg. Tbc-Kultur schließt eine Perikard-Tbc nie aus.


• Nach (vermutlich) tuberkulöser Perikarditis Pat. über Jahre nachkon­
trollieren: Pericarditis constrictiva?

6.5.4 Pilzperikarditis
Selten, v. a. nach Chemother., bei HIV-Infizierten, Drogenabhängigen. Diagnose:
Perikardergusskultur. In einigen Teilen der Welt ist die Histoplasmose-Perikardi-
tis endemisch, Diagnose durch Serologie. Ther. i. d. R. Amphotericin B + Flucyto-
sin (▶ 6.1.1). Alternativ Fluconazol hoch dosiert, bis ca. 1.200 mg/d p. o. od. i. v.
(z. B. Diflucan®): Weniger NW, kaum weniger wirksam. Schlechte Prognose!

6.5.5 Pericarditis epistenocardiaca
▶ 3.6.7; ▶ 3.8.3.
Akute fibrinöse Perikarditis 2–4 Tage nach MI, lokalisiert über Herzmuskelnekro-
se. Inzidenz: ca. 6 % aller Infarktpat.
! Nicht zu verwechseln mit dem später auftretenden Dressler-Syndrom
(▶ 6.6).

Klinik 6
Passageres Perikardreiben (tägliche Auskultation nach MI!), Schmerz, selten Er-
guss (kaum je hämorrhagisch). DD: Postinfarktangina (Schmerz eher dumpfer,
nitrosensitiv ▶ 3.6.7).

Diagnostik
Wiederholt EKG, Gesamtsituation.

Therapie
ASS 2–4 g/d, wenn unzureichend, Prednisolon (40–60 mg/d, schnell reduzieren).

Keine hochpotenten NSAR (z. B. Indometacin, Diclofenac), sie verschlech-


tern die Infarktnarbenbildung!

6.5.6 Maligner Perikarderguss
Sehr selten bei primären Perikard-Tu (evtl. Mesotheliom). Bei > 10 % metastasie-
render Malignome Herzbeutelmetastasen, v. a. bei Bronchial- od. Mammakarzi-
nom, Leukämien od. Lymphomen (▶ 6.9.2).
360 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Klinik
• Symptome: meist asymptomatisch, praktisch nie Schmerzen. Evtl. Zeichen
der Tamponade (Halsvenenstauung, Hypotonie ▶ 6.8).
• EKG: evtl. Niedervoltage, Bild wie Stadium 3 der Perikarditis (▶ 6.5).
• Echo: manchmal deutliche, teils knotige Perikardverdickung. Erguss gele-
gentlich sehr ausgeprägt. Diastol. Kompression von RA od. RV, Septumshift
nach li (Tamponadezeichen ▶ 6.8).

Therapie
Drainage nur bei klinischen Tamponadezeichen (▶ 6.8, Hypotonie, Tachykardie).
Weitere Maßnahmen in Absprache mit Onkologie, z. B. Chemother. des Primär-
Tu, Strahlenther., Instillation von Chemotherapeutika in Perikardbeutel nach Ab-
lassen des Ergusses, z. B. 10 mg Mitoxantron (Novantron®). Bei guter Prognose
(teilweise) Perikardektomie möglich.

6.5.7 Urämische Perikarditis
Urämie kann eine Entzündung seröser Häute inkl. des Perikards verursachen. Ein
Schwellenwert für Krea od. Harnstoff besteht nicht. Nicht od. unterdialysierte Pat.
können betroffen sein. Tritt evtl. in der Anfangszeit einer Hämodialysebehandlung auf.

Klinik
• Anfangs meist Perikardreiben, später radiologische Herzvergrößerung. Bei
chron. Verlauf ist evtl. der Schock infolge Tamponade Erstsymptom.
• Perikardpunktion: diagn. bei typischer Anamnese nicht erforderlich. Zellar-
mer Erguss, fibrinreich, oft hämorrhagisch.

Therapie
Bei Tamponade (▶ 6.8) Perikardpunktion. Tägliche Hämodialyse für etwa 10 Ta-
6 ge (kontinuierliche Hämofiltration unzureichend), geringer, sukzessiver Flüssig-
keitsentzug. Perikardfensterung selten erforderlich, nur bei rezid. Ergüssen trotz
intensiver Dialysebehandlung, evtl. Instillation von Triamcinolon 50 mg alle 6 h
über 2–3 Tage.

Prognose
Ohne Hämodialyse schlecht!

6.5.8 Strahlenperikarditis
Selten als akute Perikarditis. Meist Monate/Jahre nach Bestrahlung Zeichen des
chron. Perikardergusses od. der Tamponade (▶ 6.8). Manifestation oft unspezi-
fisch durch Schwäche u. Gewichtsverlust. Diagn.: Perikardpunktion meist erfor-
derlich. (DD Tu-Rezidiv). Ther.: Bei Schmerz evtl. Steroide (Prednisolon, anfangs
60 mg/d, über Wo. ausschleichen). Bei Symptomen evtl. Perikardektomie (Fenste-
rung i. d. R. unzureichend).

6.5.9 Perikarditis bei Autoimmunerkrankungen


Bes. bei SLE (▶ 6.10.1) u. M. Wegener (▶ 6.10.2) ist ein Perikarderguss möglich,
außerdem bei rheumatoider Arthritis (▶ 6.10.4), Sklerodermie (▶ 6.10.3), Sarko­
idose (▶ 6.4.4), M. Bechterew (▶ 6.10.5), Dermatomyositis (▶ 6.10.6).
 6.6 Postkardiotomie-/Postinfarktsyndrom 361

Klinik
Meist typische akute Perikarditis (▶ 6.5), bei Lupus evtl. Herzbeuteltamponade
(▶ 6.8).

Diagnostik
Echo, Perikardpunktion nur bei klinischem Zweifel an der Genese (eiweißreich,
zellarm).

Therapie
Bei Tamponade Ergussdrainage. Ther. der Grundkrankheit. Stets indiziert: Pred-
nisolon 1 mg/kg KG/d (reduzieren nach Gesamtsituation).

6.5.10 Seltene Perikarditiden
• Myxödemperikarditis: Bei schwerer Hypothyreose gelegentlich sehr ausge-
prägter Perikarderguss. Unter Schilddrüsenhormon-Gabe sehr langsam rück-
läufig. Punktion od. Drainage nur bei klinischen Tamponadezeichen (Hypo-
tonie, Tachykardie). Bei schwerer Hypothyreose Thyroxin sehr niedrig do-
siert beginnen (z. B. L-Thyroxin 25 μg/d), langsam steigern (z. B. alle 1–2 Wo.
um 25 μg/d). Sonst Gefahr schwerer Rhythmusstörungen.
• Chol.-Perikarditis: Nach Perikardtrauma kann Chol. im Herzbeutel aus-
fallen, das wiederum eine Entzündung unterhält. Diagn.: Perikardpunk­
tion (Nachweis von Cholesterinkristallen), Ausschluss anderer Perikardi-
tiden. Ther.: Bei Persistenz u. Tamponadezeichen notfalls Perikardekto-
mie.
• Medikamenteninduzierter Erguss: U. a. bei Minoxidil (Lonolox®), Dihy­
dralazin (Nepresol®), Methysergid (Deseril®). Ther.: Pharmaka absetzen.

6.6 Postkardiotomie-/Postinfarktsyndrom 6
Akute, diffuse Perikarditis, ca. 1–4 Wo. nach umschriebenem Myokardschaden:
MI, Herz-OP (auch ACVB), Myokardperforation durch SM-Kabel. Oft zusätzli-
che Pleuritis, Pathogenese unklar. Antimyokardiale AK sind häufig positiv.
• Postmyokardinfarktsyndrom (Dressler-Sy.): diffuse Perikarditis nach MI.
Evtl. direkt nach umschriebener Pericarditis epistenocardiaca (▶ 6.5.5). RF:
großer MI, orale Antikoagulanzien. Inzidenz seit Jahren stark rückläufig
(rückläufige Verwendung von Vit.-K-Antagonisten? Pos. Effekt neuer Reper-
fusionsstrategien?).
• Postkardiotomiesyndrom: gleiches Krankheitsbild wie Dressler-Sy., tritt
nach Herztrauma auf. Bei > 10 % aller Herzoperierten, aber auch nach min.
Herztrauma.

Klinik
Akute, fieberhafte Erkr., Abgeschlagenheit mit typischer akuter Perikarditis
(▶ 6.5), Perikardreiben, Brustschmerz (DD A. p.). Oft Pleuritis mit Pleuraerguss
(DD Pleuropneumonie). Auch ohne Postkardiotomiesyndrom ist nach Herz-OP
ein Pleura- od. Perikarderguss häufig, v. a. nach Präparation der A. mammaria.
Unterscheidung zur Pleuropneumonie oft unmöglich.
362 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Diagnostik
• Labor: Leukozytose, CRP ↑. Antimyokardiale AK oft pos. (für Diagnose
nicht entscheidend).
• Perikardpunktion: nur bei V. a. bakterielle od. hämodynamisch kompromit-
tierende Perikarditis postop. erforderlich. Erguss: eiweißreich (> 40 g/l), oft
hämorrhagisch, gemischt lympho-granulozytär.
• Rö-Thorax: oft Pleuraerguss, evtl. Herzverbreiterung bei Erguss od. Pseudo-
Herzverbreiterung durch offen belassenes Perikard. Passageres pulmonales
Infiltrat möglich.
• Echo: Erguss. Selten Perikardtamponade, sehr selten spätere Pericarditis con-
strictiva (▶ 6.7).

Therapie
• NSAR, z. B. Diclofenac 2–4 × 50 mg/d (z. B. Voltaren®), Magenschutz! Wenn
unzureichend, Prednisolon 1 mg/kg KG/d, über 2–3 Wo. ausschleichen.
• Perikardfensterung: nur selten nötig.
! Da eine Pneumonie klinisch oft nicht ausgeschlossen werden kann, außerdem
Antibiotika, z. B. Cephalosporin der 3. Generation, z. B. Cefotaxim (Clafo-
ran®) 3 × 1–2 g/d.

Tipps & Tricks


• Bei „Pneumonie“ nach Herz-OP an Postkardiotomie-Sy. denken.
• Beim Postinfarkt-Sy. scheinen Vit.-K-Antagonisten zu schaden, nicht
beim Postkardiotomie-Sy.

6.7 Pericarditis constrictiva
6 Leitbefunde
Rechtsführende Herzinsuff. (Halsvenenstauung, Beinödem, evtl. Aszites), HF
↑. Chron.: AZ-Verfall durch vermindertes HZV.

Ätiologie
Früher in Europa, heute noch in der Dritten Welt meist durch Tbc (▶ 6.5.3) verur-
sacht. In Deutschland meist idiopathisch (vermutlich abgeklungene nichtspezifi-
sche Perikarditis), nach Herz-OP, nach mediastinaler Bestrahlung, bei Autoim-
munerkr. od. Malignomen.

Pathophysiologie
Einschnürung des Herzens behindert diastol. Kammerfüllung. Im Gegensatz zur
Tamponade ist die frühe diastol. Füllung unbehindert, endet aber plötzlich. Durch
Fesselung steigt diastol. der Druck aller Herzkammern parallel an. HZV sinkt, bes.
bei begleitender Herzinsuff., da eine kompensatorische ventrikuläre Dilatation
zur Nutzung des Frank-Starling-Mechanismus nicht möglich ist (keine Hypertro-
phie der Ventrikelwände). HF steigt. Es resultiert ein Rückwärtsversagen mit
Stauung vor dem Herzen (Rechtsherzinsuff.).
 6.7 Pericarditis constrictiva 363

Klinik
• Rechtsherzinsuff. (▶ 8.4.2): Beinödeme, abdominale Beschwerden durch He-
patosplenomegalie u. Stauungsgastropathie, Aszites (evtl. extrem), Pleuraer-
guss.
• Linksherzinsuff.: weniger typisch. Lungenstauung, Pleuraerguss, Dyspnoe im
späten Stadium (LA-diastol. Druck > 15–20 mmHg). Chron. Verlauf, evtl.
kardiale Kachexie.
• Gestaute Halsvenen: Typisch ist 2-maliges Abfallen der Halsvenenfüllung
pro Herzzyklus, Vorhofdruck sinkt 2× rasch ab (markantes x- u. y-Tal der
Vorhofdruckkurve, s. u.). DD: Halsvenenpulsation bei TR.
• Pos. Kussmaul-Zeichen: zunehmende Halsvenenstauung bei Inspiration. RV
kann den ↑ inspiratorischen Blutzufluss durch seine Fesselung nicht aufneh-
men.
• Pulsus paradoxus: selten (▶ 6.8).
• Auskultation: Li-parasternal frühdiastol. Geräusch (plötzlich beendete dias-
tol. Ventrikelfüllung).

Nichtinvasive Diagnostik
• Labor: kaum hilfreich. Evtl. Proteinurie von mehreren g/d bei schwerster
Rechtsherzinsuff. (DD: Beinödeme bei nephrotischem Syndrom).
• Rö-Thorax: evtl. Herzschattenverbreiterung durch massive Perikardverdi-
ckung. In 50 % perikardialer Kalk. Pleuraerguss u. mäßige Lungenstauung
möglich.
• EKG: Niedervoltage, T-Wellen abgeflacht od. negativiert (ähnlich Perikarditis
Stadium 2 od. 3, ▶ 6.5). In ca. 50 % VHF.
• Echo: In 60 % Restperikarderguss, evtl. verdicktes Perikard erkennbar. Ruck-
artige Septumbewegung bei diastol. Füllung. Keine Wandhypertrophie.
Doppler: normale E-Werte, E/A-Ratio > 2 mit verminderter Dezelerationszeit
(restriktives Muster); atemabhängige Modulation des transmitralen/-trikuspi-
dalen Einstroms (bei Inspiration Reduktion der E-Welle > 10–25 %); inspira- 6
torische Reduktion des systol. u. diastol. Einstroms aus den PV; im Gewebe-
Doppler E’ > 8 cm/s.
• CT u. MRT (EKG-getriggert): gute Möglichkeit der Perikarddickenbeurtei-
lung (präop. Diagn.), in Bildgebung dem Herzecho überlegen.

Invasive Diagnostik
Beweisend, aber nur bei klin. Zweifeln erforderlich. Simultane Rechts- u. Links-
herz-Druckmessung (▶ Abb. 6.1).
• Diastol. gleichen sich die Kurven aller Herzkammern an.
• Im RA Druckkurve mit erhöhtem Druckniveau (z. B. > 15 mmHg).
• Pos. Carvallo-Zeichen: Inspiratorisch bleibt RAP konstant od. steigt (norma-
lerweise Abfall), da respiratorische intrathorakale Druckschwankungen nicht
nach intrakardial übertragen werden, RV kann SV bei erhöhter Vorlast nicht
steigern.
• Deutliches y-Tal in der RAP-Kurve (frühdiastol. schneller Blutfluss in den
RV; DD zur Tamponade).
• LV, RV (▶ Abb. 6.1): normale systol. Druckkurve gefolgt von schneller früh-
diastol. Druckreduktion. Anschließend schneller Druckanstieg u. schließlich
Druckplateau für den Rest der Diastole. „Dip-Plateau“ od. „Square-root“-
(Quadratwurzel)-Form (normale frühdiastol. Ventrikelrelaxation im Gegen-
satz zur Tamponade od. RCM ▶ 5.1.3).
364 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

LV LV

RV

RA
x-Tal y-Tal

frühdiastolischer Druckabfall („dip“) deutlicher Druckabfall frühdiastolisch


durch anfangs ungehinderte Relaxation durch Öffnung der Trikuspidalklappe
des Ventrikels, gefolgt von Druckplateau (y-Tal)
durch diastolische Fesselung
(„square-root-Form“)

Abb. 6.1 Hämodynamisches Profil bei Pericarditis constrictiva. Simultane Druck­


messung in LV u. RV (li) sowie LV u. RA (re) [A300]

! Bei Tachykardie weniger typische Befunde.


• PCWP (entspricht LA-Druck) u. PA-Druck ↑.
• Ventrikulografie: normale ventrikuläre Diameter u. normale Kontraktilität
(trotz klinischer Herzinsuff.).
• Bei Resterguss: Kurvenform evtl. tamponadeartig verändert (▶ 6.8).
• Koro: zum Ausschluss einer KHK vor Herz-OP erforderlich.
Differenzialdiagnose
6 Klinische Symptome oft irreführend: Ödeme, Hepatomegalie, Aszites. Oft wird
primär an eine Leberzirrhose od. nephrotisches Syndrom gedacht (Echo durch-
führen).
• Perikardtamponade: Gleiches klinisches Bild, Übergänge bei Pericarditis
constrictiva mit Resterguss existieren. DD durch Herzkatheter u. Perikard-
punktion. Das y-Tal der Vorhofdruckkurve ist bei Tamponade fast aufgeho-
ben, bei Pericarditis constrictiva sehr ausgeprägt. Trotz Perikardpunktion
bleibt bei Pericarditis constrictiva RAP unverändert.
• RCM: klinisch nicht zu unterscheiden, schwierige DD. Bei beiden Erkr. be-
hinderte diastol. Ventrikelfüllung (Rechtsherzkatheter). Perikardmorphologie
bei RCM im CT/MRT normal. Ventrikulärer EDP bei RCM i. d. R. li höher als
re. Entscheidend ist die Radionuklid-Ventrikulografie: Bei Pericarditis con­
strictiva füllt sich der Ventrikel sehr schnell (> 60 % der Füllung in der ersten
Diastolenhälfte), bei RCM dauert die Füllung über die gesamte Diastole an
(< 60 % der Füllung in der ersten Diastolenhälfte).

Therapie
Ther. der Herzinsuff. (v. a. Diuretika ▶ 11.2). Möglichst Perikardektomie durch-
führen (Erkr. progredient). Hohe OP-Letalität (ca. 10 %), daher bei schlechtem
AZ (z. B. ältere Pat., Herzinsuff. NYHA III od. IV) nicht geeignet. Wenn Gesamt-
zustand des Pat. gut u. Perikardektomie unwirksam, ggf. HTX.
 6.8 Herzbeuteltamponade 365

! Besser früher bei gutem AZ operieren, als OP so lange aufzuschieben, bis AZ


so schlecht ist, dass OP-Risiko stark steigt.

6.8 Herzbeuteltamponade
Leitbefunde
Zeichen der Rechtsherzinsuff., Hypotonie bis Schock. Pulsus paradoxus, leise
Herztöne, typischer Echobefund. Herzbeutelerguss mit Herzkompression u.
Abfall des HZV.

Pathophysiologie
Der Herzbeutel ist akut kaum dehnbar, bei chron. Druck weitet er sich. Akut kann
ein kleiner Erguss hämodynamisch relevant sein (ab ca. 150 ml), chron. können
mehrere Liter evtl. keine Symptome verursachen. Normaler perikardialer Druck
um 0 mmHg, Tamponadezeichen ab ca. 15 mmHg. Überschreitet der Herzbeutel-
druck den Kammerdruck, wird die Kammer komprimiert. Da der Kammerdruck
diastol. niedriger ist, kommt die Kompression v. a. in der Diastole zum Tragen.
Das Niederdrucksystem (Vorhöfe, RV) ist bes. betroffen. Verminderte Füllung
führt zu erniedrigtem SV, daher sinken HZV u. bes. systol. RR, HF steigt.
! Sinusknotenkompression bei erhöhtem perikardialen Druck → (fatale) Brady-
kardie möglich. Niedriger art. Druck u. hoher Druck im Herzbeutel begünsti-
gen eine myokardiale Ischämie.

Klinik
Je nach Geschwindigkeit der Ergussentstehung (Aortendissektion perakut, Strah-
lenperikarditis Monate):
• Tachykardie, Hypotonie bis Schock. Pulsus paradoxus (s. u.) bzw. inspirato-
risch fehlender Radialispuls. 6
• Rechtsherzinsuff., gestaute Halsvenen, Beinödeme, Hepatosplenomegalie,
Stauungsgastropathie, Aszites.
• Dyspnoe, evtl. Pleuraerguss, typischerweise keine Lungenstauung.
• Leise bzw. fehlende Herztöne, fehlender Herzspitzenstoß.
Pulsus paradoxus
Verstärkung des normalen systol. RR-Abfalls bei Inspiration, hier um
> 10 mmHg. Bei Inspiration sinkt intrathorakaler Druck, es fließt vermehrt
Blut zum re Herzen. Durch erhöhten perikardialen Druck ist RV komprimiert,
das inspiratorisch zufließende Blut presst das Ventrikelseptum zum LV, seine
diastol. Füllung ist behindert. Das LV-SV u. damit der systol. RR fallen. Bei
steifem Myokard (z. B. Wandhypertrophie, Amyloidose) fehlt daher ein Pulsus
paradoxus.

Diagnostik
• EKG: Sinustachykardie, evtl. Niedervoltage, elektrisches Alternans (von
Schlag zu Schlag leicht wechselnde QRS-Höhe u. -Achse durch im Erguss
pendelndes Herz). Ggf. Zeichen der Perikarditis (▶ 6.5).
366 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

• Rö-Thorax: Bei rasch entstandenem Erguss unauffällig! Bei größerem Erguss


beidseitige Herzverbreiterung (Glocken- od. Dreiecksform). Fehlende Lun-
genstauung. DL: fehlende Herzrandpulsation.
• Echo: Zeichen der Herztamponade:
– Größenzunahme des RV bei Inspiration, Abnahme bei Exspiration.
– Größenabnahme des LV bei Inspiration, Zunahme bei Exspiration.
– Kompression von RA u./od. LA in der Diastole.
– VCI diastol. ohne inspiratorischen Kollaps.
– Inspiratorische Abnahme u. exspiratorische Zunahme der max. Flussge-
schwindigkeit über die MK. Evtl. fehlende passive Füllung des LV (fehlen-
de E-Welle).
– „Swinging heart“ (im Erguss pendelndes Herz).
! Bei V. a. zunehmenden Perikarderguss: täglich Echo → bei zunehmender
RA-/RV-Kompression Perikarddrainage.
• Rechtsherzkatheter: diagn. nicht erforderlich. Erhöhter RAP (normal bis
ca. 6 mmHg). Im RV vermindertes/fehlendes y-Tal der Druckkurve (langsa-
me, behinderte diastol. Füllung des RV durch erhöhten diastol. Druck). Er-
höhter PCWP bei erhöhtem intraperikardialem Druck (also nicht Ausdruck
einer Linksherzinsuff.!).
• Perikardiale Druckmessung: diagn. nicht erforderlich. Gefahr der bakteriel-
len Kontamination des Herzbeutels. Drücke ähnlich RA.

Therapie
• Perikardtamponade infolge Aortendissektion: Not-OP (▶ 2.2.4).
• Bei klinischen Tamponadezeichen (RR-Abfall): zügige Entlastung anstreben.
Bei nicht rasch nachlaufendem Erguss (z. B. Strahlenperikarditis, tuberkulöse
Perikarditis) Perikardpunktion, keine Drainage legen. Bei unklarer Situation
Perikardkatheter liegen lassen.
• Bei stabiler hämodynamischer Situation Punktionsind. anhand des Echobe-
6 funds stellen (Punktion bei diastol. Kompression von RA, RV).
• OP: Perikardfensterung bei wiederholter Tamponade od. schwer behandelba-
rer Perikarditis (z. B. Chol.-Perikarditis).

Bei V. a. hämodynamische Relevanz des Ergusses nicht zögern, zu punktie-


ren. Fehlende Tachykardie ist kein Argument gegen Punktion (Sinusknoten-
kompression?).

6.9 Herztumoren
Primäre Herz-Tu sind 40 × seltener als Herzmetastasen extrakardialer Tu. Ca. ¾
aller primären Herz-Tu sind benigne. Vorhöfe öfter befallen als Ventrikel.

Klinik
Klinische Diagnose unmöglich. Beschwerden uncharakteristisch u. von der Tu-
Lokalisation abhängig.
• Teils unerklärliche Allgemeinsymptome, Fieber, BB-Veränderungen, häufig
Luftnot, Gewichtsverlust, Schwäche u. Anämie.
• Myxome: evtl. art. Embolien. Nicht selten als Erstsymptom.
 6.9 Herztumoren 367

• LA-Tu: Bild der MS (▶ 4.3.2) mit Husten, Luftnot. Oft perakut (Tu fällt in die
MK).
• RA-Tu: evtl. Rechtsherzinsuff.
• Jede Art von Rhythmusstörungen, auch mit Synkopen od. plötzlichem Herz-
tod.
• Perikarditis od. Herzbeuteltamponade, evtl. bei ventrikulären, intramural ge-
legenen (meist malignen) Tu.

Diagnostik
• Auskultation: bei gestielten LA-Tu, die die MK verlegen, MR od. MS-Ge-
räusch, teils 4. HT u. paukender 1. HT. Bei RA-Tu evtl. re-parasternales sys-
tol. Geräusch. Bei LV-Tu evtl. Auskultationsbefund einer HOCM (▶ 5.1.1).
• Rö-Thorax: meist unauffällig. Evtl. Vergrößerung einzelner Herzkammern,
Verkalkungen (Fibrom, Myxom).
• Echo: Immer TEE. Bes. atriale Tu gut darstellbar. Tu-Größe? Homogen od.
zystisch, gestielt? Gallertartige Myxome können korrekt erkannt werden. Bei
dichteren Tu Gefahr der Verwechslung mit Thromben (Myxom enthält evtl.
echofreie Zonen). Malignitätszeichen: intramurales Wachstum, multiple Tu,
Perikarderguss.
• CT/MRT (EKG-getriggert): zur OP-Planung erforderlich. Intramurale Aus-
dehnung od. ggf. Infiltration des Perikards zur DD von malignen Tu wesent-
lich besser möglich als durch Echo, Methode der Wahl zur Gewebecharakte-
risierung (Fett, Zyste, Thrombus, maligne Infiltration) u. Beurteilung der
Vaskularisation.
• Linksherzkatheter: präop. erforderlich zum Nachweis/Ausschluss einer
KHK. Angiografisch darstellbare Tu-Gefäße sind indirektes Malignitätszei-
chen.
• „Tu-Screening“: Da Herzmetastasen weit häufiger sind als primäre Herz-Tu,
immer gründliche Suche nach Primär-Tu, v. a. Bronchial-, Mammakarzinom,
malignes Melanom. 6
6.9.1 Benigne Herztumoren
Myxome
Myxome machen ca. 40 % aller primären Herz-Tu bzw. ca. 50 % aller benignen Tu
aus. Sie entstehen fast immer in den Vorhöfen, meist li (75 %) u. solitär (90 %).
70 % der Pat. sind Frauen, überwiegend in der 2. Lebenshälfte. Tu gehen meist von
der Fossa ovalis aus, sind oft gestielt od. wurstförmig bzw. polypoid aufgebaut u.
von bröckelig-gelatinöser Konsistenz. Verkalkung möglich (Rö).
Familiäres Myxom: Ca. 7 % aller Myxome sind erblich (wohl autosomal-domi-
nant). Pat. sind meist jünger als bei nichterblichem Myxom, Tu öfter multipel u.
auch rechtsatrial. Andere, i. d. R. benigne Tu, sind statistisch assoziiert: dermale
Nävi, Sommersprossen, NNR-Adenome, Fibroadenome der Mamma, STH pro-
duzierende Hypophysenvorderlappenadenome, selten Hoden-Tu.
Klinik
• Beschwerden entstehen oft durch (zeitweise) Verlegung der MK: Dyspnoe
(teils paroxysmal), Husten, Hämoptoe, Schwäche. In 70–90 % unspezifische
Beschwerden mit Fieber, Gewichtsverlust, Arthralgien, Schwäche, Myalgien.
• Art. Makroembolien durch Tu-Abschwemmung od. Vorhofthromben sind
oft Erstsymptom, z. B. embolischer Schlaganfall, Nieren- od. Beinarterienver-
368 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

schluss (histologische Aufarbeitung aller entfernten Beinembolien: Myxom-


gewebe?). Embolierisiko 30–40 %.
• Multiple Mikroembolien: TIA od. klinisches Bild einer Vaskulitis od. Endo-
karditis mit multiplen kleinen Organinfarkten (Fingerspitzen?).
• Sehr selten beim familiären Myxom Symptome durch Hormonproduktion
extrakardialer Tu: Akromegalie, Cushing.
Diagnostik
• Echo: solitärer atrialer Tu, unregelmäßige Kontur, meist nicht breitbasig auf-
sitzend, ausgehend vom Vorhofseptum. Abgrenzung zu Thrombus gelegent-
lich schwierig.
• Rö-Thorax: atriale Verkalkung.
• MRT: inhomogene Stuktur, Dichtewerte nicht ganz fettäquivalent.
• Bei Hinweis auf familiäres Myxom: Familienanamnese u. Suche nach anderen
Tu (s. o.).
Therapie
Wegen möglicher KO (Embolien, MK-Verlegung) sollte, bei operablem Pat., jedes
Myxom operiert werden. Rezidive möglich. Bei inoperablem Pat. orale Antiko-
agulation (▶ 11.7, Wert allerdings nicht gesichert).

Untersuchung von Myxom-Pat. u. deren erstgradigen Angehörigen auf ex­


trakardiale Tu (NNR-Adenome, Hypophysen-Tu).

Andere benigne Herztumoren


Seltener als Myxome sind Lipome, Fibroelastome, Rhabdomyome u. andere mes-
enchymale Tu. Klinisch nicht von Myxomen unterscheidbar. Tu-Embolien treten
nicht auf, thrombotische Embolien sind möglich. Ther.: operative Entfernung, da
Unterscheidung vom Myxom kaum möglich. Nur bei lange größenkonstanten Tu
6 u. Dichtewerten im MRT, die gegen ein Myxom sprechen (v. a. homogen hypo-
dense Lipome sind gut erkennbar), evtl. abwartendes Verhalten. Antikoagulation:
zumindest bei großen Tu sinnvoll.

6.9.2 Maligne Herztumoren
Primäre Herzmalignome
Fast alle malignen primären Herz-Tu sind Sarkome (Angio-, Rhabdomyosar-
kom). Sie entstehen meist im mittleren Lebensalter. Lokalisation: öfter im re als
im li Herz u. eher in Vorhöfen als in Ventrikeln. 25 % aller primären Herz-Tu sind
maligne, 75 % haben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits metastasiert.
Klinik
Beschwerden entstehen bei den meist intramural wachsenden Tu durch lokale
Verdrängung, Rhythmusstörungen od. Perikarditis/Tamponade.
Diagnostik
Im CT/MRT (EKG-getriggert) sind intramurales, infiltratives Wachstum sowie
Mediastinum besser darstellbar als echokardiografisch.
Therapie
Heilung nicht möglich. Im Einzelfall palliative OP od. Polychemother. erwägen.
 6.10 Herzbeteiligung bei Vaskulitiden u. Kollagenosen 369

Herzmetastasen
Metastasen sind 40 × häufiger als primäre Herz-Tu. Peri- od. myokardiale Metas-
tasen finden sich in über 10 % aller Malignom-Pat. bei der Sektion. Bes. Bronchial-
u. Mammakarzinome, maligne Melanome u. Lymphome können kardial metasta-
sieren. Tu liegen meist intramural u. sind nicht gestielt.
Klinik
Filiae sind meist asymptomatisch. Rhythmusstörungen u. Blockierungen sind
möglich. Häufig Perikarderguss.
Diagnostik
Im Echo intramurales Wachstum. Diagn. Perikardpunktion (maligne Zellen?)
nur bei DD bakterielle Perikarditis.
Therapie
Perikarddrainage nur bei Perikardtamponadezeichen (▶ 6.8), abhängig vom AZ.
Evtl. lokale Chemother. bei liegender Perikarddrainage u. rasch nachlaufendem
Erguss, z. B. mit 10 mg Mitoxantron (Novantron®) nach Ablassen des Ergusses.
Strahlenther. nur, wenn Primär-Tu strahlensensibel u. Herzmetastasen sympto-
matisch sind (onkologisches Konsil).

6.10 Herzbeteiligung bei Vaskulitiden u.


Kollagenosen
Alle Herzschichten können bei diesen chron.-entzündlichen Erkr. betroffen sein,
meist steht das Herz aber nicht im Vordergrund der Erkrankung. Gelegentlich
Herzbeteiligung bei SLE (▶ 6.10.1), M. Wegener (▶ 6.10.2), Sklerodermie
(▶ 6.10.3), rheumatoider Arthritis (▶ 6.10.4), M. Bechterew (▶ 6.10.5), Polymyosi-
tis (▶ 6.10.6). Sehr selten bei Panarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Sy., Hypersensi-
tivitätsangiitis u. Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis). Peri- od. Myokard 6
können betroffen sein, Letzteres meist durch Fibrosierung. Bei Riesenzellarteriitis
ist eine Vaskulitis der großen Herzkranzgefäße mit klinisch fassbarem MI eher als
bei den anderen Vaskulitiden möglich. Diagn. u. Ther. sollten in einem rheumato-
logischen Zentrum erfolgen.

6.10.1 Lupus erythematodes
Chron. autoimmunbedingte Entzündung, die jedes Organ betreffen kann. Vor-
wiegend bei Frauen in der ersten Lebenshälfte. Endo-, Myo- u. Perikard können
betroffen sein. Diagn. nach ACR-Kriterien. Fehlende Anti-ds-DNA-AK schließen
Lupus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus. Herzbeteiligung selten Todesursa-
che bei Lupus.
Klinik u. Diagnostik
• Endokard: in 50 % Endokarditis Libman-Sacks (▶ 6.2.4). Selten klinisch rele-
vant.
• Myokard: selten Herzinsuff. durch periarterioläre Nekrosen, sehr selten kli-
nisch fassbarer MI. Im Echo myopathischer Ventrikel. Rhythmusstörungen
möglich, Herzinsuff. selten klinisch relevant.
• Perikard: oft Perikarderguss, typische akute Perikarditis. Auch eine Tampo-
nade ist möglich. Selten Pericarditis constrictiva.
370 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

! Neugeborene: Ist Mutter am Lupus erkrankt u. sind bei ihr Anti-Ro-AK


(= SSA, Gruppe: ENA) nachweisbar, können beim Neugeborenen p. p. fatale
AV-Blockierungen auftreten (SM!).
Therapie
Im Erkrankungsschub Prednisolon 1 mg/kg KG/d, Dosisreduktion auf weni-
ge mg/d Erhaltungstherapie. Bei klinisch relevanter Herzbeteiligung Cyclophos-
phamid (Endoxan®) 2 mg/kg KG/d über Monate (cave: Leukopenie; bei Frauen
Kontrazeption). Alternativ Cyclophosphamid-Bolusther.: 1 g/m2 KOF i. v. (bei
normaler Nierenfunktion) alle 3–4 Wo. (rheumatologisches Konsil). Erhaltungs-
ther.: Azathioprin (Imurek®) od. Mycophenolat (CellCept®).
! Cyclophosphamid-Tagesdosis morgens einnehmen.

6.10.2 M. Wegener
Nekrotisierende Vaskulitis kleiner u. mittlerer Arterien u. granulomatöse Entzün-
dungen vorwiegend des Respirationstrakts. Oft Gelenk-, Augen- od. Nierenbetei-
ligung, stets Allgemeinsymptome (Schwäche, Gewichtsverlust). Praktisch immer
cANCA-AK nachweisbar. Pat. meistens in 2. Lebenshälfte, Erkr. wesentlich häufi-
ger als früher vermutet (wie Lupus?). Herzbeteiligung eher selten, dann aber po-
tenziell vital gefährdend.

Klinik
Allgemeinsymptome (Schwäche, Gewichtsverlust) u. lokalisierte Beschwerden
nach Organbefall (Arthritis, HNO-Beschwerden, Nephritis). Herz: evtl. Perikar-
ditis, evtl. ischämische CMP durch Vaskulitis meist kleiner Gefäße.

Diagnostik
cANCA-Serologie (praktisch immer pos.). Bei Nasenbeteiligung Histologie. Herz:
6 evtl. Koro zum Ausschluss arteriosklerotischer Stenosen (bei M. Wegener meist
keine umschriebenen Stenosen großer Gefäße, allgemein stenosierte Gefäße od.
„small vessel disease“ ▶ 3.11.1).

Therapie
Bei Herzbeteiligung Cyclophosphamid (Endoxan®) 2 mg/kg KG/d (Dosisanpas-
sung bei Leukopenie) sowie Prednisolon 1 mg/kg KG/d über ca. 2 Mon., reduzie-
ren auf ca. 4–8 mg Erhaltungsdosis (evtl. rheumatologisches Zentrum konsultie-
ren). HTX bei fortgeschrittener CMP evtl. erforderlich.

6.10.3 Progressive systemische Sklerose (Sklerodermie)


Ätiologisch unklare, diffuse Bindegewebsverhärtung in allen Organen. Spasmen
u. Hypertrophie präkapillärer Arterien führen zu Minderversorgung/Nekrosen
nachgeschalteten Gewebes (Frühzeichen: Raynaud-Symptome). Betroffene Orga-
ne: Haut (fast immer), Ösophagus, Niere, Herz. Herzbeteiligung ist oft Todesursa-
che bei der unaufhaltbar fortschreitenden Erkr.!

Klinik
Neben Beteiligung anderer Organe evtl. chron. fibrinöse Perikarditis mit Ver-
wachsungen od. ischämische CMP mit disseminierten kleinen Narben (Infarkte
möglich). Meist art. Hypertonus (Niere!), evtl. PAH. Häufig Herzrhythmusstö-
 6.10 Herzbeteiligung bei Vaskulitiden u. Kollagenosen 371

rungen. Teilweise Verdickung/Verplumpung von LV-Klappen. Koro meist nor-


mal. Im Myokardszintigramm Nachweis der Minderperfusion („small vessel di-
sease“).

Therapie
Krankheitsverlauf kann nicht wesentlich beeinflusst werden. Immunsuppressiva
ohne sicheren Effekt. Bei Perikarditis Versuch mit Prednisolon 1 mg/kg KG, Do-
sisreduktion nach Klinik. Konventionelle Ther. der Herzinsuff. (▶ 8.2.4), frühzei-
tige Gabe von ACE-Hemmern (bessern die Prognose deutlich), auch bei Nieren-
insuff. indiziert. Z. B. Captopril (Lopirin®) 2 × 6,25 mg/d, steigern je nach RR
(fehlender Hochdruck ist Indikator einer schlechten Prognose). Raynaud-Sym­
ptomatik spricht oft auf hoch dosiertes retardiertes Nifedipin an (z. B. Adalat re-
tard®).

6.10.4 Rheumatoide Arthritis
Herz bei ca. 50 % miterkrankt, klinische Relevanz besteht jedoch eher selten. Be-
troffen sind v. a. Pat. mit jahrelangem Verlauf u. hoher Entzündungsaktivität.

Klinik u. Diagnostik
• Perikarditis: evtl. nach jahrelangem Verlauf. Verursacht durch Perikardgra-
nulome, Vaskulitis od. unspezifisch. Meist keine Beschwerden, sehr selten
Tamponade.
• Klappenbeteiligung: Meist LV-Klappen. Klappenverplumpung, evtl. Insuffi-
zienz. Selten akute Klappeninsuff. durch Abriss des Klappenhalteapparats od.
akute Valvulitis.
• Koronararterienbeteiligung: Koronarstenosen durch Granulome od. Vasku-
litis. A.p. u. MI möglich, aber bei Rheumakranken seltener als durch arterio-
sklerotische Stenosen. Koro: Multiple Stenosen sprechen für nichtarterioskle-
rotische Genese. 6
• Myokarditis: durch Granulome od. Vaskulitis. Fast nie klinische Symptome,
evtl. Leitungsblockierungen.
• Amyloidose: bei schwerem chron. Verlauf evtl. RCM. Diagnose durch tiefe
Rektum- od. Bauchdeckenstanzbiopsie (▶ 5.2.3).

Therapie
Bei akuter Symptomatik (z. B. Perikarditis) Prednisolon-Stoßtherapie. Basisther.
in Absprache mit Rheumatologen.

6.10.5 M. Bechterew (ankylosierende Spondylitis)


Herzbeteiligung 10–20 J. nach Erkr.-Beginn an M. Bechterew möglich. Gefährdet
sind v. a. Pat. mit Arthritis extravertebraler Gelenke.

Klinik
Aortitis mit Aortenklappenringdilatation. AoK verdickt u. meist geringfügig in-
suffizient. Dilatation des Herzskeletts mit AV-Blockierungen, gelegentlich milde
MR. Myokardfibrose mit Herzinsuff. (diffuse Vermehrung interstitiellen Bindege-
webes).
372 6 Entzündliche Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen 

Diagnostik
Echo (möglichst TEE). Bei chron. Kranken EKG mind. 1× im Jahr.

Therapie
Neuerdings pos. Effekt durch TNF-α-Blocker Infliximab (Remicade®) auf Krank-
heitsaktivität nachgewiesen. Ob dies kardialen Veränderungen vorbeugt, ist unbe-
kannt. Übliche Ther. bei Herzinsuff. (▶ 8.2.4) u. AR (▶ 4.8, ▶ 4.9). Bei schwerer
Insuff. evtl. Klappenersatz. SM nur bei signifikanten Blockierungen (▶ 12.5).

6.10.6 Polymyositis/Dermatomyositis
V. a. beim älteren Menschen auftretende Erkr., oft als Paraneoplasie. Symmetrische
Schwäche stammnaher Muskeln, Erhöhung von Muskelenzymen. Diagnosesiche-
rung durch Muskelbiopsie in Muskeln, deren Erkr. durch EMG nachgewiesen
wurde. Herzbeteiligung möglich (Herzinsuff.). Ther.: Prednisolon 1 mg/kg KG/d,
langsame Dosisreduktion. Wenn erfolglos, ggf. Azathioprin 2 mg/kg KG.

6
7 Herzrhythmusstörungen
Ulrich Stierle und Uwe Wiegand

7.1  iagnostikprinzipien 375


D 7.7 Supraventrikuläre
7.2 Bradykarde Herzrhythmus­ ­ achyarrhythmien 405
T
störungen: Grundsätze der 7.7.1 Atriale Tachykardie 406
Dia­gnostik u. Therapie 377 7.7.2 Multifokale atriale
7.3 Sinusknotenfunktionsstörun­ ­Tachy­kardie 408
gen 380 7.7.3 Sinusknoten-Reentry-­
7.3.1 Sinusbradykardie 380 Tachykardie 408
7.3.2 Sinusarrest, SA-Block 381 7.7.4 Atriale Reentry-­
7.3.3 Sinusknotenerkrankung, Sinus- Tachykardie 409
knotensyndrom, Syndrom des 7.7.5 Vorhofflattern 410
erkrankten Sinusknotens („sick 7.7.6 Vorhofflimmern 412
sinus syndrome“, SSS) 383 7.7.7 Supraventrikuläre Extra­
7.3.4 Vorhofflimmern mit brady­ systolien (SVES) 420
karder Überleitung (Brady­ 7.7.8 AV-Knoten-Reentry-­
arrhythmia absoluta) 385 Tachykardie 421
7.3.5 Karotissinus-Syndrom 387 7.8 Präexzitationssyndrom 424
7.3.6 Neurokardiogene od. 7.8.1 Reentry-Tachykardie bei
­vasovagale Synkope 388 ­Prä­exzitationssyndrom 427
7.4 AV-Blockierungen 389 7.8.2 Vorhofflimmern beim
7.4.1 AV-Block I° 389 ­Prä­exzitationssyndrom 428
7.4.2 AV-Block II° 391 7.8.3 Verborgenes WPW-­
7.4.3 AV-Block III° 393 Syndrom 429
7.4.4 Passive heterotope Erregungs- 7.8.4 Präexzitation bei Mahaim-­
bildungsstörungen 395 Faser 430
7.5 Tachykarde Herzrhythmus­ 7.8.5 Lown-Ganong-Levine-Syndrom
störungen: Grundsätze der (LGL-Syndrom) 430
Dia­gnostik u. Therapie 397 7.8.6 Permanente junktionale
7.5.1 Diagnostik 398 ­Reentry-Tachykardie 431
7.5.2 Therapieprinzipien 400 7.8.7 Therapie der Präexzitations-
7.6 Tachykarde supraventrikuläre syndrome 431
Arrhythmien 403 7.8.8 Risikoeinschätzung 432
7.6.1 Sinustachykardie 403
7.6.2 Sinusarrhythmie 404
7.9 Ventrikuläre Tachykardie 7.10.3 A kzelerierter idioventrikulärer
(VT) 433 Rhythmus 453
7.9.1 Anhaltende monomorphe VT 7.11 Plötzlicher Herztod 454
(„sustained VT“) 436 7.11.1 Grundlagen 454
7.9.2 Nichtanhaltende monomor- 7.11.2 Diagnostik u. Sekundärpro-
phe VT 440 phylaxe 455
7.9.3 Torsade-de-pointes- 7.11.3 Primärprophylaxe des plötzli-
Tachykardie 440 chen Herztods 456
7.9.4 Polymorphe VT 442 7.12 Arrhythmien u. extrakardiale
7.9.5 Bidirektionale Tachykar- Einflüsse 459
die 442 7.12.1 Arrhythmien in der Schwan-
7.9.6 VT bei Patienten ohne gerschaft 459
­strukturelle Herzerkran- 7.12.2 Arrhythmien bei
kung 443 ­Sportlern 460
7.9.7 VT bei arrhythmogener rechts- 7.12.3 Arrhythmien u. Narkose 461
ventrikulärer Dysplasie 445
7.9.8 Kammerflattern/Kammerflim-
mern 445
7.10 Weitere ventrikuläre
Arrhythmien 447
7.10.1 Ventrikuläre Extrasystolen
(VES) 447
7.10.2 Ventrikuläre Parasystolie 452
 7.1 Diagnostikprinzipien  375

7.1 Diagnostikprinzipien
Diagnostische Grundlagen
Voraussetzungen für eine Arrhythmiebeurteilung u. Ther.-Entscheidung sind Er-
fassung u. korrekte Klassifikation einer Rhythmusstörung. Ziele sind:
• EKG-Dokumentation der „klinischen Arrhythmie“, d. h. der Arrhythmie, die
zu den geklagten Beschwerden geführt hat.
• Diagnose der kardialen Grunderkr.: Art der Erkr., Ausmaß der Ventrikel-
funktionsstörung. Wertigkeit einer Arrhythmie u. weitere Ther. werden
durch Art u. Schwere der Grunderkr. entscheidend beeinflusst.
• Suche nach extrakardialen Faktoren, die eine Arrhythmie verursachen od.
fördern (z. B. Schilddrüsenerkr., E’lyt-Imbalance).
• Psychosomatische Diagn. u. Ther. (▶ 14).
Anamnese
Häufig sind unspezifische Beschwerden: Palpitationen bei langsamem/schnel-
lem Herzschlag, unsystematischer Schwindel, Synkope (tachysystol. od. als
Morgagni-Adams-Stokes-Attacke), Symptome einer Herzinsuff. (Schwäche,
Leistungsminderung, Dyspnoe), A. p., Krampfanfall, „überlebter plötzlicher
Herztod“.

Leitfragen
• Klinik: Seit wann, wie häufig (zunehmend od. abnehmend), bei welcher
Gelegenheit (Auslöser), wie schwer, welche Folgen, KO u. Begleiterschei-
nungen?
• Einflussfaktoren: Medikamente, Genussgifte, andere Toxine?
• Hinweise auf extrakardiale Erkr.?
• Bisherige Behandlungen? Welche war die effektivste, welche erfolglos?
• Bisherige Diagn.: Kardiale u. extrakardiale Erkr.? Liegen bereits EKG-Do-
kumente der Arrhythmie vor?

Klinische Untersuchung
Umfassende körperl. Untersuchung ist eine unspektakuläre, aber essenzielle Form
der kardiologischen Diagn. bei jeder Arrhythmie. Immer auch auf extrakardiale
Befunde achten. 7
Leitfragen
Ist die aktuelle Arrhythmie Folge:
• Einer akuten kardialen Erkr., z. B. MI?
• Einer extrakardialen Störung, z. B. Hyperthyreose?
• Einer chron. kardialen Erkr., z. B. KHK, CMP, Herzklappenfehler?
• Einer primär elektrischen Störung beim Herzgesunden?
Technische Arrhythmiediagnostik
Zur Aussagekraft der einzelnen Untersuchungen ▶ Tab. 7.1.
376 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.1 Aussagekraft diagnostischer Verfahren


Ergo- Lang­ Spät­ Implantier­ Herz­ EPU Kardio-
metrie zeit- poten­ ter Event­ katheter MRT
EKG ziale recorder
Bradykardie + + – ++ ? (+) –
Synkope ? ? – ++ +1 ++2 +3
Anhaltende ++ ++ (+) + ++ ++ ++3
Kammer­
tachykardie
Ventrikuläre + ++ (+) – ++ ++3 ++3
Salven
Kammer­ + + (+) – ++ + ++3
flimmern
Nach MI + ++ – – ++ ? ?
++: sehr nützlich, +: nützlich, –: nicht indiziert, ?: Nutzen fraglich
1
 bei V. a. strukturelle Herzerkrankung
2
 bei struktureller Herzerkrankung
3
 bei V. a. RV-Dysplasie

Nichtinvasiv
• Ruhe-EKG: immer 12 Ableitungen. Zur Rhythmusdiagn. eignet sich v. a. V1
(P-Wellen am besten zu erkennen!). Zusätzlich Rhythmusstreifen mit langsa-
mem Papiervorschub (10 od. 25 mm/s), evtl. über mehrere Minuten.
• Ösophagus-EKG: bipolare EKG-Abl. mit Ösophaguselektrode. Indiziert bei
tachykarden od. bradykarden Arrhythmien, wenn Vorhofdepolarisation im
Oberflächen-EKG nicht erkennbar ist u. zur DD beitragen kann. Bes. geeignet
beim Arrhythmie-Notfall, wenn intrakardiale Abl. nicht möglich ist.
• Spätpotenzial-EKG: Diagnose einer RV-Dysplasie, in der Prognoseabschät-
zung nach MI ohne klinische Relevanz.
• Langzeit-EKG: Frequenzprofil bei persistierendem VHF, niedrigere Vorher-
sagewahrscheinlichkeit in Arrhythmie- u. Synkopendiagn.
• Belastungs-EKG: Ischämie als auslösender Faktor od. zusätzliches Risiko.
­Diagn. u. Ther.-Kontrolle von VT.
7 • Karotisdruckversuch (▶ 7.3.5) u. Atropin-Test (▶ 7.3.3).
• Ajmalin-Test: bei jungen Pat. mit unklarer Synkope zur Demaskierung eines
Brugada-Sy.
• Kipptischuntersuchung: bei V. a. neurokardiogene od. vasovagale Genese
von Synkopen.
• Internistisches Basislabor einschließlich Medikamentenspiegel.
Bildgebungsverfahren in der Arrhythmiediagnostik
• Herzkatheter inklusive Koro: Dokumentation einer der Arrhythmie zugrun-
de liegenden strukturellen Grunderkrankung. Neben therap. Implikationen
bedeutsam zur Prognoseabschätzung.
• MRT des Herzens: Methode der Wahl zur Diagnose einer Myokarditis od.
VR-Dysplasie.
Elektrophysiologische Diagnostik
• Intrakardiale EKG-Abl., HIS-EKG (▶ 7.4.1, ▶ 7.4.2, ▶ 7.4.3), programmierte
Vorhof- u. Ventrikelstimulation, Mapping/Pacemapping.
 7.2 Bradykarde Herzrhythmusstörungen: Grundsätze der Diagnostik  377

Eventrecorder
• Externes Eventrecording mit 7-Tage-EKG od. ereignisgetriggerter EKG-Abl.
(Chipkarten-EKG, Herzhandy): sinnvoll zur Dokumentation häufiger od.
symptomatischer Arrhythmien, begrenzter Nutzen zur Synkopendiagn.
• Implantierter Eventrecorder: „Endless-loop recording“ mit Ereignistrigge-
rung u. Pat.-Aktivierung, Methode der Wahl zur Diagn. unklarer Synkopen
bei Niedrigrisikopat., Nachweis intermittierender, auch asymptomatischer
Arrhythmien.

7.2 Bradykarde Herzrhythmusstörungen:
Grundsätze der Diagnostik u. Therapie
Pathophysiologie bradykarder Rhythmusstörungen
HF < 60/Min., regelmäßig od. unregelmäßig (Bradyarrhythmie). Ursachen:
• Abnahme der Reizfrequenz im Sinusknoten: Verlängerung der Aktionspo-
tenzialdauer, Hyperpolarisation od. verminderte Anstiegssteilheit der diastol.
Depolarisation (z. B. bei Sinusbradykardie, Sinusarrest).
• Abnahme der Erregungsleitungsgeschwindigkeit: Anstiegssteilheit od. Ge-
samtamplitude des Aktionspotenzials nimmt ab (z. B. bei AV-Leitungsstö-
rungen, Folge antiarrhythmisch wirkender Pharmaka).
• Funktionelle Verknüpfung des Herzmuskelgewebes durch Fibrose od. Nekro-
se gestört (z. B. bei Schenkelblockierungen).

Klinik
Unabhängig von der zugrunde liegenden kardialen Erkr. können auftreten: Palpi-
tationen mit langsamem, heftigem Herzschlag, Schwindel, Synkopen, mit Leis-
tungsminderung infolge unzureichenden Frequenzanstiegs unter Belastung
(chronotrope Inkompetenz).

Diagnostik
• Grundsätzliche Fragen bei Bradykardien:
– Bestehen Symptome?
– Besteht gesicherte Beziehung zwischen Klinik u. Bradykardie? Vor jeder
therap. Intervention (z. B. permanente SM-Ther.) kausale Beziehung zwi- 7
schen Klinik u. Arrhythmie nachweisen od. zumindest plausibel machen.
Mitunter schwierig (z. B. beim SSS od. der Bradyarrhythmia absoluta).
Kritische Wertung aller Befunde bei ausreichender klinischer Erfahrung.
• Ätiol. der Arrhythmie klären. Kausale Ther. ist immer die effektivste (z. B.
vagovasale Synkope bei Schmerzzuständen, MI, Hypoxie, Hypothyreose, Hy-
perkaliämie, Medikamentenüberdosierung).
• Medikamenteneinflüsse ausschließen: Digitalis, Betablocker, Ivabradin, Ver-
apamil, Diltiazem, Gallopamil, Clonidin, potenziell alle Antiarrhythmika. An
bradykardisierende Augentropfen (clonidin- od. betablockerhaltig) denken,
werden meist als Ursache unterschätzt od. vergessen!
• Ind. zur EPU (▶ 7.3.3, ▶ 7.4, ▶ 7.5): besteht noch bei hochsymptomatischen
Pat. mit nichteindeutigem Kausalitätsnachweis zwischen Symptom u. vermu-
teter Arrhythmie bei Vorliegen einer strukturellen Herzerkr.:
– V. a. kardiale Synkope u. mittel- bis höhergradig eingeschränkter LV-
Funktion (LVEF ≤ 40 %)
378 7 Herzrhythmusstörungen 

– Rezid. Synkopen ohne aussagekräftige Anamnese od. Befund in Routine-


diagn. (Kipptischuntersuchung zur Evaluation einer neurokardiogenen
Synkope, insbes. bei herzgesunden Pat.). Cave: niedrige Spezifität u. pos.
prädiktiver Wert der Untersuchung im fortgeschrittenen Lebensalter.
– Seltene Synkopen: Implantation eines Eventrecorders erwägen.

Wichtige EKG-DD bradykarder Rhythmen


Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex schmal:
• Sinusbradykardie (▶ 7.3.1): pos. P-Welle in I, II, III, aVL, aVF, Frequenz-
bereich 30–60/Min.
• AV-Knoten-Rhythmus (▶ 7.4.4): P-Welle in QRS verborgen od. kurz vor
bzw. nach QRS mit atypischer P-Achse (neg. in II, III, aVF), Frequenzbe-
reich 40–60/Min.
• Atrialer Bigeminus mit Block: P-Wellen ohne ventrikuläre Überleitung,
zumeist in ST-Strecke od. T-Welle lokalisiert.
• SA-Block II°, Typ II mit regelmäßigem Blockierungsverhältnis
(▶ 7.3.2): Bild der Sinusbradykardie, ohne dass weiter differenziert wer-
den kann. DD nur bei unregelmäßigem Blockierungsverhältnis, z. B.
Wechsel zwischen 2 : 1-, 3 : 1-Überleitung, möglich.
• AV-Block II°, Typ II mit regelmäßigem Blockierungsverhältnis
(▶ 7.4.2): Jedem QRS gehen 2 od. mehr P-Wellen in konstantem Verhält-
nis voraus. Beachte: P-Wellen können im QRS od. im T verborgen sein
(Verwechslung mit Sinusbradykardie).
• AV-Block III° mit AV-Knoten-Ersatzrhythmus (▶ 7.4.3): P-Wellen ha-
ben im Vergleich zu QRS eine höhere Frequenz u. zeigen keine Beziehung
zu QRS. Frequenzbereich 30–50/Min.
• VHF mit Pseudoregularisierung (▶ 7.3.4, ▶ 7.4.4): Flimmerwellen in V1,
nahezu regelmäßiger bradykarder Rhythmus. Im langen Rhythmusstreifen
gering unregelmäßige QRS-Folge. Wichtigste DD: AV-Knoten-Rhythmus
bei VHF, auch als AV-Knoten-Ersatzrhythmus bei AV-Block III°. Diagn.
Kriterium: Varianz der Zykluslänge zwischen Kammerkomplexen < 10 %.
Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex breit:
• Jeder regelmäßige, bradykarde Rhythmus (s. o.) mit vorbestehendem
Schenkelblock.
7 • AV-Block III° mit ventrikulärem Ersatzrhythmus (▶ 7.4.3): P-Wellen
haben im Vergleich zu QRS eine höhere Frequenz u. treten ohne Bezie-
hung zu QRS auf (AV-Dissoziation). Frequenzbereich 25–40/Min.
• AV-Block III° bei VHF mit ventrikulärem Ersatzrhythmus: keine P-
Wellen, Flimmerwellen (nicht immer erkennbar), regelmäßige QRS-Ab-
folge ohne Zykluslängenvariabilität. Frequenzbereich 25–40/Min.
• Idioventrikulärer Rhythmus: regelmäßige Abfolge breiter QRS-Komple-
xe mit retrograder Vorhoferregung (neg. P-Welle in II, III, aVF, am Ende
des QRS-Komplexes od. in der ST-Strecke lokalisiert) od. AV-Dissoziati-
on (P-Wellen langsamer u. ohne Beziehung zu QRS, Capture- od. Fusi-
onsbeats ▶ 7.9, möglich).
Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex schmal:
• Bradyarrhythmia absoluta bei VHF (▶ 7.3.4): Flimmerwellen in V1, QRS
absolut arrhythmisch, häufig mit langen Pausen (> 2 s).
• Sinusbradykardie mit SVES (▶ 7.3.1, ▶ 7.7.7): Kriterien der Sinusbrady-
kardie u. vorzeitig einfallendes P mit veränderter Morphologie u. verlän-
gerter PQ-Zeit.
 7.2 Bradykarde Herzrhythmusstörungen: Grundsätze der Diagnostik  379

• Blockierte SVES: RR-Abstand kleiner als das Zweifache des vorangehen-


den RR-Abstands, P-Welle in ST-Strecke od. T-Welle.
• AV-Block II° mit unregelmäßigem Blockierungsverhältnis (Typ I im
Wechsel mit Typ II od. Typ II mit unregelmäßigem Blockierungsverhält-
nis ▶ 7.4.2): In einem längeren Rhythmusstreifen ergeben sich Bilder eines
Wenckebach- u. Mobitz-II-Blocks bzw. eines Mobitz-II-Blocks mit wech-
selnden Blockierungsverhältnissen (2 : 1, 3 : 1, 4 : 1).
• SA-Block II° mit unregelmäßigem Blockierungsverhältnis (Typ I im
Wechsel mit Typ II od. Typ II mit unregelmäßigem Blockierungsverhält-
nis ▶ 7.3.2):
– Bei Typ I zunehmende Verkürzung des PP-Intervalls bis zum Ausfall
einer P-Welle. PP-Pausenintervall kürzer als Summe des doppelten
PP-Intervalls vor dem Ausfall der P-Welle.
– Bei Typ II plötzlicher Ausfall einer od. mehrerer P-Wellen u. der dazu-
gehörigen QRS-Komplexe. Intervall der Pause entspricht dem doppel-
ten PP-Intervall vor dem Auftreten der Blockierung. Wichtigste DD:
blockierte SVES, bei denen P-Welle in der T-Welle verborgen ist u. die
wegen bestehender Refraktärität im AV-Knoten nicht übergeleitet
werden können (▶ 7.7.7).
Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex breit:
• Jeder unregelmäßige, bradykarde Rhythmus (s. o.) mit vorbestehendem
Schenkelblock.
• Polymorpher ventrikulärer Ersatzrhythmus (▶ 7.4.4): Elektrische Herz-
achse des Kammerrhythmus wechselt häufig. Frequenzbereich < 35/Min.

Therapie
Medikamentöse Therapie
Akutintervention mit Atropin 0,5–1,0 mg i. v., max. bis 3 mg, Orciprenalin (Alu-
pent®) 0,125–0,5 mg i. v., Adrenalin (Suprarenin®) in 0,1-mg-Boli vorsichtig i. v.
Cave: ventrikuläre Arrhythmien unter i. v. Ther., Rhythmusmonitoring. Es gibt
keine effektive u. NW-arme med. Dauertherapie.

Tipps & Tricks


• Ersatzrhythmus auf keinen Fall antiarrhythmisch behandeln → Gefahr 7
der Asystolie (▶ 7.4.4)!
• Beim Bradykardie-Tachykardie-Sy. (SSS) kann eine antiarrhythmische
Ther. der tachykarden Störungen die bradykarde Arrhythmie unkalku-
lierbar verschlechtern.
• Beim AV-Block II° kann eine Beschleunigung der Sinusfrequenz durch
Atropin od. Sympathikomimetika höhergradige AV-Blockierungen her-
vorrufen → Provokation einer kritischen Bradykardie.
• Neigung zu Tachyarrhythmien bei bradykarden Arrhythmien verstärkt
(Extrasystolen, v. a. Bigeminus; SVT u. VT). Durch Beherrschung der
Bradykardie können VES/SVES od. Tachyarrhythmien verschwinden →
erst Bradykardie behandeln. Eine unkontrollierte antiarrhythmische
Ther. der tachykarden Arrhythmie als Erstmaßnahme kann fatal verlau-
fen.
380 7 Herzrhythmusstörungen 

Temporäre Schrittmachertherapie
Übergangslösung – so früh wie nötig, so kurz wie möglich. Möglichst bald defini-
tives therap. Vorgehen einleiten, um Infektionen am Gefäßzugang od. SM-Elek­
troden-assoziierte systemische Infektionen sowie eine Myokardperforation zu
vermeiden.
• Transkutane Stimulation: bei hämodynamisch instabilem Pat. als Überbrü-
ckung zur transvenösen Stimulation (schmerzhaft! → Analgosedierung/Nar-
kose).
! Transvenöse temporäre Stimulation: Eine instabil platzierte temporäre SM-
Elektrode ist meist gefährlicher als keine → Provokation ventrikulärer Ar-
rhythmien, Suppression eines Eigenrhythmus mit nachfolgendem SM-Ausfall
u. Synkope, Perforationsgefahr, wiederholte Platzierungsversuche erhöhen
Risiko einer Infektion. Dislokation der Elektrode bei unruhigem Pat. vorpro-
grammiert. Monitoring bei liegendem passagerem SM-Kabel.
Permanente Schrittmacherimplantation
Zur Ind.-Stellung müssen vorliegen: Anamnese, klinische Untersuchung, EKG-
Dokument der zu behandelnden Bradykardie (12 Abl., Rhythmusstreifen), evtl.
Langzeit-EKG, Rö-Thorax, TSH, E’lyte, evtl. Serumspiegel von bradykardisieren-
den Pharmaka (Digitalis, Antiarrhythmika). Akuten MI, Intoxikation u. behan-
delbare (auch extrakardiale) Grunderkr. ausschließen. Ind.-Stellung u. SM-Sys-
temwahl (▶ 12.4.2), SM-Ther. beim akuten MI (▶ 3.6).

7.3 Sinusknotenfunktionsstörungen
7.3.1 Sinusbradykardie

Leitbefunde
HF < 60/Min., regelmäßiger Rhythmus, jeder P-Welle folgt ein QRS-Komplex,
PQ-Zeit verlängert.

Sinusrhythmus mit Frequenz < 60/Min. Nächtliche Frequenzabfälle auf 35–40/


Min. noch physiologisch.
7
Ätiologie
• Physiologisch im Schlaf, bei jungen Menschen u. trainingsbedingter Vagoto-
nie.
• Pathol.: ständige Frequenz < 40/Min. Typisch für SSS (▶ 7.3.3). Häufig auch
beim akuten MI (HWI) in seiner vagotonen Phase, AS, Arteriosklerose im
Alter; bei extrakardialen Erkr. (Hypothyreose, Ikterus, Hirndruck, Hypoxie),
bei mechanischem Vagusreiz (Bulbus-, Karotisdruck), vagovasaler Reaktion
(Bradykardie u. Hypotonie) od. med. Einflüssen (Digitalisglykoside, Betablo-
cker, Antiarrhythmika u. a.).

Klinik
Meist asymptomatisch. Evtl. Leistungsminderung bei Sinusbradykardie u. unzu-
reichender Frequenzsteigerung bei Belastung (bradykarde Herzinsuff.), Palpitati-
onen (langsamer, heftiger Herzschlag) u. Schwindel. Synkopen meist nur bei in-
termittierendem Sinusarrest.
 7.3 Sinusknotenfunktionsstörungen  381

EKG
• P u. QRS wie bei normofrequentem Sinusrhythmus.
• Merkmale der Vagotonie: flaches P, langes PQ, muldenförmige ST-Hebungen
(Frührepolarisation), präkordial hohes T.
• AV-Knoten-Ersatzschläge u. -rhythmen: AV-Dissoziation, QRS kann schen-
kelblockartig deformiert sein. Je langsamer die Frequenz, desto häufiger tre-
ten Ersatzschläge u. -rhythmen auf.
! Neigung zu VES als Folge einer ausgeprägten Sinusbradykardie beachten!
EKG-DD
Alle Bradykardien mit regelmäßigem Grundrhythmus: SA-Block I°, SA-Block
II° mit regelmäßigem Überleitungsverhältnis, AV-Block II°, Typ Mobitz II mit
regelmäßigem Überleitungsverhältnis, AV-Block III°, AV-Knoten-Rhythmus u.
atrialer Bigeminus mit Block. DD mittels EKG meist einfach, evtl. bei sehr klei-
nem P od. großem U erschwert.

Therapie
• Keine Behandlung bei Symptomfreiheit.
• Bei paroxysmaler Bradykardie unter vagaler Stimulation: Pat. über Risikositu-
ation aufklären (Erbrechen, Schmerzreiz, Karotisdruck, Gastroskopie, TEE).
Auslöser meiden (z. B. enger Hemdkragen), vor geplanten Eingriffen behan-
delnden Arzt informieren.
• Symptomatische Sinusbradykardie (▶ 7.3.2).
Tipps & Tricks
• Sorgfältige Medikamentenanamnese: Eine Sinusbradykardie kann med.
bedingt sein.
• Vorsicht bei Sinusbradykardie u. Notwendigkeit zur weiteren med.
Ther. (Digitalisglykoside, Antiarrhythmika, Betablocker, Kalziumant­
agonisten).
• Kein Medikament kann sicher u. langfristig eine Sinusbradykardie ohne
wesentliche NW beeinflussen.

7.3.2 Sinusarrest, SA-Block 7
Leitbefunde
• SA-Block I°: im EKG nicht erkennbar.
• SA-Block II° Typ I: PP-Abstände werden bei gleichbleibenden PQ-Ab-
ständen zunehmend kürzer bis zum Ausfall einer P-Welle.
• SA-Block II° Typ II: Ausfall einer P-Welle bei konstantem PP-Intervall.
• SA-Block III°/Sinusarrest: Asystolie od. Auftreten von Ersatzschlägen
bzw. Ersatzrhythmen.

Gestörte sinuatriale Überleitung, die von einer geringen Leitungsverzögerung bis


zum totalen Block reichen kann. Sinusarrest kann als isolierte bradykarde Rhyth-
musstörung od. (häufiger) in Komb. mit tachykarden Vorhofarrhythmien (Bra-
dykardie-Tachykardie-Sy. bei SSS) auftreten.
382 7 Herzrhythmusstörungen 

Ätiologie u. Klinik
▶ 7.3.1, ▶ 7.3.3.
EKG
▶ Abb. 7.1.
• P-QRS-Morphologie wie bei Sinusrhythmus.
• SA-Block I°: im EKG nicht erkennbar. Leitungsverzögerung ohne Ausfall ei-
nes Kammerkomplexes.
• SA-Block II°, Typ I: zunehmende Leitungsverzögerung bis zum Ausfall der
SA-Überleitung. PP-Abstände werden bei gleichbleibenden PQ-Abständen
zunehmend kürzer bis zum Ausfall einer P-Welle. PP-Pausenintervall kürzer
als Summe des doppelten PP-Intervalls vor Ausfall der P-Welle.
• SA-Block II°, Typ II: Ausfall einer P-Welle bei konstantem PP-Intervall. Ent-
stehende Pause entspricht dem doppelten od. einem vielfachen PP-Intervall.
• SA-Block III°: bei intermittierendem SA-Block III° Pause von einem Vielfa-
chen des vorangehenden PP-Intervalls (häufig wegen zwischenzeitlich einfal-
lender Ersatzschläge nicht sicher diagnostizierbar), bei permanentem SA-
Block III° Asystolie od. Auftreten eines Ersatzrhythmus (zumeist aus dem
AV-Knoten).
• Sinusarrest: Im Oberflächen-EKG zumeist nicht vom SA-Block III° zu unter-
scheiden.

P1 P2 P3
SA-Block I°

SA-Block II°
P1 P2 P3 P1
Typ
Wenckebach
< P1 P2 < 2 x P1 P2

P1 P2 P4

Typ
Mobitz 2 x P1 P2 3:2

SA-Block III°
7
Ersatzschlag
präautomatische Pause

Abb. 7.1 Sinuatriale Blockierungen [L115]

EKG-DD
• SA-Block II°: Verwechslung mit Sinusarrhythmie möglich. Langen EKG-
Streifen schreiben u. PP-Abstände ausmessen.
• SA-Block II°, Typ II: bei regelmäßiger 2 : 1-Blockierung DD zu Sinusbrady-
kardie schwierig. Auf Atropin (1–1,5 mg i. v.) bei Sinusbradykardie stetige
Frequenzzunahme, bei SA-Block keine od. sprunghafte Frequenzzunahme.
• SA-Block III°: kein Unterschied zum Sinusstillstand.
• VHF mit Pseudoregularisierung: keine P-Wellen, Flimmerwellen in V1, im
langen Rhythmusstreifen diskrete absolute Arrhythmie der QRS-Abstände
(RR-Intervalle ausmessen).
 7.3 Sinusknotenfunktionsstörungen  383

Therapie
• Verzicht auf bradykardisierende Medikamente bzw. Medikamentenpause
(Digitalis, Betablocker, Antiarrhythmika, Lithium). E’lyt-Normalisierung
(v. a. bei Hyperkaliämie).
• Med. Ther. bei symptomatischem Verlauf nur im Notfall u. kurz dauernd:
Atropin i. v. (0,5–1,0 mg bis zur Maximaldosis von 3 mg), bei Unwirksamkeit
ggf. Orciprenalin (Alupent®) od. Adrenalin (Suprarenin®) in 0,1-mg-Dosen
fraktioniert i. v.
• Permanente SM-Ther. mit vorhofbeteiligtem System (▶ 12.4). Kritische,
symptomorientierte Ind.-Stellung. Beschwerden des Pat. behandeln, nicht
EKG-Befunde. Ind.:
– symptomatischer Pat. nach Ausschluss einer behandelbaren Ursache,
– Notwendigkeit einer antitachykarden med. Ther. (z. B. Betablocker, Vera-
pamil od. Digitalisglykoside zur Kontrolle von intermittierendem VHF),
die zu einer symptomatischen Bradykardie führt,
– bradykardieassoziierte Herzinsuff.,
– chronotrope Inkompetenz.

Tipps & Tricks


SA-Block II° mit gelegentlichem Ausfall einer Herzaktion häufig auch bei
Gesunden (v. a. Kinder, Jugendliche, Sportler, Vagotoniker); es treten prak-
tisch nie kritische Bradykardien auf.

7.3.3 Sinusknotenerkrankung, Sinusknotensyndrom, Syndrom


des erkrankten Sinusknotens („sick sinus syndrome“,
SSS)

Leitbefunde
Sinusbradykardie, intermittierender od. permanenter Sinusarrest, tachykarde
supraventrikuläre Arrhythmien. Oft Mischbild aus bradykarden u. tachykar-
den Arrhythmien.

Sinusknotenerkr. ist ein Oberbegriff für sinuatriale Erregungsbildungs- u. -lei- 7


tungsstörungen mit organischer Ursache. Manifestation als bradykarde, brady-/
tachykarde od. tachykarde supraventrikuläre Arrhythmien (Sinusbradykardie,
zeitweise od. konstante Frequenz < 50/Min., SA-Blockierung, Sinusknotenstill-
stand, SVT als Vorhoftachykardien, Vorhofflattern, VHF). Von Sinusknotensy.
bzw. SSS spricht man nur bei Pat. mit symptomatischer Sinusknotenerkrankung.
Bei Komb. langsamer u. schneller Arrhythmien Bezeichnung als Bradykardie-Ta-
chykardie-Sy..

Klinik
Asymptomatisch od. Schwindel, Synkopen (Adams-Stokes-Anfall), Palpitationen,
chronotrope Inkompetenz mit Belastungsherzinsuff. (bradykarde Herzinsuff.),
art. Embolien bei VHF. Bradykardiesymptome bei kritischer Sinusbradykardie,
SA-Blockierungen u. ungenügendem Ersatzrhythmus sowie nach paroxysmalen
Tachyarrhythmien bei verlängerter präautomatischer Pause (SKEZ).
384 7 Herzrhythmusstörungen 

EKG
▶ 7.3.1, ▶ 7.3.2.
• Verlängerte präautomatische Pause: nach spontaner Beendigung einer Vor-
hoftachyarrhythmie verlängertes Intervall zwischen letzter Tachyarrhythmie-
aktion u. erster Sinusaktion (Langzeit-EKG!).
• Oft buntes Bild bradykarder u. tachykarder supraventrikulärer Arrhythmien
(▶ Abb. 7.2).
• Nach zusätzlicher AV-Leitungsstörung (binodale Erkr. in 10–20 % ▶ 7.4) im
Ruhe- u. Langzeit-EKG suchen.

Sinusarrest junktionaler
tachykardes Vorhofflimmern „präautomatische Ersatzrhythmus
Pause“

Abb. 7.2 Sinusknoten-Sy. mit Bradykardie-Tachykardie-Muster (Bradykardie-Ta-


chykardie-Sy.) [L115]

Weitere Diagnostik
Labor: Schilddrüsenfunktion, Plasmaspiegel von Pharmaka (Digitalis).
Langzeit-EKG.
EPU: hochfrequente atriale Stimulation zur Bestimmung der SKEZ, ggf. auch der
sinuatrialen Leitungszeit sowie der AH- u. HV-Leitungszeiten.
• Gesicherte Ind.: keine (gemäß Richtlinien für die Durchführung invasiver
elektrophysiologischer Untersuchungen der klinischen Kommission der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie).
• Mögliche Ind.:
– symptomatische Pat., bei denen Störungen der Sinusknotenfunktion als
Ursache der Symptome vermutet werden können, bei denen aber keine
Kausalitätsbeziehung zwischen Arrhythmie u. Symptom bewiesen ist,
– Pat. mit bekannter Sinusknotenerkr., um evtl. andere Arrhythmien als
Symptomursache auszuschließen.
• Keine Ind.:
7 – Pat. mit klarer Assoziation zwischen Symptomen u. nachgewiesener Si-
nusknotenerkr.,
– asymptomatische Pat. bzw. Pat. mit Sinusbradykardie od. SA-Blockierun-
gen während des Schlafs.
EPU aufgrund von Sinusknotenfunktionsstörungen werden heute nur noch im
Ausnahmefall durchgeführt.

Therapie
Permanente Schrittmachertherapie
▶ 12.4.
Bei symptomatischen Pat. indiziert, auch wenn Sinusknotenfunktionsstörung Fol-
ge einer notwendigen Ther. mit bradykardisierenden Substanzen ist (z. B. Betablo-
ckerther. bei KHK, fortgeschrittener DCM od. symptomatischer Tachyarrhythmie
bei paroxysmalem vHF, Gabe von Verapamil/Betablockern bei HOCM etc.).
Meist indiziert, wenn neben Bradykardien med. behandlungsbedürftige Tachyar-
rhythmien bestehen. Vor SM-Implantation klären:
 7.3 Sinusknotenfunktionsstörungen  385

• Besteht chronotrope Inkompetenz (Unfähigkeit zur Frequenzsteigerung bei


Belastung)?
• Liegt zusätzlich eine AV-Leitungsstörung vor?
• Wie häufig sind tachyarrhythmische Phasen?
Dann Wahl des SM-Systems (▶ 12.4.2), Vorhof- od. Zweikammer-SM bevorzu-
gen. Prinzipiell ist ein Zweikammersystem mit Algorithmen zur ventrikulären
Stimulationsvermeidung zu bevorzugen. Bei zusätzlicher AV-Leitungsstörung im
Rahmen einer binodalen Erkr. od. paroxysmalem VHF mit bradykarder Überlei-
tung → DDD(R)-SM obligat. Bei VVI-SM-Ther. die Entwicklung eines SM-Sy.
(▶ 12.4.2) möglich. Bei vorhofbeteiligter SM-Ther. geringere Anzahl von VHF-
Rezidiven u. seltenere Progression in permanentes VHF. Günstiger Einfluss der
vorhofbeteiligten Stimulation auf die Mortalität fraglich.
Medikamentöse Therapie bei atrialen Tachyarrhythmien
• Rezidivprophylaxe bei paroxysmalen atrialen Tachyarrhythmien:
– Amiodaron (5–7 g Sättigungsdosis, 200–400 mg/d Erhaltungsdosis),
– Flecainid (2 × 50–100 mg/d),
– Propafenon (2–3 × 150–300 mg/d),
– Dronedaron (2 × 400 mg/d),
– Sotalol (2–3 × 80–160 mg/d),
– Chinidin (3 × 200 mg/d) in Komb. mit Verapamil od. Betablockern.

Cave: Extrakardiale NW einer Langzeitther. mit Amiodaron insbes. bei jun-


gen Pat., strenge Ind.-Stellung für die übrigen Antiarrhythmika insbes. bei
strukturell herzkranken Pat.

• Frequenzkontrolle von atrialen Tachyarrhythmien:


– Betablocker (z. B. Metoprolol 100–200 mg/d),
– Verapamil (3 × 80–2 × 240 mg/d) od. Diltiazem (2 × 60–90 mg),
– Digitalisglykoside,
– Amiodaron (bei Pat. mit stark reduzierter LV-Funktion).
• Bei med. Ther. ohne gleichzeitige SM-Ther. Gefahr kritischer Bradykardien.
Sehr sorgfältige Ther.-Führung mit EKG-Monitoring, um Manifestation eines
bislang klinisch inapparenten od. oligosymptomatischen SSS zu vermeiden.
7
Tipps & Tricks
Symptome u. charakteristische EKG-Veränderungen häufig nur intermittie-
rend vorhanden. Der Beweis einer kausalen Beziehung zwischen Klinik u.
EKG ist deshalb häufig schwierig, sodass häufig nach Ausschluss anderer Ur-
sachen eine Ther.-Entscheidung nach Plausibilitätskriterien erfolgen muss.
Ausgeprägte Sinusbradykardie unter Digitalis od. Antiarrhythmika kann ein
erster Hinweis auf ein SSS sein.

7.3.4 Vorhofflimmern mit bradykarder Überleitung


(Bradyarrhythmia absoluta)

Leitbefunde
Permanentes VHF, bradykarde Ventrikelfrequenz mit häufigen RR-Intervallen
> 2 s.
386 7 Herzrhythmusstörungen 

Chron. VHF mit bradykarder Ventrikelfrequenz bei gestörter AV-Überleitung.

Ursache
AV-Knoten-supprimierende Medikamente (Digitalis, Betablocker, Verapamil)
od. strukturelle Veränderungen des Reizleitungssystems (z. B. bei KHK, DCM od.
AoK-Erkr.).

Klinik
Symptome der Bradykardie (▶ 7.3.1, ▶ 7.3.3), chronotrope Inkompetenz bei Be-
lastung mit fehlendem Frequenzanstieg (Leistungsminderung). Häufig mit Herz-
insuff. assoziiert, Grundkrankheit bestimmt dann meist das klinische Bild.

EKG
• VHF mit absoluter Arrhythmie u. bradykarder Ventrikelfrequenz. Nicht sel-
ten mit intermittierend tachykardem VHF kombiniert (▶ Abb. 7.3).
• Häufig Pausen: RR-Intervalle > 2 s.
• Inadäquater Frequenzanstieg unter Belastung.
• Bei bradykardem, regelmäßigem Rhythmus (Zykluslängenschwankung
< 10 %) AV-Block III°.

II

III

Abb. 7.3 Vorhofflimmern mit bradykarder Überleitung [L115]

EKG-DD
Bei Pseudoregularisierung AV-Knoten-Rhythmus (sehr regelmäßiger Rhythmus
mit schmalem QRS u. Frequenz 40–60/Min.) od. AV-Block III° (regelmäßiger
Rhythmus mit breitem QRS, Frequenz < 45/Min.).
7
Weitere Diagnostik
Ruhe-, Belastungs- u. Langzeit-EKG.

Therapie
• Wenn möglich kausale Therapie.
• Ggf. Hypothyreose behandeln.
• Verzichtbare bradykardisierende Medikamente absetzen (Digitalisglykoside,
Kalziumantagonisten vom Non-Dihydropyridin-Typ, Betablocker). Cave:
Nach Weglassen/Reduzieren der Medikamente kontrollieren, ob Pat. jetzt ta-
chykard überleitet.
• SM-Ther.: VVIR-SM (▶ 12.4.2). Ind.:
– symptomatische Pat. mit kritischer Ruhebradykardie, „Pausen“ > 3,5 s od.
Zeichen der bradykarden Herzinsuff., auch als Folge einer notwendigen
Ther. mit bradykardisierenden Medikamenten (Betablocker u. Digitalis-
glykoside bei Herzinsuff. od. zusätzlichen Phasen tachyarrhythmischer
Überleitung des VHF),
 7.3 Sinusknotenfunktionsstörungen  387

– bei AV-Block III° auch prophylaktisch,


– bei Komb. mit intermittierend tachykardem VHF, um gefahrlos neg. dro-
motrope Medikamente (Digitalis, Verapamil, Betablocker) einsetzen zu
können.
• Ggf. Antikoagulation (▶ 7.7.6): Gefährdung durch thrombembolische Ereig-
nisse ↑.

7.3.5 Karotissinus-Syndrom

Leitbefunde
AV-Block, Sinusarrest, Sinusbradykardie u./od. Hypotonie bei Kompression
des Karotissinus

Rezid. Schwindelzustände/Synkopen, bedingt durch eine gesteigerte Reflexant-


wort der Barorezeptoren des Karotissinus. Bei vagaler Stimulation treten 2 Kom-
ponenten auf:
• Kardioinhibitorisch: Reflexbradykardie mit vagal vermittelter Hemmung von
Sinusfunktion, SA- u. AV-Leitung. Nur diese Phänomene können mittels SM
beeinflusst werden!
• Vasodepressorisch: Vasodilatation der Kreislaufperipherie mit RR-Abfall.
Klinik
Schwindel/Synkopen nach typischen Manövern, z. B. Rasieren, Zuknöpfen eines
zu engen Kragens, extremen Halsbewegungen mit Drehung od. Streckung. Häufig
zusätzlich art. Hypertonie od. KHK.

EKG
Karotisdruckversuch mit ausschließlicher EKG-Dokumentation ohne RR-Über-
wachung ist obsolet.

Weitere Diagnostik
• Langzeit-EKG: Dokumentation einer Blockierung unter Alltagsbedingungen.
• Karotisdruckversuch:
– Vorbereiten: Karotiden auskultieren, ggf. Duplexsono. Kein Karotis- 7
druckversuch bei V. a. ipsilaterale Karotisstenose. Atropin (1 mg) als Be-
darfsmedikament bereithalten. Kontinuierliche EKG- u. RR-Erfassung
während des Versuchs.
– Durchführung: Untersuchung zunächst im Liegen. Leichte Kopfdrehung
des Pat. in kontralaterale Richtung. Unter laufender EKG- u. RR-Kontrol-
le Karotisdruckmassage (> 5 s, Klingelknopf-Druckstärke), zunächst im
Bereich des li od. re Glomus caroticum, dann kontralateral. Bei neg. Test
ggf. Wdh. bei aufgerichtetem Pat. (Kipptisch).
– Auswertung: Normal: Frequenzabfall bis max. 25 % der Ausgangsfre-
quenz, geringe Verlängerung von PQ (max. AV-Block I°), leichter RR-
Abfall. Mit zunehmendem Alter ist die Reflexantwort ausgeprägter (kann
hochpathol., aber klinisch stumm sein = hypersensitiver Karotissinus, je-
doch kein Karotissinus-Sy.). Klinik muss bei Karotisdruckversuch der
spontan aufgetretenen Klinik entsprechen.
388 7 Herzrhythmusstörungen 

EKG-DD
• SSS: SA-Blockierungen u. Sinusbradykardie auch ohne typische Auslösesitua-
tion, zusätzlich atriale Tachyarrhythmien weisen auf eine Sinusknotenerkr.
hin.
• AV-Blockierungen: AV-Leitungsstörung ohne Karotissinusstimulation.
• Binodale Erkr.: Bradykardie-Tachykardie-Sy. u. AV-Leitungsstörungen, die
ohne vagale Manöver bestehen od. sich durch diese verstärken.

Therapie
• Keine Ther. bei asymptomatischen Pat. Auf Digitalisglykoside verzichten
(verstärken Vaguswirkung).
• Pat. über anfallsauslösende Situationen informieren.
• SM-Implantation bei symptomatischen Pat., wenn Bradykardie-Komponente
überwiegt. SM-Systemwahl ▶ 12.4.2. Keine reinen Vorhofsysteme (AAI), da
bis zu 70 % einen reflektorischen AV-Block entwickeln. Reine VVI-Systeme
können durch den Verlust der AV-Synchronisation vasodepressorische Kom-
ponente verstärken (hämodynamisches Desaster) → wenn SM, dann Zwei-
kammersystem (DDD).
• Die vasodepressorische Komponente des Karotissinus-Sy. kann durch SM-
Systeme nur dann beeinflusst werden, wenn sie von einer Bradykardie-Kom-
ponente begleitet wird (▶ 12.4.1). Bei geeigneter SM-Programmierung (Fre-
quenzhysterese od. spezielle SM-Algorithmen) kann hier ein spontaner Fre-
quenzabfall durch den SM mit hoher Interventionsfrequenz behandelt wer-
den, um RR-Abfall zumindest teilweise zu kompensieren.

Tipps & Tricks


• Die Mehrzahl der reflektorischen Vasomotorensynkopen sind Misch-
formen aus kardioinhibitorischen u. vasodepressorischen Elementen →
je ausgeprägter die vasodepressorische Komponente, desto geringer der
therap. Erfolg.
• Kein kritikloser Einsatz des Karotisdruckversuchs zur Diagn. unspezifi-
scher Schwindelzustände. Große Anzahl falsch pos. Befunde (> 1⁄3 aller
> 80-Jährigen) u. nicht indizierter SM-Implantationen.
• Karotissinusdruckversuch möglichst erst nach Digitalispause durchfüh-
7 ren: Digitalis (vagomimetische Eigenschaften) verstärkt die Reflexant-
wort nach Karotissinusdruck (falsch pos. Befunde möglich).

7.3.6 Neurokardiogene od. vasovagale Synkope

Leitbefunde
Rezid. Synkopen, typische Auslösesituation.

Rezid. Schwindelzustände od. Synkopen, die zumeist in typischen Auslösesituati-


onen auftreten u. durch eine überschießende vagale Reaktion bedingt sind. Die
vagale Stimulation kann sich durch eine kardioinhibitorische u./od. vasodepressi-
ve Komponente äußern.
 7.4 AV-Blockierungen  389

Klinik
Schwindel/Synkopen können auf typische Auslösesituationen (z. B. Schmerz,
Husten, post-Miktion, postprandial, etc.) beschränkt sein.

EKG
I. d. R. ohne Auffälligkeiten.

Weitere Diagnostik
• Langzeit-EKG: kann intermittierende SA- od. AV-Blockierungen aufweisen,
häufig ohne pathol. Befund.
• Kipptischuntersuchung: EKG und art. RR-Messung im Liegen u. bei an-
schließender Orthostasebelastung. Puls u. RR (unblutig) werden möglichst
kontinuierlich gemessen. Zielsetzung: Provokation einer Synkope. Liegephase
von 5 bzw. 20 Min. nach Anlage einer venösen Kanüle, dann Aufrichtung auf
60–70° für 20–45 Min. Bei unauffälligem Befund Gabe von 400 μg NTG s. l.,
danach Fortsetzen der Kippphase für weitere 15–20 Min. (Guidelines der
Task Force on Syncopy of the European Society of Cardiology).

DD
• Sinusknotenerkr. od. AV-Blockierungen anderer Ätiol.,
• orthostatische Synkope,
• neurogene Synkopen.
Therapie
• Aufklärung über Auslösesituationen u. gute Prognose.
• Vermeidung von Triggermechanismen.
• Absetzen vasodilatierender Medikamente.
• Stehtraining.
• Bei jungen, herzgesunden Pat. ohne art. Hypertonie NaCl-Substitution (5–
10 g/d) zur Erhöhung des intravasalen Volumens.
• Med. Prophylaxe: Midodrin (cave: art. Hypertonie). Alternativ Fludrocorti-
son.
• Bei häufigen Synkopen od. schwerwiegenden Verletzungen u. Alter > 40 J. so-
wie Nachweis einer zumindest überwiegenden kardiodepressiven Kompo-
nente DDD-SM-Ther. (Frequenzhysterese od. Spezialalgorithmen). 7
7.4 AV-Blockierungen
Verschiedene Formen der gestörten Erregungsleitung zwischen Vorhöfen u.
Kammern. Block kann oberhalb des HIS (supra-His), innerhalb (intra-His) od.
unterhalb (infra-His) lokalisiert sein.

7.4.1 AV-Block I°

Leitbefunde
PQ-Zeit-Verlängerung > 200 ms (▶ Abb. 7.4), wobei jedes P auf die Kammern
übergeleitet wird.
390 7 Herzrhythmusstörungen 

normale
AV-Überleitung
PQ-Zeit normal

AV-Block I
PQ-Zeit verlängert

Abb. 7.4 AV-Block I° [L115]

Verzögerung der Impulsleitung von Vorhof auf die Kammer. Streng genommen
kein Leitungsblock, da keine Kammeraktion ausfällt, sondern eine Leitungsverzö-
gerung. Lokalisation der Verzögerung nur im HIS-EKG möglich (meist Verlänge-
rung der Leitungszeit zwischen Atrium u. HIS [AH-Zeit], seltener Verlängerung
des Intervalls zwischen HIS u. Ventrikel [HV-Zeit]).

Ursachen
Erhöhter vagaler Tonus, HWI, entzündliche od. degenerative Herzerkr., Medika-
menteneffekte.

Diagnostik
• EKG: PQ-Dauer > 200 ms
• Langzeit-EKG: zum Ausschluss/Nachweis höhergradiger Blockierungen.
Normale AV-Überleitung Split-His

QRS
A V
P H H
EKG
HBE
A V
H
HBE

7 His-Verbreitung

A V
H
HBE
AV-Block I° durch AH-Verlängerung
(Block im AV-Knoten)

QRS
HV-Verlängerung
P
EKG
A V A V
H H
HBE HBE

Abb. 7.5 His-Bündel-EKG: Überleitungsstörungen im AV-Knoten bei AV-Block I°


[L115]
 7.4 AV-Blockierungen  391

• HIS-EKG (nur im Einzelfall bei hochsymptomatischen Pat. mit normaler


QRS-Dauer): Pathol. Befunde im HIS-EKG bei AV-Block I° (▶ Abb. 7.5):
AV-Knoten → AH-Zeit ↑ (> 130 ms); Intra-His-Verbreiterung (> 25 ms) od.
Split-His > 20 ms; His-Purkinje-System → HV-Zeit ↑ (> 55 ms).
Indikation zur elektrophysiologischen Untersuchung
• Ind.: symptomatische Pat. mit bifaszikulärem Block u. AV-Block I° zum Aus-
schluss von VT vor SM-Implantation.
• Mögliche Ind.: symptomatische Pat., bei denen ein His-Purkinje-Block als
mögliche Ursache der Beschwerden vermutet, jedoch bislang nicht nachge-
wiesen werden konnte.
• Keine Ind.: symptomatische Pat. mit Klärung der Symptomatik durch das
EKG, asymptomatische Pat. mit bifaszikulärem Block.

Therapie
Medikation überprüfen. Bei Digitalis, Betablockern od. Kalziumantagonisten Ge-
fahr höhergradiger AV-Blockierungen.

7.4.2 AV-Block II°

Leitbefunde
• Typ I: zunehmende Verlängerung der PQ-Zeiten, bis eine P-Welle nicht
mehr auf die Kammern übergeleitet wird.
• Typ II: abrupte Blockierung einer P-Welle, ohne dass sich zuvor die PQ-
Zeiten stetig verlängert haben. Blockierung in konstantem Verhältnis
(2 : 1, 3 : 1).

Mobitz Typ I (Wenckebach)


Sukzessive Verlängerung des PQ-Intervalls, bis eine P-Welle nicht mehr auf die
Kammern übergeleitet wird. Störung in 70 % im AV-Knoten (Verlängerung von
AH, kann noch physiologisch sein!), in 10 % intra-His (His-Potenzial-Verbreite-
rung od. Split-His, immer pathol.), in 20 % infra-His (HV-Verlängerung, immer
pathol.) lokalisiert. Der Ort der Leitungsstörung kann nur mittels HIS-EKG be-
stimmt werden. Ursachen wie bei AV-Block I°. 7
Diagnostik
• EKG:
– Zunehmende Verlängerung des PQ-Intervalls, bis eine P-Welle nicht
mehr übergeleitet wird (▶ Abb. 7.6).
– Typischer Befund: Letzte noch übergeleitete P-Welle hat längere PQ-Zeit
als erste wieder übergeleitete P-Welle nach der Blockierung.
– Zunehmende Verkürzung der RR-Intervalle bis zur Blockierung, RR-Pau-
senintervall nach der blockierten P-Welle ist kürzer als 2 RR-Intervalle.
• Langzeit-EKG.
• Ergometrie bei Rückbildung der Wenckebach-Periodik unter Belastung gut-
artiger, supra-His-Block.
• Selten HIS-EKG (▶ 7.4.1).
392 7 Herzrhythmusstörungen 

P P P P P P

I
0,18 0,29 0,30 0,35 ∞ 0,18 s

II

III

Abb. 7.6 AV-Block II° Typ Wenckebach [L115]

EKG-DD
Blockierte SVES: P-Welle fällt früher ein u. ist evtl. in der T-Welle der vorange-
henden Aktion verborgen. P-Welle hat atypische Morphologie, die entstehenden
Pausen sind unregelmäßig.

Therapie
▶ 7.4.1.
SM-Ind. ist i. d. R. nur beim symptomatischen Pat. zu stellen. Prognostisch un-
günstig: AV-Block II° Typ I in Komb. mit bifaszikulärem Block: prognostische
Ind. zur SM-Therapie.

Bei Beschleunigung der Sinusfrequenz (z. B. durch Atropin, Sympathikomi-


metika, körperl. Belastung) nimmt auch die Frequenz der Kammern zu, da
eine Verbesserung der intranodalen Leitung auftritt. Beim AV-Block II°
Typ II muss dies nicht der Fall sein (s. u.).

Mobitz Typ II
Überleitungsblockierung der P-Welle in festem Verhältnis. Leitungsstörung in 1⁄3
intra-His, in 2⁄3 infra-His. Nur selten supra-His gelegene Störung. Ort der Lei-
7 tungsstörung kann nur mit HIS-EKG bestimmt werden. Häufig zusätzlich mit
intermittierendem AV-Block III°. Mobitz Typ II ist immer pathol.; schlechtere
Prognose als Typ I, häufiger klinisch symptomatisch, häufiger Übergang in per-
manenten AV-Block III°.

Ursache
Meist primär degenerative Erkr. des Reizleitungssystems. Oft in Verbindung mit
organischer Herzerkr., extensivem MI od. Medikamentenintoxikation.

EKG
• Regelmäßiger, bradykarder Rhythmus mit Blockierung der P-Wellen-Über-
leitung in einem festen Verhältnis 2 : 1, 3 : 1, x : 1. Jedem QRS-Komplex ge-
hen 2 od. mehr P-Wellen in konstantem Abstand voraus (▶ Abb. 7.7).
• Typischer Befund: PQ-Zeit der dem Block vorangehenden u. folgenden über-
geleiteten Schläge ist identisch.
 7.4 AV-Blockierungen  393

P P P P P P

Abb. 7.7 AV-Block Typ Mobitz II° mit 2 : 1-Blockierungsverhältnis [L115]

EKG-DD
• Mobitz Typ I: Letzte noch übergeleitete P-Welle hat längere PQ-Zeit als erste
wieder übergeleitete P-Welle nach der Blockierung.
• AV-Block III° mit Knoten-Ersatzrhythmus: Wechselnde Abstände zwischen
P-Wellen u. QRS-Komplexen (AV-Dissoziation).
• Blockierte SVES: P-Welle fällt früher ein u. ist evtl. in der T-Welle der voran-
gehenden Aktion verborgen. P-Welle mit atypischer Morphologie.

Therapie
• Medikamentenüberdosierung od. andere behebbare Ursache (Hypothyreose,
Hyperkaliämie, entzündliche Herzerkr., akuter MI) ausschließen.
• SM-Implantation (physiologisches System bevorzugen: DDD od. VDD ▶ 12.4.2):
– bei symptomatischen Pat.,
– bei HF < 40/Min. od. Pausen > 3,0 s auch bei asymptomatischem Pat.,
– nach RF-Ablation od. persistierend nach Herz-OP,
– bei AV-Block II° Typ II mit breitem Kammerkomplex (bei schmalem
QRS fakultativ).
– bei Vorliegen neuromuskulärer Erkrankungen.
Bei asymptomatischem AV-Block II° Typ I besteht SM-Ind. nur dann, wenn
gleichzeitig eine infra-hisäre Leitungsstörung in der EPU nachgewiesen wurde. 7
Bei Beschleunigung der Sinusfrequenz (z. B. durch Atropin, Sympathikomi-
metika, körperl. Belastung) kann es zu einem Abfall der Kammerfrequenz
kommen, da die infranodale Leitung nicht beeinflusst wird u. eine 2 : 1-Blo-
ckierung in eine 3 : 1-Blockierung od. höher übergehen kann.

7.4.3 AV-Block III°

Leitbefunde
Regelmäßiger, bradykarder Rhythmus der Kammern (QRS-Komplexe), die
zeitlich unabhängig von den Vorhöfen (P-Wellen) schlagen (AV-Dissoziation).

Vollständige Unterbrechung (komplette Dissoziation) der Vorhof-Kammer-


Überleitung. Ersatzrhythmus mit einer Frequenz von 25–60/Min. Je tiefer der Er-
394 7 Herzrhythmusstörungen 

satzrhythmus lokalisiert ist, desto niedriger ist seine Frequenz, desto breiter die
QRS-Komplexe, desto instabiler der Rhythmus.

Ursachen
• Kongenitaler AV-Block: meist schmale QRS, rel. rasche Kammerfrequenz,
akzeleriert unter Belastung. Klinik: selten Adams-Stokes-Anfälle, meist Leis-
tungsminderung bei chronotroper Inkompetenz im Erw.-Alter.
• Erworbener AV-Block: bei degenerativer Erkr. des Erregungsleitungssys-
tems, KHK, Medikamentenintoxikation, nach herzchirurgischem Eingriff.

EKG
▶ Abb. 7.8.
P
P P P P P P P P
V1

V2

V3

Abb. 7.8 AV-Block III°. Dissoziation zwischen P-Wellen, Ersatzrhythmus mit RSB-
Muster [L115]

• AV-Dissoziation: keine feste Beziehung zwischen P-Wellen u. QRS-Komple-


7 xen.
• Schmale QRS: Ersatzrhythmus aus AV-Knoten-Bereich, suprabifurkal.
• Breite QRS: Ersatzrhythmus infrabifurkal (His-Purkinje-System, Arbeitsmyo-
kard).
• Frequenz je nach Lokalisation des Ersatzrhythmus 25–60/Min.
• In ca. 20 % Vorhofflimmern od. -flattern. AV-Block III° anhand des brady-
karden, regelmäßigen Ersatzrhythmus diagnostizieren.
His-Bündel-EKG
Ind. ▶ 7.4.1.
Lokalisation des Blocks:
• AV-Knoten-Block: His-Potenzial vor Ventrikelerregung (H–V), Ersatzrhyth-
mus aus prox. His, Frequenz 40–60/Min., QRS meist identisch mit EKG vor
AV-Block III°.
• Intra-His-Block: His-Potenzial nach jeder Vorhof- (A–H) u. vor jeder Ven­
trikelerregung (H–V), beide schlagen jedoch unabhängig voneinander. Er-
 7.4 AV-Blockierungen  395

satzrhythmus aus distalem His od. Ventrikel, Frequenz 30–40/Min., QRS


schenkelblockartig deformiert.
• Infra-His-Block: Jeder Vorhoferregung folgt ein His-Potenzial (A–H), vor
Kammererregung kein His-Potenzial (V), Ersatzrhythmus aus Ventrikelmyo-
kard, Frequenz < 40/Min., QRS teils grotesk deformiert.

EKG-DD
Idioventrikulärer Rhythmus bei Sinusbradykardie: Bild der AV-Dissoziation, wo-
bei Sinusrhythmus bradykarder ist als der akzelerierte Kammerrhythmus (50–
100/Min.). Kammerrhythmus ist schneller als ein Kammerersatzrhythmus.

Therapie
SM-Implantation (physiologisches System bevorzugen: DDD od. VDD ▶ 12.4.2):
• Immer beim erworbenen permanenten AV-Block III°.
• Intermittierender AV-Block III°:
– bei symptomatischen Pat.
– bei Ersatzrhythmus < 40/Min. u./od. verbreitertem QRS-Komplex,
– nach RF-Ablation.
– bei neuromuskulären Erkr.
– fakultativ auch bei asymptomatischem Pat. ohne die vorgenannten Krite-
rien.
• Angeborener AV-Block:
– Bei symptomatischen Pat.
– Bei Risikomerkmalen (Pausen > 3 s, verbreitertem QRS-Komplex, gehäuf-
ten VES, reduzierter LV-Funktion).
– Es besteht zunehmend die Tendenz, asymptomatische Pat. mit angebore-
nem AV-Block III° generell mit einem SM-System zu versorgen.
• Akuter MI:
– Hohe Rückbildungstendenz insbes. bei HWI, daher SM-Implantation frü-
hestens nach 7–14 Tagen.
– Bei VWI zumeist Ausdruck eines infrahisären Blocks mit geringer Rück-
bildungsrate, hier ist ggf. frühzeitigere SM-Implantation zu vertreten.

Bei erstmalig symptomatisch gewordenem AV-Block III° Intensivüberwa-


chung, da Phasen eines unzureichenden od. instabilen Ersatzrhythmus auf- 7
treten können.

7.4.4 Passive heterotope Erregungsbildungsstörungen

Leitbefunde
Später als der Normalschlag einfallende QRS-Komplexe als Ersatzsystole od.
Ersatzrhythmus bei gestörter Sinus- od. AV-Knoten-Funktion.

Bei Verlangsamung od. Ausfall der Erregungsbildung im Sinusknoten od. Blo-


ckierung der AV-Überleitung kommen passiv sek. od. tertiäre Automatiezentren
zur Wirkung. Sie übernehmen je nach Dauer der Störung die SM-Funktion als
Ersatzsystole (escape beat) od. Ersatzrhythmus.
396 7 Herzrhythmusstörungen 

Typisch ist der verspätete Einsatz der Ersatzsystole (nach präautomatischer


Pause) im Gegensatz zum Normalschlag od. der früher einfallenden Extra-
systole.

Supraventrikuläre Ersatzsystolen, -rhythmen


QRS normal, Repolarisation ungestört. Häufigster Ursprung: HIS, AV-Knoten-
Region, Vorhöfe. Falls keine neg. bathmotropen Medikamenteneinflüsse vorliegen
u. Rhythmus stabil ist, werden supraventrikuläre Ersatzrhythmen gut toleriert.
EKG
• P-Wellen-Morphologie je nach Ursprung des Rhythmus verändert u. nicht
identisch mit P bei Sinusrhythmus.
– P nach QRS bei retrograder Aktivierung der Vorhöfe.
– Neg. P vor QRS: Rhythmus aus AV-Knoten-Region.
– Neg. od. nicht erkennbare P-Welle: Rhythmus aus AV-Junction (▶ Abb. 7.9).
• Frequenzbereich 40–60/Min.
• Schmale QRS.

V1

V2

V3

V4
7

V5

V6

Abb. 7.9 Ersatzrhythmus aus dem AV-Knoten-Bereich. Regelmäßiger Rhythmus


mit schlankem QRS u. nicht erkennbaren P-Wellen [L115]

Kammerersatzsystolen, -rhythmen
Sie entstehen aus einem tertiären, ventrikulären Automatiezentrum. Rhythmus
oft instabil, hämodynamische Situation ungünstig.
 7.5 Tachykarde Herzrhythmusstörungen: Grundsätze der Diagnostik  397

EKG
• AV-Dissoziation: Vorhöfe u. Kammern schlagen unabhängig voneinander.
• P-Wellen mit höherer Frequenz u. ohne Beziehung zu den breiten QRS-
Komplexen.
• RSB: Ursprung aus LV.
• LSB: Ursprung aus RV.
• Frequenz: < 40/Min., bei Ursprung des Rhythmus aus dem Arbeitsmyokard
20–30/Min. Rhythmus ist „instabil“.

Tipps & Tricks


Ersatzsystolen, -rhythmen sind der körpereigene Versuch einer Kompensa-
tion einer Bradykardie. Sie sind ein Indiz für eine gravierende Arrhythmie,
die Existenz von Ersatzrhythmen kann lebensrettend sein. Eine Suppression
dieser Rhythmen mit Antiarrhythmika verläuft meist fatal. Elektrische Sti-
mulation der Kammer (temporärer od. permanenter SM) führt ebenfalls zur
Suppression des Ersatzrhythmus. Wird die Stimulation abrupt beendet, kann
die präautomatische Pause bis zum Wiederauftreten des Ersatzrhythmus un-
kalkulierbar lange dauern, eine Adams-Stokes-Attacke ist die Regel → ein
sorgfältiger Umgang mit temporären SM-Systemen bei Bradyarrhythmien
mit sehr langsamem od. instabilen Ersatzrhythmus ist dringend anzuraten.
Ind. zur permanenten SM-Ther. prüfen (▶ 7.3.2, ▶ 7.4.3).

7.5 Tachykarde Herzrhythmusstörungen:
Grundsätze der Diagnostik u. Therapie
Pathophysiologie tachykarder Rhythmusstörungen
Frequenz > 100/Min., regelmäßig od. unregelmäßig (Tachyarrhythmie). Pa-
thomechanismus beruht auf einer fokalen Impulsbildung od. einem Reentry-Phä-
nomen.
Fokale Impulsbildung
Es werden 3 Formen unterschieden:
• Gesteigerte Automatie: Diastol. Depolarisation in Sinusknoten od. Purkinje- 7
Fasern gesteigert (z. B. atriale ektope Tachykardie, idioventrikulärer Rhyth-
mus).
• Abnorme Automatie: Durch spontane Abnahme des diastol. Membranpo-
tenzials im Sinus- u. AV-Knoten, den Purkinje-Fasern od. in atrialen Struktu-
ren tritt eine spontane Reizbildung/Depolarisation der Zellen auf (z. B. VT in
der Frühphase eines MI).
• Getriggerte Aktivität als Folge von pathol. Nachpotenzialen (Oszillationen)
am Ende der Repolarisationsphase. Getriggerte Aktivität immer an vorange-
gangenen Impuls gebunden (z. B. Arrhythmien im Rahmen von Bradykardien
→ Torsade-de-pointes-Tachykardie, Arrhythmien bei Digitalisintoxikation).
Kreisende Erregung (Reentry)
Die meisten klinisch relevanten Tachyarrhythmien werden über einen Reentry-
Mechanismus ausgelöst. Voraussetzung: verschiedene Leitungsbahnen mit unter-
schiedlichen Leitungsfähigkeiten. Impuls wird in eine Richtung blockiert (unidi-
rektionaler Block) u. dann in eine andere Richtung fortgeleitet (▶ Abb. 7.10). Die
398 7 Herzrhythmusstörungen 

Erregung tritt nach Erholung des ursprünglich blockierten Leitungswegs (erreg-


bare Lücke) wieder auf, damit ist die Kreiserregung geschlossen.

I. Initiierung II. Tachykardie

Extrasystole

wieder
Block erregbares
Gewebe

Erregungsfront Erregungsfront
Extrasystole löst eine kreisende Während der Tachykardie trifft
Erregung aus. die Erregung immer wieder auf
erregbares Gewebe.

Abb. 7.10 Kreisende Erregung (Reentry) [L115]

Kreiserregungen verlaufen in:


• Anatomisch definierten Strukturen: Einmündung der oberen od. unteren
Hohlvene, Trikuspidalklappenring, akzessorische AV-Bahnen, Tawara-
Schenkel, Purkinje-Fasern, Umgebung einer Myokardnarbe.
• Funktionell definierte Bahnen ohne anatomische Hindernisse: intraatriale Kreis­
erregung, Längsdissoziation des AV-Knotens, ischämisches Ventrikelmyokard.

7.5.1 Diagnostik
7 Klinische Merkmale
• Herzrasen, das allmählich anfängt u. aufhört → Sinustachykardie, fokale atria-
le Tachykardien.
• Herzrasen mit plötzlichem Beginn u. Ende → AV-Knoten-Tachykardie, Vor-
hofflattern, Tachykardien bei akzessorischer Leitungsbahn, VT.
• Anfallsweise Herzrasen nach MI → VT.
• Anfallsweise Herzrasen in der Jugend od. im frühen Erw.-Alter → AVNRT,
Tachykardien bei akzessorischer Leitungsbahn.
• Herzrasen, das unregelmäßig empfunden wird → VHF.
• Herzklopfen, Extraschläge, Aussetzer: → SVES od. VES.
Analysekriterien eines Tachykardie-EKG
• Unterteilung:
– Tachykardie mit schmalem QRS: immer supraventrikulärer Ursprung.
– Tachykardie mit breitem QRS: supraventrikulärer (Aberration) od. ven­
trikulärer Ursprung.
 7.5 Tachykarde Herzrhythmusstörungen: Grundsätze der Diagnostik  399

• Systematische Analyse:
– P-Wellen: Frequenz? Regelmäßig? Morphologie? Beziehung zum QRS-
Komplex?
– QRS-Komplex: Frequenz? Regelmäßig? Morphologie? Achse? Breite?
Komb.-Vorschläge (▶ 7.9)?

Wichtige EKG-Differenzialdiagnosen tachykarder Rhythmen


Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex schmal:
• Sinustachykardie (▶ 7.6.1): pos. P-Wellen in I, II, III, aVL, aVF, biphasische
P-Wellen in V1, i. d. R. normale PQ-Zeit, Frequenzbereich 100–160/Min.
• AVNRT (▶ 7.7.8): meist keine od. am Ende des QRS-Komplexes erkenn-
bare P-Wellen. Frequenzbereich 150–250/Min.
• Orthodrome AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy. (▶ 7.8): P-Wellen
(neg. in II, III u. aVF) kurz nach QRS. Frequenzbereich 150–250/Min.
• Typisches Vorhofflattern mit regelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.5): Flat-
terwellen (meist neg., seltener auch pos. in II, III, aVF, pos. in V1) mit einer
Frequenz von 220–300/Min. Frequenzbereich der Kammern 110–150/Min.
• Vorhoftachykardie mit regelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.1): Vorhoffre-
quenz 100–250/Min. (bei Vorhoffrequenz > 200/min meist 2 : 1-Überlei-
tung auf die Kammern). Zumeist atypische P-Wellen-Achse (neg. über la-
teralen od. inf. Abl.).
Rhythmus regelmäßig, QRS-Komplex breit:
• Jede regelmäßige SVT mit vorbestehendem od. funktionellem Schenkel-
block.
• Antidrome AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy. (▶ 7.7.8, ▶ 7.8): sehr
seltene Tachykardieform bei akzessorischer Leitungsbahn. Breiter, max.
deformierter QRS-Komplex, Differenzierung zur Kammertachykardie
kann schwierig sein u. gelingt z. T. erst nach Wiederherstellung des Sinus-
rhythmus.
• VT (▶ 7.9): meist deutliche QRS-Verbreiterung ohne typisches Schenkel-
blockbild u. atypischer Lagetyp. Frequenzbereich 120–250/Min.
• Kammerflattern (▶ 7.9.8): kein isoelektrisches Intervall zwischen den
QRS-Komplexen (Sinusschwingung, Haarnadelkurven). Frequenzbereich
250–300/Min.
Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex schmal: 7
• Sinustachykardie mit SVES (▶ 7.6.1, ▶ 7.7.7): tachykarder Sinusgrund-
rhythmus mit vorzeitig einfallendem schmalen QRS. P-Welle der Extra-
systole hat eine veränderte Morphologie u. kann in vorausgegangener T-
Welle verborgen sein.
• Tachyarrhythmia absoluta bei VHF (▶ 7.7.6): QRS absolut arrhythmisch.
P-Wellen nicht zu erkennen, dafür feine od. grobe Flimmerwellen (v. a. in
V1). Frequenzbereich 100–220/Min.
• Multifokale atriale Tachykardie. atriale Tachykardie (100–220/Min.) mit
wechselnder P-Wellenmorphologie (> 2 unterschiedliche Morphologien)
u. wechselnder AV-Überleitung, z. T. blockierte P-Wellen. Unregelmäßi-
ge, häufig absolut arrhythmische QRS-Abfolge.
• Vorhofflattern mit unregelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.5): Vorhofflatter-
wellen mit einer Frequenz 220–300/Min., Frequenz der Kammern 100–
150/Min., durch wechselnde Überleitungen (2 : 1, 3 : 1, x : 1) sind QRS ab-
solut arrhythmisch.
400 7 Herzrhythmusstörungen 

• Vorhoftachykardie mit unregelmäßiger Überleitung (▶ 7.7.1, ▶ 7.7.2):


Vorhoffrequenz 100–250/Min., P-Wellen durch isoelektrisches Intervall
getrennt, atypische P-Wellen-Achse.
Rhythmus unregelmäßig, QRS-Komplex breit:
• Jede unregelmäßige atriale Tachykardie (inklusive VHF) mit vorbestehen-
dem od. funktionellen Schenkelblock.
• VHF bei Präexzitationssy. (▶ 7.7.6, ▶ 7.8): wechselnd breite QRS-Komple-
xe. Intermittierend treten normale QRS-Komplexe auf. Frequenzbereich
150–300/Min.
• Polymorphe VT (▶ 7.9.3, ▶ 7.9.4, ▶ 7.9.5): wechselnde Morphologie u.
Achse der QRS-Komplexe. Frequenzbereich bis 300/Min.
• Kammerflimmern (▶ 7.9.8): hochfrequente Oszillationen niedriger Am­
plitude. Frequenzbereich > 300/Min.

7.5.2 Therapieprinzipien
Ziele der antiarrhythmischen Therapie
• Symptomatisch: Beseitigung von Palpitationen, A. p., Schwindel, Synkopen,
Besserung der Hämodynamik.
• Prognostisch: Reduktion der Gefährdung durch plötzlichen Herztod.
Voraussetzungen
Leitfragen: Ist überhaupt Ther. erforderlich? Welche Ther. ist effektiv u. sicher?
Individuelle Ther.-Entscheidung erforderlich. Berücksichtigen: typische od. atypi-
sche Symptomatik, Häufigkeit arrhythmischer Ereignisse, Kammerfrequenz, kar-
diale Grundkrankheit, extrakardiale Erkr., individuelle Reaktionslage des Pat.,
Prognose von Arrhythmie u. Grundkrankheit u. Anspruch des Pat. an die körperl.
Leistungsfähigkeit.

Allgemeine Behandlungsmaßnahmen
• Kausalther.: wenn möglich, zunächst Ther. der Grundkrankheit. Ausnahme:
akut bedrohliche Arrhythmien, um sofortige symptomatische Besserung zu
erzielen od. vitale Bedrohung abzuwenden.
7 • Allgemeine Maßnahmen: Verbessern die Voraussetzungen zur erfolgreichen
Ther. der Grundkrankheit bzw. der Arrhythmie, z. B. Bettruhe, Sedierung,
O2-Gabe, ggf. vagale Manöver (Versuch zur Terminierung einer Arrhyth-
mie).

Nichtmedikamentöse antiarrhythmische Therapie


Möglichkeiten einer evtl. kurativen nichtmed. Ther. (Ablationsverfahren, antita-
chykarde Stimulationsformen mit ICD, chirurgische Rhythmusther.) prüfen.
Nichtmed. Verfahren ohne chron. NW können günstiger sein als die Entschei-
dung zur med. antiarrhythmischen Therapie. Letztere bedeutet für den Pat. meist
eine langfristige, oft lebenslange Therapie.

Medikamentöse antiarrhythmische Therapie


Antiarrhythmikaklassen ▶ Tab. 7.2.
 7.5 Tachykarde Herzrhythmusstörungen: Grundsätze der Diagnostik  401

Tab. 7.2 Antiarrhythmikaklassen nach Vaughan-Williams


Klasse Präparat Orale Dosis (mg/d)
IA Chinidin 2–3 × 250–500
Prajmalin 3–4 × 20
IC Flecainid 2–3 × 50–100
Propafenon 3 × 150–300
II Bisoprolol 1–2 × 5
Carvedilol 2 × 25
Metoprolol 2–3 × 50–100
Propranolol 3–4 × 40–80
III Sotalol 2–3 × 80 bis 3 × 160
Amiodaron Aufsättigung auf 5–7 g (VHF) bzw. 10–12 g (ventrikuläre
Tachyarrhythmien), Aufsättigungsdosis 3–6 × 200 mg,
Erhaltungsdosis 1–2 × 200 mg
Dronedaron 2 × 400
IV Verapamil 2–4 × 40–120
Diltiazem 2 × 60–90

Therapiegrundsätze
• Strenge Ind.-Stellung für Klasse-I-Antiarrhythmika u. Sotalol nach MI od. bei
reduzierter LV-Funktion (EF < 40 %). Dronedaron bei Herzinsuffi. ebenfalls
kontraindiziert. Sotalol als adjuvante Ther. bei Pat. mit anhaltenden ventriku-
lären Tachyarrhythmien u. ICD möglich.
• Pat. mit Rhythmusstörungen ohne strukturelle od. ischämische Herzschä-
den können mit jedem Antiarrhythmikum der Klassen I bis IV behandelt
werden.
• Bei Pat. mit KHK, insbes. nach MI, od. bei reduzierter LV-Funktion v. a. Be-
tablocker od. Amiodaron einsetzen.
Therapiekontrolle bei medikamentöser Arrhythmietherapie
Zum Nachweis der Effektivität der Ther. u. frühzeitigen Erkennung proarrhyth-
mogener Effekte.
7
• Anamnese: Palpitationen, Schwindel, Synkopen, gastrointestinale NW.
• Klinische Untersuchung: kardiale Dekompensation (pulmonale Kongestion,
periphere Ödeme), Bradykardie.
• Serumspiegelbestimmung von Antiarrhythmika bei V. a. Intoxikation od.
zur Überprüfung der Pat.-Compliance.
• EKG: AV- od. intraventrikuläre Leitungsblockierungen, Verlängerung des
QT-Intervalls auf > 125 %, Provokation tachykarder Arrhythmien od. intra-
ventrikulärer Leitungsstörungen unter Belastung.
• Langzeit-EKG: Beurteilung des Frequenzspektrums, Reduktion der Häufig-
keit von SVES od. VES. Bedeutung in der Effektivitätskontrolle paroxysmaler
Tachykardien ist gering.
402 7 Herzrhythmusstörungen 

• Belastungs-EKG: chronotrope Kompetenz unter Ther., Proarrhythmieprovo-


kation bei Klasse-IC-Antiarrhythmika (Induktion monomorphe Kammerta-
chykardien).
• Programmierte Stimulation zur Ther.-Kontrolle von Antiarrhythmika: heute
obsolet.

Grundsätze der Kombinationstherapie antiarrhythmischer Pharmaka


• Betablocker als Komb.-Partner bevorzugen. Bei Komb. betablockierende od.
kalziumantagonistische Eigenwirkungen der Komb.-Partner berücksichtigen
(Amiodaron, Propafenon, Verapamil) u. Dosis der Einzelpharmaka reduzie-
ren.
• Antiarrhythmische Komb.-Ther. stationär beginnen.
• Proarrhythmogene Effekte der Einzelpharmaka berücksichtigen.
• Additive neg. inotrope Wirkungen v. a. bei eingeschränkter Ventrikelfunkti-
on od. bei Komb. leitungsverzögernder Antiarrhythmika (Asystoliegefahr!)
→ keine stark neg. inotrop wirkende Substanzen bei Herzinsuff., EKG-Kon­
trolle (Auswirkungen auf die Sinus-, AV-Knoten-Funktion u. intraventriku-
läre Leitung?).
• Betablocker (nicht Sotalol!) können unter EKG-Kontrolle mit allen Klasse-I-
Antiarrhythmika u. mit Amiodaron kombiniert werden.
• Bei tachyarrhythmisch übergeleitetem persistierendem VHF können unter
EKG-Kontrolle Betablocker u. Kalziumantagonisten vom Verapamil-Typ
kombiniert werden, falls mit einer Substanz keine ausreichende Frequenz-
kontrolle herbeigeführt werden kann.
• Bei supraventrikulären Tachyarrhythmien ist Komb. zweier spezifischer Anti-
arrhythmika nicht indiziert.
• Bei ventrikulären Tachyarrhythmien hat sich Komb. von Amiodaron u. Beta-
blocker (EKG-Kontrolle!) zur Reduktion der Arrhythmiehäufigkeit als güns-
tig erwiesen.
• Sotalol ist bei reduzierter LV-Funktion nur bei ICD sicher einsetzbar.
Komb. von Antiarrhythmika erweitert die Grauzone potenziell bedrohli-
cher NW.

7 Risiken der medikamentösen Arrhythmietherapie


• Ineffizienz einer antiarrhythmischen Ther.
• Problematische Interaktionen mit weiteren Pharmaka, z. B. Digoxin/Chini-
din, Amiodaron/Verapamil, Chinidin/Amiodaron, Amiodaron/Kumarinde-
rivate (▶ 11.6.10, ▶ 11.7.4).
• Kardiale u. extrakardiale NW: Wegen des breiten NW-Spektrums können in-
dividuell auch seltene NW dominieren, die nicht sofort mit dem Pharmakon
in Verbindung gebracht werden.
• Neg. Inotropie der Antiarrhythmika: IC > IA > IB > Sotalol > Betablocker
> Amiodaron.
• Proarrhythmie (s. u.).
Arrhythmieverstärkung durch Antiarrhythmika („Proarrhythmie“)
Häufigkeit proarrhythmogener Effekte zwischen 5–20 % (bei nichtinvasiver Diagn.
in ca. 10 % der Behandlungen, bei invasiver Testung in ca. 20 %!). Meist dosisab-
hängig, in Einzelfällen (v. a. Klasse-IC-Antiarrhythmika) auch dosisunabhängig.
 7.6 Tachykarde supraventrikuläre Arrhythmien  403

Kriterien für Proarrhythmie


• Neuauftreten von Arrhythmien: anhaltende VT od. Kammerflattern,
-flimmern; Torsade-de-pointes-Tachykardien; atriale Tachykardien; atria-
le u. ventrikuläre Extrasystolen.
• Unterdrückung von Ersatzrhythmen.
• Auftreten von Blockierungen.
Risikofaktoren
• Fortgeschrittene KHK od. andere strukturelle Herzerkr. mit EF < 35 %. Bes.
häufig sind Arrhythmien unter stark leitungsverzögernden Antiarrhythmika
der Klasse IA u. IC (durch inhomogene Erregungsausbreitung u. -rückbil-
dung). Evtl. auch nach kurz zurückliegendem MI (CAST-Studien).
• Med. induzierte QTc-Verlängerung (Chinidin, Sotalol) kann mit proarrhyth-
mischen Effekten assoziiert sein, ist aber auch Ausdruck eines antiarrhythmi-
schen Effekts (schwer zu unterscheiden).
Klinische Implikationen
• Bisher wurde für kein Antiarrhythmikum, außer für Betablocker, nachgewie-
sen, dass eine Behandlung der Arrhythmie eine Lebensverlängerung bewirkt.
• Proarrhythmogene Effekte werden insbes. bei Pat. mit struktureller Herzerkr.
beobachtet, rel. Häufigkeit für Klasse-I-Antiarrhythmika u. Sotalol 6–15 %,
bei Amiodaron mit 2 % seltener. In Einzelfällen können auch strukturell herz-
gesunde Pat. von proarrhythmischen NW betroffen sein.
• Einstellung auf Antiarrhythmika der Klasse I u. III bei ventrikulären Arrhyth-
mien in kardiologischer Notfallbereitschaft u. mit Monitorkontrolle (mög-
lichst stationär). Kontrolle von EKG, Belastungs-, Langzeit-EKG u. ggf. inva-
siver elektrophysiologischer Kontrolle. Achten auf Zunahme der Arrhythmi-
en od. abnorme Verlängerung der QRS-, PQ- od. QT-Zeit (kritische Grenze
QT-Dauer > 500 ms).
• Auch unter Steady-State-Bedingungen nach Langzeitbehandlung ist eine
Proarrhythmie möglich → Verlaufskontrolle mit Langzeit-EKG.
• Klasse-I-Antiarrhythmika od. Sotalol können bei Pat. ohne strukturelle Herz-
erkr. u. symptomatischen SVT eingesetzt werden, zuvor sollte allerdings die
Möglichkeit einer Ablationsbehandlung erwogen werden.
• Konversionsbehandlung von Vorhofflattern od. -flimmern möglichst stationär. 7
Elektrische Kardioversion bevorzugen. Alternativ kann bei herzgesunden Pat.
mit seltenen, persistierenden Episoden von VHF eine med. Selbstkardioversion
mit Flecainid (200–300 mg p. o.) od. Propafenon (450–600 mg p. o.) erwogen
werden („pill in the pocket“); Voraussetzung: individueller Nachweis von Sicher-
heit u. Verträglichkeit des Konzepts bei einer initialen stationären Austestung.
• Dronedaron kann in Einzelfällen zu Leberversagen führen. Strenge Ind.-Stel-
lung u. regelmäßige Kontrolle der Transaminasen erforderlich.

7.6 Tachykarde supraventrikuläre Arrhythmien


7.6.1 Sinustachykardie

Leitbefunde
Sinusrhythmus, normale P-Welle, HF > 100/Min.
404 7 Herzrhythmusstörungen 

Ätiologie
Physiologisch beim Kind. Erhöhter Sympathikotonus, z. B. bei Belastungen, Fie-
ber, Anämie, Herzinsuff., Kreislaufschock. Hyperthyreose, Phäochromozytom.
Akute entzündliche Herzerkr., Medikamente (Atropin, Theophyllin, Sympathiko-
mimetika) od. Genussgifte, z. B. Alkohol, Nikotin, Koffein.

Klinik
Allmählicher Anfang u. allmähliches Ende der Tachykardie. Vagale Manöver
können Frequenz senken, Tachykardie aber nicht terminieren.

EKG
• Frequenz > 100/Min., Sinusrhythmus, P-Welle in allen 12 Abl. mit P-Welle
bei normofrequenten Sinusrhythmus identisch.
• Absenkung des J-Punkts.
• Aszendierende ST-Strecken-Senkung mit Übergang in flaches T.
EKG-DD
• Bei Frequenzstarre (stetig tachykarder Rhythmus ohne Frequenzfluktuatio-
nen) od. HF von 150–180/Min. andere supraventrikuläre Tachyarrhythmien
ausschließen (▶ 7.7.5): Vorhofflattern mit Block, AVNRT, orthodrome AV-
Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy., Vorhoftachykardie, Sinusknoten-Reen­
try.
• Bei vorbestehendem od. funktionellem Schenkelblock (Aberration) teils
schwierige DD (▶ 7.9).

Therapie
• Behandlung der Ursache.
• Med. Ther. nur bei inadäquater Sinustachykardie zur Frequenzsenkung:
Meto­prolol 5–200 mg p. o., bei i. v. Gabe 5–15 mg.
• Bei symptomatischer inadäquater Sinustachykardie trotz Betablockerther. od.
bei Betablockerintoleranz ggf. Procoralan 2 × 5–7,5 mg p. o. (cave: Off-Label-
Use).

Keine ausschließlich symptomzentrierte Behandlung des potenziellen Warn-


7 zeichens „Sinustachykardie“.

7.6.2 Sinusarrhythmie

Leitbefunde
Diskrete Variationen des PP-Intervalls.

Häufigste u. gutartigste Arrhythmieform.

Ätiologie
• Respiratorische Form: exspiratorisch HF-Abnahme, inspiratorisch HF-Zu-
nahme (Bainbridge-Reflex). Normalbefund! Kann bei Kindern, Jugendlichen
u. Vagotonie ausgeprägt sein.
• Nichtrespiratorische Form: phasische Änderungen des Entladungsmusters
od. der Leitungsbedingungen im Sinusknoten atmungsunabhängig. Tritt auf
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  405

bei Sinusknotenerkr., KHK, med. erhöhtem Vagotonus (z. B. unter Digitalis,


Morphin) od. vagaler Stimulation anderer Organe (z. B. Gastrointestinum).
• Sinusarrhythmie bei AV-Block III°: ventrikulophasische Sinusarrhythmie
durch Änderung des autonomen Tonus bei AV-Dissoziation.

EKG
PP-Intervall variiert. Unterschied zwischen kürzestem u. längstem PP-Intervall
> 120 ms.

EKG-DD
SSS. Wechsel von bradykarden u. tachykarden Phasen des Sinusrhythmus ist sehr
viel ausgeprägter.

Therapie
Keine.

7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien
Oberbegriff verschiedener Arrhythmievarianten (▶ Tab. 7.3). Pathophysiologisch
liegt eine gesteigerte Automatie od. ein Reentry zugrunde:
• Gesteigerte Automatie: Typisch sind „Warming-up“ (allmählich zunehmen-
de Frequenz bei Tachykardiebeginn) u. „Cool-down“ (allmählicher Fre-
quenzrückgang bei Tachykardieende). Formen: (uni-)fokale atriale Tachykar-
die, multifokale atriale Tachykardie. Die für eine Digitalisintoxikation typi-
sche atriale Tachykardie mit (4 : 1) Block ist angesichts des seltenen Ge-
brauchs der Substanz heute selten geworden.
• Reentry-Mechanismen mit „paroxysmalem“ Auftreten (plötzlicher Beginn,
abruptes Ende). Formen: AVNRT, AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy.,
Vorhofflattern, atriale Reentry-Tachykardie, Sinusknoten-Reentry.

Tab. 7.3 Übersicht: Supraventrikuläre Tachyarrhythmien (T)


Rhythmus Vorhof­ P-Welle Überleitung PQ-Zeit Besonderheiten
frequenz auf Kammer
Atriale T mit
Block
140–220 Einheitliche 4 : 1 od.
Morphologie 6 : 1, totaler
Variabel Pathognomo-
nisch für Digita-
7
AV-Block lisintoxikation
Fokale 120–200 Einheitliche 1 : 1, selten Variabel, Modulation der
atriale T Morphologie 2 : 1 od. verlän- Frequenz mög-
Wenckebach gert lich
Multifokale 120–200 Mehr als 1 : 1, einzel- Variiert Fortgeschritte-
atriale T 2 unter- ne Aktionen ne Herzerkr.,
schiedliche blockiert insbes. Cor pul-
Morpholo­ monale
gien
Sinusknoten- 120–180 Wie Sinus- Zumeist 1 : 1 Normal, Paroxysmaler
Reentry-T rhythmus verlän- Beginn u. Ende
gert
Atriale 140–200 Einheitliche 1 : 1, selten Variabel, Paroxysmaler
­Reentry-T Morphologie 2 : 1 od. verlän- Beginn u. Ende
Wenckebach gert
406 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.3 Übersicht: Supraventrikuläre Tachyarrhythmien (T) (Forts.)


Rhythmus Vorhof­ P-Welle Überleitung PQ-Zeit Besonderheiten
frequenz auf Kammer
Permanente 130–170 Neg. in II, III, 1 : 1 Kurz „Unaufhörli-
junktionale T aVF, vor dem ches“ Auftreten
QRS-Kom-
plex
Typisches 200–320 Neg., selten 2 : 1/wech- Variabel Vagale Manö-
Vorhofflat­ auch pos. selnd, selten ver können P-
tern (Typ I) Flatterwel- 1:1 Wellen demas-
len in II, III, kieren
aVF
Atypisches 200–350 Einheitliche Unregelmä- Variabel Häufig absolut
Vorhofflat­ Morphologie ßige Über- arrhythmische
tern (Typ II) leitung Überleitung
VHF 350–500 Grobe od. Absolut ar-
feine Flim- rhythmisch
merwellen
AVNRT
• Typische 120–200 Meist am En- I. d. R. Regel – Diskrete Defor-
Form de von QRS, 1 : 1 mierung von
seltener QRS am Ende
während od. der R- od. im
vor QRS Bereich der S-
Zacke (V1)
• Atypische 120–200 Neg. in II, III, I. d. R. 1 : 1 Normal
Form aVF, vor QRS bis ver-
kürzt
• AV-Reen­ 120–260 Im Bereich 1:1 – –
try-T bei der T-Strecke
WPW-Sy.

Indikationen zur EPU


• Mit dem Ziel der Hochfrequenzablation bei symptomatischen supraven­
trikulären Tachyarrhythmien (diagn. EPU ohne Ablationsabsicht bei SVT
7 nicht sinnvoll),
• bei offenem WPW-Sy. u. Hochrisikoberufen ggf. auch beim asymptomati-
schen Pat. (auch hier in Ablationsbereitschaft).

7.7.1 Atriale Tachykardie

Leitbefunde
Morphologisch identische ektope P-Wellen mit 1 : 1-Überleitung (häufig mit
PQ-Verlängerung), wenckebachartiger Überleitung od. 2 : 1-Block, atrialer
Frequenzbereich 120–220/Min.

Gesteigerte atriale Automatie eines ektopen Fokus mit atrialer Frequenz zwischen
120 u. 220/Min.
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  407

Ätiologie
Gesteigerte atriale Automatie eines ektopen Fokus (dann zumeist mit „Warming-
up“ u. „Cooling-down“) od. lokaler Reentry.

EKG
▶ Abb. 7.11.

V1
P P P P P P P P P
V2

V3

Abb. 7.11 Atriale Tachykardie mit Block [L115]

• Frequenz 120–220/Min.
• Rel. langes PQ-Intervall in Relation zur Kammerfrequenz. Je nach Vorhoffre-
quenz AV-Block I° bis II°. Bei niedriger Vorhoffrequenz P-Welle meist in T-
Welle verborgen, bei 2 : 1-Block ist eine P-Welle im QRS, eine weitere im T
verborgen (schwierige DD zu AV-junktionaler Tachykardie).
• Bei Digitalisintoxikation Kammerüberleitung typischerweise höhergradig
blockiert (4 : 1 od. höher).

EKG-DD
• AV-Reentry-Tachykardie: meist keine od. nur diskret erkennbare P-Welle
im Bereich des Kammerendteils od. ST-Strecke. Bei höhergradiger Blockie-
rung ist die EKG-DD einfach, ggf. Demaskierung durch Vagusmanöver od.
Adenosingabe.
• Typisches Vorhofflattern: neg. P-Wellen in II, III u. aVF, pos. in V1, häufig
2 : 1-Überleitung.

Therapie 7
• Bei tachykarder Überleitung Betablocker od. Verapamil (▶ 11.6.11) zur Kon­
trolle der Ventrikelfrequenz.
• Med. Konversionsversuch mit i. v. Gabe spezifischer Antiarrhythmika: Amio-
daron, Sotalol, Propafenon od. Flecainid.
• Bei anhaltender, medikamentenrefraktärer atrialer Tachykardie Elektrokar-
dioversion.
• Bei Rezidiven/med. Ther.-Refraktärität: Mapping/Ablation des atrialen Fokus
bzw. Reentrys.
• Digitalisüberdosierung: EKG-Monitoring: Zusätzlich ventrikuläre Arrhyth-
mien? Digitalis absetzen, Kaliumsubstitution.
408 7 Herzrhythmusstörungen 

7.7.2 Multifokale atriale Tachykardie

Leitbefunde
Wechselnde Morphologie der P-Wellen (> 2 unterschiedliche Konfiguratio-
nen), atriale Frequenz 120–200/Min., wechselnde, z. T. blockierte Kammer­
überleitung.

Synonym: chaotischer atrialer Rhythmus. Gesteigerte Automatie in mind. 3 ekto-


pen Vorhofzentren.

Ätiologie
Nahezu immer fortgeschrittene kardiale Erkr. (typischerweise chron. Lungenerkr.
mit Cor pulmonale, fortgeschrittene Linksherzinsuff.), Übergänge in VHF.

EKG
• Vorhoffrequenz 120–200/Min.,
• wechselnde Kammerüberleitung, häufig absolut arrhythmisch (dann schwie-
rige DD zu VHF),
• Variabilität der P-Morphologie (gut erkennbar in II, III u. V1), der PP-Inter-
valle u. der PQ-Zeit.

EKG-DD
• VHF: keine abgrenzbaren P-Wellen, fehlende Isoelektrische zwischen P-Wel-
len.
• Atypisches Vorhofflattern: kein Wechsel der P-Wellen-Morphologie.
• Typisches Vorhofflattern: morphologisch identische neg. P-Wellen in II, III,
aVF, geordnete Überleitung.
• Atriale Tachykardie: deformierte, aber morphologisch identische P-Wellen,
geordnete Überleitung.

Therapie
• Ther. der Grunderkr. (pulmonale Infektbehandlung, Herzinsuff.-Ther.).
• Bei guter LV-Funktion: Verapamil, Betablocker, Klasse-IC-Antiarrhythmika,
7 • Amiodaron.
Bei schlechter LV-Funktion: Betablocker, Amiodaron.
• Digitalisglykoside kontraindiziert.

7.7.3 Sinusknoten-Reentry-Tachykardie

Leitbefunde
Abrupter Beginn u. abruptes Ende einer „Sinustachykardie“ mit rel. niedriger
Frequenz (120–160/Min.).

Seltene Form einer SVT, beginnt im Gegensatz zur „normalen“ Sinustachykardie


plötzlich u. endet abrupt.

Ätiologie
Primär elektrische Herzerkrankung.
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  409

EKG
• Frequenz 120–140/Min., selten > 150/Min.
• P-Welle mit gleicher od. ähnlicher Morphologie wie während des Sinusrhyth-
mus.
• PQ-Intervall während der Tachykardie verlängert (Zunahme von AH im
HIS-EKG) u. nicht verkürzt wie bei körperl. Belastung.
• Oft Induktion bzw. Terminierung der Tachykardie durch Extrasystole.
• Vagale Manöver beenden die Tachykardie.
EKG-DD
• Sinustachykardie: EKG-Bild identisch. Vagale Manöver reduzieren kurzfris-
tig die Frequenz, beenden jedoch nicht die Sinustachykardie.
• Atriale Tachykardie: abnorme P-Morphologie (Tachykardie ist ektopen Ur-
sprungs).

Therapie
Vagale Manöver (Karotisdruck) oft effektiv. Antiarrhythmische Ther. meist we-
gen der langsamen Tachykardiefrequenz nicht erforderlich. Bei rezid. Auftreten
ggf. Katheterablation (cave: hohes Risiko der SM-Pflichtigkeit).

7.7.4 Atriale Reentry-Tachykardie

Leitbefunde
Abnorme P-Wellen mit isoelektrischer Linie, Frequenz < 200/Min.

Makro-Reentry auf Vorhofniveau. Eher seltene Manifestation einer atrialen Ta-


chykardie ohne präzipitierende kardiale od. extrakardiale Erkrankung.

Ätiologie
Primär elektrische Erkr. des Herzens.

EKG
• Vorhoffrequenz < 200/Min.
• Abnorme P-Wellen je nach Tachykardieusprung u. Erregungsausbreitung. 7
Gelegentlich von Sinustachykardie schwer zu unterscheiden.
• Vagale Manöver beeinflussen AV-Überleitung, jedoch nicht die atriale Ta-
chykardiefrequenz: Demaskierung der P-Wellen, ohne dass sich zusätzliche
DD-Informationen ergeben.

EKG-DD
• Vorhofflattern mit 1 : 1-Überleitung: Flatterwellen können durch Karotissi-
nusdruck demaskiert werden, Vorhoffrequenz höher.
• Typisches Vorhofflattern: typische P-Wellen-Morphologie (neg. P-Welle in
II, III, aVF, pos. in V1), höhere Vorhoffrequenz > 200/Min., meist 2 : 1-Über-
leitung.
• Sinustachykardie: normale P-Wellen, meist niedrigere Frequenz.
• Sinus-Reentry-Tachykardie: normale P-Wellen, niedrigere Frequenz. Vagale
Manöver terminieren Tachykardie.
• AV-Reentry-Tachykardie: P-Wellen nicht erkennbar, Frequenz meist höher.
410 7 Herzrhythmusstörungen 

Therapie
• Akut: Betablocker (5–15 mg fraktioniert i. v.), Verapamil i. v. (5–10 mg), bei
Ther.-Refraktärität Klasse I, Sotalol od. Amiodaron.
• Bei Rezidiven od. med. Ther.-Refraktärität Katheterablation, ggf. unter Ein-
satz eines elektroanatomischen Mapping-Systems.

7.7.5 Vorhofflattern

Leitbefunde
• Typ-I-Vorhofflattern: häufigste Form. I. d. R. anatomisch definierter Ma­kro-
Reentry im RA, seltener um RA-Narben z. B. nach Vorhofkanülierung bei
Bypass-OP. I.d.R. neg. Flatterwellen in II, III u. aVF, pos. in V1 (aber auch
mit pos. P-Wellen in II, III u. aVF möglich). Vorhoffrequenz 200–320/Min.,
zumeist 2 : 1-Überleitung auf die Ventrikel. Kann in VHF degenerieren.
• Typ-II-Vorhofflattern: seltener. Keine typische P-Wellenmorphologie.
Flatterfrequenz 250–350/Min., häufig unregelmäßige Überleitung.

Ätiologie
• Paroxysmal bei Herzgesunden.
• Organische Herzerkr.: Herzklappenfehler, hypertensive, ischämische od. ent-
zündliche Herzerkr., kongenitale Vitien, CMP.
• Extrakardiale Einflüsse: Hyperthyreose, Lungenerkr., Medikamente.
• Unter antiarrhythmischer Ther. von VHF (Flecainid, Propafenon, Sotalol,
Dronedaron, Amiodaron).

EKG
▶ Abb. 7.12.
• Typische, regelmäßig auftretende
Flatterwellen („Sägezahnmuster“). I
– Typ I: „typisches Vorhofflat-
tern“. Neg. Flatterwellen in II,
II
III, aVF, pos. in V1, Frequenz
200–320/Min.
7 – Typ II: „atypisches Vorhofflat- III
tern“. Variable elektrische Ach-
se der Flatterwellen, Frequenz
250–350/Min., häufig keine ge- Abb. 7.12 Vorhofflattern [L115]
ordnete Kammerüberleitung.
• AV-Leitung: unbehandelt meist 2 : 1-AV-Überleitung (funktioneller AV-Block
II°). Bei Kindern, WPW-Sy. u. Hyperthyreose 1 : 1-Überleitung möglich (Über-
gang in Kammerflattern, -flimmern möglich!). Unter Ther. (Digitalis, Verapa-
mil, Metoprolol) meist 3 : 1- od. 4 : 1-Überleitung. Bei höhergradiger AV-Über-
leitungsstörung (3 : 1, 4 : 1) ohne Ther. an zusätzliche AV-Knoten-Erkr. denken.
• Adenosin (6–12 mg) i. v.: bei unklarem Tachykardiemechanismus, demas-
kiert Flatterwellen durch kurzfristigen AV-Block.
• Karotisdruck: Bei diagn. Problemen. Vorhoffrequenz unverändert, Kammer-
frequenz ↓ (AV-Blockierung nimmt zu) → Demaskierung der typischen Flat-
terwellen.
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  411

EKG-DD
• Sinustachykardie: normale P-Wellen, selten Frequenz > 150/Min.
• Atriale Tachykardie: abnorme P-Wellenmorphologie, Vorhoffrequenz
< 200/Min.
• VHF: absolut arrhythmische Überleitung, keine gleichartig konfigurierten P-
Wellen.

Therapie
▶ 7.7.6.
Akuttherapie

Akuttherapie
Meist als Rhythmusnotfall bei akuter kardialer od. extrakardialer Erkran-
kung.
• Digitalis, Verapamil, Betablocker (▶ 7.7.6).
• Sofortige elektrische Kardioversion od. atriale Überstimulation (s. u.) bei
sehr hohen Kammerfrequenzen, hämodynamischer Instabilität mit Hy-
potonie, pulmonaler Kongestion od. A. p.
• WPW-Sy. mit Vorhofflattern: sofortige Elektrokardioversion (akute Ge-
fahr von Kammerflattern od. -flimmern).
• Großzügige Ind.-Stellung zur Elektrokardioversion bei hämodynami-
scher Dekompensation od. Exazerbation einer KHK → Wiederherstel-
lung von Sinusrhythmus u. AV-Synchronisation ökonomisiert die zen­
trale Hämodynamik.
• Z. n. koronarer Bypass-OP (frühe Phase): Vorhofflattern rel. häufig:
– Pat. noch in Narkose: elektrische DC-Kardioversion.
– In allen anderen Fällen: Overdrive-pacing (bei Typ I) durch epikardi-
al angebrachte Vorhof-SM-Elektroden; bei Typ II od. grobem VHF
DC-Kardioversion od. med. Ther. (▶ 7.7.6).
• DD-Probleme bei sehr tachykard übergeleitetem Vorhofflattern.
Atriale Überstimulation (Overdrive)
Typ I lässt sich durch Elektrostimulation gut beeinflussen, Typ II nur selten
(10 %). Ind.: 7
• Akuttherapie (s. o.), falls ohne Zeitverzug durchführbar. Alternative zur elek­
trischen Kardioversion bei Typ-I-Vorhofflattern.
• „Typisches“ Typ-I-Vorhofflattern, das auf med. Ther. nicht od. ungenügend
anspricht bzw. bei dem eine med. Rhythmuskonversion in den Sinusrhyth-
mus nicht möglich ist.
Elektrische Kardioversion
Rasche, effektive Ther. ohne NW. Ind.:
• Notfallther. bei akut aufgetretenem VHF (s. o.),
• Rhythmuskonversion bei ineffektiver med. Ther. od. Overdrive-Stimulation.
Chronische Therapie
• Wiederherstellung des Sinusrhythmus u. med. Rezidivprophylaxe (▶ 7.7.6),
• bei (rezid.) Vorhofflattern Typ I RA-Katheterablation zwischen TK u. VCI
zur Unterbrechung des Makro-Reentry,
412 7 Herzrhythmusstörungen 

• bei Ther.-Refraktärität Frequenzkontrolle (z. T. schwierig bei Wechsel zwischen


tachy- u. bradykarder Überleitung), Versuch der Überführung in VHF (Digitalis),
• Antikoagulation gemäß den Leitlinien für VHF (▶ 7.7.6).
Tipps & Tricks
• Cave! Vorhofflattern kann Teil eines SSS (auch latent) sein: Nach med.
od. elektrischer Kardioversion besteht dann die Gefahr einer lang anhal-
tenden Sinusknotenasystolie od. kritischen Sinusbradykardie → strenge
Ind.-Stellung zur med. Ther., v. a. auch zur Konversionsbehandlung;
EKG-Monitoring während u. nach Konversionsbehandlung.
• Liegt nach einem akut aufgetretenen Vorhofflattern eine normofrequen-
te (3–4 : 1-Blockierung) od. bradykarde Ventrikelfrequenz (> 4 : 1-Blo-
ckierung) vor, besteht der V. a. eine zusätzliche AV-Leitungsstörung
→ keine zusätzlichen neg. dromotropen Medikamente (Digitalis, Vera-
pamil, Sotalol, Amiodaron). Konversionsbehandlung am günstigsten
mit atrialem Overdrive, um ggf. temporären SM in RV zu platzieren.

7.7.6 Vorhofflimmern

Leitbefunde
Absolut unregelmäßige QRS-Abstände, niedrigamplitudige chaotische Flim-
merwellen zwischen den QRS-Komplexen mit Frequenz > 350/Min., Ventri-
kelfrequenz 100–180/Min.

Mikro-Reentry in anatomisch nicht fixierten, sich ständig ändernden Erregungs-


kreisen. Häufigste supraventrikuläre Arrhythmie (0,5 % aller Erw., bei > 60 J.
2–4 %). Hämodynamisch bedeutet VHF einen Vorhofstillstand. HZV sinkt mit
dem Verlust des Vorhofbeitrags zur Ventrikelfüllung v. a. bei bereits einge-
schränkter Ventrikelfunktion. Es besteht eine Blutprästagnation in den Vorhöfen
→ Gefahr von Vorhofthromben.

Formen
7 • Paroxysmal: stets spontan terminierende Episoden, häufig Minuten bis Stun-
den andauernd, max. 24–48 h Dauer.
• Persistierend: nicht spontan terminierende Episode, die sich durch Kardio-
version in einen Sinusrhythmus zurückführen lässt.
• Permanent: chron., nicht mehr in einen stabilen Sinusrhythmus zu überführen.
Ätiologie
▶ 7.7.5.
• Idiopathisches VHF: in 8 % Ausschlussdiagnose. Oft paroxysmal, teils vagal
induziert (v. a. nachts bei Sinusbradykardie) od. adrenerg vermittelt (v. a. un-
ter Belastung bei Sinustachykardie).
• Holiday-Heart-Sy.: Arrhythmien, v. a. VHF, nach Alkoholeinnahme/-exzess
ohne Anhalt für alkoholische CMP.

Klinik
Herzklopfen, -jagen, -rasen, Pulsdefizit (bei Tachyarrhythmie), Schwäche, Übel-
keit, Erbrechen, Stenokardien, Luftnot, Unruhe, art. Embolie als Erstmanifestation.
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  413

EKG
• Flimmerwellen: vollständig unko- V1

ordinierte Vorhofdepolarisationen V2
mit unregelmäßigen Undulationen
niedriger Amplitude um die Nullli-
nie. Ausgesprochen variable Flim-
V3
merwellen mit unterschiedlichen
Amplituden u. Morphologien. Fre-
quenz der Flimmerwellen 350–600/ Abb. 7.13 Vorhofflimmern [L115]
Min. (▶ Abb. 7.13).
• Absolute Arrhythmie: unregelmäßige Überleitung der Vorhoferregung auf
die Kammern.
– HF > 100/Min. → Tachyarrhythmie, HF < 60/Min. → Bradyarrhythmie.
– Bei absolut regelmäßiger u. bradykarder Kammertätigkeit u. VHF V. a.
AV-Block III° mit AV-junktionalem od. Kammerersatzrhythmus. Nicht
verwechseln mit Pseudoregularisierung des VHF unter med. Ther.!
• QRS: schmal, bei vorbestehendem Schenkelblock breit.
• Aberrante Leitung: sehr häufig. Eine od. mehrere Erregungen werden mit ei-
nem funktionellen Schenkelblock übergeleitet, sodass ein ventrikulärer Ur-
sprung imitiert wird. QRS meist mit M-förmiger RSB-Konfiguration:
– QRS triphasisch in V1 mit kleinerer initialer R-Zacke, R’ meist größer.
– S < R in V6.
– QRS-Dauer < 0,14 s.
– QRS-Breite variiert sehr stark je nach Ausmaß der Aberration (DD VES
▶ 7.9, ▶ 7.10.1).
– Ashman-Phänomen: Sonderform der Aberration. Der aberrant geleitete
Schlag hat ein kurzes Kopplungsintervall zum vorangehenden QRS-Kom-
plex, der wiederum nach einem langen RR-Zyklus auftritt (long-short-
cycle-sequence).
• VHF u. WPW-Sy. (▶ 7.8): Besteht eine kurze antegrade Refraktärzeit mit ho-
her Leitungskapazität des akzessorischen Bündels, treten sehr hohe Kammer-
frequenzen auf → Gefahr des hämodynamischen Kollapses od. von Kammer-
flattern, -flimmern.

EKG-DD
• Multifokale atriale Tachykardie: häufig ebenfalls absolut arrhythmische 7
QRS-Abfolge, aber klar abgrenzbare P-Wellen mit mehr als zwei unterschied-
lichen Morphologien.
• Pseudoregularisierung bei VHF: Die nahezu regelmäßigen QRS-Abstände
imitieren bei sehr kleinen Flimmerwellen einen junktionalen (AV-Knoten-)
Rhythmus.
• Elektrische od. mechanische Artefakte.
Therapie
Akuttherapie

Notfalltherapie
Elektrische Kardioversion: bei akut aufgetretenem VHF mit hohen Kam-
merfrequenzen, hämodynamischer Instabilität mit Hypotonie, pulmonaler
414 7 Herzrhythmusstörungen 

Kongestion od. Angina pectoris. Überstimulation nicht indiziert. Nach elek-


trischer Kardioversion Rezidivprophylaxe (s. u.).
Akuttherapie
• Antikoagulation mit Heparin i. v. in therap. Dosis (KI-Check! ▶ 11.7.1).
Initialdosis 5.000 IE i. v., dann Heparin-Perfusor 10.000 IE/50 ml,
5 ml/h, tägliche PTT-Kontrolle, PTT auf 2-Fache des Normalwerts ver-
längert. Alternativ gewichtsadaptierte Gabe von Enoxaparin möglich
(ACE-Studie, Circulation 2004). Nach Rhythmisierung Antikoagulation
für mind. 4-Wo. fortsetzen, bei entsprechender Risikokonstellation dau-
erhaft (Antikoagulation bei VHF).
• Kontrolle der Ventrikelfrequenz:
– Bei guter LV-Funktion: Betablocker (z. B. Metoprolol 5–15 mg i. v.,
oral 50–200 mg/d) od. Kalziumantagonisten (Verapamil 5–10 mg,
i. v., oral 120–480 mg/d od. Diltiazem 10–20 mg i. v., oral 120–
360 mg/d).
– Bei reduzierter LV-Funktion: Digitalisglykoside (schnelle i. v. Aufsät-
tigung), Amiodaron (300 mg i. v., Sättigung auf kumulativ 5–7 g über
5–7 Tage), bei fehlender Dekompensation Betablocker.
– Bei WPW-Sy.: Ajmalin (1 mg/kg KG i. v.), Flecainid (1,5–3,0 mg/
kg KG i. v.), Amiodaron (300–450 mg i. v.) od. auch andere Klasse-I-
od. -III-Antiarrhythmika.
• Akutkardioversion (▶ Abb. 7.14).
Chronische Therapie
Die Ther. von VHF kann nach 2 Strategien erfolgen: Rhythmisierung od. Fre-
quenzkontrolle. Ein prognostischer Vorteil einer der beiden Strategien konnte
nicht belegt werden (AFFIRM). Die Entscheidung für eine der beiden Strategien
sollte daher individuell erfolgen (▶ Tab. 7.4).

Tab. 7.4 Individuelle Therapieentscheidung bei Vorhofflimmern


Kriterium Rhythmisierung Frequenzkontrolle
Symptomatisches VHF + –
VHF-Dauer > 1 J. – +
7
Hohes individuelles Risiko einer Antiar- – +
rhythmikatherapie
Eingeschränkte LV-Funktion + –
Therapierefraktäre tachykarde Überleitung + –
LA-Diameter > 55 mm – +
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  415

Rhythmisierung (▶ Abb. 7.14).

Persistierendes Vorhofflimmern

Dauer < 48 h Dauer > 48 h oder unklar

Transösophageale
Echokardiografie

Ausschluss linksatrialer Nachweis linksatrialer


Thromben Thromben oder unklar

Effektive Antikoagulation
für ≥ 3 Wo. (INR 2,5)

Kardioversionsversuch

Elektrokardioversion

Sinus- Keine Konversion


Frührezidiv
rhythmus bei max. Energie

7
• Amiodaron 300–450 mg i.v.
• Flecainid 1,5–2,0 mg KG i.v.
Ibutilide* • Propafenon 1,5–2,0 mg KG i.v.
1–1,5 mg/kg • Dofitilide* 125–500 mg p.o.
• Ibutilide* 1–2 mg i.v.

Sinus- Elektro- Sinus- Elektro-


rhythmus kardioversion rhythmus kardioversion

* in Deutschland nicht zugelassen, Aufklärung!

Abb. 7.14 Vorgehen bei persistierendem Vorhofflimmern [L157]


416 7 Herzrhythmusstörungen 

Elektrokardioversion
• Transthorakale Energieabgabe möglichst in anterior-posteriorer Richtung be-
ginnend mit 100 J, bei Ineffektivität Steigerung der Energiedosis. Bei biphasi-
scher Kardioversion ggf. niedrigere Energien.
• Bei fehlender Konversion auch unter hoher Energie entweder interne Kardio-
version über Elektrodenkatheter od. Gabe von Ibutilid (Corvert®, 1–2 mg
über jeweils 10 Min. i. v.) → erneuter Kardioversionsversuch (Ibutilid senkt
die zur Kardioversion benötigte Energieschwelle u. erhöht die Wahrschein-
lichkeit für eine erfolgreiche Kardioversion; cave: In Deutschland nicht zuge-
lassen, Sonderaufklärung des Pat.).
• Bei Frührezidiv nach initial erfolgreicher Kardioversion Vorbehandlung mit
Antiarrhythmika (s. u.) → erneuter Kardioversionsversuch.
Medikamentöse Kardioversion
Med. Kardioversionsversuch nur bei kurzer Dauer des VHF indiziert (< 7 Tage).
Bereits bei einer VHF-Dauer > 48 h geringe Erfolgswahrscheinlichkeit. Die derzeit
effektivste Substanz ist Vernakalant. Alternativ können bei herzgesunden Pat.
auch Klasse-IC-Antiarrhythmika eingesetzt werden. Dies macht insbes. bei oraler
Anwendung Sinn, da gleichzeitig getestet wird, ob eine Selbstbehandlung bei Re-
zidiv des VHF effektiv u. sicher ist.
• Vernakalant:
– 3 mg/kg KG über 10 Min. i. v.,
– wenn innerhalb von 15 Min. nicht effektiv, nochmals 2 mg/kg KG über
10 Min. i. v.
• Amiodaron:
– i. v. Aufsättigung (300–450 mg als Bolus über 30–60 Min. i. v., dann 1,2 g/d
i. v. bis auf 5–7 g kumulative Dosis),
– stationäre orale Aufsättigung (1,2 g/d oral bis auf 5–7 g kumulativ),
– ambulante orale Aufsättigung (600 mg/d bis auf 5–7 g kumulativ).
– Erhaltungsdosis 200 mg/d.
• Flecainid:
– 1,5–2,0 mg/kg KG i. v.,
– 200–300 mg/d p. o.
• Propafenon:
– 1,5–2,0 mg/kg KG i. v.,
7 – 450–600 mg/d p. o.
• Chinidin: Konversionsdosis 0,75–1,5 g über 6–12 h oral, Komb. mit Betablo-
ckern, Verapamil od. Digitalis.
Bei strukturell herzgesunden Pat. mit seltenen persistierenden VHF-Episoden kann
ambulante Selbstkonversion der Pat. mit Flecainid (200–300 mg p. o.) od. Propafe-
non (450–600 mg p. o.) erwogen werden (Pill-in-the-Pocket-Ansatz). Voraussetzung:
vorangehende Dokumentation von Effektivität u. Verträglichkeit/NW-Freiheit in
der Klinik. Cave: kein Konzept für Pat. mit relevanter struktureller Herzerkrankung.
Rezidivprophylaxe
Med. Rezidivprophylaxe: Im Vordergrund steht zunächst die Behandlung der
Grunderkr., insbes. optimale Einstellung der häufig vorliegenden art. Hypertonie.
AT1-Antagonisten erzielen bei Hypertonikern eine Reduktion der VHF-Inzidenz,
die sich sowohl für die Primär- als auch für die Sekundärprävention von VHF
nachweisen ließ u. unabhängig vom RR-senkenden Effekt der Substanz zu sein
scheint. Ähnliches scheint auf ACE-Hemmer zuzutreffen. Betablocker sind in der
Sekundärprävention zwar weniger effektiv als spezifische Antiarrhythmika, das
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  417

im Vergleich günstige NW-Spektrum u. die frequenzsenkende Wirkung bei er-


neuten Rezidiven rechtfertigen insbes. bei Pat. mit struktureller Herzerkr. Einsatz
dieser Substanzgruppe in der vorderen Linie der Rezidivprophylaxe (▶ Abb. 7.15).
Bei fortbestehenden Rezidiven Entscheidung zwischen Frequenzkontrolle od.
spezifischer antiarrhythmischer Ther. in Abhängigkeit von Symptomatik u. indi-
viduellem Proarrhythmierisiko (▶ Abb. 7.16). Bei Versagen od. gravierenden NW
der Antiarrhythmika-Ther. kann bei symptomatischen Pat. eine kurative LA-Ab-
lation erwogen werden (▶ Abb. 7.16, ▶ 7.7.7).
Interventionelle u. operative Rezidivprophylaxe: Diese Behandlungsformen
werden zunehmend Bestandteil der klinischen Routine; allerdings besteht ein ge-
ringes Risiko von z. T. lebensbedrohlichen KO. Die Verfahren sollten daher der-
zeit insbes. bei symptomatischen, med. therapierefraktären Pat. erwogen werden:
• PV-Isolation u. (li-)atriale Substratmodifikation: VHF häufig durch fokale at-
riale Tachykardien, die zumeist dem prox. Bereich der PV entstammen, indu-
ziert. Die kathetergestützte segmentale (Isolierung aller 4 PV-Ostien) od. zir-
kumferenzielle Ablation (Isolierung jeweils der li u. re PV durch li-atriale Ablati-
onslinien) kann bei herzgesunden („low atrial fibrillation“) od. min. herzkranken
Pat. (insbes. hypertensive Herzerkr.) mit 60–80-prozentiger Wahrscheinlichkeit
Rezidive von VHF unterdrücken. Die PV-Isolation ist bei paroxysmalem VHF
ein erfolgreiches Ther.-Verfahren, das auch epikardial/herzchirurgisch durchge-
führt werden kann. Bei persistierendem VHF insbes. bei struktureller Herzerkr.
muss die PV-Isolation häufig um lineare LA- u. RA-Verfahren bzw. die Ablation
von Zentren mit fraktionierter Potenzialamplitude erweitert werden; hier besteht
eine deutlich niedrigere Erfolgswahrscheinlichkeit. Ind. ▶ Abb. 7.16.
• Maze-OP: Isolation der PV u. Kompartimentierung von LA u. RA ursprüng-
lich durch chirurgische Schnitte u. nachfolgende Naht, heute zumeist durch

Neu diagnostiziertes Vorhofflimmern

Diagnostik bzgl. Grunderkrankung


bei persistierender Episode Kardioversion
Sekundärprävention
(Sartan/ACE-Hemmer, Betablocker)
7

Rezidiv
Frequenzkontrolle
• Gute LV-Funktion:
Betablocker, A-/oligo-
Ca-Antagonist symptom.
• Reduzierte Symptomatik?
LV-Funktion:
Betablocker, Digitalis, Symptomatisch
Amiodaron,
AVN-Ablation Antiarrythmische Therapie

Abb. 7.15 Vorgehen bei neu diagnostiziertem Vorhofflimmern [L157]


418 7 Herzrhythmusstörungen 

Antiarrhythmische Therapie

Keine strukturelle Arterielle Koronare Herzinsuffizienz


Herzerkrankung Hypertonie Herzerkrankung (reduzierte LV-Funktion)

Keine/gering- Ausgeprägte
fügige LV-Hyper-
LV-Hyper- trophie
trophie

Flecainid
Propafenon Sotalol Amiodaron
Amiodaron
Sotalol Dofetilide Dofetilide

Katheter- Katheter- Katheter-


Amiodaron Amiodaron
ablation ablation ablation

Abb. 7.16 Therapie bei rezidivierendem Vorhofflimmern [L157]

Radiofrequenz- od. Kryoablation als Mini-Maze (LA). Erfolgsraten bis zu


80 %, aber aufwendiger chirurgischer Eingriff mit bedeutsamer Morbidität u.
Mortalität. Ist im Wesentlichen Pat. vorbehalten, bei denen eine koronare By-
pass- od. Klappen-OP durchgeführt wird.
• SM-Ther.: Sicherer Effekt einer VHF-präventiven SM-Stimulation bislang
nicht nachgewiesen. Daher Nutzung dieser Stimulationsalgorithmen momen-
tan nur bei Pat. mit symptomatischer Sinusknotenerkr. od. geplanter AV-
7 Knoten-Ablation bei therapierefraktärer Tachyarrhythmie. Bei Pat. mit Si-
nusknotenerkr. Vermeidung einer effektiven Ventrikelstimulation, da hier-
durch VHF-Rate erhöht werden kann.
Kontrolle der ventrikulären Überleitung
Bei permanentem VHF ist eine suffiziente Kontrolle der Ventrikelfrequenz von
entscheidender Bedeutung. Die Kunst ist, die Medikation so zu wählen, dass ei-
nerseits schnelle Überleitung unter Belastung, aber auch Bradykardie in Ruhe ver-
mieden werden. Hierzu werden folgende Ther.-Konzepte empfohlen:
• Betablocker (Metoprolol, Bisoprolol, Carvedilol).
• Kalziumantagonisten (Verapamil, Diltiazem).
• Betablocker + Digitalis.
• Kalziumantagonist + Digitalis.
• Betablocker + Kalziumantagonist (+ Digitalis): nur bei permanentem VHF
mit anderweitig nicht kontrollierbarer Ventrikelfrequenz (Einleitung unter
Monitoring, bei gleichzeitiger symptomatischer Bradyarrhythmie ggf. SM).
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  419

• AV-Knoten-Ablation u. SM-Implantation: Bei med. nicht kontrollierbarer


Ventrikelfrequenz, insbes. bei schwer herzinsuffizienten Patienten. Bei Pat.
mit schwerer Herzinsuff. sollte a priori eine biventrikuläre SM-Implantation
erwogen werden.
Antikoagulation
• Vor Elektrokardioversion:
– VHF-Dauer bis 48 h: keine Antikoagulation erforderlich.
– Länger dauerndes VHF od. unsichere Dauer: Antikoagulation für 3 Wo.
mit Marcumar®, Ziel-INR zwischen 2,0 u. 3,0, nach erfolgreicher Kardio-
version Antikoagulation für mind. weitere 4 Wo.
– Alternativ: TEE mit sicherem Ausschluss von LA-Thromben, Kardioversi-
on des Pat. unter i. v. Heparin (Ziel PTT 50–60 s), danach Marcumarisie-
rung für mind. 4 Wo.
– Anstelle einer > 3-wöchigen oralen Antikoagulation mit Marcumar® kann
eine Kardioversion nach aktueller Datenlage auch TEE-gesteuert unter
gewichtsadaptierter Ther. mit Enoxaparin durchgeführt werden (cave:
Kumulation bei Niereninsuff.).
• Antikoagulation bei paroxysmalem od. persistierendem VHF:
– Bei valvulärem VHF (MS, künstliche AoK od. MK) ist eine orale Antiko-
agulation immer erforderlich (Marcumar® einzig zugelassene Substanz,
INR 2,0–3,0 bzw. abhängig vom Typ der Kunstklappe auch höher).
– Bei nichtvalvulärem VHF Risikostratifizierung u. Antikoagulationsent-
scheidung nach CHADS2- (▶ Tab. 7.5) od. moderner nach CHA2DS2-­
Vasc-Score (▶ Tab. 7.6).
– Komb. von niedrig dosiertem Marcumar® u. ASS nicht indiziert.
• Substanzwahl zur Antikoagulation
– Marcumar®: Ziel-INR (2,0–3,0), bei Kunstklappenträgern ggf. höher.
– Dabigatran: neuer Thrombinantagonist, seit 2011 zur Antikoagulation bei
nichtvalvulärem VHF zugelassen. Dosis 2 × 150 mg bzw. 2 × 110 mg (bei
hohem Blutungsrisiko, Alter > 80 J. od. mittelschwerer Niereninsuff.).
– Rivaroxaban: neuer Faktor-Xa-Antagonist, seit 2011 zur Antikoagulation
bei nichtvalvulärem VHF zugelassen. Dosis 1 × 20 mg bzw. 1 × 15 mg (bei
schwerer Niereninsuff.).
– Apixaban: neuer Faktor-Xa-Antagonist, Dosis 2 × 5 mg.
– ASS: Nutzen zur Antikaogulation umstritten, indiziert nur noch bei Niedrig- 7
risikokonstellation od. bei KI zur oralen Antikoagulation. Dosis: 75–325 mg.

Tab. 7.5 CHADS2-Score


Risikofaktor Risikopunkte
Art. Hypertonie 1
Herzinsuff. 1
Alter > 75 J. 1
Diab. mell. 1
Apoplex/TIA 2
Summe Risikopunkte:
• 0 Punkte: keine Antikoagulation od. ASS 75–325 mg
• 1 Punkt: orale Antikoagulation od. ASS 75–325 mg
• ≥ 2 Punkte: orale Antikoagulation
420 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.6 CHA2DS2-Vasc-Score


Risikofaktor Risikopunkte
Art. Hypertonie 1
Herzinsuff. 1
Alter > 75 J. 2
Diab. mell. 1
Apoplex/TIA 2
Alter 65–75 J. 1
KHK 1
Weibl. Geschlecht 1
Summe Risikopunkte:
• 0 Punkte: keine Antikoagulation od. ASS 75–325 mg
• 1 Punkt: orale Antikoagulation od. ASS 75–325 mg
• ≥ 2 Punkte: orale Antikoagulation

7.7.7 Supraventrikuläre Extrasystolien (SVES)

Leitbefunde
Vorzeitige, abnorm konfigurierte P-Wellen, PQ-Verlängerung. Aberrante in­
traventrikuläre Leitung möglich (Schenkelblockmuster des QRS).

Ätiologie
• Sehr häufig auftretende supraventrikuläre heterotope Reizbildungsstörung.
• Häufig bei körperl./emotionaler Belastung od. Genussmittelabusus.
• Häufige u. komplexe SVES (Paare, Salven in großer Häufigkeit) können Vor-
läufer von VHF sein.

EKG
• Vorzeitig einfallende, abnorm konfigurierte P-Wellen mit Verlängerung der
7 • PQ-Zeit (je vorzeitiger die SVES, desto länger die PQ-Zeit).
Postextrasystolische Pause, meist nicht kompensatorisch.
• Großes Spektrum der SVES: singulär, Paare, bigeminiform, SVES-Salven od.
extrasystolischer Rhythmus als chaotischer Vorhofrhythmus.
• Pseudo-Sinusbradykardie: Sehr vorzeitig einfallende SVES (P der SVES ist im
T verborgen) werden „blockiert“, d. h. nicht auf die Ventrikel übergeleitet.
Treten die blockierten SVES bigeminiform auf, entsteht das Bild einer Pseu-
do-Sinusbradykardie. DD-Abgrenzung ist nur möglich, wenn die vorzeitigen
P-Wellen im EKG sichtbar sind.
• QRS-Morphologie normal (häufiger, ▶ Abb. 7.17) od. aberrante Leitung
(funktioneller Schenkelblock) mit RSB-Muster (Ashman-Phänomen,
▶ Abb. 7.18), DD zur VES ▶ 7.9.
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  421

I
SVES SVES SVES

II

III

Abb. 7.17 Supraventrikuläre Extrasystolie [L115]

SVES SVES
V1

V2

V3

Abb. 7.18 Supraventrikuläre Extrasystolie mit funktionellem Schenkelblock


(aberrante Leitung, Ashman-Phänomen) [L115]

Therapie
• Bei Herzgesunden keine. Provozierende Faktoren, z. B. Genussmittelabusus,
ausschalten.
• Ther. der kardialen od. extrakardialen (z. B. Hyperthyreose) Grundkrankheit.
• Bei symptomatischen SVES Ther.-Versuch mit Betablocker. Bei Ineffektivität
in Abhängigkeit von kardialer Grunderkr. Klasse-IC-Antiarrhythmika/Sota-
lol od. Amiodaron. 7
• Bei häufigen, symptomatischen SVES ggf. Katheterablation mit Mappingsystem.

7.7.8 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie

Leitbefunde
Regelmäßige Tachykardie mit schmalen QRS, Frequenzbereich 120–250/Min.,
Beginn u. Ende abrupt, P-Wellen im QRS od. am Ende des QRS. Regel: Tachykar-
die mit schmalen QRS ohne sicher erkennbare P-Wellen → gewöhnliche AVNRT.

Synonym: AV-junktionale Tachykardie. Häufigste Form der paroxysmalen supra-


ventrikulären Reentry-Tachykardie.

Elektrophysiologische Voraussetzungen
Bei AVNRT besteht eine schnelle (β-Bahn – effektive Refraktärperiode länger) u.
eine langsame AV-Leitungscharakteristik (α-Bahn – effektive Refraktärperiode
422 7 Herzrhythmusstörungen 

kürzer). Vorhof u. His-Purkinje-System sind nicht Teil des Reentry-Kreises. Bei


einem kritisch vorzeitigen Impuls (z. B. SVES) wird SVES in der schnell leitenden
Bahn blockiert u. verläuft über die langsam leitende Bahn durch den AV-Knoten.
Nach der Erholung der schnell leitenden Bahn läuft der Impuls über diese zurück.
Der Kreis ist geschlossen, die Tachykardie initiiert. Formen:
• „Gewöhnliche“ AVNRT (Slow-fast-Tachykardie): 95 % aller AVNRT. Langsa-
me antegrade, schnelle retrograde Leitung. Oft von SVES initiiert. HIS-EKG:
A–H lang, H–A kurz.
• „Ungewöhnliche“ SVNRT (Fast-slow-Tachykardie): schnelle antegrade, lang-
same retrograde Leitung. Seltener, meist von VES initiiert. HIS-EKG: A–H
kurz, H–A lang.

Ätiologie
Primär elektrische Herzerkrankung. Auslöser: Extrasystolen, die i. d. R. unabhän-
gig von Belastungs- u. Ruhesituationen auftreten.

EKG
• Regelmäßige Tachykardie mit schmalen QRS u. einer Frequenz zwischen 120
u. 250/Min., meist 160–200/Min.
• Abrupter Beginn. Häufig von SVES mit verlängerter PQ-Zeit initiiert.
• „Gewöhnliche“, „Slow-fast“-Form:
häufiger. P-Wellen meist nicht sicht-
bar, da sie im QRS-Komplex od. an V4
dessen Ende liegen. Evtl. nur diskrete
Deformierung des terminalen Anteils V5
des QRS (Pseudo-rSr‘-Muster) durch P P P
P-Welle → Indiz gegen Tachykardie
bei Präexzitation (▶ Abb. 7.19). V6
• „Ungewöhnliche“, „Fast-slow“-
Form: kurze PQ-Zeit u. neg. P-Wel- Abb. 7.19 AV-Knoten-Reentry-Tachy-
le vor QRS. DD zur ektopen Vor- kardie vom „gewöhnlichen Typ“. Cha-
hoftachykardie sehr schwierig → in- rakteristisch ist eine P-Welle am Ende
vasive Untersuchung (▶ Abb. 7.20). des QRS-Komplexes [L115]

7
I

II
P P P P

III

Abb. 7.20 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie vom „ungewöhnlichen Typ“. Typisch


sind die neg. P-Wellen in den inferioren Ableitungen (langsame retrograde Lei-
tung). Das RR-Intervall ist länger als das PR-Intervall [L115]
 7.7 Supraventrikuläre Tachyarrhythmien  423

EKG-DD
• Orthodrome AV-Reentry-Tachykardie bei WPW-Sy.: Reentry durch retro-
grad leitende, verborgene akzessorische Bahn („concealed WPW“). P-Welle
folgt dem QRS!
• Nichtparoxysmale AV-Knoten-Tachykardie: allmählicher Beginn mit lang-
samer Zunahme der Tachykardiefrequenz, zeitweise AV-Dissoziation durch
Interferenz zwischen Sinus- u. AV-Knoten-Tätigkeit.

Therapie
Akuttherapie

Akuttherapie
• Elektrische Kardioversion mit niedriger Energie (25–50 J) im Notfall
bei kritischer hämodynamischer Instabilität.
• Vagale Manöver: Valsalva-Pressversuch, Karotissinusdruck
(▶ Abb. 7.21), Müller-Manöver (Inspiration bei geschlossener Glottis)
zur Anfallsunterbrechung.
• Wenn vagale Manöver ineffektiv: Adenosin-Bolusther. (Adrekar®
▶ 11.6.14) als med. Ther.-Form der 1. Wahl. Alternativ: Betablocker (Es-
molol 30–100 mg, Metoprolol 5–15 mg) i. v., Verapamil (5–10 mg) i. v.,
Ajmalin (50 mg langsam) i. v., Flecainid (1,5 mg/kg KG) i. v.
• Schnelle Vorhof-(Ventrikel-)Stimulation, falls med. Ther. ineffektiv.
Terminiert sicher die AV-Tachykardie.

II
7
III

Abb. 7.21 Terminierung einer AV-Knoten-Reentry-Tachykardie durch Karotis­


sinusdruck [L115]

Rezidivprophylaxe, Langzeittherapie
• Ind.: häufige Tachykardien mit ausgeprägter Symptomatik (hämodynamisch
schlecht toleriert) od. Bedrohung durch gleichzeitig vorliegende Herzerkr.
(z. B. KHK).
• Katheterablation (▶ 12.7): Ther. 1. Wahl. Die Hochfrequenzmodulation des
AV-junktionalen Bereichs ist durch Ablation der „langsam leitenden Bahn“ ei-
ne kurative Maßnahme. Erfolgsquote > 95 %. Risiko eines AV-Block III° 1 %.
• Chron. med. Ther.: Nur wenn Ind. zur Rezidivprophylaxe besteht u. Pat. Ab-
lation ablehnt. Ther.-Versuch mit Metoprolol 50–200 mg/d od. Isoptin 240–
424 7 Herzrhythmusstörungen 

480 mg/d. Bei Ther.-Versagen ggf. Behandlungsversuch mit Sotalol (240–


320 mg/d) od. Flecainid (100–200 mg/d, ggf. in Komb. mit Betablocker).
Nachteil: lebenslange med. Ther., Proarrhythmie, hohe Versagerquote.

7.8 Präexzitationssyndrom
Leitbefunde
Kurzes PQ-Intervall < 120 ms, QRS-Verbreiterung durch δ-Welle, paroxysma-
le SVT mit schmalen od. breiten QRS, Frequenzbereich 150–250/Min.

Vorzeitige Erregung von Teilen des Ventrikelmyokards durch zusätzlichen (ak-


zessorischen) Leitungsweg. AV-Leitungsweg u. akzessorische Bahn sind Grundla-
gen eines Makro-Reentry-Kreises u. damit von Reentry-Tachykardien.
• Präexzitation: typische EKG-Veränderungen.
• Präexzitationssy.: EKG-Veränderungen, die mit Reentry-Tachykardien ein-
hergehen.

Ätiologie
Angeborene Anomalie. Evtl. zusätzlicher organischer Herzfehler (z. B. Ebstein-An-
omalie, ASD, VSD, MKP). „Aktivierung“ des angeborenen akzessorischen Bündels
durch Extrasystolen (zunehmend mit fortschreitendem Lebensalter, evtl. auch als
Ausdruck einer organischen Herzerkr.). Häufigkeit 0,1–3 ‰; Männer > Frauen.

Anatomische u. elektrophysiologische Voraussetzungen


Ventrikel werden über die akzessorische Bahn u. das AV-Knoten-His-Purkinje-
System erregt. Der Impuls wird von den Leitungswegen in unterschiedlichem
Ausmaß auf die Kammern übertragen: Je ausgeprägter die Erregung der Ventrikel
über das akzessorische Bündel erfolgt, desto breiter ist QRS. Bestandteile des Ma-
kro-Reentry-Kreises (▶ Abb. 7.10): Vorhof – AV-Knoten – Ventrikel – akzessori-
sches Bündel – Vorhof. Grad der Präexzitation abhängig von:
• Der anatomischen Lokalisation des akzessorischen Bündels. Ausgeprägter
bei re-seitigem akzessorischem Bündel, geringer bei Bahn zur li freien Wand.
• Leitungseigenschaften des akzessorischen Bündels: Je kürzer die Refraktär-
7 periode, desto schneller kann über das akzessorische Bündel geleitet werden.
• Dem autonomen Tonus: Hoher Vagotonus im Schlaf → verminderte AV-
Knoten-Leitfähigkeit → vermehrte Leitung über akzessorische Bahn; sympa-
thoadrenerger Antrieb bei Belastung → verbesserte AV-Leitfähigkeit → gerin-
gere Leitung über akzessorische Bahn.

Formen
• AV-Verbindungen (Kent): klassisches Präexzitationssy. (WPW-Sy.). Direkte
Verbindung zwischen Vorhof u. Ventrikel aus Arbeitsmyokard. Lokalisatio-
nen: li freie Wand 47 %, re freie Wand 17 %, anteriores Kammerseptum 9 %,
posteriores Kammerseptum 27 %. Multiple akzessorische Verbindungen
möglich.
• Akzessorische Bahnen vom Mahaim-Typ: Am Trikuspidalring lokalisierte
akzessorische Verbindungen zwischen RA u. RV mit dem AV-Knoten ent-
sprechenden Leitungseigenschaften. Seltener auch als histioventrikuläre
Bahnsysteme.
 7.8 Präexzitationssyndrom  425

• Atriofaszikuläre, Atrio-His-, intranodale Bündel (James): akzessorische


Bündel, die den erregungsleitungsverzögernden AV-Knoten umgehen (s. u.).
• Verborgene akzessorische Leitungsbahnen (concealed accessory pathway):
bei ausschließlich retrograd leitender ventrikuloatrialer akzessorischer Bahn
unauffälliges Oberflächen-EKG in Ruhe.

EKG
Klassische Muster bei WPW-Sy., EKG-Manifestationen bei weiteren Formen der
Präexzitation → s. u. (▶ Tab. 7.7).
• PQ-Intervall < 120 ms.
• QRS-Komplex > 120 ms mit langsam ansteigendem QRS-Beginn durch
δ-Welle (aberranter QRS).
• Sek. ST-T-Veränderungen, dem Hauptvektor der δ-Welle entgegengerichtet.
• Präexzitation permanent od. intermittierend.
• Lokalisation des akzessorischen Bündels (▶ Abb. 7.24):
– Typ A (sternal-pos.): Pos. Haupt-QRS-Ausschlagrichtung in V1 u. V2 →
li-seitiges akzessorisches AV-Bündel. (▶ Abb. 7.22).
– Typ B (sternal-neg.): Neg. Haupt-QRS-Ausschlagrichtung in V1 u. V2 →
re-seitiges akzessorisches AV-Bündel (▶ Abb. 7.23). Besser δ-Wellen-
Morphologie in allen 12 EKG-Abl. analysieren (▶ Abb. 7.24). Analyse der
Vektorrichtung nur geeignet bei fehlender struktureller Herzerkr. u. ei-
nem akzessorischen Bündel.
• Bei Tachykardie: Reentry-Tachykardien (80 %), VHF (10 %), Vorhofflattern
(4 %); Frequenz der Tachykardie 150–250/Min.
! Dokumentation der Tachykardie mit 12 Abl.

δ
I V1

II V2

δ
III V3 7

aVR δ
V4

aVL V5

aVF V6

Abb. 7.22 WPW-Syndrom, Typ A [L115]


426 7 Herzrhythmusstörungen 

δ V1
I
δ

II V2

III V3

aVR V4

δ
V5
aVL

aVF V6

Abb. 7.23 WPW-Syndrom, Typ B [L115]

Praktisches Vorgehen zur Lokalisation des akzessorischen Bündels

negative δ -Welle V1 positive δ -Welle


und QRS und QRS

RECHTER VENTRIKEL LINKER VENTRIKEL

Neg. δ -W, inferiore Neg. δ -W isoelektrisch


neg. QRS in Achse u. QRS in oder neg. δ -W.
7 II, III, aVF linksweisende
Achse
II, III, aVF in aVL, V5, V6

posteroseptal anteroseptal posteroseptal lateral

RV freie Wand

Nur geeignet bei fehlender struktureller Herzerkrankung und bei einem akzessorischen
Bündel (nicht anwendbar bei multiplen Bypass-Trakts).

Abb. 7.24 Vorgehen zur Lokalisation des akzessorischen Bündels bei Präexzita­
tion [L115]
 7.8 Präexzitationssyndrom  427

Tab. 7.7 Übersicht Präexzitationssyndrome


Sinusrhythmus Tachykardie

PQ-Zeit δ-Welle P QRS (s) Frequenz


(/Min.)
Ortho-, nor- ↓ + Nach QRS < 0,11 160–220
modrome neg. in II, III, keine δ-Welle
Reentry-T aVF
Antidrome ↓ + Nicht erkenn- > 0,11 160–220
Reentry-T bar
VHF bei – + Flimmer­ > 0,11, bizarr abnorme Bis 300
WPW-Sy. wellen QRS-Achse, wechseln-
de QRS-Breite u. De-
formierung, intermit-
tierend auch normal
konfigurierte QRS-
Komplexe möglich
Concealed n – Nach QRS < 0,11 160–220
WPW-T
Mahaim-­ n + Vor QRS LSB-Muster > 150
Faser
LGL ↓ – Nicht erkenn- < 0,11 Evtl.
bar > 200
Permanen- n – Neg. in II, III, < 0,11 130–170
te, junktio- aVF; nach
nale T QRS weiter
Abstand

EKG-DD
• KHK: Neg. δ-Wellen in III, aVF imitieren einen inf. MI. ST-Strecken-Sen-
kungen od. T-Inversionen nicht als Myokardischämie interpretieren.
• Ventrikelhypertrophie.
• Erregungsleitungsstörungen.

7.8.1 Reentry-Tachykardie bei Präexzitationssyndrom 7


Ortho- od. normodrome Reentry-Tachykardie
80 % aller WPW-Tachykardien! Erregung läuft antegrad über AV-Knoten u. His-
Purkinje-System zu den Kammern u. retrograd über das akzessorische Bündel
zurück zum Vorhof.
EKG
• P-Welle nach QRS (DD zu AVNRT).
• P-Wellen meist neg. in II, III, aVF (retrograde Aktivierung), bei li-seitig loka-
lisiertem Bündel auch in Abl. I.
• Schmales QRS ohne δ-Welle (< 0,11 s).
• QRS-Verbreiterung nur bei vorbestehendem od. tachykardiebedingtem,
funktionellem Schenkelblock.
• SVES u. VES sind Auslöser der Tachykardie (▶ Abb. 7.25).
428 7 Herzrhythmusstörungen 

Sinusrhythmus orthodrome Tachykardie


SVES
δ δ δ δ

Abb. 7.25 Entstehung einer orthodromen WPW-Tachykardie durch eine SVES


[L115]

EKG-DD
AVNRT: keine P-Wellen erkennbar.

Antidrome Reentry-Tachykardie
Erregung läuft antegrad über das Kent-Bündel zum Ventrikel u. retrograd über
das His-Purkinje-System u. AV-Knoten zurück zum Vorhof.
EKG
• Verbreitertes QRS: Präexzitation der Ventrikel durch akzessorisches Bündel.
• P-Wellen meist nicht mehr erkennbar.
• SVES u. VES sind Auslöser der Tachykardie.
EKG-DD
• VT: P-Wellen ohne feste Beziehung zu QRS (AV-Dissoziation), kombinierte
Aktionen aus übergeleiteten Sinusaktionen u. ventrikulärer Erregung (Fusi-
onssystole).
• SVT mit vorbestehendem od. frequenzabhängigem Schenkelblock: typisches
Schenkelblockbild, keine bizarre QRS-Verbreiterung u. kein abnormer Lagetyp.

Tachykardie bei Mahaim-Faser


Ausschließlich antegrade AV- bzw. atriofaszikuläre Leitung zwischen RA u. RV bzw.
re Tawara-Schenkel, selten auch faszikuloventrikuläre Leitung. Bei normaler Erre-
gungsausbreitung ist die Leitung über AV-Knoten schneller, somit unauffälliges
Oberflächen-EKG. Bei Tachykardie: P-Welle vor QRS, LSB, Frequenz > 150/Min.
7
Tachykardie bei verborgener akzessorischer Leitungsbahn
Ausschließlich retrograd leitende ventrikuloatriale akzessorische Bahn: P-Welle
nach QRS, schmaler QRS, Frequenz 160–200/Min. Oft Verwechslung mit AVNRT
(▶ 7.7.8).

Permanente junktionale Reentry-Tachykardie


▶ 7.8.6.
7.8.2 Vorhofflimmern beim Präexzitationssyndrom

Leitbefunde
Unregelmäßige Tachykardie mit bizarr verändertem, in Breite u. Deformierung
wechselndem QRS-Komplex, abnorme QRS-Achse, Kammerfrequenzen bis
300/Min. Intermittierend auch normal konfigurierte QRS-Komplexe möglich.
 7.8 Präexzitationssyndrom  429

VHF ist bei WPW-Sy. häufig. Es tritt evtl. zusätzlich zu Reentry-Tachykardien auf
od. entsteht aus einer laufenden Reentry-Tachykardie heraus.

Mechanismus
Bei akzessorischer AV-Bahn kann VHF exzessiv schnell auf die Ventrikel überge-
leitet werden (AV-Knoten schützt normalerweise vor schneller Überleitung).
Kammerfrequenz abhängig von der effektiven antegraden Refraktärzeit des akzes-
sorischen Bündels: Je kürzer die Refraktärzeit (lässt sich bei der EPU messen!),
desto höher die Kammerfrequenz, im Extremfall tritt Kammerflattern bzw. -flim-
mern auf. Vorhofflattern kann 1 : 1 übergeleitet werden.

EKG
Unregelmäßige Tachykardie (▶ Abb. 7.26) mit wechselnder QRS-Breite u. -Defor-
mierung, z. T. bizarr verformte QRS-Morphologie. Bei niedrigen Frequenzen
auch intermittierend normal konfigurierte QRS-Komplexe möglich.

II

III

Abb. 7.26 Tachykardie bei WPW-Syndrom u. Vorhofflimmern [L115]

EKG-DD
• Polymorphe Kammertachykardie: wechselnde QRS-Morphologie u. -Achse.
• Vorhofflimmern/-flattern mit vorbestehendem od. frequenzabhängigem,
funktionellem Schenkelblock: meist typisches Schenkelblockbild, keine bi-
zarre QRS-Verbreiterung, kein abnormer Lagetypus.
7
7.8.3 Verborgenes WPW-Syndrom

Leitbefunde
Regelmäßige Tachykardie mit schmalem QRS, Frequenz 160–220/Min., P-
Wellen nach den QRS.

Das akzessorische Bündel besitzt nur eine retrograde Leitfähigkeit, antegrad be-
steht eine Blockierung → Präexzitation im Oberflächen-EKG nie zu sehen („ver-
borgen“, concealed accessory AV connection). Meist unerkannte, nicht seltene
Form (15–30 %) der paroxysmalen SVT.
430 7 Herzrhythmusstörungen 

EKG
• Regelmäßige Tachykardie mit schmalem QRS.
• Frequenz der Tachykardie meist zwischen 160 u. 220/Min. Die höhere Fre-
quenz spricht gegen eine AVNRT.
• Häufig retrograd geleitete P-Wellen im ST-Segment od. in der T-Welle, oft
schwierig zu erkennen. Sind sie vorhanden, ist AVNRT eher unwahrschein-
lich.
• Bei VHF meist niedrigere Kammerfrequenz als bei antegrad leitendem akzes-
sorischen Bündel (Kammerfrequenz wird durch AV-Knoten-Leitungsfähig-
keit bestimmt).

7.8.4 Präexzitation bei Mahaim-Faser

Leitbefunde
Normale PQ-Zeit, δ-Welle. Tachykardie mit LSB-artig konfiguriertem QRS-
Komplex.

Am Trikuspidalring lokalisierte, akzessorische Verbindungen zwischen RA u.


RV (zumeist EV-Apex) od. distalem re Faszikel, die eine dem AV-Knoten ent-
sprechende antegrade Leitungscharakteristik (Verlängerung der Leitungszeit
unter Frequenzzunahme) aufweisen u. nicht retrograd leiten. 3 % aller Präexzi-
tationssyndrome. Selten auch Ausdruck einer faszikuloventrikulären Kurz-
schlussverbindung. Häufig koinzident mit AV-Knoten-Reentry od. bei Ebstein-
Anomalie. Die ursprüngliche Annahme, dass es sich hierbei ausschließlich um
nodo- od. faszikuloventrikuläre Bahnen handelt, wurde durch elektrophysiolo-
gisches Mapping u. rhythmuschirurgische Eingriffe bei der Mehrzahl der Pat.
nicht bestätigt.

EKG
• Normale PQ-Zeit.
• QRS-Komplex in Ruhe häufig normal konfiguriert od. nur min. δ-Welle.
• Bei Reentry-Tachykardie LSB-Muster: antegrade Leitung via Mahaim, retro-
grade via His!
7 • EPU: dekrementale AV-Leitung der akzessorischen Bahn, bei Tachykardie
kein His-Potenzial vor dem QRS-Komplex. Im Einzelfall schwierig von einer
VT abzugrenzen.

Therapie
• Akutther.: Klasse-I- od. -III-Antiarrhythmika, z. B. Ajmalin, 50 mg langsam
i. v. Bei Ther.-Refraktärität Elektrokardioversion.
• Bei rezid. symptomatischen Tachykardien Katheterablation des Mahaim-
Bündels.

7.8.5 Lown-Ganong-Levine-Syndrom (LGL-Syndrom)
Der Begriff Lown-Ganong-Levine-Sy. (LGL-Sy.) wurde in der Vergangenheit für
Pat. mit kurzer PQ-Zeit (< 120 ms), fehlender Präexzitation u. SVT verwendet.
Obwohl pathol.-anatomisch atriohisäre Bündel nachgewiesen wurden, ist ihr Zu-
sammenhang mit SVT nicht belegt. Derzeit ist die mehrheitliche Meinung, dass
 7.8 Präexzitationssyndrom  431

eine kurze PQ-Zeit als Variante der physiologischen AV-Knoten-Überleitung zu


interpretieren ist. Die Pat. neigen zu einer schnellen Überleitung atrialer Tachyar-
rhythmien, während eine Prädisposition zu AVNRT bislang nicht gezeigt wurde.

7.8.6 Permanente junktionale Reentry-Tachykardie

Leitbefunde
• Sinusrhythmus: normale PQ-Zeit, schmale QRS ohne δ-Welle.
• Tachykardie: unaufhörliche Tachykardie mit Frequenz 130–170/Min.,
neg. P-Wellen inf. mit weitem Abstand nach dem QRS.

Sonderform des WPW-Syndroms. Es besteht eine paranodale akzessorische Ver-


bindung mit leitungsverzögernden Eigenschaften („zweiter AV-Knoten“). Kreis-
bahn der Tachykardie: AV-Knoten → His-Purkinje-System → Ventrikel → akzes-
sorische (leitungsverzögernde!) Bahn → Vorhof.

EKG
• Bei Sinusrhythmus normale PQ-Zeit, schmaler QRS ohne δ-Welle,
• permanente, unaufhörliche („incessant“) Tachykardie mit rel. niedriger Fre-
quenz (130–170/Min.),
• neg. P-Wellen in II, III, aVF (retrograde Vorhoferregung) in weitem Abstand
zu den schmalen QRS-Komplexen (R-P’-Intervall > P’-R-Intervall).

7.8.7 Therapie der Präexzitationssyndrome


Zur Beurteilung müssen folgende Informationen vorliegen:
• Arrhythmie-Typ der Präexzitation: orthodrome, antidrome Tachykardie,
permanente junktionale Tachykardie.
• Begleitende Arrhythmien (Vorhofflimmern/-flattern).
• Häufigkeit der Arrhythmie.
• Symptome während der Tachykardie.
• Auslösefaktoren (Stress, Schlaf).
• Begleitende Herzerkr. (KHK, kongenitales Vitium, Fehlen einer strukturellen
Herzerkr.). 7
Leitlinien zum Vorgehen bei Präexzitation
• Asymptomatischer Pat., WPW-EKG:
– Niedriger Gefährdungsgrad, keine Tachykardien: keine Therapie.
– Hoher Gefährdungsgrad: EPU → Therapie.
• Symptomatischer Pat.: EPU mit Ablationsbehandlung in gleicher Sitzung.
Akuttherapie

Akuttherapie
• Elektrokardioversion: bei sehr hohen Kammerfrequenzen u. hämody-
namischer Beeinträchtigung (Hypotonie, Schwindel, A. p. ▶ 3.4.1, ▶ 3.5).
• Vagale Reizung (Valsalva-Manöver, Karotissinusdruck): bei gut tole-
rierter Tachykardie ohne VHF. Tachykardieterminierung gelingt selten.
Falls ineffektiv → med. Therapie.
432 7 Herzrhythmusstörungen 

• Med. Terminierung:
– Orthodrome od. antidrome WPW-Tachykardie: Adenosin 6–12 mg
Bolus i. v. od. Ajmalin 50 mg langsam i. v., alternativ auch Sotalol,
Propafenon, Flecainid od. Amiodaron i. v.
– VHF mit Überleitung über die akzessorische Bahn: Ajmalin od. an-
deres Klasse-I- od. -III-Antiarrhythmikum i. v. (s. o.). Frühzeitige
Ind.-Stellung zur elektrischen DC-Kardioversion.

! Eine regelmäßige Reentry-Tachykardie kann in VHF degenerieren → evtl. ex-


zessiv hohe Kammerfrequenzen unter Verapamil.
! Verapamil, Digitalisglykoside, Adenosin u. Betablocker (außer Sotalol) sind
strengstens kontraindiziert (Verkürzung der effektiven Refraktärperiode des
akzessorischen Bündels). Gefahr von Kammerflimmern!
Rezidivprophylaxe
• Ind.: symptomatische Pat. mit Präexzitationssy., asymptomatische Pat. mit
hohem Gefährdungsgrad (s. o.).
• Katheterablation der akzessorischen Bahn (▶ 12.7). Ther. 1. Wahl, da kura-
tive Ther. mit hoher Erfolgsrate (> 95 %). Rezidivrate ca. 3 %. Bei Rezidiv er-
neuter Ablationsversuch, chirurgische Durchtrennung der akzessorischen
Bahnen heute ohne Bedeutung.
• Med. Rezidivprophylaxe: Ther. 2. Wahl, wenn Katheterablation vom Pat. ab-
gelehnt wird od. zur Überbrückung bis zur Ablation.
– Flecainid (2 × 100 mg/d), Propafenon (3 × 150–300 mg/d), Sotalol
(3 × 80–160 mg/d), Prajmaliumbitartrat (2–4 × 20 mg/d) od. Amiodaron
(200–400 mg/d nach Aufsättigung),
– keine Betablocker- od. Verapamil-Monotherapie.

7.8.8 Risikoeinschätzung
Antegrade Leitungskapazität (effektive Refraktärperiode) des akzessorischen
Bündels abschätzen:
• Geringe Gefährdung:
– Intermittierende Präexzitation im Oberflächen-EKG. Es besteht wahr-
7 scheinlich eine lange antegrade Refraktärzeit des akzessorischen Bündels.
– Präexzitation verschwindet unter körperl. Belastung (Ergo).
– Pos. Ajmalin-Test: (▶ Abb. 7.27) Ajmalin (1 mg/kg KG über 3–5 Min.) i. v.
Verschwindet die δ-Welle → Refraktärzeit der akzessorischen Bahn i. d. R.
> 270 ms.
– Bei VHF Abstände der QRS-Komplexe > 250 ms.
• Hohe Gefährdung:
– Präsynkope, Synkope od. Z. n. Reanimation in der Anamnese.
– Präexzitation im Oberflächen-EKG/Langzeit-EKG permanent nachweis-
bar.
– Neg. Ajmalin-Test: Nach Gabe von Ajmalin δ-Welle im EKG unverändert
nachweisbar → Refraktärzeit der akzessorischen Bahn i. d. R. < 270 ms.
– Bei VHF Abstände der QRS-Komplexe < 250 ms, d. h., es sind sehr hohe
Kammerfrequenzen bis hin zu Kammerflattern/-flimmern möglich.
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  433

Ajmalin

δ δ
II

III

Abb. 7.27 Pos. Ajmalin-Test. Nach Gabe von Ajmalin i. v. verschwindet die
δ-Welle, der QRS-Komplex normalisiert sich [L115]

7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)


Leitbefunde
3 od. mehr konsekutive, verbreiterte (> 0,12 s), schenkelblockartig deformierte
QRS-Komplexe mit Frequenz > 120/Min., nicht einem Schenkelblock entspre-
chender Lagetyp, P u. QRS können unabhängig voneinander auftreten (AV-
Dissoziation).

Infrabifurkal, meist im Arbeitsmyokard entstehende, vorzeitige, repetitive Depo-


larisationen. Es treten mind. 3 konsekutive ventrikuläre Depolarisationen mit
breitem QRS-Komplex > 0,12 s u. Frequenz > 100/Min. bei gesteigerter Automa-
tie, Kreiserregung od. getriggerter Automatie auf.

Formen
• Nichtanhaltende VT („non-sustained“): VT < 30 s.
• Anhaltende VT („sustained“): VT > 30 s. 7
• Monomorphe VT: nahezu regelmäßige Zykluslänge u. identische Konfigura-
tion der QRS-Komplexe. Konfiguration des Kammerkomplexes während der
Tachykardie konstant.
• Polymorphe VT: häufiger Wechsel der elektrischen Achse u. der Morpholo-
gie der QRS-Komplexe innerhalb von 1–2 s od. mind. nach 6 Kammerkom-
plexen.

Ätiologie
Häufig Folge einer organischen Herzerkr., von Pharmaka (Antiarrhythmika, Di-
gitalis, Anästhetika, Sympathikomimetika) od. E’lytentgleisungen (Hypokali­
ämie). Seltener isolierte elektrische Erkr. ohne strukturelle Herzerkrankung.

EKG
• Tachykarder Rhythmus, Frequenz 120–250/Min.
• Breiter QRS-Komplex: > 0,12 s, häufig > 0,14 s.
434 7 Herzrhythmusstörungen 

• „Bizarre QRS-Morphologie“, überwiegend RSB-artig, aber in den meisten


Fällen kein typisches Schenkelblockmuster, pos. od. neg. Konkordanz mög-
lich (durchgehend pos. od. neg. Ausrichtung des QRS-Komplexes in allen
Brustwandabl.).
• In manchen Fällen weit überdrehter Links- od. Rechtstyp („Nordwest-Achse“
auf dem Cabrera-Kreis).

Beweisend für eine VT sind


• VA-Dissoziation (▶ 7.4.3): in 50 % permanent od. intermittierend.
• „Capture beat“: vorzeitig einfallender schmaler QRS-Komplex während
einer Tachykardie mit breitem Kammerkomplex. Depolarisation des Ven-
trikels erfolgt bei ausreichend vorzeitig einfallender Sinusaktion vollstän-
dig über das Reizleitungssystem. Voraussetzung: VA-Dissoziation.
• Fusionssystole (Fusionsschlag, „fusion beat“, Komb.-Systole ▶ Abb. 7.28):
besteht aus Teilen des QRS-Komplexes bei Sinusrhythmus u. Teilen des
QRS-Komplexes der Extrasystole. Fusion einer supraventrikulären u. vent-
rikulären Erregungsfront, sodass der QRS-Komplex durch die supraventri-
kuläre Erregung „eingefangen“ wird („ventricular capture“). Die Ventrikel
werden teils vom extrasystolischen, teils vom nomotopen Reiz depolarisiert.
Kriterien, die eine VT wahrscheinlich machen:
• QRS-Breite > 140 ms bzw. RS-Intervall > 100 ms in mind. einer Brustwan-
dabl.,
• pos. od. neg. Konkordanz der Brustwandabl.,
• Lagetyp „Nordwest-Achse“ (–90 bis –180°),
• VT-typische QRS-Morphologie in den Abl. V1 u. V6 (▶ Abb. 7.29).

P P P P

Fusionssystole

Abb. 7.28 Nichtanhaltende Kammertachykardie. Zu Beginn der Tachykardie


­Fusionssystole [L157]
7
Indikationen zur EPU bei ventrikulären Tachyarrhythmien
Die Ind.-Stellung zur EPU wird heute überwiegend im Zusammenhang mit einer
Ablation der Rhythmusstörung gestellt. Die 2007 zuletzt publizierten Leitlinien
der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie sehen prinzipiell keine wesentliche
Änderungen zu den Leitlinien von 1998, betonen aber eine prinzipielle Zurück-
haltung bei der Ind.-Stellung zu einer aus rein diagn. Gründen durchgeführten
invasiven elektrophysiologischen Diagn.
• Ind.:
– unklare Synkope bei struktureller Herzerkr. mit deutlich reduzierter LV-
Funktion (LVEF ≤ 40 %),
– unklare Tachykardie mit breitem QRS-Komplex bei struktureller Herzerkr.,
falls aus dem Ereignisdokument keine eindeutige Diagnose möglich ist,
– idiopathische RV- od. LV-Kammertachykardie bei Ablationsabsicht,
– reizleitungssystemassoziierte Kammertachykardie („bundle branch reen­
try“) bei Ablationsabsicht,
– unaufhörliche Kammertachykardien bei Ablationsabsicht.
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  435

Tachykardie mit LSB-Konfiguration

SVT VT
Kleine R-Zacke R breiter als 30 ms
Kerbung der S-Zacke

V1

Schneller Abstrich
der S-Zacke
> 60 ms

V6
Kein Q Q-Zacke

Tachykardie mit RSB-Konfiguration

SVT VT
rSR‘-Konfiguration Monophasisches R qR (oder Rs)

V1 oder

R/S > 1 R/S-Verhältnis < 1 QS-Komplex

oder
V6

7
Abb. 7.29 VT-typische QRS-Morphologie [L157]

• Mögliche Ind.:
– Risikostratifizierung bei Pat. mit Z. n. MI u. LVEF 30–40 %,
– monomorphe Kammertachykardien bei struktureller Herzerkr. mit Abla-
tionsabsicht,
– Risikostratifizierung bei Brugada-Sy. (umstritten).

EKG-DD
• „Regelmäßige Tachykardie mit breiten QRS“ (▶ 7.5).
• SVT mit intraventrikulärem Block (▶ Tab. 7.4): Der intraventrikuläre Block
kann ein vorbestehender, permanenter od. intermittierender Schenkelblock
sein od. einem funktionellen Block (Aberration) entsprechen.
436 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.8 DD ventrikuläre vs. supraventrikuläre Tachykardie mit Aberration


VT SVT mit Aberration
A-V-Beziehung AV-Dissoziation (50 %) Festes P-QRS-Verhältnis
QRS-Komplex Capture- od. Fusionssystolen (20 %) Meist konstante QRS-
Morphologie
Frequenzkonstanz Geringe RR-Variabilität (Ausnahme Bei SVT typischerweise
bei Capture- od. Fusionssystolen) konstant, bei VHF wech-
selnde RR-Intervalle
Lagetyp Weit überdrehter Rechts- u. Links- Passend zu Schenkel-
lagetyp möglich (Nordwest-Achse) block
QRS-Dauer Fast immer > 0,14 s Häufig < 0,14 s
Schenkelblockbild Häufig bizarr veränderter QRS- Zumeist typischer RSB,
Komplex seltener LSB
Morphologiekriterien ▶ Abb. 7.29 ▶ Abb. 7.29

Wenn beim Studium der DD einer breiten QRS-Tachykardie anhand der


Tabelle sich der Zustand des Pat. drastisch verschlechtert, empfiehlt sich fol-
gendes Vorgehen:
• Das Kitteltaschenbuch rasch in den Kittel stecken.
• Umgehend elektrische Kardioversion unter Kurznarkose.

7.9.1 Anhaltende monomorphe VT („sustained VT“)

Leitbefunde
Regelmäßige Tachykardie mit breiten QRS-Komplexen, Frequenzbereich 120–
250/Min. QRS-Morphologie immer gleich. Fusionssystolen u. VA-Dissoziati-
on insbes. bei langsamen Kammertachykardien. Dauer > 30 s.

Am häufigsten bei KHK u. Z. n. MI. Ursprungsort der VT liegt am Randgebiet ei-


nes ausgeheilten MI. Makro-Reentry-Mechanismus gilt als gesichert. Wiederein-
7 tritt der Erregung wird begünstigt durch Areale langsamer Erregungsausbreitung
(Myokardläsion), veränderte Erregungsausbreitung durch anatomische Hinder-
nisse (fibrotische Areale), Änderung passiver Membraneigenschaften u. inhomo-
gene Erregungsrückbildung.
Die Pathogenese der Arrhythmien unterscheidet sich in der Früh- u. Spätphase
des MI:
• Frühphase: Makro- od. Mikro-Reentry im ischämischen Myokard, fokale
Aktivität an der normalen Grenzregion des ischämischen Bezirks.
• Spätphase: erhöhte Automatie der Purkinje-Fasern im Infarktbereich, Reen­
try durch inhomogene De- u. Repolarisation.

Klinik
• Abhängig von zahlreichen Faktoren wie Ausmaß der KHK, LV-Funktion, Ta-
chykardiefrequenz.
• Variable Symptomatik: von Palpitationen bis zum Schock (Hypotonie, Kalt-
schweißigkeit, periphere Zyanose) od. Synkope (tachysystol. Herzstillstand →
plötzlicher Herztod).
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  437

Anhaltende monomorphe ventrikuläre Tachykardie*

Koronarangiografie, Bestimmung der LV-Funktion,


ggf. kardiales MRT, Spätpotenziale

Keine strukturelle
DCM, Rechtsventrikuläre
KHK** Grunderkrankung
HCM Dysplasie
erfassbar

Revasku- EPU
EPU
larisation fakultativ

LVEF LVEF Andere


ICD Idiopa-
< 35% > 35% Morphologie
thische
oder nicht
VT
induzierbar

EPU
EPU
fakultativ Hämo- Hämo-
dynamisch dynamisch
stabil instabil
ICD

VT VT nicht Betablocker ICD


induzierbar induzierbar Klasse-I- oder -III-
Antiarrhythmika
7
Ablation
ICD*** oder Betablocker
Betablocker
Amiodaron Kalziumantagonisten

* Bei zu einer Bundle-Branch-Reentry-Tachykardie passenden


Morphologie EPU und ggf. Ablation
** Nur bei Auftreten > 48 h nach Myokardinfarkt
*** Bei Patienten mit EF > 35% ist die Prognose von ICD-Therapie
und Amiodaron nicht unterschiedlich, sodass hier prinzipiell auch
eine medikamentöse Rezidivprophylaxe erlaubt ist
(Individualentscheidung)

Abb. 7.30 Therapie der anhaltenden ventrikulären Tachykardie [L157]


438 7 Herzrhythmusstörungen 

• Meist rapide klinische Verschlechterung, da zusätzlich zu der meist bereits


bestehenden eingeschränkten LV-Funktion die rhythmogene hämodynami-
sche Störung hinzukommt.

Diagnostik
Wegen der außerordentlich schlechten Langzeitprognose konsequente Diagn.
durchführen (▶ 8.5, ▶ 8.11).
• 12-Abl.-EKG während einer „klinischen“ VT. Wichtig zur DD VT vs. SVT
mit Aberration u. zum Vergleich mit der im Elektrophysiologielabor indu-
zierten VT (Unterscheidung zwischen klinischer VT u. artifiziell mittels Sti-
mulation induzierter nichtklinischer VT).
• EKG: regelmäßige Tachykardie mit breiten QRS-Komplexen, Frequenzbe-
reich 150–240/Min. QRS-Morphologie immer gleich. Fusionssystole u. AV-
Dissoziation beweisen den ventrikulären Ursprung.
• Weitere Diagn. ▶ Abb. 7.30.
Besonderheiten
Degeneration in Kammerflimmern insbes. bei schneller Kammertachykardie
möglich. Hohe Rezidivneigung mit Gefahr des plötzlichen Herztods bei struktu-
reller Herzerkr. insbes. mit eingeschränkter LV-Funktion.

Akuttherapie

Akuttherapie
VT ist ein Notfall! Lückenlose Monitorüberwachung u. Reanimationsbereit-
schaft sind zwingend erforderlich.
• Bei Bewusstlosigkeit:
– Reanimation (▶ 2.1.2).
– Bei tachysystol. Herzstillstand sofortige elektrische Kardioversion od.
Defibrillation (200 J).
– Bei pulsloser Kammertachykardie zunächst 5 Zyklen CPR (30 : 2-Re-
gel), dann elektrische Kardioversion (360 Ws monophasisch, 140–
200 Ws biphasisch). Nur bei beobachtetem Beginn der VT sofortige
Elektrokardioversion.
7 – Bei ineffektiver Kardioversion Weiterführung der CPR, venöser Zu-
gang u. Intubation, 1 mg Adrenalin i. v., bis zu 2 weitere Kardioversi-
onen mit 360 Ws, bei weiter fortbestehender VT Amiodaron 300–
450 mg i. v., weitere Kardioversionsversuche.
– Bei Frührezidiv Rezidivprophylaxe mit Amiodaron 300 mg i. v., da-
nach 900–1.200 mg/d.
– Intensivüberwachung: Suche nach Ursache (Art u. Akuität der orga-
nischen Herzerkr.); E’lytkontrolle (Ausgleich einer Imbalance, ins-
bes. einer Hypokaliämie)! Einflüsse von Pharmaka?
• Pat. bei Bewusstsein, hämodynamisch instabil (Schock od. Schockfrag-
mente):
– elektrische Kardioversion in Kurznarkose (beginnend mit 200 J),
– ggf. Rezidivprophylaxe (s. o.), Intensivüberwachung.
• Pat. bei Bewusstsein, hämodynamisch stabil:
– 12-Abl.-EKG.
– Bei schlechter LV-Funktion: Amiodaron 150–300 mg od. Lidocain
100 mg i. v.
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  439

– Bei reduzierter od. unklarer LV-Funktion: Amiodaron 150–300 mg


i. v., Lidocain i. v. nur bei monomorpher VT unter chron. Amiodaron-
Behandlung erwägen.
– Bei guter LV-Funktion: Amiodaron 150–300 mg, Sotalol 20–40 mg
od. Ajmalin 50 mg i. v.
• Bei fortbestehender Kammertachykardie nach Gabe eines Antiarrhyth-
mikums → Elektrokardioversion.
• Bei wiederholten Rezidiven: hoch dosiert K+ i. v., bei V. a. Magnesium-
depletion auch Magnesium. Amiodaron i. v. Aufsättigung 300–450 mg
Bolus, danach 900 mg/d i. v., ggf. zusätzlich Betablocker, bei fortbeste-
hender Ther.-Refraktärität Anheben der HF durch passagere (möglichst
atriale) Stimulation.
• Bei unaufhörlicher VT („incessant VT“ – therapierefraktäre VT mit
nicht korrigierbarer Ursache u. fehlendem Ansprechen auf die o. a.
Ther.) frühzeitige Ind.-Stellung zur Katheterablation.
! Keine med. Polypragmasie. Frühzeitig elektrische Ther.!

Rezidivprophylaxe
Akuter Myokardinfarkt
Frühzeitige Betablockerther., bei Rezidiven ggf. Amiodaron i. v. (s. o.).
KHK
Z. n. MI u. Ausschluss eines akuten MI (> 48 h).
• Risikostratifizierung: exakte Diagn. der zugrunde liegenden Herzerkr. u. der
rhythmologischen Verhältnisse.
– Anamnese: Zahl der Infarkte, Symptome, Linksherzinsuff., CCS- u.
NYHA-Klasse (▶ 8.2), sorgfältige klinische Untersuchung.
– Technische Diagn.: Bestimmung der LVEF (Echo, LV-Angio), Koro,
Langzeit-EKG, ggf. EPU u. Ergometrie. Ein praktischer Nutzen anderer
nichtinvasiver elektrophysiologischer Verfahren ist bislang nicht belegt.
• Ther. der Grundkrankheit: Ischämiebeseitigung durch Revaskularisation
(PTCA, ACVB), Verbesserung der LV-Funktion durch Revaskularisation u.
med. (ACE-Hemmer).
• ICD-Implantation (▶ 12.6) u./od. antiarrhythmische Dauerther. (▶ 7.5) be- 7
vorzugt mit Betablocker u./od. Amiodaron; nach ICD-Implantation ist auch
Ther. mit Klasse-I-Antiarrhythmika od. Sotalol möglich. Katheterablation
(bei rezid. Kammertachykardien).
Nonkoronare Herzerkrankung
• Exakte Diagn. arrhythmogener RV-Dysplasie u. der rhythmologischen Ver-
hältnisse.
• Ther. der Grundkrankheit (s. o.).
• ICD-Implantation u./od. Ther. mit Betablockern u./od. Amiodaron.
• Katheterablation bei rezid. monomorphen Kammertachykardien.
Die Erkenntnisse zur Arrhythmogenese u. der Arrhythmiether. bzw. der pro-
gnostischen Einschätzung beruhen überwiegend auf Untersuchungen bei
ischämischen Herzerkr. (KHK). Extrapolation auf andere Formen organi-
scher Herzerkr. nur bedingt möglich.
440 7 Herzrhythmusstörungen 

7.9.2 Nichtanhaltende monomorphe VT

Leitbefunde
Kriterien wie anhaltende monomorphe VT, jedoch Dauer < 30 s.

Variante der anhaltenden VT mit weniger als 30 s Dauer. Kann ebenfalls sympto-
matisch sein u. abhängig von Frequenz u. LV-Funktion zu Synkopen führen. Pro-
gnostische Bedeutung in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. Nach aktueller
Leitlinienlage ist bei LVEF ≤ 35 % unabhängig vom Vorhandensein von VT eine
ICD-Implantation indiziert.
• Pat. ohne organische Herzerkr.: Nichtanhaltende monomorphe VT haben
keine prognostische Bedeutung. Ther. nur bei Symptomatik: Betablocker, Ab-
lation, ggf. Antiarrhythmika.
• Symptomatische VT bei struktureller Herzerkr.: ICD-Implantation, ggf. zu-
sätzlich symptomatische antiarrhythmische Therapie.
• Asymptomatische VT bei struktureller Herzerkr. mit LVEF ≤ 35 %: ICD-Im-
plantation.
• Asymptomatische VT bei chron. MI u. mittelgradig eingeschränkter LV-
Funktion: individuelle Entscheidung, EPU zur Risikostratifizierung möglich,
bei Auslösbarkeit anhaltender VT ICD-Implantation.
• Asymptomatische VT bei DCM u. LVEF > 35 %: Betablocker.
• Pat. mit asymptomatischer VT bei HCM: Risikomarker. Bei zusätzlich schwe-
rer Hypertrophie (LVEDD > 30 mm), Familienanamnese eines plötzlichen
Herztods, Druckabfall unter Belastung od. Synkopenanamnese ICD-Implan-
tation.

7.9.3 Torsade-de-pointes-Tachykardie

Leitbefunde
Nichtanhaltende polymorphe VT mit phasenweiser Fluktuation der QRS-Ach-
se um die isoelektrische Linie. Frequenz 160–240/Min. Bei Sinusrhythmus
Verlängerung des frequenzkorrigierten QT-Intervalls, prominente U-Welle.
7
Form der nichtanhaltenden VT mit polymorpher QRS-Konfiguration. Zur exak-
ten Diagnose mehrere EKG-Abl. erforderlich, da die VT in einer Abl. wie eine
monomorphe VT aussehen kann. Meist selbstlimitierend, kann jedoch auch ein
Kammerflimmern degenerieren.

EKG
• Spitzentorsade (Umkehrtachykardie): Form einer schnellen VT (Frequenz
160–240/Min.) mit verbreiterten, polymorphen QRS-Komplexen, die sich
von Komplex zu Komplex ändern (▶ Abb. 7.31).
• Phasenweise undulierende Rotation der QRS-Achse um die isoelektrische Linie.
• EKG bei Sinusrhythmus: Verlängerung des frequenzkorrigierten QT-Inter-
valls > 440 ms sowie prominente U-Welle. QT-Verlängerung kann diskret,
variabel u. nur kurz vor Beginn der VT od. nach einer Pause auftreten.
• Häufig Induktion einer VT durch spät einfallende VES. Getriggerte Aktivität
infolge früher Nachpotenziale, die durch Hypokaliämie u. -magnesiämie
noch verstärkt wird.
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  441

Abb. 7.31 Torsade-de-pointes-Tachykardie bei angeborenem QT-Syndrom [L115]

Erworbene QT-Verlängerung
Erworbene QT-Verlängerungen sind am häufigsten verursacht durch Klasse-I-
od. -III-Antiarrhythmika, z. B. Chinidin („Chinidinsynkope“), Sotalol, Drone-
daron, Amiodaron, trizyklische Antidepressiva, Makrolide u. andere Antibioti-
ka, Metoclopramid u. v. m. meist in Verbindung mit Hypokali­ämie u. -magnesi­
ämie. Außerdem bei bradykarden Herzfrequenzen (z. B. AV-Block III°), ZNS-
Erkr. (Subarachnoidalblutung, Hirndrucksteigerung) od. akutem MI.
Therapie
• Repolarisationshemmende Medikamente absetzen.
• K+- (Perfusor 50 mval/50 ml → 5–15 mval/h) u. Mg2+-Substitution (Bolus 2 g in
1–5 Min., weiterer Bolus von 2 g nach 5–15 Min., dann Perfusor 2–20/Min.).
• Bei Bradykardie passagerer SM, idealerweise atriale, wenn dies nicht möglich,
ventrikuläre Stimulation, anschließend Betablocker (Metoprolol bis
2 × 100 mg/d). Alternativ Atropin od. Katecholamine (Adrenalin) möglich
(▶ 11.1.2).
• Permanenter SM (AAI, DDD) od. 2-Kammer-ICD u. Betablockerther. bei
wiederholten Rezidiven einer Torsade-de-pointes-Tachykardie im Rahmen
einer Bradykardie.

Angeborene QT-Verlängerung
• Jervell-Lange-Nielsen-Sy.: autosomal-rezessiv, mit Taubheit.
• Romano-Ward-Sy.: autosomal-dominant, ohne Taubheit.
• K linisches Leitsymptom: Synkopen bereits in früher Kindheit, Auslöser
meist harmlose seelische od. körperl. Belastungen (erhöhter Sympathikoto-
nus). Torsade-de-pointes sind hier die häufigste Form der VT. Risiko des
plötzlichen Herztods.
• Genanalyse: Man unterscheidet 9 genetische Varianten, wovon zwei dem Jer- 7
vell-Lange-Nielsen-Sy. zugeordnet werden (LQTS 1–7, JLNS 1–2), sowie eine
sporadische Form. Genanalyse zur Risikostratifizierung der Pat. hilfreich.
! Familienmitglieder auf QT-Verlängerung od. Kammerarrhythmien untersu-
chen.
• Risikopat.: Z. n. Synkope, komplexe ventrikuläre Arrhythmien, pos. Famili-
enanamnese. Pat. mit LQTS 3 haben eine höhere Letalität als Pat. der übrigen
Subgruppen u. sprechen i. d. R. nicht auf Betablocker an.
EKG
Bei Sinusrhythmus QT-Verlängerung, deutliche U-Welle, periodische Ände-
rungen der T-Wellen-Amplitude (T-Wellen-Alternans). EKG bei VT s. o. Im
Gegensatz zu den erworbenen Formen ist bei den angeborenen QT-Verlänge-
rungen die Entstehung einer Tachykardie aus einer Bradykardie heraus nicht
typisch.
442 7 Herzrhythmusstörungen 

Therapie
• Betablocker (z. B. Metoprolol ▶ 11.3.3, ▶ 11.6.8): effektive Reduktion der Ge-
fahr des plötzlichen Herztods von ca. 80 auf < 10 %. Ind. zur Ther. bei sym­
ptomatischen Pat. u. Risikopat. (s. o.).
• QT-verlängernde Medikamente u. K+- u. Mg2+-depletierende Medikamente
(Diuretika) meiden.
• Bei Rezidiv unter Betablockerther. od. Herz-Kreislauf-Stillstand als primärem
Manifestationsereignis Implantation eines Zweikammer-ICDs (sorgsame
Ind.-Stellung, da Betablockade in einem hohen Prozentsatz effektiv u. die Ge-
fahr multipler Schocks bei ansonsten spontan terminierenden Torsade-de-
pointes-Tachykardien besteht).
• Bei Ther.-Refraktärität operative Entfernung des li-seitigen Ganglion stella-
tum (widersprüchliche Resultate).
• Klinische Ther.-Kontrolle, ggf. Belastungs- u. Langzeit-EKG, da VT weder
durch Belastungen noch durch programmierte Ventrikelstimulation ausge-
löst werden kann.

7.9.4 Polymorphe VT

Leitbefunde
Unregelmäßige Tachykardie mit breitem QRS-Komplex, Frequenzbereich
150–240/Min. QRS-Morphologie ändert sich innerhalb von 1–2 s od. mind.
nach 6 Kammerkomplexen.

Kommt nahezu ausschließlich bei Pat. mit struktureller Herzerkr. vor (Ausnahme
Brugada-Sy.). Wesentliche Auslöser können Ischämie u. E’lytverschiebungen
(insbes. schwere Hypokaliämie) sein, polymorphe Kammertachykardien können
aber auch unabhängig hiervon insbes. bei reduzierter LV-Funktion (ischämische,
dilatative CMP) vorkommen.

Therapie
Bei behandelbarer Ursache Kausalther., danach konventionelle Risikostratifizie-
rung. Ansonsten bei anhaltender Tachykardie ICD-Indikation.
7
7.9.5 Bidirektionale Tachykardie

Leitbefunde
VT mit RSB-Muster, Wechsel der Polarität der QRS-Komplexe von Schlag zu
Schlag. Frequenz zwischen 140–200/Min.

Seltene Form der VT. Nicht mit Torsade-de-pointes od. ventrikulärem Bigeminus
verwechseln. Meist (nicht ausschließlich) Folge einer Digitalisintoxikation mit
schlechter Prognose, bes. bei älteren Menschen mit schwerer kardialer Grunder-
krankung.

Therapie
Wie monomorphe VT. Bei Digitalisintoxikation Gabe von K+, Phenytoin od. Be-
tablocker, ggf. Digitalis-AK (▶ 11.1.1).
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  443

7.9.6 VT bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung


Repetitive monomorphe VT (Typ Gallavardin)

Leitbefund
VT mit LSB-Muster u. inf. Achse. Frequenz ca. 120–240/Min.

Salvenartiges Auftreten kurzer VT mit monomorphen QRS (3–15 QRS in Folge),


wobei jede VT durch wenige Sinusschläge unterbrochen wird. Vereinzelte VES
gleicher Morphologie möglich (extrasystolische Form der VT, „extrasystolie en
salves“). Auch anhaltende Kammertachykardien sind möglich. Fokus der VT
meist im RV-Ausflusstrakt, aber auch im Kammerseptum. Auslösung durch kör-
perl. Belastung. Meist keine strukturelle Herzerkrankung.
EKG
QRS-Komplexe der VT mit LSB-Muster u. inf. Achse (pos. Ausschläge in aVF!).
Typischerweise S/R-Umschlag von V3 nach V4.
Therapie
Bei symptomatischen Pat. Betablocker od. Verapamil (▶ 11.6.12), alternativ
Hochfrequenzablation. Insgesamt gute Prognose, abnehmende Inzidenz mit hö-
herem Alter.

Brugada-Syndrom

Leitbefunde
Hochfrequente polymorphe VT od. Kammerflimmern. Im arrhythmiefreien
Intervall atypisches RSB-Muster od. J-Welle, anteroseptale ST-Hebungen (V1–
V3), normales QT-Intervall.

Polymorphe VT mit erheblicher prognostischer Belastung (Gefahr des plötzlichen


Herztods) auf der Basis eines autosomal-dominant vererbten Defekts der SCN5A-
Untereinheit des kardialen Natriumkanals. VT entspricht einem funktionellen
Reentry bei Triggerung durch spontane od. induzierte VES. Hohe Rezidivquote,
durch programmierte Ventrikelstimulation auslösbar, betrifft häufiger Männer 7
erstmalig um das 40. LJ. Mittels Echo, Angio, Myokardbiopsie keine strukturellen
Anomalien des Herzens nachweisbar.
EKG
Typischerweise J-Punkt-Erhöhung in den Abl. V1–V3. Man unterscheidet ein
­diagn. Typ-1-EKG mit deszendierender ST-Hebung in V1–V3 (▶ Abb. 7.32) von
einem nichtdiagn. Typ-2-EKG mit eher horizontalen u. spätdeszendierenden ST-
Hebungen („Sattelrücken-Typ“). Von einem Brugada-Sy. (wie auch bei norma-
lem EKG) ist in letzterem Fall nur dann auszugehen, wenn unter Gabe eines Na­
triumkanalblockers (Procainamid, Ajmalin) ein Typ-1-EKG provoziert werden
kann. Dieser Test erlaubt auch die Identifizierung bislang asymptomatischer Fa-
milienangehöriger ohne diagn. Ruhe-EKG.
444 7 Herzrhythmusstörungen 

Abb. 7.32 Brugada-Syndrom

Elektrophysiologische Untersuchung
Der EPU wird in den aktuellen Empfehlungen (Konsensus-Konferenz des ESC
von 2005) bei Induktion von polymorphen VT od. Kammerflimmern ein hoher
Stellenwert in der Risikostratifizierung asymptomatischer Pat. zugeordnet. Eine
Empfehlung zur EPU besteht bei allen asymptomatischen Pat. mit spontanem
7 Typ-1-EKG sowie bei solchen mit Familienanamnese eines plötzlichen Herztods
u. unter Ajmalin-Gabe induzierbarem Typ-1-EKG.
Therapie
• Überlebter plötzlicher Herztod → ICD.
• Synkope od. unklarer Sturz → Ausschluss anderer Ursachen für die Synkope
→ ICD.
• Asymptomatischer Pat. mit nativem Typ-1-EKG → EPU → Induktion von po-
lymorphen VT od. VHF → ICD.
• Asymptomatischer Pat. mit induziertem Typ-1-EKG u. Familienanamnese ei-
nes plötzlichen Herztods → EPU → Induktion von polymorphen VT od. VF
→ ICD.
• Asymptomatischer Pat. mit unauffälliger EPU → engmaschige Verlaufsbeob-
achtung.
• Asymptomatischer Pat. mit induziertem Typ-1-EKG ohne Familienanamnese
→ engmaschige Verlaufsbeobachtung.
 7.9 Ventrikuläre Tachykardie (VT)  445

7.9.7 VT bei arrhythmogener rechtsventrikulärer Dysplasie

Leitbefunde
Sinusrhythmus: Inkompletter RSB, T-Wellen-Inversionen re-präkordial. VT:
LSB-Muster.

Arrhythmogene RV-Dysplasie (▶ 5.1.4) = auf RV beschränkte CMP: Manifestati-


on meist im Kindes- od. jungen Erw.-Alter, zumeist bei Männern. Manifestation
meist zunächst mit Herzrhythmusstörungen, überwiegend monomorphen VT, es
können RV-Dilatation u. Pumpschwäche auftreten. Diagnose in 80 % der Fälle
zwischen 2. u. 4. Lebensdekade.

EKG
• Sinusrhythmus: inkompletter RSB, T-Wellen-Inversionen re-präkordial,
mittdiastol. M-Potenzial in V1 möglich.
• Tachykardie: LSB-Muster (meist li- od. re-typische Achse frontal), zusätzlich
supraventrikuläre Tachyarrhythmien möglich.

Weitere Diagnostik
• 2-D-Echo, Kernspintomografie des Herzens (Nachweis von Fetteinlagerun-
gen, Hypo-, A- od. Dyskinesien sowie Aneurysmen des RV), RV-Angio
(schlechtere Alternative, da hier ein Frühzeichen, die myokardiale Fetteinla-
gerung, nicht nachweisbar ist), Spätpotenzialnachweis.
• Programmierte Kammerstimulation: VT ist meist auslösbar; spricht für Reen-
try-Mechanismus (DD zur repetitiven monomorphen VT Typ Gallavardin).

Differenzialdiagnose
• Morphologische DD: M. Uhl: RV-Myokard fehlt nahezu vollständig, Mani-
festation im Säuglings- od. Kleinkindalter mit Rechtsherzversagen als Leit-
symptom.
• Elektrophysiologische DD: repetitive monomorphe VT („idiopathische RV-
Tachykardie“ s. o.).

Therapie 7
ICD-Implantation, alternativ bei hämodynamisch stabiler Kammertachykardie
Sotalol (2–3 × 80–160 mg/d).

Prognose
Günstig, wenn Pat. auf Ther. anspricht. Gefahr des plötzlichen Herztods, v. a.
wenn anamnestisch Synkopen bestehen.

7.9.8 Kammerflattern/Kammerflimmern

Leitbefunde
• Kammerflattern: tachykarder Kammerrhythmus mit Frequenz 180–300/
Min., großwellige Oszillationen, ohne dass eine Trennung zwischen QRS-
u. ST-T-Segmente möglich ist.
• Kammerflimmern: unregelmäßige Undulationen mit wechselnden Kon-
turen, Amplituden u. Zeitintervallen. Frequenz > 300/Min.
446 7 Herzrhythmusstörungen 

Mechanismus
Mikro-Reentry-Kreise von wechselnder Größe u. Lokalisation; meist strukturell
verändertes Kammermyokard, seltener durch E’lytstörungen od. Medikamente
ausgelöst. Kammerflattern entsteht in der Mehrzahl aus einer sich beschleunigen-
den, anhaltenden Kammertachykardie (Rhythmusdegeneration, fließender Über-
gang zwischen Kammertachykardie u. -flattern).

Ursache
Meist schwere organische Herzerkr. (in 80 % KHK), z. B. Z. n. MI od. bei entzünd-
licher Herzerkrankung. Beim akuten MI akutes Okklusionsflimmern (ohne Nei-
gung zu Rezidiven), weniger häufig Reperfusionsflimmern.

EKG
Kammerflattern
Sehr frequente Kammertachykardie, Trennung zwischen QRS- u. ST-T-Segmen-
ten nicht mehr möglich. Großwellige Oszillationen wie bei Sinusschwingung mit
Frequenz 180–300/Min. Unbehandelt Übergang in Kammerflimmern.
Kammerflimmern
▶ Abb. 7.33.

II

III

Abb. 7.33 Kammerflimmern [L115]

• Kammerkomplexe nicht mehr erkennbar. EKG-Signal besteht aus unregel-


mäßigen Undulationen mit wechselnden Konturen, Amplituden u. Zeitinter-
7 vallen. Frequenz > 300/Min.
! Bei sehr geringer Signalamplitude kann Kammerflimmern im EKG als Nullli-
nie erscheinen.

Elektrophysiologie
▶ 7.11.
EKG-DD
• 1 : 1-Überleitung bei Vorhofflattern u. Schenkelblock mit sehr hoher Kam-
merfrequenz: Frequenz selten > 240/Min., QRS-Komplexe lassen sich abgren-
zen.
• Vorhofflattern od. -flimmern bei WPW-Sy. u. antegrader Leitung über akzes-
sorisches Bündel: i. d. R. wechselnde QRS-Breite u. -deformierung, intermit-
tierend auch normal konfigurierte QRS-Komplexe möglich.
• EKG-Artefakte: V. a. bei Monitor- od. Langzeit-EKG immer in Betracht zie-
hen.
 7.10 Weitere ventrikuläre Arrhythmien  447

Therapie
• Akutther. (▶ 2.1.2).
• Rezidivprophylaxe: wie nach „überlebtem plötzlichem Herztod“ (▶ 7.11).

7.10 Weitere ventrikuläre Arrhythmien


7.10.1 Ventrikuläre Extrasystolen (VES)

Leitbefunde
Vorzeitige, über 0,12 s verbreiterte, schenkelblockartig deformierte QRS ohne
vorangehende P-Welle.

Infrabifurkal, meist im Arbeitsmyokard entstehende, vorzeitige elektrische Depo-


larisation bei gesteigerter Automatie, Kreiserregung od. getriggerter Automatie.
Zeitliche Zuordnung zum vorangehenden Kammerkomplex (Kopplung) fixiert
(Reentry od. getriggerte Automatie) od. variabel (parasystolische Automatie).

Ätiologie
Alle Formen von Herzerkr., aber auch bei Herzgesunden. Häufigkeitszunahme
mit Pat.-Alter u. Schweregrad der myokardialen Schädigung.

EKG
• Vorzeitig einfallende, über 0,12 s verbreiterte, schenkelblockartig deformierte
Erregung, die unabhängig von den P-Wellen auftritt (Dissoziation).
• Störungen der Erregungsrückbildung: Repolarisation oft dem R-Vektor ent-
gegengesetzt (diskordante elektrische Achsen).
• VES einzeln, gehäuft, in Gruppen od. Salven:
– Bigeminus: Jedem Normalschlag folgt 1 VES (▶ Abb. 7.34).
– Trigeminus: Einem Normalschlag folgen 2 VES.
– Quadrigeminus: Einem Normalschlag folgen 3 VES.
– 2 : 1-Extrasystolie: 2 Normalschlägen folgt 1 VES (▶ Abb. 7.35).
– 3 : 1-Extrasystolie: 3 Normalschlägen folgt 1 VES.
• Monomorphe VES: gleiche QRS-Morphologie der VES, identisches Kopp- 7
lungsintervall.
• Polymorphe VES: VES mit verschiedenen QRS-Morphologien u. unter-
schiedlichen Kopplungsintervallen (▶ Abb. 7.36).
! Die Unterteilung in „monotop“ od. „polytop“ sollte verlassen werden.
• Retrograde Vorhoferregung: P-Welle liegt im ST-Segment (VES-Erregung
depolarisiert retrograd die Vorhöfe).
• Postextrasystolische Pause:
– Kompensatorische Pause: Abstand zwischen den Normalschlägen vor u.
nach der VES entspricht 2 normalen RR-Intervallen.
– Nichtkompensatorische Pause: Abstand zwischen den Normalschlägen
vor u. nach der VES < 2 normale RR-Intervalle.
• Interponierte VES: VES ist in den normalen Rhythmus eingeschoben, ohne
diesen zu stören. Ursache: Blockierung der VES-Erregung im AV-Knoten,
sodass normale Sinusknotenfunktion nicht gestört wird.
• Komb.-Systole, Fusionsschlag (▶ 7.9).
448 7 Herzrhythmusstörungen 

• Erregungsursprung: Differenzierung anhand des EKG unzuverlässig (VES


mit RSB-Muster aus LV, VES mit LSB-Muster aus RV).
• Vorzeitigkeitsindex < 1,0 (R-auf-T-Phänomen): Gefahr einer durch die Ex­
trasystole ausgelösten Tachykardie (▶ Abb. 7.37).

ES ES ES ES

II

III

Abb. 7.34 Bigeminiforme ventrikuläre Extrasystolie [L115]

ES ES ES ES

II

7 III

Abb. 7.35 2 : 1-Extrasystolie [L115]


 7.10 Weitere ventrikuläre Arrhythmien  449

ES ES ES

II

III

aVR

aVL

aVF

Abb. 7.36 Polymorphe ventrikuläre Extrasystolen [L115]

QRS

P T

VES
ventrikuläre Tachykardie
7
Abb. 7.37 Entwicklung einer VT durch eine vorzeitig einfallende Extrasystole
[L115]

EKG-DD
• Aberrant geleitete supraventrikuläre Erregungen (▶ Abb. 7.38, ▶ Tab. 7.9):
– Aberration meist mit RSB-Bild.
– QRS in V1 bei Aberration triphasisch (rSr’).
– Initialvektor bei Aberration dem der Normalschläge identisch.
– Kopplungsintervall zum vorhergehenden Schlag bei Aberration kurz, aber
zumeist gleitend (nichtfixe Kopplung wie bei VES). Je kürzer die Ankopp-
lung bei Aberration, desto ausgeprägter die Deformation des QRS.
– Keine kompensatorische Pause nach Aberration.
– Ashman-Phänomen (▶ 7.7.6): häufig bei VHF mit verschiedenen EKG-
Ausprägungen der aberranten Leitung. Breite des aberranten QRS abhän-
450 7 Herzrhythmusstörungen 

gig von Vorzeitigkeit der supraventrikulären Erregung u. Zyklusdauer der


vorangehenden Aktion.
• Ersatzsystolen (▶ 7.4.4).
V1 V6

Supraventrikulär (rSR)
mit Aberration

monophasisch

R rS
biphasisch
Ventrikuläre
Extrasystole
QR QS

RS QR

Abb. 7.38 Kriterien zur Unterscheidung von VES u. aberrant geleiteten SVES
[L115]

Tab. 7.9 DD VES u. aberrant geleitete SVES


Spezielle Hinweise Supraventrikulär mit Aberration Ventrikulär
RSB V1 • Triphasischer QRS-Komplex • QRS mono- od. bipha-
• rSr‘ od. r‘SR‘ od. RSR‘ sisch, Knotung im abstei-
genden Schenkel
• qR
7 V6 S<R S>R
LSB R in V1 Schmal od. fehlend Breit
S in V2–6 Weniger tief als in V1 Tiefer als in V1
R-Achse Selten re-typisch Meist re-typische Lage
QRS-Dauer QRS = 0,12 s, < 0,14 s QRS > 0,14 s
Vektor in der Fron­ Normal bzw. Rechtsabweichung Linksabweichung (–90 bis
talebene –180°)
Hauptausschlags­ Diskordant von V1 nach V6 Konkordant von V1 nach V6
richtung der R-Zacke

Lown-Klassifikation
Die Einteilung von VES anhand von EKG-Befunden ist unzureichend, da der Ma-
lignitätsgrad einer VES entscheidend durch Art u. Schweregrad der kardialen
Grundkrankheit bestimmt wird. Daher Qualität u. Quantität der VES in Verbin-
 7.10 Weitere ventrikuläre Arrhythmien  451

dung mit den Merkmalen der kardialen Grundkrankheit synoptisch beurteilen


(▶ Tab. 7.10).

Tab. 7.10 Klassifikation der VES bei KHK nach Lown


Grad Langzeit-EKG (24 h) Belastungs-EKG
0 Keine VES Keine VES
1 Monomorphe VES < 30/h od. < 1/Min. Monomorphe VES < 3/Min.
2 Monomorphe VES > 30/h od. > 1/Min. Monomorphe VES > 2/Min.
3 Polymorphe VES Polymorphe VES
4a VES-Paar (Couplet) VES-Paar (Couplet)
4b VES-Salve (> 2 VES), Kammertachykardie VES-Salve (> 2 VES), Kammerta-
chykardie
5 Frühzeitige VES, R-auf-T-Phänomen Frühzeitige VES, R-auf-T-Phänomen

Prognostische Bewertung
Immer in Abhängigkeit von der kardialen Grundkrankheit beurteilen!
• Grad 1–3: wahrscheinlich nur dann prognostisch bedeutsam, wenn sie in Zu-
sammenhang mit VT od. Kammerflimmern auftreten od. diese Tachyar-
rhythmien auslösen.
• Grad 4: bei häufigem Auftreten wahrscheinlich neben der Grundkrankheit
unabhängiger Faktor einer schlechten Prognose (▶ 7.9).
• Grad 5: umstrittene Bedeutung der früh einfallenden VES. VT od. Kammer-
flimmern kann bei einem Teil der Pat. (insbes. mit QTU-Verlängerung) initi-
iert werden.

Tipps & Tricks


• Die Lown-Klassifikation gilt streng genommen nur bei KHK! Sie nimmt
eine prognostische Wertigkeit verschiedener Formen der Extrasystolie
an, die sich nicht bestätigt hat.
• Abgrenzung von Grad 1 u. 2 ist willkürlich u. ohne prognostische Be-
deutung, soweit nicht andere Merkmale der VES hinzukommen; Grad
3–5 sind sog. komplexe Extrasystolen.
7
Klinische Bewertung
• Je schwerer eine kardiale Grunderkr. u. je stärker die Beeinträchtigung der
Ventrikelpumpfunktion, umso häufiger sind VES.
• Frühzeitig einfallende VES (VZI < 1) sind im Prinzip gefährlich, da sie elekt-
rische Einflüsse in der vulnerablen Phase darstellen u. potenziell VT auslösen
können. Dennoch wurde die Gefährdung durch R-auf-T-Phänomene lange
Zeit überschätzt (Ausnahme: Bei QT- bzw. QTU-Verlängerung).
• VES, auch komplexe, beeinflussen beim Herzgesunden i. d. R. nicht die Pro­
gnose. Es ist nicht gesichert, dass asymptomatische VES bei Herzgesunden als
Vorläufer od. Auslöser einer VT anzusehen sind. Konsequenz: Treten häufige
u./od. komplexe VES auf → konsequente Diagn. zum Nachweis/Ausschluss
einer kardialen Grunderkr. od. einer behandlungsbedürftigen extrakardialen
Störung durchführen.
• Faktoren, die das Auftreten von VES fördern: Hypoxie, Azidose, Hypokali­
ämie, Hyperkalzämie, Antiarrhythmika, Betasympathikomimetika, Herzgly-
452 7 Herzrhythmusstörungen 

koside, trizyklische Psychopharmaka, Lithium, Narkotika, Kaffee, Zigaretten-


rauch, Alkohol, Mangel an körperl. Training, inadäquate körperl. Belastung,
psychischer Stress.

Therapie
▶ 7.9, ▶ 8.11.
• Asymptomatischer Pat.: keine, Aufklärung über gute Prognose.
• (Hoch-)Symptomatischer Pat. mit/ohne strukturelle Herzerkr.:
– Betablocker,
– Ablation,
– Klasse-IC- od. -III-Antiarrhythmika.

7.10.2 Ventrikuläre Parasystolie

Leitbefunde
Form der VES mit variablem Kopplungsintervall, häufig Komb.- od. Fusions-
systolen. Das interektope Intervall ist konstant od. ein Vielfaches des kürzesten
interektopen Intervalls.

Benigner elektrophysiologischer Prozess. Parasystol. VT sind sehr selten.

Mechanismus
Ventrikelmyokard wird (permanent od. intermittierend) gleichzeitig von 2 un-
abhängigen Reizbildungszentren erregt (supraventrikulär, z. B. Sinusrhythmus,
u. ventrikuläres Reizbildungszentrum mit gesteigerter Automatie). Die parasys-
tolischen Erregungen aus dem Ventrikel sind i. d. R. langsamer u. gegen die sup-
raventrikulären Impulse schutzblockiert („Eintrittsblock“). Typisch ist, dass
beide Rhythmen nicht verknüpft sind. Durch Austrittsblockierung („Exit-
Block“) der parasystolischen Reize längere Pausen der ventrikulären Parasysto-
lie möglich.

Ätiologie
Bei Herzgesunden u. – häufiger – bei organischen Herzerkr.
7
EKG
• Variables Kopplungsintervall zwischen ektopem, parasystol. QRS u. domi-
nantem, meist durch Sinusrhythmus initiiertem normalem QRS.
• Gehäuft Komb.- od. Fusionssystolen (▶ 7.9), falls parasystol. Erregungen in
der späten Diastole auftreten → Beweis des ventrikulären Ursprungs der Para-
systolie.
• Gesicherte Diagnose, wenn parasystol. Erregungen, einschließlich der Fusi-
onssystolen, ein konstantes Intervall haben: Abstand der ektopen Erregungen
weitgehend konstant (Schwankungen < 300 ms) od. aber auf das Doppelte
bzw. Vielfache des kürzesten parasystol. Intervalls verlängert.

Therapie
Keine.
 7.10 Weitere ventrikuläre Arrhythmien  453

7.10.3 Akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus

Leitbefunde
Ventrikulärer Rhythmus mit den Charakteristika der VT, jedoch typisch nied-
rige Frequenz zwischen 60–100/Min.

Gesteigerte Automatie im Bereich eines ventrikulären SM-Zentrums. Die klini-


sche Bedeutung liegt in ihren DD. Hämodynamisch u. prognostisch unbedeu-
tend.

Ursache
Bei organischer Herzerkr., meist bei akutem/subakutem MI od. bei Digitalisinto-
xikation. Typisch in der Reperfusionsphase nach Wiedereröffnung eines throm-
botisch verschlossenen Koronargefäßes.

EKG
• Wechsel zwischen Sinus- u. ventrikulärem Rhythmus (▶ Abb. 7.39).
• Ventrikulärer Rhythmus zeigt alle Charakteristika der VT (AV-Dissoziation
od. retrograde VA-Leitung, „ventricular capture“, Fusionssystolen ▶ 7.9). Es
besteht jedoch eine charakteristisch niedrige Frequenz zwischen 60 u.
100/Min. Gleiches Frequenzniveau wie Sinusrhythmus, deshalb konkurrieren
beide Rhythmen.

Akzelerierter idioventrikulärer
Rhythmus

aVR

aVL
7

aVF

Abb. 7.39 Akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus [L115]

EKG-DD
• Anhaltende od. nichtanhaltende VT: Frequenz > 120/Min.
• Ventrikulärer Ersatzrhythmus bei AV-Block III° od. Sinusarrest mit tertiärem
Ersatzrhythmus: Frequenz meist zwischen 30 u. 50/Min.
454 7 Herzrhythmusstörungen 

• Ventrikuläre Parasystolie (▶ 7.10.2): parasystolischer Grundrhythmus meist


bradykarder; parasystolische Tachykardie meist > 100/Min.

Therapie
Keine.

7.11 Plötzlicher Herztod
Reanimation ▶ 2.1.2.

7.11.1 Grundlagen
Definition
Natürlicher, unerwarteter Tod kardialer Genese innerhalb 1 h nach Auftreten von
Symptomen. Beim „witnessed death“ muss nach der Def. der Herztod durch einen
Zeugen beobachtet worden sein. Diese Def. des rhythmogenen „Sekundenherz-
tods“ grenzt gegen den Herztod bei Pumpversagen ab.

Häufigkeit
15–20 % aller natürlichen Todesfälle in den westlichen Ländern. 70.000–100.000
Fälle/J. in der BRD. 2 Häufigkeitsgipfel: Geburt bis 6. Mon. (SIDS – „sudden in-
fant death syndrome“) u. 45–75 J. Männer : Frauen bei < 65 J. 4 : 1; bei > 75 J. 2 : 1.
Sehr hohe Rezidivrate: 30 % im 1. J., 45 % in den ersten beiden Jahren. In über
70 % Kammertachykardie, die in Kammerflimmern degeneriert, in < 10 % primä-
res Kammerflimmern u. in ca. 15 % Asystolie od. Bradykardie.

Pathophysiologie
Multifaktorielles Geschehen, komplexe Interaktion zwischen:
• Arrhythmogenem Substrat: meist bei chron. infarziertem Myokard als Folge
einer KHK, in < 25 % bei akutem MI. Ein strukturell unauffälliges Myokard
ist die Ausnahme („primär elektrische Herzerkr.“).
• Triggerfaktoren: eine od. mehrere VES, kurze Kammertachykardien.
• Modulierende Faktoren:
7 – Myokardischämie: Leitungsverzögerung bis -blockierung als Folge von
Myokardischämien in Randzonen infarzierten Myokards.
– Metabolische Faktoren: Hypokaliämie, -kalziämie, -magnesiämie, Hyp­
oxie, Anämie, Azidose, Alkalose.
– Neurohormonale Faktoren: Imbalance des sympathischen/parasympathi-
schen Nervensystems, erhöhte endogene Plasma-Katecholamine.
– Pharmaka: Antiarrhythmika, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva,
Digitalisglykoside.
Folge: Auftreten von Reentry-Kreisen od. einer fokalen Impulsbildung:
• Arrhythmogenes Substrat → inhomogene Erregungsausbreitung u. inhomo-
gene Repolarisation → Begünstigung von Wiedererregungen (Reentry ▶ 7.5).
• Erhöhte Automatie von Purkinje-Fasern im Infarktbereich (▶ 7.5).
Ätiologie
• KHK: häufigste Ursache (80 %) des plötzlichen Herztods. In ca. 75 % ist eine
KHK bereits bekannt, bei 25 % ist der plötzliche Herztod Erstmanifestation.
Die RF des plötzlichen Herztods sind die gleichen wie bei der KHK.
 7.11 Plötzlicher Herztod  455

•  CM (▶ 5.1.1).
H
•  CM (▶ 5.1.2).
D
•  RVD (▶ 5.1.4, ▶ 7.9.7).
A
• MKP (▶ 4.6).
• AS (▶ 4.7): seltene Manifestation, auch nach Klappenersatz. Ursachen: exten-
sive Verkalkungen mit Läsion des spezifischen Leitungssystems (Gefahr des
totalen AV-Blocks), ventrikuläre Arrhythmien, elektrische Instabilität bei
Myokardhypertrophie, koronare Thrombembolien.
• Kongenitale Vitien: V. a. bei AS u. Re-li-Shunt-Vitien mit Eisenmenger-Syn-
drom. Gefahr letaler Arrhythmien auch nach operativer Korrektur bei Fallot-
Tetralogie, TGA u. AV-Kanal-Komplex.
• Nichtarteriosklerotische Erkr. der Koronarien:
– Anomaler Ursprung der li Koronararterie: aus A. pulmonalis (Bland-
White-Garland-Sy.) od. re koronartragender AoK-Tasche.
– Anomaler Ursprung der re Koronararterie: Aus li koronartragender Klap-
pentasche („single coronary artery“ → Abgang des gesamten Koronarge-
fäßsystems aus einem aortalen Koronarostium).
– Kongenital hypoplastische, atretische od. stenotische Koronargefäße.
– Kawasaki-Sy. (mukokutanes Lymphknoten-Sy.).
• „Primär elektrische Erkr.“:
– Kanalopathien: Long-QT-, Brugada-, Short-QT-Sy.
– WPW-Sy.: bei VHF mit schneller Kammerüberleitung.

7.11.2 Diagnostik u. Sekundärprophylaxe
• Detaillierte Diagn. von Grunderkr. u. Rhythmus zur Erkennung der RF ar-
rhythmischer Ereignisse. Grundsätze der allgemeinen Arrhythmiediagn.
strikt einhalten (▶ 7.1, ▶ 7.5, ▶ 7.9).
• Besonderheiten: Pat. haben aufgrund des nahezu fatalen Ereignisses eine ab-
solute Behandlungsind. u. ohne Ther. eine außerordentlich schlechte Lang-
zeitprognose.
• Ätiol. klären: Ausschluss eines akuten MI, E’lytentgleisung, Medikamenten-
einflüsse als Ursache der VT. Absolute Ind. zur Linksherzkatheteruntersu-
chung einschließlich Koro.
7
Rhythmusdiagnostik
Vollständige Rhythmusdiagn. durchführen (▶ 7.1, ▶ 7.5, ▶ 7.9).
• Langzeit-EKG: oft keine od. nur wenige ventrikuläre Arrhythmien nachweis-
bar. Zur Reanimation führende Arrhythmie nur selten erfasst (Ausnahme:
bradykarde Arrhythmie, z. B. intermittierender AV-Block), deshalb Ther.-Ef-
fekte durch serielle Testung von Antiarrhythmika mittels Langzeit-EKG nicht
zuverlässig nachweisbar.
• EPU: vollständige EPU einschließlich Prüfung von Sinusknotenfunktion u.
AV-Leitung (HIS-EKG ▶ 7.4.1, ▶ 7.4.2, ▶ 7.4.3). Nur 30–40 % der zur Reani-
mation führenden Arrhythmien sind auslösbar. Prädiktiver Wert einer EPU
zur Abschätzung der weiteren Prognose nach überlebtem plötzlichem Herz-
tod ist deshalb gering → Ergebnis der EPU nicht allein zur weiteren Ther.-Pla-
nung heranziehen.
456 7 Herzrhythmusstörungen 

Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztods


• Gabe von Betablockern bei allen Pat. mit überlebtem plötzlichem Herztod u.
struktureller Herzerkr. indiziert.
• Bei Ereignis innerhalb der ersten 48 h nach MI ist keine spezifische Sekundär-
prophylaxe notwendig, Gabe von Betablockern.
• Bei einem Ereignis mit potenziell korrigierbarer Ursache (z. B. schwere trans-
murale Ischämie bei kritischer prox. Stenose eines Koronargefäßes, nachweis-
liche vasospastische A. p., schwere Hypokaliämie, belastungsinduziert bei kri-
tischer AS) zunächst Ursache korrigieren u. danach weitere Risikostratifizie-
rung durchführen. Eine deutliche eingeschränkte LV-Funktion, nichtanhal-
tende Kammertachykardien im Langzeit-EKG, Auffälligkeiten bei
nichtinvasiven elektrophysiologischen Testverfahren u. induzierbare ventri-
kuläre Tachyarrhythmien in der EPU sollten zur Entscheidung für eine spezi-
fische Sekundärprophylaxe, i. d. R. mit ICD führen.
• Bei plötzlichem Herztod ohne erkennbare od. zumindest mittelfristig reversi-
ble Ursache sollte ein ICD implantiert werden. Eine antiarrhythmische Ther.
mit Amiodaron ist bei Pat. mit EF > 40 % der ICD-Ther. nicht signifikant un-
terlegen, sollte aber nach Expertenkonsensus nur bei Pat. mit limitierter Pro-
gnose od. bei Ablehnung der ICD-Ther. angewandt werden.
Automatischer implantierbarer Defibrillator
ICD (▶ 12.5) grundsätzlich bei allen Pat. mit überlebtem plötzlichem Herztod oh-
ne korrigierbare Ursache indiziert. Prognosebestimmend ist dann die Grunderkr.,
insbes. ein Fortschreiten der Herzinsuffizienz. Es konnte jedoch gezeigt werden,
dass gerade Pat. mit schlechter LV-Pumpfunktion (LVEF < 35 %) am deutlichsten
von einem ICD profitieren.

7.11.3 Primärprophylaxe des plötzlichen Herztods


In Deutschland sterben mehr als 80.000 Menschen pro Jahr am plötzlichen Herz-
tod. Der Identifizierung u. risikoorientierten Behandlung solcher Pat. kommt eine
bes. Bedeutung zu.

Tipps & Tricks


7 • Keine prophylaktische antiarrhythmische Ther. mit Antiarrhythmika
bei Postinfarkt-Pat. mit eingeschränkter LV-Funktion.
• Klasse-I-Antiarrhythmika unterdrücken meist komplexe VES. Dies
führt aber nicht zur Reduktion der Mortalität u. der Häufigkeit des
plötzlichen Herztods. Durch proarrhythmische Effekte muss sogar eine
höhere Sterblichkeit der antiarrhythmisch Behandelten befürchtet wer-
den (CAST I u. II).
• Die Ineffektivität von Klasse-I-Antiarrhythmika zur Verhinderung des
plötzlichen Herztods kann nicht auf alle Pat.-Gruppen übertragen wer-
den. Streng genommen gilt dies nur für Postinfarkt-Pat., die keiner
Hochrisikogruppe angehören, u. für die Behandlung mit Flecainid u.
Encainid. Hochgefährdete Pat. mit malignen ventrikulären Tachyar-
rhythmien können von einer kritisch überwachten Antiarrhythmika-
ther. profitieren (▶ 7.5). Bei Non-Respondern großzügig nichtmed.
Ther.-Verfahren (operativ, ICD-Implantation ▶ 12.6) einsetzen.
 7.11 Plötzlicher Herztod  457

Risikostratifizierung
Ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod besteht bei
• reduzierter LV-Funktion (LVEF < 30–40 %),
• nichtrevaskularisierter 3-GE, Hauptstamm- od. prox. LAD-Stenose,
• Nachweis ventrikulärer Salven im Langzeit-EKG bei struktureller Herzerkr.,
• Auslösbarkeit ventrikulärer Tachyarrhythmien,
• Nachweis von Spätpotenzialen,
• eingeschränkter HF-Variabilität,
• reduzierter „heart rate turbulance“,
• Nachweis eines T-Wellen-Alternans.
Trotz intensiver Beforschung elektrophysiologischer Prädiktoren konnte ein
praktikabler Algorithmus zur Risikostratifizierung bislang nicht erarbeitet wer-
den. Nach wie vor gilt die LV-Funktion als bester Prädiktor für den plötzlichen
Herztod.

Risikofaktoren für „arrhythmische Ereignisse“


• Größe des MI bestimmt das Ausmaß der Pumpfunktionseinschränkung
u. die elektrische Instabilität.
• A. p. nach MI: Hinweis auf Gefährdung durch Infarktrezidiv od. ischä-
mieabhängige elektrische Instabilität.
• LV-Funktion: sehr aussagekräftiger Parameter. Je schlechter die EF, desto
größer die Gefahr des plötzlichen Herztods (▶ Tab. 7.11).
• Ventrikuläre Spätpotenziale: bei Nachweis 4-fach erhöhtes Risiko
(▶ Tab. 7.11).
• Komplexe ventrikuläre Arrhythmien (▶ 7.10.1): unabhängiger Risikoin-
dikator. Bei VES > 10/h od. nichtanhaltenden VT (< 30 s) ist das Risiko
auf das 2–4-Fache erhöht. Spezifität jedoch gering. Um die individuelle
Gefährdung zu beurteilen, weitere Kriterien (LV-Funktion, induzierbare
Arrhythmien) einbeziehen.
• Induzierbare Kammerarrhythmien durch programmierte Stimulation:
bei Induktion anhaltender VT hohe Gefährdung durch Arrhythmieereig-
nisse (Risiko des plötzlichen Herztods um das 3-Fache erhöht).
• Weitere Faktoren: Untersuchungen zur HF-Variabilität u. Baroreflex-
Sensitivität beurteilen Interaktionen von autonomem Nervensystem u.
elektrischer Stabilität. Derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersu-
chungen.
7
• Koro: prädiktiver Wert noch nicht definiert. Es besteht jedoch ein enger
Zusammenhang zwischen KHK u. plötzlichen Herztod (s. o.).

! Bei EF < 40 % u. Zeichen der Herzinsuff. ist das Risiko des plötzlichen Herz-
tods auf das 11-Fache erhöht!
! Eine Verminderung der Häufigkeit u. Komplexität von VES durch antiar-
rhythmische Ther. führt nicht generell zur Verbesserung der Prognose nach
MI (CAST I u. II).
458 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.11 Risikostratifizierung Gefährdung durch arrhythmische Ereignisse


Anzahl RF RF Häufigkeit arrhythmischer
Episoden
1 • EF < 40 %, Spätpotenziale od. VES-Häu- 20–30 %
figkeit > 10/h
2 • Spätpotenziale + VES > 10/h oder 30–40 %
• Spätpotenziale + EF < 40 % oder
• VES > 10/h + EF < 40 %
3 • Spätpotenziale + VES > 10/h + EF < 40 % 50 %

Medikamentöse Primärprophylaxe
• Betablocker: Am besten belegte Substanz zur Reduktion der Mortalität bei
Pat. mit KHK und herzinsuffizienten Patienten. In großen Studien untersucht
sind Metoprolol, Bisoprolol u. Carvedilol. Zu warnen ist vor Betablockern mit
ISA, die das Risiko eines plötzlichen Herztods erhöhen können.
• Amiodaron: senkt bei Postinfarkt-Pat. mit reduzierter LV-Funktion (LVEF
< 35 %) die Rate des plötzlichen Herztods, reduziert nicht die Gesamtmortali-
tät. Auch bei herzinsuffizienten Pat. wurde unabhängig von der Ätiol. keine
Reduktion der Gesamtmortalität durch Amiodaron im Vergleich zu Placebo
nachgewiesen. Komb. von Amiodaron + Betablocker scheint prognostisch
günstiger zu sein als eine alleinige Amiodaron-Gabe.
• Sotalol: Es liegen keine ausreichenden Daten zum Einsatz in der Primärpro-
phylaxe des plötzlichen Herztods vor. Da allerdings unter d-Sotalol (re-dre-
hendes Racemat ohne betablockierende Wirkung) eine Exzessmortalität bei
Postinfarkt-Pat. auftrat, wird auch der Einsatz der Komb.-Substanz nicht
empfohlen.
• Klasse-IA- od. -IC-Antiarrhythmika: zur Primärprophylaxe des plötzlichen
Herztods kontraindiziert.
• ACE-Hemmer: Mortalitätsreduktion sowohl für Postinfarkt-Pat. als auch für
Pat. mit eingeschränkter LV-Funktion. Neben der Besserung der Herzinsuff.
durch Beeinflussung der neurohumoralen Regulation auch Senkung der Rate
des plötzlichen Herztods. Bei geringer Datenlage scheint dies auch für die
AT1-Rezeptorantagonisten zu gelten.
7 • Spironolacton, Eplerenone: ebenfalls Reduktion von Gesamtmortalität u.
plötzlichem Herztod bei Pat. mit fortgeschrittener Herzinsuff. bzw. nach MI
mit schwer eingeschränkter LV-Funktion.

Kardioverter-Defibrillator (ICD)
Hocheffektives, aber auch den Pat. belastendes u. teures Instrument zur Prophyla-
xe des plötzlichen Herztods. Nach aktueller Leitlinienlage (2006) ist eine primär-
präventive ICD-Implantation indiziert
• bei Pat. mit schwer eingeschränkter LV-Funktion > 3 Wo. nach MI (LVEF
≤ 30 %).
• bei Pat. mit chron. Herzinsuff. in den Stadien NYHA II u. III sowie einer
LVEF ≤ 35 % unabhängig von der Grunderkr., sofern eine Gesamtprognose
des Pat. von mehr als 2 J. zu erwarten ist.
• bei Pat. mit über mehr als 9 Mon. bestehender DCM mit LVEF ≤ 30 %.
• bei HCM u. Risikokonstellation.
• bei Kanalopathie (Long-QT-, Brugada-, Short-QT-Sy.) u. Risikokonstellation.
 7.12 Arrhythmien u. extrakardiale Einflüsse  459

Die Leitlinien enthalten einen gewissen Widerspruch bzgl. der Vorgehensweise


bei Pat. mit DCM. Hier haben Primärpräventionsstudien keinen sicheren Benefit
der ICD-Ther. ergeben, allerdings konnte in der SCD-HeFT-Studie mit einem na-
hezu 50-prozentigen Anteil an Pat. mit nichtischämischer CMP ein günstiger Ef-
fekt der ICD-Ther. nachgewiesen werden. Kritisch ist eine prophylaktische ICD-
Implantation auch bei Pat. mit weit fortgeschrittener Herzinsuff. zu sehen, insbes.
wenn keine Optionen einer Besserung der Herzinsuff.-Symptomatik (med., CRT.,
„bridge to transplant“) mehr bestehen.

7.12 Arrhythmien u. extrakardiale Einflüsse


7.12.1 Arrhythmien in der Schwangerschaft
Alle kardialen Arrhythmien sind auch in der Schwangerschaft möglich. Besonder-
heiten ergeben sich aus der geänderten Hämodynamik in der Schwangerschaft
(▶ 4.22) u. veränderten Pharmakokinetik.

Indikationen zur medikamentösen Therapie


• Akutther. u. Rezidivprophylaxe bei lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien
(VT, Kammerflimmern).
• Akutther. u. Rezidivprophylaxe prognostisch belasteter Arrhythmien: Gefahr
des plötzlichen Herztods, hämodynamisch intolerable Arrhythmien bei orga-
nischer Herzerkr.

Therapieprinzipien
• Sehr strenge Ind.-Stellung.
• Restriktiver Umgang mit Antiarrhythmika mit sehr sorgfältiger Nutzen-Risi-
ko-Abwägung.
• Blutspiegelbestimmungen bis zum Ende der Stillperiode zur Dosisfindung.
Häufigkeit individuell festlegen (in Abhängigkeit von antiarrhythmischer Ef-
fektivität u. Steady-State- des Plasmaspiegels des Medikaments).

Therapiemöglichkeiten
Bei Rhythmusstörungen in der Schwangerschaft, die eine therap. Intervention er-
fordern, folgende Pharmaka bevorzugen (▶ Tab. 7.12):
7
• Bradykarde Arrhythmien: keine med. Ther.; falls erforderlich SM (▶ 12.5,
▶ 12.6).
• Tachykarde Arrhythmien:
– Sinustachykardie: Betablocker (▶ 11.3.3, ▶ 11.6.8), Digitalis (▶ 11.1.1).
– SVES: Betablocker, Verapamil (▶ 11.6.12).
– SVT: Betablocker, Verapamil, Digitalis.
– Vorhofflimmern/-flattern: Digitalis, Verapamil, Betablocker, Elektrother.
– VES: Lidocain, Betablocker.
– VT: Lidocain (▶ 11.6.4), Propafenon (▶ 11.6.7), Elektrother.
– Kammerflimmern: Elektrotherapie.
460 7 Herzrhythmusstörungen 

Tab. 7.12 Antiarrhythmika in der Schwangerschaft


Medikament Plazentapassage Muttermilch Schwangerschaft Fetus
Chinidin + + Wehen, Abort Nervenschäden
Ajmalin ? ? ? ?
Lidocain + + ? ?
Propafenon + + ? ?
Betablocker + + ? 1)
Sotalol + + Wehen 1)
Amiodaron + ? 2)
Verapamil + + Wehenhemmung ?
Digitalis + + – –
+ Auswirkungen/nachweisbar, – Keine Auswirkungen, ? Nicht bekannt
1) Intrauterine Wachstumsverzögerung, Atemdepression p. p., Hypoglykämie,
­Bradykardie
2) Teratogen, Hyperthyreose, zerebrale Schäden

Tipps & Tricks


• Die Hauptgefahr für das Kind wird nicht durch die Arrhythmie, son-
dern durch die zugrunde liegende organische Herzerkr. der Mutter be-
stimmt.
• Bei den meisten Antiarrhythmika liegen für die Anwendung in der
Schwangerschaft nur wenige Informationen vor. Auch bei fehlenden
Hinweisen auf nachteilige Effekte kann keine unbedenkliche Anwen-
dung erfolgen.

7.12.2 Arrhythmien bei Sportlern


• Reizbildungs- u. Erregungsleitungsstörungen durch trainingsbedingte Vago-
tonie:
7 – Sinusbradykardie, HF < 30/Min. nicht ungewöhnlich.
– Ausgeprägte respiratorische Arrhythmien.
– Verlängerung der PQ-Zeit: AV-Block I°, II° Typ Wenckebach; selten
­Mobitz-II-Block (▶ 7.4.2).
– Einfache AV-Dissoziation, Ersatzrhythmen (▶ 7.4.4).
• SA-Blockierungen, AV-Block III° u. intraventrikuläre Reizleitungsstörun-
gen (abgesehen vom inkompletten RSB) weisen auf eine organische Ursache.
Exakte rhythmologische Diagn. (▶ 7.2).
• Tachykarde Arrhythmien auch bei ansonsten gesunden Sportlern durch ver-
mehrte Adrenalin- u. Noradrenalinausschüttung möglich: Bei plötzlichem
Abbruch einer Höchstbelastung mit nachfolgender Hypotonie können be-
drohliche Tachyarrhythmien auftreten.

Bei Sportlern mit Synkope u./od. Adams-Stokes-Anfällen immer konsequen-


te rhythmologische Diagn., im Zweifelsfall einschließlich invasiver Verfah-
ren, durchführen.
 7.12 Arrhythmien u. extrakardiale Einflüsse  461

7.12.3 Arrhythmien u. Narkose
Risiko abhängig von Schwere u. Dauer des operativen Eingriffs, Kompensations-
grad der zugrunde liegenden kardialen Erkr. u. Ausmaß („Malignitätsgrad“) der
Arrhythmie.
• Bradykarde Arrhythmien: Ein Risiko besteht in der Ein- u. Ausleitungsphase
der Narkose, bei ungenügender Narkosetiefe u. vagalen Reizen. Temporäre
SM-Therapie.
• Tachykarde Arrhythmien: Gefährdung v. a. durch präop. nicht kompensierte
tachykarde Arrhythmien od. deren Provokation intraop. durch Myokardisch-
ämie od. sympathoadrenerge Gegenregulation (bei Hypovolämie, Hypoxie,
ungenügender Narkosetiefe):
– antiarrhythmische Ther. auch periop. weiterführen (auch am Morgen vor
OP, ggf. i. v.),
– Tachykardie, Hypertonie u. Druckerhöhung im kleinen Kreislauf durch
geeignetes Narkoseverfahren, z. B. Neuroleptanalgesie, vermeiden,
– med. u. elektrische Notfallther. bereithalten.

7
8 Herzinsuffizienz, pulmonale
Hypertonie (PAH)
Ulrich Stierle

8.1  athophysiologie 464


P 8.5  kutes Cor pulmonale 494
A
8.2 Chronische Herzinsuffi­ 8.6 Herztransplantation 496
zienz 466 8.6.1 Indikationen 496
8.2.1 Klinik 466 8.6.2 Kontraindikationen 497
8.2.2 Diagnostik 468 8.6.3 Prognose nach
8.2.3 Natürlicher Verlauf, ­Herztransplantation 497
Prognose 473 8.6.4 Voruntersuchungen vor
8.2.4 Therapie 474 ­Herztransplantation 497
8.2.5 Die diastolische Herzinsuffi­ 8.6.5 Auswahlkriterien für die
zienz („Herzinsuffizienz mit ­Organspende 498
erhaltener systolischer Funk­ 8.6.6 Komplikationen 498
tion“) 481 8.6.7 Immunsuppression in der
8.3 Akute Linksherzinsuffizienz – Nachbehandlung 499
Lungenödem 483 8.6.8 Verlaufskontrolle herztrans­
8.3.1 Klinik 483 plantierter Patienten 500
8.3.2 Diagnostik 483 8.6.9 Besonderheiten in der
8.3.3 Therapie 484 ­Nachbehandlung 500
8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmo­
nale Hypertonie 486
8.4.1 Ursachen der Rechtsherzinsuf­
fizienz 487
8.4.2 Klinik 487
8.4.3 Diagnostik 487
8.4.4 Differenzialdiagnose 489
8.4.5 Therapie 490
8.4.6 Pulmonale Hypertonie 490
464 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

8.1 Pathophysiologie
Unfähigkeit des Herzens, trotz ausreichendem venösem Blutangebot u. Füllungs-
drücken ein für den Bedarf des Organismus ausreichendes HZV zu fördern u. den
venösen Rückstrom wieder aufzunehmen (hämodynamische Definition). Durch
das Missverhältnis zwischen Angebot u. Bedarf kommt es zur Aktivierung von
Kompensationsmechanismen (Sympathikotonus ↑, RAAS ↑, Zytokine ↑), die
eine ausreichende Organperfusion ermöglichen, aber auch zum beschleunigten
Fortschreiten der Erkr. beitragen. Eine initial günstige Kompensation führt lang-
fristig zur Progression des Syndroms. Eine effektive Ther. greift v. a. an den patho-
physiologischen Prozessen des Sympathikus u. des RAAS an. „Herzinsuffizienz“
ist keine eigenständige klinische Entität, sondern ein komplexes klinisches Sy.
verschiedener Ursachen. Sie ist keine Diagnose, sondern ein deskriptiver Begriff,
der kardiale u. extrakardiale Störungen erfasst u. nie unabhängig von der zugrun-
de liegenden kardialen Erkr. gesehen werden darf.

Ursachen
Eine eingeschränkte Ventrikelfunktion ist Folge verschiedenster Noxen:
• Myokardiale Ursachen:
– KHK (▶ 3): bis 70 %. Innerhalb von 5 J. nach MI entwickeln 14 % der Pat.
eine Herzinsuff.
– Hypertensive Herzerkr. (▶ 9.1): 5–10 %.
– CMP (▶ 5): dilatativ, hypertroph, restriktiv.
– Spezifische Herzmuskelerkr. (▶ 5.2).
– Myokarditis (▶ 6.4).
• Angeborene u. erworbene Herzfehler (▶ 4).
• Tachy- u. Bradyarrhythmien (▶ 5).
• Intoxikationen: infekttoxisch, Adriamycin, Cyclophosphamid.
• Anämie, Hypovolämie, Hypoxie.
Häufigkeit
2–5 % aller 65–75-Jährigen, 10 % bei > 80-Jährigen. Männer : Frauen = 1,5 : 1. In
30–40 % „Herzinsuff. bei erhaltener Pumpfunktion“ (ventrikuläre Relaxations- u.
Compliance-Störung); „diastol. Herzinsuff.“. Bes. häufig bei älteren Frauen.

Adaptationsmechanismen
Bei gestörter kardialer Pumpfunktion werden kompensatorische Mechanismen
aktiviert, die ihrerseits zur Verschlechterung der Herzinsuff. beitragen können.
Intrinsische kardiale Adaptation
8 • Frank-Starling-Mechanismus: Durch Ventrikeldilatation verstärkte Vordeh-
nung der Herzmuskelfasern → Kontraktionskraft ↑.
• Myokardiale Hypertrophie: Folge einer Druck-Volumen-Belastung; Ver-
such, der erhöhten Wandspannung entgegenzuwirken.
• Veränderung der Ventrikelgeometrie durch Dilatation u. Hypertrophie.
Neuroendokrine Adaptation
• Aktivierung von sympathischem Nervensystem u. RAAS, Abnahme des Va-
gotonus. Folge: Tachykardie, Vasokonstriktion, Na+- u. Wasserretention, Er-
höhung der Vor- u. Nachlast.
• Erhöhung des intravasalen Flüssigkeitsvolumens. Folge: vermehrte Deh-
nungsreize auf myoendokrine Zellen des Herzens → vermehrte Ausschüttung
 8.1 Pathophysiologie 465

von ANP. Bei chron. Herzinsuff. überwiegen die vasokonstriktorischen Hor-


mone (AT II, Noradrenalin, Vasopressin).
• Zunahme der Plasmakatecholamine. Folge: Down-Regulation der
β-Adrenozeptoren, Abnahme des intrazellulären cAMP → physiologische Sti-
mulierbarkeit der Kontraktionskraft durch Noradrenalin wird reduziert.
• Erhöhte Vorlast (Venentonus ↑, intravasales Volumen ↑) u. erhöhte Nach-
last (Auswurfwiderstand ↑). Folge: Belastung des bereits in seiner Funktion
eingeschränkten Ventrikels nimmt weiter zu.
• Vermehrte Freisetzung von Renin durch Abnahme des renalen Perfusions-
drucks, Zunahme der sympathischen Stimulation, Zunahme der Na+-Kon-
zentration. Folge: vermehrte Umwandlung von Angiotensinogen in AT I
→ ACE überführt AT I in AT II (sehr starker Vasokonstriktor, Ausschüttung
von Katecholaminen, lokal wachstumsfördernde Wirkung → Myokardhyper-
trophie, Zunahme der Myokardfibrosierung).

Pathophysiologische Einteilung
Einteilung nach Schweregrad
• New York Heart Association Classification, 1964: NYHA-Stadien I–IV. Ein-
stufung der funktionellen Einschränkung der körperl. Leistungsfähigkeit,
körperl. Belastungstoleranz u. v. a. Dyspnoe als führendes Symptom (▶ 8.2.1).
• Canadian Cardiovascular Society Classification, 1975: CCS-Stadien I–IV:
Einstufung der funktionellen Einschränkung der körperl. Leistungsfähigkeit,
A. p. als führendes Symptom (▶ 3.4.1).
Einteilung nach Manifestationsdauer
• Chron. Herzinsuff.: Die kardiale Funktionsstörung entwickelt sich innerhalb
von Wo. bis Monaten. Adaptationsmechanismen können sich entwickeln,
vermindertes HZV wird besser toleriert. Ursachen:
– Chron. Druckbelastung: art. Hypertonie, PAH, AS.
– Chron. Volumenbelastung: AR, MR.
– Metabolische Störungen: Koronarinsuff.
– Verlust kontraktiler Einheiten: MI, Herzmuskelerkr. (Myokarditis, CMP),
Systemerkr. (Vaskulitiden, Stoffwechselstörungen).
• Akute Herzinsuff.: innerhalb von Minuten bis Stunden auftretende kardiale
Funktionsstörung. Ursachen: akute Myokardischämie mit/ohne MI, akute
Myokarditis, Arrhythmien (Vorhofflimmern, -flattern, Kammertachykardie),
Exazerbation einer chron. Herzinsuff.
Einteilung nach Kontraktions- u. Relaxationsverhalten
• Systol. Herzinsuff. (Vorwärtsversagen, Förderinsuff., „forward failure“): ver-
mindertes HZV bei primärer Kontraktionsstörung des Myokards mit konse- 8
kutiv reduzierter Organperfusion; oft mit erhöhtem systemischem (periphe-
rem) Gefäßwiderstand, Flüssigkeitsretention u. erhöhten Füllungsdrücken
(Kongestion!). Ursachen: alle Erkr., die zu einer myokardialen Kontraktions-
störung führen, z. B. DCM od. ausgedehnter MI.
• Diastol. Herzinsuff.: diastol. Funktionsstörung mit verminderter Ventrikel-
dehnbarkeit (▶ 8.2.5). Bei niedrigen od. normalen Füllungsdrücken wegen
fehlender Vordehnung (Frank-Starling-Mechanismus) Förderinsuffizienz
(HZV ↓). Bei hohen Füllungsdrücken normales HZV, jedoch Stauungszei-
chen („backward failure“). Die systol. Ventrikelfunktion kann ungestört sein.
Ursachen: vorwiegend Compliance-Störung (infiltrative CMP wie Amyloido-
466 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

se u. Hämochromatose, RCM, konstriktive Perikarderkr., Transplantatabsto-


ßung), vorwiegend Relaxationsstörung (art. Hypertonie, HCM, KHK, AS),
Compliance- u. Relaxationsstörung (Druck- u. Volumenbelastung des RV),
diastol. Herzinsuff. bei normaler Dehnbarkeit (MS, LA-Myxom).
Einteilung nach Lokalisation
Links-/Rechtsherzinsuff.: Herzinsuff. aufgrund einer eingeschränkten LV- od.
RV-Pumpfunktion. Isolierte Rechtsherzinsuff. selten, meist Folge einer Links-
herzinsuff. mit pulmonaler Kongestion u. sek. RV-Belastung (globale Herzin-
suff.).
Einteilung nach Herzzeitvolumen
• Low-Output-Failure: erniedrigtes HZV, niedrige zentrale gemischt venöse
SO2, reduzierte Organperfusion. Ursachen: alle Formen einer eingeschränk-
ten LV-Pumpleistung.
• High-Output-Failure: Trotz erhöhtem HZV ungenügende Blutversorgung
der Peripherie. Bei erhöhtem O2-Bedarf ist das HZV rel. zu niedrig, die zent-
rale gemischt venöse SO2 ist ebenfalls erniedrigt. Ursachen: Anämie, Fieber,
Thyreotoxikose, arteriovenöse Shunts.

8.2 Chronische Herzinsuffizienz
Besteht bei 0,5–1 % der Bevölkerung, bei > 65 J. 3 %. Häufiger bei Männern (höhe-
re Prävalenz der KHK) als bei Frauen.

8.2.1 Klinik

Leitbefunde
• Linksherzinsuff.: Dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe,
Hämoptysis, Lungenödem, Müdigkeit, Nykturie, Hustenreiz, Pleuraerguss,
Cheyne-Stokes-Atmung, Zyanose, Tachykardie, Pulsus alternans. Hebender
Herzspitzenstoß, 3. u. 4. HT, betonter P2 des 2. HT, pulmonale RG, Kardio-
megalie, MR.
• Rechtsherzinsuff.: Müdigkeit, Ödeme, Leberstauung, Übelkeit, Anorexie,
Meteorismus, Nykturie, Aszites, Pleuraerguss. Jugularvenendistension,
pos. hepatojugulärer Reflux, RV-Impuls epigastrisch. Re-seitiger Vorhof-
od. Ventrikelgalopp, lauter P2 des 2. HT, TR.

Beschwerden korrelieren nur gering mit der zugrunde liegenden Einschränkung


8 der Ventrikelfunktion: Bei fortgeschrittener eingeschränkter systol. Ventrikel-
funktion kann Pat. symptomlos sein, bei normaler systol. Ventrikelfunktion kann
er hochsymptomatisch unter Dyspnoe leiden.
• Dyspnoe: wichtigstes Symptom zur Beurteilung der kardiopulmonalen Leis-
tungsbreite (NYHA-Klassifikation ▶ Tab. 8.1). Zunächst nur bei schweren
Anstrengungen, bei fortschreitender Erkr. bei leichteren Belastungen u.
schließlich auch in Ruhe (Sprechdyspnoe). Oft kombiniert mit Hustenreiz,
Stauungsbronchitis, Bronchiolitis.
• Orthopnoe: Atemnot in Ruhe mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Nacht-
ruhe mit erhöhtem Oberkörper (Blutumverteilung im Sitzen senkt Vorlast u.
Atemarbeit).
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 467

• Paroxysmale nächtliche Dyspnoe: Hochgradige Luftnot u. Hustenattacken


wecken Pat. aus dem Nachtschlaf, Erleichterung durch Aufsetzen od. Aufste-
hen.
! Hinweis auf drohende klinische Verschlechterung der Herzinsuff.!
• Reizhusten (Stauungshusten): trocken od. mit Auswurf unter Beimengung
von Blut (Hämoptysis). Husten oft Erstsymptom der pulmonalen Stauung.
• Asthma cardiale: Asthma-Komponente dominiert, mit Ruhedyspnoe, Ortho-
pnoe u. Tachypnoe. Zeichen der bronchialen Obstruktion (exspiratorischer
Stridor, Giemen u. Brummen). Oft bei paroxysmaler nächtlicher Dyspnoe.
• Lungenödem: Ruhedyspnoe, Orthopnoe, Tachypnoe. Oft Distanzrasseln,
Auswurf von geringen Mengen blutig tingiertem, schaumigem Sputum.
• Ödeme: symmetrische prätibiale u. Knöchelödeme während des Tags. Nachts
wird das retinierte Wasser wieder ausgeschieden (Nykturie). Pleuraerguss
(re > li). Im fortgeschrittenen Stadium (oder bei isolierter Rechtsherzinsuff.)
ausgedehnte Hautödeme (Anasarka) an Kreuzbein, Flanken, Oberschenkel,
Genitale. Bei Rechtsherzinsuff. außerdem Hydroperikard, Aszites, Leberstau-
ung mit Oberbauchschmerzen, Inappetenz, Völlegefühl u. Übelkeit (Stau-
ungsgastritis), Blähungsgefühl (intestinale Stauung), Pulsationen gestauter
Halsvenen (TR).
• Leistungsminderung: generalisiertes Leistungsdefizit („Leistungsknick“,
Schwäche, Erschöpfung, Müdigkeit). Oft bereits vor Dyspnoe.
• Symptome kardialer Grunderkr.:
– Schwindel, Synkopen: Arrhythmien, AS, CMP, RVOT- bzw. LVOT-Obst-
ruktion.
– Brustschmerzen: KHK, Aortenvitium, Mitralvitium, ischämische CMP,
art. Hypertonie, PAH.
– Palpitationen: Arrhythmien, AS, MS.

Tab. 8.1 Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz (revidierte NYHA-Klassifika­


tion)
Stadium Dyspnoe
I Keine Beschwerden1 bei Alltagsbelastung
II Leichte Beschwerden bei Alltagsbelastung
III Erhebliche Leistungsminderung bei Alltagsbelastung
IV Ruhedyspnoe
1
 Beschwerden = inadäquate Erschöpfung, Dyspnoe, A. p. u./od. Rhythmusstörungen

Komplikationen 8
• Akute Dekompensation (▶ 8.2.4).
• Thrombembolien: bei mittelschwerer u. schwerer Herzinsuff. (NYHA III, IV)
erhöhtes Risiko systemart. (LV-, murale Thromben, LA-Thromben bei VHF)
u. pulmonalart. Thrombembolien (venöse Thrombosen bei Immobilität u. er-
niedrigtem HZV).
• Vorhofflimmern, -flattern durch Vorhofbelastung u. zugrunde liegende
Herzerkrankung. Häufig Ausgangspunkt einer Dekompensation der Herzin-
suff. (Verschlechterung der Hämodynamik durch Verlust des Vorhofbeitrags
zur Ventrikelfüllung).
468 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

• Ventrikuläre Arrhythmien (▶ 7.9, ▶ 7.10, ▶ 7.11): 40–50 % aller Pat. mit


schwerer Herzinsuff. versterben an einem plötzlichen Herztod. Häufigste Ar-
rhythmien: Kammertachykardie, Kammerflimmern, VHF, in 10–20 % brady-
karde Arrhythmien mit Asystolie. Diagn. u. Risikostratifizierung ▶ 7.11.

8.2.2 Diagnostik
Anamnese
• Aktuelle Beschwerden (▶ 8.2.1).
• Hinweise auf Ursache (▶ 8.1): bekannte kardiale Grunderkr., art. Hypertonie,
pulmonale Erkr., RF für Atherosklerose.
• Verlauf: Dauer der Beschwerden; KO, z. B. Dekompensation, Embolien od.
Arrhythmien.
• Medikation: aktuelle Medikation u. therap. Ansprechen, Änderungen der
Medikation in Zusammenhang mit Änderung der Symptomatik, Verlässlich-
keit der Medikamenteneinnahme.
• Änderungen des Lebensstils, außergewöhnliche Belastungen.
! Extrakardiale Erkr. als Ursache od. mit Wirkung auf Herzinsuff.: generalisier-
te Atherosklerose, pulmonale, hepatorenale Erkr., endokrine Störungen, Me-
dikamente für extrakardiale Erkr.

Körperliche Untersuchung
Inspektion
Bei leichter Herzinsuff. oft unauffällig.
• Periphere Zyanose durch periphere Vasokonstriktion u. vermehrte periphere
O2-Ausschöpfung („periphere Hypoperfusion“).
• Halsvenendistension bei erhöhtem ZVD: sichtbare Halsvenenstauung bei
45° Oberkörperhochlage. Prominente a-Welle bei RV-Funktionseinschrän-
kung, prominente v-Welle bei TR, tiefes y-Tal bei Pericarditis constrictiva
(▶ 6.7).
! Halsvenenstauung kann unter diuretischer Ther. fehlen!
• Cheyne-Stokes-Atmung: rhythmischer Wechsel von Atemfrequenz u. -am­
plitude (von Apnoephasen bis zur Hyperventilation). Crescendo-Decrescen-
do-Charakter. Vermehrt obstruktive Schlafapnoe.
• Periphere Ödeme, Anasarka: überwiegend symmetrisch verteilt, initial über
den abhängigen Partien (Fußrücken, prätibial, Knöchelregion, über Sakralre-
gion bei Bettlägerigen).
• Leichter Ikterus (hepatische Kongestion).
• Kardiale Kachexie: V. a. bei langjähriger Rechtsherzinsuff. mit intestinaler
8 Kongestion (Anorexie, intestinaler Fett- u. Proteinverlust).
Palpation
• Pulsqualität: tachykard, geringe Amplitude („wenig gefüllt“). Absolut (ta-
chy-)arrhythmisch bei VHF (▶ 7.7.6, ▶ 7.7.7). Pulsus alternans (Änderung
der Pulsamplitude von Schlag zu Schlag) bei schwerer LV-Dysfunktion.
• Herzspitzenstoß: nach li u. unten verlagert (gut palpabel in Linksseitenlage),
evtl. apikaler Doppelimpuls bei tastbarem 4. HT.
• Hepato-(abdomino-)jugulärer Reflux: bei flacher Rückenlage u. normaler
Atmung Periumbilikalregion für 10–30 s komprimieren. Physiologisch steigt
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 469

der sichtbare Halsvenendruck nur gering u. nur vorübergehend an. Andau-


ernder u. deutlicher Anstieg bei erhöhtem ZVD, RV-Dysfunktion od. TR.
• Hepatomegalie: bei Rechtsherzinsuffizienz. Evtl. palpable Leberpulsationen
bei ausgeprägter TR.
• Aszites (s. o.).
• Pleuraerguss: häufig re > li.
Auskultation
• Galopprhythmus („Dreier-Rhythmus“, Vorhof-, Ventrikelgalopp) durch
­diastol. Extraton bei Tachykardie. Häufigste Form: Summationsgalopp
durch Verschmelzung des 3. u. 4. HT.
• 3. HT: leise, dumpf, tieffrequent. In früher Diastole zum Zeitpunkt der früh-
diastol. Füllungsphase.
• 4. HT: leise, tieffrequent; spätdiastol. (präsystol.) nach der Vorhofkontrak­
tion.
• 1. HT: eher leise durch verminderte ventrikuläre Druckanstiegsgeschwindig-
keit.
• 2. HT: dominante P2-Komponente bei PAH.
• Häufig systol. Geräusche durch rel. TR od. MR (Ventrikeldilatation).
• Pulmonale RG: nur bei kongestivem Verlauf. Anfangs vorwiegend basal
feuchte, teilweise ohrnahe RG, ggf. auch Entfaltungsknistern. Mit zunehmen-
der Kongestion RG über allen Lungenarealen, im Extremfall Distanzrasseln
bei Lungenödem. Bei Asthma cardiale bronchospastische Komponente mit
verlängertem Exspirium u. giemenden RG. Bei Pleuraerguss abgeschwächte
AG (und evtl. Kompressionsatmen) dorsobasal.
• Zusätzliche kardiale Auskultationsbefunde durch kardiale Grunderkr. kön-
nen das klinische Bild beherrschen od. durch die Herzinsuff. in ihrer Ausprä-
gung abgeschwächt werden.

Labordiagnostik
• Leichte Herzinsuff.: E’lyte, Krea u. Leberenzyme meist normal.
• Mittelschwere bis schwere Herzinsuff.: Na+ ↓ (Verdünnungshyponatriämie,
Gesamtkörperbestand an Na+ erhöht!), Hypalbuminämie, hepatische Enzyme
(GOT, GPT, γ-GT, LDH, AP) ↑. K+ meist normal. K+ ↓ bei Ther. mit Schlei-
fendiuretika, K+ ↑ bei K+-sparenden Diuretika, Spironolacton, ACE-Hem-
mern (Vorsicht! V. a. bei Komb. von ACE-Hemmern u. K+-sparenden Diure-
tika), fortgeschrittener Niereninsuff. (mit Hyponatriämie, Krea- u. Harnstoff-
erhöhung, Bestimmung der GFR), Harnstoff, Harnsäure, Urinstatus, CRP,
BB, Glukose, Serumlipide, Gerinnungsparameter, Schilddrüsenhormone,
myokardiale Biomarker (Troponin, CK, CK-MB), BNP od. NT-proBNP.
8
Häufig sind die laborchemischen Veränderungen nicht alleinige Folge der
Herzinsuff., sondern auch Veränderungen im Rahmen der med. Ther. (z. B.
Na+, K+, Krea).

• Stellenwert des BNP/NT-proBNP: B-type natriuretic peptide, synthetisiert


im Ventrikelmyokard (neuroendokrines Hormon), Freisetzung bei Volumen-
od. Druckbelastung. Gute Korrelation zwischen BNP u. hämodynamischen
Parametern (LVEDP, PCWP, EF) u. Prognose bei chron. Herzinsuffizienz.
Erhöhte Werte mit zunehmendem Alter, Hypervolämie, Niereninsuff., Leber-
zirrhose, pulmonalen Erkr., Anämie. Deshalb geringer pos. prädiktiver Wert
470 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

bei unselektionierten Patienten. Wichtigster Einsatz: DD zur Abgrenzung des


Leitsymptoms „Dyspnoe“ in der Notfallmedizin. Bei normalen Werten ist ei-
ne kardiale Ursache/Beteiligung wenig wahrscheinlich. Erhöhte Werte korre-
lieren mit NYHA-Klasse u. haben einen Wert bei der Prognoseabschätzung.
Kein Einsatz zum allgemeinen Screening, keine Ther.-/Dosisanpassung allein
auf Basis des Biomarkers. Beim individuellen Pat. zur Beurteilung von klini-
scher Situation u. Medikamenteneinstellung sinnvoll.

EKG
Keine spezifischen Veränderungen. Erregungsbildungs-, Erregungsleitungs-, Er-
regungsrückbildungsstörungen bzw. pathologischer Lagetyp sind meist Folge des
Grundleidens. Bei myokardialer Schädigung u. Ventrikeldilatation sind häufig:
• Schenkelblock od. unspezifische QRS-Verbreiterung (bis Arborisation) ohne
typisches Schenkelblockmuster,
• Zeichen der Ventrikelhypertrophie,
• unspezifische ST-T-Veränderungen, „strain“,
• Vorhofflimmern, -flattern (▶ 7.7.5, ▶ 7.7.6).
Rö-Thorax
In der Mehrzahl der Fälle Summations-
bild aus Veränderungen bei Herzinsuff.
u. Befunden der Grunderkr.: Kardio-
megalie, Vergrößerung einzelner Herz-
höhlen, pulmonalvenöse Kongestion,
PAH, intrakardiale Verkalkungen,
Pleuraerguss (▶ Abb. 8.1).
! Kein weiteres diagn. Verfahren ist
so einfach durchführbar u. bietet so
viele Informationen, da die kardia-
len Veränderungen u. die Folgeer-
scheinungen auf die Lungenstrom-
bahn synoptisch dargestellt werden.
! Ein normal großes Herz schließt ei-
ne Herzinsuff. nicht aus (geringe Abb. 8.1 Rö-Thorax bei Lungenödem
Sensibilität). [T125]

Echokardiografie
Zwingend erforderlich, um Ursache der Herzinsuff. zu klären u. Schweregrad der
ventrikulären Funktionseinschränkung zu bestimmen. Gibt der transthorakale
Zugang nur ungenügend Informationen, TEE durchführen. Einfaches Verfahren
8 zur Kontrolle bei Änderungen des klinischen Bilds.
• Typische Befunde: Dilatation der Herzhöhlen, Myokardwandhypertrophie,
globale Ventrikeldysfunktion mit Hypomotilität der Myokardabschnitte,
Verminderung der systol. Dickenzunahme des Myokards. Evtl. segmentale
Wandbewegungsstörungen, morphologische Veränderungen der Herzklap-
pen u. Klappendysfunktion (primäre valvuläre Erkr., rel. AV-Klappeninsuff.),
Perikard-, Pleuraerguss.
• Bestimmung des Schweregrads der systol. Ventrikeldysfunktion: endsystol.
u. enddiastol. Ventrikeldiameter, FS, EF.
• Adaptative Prozesse aufgrund der Grunderkr.: Hypertrophie, Dilatation, Dy-
namik der Wandbewegungen u. intrakardiale Flüsse.
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 471

• Ätiol.: Hinweise auf valvuläre, myokardiale, perikardiale od. koronare Ursa-


che.
• Begleit- u. Folgeerkr.: Perikard-, Pleuraerguss, Thromben.
• Bestimmung des Schweregrads der diastol. Ventrikeldysfunktion: Abschät-
zung einer eingeschränkten Relaxation u. vermindertem Compliance durch
Doppler des Mitraleinstoms, des PV-Flusses, Farb-M-Mode des Mitralein-
stoms u. Gewebedoppler des MK-Anulus (▶ Abb. 8.2, ▶ Tab. 8.2).
– Frühes Stadium (Relaxationsstörung): E/A < 1, isovolumetrische Relaxati-
onszeit ↑, Dezelerationszeit der E-Werte ↑, E/E’ < 10.
– Zwischenstadium (Pseudonormalisierung): E/A > 1, E/A < 1 unter Valsal-
va, E’ im Gewebedoppler < 10 cm/s; Farb-Doppler-M-Mode mit reduzier-
ter Vp (< 45 cm/s).
– Spätes Stadium (restriktive Störung): E/A > 2, isovolumetrische Relaxa­
tionszeit sehr kurz, Dezelerationszeit von E sehr kurz, E’ sehr klein, des-
halb E/E’ > 15, Vp im Farb-Doppler-M-Mode ↓.
Bei VHF verwertbar: Dezelerationszeit < 150 ms, E/E’ > 15, Farb-Doppler-
M-Mode Vp < 40 cm/s.
• Belastungstests: Beurteilung der Leistungsfähigkeit, Ansprechen auf die Be-
handlung, prognostische Risikostratifizierung!
– 6-Min.-Gehtest: Messung der Gehstrecke u. Befinden nach Borg-Skala.
– Spiroergometrie: aussagekräftiges Verfahren für Belastungstoleranz. Pro­
gnostische Aussagen möglich: max. O2-Aufnahme < 10 ml/kg KG/Min. →
sehr hohes Mortalitätsrisiko, > 18 ml/kg KG/Min. → geringes Risiko. Ein-
satz bei Ind.-Stellung zur HTX u. zur DD zwischen kardialer u. pulmona-
ler Leistungslimitation.

MRT
Einsatz, wenn andere Verfahren keine ausreichende Diagnose erlauben. Meist nur
bei speziellen Fragestellungen (Myokarditis, spezifische Herzmuskelerkr.).

Rechtsherzkatheter
Messung von PCWP, PAP, RAP u. HZV. Einteilung (▶ Tab. 8.3):
• Kongestion: PCWP > 18 mmHg, CI > 2,2 l/Min./m2.
• Periphere Hypoperfusion: PCWP < 18 mmHg, CI < 2,2 l/Min./m2.
• Kongestion u. periphere Hypoperfusion: PCWP > 18 mmHg, CI < 2,2 l/
Min./m2.
Kombinierte Rechts- u. Linksherzkatheteruntersuchung
Indikationen
• Dilatative Herzerkr. unklarer Genese: DD KHK, DCM. 8
• Herzinsuff. u. KHK: Beurteilung von KHK u. invasiven Ther.-Möglichkeiten
(koronare Bypass-OP, PTCA).
• Herzinsuff. u. maligne Arrhythmien: Effektive kausale Ther. möglich (z. B.
Aneurysmektomie in Verbindung mit Bypass-OP bei KHK, vor ICD-Implan-
tation, vor antiarrhythmischer med. Ther.)?
• Herzinsuff. bei Vitium od. Pericarditis constrictiva: präop. zur Beurteilung
der zentralen Hämodynamik u. der Koronarmorphologie.
• Therapierefraktäre Herzinsuff., wenn HTX erwogen wird.
472 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Dyspnoe/Herzinsuffizienzsymptomatik

Echokardiografie + BNP/NT-proBNP

EF reduziert; EF normal; EF reduziert;


BNP/NTproBNP ↑ BNP/NTproBNP ↑ BNP/NTproBNP normal

Nachweis einer diastolischen Dysfunktion?

Standardparameter: transmitrales Nein Andere


Dopplerprofil Ursachen?
E/A < 1, Dezelerationszeit > 220, Lungen-
Isovol. Relaxationszeit > 100 ms erkrankung,
Anämie,
Nein Dekonditio-
nierung
Ausschluss Pseudonormalisierung Ja
E/A Umkehr unter Nitro bzw. Valsalva? Ja

Nein
Spezifische
Therapie
Erweiterte Echodiagnostik Ja
PV-Fluss (S/D < 1), Gewebe-
doppler (E < 8), Vp < 45 cm/s

Nein

Ja
Invasive Diagnostik

Negativ

Kardiale Ursache
unwahrscheinlich

Systol. HI Diastolische Herzinsuffizienz


8
Abb. 8.2 Diagnostik bei Dyspnoe u. Herzinsuffizienzsymptomatik [T544; L157]
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 473

Tab. 8.2 Bestimmung des Schweregrads der diastolischen Ventrikelfunktion


mithilfe der Echokardiografie [L157]
Normal Stadium I Stadium II Stadium III
Relaxationsstö­ Pseudonorma­ Restriktion
rung lisierung
E/A >1 <1 1–2 >2
Dezelerations­ < 240 > 240 150–240 < 150
zeit der E-Wel­
le (ms)
Isovolumetri­ < 100 >105 60–105 < 60
sche Relaxati­
onszeit (ms)
Flusspropaga­ > 55 < 45 < 45 < 45
tion im Farb-
M-Mode (m/s)
E/E’ < 10 < 10 > 10 > 15
Transmitrales
Einstrommus­
ter

Tab. 8.3 Stadieneinteilung der Myokardinsuffizienz (nach Reindell/Roskamm)


Stadium HMV PCWP

Ruhe Belastung Ruhe Belastung


0 n n n n
I n n n +
II n n + +
III n + + +
IV + + + +
+ = pathologisch, n = normal

8.2.3 Natürlicher Verlauf, Prognose


8
Prognose im akuten Stadium abhängig von kardialer Grunderkrankung. Im
chron. Stadium Letalität von 10 %/J., bei NYHA III u. IV 20–40 %/J. 5-Jahres-Le-
talität im chron. Stadium: NYHA I 10–20 %, NYHA II 10–20 %, NYHA III 50–
70 %, NYHA IV 70–90 %.

Indikatoren einer schlechten Prognose


NYHA Stadium III–IV, verminderte max. O2-Aufnahme < 10 ml/kg KG/Min.,
eingeschränkte Belastungstoleranz, 3. HT, Ruhetachykardie, kleine RR-Ampli-
tude („pulse pressure“), Kardiomegalie im Rö-Thorax (HTQ > 0,55), LSB,
474 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Plasmanatrium < 130 mmol/l, persistierend hohe BNP-Werte, komplexe ventri-


kuläre Arrhythmien, VHF, ischämische Genese der LV-Dysfunktion, rezid. De-
kompensation, Kachexie, Intoleranz gegen Vasodilatatoren, familiäre DCM.

8.2.4 Therapie
Kausale Therapie
Behandlung des Grundleidens: Art. Hypertonie, KHK, Vitien, Rhythmusstörun-
gen, endokrine u. metabolische Störungen. Ziel: Letalitätssenkung, Progressions-
hemmung, Beschwerdebesserung, Senkung der Hospitalisationsrate, Verbesse-
rung hämodynamischer Parameter.

Vermeidung von präzipitierenden Faktoren


• Hypertonus therapieren (▶ 9.1.4).
• Pat. ausführlich über allgemeine Maßnahmen (s. u.) u. Medikation informieren.
• Keine unkontrollierten Veränderungen der Medikation.
• Kardiotoxische od. -depressive Medikamente/Substanzen meiden.
• Alkoholkarenz bei alkoholtoxischen CMP, ansonsten begrenzter Alkoholkon-
sum (Mann: max. 30 g/d, Frau: max. 20 g/d).
• Reduktion von RF für Gefäßatheromatose.
• Tägliche Gewichtskontrolle, um latente Flüssigkeitsretention zu erkennen.
• Keine kochsalzretinierenden Medikamente (NSAR, Kortikosteroide) einsetzen.
• Interkurrente Erkr. konsequent therapieren.
• Auf typische Herzinsuff.-KO achten u. konsequent behandeln: pulmonale In-
fektionen, Lungenembolie, VHF, Nierenfunktionsverschlechterung.

Die Verschlechterung einer Herzinsuff. wird oft durch präzipitierende Faktoren


hervorgerufen. Die Information/Schulung von Arzt u. Pat. ist bei der Herzinsuff.-
Ther. oft effektiver als die Entwicklung neuer u. teurer Ther.-Verfahren.

Allgemeine Maßnahmen
Körperliche Aktivität
• Dekompensierte Herzinsuff.: Bettruhe (strenge Bettruhe nur so lange wie
nötig), Lagerung im „Herzbett“ (Oberkörper halb schräg aufgerichtet, Beine
abgesenkt), Atemther., aktives Durchbewegen zunächst im Bett, physikalische
Maßnahmen, stufenweise Lockerung der Bettruhe bei Rekompensation. Ziel:
Herzentlastung, Pneumonie- u. Thrombembolieprophylaxe.
8 • Kompensierte Herzinsuff.: Pat. muss im asymptomatisch tolerierten Leis-
tungsbereich körperl. aktiv bleiben. Ziel: Training der Skelettmuskulatur zur
Verbesserung der anaeroben Schwelle, max. O2-Aufnahme ↑, oxidative Ka-
pazität der Muskulatur ↑, endotheliale Funktion ↑, autonome Dysregulation
↓. Regelmäßige körperl. Aktivität ist bei stabiler Herzinsuff. funktions- u.
prognoseverbessernd!
• Training als Dauer- od. Intervalltraining. Intensität ca. 60–80 % der max. HF
bzw. O2-Aufnahme. Bei fortgeschrittener Herzinsuff. multiple kurze Trai-
ningseinheiten 5–10 Min., bei leichten Formen 20–30 Min. 3–5×/Woche. In-
tervalltraining mittels Ergometer mit jeweils 60 s Belastungs- u. Ruhephasen.
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 475

Ernährung
• Gewichtsnormalisierung.
• Regelmäßige Gewichtskontrollen.
• NaCl-Restriktion: bei dekompensierter Herzinsuffizienz. Streng natriumarm
(< 1 g/d) bei sehr ausgeprägten Ödemen im Rahmen einer schweren Herzin-
suff.; natriumarm (< 3 g/d) bei Ödemen, die med. nur unbefriedigend behan-
delt sind; natriumreduziert (< 5 g/d) nach initialer Rekompensationsphase.
NaCl durch Gewürze, Kaliumchlorid, Küchenkräuter od. natriumfreies Salz
ersetzen. Cave! K+-haltige Salzersatzstoffe in Komb. mit ACE-Hemmer, Spi-
ronolacton, Niereninsuff. → K+ ↑.
• Trinkmengenbeschränkung: bei schwerer Herzinsuff. 1–1,5 l/d, ansonsten
bis 2 l/d.
• Nahrungsrestriktion: bei akuter Dekompensation (wegen Verdauungsar-
beit). Eiweißreiche (1,5–2 g/kg KG; Vorsicht bei Niereninsuff.!), leicht ver-
dauliche Nahrung, da häufig Hypoproteinämie (verminderte Albuminsynthe-
se, enteraler u. renaler Eiweißverlust).
• Alkoholkarenz bzw. reduzierter Alkoholkonsum (s. o.).
• Bei kompensierter Herzinsuff. meist keine Diät erforderlich: kein Nachsalzen,
keine übermäßig salzhaltigen Nahrungsmittel. Geschmackliche Verbesserung
der Nahrung durch Kaliumchlorid, Gewürze od. natriumfreies Salz. Selten
werden > 2 l Flüssigkeit/d zugeführt → keine strikte Flüssigkeitsbeschränkung.

Unsinnige Beschränkungen verschlechtern die Compliance, daher Diät dem


Ausmaß der Herzinsuff., den Begleiterkr. (z. B. Niereninsuff.) u. der Wirk-
samkeit der Pharmaka (v. a. Diuretika) anpassen.

Medikamentöse Therapie
Übersicht (▶ 5.1.2).
Asymptomatische linksventrikuläre Dysfunktion
• Nichtpharmakologische Maßnahmen: RR-Senkung, Nikotin-, Alkoholver-
zicht, Gewichtsreduktion.
• ACE-Hemmer (▶ 11.4.1): bei Z. n. MI u. EF < 50 % frühzeitig (gilt für alle
NYHA-Klassen). Bei ACE-Hemmer-NW alternativ AT1-Blocker (▶ 11.4.2).
• Keine Digitalisglykoside od. Diuretika: Therap. Wert ist nicht gesichert. Aus-
nahme: Digitalis bei tachyarrhythmischem VHF, Thiazid bei art. Hypertonie.
• Betablocker (ohne ISA): nach MI u./od. bei art. Hypertonie (s. u.).
• Evtl. Antikoagulation (s. u.).
• Verlaufskontrollen: Klinik, Ther.-Effekte, Rhythmus. Kontrolle alle 3 Mon.
Leichte chronische Herzinsuffizienz 8
• Nichtpharmakologische Maßnahmen (s. o.).
• Diuretika (▶ 11.2): bei Flüssigkeitsretention. Hydrochlorothiazid 25–
50 mg/d, evtl. in Komb. mit K+-sparendem Amilorid (5 mg/d), Triamteren
(50 mg/d) od. Furosemid (40 mg/d) u. K+-sparendes Diuretikum.
• ACE-Hemmer (▶ 11.4.1):
– Ramipril: initiale Dosis 1,25–2,5 mg, dann steigern auf 1 × 5 mg/d bis
max. 1 × 10 mg/d.
– Enalapril: initiale Dosis 2,5 mg/d, dann steigern auf 1 × 5 mg/d bis zu
1 × 10 mg/d (max. 1 × 20 mg/d)!
– Bei ACE-Hemmer-NW AT1-Blocker (▶ 11.4.2).
476 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

• Digitalisglykoside: bei tachysystolischem VHF, bei persistierenden Sympto-


men trotz ACE-Hemmer u. Diuretika. Besserung der Symptome, kein Über-
lebensvorteil. Vorteile am ehesten bei Männern u. niedrigen Glykosidspiegeln
(Digoxin 0,5–0,8 ng/ml).
• Betablocker (ohne ISA): bei fehlenden KI indiziert. Voraussetzungen u.
Durchführung s. u.
• Mineralkortikoidantagonist (Aldosteronantagonist): Spironolacton od. Ep-
lerenon 12,5–50 mg zur Verbesserung der diuretischen Ther. u. (wird noch
diskutiert) zur Prognoseverbesserung bei Postinfarktpat. mit systol. Dysfunk-
tion.
• Verlaufskontrollen: Klinik, RR, Gewicht, Labor (E’lyte, Krea, ggf. zusätzliche
Untersuchungen). Nach Ther.-Umstellung monatlich, sonst alle 3 Mon.
Mittelschwere chronische Herzinsuffizienz
• Nichtpharmakologische Maßnahmen (s. o.).
• Differenzialther. wie bei leichter Herzinsuff.; jedoch Diuretika u. ACE-Hem-
mer nach klinischem Bild steigern, z. B. 80 mg/d Furosemid od. 20 mg/d To-
rasemid u. K+-sparendes Diuretikum (Amilorid bis 10 mg/d od. Triamteren
bis 100 mg/d) u. Ramipril bis 10 mg/d od. Enalapril bis 20 mg/d. Bei Komb.
von ACE-Hemmer u. K+-sparendem Diuretikum Gefahr der Hyperkaliämie.
Bei ACE-Hemmer-NW AT1-Blocker (▶ 11.4.2).
• Mineralkortikoidantagonist (Aldosteronantagonist): 12,5–50 mg/d bei K+
< 5 mmol/l u. Krea < 2 mg%.
• Digitalisglykoside (▶ 11.1.1): zusätzlich vorteilhaft bei chron. Linksherzin-
suff. NYHA III od. IV auch bei Sinusrhythmus (s. o.).
• Betablocker (ohne ISA): wenn die Voraussetzungen vorliegen (s. u.), vorteil-
haft. Durchführung (s. u.) nur unter strenger Verlaufskontrolle.
• Antikoagulation: Ind. prüfen (s. u.).
• Verlaufskontrollen (s. o.): 2 Wo. nach Ther.-Umstellung od. -Änderung, an-
sonsten 3-monatlich. Alle 12 Mon. EKG, Langzeit-EKG, Rö-Thorax.
Schwere chronische Herzinsuffizienz
Ther. stationär beginnen.
• Nichtpharmakologische Maßnahmen (s. o.).
• Dobutamin u./od. Dopamin (▶ 11.1.2) unter intensivmedizinischen Bedin-
gungen.
• Diuretika: Furosemid 125–250 mg/d, Torasemid 100 mg/d od. Piretanid 12–
24 mg/d zusammen mit K+-sparenden Diuretika (Amilorid 5–10 mg/d od.
Triamteren 50–100 mg/d). Bei ungenügender Wirksamkeit auch hoher Dosen
an Furosemid Komb. von Furosemid mit Hydrochlorothiazid versuchen
8 (nicht bei terminaler Niereninsuff.). Bei Krea > 1,5 mg% sind Thiazide als
Monotherapeutika nur wenig wirksam.
• Mineralkortikoidantagonist (Aldosteronantagonist): 12,5–50 mg/d bei K+
< 5 mmol/l u. Krea < 2 mg%.
• ACE-Hemmer: Dosis nach Nierenfunktion u. RR-Verhalten (▶ 11.4.1). Bei
ACE-Hemmer-NW AT1-Blocker (▶ 11.4.2).
• Digitalisglykoside (▶ 11.1.1, KI beachten!).
• Betablocker (ohne ISA): wenn die Voraussetzungen vorliegen (s. u.), vorteil-
haft. Durchführung (s. u.) nur unter strenger Verlaufskontrolle.
• Antikoagulation: Ind. prüfen (s. u.).
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 477

• Nach Konsolidierung med. Ther. ambulant weiterführen. Vorsicht bei abrup-


tem Absetzen od. Umstellung von Ther.-Komponenten. Gefahr der erneuten
Dekompensation.
• Verlaufskontrollen: Anfangs wöchentlich, längere Intervalle bei stabilem
Verlauf. Kontrollen von Gewicht, Nierenfunktion, E’lyten u. RR.
Akute Verschlechterung einer chronischen Herzinsuffizienz

Sofortmaßnahmen
Akute Erkr. therapieren: MI, Myokardischämie, Arrhythmie, Perikarder-
guss, Lungenembolie, Infektion (Endokarditis, Pneumonie), Schilddrüsen-
dysfunktion. Weitere symptomatische Ther. nach Leitsymptomen der Herz-
insuff.:
• Dyspnoe bei pulmonaler Stauung:
– Flüssigkeitszufuhr beschränken, Ein-/Ausfuhr-Bilanzierung.
– Diuretika: Dosis erhöhen. Initial auch intermittierend i. v. Gabe von
Furosemid, Dosis nach Ausscheidungsmenge; z. B. 80–250 mg/d
(▶ 11.2.3). Evtl. sequenzielle Nephronblockade od. Zugabe von Mi-
neralkortikoidantagonist.
– Nitrate: NTG od. ISDN/ISMN p. o., z. B. Nitrospray 2–4 Hübe, alter-
nativ 1–2 Nitro-Kps. zerbeißen (oder mit Perfusor ▶ 11.3.1). Ziel:
PAP-Senkung.
– Pos. inotrope Substanzen (▶ 11.1): oft hilfreich, wenn Diuretika u.
Nitrate unzureichend wirksam sind. Ziele: Verbesserung der renalen
Perfusion, HZV-Erhöhung.
• Bei peripherer Hypoperfusion: RR-senkende od. neg. inotrope Medi-
kamente (Betablocker, Kalziumantagonisten) absetzen, pos. inotrope
Medikamente u. Vasodilatatoren richtig/ausreichend dosieren (▶ 11.1).
Ggf. Volumenmangel therapieren.

Ursachen prüfen
• Verschlechterung der zugrunde liegenden Erkr.: Myokardreinfarkt, Zunah-
me einer Klappenerkr. (z. B. MR), Zunahme der Ventrikeldilatation bei
DCM.
• Zusätzliche, komplizierende kardiale Erkr.: Arrhythmien (v. a. VHF, neu aufge-
treten od. häufig rezid.), infektiöse Endokarditis, Perikarderguss, MR, TR, AR.
• Interkurrente Erkr.: Pneumonie, Schilddrüsenfunktionsstörung, Verschlech-
terung der Nierenfunktion, Lungenembolie.
! Oft bestehen kleine Lungenembolien, die klinisch unauffällig sind u. eine
Verschlechterung der Herzinsuff. vortäuschen od. hervorrufen.
• Behandlungsfehler: unzureichende Mitarbeit des Pat. (Allgemeinmaßnah- 8
men nicht eingehalten). Ineffektive Behandlung kardiovask. Erkr. (z. B. art.
Hypertonie). Über-/Unterdosierung von Kardiaka (Digitalis, Diuretika, Va-
sodilatatoren). Flüssigkeitsretention durch übermäßiges Trinken od. ver-
mehrte Salzzufuhr, NSAR, Kortikosteroide, Östrogene, Androgene. Ände-
rung der Medikation (zusätzlich neg. inotrope Medikamente wie Betablocker,
Kalziumantagonisten od. Antiarrhythmika; unkontrolliertes Absetzen be-
währter Medikamente od. Änderung ihrer Dosis, Selbstmedikation, Medika-
menteninteraktion), Abnahme der initial günstigen Medikamenteneffekte
durch Tachyphylaxie od. Toleranz (Alphablocker, Nitrate). Alkoholabusus
(Flüssigkeitsbelastung, neg. inotropes Agens).
478 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Therapie von Arrhythmien bei Herzinsuffizienz


• Keine Ind. für eine prophylaktische Ther. (außer Betablocker). Klasse-I-An-
tiarrhythmika wegen neg. inotroper Wirkung u. proarrhythmischer Effekte/
Verschlechterung der Prognose vermeiden.
• Gehäufte, komplexe VES (multiforme, gepaarte, Salven ▶ 7.10.1): bei asym­
ptomatischen Pat. keine Klasse-I-Antiarrhythmika (neg. inotrope u. pro­
arrhythmische Effekte). Bei Symptomen evtl. Amiodaron auch in Komb. mit
Betablockern (▶ 11.6.10). Zur Ther.-Kontrolle regelmäßig Langzeit-EKG
durchführen. Derzeit keine prophylaktische Amiodaron-Ther. zu empfehlen.
Betablocker als Mittel der Wahl bei systol. Herzinsuff. auch unabhängig von
NYHA-Klasse. Sehr gute Wirkung bei tachykardem VHF in Komb. mit Digi-
talisglykosid. Neg. inotrope Wirkung beachten → einschleichende Dos. (▶ Tab.
8.4). Sotalol wegen proarrhythmogener Wirkung nur in Ausnahmefällen.
• Anhaltende symptomatische Kammertachykardien u. Z. n. Reanimation:
Ther. zwingend erforderlich (▶ 7.11). ICD-Ther. reduziert Sterblichkeit nach
überlebtem plötzlichem Herztod od. symptomatischen anhaltenden VT. ICD
+ biventrikulärer SM bei EF < 35 %, Sinusrhythmus u. QRS-Dauer > 120 ms
bei LSB (NYHA III–IV). Bei NYHA II, EF < 35 % u. QRS ≥150 ms od. > 130
mit LSB kann eine CRT Progression der Grundkrankheit u. Morbidität güns-
tig beeinflussen (▶ 12.5).
! Mit zunehmender Verschlechterung der LV-Funktion nehmen Bedeutung
der programmierten Ventrikelstimulation zur Ther.-Kontrolle u. Effektivität
einer antiarrhythmischen Ther. ab. ICD-Ther. rückt in den Vordergrund.
• Vorhofflimmern, -flattern (▶ 7.7.5, ▶ 7.7.6):
– Rhythmisierung: falls Konversion in Sinusrhythmus noch erfolgverspre-
chend, unter stationären Bedingungen. Bei schwerer Herzinsuff. u. akuter
Dekompensation Ind. großzügig stellen. Rezidivprophylaxe bevorzugt mit
Amiodaron (▶ 11.6.10).
– Chron. VHF: Digitalisglykoside (▶ 11.1.1) u. Betablocker zur Frequenz-
kontrolle, alternativ Amiodaron (▶ 11.6.10). Außerdem Antikoagulation
(▶ 12.7).
Therapie der Herzinsuffizienz mit Betablockern
Es gilt: Je höher die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, desto schlech-
ter die Prognose, desto rascher die Progression der kardialen Dysfunktion.
• Ziel: Beeinflussung von Symptomen u. LV-Dysfunktion durch Frequenzre-
duktion, Abnahme des Plasmanoradrenalin u. Nachlastsenkung, Beeinflus-
sung der Zahl myokardialer Betarezeptoren wohl von geringer Bedeutung.
• Voraussetzungen:
– Stabile chron. Herzinsuff. > 2 Wo.
8 – Zusätzlich zur Basisther. mit Digitalis, ACE-Hemmer u. Diuretika.
– Nicht, wenn in den letzten 2 Wo. die Diuretikadosis gesteigert werden
musste.
– Verlaufskontrollen durch kardiologisch erfahrenen Arzt müssen gewähr-
leistet sein.
• Bei NYHA I–III ambulante Ther. möglich, bei NYHA IV stationär.
• Durchführung:
! Nur Betablocker ohne ISA od. Carvedilol (▶ 11.3.3) einsetzen, bei Betablocker
mit ISA (z. B. Xamoterol) Gefahr der Übersterblichkeit.
– Testdosis = 1⁄10 der Zieldosis (Metoprolol 6,25–12,5 mg, Bisoprolol 1,25 mg,
Carvedilol 3,125 mg).
– Dosis alle 2 Wo. steigern.
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 479

– Zieldosis: Metoprolol 2 × 100 mg, Bisoprolol 1 × 10 mg, Carvedilol


2 × 25 mg (▶ Tab. 8.4).
– Vor jeder Dosiserhöhung Pat. klinisch untersuchen. Bes. auf Hypotonie
(Orthostasereaktion), Schwindel, Bradykardie u. Dekompensationszei-
chen achten.
• Symptombesserung frühestens nach 3–6 Mon.
Tab. 8.4 Betablocker bei chronisch stabiler Herzinsuffizienz
Testdosis (mg) Startdosis (mg) Zieldosis (mg)
Metoprolol 12,5 2 × 12,5 2 × 100
Bisoprolol 1,25 1 × 1,25 1 × 10
Carvedilol 3,125 2 × 3,125 2 × 25

Antikoagulanzien
▶ 11.7.
Kein Einfluss auf Sterblichkeit od. Häufigkeit kardiovask. Ereignisse bei chron.
Herzinsuff. u. Sinusrhythmus.
Gesicherte Ind. bei Herzinsuff. + paroxysmalem od. permanentem VHF. Nach MI
Sekundärprophylaxe mit ASS od. orale Antikoagulation. Orale Antikoagulation
sinnvoll bei vorausgegangenen thrombembolischen Ereignissen u. LV-Thromben
(z. B. Ventrikelaneurysma) od. höchstgradig eingeschränkter systol. Dysfunktion
(nicht durch Langzeitstudien abgesichert).
Weitere medikamentöse Therapieansätze
• HF-Senkung mit Ivabradin (▶ 11.3.4), wenn Betablocker nicht ausreichend
effektiv sind (je höher initiale HF, je stärker HF-Reduktion, desto größer die
pos. Effekte. Kein Einfluss auf Gesamtsterblichkeit).
• Eisensubstitution: Anämie ist unabhängiger RF für Tod u. Hospitalisation. Ca.
40 % aller herzinsuffizienten Pat. (NYHA III, IV) sind anämisch. Gabe von Ei-
sencarboxymaltose i. v. bei EF < 40 %, Ferritin < 100 μg/l u. Hb < 13,5 g/dl
sinnvoll (Lebensqualität, Belastbarkeit). Ther. wird noch kontrovers beurteilt.
• Komb. von Hydralazin u. ISDN: Option bei Unverträglichkeit von ACE-
Hemmern od. Sartanen.
• Omega-3-Fettsäuren, Statine, Reninantagonisten, Kalziumsensitizer, Natrium-
kanalagonisten, Vesnarinon, Endothelinantagonisten, Wachstumshormon,
Dopaminagonisten u. Endopeptidaseinhibitoren sind ohne gesicherten Wert
bei Pat. mit Herzinsuff.

Tipps & Tricks


• Überschießende Diurese u. damit Volumendepletion unbedingt vermei- 8
den → Gefahr von thrombembolischen KO, Nierenfunktionsverschlech-
terung, Kreislaufregulationsstörungen mit Hypotonie.
• Rechtzeitig Diuretikadosis reduzieren u. frühzeitig niedrig dosierte Er-
haltungsther. anstreben. Beschwerden sollen vermindert werden. Nicht
jedes nachweisbare Ödem od. auskultierbare feuchte RG ausschwem-
men (→ Gefahr der Dehydratation u. Hyponatriämie).
• Kritische Ther.-Führung: NW der Digitalisther. (tachy- u. bradykarde
Arrhythmien, gastrointestinale Effekte u. neurotoxische Erscheinungen)
können mit Symptomen der Herzinsuff. verwechselt werden.
480 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

• Kalziumantagonisten bei Herzinsuff. nicht indiziert.


• Langzeit-EKG kontrollieren: Gefahr digitalogener Arrhythmien. Bes.
Vorsicht bei Erkr., die primär durch Arrhythmien kompliziert sind.
• Betablocker: Bei Dosistitration wie auch während Erhaltungsther. kann
es zu einer transienten klinischen Verschlechterung der Herzinsuff.
kommen:
– Bei Flüssigkeitsretention: Erhöhung der Dosis der Diuretika od. des
ACE-Hemmers, dann Reduktion des Betablockers.
– Bei Hypotonie: Reduktion des ACE-Hemmers, dann Reduktion des
Betablockers.
– Bei Bradykardie (< 50/min) nach Absetzen aller anderen bradykardi-
sierenden Medikamente: Reduktion des Betablockers.
– Nach Stabilisierung: Neubeginn bzw. Dosissteigerung des Betablo-
ckers erwägen.
– Bei schwerer Dekompensation unter Betablocker: zuerst Einsatz von
PDE-Hemmern (Amrinon, Milrinon, Enoximon), dann erst Kate-
cholamine.

Spezielle Methoden der Kreislaufunterstützung


Methoden zur kurzfristigen Verbesserung des klinischen Zustands. Pat. mit ter-
minaler, schwerster Herzinsuff. können von diesen Maßnahmen oft nicht mehr
entwöhnt werden. IABP ▶ 2.9.
Indikationen
• Ungenügendes Ansprechen auf kons. Ther. u. potenziell reversible Ursachen
der Dekompensation (akuter MI, Postkardiotomie-Herzversagen, Pneumo-
nie, Arrhythmien).
• Anurie, um Diurese wieder in Gang zu bekommen (Circulus vitiosus der De-
kompensation wird durchbrochen).
• Pat. vor HTX, die nicht durch konventionelle Maßnahmen stabilisiert werden
können („bridging-to-transplant“).
• Zunehmend Einsatz von Assist-Systemen (LVAD) bei selektierten Pat. mit
schwerster symptomatischer Herzinsuff. NYHA III–IV trotz optimaler med.
Ther., die aufgrund von Alter od. Komorbiditäten nicht für HTX infrage
kommen. Das Assist-System ist somit eine permanente Ther.-Option („desti-
nation therapy“).
Assist-Systeme („Kunstherz”)
Mechanische Unterstützungsverfahren für den re (RVAD), li (LVAD) u. beide
8 Ventrikel (BVAD) werden nur in wenigen Zentren eingesetzt (sehr teuer). Sie be-
stehen meist aus einem externen, parakorporalen Pumpensystem, das über trans­
thorakal eingebrachte Schlauchsysteme mit den jeweiligen Herzkammern ver-
bunden ist. Ziele: Entlastung der Herzarbeit (O2-Verbrauch ↓, Koronarperfusion
↑) u. Wiederherstellung einer adäquaten systemischen Perfusion. Geeignet zur
kurzzeitigen Entlastung u. Kreislaufunterstützung, bei Langzeitbehandlung hohe
Rate an Thrombose, Thrombembolien u. nicht beherrschbaren Infektionen.
­Neuere Pumpsysteme mit verbesserter Überlebensrate u. weniger schwerwiegen-
den KO (HeartMate II, HeartWare mit kontinuierlichem Fluss). Deshalb Ind.-
Erweiterung für Pat. mit kons. therapierefraktärer Herzinsuff., die sich nicht für
HTX eignen.
 8.2 Chronische Herzinsuffizienz 481

Weitere operative Therapien


• Li-ventrikuläre partielle Ventrikulektomie (Batista-OP): bei hoher periop.
Letalität (bis 7 %) u. Morbidität oft nur initiale Besserung (Überbrückungs-
ther., keine definitive Versorgung).
• Endoaneurysmorrhaphie mit endoventrikulärem Patch (Dor-OP): Bei gro-
ßen LV-Aneurysmen als chirurgische Remodellierung des LV, oft in Komb.
mit Mitralklappenrekonstruktion.
• CRT mittels biventrikulärem SM-System bei Pat. mit systol. Dysfunktion
meist als ICD-CRT-System (▶ 12.6), bei NYHA ≥ II, QRS > 150 ms u. LSB.
Ind. bei jedem Pat. mit Herzinsuff. u. SM-Ind. prüfen. CRT bei NYHA II–IV,
EF < 35 % u. QRS > 120 ms. Bes. Berücksichtigung der absoluten QRS-Breite,
dem Vorhandensein eines LSB, eines Sinusrhythmus u. einer Dyssynchronie
im Echo.
• Interventionelle Mitralklappenrekonstruktion (Mitral-Clipping): Systol.
Dysfunktion des LV führt zur Dilatation des Mitralklappenanulus → funktio-
nelle MR, die LV-Funktion, Symptomatik u. Prognose verschlechtert. Bei ho-
hem OP-Risiko (Alter, Komorbiditäten, eingeschränkter Pumpfunktion) ist
die interventionelle Mitral-Clipping-Prozedur eine Alternative bei selektio-
nierten Pat.: Die zentralen Anteile des AML u. des PML werden durch Clip
zusammengeführt, anstelle einer großen Regurgitationsöffnung entstehen 2
kleinere („double orifice mitral repair“), MR nimmt um mind. 1 Schweregrad
ab, pulmonale Kongestion wird geringer.
Hämofiltration
Ind. bei Herzinsuff.: Oligurie od. Anurie u. zwingender Notwendigkeit zum Flüs-
sigkeitsentzug. Vorteil: rasch wirksam, gut steuerbar. Abgestufte Flüssigkeitseli-
mination im Gegensatz zur Hämo- od. Peritonealdialyse möglich.
• Veno-venös: Mittels Pumpensystem wird venöses Blut durch spezielle Filter
geleitet u. dabei Flüssigkeit entfernt.
• Arterio-venös: Art. Blut (z. B. A. femoralis) wird durch den Systemdruck in
spezielle Filtersysteme gepresst, Flüssigkeit u. gelöste Substanzen werden ent-
zogen, das verbleibende Volumen wird über eine große Körpervene (z. B.
V. femoralis) zurückgeleitet. Ersatz von Volumen durch Infusion von
E’lytlösungen. Ungeeignet zur Dialysether. bei Urämie.

8.2.5 Die diastolische Herzinsuffizienz („Herzinsuffizienz mit


erhaltener systolischer Funktion“)
Durch verminderte Dehnbarkeit des LV (verminderte Compliance, erhöhte Stei-
figkeit) wird das SV bei normalen Ventrikelvolumina, aber erhöhten diastol. in­
traventrikulären Drücken erbracht. Ein erhöhter LV-Füllungsdruck führt zu 8
Sym­ptomen der pulmonalen Stauung, durch ein vermindertes SV können auch
Sym­ptome des Vorwärtsversagens auftreten (20–40 % aller Pat. mit Herzinsuff.).
Ursache der diastol. Dysfunktion: Störung von Relaxation (frühdiastol. ist der
Volumeneinstrom in LV verzögert u. vermindert, die enddiastol. vorhofkontrak-
tionsabhängige Ventrikelfüllung erhöht) od. Compliance (frühdiastol. Volumen-
einstrom ungestört, spätdiastol., vorhofkontraktionsabhängige Ventrikelfüllung
vermindert od. aufgehoben). Beide hämodynamische Parameter sind nichtinvasiv
nur unzureichend u. invasiv nur mit großem Aufwand zu charakterisieren.
482 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Ursachen
Häufigste Ursachen sind eine Veränderung der Herzmuskelmasse (Myokardhy-
pertrophie, unabhängig von ihrer Ätiol.) u. der Muskeleigenschaften (Myokard­
ischämie, interstitielle Fibrose). Pericarditis constrictiva ist eine seltene extrakar-
diale Ursache mit Behinderung der diastol. Ventrikelfüllung.

Klinik
Symptome der Herzinsuff. (▶ 8.2.1).

Diagnostik
Rö-Thorax
Normal großer od. nur gering vergrößerter Herzschatten.
Echokardiografie
• M-Mode, 2-D-Echo: normale systol. Funktion, evtl. Nachweis einer Erkr., die
typischerweise mit diastol. Dysfunktion einhergeht (z. B. Myokardhypertro-
phie). LA-Dilatation.
• Doppler-Echo (▶ 8.2.2, ▶ Abb. 8.2, ▶ Tab. 8.2): echokardiografischer V. a.
auf diastol. Dysfunktion bei Vorhofdilatation bei normal dimensioniertem
LV u./od. LVH u./od. RF (Diab. mell., KHK, art. Hypertonie, Speicher-
krankheit).

Die Flussmuster haben aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren auf den Mi­


tralklappenfluss nur eine eingeschränkte Sensitivität u. Spezifität → werden
jedoch alle Befunde (Klinik, Rö-Thorax, Echo, pw- u. Gewebe-Doppler) in
die Beurteilung einbezogen, ist die Diagnose einer diastol. Dysfunktion mög-
lich.

Therapie
Kausale Therapie
• Myokardischämie: Prävention u. Ther. med. (Nitrate ▶ 11.3.1, Betablocker
▶ 11.3.3), interventionell od. operativ (PTCA ▶ 3.10.4, 12.1, ACVB ▶ 3.10.4).
• Pericarditis constrictiva: Perikardresektion.
• Endokardfibrose: Endokardresektion.
• Myokardhypertrophie: antihypertensive Ther. bei art. Hypertonus mit dem
Ziel der Hypertrophieregression (▶ 9.1.4), AoK-Ersatz bei AS od. AR.
Adjuvante Maßnahmen
8 • Tachykardie: HF-Reduktion führt zur Verlängerung der diastol. Füllungs-
phase, Relaxation wird pos. beeinflusst → Betablocker, Verapamil.
• Erhalt des Sinusrhythmus: Ther. atrialer Arrhythmien, bei AV-Leitungsstö-
rungen AV-sequenzieller SM (▶ 12.6).
• Verminderung der Vorlast: z. B. durch Nitrate (▶ 11.3.1) u./od. Diuretika
(▶ 11.2). Symptome der Kongestion sprechen gut an. Mit bes. Vorsicht ein-
setzen, da ein überproportionaler Abfall des LV-Füllungsdrucks möglich ist,
der zu einer SV-Abnahme führt. PDE-5-Inhibitoren könnten zukünftig als
Ther.-Option eine Rolle spielen.
• Bei chron. obstruktivem Schlafapnoe-Sy. konsequente nCPAP-Ther.
 8.3 Akute Linksherzinsuffizienz – Lungenödem 483

8.3 Akute Linksherzinsuffizienz – Lungenödem


Leitbefunde
Hochgradige Dyspnoe, Orthopnoe, Tachypnoe, Hustenreiz, Hypotonie, Ta-
chykardie, Distanzrasseln, pulmonale RG, Bronchospastik, Galopprhythmus.

Akute Drucksteigerung u. Volumenbelastung im Lungenkreislauf mit Entwick-


lung extravasaler (interstitiell, alveolär) Flüssigkeitsansammlungen.
• Kardiale Ursachen: MI, art. Hypertonie (v. a. bei hypertensiver Krise), Herz-
rhythmusstörungen, Mitral- od. Aortenvitien, CMP.
• Lungenödem ohne kardiale Ursache: Hypalbuminämie, Überwässerung
(Niereninsuff., falsche Infusions- od. Transfusionsther.), Intoxikation (Barbi-
turate, Salicylate, Reizgase, Urämietoxine, Heroin, Alkylphosphate, Bakte-
rientoxine), Allergie, Hypoxie (akute Höhenkrankheit, Asphyxie), nach Drai-
nage großer Pleuraergüsse, ZNS-Schädigung.

8.3.1 Klinik
• Symptome: Asthma cardiale mit hochgradiger Atemnot u. klinischen Zei-
chen der bronchialen Obstruktion (verlängertes Exspirium, Pfeifen u. Gie-
men, zentrale Zyanose, exspiratorischer Stridor). Orthopnoe, Tachypnoe,
Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Hustenreiz, schaumiges, gelegentlich bluti-
ges Sputum, Hämoptysis, Blässe, Kaltschweißigkeit, motorische Unruhe bis
Todesangst, Halsvenenstauung möglich, Hypotonie.
• Auskultation: Tachykardie, Galopprhythmus (Ventrikel- od. Vorhofgalopp),
betonter 2. HT, evtl. isolierter 3. od. 4. HT. Pathologische Herzgeräusche bei
Vitium od. als rel. MR u./od. TR bei vorbestehender chron. Herzinsuffizienz.
Lunge: initial häufig Bronchospastik, feuchte, feinblasige RG (oft re > li, basal
betont), die in grobes Rasseln übergehen können, Distanzrasseln.

Die Diagnose eines Lungenödems wird klinisch gestellt; für Erstversorgung


u. Basisther. (symptomatische Ther.) ist keine weitere Diagn. erforderlich.

8.3.2 Diagnostik
• Rö-Thorax: pulmonalvenöse Kongestion u. Zeichen der PAH (▶ Tab. 8.5).
• EKG: MI, Arrhythmien, unspezifische Veränderungen bei vorbestehender
Herzerkr. (LVH, unspezifische ST-T-Veränderungen, Z. n. MI).
• Echo: globale, regionale Funktion des LV, Größe der Herzhöhlen, Myokard- 8
wanddiameter, Perikarderguss, Klappenfehler.
• Art. BGA: pO2 ↓, pCO2 ↓, SO2 ↓.
• Labor: BB, Gerinnung, CRP, D-Dimere, Krea, Harnstoff, E’lyte, Glukose, CK,
CK-MB, LDH, TnT od. TnI, Transaminasen, Schilddrüsenwerte.
BNP od. NT-proBNP: geeignet, eine Herzinsuff. als Ursache einer akuten
Dyspnoe differenzialdiagn. abzuklären. Werte u. a. auch von Alter, Geschlecht
u. Nierenfunktion abhängig. Erhöht auch bei diastol. Herzinsuffizienz. Weite-
re kardiale Diagn. bei erhöhten Werten erforderlich!
• Rechtsherzkatheter bei diagn. unklarem Krankheitsbild od. zur Ther.-Ent-
scheidung bei refraktären Fällen (▶ Tab. 8.6, ▶ Tab. 8.7).
484 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Tab. 8.5 Einteilung der Linksherzinsuffizienz (nach Swan u. Forrester)


I II III IV
Pulmonale Stauung – + – +
Hypotension – – + +
PCWP (mmHg) ≤ 18 > 18 ≤ 18 > 18
CI (l/Min./m2) ≥ 2,2 ≥ 2,2 < 2,2 < 2,2

Tab. 8.6 Differenzialdiagnose durch Pulmonaliskatheterbefunde


RAP PCWP HZV SVR
Hypovolämie ↓ ↓ ↓↓ ↑
Kardiogener Schock ↑ ↑↑ ↓↓ ↑
MI, LV ↓↑ ↑↑ ↓↓ ↑
MI, RV ↑↑ ↓ ↓ ↑
Lungenembolie ↑↑ ↓↑ (↓) ↑
Sepsis
• früh ↓ ↓ ↑ ↓
• spät ↓ ↓↑ ↓ ↑↑
Herzbeuteltamponade ↑↑ ↑ ↓ ↑
Akute Ventrikelseptumruptur (↑) ↑↑ ↓↓ ↑

Tab. 8.7 Differenzialtherapie je nach Pulmonaliskatheterbefund


Hämodynamische Störung Therapeutische Maßnahme

Volumen­ Pos. inotrope Vasodila­ Diuretika


substitution Substanzen1 tation2
Cl ↓ PCWP ↓ ZVD ↓ ++ (+) o o
Cl ↓ PCWP n PC­ ZVD n (+) ++ o o
Cl ↓ WP↑ ZVD ↑ o + ++ +
Hämodynamische Wirkung Vorlast ↑ Kontraktilität ↑ Nachlast ↓ Nachlast ↓
1
 z. B. Dobutamin
2
 z. B. Nitroprussid

8 8.3.3 Therapie
Erstmaßnahmen (▶ 2.1, ▶ 2.3.2).
• Oberkörper hochlagern, Beine tief.
• O2 2–6 l/Min. über Nasensonde.
• Sedierung u. Analgesie: Morphin s. c. (10 mg) od. i. v. (kleine Boli à 5 mg).
• Nitrate: 1–2 Kps. NTG s. l., anschließend Nitro-Perfusor 1–6 mg/h (▶ 11.3.1).
Sehr effektiv zur Vorlastsenkung → großzügige Anwendung bei Hypertonie,
Vorsicht bei Hypotonie!
 8.3 Akute Linksherzinsuffizienz – Lungenödem 485

• Schleifendiuretika (z. B. Furosemid): initial 0,5–1,0 mg/kg KG, nach 20 Min.


weitere Einzeldosis nach Diurese, im Weiteren wiederholte Einzeldosen od.
Perfusorther. (▶ 11.2.3). Bei Hypokaliämie gleichzeitig Kaliumchlorid i. v. (bis
15 mval/h).
• Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin): nur zur Nachlastsenkung bei art. Hy-
pertonie, wenn Nitrate ineffektiv sind. Besser Natriumnitroprussid (0,3–8 μg/
kg KG/Min. ▶ 11.4.3) zur akuten Nachlastsenkung (Vorsicht! Engmaschige
RR-Kontrollen).
• Inotrope Substanzen:
– Dobutamin (▶ 11.1.2): Anstieg des HZV durch Kontraktibilitätssteige-
rung. Startdosis 2–3 μg/kg KG/Min. Im Bereich 2,5–10 μg/kg KG/Min. li-
neare Dosis-Wirkungs-Beziehung, bei > 20 μg/kg KG/Min. kein weiterer
Nutzen. Bei mit Betablockern vorbehandelten Pat. höhere Dosen, bei
Ther. > 48 h Wirkungsabschwächung (Tachyphylaxie). Haupt-NW: Ta-
chykardie. Wirkungsverstärkung durch Komb. mit PDE-3-Inhibitoren.
– Milrinon, Enoximon (▶ 11.1.3): PDE-3-Inhibitoren. Steigerung der Ino-
tropie durch intrazelluläre Kalziumanreicherung. Komb. mit Dobutamin
(v. a. bei Pat., unter Betablocker-Ther.). Keine langfristige Gabe, da Förde-
rung maligner Arrhythmien u. intrapulmonaler Shunts (Verschlechterung
der Oxygenierung). Dos.: Milrinon 0,375–0,75 μg/kg KG/Min., Enoximon
1,25–7,5 μg/kg KG/Min. Ind. bei peripherer Hypoperfusion u. erhaltenem
systemischen RR.
– Levosimendan (▶ 11.1.4): Kalziumsensitizer, steigert über Kalziumsensi-
bilisierung die kardiale Inotropie u. die kalziumkanalvermittelte periphere
Vasodilatation (Nachlastsenkung). Anstieg von SV u. CI, Verminderung
von PAP u. PVR. Reservemedikament, falls unter Dobutamin u. Noradre-
nalin kein ausreichendes HZV erzielt wird.
• Vasopressoren: Ziel ist, bei unzureichendem HZV einen ausreichenden Per-
fusionsdruck zu erreichen.
– Noradrenalin (▶ 11.1.2): via Alpharezeptoren vasokonstriktorisch wir-
kend, erhöht peripheren systemischen Widerstand. Einsatz bei therapiere-
fraktärer Hypotonie, Dosis 0,1–1,0 μg/kg KG/Min. Dos. > 1,0 μg/kg KG/
Min. → Arrhythmien, kardiotoxisch, Steigerung der Inflammation. Komb.
mit Dobutamin sinnvoll.
– Adrenalin (▶ 11.1.2): Einsatz, wenn Dobutamin u. Noradrenalin nicht zu
einer ausreichenden Stabilisierung führen. Starke Vasokonstriktion u.
pos. Inotropie, Nachteilig ist eine verstärkte Reduktion der Splanchni-
kusperfusion, Förderung einer Multiorgandysfunktion, Myokardnekro-
sen, Arrhythmien u. neg. ventrikuläres Remodeling.
– Dopamin (▶ 11.1.2): Noradrenalin = Vasopressor 1. Wahl, Dopamin
2. Wahl, da Effekte stark dosisabhängig: 8
4–5 μg/kg KG/Min.: vasodilatierend, kein relevanter nephroprotektiver Effekt.
5–10 μg/kg KG/Min.: Steigerung der Kontraktilität.
> 10 μg/kg KG/Min.: vasokonstriktorisch.
Individuell unterschiedliches Ansprechen der Pat. auf einzelne Dosisbe-
reiche.
• Digitalis nur bei Tachyarrhythmia absoluta. Nicht bei Sinustachykardie.
• ACE-Hemmer (▶ 11.4.1) nicht in der Akutphase; evtl. frühzeitige Ther. nach
Beherrschung der akuten Linksherzinsuff.
• Antiarrhythmika (▶ 11.6). bei tachykarder supraventrikulärer od. ventrikulä-
rer Arrhythmie großzügige Ind.-Stellung zur elektrischen Kardioversion.
486 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

• Bei respiratorischer Insuff. Intubation u. kontrollierte Beatmung mit PEEP


(5–10 cmH2O). Ind. zur Beatmung:
– Atemfrequenz > 30/Min.,
– pCO2 > 55 mmHg,
– pO2 bei Zimmerluft < 55 mmHg,
– pO2 bei reinem O2 < 200 mmHg.
• Evtl. assistierte Beatmung mit CPAP-Maske od. nichtinvasive pos. Druck-
beatmung (NIPPV): Bei lebensbedrohlicher od. diagn. unklarer Herz-Kreis-
lauf-Insuff. od. therapierefraktärer Herzinsuff. Rechtsherzkatheter (▶ 8.3.2).
• Hämofiltration bei Versagen der med. Ther. zum Flüssigkeitsentzug.
• Ind. zur intraaortalen Gegenpulsation bei nicht beherrschbarer Herzinsuff.
überprüfen, evtl. Ind. zu ventrikulärem Assist-System prüfen (▶ 8.2.4).
• Bei med. therapierefraktärem Lungenödem u. entsprechender kardialer
Grunderkr. (akute Klappeninsuff., erworbener VSD, KHK) herzchirurgische
Ther. erwägen.

Tipps & Tricks


• Das Lungenödem geht oft mit Todesangst u. bedrohlich empfundener
Atemnot einher → bei zweifelsfreier Diagnose großzügige Ind.-Stellung
zur Sedierung mit Morphin. Wird häufig zugunsten einer niedrig do-
sierten Diazepam-Ther. (5 mg) unterlassen: Arzt ist beruhigt, Pat. leidet
nach wie vor unter Todesängsten!
• Durch rasches Handeln gelingt zumeist die rasche Konsolidierung, eine
kontrollierte Beatmung lässt sich vermeiden.
• Ursache des akuten Lungenödems möglichst schnell klären, um kausale
Ther. so früh wie möglich zu beginnen oder, bei kons. therapierefraktä-
ren Fällen, alternative Behandlungskonzepte (intraaortale Gegenpulsati-
on, PTCA, herzchirurgischen Eingriff) in die Wege zu leiten.

8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale
Hypertonie
Leitbefunde
Symptome u. Befunde einer pulmonalen Erkr., Dyspnoe, abnormer RV-Im-
puls, P2 des 2. HT betont, Zeichen der Rechtsherzinsuff., atriale Arrhythmien.

8 • Rechtsherzinsuff.: Zustand mit erhöhtem RV-Füllungsdruck in Ruhe (RAP


> 8 mmHg) u./od. erniedrigtem HZV (CI < 2.5 l/min/m2) als Folge einer ein-
geschränkten RV-Funktion. Latente Rechtsherzinsuff.: hämodynamische Pa-
rameter in Ruhe normal, unter Belastung pathologisch. Dekompensierte
Rechtsherzinsuff.: klinisch manifestes RV-Vorwärts- od. -Rückwärtsversagen.
• PAH: PA-Mitteldruck < 21 mmHg = normal, 21–25 mmHg = grenzwertig,
> 25 mmHg = manifeste PAH.
• Chron. Cor pulmonale: Hypertrophie des RV infolge einer PAH auf dem
Boden einer chron. Lungenerkrankung. Eine Hypertrophie des RV als Folge
primärer kardialer Erkr. (z. B. sek. PAH bei Linksherzinsuff., PS) wird nicht
als Cor pulmonale chronicum bezeichnet.
 8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie 487

• Latentes Cor pulmonale: keine eindeutige RVH, PAP in Ruhe normal, unter
Belastung PAH (PA-Mitteldruck unter 50 W Belastung > 30 mmHg).
• Manifestes Cor pulmonale: PAH in Ruhe (PA-Mitteldruck > 25 mmHg),
RVH, keine Zeichen einer manifesten Rechtsherzinsuff.
• Dekompensiertes Cor pulmonale: Kriterien wie bei manifestem Cor pulmo-
nale u. Zeichen der Rechtsherzinsuff.

8.4.1 Ursachen der Rechtsherzinsuffizienz


• Erhöhte RV-Nachlast (PAH): Erkr. der Atemwege u. des Lungenparenchyms
(chron. obstruktive Lungenerkr., Lungenemphysem), Erkr. der art. Lungen-
gefäße (chron.-rezid. Lungenarterienembolien), idiopathische PAH, Vaskuli-
tiden der Pulmonalgefäße, Erkr. mit Beeinträchtigung der Thoraxwandmoti-
lität (Pleuraschwarten, Skoliose, zentrale Atemstörungen). Linksherzinsuff.
mit PAH.
• RV-Erkr.: CMP, RV-MI, restriktive Herzkrankungen.
• Re-seitige Herzklappenfehler.
• Angeborene Herzfehler.

8.4.2 Klinik
Sehr variable Krankheitsbilder, häufig von auslösender pulmonaler Grundkrank-
heit dominiert.
• Vorwärtsversagen: Ermüdbarkeit, Hypotonie, Synkope, Dyspnoe, Zyanose,
Kachexie, Arrhythmien.
• Rückwärtsversagen: obere Einflussstauung, Pleuraergüsse (v. a. re), Ödeme,
Aszites, Inappetenz, Hepatomegalie, gastrointestinale Störungen, Kachexie,
Arrhythmien.
• Kompensiertes Cor pulmonale: abnorm palpabler RV-Impuls parasternal
od. epigastrisch durch RVH, breite Spaltung des 2. HT, betonte P2-Kompo-
nente. Klinische Diagnose schwierig.
• Dekompensiertes Cor pulmonale: Tachykardie, Dyspnoe (selten ausgeprägte
Orthopnoe wie bei Linksherzinsuff.), Husten, Halsvenenstauung mit fehlen-
dem Venenkollaps bei tiefer Inspiration, prominente a- u. v-Welle der Jugu-
larvenen, schmerzhafte, pulsatile Hepatomegalie, periphere Ödeme, Aszites.
Palpabler RV-Impuls (s. o.). Auskultation: breite Spaltung des 2. HT u. beton-
te P2-Komponente, TR.

8.4.3 Diagnostik
8
EKG
Insgesamt schlechte Korrelation zwischen Schweregrad der re-kardialen Erkr. u.
EKG-Veränderungen: Steil- bis Rechtstyp bzw. Sagittaltyp mit SISIISIII; R in V1
> 0,5 mV; RS-Ratio in V6 < 1,0; P pulmonale; inkompletter od. kompletter RSB;
S-Zacke bis V6.
ST-Strecken-Senkungen u./od. T-Negativierung in II, III, aVF, re-präkordial. Ar-
rhythmien: häufig Tachyarrhythmien, v. a. grobes VHF, Vorhoftachykardie mit
Block.
488 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Rö-Thorax
• Verbreiterung des Herzquerdurchmessers, durch Linksdrehung u. Querverla-
gerung des Herzens wird RV li-seitig randbildend,
• Retrosternalraum im Seitbild durch Dilatation des RVOT eingeengt,
• Dilatation des Pulmonalis-Hauptstamms u. der zentralen Lungenarterien
(Durchmesser der re-absteigenden Lungenarterie > 18 mm),
• helle, gefäßarme Lungenperipherie („Kalibersprung“).
Echo
• Bei typischer Ausprägung: hypertrophierter (> 5 mm) u. dilatierter RV, einge-
schränkte Kontraktionsamplituden der RV-freien Wand, abgeflachtes Kam-
merseptum (septal bounce, LV wirkt exzentrisch), evtl. paradoxe Beweglich-
keit, dilatierter RA.
• Dilatation der VCI mit verminderter/aufgehobener Atemmodulation, Leber-
venenstauung.
• Pulmonalis-Hauptstamm erweitert.
• Beurteilung der RV-Funktion mittels TAPSE (tricuspid annular plane systolic
excursion): M-Mode im 4-Kammer-Blick auf lateralen Trikuspidalklappen-
ring u. Messung der Differenz Diastole–Systole. TAPSE < 15 mm: deutliche
RV-Dysfunktion mit schlechter Prognose.
• Tei-Index: „myocardial performance index“ zur Beurteilung einer global ein-
geschränkten RV-Funktion = (ICT + IRT) /ET ; ICT – isovolumentrische
Austreibungszeit, d. h. Zeit von Trikuspidalklappenschluss bis Beginn des
pulmonalen Ausstroms; IRT – isovolumetrische Relaxationszeit, d. h. Zeit
von Ende des pulmonalen Ausstroms bis Beginn der Trikuspidalöffnung; ET
– Ejektionszeit des pulmonalen Ausstroms. RV-Pumpfunktionsstörung bei
Tei-Index > 0,6.
• PR u. TR. Abschätzung des systol. RVP bzw. PAP aus dopplerechokardiogra-
fisch bestimmten Vmax-Werten des Regurgitationssignals über der Trikuspi-
dalklappe (nach Bernoulli): < 2,5 m/s = normal, 2,5–2,8 m/s grenzwertig,
> 2,8 m/s manifeste PAH. Cave: Häufig falsch pos. od. falsch neg. Werte → ab
3 m/s (= 36 mmHg) liegt sicher eine PAH vor.
• Komplettes Echo des li Herzens: li-kardiale Erkr. als Ursache einer PAH u.
re-kardialen Belastung?

Lungenfunktionsuntersuchung
Spirometrie u. alveoläre Funktionsdiagn. zur Charakterisierung des pulmonalen
Grundleidens u. dessen Schweregrad (▶ Tab. 8.8).

Tab. 8.8 Lungenfunktionsdiagnostik – Differenzialdiagnose


8 Obstruktion Restriktion Emphysem
VC ↓ ↓ ↓
RV ↔(↑) ↓ ↑
FEV1 ↓ (↓) ↓
FEV1/VC ↓ ↔/↑ ↓
Resistance ↑ ↔ ↔(↑)
VC: normal: Männer > 4 l, Frauen > 3, RV – Residualvolumen: normal 1–2 l, FEV1/VC –
Tiffeneau-Wert: normal ca. 70 %, Resistance – Atemwegswiderstand plethysmogra­
fisch bestimmt: normal < 2,5 cm H2O/l/s
 8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie 489

Arterielle Blutgasanalyse
Bestimmung von paO2, paCO2 u. Pufferkapazität im art. bzw. arterialisiert-kapilla-
ren Blut.
Bei einer Lungenparenchymerkr. ist der respiratorische Gasaustausch beeinträch-
tigt, es resultiert eine art. Hypoxämie ohne Hyperkapnie (respiratorische Partialin-
suff.). Bei Störung des Atemantriebs od. der Atemmechanik besteht aufgrund der
alveolären Hypoventilation zusätzlich eine Hyperkapnie (respiratorische Globalin-
suff., ▶ Tab. 8.9). Kommt es durch Gabe von O2 zu einer adäquaten Erhöhung des
pO2, liegt am ehesten eine Diffusionsstörung, andernfalls ein pulmonaler Shunt vor.

Tab. 8.9 Blutgasanalyse (Normalwerte in Klammern)


pO2 (95 ± 5 mmHg) pCO2 (40 ± 2 mmHg) SO2 (97 ± 2 %)
Respir. Partialinsuff. ↓ ↓/n ↓
Respir. Globalinsuff. ↓ ↑ ↓

Obstruktive Schlafapnoe-Diagnostik
Risikoerhöhung für zerebrale u. kardiale Ischämien, art. Hypertonie u. PAH (in
20 %). Ab einem Apnoe-Index > 20/h (Anzahl der obstruktiven Apnoen je Stunde
Schlafzeit) signifikante Mortalitätserhöhung (plötzlicher Herztod). Konsequente
Diagn. (Fremdanamnese/Schlaflabor) u. Ther. mit nasaler CPAP-Beatmung nachts.

Labor
• Erhöhte Werte für BNP bzw. NT-proBNP bei Rechtsherzinsuff. u./od. PAH
mit RV-Belastung. Werte korrelieren mit Schweregrad der Erkr. u. Prognose.
• Absolutwerte sind aufgrund der geringeren Muskelmasse des RV geringer.
• Labordiagn. bei PAH s. u.
MRT
• Goldstandard der Bestimmung der RV-Funktion u. -Volumina.
• Diagn. angeborener Fehlbildungen.
• Diagn. primärer RV-Myokarderkr. (Hypertrophie, Dilatation, CMP).
• Beurteilung des Perikards: Pericarditis constrictiva als Ursache einer Rechts-
herzsymptomatik trotz normaler RV-Funktion.

Rechtsherzkatheter
• Diagn. Goldstandard zum Nachweis u. zur Abklärung einer PAH (s. u.) als
Ursache einer Rechtsherzinsuff.
• Erhöhter RVP u. PAP (PAP im Mittel > 25 mmHg): PCWP bei präkapillärer
PAH im Mittel < 15 mmHg, bei postkapillärer PAH > 15 mmHg. 8
• Hoher EDP im RV.
• hoher RAP im Mittel > 8 mmHg, bei Dekompensation oft > 18 mmHg.
Eingeschränktes HMV < 2,5 l/min/m2, bei Dekompensation oft < 1,5 l/min/m2.
• Bei TR hohe v-Welle, die inspiratorisch noch weiter zunimmt.

8.4.4 Differenzialdiagnose
Abgrenzung von angeborenen od. erworbenen Vitien, z. B. PS (▶ 4.13), TR
(▶ 6.10), Mitralklappenfehler (▶ 5.3–5.6), Vitien mit Li-re-Shunt (▶ 4.16) durch
Anamnese, Rö-Thorax, Echo, ggf. Rechts- u. Linksherzkatheter.
490 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

8.4.5 Therapie
Behandlung der respiratorischen Insuffizienz
• Präzipitierende Faktoren meiden (Rauchverbot), Atemgymnastik, O2-Zu-
fuhr, Atmung mit Heimrespirator, ggf. operative Verfahren (z. B. Dekortika-
tion),
• Bei obstruktiver Schlafapnoe konsequente nasale CPAP-Ther.,
• Infektbehandlung (Antibiotika),
• Sekretolyse, Broncholyse (N-Acetylcystein, Theophyllin, inhalative Steroide,
β2-Sympathikomimetika, Parasympathikolytika).

Herzinsuffizienztherapie
• Diuretika: bei manifester Rechtsherzinsuff. mit Ödemen. Sparsam dosieren,
um H+- u. Cl–-Verluste so gering wie möglich zu halten.
• Spironolacton (100–200 mg/d): diuretischer Effekt, gering pos. inotrop wirk-
sam. Indiziert bei unzureichender Wirksamkeit von Diuretika, d. h. bei fort-
geschrittenen Formen der Rechtsherzinsuffizienz. K+-Kontrolle!
• Digitalisglykoside bei isolierter Rechtsherzinsuff. ineffektiv. Nur bei zusätzli-
cher Linksherzinsuff. od. VHF einsetzen. Cave: Hypoxämie u. Azidose erhö-
hen die Glykosidempfindlichkeit.
• Wert der ACE-Hemmer u. anderer Vasodilatatoren nicht gesichert.
Senkung der pulmonalen Hypertonie
Symptomatische Maßnahme mit sehr guten Akuteffekten. Es sind keine überzeugen-
den Langzeiteffekte auf Morbidität u. Mortalität bekannt! β2-Sympathikomimetika,
inhalative Steroide u. ggf. Parasympathikolytika gehören zur Basisther. einer obst-
ruktiven Lungenerkrankung. Senkung des PAH durch Broncholyse, daher immer
indiziert. Erweisen sich Nitrate als effektiv, kann sich aus klinischen Gründen die
Ind. zur Langzeitther. ergeben. Kalziumantagonisten nur bei spezieller Ind. vorteil-
haft (s. u.), keine unkritische Gabe bei allen Formen der PAH, da katastrophale neg.
inotrope Effekte auf insuffizienten RV möglich sind (v. a. Verapamil u. Diltiazem).
• β2-Sympathikomimetika: Salbutamol (Sultanol®) 4 × 1–2 Hübe.
• Nitrate: ISMN (Ismo®) 2–3 × 1 Tbl.
• Molsidomin: Corvaton retard 2–3 × 8 mg/d.
• Nifedipin: Adalat 3 × 5–20 mg/d.
• Prostanoide, Endothelinrezeptorantagonisten, PDE-5-Inhibitoren (s. u.).
Weitere Maßnahmen
• Aderlass bei Polyglobulie: Bei Hkt > 65 % 200 ml Blut alle 3 Tage entnehmen.
BB-Kontrolle u. ggf. erneuter Aderlass. Isovolämischer Ausgleich des Volu-
8 mens.
• Antikoagulation: s. u.

8.4.6 Pulmonale Hypertonie
Definition
Erhöhung des art. Drucks (PAH) u. des Gefäßwiderstands in der pulmonalen
Strombahn:
 8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie 491

• Präkapillär: isolierte Erhöhung des PAP bei normalem Verschlussdruck PC-


WP. PAH ausschließlich auf den art. Schenkel der Lungenstrombahn be-
schränkt.
• Postkapillär: Eine li-kardiale Erkr. führt zur pulmonalvenösen Stauung mit
Erhöhung vpm PCWP u. PAP (v. a. LV- u. Mitralklappenerkr.).
Hämodynamische Definition
PAH: PAP Mittel > 25 mmHg, HZV normal od. erniedrigt.
• Präkapilläre PAH: PCWP < 15 mmHg.
• Postkapilläre PAH: PCWP > 15 mmHg.
Transpulmonaler Gradient (TPG; Druckunterschied zwischen PAP u. PCWP) =
PAP Mittel – PCWP (normal < 12 mmHg).
• TPG < 12 mmHg: PAP Mittel steigt im Verhältnis wie PCWP, d. h. „passive
Druckerhöhung“ (Druckerhöhung wird proportional nach retrograd weiter-
gegeben).
• TPG > 12 mmHg: PAP-Mittel-Anstieg höher als durch PCWP-Anstieg zu er-
warten wäre, d. h. Anstieg „out-of proportion“ = „reaktiver Druckanstieg“.
Verursacht durch reaktive Vasokonstriktion od. pulmonalvaskuläres Remo-
deling.
Definition nach Ätiologie
• Primäre PAH: PAH-Ursache ist progressive Obliteration kleiner u. mittelgro-
ßer PA, ansonsten keine weitere Ätiol.
• Sek. PAH: jede Form der prä- od. postkapillären PAH mit bekannter Ätiol.
Klinische Klassifikation (Dana Point 2008)
1. PAH:
– idiopathisch,
– hereditär,
– durch Medikamente od. Toxine (Aminorex, Fenfluramin, toxisches Raps-
öl, Amphetamin),
– assoziierte PAH (Bindegewebeerkr., HIV, portale Hypertension, angebo-
rene Herzfehler, chron.-hämolytische Anämie),
– persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen.
1’. pulmonale veno-okklusive Erkrankung od. pulmonalkapilläre Hämangiomatose,
2. pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkr.,
3. pulmonale Hypertonie bei Lungenerkr. u./od. Hypoxie,
4. chron. thrombembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH),
5. pulmonale Hypertonie multifaktorieller Genese (hämatologische, systemi-
sche, metabolische Erkrankungen u. a.).

Diagnostik 8
• Basisdiagn. wie bei Rechtsherzinsuff.: Klinische Untersuchung, Labor (inklu-
sive BNP od. NT-proBNP, ANA, HIV- u. Hepatitisserologie, TSH), EKG, Rö-
Thorax, Echo, Lufu-Diagn. mit Bodyplethysmografie u. Bestimmung der Dif-
fusionskapazität für CO, Belastungsuntersuchungen (Spiroergometrie,
6-Min.-Gehtest).
• Ventilations-/Perfusionsszintigrafie zum Ausschluss einer CTEPH.
• Hochauflösende CT des Thorax zur Diagn. von interstitiellen Lungenerkr. u.
Lungenemphysem. Komb. mit Angio-CT zur Klärung einer CTEPH.
• Rechtsherzkatheter u. Vasoreagibilitätstest: Diagnoseklärung, Daten zur
­Ätiol., Schweregradbestimmung.
492 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

– Bestimmung von RAP, RVP, PAP, PCWP, HZV, gemischtvenöser SO2;


PVR = (PAP Mittel − PCWP) /HZV (normal < 240 dyn × s × cm–5,
< 3,8 WE), TPR = PAP Mittel/HZV, Stufenoximetrie zum Nachweis/
Ausschluss eines Shuntvitiums. Zuordnung prä- vs. postkapilläre PAP.
– Vasoreagibilitätstest: Messung der pulmonalen Hämodynamik vor u. nach
Applikation einer Testsubstanz u. Beurteilung eines pos. Responderstatus.
Inhalatives NO (10–20 ppm) gilt als Referenzsubstanz (Beurteilung des
Effekts bereits bei der Inhalation), alternativ inhalatives Iloprost (neben
NO-Inhalation Standard der Diagn.; 5 μg am Mundstück eines Verneblers,
Maximaleffekt meist innerhalb von 15 Min.) od. kontinuierliche Infusion
von Epoprostenol (2–12 μg/kg KG/Min.) od. Adenosin (50–350 μg/kg KG/
Min.). Pos. Responder bei Abfall des PAP Mittel um mind. 10 mmHg auf
< 40 mmHg absolut, HZV sollte unverändert sein od. zunehmen. Testung
auf Vasoreagibilität nur in Expertenzentren für PAH! Kein Einsatz von
Kalziumantagonisten in der Akuttestung der Vasoreagibilität. Eine chron.
Ther. mit Kalziumantagonisten nur bei pos. Responderstatus, d. h. nachge-
wiesener Vasodilatationsreserve.
Basisuntersuchung u. Verlaufskontrollen
• Basisuntersuchung: Klinik, funktionelle Klasse nach NYHA, EKG, Echo,
6-Min.-Gehtest, Spiroergometrie (wünschenswert), BNP, Rechtsherzkatheter.
• Alle 3–6 Mon. (ggf. individuelle Anpassung der Intervalle): Klinik, funktio-
nelle Klasse, 6-Min.-Gehtest, BNP.
• 3–4 Mon. nach Beginn od. Änderung der Ther.: Klinik, funktionelle Klasse,
EKG, Echo, 6-Min.-Gehtest, Spiroergometrie (wünschenswert), BNP, Rechts-
herzkatheter.
• Bei klinischer Verschlechterung: Klinik, funktionelle Klasse, EKG, Echo,
6-Min.-Gehtest, Spiroergometrie (wünschenswert), BNP, Rechtsherzkatheter.
Prognosebeurteilung
Parameter eines instabilen Verlaufs bzw. Zeichen einer schlechten Prognose:
Rechtsherzinsuff., rasche Erkr.-Progredienz, Synkopen, funktionelle Klasse IV,
6-Min.-Gehstrecke < 300 m, max. O2-Aufnahme bei Spiroergometrie < 12 ml/
min/kg, BNP stark erhöht od. ansteigend, Perikarderguss, TAPSE < 1,5 cm, RAP
> 15 mmHg od. CI < 2 l/Min./m2.

Therapie
• Allgemeinmaßnahmen: psychologische u. soziale Betreuung, bei schlechtem
Trainingszustand angeleitete Rehabilitations-, Sportmaßnahmen in PAH-ge-
schulten Einrichtungen, Influenza- u. Pneumokokkenimpfungen, Antikon-
zeption, keine Reisen in Höhen > 1.500 m, bei Flugreisen ggf. O2-Gabe wegen
8 hypobarer Hypoxie.
• Isovolumetrischer Aderlass bei Symptomen der Hyperviskosität (Hkt > 65 %).
• Orale Antikoagulation: trotz ungenügender Daten niedrig dosierte Antiko-
agulation mit INR 2,0–2,5 (pathogenetische Rolle von Mikrothromben, hohes
Thrombembolierisiko bei Immobilität u. Rechtsherzinsuff.).
• O2-Dauerther. zur Vermeidung hypoxieinduzierter Vasokonstriktion. Indi-
ziert bei PaO2 < 60 mmHg od. art. SO2 < 90 mmHg. O2-Inhalation > 16 h/d.
Ausschluss eines bedrohlichen CO2-Anstiegs unter Ther.
• Arrhythmien: häufiges Auftreten supraventrikulärer Tachyarrhythmien. Eine
frequenzkontrollierende Ther. führt meist zu einer klinischen Verschlechte-
rung, rhythmuserhaltende Ther. anstreben (▶ 7.7.6).
 8.4 Rechtsherzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie 493

• Diuretika: Einsatz nach klinischer Ind. bei Rechtsherzinsuff. u. Flüssigkeitsre-


tention.

Grundsatz
Strikter Einsatz der Allgemeinmaßnahmen. Bei pos. Vasoreagibilitätstest
Kalziumantagonisten, bei nachlassendem Anprechen im Verlauf Wechsel zu
weiteren PAH-spezifischen Therapien. Bei neg. Vasoreagibilitätstest PAH-
spezifische Ther. mit PDE-5-Inhibitoren, Prostanoiden u. Endothelinrezep-
torantagonisten, ggf. sequenzielle Komb.-Ther.

PAH-spezifische Therapie
• Kalziumantagonisten: nur bei Responder-pos. Pat.: Nifedipin (30–240 mg/d),
Diltiazem (120–900 mg/d) od. Amlodipin (2,5–20 mg/d). Hochdosisther. verbes-
sert wesentlich die Überlebensrate, systemische NW machen Ther. oft unmög-
lich (RR-Abfall, Tachykardie, neg. Inotropie, Flush). Verzicht auf Kalziumant­
agonisten, wenn sich Pat. nicht in funktionelles Stadium NYHA I–II bessert,
dann alternative PAH-spez. Therapie. Kalziumantagonisten gehören in die
Hand des Experten: Eine nichtindizierte Gabe kann fatale Konsequenzen haben.
• Endothelinrezeptorantagonisten: Ambrisentan 1 × 5–10 mg/d p. o., Bosentan
2 × 125 mg/d p. o., Sitaxentan 1 × 100 mg/d p. o. Hepatotoxisch → Transami-
nasenkontrollen. Verordnung nur von registrierten Verschreibern. Oft kom-
biniert mit PDE-5-Inhibitoren.
• PDE-5-Inhibitoren: Sildenafil 3 × 20 mg/d bis 3 × 80 mg/d p. o., Tadalafil
1 × 40 mg/d p. o. Pulmonalgefäßdilatation, in Komb. mit Iloprost zur Redukti-
on des PVR.
• Prostanoide: Iloprost inhalativ über Vernebler 2,5–5 μg 6–9 ×/d. Iloprost
kontinuierlich i. v. über Portkatheter, 2–5 ng/kg/min. Anwendung nur in Ex-
pertenzentren.
• Atrioseptostomie: Frühzeitige Intervention möglicherweise hilfreich. Bei
med. behandelten Pat. meist nicht indiziert u. nicht generell empfehlenswert.
Nicht bei akuter Rechtsherzdekompensation.
• Pulmonale Thrombendarteriektomie: bei CTEPH mit organisierten Throm-
ben. Hohe periop. Mortalität (> 5 %), jedoch Ultima-Ratio-Ther.
• Lungentransplantation: frühzeitige Kontaktaufnahme mit Transplantations-
zentrum bei Pat. < 55 J, im Stadium NYHA III u. IV u. einem CI < 2 l/min/m2
trotz optimaler med. Ther.
Besonderheiten bei Subgruppen der PAH
• PAH bei Linksherzerkr.: optimale Ther. der Grundkrankheit, kein Einsatz ei-
ner PAH-spezifischen Therapie. In Einzelfällen (hoher transpulmonaler Gra-
dient, nur mäßige Linksherzerkr.) kann „spezifische PAH-Ther.“ diskutiert
8
werden. Sildenafil scheint vorteilhaft zu sein, jedoch sind nur unzureichend
Daten vorhanden.
• PAH bei chron. Lungenerkr.: COPD, Emphysem od. interstitielle Lungener-
krankungen. Meist nur mäßige PAH. Keine Ind. für Vasodilatatoren, O2-
Ther. nachweislich mortalitätssenkend. Bei disproportional hohen PAP kann
PAH-spezifische Ther. erwogen werden.
• PAH bei angeborenen kardialen Shuntvitien: Endothelinrezeptorantagonis-
ten (Bosentan), PDE-5-Inhibitoren od. Prostanoide bei Eisenmenger-Sy.,
NYHA III, ggf. sequenzielle Komb.-Therapie. Kein Einsatz von Kalziumant­
agonisten. Ind. zur oralen Antikoagulation prüfen (Nachweis von pulmonal-
494 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

art. Thromben, Rechtsherzinsuff., Fehlen von Hämoptysen!). Isovolumetri-


scher Aderlass bei Hyperviskosität u. Hkt > 65 %. O2-Ther. bei Verbesserung
der Symptome u. anhaltendem Anstieg der SO2.
• PAH bei CTEPH: häufigste Form der schweren PAH, deshalb bei Erstdiagn.
einer PAH immer nach CTEPH fahnden. Absolute Ind. zur Antikoagulation,
pulmonale Thrombendarteriektomie als Ther. der Wahl bei geeigneten Pat. →
teils dramatische klinische u. hämodynamische Besserung. Bei nicht operab-
len Pat. möglicher Nutzen durch PDE-5-Inhibitoren, Prostanoiden u./od. En-
dothelinrezeptorantagonisten, ggf. sequenzielle Komb.-Ther.
• PAH bei Kollagenosen: systemische Sklerose (CREST-Sy.), Mischkollageno-
sen, SLE, rheumatoide Arthritis, Polymyositis. Bei allen Erkr. nach PAH
fahnden. Immunsuppressive/immunmodulatorische Ther. bei systemischer
Sklerose ohne Effekt, bei SLE vorteilhaft. Allgemeinmaßnahmen u. spezifi-
sche PAH-Ther. s. o.
• Portopulmonale Hypertonie: PAH bei portaler Hypertension. Kardiopulmo-
nale Symptome können im Vordergrund stehen. Bei leichter Leberzirrhose
Sildenafil u. Bosentan, bei schweren Formen Sildenafil u./od. Prostanoide. KI
für Endothelinrezeptorantagonisten.
• Blutungsneigung erhöht, Cave! Antikoagulation. Eine schwere PAH ist KI für
eine Lebertransplantation.

8.5 Akutes Cor pulmonale


Leitbefunde
Dyspnoe, Zyanose, akuter Thoraxschmerz, Tachykardie, Hypotonie, Schock,
Hyperventilation, Rechtsherzbelastung im EKG.

Ursachen: Lungenarterienembolie (häufigste Ursache), perakutes Asthma bron-


chiale, Spannungspneumothorax, alle Formen eines akuten, schweren O2-Mangels.

Akutes Cor pulmonale bei Lungenarterienembolie


Akute Dekompensation des RV durch Erhöhung des PAP bei Gefäßobliteration
durch Thrombembolien (seltener Fettgewebe od. Knochenmark). Prädisponie-
rende RF: Phlebothrombose, Immobilisation, OP, Trauma, Adipositas, Schwan-
gerschaft, orale Kontrazeptiva (bes. in Komb. mit Zigarettenrauchen), Glukokor-
tikoid- od. Diuretikather., maligne Tu, AT-III- od. Protein-C-Mangel.
Klinik
8 Dyspnoe, Zyanose, Husten (evtl. blutig), plötzliche Thoraxschmerzen v. a. bei In­
spiration, Schweißausbruch, Tachykardie, Hypotonie bis Schock, Halsvenenstau-
ung (ZVD ↑), Zeichen der Phlebothrombose.
DD: A. p., MI (▶ 3.6), Pneumonie, Pleuritis, Pneumothorax, Neuralgie, Myalgie,
Asthma bronchiale, Perikarditis, Hyperventilation, Exazerbation einer COPD.
Diagnostik
• Klinik!
• EKG: SIQIII-Typ, Rechtsdrehung des Lagetyps, inkompletter RSB, Verschie-
bung des R/S-Umschlags nach li, ST-Hebung od. T-Negativierung in V1–V2,
P pulmonale, Sinustachykardie, VHF. Vergleich mit Vor-EKG!
• BGA: Hypoxie bei Hyperventilation (pO2 ↓, pCO2 ↓).
 8.5 Akutes Cor pulmonale 495

• Labor: D-Dimer-Bestimmung (hohe Sensibilität, geringe Spezifität, da auch


bei Sepsis, MI, Malignom, Trauma u. systemischer Entzündung erhöht). Nor-
male D-Dimer-Konzentration schließt Lungenembolie mit großer Wahr-
scheinlichkeit aus (nicht absolut!). Neg. prädiktiver Wert 95–100 %!
Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit nicht auf das Ergebnis der D-Dimere
warten, sondern umgehende weitere Diagn.!
BNP bei relevanter RV-Dysfunktion erhöht. Normale BNP können jedoch
auch bei Hochrisiko-Pat. vorliegen.
• Rö: Nur in 40 % pathologisch verändert. Zwerchfellhochstand, Kalibersprung
der Gefäße, periphere Aufhellungszone nach dem Gefäßverschluss (Wester-
mark-Zeichen), evtl. Pleuraerguss, Lungeninfarkt bei Linksherzinsuff. (10 %).
Rö-Thorax hilft v. a. bei der DD-Abklärung anderer Erkr., die Symptome ei-
ner Lungenembolie zeigen.
• Echo: dilatierter RV (85 %), paradox bewegliches od. hypokinetisches Sep-
tum, direkter Thrombusnachweis in zentralen PA, Ausmaß der TR. (▶ 4.10).
Bestimmung des Druckgradienten über der TR. Abschätzen des systol. RV-
Drucks durch Addition des ZVD. Erweiterung der VCI. TEE: keine Routine-
maßnahme, beim beatmeten Pat. zur Diagnosesicherung (evtl. Nachweis zen-
traler Thrombembolie) u. Risikostratifikation (kardiogener Schock, Aorten-
dissektion) wertvolles Mittel.
• Perfusionsszintigrafie: Bei unauffälligem Befund ist eine Lungenembolie mit
großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen (Sensitivität 99 %). Bei Perfusions-
defekt immer Beurteilung mithilfe von Rö-Bild u. Inhalationsszintigramm.
DD des Perfusionsausfalls: Emphysem, Karzinom, Infiltrat, Pleuraerguss,
­Atelektase.
• Spiral-CT mit hoher diagn. Sensitivität u. Spezifität. für Embolien bis auf
Subsegmentebene. Spezifität 83 %, Sensitivität 96 %. CT hat Perfusionsszinti-
grafie weitgehend abgelöst.
• Pulmonalis-Angio: Ind. bei Unklarheit u. geplanter Lysether. (Katheter nach
Untersuchung für lokale Lyse liegen lassen). Als rein diagn. Goldstandard
von Angio-CT abgelöst.
• Pulmonaliskatheter zur Ther.-Kontrolle, z. B. Absinken des PAP bei Lyseer-
folg. Zum hämodynamischen Monitoring bei instabilen Pat. (PCWP, PAP,
HZV). Abgrenzung sek. Formen einer PAH im Rahmen einer Linksherzinsuff.
Therapie
• Basismaßnahmen: Bettruhe, Analgesie (z. B. Fentanyl 0,05–0,1 mg i. v.), Se-
dierung (z. B. Diazepam 5–10 mg i. v.) O2-Gabe (2–6 l/Min.), Heparin
10.000 IE als Bolus, dann ca. 1.000 IE/h (Ziel: Verlängerung der PTT auf das
1,5–2-Fache des Ausgangswerts). Alternativ: NMH wie Enoxaparin (Clexa-
ne® ▶ 11.7.2), Fondaparinux (Arixtra® ▶ 11.7.7), Dalteparin (Fragmin® 8
▶ 11.7.2) u. a. Bei instabilen Pat. mit fulminanter Lungenembolie sind NMH
kontraindiziert. Keine Komb. mit Thrombolytika.
• Lysether. (▶ 11.9).
– Ind.: Stadium III u. IV nach Grosser. Da die fulminante Lungenembolie
lebensbedrohlich ist, KI für eine Lysether. (▶ 11.9) relativieren. Auch Ma-
lignompat. (hohes Thrombose- u. Embolierisiko) können von einer Ly-
sether. profitieren.
– rtPA: 100 mg über 2 h. Immer Vollheparinisierung.
496 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

– Urokinase: 1 Mio. IE initial als Bolus i. v., dann 1–2 Mio. IE/h über 1–2 h.
Bei vitaler Ind. evtl. 2 Mio. IE i. v. als Bolus, ggf. auch unter Reanimations-
bedingungen.
– Streptokinase: 1,5 Mio. E über 30 Min., vorab 250 mg Prednisolon i. v.
– KI: (▶ 11.9.1) Nur rel. KI für Lysether. im Stadium IV bei lebensbedrohli-
chem Schock. Alternativ Notfallembolektomie nach Trendelenburg in
thoraxchirurgischer Abteilung (selten indiziert).
• Chirurgische Ther.: Indiziert bei fulminanter Lungenembolie mit massivem
Inotropikabedarf u. Nachweis von Thromben im PA-Hauptstamm od. beiden
proximalen PA-Ästen. Option bei KI gegen Thrombolyse, erfolgloser Throm-
bolyse od. großen flottierenden re-kardialen Thromben. Bei hämodynami-
scher Stabilität ist eine chirurgische Thrombektomie nicht indiziert. Katheter-
interventionelle Verfahren (Suction Catheter, Amplatz Thrombectomy De-
vice) können in der Hand des Geübten eine Alternative sein.
• Nitrate zur Senkung des PAP (1–6 mg/h NTG i. v. ▶ 11.3.1) u. Kalziumant­
agonisten (z. B. Nifedipin-Perfusor 5 mg auf 50 ml mit 6–12 ml/h ▶ 11.5) un-
ter RR-Kontrolle. Alternativ Molsidomin (▶ 11.3.2).
• Dobutamin (6–12 μg/kg KG/Min. ▶ 11.1.2) soll im Gegensatz zu Dopamin
nicht zur Erhöhung des PAP führen (umstritten!).
• Bei schwerem Schock zusätzlich: Noradrenalin, als Alternative Dopamin
(▶ 11.1.2).
• Bei respiratorischer Insuff. (pO2 < 50 mmHg) Intubation u. Beatmung.
Komplikationen
Letalität 5 %, rezid. Lungenembolien können zum chron. Cor pulmonale führen.

Tipps & Tricks


• Bei Ind.-Stellung für Lysether. evtl. lysepflichtige Phlebothrombose
nicht übersehen.
• Nachbehandlung mit Marcumar® (falls keine KI) bei Lungenembolie
6 Monate. Dauerhafte Antikoagulation erwägen bei rezid. Lungenembo-
lien, Tu-Pat. unter Chemother. sowie bei hereditären Störungen der Ge-
rinnung (Protein-C-, Protein-S-, AT-Mangel, homozygote Mutation der
APC-Resistenz).

8.6 Herztransplantation
Verfahren zur chirurgischen Ther. der Herzinsuff. im Terminalstadium, wenn
kausale Ther. nicht möglich ist u. die zu erwartende Überlebenszeit trotz einer
8 max. med. Ther. nur wenige Monate beträgt.
Zur Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit eines Pat. mit Berücksichti-
gung zahlreicher interagierender Faktoren ist verfügbar: www.seattleheartfailure-
model.org

8.6.1 Indikationen
• Alle Herzerkr. im Endstadium, die nicht mehr medizinisch od. durch andere
chirurgische Verfahren zu behandeln od. zu kontrollieren sind, sodass Pat.
unter einer stärksten Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsfähig-
keit (NYHA IV) u. der Lebensqualität leidet.
 8.6 Herztransplantation 497

• Instabile Pat., die rel. schnell einen irreversiblen Schock entwickeln od. bei
denen wiederholt therap. nicht effektiv beeinflussbare ventrikuläre Tachyar-
rhythmien auftreten (notfallmäßige Ind.). Evtl. zuvor Einsatz eines externen
Herzersatzsystems als Brücke zur HTX (▶ 8.2.4).
• Pat., bei denen ein stabiler Zustand seit mind. 6 Mon. angehalten hat, wenn
sie folgende Bedingungen erfüllen:
– LVEF < 20 %.
– Deutlich reduzierte Belastungskapazität: NYHA IV od. max. O2-Aufnah-
me < 14 ml/kg KG/Min.
– Schlechter subjektiver Status trotz max. kons. Ther.
– Keine absoluten KI.
! Pat. mit chron. Herzinsuff. NYHA III haben die gleiche jährliche Mortalitäts-
rate wie Pat. nach HTX u. weisen unter einer konsequenten kons. Ther. eine
ähnliche Belastbarkeit u. Lebensqualität auf!

8.6.2 Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen
• Pulmonalart. Widerstand > 6 WE (> 480 dynes × s × cm–5) ohne Abnahme
auf < 3–4 WE durch Vasodilatanzien, pulmonalart. systol. Druck > 60 mmHg,
transpulmonaler Gradient > 15 mmHg,
• aktive Infektionen, floride Ulkuskrankheit, Divertikulitis,
• neoplastische od. Systemerkr. mit schlechter Prognose,
• Blutgruppenunverträglichkeit, pos. Lymphozytenkreuztest,
• ausgeprägte Lungenparenchymerkr.,
• Leberinsuff. (Bili > 42 μmol/l),
• Insulinpflichtiger Diab. mell. mit hochgradigen sek. Organ-KO,
• psychiatrische Erkr. mit inadäquater Kooperation des Pat., Suchterkr., psy-
chosoziale Instabilität.

Relative Kontraindikationen
• Biologisches Alter > 65 J.,
• akute Lungenembolie < 1 Mon.,
• schwer einstellbarer insulinpflichtiger Diab. mell.,
• Niereninsuff.,
• ausgeprägte Osteoporose,
• ausgeprägtes Übergewicht,
• psychosoziale Instabilität.

8.6.3 Prognose nach Herztransplantation 8


• Überlebensrate: 1 J. 80–90 %, 5 J. 70–80 %, 10 J. ca. 50 %.
• Körperl. Belastbarkeit: 94 % NYHA I; 4,5 % NYHA II; 1,5 % NYHA III–IV
mit der Notwendigkeit einer intensivierten Herzinsuff.-Ther.

8.6.4 Voruntersuchungen vor Herztransplantation


Anamnese, physikalische Untersuchung.
498 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Labor
• Routinelabor einschließlich Diff-BB, kompletter Gerinnungsstatus, Krea-
Clearance, Stuhluntersuchung auf Blut u. pathogene Keime, Sputumuntersu-
chung auf pathogene Keime.
• Immunologie u. Infektionsserologie: Blutgruppe, HLA-Typisierung,
Coombs-Test, AK-Suchtest, antisarkolemmale AK, zytotoxische AK, AK ge-
gen kardiotrope Viren (Coxsackie B, Echo, Epstein-Barr, Influenza, Adeno,
Mumps, Masern, Röteln), HIV-, Hepatitis-, CMV-, HSV-, VZV-, Toxoplas-
mose-Serologie, Tbc-Diagn., TPHA-Test, Gonorrhö-KBR, Rachen-, Nasen-,
Leistenabstrich.

Technische Diagnostik
Rö-Thorax, EKG, Langzeit-EKG, Echo, Lufu-Untersuchung einschließlich Diffu-
sionskapazität, max. O2-Aufnahme unter Belastung, Abdomen-Sono, Doppler-
Sono der extrakraniellen Arterien, Gastroskopie, Koloskopie, Rechts- u. Links-
herzkatheteruntersuchung, evtl. Myokardbiopsie zum Ausschluss einer Myokar-
ditis od. Systemerkrankung. Fakultativ: Mammografie, Lungenperfusions-/Venti-
lationsszintigrafie.

Konsiliaruntersuchungen
Psychiatrie, Psychologie, HNO (inkl. Rö Nasennebenhöhlen), Zahnarzt, ggf.
­Gynäkologie u. Dermatologie.

8.6.5 Auswahlkriterien für die Organspende


• Zustimmungserklärung.
• Normale Herzbefunde (Anamnese, körperl. Untersuchung, Echo).
• Alter < 55 J. (Kriterium variiert je nach Zentrum); bei Alter > 35 J., wenn
möglich elektive Koro u. Lävokardiografie.
• Hämodynamische Stabilität (cave bei Hirntod: hoher Dopaminbedarf
< 10 μg/kg KG/Min.) u. Rhythmusstabilität.
• Ausschluss: Malignom, vorangegangene Reanimationen, länger andauernde
Hypotensionen, traumatische Herzschädigung, floride od. latente Infektion
(HIV-, Hepatitis-B-, CMV-, Toxoplasmose-Serologie), pathologische Q-Za-
cken im EKG (cave bei unspezifischen nonkoronaren ST-T-Veränderungen
bei erhöhtem Hirndruck, Hypothermie).
• Ischämiezeit < 4–6 h in kardioplegischer Lsg. bei 5–8 °C.

8.6.6 Komplikationen
8
Perioperative Mortalität
Entspricht der anderer Herz-OP unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Güte
des Transplantats bestimmt zusätzlich die weitere Überlebensrate. Häufigste
postop. Todesursache sind die unter Immunsuppression exazerbierten/erworbe-
nen Infektionen:
• Bakteriell: überwiegend gramneg. Keime.
• Viral: Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, HSV.
• Fungal: Candida, Aspergillus, Cryptococcus.
• Protozoen: Pneumocystis jiroveci, Toxoplasmose.
 8.6 Herztransplantation 499

Abstoßung
Akute Abstoßung
Meist innerhalb der ersten 3 Mon., bei zu geringer Immunsuppression jederzeit
möglich. Klinik: Appetitlosigkeit, Kopf- u. Gliederschmerzen, Zeichen der Herz-
insuff. (bes. Rechtsherzinsuff. mit TR), Arrhythmien (häufig VES, ventrikuläre
Salven, SA-, AV-Blockierungen), intraventrikuläre Reizleitungsstörungen.
70 % der Abstoßung sind zellulär vermittelt, 30 % AK-vermittelt od. gemischt.
Höchstes Risiko in den ersten 4 Wo. mit Maximum in der 2. Woche. Ca. 40 % er-
leiden im 1. J. eine Abstoßungsreaktion. RF: Anzahl der HLA-mismatches, weibl.
Empfänger- u. Spendergeschlecht, junger Empfänger u. Spender.
Chronische Abstoßung
Ursachen:
• Vask.: diffuse, rasch progrediente Koronarsklerose (immunogen vermittelte
Endothelläsion), Intimaproliferation, Kalziumablagerungen, Rarefizierung
kleiner Gefäße, keine Ausbildung von Kollateralen. Inzidenz: bis 20 % nach
1 J., 40–60 % nach 5 J.
• Myokardial: Ausbildung einer Peri-/Myokardfibrosierung mit diastol. Funk-
tionsstörung; Inzidenz bis 10 % nach 3 J.
Diagnostik der Abstoßungsreaktion
Myokardbiopsie: transvenöse endomyokardiale Katheterbiopsie („gold stan-
dard“). Histomorphologische Einteilung der Abstoßungsreaktion:
• Grad Ia: milde fokale Abstoßung.
• Grad Ib: milde diffuse Abstoßung.
• Grad II: moderate fokale Abstoßung.
• Grad IIIa: moderate multifokale Abstoßung.
• Grad IIIb: diffuse moderate Abstoßung.
• Grad IV: diffuse schwere Abstoßung.
Je nach Zentrum werden neben der Myokardbiopsie nichtinvasive Methoden zur
Abstoßungsdiagn. eingesetzt: zytoimmunologisches Monitoring, intramyokardi-
ales EKG, Anti-Myosin-AK-Szintigrafie, MRT.

8.6.7 Immunsuppression in der Nachbehandlung


• Glukokortikoide: Prednison 0,15 mg/kg KG/d. NW: iatrogenes Cushing-Sy.,
Diab. mell. aggraviert od. induziert, Osteoporose, Wachstumshemmung bei
Kindern.
• Mycophenolat-Mofetil: Cellcept®, Alternative zu Azathioprin. Inhibierung
der zellulären u. humoralen Abstoßung, Dosis 2 × 1,5 g/d, Akkumulation bei
Niereninsuff.! NW: hämatologische u. lymphoproliferative Erkr., gastrointes- 8
tinal (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö).
• Ciclosporin A: Dosi. nach Serumspiegel (Talspiegel 100–300 μg/l im Vollblut).
NW: Nephrotoxizität (tubuläre Schäden) mit reversibler dosis- u. zeitabhängi-
ger Funktionsstörung. Langfristig erhöhtes Krea u. erhöhter RR mit i. d. R.
dauerhaft behandlungsbedürftiger art. Hypertonie, Hepatotoxizität mit Hyper-
bilirubinämie u. Transaminasenerhöhung, Malignominduktion bei 0,7 % (80 %
Lymphome). Pharmakologische Interaktion mit Makrolidantibiotika, Doxicy­
clin, Ketoconazol, oralen Kontrazeptiva (Spiegel ↑), Carbamazepin, Phenytoin,
Barbiturate, Metamizol, Rifampicin (Spiegel ↓). Keine Komb. von Ciclospo-
rin A u. weiteren nephrotoxischen Medikamenten. Alternative: Tacrolimus.
500 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

• Weiter Immunsuppressiva je nach individuellem Verlauf u. in Komb. mit


anderen Immunsuppressiva: Tacrolimus 2–10 mg/d (Talspiegel 7–18 μg/l),
Everolimus 1,5–3 mg/d (Talspiegel 3–8 μg/l), Sirolimus 2–6 mg/d (Talspiegel
8–14 μg/l).

8.6.8 Verlaufskontrolle herztransplantierter Patienten


Pat. muss dauerhaft durch Spezialambulanz für herztransplantierte Pat. betreut
werden. So werden kardiologische u. kardiochirurgische Verlaufskontrollen mit
hohem Qualitätsstandard gewährleistet. Bei Pat.-Aufklärung vor OP muss diese
lebenslange, aufwendige Kontrolle erörtert werden. Pat. muss sich hierzu bereit
erklären. Kontrollintervalle u. -inhalte werden individuell festgelegt. Insbes. nach
therapierten Abstoßungsreaktionen können häufigere Endomyokardbiopsien
notwendig werden.

Inhalte der Verlaufskontrolle


• Anamnese u. körperl. Untersuchung,
• Labordiagn.: Routinelabor, Infektionsserologie, Serumspiegel von Ciclospo-
rin A,
• EKG, Echo
• Myokardbiopsie: alle 6–12 Mon.,
• Koro: alle 12 Mon.

8.6.9 Besonderheiten in der Nachbehandlung


Infektionen
• Höchstes Infektionsrisiko durch bakterielle u. fungale Infektionen in den ers-
ten 2 Mon., vom 2.–6. postop. Mon. v. a. opportunistische u. nichtbakterielle
(Viren, Protozoen). CMV- u. pulmonale Infektionen stehen im Vordergrund.
In der späten Posttransplantphase vergleichbares Infektionsrisiko wie Allge-
meinbevölkerung, opportunische Infektionen dennoch möglich.
• Eine Intensivierung der Abstoßungsther. geht mit einer höheren Infektions-
rate einher.
• 20 % aller Todesfälle im 1. J. durch Infektionen. Prophylaxe in den ersten
6–12 Mon. gegen Infektionen mit Candida, CMV, HSV, Pneumocystis jirove-
ci, Toxoplasma gondii. Nach 6 Mon. Infektionen durch übliche Erreger.
• Die aktive CMV-Infektion bewirkt direkte virale Organschäden (Lunge,
Myokard, Hepatitis u. a.) u. begünstigt eine Abstoßungsreaktion, Transplan-
tatvaskulopathie u. Entstehung lymphoproliferativer Erkrankungen.
8 • Ther.: asymptomatische Pat. mit relevanter Viruslast Valganciclovir
2 × 450 mg/d (Krea-adaptiert) bis PCR neg., mind. 14 Tage. Klinisch aktive
CMV-Infektion Ganciclovir 2 × 5 mg/kg/d i. v. Dosisadaptation bei Nierenin-
suffizienz. Bei schwerer Infektion zusätzlich Hyperimmunglobulin. Alternati-
ve zu Ganciclovir bei Resistenz: Foscarnet.

Infektionsprophylaxe
• Frühpostop. zentrumspezifische Prophylaxeschemata (Antibiotika, orale Pilz-
prophylaxe, antivirale Prophylaxe gegen CMV). Pneumocystis-jiroveci- u.
Toxoplasmose-gondii-Infektionsprophylaxe mit Trimethoprim/Sulfametoxa-
zol über mehrere Monate.
 8.6 Herztransplantation 501

• Postop. keine Lebendimpfungen. Passive Impfungen nach denselben Richtli-


nien wie in der Normalbevölkerung. Pat. auf Warteliste zur HTX sollten eine
aktive Impfung mit Totimpfstoffen erhalten: Tetanus, Diphtherie, Polio,
Pneumokokken, Influenza.

Transplantatvaskulopathie
Allograftvaskulopathie. 5–10 %/J., nach 5 J. 25–50 %. Haupttodesursache nach
dem 1. Jahr.
• Pathogenese: diffuser Prozess der Intimaverdickung der epikardialen u. intra-
myokardialen Arterien u. der Venen. Multikausale Genese (klassische RF, im-
munologische Faktoren [„Abstoßungsreaktion“], immunsuppressive Medika-
mente, Virusinfektionen, Ischämie-Reperfusionsschaden).
• Folgen: Myokardischämie ohne A. p. (bei denerviertem Herzen), stumme In-
farkte, plötzlicher Herztod.
• Diagn.: Koro (jährlich), höhere Sensitivität durch Komb. mit intravaskulärem
Ultraschall, Stress-Echo (Sensitivität 80 %, Spezifität 88 %), evtl. Angio-CT als
Alternative.
• Ther.: pos. Effekte durch Einsatz von Sirolimus u. Everolimus, Pravastatin,
evtl. Diltiazem. PCI hat nur palliativen Charakter, zeitlich begrenzter Nutzen,
hohe Rezidivstenoserate. Bypass-OP bei sehr hohem Mortalitätsrisiko nur in
Ausnahmefällen.

Hyperlipidämie
Unter Steroiden u. Ciclosporin A in 50 %, konsequente CSE-Hemmer-Ther. (ge-
ringere Häufung an Transplantatvaskulopathien, bessere Prognose). Bei Einsatz
von Calcineurininhibitoren (Ciclosporin A, Tacroimus) am besten Komb. mit
Pravastatin od. Fluvastatin (keine CYP450-Metabolisierung). Erhöhtes Risko ei-
ner Myositis bzw. Rhabdomyolyse (Klinik-, CK-Kontrollen). Fibrate bei Nieren-
insuff. kontraindiziert.

Posttransplantationsdiabetes
Nach 5 J. in > 30 %, v. a. infolge der Steroide u. Calcineurininhibitoren. Diagnose
bei Nüchtern-BZ > 125 mg%. OGTT bei Nüchtern-BZ 110–125 mg%. HBA1c-
Kontrollen alle 3–6 Monate.
Ther.: evtl. Reduktion/Ausschleichen der Steroide, Ersatz von Ciclosporin A u.
Tacrolimus, orale Antidiabetika, Insulin. Ther. der Hyperlipoproteinämie.

Arterielle Hypertonie
Bei > 70 % aller Pat. Ursache: Induktion durch Steroide u. Ciclosporin A (Vaso-
konstriktion, Na+-Retention), veränderte Barorezeptorenverhältnisse, RAAS-Ak-
tivierung. 8
Ther.: Ziel-RR < 140/80 mmHg, bei Diab. mell. od. Niereninsuff. < 130/80 mmHg.
Bevorzugter Einsatz von ACE-Hemmer od. AT1-Antagonisten, Diltiazem, Vaso-
dilatatoren, Diuretika. Cave bei Betablockern: keine KI, jedoch verstärkte Wir-
kung am denervierten Herzen möglich.

Niereninsuffizienz
Nach 5 J. in > 30 %. Kontrollen von Krea, Harnstoff, Proteinausscheidung im
24-h-Sammelurin u. GFR (oder Krea-Clearance) unter Calcineurininhibitoren.
Ther.: ausreichende Trinkmenge, optimale RR-Eistellung, Meiden nephrotoxi-
scher Medikamente (NSAR!), konsequente urologische Infektherdsanierung. Evtl.
502 8 Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie (PAH) 

Umstellung auf nicht primär nephrotoxische Subsanzen (Sirolimus, Everolimus,


Mycophenolat-Mofetil).

Neoplasien
Häufigkeit 1–2 %/J. Je höher die Gesamtdosis an Immunsuppressiva, desto wahr-
scheinlicher das Auftreten von Malignomen: lymphoproliferative Erkr. (Non-
Hodgkin-Lymphome) in Assoziation mit einer EBV-Infektion, anogenitale Karzi-
nome, Nierenzell-, Urothel-, hepatozelluläres Karzinom, maligne Hauttumore.
Ther.: onkologische Ther.-Strategien, Senken der Intensität der Immunsuppressi-
on od. Einsatz von Everolimus od. Sirolimus.

Osteoporose
Induktion durch Malnutrition, Bewegungsmangel, Niereninsuff., Steroide u. Cal-
cineurininhibitoren. Innerhalb des ersten halben Jahres am stärksten ausgeprägt.
Diagn.: vor u. nach HTX DXA.
Ther.: Prophylaxe mit Vit. D3 (1.000 IE/d), Kalzium (1.000 mg/d), Biphosphonate
nach Fraktur, Ther. einer renalen Osteopathie durch Nephrologen. Körperl.
­Aktivität!

8
9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie
Ulrich Stierle

9.1  rterieller Hypertonus 504


A 9.1.8 Primärer Hyperaldo­
9.1.1 Ätiologie u. Klinik des steronismus 516
arteriellen Hypertonus 504 9.1.9 Schwangerschafts­
9.1.2 Folgeschäden 505 hypertonie 516
9.1.3 Diagnostik bei arteriellem 9.2 Arterielle Hypotonie,
Hypertonus 506 Synkope 518
9.1.4 Therapie des arteriellen 9.2.1 Hypotone Kreislauf­
Hypertonus 508 dysregulation 518
9.1.5 Essenzieller arterieller 9.2.2 Intermittierende arterielle
Hypertonus 512 Hypotonie (Präsynkope,
9.1.6 Renal bedingter ­Synkope) 519
Hypertonus 513
9.1.7 Phäochromozytom 514
504 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

Internetadressen
Deutsche Hypertonie Gesellschaft: www.hochdruckliga.de/guideline.htm
Leitlinien zur Hochdruckdiagnostik u. -therapie. Tipps für Patienten. Links zu
ausländischen Hochdruckleitlinien.

9.1 Arterieller Hypertonus
9.1.1 Ätiologie u. Klinik des arteriellen Hypertonus

Tab. 9.1 Definition des Bluthochdrucks


Diastol. RR Systol. RR
Optimal < 80 mmHg < 120 mmHg
Normal < 85 mmHg < 130 mmHg
Hoch normal („Prähypertension“) 85–89 mmHg 130–139 mmHg
Leichte Hypertonie (Grad 1) 90–99 mmHg 140–159 mmHg
Mittelschwere Hypertonie (Grad 2) 100–109 mmHg 160–179 mmHg
Schwere Hypertonie (Grad 3) > 110 mmHg > 180 mmHg
Isolierte systol. Hypertonie < 90 mmHg ≥ 140 mmHg

Nur wiederholt erhöhter Druck an mehreren Tagen gilt als Hochdruck


(▶ Tab. 9.1). Bereits bei „hoch normalem“ RR treten vermehrt kardiovask. KO
auf, eine Risikoreduktion durch Ther. ist hier aber nicht belegt. Ab 140/90 mmHg
ist der Nutzen einer med. Ther. gesichert. Labiler Hypertonus: Wechsel zwischen
normalen u. erhöhten Werten. Maligner Hypertonus: RR, der zu akuten Organ-
schäden führt (z. B. Papillenödem, meist retinale Exsudate u. Hämorrhagien); RR
meist > 200/140 mmHg. Diagnose mit Langzeit-RR-Messung (▶ 9.1.3): obere
Normgrenze Tag 130/80 mmHg, Nacht 120/70 mmHg.
Systol. Hypertension des jungen Pat. (bis 25 LJ.): überaktives sympathoadrener-
ges System (HZV ↑, aortale Steifigkeit ↑); v. a. männl. Pat., oft Vorläufer der dias-
tol. Hypertension im mittleren Alter.
Diastol. Hypertension im mittleren Alter (30–50 LJ.): isolierte diastol. Hyperten-
sion bei normalem systol. Druck; gelegentlich auch systol.-diastol. Hypertension.
Meist Männer mit Gewichtszunahme im mittleren Alter, Progression in systol.-
diastol. Hypertonie, SVR ↑, Plasmavolumen ↑, Na+-Ausscheidung ↓ als Ursache.
Isolierte systol. Hypertension im Alter (> 55 LJ.): RR-Amplitude nimmt ab
55 LJ. zu, da Steifigkeit der zentralen Ao ↑ plus augmentierte Pulswelleninflektion
aus Peripherie. Häufiger bei Frauen, Haupt-RF einer diastol. Herzinsuff.
Ätiologie
Nur in ca. 5 % kann eine zugrunde liegende Störung gefunden werden, bei schwe-
9 rem Hypertonus allerdings wesentlich öfter. In den entwickelten Ländern steigt RR
mit dem Alter an, in Gesellschaften, in denen weniger NaCl gegessen wird, nicht.
• Häufige Ursachen: essenzieller Hypertonus 90–95 % (▶ 9.1.5), renaler Hyper-
tonus (▶ 9.1.6, renoparenchymatös ca. 2 %, renovaskulär ca. 2 %), Hyperaldo-
steronismus ≤ 0,5 % (▶ 9.1.8), Phäochromozytom ≤ 0,1 % (▶ 91.7), Schwan-
gerschaft (▶ 9.1.9).
 9.1 Arterieller Hypertonus 505

• Seltenere Ursachen: Kontrazeptiva, Hyperthyreose, AR (systol. ↑; ▶ 4.8.2),


Lakritze, M. Cushing, Steroidmedikation, Akromegalie, Ciclosporin, Alkoho-
lismus, Fieber, psychogen.
! Bei Hypertonus stets an „Weißkittel-Hypertonie“ denken: psychogener, pas-
sagerer Hochdruck bei Arztbesuch.
Klinik
• Meist keine Beschwerden. Selten Kopfschmerz (bes. morgens), i. d. R. okzipi-
tal.
• Hypertensive Krise (▶ 2.2.4): evtl. Übelkeit, Schwindel, Sehstörungen, A. p.,
Luftnot, Epistaxis.
• Beschwerden durch Sekundärschäden: z. B. A. p. (▶ 3.4, ▶ 3.5), TIA, zerebra-
ler Insult, Claudicatio intermittens.

9.1.2 Folgeschäden
Häufig: Arteriosklerose (KHK ▶ 3), Myokardhypertrophie u. Nierenschäden. Oh-
ne Ther. sterben > 80 % der Pat. an Folgeschäden.

Hypertensive Herzerkrankung
• Beginn: erhöhte LV-Wandspannung u. Myokardhypertrophie ohne entspre-
chende Kapillarvermehrung → Hypoxiegefahr.
• Verlauf: Myokardhypertrophie, verschlechterte Ventrikelcompliance →
­ iastol. Dysfunktion, erhöhte Füllungsdrücke. Folge: pulmonale Stauung
d
(­hypertensive Herzerkr.).
• Endstadium: Ventrikeldilatation, Vorwärtsversagen. DD zur primären CMP
(▶ 5.1) schwierig.
• Beschleunigte KHK-Entwicklung, erhöhte Inzidenz des plötzlichen Herztods
(v. a. bei Sportlern).
• Ther.: Ventrikelhypertrophie bei RR-Normalisierung rückbildungsfähig. Für
ACE-Hemmer, Betablocker u. Diuretika ist hypertrophiemindernder Effekt
belegt. Ther. von Hypertonie ▶ 9.1.4, Linksherzinsuff. ▶ 8.3, A. p. ▶ 3.5,
▶ 3.10.
Nierenschäden durch Hypertonus
Bei > 10 % aller Dialysepat. verursacht ein art. Hypertonus die terminale Nieren-
insuffizienz. Verlaufsformen: benigne u. maligne Nephrosklerose.
Benigne Nephrosklerose
• Ätiol.: art. Hypertonus → arteriosklerotische Stenosen der präglomerulären
Gefäße → verminderter Blutzufluss zu Glomerula → RAAS-Aktivierung → art.
RR ↑↑.
• Klinik: Proteinurie, anfangs nur Mikroalbuminurie. Erst spät Anstieg des
Krea. Ödeme sind untypisch.
! Bei Proteinurie > 1 g/d od. Krea > 1,5 mg/dl Pat. auch bei Nephrologen vor-
stellen.
• Ther.: Konsequente RR-Einstellung. ACE-Hemmer Mittel 1. Wahl (▶ 11.4.1). 9
Maligne Nephrosklerose
Spezifische, vaskulitisartige Stenosen der renalen Interlobulararterien mit Nieren-
infarkten. Rasche Nierenfunktionsverschlechterung. Letalität unbehandelt > 80 %
in 1 J. Nephrologische Betreuung!
506 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

Neurologische Folgeschäden
Art. Hypertonie ist wichtigster RF des Schlaganfalls. Höhe von Druck u. Risiko
korrelieren beim alten Menschen eng.
• Akut: hypertensive Enzephalopathie bei hypertensiver Krise. Jedes neurol.
Symptom ist möglich, z. B. Kopfschmerz, Erbrechen, Bewusstseinsverlust,
Krämpfe, Sehstörungen, fokale Ausfälle.
• Chron.: multiple kleine („lakunäre“) Infarkte, meist in Stammganglien (CCT-
Bild: sog. subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie). Klinik: meist
unauffällig. Im fortgeschrittenen Stadium evtl. Multiinfarktdemenz mit Af-
fektlabilität, bilateralen Pyramidenbahnzeichen u. Inkontinenz.
• Ther.: Bei Schlaganfall RR vorsichtig senken, nur bei RR ≥ 220/210 mmHg
sofort eingreifen.
• Prophylaxe: Auch beim alten Menschen sinkt bei RR-Normalisierung die
Schlaganfallinzidenz deutlich, Stufenther. (▶ 9.1.4).

9.1.3 Diagnostik bei arteriellem Hypertonus


Basisdiagnostik
Anamnese
• Schwangerschaft, Ovulationshemmer, psychische Belastung, Lakritze-, Salz-,
Alkoholkonsum, Hyperthyreose.
• Arteriosklerose-RF (▶ 1): Diab. mell., Rauchen, Hypercholesterinämie, Über-
gewicht, Bewegungsmangel, Familienanamnese.
• Hinweise auf Sekundärschäden: A. p., Belastungsdyspnoe, Nykturie, Claudi-
catio intermittens, Z. n. TIA, neurol. Symptome.
• Hinweise auf essenziellen Hypertonus: pos. Familienanamnese, langsamer
RR-Anstieg in 2. Lebenshälfte.
Körperliche Untersuchung
• Aspekt: M. Cushing (Mondgesicht, Büffelnacken, abdominelle Striae); Hy-
perthyreose (Gewichtsverlust, Schwitzen, Tachykardie/-arrhythmie); Akro-
megalie (verplumpte Fazies u. Hände, Makroglossie, Viszeromegalie); Über-
gewicht.
• Auskultation: evtl. AR (▶ 4.8.3).
• Herzspitzenstoß: hebend, verbreitert, lateralisiert bei hypertensiver Herz-
krankheit.
• Gefäßstatus: Fußpulse, Strömungsgeräusche der A. femoralis, A. carotis u.
periumbilikal (NAST?). RR seitengleich (CoA? ▶ 4.17).
• Augenhintergrund: obligat. Grad der Retinaveränderungen korreliert mit
5-JÜR bei unbehandeltem Hypertonus: Grad I 85 %, Grad II 50 %, Grad III
13 % u. Grad IV 0 %.
Technik der Blutdruckmessung
• An mehreren Tagen messen. Messung im Sitzen. Bei erster Messung an bei-
den Armen, beim jungen Pat. auch am Bein (CoA ▶ 4.17).
9 • Blutige Messung: nur indiziert bei nicht komprimierbarer Arterie (diffuse Ar-
teriosklerose), da bei normaler RR-Messung evtl. zu hohe Werte („Pseudohy-
pertonus“).
• Pat.-Selbstmessung: sinnvoll, da verbesserte Reproduzierbarkeit der Mess-
werte, verbesserte Ther.-Überwachung u. bessere Ther.-Treue. Handgelenks-
RR-Messgeräte sind weniger genau.
 9.1 Arterieller Hypertonus 507

! Korrekte Messwerte mit üblichen 12 cm breiten RR-Manschetten nur bei


Arm­umfang von ca. 25–32 cm. Dicker Arm → falsch hohe Messwerte; dünner
Arm → falsch niedrige Messwerte.
24-h-Messung
Der 24-h-Mittelwert korreliert besser mit Organschäden (z. B. LVH) als Einzel-
werte u. bietet eine bessere Ther.-Überwachung.
• Ind.: V. a. „Praxishypertonie“; V. a. RR-Krisen; Organschäden od. pathol. Au-
genhintergrund trotz normalem RR; DD essenzieller/sek. Hypertonus.
• Normalwerte: Mittelwert tags 130/80 mmHg, nachts 120/70 mmHg. Bei feh-
lendem Tag-Nacht-Rhythmus V. a. sek. Hypertonie.
• Durchführung: Messung tags alle 15 Min., nachts alle 30 Min. Pat. sollte Ak-
tivitätsprotokoll führen (Belastungen?) u. sich nicht schonen (Messung mög-
lichst an einem Werktag).
Ergometrische Blutdruckkontrolle
• Submaximale Belastung (50–100 W). Grenzwerte: Bei 75 W
< 185/100 mmHg, bei 100 W < 200/100 mmHg (bei Alter > 50 J. pro Dezenni-
um 10 mmHg systol. u. 5 mmHg diastol. höhere Grenzwerte).
• Bewertung: Belastungshypertonie ist Indikator einer späteren Ruhehyperto-
nie. Belastungshypertonie korreliert mit LVH.
Labor u. apparative Diagnostik
• EKG: schlechte Sensitivität, rel. hohe Spezifität. R od. S in Extremitätenabl.
≥ 2,0 mV, S in V od. R in V ≥ 3,0 mV, ST-Strecke bzw. T-Wellen-Vektor ge-
genläufig zum QRS-Vektor. Überdrehter Linkstyp, QRS ≥ 0,09 s, oberer QRS-
Umschlagpunkt ≥ 0,05 s in V, Sokolow-Lyon-Index pos.
• Echo: normale Diameter der Herzhöhlen. Meist konzentrische LVH, asym-
metrische Hypertrophiemuster (z. B. Septumhypertrophie) möglich. LV-
Compliancestörung mit verminderter E-Welle, überhöhter A-Welle u. verzö-
gerter Relaxation. Bei vorwiegend diastol. Dysfunktion normale EF u. end-
diastol. Diameter, bei systol. Dysfunktion EF vermindert, LV dilatiert.
• Serum-Krea, K+, Ca2+, Glukose, HbA1c, Chol., Triglyzeride, BB.
• Urinstatus: Proteinurie?
• Sono: Nieren seitengleich? Nebennieren?
! Bei mildem Hypertonus ohne klinischem V. a. sek. Hypertonus nicht immer
alle möglichen Ursachen eines sek. Hypertonus ausschließen.

V. a. sekundären Hypertonus
Akut aufgetretener oder rasch zunehmender Hochdruck; RR > 180/110 mmHg;
therapierefraktärer Hypertonus, RR-Krisen (▶ 2.2.5); Proteinurie, Krea
> 1,5 mg/dl; Pat. mit Hypertonus-Folgeschäden: pAVK, Fundus hypertonicus
≥ Grad 2; sonografisch verschieden große Nieren; abdominales Strömungsge-
räusch, Krea-Anstieg unter ACE-Hemmern; Gewichtszunahme, neu aufgetre-
tener Diab. mell.; Hypokaliämie.

9
Erweiterte Diagnostik
• Ind.: V. a. sek. Hypertonus (s. o.), Beurteilung von Folgeschäden (s. u.).
• Duplex-Sono der Nierenarterien; TSH; bei vermindertem (oder niedrignor-
malem) K+ → 18-OH-Kortikosteron im Sammelurin (▶ 9.1.8); evtl. Katechol-
amine im Sammelurin (▶ 9.1.8).
508 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

• Psychosomatisches Konsil (▶ 14.1).


! Tests nach Klinik gezielt auswählen.
! Urinanalytik: Pat.-Vorbereitung beachten (▶ 9.1.6).

9.1.4 Therapie des arteriellen Hypertonus


Nichtmedikamentöse Therapie
Bei mildem Hypertonus zunächst Versuch der nichtmed. Ther.: Übergewicht ab-
bauen, NaCl-Konsum < 6 g/d senken (v. a. bei Diuretikather.), Alkoholabusus ver-
meiden. Andere vask. Risiken vermeiden: Nikotinkonsum, Hypercholesterinämie
(▶ 1), Diabeteseinstellung. Moderates körperl. Training mit RR-Kontrollen (be-
legte RR-Senkung!). Ausdauer-, kein Kraftsport. Gemüsereiche Kost, Konsum
mehrfach ungesättigter Fettsäuren.

Medikamentöse Therapie
Indikation zur medikamentösen Therapie
• Ther.-Ind. (▶ Abb. 9.1, ▶ Tab. 9.2, ▶ Tab. 9.3) beruht auf Höhe des RR, An-
zahl an RF u. Vorliegen von Endorganschäden bzw. Folgekrankheiten.
– RF: Rauchen, Hyperlipoproteinämie, Diab. mell., pos. Familienanamnese
u. Alter (Männer > 55 J., Frauen > 65 J.).
– Endorganschäden: Linksherzhypertrophie, arteriosklerotische Plaques
(Sono od. Rö), Proteinurie, leicht erhöhtes Krea, hypertensive Retinopa-
thie.
– Folge- u. Begleiterkr.: symptomatische KHK, Herzinsuff., pAVK, TIA od.
Schlaganfall, chron. Nierenkrankheit bzw. Proteinurie.
• Hypertonie Grad 1: med. Ther. nur bei Folgekrankheiten, Endorganschäden,
Diabetes od. mind. 3 RF, bzw. wenn RR über Monate wiederholt
≥150/95 mmHg.
• Hypertonie Grad 2: Wie Grad 1, aber med. Ther., wenn RR über Monate
≥140/90 mmHg.
• Hypertonie Grad 3: Stets med. Ther.
Auch Hochdruck des alten Menschen u. isoliert systol. Hypertonie
> 160 mmHg konsequent behandeln.

Medikamentenauswahl u. Therapieziel
Antihypertensivum nach Schwere des Hochdrucks, bestehenden Begleiterkr.
(s. u.) u. Komb.-Möglichkeit mit anderen Medikamenten auswählen. Cave: Com-
plianceprobleme v. a. bei Symptomfreiheit u. mangelnder Krankheitseinsicht
(▶ 14.1).
• Ther.-Ziel: RR < 140/90 mmHg. Diabetiker < 135/85 mmHg; bei Proteinurie
> 1 g/d < 125/70 mmHg.
• Ther.-Prinzip: Beginn mit 1 Wirkstoff, diesen ggf. max. dosieren, erst nach ca.
9 3 Wo. weiteren Wirkstoff hinzugeben.

Die aktuellen amerikanischen Empfehlungen zur Hochdruckther. (JNC 7) se-


hen als ersten Schritt der Hochdruckther. stets ein Thiaziddiuretikum (lang-
fristig wohl mit erhöhter Inzidenz an Diab. mell. assoziiert). Aus gleichen
Gründen nimmt der Stellenwert des Betablockers als First-Line-Ther. ab!
 9.1 Arterieller Hypertonus 509

SBD 140–180 mmHg oder DBD 90–110 mmHg


bei mehreren Messungen (Schweregrad 1 und 2)

Bestimmung von anderen Risikofaktoren, Organbeteiligung,


Folge- und Begleiterkrankungen

Nichtmedikamentöse Allgemeinmaßnahmen

Risikostratifizierung

Sehr hoch Hoch Mittel Niedrig

Pharmako- Kontrolle BD u. Kontrolle BD u.


therapie andere Risiko- andere Risiko-
faktoren für faktoren für
3–6 Mon. 6–12 Mon.

SBD ≥ 140 SBD < 140 SBD ≥ 150 SBD < 150
oder oder oder oder
DBD ≥ 90 DBD < 90 DBD ≥ 95 DBD < 95

Pharmako- Weitere Pharmako- Weitere


therapie Kontrollen therapie Kontrollen

Abb. 9.1 Indikationsstellung zur Therapie des art. Hypertonus in Abhängigkeit


von RR u. Risikokonstellation. BD = Blutdruck, SBD = systol. Blutdruck, DBD =
diastol. Blutdruck, RF = Risikofaktoren (nach AWMF Leitlinie „Arterielle Hyperto­
nie“) [A300]

9
510 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

Tab. 9.2 Kardiovask. RF, Parameter für Endorganschäden, Folge- u. Begleit-


krankheiten (aus AWMF Leitlinie arterielle Hypertonie)
RF kardiovask. Endorganschäden Folge- u. Begleiterkrankungen
­Erkrankungen
• Schweregrad der • LVH • Zerebrovaskuläre Erkr. (isch­
Hypertonie • Proteinurie u./od. ein­ ämischer Insult, Hirnmassen­
• Alter: Männer geschränkte Nieren­ blutung, TIA)
> 55 J., Frauen funktion • Herzerkr. (MI, KHK, Z. n.
> 65 J. • Sonografische od. ACVB, PCI, Herzinsuff.)
• Rauchen ­radiologische Zeichen • Nierenerkr. (diabetische Ne­
• Gesamtcholesterin der Arteriosklerose phropathie, Krea
> 6,5 mmol/l • Arteriosklerotische > 177 μmol/l bzw. > 2 mg/dl)
(250 mg/dl) Augenhintergrund­ • Gefäßerkr. (dissezierendes
• Diab. mell. veränderungen Aneurysma, symptomatische
• Familienanamnese stenosierende Gefäßprozesse)
vorzeitiger Arterio­ • Fortgeschrittene hypertensi­
sklerose ve Retinopathie (Blutungen,
Exsudate, Ödem)

Tab. 9.3 Risikostratifizierung zur Prognosebeurteilung bei Hypertonus.


SBD = systol. Blutdruck, DBD = diastol. Blutdruck (aus AWMF Leitlinie
­arterielle Hypertonie)
Andere RF u. Blutdruck (mmHg)
­Erkrankungen
Schweregrad 1 Schweregrad 2 Schweregrad 3
(leichte Hyper­ (mittelschwere (schwere Hyper­
tonie) ­Hypertonie) tonie)
SBD 140–159 od. SBD 160–170 od. SBD ≥ 180 od. DBD
DBD 90–99 DBD 100–109 ≥ 110
I: Keine anderen RF Niedriges Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko
II: 1–2 RF Mittleres Risiko Mittleres Risiko Sehr hohes Risiko
III: 3 od. mehr RF Hohes Risiko Hohes Risiko Sehr hohes Risiko
od. Diabetes od.
Endorganschäden
IV: Folge- u. Begleit­ Sehr hohes Risiko Sehr hohes Risiko Sehr hohes Risiko
krankheiten
Risikogruppen entsprechen dem ansteigenden Risiko von kardiovask. Tod, Schlag­
anfall od. MI: niedriges Risiko < 15 %/10 J.; mittleres Risiko ca. 15–20 %/10 J.; hohes
Risiko: 21–30 %/J., sehr hohes Risiko > 30 %/10 J.

Stufentherapie
Medikamente einer Wirkgruppe sollten nicht kombiniert werden, z. B. ACE-
Hemmer u. Sartan.
Medikamentenauswahl bei Begleiterkrankungen
• Diab. mell.: Bei Typ-1-Diabetes sind ACE-Hemmer, bei Typ-2-Diabetes
9 AT1-Antagonisten besser belegt. Bei Komb.-Ther.: plus Diuretikum, dann Be-
tablocker od. Kalziumantagonist. Ziel der Hypertoniether. beim Diabetiker:
RR < 135/80 mmHg.
• KHK: Betablocker (antianginös; Letalität nach MI ↓). Bei gleichzeitiger Herz-
insuff. Betablocker sehr vorsichtig dosieren, zuvor ACE-Hemmer u. Diureti-
kum geben.
 9.1 Arterieller Hypertonus 511

• Herzinsuff.: ACE-Hemmer plus nichtkaliumsparendes Diuretikum (HZV ↑,


Ödemausschwemmung), dann einschleichend Betablocker.
• Nierenerkr.: ACE-Hemmer, wenn Krea < 250 μmol/l. ACE-Hemmer verlang-
samen Progression der Niereninsuffizienz. Bei deutlichem Krea-Anstieg unter
ACE-Hemmer u. K+ ↑ absetzen. Einschleichend dosieren, K+ u. Krea kon­
trollieren.
• AS: Auswahl schwierig. Empfehlung: Diuretika od. langsam wirkende Nach-
lastsenker (z. B. Moxonidin). Bei neg. inotropen Substanzen Gefahr der
Linksherzdekompensation; bei Vasodilatanzien Schockgefahr (Nachlast für
RR erforderlich). Ggf. erhöhten RR akzeptieren.
• Schwangerschaft ▶ 9.1.9.
• Ältere Pat.: Diuretikum od. Kalziumantagonisten.
• Bei deutlicher RR-Erhöhung (> 160 mmHg/> 90 mmHg) großzügiger Einsatz
von Kalziumantagonisten (z. B. Amlodipin), v. a. dann, wenn stoffwechsel-
neutrale Medikation aufgrund der Grunderkr. vorteilhaft ist.
Vorgehen bei therapierefraktärer arterieller Hypteronie
Def.: Nicht leitliniengerechte RR-Einstellung (> 140/90 mmHg, > 130–139/80–
85 mmHg bei Diab. mell., > 130/80 mmHg bei chron. Niereninsuff.) trotz med.
Dreifachkomb. (in max. Dosis od. max. tolerierter Dosis, inklusive Diuretikum).
„Pseudoresistenz“ bei mangelnder Compliance, Medikamenteninteraktionen
(Östrogene, Glukokortikoide, NSAR, Sympathikomimentika, Amphetamine, Cic-
losporin, Tacrolimus, Erythropoetin, trizyklische Antidepressiva), inadäquater
Medikation, falsche Messungen (Mediasklerose der Gefäße), Substanzmissbrauch
(Drogen, Alkohol, Lakritz, Kochsalz), Weißkittelhochdruck.
! Bei therapierefraktärer Hypertonie ohne Hinweise auf Pseudoresistenz (ca.
5–15 % aller Hochdruckpat.) nach obstruktivem Schlafapnoe-Sy., chron. Nie-
renerkr., primärem Hyperaldosteronismus u. NAST fahnden. Seltene Ursache:
Phäochromozytom, Cushing-Sy., Hyperparathyreoidismus, Hyperthyreose, CoA.
Praktisches Vorgehen:
• Pseudoresistenz ausschließen (s. o.), exakte Medikamentenanamnese (Subop-
timale Ther.? RR-steigernde NW anderer Medikamente?).
• Bedeutung der Lebensstilmodifikation erörtern: Gewichtsreduktion, körperl.
Aktivität, Alkoholkarenz, Reduktion der NaCl-Zufuhr.
• Spezielle Diagn. bei begründeten Hinweisen auf sek. Hypertonie: Serume’lyte,
Krea, Urindiagn. mit Proteinbestimmung, Na+-Ausscheidung im Urin,
­Aldosteron-Renin-Quotient, evtl. bildgebende Diagn., Duplex der Nieren u.
Nierensono (v. a. bei Pat. < 50 J. zum Ausschluss/Nachweis einer fibromusku-
lären NAST, bei erhöhtem atherogenen Risiko zum Ausschluss/Nachweis ei-
ner atherosklerotischen NAST).
Ther.:
• Med. Ther.: Dreierkomb. in max. bzw. max. tolerierter Dosis (ACE-Hemmer
od. AT1-Antagonist + Kalziumantagonist + Betablocker) plus Diuretikum.
Falls unzureichend, Einsatz von Reserveantihypertonika (Renininhibitor Alis-
kiren od. direkter Vasodilatator Minoxidil, zentrale α2-Rezeptorantagonisten
Moxonidin od. α1-Rezeptorantagnosisten Urapidil). Die Medikation ist i. d. R.
sehr komplex, interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Nephrologen sinnvoll.
9
• Nichtmed. Optionen: interventionelle renale Sympathikusdenervation („bi-
laterale perkutane renale Denervation“). Modulation der Aktivität des sym-
pathischen Nervensystems beider Nierenarterien durch Radiofrequenzabla-
tion. Sympathische Nervenfasern in der Adventitia werden verödet, Abnah-
512 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

me auch der zentralen Sympathikusaktivität. Geeignete Pat.: therapierefrak-


täre Hypertonie nach Ausschluss einer Pseudoresistenz u. sek.
Hypertonieursachen, normale bis allenfalls leichte Reduktion der Nieren-
funktion (GFR > 45 ml/min/1,73m2), geeignete Nierenarterienanatomie
(normale Morphologie ohne Stenosen od. vorherigen Interventionen). RR-
Senkung von 15–30 mmHg ist bei der Mehrzahl der Pat. erreichbar. Lang-
zeiteffekte > 2 J. nicht bekannt. Verbesserung des Glukosestoffwechsels bei
verbesserter Insulinsensitivität sowie pos. Effekt auf Schlafapnoe-Syndrom.
Einsatz des Verfahrens in spezialisierten Zentren mit wissenschaftlicher Be-
gleitung.

9.1.5 Essenzieller arterieller Hypertonus


Meist in 2. Lebenshälfte, langsame Entwicklung, evtl. familiäre Belastung.

Diagnostik
Basisdiagn. der Hypertonie (▶ 9.1.3), Spezialuntersuchungen nur bei Hinweisen
auf sek. Hypertonus (▶ 9.1.3).

Therapie
Steigerung der körperl. Aktivität u. Gewichtsreduktion sind sinnvolle – aber meist
nicht erreichbare – Basismaßnahmen. Stufenther. ▶ Abb. 9.2.

Stufe 1 • Monotherapie
Diuretikum oder Betablocker oder ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist oder Kalziumantagonist

Stufe 2 • Kombinationstherapie

Diuretikum + Betablocker oder Kalziumantagonist oder ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist


oder
Kalziumantagonist + Betablocker oder ACE-Hemmer

Stufe 3

Diuretikum + Betablocker + Vasodilatator*


oder
Diuretikum + ACE-Hemmer + Kalziumantagonist
oder
Diuretikum + Vasodilatator* + Antisympathotonikum

Stufe 4
Vierfachkombination (ggf. inkl. Doxazosin)
Stufe 5
Minoxidil + Betablocker + Diuretikum
(Patienten aufklären)

* Kalziumantagonist, ACE-Hemmer, AT1-Antagonist, α1-Blocker

9 Abb. 9.2 Stufentherapie des Hypertonus [L157]


 9.1 Arterieller Hypertonus 513

9.1.6 Renal bedingter Hypertonus


Renovaskulärer Hypertonus
Arteriosklerotische Stenosen sind häufig bei alten Pat., bei jüngeren gelegentlich
fibromuskuläre Dysplasie der Nierenarterie. Häufigkeit: bei mildem Hochdruck
< 1 %, bei schwerer Hypertonie ca. 4 %.
Klinik
Meist ausgeprägter evtl. nach ACE-Hemmer starker RR-Einbruch. Bei bilateraler
Stenose unter ACE-Hemmer evtl. Krea-Anstieg, Nierenversagen, Hyperkaliämie.

V. a. Nierenarterienstenose (NAST) bei


• Sonografisch verschieden großen Nieren,
• Krea-Anstieg unter ACE-Hemmern,
• periumbilikalem Strömungsgeräusch,
• deutlichem Hypertonus bei pAVK,
• schwerem bzw. akut aufgetretenem Hypertonus,
• Hypertonus vor dem 30. LJ.,
• Hypertonus bei Nierenfunktionsstörung.
Diagnostik
• Spezialuntersuchungen: nur bei klinisch wahrscheinlicher NAST indiziert.
• Auskultation: evtl. Strömungsgeräusch periumbilikal u. über den Nieren.
• Sono: obligat. Nieren seitengleich groß, geschrumpft? Bei adipösen Pat. ein-
geschränkte Aussagekraft.
• Angio: Die art. DSA ist die zuverlässigste diagn. Maßnahme. Bei schwerem
Hypertonus (hohe Wahrscheinlichkeit einer NAST) indiziert. Immer präop.
durchführen. Alternativ MR-Angio.
! Venöse KM-Gabe liefert oft schlechte Bilder.
• Farbduplex-Sono: Bei schlankem Pat. u. geübtem Untersucher Sensitivität u.
Spezifität ca. 80 %. Flussbeschleunigung in Nierenarterie? Intrarenal: einseitig
höherer Resistance Index (RI)?
• MR-Angio: abhängig von Gerät u. Untersucher exzellente Bilder ohne KM-
Belastung möglich.
• Nierenszintigrafie: nur bei einseitiger NAST aussagekräftig. Im Seitenver-
gleich verzögerte Tracer-Anflutung. Bei Untersuchung ohne u. nach Captopril-
Gabe zuverlässige nichtinvasive Screeninguntersuchung bei Krea < 200 μmol/l.
• Plasmareninbestimmung: praktisch nie indiziert. Allenfalls bei hämodyna-
misch fraglich relevanter NAST seitengetrennte Reninbestimmung im Nie-
renvenenblut. Periphervenöse Untersuchungen sind unzuverlässig. Etwas
besseres Ergebnis bei Bestimmung vor u. nach Gabe von 25 mg Captopril
(Anstieg ≥ 3-fach verdächtig).
Therapie
• PTA: bei fibromuskulärer Dysplasie (i. d. R. + Stent). Bei arteriosklerotischer
Stenose Wertigkeit der PTA umstritten, Ergebnisse nicht immer befriedi- 9
gend. Bei intrarenalem RI > 0,8 kein therap. Vorteil bzgl. RR od. Nierenfunk-
tion zu erwarten.
• Med. Ther.: vor OP od. PTA, bei sehr alten Pat. od. präterminaler Nierenin-
suffizienz. Bei einseitiger, nichtfiliformer Stenose ACE-Hemmer u. Diureti-
kum (vorsichtige Dosissteigerung, Erstgabe unter ärztlicher Aufsicht). Bilate-
514 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

rale Stenose: KI für ACE-Hemmer (Gefahr des Nierenversagens, Schockge-


fahr): Normale Stufenther. ohne ACE-Hemmer.
• Bypass-OP: hohe Erfolgsraten bei geübten Chirurgen. Allerdings nur bei
technisch nicht möglicher PTA zu erwägen.
! Auswahl PTA od. OP: abhängig von Morphologie der Stenose u. lokaler Ver-
fügbarkeit erfahrener Therapeuten.
• Nephrektomie: bei einseitiger Schrumpfniere (< 80 mm Länge) od. einseiti-
ger Isotopen-Clearance < 20 % der Gesamtclearance sinnvoll (RR-Ther.).

Renoparenchymatöser Hochdruck
Alle chron. Nierenerkr. können einen Hochdruck auslösen.
Diagnostik
Diagnose der zugrunde liegenden Nierenkrankheit oft schwierig → nephrologi-
sches Konsil. Sinnvolle Voruntersuchungen:
• Anamnese: langjähriger Diab. mell. od. Hypertonus.
• Urinstatus: Proteinurie? Wenn pos.: quantitative Proteinmessung im 24-h-
Urin, Urin-SDS-Elektrophorese, Immunelektrophorese von Serum u. Urin.
Leukozyturie (Infekt)? Glukose (ggf. BZ-Tagesprofil, HbA1c). Erythrozyturie?
Wenn pos.: dysmorphe Erythrozyten als Hinweis auf glomerulären Schaden.
Frisch gelassenen Urin sofort ins Labor bringen, ggf. vorher anmelden.
• Urinkultur.
• Serumkrea.
• Sono Nieren: Tumor? Nierengröße (Seitengleich? Schrumpfnieren? Paren-
chymbreite?), Aufstau? Zystennieren?
• Speziallabor: ANA, ds-DNA (junge Pat., V. a. SLE), in Absprache mit Nephro-
logen weitere Spezialdiagn.: pANCA, cANCA (Vaskulitis), Kryoglobuline etc.
! Ein i. v. Urogramm ist bei V. a. renoparenchymatösen Hochdruck u. normaler
Sono nicht indiziert.
Therapie
Spezielle Ther. mit Nephrologen absprechen. Normale RR-Ther., strenge Einstel-
lung des Drucks (< 125/75 mmHg). Dialysebehandlung dadurch z. T. um Jahre
später. ACE-Hemmer od. AT1-Antagonisten sind Mittel 1. Wahl bei Krea
< 250 μmol/l. Dosis vorsichtig steigern. Anfangs engmaschig K+ u. Krea kontrol-
lieren. Bei stärkerem Krea-Anstieg absetzen. Bei diabetischer Nephropathie durch
ACE-Hemmer langsamere Progression.

9.1.7 Phäochromozytom
Katecholaminproduzierender Tu (Adrenalin, Noradrenalin, evtl. Dopamin).
Hauptsymptom: art. Hypertonus. 90 % aller Phäochromozytome entstehen in den
Nebennieren (10 % bds.). Häufigste extrarenale Lokalisation sind die paraverteb-
ralen Ganglien (auch Hals/Thorax!), sehr selten Harnblasenwand. < 10 % sind ma-
ligne. 5 % familiäres Auftreten bzw. im Rahmen eines Sy. (meist MEN IIa od. IIb).

9 Klinik
• In 60–80 % permanenter Hypertonus, in 20–40 % hypertensive Krisen.
• Hochdruckkrise: RR evtl. extrem hoch, Blässe (Vasokonstriktion durch Kate-
cholamine), Kopfschmerz, Erregung, Krampfanfälle, Bauchschmerzen, evtl.
A. p., Lungenödem. Auslösung durch Opiate, Narkoseeinleitung, TRH-Test.
 9.1 Arterieller Hypertonus 515

• CMP: evtl. Herzinsuff.-Syndrom. Diffuse Myokardvernarbung durch Kate-


cholaminexzess → Kontraktilitätsstörung, Ventrikeldilatation.
• Begleitsymptome: evtl. verminderte Glukosetoleranz, Gewichtsverlust, Ta-
chykardie/Arrhythmie, subfebrile Temperaturen (ähnlich Hyperthyreose).

Diagnostik
• Endokrinologische Diagn.: Vor Urinsammlung möglichst Antihypertensiva
absetzen, keine großen körperl. Aktivitäten. Urin in Gefäß mit 10 ml 10-pro-
zentiger Salzsäure sammeln.
– Vanillinmandelsäure (Katecholaminmetabolit) im Sammelurin. Scree-
ningtest. Normal < 6,5 mg/24 h bzw. < 33 μmol/l Urin.
– Freie Katecholamine im Urin: Bestätigungstest. Normalwerte: Adrenalin
< 20 μg/24 h, Noradrenalin < 100 μg/24 h. Summe aus beiden
> 200 μg/24 h → V. a. Nebennieren-Phäochromozytom. Bei isolierter Nor-
adrenalinerhöhung eher extraadrenale Lokalisation.
– Bei hypertensiver Krise sofort beginnen, Urin zu sammeln. Freie Harnka-
techolamine > 180 μg/24 h sprechen für Phäochromozytom.
! Serumkatecholamine zur Diagnosestellung meist entbehrlich: stark schwan-
kende Serumspiegel auch bei Gesunden. Spezialröhrchen erforderlich, Probe
kühlen. Bei schwerer Niereninsuff. evtl. erforderlich.
• Lokalisationsdiagn.: CT bzw. MRT bei pos. Hormonnachweis aussagekräfti-
ger als Sono. MIBG-Szintigrafie bei unklaren CT-/MRT-Befunden zum
Nachweis der Hormonaktivität bzw. von Metastasen od. extraadrenalen
Phäochromozytomen (Sensitivität ca. 75 %).
! Die meisten NNR-Tu sind hormoninaktiv, die Komb. essenzieller Hyperto-
nus u. hormoninaktives NNR-Adenom ist häufiger als ein Phäochromozy-
tom!

Therapie
• OP: Ther. der Wahl. Schwierige Narkoseführung! Ganze Nebenniere entfer-
nen, keine Enukleation bei potenziell malignem Tu. Alle Pat. mit Alphablo-
ckern vorbehandeln (s. u.).
• Hochdruckkrise: Phentolamin (Regitin®) ½–1 Amp. i. v. Kurze Wirkdauer,
ggf. wiederholte Gabe (Phentolamin in Deutschland nicht mehr im Handel,
Bestellung über internationale Apotheke). Notfalls Natriumnitroprussid i. v.
(Intensivstation ▶ 2.2.5).
• Dauerther.: Alphablocker, wegen langer HWZ möglichst Phenoxybenzamin
(Dibenzyran®), anfangs 2 × 10 mg/d, ggf. um 10 mg/d steigern, Höchstdosis
80 mg/d (notfalls bis 200 mg/d). Betablocker bei Tachykardie unter Phenoxy-
benzamin. Dos.: z. B. Atenolol (z. B. Tenormin®) 25–100 mg/d.
! Bei V. a. Phäochromozytom Betablocker nie vor Alphablocker einsetzen
(Schock durch Vasokonstriktion u. verminderte Inotropie).

Tipps & Tricks


• Hypertensive Krise mit Flush spricht gegen Phäochromozytom.
• Bei Phäochromozytom C-Zell-Karzinom ausschließen (MEN IIa od. 9
IIb).
• Nebennierentumor nicht palpieren: evtl. Auslösung einer Krise.
516 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

9.1.8 Primärer Hyperaldosteronismus
Aldosteronwirkung: Erhöhte renal-tubuläre Na+-Rückresorption sowie K+- u. H+-
Ausscheidung → Hypervolämie, Hochdruck, Hypokaliämie u. metabolische Alka-
lose. Ursache: 70–80 % einseitiges, 2 % bds. NNR-Adenom. 20–30 % idiopathische
NNR-Hyperplasie, sehr selten Karzinome. Adenom evtl. bei MEN Typ I.

Klinik
Hypokaliämische Hypertonie, v. a. diastol. RR ↑. Kopfschmerzen. Evtl. Muskel-
schwäche, Polyurie, Polydipsie. Nach Jahren evtl. Herzinsuffizienz. DD: sek. Hy-
peraldosteronismus (z. B. Leberzirrhose), Lakritzekonsum, essenzielle Hypertonie
unter Diuretikather., Bartter-Sy.

Diagnostik
• Routinelabor: K ↓, Na n↔/↑, metabolische Alkalose (Bikarbonat
> 25 mmol/l), evtl. Hypomagnesiämie.
• Spezialdiagn.: Diuretika u. K+ 10 Tage, Aldosteronantagonisten 3 Wo. vorher
absetzen.
– Urinkalium > 30 mmol/24 h: V. a. primären Hyperaldosteronismus.
– 18-OH-Kortikosteron im 24-h-Sammelurin: sensitiver Screeningtest.
Normal: < 6,5 ng/24 h, bei NNR-Hyperplasie ↑, bei Adenom ↑↑ (z. B.
> 1.000 ng).
• Lokalisationsdiagn.: CT/MRT können NNR-Adenome meist darstellen.
­Diagn. der NNR-Hyperplasie ist unsicher. Im Zweifelsfall Szintigrafie.

Ein hormoninaktives NNR-Adenom ist häufiger als ein aldosteronproduzie-


rendes. Der Nachweis eines NNR-Tumors beim Hypertoniker erlaubt nicht
die sichere Diagnose Aldosteronismus. Eingehende Hormonanalytik ist un-
verzichtbar.

Therapie
• Adenom: OP. Vorher Pat. mind. 2 Mon. mit Spironolacton (z. B. Aldactone®)
100 mg/d vorbehandeln (Regeneration der kontralateralen Nebenniere).
• NNR-Hyperplasie: Dauerther. mit Spironolacton, oft genügen 25–50 mg/d
(▶ 11.2.2). Ziel: K+ ≥ 4 mmol/l.

9.1.9 Schwangerschaftshypertonie
Hochdrucktypen in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft liegt ein Hypertonus vor, wenn mehrfach ≥ 140/90 mmHg
gemessen wurden od. der RR systol. um ≥ 30 mmHg bzw. diastol. um ≥ 15 mmHg
steigt.
• Chron. Hypertonie: art. Hypertonie vor Schwangerschaft bzw. vor 20. SSW +
Persistenz > 12 Wo. p. p.
9 • Gestationshypertonie: Hypertonie in Schwangerschaft neu aufgetreten
(> 140/90 mmHg), keine Proteinurie.
• Präeklampsie: Hypertonie u. Proteinurie (> 300 mg/d), erstmals nach
20. SSW. Diagnose auch ohne Proteinurie möglich, wenn weitere Faktoren
vorliegen: fetale Wachstumsretardierung, Transaminasenerhöhung, Nieren-
insuff., neurol. od. hämatologische Störungen.
 9.1 Arterieller Hypertonus 517

• Eklampsie: Präeklampsie + tonisch-klonische Krampfanfälle (auch ohne Hy-


pertonie od. Proteinurie möglich!).
• Pfropfpräeklampsie: Pfropfgestose. Chron. Hypertonie + Gestationsprotein-
urie od. chron. Hypertonie + Proteinurie < 20. SSW + nach 20. SSW plötzli-
cher Anstieg der Proteine od. plötzlicher RR-Anstieg od. klinische Entwick-
lung einer schweren Präeklampsie.
• HELLP-Sy.: Trias Hämolyse, pathol. erhöhte Leberenzyme, Thrombopenie
< 100.000/ml, Hypertonie u./od. Proteinurie können fehlen!
Klinik
Hypertonus, rasche Gewichtszunahme (> 500 g/Wo., Ödeme!). Gesteigerte Mus-
keleigenreflexe als Hinweis auf Präeklampsie (erhöhte Krampfbereitschaft!).
Diagnostik
• In den Mutterpass sehen!
• RR: > 140/90 mmHg ist pathol., ab 170/90 mmHg Krampfgefahr (tägliche
Messung!). Auch niedrigere Werte bei niedrigem RR vor der Schwangerschaft
sind pathol. (z. B. Anstieg von 90/60 auf 120/80 mmHg).
• Proteinurie: pathol. > 300 mg/24 h. Bei RR-Anstieg mind. 1 ×/Wo. kontrollieren.
• Labor: Harnsäure > 210 mmol/l vor der 32. SSW. bzw. > 300 mmol/l ab der
32. SSW. Spätschwangerschaft: Thrombos < 100.000/μl plus erhöhte Trans­
aminasen: V. a. HELLP-Sy. → Klinikeinweisung!
• Prävention: ASS 100 mg/d ab Frühschwangerschaft (spätestens 16. SSW,
max. bis 34. SSW) obligat u. nur gezielt bei Risikopat. (Z. n. schwerer Präe-
klampsie/HELLP-Sy., Z. n. schwerer Wachstumsretardierung). Pat. mit
chron. Hypertonie profitieren nicht. Eine frühe antihypertensive Ther. kann
eine spätere Progression nicht verhindern (z. B. Entwicklung zu Pfropfpräe-
klampsie bei chron. Hypertonie). Na+-Restriktion, Ca2+- u. Mg2+-Substitution
unwirksam.
• Prädiktion: anamnestisch RF (Antiphospholipid-Sy., vorausgegangene Prä­
eklampsie, BMI > 35 kg/m2, Diab. mell., auch Gestationsdiabetes, familiäre Be-
lastung, chron. Hypertonie, chron. Nierenerkr.), pathol. Blutfluss der Aa. uteri-
nae (Duplex in 22.–24. SSW), Nachweis angiogener u. antiangiogener Faktoren
(SFH1, PIGF) kann Entwicklung einer Präeklampsie langfristig vorhersagen.
Therapie
Die definitive Ther. ist die Entbindung. Gefährdung des Kinds durch frühe Geburt
gegen Gefährdung von Mutter u. Kind durch Eklampsie abwägen. Frühzeitige
Klinikeinweisung, fulminante Verläufe möglich. RR-Senkung immer unter CTG-
Monitoring wegen Gefahr einer plazentaren Minderperfusion.
• RR 140–160/90–100 mmHg: Bettruhe, keine psychischen Belastungen, RR-
Kontrollen. Einweisung je nach RR-Entwicklung u. häuslicher Situation
(Schonung möglich?). „Prophylaktische“ antihypertensive Ther. (s. u.) bei
diastol. RR < 100 mmHg beugt einer Krankheitsprogression nicht vor. Aspi-
rin® 100 mg/d.
• RR > 160/100 mmHg: Krankenhauseinweisung, Bettruhe, antihypertensive
Ther. 9
• Antihypertensive Ther.: 1. Wahl ist α-Methyldopa (1.500 mg/d). Nachrangig
Dihydralazin (löst evtl. Tachykardie aus); β1-selektive Betablocker (z. B. Ate-
nolol, Metoprolol; fetale Wachstumsretardierung; p. p. evtl. Hypotonie u.
Bradykardie des Neugeborenen); Verapamil (bei Tachykardie). Problema-
tisch: Nifedipin (embryotoxisch, teratogen; keinesfalls im 1. Trimenon, nur in
518 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

Notfällen im 3. Trimenon). Kontraindiziert sind Diuretika, Diltiazem (z. B.


Dilzem®), ACE-Hemmer ab 2. Trimenon sowie AT1-Antagonisten.
• Hypertensive Krise, Eklampsie:
– Hypertonus: Nifedipin initial 5 mg oral, ggf. nach 20 Min. wiederholen
od. Urapidil initial 6,25–12,5 mg i. v. als Bolus über 2 Min., dann
3–24 mg/h über Perfusor. Alternativ: Dihydralazin 5 mg i. v. alle 20 Min.
od. 5 mg i. v. als Bolus, dann 2–20 mg/h über Perfusor.
– Hyperreflexie od. Krämpfe: Mg2+ (anderen Sedativa, Antikonvulsiva
überlegen!). Dosis: Magnesiumascorbat (Magnorbin® 10/20 %): initial
1 Amp. à 1 g (Magnorbin® 20 % 5 ml = 65 mg Magnesium = 2,7 mmol
Mg2+) langsam i. v.; dann 4 Amp. à 1 g auf 50 ml verdünnen, 4–6(–
8) g/24 h (Perfusor 2–4 ml/h). Dosierung nach Reflexstatus. Ziel: Minde-
rung der Hyperreflexie, aber: Patellarsehnenreflex muss erhalten bleiben
(mehrmals tägliche Kontrolle!). Erforderlicher Serumspiegel: ca. 2,5–
3 mmol/l! I. d. R. Intensivther., 2×/d Magnesiumspiegel. Cave: Bei Über-
dosierung Atemstillstand möglich.
• Umgehende Entbindung: internistische Ind. bei schwerem, anhaltenden Hy-
pertonus (diastol ≥ 110 mmHg), Symptomen der hypertonen Krise (Kopf-
schmerz, Sehstörungen ▶ 2.2.5), Krampfanfällen (Eklampsie), Nierenversa-
gen, kardiale Dekompensation, HELLP-Sy.

9.2 Arterielle Hypotonie, Synkope


Internet-Adressen
www.escardio.org: European society of cardiology; hier download der Task
Force Guidelines zum Management der Synkope.

9.2.1 Hypotone Kreislaufdysregulation

Leitbefunde
Chron. Hypotonie bei syst. RR < 105 mmHg. Eine somatische Erkr. besteht v. a.
bei jüngeren Pat. selten.

Klinik
Entweder permanent od. orthostatisch, d. h. unzureichender RR beim (Auf-)Ste-
hen. Krankheitswert nur bei Symptomen (z. B. Schwindel, Ohrensausen).
• Primäre Hypotonie: meist junge, schlanke Pat., eher tachykard. Entweder be-
schwerdefrei od. Orthostase-Syndrom. Bei klinischem Verdacht → Ausschluss
einer sek. Hypotonie unten genannter Erkrankungen. Ther.: körperl. Trai-
ning, ggf. Sympathomimetika bei Bedarf, z. B. Effortil®-Tr.
• Sek. Hypotonie:
9 – M. Addison (primäre NNR-Insuff.): Leistungsminderung; Gewichtsver-
lust; Exsikkose; Hyperpigmentierung, v. a. Handlinien, (Mund-)Schleim-
haut. Bei Frauen Verlust der Körperbehaarung, erst spät Zyklusverlust.
K+ ↑, Na+ ↓. Diagn.: ACTH-Kurztest: 25 IE ACTH i. v. (z. B. 1 Amp.
­Synacthen®), Bestimmung von Kortisol bei 0 u. 60 Min. Normal: Anstieg
des Serumkortisol auf > 10 μg/dl.
 9.2 Arterielle Hypotonie, Synkope 519

– Hypophysenvorderlappeninsuff.: Adynamie, Ausfall der Sekundärbehaa-


rung, Hautatrophie, Hautblässe. Bei Frauen Amenorrhö durch Östrogen-
mangel. Ein normaler ovulatorischer Zyklus schließt eine Hypophysen-
vorderlappeninsuff. weitgehend aus! Beim Mann Libidoverlust u. Potenz-
störungen durch Androgenmangel. Sek. Hypothyreose (TSH ↓!). Diagn.:
endokrinologisches Konsil (LH ↓, FSH ↓, ACTH/Kortisol basal ↓; Sti-
mulationstests erforderlich).
– Hypovolämie: unzureichende Flüssigkeitszufuhr od. Volumenverlust
(­Diarrhö, Diuretika, Blutung).
– Hypothyreose: nur bei ausgeprägtem Schilddrüsenhormonmangel.
– Anorexia nervosa: meist junge Frauen. DD: Hypophysenvorderlappeninsuff.
– Kardiogen: terminale Herzinsuff., Vitium (v. a. AS ▶ 4.7, MS ▶ 4.3), Peri-
carditis constrictiva (▶ 6.7), Perikarderguss (▶ 6.5.6).
– Schwangerschaft: Mäßige RR-Reduktion ist physiologisch. In Rückenlage
evtl. V.-cava-Kompressions-Sy.. mit HZV-Abfall durch fehlenden venö-
sen Rückstrom.

Therapie
Bei primärer Hypotonie körperl. Training, Sympathomimetika bei Bedarf (z. B.
Effortil®-Tr.). Bei sek. Hypotonie Behandlung der Grunderkr., bei V.-cava-Kom-
pressions-Sy. Linksseitenlage.

9.2.2 Intermittierende arterielle Hypotonie (Präsynkope,


Synkope)

Leitbefunde der Synkope


Reversibler Bewusstseinsverlust als Folge einer transienten zerebralen Hypo-
perfusion mit plötzlichem Beginn, kurzer Dauer u. spontaner Erholung.

Ein Bewusstseinsverlust ist stets nur Symptom, nie die Diagnose. Ziel ist, mit
möglichst wenig Aufwand „banale“ Probleme (z. B. postprandiale vasovagale Syn-
kope) von bedrohlichen Krankheiten (z. B. intermittierende Kammertachykardie)
zu unterscheiden. Der Umfang der Diagn. bei Synkope kann nach eingehender
Anamnese oft stark reduziert werden.

Anamnese
• Sturz mit od. ohne Bewusstseinsverlust? Differenzierung bei den meist alten
Pat. oft nicht möglich. Ohne Bewusstseinsverlust: keine Synkope.
• Bewusstseinsverlust kündigt sich kurz durch Schwindel u. Übelkeit an: V. a.
vasovagale bzw. orthostatische Synkope (oft sind ähnliche Ereignisse erfrag-
bar).
• Bewusstseinsverlust ohne Vorzeichen („Filmriss“): V. a. auf rhythmogene
Synkope od. Krampfanfall → eingehende Diagn.
• „Stolpern“ wegen Gangunsicherheit (M. Parkinson? Sedativa-Überdosierung/ 9
Abusus? Allg. Schwäche?).
• Palpitationen? V. a. rhythmogene Synkope, eingehende Diagn.
• Bekannte strukturelle Herzerkr.? Eingehende Diagn., eher schlechte Prognose.
• Drop attack mit plötzlichem Wegsacken der Beine ohne Bewusstseinsverlust
bei TIA im Stromgebiet der A. basilaris.
520 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

• Krampfanfall: Bewusstseinsverlust i. d. R. länger als bei Synkope (d. h.


> 1 Min.), Fremdanamnese (Myoklonien?), frühere Krampfanfälle? Alkohol­
abusus (Entzugskrampf?), Einnässen, Zungenbiss, kürzerer postkonvulsiver
Verwirrtheitszustand? Evtl. Prolactinspiegel bestimmen (nach Krampf ↑).
• Andere Erkr.: Diabetes, Krampfleiden, art. Hypertonus, Medikamentenein-
nahme (betablockerhaltige Augentropfen!).

Ätiologie
Gemeinsame Ursache aller Synkopen: kurzzeitige zerebrale Minderperfusion mit
plötzlichem Beginn, kurzer Dauer u. spontaner Erholung.
Ursachen manifester od. scheinbarer Bewusstlosigkeiten
• Klassische Synkope.
• Neurol./zerebrovaskuläre Erkr.: Epilepsie, vertebrobasiläre TIA.
• Metabolische Sy.: Hyperventilation mit Hypokapnie, Hypoglykämie, Intoxi-
kationen (Alkohol, Drogen, Medikamente), Hypoxämie.
• Koma.
• Psychogene Störungen: Angst-Panik-Krankheit, psychosomatische Störun-
gen.
Ursachen von Synkopen
• Vaskulär, kardial od. unbekannte Ursache.
• Vaskuläre Ursachen.
• Orthostatische Hypotonie: Im Stehen Verschieben von 500–800 ml in ab-
hängige Partien → Reduktion des venösen Rückstroms → Abfalls des HZV,
Stimulation von Barorezeptoren → sympathoadrenerge Stimulation: HF,
HZV, Kontraktilität u. Gefäßwiderstand ↑, um RR aufrechtzuerhalten. Or-
thostatische Hypotonie = Störung einer Komponente dieses Regelkreises mit
RR-Abfall von mind. 20 mmHg systol. od. 10 mmHg diastol. innerhalb 3 Min.
Stehen. Symptome: Synkope, Schwindel, Schwitzen, Schwäche, Palpitationen,
Sehstörungen.
2 Reaktionsformen: langsamer, stetiger RR-Abfall u. plötzliche, initiale Form
mit systol. RR-Abfall > 40 mmHg innerhalb 30 s Stehen mit Tendenz zur ra-
schen Normalisierung.
Formen:
– Sympathikotone orthostatische Hypotonie (konstitutionelle orthostati-
sche Dysregulation, postinfektiöse orthostatische Hypotonie, postural or-
thostatic tachycardia sydrome POTS): Ursache heterogen mit inadäquater
sympathischer Reaktion u. rel. Hypovolämie (Varikosis, Schwangerschaft,
Bettlägerigkeit, Diarrhö, Erbrechen, Anorexie, Dumping, postprandial,
Hämodialyse, Diab. mell.).
– Medikamente (Diuretika, Alphablocker, ACE-Hemmer, Antidepressiva,
Vasodilatatoren, zentral wirksame Antihypertensiva, Alkohol).
– Primäre autonom neurogene Störungen (Bradbury-Egglestone-, Shy-­
Drager-, Parkinson-Sy., Baroreflexversagen).
– Sek. autonom neurogene Störungen (Diab. mell., Alkoholismus, Nieren-
9 insuff., Amyloidose, Infektionen des Nervensystems, Autoimmunerkr.,
zerebrale/spinale Läsionen, autonome Neuropathie, zunehmendes Alter).
• Reflexvermittelte Synkopen: inadäquate Antwort auf einen Trigger (Schlu-
cken, Erbrechen, Miktion, Schmerzreiz) mit der Folge einer zerebralen Hypo-
perfusion durch Hypotonie u./od. Bradykardie. Erhöhter vagaler Tonus u. re-
duzierter sympathoadrenerger Tonus in der Peripherie. Vasodepressorischer
 9.2 Arterielle Hypotonie, Synkope 521

Typ bei dominierender Hypotonie, kardiodepressorischer Typ bei dominie-


render Bradykardie u. Mischtyp bei Bradykardie u. Hypotonie. Spezifischer
Trigger hilft bei der Einteilung (seine Vermeidung ist Basis der Ther.). Häu-
figste Formen: hypersensitiver Karotissinus u. vasovagale Synkope.
– Hypersensitiver Karotissinus: Stimulation (Druck) der Karotissinus-Baro-
rezeptoren im Bereich der Karotisbifurkation → symptomatischer Si-
nusarrest (> 3 s) od. AV-Block u./od. markanter RR-Abfall (> 50 mmHg).
Ind. zur DDD-SM-Ther. (▶ 12.4). Cave: Karotissinus-Hypersensitivität
mit zunehmendem Alter häufig auch bei Asymptomatischen, kritische
Dia­gnosestellung, weitere Synkopenursachen ausschließen/nachweisen.
– Vasovagale Synkope: Synonym: neurokardiogene Synkope. Trigger (Or-
thostase-, emotionaler Stress) initiiert einen paradoxen Reflex: Trigger →
vermehrtes venöses Pooling → HZV u. RR ↓ →. Barozeptoren werden sti-
muliert → sympathoadenerger Tonus ↑ → vermehrte Kontraktion der vo-
lumendepletierten Ventrikel → Stimulation kardialer Mechanorezeptoren
→ vagaler Nukleus der Medulla wird stimuliert → Vagus vermittelt para-
doxerweise eine Verminderung des peripheren sympathischen Tonus mit
Vasodilatation u. Bradykardie (Brady-Hypotensions-Sy.).
• Kardiogene Ursachen:
– bradykarde u. tachykarde Arrhythmien (▶ 7),
– valvuläre Herzerkr. (▶ 4),
– HCM (▶ 5),
– Lungenembolie (▶ 8.5), atriale Myxome (▶ 6.9.1).

Differenzialdiagnose der Synkope


Hypoglykämie, Krampfanfall, Intoxikation, Hirnstamm-TIA, Drop attacks, psy-
chogene „Synkope“.

Jeden erstmaligen Krampfanfall diagn. abklären (CCT am gleichen Tag: Blu-


tung? Infarkt? Raumforderung?)! Strukturelle Hirnerkr. v. a. bei fokal begin-
nenden Krämpfen u. neurol. Auffälligkeiten nach dem Anfall wahrscheinlich
(Tumor).

Diagnostik
Sofortdiagnostik
• Auskultation: Vitium (AS).
• EKG: Blockierung, VES, MI, Präexzitationssy., lange QT-Zeit.
• Labor: CK-MB, ggf. Troponin, Glukose, E’lyte, Hb.
• Echo: bei V. a. kardiogene Synkope (Vitien?, CMP? Lungenembolie?).
• CCT: bei erstmaligem Krampfanfall, Schädelverletzung, persistierendem
­neurol. Defizit, anhaltender Verwirrtheit.
Weiterführende Diagnostik
• Langzeit-EKG: bei V. a. rhythmogene Synkope, ggf. mehrfach wiederholen.
• EPU: selten indiziert. Sinnvoll bei dokumentierter VT, V. a. WPW-Sy. sowie 9
anhaltendem klinischem V. a. rhythmogene Synkope, z. B. bei QT-Verlänge-
rung.
• Doppler der extrakraniellen Gefäße bei älteren Pat. sinnvoll.
• EEG: bei V. a. Krampfanfall.
522 9 Arterielle Hypertonie, Hypotonie 

• Kipptisch-Versuch: Nachweis von Hypotension od. Bradykardie bei Ortho­


stase. Vorgehen: Pat. mind. 5 Min. liegen lassen, dann Tisch auf 60–70° kip-
pen. Pat. mind. 20 Min. so belassen. Tritt keine Synkope auf, med. Provoka­
tion mit 1 Hub Nitrospray sublingual. Klassifikation der Ergebnisse: Typ 1:
Bradykardie, jedoch nicht < 40/Min., zudem RR-Rückgang vor Bradykardie.
Typ 2a: kardioinhibitorische Antwort, Puls für > 10 s < 40/Min., keine Pause
> 3 s. Typ 2b: kardioinhibitorische Antwort mit Asystolie, Pause > 3 s. Typ 3:
vasodepressorische Antwort, RR sinkt, Puls sinkt nicht (< 10 %). Chronotrope
Inkompetenz: kein Pulsanstieg beim Kippen des Tischs. Exzessiver Frequenz­
anstieg: Pulsfrequenz > 130/Min. beim Kippen des Tischs.
• Karotis-Druckversuch: Pathol.: Pause > 3 s od. RR-Abfall > 50 mmHg. Ge-
fahr für Asystolie, Bradykardie, Schlaganfall (sehr selten). Venösen Zugang
legen, Atropin, Reanimationsbereitschaft, EKG (kontinuierlich mitschrei-
ben), wiederholte kurzfristige RR-Messung. Ther.: bei dokumentierter Synko-
pe → SM.
Spezialdiagnostik
• EPU: indiziert bei V. a. rhythmogene Synkope (z. B. Palpitationen, dokumen-
tierte Pulslosigkeit), aber neg. Langzeit-EKG. Speziell bei Pat. mit pathol. Ru-
he-EKG u. bekannter struktureller Herzerkr. od. pos. Familienanamnese für
plötzlichen Herztod.
• Implantierbarer EKG-Speicher: neuerdings verfügbar. Bei seltenen Synko-
pen u. V. a. rhythmogene Ursache, die anders nicht zu klären ist.
• Belastungs-EKG: bei Synkope während/nach Anstrengung.
Therapie

Bei dokumentierter Pulslosigkeit (Zeugen, EKG-Monitor): stets Monitor­


überwachung (ggf. auf Intensivstation).

• Vasovagale Synkope: Vermeiden auslösender Umstände (z. B. Meiden über-


hitzter Räume). Pat. über vorangehende Symptome (z. B. Schwindel, Leere­
gefühl im Kopf) unterrichten. Hypovolämie vermeiden. Das oft gegebene
­Etilefrin (Effortil®) scheint wirkungslos zu sein (VASIS-Studie).
• Karotissinus-Sy.: SM.
• Orthostatische Hypotonie: Vermeiden auslösender Pharmaka (Diuretika,
Vasodilatatoren). Hohe Trinkmenge u. vermehrten NaCl-Konsum anstreben.
Evtl. Kompressionsstrumpfhose. Evtl. Mineralokortikoid (Fludrocortison,
z. B. Astonin H®, 0,1–0,2 mg/d). Mutterkornalkaloide (Dihydroergotamin),
Alpharezeptoragonisten (Norfenefrin, Midodrin).
• Rhythmogene Synkope: je nach Rhythmusstörung (▶ 7.2, ▶ 7.9).
Autofahren nach Synkope
Das Unfallrisiko ist gering. Es existieren differenzierte Empfehlungen der
European Society of Cardiology u. der Deutschen Gesellschaft für Kardiolo-
9 gie (Internet, Management der Synkope).
10 Erkrankungen der thorakalen Aorta
Ulrich Stierle

10.1 Thorakales Aortenaneurysma 10.2.5 P rognose u. Spätkomplika­


524 tionen 534
10.1.1 Ätiologie u. Pathogenese 524 10.2.6 Sonderformen 535
10.1.2 Klinik 524 10.3 Thromboatheromatose der
10.1.3 Diagnostik 525 thorakalen Aorta 537
10.1.4 Therapie 526 10.3.1 Klinik u. Diagnostik 537
10.1.5 Prognose 527 10.3.2 Therapie 538
10.2 Aortendissektion 527 10.4 Entzündliche Erkrankungen
10.2.1 Ätiologie u. Pathogenese 528 der Aorta 538
10.2.2 Klinik 529 10.4.1 Takayasu-Arteriitis 538
10.2.3 Diagnostik 530 10.4.2 Riesenzellarteriitis 539
10.2.4 Therapie 532
524 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

Die Ao ist ein elastisches Gefäß mit einer Weite von 3–3,5 cm nach Abgang aus
der Herzbasis, bestehend aus Tunica intima, media u. adventitia. Widerstands- u.
elastische Eigenschaften der Ao werden durch die Media gewährleistet.
10
Aufgaben
• Leitungsgefäß.
• Aufrechterhaltung des antegraden Blutflusses mittels „Windkesselprinzip“:
Abfangen systol. Druckspitzen, Aufrechterhaltung des diastol. Drucks durch
Abgabe der in der Systole aufgenommenen kinetischen Energie.
• Modulation von systemischem Gefäßwiderstand u. HF: Über Barorezeptoren
kommt es bei plötzlichem Druckanstieg zur Senkung des peripheren Wider-
stands u. zur Bradykardie.

10.1 Thorakales Aortenaneurysma
Dilatation der Ao mit Beteiligung aller Wandschichten (Aneursyma verum). DD:
Aneurysma dissecans u. spurium. Durchmesser des betroffenen Segments
> 1,5-Faches des normalen Durchmessers. Lokalisiertes Auftreten (asc., Bogen,
desc., thorako-abdominal) im Gegensatz zur diffusen Anordnung einer Aortendi-
latation bzw. -ektasie.
• Fusiformes Aortenaneurysma (spindelförmig): gesamte Zirkumferenz des
Gefäßes einbezogen.
• Sacculiformes Aortenaneurysma (sackförmig): Gefäßquerschnitt nur teil-
weise betroffen.

10.1.1 Ätiologie u. Pathogenese
• Zystische Mediadegeneration (-nekrose): häufigste Ursache. Degeneration
elastischer Fasern u. Nekrose glatter Muskelzellen, typischerweise fusiformes
Aortenaneurysma mit Beteiligung der Aortenwurzel (anuloaortale Ektasie
▶ 4.8.1). Stets nachweisbar bei Marfan-Sy. u. anderen Bindegewebserkran-
kungen. Häufigkeit von „forme fruste“ Marfan unbekannt (Medianekrose oh-
ne Marfan-Phänotyp). Möglicherweise ist die zystische Medianekrose eine ei-
genständige Entität.
• Atherosklerose: Intima-Media-Degeneration mit lokalisierter Schwäche u.
Ektasie der Gefäßwand. Meist generalisierter Prozess unter Einbezug der ge-
samten thorakalen u. abdominalen Ao. Häufung von Aortenaneurysmen in
der Pars desc. nach Abgang der li A. subclavia.
• Chron. Dissektion: persistierend falsches Lumen. Dünnere, äußere Wand-
schicht steht unter hoher Wandspannung, die mit weiterer Dilatation stark
zunimmt → Circulus vitiosus.
• Seltene Ursachen: Syphilis (luetisches Aortenaneurysma), infektiöse Aortitis
(mykotisches Aortenaneurysma, Riesenzellarteriitis, Takayasu-Aortitis,
M. Behçet).

10.1.2 Klinik
! 40 % aller Pat. sind zum Zeitpunkt der Diagnose asymptomatisch.
• Vask. Symptome: AR bei anuloaortaler Ektasie (▶ 4.8.3), Perforation eines
Sinus-Valsalvae-Aneurysmas, Myokardischämie od. MI bei lokaler Kompres-
sion.
 10.1 Thorakales Aortenaneurysma 525

• Symptome der Raumforderung: VCS-Sy. (obere Einflussstauung), Tracheal-,


Bronchialkompression (Dyspnoe, Husten), Ösophaguskompression (Dyspha-
gie), Kompression des N. laryngeus recurrens (Heiserkeit). Schmerzen in 10
Brust u. Rücken als Folge der chron. Kompression ossärer Strukturen.
! Ein dramatischer Vernichtungsschmerz in einem Bereich, der zuvor oft als
geringer schmerzhaft empfunden wurde, ist Hinweis auf Ruptur (li Pleura-,
Perikardraum) od. Dissektion (▶ 10.2).

10.1.3 Diagnostik
Bei asymptomatischen Pat. wird die Verdachtsdiagnose meist nach einer aus an-
deren Gründen durchgeführten Thoraxübersichtsaufnahme gestellt.
• Rö-Thorax: Verbreiterung des Mediastinalschattens, Torsion u. Dilatation
von Ao asc. u. Aortenbogen. Verlagerung der Trachea aus der Mediosagitta-

Verdacht auf chronisches thorakales Aortenaneurysma

Symptomatischer Asymptomatischer
Patient Patient

• TTE • Rö-Thorax
• TEE • TTE
• Rö-Thorax • TEE
• CT mit KM oder MRT • CT mit KM
• Angiografie inkl. oder MRT
Koronarangiografie

Ø Ascendens > 55 mm
Ø Descendens > 60 mm
Ø < 55 mm
Ø > 40 mm
plus genetisches
Syndrom

Ø > 50 mm Verlaufs-
plus signifikante kontrollen
Aorteninsuff. (alle 3–6 Mon.)

Nein

Ja Größen-
OP zunahme > 0,5 cm/J.?

Abb. 10.1 Diagnostisches u. therapeutisches Vorgehen bei V. a. ein thorakales


Aortenaneurysma (Ø = Durchmesser; genetisches Sy.: Marfan, Ehlers-Danlos vom
vaskulären Typ, Turner, Loeys-Dietz, bikuspide Aortenklappe, familiäres thoraka­
les Aortenaneurysma od. Dissektion) [L157]
526 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

len. Kleine, sacculiforme Aortenaneurysmen in der Thoraxübersicht selten


identifizierbar. Thorax-DL eignet sich zur DD weiterer mediastinaler Raum-
forderungen.
10 • CT mit KM: Hoher diagn. Stellenwert in Primärdiagn., da exakt u. nichtinva-
siv. Beste Aussage im Ascendens- u. Descendens-Bereich, methodenbedingte
diagn. Schwäche im Arcus aortae. Neben Größenbestimmung auch Angaben
zur muralen Thrombenbildung u. Gefäßverkalkung möglich.
• MRT: Wie CT hoher diagn. Stellenwert. Aussagekräftig in der Beurteilung
des Aortenbogens u. der abgehenden Gefäße. Murale Thromben meist nicht
von einem verlangsamten Fluss in einem falschen Lumen bei Dissektion ab-
grenzbar.
• Echo (▶ 4.8.3): TTE: nur Aussagen zur Morphologie der Aortenwurzel. TEE
zur Beurteilung weiterer Abschnitte. Distale Ao asc., kraniale Abschnitte des
Aortenbogens u. abgehende Gefäße nicht od. schlecht darstellbar. TEE v. a.
bei dissezierendem Aortenaneurysma.
• Angio: Goldstandard neben CT mit 3-D-Rekonstruktion im Rahmen der
präop. Diagn. zur Darstellung des Aneurysmas u. der abgehenden Gefäße.
Durch parietale Schichtthromben wird der tatsächliche Durchmesser häufig
unterschätzt. Koro vor operativer Intervention bei Pat. > 40 LJ. essenziell.

10.1.4 Therapie
Chirurgische Therapie
Resektion des Gefäßabschnitts, Implantation einer Dacron-Prothese, ggf. Reim-
plantation der abgehenden Gefäße bzw. Composite-Graft-Implantation (klappen-
tragendes Conduit, Bentall-Prozedur od. klappenerhaltende Prozeduren [David,
Yacoub]). OP-Letalität 5–10 % (Ao asc. < Ao desc.), bei Notfall-OP od. Ruptur 20 %.
Risiko eines zerebralen Insults bei Arcus-aortae-Ersatz ca. 3–7 %, Paraplegie (durch
Unterbrechung der A. spinalis anterior) bei Ao-desc.-OP 5–6 %. Hohe Rate an peri-
op. MI u. pulmonalen Problemen durch OP-bedingte Kompression der li Lunge.
Indikation
• Aneurysmadurchmesser > 55 mm (asc.), > 60 mm (desc.). Bei < 60 mm, wenn
im Verlauf deutliche Größenzunahme dokumentiert wurde (> 0,5 cm/J.), bei
symptomatischem Verlauf od. bei signifikanter AR.
• Aneurysmadurchmesser > 40 mm bei Marfan-Sy. od. anderen genetischen
Sy. (▶ Abb. 10.1), da hohes Dissektions- od. Rupturrisiko, v. a. bei deutlicher
Größenzunahme od. pos. Familienanamnese für Dissektion od. Frauen mit
Kinderwunsch. Durchmesserkriterium wird teils kontrovers diskutiert.
! Alter, Begleiterkr., Umfang u. Lokalisation von Zweitaneurysmen müssen bei
Ind.-Stellung berücksichtigt werden.

Das optimale Timing der chir. Ther. wird noch kontrovers diskutiert
• Pat. mit Aortenaneurysma haben häufig koexistente kardiovask. Erkr.,
die per se prognostisch belastet sind bzw. das periop. Risiko drastisch
erhöhen.
• Der natürliche Verlauf ohne OP bzw. im Vergleich zur OP ist nicht ex-
akt definiert.
• Arcus-aortae-Ersatz bzw. Ao-desc.-OP sind riskant. Risiko im Vergleich
zum potenziellen Nutzen individuell oft schwer abschätzbar.
 10.2 Aortendissektion 527

Interventionelle Therapie
Alternative zur chirurgischen Ther. bei Ao-desc.-Aneurysma.
Transfemorale, transluminale Platzierung eines endovaskulären Stent-Grafts. Bei 10
geringerer Invasivität erhofft man sich eine geringere Letalität u. Morbidität peri-
operativ.
Verfahren, das kontinuierlich weiterentwickelt wird, derzeit ohne klassische Dif-
ferenzialindikation. Am ehesten geeignet für Pat. mit hohem Aortenrupturrisiko,
die ein sehr hohes Risiko bei einer konventionellen OP (kardial, pulmonal, venal)
haben. Rate an ischämischen Rückenmarksläsionen wie bei chirurgischer Thera-
pie. Voraussetzungen: adäquate Landungszonen für den Stent-Graft (2–3 cm
„normale“ Ao ober- u. unterhalb des Aneurysmas) u. geeigneter Gefäßzugang via
A. femoralis.

Medikamentöse Therapie
Betablocker vermindern die Zunahme der Aortendilatation u. die Häufigkeit as-
soziierter Ereignisse beim Marfan-Sy. (Mortalitätsrate, Aortendissektion, AR). Als
adjuvante Maßnahme sollte bei allen Pat. mit chron. Aortenaneurysma vor u.
nach OP eine Betablockade durchgeführt werden, um die Druckanstiegsge-
schwindigkeit des Pulses u. den art. Druck niedrig zu halten. Zusätzlich: konse-
quente Ther. der RF für atheromatöse Erkr.

10.1.5 Prognose
• 5-J.-Letalität nach OP 35 %. Spätletalität wird v. a. durch KO in anderen Ge-
fäßbezirken (v. a. MI) bestimmt.
• Aneurysmarupturen nach OP im Bereich von Anastomosenaneurysmen od.
neu entstandenen Aneurysmen anderer Lokalisation möglich. Bei kons. Ther.
in ⅔ der Pat. Ruptur des Aneurysmas.
• Bei kons. Ther. 1-, 3- u. 5-JÜR von 65, 36 u. 20 %.
! Überlebensrate u. Progressionstendenz der Dilatation werden einzig durch
den Durchmesser des Aneurysmas bestimmt. Ab einem Durchmesser von
50 mm ist von einer rapiden Dilatationsprogression auszugehen (0,5 cm/J.).
Eine Ruptur bei < 50 mm ist selten.

10.2 Aortendissektion
Häufigkeitsgipfel 60–70. LJ., Männer : Frauen = 2 : 1, gehäuftes Auftreten bei CoA,
bikuspider AoK, AS (auch nach Klappenersatz-OP) u. Bindegewebserkr. (geneti-
sche Sy. wie Marfan, Ehlers-Danlos, Turner, familiäre Häufung an Dissektionen).
2 Prädilektionsstellen (▶ Abb. 10.2; 95 % aller Dissektionen):
• 2–3 cm distal der AoK,
• Übergang des frei beweglichen Aortenbogens in die fixierte Ao desc.
528 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

DeBakey Typ I DeBakey Typ II DeBakey Typ III

10 (ca. 60%) (ca. 15%) (ca. 25%)

Stanford A Stanford B

Dissektion der Aorta asc. bis in Dissektion der Aorta asc. bis zum Dissektion der Aorta desc.
die Aorta desc. Abgang der großen Gefäße – Typ IIIa: Beschränkt auf Aorta
thoracica
– Typ IIIb: Bis in die Aorta abdo-
minalis reichend

Stanford Typ A Stanford Typ B


Proximaler Typ Distaler Typ

Abb. 10.2 Klassifikation der Aortendissektion [L157]

10.2.1 Ätiologie u. Pathogenese
Mechanismen
• Ausbildung eines Intimaeinrisses. Blut verlässt das normale Aortenlumen u.
wühlt sich zwischen innerer u. äußerer Schicht der Aortenmedia nach distal
ein (Intimaflap ist primär vorhanden).
• Ruptur von Vasa vasorum in der Media, Ausbildung eines intramuralen
­Hämatoms, das durch die Intima in das Aortenlumen rupturiert (Intimaflap
entsteht sek.).

Pathogenese u. Ätiologie
• Degeneration der Aortenmedia: Fokale Degeneration glatter Muskelzellen, de-
generative Desintegration der elastischen Fasern, glatte Muskelzellschicht ist
unterbrochen, Hohlräume werden durch Mukopolysaccharide ausgefüllt. Media­
 10.2 Aortendissektion 529

degeneration ist Teil des Alterungsprozesses der Ao, bei Pat. mit Aortendissek­
tion wesentlich ausgeprägter. Wichtige Determinanten: Alter, art. Hochdruck.
• Zystische Medianekrose: Bei Bindegewebserkr., z. B. Marfan- od. Ehlers- 10
Danlos-Sy., bei ca. 10 % aller Pat. mit Aortendissektion.
• Erhöhtes Risiko einer Aortendissektion: CoA, bikuspide AoK, Schwanger-
schaft (ca. 50 % aller Dissektionen bei Frauen < 40 J. ohne Marfan-Sy. wäh-
rend der Schwangerschaft), Thoraxtrauma, entzündliche Gefäßerkr. (Takaya-
su, rheumatoide Arthritis, Riesenzellarteriitis, Lues, M. Behçet, Arteriitis tem-
poralis, M. Ormond), toxische Substanzen (Kokain, Crack, Amphetamin).

10.2.2 Klinik
• Akut auftretender, reißender Schmerz, der sofort seine max. Intensität er-
reicht. Schmerzlokalisation in der Brust (Ao asc.), interskapulär (Ao desc.)
od. epigastrisch bzw. thorakoabdominal. Typisch, aber seltener (< 20 %), ist
auch die Angabe eines wandernden Schmerzes entlang der Ao als Ausdruck
der fortschreitenden Dissektion, in 5 % keine Schmerzen!
• Synkope: ominöses Zeichen, da häufig mit Aortenruptur assoziiert.
• Schock: Blutverlust nach paraaortal od. häufiger in Perikard bzw. Pleurahöh-
le, akute AR, Perikardtamponade.
• Zeichen einer Gefäßokklusion: fokale neurol. Ausfälle bei Beteiligung einer
A. carotis, akutes Ischämie-Sy. eines Beins (häufiger) od. Arms (DD art. Em-
bolie).
• Pulsdefizit: abgeschwächter od. fehlender Puls häufig bei prox. (in 50 %), sel-
tener bei distaler Dissektion (15 %). Prädilektionsstellen: li A. subclavia od.
Aa. femorales.
! Pulsdefizit bei akutem Thoraxschmerz nahezu beweisend für Dissektion!
• AR: In ⅔ bei prox. Dissektion, diastol. Geräusch mit musikalischem Charak-
ter, P. m. 2. ICR re parasternal, Lautheit variiert mit Höhe des art. Drucks. Pe-
riphere Pulszeichen der AR können präsent sein. Oft trotz akuter schwerer
AR kein Diastolikum → meist dominiert dann das Bild der akuten Herzinsuff.
mit kongestivem Verlauf (▶ 4.9).
• Neurol. Defizite: bei ca. 20 % aller Dissektionen, v. a. bei prox. Formen. Zere-
braler Insult in bis zu 6 %, selten Bewusstseinsstörungen bis Koma. Bei Betei-
ligung der A. spinalis anterior im Rahmen einer distalen Dissektion, Parapa-
rese od. -plegie.
• Art. Hypertonie/Hypotonie: Hypertonie in bis zu 90 % bei distaler Dissekti-
on, bei prox. Dissektion häufiger Hypotonie (s. o. „Schock“). Pseudohypoto-
nie durch RR-Messung an dem Arm, dessen Perfusion durch die Dissektion
vermindert ist.
• Ischämiesy.: Akuter MI (häufiger inferiorer MI durch Einbezug des RCA-
Abgangs), abdominale Ischämiesy. durch Extension der Dissektion in die Ao
abdominalis unter dem klinischen Bild eines akuten Abdomens (Mesenterial­
ischämie, akutes Nierenversagen, Pulsdefizite der unteren Extremitäten).

Tipps & Tricks


• Die Aortendissektion ist, bes. bei oligosymptomatischem Verlauf, ein
symptomatologisches Chamäleon.
• Bei atypischen (aber auch bei typischen) klinischen Bildern immer an
Aortendissektion denken. Sie ist häufiger als angenommen, wegen der
530 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

Vielzahl möglicher Symptome wird sie jedoch zu selten diagnostiziert.


Dies gilt auch dann, wenn die Symptomkonstellation für ein ACS
10 spricht, denn eine Antikoagulation, Thrombolyse od. PTCA können bei
einer Dissektion zur Katastrophe führen.

10.2.3 Diagnostik
Diagnostische Verfahren u. Befunde
▶ Abb. 10.3.
• Rö-Thorax: einfach u. schnell. Normales Bild schließt eine Dissektion jedoch
nicht aus. Verbreiterung der Aortensilhouette durch Aortendilatation in bis
zu 90 %, Verbreiterung des oberen Mediastinums, Verkalkungen der Intima,
die bis zu 1 cm von der äußeren Aortenkontur liegen (Doppelkontur). Dilata-
tion von Aortenbogen od. Ao desc. Li-seitiger Pleuraerguss od. umschriebene
mediastinale Raumforderungen bei paraaortalen Hämatomen. Thoraxüber-
sicht dient v. a. der Abgrenzung anderer Krankheitsbilder mit ähnlicher Kli-
nik (Pneumothorax, Lungenembolie).
• EKG: nicht spezifisch, in ⅓ normal, in ⅓ Zeichen der LVH. Selten transmura-
les Ischämiemuster bei Dissektion mit Koronarbeteiligung.
! Brustschmerzereignisse mit nichtischämischen, unspezifischen ST-T-Verän-
derungen müssen immer Anlass sein, nach weiteren, nichtkardialen Ursa-
chen des Thoraxschmerzes zu fahnden.
• Labor: D-Dimere praktisch immer erhöht (aber: DD erhöhter Dimere be-
rücksichtigen).
• Echo:
– TTE: geringe Spezifität u. Sensitivität. Orientierende Untersuchung bei
V. a. Dissektionen der Ao asc. (Flap direkt einsehbar, Nachweis eines Peri-
kardergusses, Darstellung der AR). Cave: beim beatmeten Pat. ungeeignet.
– TEE: hohe Sensitivität (bis 100 %) bei Nachweis von Dissektion, Perikard­
erguss u. AR. Präzise u. hochauflösende Beurteilung der gesamten thora-
kalen Ao mit unsicherer Beurteilung des distalen Anteils der Ao asc. u.
des prox. Arcus aortae. Paraaortale Massen bei Aortenruptur zuverlässig
zu erkennen.
– Farb-Doppler: zum Nachweis von Flussanomalien (u. a. AR).
! Wichtigste DD: Pleuraerguss bei echofreien Räumen paraaortal im Verlauf
der Ao desc.
! Ein Intimaflap ist nicht beweisend für eine Aortendissektion! Stets nach wei-
teren Echokriterien suchen (Aortendilatation, Perikarderguss, AR, Doppellu-
men).
• CT: Screeningmethode. Hohe Spezifität u. Sensitivität (ca. 90 %), v. a. bei ul­
traschnellem od. Spiral-CT. Sichere Abgrenzung u. Zuordnung aller media­
stinalen u. thorakalen Strukturen. Diagnose durch Nachweis zweier Lumina
(mit unterschiedlicher Kontrastierung, ggf. Thrombosierung) u. einer Dissek-
tionsmembran. Zur Differenzierung zwischen wahrem u. falschen Lumen
KM-Gabe. Einrissstelle ist ausnahmsweise darstellbar, abgehende Gefäße des
Arcus aortae u. ihr Einbezug in die Dissektion nicht immer exakt beurteilbar.
• MRT: nahezu 100-prozentige Sensitivität u. Spezifität (Goldstandard). Ort
des Intimaeinrisses meist darstellbar. Eingeschränkte Zuverlässigkeit bei ab-
gehenden Arcus-Gefäßen u. Beurteilung einer AR. Nachteile: nicht breit ver-
 10.2 Aortendissektion 531

Verdacht auf akute Dissektion der thorakalen Aorta


10
Kreislaufüberwachung,
-therapie auf Intensivstation

Stabile Instabile Hämodynamik


Hämodynamik (Hypotonie, Herzinsuffizienz,
Perikardtamponade)

TTE: Perikarderguss und/oder Ja Information des


Dissektionsmembran Herzchirurgen,
Aorta asc.? ggf. TEE auf OP-Tisch

Nein

• Rö-Thorax Typ-B-Dissektion Typ A


Typ-A-
• TEE (distal) oder B
• Evtl. CT Dissektion
plus plus
(proximal)
Komplikationen* Marfan-Sy.

Weiterhin
unsichere Diagnose

OP
Angiografie
inkl. Koronar-
angiografie

Dissektion Ausschluss
nachgewiesen Dissektion

Erkrankungen extraaortaler
Organe abklären (▶ 10.2.6) * Komplikationen:
• Progression mit
Typ A Bedrohung vitaler Organe
OP • Ruptur oder drohende
Typ B Ruptur (v.a. bei saccu-
mit Komplika- liformen Aneurysmen)
tionen* • Aorteninsuffizienz (selten)
Konservative • Ausbreitung der Dissektion
Typ B retrograd zur Aorta asc.
ohne Komplika- Therapie • Dissektion bei Marfan-Sy.
tionen

Abb. 10.3 Diagnostisches u. therapeutisches Vorgehen bei V. a. akute Dissektion


der thorakalen Aorta [L157]

fügbar, lange Untersuchungszeiten, deshalb ungeeignet im Notfall. Rel. KI bei


hämodynamisch instabilen Pat., da medizinische Versorgung in der engen
MRT-Röhre nicht gewährleistet ist. Methode der Wahl für Verlaufsbeobach-
tungen in der chron. Phase.
• Aortografie: als biplane Rö-Serie od. als Cine-Angio lange Zeit Goldstandard.
Wegen großer Anzahl falsch neg. Angiogramme diagn. Aussagefähigkeit häu-
fig nicht ausreichend.
532 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

– Vorteile: Ausdehnung der Dissektion u. Beteiligung abgehender Gefäße


bestimmbar, sehr sensitiv im Nachweis einer AR, Nachweis einer Beteili-
gung der Koronargefäße (bzw. Koro als präop. Diagn. zur Risikostratifi-
10 zierung: Einbezug der Koronarien in die Dissektion od. koexistente steno-
sierende KHK bei ca. 25 %).
– Nachteile: invasives Verfahren, KM-Gabe. Lokalisation des Eintritts
nur in ca. 50 % möglich. Dissektion wird übersehen, wenn Dissektions-
membran nicht orthograd zur Darstellungsebene steht. Zeitverlust bei
potenziell vitaler Bedrohung. Vor Not-OP ist eine Koro nicht erforder-
lich.

Diagnostisches Vorgehen
! Erfahrung u. Fertigkeiten des Untersuchers müssen bei der Wahl des diagn.
Verfahrens einkalkuliert werden! TEE ist heute breit verfügbar. In der Hand
eines wenig erfahrenen Untersuchers sind Dissektions-Pat. vital iatrogen be-
droht. Ein evtl. diagn. Zugewinn an Informationen steht in keinem Verhält-
nis zur Belastung des Pat. (Abkehr vom Prinzip der Omnipotenz: „Jeder kann
alles u. macht alles“).
• EKG u. TTE, ggf. Rö-Thorax bei jeder Form thorakaler Schmerzen. Alle Ver-
fahren ohne Zeitverzug durchführen. Ein „normales“ TTE schließt eine Dis-
sektion nicht aus.
• Bei begründetem Verdacht TEE. Wenn nicht verfügbar, CT als Screeningme-
thode, bei stabilem Pat. auch MRT.
• Ist nach klinischen Kriterien eine Aortendissektion sehr wahrscheinlich, ori-
entierende TTE.
• Bei Nachweis einer Dissektion Herzchirurg informieren u. weiteres diagn.
Vorgehen absprechen, ggf. Verlegung in herzchirurgisches Zentrum.
• Bei Perikarderguss u. V. a. Dissektion ist eine Ao-asc.-Dissektion weitgehend
gesichert → keine weitere zeitraubende Diagn., sondern Herzchirurgen infor-
mieren, TEE auf OP-Tisch vorbereiten.

10.2.4 Therapie

Erstversorgung bei Aortendissektion


• Pat. auf Intensivstation aufnehmen.
• Monitoring von RR, HF, Rhythmus, Urinausscheidung.
• 2 großlumige i. v. Zugänge, art. Zugang am re Arm (RR-Monitoring),
keine Gefäßzugänge über Femoralgefäße (werden evtl. für kardiopulmo-
nalen Bypass benötigt).
• ZVK bzw. Pulmonaliskatheter bei Pat. mit Hypotonie od. Herzinsuff.
• Adäquate Schmerzther. mit Opiaten → Schmerzen induzieren hyperten-
sive Kreislaufdysregulation, die zwingend vermieden werden muss. Be-
tablocker, Natriumnitroprussid/alternativ Urapidil.
• Kontinuierliche med. Ther. (s. u.) u. Überwachung, bis Diagn. abge-
schlossen u. weiteres Vorgehen festgelegt ist (kons. vs. OP). Kein Zeitver-
lust durch unkoordiniertes Vorgehen → Zunahme der Letalität um 1 %/h.
 10.2 Aortendissektion 533

Konservative Initialtherapie
Indikationen
• Ther. der Wahl bei distalen Dissektionen (Typ B) ohne KO, 10
• stabile, isolierte Aortenbogendissektion,
• stabile, chron. Dissektion (unkompliziert, 14 Tage nach Beginn der Sympto-
me).
Antihypertensive Therapie
• Behandlungsgrundsätze:
– Schmerzen adäquat therapieren,
– art. RR auf systol. 100–120 mmHg (MAP 60–75 mmHg) senken,
– art. Pulsanstiegsgeschwindigkeit (+ dP/dt) vermindern.
• Natriumnitroprussid (▶ 11.4.3): potenter Vasodilatator zur akuten RR-Sen-
kung. Initialdosis 0,2 μg/kg KG/Min. = ca. 1 ml/h bei Perfusor 60 mg/50 ml
Gluc. 5 %, max. ca. 8 μg/kg KG/Min. je nach RR-Antwort. Da unter der Ther.
die Pulsanstiegsgeschwindigkeit zunehmen kann, Komb. mit Betablocker.
• Betablocker: titrierte Gabe bis HF 60–80/Min., z. B. Propranolol 1 mg alle
5 Min. i. v. (z. B. Dociton®) bis max. 0,15 mg/kg KG (ca. 10 mg). Erhaltungs-
dosis 2–6 mg alle 4–6 h, orientierend an HF. Alternativ Metoprolol.
• Kalziumantagonisten: bei refraktärem Hochdruck od. zur Initialther. einer
Hypertension (z. B. Nifedipin s. l.), bis Natriumnitroprussid zur Verfügung
steht. Bei KI für Betablocker kann ein neg. chronotroper u. neg. inotroper Ef-
fekt mit Diltiazem (▶ 11.6.11) od. Verapamil (▶ 11.6.10) erreicht werden.
• ACE-Hemmer: bei therapierefraktärem Hochdruck durch Beteiligung der
Nierenarterien (Hyperreninämie), z. B. Enalapril 0,625 mg i. v. alle 4–6 h (z. B.
Xanef®).
! Keine Nachlastsenker ohne gleichzeitige Betablockade → Gefahr der Dissekti-
onsprogression.
• Normotensiver Pat.: Verzicht auf Vasodilatator. Betablocker zur Reduktion
der Pulsanstiegsgeschwindigkeit, alternativ Verapamil od. Diltiazem.
Komplikationen
• Bei hypotensivem Pat.: Volumensubstitution, „Pseudohypotension“ aus-
schließen. Dringliche diagn. Klärung (Perikardtamponade? Akute AR? Blu-
tungsmangelschock?).
• Vorgehen bei Perikarderguss/-tamponade:
– Hämodynamisch stabiler Pat. (Fehlen von Schock od. therapierefraktärer
Hypotonie): Perikardentlastung (-zentese) riskant. Deshalb Rücksprache
mit Herzchirurg, sofortiger Transport in OP-Saal, evtl. TEE im OP-Saal.
– Hämodynamisch instabiler Pat. (profunde Hypotension, elektromechani-
sche Entkopplung): Versuch der Perikardentlastung mittels Punktion.
Nur soviel Blut abpunktieren, dass RR auf akzeptables Niveau ansteigt
→ Not-OP. Vollständige Entlastung des Perikardraums vermeiden, da
perakute KO provoziert werden.
– Perikarderguss bei prox. Dissektion ist Vorbote profunder Hypotonien
bzw. fataler Verläufe bei Ausbildung einer Tamponade → Not-OP.

Chirurgische Therapie
Ziel: Beseitigung der Gefährdung durch Verbluten u. potenziell fataler KO (Peri-
kardtamponade, akute AR, Gefährdung von Gefäßprovinzen, z. B. Koronararteri-
en, zerebrale, spinale u. mesenteriale Gefäße).
534 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

Indikationen
• Ther. der Wahl bei allen akuten prox. Dissektionen (Stanford Typ A,
DeBakey Typ I u. II).
10 • Akute distale Dissektionen mit einer der folgenden KO:
– Progression mit Bedrohung vitaler Organe,
– Ruptur od. drohende Ruptur (v. a. bei sacculiformen Aneurysmen),
– AR (selten),
– Ausbreitung der Dissektion retrograd zur Ao asc.
• Dissektion bei Marfan-Sy. (und anderen genetischen Sy.).
Verfahren
• Resektion des Aortenabschnitts im Bereich des Dissektionsbeginns, Resekti-
on der Eintrittsstelle, Verschluss des Eingangs zum falschen Lumen (freie En-
den der durchtrennten Ao werden prox. u. distal vernäht), Interposition einer
Dacron-Prothese zur Überbrückung des resezierten Aortenabschnitts.
• Bei Arcus-Dissektion Anheftung des Intimaflaps od. kompletter Ersatz des
Aortenbogens mit Reimplantation der abgehenden Gefäße.
• Bei Beteiligung der AoK: normale Klappenfunktion evtl. nach Resuspension
bzw. Dekompression durch Beseitigung des falschen Lumens (klappenerhal-
tende OP nach David od. Yacoub). Bei unbefriedigendem Ergebnis u. bei gene-
tischen Sy. Implantation einer Komb.-Prothese (composite graft mit Reimplan-
tation der Koronararterien, klappentragendes Conduit = Bentall-Prozedur).

Interventionelle Therapie
Alternative zur chirurgischen Ther. bei Descendens-Dissektion. Transfemorale,
transluminale Platzierung eines endovaskulären Stent-Grafts. Ziel: Verschluss der
Eintrittspforte (Intimaeinriss als entry), Dekompression des falschen Lumens u.
Förderung einer Thrombose des falschen Lumens, Beseitigung jeglicher Gefäßok-
klusionen durch das Dissektat. Vielversprechende Methode in der Hand des Er-
fahrenen (in Deutschland nur in wenigen Zentren praktiziert). Noch keine strikte
Differenzialther. vs. operative Ther. definiert.

Nachbehandlung
• Aggressive antihypertensive Langzeitther. (systol. RR < 130–140 mmHg) re-
duziert die Re-Rupturgefahr um den Faktor 10. Betablocker 1. Wahl, ggf. zu-
sätzlich art. Vasodilatatoren (▶ 11.4). Cave: Vasodilatator immer mit Beta-
blocker kombinieren, bei KI gegen Betablocker evtl. Verapamil od. Diltiazem.
• Verlaufsuntersuchungen: klinische Untersuchung, Rö-Thorax u. TEE od.
MRT. Innerhalb der ersten 2 J. nach Entlassung höchstes Rezidivrisiko (Kon-
trollen alle 3–6 Mon.), anschließend stetige Abnahme des Risikos (Kontrollen
alle 6 Mon. für weitere 2 J., dann jährlich).

10.2.5 Prognose u. Spätkomplikationen
• Frühmortalität bei kons. Ther. (mit/ohne OP-Ind.):
– 25 % binnen 24 h, 50 % binnen 1 Wo., 75 % binnen 1 Mon. u. 90 % inner-
halb des 1. J. Unbehandelt Mortalitätszunahme um 1 %/h nach Dissekti-
onsbeginn.
– Präop. Mortalität: bei zügiger Diagn. ca. 3 %, bei verzögerter Diagn. bis
20 %!
– OP-Letalität: Typ I 10–20 %, Typ II 5 %, Typ III 12 %.
 10.2 Aortendissektion 535

• Langzeitprognose nach Krankenhausentlassung: kein Unterschied zwischen


kons. u. chirurgischer Ther., prox. u. distaler Dissektion, akuter u. chron. Dis-
sektion → 5-JÜR 75–80 %. 10
• Spät-KO: AR, Rezidiv einer Dissektion od. Ausbildung eines Aneurysmas an
anderer Stelle (auch im Anastomosenbereich), Aortenruptur. 30 % der Spät-
todesfälle durch Ruptur der dissezierenden Ao od. eines Zweitaneurysmas; in
25 % Entwicklung eines Aneurysmas an anderer Stelle, meist innerhalb der
ersten 2 J. nach Aortendissektion!

10.2.6 Sonderformen
Traumatische Dissektion/Ruptur
Dissektion od. Ruptur der thorakalen Ao nach Akzelerations-Dezelerations-
Traumen, z. B. Autounfall od. Sturz aus großer Höhe. Prädilektionsstelle: Aorten­
isthmus, unabhängig von der Richtung der Krafteinwirkung. Oft kardiale Beteili-
gung (Kontusion) u. Verletzung anderer Organe, die das klinische Bild dominie-
ren, sodass die Aortenläsion oft übersehen wird.
Leitbefunde: Schmerzen im Rücken, Ischämiesy. der Arme, Beine od. abdomina-
ler Organe.
Diagnostik
RR u. RR-Amplitude hoch an den oberen, niedrig an den unteren Extremitäten,
Verbreiterung des oberen Mediastinums im Rö-Thorax. CT als Screeningmetho-
de ungeeignet. Diagn. Mittel der Wahl: TEE, bei diagn. Zweifel CT-Angio.

Intramurales Hämatom der Aortenwand (atypische Aortendissektion)


Ruptur von Vasa vasorum mit Einblutung in die äußeren Media- u. Adventitia-
schichten. Prozess kann lokalisiert bleiben od. sich longitudinal ausdehnen. Un-
terscheidung zur typischen Aortendissektion durch Fehlen eines Intimaflaps
(Aortendissektion ohne Intimaeinriss). Bei mehr als 10 % aller Pat. mit Klinik ei-
ner Aortendissektion nachweisbar. Unklarheit besteht, ob das intramurale Häma-
tom eine eigenständige Entität od. der Vorläufer einer klassischen Aortendissekti-
on ist.
Klinik
Ältere Pat., anamnestisch art. Hochdruck, oft assoziiert mit generalisierter Athe-
rosklerose. Brust- od. Rückenschmerz, der wie bei einer Dissektion auftritt. Bei
50 % li-seitiger Pleuraerguss.
Diagnostik
CT od. MRT Methoden der Wahl. Im TEE Unterscheidung zu Manifestationen
einer Atherosklerose nicht immer möglich (▶ Abb. 10.4; diffuse Verdickung der
Aortenwand). Angio zur Diagn. ungeeignet, D-Dimere können neg. sein.
536 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

10

Ao

Hämatom

Abb. 10.4 Intramurales Hämatom der Aortenwand (4–6 Uhr) (TEE, Transversal­
schnitt der Ao desc. thoracalis) [T125]

Therapie
Wie bei klassischer Aortendissektion mit Flap-Ausbildung. OP bei Ao-asc.-, kons.
Ther. bei Ao-desc.-Beteiligung. Verlaufsbeobachtung der Progression od. Regres-
sion des Hämatoms.
Verlauf
Rückbildung u. vollständige Konsolidierung der Aortenwand od. (in ⅓) Progres-
sion zur manifesten Aortendissektion, Aortenruptur od. Perikardtamponade.
Auch nach Rückbildung des Hämatoms ist der Locus bedroht durch die Entwick-
lung eines fusiformen Aneurysmas od. einer progressiven Aortendilatation. Kein
Unterschied bei Überlebensraten von Pat. mit intramuralen Hämatomen bzw. mit
Dissektion. 30-Tages-Letalität bei Ao-asc.-Beteiligung 80 %, bei Ao-desc.-Beteili-
gung ca. 10 %.

Penetrierendes atherosklerotisches Ulkus


Penetration einer atherosklerotischen Läsion in Lamina elastica interna u. Ausbil-
dung eines Hämatoms in der Tunica media. Häufiger im mittleren u. distalen An-
teil der Ao desc., keine Ausbildung eines falschen Lumens. Folge der Penetration:
Pseudoaneurysmabildung in 25 %, Entwicklung von sacculi- od. fusiformen Aor-
tenaneurysmen, Aortenruptur nach Penetration der Adventitia in ca. 10 %, selte-
ner klassische Aortendissektion.
Klinik
Ältere Pat., art. Hochdruck, oft assoziiert mit generalisierter Atherosklerose.
Brust- od. Rückenschmerz, der wie bei einer Dissektion auftritt, jedoch ohne Puls-
defizit, neurol. Ausfälle od. AR.
Diagnostik
Rö-Thorax mit dilatierter, torquierter Ao desc., li-seitiger Pleuraerguss. Aortogra-
fie ist diagn. Mittel der Wahl (Nachweis KM-gefüllter Ausbuchtungen der Ao oh-
ne Intimaflap od. eines falschen Lumens).
Verlauf: Natürlicher Verlauf ist unklar.
 10.3 Thromboatheromatose der thorakalen Aorta 537

Therapie
! Abgesehen von strikter antihypertensiver Ther. sind keine einheitlichen
Ther.-Empfehlungen möglich.
! Evtl. chirurgische Ther. bei wiederholten Schmerzattacken, peripherer Embo- 10
lisation od. progredienter, aneurysmatischer Aortendilatation bzw. bei Rup-
tur der Ao. Penetrierendes Ulkus kann Vorläufer eines intramuralen Häma-
toms od. einer Dissektion sein.

10.3 Thromboatheromatose der thorakalen


Aorta
10.3.1 Klinik u. Diagnostik
Pathogenese der Atherosklerose der Ao entspricht der anderer art. Gefäßprovin-
zen („fatty streak“ – intermediäre Plaque – fibröse Plaque – kalzifizierte u. ulze-
rierte Plaque). Schweregrad der Atherosklerose: Ao abdominalis > Ao desc. thora-
calis > Aortenbogen > Ao asc. thoracalis.

Klinische Manifestationen
• Aneurysma,
• Obstruktion des Aortenlumens,
• aortale atheromatöse Embolie (arterioarterielle Embolie).
Diagnostik
Aneurysmabildung u. Aortenobstruktionen lassen sich mit den verfügbaren bild-
gebenden Verfahren hinreichend präzise diagnostizieren (Ultraschallverfahren,
CT, MRT, Aortografie). Thromboatheromatose der thorakalen Ao lediglich mit-
tels TEE sensitiv darstellbar (▶ Abb. 10.5). Differenzierung verschiedener Mani-
festationsformen (Intimaverdickung, Unregelmäßigkeiten der Intimaoberfläche,

Ao

Atheromatöse
Protrusion ins
AortenIumen

Abb. 10.5 Protrusion einer atheromatösen Masse ins Aortenlumen (TEE, Trans­
versalschnitt der thorakalen Aorta am Übergang Arcus – Aorta desc.) [T125]
538 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

Intimaverkalkungen, dicke Plaques mit ins Aortenlumen ragenden Atheromen


mit od. ohne mobile Komponenten).
10
Thorakale Aorta als Emboliequelle
• Ulzerierte Plaques des Aortenbogens sind RF für zerebralen Insult u. pe-
riphere art. Embolien. Bes. hohes zerebrales Insultrisiko bei Plaques
> 4 mm in Ao asc. u. prox. Aortenbogen, bei Ulzerationen od. mobilen
Thromben. ⅓ aller Pat. mit ins Lumen ragenden Atheromen erleiden
binnen 2 J. eine art. Embolie. Wesentlich höheres Risiko bei Atheromen
mit mobilen Komponenten.
• Bei herzchirurgischen Eingriffen mit kardiopulmonalem Bypass zere­
brales Insultrisiko 1–3 %, bei ausgeprägter Atheromatose der Ao asc. u.
des Aortenbogens nahezu 40 %! Die palpatorische Evaluation der Ao
durch den Chirurgen kann eine relevante Atheromatose nicht erfassen.
Lediglich TEE od. intraop. epiaortale Sono erfassen die Atheromatose u.
damit die Gefährdung des Pat.

10.3.2 Therapie
Keine spezifischen Ther.-Empfehlungen.
• Orale Antikoagulation mit Kumarinderivaten, alternativ TAH,
• bei ausgeprägter symptomatischer Thromboatheromatose (Z. n. art. Embolie)
im Einzelfall chirurgische Thromboatherektomie (in hypothermem Kreislauf-
stillstand), keine prophylaktische Atherektomie!

Bei allen Pat. mit art. Embolie grundsätzlich TEE zum Ausschluss einer
Thromboatheromatose der Ao als Emboliequelle.

10.4 Entzündliche Erkrankungen der Aorta


10.4.1 Takayasu-Arteriitis
Synonyme: Aortenbogen-Sy., „pulseless disease“, Aortoarteriitis, okklusive
Thromboaortopathie. Chron.-entzündlicher Gefäßprozess unbekannter Ätiol. mit
Beteiligung der Ao u. ihrer abgehenden Gefäße. Weltweit auftretend, überwie-
gend asiatische Frauen < 40. LJ.
• Typ I: Aortenbogen u. abgehende Gefäße.
• Typ II: thorakoabdominale Ao u. abgehende Gefäße. Aortenbogen bleibt aus-
gespart.
• Typ III: Komb. aus Typ I u. Typ II.
Pathophysiologie
Aktiver, generalisierter Entzündungsprozess mit granulomatöser Arteriitis der Ao
u. ihrer großen abgehenden Gefäße. Im Gefolge der Gefäßentzündung sek. Inti-
mahyperplasie, Mediadegeneration u. Adventitiafibrose (sklerotisches Stadium).
Der proliferative Prozess stenosiert das Aortenlumen u. die abgehenden Gefäße.
Histologisch eindeutige Abgrenzung zur Riesenzellarteriitis.
 10.4 Entzündliche Erkrankungen der Aorta 539

Klinik
• Initialsymptome einer systemischen Entzündung mit Fieber, Gewichtsverlust,
Nachtschweiß, Gelenkschmerzen, Müdigkeit (B-Symptomatik). Im chron. 10
Stadium Symptome beteiligter Organe (zerebral, renal, Extremitäten).
• Zum Diagnosezeitpunkt ca. 90 % der Pat. im sklerotischen Stadium: Reverse
coarctation mit Pulslosigkeit od. vermindertem RR der oberen Extremitäten,
art. Hochdruck in 60 %, Angina abdominalis, Claudicatio der Beine.

Diagnostik
Diagnose wahrscheinlich, wenn Pat. < 40 J. u. 2 Hauptkriterien od. 1 Hauptkrite-
rium u. 2 od. mehr Nebenkriterien od. mind. 4 Nebenkriterien vorliegen.
• Hauptkriterien: Befall der li A. subclavia, Befall der re A. subclavia.
• Nebenkriterien: BSG-Erhöhung, Palpationsschmerz der A. carotis, art. Hy-
pertonie, AR od. anuloaortale Ektasie, Befall der PA, Befall der li A. carotis,
distaler Befall des Truncus brachiocephalicus, Befall der deszendierenden Ao
thoracalis, Befall der Ao abdominalis.

Therapie
• Glukokortikoide, z. B. 1 mg/kg KG/d (z. B. Prednison, Decortin®), bessern die
Allgemeinsymptome.
• Bei ungenügendem Ansprechen zusätzlich Cyclophosphamid 2 mg/kg KG/d
(z. B. Endoxan®) od. alternativ niedrig dosiert Methotrexat 0,3 mg/kg KG/
Wo.
• Evtl. orale Antikoagulanzien, TAH.
• Antihypertensive Ther.
• Gefäßchirurgische Versorgung bei Ischämiesy.
Prognose
Gut bei oligosymptomatischem Verlauf u. stabiler Symptomatik ohne KO.
Prognosebestimmende KO: zerebrale Insulte, art. Hypertonie, Herzinsuff., MI,
AR bei Ao-asc.-Aneurysma, Niereninsuff.

10.4.2 Riesenzellarteriitis
Häufige Form der Vaskulitis beim älteren Menschen, v. a. Frauen > 50 LJ. mit ent-
zündlicher Veränderung mittelgroßer Arterien (granulomatöse Arteriitis, Arteri-
itis temporalis). In 15 % Beteiligung der Ao u. ihrer abgehenden Gefäße.

Ätiologie u. Pathophysiologie
Granulomatöse Entzündung der Media großer u. mittelgroßer Arterien (z. B.
A. temporalis). Bei Aortenbeteiligung sind v. a. die prox. abgehenden Gefäße be-
troffen. Intimabeteiligung ist nicht typisch.

Klinik
• Massive Kopfschmerzen, oft über beteiligten Gefäßen, z. B. A. temporalis.
Druck- u. Berührungsempfindlichkeit von art. Gefäßen des Kopfs.
• Ischämiesy. (u. a. „Aortenbogensymptome“): Claudicatio der Arme od. Beine,
abgeschwächter Puls, transiente zerebrale ischämische Attacken, Myokard­
ischämie, Angina abdominalis, Raynaud-Phänomen, Perfusionsstörungen
der Augen bis Blindheit.
• Fieber, Anämie u. laborchemisch Zeichen der akuten Entzündung.
540 10 Erkrankungen der thorakalen Aorta 

Diagnostik
Gefäßbiopsie vor Ther., z. B. der A. temporalis, bei hinreichendem klinischen Ver-
10 dacht auch anderer Gefäße.

Therapie
Prednison 40–60 mg/d (z. B. Decortin®). Reduktion der Dosis je nach Ansprechen
der Symptome u. der Entzündungsmarker. Erhaltungsdosis über 1–2 J., weitere
Immunmodulatoren ohne Effekt.
11 Pharmakotherapie
Ulrich Stierle

11.1  ositiv inotrope


P 11.6.3  jmalin 580
A
Pharmaka 543 11.6.4 Lidocain 581
11.1.1 Herzglykoside 543 11.6.5 Phenytoin 583
11.1.2 Sympathomimetika 545 11.6.6 Flecainid 583
11.1.3 Phosphodieste­ 11.6.7 Propafenon 585
rasehemmer 551 11.6.8 Betablocker 586
11.1.4 Levosimendan 553 11.6.9 Sotalol 587
11.2 Diuretika 554 11.6.10 Amiodaron 589
11.2.1 Übersicht 554 11.6.11 Dronedaron 590
11.2.2 Schwach wirksame Diuretika 11.6.12 Verapamil 592
(Thiaziddiuretika) 554 11.6.13 Diltiazem 593
11.2.3 Spironolacton 555 11.6.14 Adenosin 593
11.2.4 Hochwirksame Diuretika 11.6.15 Magnesium 595
(Schleifendiuretika) 557 11.6.16 Atropin, Ipratropium­
11.3 Antianginosa 558 bromid 596
11.3.1 Nitrate 558 11.6.17 Orciprenalin 597
11.3.2 Molsidomin 560 11.7 Antikoagulanzien 598
11.3.3 Betablocker 560 11.7.1 Heparin
11.3.4 Ivabradin 565 (unfraktioniert) 598
11.3.5 Ranolazin 566 11.7.2 Niedermolekulare
11.4 Vasodilatanzien 566 ­Heparine 600
11.4.1 ACE-Hemmer 566 11.7.3 Lepirudin 601
11.4.2 AT1-Rezeptorantagonis­ 11.7.4 Danaparoid-Natrium 602
ten 568 11.7.5 Bivalirudin 603
11.4.3 Direkter 11.7.6 Argatroban 604
Renininhibitor 570 11.7.7 Fondaparinux 604
11.4.4 Natriumnitroprussid 570 11.7.8 Dabigatran 605
11.4.5 Dihydralazin 571 11.7.9 Rivaroxaban 607
11.4.6 Minoxidil 572 11.7.10 Apixaban 608
11.4.7 Urapidil 573 11.7.11 Vitamin-K-
11.5 Kalziumantagonisten 574 Antagonisten 608
11.6 Antiarrhythmika 576
11.6.1 Übersicht 577
11.6.2 Chinidin 579
11.8  hrombozytenaggregations­
T 11.9.4  eteplase (r-PA) 623
R
hemmer 613 11.9.5 Tenecteplase 624
11.8.1 Acetylsalicylsäure (ASS) 613 11.10 Elektrolyte 624
11.8.2 ADP-Rezeptorantago­ 11.11 Fettstoffwechselthera­
nisten 614 peutika 625
11.8.3 GP-IIb/IIIa-Rezeptorantago­ 11.11.1 Cholesterinsynthesehemmer
nisten 618 (CSE-Hemmer) 625
11.9 Fibrinolytika 621 11.11.2 Ezetimib 627
11.9.1 Streptokinase 622 11.11.3 Cholesterinbinder 627
11.9.2 Urokinase 623 11.11.4 Fibrate 628
11.9.3 Alteplase (t-PA) 623 11.12 Antibiotika 629
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  543

11.1 Positiv inotrope Pharmaka


11.1.1 Herzglykoside
Digoxin u. Digitoxin sind die einzigen Medikamente mit pos. inotroper Wirkung
zur oralen Anwendung.

Wirkmechanismus 11
• Hemmung der myokardialen Na+/K+-ATPase: Intrazelluläre Na+-Zunahme
→ intrazelluläre Ca2+-Konz. steigt. Den kontraktilen Elementen steht mehr
Ca2+ zur Verfügung → pos. inotroper Effekt.
• Steigerung parasympathischer Aktivität: Senkung der Sinusfrequenz (neg.
chronotrop). Kaum Effekt in Ruhe, deutlich bei körperl. Belastung. Hem-
mung der AV-Überleitung (neg. dromotrop) → Kammerfrequenz ↓ bei SVT.
• Direkte Hemmung von Sinus- u. AV-Knoten (verlängerte Refraktärperio-
de): Gefahr von Sinusarrest u. komplettem AV-Block, v. a. bei Überdosie-
rung.
• Erhöhte Automatiebereitschaft (pos. bathmotrop): oberhalb üblicher Se-
rumspiegel beschleunigte diastol. (Phase 4) Depolarisation, evtl. auch durch
vermehrtes Auftreten von Spätpotenzialen → Gefahr tachykarder ventrikulä-
rer Arrhythmien.
• Vasokonstriktion: direkte Beeinflussung der Gefäße, rel. schwache Wir-
kung.

Indikationen
• Chron. Herzinsuff. bei Sinusrhythmus NYHA III u. IV sowie bei NYHA II
mit persistierenden Symptomen trotz ACE-Hemmer, Diuretika, Betablocker
u. Aldosteronantagonist. Niedrigen Plasmaspiegel anstreben (0,5–0,8 ng/ml
Digoxin).
• Bei akuter Herzinsuff. sind Glykoside nur bei gleichzeitiger Vorhofflimmerar-
rhythmie angezeigt.
• Vorhofflimmern/-flattern mit schneller Überleitung: Digitalis senkt Kammer-
frequenz in Ruhe, versagt aber bei körperl. Belastung. Komb. mit niedrig do-
sierten Betablockern sinnvoll. Die Konversion von VHF in den Sinusrhyth-
mus wird nur geringfügig gefördert.

Kontraindikationen
HOCM, WPW-Sy., SSS. AV-Blockierung (insbes. bei Hyperkaliämie), K+- od.
Mg2+-Mangel, Hyperkalzämie, komplexe ventrikuläre Arrhythmien.

Nebenwirkungen
• Häufig: AV-Leitungsstörungen; Übelkeit, Erbrechen.
• Selten: neurol., psychiatrische Beschwerden (Störung des Farbsehens, Ver-
wirrtheit, Krämpfe, Halluzinationen), Gynäkomastie. Kardial: jede Art supra-
ventrikulärer u. ventrikulärer Arrhythmien. Bes. typisch: AV-Knoten-Tachy-
kardie (Vorhoftachykardie mit Block).
• Sehr selten: Art. Vasospasmen (Angina abdominalis bis zum Mesenterialin-
farkt).
544 11 Pharmakotherapie 

Tipps & Tricks


• Erhaltungsdosis nach Serumspiegel anpassen (▶ Tab. 11.1, ▶ Tab. 11.2).
Digitalisbedarf bei einigen Pat. sehr gering (bis ca. 0,15 mg Digitoxin/
Wo.!).
• Bei Rhythmusstörungen i. d. R. schnell digitalisieren, bei Herzinsuff. ist
dies selten erforderlich.
• Werden Herzglykoside trotz symptomatischer Herzinsuff. abgesetzt,
11 verschlechtert sich der AZ des Patienten.
• Glykoside bei Herzinsuff. so dosieren, dass niedrig normale Plasmaspie-
gel erreicht werden (0,5–0,8 ng/ml), sonst droht Übersterblichkeit (v. a.
bei Frauen).

Tab. 11.1 Herzglykoside – Pharmakokinetik, Dosierung


Digoxin Digitoxin
Abklingquote/d Ca. 20 % Ca. 7 %
Eliminationsweg Unverstoffwechselt renal Hepatische Metabolisation
Eliminationshalb­ 1,6 d 7d
wertszeit
Wirkbeginn Oral 1,5–6 h i. v. < 30 Min. Oral 3–6 h i. v. < 1 h
Orale Darreichungs­ Novodigal Tbl.® (= 0,2 mg) Digimerck 0,1 Tbl.® (= 0,1 mg)
form (Auswahl) Novodigal mite Tbl.® Digimerck minor Tbl.®
(= 0,1 mg) (= 0,07 mg)
Digimerck pico Tbl.® (= 0,05 mg)
i. v. Darreichung Lanicor® Digimerck Ampullen® Amp. à
(Auswahl) Amp. à 0,25 mg 1 ml = 0,1 mg
Amp. à 1 ml = 0,25 mg
Erhaltungsdosis/d 0,1–0,4 mg (0,05–)0,07–0,1 mg(–0,2 mg)
Langsame Beginn mit 0,2 mg/d Beginn mit 0,1 mg/d
­Aufsättigung
Schnelle 0,8–1,2(–1,5 mg)/d p. o. od. 0,8–1,2 mg/d p. o. od. i. v. (i. v.
­Aufsättigung i. v. (i. v. nicht als 1 Gabe!) nicht als 1 Gabe!)
Therap. Bereich Ca. 0,8–2 ng/ml Ca. 9–30 ng/ml

Tab. 11.2 Wechselwirkungen von Herzglykosiden


Medika­ Wechselwirkungen
ment
Digoxin • Phenytoin, Verapamil, Nifedipin, Flecainid, Propafenon, Chinidin,
Amiodaron: Digoxinspiegel ↑
• Hypokaliämie bei Diuretika- bzw. Steroidgabe: Digoxinwirkung ↑
(v. a. kardiale NW!)
• Penicillin, Salicylate: Digoxinresorption ↑
• Antazida, Colestyramin, Neomycin, p-Aminosalicylsäure, Sulfasala­
zin, Metoclopramid: Digoxinresorption ↓
• Schilddrüsenhormone: Digoxinwirkung ↓
• Bei gleichzeitiger Gabe von Antiarrhythmika mit neg. dromotroper
Wirkung: verstärkte Leitungsblockierung
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  545

Tab. 11.2 Wechselwirkungen von Herzglykosiden (Forts.)


Medika­ Wechselwirkungen
ment
Digitoxin • Phenobarbital, Phenytoin, Spironolacton u. Rifampicin: Digitoxin­
wirkung ↓
• Kumarinderivate, Sulfonylharnstoffe u. Heparin, Hypokaliämie in­
folge einer Diuretika- bzw. Steroidther.: Digitoxinwirkung ↑ (v. a.
kardiale NW!)
• Bei gleichzeitiger Gabe von Antiarrhythmika mit neg. dromotroper 11
Wirkung: verstärkte Leitungsblockierung

EKG-Kontrolle nach Digitalisierung: AV-Leitungsstörung?

Digitalisintoxikation
Häufige Symptome: Sinusbradykardie/-arrest, AV-Blockierung, VES,
schnelle ventrikuläre Rhythmen. Im EKG: evtl. muldenförmige ST-Strecken-
Senkung (nicht sehr sensitiv!). Erbrechen, zentralnervöse Störungen.
Ther.:
• Daran denken (bei jeder Art von Rhythmusstörung)!
• Frühzeitige Monitorüberwachung bei hohem Digitalisspiegel auch ohne
Rhythmusstörungen (Digoxin > ca. 6 ng/ml, Digitoxin > ca. 45 ng/ml),
bei Rhythmusstörungen eher (die Reanimation bei Digitalisintoxikation
ist meist erfolglos).
• Ther. der Rhythmusstörungen (▶ 7.2, ▶ 7.5).
• Bei schwerer, symptomatischer Intoxikation: Bindung durch Fab-AK
(z. B. Digitalis-Antidot BM®). 80 mg Digitalis-AK über 6 h infundiert
binden 1 mg Digoxin. Wirkeintritt nach ca. 30 Min., HWZ: ca. 20 h.
Ggf. wiederholte Gabe alle 12 h (der Komplex dissoziiert wieder). Dosis:
mehrere Amp., je nach Digitalisspiegel bzw. bis Rhythmusstörungen ab-
klingen. NW: evtl. Allergie auf Fremdeiweiß → vor Gabe testen. Bei vita-
ler Ind. evtl. dennoch zusammen mit Prednisolon (250 mg i. v.) geben.
Zusätzlich zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs: alle 6 h
8 g Cholestyramin p. o.
• Hämoperfusion bei Digitoxin effektiv, bei Digoxin wirkungslos. Hämo-
dialyse bei Digitoxin u. Digoxin wirkungslos.
• Symptomatische Ther.: Korrektur Wasser-E‘lyt-Haushalt (K+!), Ar-
rhythmien (ventrikuläre Ektopien, bradykarde Arrhythmien).

Die Digitalisintoxikation ist eine der häufigsten schwer verlaufenden Intoxi-


kationen auf Intensivstationen: Gerade angesichts der schwachen pos. inotro-
pen Wirkung von Herzglykosiden jede Digitalisierung kritisch hinterfragen.

11.1.2 Sympathomimetika
Kurz wirksame, wirkstarke Medikamente zur i. v. Gabe mit Beeinflussung von
Herz u. Gefäßsystem. Substanzen unterscheiden sich in ihren Wirkungen auf
myokardiale Kontraktilität u. art. Gefäßtonus. Wirkdauer aller Sympathomimeti-
ka: wenige Minuten.
546 11 Pharmakotherapie 

Wirkmechanismus
Direkte od. indirekte (durch Freisetzung von Noradrenalin) Aktivierung sympa-
thischer Rezeptoren. Die unterschiedliche Aktivierung bedingt die Wirkunter-
schiede (▶ Tab. 11.3):
• α1-Rezeptoren: Tonussteigerung glatter Muskeln → Steigern art. Gefäßtonus.
• α2-Rezeptoren: Feedback-Hemmung auf α1-Rezeptoren.
• β1-Rezeptoren: kardiale Kontraktilität ↑, Beschleunigung der AV-Überlei-
tung, Sinusknotenfrequenz ↑.
11 • β2-Rezeptoren: Bronchodilatation, Vasodilatation der Arteriolen.
• Dopaminerge Rezeptoren: renale, koronare u. Splanchnikusvasodilatation.
Tab. 11.3 Sympathoadrenerge Stimulation verschiedener Organe (aus: Braun
J./Preuss R. Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier 2012)
Erfolgs­ Parameter Rezeptor­ Transmitter/Wirkung
organ typ

Adre­ Norad­ Dopamin Dobut­


nalin renalin amin
Herz Frequenz β1 ↑ ↓ ↑ ↑
SV β1 ↑↑ ↑↑ ↑↓ ↑
HZV β1 ↑↑↑ ↑↔↓ ↑ ↑↑
Arrhythmien β1 ↑↑↑↑ ↑↑↑↑ ↑↑ ↑
Koronardilata­ β2 ↑↑ ↔ ↔↑ ↔↑
tion
Koronardurch­ K=α ↑↑ ↑↑ ↑ ↑
blutung D=β
Gefäße Systolisch ↑↑ ↑↑↑ ↑ ↑↔↓
Mittel ↑ ↑↑ ↑ ↑↔↓
Diastolisch ↑↔↓ ↑↑↑ ↔↑ ↑↔↓
Pulmonalart. ↑↑ ↑↑ ↔↑ ↓
Gefäßwider­ ↓ ↑↑ ↔↑ ↓
stand
Haut Konstriktion, K=α ↓↓ ↓↓ ↔↓ ↔↑
Durchblutung
Muskula­ Durchblutung K=α ↑↑↑ ↔↓ ↑↑ ↔↑
tur D = β2
Gehirn Konstriktion, α ↑↑ ↔↓ ↔↑ ↑
Durchblutung
Lunge Bronchiallu­ K=α ↑ ↔↑ ↔↑ ↔
men D = β2
Nieren Durchblutung K=α ↓↓ ↓↓ ↑ ↔
D = β2
Magen- Durchblutung K=α ↑↑ ↓↓ ↑ ↔
Darm- D = β2
Trakt
K = Konstriktion, D = Dilatation. Die Pfeile markieren die resultierende Wirkung.
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  547

Nebenwirkungen
Entsprechen meist überschießenden Wirkungen der Wirkstoffe:
• Art. Hypertension, bes. bei versehentlicher Bolusgabe (bes. Adrenalin, Nor-
adrenalin, Dopamin).
• Tachykardie (bes. Dopamin, Dopexamin, Adrenalin).
• Induktion ventrikulärer Rhythmusstörungen (bes. Adrenalin, Dopamin).
• Art. Vasospasmen mit Organminderversorgung: A. p., Nierenversagen,
Extremitätenischämie (bes. Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin in hoher
Dosis). 11
• Hypokaliämie, Hyperglykämie.
Dobutamin
Kein reines Medikament für Intensivstation, bei vorsichtiger Dos. u. unter Moni-
torkontrolle kann es zur Behandlung der Lungenstauung in der Aufnahme u. auf
der Station eingesetzt werden.
Wirkmechanismus
Stärkere Aktivierung der β1- als β2-Rezeptoren, nur gering der α1-Rezeptoren.
Dominierende Wirkung: Steigerung des HZV durch Steigerung der myokardi-
alen Kontraktilität (pos. inotrop). RR steigt nur bei sehr hoher Dosis. Bei Do-
sen ≤ 5 μg/kg KG/Min. Nachlastsenkung. In höherer Dos. wird Noradrenalin
freigesetzt → Vasokonstriktion (Nachlast ↑). HF steigt gering, Nierendurch-
blutung wird gering gemindert, PAP ↓. Steigerung der Koronardurchblutung,
daher trotz pos. inotroper Wirkung bei MI keine Vergrößerung der Nekrose-
größe.
Indikationen
• Akutbehandlung der Linksherzinsuff. ggf. in Komb. mit Diuretika u. Nach-
lastsenkern (Nitrate).
• Kardiogener Schock: in Komb. mit vasokonstriktorisch wirksamen Katechol-
aminen (Dopamin, Adrenalin) zur Steigerung des HZV.
• Stressecho: zur pharmakologischen Stimulation (oft in Komb. mit Atropin
bei mangelndem Frequenzanstieg).
Kontraindikationen
Terminale Herzinsuff. ohne Perspektive, obstruktive CMP. Rel. KI: Volumen-
mangel, Myokardischämie.
Interaktionen
Wirkungsabschwächung durch Betablocker. Dopamin: bei gemeinsamer Gabe
verstärkter RR-Anstieg.
Dosierung
▶ Tab. 11.4. Z. B. Dobutamin-ratiopharm® 250 Infusionslsg.: 1 Amp. à 50 ml
enthält 250 mg Dobutamin. Dosis: 2–25(–40) μg/kg KG/Min. per Perfusor,
d. h. 250 mg/50 ml, 2–20(–40) ml/h. Gabe meist ausschleichend. Wirkverlust
durch Tachyphylaxie nach ca. 3 d. NW s. o.
548 11 Pharmakotherapie 

Tab. 11.4 Dobutamin – Dosierung


Körpergewicht Niedrig Mittel Hoch
3 μg/kg KG/Min. 6 μg/kg KG/Min. 12 μg/kg KG/Min.
50 kg 1,8 ml/h 3,6 ml/h 7,2 ml/h
70 kg 2,5 ml/h 5,0 ml/h 10 ml/h
90 kg 3,2 ml/h 6,4 ml/h 12,8 ml/h
11 Perfusor: 250 mg/50 ml

Dopamin
Wirkmechanismus
Dopamin wirkt unterschiedlich je nach Dosierung:
• ≤ 2 μg/kg KG/Min.: Aktivierung dopaminerger Rezeptoren → Nieren-,
Splanchnikus- u. Koronardurchblutung ↑ (geringe RR-Wirkung).
• Ca. 4–10 μg/kg KG/Min.: Aktivierung der β1-Rezeptoren → Herzkraft ↑, HF
↑, HZV ↑. RR ↑ durch Noradrenalinfreisetzung.
• > 10 μg/kg KG/Min.: α1-Aktivierung steigert Vasokonstriktion weiter (auch
der Niere), HZV ↓ (erhöhte Nachlast).
! Die Wirkungen sind individuell sehr unterschiedlich, im Einzelfall kann auch
eine Dosis von 3 μg/kg KG/Min. noch deutlich RR-steigernde Wirkung ha-
ben. Im Gegensatz zu Dobutamin stets Steigerung der HF.
Indikation/Kontraindikationen
• Ind.: Schock jeder Genese. Bei kardiogenem Schock meist in Komb. mit Do-
butamin. Nach Herz-OP wird Trennung von der Herz-Lungen-Maschine er-
leichtert.
• KI: HOCM. Rel. KI: Volumenmangel, tachykarde Herzrhythmusstörungen,
Myokardischämie.
Nebenwirkungen
s. o.
Dosierung
▶ Tab. 11.5. Z. B. Dopamin Fresenius 250 mg/50 ml Infusionslösungskonzentrat:
unverdünnt in Perfusor aufziehen (1 ml = 5 mg). Ausschleichend dosieren.

Tab. 11.5 Dopamin – Dosierung


Körpergewicht Niedrig Mittel (HZV u. RR) Hoch (RR)
2 μg/kg KG/Min. 8 μg/kg KG/Min. 16 μg/kg KG/Min.
50 kg 1,2 ml/h 4,8 ml/h 9,6 ml/h
70 kg 1,7 ml/h 6,7 ml/h 13,4 ml/h
90 kg 2,2 ml/h 8,7 ml/h 17,3 ml/h
Perfusor: 250 mg/50 ml

! Bei septischem Schock Verschlechterung der Prognose durch verminderte


Splanchnikusdurchblutung.
• Kein Nachweis einer nephroprotektiven Wirkung.
• Synergismus mit Dobutamin.
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  549

• Tachyphylaxie, deshalb Intervallther.


• Reboundhypotonie nach Absetzen.
• Verstärkung einer Ulkusblutung.
• Bei hoher Dosis Diurese ↓, akrale Durchblutung ↓, Nekrosenbildung, Laktat ↑.
• Nicht in alkalischer Lsg. lösen. Kein Haloperidol über denselben Zugang inji-
zieren.

Dopexamin
11
Wirkmechanismus
Stimulierung dopaminerger Rezeptoren, stärkere Aktivierung der β2- als β1-
Rezeptoren, α-Rezeptoren werden nicht stimuliert. Schwach pos. inotrop, aber
deutlich vasodilatatorisch. Nachlastsenkung mit Zunahme der Nieren- u.
Splanchnikusdurchblutung, deutliche Steigerung des HZV bei geringerer Steige-
rung des myokardialen O2-Verbrauchs als durch Dobutamin. Leichter RR-Abfall
v. a. bei niedriger Dos., bei höherer Dos. geringer RR-Anstieg durch Hemmung
der Noradrenalin-Wiederaufnahme. Wirkung ähnelt einer Komb.-Behandlung
mit Natriumnitroprussid plus Dobutamin.
Indikation
Akutbehandlung der Linksherzinsuff. mit Rückwärtsversagen. Keine Anwendung
bei Hypotonie/Schock. Dopexamin ist Dobutamin in der klinischen Wertigkeit
nicht überlegen.
Kontraindikationen
Hypovolämie, HOCM/AS, septischer Schock.
Interaktionen
Nicht über einen Zugang mit NaHCO3, Heparin, Hydrokortison, Penicilline.
Dosierung
▶ Tab. 11.6. Z. B. Dopacard® Amp. à 50 mg in 5 ml, auf 50 ml verdünnen (1 ml =
1 mg). Mit 0,5 μg/kg KG/Min. beginnen, ca. alle 10 Min. bis auf 4 μg/kg KG/Min.
steigern.

Tab. 11.6 Dopexamin – Dosierung


Körpergewicht 0,5 μg/kg KG/Min. 2 μg/kg KG/Min. 4 μg/kg KG/Min.
50 kg 1,5 ml/h 6 ml/h 12 ml/h
70 kg 2,1 ml/h 8,4 ml/h 16,8 ml/h
90 kg 2,7 ml/h 10,8 ml/h 21,6 ml/h
Perfusor: 50 mg/50 ml

Dopexamin ist kein Katecholamin zur Schockther., es steigert das HZV v. a.


durch Nachlastsenkung.

Adrenalin
Wirkmechanismus
Etwas stärkere Aktivierung der kardialen β1-Rezeptoren (pos. Inotropie) als der
peripheren α1-Rezeptoren (steigender Gefäßtonus → steigende Nachlast), deutli-
550 11 Pharmakotherapie 

cher RR- u. HF-Anstieg. Rel. hohe proarrhythmogene Wirkung. Auch bronchiale


β2-Rezeptoren werden stimuliert (→ Bronchusdilatation).
Indikation
• Reanimation: bei fortdauerndem Kammerflimmern trotz 2 Defibrillationen
(▶ 2.1.2), bei A- od. Hyposystolie (nach Ausschluss nichtkardialer Ursachen,
z. B. Hypoxie).
• Anaphylaxie: Minderung von Bronchialkonstriktion u. Vasodilatation.
11 • Schock: nur bei Schockformen mit erniedrigtem peripheren Widerstand u.
erniedrigtem HZV (z. B. Sepsis bei Herzinsuff., low output nach ACVB). Bei
rein kardiogenem Schock ist Adrenalin allein ungünstig, da die ausgelöste
Nachlaststeigerung den pos. inotropen Effekt am Herzen überlagert. Bei un-
ter adäquat dosiertem Dopamin u. Dobutamin unzureichendem RR Adrena-
lin trotz Nachlaststeigerung geben.
• Schwerster Asthmaanfall: bei intubationspflichtigem Asthma intrabronchia-
le Gabe (1 : 100–250 verdünnt!).
Kontraindikationen
HOCM, AS (evtl. akuter Tod).
Dosierung
▶ Tab. 11.7. Z. B. Suprarenin®, 1 ml Ampulle = 1 mg (= 1 : 1.000). Vor Anwendung
verdünnen, z. B. 1 : 10 (= Enddosis 1 : 10.000). Alternativ: Fertigspritze 1 : 10.000.
(Adrenalin IMS 1 : 10.000 Minijet® Notfallsystem Injektionslösung).

Tab. 11.7 Adrenalinperfusor: 3 mg auf 50 ml NaCl 0,9 % (nach: Braun J./Preuss


R. Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier 2012)
KG Dosierung

Niedrig: 0,01 μg/kg/Min. Hoch: 0,4 μg/kg/Min.


50 kg 0,5 ml/h 2 ml/h
70 kg 0,7 ml/h 2,8 ml/h
90 kg 0,9 ml/h 3,6 ml/h

• Reanimation: bei Asystolie, Kammerflimmern 1 mg (= 10 ml) 1 : 10.000 ver-


dünnte Lsg. i. v. od. als Erstmaßnahme 3 mg in den Tubus (in Exspiration,
mit viel Luft in der Spritze), ggf. alle 3–5 Min. wiederholt. Bei Hyposystolie
wiederholt 3–5 ml (= 0,3–0,5 mg) i. v. Stets vor NaHCO3 geben.
• Anaphylaxie: 0,1–0,4 mg i. v., ggf. 0,3–0,5 mg i. m.
• Schock: per Perfusor (z. B. 3 mg in 50 ml NaCl 0,9 %), je nach RR 0,01–0,4 μg/
kg KG/Min. Ggf. höhere Dos. (geringere Verdünnung im Perfusor). Obere
Dosisgrenze existiert bei korrekter Ind. nicht, da Unterdosierung den Tod des
Pat. bedeutet.

Bei wiederholtem Kammerflimmern bei Reanimation: an Adrenalinüberdo-


sierung denken. Evtl. geringe Menge Betablocker i. v., z. B. 10 mg Sotalol
(¼ Amp. Sotalex®).
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  551

Noradrenalin
Wirkmechanismus
Stärkere Stimulierung der α1- als der β1-Rezeptoren → ausgeprägte art. Vasokon­
striktion bei geringer Steigerung der Herzkraft. HF bleibt konstant od. sinkt ge-
ring. Weniger arrhythmogen.
Indikation
• Schock durch Vasodilatation, z. B. septischer Schock, neurogener Schock,
evtl. anhaltende Anaphylaxie, Schock bei Hyperthermie. 11
• Bedingte Ind.: fraglicher Nutzen bei reiner Rechtsherzinsuff. (z. B. Rechts-
herzinfarkt ▶ 3.6.5) mit RR-Abfall durch fehlende Vorlast des LV. Begleitend
zur Volumengabe evtl. Noradrenalin geben.
Dosierung
• Z. B. Arterenol®Lsg. 1 ml Amp. à 1 mg (= 1 : 1.000).
• Initial: 0,3 mg i. v., evtl. 0,3–0,8 mg i. m. od. s. c. (hierzu z. B. 1 Amp. Artere-
nol® auf 10 ml NaCl 0,9 % verdünnen, 3–8 ml injizieren).
• Perfusor: 0,05–0,3 μg/kg/Min., Verdünnung: 3 mg (= 3 Amp.) od. 5 mg
(= 5 Amp.) mit NaCl auf 50 ml = 60 od. 100 μg/ml (▶ Tab. 11.8).
• Dosisobergrenze besteht bei korrekter Ind. nicht, da Unterdosierung den Tod
des Pat. bedeutet.

Tab. 11.8 Noradrenalinperfusor: 3 mg auf 50 ml NaCl 0,9 % (aus: Braun J./


Preuss R. Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier 2012)
KG Dosierung

Niedrig: 0,05 μg/kg/Min. Hoch: 0,3 μg/kg/Min.


50 kg 2,5 ml/h 15 ml/h
70 kg 3,5 ml/h 21 ml/h
90 kg 4,5 ml/h 27 ml/h

Tipps & Tricks


• Noradrenalin ist kein Medikament zur Behandlung der Herzinsuffizi-
enz. Bei Sepsis plus Herzinsuff. Komb. mit Dobutamin sinnvoll.
• Bei Zentralisation, Akrozyanose u. Anurie Ther. überdenken.
• Diureserückgang durch Abnahme der Nierendurchblutung.
• Verbesserung der Koronarperfusion bei kardiogenem Schock.
• Bei Paravasat Hautnekrose möglich → mit NaCl 0,9 % umspritzen.

11.1.3 Phosphodiesterasehemmer
PDE-Hemmer wirken pos. inotrop u. vasodilatierend. Derzeit sind nur Medika-
mente zur i. v. Gabe erhältlich.

Wirkmechanismus
PDE III baut cAMP ab, einen Second Messenger nach Aktivierung von
β-Rezeptoren. PDE-Hemmer steigern die intrazelluläre cAMP-Konz., wodurch
die intrazelluläre Phosphorylierung diverser Effektormoleküle ausgelöst wird →
zunehmende Inotropie. Außerdem ausgeprägte Vasodilatation, vorwiegend Lun-
552 11 Pharmakotherapie 

genstrombahn u. venöse Gefäße: Vorlastsenkung des LV. HZV steigt deutlich,


myokardialer O2-Verbrauch bleibt konstant.

Bei normalem PAP RR-Abfall unter PDE-Hemmern. Ein Pulmonaliskathe-


ter zur Ther.-Steuerung ist hilfreich.

Indikation
11 Ther. der diuretika- u. katecholaminrefraktären Herzinsuff., postop. nach
Herz-OP.

Kontraindikationen
Hypovolämie, obstruktive CMP, AS, unbehandeltes Vorhofflimmern/-flattern
mit schneller Überleitung. Schwere Niereninsuff.

Nebenwirkungen
Arrhythmie, gastrointestinale Störungen, Thrombopenie (v. a. Amrinon), Hepa-
totoxizität, Myositis, Vaskulitis. PDE sind NW-reicher als Sympathomimetika.
Wegen inakzeptabel hoher NW (Rhythmusstörungen, plötzlicher Herztod) ste-
hen oral resorbierbare Medikamente für die Dauerther. nicht mehr zur Verfü-
gung.

Interaktionen
Nicht über einen Zugang mit Furosemid od. Dobutamin geben. Enoximon nicht
mit Glukose-Lsg. infundieren.

Pharmakokinetik
HWZ 2,4 h (Milrinon) bis 4,4–6,2 h (Enoximon). Enoximon u. Milrinon kumu-
lieren bei Niereninsuff.

Dosierung
• Amrinon: z. B. Wincoram®, 20 ml Amp. à 100 mg. Initial 0,5 mg/kg KG lang-
sam i. v., Erhaltungsdosis 5–10 μg/kg KG/Min. i. v.
• Milrinon: z. B. Corotrop®, 10 ml Amp. à 10 mg. Initial 50 μg/kg KG über
10 Min. i. v., Erhaltungsdosis 0,375–0,75 μg/kg KG/Min. i. v. (Dosisreduktion
bei Niereninsuff.).
• Art der Verdünnung: siehe Gebrauchsinformationen (Beispiel s. u.). Dosis bei
Niereninsuff. anpassen.
• Enoximon: z. B. Perfan®, 20 ml Amp. à 100 mg. Initial 0,5 mg/kg KG langsam
i. v., Erhaltungsdosis 2,5–10 μg/kg KG/Min. i. v. (▶ Tab. 11.9, Dosisreduktion
bei Niereninsuff.).
– Initialdosis: (100 mg in 20 ml) unverdünnte Lsg. 0,5 mg/kg KG i. v., → bei
70 kg 7 ml über einige Minuten i. v.
– Erhaltungsdosis: 2,5–10 μg/kg KG/Min. (eher niedrige Dosis wählen). 5
Amp. (100 mg in 20 ml) mit 400 ml NaCl 0,9 % verdünnen (= 500 ml Lsg.),
Gabe per Infusomat.
 11.1 Positiv inotrope Pharmaka  553

Tab. 11.9 Dosierungsbeispiel Enoximon (Perfan®)


Körpergewicht Niedrige Dosis Mittlere Dosis Hohe Dosis
2,5 μg/kg KG/Min. 7,7 μg/kg KG KG/ 10 μg/kg KG/Min.
Min.
50 kg 7,5 ml/h 15 ml/h 30 ml/h
70 kg 10,5 ml/h 21 ml/h 42 ml/h
90 kg 13,5 ml/h 27 ml/h 54 ml/h
11
Infusomat: 50 mg/50 ml

Tipps & Tricks


• Amrinon verursacht häufig Thrombopenie: eher Enoximon od. Milri-
non verwenden.
• Da Wirkung der PDE-Hemmer nicht über Betarezeptoren vermittelt
wird, sind sie gut geeignet zur Ther. der betablockerinduzierten Links-
herzdekompensation.

11.1.4 Levosimendan
Wirkungsmechanismus
Levosimendan bindet als „Kalziumsensitizer“ an Troponin C der Myozyten u. er-
höht die Empfindlichkeit gegenüber Ca2+ → pos. inotrope Wirkung. Zusätzliche
Öffnung von ATP-sensitiven K+-Kanälen der glatten Muskulatur → Vasodilatati-
on mit Vor- u. Nachlastsenkung.

Indikation
Low cardiac output ohne schwere Hypotonie (nicht bei RR < 85 mmHg) bei Ver-
sagen der Standardther.

Kontraindikation
Hypotonie, Tachykardie, AS, Torsade-Arrhythmien, schwere Leber-, Nierenfunk-
tionsstörungen.

Nebenwirkungen
Hypotensionen.

Pharmakokinetik
HWZ 1 h, aktive Metaboliten (HWZ bis 80 h). Hämodynamische Wirkung kann
bis 1 Wo. anhalten. Fast vollständige hepatische Metabolisierung.

Dosierung
1 ml ≙ 2,5 mg Levosimendan (Simdax®). Initial: 6–12 μg/kg über 10 Min. Erhal-
tungsdosis 0,1 μg/kg/Min. Bei Komb. mit Vasodilatatoren u./od. anderen inotro-
pen Substanzen niedrige Initialdosis wählen.
554 11 Pharmakotherapie 

11.2 Diuretika
Diuretika lindern die Folgen der Herzinsuff. mit Luftnot u. Beinödemen durch
Verminderung der Wasserretention. Die Herzinsuff. selber wird nicht beeinflusst,
d. h., das HZV steigt nicht. Ein art. Hypertonus wird gebessert.

11.2.1 Übersicht
11 Substanzen: hoch wirksame Schleifendiuretika (Furosemid, Piretanid, Torase-
mid), mäßig wirksame Thiaziddiuretika, Aldosteronantagonisten (Spironolacton)
u. K+-sparende Diuretika. Auf der Intensivstation v. a. rasch wirksame Schleifen-
diuretika u. bei bes. Ind. Spironolacton.
Indikationen
• Schleifendiuretika: zur raschen Entwässerung, z. B. bei Herzinsuff., Überwäs-
serung bei Nieren- od. Lebererkr., Hyperkaliämie u. -kalzämie, hypertensive
Krise, forcierte Diurese mit Volumenersatz bei Intoxikation.
• Aldosteronantagonisten: primärer (Conn-Sy.) u. sek. Hyperaldosteronismus
bei Leberzirrhose mit Aszites u. Ödemen, Rechtsherzinsuff. mit Stauungsle-
ber, art. Hypertonie (in Komb. mit Saluretika), Hypokaliämie.
• Thiazide: Ödeme jeder Genese, milde art. Hypertonie, therapierefraktäre
Ödeme in Komb. mit Schleifendiuretika. KI: Schwangerschaft, Stillzeit, Hy-
pokaliämie. Rel. KI: Gicht, Diab. mell.

Vorgehen beim Ausschwemmen massiver Ödeme


• Ind.-Stellung u. Auswahl des Diuretikums (s. o.). Unterstützung der med.
Ther. durch Reduktion von NaCl-Zufuhr (max. 2,5 g/d) u. Trinkmenge
(1,0–1,5 l/d) mit Einberechnung der Infusionen.
• Täglich E‘lyt-, Krea- u. Gewichtskontrolle, evtl. ZVD.
• Gewichtsabnahme bei Ödemen max. 1,5 kg/d, bei alleinigem Aszites 0,5 kg/d!
• Bei bettlägerigen Pat. od. erhöhter Thromboseneigung Low-Dose-Hepari-
nisierung (▶ 11.7.2). Bei Pat. mit Leberinsuff. auf Zeichen einer hepati-
schen Enzephalopathie achten (Müdigkeit, Flapping-Tremor, Schriftbild-
veränderungen, NH3+ ↑↑).

Cave
• Bei Diuretikaresistenz mit refraktären Ödemen (außer bei ANV) auch
Komb. aus Thiaziddiuretikum, z. B. Hydrochlorothiazid (Esidrix®), +
Schleifendiuretikum, z. B. Furosemid, sinnvoll (sequenzielle Nephron-
blockade).
• Bei Leberzirrhose auch Komb. von Spironolacton u. Furosemid möglich
(cave: hepatorenales Sy.).

11.2.2 Schwach wirksame Diuretika (Thiaziddiuretika)


Wirkmechanismus
Hemmung der Na+- u. Cl–-Rückresorption im distalen Tubulus. Da bereits ca.
90 % des filtrierten Na+ in glomerulusnäheren Abschnitten rückresorbiert werden,
ist die diuretische Wirkung rel. schwach. Zunahme der Mg2+- u. K+-Ausschei-
 11.2 Diuretika  555

dung, Ca2+-Retention. Ödeme bei Herz- od. Niereninsuff. werden ausge-


schwemmt. Geringer RR-Rückgang. Bei deutlich erhöhtem Krea als Monother.
wirkungslos. Wirkdauer: 12–24 h.

Indikation
• Ödeme jeder Genese u. (annähernd) normale Nierenfunktion,
• art. Hypertonus (Mono- od. Komb.-Ther.),
• bei therapierefraktären Ödemen in Komb. mit Schleifendiuretika (sequenziel-
le Nephronblockade). 11
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit, Hypokaliämie. Rel. KI: Gicht.

Nebenwirkungen
K+- u. Mg2+-Verlust, metabolische Alkalose, verminderte Glukosetoleranz, An-
stieg von Harnsäure u. LDL-Chol., Nierenfunktionsverschlechterung, bes. bei int-
ravasalem Volumenmangel, Hautjucken, Urtikaria. Selten: Pankreatitis. Sehr sel-
ten: diuretikainduzierte Ödeme.

Dosierung
Z. B. Esidrix® Tbl. à 25 mg Hydrochlorothiazid. 1 × ½–3 × 1 Tbl./d (Hypertonus:
1 × 1 Tbl./d).

Diuretika sind schwächere Antihypertensiva als viele neuere Pharmaka, den-


noch liegen für diese alten Wirkstoffe sehr gute Daten zum protektiven Wert
vor: Komb. mit K+-sparendem Diuretikum vermindert bei älteren Pat. die
KHK-bedingte Mortalität um 40–50 %.

Bei Hypokaliämie ggf. Komb.-Präparat mit K+-sparendem Diuretikum (z. B. Tri-


amteren, Amilorid): z. B. 25 mg Hydrochlorothiazid plus 50 mg Triamteren (z. B.
Dytide®H Tbl.): 1 × ½–2 × 1 Tbl./d.

11.2.3 Spironolacton
Wirkmechanismus
Mineralkortikoidrezeptorantagonist. Spironolacton u. sein aktiver Metabolit
Canrenoat blockieren den Mineralokortikoidrezeptor → Hemmung der Aldoste-
ronwirkung. Am distalen Tubulus langsam einsetzender diuretischer Effekt mit
gleichzeitiger K+-Retention. Da Aldosteron auch die Myokardfibrose fördert u.
den Sympathikus stimuliert, hat Spironolacton vermutlich auch in nichtdiureti-
scher Dosis kardioprotektiven Effekt. Bessere Wirksamkeit bei Hyperaldostero-
nismus: Leber-, Herzinsuff.

Indikation
• Herzinsuff.: additiver Effekt zu Standardther. mit ACE-Hemmer, Diuretika,
Digitalis u. Betablocker. Diuretischer Effekt weniger bedeutsam, entscheidend
ist die neurohumorale Suppression, deshalb frühzeitiger Einsatz bereits bei
NYHA II u. EF < 35 %.
556 11 Pharmakotherapie 

• Ödeme, Aszites bei Leberinsuff. frühzeitiger Einsatz in niedriger Dosis bis


25 mg, Herzinsuff. NYHA III, IV u. bei relevant eingeschränkter systol. LV-
Funktion.
• Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Sy. ▶ 9.1.8).
Kontraindikationen
Hyperkaliämie, eingeschränkte Nierenfunktion (Krea > 175 μmol/l [> 2 mg/dl]),
GFR < 30 ml/Min., bei Eplerenon GFR < 50 ml/Min., Anurie. Schwangerschaft,
11 Stillzeit.
Moderner Aldosteronantagonist Eplerenon zeigt verminderte NW-Rate (v. a. we-
niger Gynäkomastien) bei gleicher Wirksamkeit.

Nebenwirkungen
• Gefahr lebensbedrohlicher Hyperkaliämie bes. bei Niereninsuff., Ther. mit
ACE-Hemmern od. NSAR. Laborkontrollen!
• Nierenfunktionsverschlechterung (reversibel), Gynäkomastie, Impotenz,
Hirsutismus, Menstruationsstörungen, selten zerebrale Störungen, ulzeroge-
ne Wirkung.

Pharmakokinetik
Orale Bioverfügbarkeit 70 %, rasche Metabolisierung in aktiven Wirkstoff Canre-
non (HWZ 10–30 h), Elimination hepatisch zu aktiven u. inaktiven Metaboliten,
Wirkeintritt nach 1–3 Tagen, Wirkdauer nach Absetzen 4–10 Tage.

Dosierung
• Herzinsuff.: z. B. Aldactone® 25/50/100, initial 25 mg/d, nach K+- u. Krea-
Kontrolle ggf. auf 50 mg/d steigern.
• Leberinsuff. (Aszitesther.): initial bei normaler Nierenfunktion 100–400 mg/d.
Zur Ther.-Einleitung bei massivem Aszites kurzzeitige i. v. Gabe oft besser
wirksam: z. B. Aldactone® 10 ml Lsg. à 200 mg, täglich 1–2 Amp. i. v. Die un-
verdünnte Injektion ist evtl. schmerzhaft, ggf. in 100 ml NaCl 0,9 % verdünnt
als Kurzinfusion.

• Eplerenon (Inspra®) als selektiver Mineralkortikoidrezeptorantagonist


hat v. a. weniger hormonelle NW als Spironolacton (Gynäkomastie!).
• Spironolacton u. Eplerenon können zu bedrohlichen Hyperkaliämien
führen. Risiko hoch bei Niereninsuff., gleichzeitiger Ther. mit ACE-
Hemmer/AT1-Antagonist, Diab. mell. u. hyperreninämen Hypoaldoste-
ronismus → sorgfältige K+- u. Krea-Überwachung bei Ther.-Beginn u.
im Verlauf.
• Ein spezifischer Vorteil von Eplerenon (außer NW) besteht nicht.
• Spironolacton als Antihypertensivum: in Komb.-Ther. teils sehr effektiv
bei „therapierefraktärer Hypertonie“.
• Trend: Ind.-Erweiterung bei Herzinsuff. als Partner einer Komb.-Ther.
→ ACE-Komedikation + Nierenfunktionsstörungen werden Hyperkali­
ämien im klinischen Alltag häufiger vorfinden lassen (> 50 % der herzin-
suffizienten Pat. werden mittelfristig niereninsuffizient!).
 11.2 Diuretika  557

11.2.4 Hochwirksame Diuretika (Schleifendiuretika)


Wirkmechanismus
Hemmung der Na+-, K+- u. Cl–-Kotransporter in der Henle-Schleife. Zunahme
der Ca2+- u. Mg2+-Ausscheidung. Hoher diuretischer Effekt, jedoch abge-
schwächt bei Niereninsuff. u. Dauertherapie. Rascher Wirkeintritt. Wirkdauer
bei Furosemid (Lasix®) kurz (HWZ 1 h), bei Torasemid (Unat®) deutlich länger
(HWZ 3–4 h).
11
Indikation
• Akutther. des Lungenödems (i. v.),
• Ödeme jeder Genese, bes. bei eingeschränkter Nierenfunktion,
• Herzinsuff. mit Ödemen,
• art. Hypertonus bei eingeschränkter Nierenfunktion (Komb.-Ther.),
• therapierefraktäre Ödeme in Komb. mit Hydrochlorothiazid (z. B. Esidrix®)
od. Spironolacton (z. B. Aldactone®).

Bei Komb. unterschiedlicher Diuretika Gefahr des prärenalen Nierenversa-


gens sowie der E‘lytentgleisung (Na+ ↓, Cl– ↓, K+ ↑ od. ↓, Alkalose): Labor-
kontrolle!

Nebenwirkungen
Hypotonie durch Volumenmangel, Exsikkose, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie,
Anstieg von Harnsäure u. LDL-Chol., verminderte Glukosetoleranz, metabolische
Alkalose. Photosensitivität, Pankreatitis, Hörstörungen, Thrombopenie, langfris-
tig Gefahr der Osteoporose durch Kalziurese.

Relative Kontraindikationen
Hypokaliämie (ausgleichen); Gicht (mit Allopurinol kombinieren); intravasale
Hypovolämie; respiratorische Globalinsuff. (Verminderung des Atemantriebs
durch metabolische Alkalose).

Pharmakokinetik
Furosemid: stark intra- u. interindividuell verminderte bzw. wechselnde Resorpti-
on bei schwerer Herzinsuff. (Torasemid wird zuverlässiger resorbiert). Vermin-
derte Wirksamkeit bei Na+-reicher Kost (Ziel: < 3 g/d). Verminderte Wirksamkeit
bei Gabe von NSAR.

Dosierung
• Z. B. Lasix® (Furosemid) Tbl. à 40 mg, Lasix 500 Tabs®: Bei normaler Nieren-
funktion ½–2 Tbl. à 40 mg/d, bei Krea-Erhöhung je nach Wirkung bis 1,5 g/d.
• Lasix 20/40 mg®: Amp. mit 20/40 mg Furosemid in 2/4 ml; bei dringend er-
wünschter Wirkung, z. B. Prälungenödem, 40–80 mg i. v., bei bekannter Nie-
reninsuff. auch mehr.
• Lasix 250 mg® Infusionslsg.: 250 mg in 25 ml, Perfusor mit 500 mg/50 ml,
1–8 ml/h (Tageshöchstdosis 1,5 g/d), bei Beginn (z. B. Lungenödem) Bolus i. v.
(z. B. 40–80 mg).
• Z. B. Unat RR/Cor/10/200® (Torasemid): Tbl. à 2,5/5/10/200 mg, je nach Wir-
kung u. Nierenfunktion 2,5–200 mg/d.
558 11 Pharmakotherapie 

• Bei Herzinsuff. nie Monother. mit Diuretikum, zumindest mit ACE-


Hemmern kombinieren.
• Torasemid scheint in Langzeitther. besser wirksam zu sein als Furosemid.
• Diuretika lindern Symptome der Herzinsuff., Einfluss auf Letalität nicht
belegt.
• Ursachen einer Diuretikaresistenz: intravasaler Volumenmangel, Re-
11 bound der Natriurese bei kurz wirksamen Diuretika, sehr niedriges
HZV, gestörte enterale Resorption bei Darmwandödem (bei Rechts-
herzinsuff.), intra- u. interindividuelle Variabilität der Resorption (v. a.
Furosemid), Complianceprobleme des Pat., Begleitmedikation (NSAR).
• Sequenzielle Tubulusblockade: Diuretika werden kombiniert, die an ver-
schiedenen Bereichen angreifen, z. B. Schleifendiuretikum (Henle-Schlei-
fe) mit Thiazid (distaler Tubulus) → starke natriuretische Wirkung. In
Komb. können Thiazide auch bei Krea > 2 mg% eingesetzt werden. Eine
Monother. mit Schleifendiuretikum induziert bei Langzeitgabe eine Hy-
pertrophie der tubulären Epithelzellen im distalen Tubulus → Na+-Re-
sorptionskapazität wird erhöht! → Wirkung des Schleifendiuretikums
nimmt ab → sequenzielle Tubulusblockade durchbricht den Teufelskreis.

11.3 Antianginosa
11.3.1 Nitrate
Wirkmechanismus
Nitrate liefern den körpereigenen Vasodilatator NO: Durch Relaxation der glatten
Muskulatur senken sie die Vor- u. geringer auch die Nachlast des LV → Blutpooling
im venösen System. Umverteilung des koronaren Blutflusses zugunsten von Berei-
chen mit Koronarstenosen mit verbesserter Durchblutung poststenotischer Gebie-
te, erniedrigter LVEDP u. PAP. In der Summe sinkt der myokardiale O2-Verbrauch.

Indikationen
• Stabile Angina: Beseitigung od. Vorbeugung eines A.-p.-Anfalls, verbesserte
anginafreie Belastbarkeit (p. o. Gabe).
• ACS: lindert Angina, verkleinerte Infarktgröße, fraglich geringere Inzidenz
von Rhythmusstörungen (i. v. Gabe für wenige Tage).
• Akutther. der Linksherzinsuff. (in Komb mit Diuretikum, ggf. Antihyperten-
sivum od. Dobutamin).
• Bedingte Ind.: Oligo-/asymptomatische KHK. Nitrate können Phasen stum-
mer Ischämie (z. B. im Schlaf) vermindern. Nutzen für Pat. nicht nachgewiesen.

Nitrate lindern A. p., verbessern die Belastbarkeit u. mindern die Luftnot bei
pulmonaler Stauung. Sie haben keinen Einfluss auf die Prognose bei KHK.

Nebenwirkungen
Kopfschmerz (evtl. geringer bei wiederholter Anwendung), RR-Abfall, Tachykar-
die, Flush.
 11.3 Antianginosa  559

Interaktionen
Dihydroergotaminspiegel erhöht (RR-Anstieg), RR-senkende Pharmaka (RR-
Abfall), PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil) → Potenzierung der
RR-Senkung (KI!), Abschwächung der Heparinwirkung.

Glyceroltrinitrat
Indikation
A.-p.-Anfall; Vorbeugung von Angina bei körperl. Belastung; ACS; Rechtsherz- 11
entlastung bei Lungenembolie; Linksherzdekompensation (Vorlastsenkung durch
Erniedrigung des PAP).
Pharmakokinetik
HWZ 2 Min. Wirkbeginn als Kps./Spray binnen ca. 2–3 Min. Bei kontinuierlicher
i. v. od. wiederholter p. o. Gabe Wirkabschwächung nach einigen Stunden (Tachy-
phylaxie). Diese kann kurzzeitig durch Dosiserhöhung überwunden werden,
dann ist eine mehrstündige Nitratpause erforderlich, um Nitrate wieder wirksam
einsetzen zu können.
Präparate
• Spray: z. B. Nitrolingual Pumpspray® (1 Hub = 0,4 mg).
• Kps.: z. B. Nitrolingual® Zerbeißkps. à 0,8 mg.
• Nitratpflaster: z. B. Nitroderm® TTS 5 bzw. 10 (25 bzw. 50 mg Glyzeroltrinitrat/
Pflaster). Anwendung vermeiden wegen Tachphylaxie, eher ISMN geben (s. u.).
• I. v.: z. B. perlinganit.® Infusionslösung. à 50 mg/50 ml.
Angina-pectoris-Anfall
1–2 Sprayhübe (à 0,4 mg) s. l., od. 1 Nitro-Kps. zerbeißen (à 0,8 mg): Wirkein-
tritt nach ca. 4 Min., Wirkdauer 15–20 Min.

Dosierung
• MI, instabile A. p., Lungenembolie: i. v. Ther., z. B. 50 mg/50 ml, Perfusor
0,5–5 ml/h, je nach RR (systol. nicht < 110 mmHg senken). Dauer: 2–3 Tage,
danach Folgether. p. o. nur bei fortbestehender Angina.
• A.-p.-Anfall, Anfallsprophylaxe: 1–2 Hub Nitro-Spray bei A. p. od. vor grö-
ßeren Anstrengungen. Nitro-Pflaster vermeiden (teuer, Tachyphylaxie, Angi-
na-Reboundgefahr wenn Pflaster entfernt wird).

Alternative bei Linksherzdekompensation: Natriumnitroprussid (▶ 11.4.4)


senkt PAP kaum, steigert aber HZV deutlich durch Nachlastsenkung. Oder:
PDE-Hemmer (▶ 11.1.3).

Isosorbiddinitrat (ISDN), Isosorbidmononitrat (ISMN)


Pharmakokinetik
ISDN unterliegt einem nicht kalkulierbaren hepatischen First Pass u. wird zum
eigentlichen Wirkstoff Isosorbidmononitrat (ISMN) metabolisiert. Bei ISDN-Ga-
be sehr unterschiedliche Mononitratspiegel. Wirkdauer: ISDN ca. 3–6 h, als Re-
tardzubereitung 6–10 h. ISMN ca. 7 h.
Spezielle Indikation
Anfallsprophylaxe bei häufiger A. p.
560 11 Pharmakotherapie 

Dosierung
Zur Vermeidung einer Toleranzentwicklung täglich ca. 10-stündiges nitratfreies
Intervall einhalten.
• ISMN: z. B. Ismo® 20 Tbl. à 20 mg od. Ismo® retard à 40 mg. Morgens u. mit-
tags 20 mg od. nur morgens 40 mg; deckt aktive Tageszeit ab, ggf. in der
nächtlichen Nitratpause zusätzlich Molsidomin.
• ISDN: z. B. Isoket® (Tbl. à 5–40 mg), Isoket retard® (Tbl./Kps. à 20–120 mg).
Je nach Beschwerden 2–4 × 1 Tbl. à 5 od. 10 mg bzw. 1–2 × 1 Retardtbl. à 40
11 od. 60 mg od. 1 × 1 Tbl./Kps. à 80 od. 120 mg.

Wegen übersichtlicherer Pharmakokinetik besser ISMN verwenden.

11.3.2 Molsidomin
Vasodilatator mit gleicher Wirkung wie Nitrate (NO-Freisetzung ▶ 11.3.1), führt
aber nicht zu Toleranz. Pharmakokinetik: HWZ 1,5–4,5 h. Weniger verwendet
als Nitrate. Grund: vermutlich die fehlende Zulassung in den USA. Eine Toleranz
ähnlich der Nitrattoleranz ist wahrscheinlich.

Indikation
Dauerther. bei A. p., instabile Angina u. MI. Komb.-Partner von Nitrat zur Be-
herrschung komplex symptomatischer Koronarerkr.

Kontraindikationen
Profunde Hypotonie, Schock, Schwangerschaft (Teratogenität nicht ausgeschlos-
sen), gleichzeitige Ther. mit PDE-5-Hemmer (z. B. Sildenafil u. a.).

Nebenwirkungen
Leichter RR-Abfall, Kopfschmerz. Im Tierexperiment in hohen Dosen karzino-
gen.

Dosierung
• Corvaton retard® (Tbl. à 8 mg): 1–3 Tbl./d bzw. 1 Tbl. im nitratfreien Inter-
vall.
• Corvaton/forte® (Tbl. à 2/4 mg): 2–3 × ½–1 Tbl./d.
• Corvaton® (Amp. à 2 mg): initial 2–4 mg i. v., dann ggf. alle 2–4 h wiederho-
len. Alternativ: Perfusor 50 mg/50 ml (= 25 Amp.!), 4 ml/h.

11.3.3 Betablocker
Senken RR u. HF, reduzieren Letalität nach MI u. wirken symptomatisch antian-
ginös. Sie senken die Letalität bei Herzinsuff. in allen Stadien u. wirken bei tachy-
karden Rhythmusstörungen (rhythmogene Wirkung ▶ 11.6.8).

Übersicht
Die betablockierenden Substanzen unterscheiden sich hinsichtlich Kardioselekti-
vität, β-stimulierender Eigenwirkung (ISA), Hydro-oder Lipophilie u. membran-
stabilisierender Wirkung (▶ Tab. 11.10).
 11.3 Antianginosa  561

Tab. 11.10 Wirkungsprofile der Betablocker


Substanz Kardio­ ISA Membran­ Lipophilie HWZ (h)
selektivität stabilisierende (L), Hydro­
Wirkung philie (H)
Propranolol – – + L 4
Metoprolol + – – L 3–6
Pindolol – + – L 3–4
11
Sotalol – – – H 13
Atenolol + – – H 6–8
Nebivolol + – – L 10–30

• ISA: partieller Betarezeptorenagonismus bei Bradykardie u. pAVK er-


wünscht, bei ACS unerwünscht.
• Kardioselektivität: geringere bronchiale u. andere systemische NW.
• Lipophilie: mehr zentralnervöse NW.
• Membranstabilisierende Wirkung: bei Rhythmusstörungen erwünscht.
• Sonderfall Sotalol: Betablocker mit Klasse-III-Eigenschaften (Verlängerung
des Aktionspotenzials).
• Sonderfall Nebivolol (Nebilet®): β1-selektiver Blocker mit zusätzlicher NO-
Freisetzung (Gefäßerweiterung).
• Sonderfall Carvedilol: Betablocker mit zusätzlicher α1-Blockade: Ind. bei es-
senzieller Hypertonie u. chron. Herzinsuff.

Wirkmechanismus
• Hemmung der durch Betarezeptoren vermittelten Katecholaminwirkung:
Senkung von Sinusfrequenz u. AV-Überleitung sowie membranstabilisieren-
de Wirkung mit Unterdrückung ektoper Zentren (▶ Tab. 11.11).
• Pharmakokinetik (▶ Tab. 11.11): gute Resorption bei p. o. Applikation (70–
90 %). Bioverfügbarkeit u. Elimination von Lipophilie abhängig: je lipophiler,
desto geringere Bioverfügbarkeit („First-Pass-Effekt“) u. geringere renale Eli-
mination.
• Bis 10 % der Bevölkerung sind Langsammetabolisierer für Betablocker, die
über CYP450 metabolisiert werden (gilt v. a. für Metoprolol, teils für Carvedi-
lol u. Nebivolol). Folge: Bis zu 5-fach höhere Plasmakonz.! Stärkere Wirkung,
vermehrt NW.
• Hemmung der intrinsischen u. extrinsischen sympathischen Aktivität
durch kompetitive Blockierung von Betarezeptoren → dosisabhängig neg.
inotrope Wirkung, HF in Ruhe u. bei Belastung ↓, Schutz des insuffizienten
Herzens vor erhöhten endogenen Katecholaminspiegeln. Hemmung der
AV-Überleitung, kardialer O2-Verbrauch ↓. RR-Senkung durch unter-
schiedliche Mechanismen (neg. inotrop, verminderte endogene Katechol­
aminproduktion, erniedrigte Reninspiegel). Außerdem verminderte β2-
vermittelte Bronchodilatation u. Glykogenolyse → gefährliche Bronchokon-
striktion bei Asthmatikern u. evtl. Hypoglykämie. Kardioselektive Betablo-
cker blockieren überwiegend β1-Rezeptoren, die sympathisch vermittelte
Bronchodilatation bleibt teilweise erhalten. Manche Betablocker üben zu-
sätzlich einen betarezeptorstimulierenden Effekt aus (ISA) → geringere Ru-
hebradykardie.
562 11 Pharmakotherapie 

Tab. 11.11 Pharmakologische Daten der Betablocker (aus: Braun J./Preuss R.


Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier 2012)
Medika­ Wirkung Pharmakokinetik
ment
Proprano­ Kompetitive Hemmung der β1- Orale Bioverfügbarkeit 10–50 % (vari­
lol u. β2-Rezeptoren, keine ISA; abel bei hepatischem First-Pass-Meta­
Membranstabilisierung bolismus), HWZ 4 h, Verteilungsvolu­
11 Antiarrhythmischer Wirkungs­
ort: Sinusknoten +, Vorhof +,
men ca. 4 l/kg KG, Plasmaproteinbin­
dung 85 %. Elimination: hepatisch,
AV-Knoten ++, HIS 0, Ventri­ teilweise zum aktiven Metaboliten
kel 0 4-OH-Propranolol (kürzere HWZ als
Propranolol), Wirkungseintritt weni­
ge Min. nach i. v. Applikation
Metoprolol Selektive Blockierung der β1- Orale Bioverfügbarkeit ca. 40 % (he­
Rezeptoren, keine unspezifische patischer First-Pass-Effekt), HWZ 3–6 h
Membranwirkung, keine ISA (interindividuell variabel bei geneti­
Antiarrhythmischer Wirkungs­ schem Polymorphismus), Verteilungs­
ort: Sinusknoten +, Vorhof +, AV- volumen 4 l/kg KG, Plasmaproteinbin­
Knoten ++, HIS 0, Ventrikel 0 dung 12 %, Elimination: überwiegend
hepatisch teilweise zu schwächer
wirksamen aktiven Metaboliten
Nevibolol Hohe β1-Selektivität, Freiset­ Orale Bioverfügbarkeit bis 90 %, Li­
zung von endogenem Stickoxid pophilie, deutlicher First-Pass-Effekt,
(NO) mit konsekutiver Vasodila­ Plasma-HWZ 22 h, aktive Metaboli­
tation, keine ISA ten vorhanden, Eliminations-HWZ
Antiarrhythmischer Wirkungs­ 10–25 h, Elimination: hepatisch,
ort: Sinusknoten +, Vorhof 0, < 1 % renal, Bioverfügbarkeit ist stark
AV-Knoten +, HIS 0, Ventrikel 0 abhängig von genetischer Metaboli­
sierungskapazität (individuell variie­
rend von 12–96 %!). Metabolisierung
über CYP450 (hohe Plasmakonz. bei
Langsam-Metabolisierern in 10 %)
Atenolol Selektive Blockierung der β1- Orale Bioverfügbarkeit ca. 50 % (hy­
Rezeptoren, keine unspezifische drophiler Wirkstoff → unvollständige
Membranwirkung, keine ISA Resorption), HWZ 6–8 h, Vertei­
Antiarrhythmischer Wirkungsort: lungsvolumen 1 l/kg KG, Plasmapro­
Sinusknoten +, Vorhof +, AV- teinbindung 5 %. Elimination: 90 %
Knoten ++, HIS 0, Ventrikel 0 unverändert renal, Rest hepatisch
Sotalol Antiarrhythmikum der Klasse III Orale Bioverfügbarkeit annähernd
(Verlängerung der Aktionspoten­ 100 %, HWZ 13 h, Verteilungsvolu­
zialdauer) mit gleichzeitiger β1- men 1,5 l/kg KG, Plasmaproteinbin­
u. β2-Blockierung wie bei Klasse II dung 10 %. Elimination: fast vollstän­
Antiarrhythmischer Wirkungsort: dig unverändert renal. Therap. Plas­
Sinusknoten +, Vorhof +, AV- makonz. 0,8–2,7 mg/l (3–10 μmol/l)
Knoten ++, HIS 0, Ventrikel +
Esmolol Selektive Blockierung der β1- Nur parenterale Gabe, HWZ 8 Min.,
Rezeptoren, keine ISA, keine Verteilungsvolumen 2 l/kg KG, Plas­
membranstabilisierende Wirkung maproteinbindung 55 %. Eliminati­
Antiarrhythmischer Wirkungsort: on: renale Ausscheidung inaktiver
Sinusknoten +, Vorhof +, AV- Metaboliten nach Hydroxylierung in
Knoten ++, HIS 0, Ventrikel 0 den Erythrozyten
Carvedilol Kompetitiver Rezeptorantago­ Schnelle Resorption, HWZ 6–10 h,
nist, β- u. α1-Blockade, keine ISA hepatische Elimination
Betablockierende Wirkung vorhanden (+), stark ausgeprägt (++), fehlend (0)
 11.3 Antianginosa  563

Indikationen
• ACS (sofort, Erstgabe i. v., Betablocker ohne ISA),
• A. p., stabil u. instabil,
• Herzinsuff. (alle Stadien),
• art. Hypertonus,
• weitere ▶ Tab. 11.12, Rhythmusstörungen ▶ 11.6.8.
Tab. 11.12 Differenzialindikation der Betablocker (aus: Braun J/Preuss R.
­Klinikleitfaden Intensivmedizin. 8. A. München: Elsevier 2012) 11
Erkrankungen Betablocker
Chron. obstruktive Lungenerkr. Betablocker kontraindiziert; wenn trotzdem
­nötig: kardioselektiv, Nebivolol
Chron. Herzinsuff. Kardioselektiv, Carvedilol (α1- u. Betablocker)
Diab. mell. Kardioselektiv
Essenzielle Hypertonie Je nach Begleiterkr. (α1- u. Betablocker)
ACS Keine ISA
Hyperthyreose Kardioselektiv, keine ISA od. Propranolol
PAVK Kardioselektiv + ISA, Nebivolol
Phäochromozytom (nach Vor­ Keine ISA
behandlung mit Alphablockern)
Sinusbradykardie, AV-Block I.° ISA
Zentralnervöse NW Hydrophilie

Betablocker senken die Akutletalität bei MI u. in der Folgezeit (Sekundärprä-


vention), alle Pat. ohne KI sollten sie erhalten. Pat. mit Herzinsuff. zeigen
deutlichere Letalitätsreduktion als Pat. ohne Herzinsuff. (ca. 47 % vs. 13 %).
Die TIMI-II-Studie zeigte allerdings keinen Vorteil für Pat. nach erfolgrei-
cher Fibrinolyse.

Kontraindikationen
• Absolut: Bradykardie (< 50/Min.), RR < 100 mmHg systol., Schock (periphere
Hypoperfusion), Ersatzrhythmus, Sinusknotensy., SA-, AV-Block > I°, obst-
ruktive Bronchialerkr., metabolische Azidose, unbehandeltes Phäochromozy-
tom (Gefahr der hypertensiven Krise).
• Rel.: AV-Block I° (PQ > 0,23 s), Hypothyreose, Raynaud-Sy., Gravidität, De-
pression, Psoriasis.

Nebenwirkungen
Herzinsuff. (v. a. bei hoher Anfangsdosierung), AV-Blockierung, Bradykardie,
Hypotension, Bronchospasmen (v. a. nichtkardioselektive Betablocker), ver-
minderte Glukosetoleranz, Verschleierung der Symptome einer Hypoglyk­
ämie, Verschlechterung einer art. Verschlusskrankheit, gastrointestinale Be-
schwerden, Müdigkeit, Depression (nicht Atenolol), Potenzstörungen, Mus-
kelschwäche, psoriasiforme Exantheme, Auslösung od. Verschlechterung einer
Psoriasis.
564 11 Pharmakotherapie 

Interaktionen
Antidiabetika (Hypoglykämie), Cimetidin (Cimetidinspiegel ↑), Kalziumantago-
nisten vom Verapamil- od. Diltiazem-Typ (Kardiodepression ↑), Antiarrhythmi-
ka (Bradykardie, AV-Block, Kardiodepression), Antihypertensiva (RR-Abfall),
Wirkverlust von β2-Mimetika.

Dosierung
▶ Tab. 11.13.
11
Tab. 11.13 Betablocker – Dosierung1 u. Pharmakokinetik (Auswahl)
Wirkstoff Dosierung HWZ β1- ISA
selektiv
Acebutolol Tbl. à 200/400 mg; 7–9 h + +
(z. B. Prent®) 1 × 400–800 mg/d
Atenolol Tbl. à 25/50/100 mg; 6–9 h + –
(z. B. Tenormin®) 1 × 25–100 mg/d
Bisoprolol Tbl. à 6–10 h + –
(z. B. Concor®) 1,25/2,5/3,75/5/7,5/10 mg
1 × 1,25–10 mg/d
Carvedilol2 Tbl. à 6,25/12,5/25 mg; 7h – –
(Dilatrend®) 1 × 12,5–50 mg/d
Celiprolol Tbl. à 200 mg; 4–5 h + +
(z. B. Selectol®) 1 × 100–400 mg/d
Esmolol I. v. Gabe, Dos. ▶ 11.6.8 9 Min. + –
(z. B. Brevibloc®)
Metoprolol Tbl. à 50/100 mg; 3–4 h + –
(z. B. Beloc®, mite; 2 × 25–100 mg/d
Beloc Zok® [=Re­ Beloc-Zok®-Tbl. à 47,5, 90,
tard], mite, forte) 190 mg; 1 Tbl./d
Nadolol Tbl. à 60/120 mg; 12–24 h – –
(z. B. Solgol®, mite) 1 × 60–120 mg/d
Nebivolol Tbl. à 5 mg 1 × ½–1 Tbl./d 10–30 h + –
(z. B. Nebilet®)
Propranolol Tbl. à 10, 20, 40 mg; 3 × 1 Tbl. 2–3 h – –
(z. B. Dociton®, ret.) bzw. 1 × 160 mg ret.
Sotalol3 Tbl. à 80/160 mg; 8–13 h – –
(z. B. Sotalex®, mite) 2 × 40–3 × 80 mg/d
1
 Zur Hypertonusther., bei KHK (wesentl. geringere Mengen bei Herzinsuff.)
2
 α1- u. Betablocker (in etwa ausgewogen). Dos. bei Herzinsuff. (▶ 11.3.3).
3
 Auch Klasse-III-antiarrhythmische Aktivität

Wahl des Betablockers


Alle Präparate (außer Sotalol u. Esmolol) sind zur Hochdruckther. zugelassen u. ge-
eignet. Bei KHK: β1-selektive Wirkstoffe wählen. Herzinsuff.: Derzeit sind Bisopro-
lol, Carvedilol u. Metoprolol zugelassen. Einige Wirkstoffe sind bes. β1-selektiv (Ce-
liprolol, Nebivolol) → geringe bronchiale NW. Nebivolol: schwacher Vasodilatator.
Dosierungsbeispiele
• Beloc Zoc®/mite/forte Tbl. (95/47,5/190 mg): 1 × 1 Tbl./d (bei KHK genügt
meist 1 × 1 mite).
 11.3 Antianginosa  565

• Bei Herzinsuff.: in sehr geringer Dosis beginnen, langsam steigern, z. B. Car-


vedilol 2 × 3,125 mg/d, nach 1 Wo. verdoppeln, bei fehlenden Zeichen der
Linksherzdekompensation ggf. erneut verdoppeln (▶ 8).
• I. v. Ther. bei Rhythmusstörungen (▶ 11.6.8).
Tipps & Tricks
• Komb. mit Kalziumantagonisten steigert die antianginöse Wirkung
(Vorsicht bei Komb. von Betablockern mit neg. dromotropen Kalzium- 11
antagonisten, z. B. Verapamil, Diltiazem).
• Atenolol ist hydrophiler als andere Betablocker u. besitzt daher als einzi-
ger Wirkstoff keine nennenswerte Wirkung auf das ZNS (keine Sedie-
rung).

11.3.4 Ivabradin
Z. B. Procoralan®, Tbl. à 5 mg u. 7,5 mg.

Wirkmechanismus
If-Kanalhemmer. If ist ein unspezifischer Ionenkanal in den SM-Zellen des Sinus-
knotens u. reguliert die Sinusknotenfrequenz. Kein Einfluss auf Reizleitung u.
Ino­tropie. Ivabradin senkt die HF in Ruhe u. bei Belastung. Keine Veränderung
des QT-Intervalls, keine Zunahme der AV-Überleitungszeit, keine proarrhythmi-
schen tachy- od. bradykarden Effekte.
Pharmakokinetik: orale Bioverfügbarkeit 40 %, max. Plasmaspiegel nach 1 h
(bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme verzögert), Plasmaeiweißbindung 70 %,
Eliminations-HWZ 11 h. Aktive Metaboliten nach Verstoffwechselung über
CYP450A4.

Indikationen
Ther. der chron., stabilen A. p. bei Pat. mit Sinusrhythmus u. KI od. Unverträglich-
keit von Betablockern bzw. als adjuvante antiischämische Ther. bei HF > 70/Min.
Reservepräparat bei stabiler KHK. Weitere Ind. werden derzeit klinisch geprüft.

Dosierung
Anfangsdosis 2 × 5 mg p. o., bei Bedarf bis 2 × 7,5 mg p. o.

Nebenwirkungen
Ausgeprägte Bradykardien, lichtbedinge, visuelle Symptome (Phosphene, Aufhel-
lungen im Gesichtsfeld bei 15 %). Symptome verschwinden im Lauf der Therapie.
Keine Langzeiterfahrungen, deshalb kein Einsatz bei Retinitis pigmentosa.

Interaktionen
Gleichzeitige Einnahme starker CYP450A4-Inhibitoren verstärkt die Wirkung
(Antimykotika, Makrolidantibiotika, HIV-Proteasehemmer). Grapefruitsaft ver-
doppelt Plasmaspiegel! Wirksamkeit durch CYP450A4-Induktoren vermindert
(Barbiturate, Phenytoin, Rifampicin, Johanniskraut).

Kontraindikationen
• SSS.
• Vorsicht bei höhergradigen AV-Leitungsstörungen.
566 11 Pharmakotherapie 

• Ruhebradykardie < 60/min.


• ACS inkl. instabiler Angina, Hypotonie, Herzinsuff. NYHA III, IV, QT-Ver-
längerung.

11.3.5 Ranolazin
Wirkungsmechanismus
11 Ranolazin hemmt den späten Na+-Einstrom u. reduziert die bei Myokardischämie
bestehende intrazelluläre Na+-Akkumulation mit nachfolgender Ca2+-Überla-
dung → Ca2+-Überladung sinkt → Relaxation wird verbessert → Wandspannung u.
Energieverbrauch nehmen ab.

Indikationen
Reservepräparat bei therapierefraktärer stabiler A. p.

Kontraindikationen
GFR < 30 ml/Min., deutliche Leberfunktionsstörung, zahlreiche Medikamenten-
interaktionen, da über CYP verstoffwechselt.

Dosierung
Ranolazin (Ranexa®) initial 2 × 375 mg p. o., nach 2–4 Wo. 2 × 500 mg p. o., Maxi-
maldosis 2 × 750 mg.
! Klinischer Stellenwert des neuen antianginösen Ther.-Prinzips ist noch nicht
exakt definiert, keine Langzeitdaten verfügbar!

11.4 Vasodilatanzien
11.4.1 ACE-Hemmer
Wirkmechanismus
• Abnahme des vasokonstriktorischen AT II.
• Abnahme der Aldosteronsekretion: geringere Na+- u. Wasserresorption der
Nieren.
• Bradykininwirkung verstärkt: Vasodilatation ↑.
• Remodeling nach MI ↓.
• Hemmung/Rückbildung der Myokard-/Gefäßhypertrophie.
• Nephroprotektion: Proteinurie ↓, Progression der Nierenerkr. ↓.
Indikationen
• Art. Hypertonus (u. a. Mittel 1. Wahl).
• Linksherzinsuff.: vorrangig vor Herzglykosiden.
• Z. n. MI.
• Art. Hypertonus bei progressiver systemischer Sklerose.
• Nephroprotektion bei Diab. mell.
Kontraindikationen
Bilaterale NAST; C1-Esteraseinhibitormangel, Angioödem (nach ACE-Hemmer
od. idiopathisch), Schwangerschaft, Stillzeit. Vorsicht bei kompensierter Nieren-
insuff. u. bei Komb. mit K+-sparenden Diuretika u./od. Spironolacton (einschlei-
 11.4 Vasodilatanzien  567

chen, Krea- u. K+-Kontrollen); äußerste Vorsicht bei AS, MS u. HOCM, Flüssig-


keits- u. Salzmangel, Autoimmunerkr., Immunsuppressiva.

Nebenwirkungen
Husten (bis zu 10 %), bei Komb. mit K+-sparenden Diuretika schwere Hyperkali-
ämie, Krea ↑ bis zum akuten Nierenversagen bes. bei vorgeschädigter Niere, star-
ker RR-Abfall bei Erstgabe (bes. bei schwerer Herzinsuff., AS od. Volumenman-
gel), Hautausschläge (bis 5 %), angioneurotisches Ödem bei C1-Esteraseinhibitor-
mangel (Absetzen! Cave: Ersticken durch Zungenödem), gastrointestinale Be- 11
schwerden, Geruchs- u. Geschmacksverlust (meist reversibel).

Dosierung
Wirkstoffe unterscheiden sich nur in der Pharmakokinetik (▶ Tab. 11.14).

Tab. 11.14 ACE-Hemmer – Dosierung u. Pharmakokinetik


Wirkstoff Dosis HWZ Elimination
Benazepril Tbl. à 5, 10, 20 mg; anfangs 10–11 h Renal >
(Cibacen®) 1 × 2,5 mg/d, max. 40 mg/d ­hepatisch
Cilazapril Tbl. à 0,5; 1; 2,5; 5 mg; anfangs 9h Renal
(Dynorm®) 1 × 0,25 mg/d, max. 1 × 5 mg/d
Enalapril Tbl. à 2,5 (Xanef® cor, Pres®), 5, p. o.: ca. 11 h Renal
(Pres®, Xanef®, 10, 20 mg; anfangs 1 × 2,5–5 mg, i . v.: 1 h
Xanef Cor®) max. 20 mg/d
Fosinopril Tbl. à 5, 10, 20 mg; anfangs 10,5 h Renal u.
(Dynacil®, 1 × 10 mg/d, max. 1 × 40 mg/d ­hepatisch
­Fosinorm®)
Lisinopril Tbl. à 2,5, 5, 10, 20 mg; anfangs Ca. 11 h Renal
(Acerbon®, 1 × 2,5–10 mg, max. 20 mg/d
­CORIC®)
Perindopril Tbl. à 2, 4 mg; anfangs Ca. 25 h Renal
(Coversum® 1 × 2–4 mg/d, max. 8 mg/d
Cor)
Quinapril Tbl. à 5, 10, 20 mg; anfangs Ca. 3 h Renal
(Accupro®) 2 × 2,5–10 mg/d, max. 40 mg/d
Ramipril Tbl. à 1,25, 2,5, 5 mg; anfangs Ca. 15 h Renal
(Delix®) 1 × 1,25–2,5 mg/d, max. 10 mg/d
Dosis: Bei Herzinsuff. niedrig beginnen u. nach RR möglichst hoch steigern; bei
­Hypertonus mit mittlerer Dosis beginnen, Dosis nur langsam steigern. Alle ACE-
Hemmer: längere Wirkdauer als nach HWZ zu erwarten durch Bindung an ACE.
Nicht für alle Präparate liegt eine Zulassung zur Ther. der Herzinsuff. vor.

Interaktionen
RR-senkende Pharmaka (RR-Senkung ↑), NSAR (RR-Senkung ↓, Hyperkali­
ämie), Lithium (verstärkter Lithiumeffekt), K+-sparende Diuretika (Hyperkali­
ämie), orale Antidiabetika, Insulin (BZ ↓, BZ-Schwankungen), Allopurinol, Glu-
kokortikoide, Immunsuppressiva, Zytostatika (BB-Veränderungen).
568 11 Pharmakotherapie 

Dosierungsbeispiele
• Orale Ther.: Ramipril (z. B. Delix®) bei Herzinsuff. initial niedrig dosieren
(2 × 1,25 mg/d, je nach RR Dosis steigern bis 2 × 5 mg/d). Bei art. Hypertonie
initial 2 × 2,5 mg/d bis 2 × 5 mg/d (oder 1 × 10 mg/d) steigern.
• I. v. Ther.: Enalaprilat, z. B. Xanef i. v. 1,25® (Amp. 1,25 mg/1,25 ml); Tages-
höchstdosis 16 mg. Initialther.: ½–1 Amp. i. v. (0,625–1,25 mg). Erhaltungs-
ther., z. B. Perfusor mit 4 Amp. (5 mg/50 ml, 1 ml = 0,1 mg), 1–4 ml/h (2,5–
10 mg/d).
11
• Die Serum-HWZ von Enalaprilat liegt bei 1 h, die Wirkdauer beträgt 6
bis max. ca. 20 h (durch Bindung an ACE?)! Daher zur Ther. der Herz-
insuff. bei kreislaufinstabilen Pat. ungeeignet.
• Von vielen Wirkstoffen liegen Komb.-Tbl. aus ACE-Hemmer + Diureti-
kum vor (z. B. Delix plus®), eine sinnvolle Möglichkeit der einfachen
Hochdruckther.
• Komb. ACE-Hemmer u. AT1-Antagonist ohne Vorteile.

11.4.2 AT1-Rezeptorantagonisten
Wirkmechanismus
AT II stimuliert mehrere AT-Rezeptoren: RR-steigernde Wirkung über AT1-Re-
zeptor, Proliferationshemmung über AT2-Rezeptor. Kardiale Wirkung der AT1-
Rezeptorantagonisten (AT-II-Rezeptorantagonisten, „Sartane“) entspricht den
ACE-Hemmern (▶ 11.4.1), die bradykininbedingten Effekte entfallen (u. a. Hus-
ten). Bei Diab. mell. Typ 2 scheinen AT1-Antagonisten ACE-Hemmern in der
Nephroprotektion überlegen, bei kardiologischen Ind. besteht vermutlich kein
Unterschied.

Pharmakokinetik
Wirkdauer aller AT1-Rezeptorantagonisten: ca. 24 h (Losartan inklusive Metabo-
liten). HWZ: ca. 5–20 h. Rel. langsamer Wirkeintritt (1–3 h). Keine Dosisanpas-
sung bei Niereninsuff. erforderlich (hepatische u. renale Elimination), teilweise
Dosisreduktion bei Leberinsuffizienz. Tagesdosis kann zu einem Zeitpunkt einge-
nommen werden.

Indikationen
• Art. Hypertonus (u. a. Mittel 1. Wahl),
• Diab. mell. Typ 2,
• Herzinsuff. (wie ACE-Hemmer).
Kontraindikationen
Bilaterale NAST, schwere Leberinsuff., Schwangerschaft, Stillzeit. Bei kompen-
sierter Niereninsuff. einschleichend dosieren, Krea-Kontrollen. Äußerste Vor-
sicht bei AS (▶ 4.7) bzw. HOCM (▶ 5.1.1), Flüssigkeits- u. Salzmangel, schwerer
Niereninsuff., Komb. mit K+-sparenden Diuretika!

Nebenwirkungen
AT1-Rezeptorantagonisten sind NW-arm. Bei vorbestehender deutlicher Nieren-
insuff., v. a. bei Exsikkose, evtl. Krea ↑ bis zum Nierenversagen. Vorsicht bei
 11.4 Vasodilatanzien  569

Komb. mit K+-sparenden Diuretika, Spironolacton od. NSAR. Äußerste Vorsicht


bei schwerer AS! Husten u. Angioödem kommen vereinzelt vor!

Interaktionen
Wirkungsverstärkung durch Diuretika u. Cimetidin (gering), geringe Wirkungs-
abschwächung durch Phenobarbital (▶ 11.4.1).

Dosierung
▶ Tab. 11.15. 11
Tab. 11.15 Dosierung der AT1-Rezeptorantagonisten (Auswahl)
Wirkstoff Bioverfüg­ Tagesdosis HWZ (h) Elimination
barkeit (%)
Candesartan 14 % 1 × 4–32 mg 3–11 hep 40 + ren
(Blopress®, Atacand® Tbl. à 60
4, 8, 16, 32 mg)
Eprosartan 13 % 1 × 600– 5–7 hep 90 + ren
(Teveten® Tbl. à 300, 800 mg 10
400 mg)
Irbesartan 80 % 1 × 150– 11–15 hep 80 + ren
(Aprovel®, Karvea® Tbl. à 300 mg 20
75, 150, 300 mg)
Losartan Ca. 33 % 1 × 50–100 mg 2–9 hep 70 + ren
(Lorzaar® Tbl. à 12,5; 30
50 mg)
Telmisartan 50 % 20–80 mg/d 24 hep 98
(Micardis® Tbl. à 40, 80 mg)
Valsartan 25 % 2 × 80–160 mg 9 hep 70 + ren
(Diovan® 80/160, Tbl. à 30
80/160 mg)
hep = hepatisch, ren = renal

• Langsamer Wirkungseintritt über 4 Wo., aber keine akuten KO.


• Kontrolle von K+ u. Krea vor Ther.-Beginn sowie nach 1 u. 2 Wo.
• Mittlere RR-Senkung systol. 7,2–17,2 mmHg, diastol. 5,2–14,6 mmHg
(Wirksamkeit wie bei ACE-Hemmer, Diuretikum od. Betablocker).
• Bei unzureichender RR-Senkung zunächst keine Dosiserhöhung, son-
dern Komb. mit Diuretikum (z. B. 25 mg Hydrochlorothiazid, z. B.
Esidrix®).
• Responderrate 50–60 %, durch Komb. mit Diuretikum Erhöhung auf
75 %.
• Aliskiren (Rasilez®): direkter Renininhibitor. Zusatznutzen gegenüber
ACE-Hemmer od. AT1-Antagonist nicht belegt. Alternative bei Unver-
träglichkeit. Keine Komb. mit ACE-Hemmer.
• AT1-Antagonisten u. ACE-Hemmer werden als gleichwertig betrachtet,
langfristig werden die AT1-Antagonisten die ACE-Hemmer aufgrund
der besseren Verträglichkeit ablösen.
570 11 Pharmakotherapie 

11.4.3 Direkter Renininhibitor
Wirkmechanismus
Hemmung der AT-I- u. AT-II-Synthese → Vasodilatation, Hemmung der Aldoste-
ronsekretion (geringere Na+- u. Wasserretention).

Pharmakokinetik
Aliskiren (Rasilez®): Bioverfügbarkeit 2–3 %, keine aktiven Metaboliten, HWZ
11 40 h, Elimination 80 % unverändert in Faeces.

Indikation
Art. Hypertonie, keine Zulassung bei der Ind. „Herzinsuffizienz“.

Kontraindikation
Keine Komb. mit starken P-Glykoproteininhibitoren (Ciclosporin, Chinidin,
Verapamil). Schwangerschaft u. Stillzeit.

Nebenwirkungen
Diarrhö, Hyperkaliämie bei Komb. mit K+-sparenden Diuretika, ACE-Hemmer
od. AT1-Blocker.

Dosierung
Aliskiren (Rasilez®): Initialdosis 150 mg/d, Maximaldosis 300 mg/d.
! Angenommen werden protektive Mechanismen wie bei ACE-Hemmern u.
AT1-Antgonisten (pos. Effekte auf Niere, Herz, Gefäße), jedoch keine Lang-
zeitdaten verfügbar! Reservemedikament bei Unverträglichkeit von ACE-
Hemmer od. AT1-Antagonist.

11.4.4 Natriumnitroprussid
Wirkmechanismus
Hochpotenter, direkt wirkender art. u. venöser Vasodilatator zur i. v. Gabe → RR
↓, HZV ↑ (Nachlastsenkung). Abnahme des myokardialen O2-Verbrauchs u. ge-
ring des PAP. HF bleibt unverändert. Lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Wird
über Zyanid zu Thiozyanat umgewandelt.

Pharmakokinetik
Wirkeintritt beginnt in Sekunden, Wirkdauer wenige Minuten.

Indikationen
• Linksherzdekompensation bei RR > 110 mmHg systol. (off label, in Abwä-
gung gegen Nitrate ▶ 12.3.1).
• Intraop. zur kontrollierten RR-Senkung.
• Aortendissektion: mit Betablockern kombinieren (▶ 11.3.3).
• Therapierefraktäre hypertensive Krise (sehr selten erforderlich).
• Nichtkardiologische Ind.: OP des Phäochromozytoms, malignes neurolepti-
sches Sy.
 11.4 Vasodilatanzien  571

Kontraindikationen
Vorsicht bei Leber- u. Niereninsuff. (cave: Zyanidintoxikation), Lungenerkr. so-
wie bei zerebrovask. Insuff.

Nebenwirkungen
RR-Abfall, dosisabhängig Übelkeit, Verwirrtheit u. Kopfschmerz. Anstieg des in­
trazerebralen Drucks, vorübergehende Thrombopenie, nach Absetzen Rebound-
Hypertonie.
11
Zyanidintoxikation
Bei mehrtägiger Hochdosisther. Zyanidintoxikation, insbes. bei Nierenin-
suff., möglich.
• Symptome: Verwirrtheit, Halluzinationen, Tinnitus, Sehstörungen,
Bauchschmerz. Warnzeichen ist eine metabolische Azidose.
• Prophylaxe: Hydroxycobalamin (Vit. B12). Bei mehrtägiger Natriumni­
troprussid-Ther. Thiozyanatspiegel messen (max. 0,06–0,1 mg/ml). An-
tidot bei RR-Einbruch: Noradrenalin.
• Ther. der Zyanidintoxikation: 1–3,25 mg/kg KG 4-DMAP i. v., an-
schließend Natriumthiosulfat 6–12 g i. v. Notfalls Hämodialyse.

Dosierung
Z. B. nipruss®: Trockenamp. à 60 mg, Perfusor 60 mg/50 ml Glukose 5 % (1 ml =
1,2 mg). Initial 0,2 μg/kg KG/Min. (entspricht ca. 1 ml/h). Langsam steigern, bis
gewünschter RR erreicht ist. Höchstdosis: ca. 8 μg/kg KG/Min. (entspricht ca.
30 ml/h). Bei Infusion > 2 μg/kg KG/Min. (Perfusor ca. 10 ml/h) Natriumthiosul-
fat im Verhältnis 1 : 10 infundieren.

Tipps & Tricks


• Komb. mit pos. inotropen Pharmaka zur Ther. der Herzinsuff. sinnvoll
(z. B. Dobutamin).
• Natriumnitroprussid lichtgeschützt über einen eigenen Zugang geben.
• Immer art. RR-Messung, Anwendung ausschließlich auf Intensivsta-
tion.

11.4.5 Dihydralazin
Wirkmechanismus
• Vasodilatator mit direktem Angriff an der glatten Gefäßmuskulatur.
• Pharmakokinetik: geringe orale Bioverfügbarkeit wegen First-Pass-Metabo-
lismus in Darm u. Leber, HWZ 1–2 h, Verteilungsvolumen 1,5 l/kg, Plasma­
proteinbindung 90 %. Elimination: hepatisch.

Indikationen
Hypertensive Krise (▶ 2.2.4), Hypertonie (▶ 9.1).

Nebenwirkungen
• Reflextachykardie, A. p.,
• Ödeme,
• Orthostase, Kopfschmerzen,
572 11 Pharmakotherapie 

• Leukopenie,
• medikamentös induzierter SLE.
Wechselwirkung
Antihypertensiva: Wirkungsverstärkung.

Dosierung
®
11 Z. B. Nepresol Amp. (2 ml) à 25 mg, Tbl. à 35/50 mg.
• I. v.: 2 ml (z. B. 1 Amp. Nepresol®) auf 10 ml NaCl 0,9 % verdünnt, fraktioniert
mit jeweils 2 ml unter RR-Kontrolle, Nachinjektion alle 5–10 Min.
• Perfusor: 6 ml auf 50 ml NaCl 0,9 % mit 1–5 ml/h (= 1,5–7,5 mg/h).

• Nicht bei ACS einsetzen!


• Mittel der Wahl in der Schwangerschaft.
• Keine Dosisreduktion bei Niereninsuff. erforderlich.
• Komb. mit Betablocker, Diuretika od. Nitroglyzerin günstig.
• Antidot: bei übermäßigem RR-Abfall Volumengabe.

11.4.6 Minoxidil
Wirkmechanismus
• Öffnung von K+-Kanälen an der glatten Gefäßmuskulatur, Relaxation der Ge-
fäßmuskulatur, Abnahme des peripheren Widerstands. Als Gegenregulation
Aktivierung des peripheren sympathischen Nervensystems → Noradrena-
lin ↑, Renin ↑, HZV ↑, HF ↑. Vermehrt Na+-Reabsorption → Na+- u. Was-
serretention.
• Pharmakokinetik: hepatische Transformation zum wirksamen Metaboliten.
Plasma-Peak nach 1 h, HWZ 4 h, Wirkdauer bis 24 h (starke Affinität zur Ge-
fäßmuskulatur, dort Einlagerung der Substanz), renale Elimination.

Indikationen
Art. Hypertonus (Reservemedikament bei therapierefraktären Fällen).

Nebenwirkungen
• Reflextachykardie,
• Ödeme (u. a. Perikarderguss u. Aszites),
• Hypertrichosis,
• Kopfschmerzen,
• EKG-Veränderungen (ST, T ↓, in 60 %!).
Wechselwirkung
• Orthostase bei Komb. mit Alphablockern.
• Neuroleptika: verstärkte RR-Senkung.
Dosierung
Z. B. Lonolox®, Tabl. à 2,5 mg/10 mg. Beginnend mit 2,5 mg/d; Dosisanpassung
nach Wirkung (meist 15–40 mg ausreichend).
 11.4 Vasodilatanzien  573

! Immer in Komb. mit Betablocker u. Schleifendiuretikum einsetzen.


• Bei KHK Gefahr der Destabilisierung (A. p.).
• Kumulation bei Niereninsuff.: Dosisreduktion ab Krea-Clearance
< 30 ml/Min. Minoxidil u. Metaboliten sind dialysierbar.
• Hypertrichosis nach 3–6 Wo., nach Absetzen voll reversibel.
• Selten Dosen > 40 mg/d erforderlich. Deutliche Zunahme der NW u. ih-
rer Stärke. 11
• Echo zur Verlaufskontrolle (Perikarderguss).
! Reservemedikament, nur als Komb.-Parter in der Hand des Erfahrenen
einsetzen.

11.4.7 Urapidil
Wirkmechanismus
• Zentrale Stimulierung präsynaptischer α2-Rezeptoren, periphere Hemmung
postsynaptischer α1-Rezeptoren.
• Pharmakokinetik: Wirkungseintritt 2–5 Min. nach i. v. Applikation, HWZ
3 h, Verteilungsvolumen 0,8 l/kg, Plasmaproteinbindung 80 %. Elimination:
15 % unverändert renal, Rest hepatisch verstoffwechselt.

Indikationen
Hypertonie, insbes. bei zentraler Regulationsstörung.

Nebenwirkungen
• RR-Abfall,
• ZNS-Störungen.
Wechselwirkung
• Antihypertensiva u. Alkohol: Wirkungsverstärkung.
• Furosemid: Verstärkung des antihypertensiven Effekts.
Dosierung
Z. B. Ebrantil®, Amp. (5/10 ml) à 25/50 mg, Tabl. à 30/60/90 mg.
• I. v.: initial langsam 25–50 mg (2 mg/Min.).
• Perfusor: 150 mg auf 50 ml NaCl mit 3–10 ml/h = 9–30 mg/h.

• Nicht einsetzen bei CoA.


• Tachyphylaxie nicht bekannt.
• Individuell unterschiedliche Ansprechbarkeit.
• Keine Beeinflussung der Nierendurchblutung.
• Keine Beeinflussung der zerebralen Durchblutung, kein Hirndruckan-
stieg.
• Antidot: Volumengabe.
574 11 Pharmakotherapie 

11.5 Kalziumantagonisten
Wirkmechanismus
Kalziumantagonisten hemmen passiven Ca2+-Einstrom durch ionenselektive Ka-
näle entlang eines Konzentrationsgefälles in das Zytoplasma. Niedrigeres intrazel-
luläres Ca2+ mindert den art. Vasotonus, hemmt die myokardiale Kontraktilität u.
das Reizleitungssystem. Es existieren verschiedene Ca2+-Kanäle (lange offene „L-“
u. transient offene „T-Kanäle“) mit unterschiedlichen Eigenschaften u. Verteilung
11 in art. Gefäßen, Arbeitsmyokard u. Reizleitungssystem. Die jeweilige Wirkung der
Kalziumantagonisten beruht auf verschiedener Blockierung der einzelnen Ka-
naltypen.
Wirkungen: RR-Senkung, teilweise neg. inotrop, art. Vasodilatation (teils betont
Koronargefäße), antianginös, antiarrhythmisch (▶ 11.6).
Wirkstoffklassen
• Dihydropyridine (z. B. Amlodipin, Nifedipin): geringe kardiale Wirkung
(nicht/kaum neg. inotrop; kaum/nicht neg. chronotrop), art. Vasodilatation
(▶ Tab. 11.16). Kurze Wirkdauer, lösen unerwünschte Katecholaminaus-
schüttung aus. Haupt-NW: Ödeme.
• Benzothiazepine (Diltiazem): neg. chronotrop, Vasodilatation (▶ Tab. 11.16).
Wirkt antihypertensiv u. antianginös.
• Phenylalkylamine (Verapamil): rel. geringe vasodilatatierende Wirkung,
deutlichste neg. chronotrope Wirkung (▶ Tab. 11.16).

Tab. 11.16 Wirkcharakteristik der Kalziumantagonisten


Wirkstoffgruppe Vasodilatati­ Kontraktili­ SA- u. AV- HF
on tät Überleitung
Dihydropyridine (z. B. ↑↑ −/(↓) − −
Amlodipin)
Benzothiazepine (Diltia­ ↑ ↓ ↓↓
zem)
Phenylalkylamine (Vera­ ↑ ↓/↓↓; ↓↓ ↓
pamil)
Charakteristika der Wirkstoffe werden nur annähernd wiedergegeben, da z. B. Di­
hydropyridine wirkähnlich, aber nicht identisch sind.

Indikationen
• Art. Hypertonus: V. a. bei älteren Pat. Mittel 1. Wahl. RR-Senkung abhängig
vom Ausgangsdruck. Je höher er ist, desto stärker die Wirkung (sehr selten
Hypotension). Wahl des Kalziumantagonisten nach Begleiterkr. (Herzinsuff.:
lang wirksame Dihydropyridine; VHF mit Tachykardie: Phenylalkylamine
od. Benzothiazepine).
• KHK: meist 3. Wahl nach Nitraten u. Betablockern, bei vasospastischer Angi-
na 1. Wahl. Bei Unwirksamkeit Umstellung auf Stoff einer anderen Gruppe.
Cave: selten Verstärkung der Angina durch Dihydropyridine (koronares Ste-
al-Phänomen).
! Dihydropyridine bei instabiler Angina kontraindiziert.
• SVT; Reentry-Tachykardie; VHF: wie Klasse-IV-Antiarrhythmika (▶ 11.6).
• HCM: Verapamil alternativ zu Betablockern.
• Nichtkardiologische Ind.:
 11.5 Kalziumantagonisten  575

– M. Raynaud: symptomatische Besserung durch Dihydropyridine.


– Migräne: Beschwerdebesserung einige Wo. nach Ther.-Beginn (Dihydro-
pyridine).
– Intestinale Koliken: Dihydropyridine.

Kontraindikationen
• Alle Kalziumantagonisten: Dosisreduktion bei hepatischer Insuff.
• Phenylalkylamine u. Benzothiazepine: Herzinsuff. NYHA III u. IV, Sinus-
knotensy., AV-Block II° u. III°, WPW-Sy. mit VHF. 11
• Dihydropyridine: höhergradige AS, instabile A. p.
Interaktionen
• Phenylalkylamine u. Benzothiazepine: verstärkte Bradykardie bei Komb.
mit Betablockern. Erhöhte Spiegel von Ciclosporin A (v. a. Diltiazem), Dig­
oxin (v. a. Verapamil) u. Theophyllin.
– Verapamil: erniedrigte Spiegel von Lithium.
– Phenylalkylanzien u. Benzodiazepine: erniedrigte Spiegel bei gleichzeiti-
ger Gabe von Rifampicin, Phenytoin od. Barbituraten.
• Dihydropyridine: Digoxinspiegel gering erhöht, wechselnde Wirkung auf
Theophyllinspiegel. Ciclosporinspiegel leicht erhöht.
• Nifedipin, Diltiazem, Verapamil: erhöhte Spiegel bei gleichzeitiger Gabe von
Cimetidin, Ranitidin.

Nebenwirkungen
• Phenylalkylamine u. Benzothiazepine: AV-Block I°–III°, dosisabhängig, öf-
ter bei i. v. Gabe. Sinusbradykardie, bei Überdosierung Asystolie. Verschlech-
terung einer vorbestehenden höhergradigen Herzinsuff., Obstipation. Selten:
Kopfschmerzen, Flush, Hepatotoxizität, Hyperprolaktinämie mit Gynäko-
mastie.
• Dihydropyridine: häufig Flush, Beinödeme, Kopfschmerzen (bei lang wirksa-
men Wirkstoffen seltener). Tachykardie, selten Zunahme einer A. p. Cave: bei
höhergradiger Herzinsuff. Gefahr der Linksherzdekompensation.
• Nifedipin: Verschlechterung einer fortgeschrittenen Herzinsuff. bei Dauer­
ther. Nifedipin in retardierter od. nichtretardierter Form sollte heute nur
noch in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen (z. B. Akutbehandlung einer
Hochdruckkrise).

Dosierung
▶ Tab. 11.17.
Tab. 11.17 Kalziumantagonisten – Dosierung
Substanz Indikation Dosierung
(­Handelsname)

Kurz wirksames Dihydropyridin


Nifedipin Stabile A. p., vasospas­ 3 × 5–10 bis 3 × 20 mg/d (unretar­
tische A. p., art. Hy­ diert), 2 × 20 bis 2 × 40 mg/d (retar­
pertonie, Raynaud-Sy. diert)
Hypertensiver Notfall 10-mg-Kps. zerbeißen, Wdh. nach
frühestens 30 Min.
576 11 Pharmakotherapie 

Tab. 11.17 Kalziumantagonisten – Dosierung (Forts.)


Substanz Indikation Dosierung
(­Handelsname)

Mittellang bis lang wirksame Dihydropyridine


Amlodipin Art. Hypertonie, stabi­ 1 × 5 bis 1 × 10 mg/d, Maximaldosis
(­Norvasc®) le A. p. od. vasospasti­ 10 mg
sche A. p.
11 Felodipin (Modip®) Art. Hypertonie 1 × 5 bis 1 × 10 mg/d
Isradipin (Vascal®) Art. Hypertonie 1 × 5 bis 1 × 10 mg/d
Lercanidipin Art. Hypertonie 1 × 10 bis 1 × 20 mg/d
(­Carmen®)
Nisoldipin Art. Hypertonie, stabi­ 2 × 5 bis 2 × 10 mg/d
(­Baymycard®) le A. p.
Nitrendipin Art. Hypertonie 2 × 10 bis 2 × 20 mg/d
(­Bayotensin®)
Hypertensiver Notfall 1 Phiole à 5 mg p. o., Wdh. nach 30–
60 Min.
Phenylalkylamine
Verapamil (Isoptin®) Art. Hypertonie 240 mg/d p. o., Maximaldosis 480 mg/d
KHK 240–480 mg/d unretardiert in 3–4 ED
p. o., retardiert in 2 ED
SVT 240–480 mg/d unretardiert in 3–4 ED
p. o., retardiert in 2 ED; bei i. v. Gabe
(Erw.) 5 mg langsam i. v., bei Bedarf
Wdh. in 10 Min.; Dauerinfusion
5–10 mg/h
Benzothiazepine
Diltiazem (Dilzem®) Art. Hypertonie, KHK Art. Hypertonie, KHK: 3 × 60 mg
p. o./d unretardiert, 2 × 90 bis
2 × 120 mg p. o./d retardiert. Maxi­
maldosis 360 mg

11.6 Antiarrhythmika
Arrhythmien in der Schwangerschaft (▶ 7.12.1), Ther.-Kontrolle bei med. Ther.
(▶ 7.5), Arrhythmieverstärkung durch Antiarrhythmika („Proarrhythmie“ ▶ 7.5.2),
Einschränkungen der Ind. für Klasse-I-Antiarrhythmika (Stufenplan des ehemaligen
Bundesgesundheitsamts ▶ 7.5.2), Komb. antiarrhythmischer Pharmaka (▶ 7.5.2).

Veränderte Konzepte bei der antiarrhythmischen Therapie


• In der Mehrzahl der Fälle liegen strukturelle Herzerkr. als Ursache von
Arrhythmien vor: Ischämie, Hypertrophie, Dilatation, Fibrose, Entzün-
dung. In erster Linie kardiale Grunderkr. optimal behandeln. Nach die
Arrhythmie begünstigenden u. auslösenden Faktoren fahnden (Ischämie,
Hypoxie, Bradykardie, E‘lytentgleisungen, hyperadrenerge Mechanismen,
Vagotonie, Pharmaka mit Wirkungen auf die QT-Zeit u. Pharmaka, die
Substrate od. Inhibitoren des CYP sind, angeborene Ionenkanalerkr.).
 11.6 Antiarrhythmika  577

• Behandelt werden ausschließlich symptomatische u./od. prognostisch


relevante Arrhythmien.
• Erste Wahl der Dauerther. relevanten Arrhythmier sind heute nicht-
med. Interventionen mit Ablation, SM, ICD (Ausnahme: VHF).
• Med. Ther. hat festen Stellenwert v. a. in der Akutther. von Arrhythmien
u. in der Dauerther. von VHF (Rhythmus erhaltend od. Frequenz kon­
trollierend).
• Zulassungsbeschränkungen: 11
– Klasse-I-Antiarrhythmika dürfen nur bei schwerwiegenden, sympto-
matischen ventrikulären tachykarden Arrhythmien eingesetzt wer-
den, wenn diese lebensbedrohlich sind.
– Klasse-III-Antiarrhythmika können bei symptomatischen supravent-
rikulären u. ventrikulären Arrhythmien eingesetzt werden.
– Die Neueinstellung auf Klasse-I- u. -III-Antiarrhythmika bei ventri-
kulären Arrhythmien muss unter kardiologischer Kontrolle erfolgen
(Monitorüberwachung).
– Kein Einsatz von Klasse-I-Antiarrhythmika in den ersten 3 Mon.
nach MI od. bei EF < 35 % (Ausnahme bei lebensbedrohlichen ven­
trikulären Arrhythmien).
– Einsatz von Klasse-IA- u. -IC-Antiarrhythmika bei symptomatischen
tachykarden supraventrikulären Arrhythmien.

11.6.1 Übersicht
Einteilung der Antiarrhythmika nach ihrem elektrophysiologischen Wirkmecha-
nismus auf das Aktionspotenzial. Ihre Effekte entfalten sie durch Interaktionen
mit den Na+-, K+- od. Ca2+-Kanälen bzw. den Betarezeptoren. Einteilung (▶ 8.5.2,
▶ Abb. 11.1).
Wirkung der Antiarrhythmika auf das Aktionspotenzial
▶ Abb. 11.1.
Phasen des Aktionspotenzials Wirkung der Antiarrhythmika
auf das Aktionspotenzial

normal:
IC: Flecainid
Propafenon III: Amiodaron
mV Sotalol
ENa
40 1 IA: Chinidin
2 Ajmalin
20 1 Disopyramid
2
0
–20 0
0 3
–40 IB: Lidocain
3
Mexiletin
–60 Phenytoin
–80 4
ECl
-90 4
–100 EK

Abb. 11.1 Phasen des Aktionspotenzials (li) u. Wirkung von Antiarrhythmika auf
das Aktionspotenzial (re) [A300]
578 11 Pharmakotherapie 

• Phase 0: schnelle Depolarisation; max. Na+-Einstrom. Anstiegssteilheit be-


stimmt Leitungsgeschwindigkeit. Abnahme der Anstiegsgeschwindigkeit
durch Klasse-I-Antiarrhythmika.
• Phase 1: frühe Repolarisation.
• Phase 2: Plateau.
• Phase 3: schnelle Repolarisation; K+-Ausstrom. Bestimmt die Dauer des Akti-
onspotenzials u. der Refraktärzeit. Verkürzung durch Klasse-IB-, Verlänge-
rung durch Klasse-IA- u. -III-Antiarrhythmika.
11 • Phase 4: diastol. Depolarisation. Anstiegssteilheit bestimmt durch zeitunab-
hängige K+-Hintergrundströme. Abflachung → Bradykardie (z. B. durch Para-
sympathikomimetika, Klasse-I-Antiarrhythmika), Zunahme der Anstiegs-
steilheit → Tachykardie od. vorzeitige ektope Aktivität (abnorme Automatie).
Einteilung der Antiarrhythmika
Klasse-IA-Antiarrhythmika
Klasse-I-Antiarrhythmika reduzieren die max. Anstiegsgeschwindigkeit des Akti-
onspotenzials durch Blockierung des schnellen Na+-Einstroms in die Zelle (Na+-
Antagonisten) u. Abflachung der diastol. Depolarisation (Phase 4). Die Erre-
gungsausbreitung wird verlangsamt, die Spontanautomatie nimmt ab. Zusätzlich
bestehen folgende Wirkungen:
• Klasse IA: Verlängerung des Aktionspotenzials.
• Klasse IB: Verkürzung des Aktionspotenzials.
• Klasse IC: keine signifikante Wirkung auf die Dauer des Aktionspotenzials.
Klasse-IA-Antiarrhythmika (Antiarrhythmika vom Chinidin-Typ): Chinidin,
Ajmalin. Deutliche Abnahme der Spontanautomatie, QRS-Verbreiterung, Ver-
längerung von Repolarisation u. QT-Intervall (Zunahme der JT-Zeit), Verlänge-
rung der His-Ventrikel-(HV-) u. Refraktärzeit der Ventrikel.
Klasse-IB-Antiarrhythmika (Antiarrhythmika vom Lidocain-Typ): Lidocain,
Phenytoin. Geringerer Effekt auf Spontanautomatie u. QRS-Breite als Klasse-IA-
Antiarrhythmika. Verkürzung von Repolarisation, QT-Intervall u. Refraktärzeit
der Ventrikel. HV-Zeit bleibt unverändert.
Klasse-IC-Antiarrhythmika: Flecainid, Propafenon. Sehr starke Unterdrückung
der Spontanautomatie, deutliche Verbreiterung des QRS-Komplexes, Zunahme
des QT-Intervalls durch Zunahme der QRS-Dauer, Deutliche Verlängerung der
HV-Zeit. Gering ausgeprägt sind Verlängerung der Repolarisation (JT-Zeit) u.
Refraktärzeit der Ventrikel.
Klasse-II-Antiarrhythmika
Betablocker (▶ 11.6.8).
Klasse-III-Antiarrhythmika
Sotalol, Amiodaron, Dronedaron. Hemmung insbes. der schnellen Komponente
des K+-Ausstroms (Kaliumantagonisten). Selektive Verlängerung von Aktions-
potenzialdauer u. damit Refraktärität. Leitungsgeschwindigkeit wird nicht ver-
langsamt. Beeinflusst werden alle kardialen Zelltypen vom Sinusknoten bis zum
Ventrikelmyokard.
Klasse-IV-Antiarrhythmika
Kalziumantagonisten. Antiarrhythmisch wirken nur Kalziumantagonisten vom
Verapamil-Typ; der Nifedipin-Typ hat keine relevante antiarrhythmische Wir-
kung. Wirkung über Hemmung des langsamen Ca2+-Einstroms an Sinus- u. AV-
 11.6 Antiarrhythmika  579

Knoten. Keine Beeinflussung des spezifischen ventrikulären Erregungsleitungs-


systems u. des Arbeitsmyokards.
Antiarrhythmika bei eingeschränkter Nierenfunktion
Dialysierbarkeit
• Dialysierbar: Chinidin, Sotalol, Atenolol, Metoprolol.
• Nicht dialysierbar: Lidocain, Phenytoin, Flecainid, Propafenon, Amiodaron,
Diltiazem, Verapamil.
11
Faustregel für die Dosisanpassung
Dos. von Antiarrhythmika bei eingeschränkter Nierenfunktion nach der GFR
(in ml/Min., u. a. abhängig von Alter, Geschlecht, KG). Zur individuellen Dos.
Bestimmungen der Plasmaspiegel der Antiarrhythmika erforderlich.
• Krea < 2 mg%: unveränderte Dosis (▶ Tab. 11.18).
• Krea > 2 mg%: Dosisreduktion um 25–50 % bei Flecainid, Atenolol. Übrige
Antiarrhythmika können mit unveränderter Dosis gegeben werden.

Tab. 11.18 Antiarrhythmikadosierung bei terminaler Niereninsuffizienz


Substanz Dosisreduktion Substanz Dosisreduktion
Ajmalin Keine Metoprolol Keine
Chinidin Keine Propranolol Keine
Lidocain Keine Atenolol Ca. 50 %
Phenytoin Keine Sotalol Ca. 30 %
Flecainid Ca. 50 % Amiodaron Keine
Propafenon Keine Diltiazem Keine
Verapamil 50–75 %

11.6.2 Chinidin
Wirkmechanismus
Klasse-IA-Antiarrhythmikum. Starker Na+-Antagonist, Vagolyse, Vasodilatation
(direkte Gefäßrelaxation), Alphablockade. Sinusfrequenz n bis ↑, PQ-Zeit ↓, AH-
Zeit ↓, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer ↑, QT-Intervall ↑.
• Therap. Wertigkeit: atrial +++, AV-Knoten +, akzessorische Bahn ++, ven­
trikulär +++.
• Kinetik: gute Resorption, Bioverfügbarkeit 75 %, Eliminations-HWZ 5–9 h,
max. Plasmaspiegel nach 1,5 h, therap. Plasmaspiegel 2–4 μg/ml, hepatische
Metabolisierung (bis 90 %), aktive Metaboliten. CYP450-Metabolisierung.

Indikationen
Med. Kardioversion, umstritten zur Rezidivprophylaxe bei Vorhofflimmern, -flattern
(▶ 7.7.5, ▶ 7.7.6), -tachykardie, SVES.
! Dauerther. mit Chinidin vermindert Inzidenz des VHF, aber steigert die
Letalität. Dauerther. obsolet, kein Einsatz zur Ther. ventrikulärer Arrhyth-
mien!
580 11 Pharmakotherapie 

Kontraindikationen
• Kardial: Sinusbradykardie, Sinusknotensy., AV-Block II° u. III°, QT-Verlän-
gerung (angeboren, erworben), Digitalisintoxikation.
• Extrakardial: Chinidinüberempfindlichkeit, Niereninsuff., Hyperkaliämie,
Glaukom, Schwangerschaft (außer Behandlung fetaler Arrhythmien).

Nebenwirkungen
• Gastrointestinale NW am häufigsten (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö).
11 • Allergie: Fieber, Exanthem, Bronchialobstruktion.
• Kardiale NW: neg. Inotropie, Bradykardie, Asystolie, Beschleunigung der
AV-Überleitung, VES, Kammerflimmern, „Chinidinsynkope“ (Torsade-de-
pointes-Tachykardien), QRS-Verbreiterung.
• Atropinartige Wirkung: Glaukomanfall, Harnverhalt, Harnblasenentlee-
rungsstörung, Panzytopenie, Hepatitis, hämolytische Anämie.

Interaktionen
• Verstärkung von Kumarinderivaten (Blutungsgefahr), Digoxin (Erhöhung
der Glykosid-Konz. im Serum), curareartige Mittel (Relaxierung verstärkt),
Reserpin (Depression verstärkt).
• Rifampicin, Phenytoin u. Barbiturate vermindern Chinidin-Wirkung.
• Nicht mit QT-verlängernden Pharmaka (z. B. Phenothiazine, Klasse-I- od.
-III-Antiarrhythmika) kombinieren.

Dosierung
Z. B. Chinidin Duriles® (200 mg/Tbl.), Optochinidin retard® (250 mg/Tbl.). Dosis:
3 × 200–400 mg/d (3 × 1–2 Tbl. Chinidin Duriles®).

Tipps & Tricks


• Absetzen, wenn QRS-Komplex > 125 % des Ausgangswerts u./od. QT-
Verlängerung auf > 125 % des Ausgangswerts.
• Bei Vorhofflimmern/-flattern nur in (nicht fixer) Komb. mit Digitalis
od. Verapamil, sonst Gefahr der schnellen Überleitung durch vagolyti-
schen Effekt.
• Chinidin gilt heute als Reservemedikament zur Ther. des VHF. Wegen
Proarrhythmie weitgehend verzichtbar.

11.6.3 Ajmalin
Wirkmechanismus
Klasse-IA-Antiarrhythmikum. Chinidinartige, membranstabilisierende Wirkung.
Die heterotope Reizbildung wird stärker gehemmt als die Erregungsleitung. Si-
nusfrequenz n bis ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit n bis ↑, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer ↑,
QTc-Intervall n bis ↑.
• Therap. Wertigkeit: atrial +, AV-Knoten +, akzessorische Bahn + bis ++,
ventrikulär ++.
• Kinetik: gute Resorption von Prajmalin, Bioverfügbarkeit 50 % (hoher First-
Pass-Effekt), Wirkungseintritt nach 30 Min., Eliminations-HWZ 5 h, Meta-
bolisierung 85 %, 15 % werden unverändert ausgeschieden, enterohepatischer
Kreislauf, aktiver Metabolit nicht bekannt. Bei i. v. Gabe Wirkungseintritt
nach 1 Min., Wirkdauer 15 Min.
 11.6 Antiarrhythmika  581

Indikationen
• Supraventrikuläre u. ventrikuläre Tachyarrhythmien, bevorzugt bei Präexzi-
tationssy. (rel. spezifische Ind.); med. Notfallther. von anhaltenden VT (effek-
tiver als Lidocain).
• Ajmalin-Test bei WPW-Sy. (▶ 7.8) u. zum Demaskieren des Brugada-Sy.
(▶ 7.9.6).

Kontraindikationen
Sinusknotensy., AV-Leitungsstörungen, QT-Sy., Schenkelblock (rel. KI), fortge- 11
schrittene Herzinsuff., Schwangerschaft.

Nebenwirkungen
• Kardial: Bradykardien (SA-, AV-Leitungsstörungen), Kammerflimmern, Exa-
zerbation od. Verschlechterung einer Herzinsuff.
• Extrakardial: Übelkeit, Cholestase (Leberenzymanstieg), Flush, Agranulozy-
tose, Kopfschmerz, Obstipation.

Interaktionen
• Verstärkung der antiarrhythmischen Wirkung durch Neuroleptika u. trizykli-
sche Antidepressiva. Verstärkung von curareartigen Medikamenten.
• Keine Komb. mit Antiarrhythmika, die stark leitungsverzögernd wirken
(Gruppe II, III, IV).
! Nicht in Mischspritze aufziehen. Flockt bei Komb. mit Furosemid aus.
Dosierung
Z. B. Gilurytmal® (Ajmalin) Amp. à 10 ml (= 50 mg). I. v.: Amp. (= 10 ml) langsam
(2 ml/Min.) i. v.; EKG-Kontrolle! Perfusor mit 5 Amp. à 50 mg (= 250 mg) auf
50 ml NaCl mit 1 mg/kg KG/h (z. B. bei 60 kg 60 mg/h, Perfusoreinstellung
12 ml/h). Max. 300 mg/24 h i. v.! Nach 24 h orale Weitermedikation od. Perfusor
mit reduzierter Dosis (12–24 mg/h).

Tipps & Tricks


• Einsatz zur Demaskierung eines Brugada-Sy. (▶ 7.9.6): nach i. v. Gabe
von Ajmalin Induktion eines Brugada-typischen EKG-Bilds (RSB mit
re-präkordialen ST-Elevationen).
• Praktisch keine chinidinartige, anticholinerge Wirkung.
• Bei Vorhofflimmern, -flattern keine Komb. mit Digitalis erforderlich.
• Gefahr der Leberfunktionsverschlechterung!

11.6.4 Lidocain
Wirkmechanismus
Klasse-IB-Antiarrhythmikum. Antiarrhythmische Wirkung abhängig von der ex-
trazellulären K+-Konzentration. Wirkungsabschwächung bei Hypokaliämie.
Deutliche Suppression heterotoper Reizbildungen im His-Purkinje-System. Eine
Sinusknotendepression tritt nur bei Sinusknotendysfunktion auf; geringe Beein-
flussung der AV-Leitung.
Sinusfrequenz n, PQ-Zeit n, AH-Zeit n, HV-Zeit n bis ↑, QRS-Dauer n bis ↑,
QTc-Intervall n.
582 11 Pharmakotherapie 

• Therap. Wertigkeit: atrial 0, AV-Knoten 0, akzessorische Bahn ++, ventriku-


lär +++.
• Kinetik: ausschließlich parenteral. Wirkungseintritt 1–2 Min., Wirkungs-
dauer 15–20 Min., Bioverfügbarkeit 35 %. Eliminations-HWZ 1–2 h, therap.
Plasmaspiegel 2–6 μg/ml, Metabolisierung > 90 % hepatisch, aktiver Meta-
bolit.

Indikation
11 VES u. VT, bes. nach akutem MI (▶ 3.6.4). Rezidivprophylaxe nach Kammerta-
chykardie, -flattern od. -flimmern. Keine Ind. zur prophylaktischen Gabe z. B.
beim akuten MI. Zur Ther. ventrikulärer Arrhythmien 2. Wahl, falls Amiodaron
nicht verfügbar ist. Keine routinemäßige Gabe vor Defibrillation (erhöht Defi-
Schwelle; gilt für alle Antiarrhythmika).

Kontraindikationen
Sinusknotendysfunktion od. AV-Leitungsstörung (II°, III°) ohne temporären SM.
Allergie/Unverträglichkeit von Lokalanästhetika.

Nebenwirkungen
Alle Formen bradykarder Arrhythmien. ZNS-Störungen, z. B. Tremor, Benom-
menheit, Verwirrtheit, Krämpfe, Koma bes. bei älteren Pat.

Interaktionen
Verstärkung der neg. inotropen u. bradykardisierenden Wirkung bei Komb. mit
weiteren Antiarrhythmika. Verminderte Clearance bei Propranolol-Gabe.

Dosierung
Z. B. Xylocain® Amp. à 5 ml 2-prozentige Lsg. (= 100 mg); Spezialamp. à 5 ml
20-prozentige Lsg. (= 1.000 mg).
I. v.:
• Initialdosis: ½–1 Amp. à 5 ml 2-prozentiges Lidocain (= 50–100 mg); EKG-
Kontrolle! Evtl. Wdh. der Bolusgabe nach 5–10 Min mit 1⁄3 bis ½ Dosis. Maxi-
maldosis 200–300 mg.
• Erhaltungsdosis: Perfusor mit 1 Amp. à 5 ml 20-prozentiges Lidocain
(= 1.000 mg) auf 50 ml NaCl, 1–2 mg/kg KG/h (z. B. bei 70 kg 60–120 mg/h;
Perfusoreinstellung 3–6 ml/h). Ausnahmsweise auch höhere Dosis möglich.
Max. 6 g/d.

Tipps & Tricks


• Wert einer i. m. Gabe zur Verhinderung von Arrhythmien in der
Prähospitalphase des akuten MI nicht gesichert, bei möglicher Fibrino-
lyse kontraindiziert! Keine prophylaktische Ther.!
• Auf ausgeglichenen K+-Spiegel achten.
• Spiegelbestimmung bei Herzinsuff., Hypotonie u. Leberfunktionsstö-
rung wegen Kumulationsgefahr.
 11.6 Antiarrhythmika  583

11.6.5 Phenytoin
Wirkmechanismus
• Spontane Depolarisation (Automatie) ↓, effektive Refraktärzeit ↓, Gesamtre-
fraktärzeit ↑, Depolarisationsgeschwindigkeit ↑, Erregungsbildung ↑, Kon-
traktionskraft ↓.
• Therapeut. Wertigkeit: Sinusknoten +, Vorhof +, AV-Knoten +, HIS 0, Ven­
trikel +.
• Kinetik: orale Bioverfügbarkeit 90 %, HWZ ca. 20 h (konzentrationsabhän- 11
gig). Elimination: nahezu vollständige hepatische Oxidation u. Glukuronidie-
rung.

Indikationen
• Bei therapierefraktären ventrikulären od. supraventrikulären Arrhythmien
im Gefolge einer Digitalisintoxikation (off-label),
• antikonvulsive Ther.
Kontraindikationen
SA-, AV-Block III.°, dekompensierte Herzinsuff., Leukopenie, Schwangerschaft.

Nebenwirkungen (akut)
• RR-Abfall bei zu schneller i. v.-Applikation, Asystolie, VES, Kammerflimmern.
• Gangataxie, Schwindel, Erbrechen, Doppelbilder, Dysarthrie, Tremor, Nys-
tagmus, extrapyramidale Hyper- od. Dyskinesien.

Interaktionen
• Chloramphenicol, Disulfiram, Heparin, Isoniazid, Kumarinderivate, Sulfon­
amide, Tolbutamid: Wirkungsverstärkung durch Verdrängung aus Eiweiß-
bindung bzw. Hemmung des Abbaus.
• Chinidin, Gestagene, Östrogene werden beschleunigt abgebaut.
Dosierung
Z. B. Phenhydan®, Amp. (5 ml) à 250 mg, Tbl. à 100 mg.
Herzrhythmusstörungen: initial 125 mg i. v. (25 mg/Min. über 5 Min.), Wdh. nach
20 Min. bis max. 500–750 mg (in 3 h).

• Außer bei Digitalisintoxikation keine Ind. als Antiarrhythmikum, keine


Dauerther.
! Cave: evtl. nicht mehr wirksame hormonelle Kontrazeption.
• I. v. Gabe nur bei liegendem Pat. (Orthostasereaktion).

11.6.6 Flecainid
Wirkmechanismus
Klasse-IC-Antiarrhythmikum mit lokalanästhetischer Wirkung (fluoriertes Ana-
logon des Procainamids). Ausgeprägte Suppression supraventrikulärer u. ventri-
kulärer Heterotopien. Neg. inotrop u. neg. dromotrop.
584 11 Pharmakotherapie 

Sinusfrequenz n, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer ↑, QTc-Intervall ↑.


• Therap. Wertigkeit: atrial +++, AV-Knoten + (retrograde AV-nodale Bahn),
akzessorische Bahn +++, ventrikulär +++.
• Kinetik: sehr gute Resorption, Bioverfügbarkeit 95 %. Eliminations-HWZ 13–
20 h (schlecht steuerbar), therap. Plasmaspiegel 0,2–1 μg/ml, Elimination 70 %
hepatisch, 25 % renal, 5 % Faeces, enterohepatischer Kreislauf, aktiver Metabolit.

Indikationen
11 Symptomatische supraventrikuläre Arrhythmien: Paroxysmales VHF (Dauerther.
od. „Pill-in-the-Pocket“-Strategie), AV-Reentry-Tachykardien, paroxysmale SVT
bei WPW-Sy.

Kontraindikationen
• Nicht lebensbedrohliche Tachyarrhythmien bei Z. n. MI u. eingeschränkter
LV-Pumpfunktion (EF < 35 %) → Mortalität durch proarrhythmische Effekte
erhöht (CAST-Studie).
• Verschlechterung der Hämodynamik bei Herzinsuff., kardiogener Schock,
Hypotonie.
• Sinusknotendysfunktion u. AV-Leitungsstörungen mit Gefahr kritischer Bra-
dykardien od. Blockierungen. Bei AV- u. intraventrikulären Leitungsstörun-
gen sowie QT-Verlängerung Flecainid vermeiden.

Nebenwirkungen
• Kardial: alle Formen bradykarder Arrhythmien, Herzinsuff., Hypotonie, ta-
chykarde ventrikuläre Arrhythmien (Proarrhythmie).
• Extrakardial: Doppelbilder, Schwindel, Kopfschmerzen, Verwirrtheitszustän-
de, Übelkeit, Transaminasenanstieg, cholestatische Hepatose.

Interaktionen
• Digoxin-Plasmaspiegel steigt um 15–25 %. Spiegelerhöhung auch bei Cimeti-
din u. Amiodaron.
• Gegenseitige Wirkungsverstärkung bei Propranolol.
• Abnahme der Plasmaspiegel von Phenytoin, Phenobarbital u. Carbamazepin.
• Amp.-Lsg. nur mit Glukose verdünnen, nicht mit NaCl.
Dosierung
Z. B. Tambocor® 1 Amp. à 5 ml (= 50 mg), 1 Tbl. à 100 mg.
• I. v.:
– Initialdosis: 50–75 mg i. v. (1–1,5 Amp.), 1 mg/kg KG über 5 Min. (d. h. bei
75 kg max. 1,5 Amp. i. v.), EKG-Monitor! Evtl. nach 20–30 Min. erneute
i. v. Gabe von 0,5 mg/kg KG über 5 Min. (z. B. bei 75 kg ¾ Amp. à 5 ml mit
50 mg = 37,5 mg).
– Erhaltungsdosis: Perfusor mit 5 Amp. à 5 ml (= 250 mg) auf 50 ml Glukose
5 %; Perfusoreinstellung 1,6–3,3 ml/h (= 8–16,6 mg/h). Max. 200–400 mg/d.
• P. o.: bis 2 × 100 mg/d.
Tipps & Tricks
• Kein Einsatz bei struktureller Herzerkr. od. höhergradiger LV-Dysfunktion.
• Praktisch keine Bedeutung mehr bei komplexen ventrikulären Arrhyth-
mien.
 11.6 Antiarrhythmika  585

• Proarrhythmische Wirkungen mit > 10 % sehr häufig u. individuell


nicht kalkulierbar.
• Im Verlauf Kontrolle von PQ-, QRS- u. QT-Dauer. Bei QT-Verlänge-
rung > 125 % od. QRS-Verbreiterung > 25 % gegenüber dem Ausgangs-
wert absetzen.
• Nicht einsetzen bei QT-Syndrom.
• Vorsicht bei Komb. mit Klasse-IA- u. -III-Antiarrhythmika (starke Lei-
tungsblockierung). 11
• Ausgeprägte Leitungsverzögerung: Vorsicht bei AV-Block I° od. Schen-
kelblock.
• Dosis bei Niereninsuff. um 25 % reduzieren.

11.6.7 Propafenon
Wirkmechanismus
Klasse-IC-Antiarrhythmikum. Leitungsverzögernde (Purkinje-System, Ventrikel-
myokard) u. frequenzerniedrigende Wirkung auf heterotope u. nomotope SM-
Zentren. Gleichsinnige Wirkung auf Vorhöfe, Kammern u. Erregungsleitungssys-
tem. Sinusknotendepression, AV- u. intraventrikuläre Leitungsverzögerung. Re­
trograde Leitung bei Reentry-Tachykardie des WPW-Sy. wird gehemmt.
Sinusfrequenz n bis ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer ↑, QTc-
Intervall n bis ↑.
• Therap. Wertigkeit: atrial ++, AV-Knoten +, akzessorische Bahn +++, ven­
trikulär +++.
• Kinetik: gute Resorption, Bioverfügbarkeit 50 % bei 600 mg, 25 % bei
300 mg (hoher First-Pass-Effekt), hohe Plasmaeiweißbindung, Elimina-
tions-HWZ 5–8 h, max. Plasmaspiegel nach 2 h, therap. Plasmaspiegel 0,3–
3 μg/ml, Elimination 90 % hepatisch, enterohepatischer Kreislauf, aktiver
Metabolit.

Indikation
Bei Präexzitationssy. Mittel 1. Wahl. Rhythmisierung bei paroxysmalem VHF
(evtl. „Pill-in-the-Pocket“-Strategie). Nach der CAST-I-Studie gelten bei KHK u.
Z. n. MI die gleichen Einschränkungen wie bei Flecainid.

Kontraindikationen
Wie bei Flecainid (▶ 11.6.6), zusätzlich Bronchialobstruktion.

Nebenwirkungen
• Kardial: bradykarde u. tachykarde Arrhythmien.
• Extrakardial: Bronchialobstruktion bei hoher Dos. (betablockerähnliche Wir-
kung), Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Mundtrockenheit, orthostatische
Dysregulation, Cholestase, Psychose, Kopfschmerzen, Allergie, bitterer Ge-
schmack, Hemmung der Spermatogenese, Potenzstörungen.

Interaktionen
WW mit zahlreichen Arzneimitteln! Hemmt sehr stark arzneimittelabbauende
Enzyme der Leber.
586 11 Pharmakotherapie 

• Erhöhung des Digoxin-, Propranolol- u. Metoprololspiegels.


• Cimetidin erhöht den Propafenonspiegel.
• Mischung nur mit Glukose, nicht mit NaCl.
Dosierung
Z. B. Rytmonorm® 1 Amp. à 20 ml (= 70 mg), 1 Tbl. à 150 od. 300 mg.
• I. v.:
– Initialdosis: 0,5–1 mg/kg KG langsam i. v. (3–5 Min.); EKG-Monitor (z. B.
11 bei 70 kg ½–1 Amp.)! Nachinjektion frühestens 90–120 Min. nach Initial-
dosis.
– Erhaltungsdosis: Perfusor mit 2,5 Amp. à 20 ml (= 175 mg); Perfusorein-
stellung 3,4–8,5 ml/h (= 12–30 mg/h). Max. Tagesgesamtdosis: 280–
560 mg.
• P. o.: 3 × 150–300 mg/d.
Tipps & Tricks
• Kein Einsatz bei strukturellen Herzerkr. od. höhergradiger LV-Dysfunk-
tion.
• Praktisch keine Bedeutung mehr bei komplexen ventrikulären Arrhyth-
mien.
• Im Verlauf Kontrolle von PQ-, QRS- u. QT-Dauer. Bei QT-Verlänge-
rung > 125 % od. QRS-Verbreiterung > 125 % gegenüber dem Ausgangs-
wert absetzen.
• Kumulation bei Nieren- u. Leberinsuff.
• Vorsicht bei Schenkelblock.
• Mischung nur mit Glukose 5 %, bei NaCl 0,9 % erfolgt Ausfüllung.

11.6.8 Betablocker
(▶ 11.3.3).
In therap. Konz. keine eigene antiarrhythmische Wirkung. Haupteffekt: Suppres-
sion der katecholamininduzierten elektrophysiologischen Veränderungen. Un-
terschiede zwischen den Substanzen in Pharmakokinetik, Lipophilie, Kardiose-
lektivität, ISA (▶ 11.3.3) u. einer chinidinartigen Membraneigenschaft.

Wirkmechanismus
Betasympatholyse → neg. Chronotropie (HF ↓), neg. Dromotropie (Erregungslei-
tung ↓), neg. Inotropie (Kontraktilität ↓), O2- u. Substratverbrauch ↓, antihyper-
tensive Wirkung, lokalanästhetischer Effekt, kalziumantagonistische Wirkung,
antiarrhythmische Wirkung (Membraneffekt, „chinidinartig“ → Refraktärzeitver-
längerung). Sinusfrequenz ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit n, QRS-Dauer n,
QTc-Intervall n bis ↓.
• Therap. Wertigkeit: atrial +, AV-Knoten ++, akzessorische Bahn 0, ventriku-
lär (+).
• Kinetik: gute Resorption, Bioverfügbarkeit 20–50 % (Propranolol) bzw. 40–
50 % (Metoprolol), hoher First-Pass-Effekt, Eliminations-HWZ 3–6 h, nahezu
vollständige hepatische Metabolisierung u. anschließende renale Ausschei-
dung. Esmolol: HWZ 9 Min.
 11.6 Antiarrhythmika  587

Indikationen als Antiarrhythmikum


• Hyperadrenerge Stimulation: Sinustachykardie, SVES, VES.
• Hyperthyreose: Sinustachykardie, SVES, VHF, VES.
• KHK: VES, Prophylaxe des Reinfarkts.
• LGL-, WPW-Syndrom.
• QT-Syndrom.
• Arrhythmien beim MPS-Syndrom.
• Arrhythmien durch Digitalisglykoside.
• Alternative bei paroxysmalen SVT. 11
• Alternative bei Vorhofflimmern/-flattern.
• Komb.-Partner von Lidocain, Amiodaron.
Kontraindikationen, Interaktionen, Nebenwirkungen
▶ 11.3.3.
Dosierung
I. v. ▶ Tab. 11.19, p. o. ▶ 11.3.3.

Tab. 11.19 Betablocker – i. v. Dosierung


Präparat Darreichung I. v. Dosierung
Propranolol 1 Amp. à 1 ml 1 mg langsam i. v. (1–2 Min.) wiederholbar in
(Dociton®) = 1 mg 2–5-Min.-Abständen bis max. 4 mg. Max. 10 mg/d;
bei Narkose 5 mg/d
Metoprolol 1 Amp. à 5 ml 5 mg langsam i. v. (max 1 mg/Min.!), wiederholbar
(Beloc®) = 5 mg nach 10 Min. Max. 20 mg/d
Esmolol 1 Amp. à 10 ml 3–4 ml langsam i. v. Erhaltung: Perfusor mit 5 Amp.
(Brevibloc®) = 100 mg (= 500 mg/50 ml; 1 ml = 10 mg).
50–200 μg/kg KG/Min.; bei 70 kg 21–84 ml/h
Pindolol 1 Amp. à 2 ml 0,4 mg langsam i. v., wiederholbar (0,2 mg) nach
(Visken®) = 0,4 mg 10–20 Min.

Tipps & Tricks


• Zur Akutther. betablockerbedürftiger Rhythmusstörungen auf der In-
tensivstation ist Esmolol Mittel 1. Wahl.
• Trotz belegtem antiarrhythmischem Wert werden einfache od. komple-
xe ventrikuläre Arrhythmien nicht messbar beeinflusst.
• Dosisreduktion bei Nieren- u./od. Leberinsuff. (Atenolol).
• In der Schwangerschaft β1-selektive Betablocker bevorzugen (Metopro-
lol, Atenolol).
• Antidot: Atropin, Orciprenalin. Bei Hypotonie Adrenalin; bei ausge-
prägten kardialen NW Glukagon, β1-Sympathikomimetika; bei Atem-
wegsobstruktion Aminophyllin, β 2-Sympathikomimetikum.

11.6.9 Sotalol
Wirkmechanismus
Klasse-III-Antiarrhythmikum mit gleichzeitiger β1- u. β2-Blockierung wie bei
Klasse-II-Antiarrhythmika. Hemmung der Repolarisation wie bei Amiodaron
(▶ 11.6.10). Bes. wirksam am ischämischen Myokard.
588 11 Pharmakotherapie 

Sinusfrequenz ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer n, QTc-Intervall


n bis ↑.
• Therap. Wertigkeit: atrial ++, AV-Knoten ++, akzessorische Bahn ++, ven­
trikulär +++.
• Kinetik: sehr gute Resorption, Bioverfügbarkeit 90 %. Eliminations-HWZ
10 h, therap. Plasmaspiegel 1–4 μg/ml, renale Ausscheidung (75–90 %), kein
aktiver Metabolit.

11 Indikation
Paroxysmale SVT, Vorhofflimmern/-flattern, Präexzitationssy., VES, VT.
! Alternative zur Amiodaron-Ther., aber auf atrialem Niveau weniger wirksam.
Kontraindikationen
Wie bei Klasse-II-Antiarrhythmika. Außerdem alle Formen der QT-Verlänge-
rung (angeborenes od. erworbenes QT-Sy. ▶ 7.9.3). Allergie gegen Sotalol od. Sul-
fonamide. Hypokaliämie, Hypomagnesiämie.

Nebenwirkungen
Wie bei Klasse-II-Antiarrhythmika. Zusätzlich ventrikuläre Tachyarrhythmien
durch QT-Verlängerung (Torsade-de-pointes-Tachykardien), Allergie.

Interaktionen
Wie bei Klasse-II-Antiarrhythmika. Antiarrhythmika der Klassen IA, IC, II, IV
verstärken die Leitungsblockierung.

Dosierung
Z. B. Sotalex®, -mite, Darob®, -mite. 1 Amp. à 40 mg, 1 Tbl. à 160 mg bzw. 80 mg
(mite).
• I. v.: Initialdosis 20 mg (= ½ Amp.) über 5 Min., EKG-Monitor! Wdh. nach
20 Min. (erneut 20 mg i. v. mit 1 mg/Min.!). Max. 1,5 mg/kg KG (bei 70 kg
2,5 Amp.).
• P. o.: 3 × 80–160 mg/d.
Tipps & Tricks
• Vorsicht bei relevanter LVH, bei LV-Dysfunktion u. nach MI.
• Bei Hypokaliämie Gefahr von Torsade-de-pointes-Tachykardien.
• Schlecht steuerbar wegen langer HWZ, die v. a. von der Nierenfunktion
abhängt.
• Bei Komb. mit anderen Antiarrhythmika (IA, IC) engmaschige klinische
u. EKG-Kontrollen, wegen der leitungsverzögernden Eigenschaft → hö-
hergradige AV-Leitungsstörungen möglich.
• Der Einsatz von Sotalol muss wie bei jedem Antiarrhythmikum kritisch
erfolgen. Proarrhythmien treten in bis zu 10 %, Torsade-de-pointes-Ta-
chykardien in 2,5 % auf! Risiko der Proarrhythmie bei Überdosierung
mit Bradykardie, Niereninsuff., E‘lytstörung (K+ ↓, Mg2+ ↓), QT-Ver-
längerung, strukturellen Herzerkr.
• Nur noch selten bei ventrikulären Arrhythmien eingesetzt, zunehmende
Zurückhaltung auch bei supraventrikulären Arrhythmien, inklusive
VHF (NW-Rate in der Vergangenheit wohl unterschätzt).
 11.6 Antiarrhythmika  589

11.6.10 Amiodaron
Wirkmechanismus
Klasse-III-Antiarrhythmikum mit nicht kompetitiver Alpha- u. Betarezeptorenblo-
ckade. Intervalle der AV-Leitung (AH- u. HV-Intervall) u. effektive Refraktärperio-
den von Atrium, AV-Knoten u. Ventrikel nehmen zu. Sinusknotendepression.
Sinusfrequenz ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit ↑, QRS-Dauer n bis ↑, QTc-
Intervall ↑.
• Therap. Wertigkeit: atrial +++, AV-Knoten ++, akzessorische Bahn +++, 11
ventrikulär +++.
• Kinetik: enterale Resorption zu 50 %, Bioverfügbarkeit 50 % (schwankt indi-
viduell sehr stark), hohe Plasmaeiweißbindung, hohe Fettlöslichkeit, Elimina-
tions-HWZ bei Dauerther. 1–3 Mon., Wirkungseintritt nach 4–6 Tagen, the-
rap. Plasmaspiegel 0,5–3 mg/l (0,8–4,7 μmol/l). Bestimmung erst nach
4–6 Mon. sinnvoll. Metabolisierung in der Leber zu aktiven Metaboliten in
90 %, enterohepatischer Kreislauf, renale Elimination in 10 %.

Indikation
• Akutther.: Mittel 1. Wahl bei therapierefraktärem (trotz Defibrillation u. Ad-
renalingabe) Kammerflimmern od. pulsloser VT, Mittel 1. Wahl bei hämody-
namisch stabiler VT, therapierefraktären supraventrikulären Tachyarrhyth-
mien u. markanter systol. LV-Dysfunktion.
• Dauerther.: therapieresistente supraventrikuläre u. ventrikuläre Arrhythmien.
Trotz erheblicher (v. a.) extrakardialer NW u. nicht kalkulierbarer Pharmako-
kinetik bei markanter systol. LV-Dysfunktion (EF < 35 %) Mittel der Wahl.
! Amiodaron ist nach wie vor ein Reserveantiarrhythmikum. Nach Studienda-
ten (BASIS, CAMIAT, EMIAT, AVID) ist eine geringere Gefährdung durch
einen plötzlichen Herztod nach akutem MI zu erwarten. Sorgfältig überwach-
te zusätzliche Betablockerther. (z. B. Metoprolol) scheint Effizienz des Amio-
darons nach MI zu erhöhen.

Kontraindikationen
• Kardial: Sinusknotensy., AV-Block II° u. III°.
• Extrakardial: Schilddrüsenerkr., insbes. latente od. manifeste Hyperthyreose
u. Schilddrüsenkarzinom. Lungenerkr., Jodallergie, Frauen im gebärfähigen
Alter, Schwangerschaft, gleichzeitige Behandlung mit MAO-Hemmern.
! Keine Amiodaron-Ther. bei ungeklärter Schilddrüsenfunktion. Amiodaron
enthält sehr viel Jod (1 Amp. 56 mg organisch gebundenes Jod, 1 Tbl. 74 mg
Jod) → Hyperthyreose!

Nebenwirkungen
Schwere NW in 10 % aller Behandlungsfälle!
• Kardial: alle bradykarden Rhythmusformen, Torsade-de-pointes-Tachykar-
dien, Hypotonie.
• Extrakardial: Hyper-, Hypothyreose, Lungenfibrose, Hornhautablagerungen
(reversibel in > 6 Mon.), Photosensibilisierung (Hyperpigmentierung, Erythe-
ma nodosum, Sonnenbrandneigung), gastrointestinale Störungen (cholestati-
sche Hepatose, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation), ZNS-Störungen (Kopf-
schmerzen, Schlafstörungen, Albträume, Tremor, Ataxie, periphere Neuropa-
thie, Muskelschwäche).
590 11 Pharmakotherapie 

Interaktionen
Wirkungsverstärkung von Digoxin, Flecainid, Phenytoin, Kumarin, Betablo-
ckern, Ciclosporin u. Kalziumantagonisten. Unter Simvastatin erhöhtes Risiko für
Myopathien/Rhabdomyolyse. Bei i. v. Gabe nicht mit anderen Medikamenten mi-
schen; nur in Glukose 5 %! Venenreizung bei i. v. Gabe (besser: ZVK).

Dosierung
Z. B. Cordarex® Amp. à 3 ml (= 150 mg), Tbl. à 200 mg.
11 • I. v.:
– Initialdosis: 5 mg/kg KG als Kurzinfusion über 3 Min., Wdh. nach frühestens
15 Min., od. 300 mg (2 Amp. à 150 mg) in 250 ml Glukose 5 % über > 20 Min.
– Erhaltungsdosis: 10–20 mg/kg KG über 24 h (bei 70 kg 700–1.400 mg/d).
4 Amp. à 150 mg in 500 ml Glukose 5 %, Infusionsgeschwindigkeit 24 ml/h
über 24 h.
• P. o.:
– Sättigungsdosis: 600–1.000 mg/d über 1–2 (3) Wo. bis zur Gesamtdosis
von ca. 13 g Amiodaron.
– Erhaltungsdosis: 1 × 200–400 mg/d.

Tipps & Tricks


• Vor Ther.: Schilddrüsen-, Lungenfunktion (Diffusionskapazität), augen-
ärztliches Konsil, Pat. informieren.
• Low-T3-High-T4-Sy. typisch: T3 niedrig, T4 u. rT3 hoch. Klassische Low-T3-
Sy. (das z. B. bei schweren Allgemeinerkr. auftritt): erniedrigtes T3 u. niedrig
normales bzw. erniedrigtes T4 (Low-T3-Low-T4-Sy.). Diese Laborkonstella-
tion nicht mit Veränderungen unter Amiodaron (hohes T4) verwechseln.
• Wegen extrem langer HWZ schlechte Steuerbarkeit. Rückbildung der
NW nur sehr langsam nach Dosisreduktion od. Absetzen.
• Potenter Lichtschutz bei Aufenthalt in der Sonne erforderlich.
• Bei dekompensierter Schilddrüsenfunktion, peripherer Neuropathie od.
Verschlechterung der Lufu absetzen.
• Eine Hyperthyreose unter Amiodaron muss in fachendokrinologische
Betreuung!
• Beschleunigte Elimination durch Cholestyramin (Unterbrechung des
enterohepatischen Kreislaufs).
• Vorsicht bei Komb. mit Klasse-IA-, -IC-, -II-, -IV-Antiarrhythmika
(Leitungsblockierungen).
• Vorsicht bei Aufsättigung (tägliche EKG-Kontrolle: QT-Zeit!).
• Kein Einsatz bei QT-Syndrom.
• Keine Mischung mit anderen Medikamenten (nur in Glukose 5 % lösen).
• Amiodaron-Plasmaspiegel nicht zum Wirkungsnachweis geeignet, Spie-
gel korreliert weder mit Verträglichkeit noch mit klinischer Wirksamkeit.

11.6.11 Dronedaron
Wirkmechanismus
• Nichtjodierter Amiodaronabkömmling, keine Schilddrüsen-NW.
• Blockade von Na+-, K+- Ca2+-Kanälen („multi channel blocker“), antiad-
renerg wirksam (= elektrophysiologische Effekte aller 4-Vaughan-Williams-
Klassen, streng genommen ein nichtklassifizierbares Antiarrhythmikum).
 11.6 Antiarrhythmika  591

• Kinetik: Bioverfügbarkeit 15 %, gute Resorption (70 %), First-Pass-Metabolis-


mus, HWZ 25–30 h. Elimination < 10 % renal, > 80 % über Faeces, Metaboli-
sierung über CYP3A4, deshalb sind zahlreiche Interaktionen möglich
(10–30 % aktive Metaboliten).

Indikation
Rezidivprophylaxe nach Rhythmuskonversion bei nichtpermanentem VHF bei
klinisch stabilen Erw., d. h. keine Herzinsuff. NYHA III od. IV. Kein Einsatz nur
zur Frequenzreduktion bei permanentem od. persistierendem VHF. 11
Kontraindikationen
• Bradykardie < 50/Min.
• Herzinsuff. EF < 35 %.
• Hämodynamisch instabile Pat., einschließlich Pat. mit Herzinsuff. NYHA III
od. IV.
• Entwicklung od. Verschlechterung einer Herzinsuff. unter Ther.: Ther.-Ab-
bruch.
• Überempfindlichkeit.
• AV-Block, Sinusknotensy., QT-Verlängerung.
• Schwere Leber- u. Nierenfunktionsstörung.
• Schwangerschaft, Stillzeit.
Nebenwirkungen
• Herzinsuff.,
• Sinusbradykardie, AV-Block,
• gastrointestinale Symptome,
• Leberwerterhöhung, selten akutes Leberversagen (dennoch Leberwertkon­
trollen unter Ther.!),
• Hornhautablagerungen (Rückbildung 6–12 Mon. nach Absetzen),
• Geschmacksstörung,
• Allergie.
Interaktionen
Gleichzeitige Einnahme von CYP3A4-Substraten (Ketoconazol, Itraconazol, Flu-
conazol, Clarithromycin, Ciclosporin, Ritonavir, Phenothiazine, trizykl. Antide-
pressiva, Grapefruitsaft): Dronedaronwirkung ↑.

Dosierung
Multaq®, Tbl. à 400 mg.
2 × 400 mg/d p. o.

Tipps & Tricks


! Bei Pat. mit Herzinsuff. NYHA III–IV verschlechtert Dronedaron die
Symptomatik, erhöht die Mortalität u. ist kontraindiziert!
• INR bei antikoagulierten Pat. nach Initiierung von Dronedaron engma-
schig überwachen.
• Im Vergleich zu Amiodaron verhindert Dronedaron Rezidive eines
VHF deutlich schlechter.
• Gegenüber Placebo senkt Dronedaron die Rezidivrate von VHF. Keine
Reduktion von Mortalität u. kardialer Ereignisrate.
592 11 Pharmakotherapie 

• Unter den NW dominieren Übelkeit, Durchfall u. Hautreaktionen. Häu-


fig sind auch Bradykardie, QT-Verlängerung u. Krea-Anstieg. Gegen-
über Amiodaron treten relevante NW insgesamt gleich häufig, Schild-
drüsenfunktionsstörungen u. neurol. Symptome seltener u. Magen-
Darm-Beschwerden häufiger auf. Eine bes. Häufung an Medikamenten-
interaktionen ist zu erwarten.
• Aufgrund der aktuellen Datenlage besteht keine Ind. für diese teure
11 Amiodaronvariante (Reservemedikament mit Nischenind.).

11.6.12 Verapamil
▶ 11.5.
Wirkmechanismus
Hemmung langsamer Aktionspotenziale, die physiologisch im Sinus- u. AV-Kno-
ten u. unter pathologischen Bedingungen im hypoxischen Myokard vorkommen →
Suppression von Ektopien (Hemmung der Spontanentladungen von SM-Zellen) u.
Tachyarrhythmien vom Reentry-Typ. Zunahme der AH- bei unveränderter HV-
Zeit, Zunahme der effektiven Refraktärperiode des AV-Knotens bei unveränderter
atrialer u. ventrikulärer Refraktärperiode. Beeinflussung (Depression) der sinuatria-
len Strukturen beim Sinusknotensy., beim Gesunden nur gering ausgeprägt. Neg.
Inotropie u. Vasodilatation (teils bedrohliche RR-Abfälle möglich). Sinusfrequenz n
bis ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit n, QRS-Dauer n, QTc-Intervall n.
• Therap. Wertigkeit: atrial 0, AV-Knoten +++, akzessorische Bahn 0, ventri-
kulär 0.
• Kinetik: gute Resorption, Bioverfügbarkeit sehr variabel 10–40 % (im Mittel
um 20 %, bei Dauerther. bis 50 %), sehr hoher First-Pass-Effekt! Hohe Plas-
maeiweißbindung, Eliminations-HWZ 4,5 h, bei Dauerther. bis 12 h, Meta-
bolisierung nahezu vollständig hepatisch (95 %), sehr geringe renale Aus-
scheidung in unveränderter Form, aktiver Metabolit möglich.

Indikationen
Paroxysmale SVT (AV-junktionale Reentry-Tachykardien), Vorhofflimmern,
-flattern (Ziel: Verminderung der Ventrikelfrequenz, atriale Arrhythmie selbst
wird kaum beeinflusst).

Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Interaktionen


▶ 11.5.
Dosierung
Z. B. Isoptin® Amp. à 2 ml = 5 mg. Amp. à 20 ml = 50 mg. Tbl. à 40, 80, 120 od.
240 mg.
• I. v.:
– Akutther.: 1 Amp. (= 5 mg) über 3–5 Min. i. v. EKG-Monitor! Nach
10 Min. Wdh. möglich.
– Erhaltungsdosis: 2 Amp. à 20 ml (= 100 mg) auf 50 ml NaCl. Perfusorein-
stellung 2–5 ml/h (= 4–10 mg/h). Maximaldosis 5 ml/h (= 10 mg/h). Max.
50–150 mg/d.
• P. o.: 3 × 40–80–120 mg/d.
 11.6 Antiarrhythmika  593

Tipps & Tricks


• Nur geringe Wirkung auf Sinustachykardie.
• Dosisreduktion bei Leberinsuff.
• Kein Einsatz bei WPW mit Vorhofflimmern/-flattern: Gefahr der
schnellen antegraden Überleitung via akzessorische Bahn.

11.6.13 Diltiazem 11
Wirkmechanismus
Wie Verapamil. Wirkung auf AV-Knoten geringer ausgeprägt (AH-Zeit ↑, effek-
tive Refraktärperiode des AV-Knotens ↑), geringere neg. Inotropie, ausgeprägtere
Vasodilatation. Keine relevante Wirkung auf His-Purkinje-System u. Ventrikel-
myokard. Sinusfrequenz n bis ↓, PQ-Zeit ↑, AH-Zeit ↑, HV-Zeit n, QRS-Dauer
n, QTc-Intervall n.
• Therap. Wertigkeit: atrial 0, AV-Knoten +++, akzessorische Bahn 0, ventri-
kulär 0.
• Kinetik: gute Resorption, ausgeprägter First-Pass-Effekt, Bioverfügbarkeit
50 %. Hohe Plasmaeiweißbindung, Eliminations-HWZ 4–8 h, therap. Plasma-
spiegel 0,1–0,4 μg/ml, Metabolisierung nahezu vollständig hepatisch (95 %),
sehr geringe renale Ausscheidung in unveränderter Form, Elimination zu
60 % über Faeces, zu 40 % über Nieren, aktiver Metabolit.

Indikation
Wie Verapamil. Tachykarde Vorhofrhythmusstörungen mit schneller AV-Über-
leitung (AV-Knoten-Reentry-Tachykardie, Vorhoftachykardie mit Block, Vor-
hofflimmern, -flattern). Zusätzliche Ind. als Antianginosum u. Antihypertensi-
vum (▶ 11.5).

Kontraindikationen, Interaktionen, Nebenwirkungen


▶ 11.5.
Dosierung
Z. B. Dilzem®, -retard. Amp. à 5 ml = 25 mg. Tbl. à 60 mg (-retard 90/120/180 mg).
• I. v.: Initialdosis 12,5–25 mg; Erhaltungsdosis Perfusor 100 mg/50 ml, Perfusor­
einstellung: 6–30 ml/h, Tagesdosis 150–250 mg.
• P. o.: 3 × 60–120 mg/d.
Tipps & Tricks
• Dosisreduktion bei schwerwiegenden Störungen der Ventrikelfunktion.
• Kein Einsatz beim WPW-Sy. mit kurzer Refraktärzeit des akzessori-
schen Bündels.

11.6.14 Adenosin
Wirkmechanismus
Neg. dromotrop am AV-Knoten (kurzfristige Blockierung der AV-nodalen Über-
leitung → Terminierung einer AV-nodalen Tachykardie, wenn AV-Knoten in
594 11 Pharmakotherapie 

Reentry mit einbezogen ist: Blockierung der antegrad leitenden langsamen Bahn),
neg. chronotrop am Sinusknoten.
• Therap. Wertigkeit: AV-Knoten +++.
• Kinetik: nur i. v. Anwendung, dosisabhängie Wirkung mit Wirkmaximum
nach 10–30 s. HWZ < 10 s. Metabolisierung durch Phosphorylierung in Ery-
throzyten od. Endothelzellen.

Indikationen
11 • Paroxysmale AV-Reentry-Tachykardien unter Einbezug des AV-Knotens in
Reentry-Kreis. Mittel der Wahl bei regelmäßigen SVT.
• Adenosin zur Rhythmus-DD:
– Bei SVT kann durch eine kurz dauernde AV-Blockierung die zugrunde
liegende Arrhythmie identifiziert werden. Eine AV-Knoten-Reentry-Ta-
chykardie wird terminiert, Vorhoftachykardie, -flattern od. -flimmern
wird demaskiert.
– Unterscheidung zwischen SVT mit Aberration u. VT (Ausnahme: atriale
Tachyarrhythmien mit antegrader Leitung über akzessorische Bahn).
– Zur Diagn. u. Verlaufskontrolle nach Ablation bei Präexzitationssyndrom.

Kontraindikationen
• Absolute KI: AV-Block u. Sinusknotensy. (ohne antibradykarden Schutz
durch SM), Vorhofflimmern/-flattern mit Präexzitation, Asthma bronchiale
(Risiko des Bronchospasmus), QT-Verlängerung.
• Rel. KI: dekompensierte Herzinsuff., instabile A. p., kürzlich durchgemachter
MI, schwere Hypertonie, Schlafapnoe-Sy., Li-re-Shunt, bei gleichzeitiger Be-
handlung mit Dipyridamol. In der Schwangerschaft nur bei vitaler Indikati-
on. Ungenügende Erfahrung bei Kindern.

Nebenwirkungen
Vorübergehend, Maximum nach 30 s, Verschwinden nach 1–2 Min., dosisabhängig!
• Kardial: AV-nodaler Block (erwünscht), Bradykardien als Sinusbradykardie,
kurzfristiger Sinusarrest (atropinrefraktär!).
• Extrakardial: Wärmegefühl (Flush), thorakales Beklemmungsgefühl, Kopf-
schmerzen, Husten; selten: Bronchospasmus, Hypotonie.
• Intoxikationen meist selbstlimitierend, da kurze HWZ. Antidot: Theophyllin.
Atropin ohne Effekt!

Interaktionen
Dipyridamol (verstärkt Adenosinwirkung), Theophyllin u. andere Xanthinderiva-
te (ausgeprägte Wirkungsabschwächung von Adenosin), Interaktion mit Medika-
menten, die die AV-Überleitung beeinflussen (Betablocker, Verapamil, Digitalis).

Dosierung
Adrekar®, Injektionsflasche mit 2 ml (6 mg).
Initialdosis 3 mg (erfolgreich in 35 %), bei Nichtsistieren der Tachykardie nach
1–2 Min. weitere 6 mg (erfolgreich in 65 %), evtl. weitere Dosen (9, 12 mg) nach
1–2 Min. (erfolgreich in 80 bzw. 90 %).
! Anwendung nur unter intensivmedizinischen Bedingungen u. den Möglich-
keiten der CPR; kontinuierliche EKG-Kontrolle!
! Wichtig für Wirkung: schnelle Injektion (2 s) in große Vene, nach jeder Dosis
mit physiologischer NaCl-Lsg. nachspülen.
 11.6 Antiarrhythmika  595

Tipps & Tricks


• Kurzzeitige, reversible AV-Blockierung mit hoher Spezifität, kurzer
Wirkdauer u. geringen NW.
• Wiederauftreten der AV-Knoten-Tachykardie nach Adenosin häufiger
als nach Verapamil.
• Vorsicht bei Vorhofflimmern/-flattern u. WPW: nach Adenosin Blo-
ckierung der AV-Leitung u. ausschließlich schnelle Leitung über akzes-
sorisches Bündel. 11
• Kein klinisch bedeutsamer Effekt auf RR bei i. v. Bolusgabe.
• Erhöhte kardiale Empfindlichkeit gegenüber Adenosin bei Herztrans-
plantierten.
• Antidot: Theophyllin, Atropin ohne Effekt!

11.6.15 Magnesium
Wirkmechanismus
Bei parenteraler Gabe sind SKEZ, AV-Überleitungszeit u. Refraktärzeit des AV-
Knotens gering verlängert. QRS-Dauer kann evtl. zunehmen. Effekte gleichen den
Wirkungen von Verapamil („physiologischer Ca2+-Antagonist“).
Weitere kardiale Effekte: Abnahme der Häufigkeit des frühen ischämiebeding-
ten Kammerflimmerns, Verhinderung von Reperfusionsarrhythmien, Vermin-
derung ventrikulärer Arrhythmien beim akuten MI u. digitalogener Arrhyth-
mien.

Indikationen
• Mittel der Wahl bei Torsade-de-pointes-Tachykardien, v. a. unter Antiar-
rhythmikather. mit QT-Verlängerung.
• Ventrikuläre Tachyarrhythmien bei Mg2+-Mangel u. bei
Digitalisüberdosierung/-intoxikation.
• Multifokale atriale Tachykardie.
• Weitere Einsatzgebiete, bei denen ein therap. Wert möglich, jedoch wissen-
schaftlich nicht ausreichend gesichert ist:
– Ventrikuläre Tachyarrhythmien beim transmuralen MI.
– Ventrikuläre Tachyarrhythmien bei Antiarrhythmikather. (ohne Torsade-
de-pointes-Tachykardie).
• VHF mit nachgewiesener Hypomagnesiämie.
Kontraindikationen
Myasthenia gravis.

Nebenwirkungen
AV-Leitungsstörungen, Sinusbradykardie, periphere Vasodilatation.

Interaktionen
Wirkungsabschwächung durch i. v. Kalziumgabe.

Dosierung
Z. B. Magnesium Verla® (Magnesiumhydrogenaspartat) Kautbl. od. Magnesium
Verla N® Btl. = 121,5 mg Mg2+ = 5 mmol. Magnorbin® (Magnesiumascorbat)
596 11 Pharmakotherapie 

Amp. à 5 ml 10-prozentig (= 0,5 g) = 32,5 mg Mg2+ = 1,34 mmol Mg2+. Amp. à 5 ml


20-prozentig (= 1,0 g) = 65,0 mg Mg2+ = 2,68 mmol Mg2+.
• I. v.: bei Torsade-de-pointes-Tachykardien. Bolus 2 g in 1–5 Min.; weiterer
Bolus von 2 g nach 5–15 Min.; anschließend Perfusorther. 2–20 mg/Min. Al-
ternativ Perfusorther. mit 50 mg/Min. über 2 h = 6 g/2 h.
• P. o.: bei Mangelzuständen initial 3 × 300 mg/d, Erhaltungsdosis
1 × 300 mg/d.

11 Tipps & Tricks


• Beeinflussung von Arrhythmien durch Mg2+ ist kein Beweis, dass Mg2+-
Mangel Ursache der Arrhythmien ist!
• Chron. intrazellulärer Mg2+-Mangel ist bei normalen Plasmaspiegeln
nicht ausgeschlossen (gleiche Problematik wie bei K+).
• Magnesiumaspartat bevorzugen (günstigere Bioverfügbarkeit u. Ver-
träglichkeit).
• Mg2+-Mangelzustände: einseitige Ernährung (parenterale Ernährung,
Alkoholismus), verminderte Resorption (chron. Diarrhö), vermehrter
Bedarf (Sport, Schwangerschaft), vermehrte Ausscheidung (Diuretika,
Cisplatin, Ciclosporin A, Aminoglykoside, polyurische Zustände).
• Antidot: Kalzium i. v.

11.6.16 Atropin, Ipratropiumbromid
Wirkmechanismus
Parasympathikolytikum (Vagolytikum), kompetitiver Antagonist des Acetylcho-
lins mit Überwiegen des Sympathikotonus: Sinusfrequenz ↑, AV-Leitung geför-
dert, His-Purkinje-System wird nicht beeinflusst. Extrakardiale Wirkungen: Ge-
fäßerweiterung, Hemmung von Speichel- u. Magensaftsekretion, Magenmotilität,
Spasmolyse, Harnblasenatonie, Bronchospasmolyse, Hemmung der bronchialen
Sekretion, Pupillenerweiterung, Augeninnendruck ↑, zentralnervöse Erregung.
Ipratropiumbromid (quartäre Ammoniumverbindung) besitzt keine ZNS-Gän-
gigkeit u. damit keine zentralnervöse NW.
• Therap. Wertigkeit: Sinusknoten +++, AV-Leitung ++.
• Kinetik: Wirkungseintritt nach i. v. Gabe innerhalb von 30 s, Wirkmaximum
nach 3–5 Min., Wirkdauer 30–120 Min. Ipratropiumbromid wird zu 30 % re-
sorbiert, max. Plasmakonz. nach 2–5 h, zu 50–70 % metabolisiert, ca. 25 % (bei
Atropin 50 %) renal eliminiert. Eliminations-HWZ 3–4 h. Wirkdauer 2–4 h.

Indikationen
Vagal bedingte Sinusbradykardien (Sinusbradykardien, -arrest), AV-Leitungsstö-
rungen. HWI mit Sinusbradykardien/AV-Leitungsstörungen zur Behebung tran-
sienter Bradyarrhythmien.
! Bei VWI u. Bradyarrhythmien Atropin meist ineffektiv (schwerwiegende, an-
haltende Leitungsstörungen durch strukturelle Läsionen).

Kontraindikationen
Bei bedrohlicher Rhythmusstörung keine absolute KI. KI für orale Dauerther.:
Glaukom, Prostatahypertrophie, Stenosen des Magen-Darm-Trakts, Frühschwan-
gerschaft. Vorsicht bei AV-Blockierungen II° Typ Mobitz: hier häufig infranodale
Leitungsblockierung. Bei Steigerung der Sinusfrequenz durch Atropin droht Zu-
 11.6 Antiarrhythmika  597

nahme der AV-Blockierung mit kritischer Bradykardie der Kammern → kein At-
ropin bei AV-Leitungsstörungen, die nicht sicher vagal induziert sind!

Nebenwirkungen
• Kardial: SVT u. VT, selten Kammerflimmern.
• Extrakardial: Mundtrockenheit, Obstipation, Sehstörungen, Miktionsstörun-
gen, Glaukomanfall, Hitzegefühl, zentralnervöse Erregung, Halluzinationen,
Fieber.
11
Interaktionen
Wirkungsverstärkung aller anticholinerg wirkenden Medikamente: Antihist­
aminika, Chinidin, trizyklische Antidepressiva, Antiparkinsonmittel.

Dosierung
Atropinsulfat, 1 Amp. à 1 ml = 0,5 mg. Z. B. Itrop® (Ipratropiumbromid), Tbl.
= 10 mg.
• I. v.: Initial 1–2 Amp. (0,5–1,0 mg) i. v., Wdh. nach 3–5 Min.
• P. o.: 2–3 × 1–2 Tbl./d.
! Bei Gabe von 0,04 mg/kg KG i. v. vollständige Blockade aller Vagusaktivitäten
des Herzens (2 mg bei 50 kg KG).
! Antidot bei Überdosierung od. Intoxikation: Parasympathikomimetika (Phy-
sostigmin 0,01–0,05 mg/kg KG langsam i. v.) od. Sympathikomimetikum
(▶ 11.1.2).

Tipps & Tricks


• Ungeeignet zur Langzeitther. bradykarder Herzrhythmusstörungen
(kurze Wirkdauer, gravierende extrakardiale NW); gilt auch für Ipratro-
piumbromid.
• Ansprechen („Wirkstärke“) individuell außerordentlich unterschiedlich.
• Bei i. v. Gabe ist eine initiale Bradykardie über wenige Minuten möglich.
Kurze Bradykardie v. a. nach niedriger Dosis (0,4–0,6 mg), in hoher Do-
sis HF-Zunahme in Abhängigkeit vom Vagotonus.
• Keine routinemäßige Gabe bei CPR mit Asystolie od. PEA.

11.6.17 Orciprenalin
Wirkmechanismus
Betasympathikomimetikum (β1 u. β2), Wirk-HWZ 1,5 h. Impulsbildung des Si-
nusknotens ↑, Erregungsleitung in Vorhof, AV-Knoten u. His-Purkinje-System
↑, Erregbarkeit heterotoper Automatiezentren ↑, pos. inotrop, myokardialer O2-
Verbrauch ↑.

Indikation
In Ausnahmefällen (off-label) Überbrückung des Intervalls bis zur elektrischen
SM-Ther. bei akuten, symptomatischen Erregungsleitungs- u. Reizbildungsstö-
rungen (partieller od. totaler AV-Block, Sinusbradykardie, zur Akzeleration pri-
märer, sek.r od. tertiärer Ersatzzentren). Antidot bei Intoxikation mit Betablo-
cker. Alternativ Isoprenalin (Aludrin®).
! Orale Dauerther. ist obsolet!
598 11 Pharmakotherapie 

Kontraindikationen
HOCM, Asthma bronchiale.

Nebenwirkungen
• V. a. bei KHK ist mit unerwünschten NW zu rechnen (Ischämie, arrhythmo-
gene Effekte).
• Kardial: alle Formen der Extrasystolie, Tachyarrhythmien bis Kammerflim-
mern.
11 • Extrakardial: RR-Abfall, Unruhe, Tremor, Kopfschmerz, Psychosy., Parästhe-
sien, Übelkeit, Mundtrockenheit.

Interaktionen
Wirkungsabschwächung von Antidiabetika.

Dosierung
Z. B. Alupent® 1 Amp. à 1 ml = 0,5 mg. 1 Amp. à 10 ml = 5 mg.
• I. v.: 1 Amp. à 0,5 mg in 10 ml 0,9-prozentiger NaCl-Lsg., Gabe von 2,5–5–
10 ml, ggf. wiederholen.
• Perfusor: 1 Amp. à 5 mg (10 ml) auf 50 ml 0,9-prozentige NaCl-Lsg., Perfusor­
einstellung 6–18 ml/h (10–30 μg/Min.), Dosis nach erzielter Frequenz.
• Auch s. c. od. i. m. Gabe möglich, z. B. ½–1 Amp. à 0,5 mg.
Antidot bei Überdosierung: Betablocker.

11.7 Antikoagulanzien
11.7.1 Heparin (unfraktioniert)
Wirkmechanismus
Aktiviert Antithrombin III (AT III), das die Umsetzung von Prothrombin zu
Thrombin (Anti-Faktor-Xa-Aktivität) sowie von Fibrinogen zu Fibrin hemmt.
Außerdem werden die Faktoren V, IX, XI u. XII gehemmt.
Pharmakokinetik: HWZ 1–2,5 h.

Indikationen
Kardiologische Indikationen
• Nach Klappenersatz-OP vor Einleitung einer Kumarinther.: i. v., high dose.
• Ausgedehnter VWI mit Aneurysma: geringere Inzidenz von Herzwand-
thromben i. v., high dose.
• MI-Lyse: bei t-PA Heparin i. v., high dose parallel geben; bei Streptokinase
nach Abschluss der Lyse. Bei Urokinase unklar, parallel zur Lyse wahrschein-
lich am günstigsten.
• Antikoagulation bei schwangeren Kunstklappenträgerinnen (s. c., high dose).
• Zu Beginn einer Kumarinther. überlappend, um „Marcumar®-Nekrosen“ zu
vermeiden.
• Vor u. nach Kardioversion eines VHF.
• Apoplex u. VHF: bei echokardiografisch nachgewiesenen Vorhofthromben
(▶ 7.7.6), deutlicher Ventrikelhypertrophie, sehr großem LA, MS.
 11.7 Antikoagulanzien  599

• Kunstklappenträger (▶ 4.21).
Indikation mit Vorbehalt
Eine Heparinisierung ist allgemein üblich, der Nutzen aber nicht erwiesen.
• MI ohne Lysether.: statistisch geringer Nutzen, vermutlich nicht höher als
ASS allein.
• Instabile A. p.: senkt Infarktinzidenz, allerdings nicht besser als ASS. Komb.-
Ther. (Heparin u. ASS) steigert Blutungsinzidenz. Bei Heparingabe ohne ASS
nach dem Absetzen Zunahme der A. p. möglich. 11
• Nach PCI-Ther. nach Maßgabe des Operateurs.
Kontraindikationen
• Erhöhte Blutungsbereitschaft:
– schwere Thrombozytopenie,
– hämorrhagische Diathese (außer Verbrauchskoagulopathie),
– schwere Leber-, Niereninsuff.,
• unkontrollierte Hypertonie,
• floride Endokarditis,
• diabetische Retinopathie mit Fundusblutungen,
• ZNS-Trauma od. -OP,
• Aktive Blutungen, Trauma, OP od. Interventionen mit erhöhter Blutungsge-
fahr.

Nebenwirkungen
Blutungen, Haarausfall, bei langfristiger Gabe Osteoporose, selten Hepatitis, häu-
fig geringer reversibler Transaminasenanstieg, Priapismus. Bei Niereninsuff. Do-
sis reduzieren.

Heparininduzierte Thrombopenie (HIT)


• Typ I: In 10–25 % 1–4 Tage nach Ther.-Beginn, mäßige Thrombopenie,
selten < 100.000/μl, nicht immunologisch vermittelt, keine KO, kein Ab-
setzen des Heparins erforderlich, spontane Normalisierung, reversibel.
• Typ II: In 0,1–3 %, AK-vermittelt. Beginn nach ca. 5–20 Tagen, nach zu-
rückliegender Heparinexposition eher. Plötzlich, ausgeprägt, oft von ve-
nöser od. art. Thrombenbildung begleitet („white clot syndrome“).
Thrombo-Abfall > 50 % des Ausgangswerts, oft um 40–60.000/μl, AK-
Nachweis möglich. Heparin sofort absetzen, Normalisierung nach
7–10 Tagen. Weitere Antikoagulation dringend erforderlich, auf Orga-
ran® umstellen. Alternativ Hirudin i. v. (deutlich teurer; problematisch
bei Niereninsuff.).

Interaktionen
Wirkungsabschwächung von Dobutamin, Dopexamin, Nitraten, t-PA; kein ge-
meinsamer venöser Zugang! Heparin schwächt Wirkung von Glyzeroltrinitrat ab.

Dosierung
Z. B. Liquemin N® (Heparin-Natrium vom Schwein) 5.000/7.500 IE (0,5/0,375 ml)
Amp. od. Fertigspritze. Z. B. Liquemin N® Amp. à 5 ml (= 25.000 IE), Perfusor:
z. B. 10.000 IE/50 ml (1 ml = 200 IE).
600 11 Pharmakotherapie 

• I. v. high dose: initial 5.000–10.000 IE i. v., dann je nach Körpermasse u.


Nierenfunktion 600–2.000 IE/h. Perfusor 3–10 ml/h (meist ca. 5 ml/h). Do-
sis nach PTT anpassen. Ziel: ca. 1,5–2,5-facher oberer Normbereich der
PTT.
• I. v. low dose: ca. 400 IE/h i. v.: Perfusor 2 ml/h.
• S. c. low dose: 2 × 7.500 IE s. c.
• S. c. high dose: 3 × 10.000 IE s. c., Dosisanpassung nach PTT.
11 Therapie der Heparinüberdosierung
• Überdosierung (z. B. falsche Infusionsgeschwindigkeit) bei nicht bes.
blutungsgefährdeten Pat. od. nur geringer Blutung: zunächst keine
Ther., Pat. überwachen (Wirkdauer < 3 h).
• Bei gefährdeten Pat. (z. B. aktive Colitis ulcerosa), schwerer Blutung od.
nicht aufschiebbaren Eingriffen: z. B. Protamin (Protamin 1.000 Roche®
Amp. à 5 ml). 1 ml antagonisiert 1.000 IE Heparin. 1 Amp. in 100 ml
NaCl 0,9 % als Kurzinfusion (genügt meist), anschließend Gerinnungs-
kontrolle, ggf. wiederholen.

Tipps & Tricks


• Immer BB 1 Wo. nach Beginn der Heparinther.: Thrombopenie?
• Überdosierung von Protamin vermeiden, wirkt selbst gerinnungshem-
mend.
• In Studien ist UFH NMH teilweise unterlegen. Ursache ist vermutlich
oft die falsche Dos.: V. a. anfangs 2×/d PTT kontrollieren.

11.7.2 Niedermolekulare Heparine
Wirkmechanismus
Wirkt neben der Aktivierung von AT III direkt über die Hemmung von Faktor X.
Gerinnungshemmende Wirkung in den Standardgerinnungstests schlecht erfasst,
PTT erst bei hoher Dos. verlängert. Der korrektere Anti-Faktor-Xa-Test steht sel-
ten zur Verfügung. NMH werden weniger als UFH von Proteinen gebunden (z. B.
Plättchenfaktor 4), daher ist ihre Wirkung zuverlässiger, die Bioverfügbarkeit hö-
her, ihre HWZ etwa doppelt so lang, ca. 3–4 h. Die gerinnungshemmende Wir-
kung der NMH ist unterschiedlich, Studienresultate mit einem Präparat können
nicht auf andere übertragen werden.

Indikationen
Je nach Ind. unterschiedliche Dos.! Nicht alle Präparate sind für alle Ind. zuge-
lassen.
• Prophylaxe u. Ther. tiefer Beinvenenthrombosen,
• instabile A. p.,
• akuter MI,
• Hämodialyse.
Nebenwirkungen
Entsprechen UFH (▶ 11.7.1), seltener HIT.
 11.7 Antikoagulanzien  601

Dosierung
Renale Elimination, d. h. Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. Zugelassen bei
ACS ist derzeit nur Enoxaparin (Clexane®).
Enoxaparin (z. B. Clexane® 20/40, Clexane® multi): Amp. à 20/40 mg bzw. Fla-
schen à 5 ml (100 mg/ml). Bei instabiler A. p. od. MI 2 × 1 mg/kg KG/d s. c.,
d. h. bei 75 kg 2 × 0,75 ml Clexane® multi. Zur Thromboseprophylaxe bei nor-
malem Risiko 1 × 20 mg/d, bei hohem Risiko 1 × 40 mg/d. Zur Thrombosether.:
wie bei KHK.
11
Tipps & Tricks
• NMH werden nicht nach PTT dosiert (d. h. weniger Kontrollbedarf),
PTT ist erst bei Überdosierung deutlich verlängert!
• Bei ACS sind NMH dem UFH allenfalls gering überlegen (v. a. Enoxapa-
rin; ESSENCE-Studie). Vorteile: einfache Applikation u. fehlende Not-
wendigkeit von Laborkontrollen.

11.7.3 Lepirudin
Wirkmechanismus
• Rekombinantes Hirudin blockiert spezifisch ein Molekül Thrombin („direk-
ter Thrombinhemmer“). Die gerinnungshemmende Wirkung wird nicht von
anderen Gerinnungsfaktoren beeinflusst (z. B. AT III, Plättchenfaktor 4) u.
kann anhand der PTT gesteuert werden (besser, wenn verfügbar: Ecarin-
Zeit). Lepirudin, ein gentechnisch hergestelltes Hirudin, vermindert bei insta-
biler A. p. Infarktinzidenz u. Letalität stärker als UFH. Blutungshäufigkeit hö-
her als bei Heparin (1,2 % Transfusionsbedarf; OASIS-2-Studie). Nach
Thrombolyse sind nach derzeitiger Datenlage Heparin u. Hirudin gleichwer-
tig (TIMI 9B). Hirudin kann alternativ zu Heparin bei thrombembolischen
Erkr. eingesetzt werden sowie als Alternative bei HIT Typ II.
• Pharmakokinetik: Wirkbeginn sofort; HWZ ca. 1,3 h (zunehmend bei Nie-
reninsuff., bei Dialysepflicht Wirkdauer mehrere Tage!); bei verminderter
Krea-Clearance proportional abnehmende Elimination. Cave: verminderte
Elimination bei Frauen u. im Alter trotz normalem Serum-Krea. Kein Anti-
dot verfügbar!

Indikationen
HIT Typ II (▶ 11.7.1), thrombembolische Erkr.

Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit (fehlende Erfahrungen), (prä-)terminale Niereninsuff.,
Z. n. kürzlicher OP, Organpunktion, Schlaganfall, gastrointestinale Blutung bzw.
drohende Blutung (z. B. Ulkusleiden, Ösophagusvarizen), bakterielle Endokardi-
tis, unkontrollierter art. Hypertonus.

Nebenwirkungen
Blutungen (in ca. 10 % schwere Blutung), allergische Reaktionen, selten Fieber.
Blutungs-KO entsprechen etwa denen unter Heparin, allerdings musste eine
Studie wegen vermehrter intrazerebraler Blutungen abgebrochen werden
(HIT-III).
602 11 Pharmakotherapie 

Interaktionen
Erhöhtes Blutungsrisiko bei Komb. mit Vit.-K-Antagonisten od. Fibrinolytika,
Komb. mit ASS od. Clopidogrel möglich.

Dosierung
Lepirudin (z. B. Refludan®): Flaschen mit 50 mg Pulver, in NaCl 0,9 % od. aqua ad
injectabila lösen. Perfusor: z. B. 100 mg/50 ml (1 ml = 2 mg).
• Initial: Bei normaler Nierenfunktion 0,4 mg/kg KG i. v. (bei 75 kg KG 15 ml aus
11 Perfusor mit 100 mg/50 ml), bei eingeschränkter Nierenfunktion 0,2 mg/kg KG.
• Erhaltung: Bei normaler Nierenfunktion zunächst 0,15 mg/kg KG/h i. v.,
nach PTT anpassen (Ziel: 1,5–3-Faches der oberen Norm; tägliche Kontrolle).
Eingeschränkte Nierenfunktion: Krea-Clearance 45–50 ml/Min. → 50 %, 30–
44 ml/Min. → 30 %, 15–29 ml/Min. → 15 % (ungefähre Dos. ▶ Tab. 11.20). Bei
Krea-Clearance < 15 ml/Min. nicht anwenden!
• Dos. muss v. a. bei erhöhtem Krea nach Krea-Clearance erfolgen. Zu den
Richtwerten des Serum-Krea, wenn Bestimmung der Krea-Clearance nicht
möglich ist ▶ Tab. 11.20.

Tab. 11.20 Dosierung Lepirudin (z. B. Refludan®)


Körper­ Initialdosis Erhaltungsdosis
gewicht
Krea Krea Krea Krea Krea Krea
normal > 1,5 mg/ < 1,5 mg/ 1,6–2 mg/ 2–3 mg/dl 3–6 mg/dl
dl dl dl
50 kg 20 mg = 10 mg = 3,8 ml/h 1,9 ml/h 1,1 ml/h 0,6 ml/h
10 ml1 5 ml
70 kg 28 mg = 14 mg = 5,3 ml/h 2,6 ml/h 1,6 ml/h 0,8 ml/h
14 ml 7 ml
90 kg 36 mg = 18 mg = 6,8 ml/h 3,4 ml/h 2,0 ml/h 1,0 ml/h
18 ml 9 ml
1
  ml = Menge aus Perfusor bei 100 mg/50 ml. Erhaltungsdosis nach PTT anpassen!

Tipps & Tricks


• Bei Hirudinüberdosierung kein Antidot verfügbar. Fraglich beschleu-
nigte Ausscheidung durch Hämofiltration bzw. -diafiltration über
„High-flux“-Membranen.
• Anwendung bei fortgeschrittener Niereninsuff. möglichst vermeiden, da
hohes Blutungsrisiko bei langer Wirkdauer u. fehlendem Antidot.
• Hirudin ist wesentlich teurer als UFH.

11.7.4 Danaparoid-Natrium
Wirkmechanismus
Heparinoid: Mischung aus niedermolekularen sulfatierten Glycosaminoglykanen
(tierische Darmmukosa) mit Hemmung des aktivierten Faktors X (Anti-Xa-Wir-
kung).
 11.7 Antikoagulanzien  603

Indikationen
• Antikoagulation bei HIT Typ II, wenn Hirudin nicht angewendet werden
kann; max. über 14 Tage.
• Heparinunverträglichkeit.
• Zur Anwendung bei den anderen Ind. der Heparine liegen nur geringe Erfah-
rungen mit kleinen Fallzahlen vor.

Kontraindikationen
• Kreuzreaktion der HIT-II-AK auch gegen das Heparinoid in max. 12 %. 11
• In der Schwangerschaft nicht empfohlen. Kein Inhibitor od. Antidot bekannt.
Bei Intoxikation evtl. Dialyse, möglichst schnelle Umstellung auf orale Anti-
koagulation.

Nebenwirkungen
Toxische Wirkungen wie Kollaps, Tachykardie, Krämpfe, Schweißausbruch,
Kopfschmerzen.

Dosierung
Orgaran®, Amp. (0,6 ml à 750 IE, Anti-Faktor Xa = 1.250 IE/ml); s. c. u. i. v.
• Low Dose (s. c.): KG < 90 kg 1 Amp. à 750 IE/12 h, KG > 90 kg 1 Amp. à
750 IE/8 h (einzige zugelassene Dos.).
• High Dose (s. c.): 2 × 1.500 IE/d (< 50 kg) bis 3 × 1.500 IE/d s. c. (> 90 kg)!
• High Dose (i. v.): kontinuierliche Gabe mit initialem Bolus von 1.250 IE i. v.
(< 50 kg) bzw. 2.500 IE (55–90 kg) bzw. 3.750 IE (> 90 kg), danach für 4 h
400 IE/h, danach für 4–8 h 300 IE/h, anschließend fortlaufend mit 200 IE/h
(Perfusor mit 7.500 IE [10 Amp. à 750 IE] auf 50 ml NaCl 0,9 % mit 2,7 ml/h
bzw. 2 ml/h bzw. 1,3 ml/h).
• Hämodialyse (i. v.): jeden 2. Tag, beginnend mit 2.500 IE (< 55 kg) bzw.
3.250 IE (> 55 kg) 1. u. 2. Dialyse, dann Bolus von 2.000–3.000 IE
• Monitoring i. d. R. nicht notwendig, Ausnahme Niereninsuffizienz. Evtl. Mes-
sung der Anti-Xa-Aktivitat: Zielwerte < 0,4 U/ml bei Low-Dose- bzw. 0,5–
0,8 U/ml bei High-Dose-Ther.

11.7.5 Bivalirudin
Wirkmechanismus
Synthetisches Hirudinanalogon. Wirkt antikoagulatorisch durch direkte Hem-
mung von löslichem u. gerinnselgebundenem Thrombin („direkter Thrombin-
hemmer“). Thrombinhemmung resultiert auch in einer zusätzlichen TAH. Komb.
mit Gp-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist möglich. Gerinnungsmonitoring meist nicht
erforderlich (im Bedarfsfall PTT od. aktivierte Gerinnungszeit ACT bestimmen).

Indikationen
• Antikoagulation bei PCI,
• ACS (instabile A. p., NSTEMI),
• Antikoagulation bei HIT II (off-label in Deutschland).
Kontraindikationen
Aktive Blutungen, Niereninsuff. (GFR < 30 ml/Min.), Gerinnungsstörungen, ko-
ronare Brachyther.
604 11 Pharmakotherapie 

Nebenwirkungen
Blutungs-KO (weniger als unter Heparin!), gelegentlich Thrombozytopenien,
INR-Erhöhung.

Dosierung
Angiox®, Durchstechflasche, 250 mg Pulver, nach Verdünnung 1 ml = 5 mg. I. v.
Bolus u. i. v. Infusion.
• Bei PCI: Bolus 0,75 mg/kg, dann Erhaltungsdosis 1,75 mg/kg/h für die Dauer
11 des Eingriffs bis max. 4 h nach PCI.
• Bei ACS: Bolus 0,1 mg/kg, Erhaltungsdosis 0,25 mg/kg/h, bei kons. Ther. Infusi-
on bis 72 h. Falls PCI erforderlich wird, erneuter i. v. Bolus von 0,5 mg/kg, Er-
haltungsdosis auf 1,75 mg/kg/h für die Dauer der Intervention erhöhen, nach
der Intervention Reduktion der Dosis nach den klinischen Erfordernissen.

11.7.6 Argatroban
Wirkmechanismus
Synthetisches L-Arginin-Derivat. Wirkt antikoagulatorisch durch direkte Hem-
mung von löslichem u. gerinnselgebundenem Thrombin („direkter Thrombin-
hemmer“). Thrombinhemmung resultiert auch in einer zusätzlichen TAH. Moni-
toring mittels aPTT möglich (1,5–3-Faches des Ausgangswerts, aber < 100 s).

Indikation
Antikoagulation bei HIT II.

Kontraindikationen
Aktive, unkontrollierte Blutungen, schwere Leberfunktionsstörungen.

Nebenwirkungen
Blutungs-KO.

Dosierung
• Argatra®, Durchstechflasche, 2,5 ml Konzentrat, entspricht 250 mg, nach Ver-
dünnung 1 ml = 1 mg i. v. Gabe.
• 2 μg/kg KG/Min. als Dauerinfusion, Maximaldosis 10 μg/kg KG/min, Steue-
rung nach aPTT. Bei mäßiger Leberfunktionsstörung 0,5 μg/kg KG/Min.

11.7.7 Fondaparinux
Wirkmechanismus
Synthetischer selektiver Inhibitor (Pentasaccharid, synthetisches Heparinanalo-
gon) des aktivierten Faktor X (Anti-Xa-Wirkung), antithrombinvermittelt.
Pharmakologie: max. Plasmaspiegel nach 2 h, 97 % an Plasma gebunden, spezi-
fisch an Antithrombin, keine Metabolisierung, Elimination renal, HWZ 13–21 h.

Indikationen
• Primäre Prophylaxe venöser thrombembolischer Ereignisse bei Pat. mit grö-
ßeren orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten (Hüftfraktu-
ren, Hüft- od. Kniegelenkendoprothesen),
• Thromboseprophylaxe bei internistischen Pat.,
 11.7 Antikoagulanzien  605

• Ther. der Phlebothrombose,


• Ther. der submassiven Lungenembolie,
• ACS (außer vor PCI).
Kontraindikationen
Bekannte Überempfindlichkeit gegen Fondaparinux, aktive, unkontrollierte Blu-
tung, akute bakterielle Endokarditis, schwere Niereninsuff. GFR < 20–30 ml/Min.

Nebenwirkungen 11
• Erhöhtes Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Gabe anderer gerinnungshemmen-
der Medikamente.
• < 10 % Anämie, Blutungen an OP-Stelle u. im Gastrointestinaltrakt, Hämat­
urie, Hämoptoe, Thrombopenie mit Purpura, veränderte Leberwerte, Ödeme.
• < 1 % Thrombozytose, Schwindel, Kopfschmerzen, RR-Abfall, Übelkeit, Er-
brechen, Gastritis, Diarrhö, Obstipation, Hautreaktionen.

Dosierung
Arixtra®, 2,5 mg/0,5 ml Fertigspritze.
• S. c. 1 ×/d 2,5 mg 6 h nach OP-Ende bis zur vollständigen Mobilisation des
Pat., mind. 5–9 Tage, nach Hüftfraktur über weitere 24 Tage.
• Bei Fortführung der Antikoagulation mit NMH sollte erste Gabe 24 h nach
der letzten Fondaparinux-Gabe erfolgen.
• Vorsicht bei Niereninsuff. (s. u.).
• Bei Leberinsuff. keine Dosisanpassung.

• Keine Beeinflussung von ACT (Activated Coagulation Time), Quick-


Wert, Thrombinzeit od. aPTT (allenfalls gering verlängert) od. der nach
ASS verlängerten Blutungszeit.
• Messung der Konz. in Milligramm über die Anti-Xa-Aktivität mit eige-
nem Standard, kann nicht mit herkömmlichem Standard der NMH
durchgeführt werden.

11.7.8 Dabigatran
Wirkmechanismus
Oraler, direkter, selektiver Thrombininhibitor. Prodrug. Ausscheidung über Nie-
re (ca. 85 %, Kumulationsgefahr bei schwerer Niereninsuff.! Dosisreduktion bei
GFR 30–50 ml/min). CYP450-unabhängige Metabolisierung. Plasma-HWZ: 14–
17 h. Max. Plasmakonz. nach ca. 2 h. Verlängerung der aPTT, Thrombinzeit u.
ECT, keine routinemäßige Kontrolle der Gerinnung erforderlich.

Indikationen
• Thrombembolieprävention bei nichtvalvulärem VHF (primäre u. sek. Prä-
vention), wenn ein od. mehrere RF vorliegen: Z. n. zerebralem Apoplex, TIA
od. systemischer Embolie, LV-EF < 40 %, symptomatische Herzinsuff.
NYHA II od. höher, Alter > 75 J., Alter > 65 J. in Komb. mit Diab. mell. od.
KHK od. art. Hypertonie.
• Prophylaxe venöser thrombembolischer Ereignisse bei Hüft- u. Kniegelenkersatz.
606 11 Pharmakotherapie 

• Studienergebnisse zur „Behandlung der venösen Thrombembolien“


(­RECOVER) wurden veröffentlicht. Folgestudie abgeschlossen. Zulassung
wird aber nicht vor 2013 erwartet.

Nebenwirkungen u. Kontraindikationen
• NW:
– Akute klinisch relevante Blutungen. Pat. sollten den Pradaxa-Pass ständig
bei sich tragen.
11 – Gastrointestinale Beschwerden, unter Dabigatran häufiger untere gastro-
intestinale Blutungen als unter Marcumar®.
– Evtl. höhere Inzidenz an MI als unter Marcumar®.
• KI:
– KI gegen Lyse. Akute klinisch relevante Blutungen; Organschäden, die das
Blutungsrisiko erhöhen od. hämostaserelevante Begleitmedikation.
– Schwere Niereninsuff. (Krea-Clearance < 30 ml/Min.).
– Lebererkr. mit Beeinträchtigung der Blutgerinnung.
– Komedikation mit Ketoconazol, Ciclosporin, Itraconazol od. Tacrolimus.

Interaktionen
Dabigatran ist Substrat des Effluxtransporters P-Glykoprotein. Deshalb vermehrt
WW.
• Dabigatranwirkung ↑: Amiodaron, Verapamil (sollte abgesetzt werden), Chi-
nidin, Ketoconazol, Clarithromycin.
• Dabigatranwirkung ↓: Rifampicin, Johanniskraut, Carbamazepin, Phenytoin,
Protonenpumpenhemmer.

Dosierung
Pradaxa®, Kps. à 75 mg, 110 mg, 150 mg.
Standarddosis 2 × 1 Kps. à 150 mg. Dosisreduktion bei Niereninsuff.!
Ein spezifisches Antidot wird z. Zt. entwickelt. Im Notfall FFP od. PPSB. Dialyse
möglich!

• In höherer Dosis (150 mg) scheint Dabigatran dem Marcumar® bei glei-
cher Blutungshäufigkeit überlegen zu sein. Bei niedriger Dosis (110 mg)
geringere Blutungshäufigkeit bei vergleichbarem Thrombembolieschutz.
• Vor Ther. mit Dabigatran Kontrolle der Nierenfunktion, Verlaufskont-
rolle unter Ther.!
• Bei schwerer Niereninsuff. ist Dabigatran kontraindiziert (GFR < 30 ml/
Min.).
• Bei älteren Pat. (> 75 J.) u. Pat. mit Niereninsuff. sollte die Nierenfunkti-
on mind. 1 ×/J. kontrolliert werden.
• Blutungsrisiko ist potenziell erhöht bei Pat. > 75 J., mäßig eingeschränkter
Nierenfunktion (GFR 30–50 ml/Min.), gleichzeitiger Behandlung mit ei-
nem P-Glykoprotein-Inhibitor, geringem KG (< 50 kg), gleichzeitiger Ga-
be von Thrombozytenaggregationshemmern u. NSAR, Gerinnungsstö-
rungen, Thrombozytopenie, gastrointestinale Ulzera, Z. n. kürzlich zu-
rückliegenden Blutungen/Traumata/Eingriffen/bakterieller Endokarditis.
• Geeignet v. a. für Pat., die mit der bisherigen Antikoagulation mit Vit.-
K-Antagonisten nicht zurechtkommen, schlecht einstellbar sind od.
 11.7 Antikoagulanzien  607

vermehrt Blutungs-KO erlitten haben. Die „Welt der Antikoagulation bei


Vorhofflimmern“ wird sich durch Dabigatran (wie auch durch Rivaroxa-
ban, s. u.) ändern, die endgültige Beurteilung des klinischen Werts dieser
extrem teuren Ther. wird erst in den kommenden Jahren möglich sein.

11.7.9 Rivaroxaban
11
Wirkmechanismus
Oraler, direkter, selektiver Faktor-Xa-Inhibitor. Antikoagulationseffekt ohne Be-
teiligung von Antithrombin.
Pharmakokinetik: mittlere HWZ 5–7 h. Max. Plasmakonz. nach ca. 2–4 h. Ein-
mal tägliche Applikation. ⅓ wird direkt renal eliminiert (Dosisreduktion bei GFR
15–30 ml/Min.), ⅔ nach CYP450-abhängiger hepatischer Metabolisierung.

Indikationen
• Thrombembolieprävention bei VHF (primäre u. sek. Prävention),
• Akutbehandlung u. Sekundärprophylaxe der tiefen Beinvenenthrombose,
• Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse nach elektivem Knie- u. Hüftge-
lenkersatz.

Nebenwirkungen u. Kontraindikationen
• NW: Blutung (im Vergleich zu Kumarin weniger schwerwiegende Blutungs-
ereignisse, jedoch vermehrt leichte Blutungen u. Hb-Abfälle > 2 g%). Anstieg
der γ-GT, Transaminasenanstieg.
• KI: klinisch relevante akute Blutungen, Lebererkr., die mit einer Koagulopa-
thie u. einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind. Schwanger-
schaft, Stillzeit, schwere Lebererkr.
• Anwendung bei Niereninsuff. mit Krea-Clearance < 15 ml/Min. nicht emp-
fohlen.

Interaktionen
• Rivaroxabanwirkung ↑: Azol-Antimykotika (Itraconazol, Ketoconazol), Pro-
teasehemmstoffe.
• Rivaroxabanwirkung ↓: durch CYP-Induktoren wie Carbamazepin, Johan-
niskraut, Phenytoin, Rifampicin.

Dosierung
Xarelto®, Filmtbl. à 10 mg.
• Schlaganfallprophylaxe bei nichtvalvulärem VHF: 1 × 20 mg/d p. o. (bei mit-
telschwerer bis schwerer Niereninsuff. 1 × 10–15 mg).
• Thrombembolieprophylaxe nach Knie- od. Hüftgelenksersatz: 1 × 10 mg/d p. o.
• Ther. der tiefen Beinvenenthrombose sowie Prävention rezid. Thrombosen u.
Lungenembolien nach akuter Beinvenenthrombose bei Erw.: 2 × 15 mg über
3 Wo., dann 20 mg/d p. o.
• Dosisanpassung bei Niereninsuff.: Krea-Clearance 15–30 ml/Min.:
1 × 15 mg/d p. o.
• Kein spezifisches Antidot vorhanden. Im Notfall FFP od. PPSB i. v.
• Kein Routinemonitoring notwendig. Im Bedarfsfall trotzdem über Anti-Xa-
Aktivität möglich, aber spezielle Kalibrierung notwendig.
608 11 Pharmakotherapie 

11.7.10 Apixaban
Wirkmechanismus
Oraler, direkter, selektiver Faktor-Xa-Hemmer.
Pharmakokinetik: HWZ 8–14 h. Max. Plasmakonz. nach ca. 3–4 h. 2 × tägliche
Einnahme. Elimination zu 75 % biliär u. 25 % renal.

Indikationen
11 Thrombemboliprophylaxe bei VHF, Prophylaxe der tiefen Beinvenenthrombose
nach Hüft- u. Kniegelenkersatz.

Nebenwirkungen u. Kontraindikationen
• KI: Klinisch relevante akute Blutungen, Lebererkr., die mit einer Koagulopa-
thie u. einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind. Schwanger-
schaft, Stillzeit.
• Pat. mit Krea-Clearance < 5 ml/Min. od. Pat. unter Dialyse: Anwendung nicht
empfohlen.
• Schwere Nierenfunktionsstörung (15–29 ml/Min.): Plasmakonz. von Apixa-
ban kann erhöht sein. Apixaban allein od. in Komb. mit ASS aufgrund eines
höheren Blutungsrisikos nur mit Vorsicht anwenden, evtl. Dosisanpassung
nach Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität.
• Leichte od. mäßige Nierenfunktionsstörung: Keine Dosisanpassung.
Wechselwirkungen
• Anwendung von Apixaban nicht bei gleichzeitiger Ther. mit starken
CYP3A4- u. P-Glykoprotein-Inhibitoren wie Azol-Antimykotika (z. B. Keto-
conazol, Itraconazol) u. mit Proteaseinhibitoren (z. B. Ritonavir). Apixaban-
wirkung kann bei zusätzlichen Faktoren (z. B. schwere Nierenfunktionsstö-
rung) um das 2-Fache od. stärker erhöht sein.
• Gleichzeitige Anwendung von Apixaban mit starken Induktoren von
CYP3A4 u. P-Glykoprotein (z. B. Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin,
Phenobarbital, Johanniskraut) kann zur Reduktion der Apixabanwirkung um
ca. 50 % führen.
• Vorsicht bei gleichzeitiger Ther. mit Thrombozytenaggrationshemmern.
Dosierung
Eliquis®, Filmtbl. à 2,5 mg.
• 2 × 2,5 mg/d.
• Kein spezifisches Antidot. Im Notfall FFP od. PPSB.
• Kein Routinemonitoring notwendig.

11.7.11 Vitamin-K-Antagonisten
Wirkmechanismus
Kompetitive Verdrängung von Vit. K, das zur Synthese der Gerinnungsfakto-
ren II, VII, IX u. X erforderlich ist. Auch die Inhibitoren der plasmatischen Gerin-
nung Protein S u. C fallen ab (noch Wo. nach Ther.-Ende verstärkte Gerinnungs-
neigung).
Pharmakokinetik: Wirkbeginn nach ca. 24 h bis max. 72 h. Phenprocoumon u.
Warfarin unterscheiden sich nur in HWZ (150 bzw. 40 h). Geringe therap. Breite.
 11.7 Antikoagulanzien  609

Indikationen
Kardiologische Indikationen
• VHF u. MS od. Embolie in der Vorgeschichte: INR 3–4.
• VHF u. Alter > 65 J., art. Hypertonus, Diab. mell. od. deutliche LVH: INR 2–3
(▶ 5.1.1).
• Herzwandthrombus nach MI/bei Vorderwandaneurysma: 3–6 Mon. nach
MI, dann individuelle Entscheidung, INR ca. 3.
• Herzklappenbioprothesen: ca. 3 Mon. postop., nach MK-Ersatz bei großem 11
LA u./od. VHF auf Dauer.
• Kunstklappen: lebenslang INR 2,5–3,5, bei vorausgegangener Embolie evtl.
INR 3,5–4,5.
• Elektive Elektrokardioversion: optimal 3 Wo. vor u. 4 Wo. nach Kardioversion.
Indikation mit Vorbehalt
• MKP u. Embolieanamnese ▶ 4.6.
• Vorhofmyxome (▶ 6.9.1): Häufige Emboliequellen, Studien zur Antikoagula-
tion fehlen.
• Erhöhte Emboliegefahr bei endokardialer Fibroelastose (▶ 6.2.6), PFO
(▶ 4.16) u. erhöhtem re-kardialem Druck, VSD (▶ 4.15): Antikoagulation in-
diziert. Studien, die einen Nutzen durch Vit.-K-Antagonisten zeigen, fehlen.
• Z. n. ACVB: Effekt gering, nicht größer als ASS.
• KHK.
ASS od. Vit.-K-Antagonisten bei KHK
Vit.-K-Antagonisten senken im Vergleich zu ASS nach MI die Reinfarktrate
um 26 %, die Letalität sinkt nicht, schwere Blutungen sind um den Faktor 4
vermehrt.

Kontraindikationen
• Absolute KI: Schwangerschaft, Non-Compliance des Pat., rezid. peptische
Ulzera, nicht beherrschter art. Hypertonus. Evtl. Malignome (je nach Lokali-
sation u. Metastasierungsgrad). Aktuelle Blutungen, Endokarditis nativer
Klappen, Z. n. kürzlicher OP (ca. 10 d), Blutungsneigung (z. B. dekompensier-
te Leberzirrhose, schwere Thrombozytopenie).
• Rel. KI: hohes Alter, Anfallsleiden,
Nierensteine, proliferative diabeti-
Schwere Blutungen/Jahr
sche Retinopathie, Stillzeit (geht in 10
Muttermilch über, ggf. Säugling mit
Vit. K substituieren). 8

Nebenwirkungen 6

• Blutungsgefahr (▶ Abb. 11.2): kor- 4


reliert nichtlinear mit Quick-
Wert. Bei Quick 20 (INR ca. 3) 2
vielfach höheres Risiko als bei
Quick 40 (INR ca. 1,8).
• „Marcumar®-Nekrosen“: Nekrosen 1 3 5 7 9 INR

im Bereich der Haut bei Ther.-Be-


ginn. Ursache: Hyperkoagulabilität Abb. 11.2 Blutungsrisiko unter Anti­
koagulation in Abhängigkeit vom INR-
bei Ther.-Beginn durch bevorzugte Wert [L157]
610 11 Pharmakotherapie 

Synthesehemmung von Protein C u. S → Kapillarthrombosen → mit weiterer


Synthesehemmung der Gerinnungsfaktoren Einblutung in das geschädigte
Gewebe → hämorrhagische Infarzierung mit Nekrose. Beginn 3.–5. Tag nach
Marcumar®-Gabe. Risiko erhöht bei Protein-C- od. -S-Mangel, adipösen
Frauen nach der Menopause. Prophylaxe: simultane Heparingabe in der Ini­
tialphase der Ther., hochdosierte Aufsättigung meiden.
• Haarausfall (Wechsel auf Warfarin oft vorteilhaft).
• Verzögerte Kallusbildung.
11
Interaktionen
• Wirkungsverstärkung durch Paracetamol, Allopurinol, Sulfonamide, Salicyla-
te, Chinidin, Propafenon, Amiodaron, Sulfonamide, Tetrazykline, Erythro-
mycin, Fibrate, Cimetidin.
• Wirkabschwächung durch Barbiturate, Carbamazepin, Rifampicin, Gluko-
kortikoide od. Alkoholgenuss (bei einmaligem Rausch).
• Pat. informieren: Pat. darf keine Medikamente einnehmen, ohne den Arzt auf
seine Antikoagulation hinzuweisen. Pat. sollte Nahrungsgewohnheiten mög-
lichst nicht drastisch ändern. Bes. vit.-K-reich sind grünes Blattgemüse (Kohl,
Spinat), Milch, Leber, Eier u. manche Zerealien.

Dosierung
Bedarf schwankt interindividuell erheblich. Marcumarisierung nur unter Heparin
beginnen (Gefahr von „Marcumar®-Nekrosen“).
• Phenprocoumon (Marcumar®): 1. Tag 3 Tbl. à 3 mg, dann nach INR/Quick-
Wert, Folgetage ggf. 3–2–1 Tbl. Erhaltungsdosis: je nach INR/Quick-Wert ca.
3 Tbl./Wo. bis ca. 2 Tbl./d.
• Warfarin (Coumadin®): initial ca. 4 Tbl. à 5 mg, ab 2. Tag nach Quick/INR.
Erhaltungsdosis: 0,5–3 Tbl./d (selten erbliche Warfarin-Resistenz).
• Ziel INR: 2–3, bei mechanischen Klappenprothesen u. vorangegangener Em-
bolie evtl. bis 4,5.

Vit.-K-Antagonisten – Therapiesteuerung
Ther.-Steuerung erfolgt durch Kontrolle des Quick-Werts bzw. der INR (Inter-
national Normalized Ratio).
• Normalwerte: Quick 100 %, entspricht INR 1,0.
• Niedrigdosisther.: Quick ca. 40 %, entspricht INR ca. 2.
• Hochdosisther.: Quick ca. um 18 %, entspricht INR ca. 4.
! Umrechnung gilt nicht in allen Labors, eigenes Labor nach Umrechnung fra-
gen!
! Pat. geeignet für INR-Selbstmessung? Trotz Beschaffung eines Messgeräts u.
Schulung langfristig preiswerter als viele Arztbesuche.

Überdosierung von Vit.-K-Antagonisten


Quick < 10 % bzw. INR > 7.
• Keine aktuelle Blutung bzw. keine erhöhte Blutungsgefahr (z. B. Ma­
gen­ulkus): Marcumar®-Pause, tägliche Gerinnungskontrolle. Mit er-
neuter Marcumar®-Gabe nicht zu spät beginnen, ca. bei Quick 12 %
bzw. INR 6.
 11.7 Antikoagulanzien  611

• Geringfügige (äußere) Blutung: Vit. K (Konakion®) p. o.: leichte


Quick-Anhebung ca. 5–10 Tr., komplette Antagonisierung 20 Tr., wie-
derholt an 2–3 Tagen. Wirkbeginn nach ca. 10 h, max. Wirkung nach
1–2 Tagen.
• Im Notfall (größere Verletzung, Not-OP, größere Blutung): Gerin-
nungsfaktoren (PPSB od. FFP) mit sofortigem Wirkungseintritt.
– 1 IE PPSB/kg KG hebt den Quick-Wert um ca. 1 % an. Z. B.: Gemes-
sener Quick 10 %, gewünschter Quick 60 %. 60 kg: 50 (gewünschte 11
Quick-Anhebung [60–10]) × 60 (kg) = 3.000 IE PPSB.
– Alternativ: 2 Beutel Fresh Frozen Plasma.
• Wegen langer Phenprocoumon-HWZ zusätzlich Konakion® für ca. 5 Tage!

Tipps & Tricks


• Blutgruppenausweis u. Marcumar®-Pass für alle oral antikoagulierten
Patienten.
• Vit. K besitzt keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Geringe Dosis-
änderung kann starke Änderung der Gerinnungssituation auslösen.
• Komb. von Marcumar® + ASS nur bei speziellen Ind. (z. B. nach PCI,
Thrombembolie trotz ausreichender Antikoagulation ohne weitere be-
hebbare Ursachen); Triple-Ther. (+ ASS + ADP-Antagonist nach PCI
mit Stentimplantation für 1–6 Mon.).
• HIT II: keine Marcumar®-Ther. in der Akutphase. Initial Lepirudin od.
Danaparoid od. Argatroban, nach Tagen mit niedrig dosierter
Marcumar®-Ther. beginnen.

Unterbrechung der oralen Antikoagulatinstherapie („Bridging“)


• Kritische Ind.-Stellung zum Bridging, Möglichkeit der Fortsetzung der Gerin-
nungshemmung prüfen: kleinere Eingriffe (z. B. Zahnextraktion, diagn. Öso-
phagogastroskopie, flexible Sigmoidoskopie bzw. Koloskopie) häufig ohne
Ther.-Änderung durchführbar.
• Zeitraum des Absetzens des Vit.-K-Antagonisten von Plasma-HWZ u. Bio-
verfügbarkeit abhängig machen (Phenprocoumon 7 Tage, Warfarin 5 Tage,
Acenocoumarol 3 Tage).
• Gabe von Vit. K (1–2 mg p. o.) sehr zurückhaltend einsetzen, überlappende
Heparinther. erforderlich. Gabe von Gerinnungskomponenten nur bei
schwerwiegenden Blutungen.
• Bei Niereninsuff. NMH durch UFH ersetzen.
• Dos. der NMH: therap. Dosis (äquivalent einem INR 2,5–3,2), z. B. Enoxaparin
2 × 1 mg/kg/d, Dalteparin 2 × 100 IE/kg/d, bei Halbdosisantikoagulation halbe
Menge der Volldosis (äquivalent einen INR um 2,0). Letzte Gabe 24 h vor Pro-
zedur. Dos. des UFH, sodass PTT 1,5–2-fach verlängert, z. B. 250 IE/kg.
1. Bestimmung des periop. Thrombembolierisikos:
• Hochrisikogruppe (Thrombembolierate unbehandelt > 10 %/J.): mechanischer
MK-Ersatz, Kippscheiben- od. ältere Herzklappenprothesen, Doppelflügel-
AoK-Prothesen u. mehr als ein RF, Doppelklappenersatz, biologische MK-
Prothese mit VHF, venöse Thrombembolie < 3 Mon., venöse Thrombembolie
mit Lungenembolie 6–12 Mon. od. bei Thrombophilie (Antithrombinmangel,
Antiphospholipidantikörper u. a.); CHADS2-Score 5–6 od. zerebrale Isch­
ämie < 3 Mon.
612 11 Pharmakotherapie 

• Mittlere Risikogruppe (5–10 %/J.): Doppelflügel-AoK-Prothese u. ein zusätzli-


cher RF (VHF, art. Hypertonie, Diab. mell., Herzinsuff., Alter > 75 J., Z. n. ze-
rebraler Ischämie), biologische Herzklappenprothese od. Herzklappenrekon-
struktion (erste 3 Mon., Sinusrhythmus), venöse Thrombembolien
3–12 Mon., rezid. Thrombembolien, Z. n. Thrombembolie bei aktivem Krebs-
leiden (Palliativsituation od. Behandlung < 6 Mon. zurückliegend), nichtval-
vuläres VHF mit CHADS2-Score 3–4.
• Niedrigrisikogruppe (< 5 %/Jahr): Doppelflügel-AoK-Prothese (> 3 Mon.) bei
11 Sinusrhythmus ohne weitere RF; venöse Thrombembolie > 12 Mon., nichtval-
vuläres VHF mit CHADS2-Score 0–2 u. keine frühere zerebrale Ischämie.
2. Bestimmung des Blutungsrisikos:
• Hohes Blutungsrisiko: große OP (Bauch, Gefäße, orthopädisch, intrathorakal
inkl. kardiochirurgisch, neurochirurgisch, urologisch, komplexe Tu-Chirur-
gie), Punktion nichtkomprimierbarer Gefäße.
• Geringes Blutungsrisiko: diagn. Endoskopie, Katarakt-OP, Dentalchirurgie/
Zahnextraktion, Punktion komprimierbarer Gefäße, dermatologische Chirur-
gie, Hernien-OP, Skrotal-OP, TEE.
3. Bestimmung des Thrombembolierisikos bei nichtvalvulärem VHF nach
CHADS2-Score (▶ Tab. 11.21; Score-Punkte addieren, Summe entspricht dem
CHADS2-Score).

Tab. 11.21 CHADS2-Score


Risikokriterien Score
Z. n. TIA 2
Alter > 75 J. 1
Art. Hypertonie 1
Diab. mell. 1
Herzinsuff. 1

4. Vorgehen nach Thrombembolierisiko:


• Geringes Risiko: NMH in Thrombembolieprophylaxedosis bzw. UFH in
Thrombembolieprophylaxedosis.
• Mittleres Risiko: NMH in therap. (oder halbtherap.) Dosis. Bei hohem Blutungs-
risiko in Thrombembolieprophylaxedosis bzw. UFH in entsprechender Dosis.
• Hohes Risiko: NMH in therap. Dosis bzw. UFH in Standarddosis.
5. Vorgehen nach Blutungsrisiko:
• Geringes Risiko: Vit.-K-Antagonisten-Ther. mit INR im niedrig therap. Be-
reich fortsetzen.
• Hohes Risiko: Absetzen der Vit.-K-Antagonisten-Therapie. Weitere Ther. mit
NMH entsprechend Thrombembolierisiko (s. o. Nr. 4).
6. Vorgehen bei hohem Blutungsrisiko:
• Und geringem Thrombembolierisiko: Vit.-K-Antagonist 7 Tage vor Eingriff
absetzen, NMH in Thrombembolieprophylaxedosis periprozedural, Vit.-K-
Antagonist innerhalb von 24 h nach Prozedur beginnen, Absetzen des NMH,
wenn INR im therap. Bereich. Individuell evtl. Halbdosisther. mit NMH ab
48 h nach Prozedur bei mittlerem Embolierisiko bis INR im therap. Bereich.
• Und hohem Thrombembolierisiko: Vit.-K-Antagonist 7 Tage vor Eingriff ab-
setzen, NMH in therap. Dosis (24 h vor Prozedur letzte NMH-Gabe); peripro-
zedural NMH in Thrombembolieprophylaxedosis; Vit.-K-Antagonist innerhalb
 11.8 Thrombozytenaggregationshemmer  613

von 24 h nach Prozedur beginnen, zusätzlich NMH in therap. Dosis (nach chir-
urgischer Maßgabe); Absetzen des NMH, wenn INR im therap. Bereich.

11.8 Thrombozytenaggregationshemmer
11.8.1 Acetylsalicylsäure (ASS)
11
Wirkmechanismus
ASS hemmt irreversibel die thrombozytäre Zyklooxygenase bereits gebildeter
Thrombos, hierdurch Blockierung der Synthese des Prostaglandins Thromboxan
A2. Thromboxan A2 bewirkt Thrombozytenaggregation u. Vasokonstriktion. Im
Gefäßendothel wird die Synthese von Prostazyklin gehemmt, einem Vasodilatator
u. Hemmer der Thrombozytenaggregation. Diese Wirkung ist kürzer als die Zy­
klooxygenase-Wirkung.
Pharmakokinetik: Wirkbeginn binnen Minuten, Wirkdauer abhängig von
Thrombozytenlebenszeit (ca. 10 Tage).

Indikationen
• ACS.
• Stabile A. p.: Infarktinzidenz um 50 % geringer, Koronarletalität sinkt deut-
lich, Gesamtletalität gering.
• Sekundärprophylaxe der KHK.
• Z. n. ACVB-Versorgung: Bypass-Verschlussrate sinkt.
• PCI: Gabe vor PCI beginnen (in Komb. mit ADP-Antagonist).
• Sekundärprophylaxe ischämischer Hirninsulte: bis 300 mg/d.
• Primärprophylaxe der KHK (fragliche Ind.).
Kontraindikationen
Florides peptisches Ulkus, Koagulopathie (Hämophilie, dekompensierte Leberzir-
rhose). Kinder < 12 J. (Gefahr des Reye-Sy.), Gicht (ggf. Komb. mit Allopurinol),
letzter Schwangerschaftsmonat.

Nebenwirkungen
• Peptische Ulzera: ggf. bei Ulkusleiden mit Misoprostol 2 × 200 μg/d (Cyto-
tect®) od. Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol® 1 × 20 mg/d) kombi-
nieren. Alternative: ADP-Antagonist (▶ 11.8.2).
• Selten: Atemwegsbeschwerden bis schwerer Bronchospasmus, allergische Ur-
tikaria. Bei Hochdosisther. (mehrere Gramm pro Tag) Tinnitus, Schwindel,
Erbrechen.

Interaktionen
Alkohol verstärkt Gastrotoxizität, erhöhte Blutungsrate bei Komb. mit Vit.-K-
Antagonisten. Weitere Interaktionen nur bei antiphlogistischer Dos. relevant (an-
tipyretische Wirkung, Erhöhung von Lithium- od. Digoxinspiegel etc.).

Die gleichzeitige Gabe von Ibuprofen blockiert den thrombozytenhemmen-


den Effekt von ASS!
614 11 Pharmakotherapie 

Dosierung
Z. B. Aspirin® Tbl. (0,5 g ASS), Aspirin® 100/300 Tbl. (100 mg/300 mg ASS).
­Aspisol® Fl. (0,5 g ASS) zur i. v. Gabe.
Um die Zyklooxygenase komplett zu hemmen, sind weniger als 100 mg/d erfor-
derlich. Für viele Ind. liegen nur Studien mit 175 od. 325 mg vor, vermutlich
reicht meist wesentlich weniger aus.
Dosierungsvorschlag: Erstgabe von 500 mg p. o. od. i. v. (z. B. Aspisol®). Anschlie-
ßend bei KHK 100 mg/d.
11
11.8.2 ADP-Rezeptorantagonisten
Clopidogrel
Wirkmechanismus
Irreversible (wie ASS) Hemmung der ADP-vermittelten Thrombozytenaggregati-
on (P2Y12-Rezeptor). Kein Effekt auf die Zyklooxygenase.
Pharmakokinetik: Thienopyridin. HWZ 7,7 h. Resorptionsrate mind. 50 %. Clo-
pidrogel ist ein Prodrug (verzögerter Wirkeintritt, Zeit kann durch hohe Loading-
Dosis verkürzt werden), aktiver Metabolit ist ein Thiolderivat. Wirkbeginn nach
2–4 h, Wirkdauer 3–10 Tage. Metabolisation in der Leber. Ausscheidung der Me-
taboliten in Urin u. Stuhl zu gleichen Teilen. Überdosierungsfälle zeigten keine
NW, kein Antidot bekannt.
Indikationen
• Sekundärprophylaxe atherosklerotischer Erkr. nach einem ACS und Sekun-
därprophylaxe ischämischer Ereignissen (in Komb. mit ASS),
• PCI mit od. ohne Stent-Implantation (in Komb. mit ASS),
• ischämischer zerebraler Insult,
• pAVK,
• TAH bei Unverträglichkeit von ASS (ASS-Allergie, hohes gastrointestinales
Ulkusrisiko).
Kontraindikationen
Agranulozytose, Blutbildungsstörungen (auch in der Anamnese), Blutungsnei-
gung. Leberfuktionsstörungen, Schwangerschaft, Stillzeit.
Nebenwirkungen
Allergische Reaktionen, Blutungs-KO geringer als nach ASS, selten thrombotisch-
thrombozytopenische Purpura.
Dosierung
Iscover® od. Plavix® od. Generikum, Tbl. à 75 mg.
• Einmalige Gabe von 1 × 75 mg/d, ggf. auch in Komb. mit ASS, ggf. Loading
Dose: 300–600 mg p. o. bei ACS.
• Erhaltungsdosis: 75 mg/d p. o.
• Dauer der Ther.: Bei ACS in Komb. mit ASS bis 12 Mon., nach Implantation
eines unbeschichteten Stents in Komb. mit ASS 4 Wo., bei beschichtetem
Stent mind. 6–12 Monate. Bei hohem Thromboserisiko kombinierte Ther.
evtl. > 1 J., bei Unverträglichkeit von ASS Gabe von Clopidogrel auf unbe-
stimmte Zeit.
 11.8 Thrombozytenaggregationshemmer  615

Tipps & Tricks


• Goldstandard unter den ADP-Rezeptorantagonisten.
• Einsatz als Monother. (ASS-Ersatz) od. in Komb. mit ASS.
• Rel. große interindividuelle Variabilität der TAH in bis zu 30 % („poor
metabolizer“, „Clopidogrel-low-and-non-responder“)! Ursache: geneti-
scher CYP2C19-Polymorphismus.
• Interaktionspotenzial mit Protonenpumpenhemmern (via CYP450).
Wirkungsabschwächung durch Omeprazol wohl ohne klinische Rele- 11
vanz, Gabe von Pantoprazol wird als Alternative bevorzugt. Kein Ver-
zicht auf Protonenpumpenhemmer bei erhöhtem gastrointestinalen
Blutungsrisiko unter Clopidogrel u. ASS!!
• Clopidogrel aufgrund der irreversiblen Thrombozytenhemmung mind.
7 Tage vor operativen Eingriffen absetzen.

Prasugrel
Wirkmechanismus
Thienopyridin wie Clopidogrel. Prasugrel ist ein Prodrug. Sein aktiver Metabolit
hemmt die ADP-vermittelte Thrombozytenaktivierung u. -aggregation über die
irreversible Bindung an den P2Y12-Rezeptor (Wirkmechanismus wie bei Clopi-
dogrel).
Pharmakokinetik: Thienopyridin. HWZ ca. 7 h, Wirkbeginn nach 30 Min., Wirk-
dauer 5–10 Tage, Ausscheidung der inaktiven Metaboliten in Urin (79 %) u. Stuhl
(39 %). Kein Antidot bekannt.
Indikationen
In Komb. mit ASS Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Pat. mit ACS
(instabile A. p., NSTEMI, STEMI) mit primärer od. verzögerter PCI.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit, bei Schlaganfall od. TIA, bei schwerer Leberfunktionsstö-
rung, eingeschränkter Blutstillung u. akuten, pathologischen Blutungen. Schwan-
gerschaft, Stillzeit.
Nebenwirkungen
Im Vergleich zu Clopidogrel erhöhtes, z. T. lebensbedrohliches Blutungsrisiko,
häufig Symptome der verringerten Thrombozytenfunktion wie Hämaturie, gast-
rointestinale Blutung, Hämatom, Epistaxis u. Bluthusten.
Dosierung
Efient®, Filmtabletten à 10 mg.
• Loading Dose: 60 mg p. o.
• Erhaltungsdosis: 10 mg/d p. o.
• Keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion u. leicht bis mo-
derater Leberfunktionsstörung.

Tipps & Tricks


• Prasugrel senkt bei Pat. mit interventionell behandeltem ACS im Ver-
gleich zu Clopidogrel die Rate nichttödlicher MI. Sterblichkeit u. Schlag-
anfallrate unterscheiden sich nicht. Blutungs-KO nehmen unter Prasu­
grel zu. Ungeklärt ist eine Zunahme neuer Malignome unter Prasugrel.
616 11 Pharmakotherapie 

Die optimale Dauer der Akutther. ist den Studiendaten nicht zu entneh-
men, jenseits von 30 Tagen scheint der Zusatznutzen von Prasugrel
nicht mehr signifikant zu sein, während das Risiko schwerer Blutungen
unverändert relevant ist.
• Vorteil der besseren Wirksamkeit (schnellere u. stärkere Hemmung der
Thrombozytenaggregation) wird weitgehend durch den Nachteil der er-
höhten Blutungsneigung aufgehoben.
11 • Kein Einsatz von Prasugrel bei Z. n. zerebraler Apoplexie od. TIA (ana-
mnestisch), Pat. > 75 J., KG < 60 kg (hier evtl. 5 mg Erhaltungsdosis).
• Kein Einsatz, wenn weitere gerinnungsaktive Arzneimittel eingenom-
men werden: orale Antikoagulanzien, Clopidogrel, NSAR, Fibrinolytika.
• Prasurel aufgrund der irreversiblen Thrombozytenhemmung mind.
7 Tage vor operativen Eingriffen absetzen.
• Studienlage derzeit unzureichend, um Clopidogrel abzulösen. Alternati-
ve bei Pat. mit nicht erhöhtem Blutungsrisiko u. Pat. mit Stentthrombo-
se unter chron. Clopidogrelther. bzw. Pat. mit ungenügender Clopido-
grelwirkung (Clopidogrelresistenz).

Ticagrelor
Wirkmechanismus
Analogon des natürlichen Antagonisten des P2Y12-Rezeptors, strukturell dem
ATP ähnlich. Selektiver u. reversibler ADP-Rezeptorantagonist am P2Y12-Re-
zeptor; hemmt ADP-vermittelte Thrombozytenaktivierung u. -aggregation.
Pharmakokinetik: Cyclopentyltriazolopyrimidin. HWZ 7–8 h, Wirkbeginn nach
30 Min., Wirkdauer bis 3 Tage. Nahezu vollständige hepatische Metabolisierung.
Kein Antidot bekannt.
Indikationen
In Komb. mit ASS Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei ACS (instabile
A. p., NSTEMI, STEMI), u. zwar sowohl bei kons. behandelten Pat. als auch bei
Pat., bei denen eine PCI od. eine CABG durchgeführt wurde.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit, schwere Leberfunktionsstörung, eingeschränkte Blutstil-
lung u. akute, pathologische Blutungen. Intrakranielle Blutungen in der Vorge-
schichte. Schwangerschaft, Stillzeit. Komedikationen (s. u.). Vorsicht bei Brady-
kardien, Blockbilder im EKG u. bei chron. obstruktiven Lungenerkr. (Verwandt-
schaft des Ticagrelor mit Adenosin!). Gleichzeitige Anwendung starker CYP3A4-
Inhibitoren (z. B. Clarithromycin, Ritonavir, Atazanavir)
Nebenwirkungen
• Dyspnoe,
• Epistaxis, gastrointestinale Blutungen, s. c. od. dermale Blutungen, Hämatome,
• Bradyarrhythmien,
• Anstieg der Nierenretentionsparameter.
Interaktionen
• Die gleichzeitige Anwendung starker CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Clarithro-
mycin, Ritonavir, Atazanavir) kann zu erheblichem Anstieg der Ticagrelor-
Konz. führen.
 11.8 Thrombozytenaggregationshemmer  617

• Die Anwendung starker CYP3A4-Induktoren (z. B. Rifampicin, Dexametha-


son, Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital) kann zur Verringerung der
Ticragelor-Konz. u. -Wirksamkeit führen.
• Die Anwendung der CYP3A4-Substrate Simvastatin od. Lovastatin kann zur
Erhöhung ihrer Konz. führen, Dosen > 40 mg werden nicht empfohlen.
Dosierung
Brilique®, Filmtbl. à 90 mg.
• Loading-Dose: 180 mg. 11
• Erhaltungssosis: 2× 90 mg/d p. o.
• Keine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion u. leicht bis mo-
derater Leberfunktionsstörung. Keine Erfahrungen bei Dialyse-Pat.

Tipps & Tricks


• Ticagrelor vermindert gegenüber Clopidogrel innerhalb von 12 Mon.
die kardiovask. u. Gesamtmortalität um ca. 1 %, MI werden in ähnli-
chem Maße reduziert. In der aktuellen ESC-Leitlinie ist Ticagrelor bei
ACS vor Clopidogrel aufgeführt.
• Pat. mit instabiler A. p. scheinen weniger zu profitieren. Die Ergebnisse
sind unabhängig davon, ob eine invasive od. eine rein med. Ther. ge-
plant u. durchgeführt wird.
• Unter Ticagrelor sind behandlungsbedürftige Blutungen um 1–2 % häu-
figer als unter Clopidogrel, schwerwiegende u. tödliche gleich häufig.
• Weitere relevante NW sind Dyspnoe, Bradyarrhythmien, Krea- u. Harn-
säureanstiege.
• Ticagrelor ist bei ACS eine gute, aber sehr teure Alternative zu Clopido-
grel. Eine allgemein akzeptierte Differenzialind. für Clodpidogrel, Pra-
sugrel u. Ticagrelor kann im Moment noch nicht gegeben werden.

Unterbrechung plättchenhemmender Therapien („Bridging“)


• Stabile KHK (seit 1 J. kein ACS) od. andere Atherosklerosemanifestationen:
TAH bei elektiven Prozeduren 7 Tage zuvor beenden. Kritische Nutzen-Risiko-
Abwägung, da häufig nicht so relevante Blutungen unter Fortsetzung der TAH.
• Duale Plättchenhemmung (ASS + ADP-Antagonist):
– Erste 12 Mon. nach ACS (mit/ohne Stentimplantation): keine Daten zum
Bridging verfügbar. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum ACS u.
stabiler KHK abnehmendes Risiko durch Absetzen. Bei Eingriffen mit ge-
ringem bis mittlerem Blutungsrisiko (▶ 11.7.11) evtl. Absetzen des ADP-
Antagonisten, ASS fortsetzen.
– Koronare Stentimplantation: Duale TAH 1–3 Mon. BMS, 6–12 Mon. nach
DES.
– Bei nicht aufschiebbaren Prozeduren: wenn möglich, keine Unterbre-
chung der dualen TAH, ansonsten ASS-Monother. u. für einige Tage Pau-
sieren des ADP-Antagonisten (stationäre Bedingungen). Bei hohem Ko-
ronarrisiko individuelle Entscheidung zur präop. Gabe von GP-IIb/IIIa-
Rezeptorantagonisten mit kurzer HWZ. Prozeduren nach Absetzen einer
dualen TAH nur in Zentren mit interventionell versierter Abteilung.
– Bei elektiven Eingriffen: Vermeiden einer PCI mit Stent in den 6 Wo. vor
geplanter OP. Falls PCI erforderlich, dann ohne Stentimplantation (nicht
medikamentenfreisetzenden Stent bevorzugen). Verschieben der OP in
Erwägung ziehen (> 4 Wo. nach BMS, > 6 Mon. nach DES).
618 11 Pharmakotherapie 

– Wiederaufnahme der TAH-Ther. nach Rücksprache mit dem Operateur,


evtl. Beschleunigung des Wirkeintritts durch Erhöhung der Startdosis
(ASS 300 mg, Clopidogrel 600 mg).
! Antikoagulanzien (gilt auch für die häufig eingesetzten NMH) können die
TAH nicht ersetzen!

11.8.3 GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
11
Wirkmechanismus
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten verhindern die Thrombusentstehung durch
Blockierung der Thrombozyten-Fibrinogen-Vernetzung. Sie blockieren den Fi­
brinogenrezeptor der Thrombos (Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor), die Thrombo-
zytenaggregation wird dosisabhängig praktisch komplett gehemmt, die Blutungs-
zeit steigt u. U. auf > 30 Min. Die derzeit verfügbaren Präparate unterscheiden
sich in der Pharmakokinetik. Abciximab ist ein gentechnisch hergestelltes Fab-
Fragment eines AK gegen den GP-IIb/IIIa-Rezeptor. Eptifibatid u. Tirofiban sind
synthetische Nichtpeptidmoleküle. Abciximab hat eine weit höhere Rezeptoraffi-
nität als Tirofiban u. Eptifibatid, die Thrombos werden irreversibel blockiert. Alle
Präparate werden gemeinsam mit ASS u. Heparin gegeben.
Pharmakokinetik: Alle Präparate werden i. v. gegeben u. wirken nach ca. 2 Min.
Abciximab: HWZ ca. 10–30 Min., Wirkdauer 24–48 h (durch hohe Rezeptoraffi-
nität schnelle Entfernung aus dem Serum). Tirofiban: HWZ ca. 1,8 h, Elimination
vorwiegend renal. Erhöhte Spiegel bei Krea-Clearance < 30 ml/Min. Durch Dialy-
se entfernbar. Eptifibatid: HWZ ca. 2,5 h, Elimination vorwiegend renal.

Indikationen
• Hochrisiko-PCI v. a. bei Bailout-Situationen (begleitend zu ASS u. Heparin):
Infarktinzidenz sinkt im Verlauf um ca. 40–56 %, die Notwendigkeit von Re-
Interventionen um ca. 50–70 %.
• Instabile A. p. mit hoher i. c. Thrombuslast trotz üblicher Medikation (ASS,
Heparin): Infarktinzidenz sinkt (je nach Präparat 10–50 %).
• NSTEMI, STEMI mit hoher i. c. Thrombuslast.

• Keine unkritische Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten ohne


Kenntnis des Koronarangiogramms.
• Einsatz von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten nur bei spezieller Ind.:
– Bailout-Situation bei elektiver PCI.
– PCI bei ACS mit hoher i. c. Thrombuslast.
• Die aktuelle duale TAH (ASS + ADP-Antagonist) ist äußerst effektiv,
der Zusatznutzen von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten eher geringer.
Erhöhte Blutungs-KO machen den Nutzen zunichte.

Kontraindikationen
Komb. mit Fibrinolytika. Pat. mit erhöhtem Blutungsrisiko: gastrointestinale
Blutungsquellen, Z. n. Trauma (OP, fraglich Reanimation), Malignom, intrakra-
nieller/spinaler Tu, nicht einstellbare art. Hypertonie, Thrombozytopenie, proli-
ferative diabetische Retinopathie, eingeschränkte Leberfunktion, schwere Nie-
reninsuff.
 11.8 Thrombozytenaggregationshemmer  619

Nebenwirkungen
Thrombozytopenie. Blutungen, Inzidenz stark abhängig von der Heparindosis.

Vermeiden von Blutungskomplikationen


• Überheparinisierung vermeiden (PTT-Kontrolle).
• Möglichst sorgfältige Punktion der Arterien bei Herzkatheter (Durchste-
chen vermeiden).
• Schleuse ca. 6 h nach PCI entfernen, mind. 4 h vorher Heparinisierung 11
beenden (zuvor PTT-Kontrolle).
• Möglichst keine Heparingabe nach PCI, keine unnötigen Zugänge legen
(ZVK, Blasenkatheter).
• ZVK nur in komprimierbare Venen legen (cave: V. subclavia).
• Blutentnahme durch bereits liegende Zugänge.

Schwere Blutungen unter Abciximab können durch Gabe mehrerer Throm-


bo-Konzentrate gelindert werden. Integrellin u. Eptifibatid liegen im hohen
Überschuss im Serum vor, daher sind Thrombo-Konzentrate wirkungslos,
evtl. hilft Hämodialyse.

Interaktionen
Alle Präparate führen zur vermehrten Blutungsneigung bei Komb. mit anderen
Gerinnungshemmern (Heparin, ASS etc.).
Abciximab vermindert den Heparinbedarf → PTT-Kontrollen. Möglichst keine
Gabe von Dipyridamol u. niedermolekularen Dextranen. Nicht zusammen mit
Vit.-K-Antagonisten. Eptifibatid: nicht gemeinsam mit Furosemid od. Dextranen
infundieren.

Art der Anwendung


Alle GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten: zusätzlich zu ASS u. UFH high-dose
(PTT-Kontrolle! Abciximab: s. spezielle Vorschriften!).

Dosierung
Abciximab
Z. B. ReoPro® : 1 Amp. (5 ml) enthält 10 mg Abciximab. Entnahme aus Ampulle
über Filter.
Initialdosis (▶ Tab. 11.22): Bolus von 0,25 mg/kg KG KG (ggf. ca. 10 Min. vor
PCI). Anschließend: Infusion von 0,125 μg/kg KG/Min., (max 10 μg/Min.), z. B.
Perfusor aus 5 ml Reopro® (= 10 mg) u. 45 ml NaCl 0,9 % (1 ml = 0,2 mg). Infusi-
onsdauer: 24 h, bzw. max. 12 h nach PCI.

Tab. 11.22 Dosierung Abciximab (ReoPro®)


Körpergewicht Anfangsbolus1 Folgedosis1
50 kg 6,25 ml 1,8 ml/h
70 kg 8,75 ml 2,6 ml/h
90 kg 11,25 ml 3 ml/h
1
 Bolus: Unverdünntes Präparat. Folgedosis: Perfusor mit 10 mg/50 ml
620 11 Pharmakotherapie 

• Vor PCI: Ist Pat. noch nicht heparinisiert → 70 IE/kg KG (bei 75 kg ca.
5.000 IE) Heparin (z. B. Liquemin®); bei höherer Dosis erhöhte Blutungsinzi-
denz.
• Bei PCI: ggf. gewichtsadaptierte Heparinisierung, ca. 7 IE/kg KG/h (75 kg:
500 IE/h).
• Nach PCI: möglichst kein Heparin mehr (bzw. in Abwägung der kardialen
Risiken gegen eine schwerwiegende Blutung). Ggf. nur ca. 7 IE kg KG/h, un-
bedingt PTT engmaschig kontrollieren.
11
Tirofiban
Z. B. Aggrastat® Infusionskonzentrat: 1 Flasche à 50 ml enthält 12,5 mg Tirofiban
(1 ml = 0,25 mg). Aggrastat® 1 + 4 mit NaCl 0,9 % od. Glukose 5 % verdünnen auf
1 ml = 0,05 mg, z. B. Perfusor aus 10 ml Aggrastat® + 40 ml NaCl 0,9 %.
Initial über 30 Min. 0,4 μg/kg KG/Min. (▶ Tab. 11.23), anschließend Infusion von
0,1 μg/kg KG/Min. Bei Niereninsuff. mit Krea-Clearance < 30 ml/Min.: Dosis hal-
bieren. Behandlungsdauer: mind. 48 h, nach PTCA 12 bis max. 24 h.

Tab. 11.23 Dosierung Tirofiban (Aggrastat®)


Körpergewicht Erste 30 Min. Folgedosis nach 30 Min.
50 kg 24 ml/h 6 ml/h
70 kg 33,6 ml/h 8,4 ml/h
90 kg 43 ml/h 10,8 ml/h
Perfusor: 10 mg/50 ml

Nach 30 Min. unbedingt Infusionsgeschwindigkeit von Aggrastat® reduzie-


ren!

Eptifibatid
Z. B. Integrilin®. Fertiglösung, 10- ml-Amp. mit 20 mg (1 ml = 2 mg) für Initialbolus,
100-ml-Flasche mit 75 mg (1 ml = 0,75 mg) für Folgedosis (unverdünnt aufziehen).
Initialbolus von 180 μg/kg KG (▶ Tab. 11.24), anschließend Infusion von 2 μg/
kg KG/Min. Bei Krea > 2 mg/dl (176 μmol/l): evtl. Dosis reduzieren (keine exakten
Vorschriften). Behandlungsdauer: Max. 72 h, nach PCI ca. 24 h, dann beträgt die
Behandlungsdauer max. 96 h.

Tab. 11.24 Dosierung Eptifibatid (Integrilin®)


Körpergewicht Anfangsbolus Folgedosis
50 kg 4,5 ml 8 ml/h
70 kg 6,3 ml 11,2 ml/h
90 kg 8,1 ml 14,4 ml/h

• Kurzwirksame GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten sind besser steuerbar


(z. B. bei Blutungen), haben aber schlechtere Langzeitergebnisse: Infarkt­
inzidenz nach 30 Tagen nur für Abciximab signifikant vermindert (um
50 %).
 11.9 Fibrinolytika  621

• Gabe (auch aus Kostengründen) vorwiegend bei PCI von Typ-B- od. -C-
Stenosen (▶ 3.10.4) sowie bei Koronarthromben bei PCI/Stentanlage.
• Bei instabiler Angina: med. Stabilisierung gegen sofortige Koronarinter-
vention abwägen (Pat. ggf. in kardiologisches Zentrum verlegen).

11.9 Fibrinolytika 11
Wirkmechanismus
Bei den meisten MI entsteht ein Koronarthrombus auf einer vorbestehenden Ko-
ronarstenose (▶ 4.17). Fibrinolytika aktivieren das körpereigene Fibrinolytikum
Plasminogen, das Fibrin in Fibrinogen umwandelt. Alteplase, Reteplase u. Tenec-
teplase aktivieren Plasmin, nachdem es an einen Thrombus gebunden hat (fibrin-
selektive Thrombolytika). Streptokinase u. Urokinase aktivieren Plasminogen im
gesamten Gefäßsystem, dabei entstehen Spaltprodukte, die ihrerseits die Gerin-
nung hemmen.

Indikation
• STEMI < 12 h, sofern keine PCI verfügbar,
• Lungenembolie III, IV,
• tiefe Bein-, Beckenvenenthrombose,
• akuter thrombembolischer art. Verschluss,
• akuter ischämischer zerebraler Insult,
• evtl. bei Reanimation infolge akuter Lungenembolie, im Einzelfall bei ACS,
! Thrombolytika nur unter intensivmedizinischen Bedingungen, bei STEMI od.
fulminanter Lungenembolie auch präklinisch im Notarztwagen.

Kontraindikationen
Blutungen sind zwar nicht sehr häufig, aber evtl. tödlich. Lyserisiko gegen Infarkt-
risiko abwägen. Z. B. ist bei großem VWI die Infarktletalität ohne Lyse hoch, KI
fallen weniger ins Gewicht, bei strikt posteriorem MI wiegen Lyserisiken ungleich
schwerer.
• Absolute KI: aktuelle, nicht oberflächliche, nicht stillbare Blutung; florides
peptisches Ulkus, Ösophagusvarizen, Hirn-Tu, aktueller RR > 200 mmHg
systol., ischämischer Schlaganfall vor < 6 Mon., hämorrhagischer Insult od.
Insult unbekannter Ätiol. zu jedem Zeitpunkt, Aortendissektion, gatrointesti-
nale Blutung innerhalb des letzten Monats.
• Rel. KI: Z. n. Reanimation, Colitis ulcerosa, M. Crohn, Pankreatitis, anam-
nestisches Ulkusleiden, Nierensteine, proliferative diabetische Retinopathie,
Leberzirrhose, aktive Lungen-Tbc, Endokarditis, OP in den vergangenen
4–8 Wo., i. m. Injektion in den letzten Tagen, Malignom (je nach Ausdeh-
nung evtl. absolute KI), Gefäßfehlpunktion (ZVK), geringes Letalitätsrisiko
durch den Infarkt, TIA < 6 Mon., orale Antikoagulation.
! Keine KI: Schwangerschaft im 2. od. 3. Trimenon (Fibrinolyse-Ind. sehr eng
stellen!), Regelblutung.

Nebenwirkungen
• Blutungen: ca. 5 %, lebensbedrohlich in ca. 0,3–0,5 %, zerebrale 0,3–0,7 %
• Diabetische Retinopathie: evtl. retinale Blutung, Erblindungsgefahr.
622 11 Pharmakotherapie 

• Allergische Reaktionen: v. a. auf Streptokinase, APSAC.


• Erfolgreiche Lyse → Rhythmusstörungen, Hypotension (Reperfusionsar-
rhythmien ▶ 7.7.3).

Schwere Blutung unter Fibrinolytika


• Lyse beenden (nur bei t-PA wirklich hilfreich), Heparinisierung been-
den.
11 • Wirkung von t-PA klingt ohne weitere Maßnahmen in Minuten ab.
• Bei schwerer Blutung Fibrinogen (z. B. Haemocomplettan®, 2–4 g lang-
sam i. v., bei anhaltender Blutung mehr) od. Fresh Frozen Plasma
(2 Beutel).
• Bei lebensbedrohlichen Blutungen: Antagonisieren mit Aprotinin od.
Tranexamsäure, Heparinwirkung mit Protamin antagonisieren.

Auswahl des Fibrinolytikums


• Urokinase: sehr geringes Risiko anaphylaktischer Reaktionen, sehr teuer,
nicht zur Ther. des MI zugelassen.
• Streptokinase: schlechtestes Fibrinolytikum, preiswert, nicht unerhebliches
Risiko anaphylaktischer Reaktionen.
• Alteplase, Reteplase, Tenecteplase: Alle drei senken die Letalität gegenüber
Streptokinase u. APSAC um weitere 14 %, die Wiedereröffnung eines Koro-
narverschlusses ist deutlich schneller. Hirnblutungsrate steigt von 0,5 % unter
Streptokinase auf etwa 0,7 %, die Gesamtkomplikationsrate ist allerdings
niedriger. Dem statistisch insgesamt geringen Vorteil gegenüber anderen Fi­
brinolytika stehen höhere Kosten pro Lyse (6-fach höherer Preis als Strepto-
kinase) gegenüber. Tenecteplase wird als Einzelbolus gegeben, Reteplase als
Doppelbolus, d. h. die einfache Verabreichung macht die Gabe auch z. B. im
Notarztwagen möglich.

11.9.1 Streptokinase
Aus Streptokokken gewonnenes Eiweiß. Noch 24 h nach Gabe Gerinnungsstö-
rung durch Fibrinspaltprodukte. Eröffnungsrate von Koronararterienverschlüs-
sen ist rel. niedrig. In großen Studien ist es hinsichtlich der Letalität t-PA nur ge-
ring unterlegen.
Pharmakokinetik: langsamer Wirkeintritt, lange Wirkdauer.
! Pat. vor Behandlung nach möglichem Streptokokkeninfekt fragen.
Nebenwirkungen
S. o. In 6 % allergische Reaktionen, wiederholte Anwendung binnen Monaten
nicht möglich.

Interaktionen
Keine Begleitther. mit Heparin (Blutungsrisiko ↑ ohne Wirkvorteile).

Dosierung
Z. B. Streptase® 100.000, 250.000, 750.000, 1 500.000.
• 250 mg Prednisolon vor i. v. Gabe (Allergiegefahr!).
• I. v.: Trockensubstanz in 5 ml NaCl 0,9 % lösen, ggf. weiterverdünnen. Strep-
tase-Trockensubstanz 1,5 Mio. IE auf 50 ml mit NaCl 0,9 % per Perfusor über
 11.9 Fibrinolytika  623

1 h, verlängern (Perfusor 50 ml/h). Heparinperfusor vor Lysebehandlung aus-


stellen u. danach wieder anstellen (ideal: Die PTT nicht mehr durch Fibrino-
lyse verlängert).
• I. c.: 10.000 IE Bolus, dann 3.000 IE/Min. bis 30 Min. nach Reperfusion,
längstens 60 Min.

11.9.2 Urokinase
Aus menschlichem Harn gewonnener nicht fibrinselektiver Plasminogenaktiva- 11
tor. Lange Gerinnungshemmung durch Bildung von Fibrinspaltprodukten, aber
geringer als bei Streptokinase. Nicht zur Fibrinolyse bei MI zugelassen, es existie-
ren kaum Studien. Vermutlich ist es bis auf das fehlende Allergierisiko in etwa mit
Streptokinase vergleichbar, aber viel teurer.

Dosierung
Z. B. Corase® 250.000, 500.000 IE Trockensubstanz in 5 ml NaCl 0,9 % lösen, ggf.
weiterverdünnen.
• I. v.: Bei MI 1,5 Mio. IE als Bolus u. weitere 1,5 Mio. IE über 30–60 Min.
High-Dose-Heparinisierung i. v. (▶ 11.7.1) parallel zur Urokinasegabe (Ind.
nicht zugelassen).
• I. c.: 6.000 IE/Min., max. für 2 h.

11.9.3 Alteplase (t-PA)
Aus E. coli gewonnener rekombinanter menschlicher Plasminogenaktivator. Kur-
ze HWZ, daher gut steuerbar. Kaum Fibrinspaltprodukte, begleitende Heparini-
sierung erforderlich.

Dosierung
Z. B. Actilyse® 10/20/50 mg. Trockensubstanz in mitgeliefertem aqua ad injectabi-
la lösen.
• Akuter MI (< 12 h nach Symptombeginn):
– Akzelerierte Gabe: über 90 Min., Pat. mit Symptombeginn < 6 h. 15 mg
Bolus i. v., dann 50 mg als Infusion über 30 Min., dann 35 mg als Infusion
über 60 Min. (= 100 mg über 90 Min.).
– 3-h-Infusion: Pat. mit Symptombeginn 7–12 h. 10 mg Bolus i. v., dann
50 mg als Infusion über 60 Min., dann 40 mg als Infusion über 2 h
(= 100 mg über 3 h).
• Lungenembolie: 100 mg über 2 h im Perfusor, davon 10 mg als Bolus.
! Begleitend zur Fibrinolyse:
• ASS 500 mg.
• Heparin 5.000 IE i. v. Bolus vor Lyse, dann 1.000 IE/h mit PTT 1,5–2,5-fach
verlängert.

11.9.4 Reteplase (r-PA)
Gentechnisch hergestellte Mutante von Alteplase mit nur gering unterschiedli-
chem Wirkprofil: etwas weniger fibrinselektiv, geringere Wirkung an alten
Thromben, noch schnellerer Wirkeintritt als t-PA, längere HWZ. Hinsichtlich
Überlebensrate u. kardialen Ereignissen (z. B. Schock, Reinfarkt) sowie NW un-
624 11 Pharmakotherapie 

terscheiden sich Alteplase u. Reteplase nicht signifikant. Die längere Wirkdauer


von Reteplase erlaubt die Gabe als Doppelbolus im Abstand von 30 Min.

Dosierung
Z. B. Rapilysin® 10 U: Eine Packung enthält 2 Flaschen à 10 Einheiten Wirkstoff-
pulver. In aqua ad injectabila lösen, nicht schütteln.
• Inhalt einer Flasche (10 U) über ca. 2 Min. injizieren, nach 30 Min. Inhalt ei-
ner weiteren Flasche (10 U).
11 ! Begleitend zur Fibrinolyse High-Dose-Heparin i. v. u. ASS.

11.9.5 Tenecteplase
Gentechnische Variante von Alteplase mit längerer HWZ. Gleiche klinische
Wirksamkeit wie Alteplase, gleich viele zerebrale, etwas weniger transfusionsbe-
dürftige Blutungen. Einfachste Dos. aller modernen Fibrinolytika als Einzelbolus.

Dosierung
▶ Tab. 11.25. Packung mit Flaschen ®à 40 mg (Metalyse® 8.000 U) + Fertigspritze
mit 8 ml Wasser u. à 50 mg (Metalyse 10.000 U) + Fertigspritze mit 10 ml Wasser
verfügbar.

Tab. 11.25 Dosierung Tenecteplase (Metalyse®)


Körpergewicht mg Metalyse® (ml)
< 60 kg 30 mg (6 ml)
60–70 kg 35 mg (7 ml)
70–80 kg 40 mg (8 ml)
80–90 kg 45 mg (9 ml)
> 90 kg 50 mg (10 ml)

Begleitend zur Fibrinolyse High-Dose-Heparin i. v. u. ASS.

11.10 Elektrolyte
Magnesium
▶ 11.6.15.
Kalium
Wirkmechanismus
Erniedrigtes Serumkalium führt zu Hyperpolarisation der Zellmembranen, die
Refraktärperiode wird verlängert, die Neigung zu Reentry-Arrhythmien steigt, In-
zidenz digitalisinduzierter Rhythmusstörungen ist deutlich erhöht. Das Auftreten
tachykarder supraventrikulärer u. ventrikulärer Rhythmusstörungen einschließ-
lich Kammerflimmern wird begünstigt. Stark erschwerte Reanimation bei Hypo-
kaliämie. Der Einsatz von Antiarrhythmika bei erniedrigtem od. niedrig norma-
lem Kalium ist wenig sinnvoll.
Pharmakokinetik: Tagesbedarf bei normaler Nierenfunktion ca. 50–100 mmol.
 11.11 Fettstoffwechseltherapeutika  625

Indikation
Hypokaliämie bei jedem Herzkranken ausgleichen.
Kontraindikationen
Hyperkaliämie; unbekanntes Serumkalium.
Nebenwirkungen
Übelkeit, Erbrechen, Hyperkaliämie. Brausetbl.: Verstärkung einer metabolischen
Alkalose. KCl: Schleimhautreizung, bei fehlender Peristaltik Ulcera ventriculi. I. v.
Gabe: Nekrosen an der Injektionsstelle (bei ZVK-Fehllage od. unverdünnter Gabe
11
über periphere Vene).
Interaktionen
Keine.
Dosierung
• P. o.: Z. B. Kalium-Duriles® Tbl. (= 10 mmol KCl): 2 bis ca. 8 Tbl./d, je nach
Bedarf zu den Mahlzeiten. od. Kalinor-Brausetbl.® (= 40 mmol K+ als Zitrat u.
Hydrogenkarbonat) 1–3 Tbl./d.
• I. v.: Z. B. Kaliumchlorid 7,45 % Braun®, Flaschen à 100 ml: Perfusor 50 ml
(= 50 mmol); 5–20 ml/h. Unverdünnt nur über zentralen Zugang, als Zusatz
zu anderen Infusionslsg. max. 40 mmol/l. Mind. 1× tägliche K+-Kontrolle, bei
Infusion von über 5 ml/h mehrmals täglich.

Bei Diuretikather. verstärkt Hydrogenkarbonat eine evtl. bereits bestehende


metabolische Alkalose, diese fördert wiederum die Kaliurese. Daher bei nicht
ulkusgefährdeten Pat., die oral Nahrung zu sich nehmen, KCl (z. B. Kalium
Duriles®) Kalium-Brausetabletten (z. B. Kalinor Brause®) vorziehen.

11.11 Fettstoffwechseltherapeutika
11.11.1 Cholesterinsynthesehemmer (CSE-Hemmer)
Wirkmechanismus
Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase, des geschwindigkeitsbestimmen-
den Enzyms der Chol.-Synthese → deutlicher Abfall von Gesamt- u. LDL-Chol.,
geringer Anstieg von HDL-Cholesterin. Dadurch Hemmung der Progression
atherosklerotischer Stenosen der Koronararterien u. Karotiden. In der Sekundär-
prophylaxe der KHK weniger koronarer Ereignisse (A. p., MI) u. Senkung der Le-
talität („4S“-Studie). Bei der Primärprophylaxe der KHK Senkung koronarer Er-
eignisse u. geringe Senkung der Letalität („WOS“-Studie).

Indikation
Senkung des LDL-Chol. entsprechend dem individuellen Risikoprofil. Ther.-Ziel
ist bei bekannter KHK: LDL-Chol. < 100 mg/dl.
Basismaßnahme ist stets die Überprüfung der Lebensgewohnheiten (▶ 1).
Atorvastatin u. Simvastatin sind die wirkstärksten Präparate, sie sind v. a. bei the-
rapierefraktärer Hypercholesterinämie indiziert. Atorvastatin senkt stärker als die
anderen CSE-Hemmer die Triglyzeride, Einsatz v. a. bei gemischter Hyperlipid­
ämie sinnvoll.
626 11 Pharmakotherapie 

CSE-Hemmer bei unzureichender Wirkung mit Ezetimib (▶ 11.11.2) kombinie-


ren. Bei Erfolglosigkeit der med. Ther. Lipidapherese erwägen.

Tab. 11.26 Risikoadaptiertes Schema zur Cholesterinsenkung zusätzlich zu


Basismaßnahmen1
Risikokategorie Ziel-LDL
Bestehende KHK od. sonstige Arteriosklerose < 100 mg/dl (< 2,59 mmol/l)
11 ≥ 2 RF2 < 130 mg/dl (< 3,36 mmol/l)
Keine RF < 160 mg/dl (< 4,14 mmol/l)
1
 Basismaßnahmen: Nikotinkarenz, Gewichtsnormalisierung, ggf. RR-Einstellung (▶ 1)
2
 RF: Rauchen, Bluthochdruck (≥ 140/90 mmHg), HDL < 40 mg/dl, Familienanamnese
für KHK in jungen Jahren, Alter (Männer ≥ 45 J., Frauen ≥ 55 J.), Diab. mell.

Kontraindikationen
Lebererkr., Myopathien, Überempfindlichkeit, Schwangerschaft, Stillzeit, Vor-
sicht bei Kindern, Rosuvastatin nicht mit Ciclosporin kombinieren.

Nebenwirkungen
Magen-, Darmbeschwerden, Transaminasenanstieg, CK-Erhöhung, Hepatitis,
Myopathie u. Rhabdomyolyse (v. a. bei Komb. mit Fibraten), Rücken- u. Gelenk-
beschwerden.

Interaktionen
Vit.-K-Antagonisten: verstärkte Gerinnungshemmung. Immunsuppressiva, Fi­
brate, Nikotinsäure: erhöhtes Risiko einer Myopathie. Teilweise erhöhte Digoxin-
spiegel. Abbauhemmung von Atorvastatin, Lovastatin u. Simvastatin durch Inhi-
bitoren von CYP3A4 (Clarithromycin, Erythromycin, Ketoconazol, Itraconazol,
Verapamil, HIV-Proteaseinhibitoren) → erhöhtes Myopathierisiko.

Dosierung
▶ Tab. 11.27.
Tab. 11.27 CSE-Hemmer – Dosierung u. Kosten
Wirkstoff Präparat Dosierung
(Beispiel)
Atorvastatin Sortis® 10–80 mg/d
Fluvastatin Cranoc®, LOCOL® 20–80 mg abends
Lovastatin Mevinacor® 20–80 mg abends
Pravastatin Liprevil®, Pravasin® 10–40 mg/d
Simvastatin Denan®, Zocor® 10–80 mg abends
Rosuvastatin Crestor® 5–40 mg/d

• Das Serum-Chol. ist nach MI oft für einige Wo. niedriger als sonst: Blut-
fette ca. 6 Wo. nach MI kontrollieren.
• Bei V. a. CSE-Hemmer-induzierte Myopathie CK kontrollieren: Sie ist
meist (nicht immer!) erhöht. Dann Ind. kritisch prüfen.
 11.11 Fettstoffwechseltherapeutika  627

• Ein geringer Anstieg der Transaminasen ist häufig u. kein Grund, das
Präparat abzusetzen. Gelegentlich entwickelt sich aber auch eine schwe-
re Hepatitis, v. a. bei Lebervorschaden.

11.11.2 Ezetimib
Wirkmechanismus 11
Ezetimib hemmt die Chol.-Resorption im Dünndarm, wodurch der Chol.-Gehalt
der Leber sinkt u. die Chol.-Clearance aus dem Blut steigt. 10 mg Ezetimib senken
das LDL-Chol. im Schnitt um 18 %. Die Wirkung ist additiv zu CSE-Hemmern,
eine Komb.-Ther. ist sinnvoll.

Indikation
Primäre Hypercholesterinämie als Monother. od. in Komb. mit Statin. Datenlage
unzureichend. Reservemedikament bei Unverträglichkeit eines CSE-Hemmers.

Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit. Leberinsuff., Komb. mit Fibraten nicht empfohlen.

Nebenwirkungen
Transaminasenanstieg, gastrointestinale Unverträglichkeit.

Interaktionen
Erhöhte Fibratspiegel bei gleichzeitiger Anwendung.

Dosierung
Z. B. Ezetrol® Tbl. à 10 mg: 1 Tbl./d (Einnahmezeitpunkt unbedeutend), Komb.
von Ezetimib + Simvastatin (Inegy®) in der Dosis 10/10 bis 10/80 mg.

11.11.3 Cholesterinbinder
Wirkmechanismus
Chol.-Binder sind nichtresorbierbare Harze, die im Darm Gallensäuren binden.
Die hepatische Neusynthese von Gallensäuren senkt den Chol.-Pool. Gesamt- u.
LDL-Chol. fallen, HDL-Chol., aber auch Triglyzeride, steigen geringfügig. Koro-
narangiografisch geringe Verminderung der Progression atheromatöser Stenosen
von Koronargefäßen u. Venenbypässen. Inzidenz koronarer Ereignisse bei Hoch-
risikopat. sinkt, Letalität reduziert sich geringfügig. Chol.-Binder sind wirkschwä-
cher als CSE-Hemmer, die Einnahme ist unangenehm. Bei Hypercholesterinämie
werden sie vorrangig bei Unverträglichkeit von CSE-Hemmern eingesetzt.

Indikation
• Hypercholesterinämie,
• chologene Diarrhö,
• Pruritus bei partiellem Gallenwegsverschluss,
• Digitoxinintoxikation (Entfernung von Digitoxin aus enterohepatischem
Kreislauf).
628 11 Pharmakotherapie 

Kontraindikationen
Kompletter Gallenwegsverschluss, Ileus. Vorsicht bei Obstipation, Darmmotili-
tätsstörung.

Nebenwirkungen
Obstipation (dosisabhängig, Ther. einschleichen), Steatorrhö. Kurzzeitig bei
Ther.-Beginn: Anstieg von AP u. γ-GT. Langzeitther.: Mangel an fettlöslichen Vit.
möglich (Vit.-D-Mangel → Osteoporose; Vit.-K-Mangel → Blutungsneigung).
11
Interaktionen
Grundsätzlich ist mit einer verminderten Resorption aller oral verabreichten
Pharmaka zu rechnen. Hemmung der Resorption von Digitoxin, Digoxin, Vit.-K-
Antagonisten, Thiaziddiuretika, Loperamid, Barbituraten, Schilddrüsenhormo-
nen u. oral einzunehmenden Antibiotika → Einnahme 1 h vor Cholestyramin.
Unterbricht enterohepatischen Kreislauf von Amiodaron. Trotz zeitlich versetzter
Einnahme Resorptionseinschränkungen möglich (Kontrazeptiva!).

Dosierung
• Z. B. Quantalan® (Cholestyramin): Beutel à 4 g. Einschleichend, meist genü-
gen 3–4 Beutel/d (12–16 g), selten bis 36 g/d. Jahrestherapiekosten: ca. 1.450 €.
• Z. B. Cholestabyl® (Colestipol): Beutel à 5 g. Einschleichend 5–30 g/d. Jahres­
therapiekosten: Ca. 1.400 €.

• Die regelmäßige Einnahme der Harze ist belästigend u. nur von Pat. mit
exzellenter Compliance zu erwarten.
• Tendenziell steigen Triglyzeride unter Chol.-Bindern an: bei stark er-
höhten Triglyzeriden nicht verordnen.

11.11.4 Fibrate
Wirkmechanismus
Steigerung des Katabolismus der triglyzeridreichen VLDL (Lipoproteinlipase ↑),
Hemmung der Chol.-Synthese u. Steigerung der biliären Chol.-Ausscheidung.
Dadurch Abfall der Triglyzeride u. in geringerem Maße des Cholesterins. Ledig-
lich Gemfibrozil zeigte eine Reduktion der koronaren Mortalität, allerdings keine
Reduktion der Gesamtmortalität. Fibrate sind ein Indikator für ein hohes KHK-
Risiko, sie sind oft mit anderen RF verbunden. Allein stellen sie einen schwachen
RF dar.

Indikation
• Primäre Hyperlipoproteinämie,
• sek. Hypertriglyzeridämie.
Kontraindikationen
Schwere Leberfunktionsstörungen, fortgeschrittene Niereninsuff., Gravidität,
Stillzeit. Keine Komb. von Gemfibrozil mit Statinen (Myopathierisiko ↑).
 11.12 Antibiotika  629

Nebenwirkungen
Gastrointestinale Beschwerden, Hautbeschwerden, Alopezie, Impotenz, Anämie,
Myopathie (v. a. in Komb. mit CSE-Hemmern u. bei Nierenerkr. mit Hypalbu-
minämie), vermehrte Gallensteinbildung, Pankreatitis.

Interaktionen
Wirkungsverstärkung von oralen Antidiabetika, Ciclosporin A, Nikotinsäure.
Bezafibrat: keine Komb. mit MAO-Hemmern → gesteigerte Hepatotoxizität.
Benzafibrat, Gemfibrozil, Fenofibrat → verstärkte Wirkung von oralen Antikoagu- 11
lanzien. Antazida, Austauschharze binden Fibrate → verminderte Lipidsenkung.

Dosierung
Bezafibrat (z. B. Cedur® retard), Clofibrat (z. B. Regelan® uno), Etofibrat (z. B. Lipo
Merz®-retard), Fenofibrat (z. B. Lipanthyl® 250 Retardkapseln, Normalip pro®),
Gemfibrozil (Gevilon® uno): jeweils 1 Tbl. zum Abendessen.

• Möglichst keine Komb. mit HMG-CoA-Reduktasehemmern: erhöhte


Gefahr von Myopathie u. Rhabdomyolyse.
• Fibrate sind sinnvoll bei führender Erhöhung der Triglyzeride.

11.12 Antibiotika
Ind. u. Dos. bei fehlendem Keimnachweis ▶ Tab. 11.28.

Tab. 11.28 Antibiose bei fehlendem Keimnachweis


Infektion Anfangsantibiose Beispiel Dosierung1/d
Endokarditis (auch V. a.) ▶ 6.1.1
Sepsis unklarer Gene­ Ceftriaxon+ Cipro­ Rocephin® + 1 × 2 g + 2 × 200 mg
se, ambulant erworben floxacin od. Genta­ Ciprobay® od. i. v. od. 3 × 80 mg
micin Refobacin® i. v.
Sepsis unklarer Gene­ Piperacillin/Tazobac­ Tazobac® + Ci­ 3 × 4,5 g +
se, stationär erworben tam + Ciprofloxacin probay® od. 2 × 200 mg i. v. od.
od. Gentamicin Refobacin® 3 × 80 mg i. v.
Harnwegsinfekt Trimethoprim/Sulfa­ Bactrim forte® 2 × 1 Tbl. 2 × 1 Tbl.
methoxazol od. od. Tarivid®
Ofloxacin
Pneumonie, ambulant Cefuroxim od. Clari­ Zinacef® od. 3 × 0,75–1,5 g i. v.
erworben, keine Lun­ thromycin Klacid® od. 2 × 250 mg p. o.
genvorerkr.
Pneumonie, ambulant Ceftriaxon Rocephin® 1 × 2 g/d i. v.
erworben, vorbeste­
hende chron. Bronchitis
Pneumonie, stationär Ceftriaxon Rocephin® 1 × 2 g/d i. v.
erworben
Pneumonie, v. a. Aspi­ Imipenem Zienam® 3 × 0,5 g i. v.
ration
630 11 Pharmakotherapie 

Tab. 11.28 Antibiose bei fehlendem Keimnachweis (Forts.)


Infektion Anfangsantibiose Beispiel Dosierung1/d
®
Pneumonie, unter Anti­ Imipenem + Zienam + 3 × 0,5 g3 × 600 mg
biose entstanden ­Clindamycin ­Sobelin® i. v.
Beatmungspneumonie Ceftriaxon + Rocephin® + 1 × 2 g + 2 × 200 mg
­Ciprofloxacin od. Ciprobay® od. i. v. od. 3 × 80 mg
Gentamicin Refobacin® i. v
11 Venenkatheter­ Vancomycin Vancomycin 2 × 1 g i. v.
infektion, SM-Kabel-
od. -tascheninfektion
Diabetischer Fuß/ Ciprofloxacin + Ciprobay® + 2 × 500 mg p. o. od.
Fußinfektion bei art. ­Clindamycin Sobelin® 2 × 200 mg i. v.
Verschlusskrankheit 3 × 600 mg i. v. od.
p. o.
Meningitis Ceftriaxon Rocephin® 1 × 2 g i. v.
1
 Angegebene Dos. gelten nur bei normaler Nierenfunktion!

Serumspiegel
• Gentamicin: Tal < 2 mg/l (nicht überschreiten!), Berg 8 mg/l (30 Min. nach
Infusion, mäßige Überschreitung rel. ungefährlich).
• Amikacin: Tal 5–10 mg/l (nicht überschreiten!), Berg < 35 mg/l (30 Min. nach
Infusion, mäßige Überschreitung rel. ungefährlich).
• Vancomycin: Tal 5–10 mg/l (nicht überschreiten!), Berg < 40 mg/l (30 Min.
nach Infusion, Infusion über 1 h).
12 Interventionelle Therapieverfahren
Ulrich Stierle, Franz Hartmann und Uwe Wiegand

12.1 Perkutane koronare 12.4.3 T  echnische Termini der


I­nterventionen (PCI) 632 ­Schrittmachersysteme 663
12.1.1 Technische/personelle 12.4.4 Herzschrittmacher­
Voraussetzungen 632 implantation 666
12.1.2 Patientenvorbereitung 635 12.4.5 Komplikationen 667
12.1.3 Durchführung 635 12.4.7 Herzschrittmacher­
12.1.4 PCI bei akutem Myokard­ nachsorge 671
infarkt 638 12.5 Implantierbarer Schrittmacher,
12.1.5 Kombinierte Koronar­ Kardioverter, Defibrillator
angiografie/PCI 638 (ICD) 673
12.1.6 Management nach PCI 639 12.5.1 Indikationsstellung 675
12.2 Komplikationen u. Probleme 12.5.2 Detektions- u. Differenzie­
der PCI 639 rungsalgorithmen 676
12.2.1 Restenose 639 12.5.3 Therapiealgorithmen 676
12.2.2 Abrupter Gefäßverschluss nach 12.5.4 Automatische externe
PCI 640 ­Defibrillation (LIfeVest) 677
12.2.3 Koronarspasmus 641 12.6 Kardiale Resynchronisations-
12.2.4 Dissektion 641 therapie (CRT) 677
12.2.5 Akuter Gefäßverschluss 642 12.6.1 Indikationsstellung 678
12.2.6 No-Reflow-Phänomen 643 12.6.2 Implantation eines CRT-
12.2.7 Koronargefäßperforation 644 Schrittmachers/-ICD 678
12.2.8 Notfall-ACVB-Operation 645 12.6.3 Probleme u.
12.2.9 Periphere Gefäßkomplika­ ­Komplikationen 679
tionen 646 12.6.4 Nachsorge 679
12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/ 12.7 Katheterablation 679
-verwandte Verfahren 648 12.7.1 Ablationsverfahren 679
12.3.1 Intrakoronarer Stent 648 12.7.2 Indikationen zur Katheter­
12.3.2 Atherektomie 652 ablation 680
12.3.3 Rotationsangioplastie 653 12.8 Antiarrhythmische Chirurgie
12.3.4 Laserangioplastie 654 684
12.3.5 Brachytherapie 655
12.4 Permanente Herzschritt­
machertherapie 656
12.4.1 Indikationen zur Schritt­
machertherapie 656
12.4.2 Wahl des Schrittmacher­
systems 660
632 12 Interventionelle Therapieverfahren 

12.1 Perkutane koronare Interventionen (PCI)


Nichtchirurgische Methoden zur Behandlung von Koronararterienverschlüssen
od. -stenosen mittels Kathetertechniken. Zum Einsatz kommen die klassische Ko-
ronararteriendilatation mit konventionellem Ballonkatheter oft kombiniert mit
zusätzlichen Interventionsverfahren wie Stentimplantation, direktionale Atherek-
tomie, Rotations-, Laserangioplastie.

Indikationen u. Kontraindikationen zur PTCA/PCI


• Stabile A. p. (▶ 3.4.1),
• ACS (▶ 3.5).

12 12.1.1 Technische/personelle Voraussetzungen
Verbindliche nationale Leitlinien für die personellen u. technischen Vorausset-
zungen für die interventionelle Koronarther. existieren nicht. Jedoch existieren
aktuelle (2011) Empfehlungen der AHA für die Durchführung der PCI u. Richtli-
nien zur Strukturqualität von Krankenhausabteilungen, die eine interventionelle
Koronarther. anbieten.

Technische Voraussetzungen
• Mono- od. biplane Koro-Einheit inklusive Messplatz eines konventionellen
Herzkatheterlabors.
• Sämtliche Voraussetzungen zur intensivmedizinischen Betreuung müssen ge-
geben u. einsatzbereit sein.
! Strahlenschutzvorschriften strikt einhalten.
Katheterausstattung
• Alle Arten u. Größen konventioneller Herzkatheter für diagn. Angio,
• Führungskatheter in verschiedenen Konfigurationen u. Größen,
• Koronarführungsdrähte verschiedener Größen (0,010–0,018‘‘, 175–300 cm)
u. Flexibilität; Spezialdrähte (z. B. für Rekanalisation),
• Spezialausstattung (z. B. Absaugkatheter, Filterdrähte).
Ballonkatheter
• Formen:
– On-the-Wire: Führungsdraht ist auf Ballon fixiert.
– Over-the-Wire: Ballon wird über Führungsdraht als Leitschiene einge-
bracht.
– Monorail: Variante der Over-the-Wire-Technik. Nur der distale Anteil
des Ballonkatheters wird vom zentral gelegenen Draht geführt (niedriges
Profil des Systems, nur ein Operateur erforderlich).
• Ballongröße: 1,5–4 mm (entfalteter Zustand).
• Ballonmaterial: Polyethylen, Polyvinylchlorid, Polyolefin-Kopolymer.
– „Compliant Balloon“: Nominaldiameter nimmt bei höheren Inflations-
drücken (meist > 6 atm) noch um 10–20 % zu (Polyvinylchloridballons).
– „Non-compliant Balloon“: Nominaldiameter wird auch bei hohen Drü-
cken (16–20 atm) nicht überschritten (Polyethylenballon).
Intrakoronare Stents
▶ 12.3.1.
 12.1 Perkutane koronare Interventionen (PCI) 633

Metallische Implantate zur mechanischen Stabilisierung der Gefäßwand. Wirk-


mechanismus: Verhinderung von Intima-Flap-Bildungen, Fixierung von Plaque-
fragmenten od. Intima-Flaps, Verbesserung der Rheologie durch Glättung der
Lumenoberfläche, Widerstand gegen elastische Rückstellkräfte des dilatierten
Segments, damit Reduktion der Re-Stenosebildung nach PCI. Koronare Stents
kommen heute in mehr als 80 % aller PCI-Prozeduren zum Einsatz. Wichtige Vo-
raussetzung: effektive med. Begleitther. (duale Plättchenhemmung).

Patientenüberwachung
! Pat.-Betreuung steht im Vordergrund der Tätigkeit von Untersucher u. Assis-
tenzpersonal.
• Kontinuierliche Überwachung von EKG u. Drücken im Herzkatheterlabor u.
Registrierraum. Immer Extremitäten- u. Brustwandableitungen registrieren.
12
Untersucher- u. Institutserfahrung
• Elektive PCIs sollten von Untersuchern mit ausreichender Eingriffsfrequenz
(≥ 75 Eingriffe/J.) an Zentren mit ausreichend hohem Eingriffsvolumen
(> 400 Eingriffe/J.) mit verfügbarer Herzchirurgie durchgeführt werden.
• Elektive PCIs sollten nur von Untersuchern u. an Einrichtungen durchge-
führt werden, deren aktuelle risikoadjustierte Outcome-Statistiken den Er-
gebnissen nationaler Registerdaten vergleichbar sind (Verpflichtung zur Of-
fenlegung der eigenen Prozessqualität).
• Primäre PCIs bei STEMI sollten von Untersuchern mit ausreichender Ein-
griffsfrequenz (≥ 75 Eingriffe/J., ≥ 11 PCIs wegen STEMI/J.) an Zentren mit
ausreichend hohem Eingriffsvolumen (> 400 Eingriffe bzw. > 36 Eingriffe we-
gen STEMI/J.) durchgeführt werden.

Dokumentation
Im Rahmen der Befunderstellung sollten folgende Daten registriert werden: Be-
fund u. Beschwerden vor PCI, Art/Umfang des Ischämienachweises, Verlauf der
PCI (Materialien, Symptomatik, KO, Angio-Ergebnis), Vorgehen nach PCI (Me-
dikation, Belastungsuntersuchungen, Angio-Kontrolle) u. Pat.-Betreuung (Inten-
siv-, Intermediärstation).
Während der Prozedur Dokumentation von Standarddaten u. variablen Daten
nach der Röntgenverordnung (RöV): Bildverstärkereingangsdosisleistung, Bild­
empfängerdosis, Filterung, Pulsfrequenz, Kinofrequenz, Gesamtdurchleuch-
tungszeit, Dosis-Flächen-Produkt.

Qualitätskontrolle
Nach aktuellen AHA-Empfehlungen sollte eine Einrichtung, die PCI durchführt,
an einem strukturierten u. fortlaufenden Programm zur Dokumentation u. ggf.
Verbesserung der Prozessqualität teilnehmen. Die Mitwirkung an einem verglei-
chenden Qualitätssicherungsprogramm wird vielerorts vom Gesetzgeber ver-
langt.
Die Teilnahme an einem anerkannten PCI-Register wird empfohlen.

OP-Bereitschaft
• Gemäß Empfehlung der AHA sind sowohl die direkte PCI bei ACS als auch
die elektive PCI in Kliniken ohne herzchirurgichen On-site-Backup möglich,
wenn gewisse formelle Voraussetzungen erfüllt sind. (AHA-Empfehlungen
2011).
634 12 Interventionelle Therapieverfahren 

AHA 2011 Empfehlungen: PCI in Kliniken ohne herzchirurgichen On-site-


Backup:
• Primäre PCI bei ACS empfehlenswert in Kliniken ohne herzchirurgichen
On-site-Backup, vorausgesetzt dass eine adäquate Planung für die Pro-
grammentwicklung durchgeführt wurde. (IIa-B)
• Elektive PCI kann in Kliniken ohne herzchirurgichen On-site-Backup
durchgeführt werden, vorausgesetzt dass eine adäquate Planung für die
Programmentwicklung durchgeführt wurde u. genaue klinische u. angio-
grafische Kriterien für die Pat.-Selektion angewendet werden. (IIb-B)
• Primäre od. elektive PCI sollte nicht in Kliniken ohne herzchirurgichen
On-site-Backup durchgeführt werden ohne einen festgelegten Plan für ei-
nen schnellen Transport in eine nahe gelegene herzchirurgische Abteilung
od. ohne Möglichkeit für eine hämodynamische Unterstützung auf dem
12 Transport. (III-C)

• Wie eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse von Registerdaten zeigt, sind


PCI auch an Kliniken ohne herzchirurgische Abteilung ohne erhöhte Inhos-
pital-Mortalität od. Notfall-OP-Rate möglich. Dafür ist sicherzustellen, dass
die Pat. innerhalb von 30 Min. mit einem Linksherzunterstützungssystem
(IABP) versorgt u. rasch in ein nahe gelegenes herzchirurgisches Zentrum
transportiert werden können.

Bewertung von Dilatationserfolg u. Prozedurrisiko


Eine Angioplastie gilt als erfolgreich, wenn die Restenose nach PCI < 20 % beträgt
u. Pat. den Eingriff ohne schwerwiegende KO (Tod, Infarkt, dringliche ACVB
während Krankenhausaufenthalt) übersteht.
Klinischer Erfolg ergibt sich aus der Komb. von prozeduralem Erfolg u. der Frei-
heit von Symptomen. Dieser gilt als langfristig bei Symptomfreiheit von > 6 Mo-
naten. Restenose ist die häufigste Ursache für fehlenden Langzeiterfolg.
Erfolgsraten bei PCI: Bei 1-GE in > 90 % erfolgreiche Dilatationen. PCI-Erfolg ist
abhängig von Pat.-Charakteristika sowie bes. von der Stenosemorphologie (Typ
A–C ▶ 3.10.4).
Risikobewertung
Ergibt sich aus der Stenosemorphologie (Typ A, B, C) u. klinischen sowie angio-
grafischen Faktoren (▶ 3.9.7, ▶ 3.10.4).
• Niedriges Risiko: Alter < 70 J., männl., 1-GE, Typ-A-Stenose, LV-EF > 40 %,
anamnestisch keine Herzinsuff., stabile A. p.
• Erhöhtes Risiko: Alter > 70 J., weibl., Mehrgefäßerkr. od. mehrere Stenosen
eines Koronargefäßes, Typ-B- od. -C-Stenose, Diab. mell., anamnestische
Hinweise auf Herzinsuff., LV-EF < 40 %, li Hauptstammäquivalent, inadäqua-
te Thrombozytenfunktionshemmung (unzureichende ASS-Vorbehandlung),
instabile A. p., PCI unmittelbar nach Thrombolyse, PCI nach diagn. Angio bei
instabiler A. p.
• Risiko eines akuten Gefäßverschlusses bei PCI ohne Stent: 3–8 %. Risiko
meist nicht kalkulierbar. Faktoren, die ein erhöhtes Verschlussrisiko anzeigen:
– Klinisch: weibl., instabile A. p., insulinpflichtiger Diab. mell., inadäquate
Thrombozytenfunktionshemmung.
– Angio-Kriterien vor PCI: intrakoronarer Thrombus, > 90-prozentige Ste-
nose, Stenosenlänge > 2 cm, Stenosen an Aufzweigungen u. in Gefäßbie-
gungen (> 45°), RCA-Stenosen.
 12.1 Perkutane koronare Interventionen (PCI) 635

– Angio-Kriterien nach PCI: Intimadissektion > 10 mm, Reststenose


> 50 %, vorübergehender Gefäßverschluss während der Prozedur, trans-
stenotischer Gradient > 20 mmHg.
• Risiko eines kardiogenen Schocks bei akutem Gefäßverschluss bei großen
ischämischen Myokardregionen, LV-EF < 25 %, Mehrgefäßerkr., Erkr. des li
Hauptstamms od. der proximalen RCA, hochgradiger Lumeneinengung vor
PCI, diffuser Gefäßerkr. im dilatierten Segment, Abgang von Kollateralen aus
dem dilatierten Gefäß, die wesentliche Anteile vitalen Myokards versorgen.

12.1.2 Patientenvorbereitung
• Eingriff rechtzeitig planen: Vorgehen, Materialien, ggf. Rücksprache mit
Herzchirurgie. Risikostratifizierung (▶ 12.1.1), ggf. zusätzliche Maßnahmen
festlegen (temporärer SM, IABP). 12
• Mind. 500 mg ASS 1 Tag vor PCI. Bei bekannter Spasmusneigung Vorbe-
handlung mit Nitrat u. Kalziumantagonisten erwägen. Bei geplanter PCI Clo-
pidogrel-Vorbehandlung spätestens am Vortag (Dos. ▶ 3).
• Operateur alle wichtigen Daten mitteilen: komplette Vorgeschichte, Klinik,
alle nichtinvasiven Befunde, Koro-Befund/-Film, Besonderheiten (Gefäßpro-
bleme, Gerinnung, Begleiterkr., z. B. Niereninsuff., Diab. mell., art. Hoch-
druck).
• Pat. informieren: Art der Erkr., Prinzip der Angioplastie, alternative Metho-
den (z. B. Bypass-OP), KO-Rate des Labors, zu erwartende Erfolgsrate, indivi-
duelles Risiko, KO, evtl. notwendig werdende Akut-OP, Präsenz einer OP-
Bereitschaft bzw. Logistik im KO-Fall. Schriftliche Einverständniserklärung
einholen. Pat.-Information möglichst am Vortag durchführen, gilt bes. für ri-
sikobelastete Eingriffe.
• Aktuelle Labordaten: E‘lyte, Krea, Gerinnungsstatus, BB, Blutgruppe.
• Aktuelles EKG.
• Pat. nüchtern lassen.
• Vorbereitung beider Leistenregionen.
• Sedierung: Diazepam p. o., Dosis nach klinischen Kriterien.
• Kurzanamnese direkt vor PCI: Beschwerden seit der letzten Visite. Vorbe-
handlung mit ASS, Clopidogrel? Weitere notwendige Medikation am Tag der
Prozedur eingenommen? Allergie (ASS- od. KM-Allergie)? Vorbehandlung
bei Allergie?
• i. v. Zugang (Braunüle®), physiologische NaCl-Lsg. zum Offenhalten des Zu-
gangs.
• Ausreichende Hydratation bei Krea > 1,5 mg%: physiologische NaCl-Lsg.
100 ml/h bei Prozedurbeginn.

12.1.3 Durchführung
• Femoralarterie nach Seldinger punktieren.
• 5–7-F-Schleuse platzieren.
• I. a. Injektion von Heparinbolus (70–100 IE/kg KG), bei länger dauernden
Prozeduren (> 60 Min.) ggf. weiterer Heparinbolus (z. B. 1.500–2.000 IE/h).
ACT-Wert zur Beurteilung der Gerinnung im Herzkatheterlabor kontrollie-
ren (gewünschter Wert 250–350 s). Heparindosis bei Pat. mit GP-IIb/IIIa-
Antagonisten: 50–60 IE/kg KG (ACT > 200 s); nach Beendigung der Prozedur
636 12 Interventionelle Therapieverfahren 

kein weiteres Heparin geben. GP-IIb/IIIa-Antagonisten v. a. bei instabiler


A. p. (▶ 3.7) u. anderen Hochrisikokonstellationen.
• Evtl. 0,8 mg NTG s. l. geben.
• Führungskatheter (▶ Abb. 12.1) im Koronarostium platzieren (Vorgehen wie
bei diagn. Angio).

Führungskatheter Dilatationskatheter

Steuerbarer Führungsdraht

12
Aortenwurzel
Kontrastinjektion

Abb. 12.1 Dilatationssystem [L157]

Vorgehen bei provisionellem Stenting


• Stenose in mehreren Ebenen angiografisch darstellen.
• Aussagekräftiges Standbild als Orientierungshilfe auf Monitor auswählen.
• Koronarführungsdraht platzieren. Bei gerader Spitze des weichen Führungs-
drahts Drahtende leicht anstauchen/biegen, um Dissektionsgefahr zu vermin-
dern u. Draht besser steuerbar zu machen. Unter vorsichtigem Drehen des
Führungsdrahts Stenose passieren. KM-Injektion zur Kontrolle der exakten
Drahtposition.
• Dilatationsballon vorbereiten u. platzieren: Ballon über liegenden Führungs-
draht einführen, bis eine Position mittig in der Stenose erreicht ist. Kontrolle
der richtigen Position anhand der röntgendichten Markierungen des Ballons
u. mittels wiederholter KM-Injektionen über den Führungskatheter.
• Dilatation der Stenose bei korrekter Lage des Ballons: Ballon mit KM-Ge-
misch (50 % KM, 50 % NaCl-Lsg.) mit manueller Hochdruckspritze (Indefla-
tor) insufflieren. Inflationsdruck stetig erhöhen, bis Ballon vollständig entfal-
tet ist bzw. der Nominaldruck erreicht ist. Dilatationsdauer 0,5–2 Min., Dauer
hängt vom Verhalten der Stenose u. von den Beschwerden des Pat. ab.
• Während der Dilatation Pat. nach Beschwerden fragen. Monitor-EKG kon­
trollieren.
• Nach vollständiger Entleerung des Ballons Ballonkatheter in Führungskathe-
ter zurückziehen, Führungsdraht verbleibt in situ. Abschließend Stenoseregi-
on angiografisch in mehreren Ebenen darstellen, um Aussagen zu Gefäßof-
fenheit u. PCI-Ergebnis (Residualstenose, Thrombus, Dissektion, Spasmus,
Perforation) machen zu können. Evtl. zuvor NTG i. c. (100–400 μg) geben.
 12.1 Perkutane koronare Interventionen (PCI) 637

• Bei befriedigendem PCI-Ergebnis (Residualstenose < 20 %, normaler Fluss,


keine höhergradige od. komplexe Dissektion bzw. Thrombus) Ende der Pro-
zedur: Ballonkatheter entfernen. Abschließende Angio-Kontrolle. Koronaren
Führungsdraht u. Führungskatheter entfernen. I. a. Schleuse kann nach Ent-
scheidung des Operateurs noch für einige Stunden in situ bleiben.
Nachbetreuung ▶ 12.1.6.
• Vorgehen bei unbefriedigendem PCI-Ergebnis: Redilatation mit dem glei-
chen Ballonkatheter, ggf. Dilatation mit einem größeren Ballon, der über den
noch liegenden Führungsdraht eingebracht wird. Besteht trotz Redilatation
ein unbefriedigendes Ergebnis, wird unabhängig von der angiografisch er-
kennbaren Ursache der Wiederverengung (Restenose durch elastische Rück-
stellkräfte [„elastic recoil“] od. Gefäßwanddissektion) nach Ausschluss eines
Koronararterienspasmus durch i. c. NTG (100–400 μg) od. i. c. Nifedipin, ggf.
wiederholen, eine koronare Stentimplantation empfohlen. 12
Alternative Vorgehensweise in Abhängigkeit von Gefäßmorphologie u.
Läsionscharakteristika:
PCI mit provisionellem Stenting
Dilatation der Stenose mit einem dem Referenzdiameter (Gefäßdiameter in einem
gesunden, der Stenose benachbarten Gefäßsegment) entsprechenden Ballon. Bei
befriedigendem PCI-Ergebnis (s. o.) Eingriff beenden. Bei unbefriedigendem PCI-
Ergebnis (große Dissektion, inakzeptable Reststenose) Implantation eines Koro-
narstents zur Optimierung des Ergebnisses.
Elektives Stenting mit Prädilatation
Prädilatation der Läsion mit einem i. d. R. mit ½ Ballongröße unterdimensionier-
ten PTCA-Ballon. Dann geplante Implantation eines in der Größe an den Refe-
renzdiameter angepassten Stents.
Elektives Stenting ohne Prädilatation (direktes Stenting)
Implantation eines in der Größe an den Referenzdiameter angepassten Stents di-
rekt in die Läsion ohne vorherige Prädilatation. Häufig muss das Ergebnis durch
Nachdilatation mit einem leicht überdimensionierten Hochdruckballon optimiert
werden. Ind.: Typ-A-Läsion (kurz, nicht subtotal, nicht verkalkt, nicht gewunden,
nicht in Bifurkationsbereich).

Komplikationen bei PCI


▶ 12.2.
Bei KO-trächtigem Verlauf od. instabilem Pat. Herzchirurg informieren, um
Stand-by zu sichern. Bei interventionell nicht beherrschbaren KO sofort
Not-ACVB-OP.

PCI bei Mehrgefäßerkrankungen


Wahl einer der 3 folgenden Strategien:
• Anatomische Revaskularisation: Dilatation aller Stenosen > 70 % unabhän-
gig von Größe des Gefäßes u. des versorgten Myokards.
• Funktionelle Revaskularisation: Dilatation nur der Stenosen, die ein mind.
mittelgroßes, vitales Myokardareal versorgen.
638 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• Gezielte Revaskularisation: Dilatation nur der Stenose(n), die für die nach-
gewiesene Ischämie verantwortlich ist (sind). Bei persistierender Ischämie od.
A. p.: PCI weiterer Stenosen in einer 2. Sitzung.

Vorgehen bei chronischem Gefäßverschluss


• Zuerst Rekanalisation von Gefäßen mit großem Areal vitalen Myokards,
• danach Rekanalisation von Gefäßen mit kleinem Areal vitalen Myokards.
Reihenfolge bei der PCI mehrerer Gefäßstenosen
• Zuerst PCI der Stenose, die für die Beschwerden verantwortlich ist (meist die
höchstgradige Stenose) u. ein großes, vitales Myokardareal versorgt bzw. die
das größte Myokardareal bedroht.
• Bei 2 ähnlich ausgeprägten Stenosen zweier Gefäße: zuerst PCI des besser
12 kollateralisierten Gefäßes.
• Mehrere Stenosen eines Gefäßes: zuerst PCI der distal gelegenen Stenose.

12.1.4 PCI bei akutem Myokardinfarkt


Ind. u. KI (▶ 3.6.4).
• Primäre PCI (▶ 3.6.4): Angioplastie ohne vorangehende Thrombolyse. Ziele:
Reperfusion, Rettung von Myokard. Ergebnisse: erfolgreiche Eröffnung des
Infarktgefäßes in 95 %, Wiederverschlussrate bis 15 %. Vorteile: im Vergleich
zu Thrombolyse höhere Rate an offenen Infarktgefäßen, Verbesserung von
LV-Funktion u. Prognose von High-Risk-Pat. (höhere Überlebensrate von
Pat. im kardiogenen Schock), Reduktion der Rate an Blutungs-KO u. der
Schlaganfallrate. Weiterer Vorteil: Frühzeitige Kenntnis der Koronaranato-
mie hilft bei weiteren Ther.-Entscheidungen.
• Rescue-PCI (▶ 3.6.4): mechanische Rekanalisation bei ineffektiver Thrombo-
lyse. Ziele: Reperfusion, Rettung von Myokard, weil Mortalität nach erfolglo-
ser Lyse hoch! Hohe Reokklusionsrate, deshalb immer Komb. mit Antikoagu-
lation u. TAH (GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist).

12.1.5 Kombinierte Koronarangiografie/PCI
„Prima-Vista“-PCI = Koronarintervention unmittelbar im Anschluss an diagn. Koro.

Indikationen
• Akuter MI,
• therapierefraktäre instabile A. p.,
• Restenose mit typischen Beschwerden u. Ischämienachweis,
• primäre Läsion mit hoher prozeduraler Erfolgswahrscheinlichkeit u. gerin-
gem KO-Risiko (Typ-A-Läsion).

Kontraindikationen
• Hochrisiko-PCI, die in jedem Fall eine bes. Aufklärung erfordert,
• insbes., wenn alternativ zur PCI eine Bypass-OP infrage kommt.
Voraussetzungen
• Aufklärung u. Einverständnis des Pat.!
• Klinische Ind. zur PCI muss zweifelsfrei gegeben sein.
• Alle PCI-Voraussetzungen müssen gewährleistet sein.
 12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI 639

12.1.6 Management nach PCI


• Protokoll inklusive aller Angaben zu Vorgehen, Ergebnis, Pharmakother. u.
evtl. speziellen weiteren Maßnahmen.
• Sichere Lage der art. Schleuse gewährleisten (evtl. annähen), lokale Blutung in
der Leistenregion ausschließen u. Perfusionsverhältnisse der Extremität prüfen.
• Überwachung über 12–24 h mit kontinuierlichem EKG-, HF- u. RR-Monitoring
bei Pat. mit ausgedehnter Ischämie od. möglichem MI, bei größeren Dissektionen,
bei schwerwiegenden Arrhythmien u. nach Eingriffen an Gefäßen, deren Ver-
schluss zu einem ausgedehnten MI führen würde. 24-stündige qualifizierte Rufbe-
reitschaft muss gewährleistet sein. Bei unkomplizierten Fällen Überwachung auf
Allgemeinstation (lückenlose Überwachung durch qualifiziertes Personal).
• Auf Überwachungseinheit: 12-Ableitungs-EKG (Vergleich mit Prä-PCI-EKG).
Labor: BB, E‘lyte, Krea, CK, Gerinnung (Fibrinogen, Quick, PTT, evtl. ACT).
• Überwachungsdauer u. med. Ther. legt Operateur fest: evtl. Weiterführung 12
der Heparinther. (i. v. od. s. c.). Ther. mit ASS/Clopidogrel, ggf. GP-IIb/IIIa-
Rezeptorantagonisten fortsetzen. Weitere med. Ther. ▶ 3.10.4.
• Ende der Überwachungsperiode: 4–6 h nach Beendingung der Heparinther.
Schleuse entfernen (wenn PTT < 50 s, ACT < 140 s; nach Gabe von Thrombo-
lytika sollte Fibrinogen > 150 mg% sein). Manuelle Kompression, bis Blutung
steht (5–20 Min.), anschließend Kompressionsverband u. 6–12 h Bettruhe.
Alternativ: Verschluss des Punktionskanals mit Verschlusssystem unmittel-
bar am Ende der Intervention.
Vorsichtige Mobilisation nach Entfernen des Kompressionsverbands. Bei
Vollantikoagulation bis zu 1 Wo. nach PCI Nachblutungsgefahr.
• KO während der Überwachung:
– A. p.: DD u. Ther. ▶ 12.2.3.
– Art. Hypotonie: nach antiischämischer Medikation od. Volumendepletion
durch KM. Volumensubstitution mit kristallinen Lsg. (NaCl 0,9 % i. v.).
Immer Blutung ausschließen (Leiste, Retroperitoneum)! Bei Hypotonie u.
Bradykardie Atropin i. v. (0,5–2,0 mg).
• Cave! Akute Hinterwandischämie kann ebenfalls mit Bradykardie u. Hypo-
tension einhergehen!
• Verlegung direkt nach PCI in ein Krankenhaus ohne Möglichkeit zur Rein-
tervention vor Ort nicht empfehlenswert.
• Entlassung 24–36 h nach KO-loser PCI. Kontrolle der RF für atheroskleroti-
sche Erkr. einleiten (▶ 1). Pat. über weiteres Vorgehen informieren (klinische
u. ergometrische Kontrolle nach 1 Mon. u. 6 Mon.). Pat. bitten, sich bei neu-
en od. wiederkehrenden kardialen Symptomen umgehend zu melden.

12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI


12.2.1 Restenose
Erneute Stenosebildung nach PCI, verursacht durch inkomplette Dilatation mit
elastischer Rückstellung der Gefäßwand, mechanische Läsion bei PCI mit Intima-
verdickung od. durch Dissektion mit Thrombusbildung. Multifaktorieller Pro-
zess, der nicht gänzlich geklärt ist. Häufigkeit: 1. Tag post PCI Restenose in 10–
15 %; 1. Mon. post PCI ca. 15 %; nach 1–3 Mon. 35–45 %. Nach 3–12 Mon. nur
wenige zusätzliche Restenosefälle; > 12 Mon. Restenose sehr selten.
640 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Risikofaktoren
• Primäre Restenose: Stenosenlänge > 20 mm, Mehrgefäßerkr., Stenose eines
Venenbypasses im proximalen od. mittleren Drittel, chron. Gefäßverschluss,
kollateralisiertes Dilatationsgefäß.
• Instent-Restenose: Da heute mehr als 80 % aller primären PCI mit einer
Stentimplantation abgeschlossen werden, ist die häufigste Form der Resteno-
se heute die Instent-Restenose, d. h. die Restenose in od. in direkter Nachbar-
schaft eines vorher implantierten Stents. Diese unterscheidet sich von der
Restenose nach einfacher PCI grundlegend in der Pathogenese. Nach Stent­
implantation kann es durch Hyperplasie der Neointima im Stent zu einer sek.
Wiederverengung innerhalb von Wo. bis Monaten kommen. Häufigkeit einer
klinischen Restenose nach BMS-Implantation: je nach Läsionscharakteristika
ca. 10–50 %.
12
Diagnostik
• Klinik: bei symptomatischer Restenose meist Belastungsangina, seltener in-
stabile A. p. od. akuter MI.
! Wiederauftreten von A. p. > 6 Mon. nach PCI spricht eher für eine Progressi-
on der Atherosklerose in nichtdilatierten Koronarabschnitten.
• Belastungsuntersuchungen: Ergometrie u. 201Tl-Szintigrafie am aussage-
kräftigsten; eingeschränkte Aussagekraft bei Mehrgefäßerkr., inkompletter
Revaskularisation, fehlender Ausbelastung u. unter antiischämischer Medi-
kation.

Verlaufskontrolle
• Klinik u. Ergometrie 1 u. 6 Mon. nach PCI.
• Bei großem Gefäß (mit großem, vitalem Myokardanteil), pos. Ergo od. Be-
schwerden: Re-Angio (in PCI-Bereitschaft).

Prävention von Restenosen


• Optimierung der PCI-Prozedur: Gefäßtrauma gering halten u. geringe Resi-
dualstenose nach PCI anstreben (geringste Restenoseraten bei Residualsteno-
se < 20 %!), optimale Ballongröße, so wenig Dilatationen wie möglich, bei in-
akzeptabler Residualstenose od. relevanter Dissektion umgehende Entschei-
dung zur Stentimplantation (s. u.).

Therapie
Redilatation mit Stentimplantation.

12.2.2 Abrupter Gefäßverschluss nach PCI


• Unverzügliche Re-Angio, Differenzialther. nach Befund:
• Akuter Verschluss durch Dissektion: Stentimplantation.
• Thrombotischer Gefäß- od. Stentverschluss: Redilatation nach Gabe eines
GP-IIb/IIIa-Inhibitors.
• Falls Re-Angio nicht sofort möglich u. deutliche ST-T-Veränderungen (He-
bungen od. Depressionen): Gabe eines GP-IIb/IIIa-Inhibitors (z. B. Abci-
ximab-Bolus), danach baldmöglichst Re-Angio u. weiteres Vorgehen wie
oben.
 12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI 641

12.2.3 Koronarspasmus
• Spasmus während PCI: Häufigkeit während Ballondilatation 1–4 %. Seltener
bei kleineren Ballonkathetern (low-profile). Rel. oft bei Rotationsangioplastie,
Atherektomie, Laserangioplastie. Vasokonstriktion mit Flussminderung häu-
fig im Bereich des PCI-Lokus u. des distal davon gelegenen Referenzseg-
ments. Sofort reversibel nach NTG i. c. (200–400 μg NTG i. c.), ggf. Sekundär-
prophylaxe NTG i. v. (▶ 11.3.1).
! Bei nicht ausreichender Antikoagulation mit Thrombusbildung am Füh-
rungsdraht wird der Koronartonus erhöht, Spasmen treten häufiger auf.

12.2.4 Dissektion
Inzidenz nach Angio-Kriterien in 25–60 % (▶ Tab. 12.1), wobei Inzidenz von Dis-
sektionen angiografisch unterschätzt wird! Häufigkeit hängt von der Stenosemor-
12
phologie vor PCI ab: Typ A 33 %, Typ B 62 %, Typ C 90 %. ¾ aller Dissektionen, die
nicht akut zu ischämischen KO führen, sind nach 1 Mon. angiografisch nicht mehr
nachweisbar. Das Risiko akuter ischämischer KO ist bei Nachweis einer Dissektion
6-fach erhöht. Eine Dilatation wird fast immer von einer Dissektion begleitet, da
die elastischen Rückstellkräfte überwunden u. plastische Verformungen des Gefä-
ßes initiiert werden müssen, um einen effektiven Lumengewinn zu erreichen.

Tab. 12.1 Dissektionstypen nach Angio-Kriterien (NHLBI-Klassifikation)


Typ Definition
A Diskrete intraluminale Aufhellung bei KM-Injektion; keine od. geringe
Flussauffälligkeit, „haziness“
B Deutliche parallele Aufhellung od. Doppellumen bei KM-Injektion;
­keine od. geringe Flussauffälligkeit
C Extraluminale KM-Ansammlung, die nicht ausgewaschen wird
D Spiraliger intraluminaler Füllungsdefekt
E Neu entstandener, umschriebener intraluminaler Füllungsdefekt
(Thrombus?)
F Alle Non-A–E-Typen, die den Koronarfluss beeinträchtigen od. zum
­Verschluss führen, Verschluss = Typ F

Risikofaktoren eines akuten Verschlusses bei Dissektion


Instabile A. p., chron. Verschluss vor PCI, Residualstenose > 30 %, vorübergehen-
der Verschluss bei Prozedur, Dissektionslänge > 15 mm, Typ-C–F-Dissektionen.

Therapie
• Kleine Intimadissektion mit < 30-prozentiger Residualstenose ohne Ischämie:
Verschlussrisiko gering. Spezifische Ther., z. B. Stentimplantation, nicht zwin-
gend, wird aber von vielen interventionellen Kardiologen empfohlen, da das
Restenoserisiko durch jede Dissektion deutlich erhöht wird. Bei PCI wegen
instabiler A. p. od. Gefäßverschluss od. bei Thrombusnachweis kombinierte
antithrombozytäre Ther. (ASS, Clopidogrel, ggf. GP-IIb/IIIa-Inhibitor) u. Im-
plantation eines Stents.
642 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• Dissektion mit Flussbehinderung od. Ischämiezeichen (Angina, ST-T-Verän-


derungen, hämodynamische Instabilität): Redilatation mit gleichzeitiger
Stentimplantation. Großzügige Ind. für GP-IIb/IIIa-Inhibitor.
• Bei interventionell nicht beherrschbarer Dissektion mit Ischämiezeichen Not-
ACVB.Anmerkung: Auch bei langstreckigen Dissektionen mit komplettem
Gefäßverschluss sind Wiedereröffnung u. Stabilisierung auf interventionel-
lem Weg meist erfolgreich, allerdings oft nur durch Stenting sehr langer Ge-
fäßsegmente. Voraussetzung: PTCA-Draht muss noch im Gefäß liegen.

12.2.5 Akuter Gefäßverschluss
Verschluss eines Gefäßes durch Thrombus od. Dissektion. Vor Einführung der
koronaren Stentimplantation häufigste Ursache eines akuten MI, einer Not-
12 ACVB-OP od. von Tod im Krankenhaus nach PCI. Häufigkeit 2–11 % aller PCI;
50–80 % hiervon waren akute Verschlüsse im Herzkatheterlabor, die Übrigen tra-
ten meist innerhalb der ersten 6 h auf, selten > 24 h. Seit Einführung der korona-
ren Stents deutlich seltener, klinisch i. d. R. als subakute Stentthrombose meist in-
nerhalb von 48 h nach Implantation. Zahlenangaben für dieses Ereignis schwan-
ken zwischen 1 u. 4 %.

Risikoindikatoren eines akuten Verschlusses


• Vor PCI erkennbar: Thrombus im Gefäß, Stenose in starker Gefäßbiegung,
Abgangsstenose, mehrere signifikante Stenosen des Gefäßes, langstreckige
Stenosen, Mehrgefäßerkr.
• Während PCI erkennbar: komplexe Dissektionen Typ C–F, Residualstenose
> 35 %.
• Nach Stentimplantation: Bail-out-Stenting, Stenting bei ACS, Diab. mell.,
reduzierter LVEF, Niereninsuff., langes Stentsegment, kleines Gefäß, Bifurka-
tionsstenting, schlechter Abfluss, Restdissektion im Stentbereich, unvollstän-
dige Stententfaltung.

Zeichen eines Gefäßverschlusses


• Selten klinisch stumm. Meist manifeste A. p., Hypotonie, Arrhythmien
(Bradykardien, VT). Manifestationen abhängig von Größe des vom Ge-
fäß versorgten Myokardareals, Kollateralisierung, Ausmaß der KHK u.
der LV-Funktion ab.
! Grundsatz: Bei wiederholter nitropos. A. p. od. nitrorefraktärer A. p. od.
ST-T-Veränderungen im EKG sofortige Re-Angio.

Therapie
• Sofortige Re-PCI: zur Rekanalisierung. Erfolgsrate bis 90 %. Initial 100–
400 μg NTG i. c., zusätzlich i. v. Heparin (ACT > 300 s). Mit Führungsdraht
Verschluss passieren, erneute PCI. Weiteres Vorgehen nach Angio-Bild:
– Okklusive Dissektion ohne Thrombus mit unzureichendem Ergebnis nach
Re-PCI: erneute Dilatation. Falls ineffektiv, Stentimplantation.
– Thrombotischer Gefäß- od. Stentverschluss: Redilatation mit Einsatz von
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist 7E3 (Abciximab, Reo Pro® ▶ 11.8.3):
▶ Tab. 3.19.
– Bei Frühverschluss nach Stentimplantation immer möglichst frühzeitig
Gabe eines GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten. Danach Rekanalisation
 12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI 643

mittels Ballon u. Versuch, die Verschlussursache zu identifizieren (genaue


Inspektion des primären Implantationsfilms nach ggf. verbliebener Dis-
sektion), ggf. weitere Stentimplantationen.
• Not-ACVB-OP: nur in selektierten Fällen, da mit hohem periop. Risiko be-
haftet. Ind.: Passage des Verschlusses mit Führungsdraht od. Ballon nicht
möglich, suboptimale Redilatation eines Gefäßes, das ein großes Myokard­
areal versorgt, od. persistierende Ischämie. Im Herzkatheterlabor Wiederer-
öffnung des Verschlusses vor einer ACVB-OP anstreben, um Pat. zu stabili-
sieren. OP dann möglichst in einem Intervall von einigen Tagen.
• Kons. Ther.: wenn verschlossenes Gefäß nur kleines Areal vitalen Myokards
versorgt u. durch perkutane Techniken nicht wieder eröffnet werden kann.

Nachbehandlung nach Wiedereröffnung eines akuten Verschlusses


• Intensivmedizinische Überwachung; ggf. therap. Antikoagulation mit Hepa- 12
rin i. v. nach PTT od. ACT für mind. 24 h bzw. Weiterführen einer Ther. mit
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten für mind. 12–24 h; weiteres Antikoagulati-
onsregime u. antithrombozytäre Ther. nach Rücksprache mit Operateur.
• Art. Schleuse bei klinischer Stabilität entfernen. Bei unklarer Situation evtl.
zuvor „Second-Look“-Angio (Notwendigkeit legt Operateur fest).
• Druckverband nach Entfernen der Schleuse sehr sorgfältig kontrollieren →
erhöhte Nachblutungsgefahr!

Präventive Maßnahmen
• ASS: reduziert die Rate akuter Verschlüsse um 50–75 %. Zusätzlich Clopi-
dogrel (▶ 11.8.2) 300–600 mg Initialdosis, anschließend 1 × 75 mg/d. Dau-
er der Vorbehandlung: 72 h optimal.
• Heparin: In ausreichender Dosis, um ACT (250–350 s) während der ge-
samten Prozedur stabil verlängert zu halten. Ein festes Dosisregime ist
meist unzureichend → bei konventionellem 10.000-IE-Bolus in 5–15 % in-
adäquate Antikoagulation, v. a. bei instabiler A. p. Gewichtsangepasste
Dos. (70–100 IE/kg KG) u. kurzfristige ACT-Kontrollen sind günstiger.
Richtmengen < 80 kg 6.000–8.000 IE, 80–110 kg 8.000–11.000 IE, > 110 kg
15.000 IE Heparin. Bei ACT < 250 s zusätzlicher Bolus (2.000–5.000 IE),
bei lang dauernden Prozeduren weitere Boli à 1.000–1.500 IE/h. Bei GP-
IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten-Ther. Heparin-Dosis auf 50–70 IE/kg KG
reduzieren (ACT ≅ 200 s).

! Möglichst keine elektive Angioplastie, wenn Pat. nicht mit ASS/Clopidogrel


vorbehandelt ist!

Prognose
Auch in Zeiten der koronaren Stentimplantation sind die Folgen dieses klinisch
meist sehr eindrucksvollen Ereignisses oft gravierend: Nach BMS-Verschluss 57 %
klinisch signifikanter MI, 19 % Tod innerhalb 30 Tagen, nach DES-Verschluss
32–45 % Mortalität, weitere ca. 50 % MI.

12.2.6 No-Reflow-Phänomen
Tritt unmittelbar nach Ballondeflation auf. Trotz eines weit offenen epikardialen
Gefäßes akute Verminderung des koronaren Blutflusses. KM stagniert intravasal
644 12 Interventionelle Therapieverfahren 

im Bereich des PCI-Lokus ohne sichtbaren Auslöser (s. u.). Inzidenz < 5 % aller
Prozeduren. Häufiger nach PCI von thrombustragenden Läsionen, degeneriertem
Venenbypass, nach Rotationsangioplastie, nach mechanischer Rekanalisation bei
akutem MI od. Rekanalisation durch Thrombolyse. Ätiol.: Mikrozirkulationsstö-
rung durch Embolien, Endothelschädigungen, Spasmus. Klinik: Symptome der
Myokardischämie.

Diagnose
Angiografischer Ausschluss einer flusshemmenden Ursache (Dissektion, Throm-
bus, Spasmus, Residualstenose). KM-Depots od. Flussminderung im Bereich des
PCI-Lokus spricht gegen No-Reflow (hier Flussminderung im gesamten Gefäß-
verlauf).

12 Therapie
• Beseitigung eines zusätzlichen Gefäßspasmus: nach Ausschluss einer Dissek-
tion i. c. Gabe von 200–600 μg NTG, ggf. Nifedipin od. Verapamil i. c.
(▶ 11.6.12).
• Bei Versagen: mikrovaskulärer Vasodilatator Adenosin i. c., Dos. nicht ein-
deutig geklärt. Boli zwischen 24 μg u. 4 mg od. Dauerinfusionen von 10–
70 μg/kg KG/Min. wurden verwendet.
• Bei weiter bestehendem No-Reflow trotz NTG (insbes. nach PCI einer throm-
bustragenden Läsion) GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist (▶ 11.8.3.).
• Koronaren Perfusionsdruck erhöhen, z. B. durch IABP bei nicht beherrschba-
rer Myokardischämie.
! Not-ACVB-OP scheint ohne großen Nutzen zu sein.
! In den Händen des Autors hat sich bei No-Reflow die Gabe eines Cocktails
aus Verapamil u. Adenosin bewährt (6 mg Adenosin u. 5 mg Verapamil mit
NaCl 0,9 % auf 50 ml verdünnen; davon wiederholt 2–5 ml langsam intrako-
ronar. Cave: Auftreten passagerer AV-Blockierungen häufig. Atropin bzw.
passageren SM bereithalten.).

12.2.7 Koronargefäßperforation
Seltene KO nach PCI (ca. 1 ‰), meist nach versuchter Rekanalisation eines chron.
Verschlusses, nach Rotationsablation, direktionaler Atherektomie od. Laseran-
gioplastie. Ursache: direkte Perforation durch Führungsdraht, Ballonkatheter od.
steifen Atherektomiekatheter. PCI mittels übergroßem Ballon führt zur Gefäßla-
zeration, eine Ballonruptur durch lokale Hochdruckjets zur direkten Perforation.
Rel. hohe Perforationsrate bei Atherektomie od. Laseranwendung in Gefäßkrüm-
mungen. Einfache Drahtperforationen selten problematisch, falls Perforationska-
nal nicht mit dem Ballonkatheter aufgedeht wird. Folgen bei größeren Perforati-
onen: Einblutung ins Perikard, Perikardtamponade, bei Bypassperforation Ein-
blutung ins Mediastium (evtl. Tamponade).

Präventive Maßnahmen
Führungsdraht ohne Gewalt unter rotierenden Bewegungen einbringen. KM-In-
jektion zum Nachweis einer glatten KM-Passage u. Ausschluss extravasaler De-
pots. Beachte: Mit dem vermehrten Einsatz von modernen, hydrophil beschichte-
ten Führungsdrähten u. Spezialdrähten zur Rekanalisation werden Drahtperfora-
tionen häufiger, da subintimale Passage mit diesem Material oft mühelos u. des-
halb unbemerkt! Taktiles Gefühl für die Drahtspitze geht verloren!
 12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI 645

Therapie
• Herzchirurgie informieren, um evtl. Not-OP vorzubereiten.
• Versuchen, Perforationsstelle zu „versiegeln“: Ballonkatheter im Bereich der
Extravasation platzieren (niedriger Inflationsdruck 2–6 atm, 5–10 Min.). Bei
effektiver Versiegelung Prozedur abbrechen. Bei inkompletter Versiegelung
ggf. Implantation von ummantelten Stents (PTFE-Stents, Stent-Grafts). Keine
zusätzliche Gabe von Heparin, falls nicht aus anderen Gründen zwingend
notwendig (Stent, Thrombus). Bei Perforation eines kleinen Endasts mit Füh-
rungsdraht ggf. Coil-Embolisation dieses Gefäßes möglich.
• Perikardtamponade: Echos initial u. im Verlauf bei jeder Koronarperforation.
Bei V. a. hämodynamisch relevanten Erguss od. Tamponade Perikard punk-
tieren u. 6-F-Pigtail-Katheter im Perikardraum platzieren.
• Antikoagulation antagonisieren: Bei KM-Extravasation trotz prolongierter
Ballondilatation Protamin in angepasster Dosis geben (langsam i. v., Dos. sie- 12
he Fachinfo, es sollte etwa die halbe Heparindosis antagonisiert werden. Kon-
trolle mittels aPTT, ACT möglich), während wiederholte Dilatationen ver-
sucht werden.
• Verlaufskontrolle: Pigtail-Katheter im Perikardraum für 12–24 h belassen u.
wiederholt absaugen bzw. unter ständigen, leichten Sog setzen. Echo-Ver-
laufskontrollen. Bei Nachblutung zur Kardiochirurgie verlegen.
• Bei großer Perforation mit rascher hämodynamischer Verschlechterung od.
instabiler Hämodynamik trotz interventioneller Versiegelung unverzügliche
chirurgische Versorgung (Perforationsstelle übernähen, ACVB). Bis OP-Be-
ginn Ballonkatheter in situ mit Inflation des Ballons im Bereich der Perforati-
onsstelle.
• Achtung: Bei rascher Entwicklung einer Tamponade durch große Perforation
ist der passagere Verschluss der Perforationsstelle durch einen liegenden Bal-
lon die erste u. wichtigste Maßnahme. Erst nach effektiver Kontrolle der
Tamponade durch einen intraperikardialen Drainagekatheter erfolgt die end-
gültige Versorgung der Perforation mit einem Graft-Stent. Falls dies nicht
möglich, Transfer zur Notfall-OP, wenn irgend möglich mit geblocktem Bal-
lon in der Perforationsstelle.

12.2.8 Notfall-ACVB-Operation
Nach Einführung der Stenttechnik in weniger als 0,1 % aller PTCA-/PCI-Proze-
duren erforderlich.

Indikationen
• Höhergradige, komplexe, durch interventionelle Techniken nicht beherrsch-
bare Dissektion.
• Akutverschluss, der interventionell nicht stabil behoben werden kann.
• Abriss u. Embolisation von „PCI-Hardware“.
• Läsion des li Hauptstamms durch Führungskatheter.
• Koronargefäßperforation mit Tamponade (▶ 12.2.7).
• Hämodynamische Instabilität bei Myokardischämie od. A. p., die interventionell
nicht behoben werden kann. Bypassfähige Koronargefäße müssen vorliegen.

Kontraindikationen
• Akuter zerebraler Insult (Hypoxie, Embolie),
• dominierende extrakardiale Erkr. (z. B. Malignom, fortgeschrittene Lungenerkr.),
646 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• extrem hohes OP-Risiko bei fortgeschrittener Koronaratherosklerose auch


der Gefäßperipherie, bei sehr schlechter LV-Funktion (EF < 20 %, sehr hoher
EDP), bei mehrfachen Vor-OP des Herzens ohne verfügbares Bypassmaterial
(venös u. art.).

OP-Vorbereitung
Frühzeitig Herzchirurg lückenlos informieren, auch zur Sicherung des organisa-
torischen Ablaufs: Alter des Pat., Bypassgefäße (Varikosis? Z. n. Varizenstrip-
ping?), Vor-OP des Herzens, Vor- u. PCI-Medikation (Antikoagulanzien, Throm-
bolytika), Informationen über Koronarmorphologie vor, während u. nach PCI.
! Nach Entscheidung zur Not-OP ohne Zeitverzug Pat. verlegen u. OP einleiten.
Ist eine kons./interventionelle Stabilisierung möglich, hat diese den Vorrang.

12 Maßnahmen zur Reduktion von Morbidität u. Mortalität


Kluge, patientenorientierte Entscheidung zur Not-OP: „So früh wie möglich,
so spät wie nötig“, um stabile Voraussetzungen für eine OP zu haben. Wenn
möglich, zweiten Interventionalisten zuziehen.
• Rekanalisationsversuch mit Führungsdraht od. Perfusionskatheter.
• Reduktion der Myokardischämie: IABP, Nitrate (▶ 11.3.1), Betablocker
(▶ 11.3.3).
• Hämodynamische Unterstützung: IABP, Vasopressoren (▶ 11.1.2).
• Schneller Transport in den OP, Reanimationsbereitschaft während des
Transports.
• Wahl des besten chirurgischen Verfahrens (Kardioplegie, Bypasstyp).

Ergebnisse
• Mortalität: ca. 6 % (0–16 %), 5-fach höher als bei elektiver ACVB-OP.
Kommt Pat. „ischämiefrei“ zur OP, entspricht die Mortalität der bei elektiver
ACVB-OP.
• Morbidität: Infarktrate periop. um 25 % (Q-Zacken-Infarkt), hoher Anteil an
„low output“ bei präop. LV-Dysfunktion u. Notwendigkeit zur Kreislaufun-
terstützung (IABP, Vasopressoren), rel. hoher Anteil extrakardialer KO (zere-
braler Insult, Blutungen ins Mediastinum, Sepsis).

12.2.9 Periphere Gefäßkomplikationen
Im Vergleich zur diagn. Linksherzkatheteruntersuchung erhöhte Inzidenz an pe-
ripheren Gefäß-KO. Ursache: Gefäßschleusen, die bis zu 24 h in situ bleiben, An-
tikoagulanzien, Thrombolytika, Einsatz neuer interventioneller Techniken. Häu-
figkeit: in bis zu 1–2 % chirurgische Intervention am Gefäß erforderlich.

AV-Fistel
Inzidenz 0,1–1 %.
• Diagn.: kontinuierliches Geräusch, art. Minderperfusion, geschwollene,
schmerzhafte Extremität, Duplex-Sono.
• Ther.: ultraschallgesteuerte Kompressionsther., d. h. externe Kompression,
bis Fistelkanal ohne Blutfluss ist, alternativ OP. Bei geringem Shunt-Fluss ho-
he Spontanverschlussrate; Zuwarten empfohlen.
 12.2 Komplikationen u. Probleme der PCI 647

Aneurysma spurium, Hämatom


Inzidenz < 1 %. Abgekapseltes Hämatom mit Verbindung zur Arterie. Wichtigste
DD: expansives Hämatom. Hauptursachen: inadäquate Kompression nach
Schleusenentfernung, große Schleusendiameter, Heparin-, ASS- u. Thromboly-
sether., zu tiefe Punktion der A. femoralis (z. B. der A. femoralis superficialis, die
nur ungenügend komprimiert werden kann).
• Diagn.: Jedes große Hämatom ist verdächtig auf ein Pseudoaneurysma.
Schmerzhafte, pulsierende Masse, systol. Strömungsgeräusch; Duplex-Sono.
• Ther.: ultraschallgesteuerte Kompression (s. o.), bei großem Aneurysma, OP
in geeigneten Fällen (langer, enger Hals, oberflächliche Lage), ggf. ultraschall-
gesteuerte Thrombininjektion.

Arterielle Perforation
Gefäßtraumata durch Drähte od. Katheter reichen von min. Intimadissektionen 12
bis zur freien Gefäßwandperforation. Inzidenz < 1 %.
• Diagn.: Verdächtig ist jede schmerzhafte Draht- od. Kathetermanipulation.
KM-Injektion bestätigt Perforation durch KM-Extravasation.
• Ther.: meist keine (benigner Verlauf mit spontaner Tamponade). Selten
Pseudoaneurysmaausbildung (s. o.), bei großer Perforation mit Blutung OP.

Thrombotischer Arterienverschluss
Inzidenz < 1 %, v. a. bei vorbestehender pAVK, niedrigem HZV, ungenügender
Antikoagulation bei Schleuse in situ.
• Diagn.: klassisches Bild der akuten Extremitätenischämie (Zyanose od. Bläs-
se, Kälte der Extremität, fehlende Fußpulse, Schmerz, Parästhesie).
• Ther.: sofortige Thrombektomie (Fogarty-Manöver), i. v. Heparin-Ther.
(PTT-Verlängerung 2,0–2,5-fach).

Atheroembolien
Durch Abscheren von Anteilen atherosklerotischer Läsionen bei Führungsdraht-
od. Kathetermanipulationen v. a. im Verlauf der Ao.
• Mikro-(Cholesterol-)Embolien werden meist übersehen; Blue-Toe-Sy. u.
Livedo reticularis (netzförmige blau-rote Verfärbung) od. Niereninsuff. mög-
lich; nicht selten stetige Verschlechterung einer pAVK in den Wo. nach einer
Kathetermanipulation. Ther.: kons. (Wattestrumpf, rheologische Ther.).
• Makroembolien: akute Extremitätenischämie od. stetige Verschlechterung
einer bestehenden pAVK, akute od. Verschlechterung einer vorbestehenden
Niereninsuff., akutes Abdomen. Ther.: chirurgische Embolektomie. Präventi-
on durch Gebrauch langer Führungsdrähte zum atraumatischen Wechsel von
Herzkathetern.

Dissektion
Gefäßwandläsion durch subintimale Dissektion od. Trauma, v. a. durch retrogra-
de Draht- od. Katheterbewegungen bei ausgeprägter Schlängelung der art. Gefäße
der Beckenstrombahn od. fortgeschrittener Atherosklerose. Inzidenz < 0,5 %.
• Klinik: oft asymptomatisch. Akute Extremitätenischämie bei art. Flussbehin-
derung. Weitere KO, wenn von der Ao abgehende Äste betroffen sind.
• Ther.: oft keine spez. Ther. erforderlich, da antegrader Fluss die Dissektions-
membran anlegt. Sofortige chirurgische Ther., wenn Hauptäste der Ao (visze-
ral, renal) einbezogen sind od. Ischämiemanifestationen bestehen.
648 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Blutung
Transfusionspflichtige Blutungen bei od. nach PCI in < 1 %. Meist bei langen Pro-
zeduren, Notfallsituationen, großen Schleusen, Mehrgefäßerkr. u. fortgeschritte-
ner Atherosklerose, nach hoher Heparin-Dos., Thrombolytika. Prävention durch
Gebrauch kleiner Einführungsschleusen, gewichtsangepasster Heparin-Dosis u.
frühzeitiger Schleusenentfernung.
• Ther.: bei Blutung aus Stichkanal seitlich der Schleuse manuelle Kompressi-
on, ggf. Auswechseln gegen eine 1 F größere Schleuse. Bei liegender Schleuse
keine Flexion im Hüftgelenk (Abknicken der Schleuse), nach PCI häufige
Kontrollen des art. Gefäßzugangs, u. a. auch Palpation der gesamten Leisten-
region (frühzeitig ein Hämatom erkennen).
! Schmerzen des Pat. in der Leistenregion ernst nehmen!
12 Retroperitoneales Hämatom
Meist bei femoralart. Gefäßzugang oberhalb des Leistenbands (keine Kompressi-
on möglich, Blutung nicht sichtbar, da sie nach posterior erfolgt!); Inzidenz < 1 %.
• Diagn.: abdomineller Schmerz, Rücken-, Flanken-, Leistenschmerzen; palpa-
ble Masse inguinal od. bei rektaler Untersuchung, paralytischer Ileus. Abdo-
mensono, Rö-Abdomenübersicht (Psoasschatten), CT des Abdomens.
• Ther.: Heparin-Ther. abbrechen, manuelle Kompression (hohe Rate an Spon-
tantamponaden). Abwartende Haltung, wenn kein progredienter Hb-Abfall
od. Hypovolämie auftritt, ansonsten chirurgische Versorgung.

12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/-verwandte
Verfahren
12.3.1 Intrakoronarer Stent
Metallische Implantate zur mechanischen Stabilisierung der Gefäßwand. Neben
reinen Metallstents (Bare Metal Stent, BMS) werden heute unter Stents häufig
Mehrkomponentensysteme verstanden. Oberfläche häufig beschichtet, wobei ne-
ben den passiven Beschichtungen (dünne Deckschicht mit spezifischen Eigen-
schaften) in letzter Zeit insbes. aktive Beschichtungen mit proliferationshemmen-
den Medikamenten (Medikamente freisetzende Stents, Drug-eluting-Stent, DES)
eingeführt wurden.

Geschichte der koronaren Stentimplantation


Die Einführung der BMS in den späten 1980er-Jahren durch Sigwart, Roubin,
Palmaz, Schatz u. andere hat die Akutergebnisse der PCI dramatisch verbessert u.
die Notwendigkeit von Notfall-Bypass-OPs nach PCI von 4 % auf < 1 % reduziert.
Erst dadurch wurde die weite Verbreitung der interventionellen Koronarrevasku-
larisation auf das heutige Ausmaß möglich. Das Problem nach BMS-Implantati-
on, die noch hohe Restenoserate (je nach Läsionscharakteristik 20–50 %), führte
zur Entwicklung der DES, deren Einführung in die Klinik 2003 begann.

Stentcharakteristika
• Biokompatibilität: wesentlich vom verwendeten Werkstoff abhängig. Frühe-
re ballonexpandierbare Stents bestanden meist aus 316 L Stainless Steel
(316L SS) u. wurden mit Laser geschnitten u. oberflächenbehandelt. Neben
 12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/-verwandte Verfahren 649

Edelmetallen wie Tantalum werden in letzter Zeit häufig Mischlegierungen


aus Kobalt-Chrom od. Kobalt-Nickel verwendet. Die verbreitete Allergie ge-
gen Nickel, das in den meisten Legierungen (5 % in 316L SS) enthalten ist,
wurde als mögliche Ursache für Restenosen identifiziert. Daneben bestimmen
die Eigenschaften der Stentoberfläche v. a. dessen Thrombogenität. Verfahren
zur Reduktion der Thrombogenität beinhalten die Beseitigung von Verunrei-
nigungen, Glätten (Polieren) u. Beschichtungen (passives Coating mit ver-
schiedenen Substanzen, z. B. Carbon, Posphorylcholin). Beschichtungen un-
ter Verwendung von Heparin konnten ihren Stellenwert bisher nicht bewei-
sen. Auch in Nanotechnologie hergestellte raue Oberflächen können nach
jüngsten Erkenntnissen die Thrombogenität reduzieren.
• Flexibilität: wichtig zur Passage des Führungskatheters u. geschlängelter Ge-
fäße, wesentlich von Stentdesign (Open- od. Closed-Cell-Design) u. Zellen-
größe abhängig. 12
• Stentarchitektur: Verhältnis von metallischer Oberfläche zur Fläche der offe-
nen Zellen bestimmt Radialkraft (Kraft gegen die elastischen Rückstellkräfte
des Gefäßes), Sichtbarkeit u. Fähigkeit, eine Läsion vollständig zu decken,
korreliert aber auch mit dem Ausmaß der Thrombogenität u. der Wahr-
scheinlichkeit einer Restenose. Die Dicke der Stentmaschen (Struts) ist eine
die Restenoserate wesentlich beeinflussende Determinante. Moderne BMS
haben Strutdicken < 100 μm.
• Sichtbarkeit: abhängig von Rö-Gerät, Stentmaterial u. seinem Design. Opti-
male Stentplatzierung nur bei guter Sicht, Stentmarker (häufig aus Gold) zur
Orientierung unzureichend.
• Zuverlässige Expansion: Sehr zuverlässig sind ballonexpandierbare Stents,
deren endgültiger Diameter vom Durchmesser des Dilatationsballons be-
stimmt wird (Voraussetzung: genügend hohe Radialkraft, um Rückstellkraft
der Gefäßwand zu überwinden). Selbstexpandierbare Stents aus Nitinol spie-
len in den Koronarien eine untergeordnete Rolle.

Mögliche Indikationen
• Verhinderung von Restenosen: Bei umschriebenen Stenosen nativer Koro-
nargefäße kann die Stentimplantation klinische u. angiografische Restenose-
raten reduzieren. Adäquate Begleitther. mit ASS u. Clopidogrel ist essenziell.
• Chron. Gefäßverschluss: Stenting ergibt bessere Langzeitergebnisse nach Re-
kanalisation eines chron. Gefäßverschlusses (weniger Reverschlüsse, geringe-
re Restenoserate).
• Stenosen von Venenbypässen: durch Stenting verbesserte initiale Erfolgsrate
mit besserem Angio-Ergebnis. Im Vergleich zu nativen Koronargefäßsteno-
sen Restenoserate u. Langzeitmorbidität jedoch erhöht.
• ACS: Die zusätzliche Stentimplantation optimiert das Ergebnis nach PTCA/
PCI u. dient der Behandlung von KO bei primärer PTCA/PCI.
• Behandlung von Restenosen: Durch Stenting Reduktion der Restenoserate
von 30–50 % nach PTCA/PCI auf < 20 % erreichbar. Gilt v. a. für umschriebe-
ne Stenosen u. nach ungenügendem Angio-Ergebnis bei konventioneller
PTCA/PCI. Durch die neuen DES kann die Restenoserate nochmals etwa hal-
biert werden.
• Stenosen kleiner Gefäße: Stenting erwies sich als sicher, führt jedoch nicht
zu einer Verbesserung der Langzeitergebnisse. Nützlich v. a., wenn konventi-
onelle PTCA/PCI nur zu einem suboptimalen Angio-Ergebnis führt u. eine
relevante Reststenose vorhanden ist.
650 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• Langstreckige Stenose u. diffuse Gefäßerkr.: Stent(s) als Alternative bei un-


genügendem Ergebnis einer konventionellen PTCA/PCI. Erhöhte Restenose-
rate, die jedoch geringer ist als nach konventioneller PTCA/PCI.
• Akuter Gefäßverschluss: Behandlung der Wahl bei akutem od. drohendem
Gefäßverschluss bzw. flussbehindernder Dissektion nach PTCA/PCI.

Beschichtete Stents, Medikamentenstents, Drug-eluting-Stents


System aus meist 3 Komponenten: Die Basis bildet ein konventioneller Metall­
stent. Dieser ist zur Verhinderung von Restenosen mit einem proliferationshem-
menden Medikament beschichtet, das meist in eine aus einem Polymer bestehen-
de Trägerschicht eingebracht ist, die dazu dient, dass der Stent über einen defi-
nierten Zeitraum kontinuierlich das Pharmakon freisetzt: Daneben wurden auch
polymerfreie Systeme hergestellt, die das aufgetragene Medikament direkt auf der
12 metallischen Oberfläche od. in die Oberfläche eingearbeiteten Depots enthalten.
Verwendete Medikamente (Auswahl in der Reihenfolge der klinischen
Einführung)
• Sirolimus (Rapamycin®): zytostatisch wirkendes Immunsuppressivum (Ma­
krolid aus Streptomyceten) ohne direkte zytotoxische Effekte. Wirkmechanis-
mus: Hemmung des Zellzyklus durch Komplexbildung mit mTOR. Verwen-
dung im Cypher®-Stentsystem (SES).
• Paclitaxel (Taxol®): Zytostatikum (aus Taxus brevifolia, Pazifische Eibe), das
die Mitose durch Hemmung der Spindelbildung stört. Neben dem Taxus®-
Stent (PES) wurden eine Vielzahl Paclitaxel freisetzender DES-Systeme durch
verschiedene Firmen entwickelt.
• Zotarolimus: Derivat von Sirolimus mit vergleichbarer Wirkung. Verwen-
dung im Endeavor®- u. ZoMaxx®-Stentsystem.
• Everolimus: Derivat von Sirolimus mit vergleichbarer Wirkung. Verwendung
im Xience®- u. Promus®-Stentsystem.
Unerwünschte Wirkungen nach DES: späte Stentthrombose
Mit der klinischen Einführung der DES wurden Fälle von später Stentthrombose
(SST; thrombotischer Verschluss des Stents > 30 Tage nach Implantation) beob-
achtet, was auf eine unvollständige Endothelialisierung des DES durch die Medi-
kamentenwirkung zurückgeführt wurde. Da die Stentthrombosen insbes. nach
vorzeitiger Beendigung der kombinierten antithrombozytären Ther. auftraten,
wurde eine Verlängerung der Komb.-Ther. von ASS u. Clopidogrel auf mind.
6 Mon., optimal 12 Mon. (von einigen Autoren 2 J. u. länger) empfohlen. Der Ef-
fekt einer kombinierten TAH über 12 Mon. hinaus ist bisher nicht durch Studien
belegt. Weitere RF für späte Stentthrombose sind Diab. mell., Implantation im
ACS, vorhergehende Restenose, Brachyther. od. Stentthrombose, Niereninsuff. u.
interventionelle Charakteristika wie lange Stentstrecke, suboptimales Stentergeb-
nis, Bifurkationsstenting. Aktuelle Studien- u. Registerergebnisse lassen erken-
nen, dass nach Implantation von DES der ersten Generation auch im Langzeitver-
lauf > 12 Mon. mit einer konstanten Rate von 0,3–0,6 % Stentthrombosen/J. zu
rechnen ist. Die gravierenden Folgen einer Stentthrombose (fatality rate von 15–
48 %) haben zu einer kritischeren Bewertung dieser DES geführt.
Für DES der 2. Generation liegen inzwischen günstige Langzeiterfahrungen vor,
die auf ein geringes Spätthromboserisiko hindeuten.
 12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/-verwandte Verfahren 651

Überblick der wichtigsten DES-Studien


Studien mit DES der 1. Generation belegen eine hohe Effektivität zur Reduktion
von Restenosen u. assoziierten kardiovask. Ereignissen. Allerdings traten nach
DES-Implantation der 1. Generation signifikant mehr späte Stentthrombosen auf
als nach BMS. Neuere Metaanalysen von DES der 2. Generation vs. BMS zeigen,
dass der Einsatz von DES zur Reduktion erneuter Revaskularisationen (PCI od.
CABG) führt, während es zu keiner Änderung der klinischen Endpunkte wie Tod
od. MI kommt. Die Verwendung von DES vs. BMS bei ACS war nicht mit einer
unterschiedlichen Mortalität od. Stentthromboserate assoziiert, jedoch waren
nach DES weniger Revaskularisationen im Verlauf nötig. Nach MI führten DES
zu weniger Reinfarkten als BMS.
Klinische Bewertung der DES
In der Phase der klinischen Einführung der DES wurde erwartet, dass sie nach
kurzer Zeit die BMS vollständig ablösen würden. Das Auftreten spezifischer NW
12
der DES, wie die späte Stentthrombose, sowie die inzwischen allgemein erkannte
Notwendigkeit einer langfristigen kombinierten Thrombozytenfunktionshem-
mung nach DES-Implantation haben zu einer kritischeren Bewertung geführt.
Ein selektiver Einsatz der DES nach folgenden Kriterien wird empfohlen:
• hohe Restenosewahrscheinlichkeit bei Verwendung eines BMS (Läsionscha-
rakteristika, Diab. mell.),
• hohes Risiko alternativer Ther.-Verfahren (Hochrisiko-ACVB vs. Mehrgefäß-
PCI mit DES).
• fehlende KI für langfristige kombinierte Thrombozytenfunktionshemmung
mit ASS u. Clopidogrel.
DES sind weniger geeignet bei
• Notwendigkeit einer oralen Antikoagulation (Klappenvitium, VHF),
• Notwendigkeit einer zeitnahen nichtkardialen OP,
• Z. n. Stentthrombose,
• bekanntem fehlendem od. unzureichendem Ansprechen auf ASS od. Clopi-
dogrel,
• ACS.
Begleitende medikamentöse Therapie
Wegen derzeit noch sehr hohem Thromboserisiko des Stents steht das antithrom-
botische Regime im Vordergrund. Durch Weiterentwicklungen von Stent u. Ap-
plikationstechnik sind jedoch Fortschritte in naher Zukunft zu erwarten. Opera-
teur legt die med. Ther. nach PCI fest.
• ASS: 1 Tag vor Implantation mit 500 mg/d beginnen. Kontinuierliche Weiter-
behandlung (100 mg/d) nach Stentimplantation.
• Heparin: Vorgehen wie zur Ballondilatation.
• Clopidogrel (Plavix®, Iscover® ▶ 11.8.2): 300 bzw. 600 mg loading dose,
1 × 75 mg/d. Clopidogrel in Komb. mit ASS ist derzeit Standard nach Stent­
implantation. Dauer der Ther.: 1–12 Mon. je nach Risikoeinschätzung
(▶ 3.10.4).

Komplikationen
• Stentthrombose: frühe Stentthrombose im Herzkatheterlabor < 1 %, subaku-
te Thrombose (während Krankenhausaufenthalt) 1–1,5 %, späte Thrombose
nach BMS selten. Bei ungenügender Thrombozytenfunktionshemmung, „Un-
ter-Dilatation“, Dissektion distal des Stents deutlich höhere Thromboseraten.
652 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• Restenose: nach Stent in 20–30 %, wird durch die Verwendung von DES hal-
biert. Ther. ▶ 3.10.4.
• Stentmigration, -embolisation: mit den neuen Stent- u. Kathetersystemen
seltene KO.

Ergebnisse
Erfolgreiche Implantation in > 95 % trotz ungünstiger Ausgangsverhältnisse nach
Angio-Kriterien. Residualstenose nach Stenting meist < 10 %. Günstiger Einfluss
auf Restenoserate, jedoch keine absolute Verhinderung der Intimaproliferation.

12.3.2 Atherektomie
Die direktionale koronare Atherektomie (DCA) erlaubt die Entfernung athero­
12 sklerotischen Materials aus dem Gefäß.
Der Katheter (▶ Abb. 12.2) besteht aus einem Hohlzylinder mit einem seitlichen
Fenster. Dem Fenster liegt ein Ballon gegenüber, der durch Entfaltung das Kathe-
terfenster gegen die atherosklerotische Läsion drückt. Die in das Fenster ragenden
Massen werden durch ein kolbenartiges, rotierendes Messer abgeschnitten u. in
einer distal gelegenen Kammer gesammelt. Nach Deflation des Ballons kann der
Atherektomiekatheter gedreht werden, der Schneideprozess wird wiederholt, bis
ein befriedigendes angiografisches Resultat erreicht ist. Der Mechanismus beruht
auf einer Komb. aus Gewebeabtragung, Dotter-Effekt (Verfestigung des Athe-
roms, damit Lumengewinn ohne Gefäßdehnung) u. konventioneller Ballondilata-
tion. Eine zusätzliche konventionelle PCI ist im Anschluss an die DCA in < 10 %

Führungskatheter

Rotierendes Messer Seitliches Fenster

Ballon Kammer zur Aufnahme der


abgeschnittenen Massen

Abb. 12.2 Atherektomiekatheter [L157]


 12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/-verwandte Verfahren 653

erforderlich. Diese wird häufig mit einer Stentimplantation abgeschlossen. Ergeb-


nisse: angiografisches Ergebnis nach DCA im Vergleich zur konventionellen PCI
günstiger, geringere Inzidenz an Dissektionen.

Indikation
Generelle Anwendung der DCA kann derzeit nicht empfohlen werden. Im Einzel-
fall bei entsprechender Erfahrung, geeignetem Gefäßdurchmesser (> 3 mm) u.
geeigneter Gefäßanatomie (gerades Segment, Stenoselänge < 15 mm) bei proximal
gelegenen Stenosen.

Gesamtbeurteilung
Verfahren hat seit der weiten Verbreitung der Stentimplantation wesentlich an
Bedeutung verloren.
12
12.3.3 Rotationsangioplastie
Atherektomievariante, bei der mittels hochfrequenter Rotation eines elliptischen
Kopfs atheromatöses Gewebe abgetragen wird (▶ Abb. 12.3). Ein diamantbesetz-
ter „Bohrkopf“ ist auf einem flexiblen Antriebsschaft angebracht, der entlang ei-
nem 0,009‘‘-Draht geführt wird. Der Rotationsantrieb erfolgt über eine externe
Druckluftturbine mit 140.000–190.000 U/Min.
Prinzip einer Mikroabrasio, bei der Mikropartikel (< 5 μm) freigesetzt werden, die
zumeist das Kapillarstromgebiet passieren. Aufgrund der hohen Rotationsge-
schwindigkeit Abrasio von unelastischen, rigiden atheromatösen Geweben, Seg-
mente mit erhaltenen viskoelastischen Eigenschaften (nicht erkrankte Wand-
schichten) bleiben von dem mechanischen Trauma verschont.
• Vorteil zu anderen Atherektomiesystemen: Rotablator ist flexibler, erreicht
auch Läsionen in distaleren Gefäßregionen.
• Nachteile: große art. F8–F9-Schleuse erforderlich (Gefäßtrauma). Das Ver-
fahren wird i. d. R. mit einer konventionellen Ballondilatation mit abschlie-
ßender Stentimplantation kombiniert. Potenziell KO-trächtige Mikroemboli-
sationen, die die Mikrozirkulation in einem großen Perfusionsareal stören u.
stark neg. inotrop wirken (heftige Kreislaufdepressionen, No-Reflow, anhal-
tende Bradykardien möglich!).

Indikationen
Stenosen:
• die mit konventioneller Ballontechnik nicht passiert/dilatiert werden können,
• die ausgeprägte elastische Rückstellkräfte od. extreme Verkalkungen zeigen
(„undilatierbare Stenosen“),
• in proximalen u. intermediären, bei günstiger Anatomie auch distalen Koro-
nargefäßsegmenten,
• Ostiumstenosen (typische Ind.: verkalkte, hochgradige Ostiumstenose der
RCA), bes. langstreckige u. kalzifizierte Stenosen, komplexe Typ-B-, -C-Ste-
nosen (▶ 3.10.4), evtl. Restenosen.

Technik
Kopfdiameter nach dem Diameter des distalen Segments wählen. Mit Kopf, der
0,25–0,5 mm kleiner ist, beginnen (bei hochgradigen Stenosen Beginn mit 1,25-
mm-, max. 1,5-mm-Kopf); Prozedur mit zunehmend größeren Bohrköpfen wie-
derholen (Gefäßtrauma u. Menge des Embolisats wird so niedrig gehalten). Benö-
654 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Führungskatheter

12

Flexibler Antriebsschaft Bohrkopf

Abb. 12.3 Kathetersystem zur Rotationsangioplastie [L157]

tigt werden meist 2–5 Stenosepassagen mit dem Rotablator, bis er widerstandsfrei
vorgeschoben werden kann. Begleitende Pharmakother. wie bei konventioneller
PCI (▶ 12.1.3), wobei wegen der diffusen Mikroembolisationen großzügig die Ind.
für eine GP-IIb/IIIa-Inhibitor-Ther. gestellt werden sollte. Der dadurch ebenfalls
ausgelösten ausgeprägten Spasmusneigung wird durch Zusatz von Nitro u. Vera-
pamil zur Spüllösung des Bohrers begegnet.

Komplikationen
Wie bei PCI (▶ 12.2). Hohe Rate an AV-Leitungsstörungen bei Rotablation der
RCA u. proximalen LAD (passagerer SM erforderlich!), profunde Bradykardien u.
Hypotensionen (wahrscheinlich durch diffuse Mikroembolisation, No-Reflow-
Phänomen ▶ 12.2.6).

Ergebnisse
Primäre Erfolgsrate ca. 85 %, bei Rotablation u. PCI/Stenting ca. 95 %.

Gesamtbeurteilung
Weiterhin wertvolles Verfahren, das die interventionelle Ther. langstreckig ver-
kalkter hochgradiger Läsionen häufig erst ermöglicht.

12.3.4 Laserangioplastie
Ablationsverfahren durch Beseitigung atherosklerotischen Materials mittels laser-
induzierter Vaporisation (thermische Laserablation) od. direkter Photoablation
(athermischer Prozess).
 12.3 Stenting u. PCI-ähnliche/-verwandte Verfahren 655

Eximer laser coronary angioplasty (ELCA). Lasermedium Xenon-Chlorid, ultra-


violett, gepulstes Lasingverfahren. Vorteile: hohe Absorption des UV-Lichts
durch Proteine, Möglichkeit zur Ablation kalkhaltiger Strukturen, niedrige ther-
mische Effekte, präzise Kontrolle der Ablation. Over-the-Wire-System (▶ 12.1.1)
mit koaxialer Anordnung von optischen Fasern (Laserkathetergröße 1,3–2,0 mm,
9-F-Führungskatheter).

Indikationen
Mögliche Ind., da eine generelle Anwendung derzeit noch nicht empfohlen wer-
den kann.
• Diffuse Gefäßerkr. (Länge > 20 mm; einzige, von der FDA anerkannte Ind.!),
• langstreckige Gefäßstenosen (> 10 mm),
• Ostiumstenosen,
• Totalverschluss eines Gefäßes, der jedoch mit einem Führungsdraht passiert 12
werden kann („Laserrekanalisation“),
• Venenbypassstenosen,
• „nichtdilatierbare Stenosen“, die nicht mit einem konventionellen Ballon pas-
siert werden können.

Komplikationen
Höhere Inzidenz an Spasmen (5 %) u. Koronarperforationen (2 %).

Gesamtbeurteilung
Als ablatives Verfahren zur Plaquereduktion von untergeordneter Bedeutung.
Möglicherweise weiterhin interessant zur Rekanalisation totaler Verschlüsse,
wenn klassische Ballonpassage nicht möglich ist.

12.3.5 Brachytherapie
Inzwischen historisches Verfahren zur i. c. Applikation ionisierender Strahlen zur Ver-
hinderung von Zellproliferationen u. Neointimabildungen als Ursache einer Restenose.
Einsatz von β- (90Sr, 32P) od. γ-Strahlern (192Ir), wobei aus Gründen der Praktika-
bilität vorwiegend β-Strahler eingesetzt wurden. Verfahren, mit dem effektiv eine
signifikante Reduktion der Rezidivrate nach Intervention von langen, diffusen In-
Stent-Restenosen erzielt werden konnte.

Mögliche Indikationen
Interventionen an In-Stent-Restenosen.

• Eine antiaggregatorische Komb.-Ther. (ASS u. Clopidogrel) muss wegen


der Gefahr später Thrombosen mind. 12 Mon., nach neuen Empfehlun-
gen bei nicht erhöhtem Blutungsrisiko lebenslang durchgeführt werden.
• Im Langzeitverlauf nach Brachyther. wurden verspätete Restenosen be-
obachtet.

Gesamtbeurteilung
Insgesamt teures Verfahren, da sehr hoher apparativer u. personeller Aufwand.
Verbreitung hat nach Einführung der DES. u. wegen verspäteter Restenosen we-
sentlich abgenommen.
656 12 Interventionelle Therapieverfahren 

12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie
Implantierbare Systeme (Aggregat u. Elektrodensystem) zur primär elektrischen
Ther. bradykarder Herzrhythmusstörungen.

Ziele der Herzschrittmachertherapie


• Verhinderung von Synkopen od. Morgagni-Adams-Stokes-Anfällen (▶ 7.2)
od. Schwindelzuständen in Ruhe od. bei Belastung wegen AV- od. SA-Lei-
tungsstörungen.
• Behebung einer bradykarden Herzinsuffizienz.
• Besserung der körperl. Leistungsfähigkeit bei verminderter Belastbarkeit in-
folge pathologischer Bradykardien, die durch andere Maßnahmen nicht stabil
zu beeinflussen sind.
12 • Verhinderung tachykarder Arrhythmien, z. B. beim Bradykardie-Tachykar-
die-Sy. (▶ 7.3.3). Prävention bradykarder Arrhythmien, die die Entstehung
von Tachyarrhythmien (u. a. VHF) begünstigen können, od. Schutz vor kriti-
schen Bradykardien, die Folge einer antiarrhythmischen Ther. von Tachyar-
rhythmien sind.

Diagnostik vor Herzschrittmacherimplantation


Allgemeine Grundsätze (▶ 7.2), Stufenplan der Arrhythmiediagn. (▶ 7.1).
Am Ende der Diagn. müssen klare Aussagen möglich sein zu
• kardialer bzw. internistischer Diagnose,
• Ursache(n) der Arrhythmie,
• Art, Häufigkeit, Schweregrad der Arrhythmie,
• evtl. speziellen Auslösemechanismen.
Indikationsbewertung in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für
Kardiologie von 2008
Orientiert sich am Grad der Anerkennung der Ind. u. der wissenschaftlichen Evi-
denz, auf dem diese basiert.
• Klasse I: wissenschaftliche Evidenz od. allgemeine Übereinstimmung über
Nutzen u. Effektivität der Ther.
• Klasse II: widersprüchliche Evidenz od. Meinungsverschiedenheit der Exper-
ten über Nutzen u. Effektivität der Ther.
– Klasse IIa: überwiegend pos. Evidenzen/Meinungen.
– Klasse IIb: fragliche Evidenz/Meinungsverschiedenheit.
• Klasse III: wissenschaftliche Evidenz od. allgemeine Übereinstimmung darü-
ber, dass die Ther. nicht nützlich od. effektiv ist.
• Grad der Evidenz:
– A: basiert auf 2 od. mehr randomisierten Studien mit hoher Einschluss-
rate.
– B: basiert auf limitierten prospektiven Studien od. gut durchgeführten
nichtrandomisierten Studien/Registeranalysen.
– C: Expertenkonsensus.

12.4.1 Indikationen zur Schrittmachertherapie


Ind. zur SM-Ther. wird i. d. R. bei symptomatischen Pat. gestellt. Bei Blockierun-
gen im Bereich des Reizleitungssystems gibt es aber auch prognostische Ind., die
eine SM-Ther. bei asymptomatischen Pat. rechtfertigen.
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 657

Indikationsbestimmende Symptomatik
• Zeichen der zerebralen Minderperfusion: Adams-Stokes-Anfälle, Synkopen,
Präsynkopen u. akuter, ungerichteter Schwindel.
• Chron. Symptome reduzierter kardialer Förderleistung: Ruhe- od. Belas-
tungsdyspnoe, Belastungsinsuffizienz.
• Uncharakteristische Beschwerden (hier ist ein Nachweis der Assoziation zwi-
schen Symptom u. EKG-Befund von bes. Bedeutung): Verwirrtheitszustände,
Konzentrationsschwäche, Tagesmüdigkeit.

Indikationen gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für


Kardiologie von 2005 sowie nach dem Kommentar zu den
entsprechenden Leitlinien der European Society of Cardiology von
2008 12
Sinusknotenerkrankung
Indikation
• Sinusknotenfunktionsstörung (HF < 40/Min., Pausen > 3 s), auch infolge ei-
ner unverzichtbaren Medikation mit eindeutigem Zusammenhang zur klini-
schen Symptomatik (I C),
• symptomatische chronotrope Inkompetenz (I C).
Relative Indikation
• Sinusknotenfunktionsstörung bei vermutetem Zusammenhang zur Sympto-
matik (IIa C),
• min. symptomatische Pat. mit im Wachzustand bestehender permanenter HF
< 40/Min. (IIb C).
Keine Indikation
Sinusknotenfunktionsstörung beim asymptomatischen Pat.

Bei der Sinusknotenerkr. besteht im Wesentlichen eine symptomatische Ind.


zur SM-Therapie. In den neuen nordamerikanischen Richtlinien wird aller-
dings erstmalig eine fortgeschrittene permanente Sinusbradykardie auch bei
min. Symptomatik als fakultative Ind. gesehen. Nach den neuen deutschen
Leitlinien darf allerdings auch im Einzelfall bei oligosymptomatischen, aber
permanent bradykarden Pat. mit HF < 40/Min. eine SM-Ind. gestellt werden.

AV-Blockierungen
AV-Blockierungen sind mehrheitlich erworben u. gehäuft mit einer relevanten
strukturellen Herzerkr. assoziiert. Der seltene angeborene AV-Block III°, bei dem
in der Vergangenheit eher eine symptomatische Ind. zur SM-Ther. gesehen wur-
de, sollte nach heutiger Auffassung eher großzügig mit SM therapiert werden.
Indikation
• Jeder symptomatische AV-Block II° od. III°, auch infolge einer unverzichtba-
ren Medikation (I C),
• asymptomatischer permanenter AV-Block III° (I C),
• intermittierender AV-Block III° od. II° Typ Mobitz mit breitem QRS-Kom-
plex (I B),
• AV-Block III° im Zusammenhang mit einer AV-Knoten-Ablation (I C).
658 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Relative Indikation
• Asymptomatischer intermittierender AV-Block III°, insbes. außerhalb von
Schlafphasen od. bei eingeschränkter LV-Funktion (IIa/IIb C),
• asymptomatischer AV-Block II° Typ Mobitz mit schlankem QRS-Komplex
od. persistierend unter Belastung (IIa C),
• asymptomatischer AV-Block II° bei Nachweis einer Infra-His-Leitungsstö-
rung (IIa B),
• AV-Block II° Typ Mobitz u. Wenckebach bei neuromuskulärer Erkr. (IIa B),
• AV-Block II° Typ Wenckebach bei eingeschränkter LV-Funktion (IIb C),
• AV-Block I° mit langer PQ-Zeit (> 300 ms) u. schwerer Herzinsuff. zur Ver-
besserung der Hämodynamik (IIb C),
• AV-Block I° bei neuromuskulärer Erkr. (IIb B).
12 Keine Indikation
• AV-Block I° ohne Nachweis höhergradiger Blockierungen,
• asymptomatischer AV-Block II° Typ Wenckebach,
• Überleitungsblockierung einzelner P-Wellen, insbes. nachts,
• AV-Block mit zu erwartender spontaner Rückbildung (Intoxikation, Lyme-
Borreliose),
• asymptomatischer nächtlicher AV-Block durch Hypoxämie bei unbehandel-
tem Schlafapnoe-Syndrom.
Schenkelblockierungen
Ein Schenkelblock wird häufig als Erklärung für stattgehabte Synkopen herange-
zogen. Bedingt durch die zumeist fortgeschrittene kardiale Grunderkr. muss diese
aber nicht unbedingt bradykard im Sinne eines intermittierenden AV-Blocks be-
dingt sein, sondern kann auch durch ventrikuläre Tachyarrhythmien verursacht
werden. Daher bei diesen Pat. Vorsicht mit einer Plausibilitätsind., zuvor Lang-
zeit-EKG u. ggf. auch eine EPU durchführen.
Indikation
• Bifaszikulärer Block mit intermittierendem AV-Block II° Typ Mobitz od. III°
unabhängig von der Symptomatik (I B),
• wechselnde Schenkelblockierung auch beim asymptomatischen Pat. (I C).
Relative Indikation
• Bifaszikulärer Block mit od. ohne AV-Block I° bei symptomatischen Pat.
nach Ausschluss anderer Ursachen für die Synkope (IIa B),
• elektrophysiologisch nachgewiesene deutliche HV-Verlängerung (> 100 ms)
od. induzierbare infrahisäre Blockierungen auch bei asymptomatischen Pat.
(IIa B),
• Schenkelblock bei Pat. mit neuromuskulären Erkr. (IIb C).
Keine Indikation
Bifaszikulärer Block mit u. ohne AV-Block I° bei asymptomatischen Pat.
Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern
Indikation
VHF mit Kammerfrequenz < 40/Min. od. Pausen > 3–4 s u. eindeutigem Zusam-
menhang zur Symptomatik des Pat.
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 659

Relative Indikation
VHF mit Kammerfrequenz < 40/Min. od. Pausen > 3–4 s u. vermutetem Zusam-
menhang zur Symptomatik des Pat.
Keine Indikation
Asymptomatische Bradyarrhythmie.
Karotissinus-Syndrom u. neurokardiogene (vasovagale) Synkope
Reflexvermittelte Synkopen können dann sinnvoll durch Herzschrittmacher be-
handelt werden, wenn sie rein od. zumindest überwiegend auf einer kardioinhibi-
torischen Reaktion beruhen. Bei Pat. > 40 J. u. häufig rezid. od. schweren neuro-
kardiogenen Synkopen bietet sich nach den 2012 publizierten Ergebnissen der
ISSUE 3-Studie die Implantation eines Ereignisrekorders an. Bei Nachweis kar-
dioinhibitorischer Synkopen od. langer Pausen ist ein DDD-SM zur Synkopen-
prophylaxe effektiv. 12
Indikation
Rezid. Synkopen in eindeutigem Zusammenhang mit durch Alltagsbewegung
auslösbarer Reizung des Karotissinus, die bei leichtem Karotisdruck zu einer rei-
nen od. überwiegend kardioinhibitorischen Reaktion (Asystolie > 3 s) führen
(I C).
Relative Indikation
• Rezid., anderweitig nicht erklärte Synkopen, die bei leichtem Karotisdruck zu
einer reinen od. überwiegend kardioinhibitorischen Reaktion (Asystolie > 3 s)
führen (IIa C),
• rezid., hochsymptomatische neurokardiogene Synkopen mit spontan od. in
der Kipptischuntersuchung provozierbarer Bradykardie (IIa B).
Keine Indikation
• Hypersensitiver Karotissinus-Reflex ohne spontane Symptomatik,
• Karotissinus-Sy. od. neurokardiogene Synkope vom rein vasodepressorischen
Typ,
• situative neurokardiogene Synkope, die durch Vermeidungsverhalten effektiv
therapiert werden kann.
Bradykarde Herzrhythmusstörungen nach Myokardinfarkt u. Herz-OP
Insbes. bei HWI treten häufiger passagere AV-Blockierungen, aber auch Sinus-
knotenfunktionsstörungen auf, die sich im weiteren Verlauf rückbilden. Ähnli-
ches kann auch nach herzchirurgischen Eingriffen beobachtet werden.
Indikation
• Postinfarziell od. postop. persistierender AV-Block II° od. III° (bei HWI nach
Persistenz über mehr als 2–4 Wo.) (I B),
• Nach HTX über mehr als 4 Wo. persistierende symptomatische Sinusknoten-
funktionsstörung (I C).
Relative Indikation
• Postinfarziell neu aufgetretener persistierender Schenkelblock mit transien-
tem AV-Block II° od. III° (I B),
• hochsymptomatische, med. nicht beeinflussbare Sinusknotenfunktionsstö-
rung nach HTX mit Dauer > 14 Tage, die die weitere Rehabilitation des Pat.
nachhaltig neg. beeinflusst (IIb C).
660 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Keine Indikation
• Transiente postinfarzielle AV-Blockierungen ohne persistierenden Schenkel-
block,
• transiente postop. AV-Blockierungen,
• nach HTX alle Bradykardien vor dem 14. postop. Tag.

12.4.2 Wahl des Schrittmachersystems


Nach Ind.-Stellung zur permanenten SM-Stimulation System nach elektrophysio-
logischen, hämodynamischen, sozioökonomischen u. patientenindividuellen Kri-
terien auswählen.

Schrittmachersysteme
12 • Einkammersysteme: vorhof- od. ventrikelstimulierende SM (AAI, VVI).
• Zweikammersysteme: bifokale od. AV-sequenzielle/-synchronisierte Stimu-
lation. Systeme stellen Vorhof-Kammer-Koordination (AV-Synchronität)
wieder her.
• Biventrikuläre SM-Systeme mit u. ohne Vorhofelektrode zur Behandlung
bzw. Prophylaxe einer inter- u. intraventrikulären Asynchronie insbes. bei
LSB.
• Vorhofbeteiligte Systeme: Oberbegriff aller Systeme, die eine Vorhof-Kam-
mer-Koordination (AV-Synchronität) wiederherstellen od. erhalten (alle vor-
hofbeteiligten Systeme: AAI, VDD, DDD u. ihre frequenzadaptiven Varian-
ten AAIR, DDDR, DDIR).
• Frequenzadaptive Systeme: Ein- od. Zweikammersysteme mit der zusätzli-
chen Möglichkeit der Frequenzregulation des SM, wenn die natürliche Regu-
lation durch eine Sinusknotenerkr., z. B. bei körperl. od. emotionalen Belas-
tungen, nicht mehr gegeben ist od. für Zweikammersysteme kein stabiles atri-
ales Triggersignal zur Verfügung steht. Als Parameter zur Frequenzanpas-
sung stehen eine Vielzahl verschiedener Messgrößen, die von „Sensoren“ des
SM-Systems erfasst werden, zur Verfügung (Beschleunigung, Atemexkursion,
QT-Intervall, kardiale Impedanzänderungen, kardiale Schwingungssignale);
Kennzeichnung der frequenzadaptiven SM im Code an der 4. Stelle mit dem
Buchstaben „R“ („rate response“ ▶ Abb. 12.4).
• Mode-Switch-Algorithmen ermöglichen es DDD- u. VDD-SM, bei atrialen
Tachyarrhythmien in einen vorhofasynchronen Modus (DDI[R], VDI[R],
VVI[R]) zu wechseln.
• Stimulationsvermeidungsalgorithmen reduzieren im Atrium bzw. Ventrikel
die Häufigkeit einer SM-Stimulation. Hierzu zählen atriale (bei AAI- od.
DDD-Systemen) bzw. ventrikuläre Frequenzhysterese (VVI- od. VDD-Syste-
me), AV-Intervall-Hysterese (VDD- od. DDD-Systeme) sowie AAI-DDD-
Moduswechselalgorithmen (DDD-Systeme).
• Präventive Stimulation: Zweikammer-SM-Systeme, die zusätzlich zu den an-
tibradykarden Funktionen auch Algorithmen führen, die zur Unterdrückung
atrialer Tachyarrhythmien beitragen. Zusätzlich werden auch automatische
Überstimulationsther. in sog. Vorhoftherapiesystemen eingesetzt.
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 661

Position I II III IV V

Stimulation Wahr- Reaktion Frequenz- Multi-Site-


nehmung adaption Stimulation

Kammer 0 None 0 None 0 None 0 None 0 None


V Ventrikel V Ventrikel T Trigger R Rate- V Ventrikel
A Atrium A Atrium I Inhibition adaptiv A Atrium
D Dual D Dual D Dual D Dual

S Single S Single
12
Abb. 12.4 Schrittmachercodierung. Der 5. Buchstabe ist für die Stimulation einer
3. Kammer vorgesehen (z. B. sensorgesteuerter biventrikulärer Schrittmacher
= DDDRV) [L157]

Schrittmacherbetriebsarten
• AAI: Vorhof-Demand-SM; Stimulation im RA, wenn Eigenfrequenz < pro-
grammierte Interventionsfrequenz des SM ist. Bei Eigenaktionen wird das
System inhibiert.
• VVI: Ventrikel-Demand-SM; Stimulation im RV, wenn Eigenfrequenz < pro-
grammierte Interventionsfrequenz des SM ist. Bei Eigenaktionen wird das
System inhibiert.
• VDD: P-Wellen-synchronisierte Ventrikelstimulation; Stimulation bei Bedarf
im Ventrikel. Ventrikelstimulation wird durch spontane Vorhofaktion getrig-
gert, d. h. nach Wahrnehmung einer Vorhofaktion wird im Ventrikel ein Sti-
mulationsimpuls abgegeben. Einsatz bei regelrechter Sinusknotenfunktion u.
totalem AV-Block.
• DDI: Stimulation u. Wahrnehmung im Vorhof u. Ventrikel. AV-synchrone
Arbeitsweise, wenn die programmierte Stimulationsfrequenz von der Vorho-
feigenfrequenz unterschritten wird. Übersteigt die Eigenfrequenz die program-
mierte Frequenz, wird der SM inhibiert. Vorteile: atriale Eigenaktionen werden
wahrgenommen; keine ventrikuläre Triggerung bei atrialen Tachykardien, da
System inhibiert arbeitet. Nachteil: Verlust der AV-Synchronität bei Pat. mit
höhergradigem AV-Block, wenn Sinusfrequenz > Interventionsfrequenz.
• DDD: AV-universelle Stimulation (universell = sequenziell + synchronisiert).
Bei Vorhofeigenaktionen wird der atriale Impuls inhibiert, der ventrikuläre
getriggert; bei Vorhofeigenfrequenz < programmierte Frequenz wird der Vor-
hof und, falls keine AV-Überleitung erfolgt, auch die Kammer stimuliert. Ei-
genaktionen werden in Vorhof u. Kammer erkannt u. führen zur Inhibition.
Der Kommentar zu den ESC-Leitlinien von 2008 sieht für die meisten Pat. mit
erhaltenem Sinusrhythmus eine vorhofbeteiligte Stimulation mittels AAI(R)- od.
DDD(R)-SM als optimal an. Die in den Leitlinien von 2005 formulierte Präferenz
von AAI(R)-SM bei Pat. mit Sinusknotenerkr. muss nach den Ergebnissen der
DANEPACE-Studie, die eine Überlegenheit von DDDR-SM (VHF-Inzidenz, Re-
OP-Rate) nachgewiesen hat, relativiert werden. Weiterhin wurde in den großen
Multizenterstudien (CTOPP, MOST, UKPACE) kein globaler Mortalitätsbenefit
der vorhofbeteiligten Systeme nachgewiesen, sodass die Systemauswahl durchaus
662 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Sinusknotensyndrom

Seltene Häufige
paroxysmale Pausen Stimulationsbedürftigkeit

Ohne AV- oder Mit AV- oder


faszikuläre faszikulärer
Leitungsstörung Leitungsstörung

12
Klasse I Klasse I Klasse I
• DDD-AV • AAI(R) • DDD(R)-AV
• VVI < 45/Min. Klasse II
Klasse II • DDD(R)-AV
• AAI

Abb. 12.5 Systemwahl bei Sinusknoten-Syndrom [L157]

Atrioventrikuläre/faszikuläre Leitungsstörungen

Seltene Häufige
AV*-Überleitungsstörungen Stimulationsbedürftigkeit

Normale Binodale
Sinusknoten- Erkrankung
funktion

Klasse I Klasse I Klasse I


• VVI < 45/Min. • DDD • DDDR
• DDD-AV • VDD Klasse II
• VDD-AV Klasse II • DDD
• VVIR
• DDDRV

* AV = AV-überleitungserhaltende Programmierung oder Spezialalgorithmen

Abb. 12.6 Systemwahl bei atrioventrikulären/faszikulären Leitungsstörungen


[L157]
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 663

individuell differenziert erfolgen darf (▶ Abb. 12.5, ▶ Abb. 12.6). Neben der Wahl
des SM-Systems wird in den Leitlinien auch ein wichtiges Augenmerk auf die Pro-
grammierung gerichtet.
Vorhofbeteiligte versus ventrikuläre Stimulation
Eine Überlegenheit der vorhofbeteiligten Stimulation (AAI, DDD) über die VVI-
Stimulation konnte in prospektiven randomisierten Studien (CTOPP, MOST,
UKPACE) im Wesentlichen bei Pat. mit Sinusknotenerkr. nachgewiesen werden
(VHF-Reduktion, Lebensqualitätsverbesserung, Auftreten eines SM-Sy.). Ein
Vorteil der vorhofbeteiligten Stimulation scheint insbes. bei hohem Stimulations-
anteil zu bestehen. Ältere Pat. (> 70 J.) mit AV-Block profitieren nach der
­UKPACE-Studie nicht signifikant von einer vorhofbeteiligten Stimulation.
AAI(R)- versus DDD(R)-Stimulation
In den aktuellen Leitlinien wird die atriale Stimulation mit spontaner AV-Über- 12
leitung als optimale Ther. bei Sinusknotenerkr. empfohlen. Die Implantation ei-
nes AAIR-SM scheint allerdings für die Mehrzahl der Pat. mit Sinusknotenerkr.
nicht vorteilhaft zu sein. In der 2011 publizierten DANEPACE-Studie wurde eine
Überlegenheit einer DDD-Stimulation mit moderat langem AV-Intervall bzgl.
VHF-Inzidenz u. Rate an Revisions-OP nachgewiesen. Die Kriterien für die Im-
plantation eines AAI-SM (PQ-Zeit < 200 ms; Fehlen höhergradiger AV-Blockie-
rungen, Wenckebach-Punkt > 120/Min., Fehlen von Schenkelblockierungen). Bei
Wahl eines DDD(R)-SM wird nach derzeitiger Leitlinienlage eine ventrikuläre
Stimulationsvermeidung (AV-Hysterese, AAI-DDD-Moduswechsel-Algorith-
mus, weites AV-Intervall) empfohlen.
VDD- versus DDD-Stimulation
Die „Ein-Elektroden“-VDD-Stimulation bietet den Vorteil, auf eine separate atri-
ale Elektrode verzichten zu können, da die atriale Wahrnehmung über einen in
die Elektrode integrierten Dipol erfolgt. In Studien konnte die Gleichwertigkeit
beider Systeme im Langzeitverlauf der Pat. bei reduzierter Akutkomplikationsrate
der VDD-Implantation nachgewiesen werden, sodass diese Systeme eine Alterna-
tive für Pat. mit reinen AV-Blockierungen darstellen. Da mit VDD-Systemen das
Atrium nicht stimuliert werden kann, sollten diese Systeme bei gestörter od. un-
klarer Sinusknotenfunktion nicht zum Einsatz kommen.

Systemwahl bei Aggregatwechsel


Die KO-Rate bei Aufrüstungsoperationen ist deutlich höher als bei Erstimplanta-
tionen. Daher sollte die Aufrüstung eines VVI-/AAI-SM anlässlich eines Aggre-
gatwechsels nur mit strenger Ind.-Stellung erfolgen:
• Bei SM-Sy. unter VVI-Stimulation → DDD.
• Bei höhergradigen AV-Blockierungen, Schenkelblock od. Wenckebach-Punkt
< 120/Min. unter AAI-Stimulation → DDD.
• Bei schwerer, med. refraktärer Herzinsuff. (NYHA ≥ II, LV-EF ≤35 %) unter
DDD-Stimulation mit vorbekanntem Schenkelblock od. permanenter RV-
Stimulation → Aufrüstung auf ein biventrikuläres SM-System erwägen.

12.4.3 Technische Termini der Schrittmachersysteme


• Multiprogrammierbarkeit: SM sind mikroprozessorgesteuert u. besitzen ei-
ne große Anzahl programmierbarer Optionen; Multiprogrammierbarkeit ist
Voraussetzung für eine patientenindividuelle, optimale SM-Einstellung.
664 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• Telemetrie: Die Signalübermittlung erfolgt mittels Radiofrequenzen vom SM


auf ein externes Programmiergerät u. umgekehrt. Software- od. Teilsoftware-
gesteuerte SM speichern Rhythmusereignisse u. EKG-Merkmale, die ausgele-
sen werden können. Marker-Kanal: telemetrische Übertragung intrakardialer
Signale auf das Oberflächen-EKG als Markerimpuls; dient der Rhythmus-
bzw. SM-Funktionsinterpretation.
• Interventionsfrequenz: Frequenz, bei der das System bei fehlenden Eigenak-
tionen seine Stimulationsfunktion beginnt; entspricht der Grundfrequenz mit
dem Basisintervall (Intervall zwischen 2 Impulsabgaben).
• Obere Grenzfrequenz: max. atriale Frequenz, die der SM auf den Ventrikel
triggert. Überschreitet die Frequenz im Atrium diesen Wert, wird der Ventri-
kel weiterhin mit der oberen Grenzfrequenz stimuliert. Hierdurch entsteht
ein Wenckebach-ähnliches EKG-Bild.
12 • Max. Sensorfrequenz: Frequenzgrenze der sensorgeführten Stimulation.
• Magnetfrequenz: asynchrone Stimulationsfrequenz eines SM nach Auflage
eines Magneten auf das implantierte Aggregat; meist typisches Frequenzmus­
ter je nach Hersteller. Gibt auch Hinweise auf zunehmende Batterieerschöp-
fung.
! Kriterien variieren je nach Hersteller! Einige SM-Systeme besitzen keine Ma-
gnetreaktion mehr bzw. diese kann inaktiviert werden.
• Erwartungsintervall: „Escape interval“, Zeitintervall von der letzten Eigenak-
tion bis zum folgenden SM-Impuls. Entspricht der Interventionsfrequenz
(in ms, 60.000/Frequenz).
• Präventive Stimulation: automatische, vom SM abgegebene Stimulationsse-
quenzen, die eine Unterdrückung des eigenen Vorhofrhythmus bzw. von
Triggermechanismen des VHF bewirken sollen.
• Refraktär- u. Blankingzeiten: Zeitintervall nach Stimulation od. Wahrneh-
mung von Eigenaktionen, innerhalb derer keine weitere Wahrnehmung u./
od. Triggerung erfolgen kann. Man unterscheidet:
– Atriale (ARP) u. ventrikuläre Refraktärzeit (VRP): Zeitintervall, das
nach Wahrnehmung od. Stimulation im Atrium od. Ventrikel gestartet
wird. Wahrnehmungen von Aktionen in der entsprechenden Kammer,
die innerhalb dieses Intervalls liegen, werden vom SM für seine Zeitsteue-
rung nicht genutzt. Dient insbes. bei Einkammersystemen dazu, R-Wel-
len-Fernfeldwahrnehmungen (AAI) od. T-Wellen-Oversensing (VVI) zu
vermeiden. Setzt sich aus atrialer/ventrikulärer Blankingzeit u. einer Stör-
refraktärzeit zusammen. Treten in Letzterer repetitiv Wahrnehmungen
auf, stimuliert der SM A00 od. V00, hierdurch sollen Asystolien bei konti-
nuierlicher Störfeldeinkopplung vermieden werden.
– Postventrikuläre atriale Refraktärzeit (PVARP): nur bei Zweikammer-
SM. Zeitintervall nach ventrikulärer Stimulation od. Wahrnehmung, in-
nerhalb dessen Wahrnehmungen im Vorhof nicht erneut auf den Ventri-
kel getriggert werden können. Dient der Vermeidung schrittmacherver-
mittelter Reentry-Tachykardien (pacemaker mediated tachycardia, PMT).
Der atriale Kanal ist innerhalb dieses Intervalls aber nicht blind, Wahr-
nehmungen können für Spezialfunktionen wie Mode-switch-Algorithmen
genutzt werden.
– Postventrikuläre atriale Blankingzeit (PVAB): nur bei Zweikammer-SM.
Zeitintervall nach ventrikulärer Stimulation od. Wahrnehmung, innerhalb
dessen der atriale Kanal komplett blind geschaltet ist. Dient der Vermei-
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 665

dung von R-Wellen-Fernfeldwahrnehmungen im Atrium (ventrikuloatri-


aler Crosstalk) u. verhindert somit inadäquate Mode-switch-Auslösungen.
– Postatriale ventrikuläre Blankingzeit (PAVB): nur bei Zweikammer-SM.
Zeitintervall nach atrialer Stimulation, innerhalb dessen der ventrikuläre
Kanal komplett blind geschaltet ist. Soll eine Wahrnehmung eines atrialen
Stimulusfernfelds im ventrikulären Kanal (atrioventrikulärer Crosstalk)
vermeiden, was beim SM-abhängigen Pat. eine Asystolie zur Folge haben
könnte.
• Ventrikuläre Sicherheitsstimulation: Algorithmus, der ein Dilemma bei der
Programmierung der PAVB auflösen soll. Zu kurze PAVB → Gefahr eines at-
rioventrikulären Crosstalks, zu lange PAVB → Gefahr, eine ventrikuläre
Spontanerregung nicht wahrzunehmen u. nachfolgend in die T-Welle (vulne-
rable Phase) zu stimulieren. Der Algorithmus hängt an eine (kurze) PAVB
ein weiteres Wahrnehmungsfenster an (zumeist PAVB + Sicherheitsfenster = 12
100 ms). Erfolgt in diesem Intervall eine ventrikuläre Wahrnehmung, wird
der Ventrikel mit einem kurzen AV-Intervall (i. d. R. 100 ms) stimuliert. Dies
vermeidet einerseits eine Asystolie, andererseits wird durch die kurze An-
kopplung eine Stimulation in die T-Welle vermieden.
• Sensitivität: Eingangsempfindlichkeit des SM als Triggerschwelle der Detek-
tion. Die Detektion eines Signals erfolgt, wenn eine erforderliche Mindest-
spannung (Bereich 0,5–10 mV) erreicht wird. Ausreichende Detektion ist
Grundlage der Wahrnehmungsfunktion („sensing“) von intrakardialen Sig-
nalen (Eigenaktionen).
– Undersensing: Eigenaktionen werden nicht erkannt.
– Oversensing: Wahrnehmung inadäquater herzeigener od. -fremder Signa-
le (z. B. Muskelzittern) durch zu hohe Eingangsempfindlichkeit.
• Impulsamplitude: Amplitude eines SM-Impulses in V od. mA bei einem de-
finierten Widerstand des Systems (= Elektrodenimpedanz).
• Impulsbreite: Dauer eines SM-Impulses (Bereich 0,1–1,6 ms).
• Reizschwelle: min. Impulsamplitude od. -dauer, die zur Stimulation des Her-
zens erforderlich ist (in V od. ms). Messung intraop. u. bei den erweiterten
Kontrolluntersuchungen (▶ 12.4.7).
• Detektionsschwelle: „Sensingschwelle“, Wahrnehmungsschwelle. Geringste
Detektionsempfindlichkeit, bei der ein intrakardiales Signal noch erkannt
wird. Messung intraop. u. bei den erweiterten Kontrolluntersuchungen
(▶ 12.4.7).
• AV-Intervall: bei bifokaler Stimulation Zeitintervall in ms zwischen Vorhof-
u. Kammerstimulation, bei Vorhoftriggerung Zeitintervall zwischen Detekti-
on des Vorhofsignals u. der Kammerstimulation.
• Unipolare/bipolare Stimulation:
– Unipolar: Stimulationsmodus mit differenter Elektrode (Kathode) endo-
kardial, SM-Gehäuse ist die indifferente Elektrode (Anode).
– Bipolar: Stimulationsmodus mit Integration von Anode u. Kathode in ei-
ner intrakardial gelegenen Elektrode.
• Hysterese: Verlängerung des Interventionsintervalls nach Detektion einer
spontanen Herzaktion, um dadurch die Herzeigenaktionen zu fördern.
• Exit-Block: ineffektive Stimulation des Myokards durch SM-Impuls. Ursa-
che: Reizschwellenerhöhung, Batterieerschöpfung, Elektrodendefekt. Folge:
Sichere antibradykarde Stimulation ist nicht mehr gewährleistet, Asystolie­
gefahr.
• B. O. L.: „Begin of life“, Betriebsbeginn eines SM.
666 12 Interventionelle Therapieverfahren 

• E. O. L. od. besser E. O. S.: „End of life/service“, definiertes Betriebsende des


SM durch Batterieerschöpfung.
• E. R. I., E. R. T. od. R. R. T.: „Elective/recommended replacement indicator/
time“, Zeitpunkt, nach dem ein SM-Aggregatwechsel innerhalb von 3 Mon.
erfolgen sollte.

12.4.4 Herzschrittmacherimplantation
Voraussetzungen: Information u. schriftliches Einverständnis des Pat., Nah-
rungskarenz 4 h, bedarfsweise Rasur der infraklavikulären Region u. der Achsel-
höhle. OP nur in Räumen, die eine absolute Asepsis garantieren.

Transvenöse Implantationstechnik
12 • Implantationstechnik über V. cephalica: in Lokalanästhesie infraklavikulä-
rer Hautschnitt. V. cephalica im Sulcus deltoideopectoralis freipräparieren.
Venotomie. Elektrode(n) in die Vene einbringen u. im RA u./od. RV unter
DL platzieren.
• Implantationstechnik über V. subclavia: alternative Vorgehensweise in Fäl-
len, in denen eine Applikation über die V. cephalica nicht möglich od. nicht
gewünscht ist (10–20 %). V. subclavia nach Seldinger-Technik punktieren.
Führungsdraht u. Dilatator entfernen, Elektrode über liegende Führungshülse
einbringen.
• Elektrodenlage: Konventionelle Elektrodenpositionen (große Erfahrung über
die Stabilität der Elektrodenlage, insbes. von Ankerelektroden): RV-Apex, re
Herzohr. Elektrodenpositionen mit dem Ziel einer hämodynamisch optimierten
Stimulation od. Reduktion von VHF (aber i. d. R. nur mit Schraubelektroden er-
reichbar): hohes bzw. mittleres interventrikuläres Septum/interatriales Septum.
• Ermittlung der Reizschwelle: über ein externes Messgerät u. die liegende
Elektrode bei einer Impulsbreite von 0,5 ms u. einer Spannung von 5 V sti-
mulieren. Strom in mA u. Widerstand des Systems in Ohm messen. Anschlie-
ßend Stimulationsspannung kontinuierlich reduzieren, bis keine weitere De-
polarisation mehr erfolgt. Letzte noch erfolgreiche Stimulation entspricht der
Reizschwelle in V (Norm 0,2–1,0 V im Ventrikel, 0,3–1,5 V im Vorhof).
• Ermittlung der Amplitude des intrakardialen Signals, „Sensing-Eigen-
schaften“: bei ausreichendem Eigenrhythmus über das externe Messgerät u.
die liegende Elektrode Höhe des intrakardialen Signals (Norm: R-Zacke
> 6 mV, P-Welle > 2,0 mV) u. Anstiegssteilheit dieses Signals („slew rate“
> 0,5 mV/s) messen. Beide Parameter sind für eine regelrechte Steuerfunktion
des SM-Systems erforderlich.
• Bei günstigen Messwerten u. stabiler Elektrodenlage Elektrode an der Venen-
eintrittsstelle od. am M. pectoralis annähen. Anschließend subkutan od. sub-
faszial gelegene SM-Tasche präparieren u. Elektrode an das SM-Aggregat an-
schließen. Subkutannaht. Abschließend Hautnaht.
• Funktionskontrolle nach Abschluss der OP: EKG-Dokumentation, SM pro-
grammieren u. Programm in Pat.-Akte dokumentieren. 12-Kanal-EKG, Rö-
Thorax in 2 Ebenen, Echo zum Ausschluss Perikarderguss.

Epi-/myokardiale Implantation
Seltene Vorgehensweise bei Thrombosen der klassischen zuführenden Venen,
Rechtsherzendokarditis, mechanischer TK od. zur gezielten LV-Stimulation
(CRT, falls kein Zugang zu einer geeigneten Seitvene des Koronarsinus, ▶ 12.6.2).
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 667

Zugang mittels inferiorer od. li-lateraler Perikardiotomie, selten mediane Sterno-


tomie. Nahtfixierte Elektroden od. selten Schraubelektroden werden in fettfreiem
Myokard implantiert. Nachteil: herzchirurgischer Eingriff, Gefahr deutlicher
Reizschwellenanstiege, die eine Revision erforderlich machen.

12.4.5 Komplikationen
Intra-, perioperative Komplikationen
• Elektrodenbedingte KO: < 3 %. Makro- od. Mikrodislokation, Zwerchfell-
miterregung, Pektorialiszucken, Kontaktverlust od. Fehllage.
• Nachblutung im Bereich der SM-Tasche: In < 1 % interventionsbedürftige
Hämatombildung.
• Intraop. Arrhythmien: VHF, Asystolie insbes. bei Pat. mit LSB während der
Elektrodenpassage durch die TK od. bei Reizschwellenmessung, Kammerta- 12
chykardien, -flimmern. Häufigkeit bradykarder Arrhythmien hängt von der
zugrunde liegenden Rhythmusstörung ab. Bei vorhersehbarer Bradykardie-
neigung präop. temporäre Elektrode platzieren, um intraop. ggf. extern sti-
mulieren zu können. Gravierende tachykarde Arrhythmien sind selten.
• Perforationen: Gefäßperforationen sind selten; meist im extrathorakalen Ve-
nenverlauf → lokale Kompression ausreichend. Myokardperforation durch
Elektrode selten, v. a. bei dilatiertem RV. Hinweise auf Perforation: Elektro-
denspitze reicht bis zum li Herzrand od. gleitet am Perikard entlang nach
oben, stimulationssynchrone li-seitige Zwerchfellzuckung, fehlendes Verlet-
zungspotenzial im intraop. intrakardialen Elektrogramm, epikardialisiertes
intrakardiales Elektrogramm (sieht aus wie V-Ableitung), Größenzunahme
des Herzschattens, klinische Hinweise auf Perikardtamponade (▶ 6.8). Ther.:
intensivmedizinische Betreuung, Perikardpunktion, chirurgische Versorgung
in herzchirurgischer Abteilung.
• Pneumothorax nach Subklavia-Punktion. Entsteht selten sofort, meist nach
1–3 Tagen. Kann klinisch inapparent sein. Bei Mantelpneumothorax Velaufs-
kontrolle; bei ausgedehntem Pneumothorax Drainagebehandlung. Span-
nungspneumothorax v. a. beim beatmeten Pat.
• Luftembolie: sehr selten nach Punktion der V. subclavia über das Einfüh-
rungsbesteck. Bei DL Luftansammlung im RVOT. Geringe Mengen
(< 10 cm3) werden asymptomatisch toleriert, bei großen Mengen Kreislauf-
schock, Bild des akuten Cor pulmonale. Bei anhaltender hämodynamischer
Verschlechterung od. Hypoxämie Versuch der Luftabsaugung über einen Ka-
theter.

Probleme u. Komplikationen im Langzeitverlauf


Taschen- u. Systeminfektionen
Bedrohliche KO in < 1 %: Schwellung, Rötung, Schmerz im Bereich der SM-Ta-
sche. Ursache: Infektion durch Staph. epidermidis od. aureus, Propionibakterien
od. andere Hautkeime. Ther.: SM u. Elektroden entfernen. Infektionen der Elek­
troden im intravasalen Verlauf ohne SM-Taschen-Beteiligung sind diagn. schwie-
rig zu erkennen: chron. Infektion, die dem Bild einer infektiösen Endokarditis des
re Herzens ähnelt. Diagnose der Elektrodeninfektion: Infektionszeichen (idealer-
weise pos. Blutkultur) + Vegetationen auf SM-Elektrode im TEE. Die Infektion
steht nicht zwingend im zeitlichen Zusammenhang zur SM-Implantation, kann
auch sek. erfolgen.
668 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Mechanische Druckläsion u. Perforation


Subkutane u. Hautnekrose durch mechanischen Druck des Aggregats. Bei richti-
ger Implantationstechnik (spannungsfreie Lage des Aggregats) seltene KO. Ther.:
bei drohender Perforation umgehende chirurgische Revision, ggf. subpektorale
Verlagerung des Aggregats. Zur Vermeidung dieser KO bei kachektischen Pat.
ggf. primäre subpektorale Implantation. Wichtigste DD: Infektion der SM-Tasche
(Klinik, Entzündungsparameter, Abstrich der SM-Tasche).
Venöse Thrombosen nach Schrittmacherimplantation
Selten symptomatische Venenthrombosen (Schmerz, Schwellung, Rötung u.
Überwärmung von Arm u. Schulter). Kollateralkreislauf ist praktisch immer aus-
reichend, Gefahr einer Lungenembolie ist gering. Ther.: Arm hochlagern, Antiko-
agulation, Antiphlogistika. Cave: bedeutsame Inzidenz asymptomatischer Venen-
thrombosen im Langzeitverlauf nach SM-Implantation, ggf. Diagn. vor Elektro-
12 denrevision/Aufrüstung.
! Eine Sondenrevision ist kontraindiziert!
Elektrodendefekte
Elektrodenbrüche od. Isolationsdefekte in 1–2 %/Patientenjahr. Defekte treten bei
modernen Elektroden v. a. im SM-nahen Verlauf auf, meist durch mechanische
Faktoren (Zugbeanspruchung, Einschnüren der Ligatur, Einklemmen im kosto-
klavikulären Winkel bei medialer Subklaviapunktion) verursacht. EKG: Exitblo-
ckierung od. Under-/Oversensing. Ther.: Chirurgische Revision.
Exitblock u. Wahrnehmungsfehler
Exitblock
Fehlende Depolarisation von Atrium od. Ventrikel nach SM-Stimulus als Folge
eines Stimulationsimpulses unterhalb der Reizschwelle des Myokards.
• Ursache: Elektrodenbruch (zusätzlich Impedanz ↑↑), Isolationsdefekt der
Elektrode (Impedanz ↓↓), Elektrodendislokation, -mikrodislokation (An-
stieg der Reizschwelle, Abfall des Potenzials des intrakardialen Elektro-
gramms u. der Impedanz ohne erkennbare Verlagerung der Elektrode), sons-
tige Einheilungsstörung der Elektrode.
• EKG: SM-Stimulus ohne nachfolgenden Kammerkomplex.
• Ther.: Bei Einheilungsstörung/Mikrodislokation Risiko-Nutzen-Abwägung
der Programmierung eines höheren Outputs (Muskelstimulation, Batteriele-
bensdauer), bei Elektrodendefekt od. Dislokation Revisions-OP.
Undersensing
Fehlende Wahrnehmung von Eigenaktionen bei intrinsischen Potenzialamplitu-
den < Wahrnehmungsschwelle des SM. Bei ventrikulärem Undersensing Gefahr
von R-auf-T-Phänomenen mit potenzieller Induktion maligner Tachyarrhythmi-
en, im Atrium potenzielle VHF-Induktion.
• Ursache: Elektrodendefekt, -dislokation, -mikrodislokation, sonstige Einhei-
lungsstörungen der Elektrode.
• EKG: SM-Stimulation unabhängig von P-Welle bzw. QRS-Komplex.
• Ther.: bei isoliertem Wahrnehmungsproblem u. bipolarer Elektrode häufig
durch Anheben der Empfindlichkeit des SM lösbar. Bei unipolarer Elektrode
ggf. Dilemma mit dann vermehrtem Oversensing. Falls programmiertech-
nisch nicht befriedigend lösbar od. Elektrodenbruch → operative Revision.
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 669

Oversensing
Wahrnehmung von Myopotenzialen, der P- od. T-Welle im Ventrikel sowie der
R-Welle im Atrium. Myopotenzialsensing fast ausschließlich bei unipolarer
Wahrnehmung, bei bipolarer Elektrode V. a. Isolationsdefekt.
• Ursache: unipolare Elektrode, Isolationsdefekt, P-Wellen-Sensing im Ventri-
kel nur bei Lage der Ventrikelelektrode in unmittelbarer Trikuspidalklappen-
ringnähe od. im Koronarvenensinus.
• EKG: bei Einkammersystemen Inhibition der Stimulation trotz fehlender
zeitgerecht einfallender Eigenaktionen, bei DDD-SM auch schnelle Trigge-
rung des Ventrikels. Myopotenzial-Oversensing im Ruhe-EKG häufig nicht
erkennbar, sondern erst unter Provokationsmanövern (Anspannung der Pek-
toralismuskulatur).
• Ther.: Anpassung der Wahrnehmungsschwelle, bei Konflikt mit regelrechter
Wahrnehmung von Eigenaktionen od. Isolationsdefekt → Revisions-OP. 12
Twiddler-Syndrom
Drehung u. Rotation des SM in seiner Tasche führt zum Zug an der Elektrode, die
verkürzt u. evtl. aus ihrer endokardialen Lage herausgelöst wird. Spontanes Auf-
treten bei nicht fixiertem SM in zu großer Tasche od. durch Manipulationen des
Pat. möglich. Ther.: Chirurgische Revision.
Frühzeitige Batterieerschöpfung, Elektronikdefekt
Eher seltene KO, die heute praktisch ausschließlich auf Herstellungsfehlern be-
ruht (Serien bestimmter Modelle). Frühzeitige Batterieerschöpfung auch durch
ungünstige elektrophysiologische Voraussetzungen möglich (hoher Stromver-
brauch): geringe Impedanz einer Elektrode mit großer Elektrodenspitze, große
Impulsbreite, hohe Stimulationsspannung, komplexe Regelkreisläufe bei DDD-
SM, häufige telemetrische Manipulationen. Ther.: Aggregataustausch.
Schrittmachervermittelte Tachykardien
• SVT (atriale Tachykardie, Vorhofflimmern, -flattern), die vom DDD-SM er-
kannt u. getriggert auf die Kammern übertragen wird. Ther.: Aktivierung des
Mode-switch-Algorithmus, Umprogrammierung vom DDD- in den DDI-,
DVI- od. VVI-Modus, med. Ther. der zugrunde liegenden atrialen Arrhythmie.
• Externe elektromagnetische Störungen (▶ 12.4.6): können je nach Modell SM
inhibieren u./od. Impulse auf den Ventrikel triggern. Ther.: Beseitigung der
externen Störquelle.
Schrittmacherinduzierte Tachykardien
Endlostachykardie, „Endless-Loop-Tachykardie“, SM-bedingte Umkehrtachykar-
die. Mechanismus: Nach ventrikulärer Stimulation werden die Vorhöfe durch ei-
ne retrograde Leitung erregt. Die atriale Erregung wird vom SM erkannt u. auf die
Ventrikel übertragen, sodass sich der Tachykardiekreis schließt. Ther.: Umpro-
grammierung, längere PVARP wählen (Kontrolle im intrakardialen EKG bzw.
retrograder Leitungstest), ggf. automatische Terminationsalgorithmen aktivieren.
In Ausnahmefällen in den DDI- od. DVI-Modus umprogrammieren.
Schrittmachersyndrom
Symptomkomplex aus Palpitationen, Schwindel u. evtl. Synkopen bei Z. n. Im-
plantation eines SM (vorwiegend Ventrikel-SM). Abnahme des HZV bei gleich-
zeitigem Druckanstieg im LA mit ANP-Anstieg → periphere Vasodilatation, Ver-
lust der AV-Synchronisation od. inadäquate AV-Synchronisation. Ther.: Umpro-
grammieren, ggf. Umwandlung eines VVI-Systems in ein DDD- od. DDI-System.
670 12 Interventionelle Therapieverfahren 

12.4.6 Störbeeinflussung von Herzschrittmachern


Die Erkennung einer Störung durch externe elektromagnetische Interferenzen
führt zur automatischen Umschaltung auf eine asynchrone Störfrequenz, um die
Stimulationsfunktion des SM zu gewährleisten. Klinisch relevante Probleme tre-
ten dann auf, wenn externe Störquellen nicht als solche erkannt werden u. die
Funktion des SM inhibieren (Folge: Asystolie) od. triggern (Folge: SM-vermittelte
Tachykardie).
• Störquellen im täglichen Leben: Geräte, die schlecht isoliert sind, in unmit-
telbarer Nähe zum SM-Aggregat betrieben werden od. hohe Energiemengen
in den SM einkoppeln (Haushaltsgeräte, Sensortasten, elektrische Zahnbürs-
ten, Diebstahlsicherungsanlagen, Metalldetektoren, Handbohrmaschinen,
CB-Funkgeräte u. Mobiltelefone, Heizkissen, Dimmer). Bei technisch ein-
wandfreier Abschirmung können die Geräte betrieben werden, wenn sie sich
12 nicht in unmittelbarer Nähe des Aggregats befinden.
• Störquellen am Arbeitsplatz: Geräte, die ein starkes elektromagnetisches
Feld aufbauen: Elektroschweißgeräte, Spektralanalysegeräte, Elektrostahlöfen,
Hubmagnete, Zündanlagen, starke Kurz- u. Mittelwellensender, gepulste Ma-
gnetfelder, Hochspannungsanlagen. Gefährdung durch eine Interferenz umso
größer, je stärker das elektromagnetische Feld u. je geringer die Distanz zur
Störquelle ist (z. B. Arbeiten auf einem Gabelstapler od. über der Zündanlage
eines Autos). Bei Berufstätigen Arbeitsplatzuntersuchung durch autorisierten
Arbeitsmediziner empfehlen.
• Störquellen in der Medizin: Klingelrufanlagen u. Hörkissen am Krankenbett,
Nerven- u. Muskelstimulation, Elektrokauterisierung, -koagulation, -aku-
punktur, Kernspintomografen, Zahnvitalitätsprüfungen, Kurzwellendiather-
miegeräte, Stoßwellenlithotripsie, Hochvoltther., Strahlenther. mit Linearbe-
schleuniger, Defibrillationen/Kardioversionen. Bei zwingend indiziertem
Einsatz zuvor Rücksprache mit versiertem SM-Kenner; Maßnahmen festle-
gen: SM-Kontrolle vor u. nach Intervention, kontinuierliche EKG- u. Puls-
kontrolle, vorübergehende Magnetauflage auf das Aggregat, um asynchrone
Stimulation zu gewährleisten, ggf. temporäre Stimulation über ein externes
Gerät. Nach jeder Intervention SM-System kontrollieren (häufigster Fehler).
Dies gilt v. a. auch nach Herz-OP mit kardiopulmonalem Bypass bei SM-Pat.:
– Kardioversion bei Herzschrittmacherträgern: Formal ist eine elektrische
Kardioversion bei SM-Trägern kontraindiziert, da theoretisch der SM ir-
reversibel durch den Eingriff geschädigt werden kann. Andererseits wird
in der klinischen Realität ein solches Ereignis selten beobachtet. Daher im
Fall einer klinisch indizierten Elektrokardioversion: 1. Pat. über eine mög-
liche Beschädigung des SM aufklären, 2. kontinuierliche EKG-Überwa-
chung, externer SM in Bereitschaft, 3. SM vor Kardioversion auf D00 od.
V00 programmieren, 4. zwischen den einzelnen Schockabgaben ein Inter-
vall > 5 Min. einhalten, 5. SM unmittelbar nach Kardioversion kontrollie-
ren u. Funktionstüchtigkeit dokumentieren. Cave: Die Produktgarantie
geht nach einer Elektrokardioversion verloren.
– MRT: ebenfalls bei SM-Trägern kontraindiziert. Gefahr ist hier neben
dem Aggregatausfall auch ein Aufheizen an den Elektrodenspitzen. Bei
Pat., bei denen das Ergebnis eines MRT klinisch relevant u. durch alterna-
tive Techniken nicht erzielt werden kann, kann in Ausnahmefällen nach
entsprechender Aufklärung im Einzelfall unter folgenden Sicherheitsbe-
dingungen ein MRT durchgeführt werden: 1. kontinuierliche EKG-Über-
wachung, externer SM in Bereitschaft, 2. bei SM-abhängigen Pat. D00 od.
 12.4 Permanente Herzschrittmachertherapie 671

V00 programmieren, 3. SM unmittelbar nach MRT kontrollieren u. Funk-


tionstüchtigkeit dokumentieren.
– Bestrahlung: Korpuskuläre Strahlen (insbes. α- od. β-Stahlung) können
einen SM zerstören od. den Störmodus aktivieren. Daher: 1. SM möglichst
aus dem Bestrahlungsfeld abschirmen, 2. kontinuierliche EKG-Überwa-
chung, externer SM in Bereitschaft, 3. SM unmittelbar nach der Bestrah-
lung kontrollieren u. Funktionstüchtigkeit dokumentieren.
• Körpereigene Störquellen: Muskelpotenziale (z. B. Anspannen des M. pecto-
ralis), T-Wellen, P-Wellen im Ventrikel u. R-Zacken im Vorhof, Polarisati-
onsspannungen am Elektroden-Gewebe-Übergang, mechanische Berührung
von SM-Teilen u. Sondenbrüche mit intermittierender Berührung der leiten-
den Bruchenden.

12.4.7 Herzschrittmachernachsorge 12
Nach „Empfehlungen zur Herzschrittmacher-Therapie“ der Arbeitsgruppe Herz-
schrittmacher der Deutschen Gesellschaft für Herz- u. Kreislaufforschung.

Aufgaben
• System an individuelle Situation (Art der Rhythmusstörung, Hämodynamik)
des Pat. anpassen,
• Funktionskontrolle des SM-Systems,
• Diagn. u. ggf. Ther. von KO (Umprogrammierung, chirurgische Intervention).
Apparative Voraussetzungen
• EKG-Schreiber,
• spezifisches Programmiergerät,
• Notfallausrüstung zur CPR einschließlich Defibrillator.
Durchführung der Schrittmacherkontrolle
• Anamneseerhebung: Allgemeinbefinden, Leistungsschwäche, Schmerzen in
der SM-Taschenregion, Zwerchfell- od. Pektoraliszucken, Palpitationen,
Schwindel, Synkopen, A. p.
• Körperl. Untersuchung: HF, RR, kardiopulmonale Auskultation,
Herzinsuff.-Merkmale. SM-Tasche: Druckdolenz, Rötung, Dislokation des
Aggregats, anodisches Zucken.
Erweiterte Kontrolle
Durchführung in mind. jährlichem Abstand. Bei Funktionsstörungen od. KO
weitere Kontrollparameter prüfen.
• Ruhe-EKG: 12 Ableitungen.
• Magnettest-EKG: EKG vor, während u. nach Auflage eines Magneten auf
SM-Aggregat. „Magnetfrequenz“ ist SM-typisch für B. O. L. (▶ 12.4.3) u.
E. R. T. (▶ 12.4.3) u. ermöglicht eine Abschätzung des Batteriezustands.
Durch Magnetauflage arbeitet der SM im asynchronen Modus, sodass bei Ei-
genrhythmus die regelrechte Beantwortung der Stimulationsimpulse beurteilt
werden kann.
• Reizschwelle: Verfahren der Reizschwellenprüfung sind modellgebunden
bzw. vorgegeben. Aufgrund eines möglichen Reizschwellenanstiegs innerhalb
der ersten Wo. nach Implantation ist in diesem Zeitraum eine höhere Stimu-
lationsenergie erforderlich. Endgültige Einstellung mit dem Ziel der Energie-
672 12 Interventionelle Therapieverfahren 

einsparung nach spätestens 3 Mon. durchführen. Stimulationsamplitude auf


das 1,5–2-Fache der Amplitudenreizschwelle programmieren bzw. Impuls-
dauer auf das 3–4-Fache der Impulsdauerreizschwelle.
• Wahrnehmungsschwelle: zunehmend höhere Werte der atrialen/ventrikulä-
ren Sensitivität programmieren, bis Wahrnehmungsverlust eintritt. Zusätz-
lich kann bei einigen SM das intrakardiale Signal des Vorhofs/Ventrikels tele-
metrisch ausgelesen werden. Bei hoher Empfindlichkeit im Vorhof u./od.
Ventrikel auf Störbeeinflussung z. B. durch Muskelpotenziale prüfen (Pekto-
ralisregion anspannen lassen u. gleichzeitig EKG schreiben).
• Wenckebach-Punkt: bei AAI-Systemen atriale Reizfrequenz bestimmen, bei
der erstmals ein AV-Block II° Typ Wenckebach auftritt. Test zur Beurteilung
der AV-Leitungsverhältnisse im Langzeitverlauf.
• Refraktärzeit: auf Ventrikelebene mit der Nominaleinstellung (300–350 ms)
12 meistens ausreichend. Bei T-Wellen-Wahrnehmung evtl. Refraktärzeit ver-
längern. Im DDD-Modus PVARP bei Auftreten von SM-induzierten Tachy-
kardien verlängern, im AAI-Modus bei Wahrnehmung des ventrikulären
Fernpotenzials.
• Diagn. Funktionen: Moderne Telemetrie-SM ermöglichen die Abfrage
­diagn. Daten u. können Hinweise zur Optimierung der Programmgestaltung
geben. Weitere telemetrische Daten: alle programmierten Parameter des SM,
Batteriezustand, Widerstand der Elektrode(n), Stromverbrauch, Stimulati-
onsintervall, Impulsbreite, Magnetfrequenz. Sämtliche Daten müssen im SM-
Ausweis u. in der Karteikarte/Datenbank vermerkt werden.

Zeitplan für Schrittmacherkontrollen


• Kontrolle nach Implantation (▶ Tab. 12.2): komplette telemetrische SM-Kon-
trolle, Wundverhältnisse prüfen, Pat. mit Informationsmaterial versorgen
(Aushändigen der Pat.-Information ist Pflicht!), Rö-Thorax zum Ausschluss
Pneumothorax u. zur Dokumentation des Elektrodenverlaufs, Echo zum
Ausschluss Perikarderguss u. ggf. zur hämodynamischen Optimierung der
SM-Programmierung, ggf. Langzeit-EKG.
• Kontrolle nach 1 bzw. 3 Mon. zur Dokumentation der chron. Messwerte, hier
dann auch Anpassung des Outputs an diese Werte.
• Weitere Kontrollen im 6–12-Monats-Intervall, bei drohender Batterieer-
schöpfung wieder häufiger. Komplette telemetrische Kontrolle, Auslesen der
diagn. SM-Speicher.
• Außerplanmäßige Kontrollen bei V. a. SM-Fehlfunktion od. anderer rhyth-
mogener Symptomatik.

Bei chirurgischen od. technischen Komplikationen zusätzliche Kontrollen


nach der klinischen Situation.

Tab. 12.2 Zeitplan der Schrittmacherkontrollen


Monate Neuimplantation Impulsgeberwechsel
0 E E
1 B E+
3 E+ –
6 B B
 12.5 Implantierbarer Schrittmacher, Kardioverter, Defibrillator (ICD) 673

Tab. 12.2 Zeitplan der Schrittmacherkontrollen (Forts.)


Monate Neuimplantation Impulsgeberwechsel
12 E E
18 B B
24 E E
Weitere Kontrollen in halbjährlichen Abständen
B – Basisuntersuchung; E – Erweiterte Kontrolle; E+ – Erweiterte Kontrolle plus End­
einstellung

12.5 Implantierbarer Schrittmacher, 12
Kardioverter, Defibrillator (ICD)
Implantierbare Systeme zur primär elektrischen Ther. maligner Kammerarrhyth-
mien: Identifikation von ventrikulären Tachyarrhythmien, Überstimulation (an-
titachykarde Stimulation) od. niederenergetische Kardioversion bzw. höherener-
getische Defibrillation der Arrhythmie. Kardiale Grundkrankheit u. Pathomecha-
nismus der Arrhythmie bleiben von der Elektrother. unbeeinflusst. Das System
dient ausschließlich Pat., deren Arrhythmien die klinische Symptomatik u. die
Prognose beherrschen.

Ziele
• Plötzlichen Herztod verhindern: automatische Detektion u. Terminierung
hämodynamisch nicht tolerierter ventrikulärer Tachyarrhythmien.
• Leben verlängern: Durch die Verhinderung des plötzlichen Herztods soll ei-
ne nicht nur kurzfristige Lebensverlängerung erreicht werden. Eine Mortali-
tätsreduktion wird insbes. bei Pat. mit Herzinsuff. u. deutlich eingeschränkter
LV-Funktion (LV-EF ≤ 35 %) erreicht.
• VT automatisch terminieren: Detektion der Tachykardie u. automatische
Ther. mittels antitachykarder Stimulation bzw. Kardioversion.
• Lebensqualität verbessern: Vermeidung häufiger Krankenhausaufenthalte
aufgrund rezid. Tachykardieepisoden. Vermittlung des Gefühls der Sicherheit
vor dem plötzlichen Herztod u. Verringerung der Häufigkeit von Defibrillati-
onsentladungen durch antitachykarde Stimulation. Andererseits auch deutli-
che Reduktion der Lebensqualität insbes. bei Pat. mit häufigen od. repetitiven
Schocks. Hier häufig psychosomatische Mitbetreuung notwendig. Anbindung
an Selbsthilfegruppe sinnvoll.

Arbeitsweisen des ICD


• Antibradykarde SM-Stimulation (VVI[R], DDD[R], CRT-D).
• R-Zacken-getriggerte Kardioversion.
• Biphasischer DC-Schock.
• Antitachykarde Stimulation: Stabile VT können terminiert werden, indem
das System mehrere Stimulationsimpulse in einer vorprogrammierten Se-
quenz abgibt. Ind.: Rezid. VT, die hämodynamisch toleriert werden (Fre-
quenz individuell 100–240/Min.) u. die sich zuverlässig durch eine Sequenz
von festgelegten Stimuli terminieren lassen. Bei erfolgloser antitachykarder
Stimulation, Akzeleration der VT od. Degeneration in Kammerflimmern, Be-
674 12 Interventionelle Therapieverfahren 

endigung der Tachyarrhythmie durch Kardioversion od. Defibrillation. Ein-


satz der antitachykarden Stimulation bei > 75 % aller ICD-Pat., Stimulations-
ther. ist bei 80–90 % der Pat. erfolgreich.

Anforderungen
ICD-System
• Antitachykarde u. antibradykarde Stimulationsfunktion.
• Tachykardiedetektion u. -redetektion, mehrere Detektionsalgorithmen soll-
ten zur Verfügung stehen.
• Speicherung von intrakardialen Elektrogrammen od. der RR-Intervalle vor
der elektrischen Ther.
• Transvenöse Elektrodensysteme, subkutane od. epikardiale Elektroden nur
selten erforderlich.
12 • Rein subkutaner ICD: System zur Prophylaxe des plötzlichen Herztods u.
Ther. von Kammerflimmern, bislang keine antibradykarde Stimulation od.
Überstimulationsther. von VT.

Präoperative Diagnostik
• Allgemeine Vorgeschichte: kardiale Grundkrankheit (z. B. KHK, CMP, ar-
rhythmogene RV-Dysplasie ▶ 7.9.7, idiopathische VT); körperl. Leistungsfä-
higkeit (hämodynamische Dekompensationen, NYHA-Stadium); Begleiterkr.
(konsumierende Erkr., chron. Infektionen, Vor-OP, Blutungsdiathese).
• Vorgeschichte der Arrhythmie: Art der Arrhythmie (VT, Kammerflimmern,
Z. n. Reanimation?), Dokumentation der Arrhythmie, Hinweise auf Auslöser
(Myokardischämie? Einfluss von Antiarrhythmika?), Medikamentenanamne-
se (welche Antiarrhythmika? Dosis?), Klinik zum Zeitpunkt der Arrhythmie
(hämodynamische Auswirkungen), Hinweise auf zusätzlich vorliegende su­
praventrikuläre Arrhythmien (AV-Reentry-Tachykardien, Vorhofflimmern,
-flattern)?
• Nichtinvasive Diagn.: klinische Untersuchung, Labor, EKG, Langzeit-EKG
(24 h), evtl. signalgemitteltes EKG, Ergomerie, Echo (LV-Funktion), evtl.
Spätpotenziale (arrhythmogene RV-Dysplasie), HF-Variabilität, T-Wellen-
Alternans.
• Invasive Untersuchung: Cineventrikulografie von LV u. RV, Koro, evtl.
Myokardbiopsie, evtl. Rechtsherzkatheter mit Belastung.
• EPU: Auslösbarkeit u. Reproduzierbarkeit der Arrhythmie, Frequenz u. Mor-
phologie der Arrhythmie, Unterbrechbarkeit der Arrhythmie mittels antita-
chykarder Stimulation, Nachweis verborgener akzessorischer Leitungsbahnen
od. AV-Knoten-Reentry-Tachykardien (mögliche Ursache für spätere Fehlin-
terventionen).
• Kardiale MRT: bei V. a. arrhythmogene RV-Dysplasie (myokardiale Fettein-
lagerungen) od. akute Myokarditis.
• Ajmalin-Test: bei V. a. Brugada-Syndrom.
Klinik
• Kenntnisse u. ausreichend praktische Erfahrungen in der invasiven Elektro-
physiologie, med.-antiarrhythmischen Ther. von malignen Arrhythmien u.
ihrer alternativen Ther.-Verfahren (Katheterablation, antiarrhythmische
Chir­urgie), transvenösen u. epikardialen Implantationstechnik,
• Notfallmanagement mit der Möglichkeit eines herz-/thoraxchirurgischen
Eingriffs,
 12.5 Implantierbarer Schrittmacher, Kardioverter, Defibrillator (ICD) 675

• personelle u. apparative Voraussetzungen für engmaschige ambulante Kon­


trollen einschließlich eines lückenlosen Notrufdiensts durch erfahrene Ärzte
sicherstellen.

12.5.1 Indikationsstellung
Seit 2006 liegen Leitlinien zur ICD-Ther. der Deutschen Gesellschaft für Kardiolo-
gie vor, die aktuelle Studien zur Primärprävention des plötzlichen Herztods, aber
auch genetisch bedingte Erkr. kardialer Ionenkanäle wie das Brugada-Sy. u. das
Short-QT-Sy., die zumeist bei jüngeren Pat. ohne strukturelle Herzerkr. auftreten,
berücksichtigen.

Indikationen zur ICD-Therapie


Sekundärprävention
12
Klasse-I-Indikationen
• Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammerflimmern od. -tachykardie ohne ein-
malige od. reversible Ursache (Evidenz A),
• hämodynamisch wirksame VT ohne einmalige od. reversible Ursache (Evi-
denz A),
• nicht aufgezeichnete Synkope bei LV-EF ≤ 40 % nach Ausschluss anderer Ur-
sachen, insbes. bei induzierbarer VT (Evidenz A),
• Brugada-Sy. mit unklarer Synkope (Evidenz C).
Klasse-II-Indikationen
Hämodynamisch stabile Kammertachykardien (IIb, Evidenz C).
Primärprävention
Klasse-I-Indikationen
• Pat. mit ≥ 4 Wo. zurückliegendem MI u. LV-EF ≤ 30 % (Evidenz B),
• Pat. mit chron. Herzinsuff. NYHA II od. III u. LV-EF ≤ 35 % (Evidenz B).
Klasse-II-Indikationen
• HOCM bei Risikokonstellation wie Familienanamnese plötzlicher Herztod,
schwerer Hypertrophie (Wanddicke > 30 mm), Synkopen od. nichtanhalten-
den VT (IIa, Evidenz C),
• arrhythmogene RV-Dysplasie (IIa, Evidenz C),
• langes QT-Sy. mit fortbestehenden Synkopen unter Betablockerther. (IIa,
Evidenz C),
• kurzes QT-Sy. (IIa, Evidenz C),
• asymptomatisches Brugada-Sy. mit zusätzlichen Markern für erhöhtes Risiko
wie Familienanamnese, plötzlicher Herztod od. Auslösbarkeit polymorpher
VT in der EPU (IIa, Evidenz C),
• asymptomatisches Brugada-Sy. ohne zusätzliche Marker für ein erhöhtes Ri-
siko (IIb, Evidenz C),
• seit ≥ 9 Mon. bestehende DCM mit LV-EF ≤ 35 % (IIb, Evidenz A).
Die Leitlinien sehen eine primärpräventive ICD-Implantation bei Pat. mit einer
im chron. (≥ 4 Wo. nach akutem Ereignis) Infarktstadium fortbestehenden LV-EF
≤ 30 % vor. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Implantation in einem früheren
Infarktstadium sowie während od. unmittelbar nach (bypasschirurgischer) Revas-
kularisation nicht indiziert ist, da für diese Situationen randomisierte Studien kei-
nen Benefit der ICD-Ther. auf die Gesamtmortalität nachgewiesen haben.
676 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Bei Pat. mit Herzinsuff. im Stadium NYHA II od. III besteht eine Klasse-I-Ind. zur
prophylaktischen ICD-Ther., falls Grund- u. Begleiterkr. eine Gesamtprognose
> 2 J. erwarten lassen. Dies ist insbes. bei der Ind.-Stellung bei Pat. mit weit fortge-
schrittener Herzinsuff. od. bei präterminaler Niereninsuff. kritisch zu würdigen.
Prinzipiell ist bei jedem Pat. mit fortgeschrittener Herzinsuff. (NYHA ≥ II) u. LV-
EF ≤ 35 % zu prüfen, ob neben der Ind. zur ICD-Ther. auch eine Ind. zur CRT
besteht (▶ 12.6). Dies gilt für Pat. mit QRS-Komplexverbreiterung od. mit perma-
nenter ventrikulärer Stimulationsnotwendigkeit.

Differenzialindikation Zweikammer-ICD
• Bei allen Pat. mit zusätzlichen bradykarden Herzrhythmusstörungen gemäß
den Leitlinien zur Herzschrittmacher-Ther.,
• Pat. mit Long-QT-Sy.,
12 • Nutzung der erweiterten Differenzierungsalgorithmen zwischen SVT u. VT
insbes. bei Pat. mit Neigung zu atrialen Tachyarrhythmien u./od. langsamen
Kammertachykardien.

12.5.2 Detektions- u. Differenzierungsalgorithmen
• Detektionsfrequenz od. -zykluslänge definiert, ob eine Tachykardie vom ICD
registriert wird. Bei modernen ICDs können hier eine Kammerflimmerzone
sowie mind. 2 Kammertachykardiezonen definiert werden. Tachykarde Herz-
rhythmusstörungen unterhalb der niedrigsten Detektionsfrequenz werden
vom ICD nicht registiert.
• Einkammer-Differenzierungsalgorithmen sollen in den Kammertachykar-
diezonen eine Diffenzierung zwischen VT u. SVT ermöglichen. Man unter-
scheidet:
– Stabilitätskriterium: untersucht Unterschiede in den Zykluslängen bei Ini-
tiierung der Tachykardie. Unterschreitet die Differenz der Zykluslängen
einen definierten Wert, wird die Tachykardie als VT gewertet.
– Onset-Kriterium: Algorithmen, die zwischen abruptem Beginn der Ta-
chykardie u. einem vorangehenden sukzessiven Frequenzanstieg (Sinusta-
chykardie) unterscheiden.
• Morphologiekriterien quantifizieren Differenzen zwischen dem Muster des
hinterlegten „normalen“ Kammerkomplexes u. dem während der Tachykar-
die vom ICD abgeleiteten intrakardialen EKG. Überschreitet diese Differenz
einen programmierten Wert, wird die Tachykardie als ventrikulär bewertet.
• Zweikammer-Differenzierungsalgorithmen nutzen Frequenzunterschiede
in Vorhof u. Ventrikel bzw. Mustererkennung, um zwischen VT u. SVT zu
unterscheiden.
• Zeitablaufkriterium: programmierbares Sicherheitsfeature, das trotz Klassifi-
zierung als SVT nach einer gewissen Zeitdauer mit stetiger Überschreitung
der Detektionsfrequenz eine Ther.-Abgabe startet.

12.5.3 Therapiealgorithmen
• Burst-Stimulation: frequenzkonstante Abfolge von eng angekoppelten Sti-
muli zur Terminierung einer VT.
• Scan-Stimulation: Burstfolge mit sich verkürzenden Kopplungsintervall zwi-
schen den einzelnen Burst-Sequenzen.
 12.6 Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) 677

• Ramp-Stimulation: in sich verkürzende Stimulationssequenz mehrerer zu-


nehmend enger gekoppelter Stimuli zur Terminierung einer VT.
• Interne Kardioversion: Schockabgabe zur Termination einer VT.
• Interne Defibrillation: Schockabgabe (i. d. R. mit Maximalenergie) zur Ter-
mination von Kammerflimmern od. schneller VT.

12.5.4 Automatische externe Defibrillation (LIfeVest)


• Pat.-Weste zur Detektion u. Ther. lebensbedrohlicher ventrikulärer Tachyar-
rhythmien.
• Dient zur Überbrückung eines Zeitintervalls bis zur Implantation eines ICD-
Systems bei potenziell reversiblem bzw. verbesserbaren VT/VHF-Mechanis-
mus oder bei Infektion eines ICD-Systems
• Potenzielle Ind.: 12
– Überbrückung nach ICD-Explantation bei Systeminfektion bis zur
Neuimplantation eines ICD-Systems,
– VT/VHF bei aktiver Myokarditis,
– Primärpräventiv bei Herzinsuff. mit schwer eingeschränkter LV-Funktion
mit erwarteter Besserung unter med./interventioneller Ther.

12.6 Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)


Die CRT reduziert durch li- od. biventrikuläre Stimulation eine mechanische
Dyssynchronie der ventrikulären Kontraktion bei schwer herzinsuffizienten
Pat.

Ziele der Resynchronisationstherapie


• Verbesserung der LV-EF,
• Reduktion der LV-Diameter,
• Reduktion einer funktionellen MR,
• Verbesserung der Herzinsuff.-Symptomatik,
• Verbesserung der körperl. Belastbarkeit,
• Verbesserung der Lebensqualität,
• Reduktion der herzinsuffizienzassoziierten Mortalität.
Präoperative Diagnostik
Um zu evaluieren, ob ein Pat. ein Kandidat für eine CRT sei, ist die Kenntnis der
klinischen Symptomatik, der Ursache u. des Ausmaßes der strukturellen Herzer-
kr. sowie der Ausprägung der LV-Dysfunktion notwendig.
Anamnese
• Ausprägung der Dyspnoe/Belastungsinsuff.,
• Palpitationen, Herzrasen → VHF, VT,
• Synkopen → ventrikuläre Tachyarrhythmien,
• thorakale Schmerzen → KHK.
12-Kanal-EKG
• QRS-Breite,
• Art des Schenkelblocks, Lagetyp,
• Rhythmus.
678 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Echokardiografie/kardiales MRT
• LV-Pumpfunktion,
• LV-Diameter,
• Narbenbezirke,
• Ausmaß der mechanischen Dyssynchronie (?).
Herzkatheter
Evaluation einer revaskularisationspflichtigen KHK.
Langzeit-EKG, im Einzelfall auch Spiroergometrie sowie EPU runden die Diagn.
ab.

12.6.1 Indikationsstellung
Die Ind. zur CRT werden nach den European Guidelines on Acute and Chronic
12 Heart Failure von 2012 gestellt:
• Ind. bei Pat. mit Herzinsuff. NYHA III/IV (ambulant) trotz optimaler med.
Ther.:
– QRS-Breite ≥ 120 ms bei LSB, LV-EF ≤ 35 % u. Sinusrhythmus (I A),
– QRS-Breite ≥ 150 ms bei Non-LSB-Konfiguration, LV-EF ≤ 35 % u. Sinus-
rhythmus (IIa A).
• Ind. bei Pat. mit Herzinsuff. NYHA II trotz optimaler med. Ther.:
– QRS-Breite ≥ 130 ms bei LSB, LV-EF ≤ 35 % u. Sinusrhythmus (I A),
– QRS-Breite ≥ 150 ms bei Non-LSB-Konfiguration, LV-EF ≤ 35 % u. Sinus-
rhythmus (IIa A).
• Ind. bei Pat. mit permanentem VHF:
Herzinsuff. NYHA III/IV (ambulant), QRS-Breite ≥ 120 ms, LV-EF ≤ 35 %
und
– SM-Abhängigkeit aufgrund AV-Knoten-Ablation (IIa B),
– permanent niedrige intrinsische Kammerfrequenz (IIb C),
– Kammerfrequenz ≤ 60/Min. in Ruhe u. ≤ 90/Min. bei Belastung (IIB C).
• Ind. bei Pat. mit permanenter SM-Ind.:
– Herzinsuff. NYHA III/IV (ambulant) u. LV-EF ≤ 35 % unabhängig von
der QRS-Breite (IIa C),
– Herzinsuff. NYHA II u. LV-EF ≤ 35 % unabhängig von der QRS-Breite
(IIb C).
Die neuen Leitlinien tragen der Tatsache Rechnung, dass in den Subgruppenana-
lysen der großen CRT-Studien Pat. mit QRS-Breite zwischen 120 u. 150 ms/ohne
LSB nur unsicher von einer CRT profitieren. Chron. VHF stellt per se keine KI für
eine CRT dar; bei diesen Pat. muss man aber eine ventrikuläre Eigenüberleitung
med. od. mittels AV-Knoten-Ablation verhindern.
Prinzipiell empfehlen die neuen Leitlinien die Verwendung von CRT-Systemen
mit Defibrillatorfunktion (CRT-D), auch wenn die Studienlage hierfür recht unsi-
cher ist. CRT-P-Systeme bleiben daher momentan im Wesentlichen Pat. vorbe-
halten, bei denen eine Lebensverlängerung nicht im primären Focus der Ind.-
Stellung steht (insbes. Pat. mit weit fortgeschrittenem Lebensalter).

12.6.2 Implantation eines CRT-Schrittmachers/-ICD


• Koronarvenensinuselektrode: Der CS wird mittels speziell geformter Kathe-
ter direkt od. geführt von einem (steuerbaren) Elektrodenkatheter sondiert.
Angio des CS mit Darstellung von Seitästen (ggf. unter Zuhilfenahme eines
 12.7 Katheterablation 679

Okklusionsballons). Sondierung eines lateralen od. posterolateralen CS-


Seitasts mittels Elektrode direkt od. via Over-the-Wire-Führungsdraht. Mess-
werterhebung u. Abschätzung des Phrenikusstimulationsrisikos. Bei mehre-
ren prinzipiell geeigneten Seitvenen ggf. Vergleich der Akuthämodynamik
(dP/dt, Pulse pressure) in verschiedenen Elektrodenpositionen. Bei fehlender
geeigneter Seitvene → epikardiale Elektrodenanlage.
• Epikardiale Elektrode: indiziert bei fehlender Erreichbarkeit einer geeigneten
Seitvene des CS od. bei per se notwendiger Thorakotomie. Aufnähen der
Elektrode lateral od. posterolateral auf den LV.

12.6.3 Probleme u. Komplikationen
Erfolgsrate der transvenösen CS-Elektrodenimplantation 90–95 %. Intraop. KO:
Perikarderguss, CS-Dissektion (klinisch relevant < 2 %). Postop. KO: CS-Elektro- 12
dendislokation, Reizschwellenanstieg (5–10 %), Phrenikus- od. direkte Diaphrag-
mastimulation (relevant < 10 %).

12.6.4 Nachsorge
Die Nachsorge eines CRT-Systems ist deutlich aufwendiger als die eines konven-
tionellen Herzschrittmachers: Erfassung von Häufigkeit u. Effektivität der LV-
Stimulation insbes. bei Pat. mit VHF. (Echokardiografische) Optimierung von
atrioventrikulärem (AV) u. interventrikulärem (VV) Delay. Eine intensivierte
Nachsorge ist insbes. bei Pat., die klinisch nicht von der CRT profitieren (Non-
Responder, Anteil 20–30 %), angezeigt.

12.7 Katheterablation
Perkutane Katheterverfahren zur selektiven Zerstörung od. Modulation kardialer
Strukturen der Erregungsbildung od. -leitung, die tachykarde Arrhythmien indu-
zieren (arrhythmogener Focus ▶ 7.7.8) od. unterhalten (Reentry-Kreis ▶ 7.7.8).

12.7.1 Ablationsverfahren
Induktion umschriebener Myokardläsionen durch elektrischen Strom (Hochfre-
quenzablation), Kälte (Kryoablation) od. Laserenergie.

Hochfrequenzstromablation
Hochfrequenzstromgenerator als Energiequelle, unipolare Energieapplikation
nach Lokalisation des arrhythmogenen Substrats über distalen Pol eines steuerba-
ren Elektrodenkatheters gegen eine Neutralelektrode (am li Oberschenkel od. in-
terskapulär gelegen). Energieabgabe (10–100 W, Dauer 10–120 s, 300–1.000 Hz)
hängt von Substrat u. angewandtem Verfahren (gekühlte Ablation, lineare Läsio-
nen) ab, ist nicht schmerzhaft u. kann titriert werden. Wirkprinzip: lokale Aufhit-
zung mit konsekutiver Verquellung u. Nekrosebildung des Gewebes. In Abhän-
gigkeit von der Energieleistung werden kreisrunde Koagulationsdefekte mit
Durchmesser 1,5–9 mm u. Gewebstiefen von 0,5–5 mm erreicht. Durch Einsatz
von Kathetersystemen mit Wasserkühlung kann man größere Läsionstiefen errei-
chen; diese Technologie kommt insbes. bei Vorhofflatter- u. -flimmerablation so-
wie bei Kammertachykardieablation zum Einsatz.
680 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Die Durchführung der Katheterablation erfordert, neben fundierter Kenntnisse


der Theorie u. mehrjähriger praktischer Erfahrung in der kardialen Elektrophy-
siologie, den routinierten Einsatz der Herzkathetertechnik inklusive Training in
der Punktion des Vorhofseptums u. Befähigung zum KO-Management (insbes.
zur notfallmäßigen Perikardpunktion).

12.7.2 Indikationen zur Katheterablation


Die aktuellen deutschen Leitlinien zur Katheterablation datieren von 2007.

AV-Knoten-Ablation
Indikation
Nichtkurativ abladierbare, symptomatisch tachykard übergeleitete supraventriku-
12 läre Tachyarrhythmien, wenn eine med. Rhythmus- od. Frequenzkontrolle nicht
möglich ist od. durch Pat. nicht toleriert wird. In der klinischen Praxis wird Ind.
zur AV-Knoten-Ablation insbes. bei Pat. mit CRT u. permanentem VHF gestellt,
falls hierdurch eine effektive biventrikuläre Stimulation verhindert wird.
Keine Ind. stellen mit hinreichender Erfolgsaussicht kurativ abladierbare Formen
von Vorhofflimmern od. -flattern dar, ebenso asymptomatische Tachyarrhythmien.
Durchführung
• His-Bündel-Ablation: lokalisierte Applikation von Hochfrequenzstrom zur
vollständigen Unterbrechung der AV-Leitung (AV-Block III°). Zuvor SM-
Implantation (Latenzzeit möglichst > 1 Mon.).
• AV-Knoten-Modulation: Applikation von Hochfrequenzstrom, bis eine Ver-
längerung des PQ-Intervalls od. eine Reduktion der Kammerfrequenz auf
< 100/Min. bei VHF („selektive“ Unterbrechung von Teilen der AV-Lei-
tungsbahnen, posteriore Region des Koch-Dreiecks = slow pathway) auftritt.
Bei AV-Block III° besteht meist ein Ersatzrhythmus mit schmalem QRS-
Komplex. Inzidenz totaler AV-Blockierungen: ca. 30 %.
Erfolgsrate
Ca. 90–100 %. Bei AV-Knoten-Modifikation (-modulation) Gefahr eines AV-
Blocks III° in ca. 30 %. Verfahrensbedingte schwere KO bei ca. 1 % der Pat.: lokale
Gefäßprobleme, Thrombembolien, Perikarderguss, Anstieg der Inzidenz des
plötzlichen Herztods, insbes. bei Pat. mit reduzierter LV-Funktion, möglicherwei-
se bedingt durch eine rel. Bradykardie nach Ablation → Programmierung einer
höheren Stimulationsfrequenz (75–90/Min.) in den ersten Wo. nach Ablation.

AV-Knoten-Ablation ist kein kuratives, sondern ein palliatives Behand-


lungsverfahren, das allerdings i. d. R. die Lebensqualität der Pat. verbessert!
Insbes. bei Pat. mit CRT erwägen.

AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT)
Indikation
• Hämodynamisch schlecht tolerierte AVNRT,
• rezid. symptomatische AVNRT alternativ zur Behandlung mit Betablockern
od. Kalziumantagonisten,
• seltene od. einmalige AVNRT bei Pat.-Wunsch nach definitiver Ther. od. al-
ternativ zur med. Ther.
 12.7 Katheterablation 681

Durchführung
• Zunächst Diagnosesicherung der AVNRT durch Induktion mittels program-
mierter Vorhof- u./od. Ventrikelstimulation. Bei fehlender Induzierbarkeit
kann im Einzelfall auch dann eine AV-Knoten-Modulation durchgeführt
werden, wenn das Anfalls-EKG suggestiv ist, keine anderen SVT induziert
werden können, aber eine duale AV-Leitung od. AV-nodale Echoschläge
nachweisbar sind (Klasse-I-Ind. nach ACC/AHA/ESC-Guidelines von 2003).
• Ablation am posteroseptalen Zugang (sog. „langsame Leitungsbahn“): heute
überwiegend bevorzugte Form der selektiven Ablation. Ort: posterior-inferio-
rer Anteil des Vorhofseptums am hinteren Trikuspidalanulus, d. h. etwa auf
halber Strecke zwischen His-Bündel u. CS-Ostium. Endpunkt der Ablation ist
die Induktion idionodaler Rhythmen mit nachfolgender Nichtauslösbarkeit
der AV-Knoten-Tachykardie bei programmierter Stimulation.
• Ablation am anteroseptalen Zugang (sog. „schnelle Leitungsbahn“): Zugangs- 12
weg wegen seines hohen AV-Block-Risikos (5–10 %) verlassen.
Erfolgsrate u. Komplikationen
Erfolgsrate bei posteroseptalem Zugang: 90–95 %. Risiko der Induktion eines tota-
len AV-Blocks: 0,5–2 %.

Ablation akzessorischer Leitungsbahnen (WPW-Syndrom)


Indikation
• Symptomatisches WPW-Sy. bei AV-Reentry-Tachykardie od. VHF mit
schneller Überleitung über die akzessorische Bahn,
• schlecht tolerierte Episoden einer AV-Reentry-Tachykardie bei fehlender
Präexzitation (verborgenes WPW-Sy.).
Relative Indikation
• Seltene od. einmalige Episode einer AV-Reentry-Tachykardie bei fehlender
Präexzitation (verborgenes WPW-Sy.),
• asymptomatische offene akzessorische Bahn (insbes. bei Risikopat.)
Durchführung
• Präzise elektrophysiologische Lokalisation des akzessorischen Bündels; Nach-
weis/Ausschluss multipler Bypasstrakt (detailliertes Mapping der AV-Ringe).
Elektrophysiologische Charakterisierung der Leitungseigenschaften des/der
Bündel(s).
• Grundsätzlich sind alle AV-Ring-Regionen erreichbar, bei septaler od. rechts­
atrialer Lage mitunter sehr aufwendig.
Erfolgskriterien u. -rate
Die Ablation ist erfolgreich, wenn die antegrade u. retrograde Leitung der akzes-
sorischen Bahn vollständig unterbrochen wurde. Erfolgsrate je nach Lokalisation
der akzessorischen Leitungsbahn 75–95 %. Insgesamt wenig belastende Ther. bei
symptomatischen WPW-Pat. (im Vergleich zur operativen Ther.). Verfahren po-
tenziell kurativ, erspart dem Pat. eine langjährige Pharmakother.
Komplikationen
Häufigkeit < 5 %. Tamponade aufgrund einer Myokardperforation, Koronararte-
rienspasmus od. Koronarläsion mit MI bei i. c. Mapping, zerebrale Insulte u./od.
periphere Embolien, AV-Blockierungen. Letalität < 0,5 %. Wiederauftreten der
Leitung über die akzessorische Bahn in 5–8 % innerhalb des 1. J.
682 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Ablation von Vorhofflattern


Typisches Vorhofflattern unter Beteiligung des kavotrikuspidalen Isthmus ist ein
einfaches Substrat für eine Katheterablation. Mapping u. Ablationsaufwand bei
nichtisthmusbeteiligtem Vorhofflattern sind allerdings deutlich höher, hierzu
wird i. d. R. auch ein elektroanatomisches Mappingsystem benötigt. Weiterhin ist
zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Anteil von Pat. auch nach erfolg-
reicher Vorhofflatterablation VHF entwickelt, das dann einer weiteren antiar-
rhythmischen/interventionellen Ther. bedarf.
Indikation
• Rezid. od. schlecht toleriertes Vorhofflattern,
• Vorhofflattern unter Ther. mit Klasse-IC-Antiarrhythmika od. Amiodaron
wegen VHF im Sinne einer Hybridther.
12 Relative Indikation
• Erste Episode gut tolerierten Vorhofflatterns,
• symptomatisches nichtisthmusbeteiligtes Vorhofflattern nach Versagen einer
med. Ther.
Durchführung
Bei Vorhofflattern unter Beteiligung des RA-Isthmus Induktion eines bidirektio-
nalen RA-Leitungsblocks durch eine Linie von Energieabgaben zwischen VCI u.
TK-Anulus. Bei nichtisthmusbeteiligtem Vorhofflattern Lokalisation u. Unterbre-
chung des meist an anatomischen Barrieren od. Narben, z. B. nach herzchirugi-
schem Eingriff, lokalisierten Makro-Reentrys.
Erfolgs- u. Komplikationsrate
Erfolgsrate 85–95 %. Die überwiegende Mehrzahl der „Rezidive“ sind paroxysma-
les VHF. KO < 5 %, zumeist Lokal-KO an der Punktionsstelle, zumeist asympto-
matische Perikardergüsse, selten Perforation od. totaler AV-Block.

Ablation atrialer Tachykardien


Fokale atriale Tachyarrhythmien können ebenfalls mit guter Erfolgsrate mittels
Ablation behandelt werden. Elektroanatomisches Mappingsystem kann bei der
Lokalisation hilfreich sein.
Indikation
• Rezid. symptomatische atriale Tachykardien als Alternative zur Ther. mit Be-
tablockern od. Kalziumantagonisten.
• Unaufhörliche atriale Tachykardien unabhängig von der Symptomatik.
• Nicht anhaltende atriale Runs od. asymptomatische sporadische Tachykar-
dien stellen keine Ind. zur Katheterablation dar.
Durchführung
Ablation des atrialen Fokus od. Reentry-Kreises nach konventionellem Mapping
od. unter Einsatz eines elektroanatomischen Mappingsystems. Bei LA- od. pul-
monalvenösem Fokus transseptale Punktionen notwendig.
Erfolgsrate u. Komplikationen
Je nach Lokalisation des Fokus 70–95 %. Zunahme der KO-Rate bei LA- od. pul-
monalvenösen Foci: systemische Embolie, PV-Stenose/-Thrombose bei Energie-
abgabe in den PV (heute verlassen).
 12.7 Katheterablation 683

Ablation von Vorhofflimmern


Die Katheterablation von VHF wird in zunehmendem Maß Bestandteil der klini-
schen Routine. Insbes. bei ansonsten herzgesunden Pat. mit paroxysmalem VHF
stellt die LA-Katheterablation eine Alternative zur med. antiarrhythmischen Ther.
dar. Hier werden von erfahrenen Zentren Erfolgsraten von 70–80 % berichtet. In-
zwischen liegen aber auch erste Studien an Pat. mit persistierendem VHF u./od.
fortgeschrittener struktureller Herzerkr. vor; Erfolgsraten hier momentan aber
eher um 50 %, u. es sind gehäuft Re-Eingriffe notwendig. LA-Größe scheint ein
guter Prädiktor für die Erfolgsaussicht des Eingriffs zu sein.
Indikation
Rezid. VHF bei symptomatischen Pat. mit normal großem od. gering vergrößer-
tem LA bei Ineffektivität od. als Alternative zur med. antiarrhythmischen Ther.
Durchführung 12
Im Wesentlichen werden derzeit 2 Ablationsstrategien angewandt, deren Ziel je-
weils die Isolierung der PV ist.
• Segmentale Pulmonalvenenisolation (PVI): zirkuläre Ablation zur Isolation
aller 4 PV-Ostien, wobei eine Energieabgabe in den PV selbst durch angio-
grafische Lokalisation der Ostien vermieden wird.
• Zirkumferenzielle Pulmonalvenenisolation: Anlage eines Ablationskreises
jeweils um die beiden li- bzw. re-seitigen PV unter Einsatz eines elektroanato-
mischen Mappingsystems mit nachfolgender elektrophysiologischer Prüfung
der kompletten Isolation.
• Bei Rezidiven nach PVI od. persistierendem VHF werden zentrenabhängig
weitere Ablationslinien im LA/RA angelegt, fragmentierte atriale Potenziale
abladiert bzw. der CS od. die Abgänge der Vv. cavae elektrisch isoliert.
Erfolgsraten u. Risiken
Erfolgsraten schwanken abhängig vom LA-Substrat u. von der Erfahrung des
Zentrums zwischen 50 u. 80 %. Um diese Erfolgsraten zu erreichen, muss aller-
dings bei manchen Pat. die antiarrhythmische Medikation fortgesetzt od. ein wei-
terer Eingriff vorgenommen werden. Unklar ist derzeit auch, ob der Eingriff bei
manchen Pat. das VHF lediglich in eine asymptomatische Form überführt; daher
ist die Schwelle zum Absetzen einer oralen Antikoagulation bei vielen Pat. rel.
hoch angesiedelt. Schwerwiegende KO bei 2–3 % der Pat.: kardiale Embolien, Pe-
rikardtamponaden, PV-Stenosen od. -Thrombosen (inzwischen selten), Phreni-
kusläsionen u. selten die gefürchtete, meist letale KO einer Fistelbildung zwischen
LA u. Ösophagus.

Ablation von Kammertachykardien


Verödung od. Isolation eines ventrikulären Fokus od. Unterbrechung eines Reen-
try-Kreises bei rezid. monomorphen VT.
Indikation
• Rezid. symptomatische u. anhaltende VT bei Pat. mit niedrigem Risiko für ei-
nen plötzlichen Herztod, falls
– diese nicht auf eine med. Ther. ansprechen,
– die antiarrhythmische Ther. nicht vertragen wird,
– die antiarrhythmische Ther. vom Pat. nicht dauerhaft gewünscht ist,
• bei „Bundle-Branch-Reentry-Tachykardien“,
• bei ICD-Trägern mit rezid. Schockabgaben bei monomorpher VT.
684 12 Interventionelle Therapieverfahren 

Relative Indikation
Rezid. symptomatische nicht anhaltende VT bei Pat. mit niedrigem Risiko für ei-
nen plötzlichen Herztod od. häufige symptomatische monomorphe VES, falls
• diese nicht auf eine med. Ther. ansprechen,
• die antiarrhythmische Ther. nicht vertragen wird,
• die antiarrhythmische Ther. vom Pat. nicht dauerhaft gewünscht ist.
Durchführung
Induktion der Tachykardie mittels programmierter Ventrikelstimulation, ggf. un-
ter Orciprenalin-Gabe. Bei fokalen VT Pace-Mapping mit Stimulation über den
Ablationskatheter zur Identifikation einer mit allen Ableitungen des Tachykardie-
EKGs übereinstimmenden QRS-Konfiguration od. Identifikation des Orts der
frühesten ventrikulären Erregung während laufender Tachykardie. Bei Reentry-
Tachykardien Identifikation der Zone langsamer Leitung des Reentry-Kreises u.
12 dort Ablation. Zur VT-Ablation bei strukturell herzkranken Pat. bietet sich der
Einsatz elektroanatomischer Mappingsysteme, ggf. auch die Verwendung eines
multipolaren Katheterballons, an, ggf. kann auch ein epikardialer Zugang zur Ab-
lation notwendig sein.
Erfolgsrate u. Komplikationen
90-prozentige Erfolgsrate u. vergleichsweise geringes KO-Risiko bei Ablation
idiopathischer VT. Bei LV-Tachykardien nach MI 50–70-prozentige Erfolgsrate.
Monomorphe VT bei DCM stellen das „undankbarste“ Ablationsziel dar, da häu-
fig nicht anhaltend auslösbar. Bei LV-Ablation u. fortgeschrittener struktureller
Herzerkr. 3–5-prozentige Rate schwerer KO, hier addieren sich zu ablationsbe-
dingten KO auch hämodynamische Auswirkungen der VT-Induktion (hämody-
namische Instabilität, Lungenödem) auf. Bei Pat. mit VT bei eingeschränkter LV-
Funktion ist zu berücksichtigen, dass die Ablation der VT allein nicht sicher zur
Prognoseverbesserung beiträgt → Implantation eines ICDs.

12.8 Antiarrhythmische Chirurgie
Die chirurgische Durchtrennung akzessorischer Leitungsbahnen ist angesichts
der Erfolge der Katheterablation weitestgehend verlassen worden u. wird nur
noch an wenigen hochspezialisierten Zentren bei vereinzelten Pat. durchgeführt,
bei denen wiederholte Katheterablationen ohne Erfolg bleiben. Ähnliches gilt für
die Rhythmuschirurgie bei LV-Tachykardien, die ebenfalls nur noch im Einzelfall
an spezialisierten Zentren durchgeführt wird. Ein Bereich, der aktuell zunehmend
an Bedeutung gewinnt, ist die chirurgische Ther. des VHF.
• Maze-OP: Isolation der PV durch transmurale Schnitt- u. Nahttechnik, Ver-
bindung dieser Linien zum Mitralanulus sowie RA-Isthmusdurchtrennung.
Kann mit einer Amputation od. Obliteration des li Herzohrs verknüpft wer-
den. An erfahrenen Zentren wurden hier Langzeiterfolgsraten von 70–90 %
beschrieben. Selten Anwendung als isoliertes Verfahren, zumeist in Komb.
mit einem anderweitigen kardiochirurgischen Eingriff. Die aufwendige Tech-
nik, aber auch KO wie Re-Thorakotomien bei Perikardtamponade, SM-
Pflichtigkeit, Verlust der LA-Transportfunktion u. eine periprozedurale Mor-
talität von 1 % haben dazu geführt, dass die Schnitt-Naht-Technik heutzutage
weitgehend verlassen wurde.
• Modifizierte Maze-OP: Derzeit werden an die Maze-OP angelehnte endo- u.
neuerdings auch epikardiale, z. T. thorakoskopisch durchgeführte chirurgi-
 12.8 Antiarrhythmische Chirurgie 685

sche Ablationstechniken erprobt. Hierbei kommen Radiofrequenz- od. Kryo-


ablation zum Einsatz. Einige Techniken beschränken sich auch auf das LA
(sog. Mini-Maze-Eingriff). Zu einigen dieser Ansätze liegen an erfahrenen
Zentren ähnliche Erfolgsraten vor wie bei der ursprünglichen Maze-OP. Eine
formale Empfehlung in den aktuellen Leitlinien erfolgt allerdings für keines
der beiden Verfahren.
• Epikardiale Isolation der PV mittels endoskopischer Verfahren: noch neues,
prinzipiell erfolgversprechendes chirurgisches Verfahren für Pat. mit paro-
xysmalem VHF (bislang keine Vergleichsdaten zu den perkutanen Ablations-
verfahren).

12
13 Prävention u. Rehabilitation
Ronja Westphal

13.1  rävention 688


P 13.2.4 P hase I: Akutkranken­
13.1.1 Primärprävention 688 haus 694
13.1.2 Sekundärprävention 688 13.2.5 Phase II: Reha-Zentrum 695
13.2 Rehabilitation 693 13.2.6 Phase III: Ambulante
13.2.1 Ziele 693 Herzgruppe (AHG) 697
13.2.2 Indikationen 693 13.3 Häufige Fragen der
13.2.3 Verfahren, Kosten­ Patienten 699
regelung 693
688 13 Prävention u. Rehabilitation 

13.1 Prävention
13.1.1 Primärprävention
Verminderung von RF vor Entwicklung einer KHK insbes. bei Gefährdeten (z. B.
durch familiäre Prädisposition). Die Verbesserung des Gesamtrisikos ist umso er-
folgreicher, je mehr RF beseitigt werden können.
• Beendigung des Zigarettenrauchens: wirksamste Primärprophylaxe. Infarkt-
risiko sinkt nach 5 J. um 50–70 %. Nach 15 J. ist es so hoch wie bei gleichaltri-
gen Personen, die nie geraucht haben.
• RR-Senkung: erst bei sehr hohem Ausgangswert (≥ 115 mmHg diastol.) ver-
minderte KHK-Inzidenz durch RR-Senkung.
• Körperl. Bewegung mind. 5 × 30 Min./Wo.

13.1.2 Sekundärprävention
▶ 3.8.3.
Reduzierung von RF nach erkannter KHK zur Vermeidung eines Erst- od. Re-
13 Infarkts.

Ziele
Ziel der Sekundärprävention ist, der Verschlechterung einer gesicherten KHK
vorzubeugen. Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen:
• Alle Maßnahmen, die auf eine Verringerung der RF (▶ 1) zielen, z. B. Ge-
sundheitstraining (s. u.), RR-Senkung (▶ 9.1.4), Chol.- u. Lipidsenkung
(▶ 11.11), konsequente Ther. eines Diab. mell. sowie psychosomatische Ther.
(▶ 14).
• Med. Ther.: ASS u. Betablocker (Inzidenz tödlicher Re-Infarkte ↓) u. ACE-
Hemmer (Herzinsuff. nach MI ↓).
• Beendigung des Zigarettenrauchens.
• ASS: Bei Männern > 40 J. mit jährlichem KHK-Risiko > 1,5 % senkt die tägli-
che Einnahme die Infarktinzidenz um ca. 1⁄3 (geringer bei Frauen), die Letali-
tät ändert sich nicht. Bei ASS-vorbehandelten Pat. oft schwererer Verlauf ei-
nes kardialen Akutereignisses. Bei ASS-Unverträglichkeit: Clopidogrel od.
andere Tienopyridine. Bei Hochrisiko-Pat. ggf. Clopidogrel in Komb. mit
ASS. KHK allein ist keine Ind. für Antikoagulation mit Marcumar®. Auf gast-
rointestinale NW achten.
• Chol.-Senkung (▶ 11.11): Durch CSE-Hemmer sinken Infarktinzidenz u. -le-
talität deutlich, die Gesamtletalität geringfügig.
• RR-Senkung: Zielblutdruck < 140/80 mmHg.
• Sport: Regelmäßiger Ausdauersport (> 2 h/Wo.) senkt Infarktinzidenz ge-
genüber Untrainierten um 60 %.
• Postmenopausale Östrogensubstitution: Z. n. Hysterektomie, z. B. Presomen
0,6® 1 Tbl./d. Zurzeit Empfehlung einer Östrogensubstitution allein zur
KHK-Prävention nicht möglich. Bei nichthysterektomierten Pat. mit KHK
aber Komb.-Präparat mit möglichst niedriger Gestagenkomponente einsetzen
(Hormonther. in Peri- u. Postmenopause; Interdisziplinäre S3-Leitlinie
AWMF 015/062).
• Reduktion von Übergewicht, strengere Diabeteseinstellung: isolierte Ge-
wichtsreduktion ohne gesicherten Effekt auf KHK u. ihre Folgekrankheiten,
aber günstige Beeinflussung fast aller KHK-RF. Ziel: BMI < 25 kg/m2. Taillen-
 13.1 Prävention 689

umfang < 94 cm für Männer u. < 80 cm für Frauen anstreben. Zunehmende


Wertigkeit einer optimalen Diabeteseinstellung in der Verhinderung vaskulä-
rer u. renaler KO einschließlich eines Bluthochdrucks. Frühes Warnsym­
ptom: Mikroalbuminurie.
• Stressabbau: psychosomatische Ther. (▶ 14).
Beseitigung der RF führt auch im Alter > 70 J. noch zu statistisch nachgewie-
senen Erfolgen. Ein dosiertes Ausdauerbewegungsprogramm führt auch im
Alter zu einer Verbesserung der max. O2-Aufnahme. Das gilt auch für Pat.
mit Herzinsuff.

„Empfehlungen zur umfassenden Risikoverringerung für Patienten


mit koronarer Herzerkrankung“
Herausgegeben vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz-
u. Kreislaufforschung, bearbeitet im Auftrag der Kommission für Klinische Kar-
diologie von Prof. Dr. H. Gohlke, ehem. Bad Krozingen (Vorsitzender); Prof. Dr.
P. Mathes, ehem. Bernried; Prof. Dr. E. Fleck, Berlin; Prof. Dr. U. Keil, Münster;
Prof. Dr. R. Rost, Köln (aktualisiert durch die neue „Deutsche Leitlinie zur Reha- 13
bilitation von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ – DLL-KardReha,
DGPR 2007; Überarbeitung derzeit geplant). Siehe hierzu auch „European Guide-
lines on cardiovascular disease prevention in clinical practice (version 2012)“ Eur
Heart J 2012;33:1.635–1.701.
Allgemeines
Durch konsequente Umsetzung sekundärpräventiver Maßnahmen werden nach-
weislich Prognose u. Leistungsfähigkeit von Pat. mit KHK verbessert, wobei der
Pat. selber die Möglichkeit erhält, aktiv den weiteren Verlauf seiner Erkr. zu be-
einflussen.

Tab. 13.1 Patientenempfehlungen zur Risikoverringerung bei KHK


(modifiziert nach den Empfehlungen der European Society of Cardiology
[Eur Heart J 2008; 29: 2.909–2.945 u. Eur Heart J 2011; 32: 2.999–3.054])
Ziele der Risiko­ Empfehlungen
intervention
Rauchen Klare ärztliche Empfehlung, das Rauchen vollständig ein­
Vollständige Aufgabe zustellen; Einbeziehung von Partner od. Familie; Verein­
des Rauchens barung eines Termins für den Rauchverzicht. Empfehlung
zur weitergehenden Beratung; Verweis auf entsprechen­
de Literatur (Pat.-Bücher); Nikotinersatz u. Raucher­
entwöhnungsprogramme, z. B. an Volkshochschulen.
Ernährung Kaloriengerechte, ballaststoffreiche (> 20 g/d), fettarme
Fettarme antiathero­ Kost mit nur geringem Anteil gesättigter Fette (< 10 %
gene Kost der Kalorien) u. Chol. (< 300 mg/d). Seefisch-Mahlzeiten
sind erwünscht. Die Kost sollte reich an Vollkornproduk­
ten, frischen Gemüsen u. Früchten sein.
Übergewicht Kalorienreduzierte Kost. Identifizierung der Ursachen des
Erreichen des Normal­ Übergewichts: Alkohol, fette Speisen, Schokolade, ­Kuchen,
gewichts u. Elimination übermäßiger Obstverzehr (Kalorien!). Angemessene kör­
der abdominalen perl. Aktivität (s. u.) bes. wichtig bei Pat. mit Hochdruck,
­Adipositas erhöhten Triglyzeriden u. Diab. mell.
690 13 Prävention u. Rehabilitation 

Tab. 13.1 Patientenempfehlungen zur Risikoverringerung bei KHK


(modifiziert nach den Empfehlungen der European Society of Cardiology
[Eur Heart J 2008; 29: 2.909–2.945 u. Eur Heart J 2011; 32: 2.999–3.054]) (Forts.)
Ziele der Risikointer­ Empfehlungen
vention
Hyperlipidämie Erreichen des Normalgewichts ist wünschenswert, ebenso
• Idealziel: LDL-Chol. regelmäßige körperl. Aktivität, bes. dann, wenn HDL-
< 100 mg/dl Chol. < 35 mg/dl. Wenn das LDL-Ziel trotz Diät nicht er­
(< 2,5 mmol/l) reicht wird, sollte eine Komb.-Ther. erwogen werden:
• Sek. Ziele: • LDL < 100 mg/dl: keine Ther.
HDL-Chol. > 40 mg/dl • LDL 100–130 mg/dl: zusätzlich zur strikten Diät sollten
(> 1 mmol/l) Medikamente erwogen werden; insbes., wenn HDL
LDL-Chol./HDL-Chol. < 35 mg/dl.
< 2,5 • LDL > 130 mg/dl: zusätzlich zur Diät med. Ther., i. d. R.
Triglyzeride Statine, Ezetrol, Ionenaustauscherharze – auch kombi­
< 200 mg/dl niert.
Bewegungsmangel Ein Minimum von 30–60 Min. mäßig intensiver Bewegung
Ziel: mind. 30 Min. 3–4 ×/Wo. (Gehen, Joggen, Radfahren od. andere aerobe
­Bewegung 3–4 ×/Wo. Aktivität) unterstützt durch eine aktivere Lebensweise:
13 Spazierengehen in Arbeitspausen, Treppensteigen statt
Aufzug, Gartenarbeit. Optimaler Effekt bei 5–6 h Bewe­
gung/Wo. Ärztlich überwachte Programme für Mittel- bis
Hochrisiko-Pat. (Koronar-, Übungsgruppe). Die HF sollte
bei körperl. Aktivität stets im ausgetesteten ischämie- u.
beschwerdefreien Bereich liegen.
Erhöhter Blutdruck Allgemeine Maßnahmen: Gewichtskontrolle, regelmäßige
Zielwerte Ausdaueraktivität, < 30 g Alkohol/d (Frauen < 20 g/d), Salz­
< 130/80 mmHg restriktion bei allen Pat. mit systol. RR > 140 mmHg od.
­anstreben diastol. RR > 90 mmHg. Zusätzlich RR-Medikation individu­
alisiert nach Alter u. weiteren Erkr., wenn systol. RR nach
mehrfachen Messungen nicht < 140 mmHg od. diastol RR
nicht < 90 mmHg liegt.
Aggregationshemmer/ ASS 100 mg/d. Bei KI gegen ASS evtl. Einstellung auf
Antikoagulanzien ­Clopidogrel od. andere Tienopyridine.
ACE-Hemmer nach MI Bei Pat. mit hohem Risiko, z. B. großem MI, EF < 40 %,
­Zeichen einer Linksherzdekompensation während des
Akutereignisses.
Aldosteronantagonist Bei Pat. mit hohem Risiko, z. B. großem MI, EF < 35 %,
nach MI ­Zeichen einer Linksherzdekompensation während des
Akut­ereignisses.
Betablocker Bei Hochrisiko-Postinfarktpat., z. B. mit ventrikulären
­Arrhythmien, LV-Dysfunktion, belastungsinduzierter
­Isch­ämie – unter Beachtung der üblichen KI.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Herz- u. Kreislaufforschung empfiehlt,


diese Maßnahmen (▶ Tab. 13.1) bei jedem einzelnen Pat. auf ihre Anwendbarkeit
zu überprüfen u. ggf. umzusetzen.

Gesundheitstraining (GT) u. Information


Schon im Akutkrankenhaus beginnen u. nach Entlassung aus der Reha-Klinik
ambulant (z. B. Hausarzt, ambulante Herzgruppe, Selbsthilfegruppe) weiterfüh-
ren. Ziele: Verringerung der RF (▶ 1). Beim GT Zusammenarbeit eines interdiszi-
plinären Teams.
 13.1 Prävention 691

• Pat. informieren über Herz-Kreislauf-System, Zusammenhänge von Erkr. u. RF.


• Gewichtsreduktion: Information u. Schulung durch Diätassistenten (ggf. mit
Lehrküche); Gespräche mit Psychologen u. Ärzten. Sollgewicht anstreben.
Brauchbare Faustregel: Sollgewicht (kg) = Körperlänge (cm) – 100. Genauer:
an BMI orientieren, Adipositas bei BMI > 27 kg/m2.
BMI=Gewicht (kg) ÷ Körperlänge2 (m2 )
• Sowie an Taillenumfang (Abschätzung des viszeralen Fettgewebes) ca. 2 cm
unterhalb des Bauchnabels gemessen: Männer < 94 cm; Frauen < 80 cm.
• Chol.-Senkung: Information u. Schulung durch Diätassistenten u. Ärzte.
• Nichtrauchertraining: Arzt, Psychologe, Selbsthilfegruppe.
• Verringerung psychosozialer RF: Psychother. u. Sozialberatung (▶ 14).
• Bewegungsther. (▶ 13.2.5) dosiert, überwacht u. gezielt.
• Erste-Hilfe-Kurs für Pat. u. Angehörige.
• Sozialberatung: Rentenberatung, Behindertenausweis, Berufs-, Eheberatung.
• Vorbereitung des Übergangs in Phase III der Reha (koronare Herzgruppe).
• Angehörigengruppe.
• Ggf. Kurs zur INR-Wert-Selbstbestimmung.
• Abschlussgespräch möglichst mit Lebenspartner.
13
Lipidsenkung
Hypercholesterin- u. Hyperlipoproteinämie als KHK-RF (▶ 1, ▶ 3.11).
Prinzip
Weniger auf die Höhe des Ausgangswerts als auf die prozentuale Senkung des
Chol.-Spiegels kommt es an (▶ Tab. 13.2, ▶ Tab. 13.2, ▶ Tab. 13.4). Bisherige Stu-
dien: Optimal ist bzgl. Verzögerung der KHK-Progression, der langfristigen In­
farktinzidenzrate u. kardialer Mortalitätsrate eine Chol.-Senkung um 30 %.

Tab. 13.2 LDL-Zielwerte abhängig vom Gesamtrisiko (Empfehlungen nach


ESC-Guidelines zum Management von Dyslipidämien; Eur Heart J 2011; 32:
1.769–1.818)
Globalrisiko Risikofaktoren LDL-Zielwert
Leicht erhöht Gesamt-Chol. 200–300 mg/dl 180 mg/dl
Gesamt-Chol./HDL-Chol. 4,5–5,0
Keine Nebenrisikofaktoren
Mäßig erhöht Gesamt-Chol. 200–300 mg/dl 155 mg/dl
Z. B. HDL < 35 mg/dl
Mind. 1 Nebenrisikofaktor
Mäßig hoch pAVK od. Gesamt-Chol. > 300 mg/dl oder 130 mg/dl
Gesamt-Chol. 200–300 mg/dl und
2 Nebenrisikofaktoren od. 1 Hauptrisikofaktor
Sehr hoch Bekannte KHK 100 mg/dl
Hauptrisikofaktoren: Männl. Geschlecht > 45 J.; postmenopausaler Status, Rauchen;
art. Hypertonie; pos. Familienanamnese für frühzeitige KHK; HDL-Chol. < 35 mg/dl;
Stammadipositas, Diabetes mellitus.
Nebenrisikofaktoren (nicht durch Interventionsstudien gesichert): Hyperfibrinogen­
ämie, Lipoprotein(a)-Spiegel > 30 mg/dl, Hyperhomocysteinämie.
692 13 Prävention u. Rehabilitation 

Tab. 13.3 Nichtmedikamentöse Therapie der Dyslipoproteinämie


Intervention LDL-Chol. HDL-Chol. Triglyzeride
Aufnahme gesättigter Fettsäuren ↓ ↓ – –
Chol.-Zufuhr ↓ ↓ – –
KG ↓ ↓ ↑ ↓
Körperl. Aktivität ↓ ↓ ↑ ↓
Rauchstopp – ↑ –

Tab. 13.4 Ernährungsempfehlungen bei KHK (Beispiele)


Erlaubt Nicht erlaubt
Fleisch Fettarme Stücke v. Kalb, Rind,
Schwein, Hammel, Geflügel u.
Wild. Magerer Aufschnitt, roher
u. gekochter Schinken.
Fisch Trockene Fischarten; auch Aal, Karpfen, Thunfisch, Fischsalate,
13 ­Hering, Makrele, Lachs, Scholle. -stäbchen, -konserven, -marinaden.
Fette Distel-, Weizenkeim-, Sonnen­ Mayonnaise, Remoulade, Schmalz,
blumen-, Oliven-, Baumwoll­ Speck, Talg, Plattenfette, Butter.
saatkeimöl, Margarinen mit ­Erhitzte Fette nicht nochmals ver­
­hohem Anteil an ungesättigten wenden, auf erlaubte Fettmenge
Fettsäuren. achten! Keine einseitige milchreiche
Ernährung (Trans-Fettsäuren!).
Weitere Milch: Magermilch, Magerkäse Eigelb, Süßwaren (Schokolade,
Produkte (max. 20–30 % Fett i. Tr.), ­Nougat, Marzipan), Mandeln.
Quark, Joghurt, Obst, Nüsse.

Hypercholesterinämie
LDL > 130 mg/dl, Triglyzeride < 200 mg/dl.
• Basisther.: Körpergewicht ↓, lipidarme Kost (Fettzufuhr < 30 %), körperl.
Aktivität ↓.
• Med. Ther.: wenn kons. Maßnahmen das Globalrisiko nicht ausreichend re-
duzieren. LDL-Ausgangswert entscheidend. HMG-CoA-Reduktase-Hemmer
(▶ 11.11.1) od./u. Ezetrol (▶ 11.11.2) od./u. Ionenaustauscherharze
(▶ 11.11.3). Ziel: LDL < 100 mg/dl.
Gemischte Hyperlipidämie
LDL > 130 mg/dl, Triglyzeride > 200 mg/dl.
• Basisther.: wie bei Hypercholesterinämie. Alkoholkonsum einschränken.
Wenn Ther. nicht anspricht, evtl. genetische Komponente → in spezialisierter
Lipidambulanz vorstellen.
• Med. Ther.: LDL-Chol. < 130 mg/dl u. Triglyzeride < 200 mg/dl anstreben. Fi-
brate (▶ 11.11.4) od. Nikotinsäure (▶ 1.1).
Hypertriglyzeridämie
LDL < 130 mg/dl, Triglyzeride > 200 mg/dl.
• Basisther.: Korrektur der zugrunde liegenden Ursache (Übergewicht, Alko-
holkonsum, Diab. mell., Medikamenteneinfluss, z. B. durch Thiaziddiuretika).
• Med. Ther.: bei hohem Globalrisiko u. niedrigem HDL-Cholesterin. Bevor-
zugt Fibrate (▶ 11.11.4) einsetzen, alternativ Nikotinsäure (nicht bei Diab.
 13.2 Rehabilitation 693

mell.). Bei extrem hohen Triglyzeridwerten (> 1.000 mg) Fischölpräparate,


z. B. Lebertrankapseln, Lachsölkapseln (Ameu®, Bilatin®).
• Bei „metabolischem Syndrom“ (Dyslipoproteinämie, Diab. mell. Typ 2 u.
Adipositas): Aktuell: primär Metformin, nachfolgend ggf. zusätzliche Repa­
glinid (NovoNorm®) bzw. Gliptine.

13.2 Rehabilitation
Sie dient nicht nur der Erholung vom Akutereignis, sondern v. a. der dauerhaften
Beeinflussung von RF durch Gesundheitsbildung u. Verhaltensänderung. Basis ist
das biopsychosoziale Krankheitsmodell: Gesundheitliche Folgen einer Erkr. auf
Aktivitäten u. Teilhabe, Strukturen u. Funktionen unter Berücksichtigung indivi-
dueller pos. u. neg. Kontextfaktoren (abgebildet in der ICF = internationale Klas-
sifikation von Funktionsstörungen der WHO) sollen durch Aktivierung (körper-)
eigener Ressourcen u. Optimierung der Ther. ggf. unter Einsatz von Hilfsmitteln
reduziert werden. Besonderheit in der kardiologisch-angiologischen Rehabilita­
tion ist, dass Gesundheitsfolgen im Sinne der ICF nicht immer ersichtlich sind.

13.2.1 Ziele
13
• Den Pat. möglichst bald u. vollständig in sein normales häusliches, evtl. auch
berufliches Umfeld wiedereingliedern. Seine Lebensqualität soll durch die
Krankheit u. ihre Folgen auf Dauer möglichst wenig beeinträchtigt werden.
Er soll mit der Krankheit leben lernen.
• Begrenzung der neg. psychosozialen u. physischen Auswirkungen, Verbesse-
rung der Symptome, Senkung der kardialen Gefährdung, Risikoabschätzung,
Beseitigung der RF.
• Bei Z. n. Infarkt: Beschwerden beseitigen, Organveränderungen heilen, nor-
male Organfunktionen wiederherstellen u. körperl. Belastbarkeit verbessern.

13.2.2 Indikationen
Alle Pat. mit Z. n. kardialen Akuterkr., meist Z. n. Interventionen (z. B. PTCA od.
CABG) mit/ohne MI, nach Klappen-OP, HTX, kardialer Dekompensation, SM-
bzw. ICD-Versorgung mit KO, aber auch Z. n. Lungenarterienembolie. In diesen
Fällen Rehabilitationsmaßnahme als AHB. Akutaufenthalt darf nicht länger als
14 Tage zurückliegen.
Rehabilitationsmaßnahme als sog. „Heilverfahren“ nach § 51 SGB V auf Initiie-
rung der Rentenversicherungsträger, Krankenkasse od. Bundesagentur für Arbeit
im Sinne „Reha vor Rente“ bzw. nach „Aussteuerung“ durch Krankenkasse (Ende
der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) od. „Vermittelbarkeit“ durch Bundes-
agentur für Arbeit aufgrund Erkr. nicht möglich, dann soll über Rehabilitations-
maßnahme das Restleistungsvermögen beurteilt werden.

13.2.3 Verfahren, Kostenregelung
Seit April 2007 gelten die Rahmenbedingungen des neuen Gesundheitsreform-
Gesetzwerkes (Bundesversorgungsgesetz BVG u. Sozialgesetzbuch SGB). Danach
besteht auf Rehabilitationsmaßnahmen der Phasen I–III bei entsprechender Ind.
ein gesetzlicher Anspruch. Die Kosten für die Phasen I u. II werden häufig, insbes.
694 13 Prävention u. Rehabilitation 

wenn der Kostenträger die GKV ist, durch eine diagnosespezifische Fallpauschale
erstattet (Ind. s. „Deutsche Leitlinie zur Rehabilitation von Patienten mit Herz-
Kreislauf-Erkrankungen“ – DLL-KardReha, DGPR 2007). Auch für Phase III ge-
setzlicher Anspruch mit Kostenübernahme durch Kranken- u. Rentenversiche-
rungsträger für max. 90 Übungseinheiten (ca. 2 J.).
Alle im Einzelfall wirksamen Details, z. B. bei Einbindung in kardiologische Netz-
werke, Ausnahmen bei der Wahl des Rehabilitationsorts, Notwendigkeit des Ab-
schlusses spezieller Rehabilitationsversicherungsverträge bei Nicht-Rentenversi-
cherten etc., sind nachzulesen auf den Webseiten www.deutsche-rentenversiche-
rung.de u. www.dgpr.de.

13.2.4 Phase I: Akutkrankenhaus
• Aufgrund moderner akutmedizinischer Verfahren u. schonenderer OP-Tech-
niken ist eine Frühmobilisierung vieler Pat. möglich, sodass das „Mobilisati-
onsschema“ nach akutem MI nur noch ganz selten Anwendung findet. Die
Phase I Akutkrankenhaus wird nur noch sehr kurz gehalten. Nach MI ca.
1 Wo., bei unkomplizierter koronarer Bypass-OP 5–12 Tage.
13 • Frühmobilisation ▶ Tab. 13.5.
• Erfassung der KHK-RF (▶ 1) u. Beginn des Gesundheitstrainings.
• Erste Fahrrad-Ergo.
• Empfehlung u. Veranlassung einer stationären AHB bzw. einer ambulanten
Alternative (▶ 13.2.5).
• Umfassende Befundübermittlung bei Verlegung.
Tab. 13.5 Frühmobilisation (nach Empfehlungen der DGPR)
Tag Aktivitäten

Pat. nach AMI mit unkompliziertem Verlauf


1. Tag Atemgymnastik, passive Bewegungsübungen, Bettkantengymnastik,
Bewegen auf Zimmerebene
2. Tag Mobilisation auf Stationsebene, ggf. Treppensteigen (1 Etage) mit
Bewegungstherapeuten, selbstständiges Waschen u. Essen
Ab 7. Tag Phase II: Reha-Zentrum
Pat. nach Herz-OP mit unkompliziertem Verlauf
1. u. 2. Tag Atemgymnastik, Bewegungsübungen (Intensivstation)
Ab 3. Tag Bettkantengymnastik, Aufstehen zum Waschen, Stuhlgang, Essen
(Normalstation)
3.–7. Tag Mobilisation auf Stationsebene, mehrmalige tägliche Gänge von
5–10 Min. Dauer mit Bewegungstherapeuten, unter Puls- u. RR-Kon­
trolle
Ab 7. Tag Phase II: Reha-Zentrum

Besonderheiten der Schnittstelle Akutkrankenhaus/


Rehabilitationsklinik (Fallpauschalenregelung FP)
Phase I (Herzchirurgie) ist in FP-Phase A (bis Wundheilung) u. FP-Phase B (bis
AHB-Fähigkeit) aufgeteilt. FP-Phase B kann nur in Kliniken mit „Akutbetten“ an-
geboten werden. Kostenträger: Krankenkasse. Ungefähre Dauer der FP-Phase A
7–9 Tage, der FP-Phase B 7–9 Tage. Die Gesamtdauer der Phase I ist nach OP-Art
 13.2 Rehabilitation 695

festgelegt (z. B. 16 Tage). Ob A- u. B-Phasen-Definition korrekt angewendet wur-


den, entscheidet der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) i. d. R. erst
nach Entlassung des Pat. Operierte Pat. können u. U. nach Hause entlassen wer-
den, müssen aber die Reha spätestens 14 Tage nach der Entlassung antreten.
Kostenträger bestimmen z. T. die Reha-Klinik. Im Zuge des Antragsrehaverfah-
rens gehören Pat.-Beförderung, Vernetzung u. Qualitätssicherung u. a. zu den
Leistungen der Reha-Klinik.
Rentenversicherungsträger wird meist nur bei berufstätigen Versicherten eingeschal-
tet. Ungeachtet der AR-Verträge fordern einige Krankenkassen von Reha-Kliniken
Abschlüsse sog. Pauschalkostenverträge inklusive Transport, für strikt max. 21 Tage.

13.2.5 Phase II: Reha-Zentrum


Sekundärprävention ▶ 13.1.2.
Stationäre Frührehabilitation u. Rehabilitation in Reha-Kliniken. Dauer 3 Wo.;
Ambulante Rehabilitationsmöglichkeiten (Tageskliniken u. praxisassoziierte
Reha-Einrichtungen). Sie dienen der AHB bei leichteren Verläufen der üblichen
AHB-Ind. od. bei speziellen Ind. (z. B. Z. n. risikoreicher od. KO-trächtiger PTCA
ohne MI od. wenn bei Ind. wohnortferne Reha nicht gewünscht od. möglich ist).
AHB-Dauer bei den meisten gesetzlichen Krankenkassen u. Ersatzkassen streng
13
21 Tage. Bei Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung sind bei rechtzeitiger,
schriftlicher medizinischer Begründung Verlängerungen bis ca. 27 Tage möglich.

Aufgaben der Phase II


Diagnostik
• Aufnahmeuntersuchung, dabei kardiale u. körperl. Belastbarkeit beurteilen.
• Psychosomatische Diagn. (▶ 14.1.1): psychosozialer Hintergrund, Risikopro-
fil (▶ 14.3), psychische Reaktion auf die Erkr.
• Stufenweise KHK-Diagn., Verlaufsuntersuchungen, Pat. zunehmend belas-
ten. EKG, Echo, Ergometrie, 24-h-RR, Langzeit-EKG, HRV, Spiroergometrie,
Stress-Echo (▶ 3.9.4).
• Spiroergometrie hat sich als duldungspflichtige, nichtinvasive Methode zur
Leistungsdiagn. etabliert. Ind.: Kardiomegalie im Rö-Thorax, „großer In-
farkt“ im EKG, V. a. Aneurysmaausbildung, ausgeprägte ST-T-Senkungen im
Belastungs-EKG, zur Planung der Bewegungsther., Kontrolle von Trainings-
effekten, Risikostratifizierung nach MI bes. bei Pat. mit körperl. anstrengen-
den Berufen, Hobbys od. Sportwünschen. Max. O2-Aufnahme dient u. a. als
Ther.-Steuerung bei Herzinsuff.
• Einschwemmkatheter: nur noch Einsatz im Herzkatheterlabor, z. B. Ergän-
zung in der Diagn. bei PAH. Kalziumantagonisten u. Betablocker mind. 24 h
vorher absetzen.
Besondere therapeutische Probleme nach OP od. Infarkt
Ther. von Herzrhythmusstörungen (▶ 7), Herzinsuff. (▶ 8), nicht therapierbare
Koronarinsuff., art. Hochdruck (▶ 9.1.4), Diab. mell.
Nach Herz-OP evtl.:
• Wundheilungsstörungen: Aufgrund früher Verlegung aus der Herzchirurgie
nicht selten noch nicht geschlossene OP-Wunden! Pat. mit Wundheilungs-
störungen dem Chirurgen vorstellen. Häufige KO sind Wundinfektionen
(meist Staphylokokken), Phlegmone od. Abszess, infizierte Sternotomiewun-
den mit Gefahr der Sternumosteomyelitis u. Mediastinitis.
696 13 Prävention u. Rehabilitation 

• Pleuraerguss: antiphlogistische (z. B. Diclofenac) u. diuretische Ther. (▶ 11.2).


• Postkardiotomiesyndrom (▶ 3.6.7).
• Perikarderguss (▶ 6.5.6).
• Beinödem: häufig nach Saphenektomie. Ther.: Beinhochlagerung, Stütz-
strümpfe nach Maß od. elastische Beinwickelung u. Diuretikum, Lymphdrai-
nage unter Berücksichtigung von KI.
• Armplexusirritation: meist Folge von Blockierungen kostovertebraler Gelen-
ke der oberen BWS. Ther.: deblockierende Manualther., Krankengymnastik,
aktive Bewegungsbehandlung, evtl. Elektrothere.
• Psychoorganisches Durchgangssyndrom (▶ 14.7.2).
• Multimorbidität: durch Begleiterkr. häufig eingeschränktes Bewegungspro-
gramm, verzögerte Rehabilitation, evtl. geringere Compliance, veränderte Re-
sorption, Metabolisierung u. Elimination von Medikamenten, verzögerte
Wundheilung.
Bewegungstherapie
Übung
Wdh. gezielter Bewegungsabläufe unter isotonischer Muskelbeanspruchung. Ziel:
13 Verbesserung von Mobilitätsgrad u. Kreislaufadaptation zur kardialen Entlas-
tung. Ohne Trainingseffekt auf die Muskulatur. KI: NYHA IV.
Training
Wdh. gezielter überschwelliger Muskelanspannungen, z. T. mit isometrischer
Komponente. Trainiert wird dynamische Ausdauer. Ziel: allgemeine Leistungs-
steigerung. Vorher Funktionsdiagn. (Ergometrie, Echo, ggf. Rechtsherzkatheter u.
Langzeit-EKG) durchführen. Optimale Trainingsintensität bei 80 % der Ausbelas-
tungs-HF der letzten submaximalen symptomlimitierten Fahrrad-Ergometrie.
! Herzkranke Pat. müssen Maximalleistungen, z. B. Sport mit Wettkampfcha-
rakter, meiden (unkalkulierbare Überlastung u. Stressreaktionen).
Belastbarkeit
Therap. Bewegungsprogramme u. körperl. Aktivitäten nach AZ, Trainingszustand
u. kardialer Belastungsbreite empfehlen. Dabei Höhe, Art u. Begleitumstände einer
Belastung sowie Persönlichkeit des Pat. berücksichtigen (▶ Tab. 13.6). Belastbarkeit
durch Ergometrie ermitteln. HF-Limit bei submaximaler Belastung von Herzpat.:
• Liegendergometrie: 160 minus LJ.
• Fahrradergometrie: 180 minus LJ.
• Laufbandergometrie: 200 minus LJ.
Tab. 13.6 Bewegungsprogramm in der Reha-Phase II
Ergoleistung Therapie Dauer Häufigkeit
< 25 Watt Atemtherapie 10–15 Min. 1–2 × täglich
Einzelgymnastik 10–15 Min. 1–2 × täglich
25 Watt Atemtraining mit 20 Min. 1 × täglich
­Totraumvergrößerung
Atemgymnastik 10–15 Min. 1 × täglich
Hockergymnastik 10–15 Min. 1 × täglich
Moderates (Alltags-)Kraft­ 10–15 Min. 1 × täglich
training
 13.2 Rehabilitation 697

Tab. 13.6 Bewegungsprogramm in der Reha-Phase II (Forts.)


Ergoleistung Therapie Dauer Häufigkeit
25–50 Watt Hockergymnastik 30 Min. 1 × täglich
Terraintraining 20 Min. 2 × täglich
Ab 50 Watt Ergometertraining 15 Min. 1 × täglich
75 Watt Übungsgruppe; u. 20 Min. 2 × täglich
Übungsgruppe für OP-Pat.
Wassergymnastik 20 Min. 1 × täglich
Radfahren 20 Min. 1 × täglich
Ratschow-Übung1 3 × 15 Min. 1 × anlernen, dann
selbst mehrmals
täglich
100 Watt Wassergymnastik 20 Min. 1 × täglich
Schwimmen unter Aufsicht 5–15 Min. 1 × täglich
Peripheres Gefäßtraining 30–40 Min. 1 × täglich
125 Watt Freies Radfahren ca. 1 h 1 × täglich 13
Freies Schwimmen 15–20 Min. 1 × täglich
150 Watt Intervall-Lauftraining 30–40 Min. 1 × täglich
Physikalische Therapie
Ab 50 Watt Hauffe-Armbäder2 20 Min. 1 × täglich
Sauna 75 °C, 10 % Luft­ 2 × 8–10 Min. 2 ×/Wo.
feuchtigkeit
Trockenbürsten u. 1 × täglich
Kneippgüsse
1
 Rollübung der hochgelagerten Füße zur Hypoxieerzeugung mit Förderung der
Kollateralisierung.
2
 Innerhalb 10 Min. von 38 auf 42 °C erwärmtes Armbad zur zentralen u. periphe­
ren reflektorischen Durchblutungsverbesserung.

Gesundheitstraining
▶ 13.1.2.
Vermittlung der Patienten in koronare Herzgruppen
Antragsformular der Rentenversicherung für Kostenübernahme von Rehabilitati-
onssport vorbereiten u. mit dem Arztbrief an Hausarzt schicken. Die Vermittlung
wird wesentlich beschleunigt, wenn nach schriftlicher Zustimmung des Pat. eine
Durchschrift des vorläufigen Arztbriefs am Entlassungstag an die für die Organi-
sation der Herzgruppen zuständige Landesarbeitsgemeinschaft geschickt wird.

13.2.6 Phase III: Ambulante Herzgruppe (AHG)


Ambulante Herzgruppe am Wohnort (Sportverein fragen). Belastbarkeit durch
Ergometrie ermitteln. Ab 50 W Übungsgruppe, ab 75 W bzw. 1 W/kg KG Trai-
ningsgruppe. Ärzte u. lizenzierte Übungsleiter leiten die Treffen. Treffen 1 ×/Wo.
Bei „Herzgruppe plus“ ist KARENA (kardiologisches Rehanachsorgeprogramm)
in das Programm der AHG integriert.
698 13 Prävention u. Rehabilitation 

• Gesetzliche Grundlage: Rahmenvereinbarungen vom 1. Januar 2007


zwischen Rehabilitationsträgern (z. B. Krankenkassen) u. Leistungser-
bringern (z. B. LAG) über den Rehabilitationssport u. das Funktionstrai-
ning. Einzelheiten unter www.dgpr.de u. www.bar-frankfurt.de.
• LAG (Landesarbeitsgemeinschaft für Prävention u. Rehabilitation von
Herz-Kreislauf-Krankheiten) od. Deutsche Gesellschaft für Prävention
u. Rehabilitation (DGPR) beraten (auch bei Versicherungsfragen) u. or-
ganisieren z. B. Ausbildung der Therapeuten sowie Gesundheitstraining
in den Herzgruppen u. a. durch Arzt-Pat.-Seminare.

Belastungen in Alltag u. Freizeit


An der ergometrischen Belastbarkeit (▶ Tab. 13.7) orientieren. Arrhythmien,
Herzinsuff., Koronarinsuff., Multimorbidität u. bes. Formen der Ther. (ICD,
Herzschrittmacher, Antikoagulation, Betablocker) berücksichtigen.

Tab. 13.7 Belastungen in Alltag u. Freizeit


13 Ergometer- Haushalt Beruf Herzgruppe Reise
leistung
25 Watt Keine Treppe; Berentung Keine Taxi, PKW
Arbeit im Sit­ (nicht allein),
zen keine Fern-
od. Flugreise
50 Watt 1 Etage, lang­ Sitzend, Teilzeit Übungsgruppe Öffentliche
sam; leichte streng dynami­ Verkehrsmit­
Tätigkeiten sches Programm. tel (unter bes.
Kein Schwim­ Umständen
men, kein Tau­ auch Kurzflü­
chen ge) mit Hilfs­
person. Keine
Fernreise
75 Watt Staubsaugen, Leichte Arbeiten Trainingsgruppe, Öffentliche
Bettenma­ mit Gehen u. Radfahren, Verkehrsmit­
chen, 5 kg ein­ Stehen Schwimmen, tel, Autofah­
händig, je 4 kg kein Tauchen! ren, Flugrei­
beidseitig tra­ sen
gen, Treppen­
steigen
100 Watt Alle üblichen Tragen von Las­ Trainingsgruppe, Wie bei
Arbeiten ten bis 18 kg Tanzen, Golf 75 Watt
über kurze Stre­
cken
125 Watt Normale, zeit­ Alle Arbeiten oh­ Volleyball, Wie bei
weise auch ne statische Be­ ­Tennis-Doppel, 75 Watt
schwerere Tä­ lastungsanteile ­Intervallgehen/
tigkeiten -joggen, Berg­
wandern
 13.3 Häufige Fragen der Patienten 699

Tab. 13.7 Belastungen in Alltag u. Freizeit (Forts.)


Ergometer- Haushalt Beruf Herzgruppe Reise
leistung
150 Watt Alles Alles; Sonder­ Joggen, Tennis, Uneinge­
regelungen für Schwimmen, schränkt
bestimmte ­Rudern.
­Berufe (Polizei, Herzgruppe
Feuerwehr, ­verlassen, dafür
­Lotsen, Sport in Selbst­
Personen­ hilfegruppe od.
beförderung) bei Sportverein
175 Watt Wie 150 Watt U. U. einige Uneinge­
Mannschafts­ schränkt
sportarten ohne
Ehrgeiz od.
Wettkampfstress

Auswahl der Bewegungs- u. Sportarten


• Günstig: Spaziergänge (1 h/d, 2 Schritte/s), Radfahren (½ h/d), Schwimmen
(15 Min./d), Golf, Intervalljoggen, Joggen, Skilanglauf. Tanzen (Gesellschafts- 13
tanz), Volleyball, Reiten (ohne Dressur u. Springen), Tennis-Doppel (ohne
Ehrgeiz!).
• Ungünstig: Sportkegeln, Sportsegeln, Handball, Fußball, Basketball, Surfen,
Tauchen, Skiabfahrtslauf (Ungeübte), Turniertanz, Tennisturnier, Leistungs-
rudern, Kraftsport, Tischtennis, Squash.

13.3 Häufige Fragen der Patienten


Alkohol
• KI: Abhängigkeit.
• Besonderheiten: Überschätzung der Belastbarkeit, Interaktionen mit Medi-
kamenten, hoher Kaloriengehalt.
• Empfehlung: bis 2 Glas trockenen Wein od. 0,3 l Bier abends sogar zu emp-
fehlen. Keine harten od. süßen Alkoholika. Nicht innerhalb 1 h vor od. nach
Medikamenteneinnahme. Max. 30 g Alkohol/d.

Autofahren (lange Strecke)


• KI: Arrhythmien mit Synkopen, Einnahme von Betablockern od. Sedativa
vor Fahrtbeginn. Noch nicht stabiles Sternum (bis 3 Mon. nach Thorax-OP).
• Besonderheiten: Eintönigkeit, Konzentration, Vigilanz, Bewegungsein-
schränkung, Flüssigkeitsmangel, Stress, Zeitdruck.
• Empfehlung: Reisevorbereitung u. -start rechtzeitig, Pausen nach jeweils
200 km od. 2 h Fahrt. Defensiv fahren. Bei Gurtempfindlichkeit Wäscheklam-
mer am Holmeintritt od. Polster über der Außenschulter.

Autofahren (Stadt)
• KI: s. o.
• Besonderheiten: schnelle Situationswechsel, Parkplatznot, Stress.
• Empfehlung: nur wenn nötig. Auch bei Herzinsuff. NYHA III, da Erleichte-
rung beim Befördern von Traglasten.
700 13 Prävention u. Rehabilitation 

Flugreise
• KI: Herzinsuff. NYHA III u. IV, A. p., schlecht eingestellte, maligne Arrhyth-
mien.
• Besonderheiten: Reisestress, O2-Mangel, Flüssigkeitsverlust, Bewegungsein-
schränkung, Klimawechsel, Jetlag.
• Empfehlung: gut vorbereiten, Gangplatz, bei A. p. zuerst O2-Maske, dann Ni­
tro! Ausreichend trinken. Zunächst keine körperl. Belastungen bei Extremklima
od. -höhe. SM-Träger: cave Metalldetektor, Sternalcerclagen ohne Bedeutung.

Kegeln
• KI: Herzinsuff. NYHA III u. IV.
• Besonderheiten: statische Belastungen.
• Empfehlung: Gesellschaftskegeln (3 Wurf) kein Problem. Preiskegeln eher un-
günstig für Pat. mit art. Hypertonie, Herzinsuff. u. komplexen Arrhythmien.

Sauna
• KI: keine.
• Besonderheiten: trockene Hitze, Kaltwassereffekte.
13 • Empfehlung: bis 80 °C u. 20 % Luftfeuchtigkeit, kurze Gänge (10 Min.), nie
allein. Kaltwasser als Schwalldusche, beginnend an Händen u. Füßen. Keine
Aufgüsse. Ruhepausen. Genügend vorher u. hinterher trinken. Cave: bei
Temperaturwechsel (Kälte) extreme RR-Anstiege.

Schwimmen
• KI: Herzinsuff. NYHA III u. IV. In den ersten 2–3 Wo. nach Thorakotomie,
bes. bei gleichzeitigen malignen Rhythmusstörungen.
• Besonderheiten: bei Immersion Thoraxkompression, Tachykardie, Volu-
menbelastung.
• Empfehlung: Testung z. B. durch Wassergymnastik, postop. Rückenschwim-
men günstiger. Optimale Wassertemperatur bei 28 °C. Wärmere Bäder vor-
sichtig testen (Rheumathermen: 33 °C). In freien Gewässern nie allein
schwimmen. Tauchen verboten!

Sexualität
Siehe hierzu auch „Sexual Activity and Cardiovascular Disease: A Scientific State-
ment From the American Heart Association“ Circulation published online Janua-
ry 19, 2012. Meist nur männl. Sexualität berücksichtigt, zu weibl. Sexualität kaum
Datenlage vorhanden. Allgemein gilt: wer alltagbelastbar ist od. 2 Etagen be-
schwerdefrei gehen kann, hat keine Einschränkungen
• KI: Herzinsuff. NYHA IV.
• Besonderheiten: u. U. statische Belastungskomponente, Leistungsdruck, Ta-
chykardie, RR-Anstieg.
• Viagra® u. andere PDE-5-Hemmer:
– KI: gleichzeitige Einnahme von Kurz- od. Langzeitnitraten od. Molsido-
min wegen ebenfalls durch NO-Freisetzung vermittelter verstärkter RR-
Senkung. Cave: anderweitige RR-senkende Medikation. Koronarinsuff.
CCS III u. IV, Herzinsuff. NYHA III u. IV, komplexe Herzrhythmusstö-
rungen, Alter (?).
– Besonderheiten: wirkt durch Arteriolendilatation durchblutungsfördernd
u. RR-senkend.
– Empfehlung: nur nach Rücksprache mit Hausarzt.
 13.3 Häufige Fragen der Patienten 701

Sportarten mit hoher Unfallgefahr


Motorrad, Skiabfahrtslauf, Spring- u. Geländereiten.
• KI: Marcumar®-Pat.
• Besonderheiten: Gefahr zerebraler bzw. innerer Blutungen.
• Empfehlung: Umstellung auf Low-Dose-Antikoagulation prüfen.
! Vitamin-K-Amp. ist sinnlos.

13
14 Psychokardiologie
Beate Probst-Wiemuth

14.1 Grundlagen der 14.8 Interventionelle


­ sychokardiologie 704
P ­ herapiever­fahren/
T
14.1.1 Anamnese u. Visiten­ Kardiochirurgie 721
gespräche 705 14.8.1 Psychosomatische Aspekte in
14.1.2 Psychosomatische der interventionellen
Therapie 706 Kardiologie 721
14.2 Funktionelle 14.8.2 Psychosomatik bei
­Herzbeschwerden 709 ­Herzoperationen 722
14.3 KHK u. Myokardinfarkt 711 14.8.3 Psychosomatik bei
14.4 Tako-Tsubo-Kardiomyo­ ­Herztransplantation 723
pathie 715 14.8.4 Patienten mit
14.5 Herzrhythmusstörungen 716 ­Herzschritt­macher 724
14.6 Arterielle Hypertonie 717 14.9 Reanimation 724
14.7 Synkopen 719
14.7.1 Vasovagale Synkopen 719
14.7.2 Konversionsneurotische
Synkopen 720
704 14 Psychokardiologie 

14.1 Grundlagen der Psychokardiologie


Dieses Kapitel vermittelt psychosomatische Grundkenntnisse, um Ind. zum psy-
chosomatischen Konsil od. zur Überweisung zu Psychotherapeuten/Psychiatern
stellen zu können. Psychosomatische Aspekte einiger kardiovask. Krankheitsbil-
der werden dargestellt. Organische Diagn. u. Ther. bitte in den entsprechenden
Kapiteln nachlesen.

Bei weiterem Interesse am Fachgebiet


• Publikationen der Statuskonferenz Psychokardiologie (eigene Buchreihe
im Verlag für Akademische Schriften).
• http://www.psychokardiologie.de: Expertisen für Ärzte u. Hinweise für
Pat. mit Buchtipps u. Internetadressen.
• Empfehlenswertes Buch, auf das ich mich teilweise beziehe: Herrmann-
Lingen C, Albus C, Tischer G. Psychokardiologie, Ein Praxisleitfaden für
Ärzte u. Psychologen. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2008.

Bei 20–30 % der Pat. einer kardiologischen Ambulanz findet sich keine organische
Ursache für die Symptomatik, sie leiden unter funktionellen Herz-Kreislauf-Be-
schwerden. Auch bei organisch bedingten kardiovask. Erkr. spielen immer seeli-
sche u. soziale Aspekte eine Rolle bei Krankheitsentstehung, -verlauf u. -verarbei-
tung. Chron. Erkr. u. aufwendige therap. Maßnahmen sind chron. Belastungssitu-
ationen, die häufig mit psychischer Komorbidität, körperl. Befindlichkeitsstörun-
14 gen, sozialem Rückzug u. Einschränkung der Lebensqualität einhergehen. Daher:
• Bei jedem Pat. seelische u. soziale Aspekte bei Diagn. u. Ther. berücksichtigen.
• Mit Psychosomatikern (psychosomatische Abteilung od. Klinik, Fachärzte für
Psychotherapeutische Medizin, ärztliche od. psychologische Psychotherapeu-
ten, Psychiater) eng zusammenarbeiten.
• Frühzeitig psychosomatische Diagn. (ausführliche Anamnese, psychosomati-
sches Konsil, Überweisung zum Psychotherapeuten od. Psychiater) beginnen.
Möglichst bereits parallel zur apparativen Diagn., spätestens aber, wenn kein
organischer Befund nachweisbar ist.

Durch rechtzeitige psychosomatische Diagn. u. Ther. unnütze Wiederho-


lungsuntersuchungen u. Ärztehopping vermeiden (verhindert endlose Pat.-
Karrieren u. trägt zur Kostendämpfung bei).

Erkrankungsmechanismen u. Erkrankungsformen
• Es bestehen multiple Wechselwirkungen zwischen somatischen, psychischen
u. sozialen Faktoren bei Krankheitsentstehung u. -verlauf.
• Seelisches Befinden u. Herz-Kreislauf-System sind über das vegetative Ner-
vensystem eng verbunden, z. B. Tachykardie bei Angst, Schreck, Wut, Aufre-
gung.
• Psychosomatische Krankheiten: nachweisbare organische Veränderungen,
bei denen psychische u. soziale Faktoren eine Rolle spielen, z. B. KHK.
• Funktionelle Störungen ohne organisches Substrat (ICD-10: Somatoforme
Störungen), z. B. Herzneurose.
• Psychische Reaktionen auf primär somatische Erkr, z. B. depressive Reakti-
on nach MI.
 14.1 Psychokardiologie  705

Paradigmenwechsel in der Medizin


Früher nur:
• Pathogenetische Perspektive
• Was macht krank?
• Belastungsfaktoren
• Vulnerabilität
Jetzt auch:
• Salutogenetische Perspektive
• Was hält gesund?
• Schutzfaktoren
• Resilienz (Widerstandskraft)

Organisationsformen der Psychokardiologie


• Konsiliardienst: Konsil auf Anforderung durch Stationsärzte (Kardiologen,
Internisten, Kardiochirurgen), nur selten auf Pat.-Wunsch. Voraussetzung:
psychosomatische Grundkenntnisse der behandelnden Ärzte. Vorbereitung
des Pat. durch Stationsarzt nötig. Dauer der Gespräche 10 Min. bis 1,5 h. An-
passung an den Stationsablauf, das Befinden des Pat. u. die geplante Entlas-
sung. Inhalte der Konsiliargespräche: psychosomatische Diagn., begleitende
supportive Gespräche während stationärer Behandlung, Verbesserung der
Kommunikation mit Ärzten, Pflegepersonal u. nahen Bezugspersonen bei
„schwierigen“ Pat. od. mangelnder Compliance (Vermittlerrolle des Psycho-
somatikers), Ther.-Empfehlungen für poststationäre Phase.
• Liaisondienst: regelmäßige Mitarbeit eines Psychotherapeuten auf einer „so- 14
matischen“ Station, Teilnahme an Visiten u. Stationsbesprechungen, daher
direkter Zugang zu den Pat. Erkennen psychischer Komorbidität u. somato-
former Störungen wird erleichtert, Möglichkeit der psychosomatischen Mit-
behandlung auf der Station u. Einbeziehung der Angehörigen, Teamsupervi-
sion bei „schwierigen“ Pat.
• Integrierte internistisch-psychosomatische Abteilung: Internisten u. ärztli-
che od. psychologische Psychotherapeuten in einer Abteilung, teilweise mit
Doppelqualifikation. Enge Zusammenarbeit von Organmedizinern u. Psy-
chotherapeuten im Team. Umfassende internistische u. psychotherapeutische
Diagn. u. Ther. möglich. Bes. geeignet für Pat. mit schwerer organischer Erkr.
u. psychischer Komorbidität.
• Psychosomatische Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern: meist
von Ärzten mit Doppelqualifikation (Internist u. Psychotherapeutische Medi-
zin) geleitet. Angebot eines spezifisch internistisch-psychosomatischen Be-
handlungssettings. Akutbehandlung komplexer u. schwerer Störungen, regio-
nales Kompetenzzentrum für psychosomatische Erkr.

14.1.1 Anamnese u. Visitengespräche


• Begrüßen u. vorstellen, um Anonymität zu vermeiden.
• Beziehung von Anfang an vertrauensvoll gestalten. Nur dann ist ein Arbeits-
bündnis zwischen Arzt u. Pat. möglich.
• Gespräch in Ruhe, nicht unter Zeitdruck führen. Auf richtigen Zeitpunkt
(nicht zur Essens- od. Besuchszeit) u. bequeme Lage od. Sitzposition achten.
• Pat. Angaben mit seinen eigenen Worten machen lassen.
706 14 Psychokardiologie 

• Offene Fragen (Was führt Sie her? Wie geht es Ihnen?) meist günstiger als ge-
schlossene Fragen (Geht es Ihnen heute besser?).
• Nicht nur objektive Daten registrieren, auch auf Mimik, Gestik, Stimmung
achten.
• Selbstbeobachtung während des Gesprächs: Nicht „unkooperativer Pat.“
schrei­ben, sondern überlegen: „Was ärgert mich eigentlich? Warum bin ich
so wütend od. so ungeduldig? Was hat das mit mir (z. B. Stress, müde, eigene
Probleme) zu tun? Was hat das mit dem Pat. (z. B. verlangsamt, vergesslich,
ängstlich, depressiv) zu tun?“
• Diagn. u. Ther. möglichst verständlich erklären. Alle Fragen offen beantwor-
ten. Pat. nicht mit Fachwörtern bombardieren, sondern sich seinem Bil-
dungsniveau anpassen.
• Bei symptomatischen Pat. nach neg. organischer Diagn. niemals sagen: „Sie
sind gesund!“ od. „Sie haben nichts am Herzen!“. Besser: „Zum Glück haben
wir bei den Untersuchungen nichts Krankhaftes gefunden. Wir müssen jetzt
gemeinsam nach anderen Ursachen für Ihre Beschwerden suchen.“

Pat. mit seinen Beschwerden ernst nehmen, er soll sich nicht als Simulant od.
Querulant fühlen.

Psychosomatische Anamnese
Zusammenhang zwischen Symptomatik, aktueller Lebenssituation u. Biografie
des Pat. erfragen:
14 • Aktuelle Beschwerden u. Probleme, momentane Lebensumstände, wichtige
Bezugspersonen.
• Zeitpunkt u. Lebenssituation beim ersten Auftreten der Beschwerden: Psychi-
sche (Mit-)Verursachung? Lebenswichtige Veränderungen? Konflikte? Krise
(z. B. beruflicher Stress, Scheidung, Tod od. schwere Krankheit eines Angehö-
rigen, finanzielle Probleme)?
• Krankheitsverlauf: Wodurch verstärken od. vermindern sich die Beschwerden?
• Andere psychische Symptome od. Krankheiten (z. B. Schlafstörungen, depres-
sive Verstimmung)? Suchtprobleme (Rauchen, Alkohol, Tabletten, Drogen)?
• Biografie: Kindheit, Schulzeit, Beruf, Beziehung zu Eltern u. Geschwistern,
Partnerschaft, sexuelle Entwicklung, eigene Familie, Freizeitgestaltung.
• Auswirkungen der Erkr. auf Beruf, Partnerschaft, Familie, Freizeit: Wo beste-
hen Einschränkungen? Wie reagieren die Angehörigen?
• Erfahrungen mit Ärzten u. bisheriger Behandlung.
• Krankheitsverständnis: „Wie stellen Sie sich vor, wie es zu Ihrer Krankheit
kam? Wie soll die Behandlung in Ihren Augen aussehen?“

Vor Entlassung: nicht nur abklären, wer die kardiologische, sondern auch
wer die psychosomatische Weiterbetreuung des Pat. übernimmt.

14.1.2 Psychosomatische Therapie


Prinzipiell können alle hier genannten Ther.-Verfahren bei Pat. mit Herz-Kreis-
lauf-Erkr. eingesetzt werden. Ind. für eine bestimmte Ther.-Form hängt weniger
vom somatischen Krankheitsbild als vielmehr von Persönlichkeit, aktuellen Kon-
flikten, psychosozialer Situation, Belastbarkeit u. Motivation des Pat. ab.
 14.1 Psychokardiologie  707

Wirkfaktoren der Psychotherapie bei körperlich Kranken


• Empathische Beziehungsgestaltung,
• emotionale Entlastung,
• aktive Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung,
• Ressourcenaktivierung,
• Problemaktualisierung im Hier u. Jetzt,
• Problembewältigung (Coping),
• Entspannungsverfahren.

Ärztliches Gespräch
Jedes Arzt-Pat.-Gespräch (Anamnese, Visite, ambulantes Gespräch) ist auch the-
rap. wirksam. Dem Pat. dabei Aussprachemöglichkeit bieten, Verständnis für ge-
genwärtige Lebenssituation (körperl. Krankheit, seelische Probleme, soziales Um-
feld) entgegenbringen, den Aufbau einer tragfähigen Beziehung ermöglichen.
Ziele: Lebensführung ansprechen, um RF zu eliminieren, bei Krankheitsverarbei-
tung unterstützen, psychosoziale Probleme ansprechen, zur Psychother. motivie-
ren.

Jeder Arzt kann seine Kompetenz im Umgang mit psychosomatischen Pat.


durch eine Balint-Gruppe od./u. einen Kurs in psychosomatischer Grund-
versorgung erhöhen.

Supportive (stützende) Psychotherapie 14


Regelmäßige stützende Gespräche von 15–20 Min. Ziele: Angebot einer tragfähi-
gen Beziehung, Hilfe bei Krankheitsverarbeitung, Änderung der Lebensführung
(z. B. Risikofaktoren), Bewältigung von aktuellen Problemen (Beruf, Familie).

Entspannungsverfahren
Einzel- od. Gruppenther., auch Volkshochschulkurse. Ind.: alle mit Spannung u.
Verkrampfung verbundenen Beschwerden, funktionelle Erkr., Schlafstörungen,
Hypertonie, nach MI.
• Autogenes Training: konzentrative Selbstentspannung mithilfe von Auto-
suggestion („Ich bin ruhig u. entspannt …“).
• Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson: systematische Anspannungs-
u. Entspannungsübungen der gesamten Muskulatur.
• Funktionelle Entspannung nach Fuchs: vertiefte Wahrnehmung körperl.
Vorgänge, insbes. von Verspannungen in Abhängigkeit vom Atemrhythmus.

Verhaltenstherapie
Die psychische Erkr. wird auf krankmachende Verhaltensweisen, Gefühle, Ge-
danken od. Vorstellungen zurückgeführt. Ziele: Symptombeseitigung durch Än-
derung von krankmachendem Verhalten u. Einstellungen. Methoden z. B.:
• Systematische Desensibilisierung: Angstreaktionen auf bestimmte Auslöse-
reize werden beseitigt durch Entspannung, Übungen u. Konfrontation mit
den Reizen.
• Biofeedback: direkte Rückmeldung von physiologischen Parametern (z. B.
RR, Puls) mit technischen Hilfsmitteln. Z. B. lernt ein Hypertoniepat. durch
Entspannung, seinen RR zu senken u. dies am Monitor selbst zu kontrollie-
ren.
708 14 Psychokardiologie 

• Verhaltenstraining zur Stressbewältigung.


• Kognitive Ther.: Veränderung krank machender Gedanken, Einstellungen u.
Erwartungen.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie


Die psychische Erkr. wird als Ausdruck einer aktuellen äußeren od. inneren Kon-
fliktsituation interpretiert, die auf unbewusste, nicht gelöste, frühkindliche Kon-
flikte zurückgeführt wird. Ind. nur wenn Pat. motiviert ist, die zugrunde liegenden
unbewussten Konflikte zu bearbeiten. 1–2 h/Wo.; Gespräche im Sitzen mit Blick-
kontakt zum Therapeuten. Ziele: Verstehen, Bearbeiten u. Bewältigen des aktuel-
len Konflikts durch Einsicht in unbewusste Zusammenhänge vor dem Hinter-
grund der Lebensgeschichte.

„Klassische“ psychoanalytische Therapie


Wie tiefenpsychologisch fundierte Psychother., nur wesentlich intensiver u. auf-
wendiger. 3–5 h/Wo. Pat. liegt auf der Couch, kein Blickkontakt (besseres Assozi-
ieren). Ziele: neben der Bewältigung des aktuellen unbewussten Konflikts auch
psychische Strukturänderung mit Nachreifen der Persönlichkeit.

Psychotraumatherapie (traumazentrierte Psychotherapie)


Spezielle Psychother. nach psychischer Traumatisierung (seelischer Verletzung),
d. h. bei akuten traumabedingten Reaktionen u. PTSC (z. B. nach akutem MI). Ty-
pische Ther.-Phasen:
14 • 1. Stabilisierung (Ziele: Wiedererlangen von Selbstkontrolle u. Sicherheit,
Selbstfürsorge, Erlernen eines kontrollierten Umgangs mit überflutendem
traumatischen Material, Stärkung eigener Ressourcen u. sozialer Kontakte.
Imaginations- u. Achtsamkeitsübungen),
• 2. Traumasynthese (Ziele: Traumaverarbeitung u. -integration. Methoden:
EMDR [Eye Movement Desensitization and Reprocessing], Bildschirmtech-
nik, Beobachtertechnik),
• 3. Trauer u. Neuorientierung (Ziele: Verluste betrauern, Veränderung des
Selbsterlebens, Zukunftsplanung).
• Psychotraumather. stationär od. ambulant, als Gruppen- od. Einzeltherapie.
Familientherapie/Paartherapie
Herkunftsfamilie oder Partner des Pat. wird in Ther. mit einbezogen. Nicht der
einzelne Pat., sondern das System „Familie“ od. „Paar“ wird als krank angesehen.
Ziele: Veränderung krankmachender Verhaltensweisen, Beziehungsstrukturen
u./od. Lösung unbewusster Konflikten im System. Verschiedene Arbeitsweisen,
z. B. verhaltenstherapeutisch od. tiefenpsychologisch orientiert.

Gruppentherapie
Gruppenprozesse werden als Behandlungsinstrument genutzt. Ziele: Hilfe bei der
Krankheitsbewältigung durch andere Gruppenmitglieder; soziales Lernen. For-
men: z. B. psychoanalytische od. verhaltenstherapeutische Gruppenther., themen-
zentrierte Interaktion (ein von den Teilnehmern gewähltes Thema wird bespro-
chen).

Stationäre Psychotherapie
Integrierte psychosomatische Behandlung (Somato- u. Psychother.) mit gleichzei-
tiger Anwendung mehrerer Ther.-Verfahren nach individuellem Behandlungs-
 14.2 Funktionelle Herzbeschwerden  709

plan: z. B. Einzel-, Gruppen-, Entspannungsther., Malen, körperbezogene Ther.,


aber auch physikalische u. med. Therapie. Therap. wirksam ist auch die vorüber-
gehende Distanz von eingefahrenen Rollen in Familie u. Beruf (Schonraum). Zie-
le: psychische u. somatische Stabilisierung, Motivierung zur ambulanten Weiter-
behandlung, differenzialdiagn. Abklärung, Krisenintervention. Dauer: Meist
1–3 Mon.

Selbsthilfegruppen
Pat. mit gleichem Krankheitsbild (z. B. Herzinfarktpat., Angstpat., Anonyme Al-
koholiker) treffen sich regelmäßig in einer Gruppe ohne Arzt od. Psychothera-
peuten, um über die mit ihrer Krankheit verbundenen seelischen u. sozialen Pro-
bleme zu sprechen. Ziel: gegenseitige Hilfe bei der Krankheitsbewältigung.

14.2 Funktionelle Herzbeschwerden


Synonyme
Herzneurose, Herzphobie, Herzangstsyndrom, Da-Costa-Syndrom.

Klassifikation nach ICD-10


Somatoforme autonome Funktionsstörung des kardiovask. Systems (F45.30).

Definition
Funktionelle Störung des kardiovask. Systems mit hartnäckigen Symptomen wie
Herzschmerzen, -klopfen, -rasen, -stolpern, teils auch Schwindel od. Atemnot, die 14
vom Pat. als Ausdruck einer Herzerkr. erlebt werden, ohne dass sich bei entspre-
chender Diagn. eine organische Ursache finden lässt.
Oft sind funktionelle Herzbeschwerden auch Symptome einer Panikstörung, ei-
ner generalisierten Angsterkr. od. einer depressiven Störung. Nicht nur bei jun-
gen, auch bei älteren Pat. finden sich immer wieder funktionelle Herzbeschwer-
den ohne nachweisbare Ischämie. Herzangstsymptomatik kann auch bei KHK-
Pat., nach MI u. bei vollständig revaskularisierten Koronarpat. vorliegen mit hef-
tigen pektanginösen Beschwerden ohne Ischämie od. Palpitationen ohne
dokumentierbare Rhythmusstörung. Diese funktionellen Beschwerden bei Koro-
narpat. können dann zur Durchführung wiederholter Kontrollangiografien ver-
leiten.

Klinik
• Kardiale Symptome wie Herzschmerzen, -klopfen, -rasen, -jagen, -brennen,
-stolpern, -stechen.
• Vegetative Symptome wie Unruhe, Schwindel, Dyspnoe.
• Hypochondrische Fixierung auf das Herz, herzbezogene Ängste, Angst vor
MI, Herzstillstand, -tod.
• Auch nach intensiver internistischer Diagn. u. Ausschluss organischer Ursa-
chen beharren Pat. auf ihrer Überzeugung, an einer Herzerkr. zu leiden.

Psychosoziale Auswirkungen
Vermeidung belastender Situationen, Einengung der Lebensbezüge, Vermeidung
von körperl. Belastungen u. Sexualität, lange Arbeitsunfähigkeit, Berufsaufgabe,
Stellung von Rentenanträgen; häufiger Arztwechsel, bes. wenn der Arzt rein soma-
tisch orientiert ist, aber auch Anklammerungstendenzen an Arzt u. Angehörige.
710 14 Psychokardiologie 

Psychodynamik
• Auslöser der Symptomatik sind oft Krankheiten, Unfälle, Todesfälle (bes.
Herztodesfälle) in der näheren Umgebung, Trennungskonflikte (Angst vor
Verlassenwerden u. Alleinsein), berufliche Krisen, drohende Arbeitslosigkeit.
• Häufig Ambivalenz zwischen Wunsch nach symbiotischer Anklammerung an
nahe Bezugspersonen u. Trennungstendenzen; starke Leistungsorientierung,
allgemeine Ängstlichkeit, Depressivität, Aggressionsabwehr.

Psychosomatische Diagnostik
• Anamnese (▶ 14.1.1): Auslöser? Symptomatik genau schildern lassen (Über-
treibt der Pat.? Stehen Ängste im Vordergrund?), psychischen Befund miter-
fassen (depressiv? ängstlich?), psychosoziale Auswirkungen der Erkr.
• Psychosomatisches Konsil, wenn organischer Befund die Symptomatik nicht
ausreichend erklären kann od. bei Hinweisen für funktionelle Herzbeschwer-
den in Anamnese od. Untersuchung.

Differenzialdiagnose
▶ Tab. 14.1.
Tab. 14.1 Hinweise zur DD Funktionelle Herzbeschwerden – KHK
Funktionelle Herzbeschwerden KHK
Alter meist < 40 J. Alter meist > 40 J.
Leitsymptom Angst Leitsymptom Schmerz
14 Meist kein Zusammenhang mit körperl. Be­ Auslösung od. Verstärkung durch
lastung od. Besserung bei körperl. Belastung körperl. Belastung
Beschwerden werden eher aggraviert; hypo­ Beschwerden werden eher dissimu­
chondrische, blumige Schilderung liert, bagatellisiert od. verleugnet
Ständige Forderungen nach weiterer appa­ Tendenz, sich apparativer Diagn.
rativer Diagn. eher zu entziehen
Häufige Arztbesuche, häufiger Arztwechsel Arztbesuch nur wenn nötig

Tipps & Tricks


• Auch bei deutlichen Hinweisen auf funktionelle Herzbeschwerden ge-
samte internistische DD li-thorakaler Schmerzen berücksichtigen.
• Bei KHK ist eine Fixierung auf die kardialen Beschwerden mit herzneu-
rotischer Entwicklung möglich (Zweitkrankheit).

Psychosomatische Therapie
Psychosomatische Grundversorgung durch den behandelnden Arzt
• Pat. als krank akzeptieren (er simuliert nicht!). Über das Krankheitsbild auf-
klären. Über Lebenssituation, mögliche Auslöser u. psychische Zusammen-
hänge sprechen.
• Arzttermine im Voraus festlegen: Pat. darf auch ohne akute Herzsymptome
kommen.
• So wenig körperl. Diagn. wie möglich, da wiederholte Untersuchungen eine
somatische Fixierung u. Chronifizierung begünstigen.
 14.3 KHK u. Myokardinfarkt  711

• Zu Bewegung u. Ausdauersport motivieren, um Angst u. Vermeidungsver-


halten abzubauen. Entspannungsverfahren (▶ 14.1.2) empfehlen.
• Wenn nötig, zur Fachpsychother. motivieren.
Medikamentöse Therapie
• Möglichst keine Herz-Kreislauf-Medikamente, evtl. Betablocker zur Durchbre-
chung des vegetativen Circulus vitiosus bei rezid. Tachykardie od. Hypertonie.
• Im akuten Anfall od. bei ausgeprägter Angst evtl. als Bedarfsmedikation Ben-
zodiazepine, z. B. Lorazepam 0,5–1 mg. Cave: wegen Abhängigkeitsrisiko kei-
ne Dauerther. mit Benzodiazepinen!
• Zur Schlafförderung, wenn nötig, sedierendes Antidepressivum, z. B. Mirtaza-
pin 15–30 mg als Einmaldosis zur Nacht.
• Effektive Ther. extrakardial bedingter Symptome (z. B. Interkostalneuralgie,
Myogelosen, Refluxkrankheit).
Fachpsychotherapie
• Indiziert bei anhaltender Symptomatik, deutlichen psychosozialen od. inner-
psychischen Konflikten od. gleichzeitiger psychischer Grunderkr.
• Hinderlich sind oft mangelnde Krankheitseinsicht, hartnäckige Somatisierung
sowie Verleugnung psychischer Ursachen u. zugrunde liegender Konflikte.
• Anhaltspunkte für die Auswahl des Psychotherapieverfahrens (▶ 14.1.2):
– Ängste u. Vermeidung als Hauptsymptome → Verhaltensther.
– Motivation, unbewusste Konflikte zu bearbeiten → tiefenpsychologisch
fundierte Ther.
• Bei Chronifizierung od. deutlichen psychosozialen Einschränkungen → stati- 14
onäre psychosomatische Behandlung. Hauptziel ist nicht die Heilung, son-
dern das Verstehen psychischer Zusammenhänge u. die Motivierung zur am-
bulanten Psychother.

Prognose
• Nichtbehandlung: Neigung zu Chronifizierung mit sozialem Rückzug.
• Verständnisvolle ärztliche Führung: chron. Verlauf mit Tendenz zu langsa-
mer Besserung.
• Erfolgreiche Psychother.: Heilung, bes. bei jungen Pat., frühzeitiger Behand-
lung u. geringer Chronifizierung.
• Das Herzinfarktrisiko ist nicht erhöht.

14.3 KHK u. Myokardinfarkt


Psychosomatische Aspekte spielen bei Ätiol., Verlauf, Prognose u. bes. bei der see-
lischen Verarbeitung von KHK u. MI eine große Rolle.

Ätiologie
• Multifaktorielle Genese (▶ 3.2.2).
• Klassische RF (▶ 1) werden durch Verhalten (Ernährung), Persönlichkeit,
seelisches Befinden u. Umgang mit dem eigenen Körper beeinflusst.
• Typ-A-Verhalten/Risikopersönlichkeit: überdurchschnittliches Streben
nach Leistung u. Anerkennung, berufliche Anspannung, anhaltender Erfolgs-
zwang, Konkurrenzverhalten, Zeitdruck, Reizbarkeit, Aggressivität, laute ex-
plosible Sprechweise, übertriebenes psychomotorisches Verhalten, teils auch
überangepasstes Verhalten.
712 14 Psychokardiologie 

• Andere psychosoziale RF: Berufsstatus u. Bildungsniveau niedrig, Arbeitslo-


sigkeit, soziale Isolierung, berufliche, familiäre od. finanzielle Probleme, Er-
schöpfung, Schlafstörungen, depressive Verstimmung, vorausgegangene be-
lastende Lebensereignisse (z. B. Tod eines Angehörigen).

Typische seelische Reaktionen nach Myokardinfarkt


• Angst:
– Vor Schmerzen, körperl. Schwäche, Passivität, mangelnder Leistungsfä-
higkeit u. sozialem Abstieg. Angst, an den Folgen des MI zu sterben.
Angst vor Re-Infarkt.
– Steigerung der Angst durch Miterleben von Tod od. Reanimation bei Mit-
pat., durch überprotektive Haltung des Partners.
! Oft wird das Ausmaß der Angst erst durch Nachfragen deutlich.
• Verleugnung: Nichtwahrhabenwollen, Angst wird abgewehrt, Schmerzen
werden nicht wahrgenommen → verzögerte Aufnahme ins Krankenhaus, zu
frühe körperl. Aktivität, Nichteinhalten ärztlicher Ratschläge, schlechtere
Compliance u. Prognose.
• Depressivität: Zurückgezogenheit, Interessenlosigkeit, Hoffnungslosigkeit,
Tendenz zur Selbstaufgabe, Abhängigkeit u. Ohnmachtsgefühle durch kör-
perl. Schwäche u. Hilfsbedürftigkeit, Selbstwertkrise.
• Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD, Post Traumatic Stress Disor-
der, ICD-10: F43.1): Bei ca. 11 % nach akutem MI, bes. nach schwerem MI,
Herzstillstand, langer Intensivbehandlung. Typische Symptome: wiederhol-
tes Erleben des Traumas (hier des MI od. der Reanimation) in sich aufdrän-
14 genden Erinnerungen (Flashbacks) od. Albträumen, emotionale Stumpfheit,
Teilnahmslosigkeit, Freudlosigkeit, Vermeidung von Aktivitäten u. Situatio-
nen, die an das Trauma erinnern, meist vegetative Übererregbarkeit, Schlaf-
störung, Schreckhaftigkeit, oft Angst, Depression, teilweise Suizidgedanken.
Psychodynamik: akuter MI als lebensbedrohliches Ereignis, als Trauma, als
bedeutende biografische Bruchstelle.
! Cave: Chronifizierung! Traumazentrierte Psychother. erforderlich.
Interaktionsprobleme mit Infarktpatienten
• Verleugnung → Bagatellisierung → Unterbewertung der Symptome durch
Arzt → ineffektive Medikation.
• Vordergründige Kooperation bei innerer Auflehnung, z. B. Übertreten von
Verhaltensregeln durch vorzeitige körperl. Belastung.
• Schwierigkeiten, Hilfe annehmen zu können, aus Angst vor Autonomiever-
lust u. Abhängigkeit.
• Depressivität des Pat. muss von Arzt u. Pflegepersonal ausgehalten werden.
• Abgewehrte Aggressionen des Pat. (Wut auf sich selbst, auf das Schicksal, auf so-
ziales Umfeld) → unterschwellig anklagendes Verhalten gegenüber dem Personal.

Psychosomatische Diagnostik
• Bei jeder Anamnese auch psychische u. soziale Faktoren erfragen (▶ 14.1.1).
• Gezielt nach Depressivität fragen: z. B. „Fühlen Sie sich in letzter Zeit häufig
niedergeschlagen od. hoffnungslos?“ „Hatten Sie in letzter Zeit weniger Inter-
esse od. Freude an Ihren Tätigkeiten?“
• Psychosomatisches Konsil:
– bei Anhalt für psychische Mitverursachung, ausgeprägte aktuelle Konflik-
te od. soziale Belastungen,
 14.3 KHK u. Myokardinfarkt  713

– bei starker Ausprägung der klassischen RF (z. B. Rauchen: Entwöhnung


möglich? Adipositas: psychotherap. Hilfe bei Gewichtsabnahme?),
– bei ausgeprägtem Typ-A-Verhalten,
– bei starker Angst, Depressivität, Verleugnung od. Symptomen einer PTSD
nach MI.

Psychosomatische Therapie bei KHK


• Ärztliches Gespräch (▶ 14.1.2):
– Über RF u. Risikoverhalten sprechen u. Hilfe anbieten.
– Arbeitsbündnis zwischen Arzt u. Pat. mit aktiver Beteiligung des Pat. an-
streben.
– Ausreichend u. verständlich über Erkr., Ther. u. Prognose informieren.
• Psychother.: bei starken psychosozialen Belastungen, typischem Typ-A-Ver-
halten od. ausgeprägten RF zur Infarktprophylaxe. Psychotherapieverfahren
▶ 14.1.2.
Psychosomatische Therapie nach Myokardinfarkt
▶ Tab. 14.2.
Tab. 14.2 Phasenspezifische Psychotherapie nach Myokardinfarkt
Phase Therapie Therapeut
Phase 1 Ärztliches Gespräch Intensivmediziner;
Akut­ Supportive Psychother. ­Stationsarzt, Kardiologe
krankenhaus Konsiliar- u. Liaisondienst 14
Phase 2 Psychoedukation, Entspannungs­ Reha-Ärzte,
Reha-Zentrum ther., Gruppenbehandlung, Partner­ ärztlich od. psychologische
gespräche, Einzelther. bei bes. Ind. Psychotherapeuten
Phase 3 Supportive Psychother., psycho­ Hausarzt
Ambulante somatische Grundversorgung Ärztliche od. psychologi­
Psychotherapie Evtl. Gruppenther. bei Pat. mit sche Psychotherapeuten
­Anpassungsproblemen Ärztliche od. psychologi­
Einzelther. bei begleitender sche Psychotherapeuten,
­psychischer Störung (z. B. depressiver Psychiater
Episode, Angststörung, PTSD)

Phase 1: Akutkrankenhaus
▶ 13.2.5.
Ärztliches Gespräch (▶ 14.1.2).
• Durch behandelnden Intensivmediziner, Kardiologen, Stationsarzt.
• Ein MI ist meist mit Todesangst verbunden, ein life event mit erheblichen
psychosozialen Konsequenzen, eine biografische Bruchstelle, teils sogar ein
psychisches Trauma. Daher in der Akutphase immer wieder Gespräche an-
bieten, um Krankheitsverarbeitung zu unterstützen, den Pat. mit seiner Angst
(bes. nach Reanimation ▶ 14.8) nicht allein lassen.
• Pat. über Krankheitsverlauf verständlich informieren.
• Vor Verlegung von der Intensivstation Gespräch führen, dabei Besserung u.
Wegfall der unmittelbaren Bedrohung betonen, um Reaktivierung von Ängs-
ten vorzubeugen.
714 14 Psychokardiologie 

• Eigene Ängste u. Unsicherheit zulassen. Das erleichtert dem Pat. das Verar-
beiten seiner Ängste u. die Trauer über den Verlust der Körperintegrität. Im
täglichen Visitengespräch auf psychische Symptome (Depressivität, Ängste,
starke Verleugnung, Übererregbarkeit, Albträume) achten, ggf. Ind. für sup-
portive Psychother. stellen u. psychosomatisches Konsil anfordern.
Supportive Psychotherapie
• Durch Konsiliar- u. Liaisondienst, ärztliche od. psychologische Psychothera-
peuten.
• Ind.: starke Ausprägung von Angst, Depression od. Verleugnung.
• 2–5 Einzelgespräche von 15–20 Min. meist ausreichend.
• Tragfähige Beziehung anbieten, um Pat. bei einer realitätsgerechten Verarbei-
tung seiner Krankheit zu helfen.
• Enge Zusammenarbeit mit den behandelnden Organmedizinern.
• Ggf. Partner bzw. Familie mit einbeziehen.
• An aktuellen Problemen orientieren. Ziele: Angstminderung, Hilfe bei Trau-
erprozess u. Krankheitsverarbeitung, Bewältigung des Infarkttraumas, emoti-
onale Entlastung.
Phase 2: Reha-Zentrum
▶ 13.2.6.
Psychotherapie in kardiologischer Rehabilitation
• In Deutschland ist die psychotherap. Mitbehandlung von MI-Pat. in der
Reha-Klinik inzwischen Standard.
14 • Dazu gehören Psychoedukation, Information über die Erkr., Programme zur
RF-Modifikation, Entspannungsverfahren, Schulungen zur Stressbewälti-
gung, aber auch Psychother. im engeren Sinne mit Einbeziehung supportiver,
kognitiver, verhaltenstherap. u. psychodynamischer Elemente.
• Meist Gruppenther., Einzelther. nur bei bes. Ind., teilweise Einbeziehung der
Partner.
• Ziele: Krankheitsinformation, bessere Krankheitsbewältigung, emotionale
Entlastung, Realisierung eines gesundheitsfördernden Lebensstils, Reduktion
der RF, Förderung der Compliance, bessere Stressbewältigung, Suche nach
Zukunftsperspektiven, Wiederaufnahme von Aktivitäten u. der Berufstätig-
keit.
• Jedoch: Bei Verweildauer von 3 Wo. ist keine intensive psychotherap. Arbeit
möglich. Daher ggf. Empfehlung zu ambulanter psychotherap. Weiterbe-
handlung.
Phase 3: Ambulante Psychotherapie
Psychosomatische Grundversorgung
• Ambulante Weiterbehandlung durch Hausarzt, supportive Psychother.
• Ziele: Hilfe bei Krankheitsbewältigung u. Wiedereingliederung in Alltag u.
Berufsleben, Reduktion der RF. Weitere Themen: seelische u. soziale Folgen
des MI, Sexualität, MI als Chance zum Neubeginn, körperl. Krise als Anstoß
für Änderung von Lebensstil u. -planung.
• Durch Einbeziehung des Partners od. anderer Familienangehöriger soziale
Unterstützung fördern.
• Bei ausgeprägter psychischer Begleiterkr. (depressive Episode, Angsterkr.,
PTSD usw.) zum ärztlichen od. psychologischen Psychotherapeuten überwei-
sen.
 14.4 Tako-Tsubo-Kardiomyopathie  715

Ambulante Gruppentherapie
• Nur selten Angebote ambulanter themenzentrierter Gruppenther. für In-
farktpatienten.
• Ziele: Fortsetzung der Reha-Arbeit, d. h. Hilfen zur Krankheitsverarbeitung,
Entspannungsverfahren, Stressmanagement, RF-Reduktion. Austausch mit
anderen Infarktpat.
Ambulante Herzgruppe (AHG)
▶ 13.2.6; Koronarsportgruppen.
Ambulante Einzelpsychotherapie nach Myokardinfarkt
• Durch ärztliche od. psychologische Psychotherapeuten,
• Ind. bei ausgeprägter psychischer Begleiterkr. (depressive Episode, Angster-
kr., Anpassungsstörung, PTSD usw.),
• Überweisung durch Hausarzt nötig, da Herzinfarktpat. nicht von sich aus ei-
nen Psychotherapeuten konsultieren kann.

Prognose
Die Psychother. beeinflusst Risikofaktoren u. -verhalten u. verbessert die Progno-
se nach MI: geringere Mortalität, KO-Rate, Re-Infarktquote; bessere Rückkehr zu
normalen Lebensaktivitäten, bessere soziale Wiedereingliederung u. Arbeitsfähig-
keit sowie größere emotionale Stabilität.

14.4 Tako-Tsubo-Kardiomyopathie 14
▶ 3.6.5.
Synonyme
Stress-CMP, Syndrom des gebrochenen Herzens, broken heart syndrome, transi-
ent left ventricular apical ballooning syndrome.

Definition
Akute schwere myokardiale Funktionsstörung mit heftigen pektanginösen Be-
schwerden ohne ursächliche Koronarstenose mit vorübergehenden Wandbewe-
gungsstörungen im LV. Typisch sind apikale Ballonierung (apical ballooning) u.
basale Hyperkontraktilität des LV in der Systole bei normalem Koro.
Tako-Tsubo ist eine japanische Tintenfischfalle in Form eines Krugs mit kurzem
Hals. Bei der Darstellung des LV in der Koro erinnert dieser am Ende der Systole
an ein Tako-Tsubo.

Klinik
• Ähnelt einem akuten MI, einem ACS, mit heftiger plötzlicher A. p., Vernich-
tungsschmerz, Dyspnoe, teilweise auch Bewusstlosigkeit, Herzrhythmusstö-
rungen, kardiogenem Schock.
• Sofortiges Notfallmanagement des ACS ist nötig.
• EKG, Echo u. Labor (CK, Troponin) weisen auf akuten MI hin.
• Erst in der Lävokardiografie u. Koro zeigt sich das typische Bild der Tako-
Tsubo-CMP ohne relevante Koronarstenosen, aber mit isolierter myokardia-
ler Dysfunktion des LV mit typischer apikaler Ballonierung.
716 14 Psychokardiologie 

Pathogenese
• Die Pathogenese ist unklar.
• Häufig deutlich erhöhte Katecholaminspiegel im Blut, Stresshormone, daher
der Name Stress-CMP.
• Häufig gehen der Tako-Tsubo-CMP stark belastende emotionale Erlebnisse
voraus wie Trennungen, Unfall od. andere seelische Traumata. Sind diese life
events Auslöser?
• Betroffen sind überwiegend Frauen nach der Menopause.
Verlauf
• Im Akutstadium lebensbedrohliche KO (Thrombenbildung im LV, Rhyth-
musstörungen, MR) möglich, daher intensivmedizinische Überwachung nö-
tig.
• Nach überlebter Akutphase meist gute Prognose mit vollständiger Rückbil-
dung von Symptomatik, Dyskinesie des LV u. Herzinsuffizienz.

Psychosomatische Therapie
• Schon in der Akutklinik Pat. über Krankheitsbild u. Prognose u. die Unter-
schiede zum MI aufklären.
• Wünschenswert ist ein psychosomatisches Konsil noch in der Akutklinik, al-
ternativ ambulante psychosomatische Grundversorgung od. sogar Fachpsy-
chother.

14 14.5 Herzrhythmusstörungen
Funktionelle Herzrhythmusstörungen: Herzrhythmusstörungen ohne nachweis-
bare organische Ursache, wobei psychische Faktoren als Auslöser wirken. Häufig
funktionell bedingt sind: Sinus- u. supraventrikuläre Tachykardien, paroxysmale
Tachykardien, Anfälle von VHF, Extrasystolien.
! Auch organisch bedingte Herzrhythmusstörungen können durch psychische
Faktoren verstärkt od. ausgelöst werden, z. B. Tachykardie → Angst → stärkere
Tachykardie.

Klinik
• Auftreten unter seelischem Stress (z. B. vor einer Prüfung, Partnerschaftskon-
flikt, angstbesetzte Situation).
• Häufig Konditionierung: Rhythmusstörung tritt immer bei ähnlichen Anläs-
sen auf.
• Angst, Erregung u. innere Anspannung während der Rhythmusstörung.
• Funktionell bedingte Extrasystolen verschwinden meist nach körperl. Belas-
tung.

Psychosomatische Diagnostik
Psychosomatisches Konsil:
• wenn keine organische Ursache zu finden ist u. Anamnese Hinweise auf eine
psychische (Mit-)Verursachung ergibt,
• bei wiederholtem Auftreten in ähnlichen konflikthaften Situationen,
• wenn organisch bedingte Rhythmusstörungen durch psychische Faktoren
verstärkt werden od. die Erkr. stark angstbesetzt ist,
• bei hypochondrischer od. herzneurotischer Entwicklung (▶ 14.2).
 14.6 Arterielle Hypertonie  717

Immer exakte organische Diagn. (▶ 7.1), auch wenn Rhythmusstörung psy-


chisch bedingt erscheint (z. B. WPW-Sy. wird oft als psychisch verkannt).

Psychosomatische Therapie
• In der Akutsituation: Pat. beruhigen u. über Harmlosigkeit der Symptomatik
aufklären. Injektion selten nötig (wirkt oft nur über Placeboeffekt).
• Psychother. (▶ 14.1.2), bes. geeignet: Autogenes Training (durch Autosug-
gestion kann HF gesteigert od. gesenkt werden), Biofeedback.

14.6 Arterielle Hypertonie


▶ 9.1.
Ätiologie/Pathophysiologie
90–95 % essenzielle (primäre) Hypertonie, also ohne umschriebene organische
Ursache. Die art. Hypertonie ist damit eine klassische psychosomatische Erkr.
mit multifaktorieller Genese.
Ursächlich sind:
• genetische Disposition,
• soziokulturelle Bedingungen,
• somatische Faktoren (Adipositas, metabolisches Sy.),
• verhaltensbedingte Faktoren (Bewegungsmangel, Rauchen, übermäßiger
Salz-, Kaffee-, Alkoholkonsum), 14
• psychologische Faktoren (beruflicher od. familiärer Stress, belastende Lebens-
situation).
Pathophysiologisch ist die stressinduzierte RR-Erhöhung als sinnvoller Anpas-
sungsmechanismus in Notfallsituationen zu sehen.

Grenzwerthypertonie
• Ist mit hochnormalen RR-Werten (systol. 130–139 mmHg, diastol. 85–
89 mmHg) eine Vorstufe der manifesten art. Hypertonie.
• Tritt oft in belastenden Lebenssituationen, bei beruflichem od. familiärem
Stress auf.
• Häufig schwanken RR-Werte zwischen normal u. erhöht (labiler art. Hyper-
tonus).
• Oft erhöhter Sympathikotonus mit Unruhe, Anspannung, Tachykardie,
Schlafstörungen.
• Bes. hilfreich sind in dieser Phase Entspannungsther., Ausdauertraining, Kur-
se zur Stressbewältigung, Gewichtsabnahme, Raucherentwöhnung.

Durch rechtzeitige Lebensstiländerungen lässt sich häufig der Übergang von


einer Grenzwerthypertonie in eine essenzielle Hypertonie u. eine med. Ther.
vermeiden!

Klinik
• Schweregradeinteilung ▶ Tab. 9.1.
• Symptomfreiheit über Jahre bei leichter u. mittelschwerer Hypertonie häufig,
daher oft mangelnde Krankheitseinsicht u. geringe Motivation zur med. Ther.
718 14 Psychokardiologie 

• Hohe Dunkelziffer: Ca. 30 % werden nicht diagnostiziert!


• Unzureichende Behandlung: Ca. 60 % werden nicht od. nicht ausreichend
behandelt!
• Kardiovask. Hyperreagibilität gegenüber Umgebungsreizen:
– situativer RR-Anstieg bei Angst, Wut, Ärger, Stress, körperl. od. psychi-
scher Belastung,
– dauerhafter RR-Anstieg bei chron. Spannungszustand, z. B. berufliche od.
familiäre Belastungssituation, massive Selbstwertproblematik, aktueller
Objektverlust (Tod od. Trennung von Angehörigen), gestörte Arzt-Pat.-
Beziehung.
• Typische Persönlichkeitsmerkmale: aggressionsgehemmt, selbstunsicher,
leistungsbetont, pflichtbewusst, überangepasst, hohes Ich-Ideal, hohe eigene
Ansprüche, zwanghaft, sensibel, konfliktvermeidend.

Psychosomatische Diagnostik
• Verhaltensdiagn.:
– In welchen Situationen RR-Erhöhung?
– RR-Selbstmessung mit Selbstbeobachtungsprotokoll (Situation? Verhal-
ten? Stress? Stimmung?).
– RR-Messung bes. in Stresssituationen.
– 24-h-RR-Messung (▶ 9.1.3) unter normaler Belastung mit Selbstbeobach-
tungsprotokoll.
• Psychosomatisches Konsil:
– bei starken RR-Schwankungen u. hohem RR-Anstieg in Stresssituationen,
14 – bei ausgeprägten sympathikotonen Begleitsymptomen,
– bei ausgeprägten psychosozialen Belastungen od. Konflikten,
– bei med. schwer einstellbarem Hypertonus (Psychosoziale Probleme?
Ausreichende Compliance? Regelmäßige Medikamenteneinnahme?).

Therapie
• Med. Ther. ▶ 9.1.4.
• Ärztliche Gespräche über Lebensführung, Arbeitspensum, Urlaub, ausrei-
chenden Schlaf, Gewichtsreduktion, Bewegung, Ausdauertraining, gesunde
Ernährung, Alkohol- u. Nikotinabusus, orale Antikonzeptiva. Aufklärung
über Medikamentenwirkungen u. -NW.
• Tragfähige Arzt-Pat.-Beziehung anstreben, um Compliance zu erhöhen.
Häufige Ther.-Abbrüche, da Pat. meist symptomfrei u. ohne Leidensdruck
sind. Daher ausreichend über die Krankheit u. deren schwerwiegende Folgen
(Schlaganfall, MI) informieren u. Ther. (auch med.!) mit dem Pat. zusammen
planen.
• RR-Selbstmessung: Pat. können selbst Zusammenhang zwischen RR u. Le-
benssituation erkennen u. mehr Eigenverantwortung übernehmen.
• Schulungsprogramm für Hypertoniepat. (Dt. Liga zur Bekämpfung des ho-
hen Blutdrucks e. V.).
• Entspannungsther. (▶ 14.1.2): bei chron. Anspannung u. Überforderung,
wenn ausreichende Motivation besteht.
• Psychother. (▶ 14.1.2): Ind. bes. bei med. schwer einstellbarem Hypertonus
u. ausgeprägten psychosozialen Belastungen. Ziele: chron. Konflikte u. belas-
tende Lebenssituation besprechen, Veränderung von Risikoverhalten u. RF,
Verbesserung der Compliance.
 14.7 Synkopen  719

Prognose
Abhängig von der Konsequenz der med. Ther., der Stabilität des therap. Bündnis-
ses zwischen Arzt u. Pat. u. der Compliance des Pat. Bei ausgeprägten psychosozi-
alen Belastungen verbessert eine Psychother. die Prognose.

14.7 Synkopen
Reversibler kurz dauernder Bewusstseinsverlust mit spontaner Erholung (▶ 9.2.2).
Synonyme: Blackout, Ohnmacht, Kollaps. 30–50 % aller Synkopen sind psycho-
gen, bes. in der Pubertät u. bei jungen Erw. (organisch bedingte Synkopen häufi-
ger bei Pat. > 50 J.).

Psychosomatische Diagnostik
• Genaue Anamnese: Auslösende Situation? Angst? Schreck? Stress? Welche
Gefühle? Welche Körperlage? Prodromi? Wiederholtes Auftreten in ähnli-
chen Situationen? Zeitlicher Zusammenhang mit Belastungen, Problemen od.
gestörten Beziehungen?
• Fremdanamnese: Wer hat Synkope beobachtet? Auffälligkeiten?
Differenzialdiagnose
• Organisch bedingte Synkopen.
• Psychogene Synkopen (oft auch Mischformen):
– vasovagale Synkopen (▶ 14.7.1),
– konversionsneurotische Synkopen (▶ 14.7.2), 14
– psychogene Synkopen unklarer Genese (meist einmalig u. harmlos, Ther.
nur bei wiederholtem Auftreten nötig),
• Selten Synkope bei Hyperventilationssyndrom.

14.7.1 Vasovagale Synkopen


Synkope durch vasovagale Dysregulation.

Klinik
Bei akutem Angstzustand auftretend (Blutentnahme, Injektion, Zahnarzt), nur im
Sitzen od. Stehen. Zuerst Muskelschwäche, Übelkeit, Schweißausbruch, Unruhe,
Blässe, dann Tonusverlust der Muskulatur, „Umfallen“ u. plötzlicher Bewusst-
seinsverlust, Ohnmacht. Dabei RR ↓, HF erst ↑, dann ↓. Dauer 10–35 s, rasch
reversibel durch Hinlegen.

Psychodynamik
Bedrohliche Situation mit Angst, ohne sich entziehen zu können u. ohne die
Angst offen zeigen zu können. Pat. ist der Situation „ohnmächtig“ ausgeliefert.

Therapie
• Akut: Lagerung (Beine hoch, Kopf tief), sensorische Reize (Klaps, Anspre-
chen, Riechfläschchen, kaltes Wasser). Bei anhaltender Symptomatik
0,5–1 mg Atropin schnell i. v.
• Nach Akutther. (▶ 2.1) beruhigendes Gespräch. Pat. nicht als Simulanten be-
handeln. Nach auslösender Situation u. damit verbundenen Ängsten u. Kon-
flikten fragen.
720 14 Psychokardiologie 

• Psychosomatisches Konsil/Psychother.: nur bei rezid. vasovagalen Synkopen


mit Krankheitswert u. Leidensdruck. Ziel: Bearbeitung des zugrunde liegen-
den Konflikts.

Prognose
Wenn es gelingt, die mit der auslösenden Situation verbundenen Ängste zu bear-
beiten, meist keine weiteren Synkopen.

14.7.2 Konversionsneurotische Synkopen


Synkope als Konversionssymptom: Durch unbewussten Konflikt ausgelöste un-
angenehme Gefühle wie Angst, Wut od. Scham werden verdrängt u. zeigen sich
durch ein körperl. Symptom, das oft symbolische Bedeutung hat (z. B. Synkope =
„Ohnmacht“). ICD-10: Dissoziative Störungen, Konversionsstörungen.

Klinik
• Plötzliche reversible Bewusstlosigkeit ohne Kreislaufsymptome, in jeder Kör-
perlage auftretend. Dauer: Sekunden bis Stunden, keine EEG-Veränderun-
gen, normale Pupillenreaktion.
• Meist in Gegenwart anderer, wirkt oft dramatisch, alarmierend, appellativ auf
die Zuschauer.
• Pat. wenig beunruhigt, kann Angst, Wut od. Scham nicht erinnern, kann sich
die Bewusstlosigkeit nicht erklären, leugnet meist offensichtliche Probleme
od. Konflikte.
14 • Anamnese: teilweise auch andere Konversionssymptome (z. B. unklare
Bauchschmerzen).

Psychosomatische Therapie
• Pat. einfühlsam begleiten u. sich bemühen, das Symptom gemeinsam mit
dem Pat. allmählich zu verstehen.
• Psychosomatisches Konsil/Psychother.:
– zunächst zur Psychother. motivieren, da keine od. nur geringe Einsicht in
den Zusammenhang zwischen Konflikt u. Symptom besteht,
– Klärung u. Bearbeitung des zugrunde liegenden Konflikts bei rezid. kon-
versionsneurotischen Synkopen,
– Psychotherapieverfahren ▶ 14.1.2.

Prognose
• Wiederholte organische Diagn. führt bei Konversionssymptomen oft zu Fehl-
diagnosen u. Chronifizierung.
• Die Prognose mit Psychother. hängt von der zugrunde liegenden psychischen
Störung, der Lebenssituation, Persönlichkeitsstruktur u. Dauer der Erkr. ab.
Bei Dauer > 2 J. oft Ther.-Resistenz.
• Bei bewusstseinsnahen, entwicklungsbedingten Konflikten (z. B. in der Pu-
bertät) führen oft einige klärende Gespräche mit behandelndem Arzt od. Psy-
chotherapeuten zur Heilung.
 14.8 Interventionelle Therapieverfahren/Kardiochirurgie  721

14.8 Interventionelle Therapieverfahren/


Kardiochirurgie
▶ 3.10.4, ▶ 12.
14.8.1 P
 sychosomatische Aspekte in der interventionellen
Kardiologie
• Zunahme nichtchirurgischer Methoden wie PCI, PTCA, Ballondilatation,
Stentimplantation u. Atherektomie zur Behandlung von Koronararterienver-
schlüssen u. -stenosen u. Abnahme von Bypass-OP bedeutet für den Pat.
– geringere Komplikationsrate,
– hohe Erfolgsrate (A. p. verschwindet sofort, Verbesserung der Lebensqua-
lität),
– wesentlich kürzerer Krankenhausaufenthalt,
– aber keinen Anstieg der Überlebensrate im Vergleich zur med. Ther.
• Der Kardiologe wird vom Internisten zum interventionellen Arzt, zum hal-
ben Chirurgen, zum Handwerker, der (meist sehr erfolgreich) die verengten
Koronarien repariert. Dabei sollte er aber den ganzen Menschen im Blick be-
halten, den Pat. mit seinen RF, Ängsten u. psychosozialen Bedingungen.
• Vermieden werden sollte ein okulostenotischer Reflex, eine Einengung des
Blicks auf die Stenose, u. damit eine Vernachlässigung der Ursachen des pa-
thogenetischen Prozesses.
• Vor der PCI: 14
– Nicht nur Formulare u. Einverständniserklärung, sondern Aufklärung
über Anlass u. Ablauf der Untersuchung im persönlichen Arzt-Pat.-
Gespräch.
– Hinweis auf mögliche Symptome während der PCI, die behandelbar sind,
nimmt Ängste.
– Einsatz von Broschüren od. Videofilmen kann bei Aufklärung helfen.
– Nach subjektiver Krankheitstheorie des Pat. fragen: „Haben Sie eine Vor-
stellung, warum dieser Eingriff nötig ist?“
– Informieren, ausgehend vom Vorwissen des Pat., für den Pat. verständlich
erklären. Pat. soll Fragen stellen dürfen.
– Über Ängste des Pat. sprechen (vor dem Scheitern des Eingriffs, vor KO,
vor der Notwendigkeit einer notfallmäßigen Bypass-OP).
– Angehörige einbeziehen u. informieren, damit diese den Pat. vor u. nach
dem Eingriff unterstützen können.
• Während der PCI: Zuwendung u. Unterstützung durch Arzt u. Team des Ka-
theterlabors: Eine tragfähige Beziehung zu einem stützenden u. steuerndem
Objekt reduziert die Angst vor vitaler Bedrohung, Kontrollverlust, Ausgelie-
fertsein u. Abhängigkeit.
• Nach der PCI:
– Arzt-Pat.-Gespräch über Verlauf u. Ergebnis der PCI, aber auch über auf-
getretene Probleme u. KO.
– Aufklären, dass die PCI nicht die KHK beseitigt u. daher weitere kardiolo-
gische Behandlung folgen muss.
– Umstellung des Gesundheitsverhaltens (Reduktion der RF) u. Optimie-
rung der Medikation nötig.
722 14 Psychokardiologie 

– Compliance für antithrombotische Medikation (ASS + Clopidogrel) ist


nötig, nach einem DES sogar für 6–12 Mon., ansonsten droht die Re- bzw.
In-Stent-Stenose.

14.8.2 Psychosomatik bei Herzoperationen


Psychosyndrome sind (nach Herzrhythmusstörungen) die zweithäufigste KO
nach OP am offenen Herzen. Häufigkeit: postop. psychopathologische Symptome
bei 30–60 % der Pat., abhängig von der OP-Art. Formen:
• akute organische Psychose (hirnorganische Funktionsstörung als OP- od.
Narkosefolge, meist reversibel),
• organisches Psychosyndrom (irreversible Hirnschädigung, selten),
• reaktive psychische Störung (psychische Reaktion auf Herz-OP, häufiger bei
vorbestehenden psychosozialen Belastungen. ICD-10: akute Belastungsreakti-
on, Anpassungsstörung od. PTSD),
• häufig Mischbilder mit organischen u. psychischen Ursachen.
Klinik
• Postop. Phase: Symptome einer organischen Psychose od. akuten Belastungs-
reaktion, Auftreten meist am 2.–7. Tag postop., nur bei 10 % länger als 10 Ta-
ge andauernd:
– Emotionale Störung: Depressivität, Zurückgezogenheit, Hoffnungslosig-
keit, Antriebslosigkeit.
– Bewusstseins- u. Orientierungsstörung: Benommenheit, Verwirrtheit, si-
14 tuative Desorientierung.
– Paranoid-halluzinatorische Störung: optische Halluzinationen, Wahnein-
fälle, Wahngedanken.
• Rehabilitationsphase: Depressivität, Hoffnungslosigkeit u. Angst können
auch bei komplikationslosem Verlauf u. somatischer Besserung lange anhal-
ten, bes. wenn Pat. schon vor der OP depressiv u. ängstlich war.
• Teilweise Entwicklung einer Anpassungsstörung od. einer PTSD (▶ 14.3).
Psychosomatische Diagnostik
• Präop.: Immer nach RF fragen: Psychische Störungen? Partnerschafts-
od. Familienkonflikte? Soziale Probleme? Neurol. Auffälligkeiten? Zere­
brale Vorschädigung? Psychosomatisches Konsil bei ausgeprägten psy-
chosozialen Belastungen od. auffallender Depressivität, Hoffnungslosig-
keit, Angst.
• Postop.: Psychisches Befinden täglich beobachten. Psychosomatisches/psych-
iatrisches Konsil bei ausgeprägter Depressivität, anhaltenden Angstzustän-
den, Bewusstseins- od. Orientierungsstörungen, Halluzinationen, Wahnvor-
stellungen.

Die Beobachtung des psychischen Befindens ist genauso wichtig wie die re-
gelmäßige RR-Messung.

Psychosomatische Therapie u. Prophylaxe


• Emotionale Unterstützung u. Gespräche anbieten.
• Pat. informieren über Art u. Verlauf der Herz-OP, KO, postop. Ther.-Maß-
nahmen u. geplante Rehabilitation.
 14.8 Interventionelle Therapieverfahren/Kardiochirurgie  723

• Mitarbeit eines Psychosomatikers im Team wünschenswert.


• Psychother. (▶ 14.1.2) indiziert bei anhaltender Angst, Depressivität, Anpas-
sungsstörung od. PTSD.

Prognose
• Langzeiterfolg, Rehabilitation u. Überlebensrate nach Herz-OP sind stark von
psychosozialen Faktoren abhängig.
• Deutlich schlechtere Prognose bei bereits präop. depressiven u. hoffnungslo-
sen Pat., starken psychosozialen Belastungen u. aktuellen Partnerschafts- od.
Familienkonflikten.

14.8.3 Psychosomatik bei Herztransplantation


Wartezeit u. HTX können erhebliche psychische Belastungen für Pat. u. Angehö-
rige bedeuten. Daher fordert das Transplantationsgesetz eine psychosomatische
Mitbehandlung der Pat. in den Transplantationszentren. Unterschiedliche Sym­
ptome erfordern je nach Phase der Transplantation unterschiedliche Angebote:
• Erstkontakt im Transplantationszentrum: psychologisches Explorationsge-
spräch mit psychologischer Diagn., Abklärung der Behandlungsentschei-
dung, Angebot einer psychotherap. Mitbehandlung für Pat. u. Angehörige
während des gesamten Transplantationsprozesses.
• Wartezeit vor der HTX: meist große emotionale Belastung, für viele Pat. u.
ihre Familien rückblickend die schwerste Zeit. Angst, an der Erkr. zu verster-
ben, Ungewissheit bzgl. des Transplantationstermins, Warten auf den Tod
­eines anderen Menschen (des Spenders) mit latenten Schuld- u. Schamge­ 14
fühlen, Abnahme der Lebensqualität, oft Zunahme von Depressivität, in der
akuten Phase zunehmende Einschränkung der Mobilität, Verstärkung der
Sym­ptomatik nach Aufnahme auf die HU-Liste (HU = high urgent, hoch-
dringlich), Hospitalisierung, oft Bettlägerigkeit, Abschied vom eigenen Her-
zen. In der Wartezeit regelmäßige supportive Gespräche od. Teilnahme an
­einer offenen Transplantationsgruppe für Pat. u. Angehörige anbieten, Hilfe
bei Gründung von Selbsthilfegruppen. In der akuten Phase nach stationärer
Aufnahme ins Transplantationszentrum tägliche psychotherap. Betreuung
ermöglichen, dabei enge Kooperation mit den Transplantationsmedizinern.
• Frühe postop. Phase nach HTX: häufig delirantes Durchgangssy. (akute or-
ganische Psychose), teils mit anhaltender Erinnerung u. erheblicher psychi-
scher Beeinträchtigung. Bei unkompliziertem Verlauf euphorische Phase (ho-
neymoon period), die dann häufig abrupt durch medizinische KO od. Absto-
ßungsreaktionen unterbrochen wird. Ggf. psychiatrisches Konsil. Psychother.
in der akuten postop. Phase eher schwierig, kurze stützende Gespräche u.
Entspannungsther. können hilfreich sein.
• Späte postop. Phase nach HTX: oft erneut Ängste u. Depressivität, Spender-
fantasien, teilweise Schuldgefühle (Ich lebe u. er nicht!), Gewöhnung an das
„fremde Herz“, Abstoßungsängste, Schmerzen. Fortsetzung der psychothe-
rap. Gespräche aus der präop. Phase möglichst mit dem gleichen Therapeu-
ten, Entspannungsther., Stärkung der Ressourcen, Copingstrategien, Einbe-
ziehung der Angehörigen.
• Poststationäre Phase: Krankheitsbewältigung, Auseinandersetzung mit Kör-
perveränderungen (NW der Immunsuppressiva), Abstoßungsängste, Diszi­
plin bei Medikamenteneinnahme, Wiedereingliederung ins soziale Leben, ggf.
Neuorientierung. Psychische Destabilisierung durch Alltagskonflikte kann
724 14 Psychokardiologie 

weitreichende Folgen haben (z. B. Abstoßungsreaktion bei fehlender Medika-


menteneinnahme). Bei Nachuntersuchungen im Transplantationszentrum
auch Angebot psychosomatischer Nachgespräche. Bei bes. Ind. (z. B. Anpas-
sungsstörung od. PTSD) ambulante Psychother. am Heimatort empfehlen.

14.8.4 Patienten mit Herzschrittmacher


Klinik
• Kurz nach SM-Implantation häufig depressive Verstimmung, Angst, Skepsis,
Gefühl der Abhängigkeit (bes. bei jungen Pat.).
• Bei komplikationslosem Verlauf meist gute Akzeptanz des SM.
• Bei vorbestehenden psychosozialen Problemen, depressiven od. ängstlichen
Pat. od. nach KO ist eine Fehlverarbeitung mit andauernder Angst, Ableh-
nung des Fremdkörpers u. depressiven Zuständen möglich.

Psychosomatische Diagnostik
• Vor u. nach SM-Implantation auch nach psychosozialen Problemen (Bezie-
hung zum Partner? Berufliche Situation?) fragen u. auf seelischen Zustand
achten.
• Psychosomatisches Konsil bei ausgeprägter Angst, Depressivität od. ausge-
prägten psychosozialen Problemen.

Psychosomatische Therapie u. Prophylaxe


14 • Pat. u. Angehörige ausreichend u. verständlich über SM-Funktion, Ind., KO
u. Verhaltensmaßregeln für SM-Träger informieren,
• emotionale Unterstützung anbieten,
• Psychother. (▶ 14.1.2) bei ausgeprägter Fehlverarbeitung, anhaltenden Ängs-
ten od. starker Depressivität.

14.9 Reanimation
Nach Reanimation werden folgende psychische Störungen (häufig auch Mischbil-
der) beobachtet:
• akute organische Psychose (Hypoxiefolge, meist reversibel),
• organisches Psychosyndrom (bei irreversibler Hirnschädigung. ICD-10: An-
dere organische Persönlichkeits- u. Verhaltensstörungen).
• reaktive psychische Störungen (psychische Reaktion auf Todesnähe; keine
Hirnschädigung. ICD-10: Akute Belastungsreaktion, Anpassungsstörung od.
posttraumatische Belastungsstörung).

Klinik
• Akutphase: Symptome einer organischen Psychose u./od. akuten Belastungs-
reaktion:
– Initiale Schockreaktion nach Reanimation mit ausgeprägten Störungen
von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit u. Denken, Gefühl, „tot“ zu sein,
keine Schmerzen, keine Gefühle.
– Später Erinnerungsfragmente an das erschreckende Ereignis, teilweise
akustische od. taktile Erinnerungen an die Reanimation, Todesnäheerleb-
nisse, Auftreten von Angst, schweren Albträumen, jedoch meist weiter
Verdrängung u. Verleugnung als Selbstschutz.
 14.9 Reanimation  725

• Rehabilitationsphase:
– PTSD: anhaltende Ängste, vermehrte Reizbarkeit, Depressivität, Apathie,
ausgeprägte Abhängigkeits- u. Versorgungswünsche gegenüber Angehö-
rigen u. Ärzten, hypochondrische Verarbeitung, übertriebene Schonhal-
tung (Beruf, Familie).
– Organische Persönlichkeits- od. Verhaltensstörung: Denkstörungen wie
reduzierte Einsichtsfähigkeit u. Gedächtnisstörungen; Persönlichkeitsver-
änderungen.

Psychosomatische Diagnostik
• Regelmäßige Gespräche anbieten. Auf psychische Reaktion achten. Auch mit
Angehörigen sprechen (Persönlichkeitsveränderung?).
• Psychosomatisches/psychiatrisches Konsil bei ausgeprägten Ängsten od.
Depressivität.
• Neurol. Konsil bei V. a. organische Hirnschädigung: Anhaltende schwere
Denkstörungen? Bewusstseinsstörungen?

Psychosomatische Therapie u. Prophylaxe


• Stützende Gespräche mit Pat. u. Angehörigen: Alle Fragen möglichst offen
beantworten, über Gefühle sprechen, Pat. mit seiner Angst nicht allein lassen,
über poststationäre Behandlung u. Rehabilitationsmöglichkeiten informieren.
• Supportive Psychother. (▶ 14.1.2) bei anhaltender Depressivität, starken
Ängsten od. psychosozialen Problemen.

Prognose 14
• Depressivität u. Todesängste bei fast allen nach Reanimation aus dem Kran-
kenhaus entlassenen Pat., bes. in den ersten 6 Monaten.
• Mortalität in den ersten 6 Mon. nach Krankenhausentlassung 25 %. Von den
6 Mon. Überlebenden behalten ca. 10 % ein hirnorganisches Psychosyndrom.
• Lebensqualität u. Rehabilitation können durch Psychother. verbessert werden.
Register
Symbols Angeborene Herzfehler Aortendissektion 36, 216, 527
β-Rezeptorenblocker, Siehe Beta- –– Erwachsene mi, Siehe EMAH –– atypische 535
blocker –– Schwangerschaft 283 –– Erstversorgung 532
Angina decubitus 52 –– Management 37
A Angina pectoris 43 –– Stanford A 40
ABCD-Regel 19 –– atypische 52 –– traumatische 535
Abciximab 618, 619 –– CCS-Klassifikation 51 Aortenisthmusstenose
Ablation, akzessorischer –– Differenzialanamnese 52 –– Angiografie 201
Leitungsbahnen 681 –– instabile 31, 43 –– Befunde 259
ACE 465 –– – Klassifikation nach Braun- –– Echokardiografie 197
Acebutolol 564 wald 63 –– EMAH 289
ACE-Hemmer 566 –– – Klinik 61 –– Formen 259
–– ACS 83 –– nach PCI 640 –– invasive Diagnostik 261
–– Dosierung 567 –– nächtliche 52 –– Klinik 259
–– KHK 134 –– REM-Schlaf-induzierte 52 –– Therapie 262
–– STEMI 83 –– Revaskularisationstherapie Aortenklappenersatz 205, 217,
Acetylcholin-Test 55, 58 135 225
Acetylsalicylsäure 613 –– stabile 31, 43, 50 –– ROSS-Operation 205
–– KHK 131 –– Therapie Aortenklappeninsuffizienz
ACS 34, 43, 59 –– – allgemeine 130 –– akute 219
–– Antikoagulation 75 –– – antianginöse 132 –– – Ätiologie 219
–– Basistherapie 65 –– – antithrombotische 131 –– – Diagnostik 220
–– Begleitmaßnahmen 103 –– – medikamentöse 131 –– – Symptome 220
–– Diagnostik 74 –– vasospastische, Siehe Prinzme- –– – Therapie 224
–– Differenzialdiagnosen 73 tal-Angina –– Ätiologie 208
–– Echo und Bildgebung 72 Angina-Äquivalente 53 –– chronische 207
–– kardiale Marker 70 Angiotensin converting enzyme, –– – angiografische Schweregrad-
–– Koronarangiografie 68 Siehe ACE einteilung 215
–– PCI 68 Anthrazykline, Kardiomyopa- –– – Diagnostik 209
–– Revaskularisation 68 thie 325 –– – Differenzialdiagnose 215
–– Risikostratifizierung 73, 113 Antianginosa 558 –– – Hämodynamik 215
–– Therapie Antiarrhythmika 576 –– – Schweregrade 214
–– – antithrombotisch-antikoa- –– Dialysierbarkeit 579 –– – Symptome 208
gulatorische 78 –– in der Schwangerschaft 460 –– – Therapie 216
–– – antithrombozytäre 77 –– Klasse II 560 Aortenklappenöffnungsflä-
–– – kardioprotektive 83 –– Klassen nach Vaughan-­ che 198, 201
–– – medikamentöse 75 Williams 401 Aortenstenose
–– Vorgehen 64 Antibiose, bei Endokarditis 336 –– Ätiologie 194
ACVB 148 Antibiotika 629 –– bikuspide 194
Adams-Stokes-Anfall 383 Antihypertensiva 508 –– Diagnostik 195
Adenosin 593 Antikoagulanzien 598 –– Differenzialdiagnose 203
Aderlass, unblutiger 39 Antikoagulation 414 –– Hämodynamik 200
ADP-Rezeptorantagonisten –– ACS 75 –– kalzifizierte bikuspide 194
614 –– bei DCM 312 –– Komplikationen 206
Adrenalin 546, 549 Antitachykarde Stimulation –– plötzlicher Herztod 455
–– Perfusor 550 (ICD) 673 –– primär degenerative kalzifi-
Ajmalin 580, 581 Antithrombin III 598 zierte 194
Ajmalin-Test 432, 433 Antithrombintherapie, ACS 75 –– Schweregrade 199
Akromegalie 323, 325 Anuloplastik 182, 230 –– senile 194
Aldosteronantagonisten 554 Aorta –– subvalvuläre 194
Aliasing 175 –– intramurales Hämatom 535 –– supravalvuläre 194
Alkohol –– penetrierendes atherosklero- –– Symptome 195
–– KHK 8 tisches Ulkus 536 –– Therapie 203
–– Reha KHK 699 –– Thromboatheromatose 537 –– trikuspide 194
Alteplase 623 Aorta-ascendens-Dissektion –– unikuspide 194
Amikacin, Serumspiegel 630 212 –– valvuläre 194
Amiodaron 589 Aortenaneurysma Aortenvitium, kombiniertes,
Amrinon 552 –– fusiformes 524 Dopplerprofil 198
Amyloidose 328 –– luetisches 524 Aortenwurzelerkrankungen
Anamnese, psychosoma- –– mykotisches 524 208
tische 705 –– sacculiformes 524 Aortoarteriitis, Siehe Takayasu-
Anasarka 467 –– thorakales 524 Arteriitis
Aneurysma spurium, bei Aortenbogen-Syndrom, Siehe Aortografie 215
PCI 647 ­Takayasu-Arteriitis
 Register 729

Apical Ballooning Syndrome, Atheroembolie, bei PCI 647 Basisreanimation 19


­Siehe Tako-Tsubo-Kardiomyo- Atheromatose 2 Beatmung 19
pathie Atherosklerose, thorakale Begin of life (B.O.L.), Schrittma-
Arrhythmie, bradykarde 27 ­Aorta 524 chersysteme 665
Arrhythmie(n) Atorvastatin 626 Belastbarkeit 696
–– bei Schwangerschaft 459 atriales natriuretisches Peptid –– Alltag u. Freizeit 698
–– bei Sportlern 460 (ANP) 465 –– Reha-Phase II 696
–– bradykarde Siehe Herzrhyth- Atrio-His-Bündel 425 Belastungsstörung, posttrauma-
musstörungen, bradykarde Atropin 596 tisch 712
–– Diagnostik 375 Atropinsulfat 597 Benazepril 567
–– EMAH 285 Ausflusstraktobstruktion Benzothiazepine 574
–– KHK 689 –– linksventrikuläre, EMAH 289 Beriberi 325
–– nach Klappenersatz 276 –– rechtsventrikuläre, Betablocker 560
–– supraventrikuläre tachykar- EMAH 290 –– ACS 83, 84
de 403 Auskultationsmerkmale –– als Antiarrhythmikum 586
–– und Narkose 461 –– Aorteninsuffizienz 221 –– Arrhythmien 560
–– ventrikuläre 447 –– Aortenstenose 196 –– Dosierung 564
Arterenol 551 –– ASD 240 –– KHK 132
Arterial-Switch-OP 271 –– Mitralinsuffizienz 173 –– Pharmakokinetik 562
Arterielle Hypertonie 504 –– Mitralstenose 160 –– Wirkung 562
–– Definition 504 –– Trikuspidalinsuffizienz 226 –– Wirkungsprofile 561
–– Diagnostik 506 –– Trikuspidalstenose 231 Bewegungstherapie 696
–– essenzielle 512 –– VSD 247 Bewusstlosigkeit
–– Folgeschäden 505 Austin-Flint-Geräusch 161, 207, –– bei ventrikulärer Tachykar-
–– – neurologische 506 210, 221 die 438
–– Hyperaldosteronismus 516 Autofahren, Reha KHK 699 –– manifeste 520
–– in der Schwangerschaft, Siehe AV-Block –– scheinbare 520
Schwangerschaftshypertonie –– bei Myokardinfarkt 109 Bewusstseinsverlust 17
–– Klinik 505 –– erworbener 394 –– akuter 16
–– nach Herztransplantation 501 –– Grad I 389 Bezafibrat 629
–– Nierenschäden 505 –– Grad II 391 Bigeminus 447
–– Phäochromozytom 514 –– – Mobitz Typ I 391 Bindegewebserkrankungen
–– psychosomatische As- –– – Mobitz Typ II 392 326
pekte 717 –– – Wenckebach 391 Bing-Taussig-Komplex 271
–– renal bedingte 513 –– Grad III 393 Bioprothesen, Degeneration
–– renoparenchymatöse 514 –– kongenitaler 394 275
–– renovaskuläre 513 AV-Blockierungen, Schrittma- Bisoprolol 564
–– sekundäre 507, 513 chertherapie 657 Björk-Shiley-Klappenpro­
–– Therapie 508 AV-Dissoziation 393 these 170, 280
Arterieller Hypertonus, Siehe AV-Fistel, bei PCI 646 Bland-White-Garland-Syn-
Arterielle Hypertonie AV-Intervall, Schrittmacher 665 drom 47
Arterie(n), große, Transposition, AV-Kanal-Defekt 239 Blankingzeit (Schrittma-
Siehe TGA –– kompletter, EMAH 289 cher) 664
Arterienverschluss, thrombo- AV-Knoten-Ablation 680 Block, unidirektionaler 397
tischer, bei PCI 647 AV-Knoten-Reentry-Tachykar- Blutdruckmessung
Arteriitis, granulomatöse 539 die 399, 421 –– Langzeit- 507
Arteriitis temporalis 539 –– gewöhnliche Form 422 –– Technik 506
Aschoff-Knötchen 346 –– ungewöhnliche Form 422 Bluthochdruck, Siehe Arterielle
ASD 238 AV-Reentry- Hypertonie
–– Diagnostik 240 Tachykardie(n) 399 Blutung, bei PCI 648
–– Differenzialdiagnose 243 a-Welle 298 Blutungskomplikationen, nach
–– EMAH 288 Azidoseausgleich 22 Klappenersatz 277
–– Formen 239 BMS 139
–– Klinik 240 B BNP 469
–– Komplikationen 244 backward failure 465 Body-Mass-Index 691
–– Therapie 244 Bainbridge-Reflex 404 Boerhaave-Syndrom
Ashman-Phänomen 413, 421, Bakteriämiegefahr, bei Endokar- –– Thoraxschmerz 31
449 ditis 341 Borrelien 352
Assist-Systeme 480 Balint-Gruppe 707 Brachytherapie 655
Asthma bronchiale 38 Ballonangioplastie, bei Aorten­ Bradyarrhythmia absoluta 378,
Asthma cardiale 159, 467 isthmusstenose 262 385
Asystolie 23 Ballonkatheter 632 Bradyarrhythmie 377
–– bei Myokardinfarkt 109 –– medikamentenbeschichte- –– Notfallvorgehen 23, 28
AT1-Rezeptorantagonisten 568 ter 140 Brady-Hypotensions-Syn-
Atenolol 564 Ballonvalvuloplastie 163 drom 521
Atherektomie 652 –– Aortenstenose 203 Bradykardie 377
–– direktionale koronare, Siehe –– Mitralstenose 168 –– AV-Block 378
DCA Banding-OP 244, 252 –– AV-Knoten-Rhythmus 378
730 Register 

–– Notfallvorgehen 27 Cor pulmonale Diuretika 554


–– SA-Block 378 –– akutes 494 –– hochwirksame, Siehe Schleifen-
–– Schrittmachertherapie –– – Lungenarterienembo- diuretika
659 lie 494 –– kaliumsparende 554
Bradykardie-Hypotensions- –– – Therapie 495 –– schwach wirksame, Siehe Thi-
Syndrom 28 –– chronisches 486 aziddiuretika
Bradykardie-Tachykardie-Syn- –– – dekompensiertes 487 DMAP 571
drom 379, 382, 383 –– – Diagnostik 487 Dobutamin 546, 547
bridging-to-transplant 480 –– – kompensiertes 487 –– Dosierung 548
Broken Heart Syndrome, Siehe –– – Therapie 490 Doming 162
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie Corrigan pulse 209 Door-to-needle-time 34
Brugada-Syndrom 443 Cor triatriatum 166 Dopamin 546, 548
B-Symptomatik 332 Cournand-Katheter 242, 249 –– Dosierung 548
B-type natriuretic peptide, Siehe CRP, KHK 10 Dopexamin, Dosierung 549
BNP CRT 677 Double-outlet right ventricle
Bündel –– Indikationsstellung 678 265
–– atriofaszikuläres 425 –– Komplikationen 679 Dreier-Rhythmus 469
–– intranodale 425 –– Nachsorge 679 Dressler-Syndrom, Siehe Postmyo­
Bupropion 4 CSE-Hemmer 625 kardinfarktsyndrom
Bypass, IMA 148 D-Transposition 270
Bypass-Operation, koro- D Ductus arteriosus apertus
nare 144 Da-Costa-Syndrom, Siehe Herz- –– Diagnostik 254
beschwerden, funktionelle –– Differenzialdiagnose
C Dallas-Kriterien 348 257
C1-Esteraseinhibitormangel Dana-Point-Klassifikation, –– EMAH 289
566 PAH 491 –– Formen 253
Candesartan 569 DCA 652 –– Klinik 254
Capture beat 434 DCM 305 –– Therapie 257
Caravallo-Zeichen, Trikuspidal- –– sekundäre 324 Ductusverkalkungen 258
stenose 231 Defibrillation 20 Ductus-Verschluss, interventio-
Cardioverter-Defibrillator, im- Defibrillator, implantierbarer, neller 258
plantierbarer, Siehe ICD ­Siehe ICD Duke treadmill score 127
Carey-Coombs-Geräusch 161, Depressive Reaktion, Herzin- Duroziez-Zeichen 207, 210
254 farkt 704 Dysplasie(n)
Carpentier-Ring 230, 233 Dermatomyositis 372 –– arrythmogene rechtsventriku-
Carvallo-Zeichen 307, 316, DES 139 läre, Siehe Kardiomyopathie(n),
363 Detektionsschwelle (Schrittma- arrhythmogene rechtsventriku-
Carvedilol 564 cher) 665 läre
CCS-Klassifikation 51 DeVega-Plastik 233 Dyspnoe 466
Cefazolin 629 Diabetes mellitus –– akute 38
Cefotaxim 629 –– Kardiomyopathie 323, 325
Celiprolol 564 –– KHK 6 E
Chagas-Krankheit 352 Diabetischer Fuß, Antibiose 629 Ebstein-Anomalie 268
Cheyne-Stokes-Atmung 468 Diagnostik, Herzrhythmusstö- –– Befunde 269
Chinidin 579 rungen 375 –– Diagnostik, invasive 270
Chinidinsynkope 441, 580 Diät, KHK 691 –– EMAH 290
Chirurgie, antiarrhyth- Digitalisintoxikation 545 –– Klinik 269
mische 684 Digitoxin 543 –– Morphologie 269
Cholesterinbinder 627 –– Dosierung 544 –– Therapie 270
Cholesterinperikarditis Digoxin 543 Echokardiografie
361 –– Dosierung 544 –– bei ACS 72
Cholesterinsynthesehemmer, Dihydralazin 571 –– KHK 125
­Siehe CSE-Hemmer Dihydropyridine 574 Echoreverberationen 162
Cholestyramin 628 Diltiazem 574, 593 Eintrittsblock 452
Chordae-Ruptur 184 Diphtherie 352 Eisenmenger-Reaktion 244
Chorea minor 346 Dip-Plateau 363 Eisenmenger-Syndrom 246
Cilazapril 567 Dip-Plateau-Muster 318 –– EMAH 286
Click-murmur-syndrome Disarray 305 Ejection Click 195, 236
189 Discrete subaortic stenosis 194 Ejektionsfraktion 215
Clofibrat 629 Diskordanz EKG
Clopidogrel, KHK 132 –– atrioventrikuläre 272 –– bei Myokardinfarkt
Coeur en sabot 265 –– ventrikulo-arterielle 270 70, 85
Colestipol 628 Disorganisation, mikromorpholo- –– bei Rechtsherzinfarkt 105
Compliant Balloon 632 gische zelluläre 305 –– Lungenembolie 494
Composite-Graft-Implantation Dissektion, bei PCI 641, 647 –– Tachykardie(n)
526 Dissektionstypen, NHLBI-Klassi- –– – Analysekriterien 398
Concealed WPW 429 fikation 641 –– – DD 399
Cool-down-Automatie 405 Diurese, forcierte 554
 Register 731

EKG-DD, bradykarde Rhyth- Endomyokardfibrose 345 Fenofibrat 629


men 378 Enoxaparin 601 Fettstoffwechseltherapeutika
E-Konfiguration 261 Enoximon 552 625
Elastic recoil 637 Entbindung, bei Herzklappener- FFR 58, 129
ELCA, Eximer laser coronary krankungen 281 Fibrate 628
angioplasty 655 Entlassung, Weiterbetreuung, Fibrinolyse, Reinfarkt nach 106
Elective replacement indicator psychosomatische 706 Fibrinolytika 621
(E.R.I.), Schrittmachersysteme Entspannungsverfahren 707 –– Auswahl 622
666 Enzephalopathie, hyperten- Fibroelastom 368
Elective replacement time sive 37 Fibroelastose, endokardiale
(E.R.T.), Schrittmachersysteme Enzymauswaschphänomen 89 345
666 Eprosartan 569 Fieber, rheumatisches, Siehe
Elektrolyte 624 Eptifibatid 618, 620 Rheumatisches Fieber
Elektromechanische Entkopplung Ergometrie, KHK 121 Fixed-Threshold-Angina 52
(EMD) 23 Ernährung Flail mitral valve 174, 185
Elektronenstrahl-Computertomo- –– KHK 689, 692 Flecainid 583
grafie, KHK 125 Erregung, kreisende 398 Flimmerwellen 413
Elektrophysiologische Untersu- Erregungsbildungsstörungen, Flucloxacillin 629
chung, supraventrikuläre passive heterotope 395 Flugreise, Reha KHK 700
­Tachyarrhythmie 406 Ersatzrhythmus 396 Flussgradient 250
EMAH 284 –– ventrikulärer 379 Flussreserve, myokardiale fraktio-
–– Probleme Ersatzsystole(n), supraventriku- nierte, Siehe FFR
–– – kardiale 285 läre 395, 396 Fluvastatin 626
–– – nichtkardiale 288 Erwachsene, mit angeborenen Fogarty-Manöver 647
Embolie, paradoxe 245 Herzfehlern, Siehe EMAH Foramen ovale, offenes 239
Embryokardie 307 Erwartungsintervall (Schrittma- forward failure 465
Emotionaler Stress, KHK 10 cher) 664 Fosfomycin 629
Enalapril 567 Erythema anulare 346 Fosinopril 567
Endless-Loop-Tachykardie 669 Erythromycin 629 fractional flow reserve, Siehe FFR
Endocarditis fibroplastica Löff- escape beat 395 Framingham-Studie 10
ler 315, 326, 344 Esmarch-Handgriff 19 Frank-Starling-Mechanis-
End of life/service (E.O.L./E.O.S.), Esmolol 564, 587 mus 464
Schrittmachersysteme 666 Etofibrat 629 Friedreich-Ataxie 323
Endokardfibrose 315 EuroSCORE 138 Frühmobilisation 694
Endokarditis Eximer-Laser, Koronarangio­ Furosemid 557
–– Bakteriämiegefahr 341 plastie 655 fusion beat, Siehe Fusionssystole
–– bakterielle 332 Exit-Block 452, 665 Fusionsschlag, Siehe Fusionssys­
–– – Diagnostik 333 Extrasystole(n) tole
–– – Therapie 335 –– bei Myokardinfarkt 110 Fusionssystole 434
–– blutkulturnegativ 340 –– komplexe 451
–– EMAH 286 –– supraventrikuläre 420 G
–– infektiöse 332 –– – blockierte 392 Gallavardin-Phänomen 195
–– Kunstklappen-, Siehe Kunst- –– ventrikuläre 447 Gallavardin-Tachykardie 443
klappenendokarditis –– – interponierte 447 Gallopamil 574
–– Libman-Sacks 344, 369 –– – Klassifikation nach Galopprhythmus 469
–– Löffler, Siehe Endocarditis Lown 451 Gänsehalsdeformierung 241
­fibroplastica Löffler –– – monomorphe 447 Gefäßkomplikation(en), peri-
–– marantische 343 –– – polymorphe 447 phere, bei PCI 646
–– nichtbakterielle thrombotische, extrasystolie en salves 443 Gefäßverschluss, akuter, bei
Siehe Endokarditis, maran- Extrasystolie, Siehe PCI 642
tische Extrasystole(n) Gemfibrozil 629
–– parietale fibroplastische, Siehe Ezetimib 627 Gentamicin 629
Endocarditis fibroplastica Löff- –– Serumspiegel 630
ler F Gesundheitstraining 690
–– Prophylaxe, Siehe Endokardi- Facies mitralis 160 Globalinsuffizienz, respirato-
tisprophylaxe Fallot-Hexalogie 263 rische 489
–– Rechtsherz-, Siehe Rechtsherz­ Fallot-Pentalogie 263 Glykogenose Typ II Pompe 324
endokarditis Fallot-Tetralogie 263 Glyzeroltrinitrat 559
–– Risiken 332 –– Befunde 264 GP-IIb/IIIa-Rezeptorantago-
–– Risiko bei HCM 304 –– Diagnostik, invasive 265 nisten 618
Endokarditisprophylaxe 341 –– Druckkurve 266 –– ACS 80
–– Mitralklappenprolaps 192 –– EMAH 290 Graham-Steel-Geräusch 161,
Endokardkissendefekt 239 –– Klinik 264 247
Endomyokardbiopsie, bei restrik- –– Therapie 267 Grenzfrequenz, obere, Schrittma-
tiver Kardiomyopathie 318 Fallpauschalenregelung 694 cher 664
Endomyokarderkrankung(en), Familientherapie 708 Gruppentherapie 708
eosinophile, Löffler, Siehe En- Fast-slow-Tachykardie 422 Guedel-Tubus 20
docarditis fibroplastica Löffler Felodipin 574
732 Register 

H –– Therapie 474 –– psychische Aspekte 723


Hämatom, retroperitoneales, bei –– – medikamentöse 475 –– Verlaufskontrolle 500
PCI 648 –– Ursachen 464 –– Voruntersuchungen 497
Hämochromatose 325, 327 Herzkatheteruntersuchung, Herz- Herztumoren 366
Hämodynamische Differenzial- insuffizienz 471 –– benigne 367
therapie 30 Herzklappenerkrankungen, bei –– maligne 368
Hämofiltration 481 Schwangerschaft 281 Herzviitien, kongenitale, plötz-
Hämolyse, nach Klappener- Herzklappenersatz 273, 274 licher Herztod 455
satz 278 –– antithrombotische Thera- Herzwandaneurysma 153
Harnwegsinfekt, Antibiose 629 pie 276 Herzwandruptur 112
HCM 293 –– Kriterien zur Klappen- hibernating myokardium 153
–– bei Schwangerschaft 302 wahl 273 High-Output-Failure 466
–– Diagnostik 294 –– transprothetische Gradien- Hill-Phänomen 209
–– Echobefunde 297 ten 279 Hilusbild, tumoröses 248
–– Komplikationen 303 Herzklappenfehler Hirnbasisaneurysma 259
–– sekundäre 323 –– Ätiologie 158 HIV-Infektion, Myokardschädi-
HDL-Cholesterin, KHK 7 –– degenerative 158 gung 351
Heparin –– Diagnostik 158 HMG-CoA-Reduktase-Hemmer,
–– ACS 75 –– nach infektiöser Endokardi- Siehe CSE-Hemmer
–– niedermolekulares 600 tis 158 HNCM 293
–– Thrombopenie 599 –– rheumatische 158 Hochfrequenzstromablation
–– Überdosierung 600 Herzklappenprothesen 679
–– unfraktioniert 598 –– Folgen 274 Hockstellung 267
Herzangstsyndrom, Siehe Herz- –– Hämodynamik 274 HOCM 293
beschwerden, funktionelle –– Klappenseparation 197 –– Differenzialdiagnose 304
Herzbeschwerden, funktio- –– Schwangerschaft 282 Holiday-Heart-Syndrom 412
nelle 31, 709 –– Verlaufskontrolle 278 Holter-EKG, Siehe Langzeit-EKG
–– DD zur KHK 710 Herzmetastasen 369 Holzschuhherz 265
–– Therapie 710 Herzneurose, Siehe Herzbe- Homocystein 9
Herzbett 474 schwerden, funktionelle –– KHK 9
Herzbeuteltamponade 365 Herzoperation, psychosomatische Hormonersatztherapie (Meno-
Herzdruckmassage 20 Aspekte 722 pause) 117
Herzerkrankung(en), hyperten- Herzphobie, Siehe Herzbeschwer- Hydrochlorothiazid 555
sive 37, 505 den, funktionelle Hydroxycobalamin 571
Herzglykoside 543 Herzrhythmusstörungen Hyperaldosteronismus 516
–– Dosierung 544 –– bei Myokardinfarkt 109 Hypercholesterinämie 691, 692
–– Nebenwirkungen 543 –– bradykarde 377 Hyperhomocysteinämie 116
–– Pharmakokinetik 544 –– – Diagnostik 377 Hyperlipidämie 692
–– Wirkmechanismus 543 –– – Therapie 379 –– KHK 689
Herzinsuffizienz 464 –– Diagnostik 375 –– nach Herztransplantation
–– Adaptationsmechanis- –– durch KHK 153 501
men 464 –– funktionelle 716 Hyperlipoproteinämie 691
–– Allgemeinmaßnahmen –– psychosomatische Hypertensive Krise 37
474 ­Aspekte 716 –– Komplikationen 37
–– Arrythmien 478 –– tachykarde 397 –– Management 37
–– Behandlungsfehler 477 –– – Diagnostik 398 Hyperthyreose 323, 325
–– bei HCM 304 –– – fokale Impulsbildung 397 Hypertonie
–– bradykarde 380 –– – Klinik 398 –– arterielle, Siehe Arterielle
–– chronische 466 –– – kreisende Erregung 397 ­Hypertonie
–– Diagnostik 468 –– – Reentry 397 –– pulmonalarterielle, Siehe PAH
–– diastolische 465, 481 –– – Therapieprinzipien 400 –– pulmonale 490
–– Echokardiografie 470 –– Therapieprinzipien 375 –– – Diagnostik 491
–– Einteilung 465 Herzschäden, medikamen- –– – Klassifikation 491
–– EMAH 286 töse 353 –– – Therapie 492
–– Ernährung 475 Herzschrittmacher, Siehe Schritt- Hypertonus
–– ischämische 44 macher –– arterieller, Siehe Arterielle
–– Klinik 466 Herzsportgruppe 697 Hypertonie
–– Komplikationen 467 Herztod, plötzlicher 44, 151, –– KHK 4
–– Koronarsklerose 153 454 Hypertriglyzeridämie 692
–– Kreislaufunterstützung –– EMAH 285 Hypertrophie
480 Herzton, erster, paukender –– apikale 293
–– Labor 469 160 –– bilanzierte 173
–– nach Klappenersatz 276 Herztransplantation 496 Hyperventilationssyndrom 31
–– Pathophysiologie 464 –– Immunsuppression 499 Hyperventilationstetanie 38
–– Rasselgeräusche 469 –– Indikationen 496 Hypoperfusion, periphere 468
–– Sofortmaßnahmen bei Dekom- –– Komplikationen 498 Hypophysenvorderlappeninsuffi-
pensation 477 –– Kontraindikationen 497 zienz 519
–– systolische 465 –– Nachbehandlung 499 Hypothyreose 325, 361
 Register 733

Hypotonie 29 Kammerersatzsystole 396 –– Hypertonie 4


–– orthostatische 520 Kammerflattern 21, 399, 445 –– Klinik 50
–– arterielle Kammerflimmern 21, 400, 445 –– Menopause 10
–– – intermittierende 519 –– bei Myokardinfarkt 110 –– Pathogenese 48
–– arterielle 518 Kammertachykardien, Ablation –– Pathophysiologie 44
–– nach Myokardinfarkt 107 683 –– Prognose 151
Hysterese 665 Kardiale Marker, bei ACS 70 –– psychosomatische
Kardiochirurgie, psychische As- ­Aspekte 711
I pekte 722 –– Rauchen 3
IABP (Intraaortale Ballon-Gegen- Kardiogener Schock 29, 108 –– Risikofaktoren 49
pulsation), STEMI 109 Kardiomyopathie(n) –– Risikostratifizierung 127
ICD 456, 673 –– alkoholische 324 –– Risikoverringerung 689
–– Detektions- u. Differenzie- –– Anthrazykline 325 –– Sonderformen 54
rungsalgorithmen 676 –– arrhythmogene rechtsventriku- –– Triglyzeride 9
–– Indikationsstellung 675 läre 320 –– Übergewicht 7
–– Therapiealgorithmen 676 –– – Tachykardie 445 KHK-Äquivalent 6
IHSS 293 –– bei Schwangerschaft 302 Killip-Klassifikation 107
IMA-Bypass 148 –– Definitionen 292 Kipptischuntersuchung 389
Immunsuppression, Herztrans- –– diabetische 325 Kipptisch-Versuch 522
plantation 499 –– dilatative, Siehe DCM Klappendysfunktion 275
Impulsamplitude (Schrittma- –– hypertrophe, Siehe HCM Klappenthrombose 277
cher) 665 –– hypertrophische nichtob- Klasse-IA-Antiarrhythmika 578
Impulsbildung, fokale 397 struktive, Siehe HNCM Klasse-IB-Antiarrhythmika 578
Impulsbreite (Schrittma- –– hypertrophische obstruktive , Klasse-IC-Antiarrhythmika 578
cher) 665 Siehe HOCM Klasse-II-Antiarrhythmika 578
Infektion(en), nach Herztrans- –– ischämische 309 Klasse-III-Antiarrhythmika 578
plantation 500 –– peripartale 326 Klasse-IV-Antiarrhythmika 578
Infektionsprophylaxe, nach Herz- –– primäre 293 Kokain 57
transplantation 500 –– restriktive, Siehe RCM Kollagenosen 369
Infra-His-Block 395 –– sekundäre 323 Kollapspuls 209
Inkompetenz, chronotrope 377 –– toxische 324 Kollateralgeräusche 260
INR (International Normalized –– unklassifizierte, Siehe Non- Kombinationssystole, Siehe Fusi-
Ratio) 610 Compaction-Kardiomyopathie onssystole
Interruptio, Siehe Schwanger- Kardioversion, elektrische 413 Kongestion 293, 465
schaftsabbruch Kardioverter, implantier- Koronaranatomie,
Interventionelle Kardiologie, psy- barer 673 Varianten 46
chosomatische Aspekte 721 Kardioverter-Defibrillator (ICD), Koronarangiografie
Intervention(en), perkutane koro- plötzlicher Herztod 458 –– KHK 128
nare, Siehe PCI Karotis-Druckversuch 522 –– kombiniert mit PCI 638
Interventionsfrequenz (Schritt- Karotissinus, hypersensi- Koronarangioplastie, perkutane
macher) 664 tiver 521 transluminale, Siehe PTCA
Intra-His-Block 394 Karotissinus-Syndrom 387 Koronararterie(n)
Ipratropiumbromid 596 –– Schrittmachertherapie 659 –– linke, Siehe LCA
Irbesartan 569 Karzinoidsyndrom 326 –– rechte, Siehe RCA
Ischämienachweis 152 –– Endokardmanifestation 343 –– Segmentmodell 46
Isosorbiddinitrat 559 Katecholamine 515 –– Versorgungsgebiete 45
Isosorbidmononitrat 559 Katecholaminkardiomyopathie, –– Versorgungstypen 46
Ivabradin 134, 565 Siehe Tako-Tsubo-Kardiomyo- Koronararterienaneurysma
IVUS, KHK 129 pathie –– fusiformes, Siehe Koronararte-
Katecholamin-Myokarditis 324 rienektasie
Katheterablation 423, 679, 680 –– kongenitales 48
J –– Indikationen 680 Koronararterie(n) 44
James-Bündel 425 Katzenschnurren 160 Koronararterienektasie 58
Janeway-Läsionen 333 Kawasaki-Syndrom 48, 354 Koronaratresie, kongenitale 48
Jervell-Lange-Nielsen-Syn- Kegeln, Reha KHK 700 Koronare Herzgruppen 697
drom 441 Kerley-Linien 308 Koronarfisteln 48
Jones-Kriterien 347 KHK Koronargefäßperforation, bei
–– Alkohol 8 PCI 644
K –– Cholesterin 5 Koronaropathie, dilatative, Siehe
Kachexie 468 –– chronische 43 Koronararterienektasie
Kaliumantagonisten 578 –– – Diagnostik 117 Koronarspasmus, bei PCI 641
Kalium 624 –– – Therapie 130 Koronarstatus 151
Kaliumkanalaktivatoren, –– Diabetes mellitus 6 Koronarstenose, kongenitale 48
KHK 134 –– emotionaler Stress 10 Koronarsyndrom, akutes, Siehe
Kalziumantagonisten 574, 578 –– Ernährungsempfeh- ACS
–– KHK 133 lungen 692 Körperliche Inaktivität, KHK 8
–– ACS 84 –– HDL-Cholesterin 7 Kreatinkinase 89
–– bei vasospastischer Angina 56 –– Homocystein 10
734 Register 

Kreislaufdysregulation, hypo- Lungenödem 38, 39, 467, 483 –– – Schweregradbestimmung


tone 518 –– bei Mitralstenose 170 nach PISA-Methode 176
Kreislaufstillstand 17 –– Diagnostik 483 –– – Symptome 172
Kryoablation 679 –– Diuretika 557 Mitralklappeninsuffizienz, chro-
Kunstherz 480 –– Klinik 483 nische
Kunstklappenendokarditis 339 –– Management 39 –– Antikoagulation 180
Kussmaul-Zeichen 318, 363 –– Therapie 484 –– Differenzialdiagnose 178
Kwashiorkor 325 Lupus erythematodes 344, 360 –– Therapie 179
–– Herzbeteiligung 369 Mitralklappenöffnungsfläche,
L Lutembacher-Syndrom 244 ­Angiografie 164
LAD 44 Lyme-Karditis 310, 352 Mitralklappenprolaps 184, 188
Langzeit-EKG , KHK 123 Lymphknotensyndrom, mukoku- –– Antibiotika 192
Laserangioplastie 654 tanes, Siehe Kawasaki-Syndrom –– Diagnostik 188
Lasix® 557 Lyse, bei Lungenembolie 495 –– Komplikationen 192
LCA, Röntgenanatomie 44 Lysetherapie 495 –– Therapie 192
LDL, Zielwerte 691 –– STEMI 99 Mitralklappenrekonstruktion
Leck, paravalvuläres 220, 274 182
Left atrial heave 172 M Mitralklappenstenose 159
Leitungsbahnen, akzessorische, Magnesium 595 –– Anamnese 159
Ablation 681 Magnetfrequenz (Schrittma- –– Ätiologie 159
Leitungswege, akzessorische cher) 664 –– Befunde, angiografische 164
–– James 425 Magnetresonanztomografie, Siehe –– Diagnostik
–– Kent 424 MRT –– – invasive 164
–– Mahaim-Typ 424 Magnettest-EKG 671 –– – nichtinvasive 160
–– sternal-negativ 425 Mahaim-Faser 430 –– Differenzialdiagnose 165
–– sternal-positiv 425 Makro-Reentry-Mechanis- –– Echo-Befunde 162
Lentiginosis 323 mus 436 –– EKG 161
Lepirudin 601, 602 Marcumar-Nekrose 598, 609 –– Hämodynamik 164
Levine-Zeichen 52 Marfan-Syndrom 526 –– Klappenersatz 169
LGL-Syndrom 430 –– EMAH 289 –– Komplikationen 170
Libman-Sacks-Endocarditis, Siehe Maschinengeräusch 254 –– Schweregrade 163
Endocarditis Libman-Sacks Maze-Operation 417, 684 –– Symptome 159
Lidocain 581 Medianekrose –– Therapie 166
Lillehei-Kaster-Klappenprothese –– zystische 529 Mitralöffnungston 160
280 –– thorakale Aorta 524 Mitralstenose, stumme 165
Linksherzdekompensation Medtronic-Hall-Klappenprothese Molsidomin 560
107 170, 280 –– KHK 133
Linksherzinsuffizienz Meningitis Monorail-Katheter 632
–– akute 483 –– Antibiose 629 Morbus Addison 518
–– – Diagnostik 483 –– Menopause, KHK 10 Morbus Bechterew, Herzbeteili-
–– – Klinik 483 Metabolika, KHK 134 gung 371
–– – Therapie 484 Metabolisches Syndrom 7 Morbus Boeck, Siehe Sarkoidose
–– Einteilung nach Swan u. For- Metoprolol 564, 587 Morbus Fabry 310, 324, 325
rester 484 MIDCAB (minimal direct corona- Morbus Gaucher 325
–– Lungenödem 483 ry artery bypass) 147 Morbus Roger 250
Linksschenkelblock, bei Myokard- Mikro-Reentry 412 Morbus Wegener 360
infarkt 109 Mikro-Reentry-Kreise 446 –– Herzbeteiligung 370
Lipidsenkung 691 Milrinon 552 Möwenschreigeräusch 221
Lipidspeicherkrankheiten 325 Minimalinvasive Koronarchirur- MRT, KHK 126
Lipom 368 gie 147 Mucopolysaccharidose Hurler
Lipoprotein (a), KHK 9 Minoxidil 572 325
Lisinopril 567 Mitralklappenersatz 169, 183 Multiprogrammierbarkeit
Löfgren-Syndrom 353 Mitralklappeninsuffizienz (Schrittmacher) 663
long-short-cycle-sequence –– akute 183 Multislice- Computertomografie ,
413 –– – Ätiologie 184 KHK 126
Losartan 569 –– – Diagnostik 184 Mustard-OP 271
Lovastatin 626 –– – Differenzialdiagnose 187 Myoglobin 90
Lown-Ganong-Levine-Syndrom, –– – nach Myokardinfarkt 112 Myokardinfarkt
Siehe LGL-Syndrom –– – Symptome 184 –– DD Perikarditis 356
Lown-Klassifikation 450 –– – Therapie 187 –– Depressivität 712
Low-Output-Failure 466 –– chronische 171 –– Diagnostik bei Nachbetreu-
L-Transposition 272 –– – Anamnese 172 ung 115
Luftembolie, bei Schrittmacher- –– – angiografische Be- –– Komplikationen
implantation 667 funde 177 –– – frühe 106
Luftnot, Siehe Dyspnoe –– – Ätiologie 172 –– – verzögerte 111
Lungenarterienembolie 494 –– – Diagnostik 172 –– Langzeittherapie 116
Lungenembolie, Erstversor- –– – Hämodynamik 177 –– Lokalisation mittels EKG 87
gung 36 –– Management 34
 Register 735

–– mit ST-Strecken-Hebung, Siehe Notfall-ACVB-Operation, bei –– Begleittherapie 140


STEMI PCI 645 –– bei Myokardinfarkt 638
–– Prognose nach 117 Notfallkoniotomie 20 –– Dissektion nach 641
–– psychosomatische As- Notfalltrachealpunktion 20 –– Durchführung 635
pekte 711 NSTEMI 43, 59 –– kombiniert mit Koronarangio­
–– Rehabilitation 115 –– Klinik 61 grafie 638
–– Reperfusionstherapie 93 –– Therapie 113 –– Koronargefäßperforation 644
–– Rhythmusstörungen, NYHA-Klassifikation 467 –– Koronarspasmus 641
bradykarde 109 Nykturie 467 –– mehrere Gefäßstenosen 638
–– Rhythmusstörungen, –– Nachbetreuung 639
tachykarde 109 O –– Nachsorge 143
–– Thoraxschmerz 31 O2-Sättigungsverhalten –– No-Reflow-Phänomen 643
Myokardinsuffizienz, Stadienein- –– bei Fallot-Tetralogie 266 –– Notfall-ACVB-OP 645
teilung 473 –– Ductus arteriosus apertus 256 –– Patientenvorbereitung 635
Myokardischämie, stumme 53 –– Vorhofseptumdefekt 243 –– periphere Gefäßkomplikati-
Myokarditis 348 –– VSD 250 onen 646
–– Borrelien 352 Obstruktion, mesoventriku- –– Risikoabschätzung 139
–– Diphtherie 352 läre 293 –– Risikobewertung 634
–– nichtvirale 352 Ödeme 467 PEEP-Beatmung 39
–– Rickettsien 353 –– angioneurotisches 567 Perforation, arterielle, bei
–– Slow-flow-Phänomen 350 –– periphere, Therapie 554 PCI 647
–– Trypanosomen 352 Omnicarbon-Klappenprothese –– bei Schrittmacherimplan­
–– virale 324 280 tation 667
–– Virus-, Siehe Virusmyokarditis Omniscience-Klappenprothese Perfusionsszintigrafie 495
Myokardrevaskularisation 280 Pericarditis
–– A.-carotis-Stenose 147 On-the-Wire-Katheter 632 –– constrictiva 362
–– bei Diabetes mellitus 150 OPCAB (off-pump coronary arte- –– epistenocardica 359
–– bei Hauptstammstenose 149 ry bypass) 147 Perikarderguss
–– bei Niereninsuffizienz 150 Orciprenalin 597 –– bei akuter Aorteninsuffizi-
–– bei systol. Ventrikeldys­ Organspende 498 enz 222
funktion 149 Orthopnoe 466 –– maligner 359
Myokardszintigrafie, KHK 124 Orthostase-Syndrom 518 –– nach Herzinfarkt 111
Myxödemperikarditis 361 Osler-Splits 333 –– Perikarditis 356
Myxom 367 Ösophagus, Motilitätsstö- Perikardfensterung 40
rungen 31 Perikarditis 31, 354
N Osteoporose, nach Herztransplan- –– bakterielle 357
Nadolol 564 tation 502 –– bei Autoimmunerkran-
Natriumantagonisten 578 Ostium-primum-Defekt 240 kungen 360
Natriumnitroprussid 559, 570 Ostium-sekundum-Defekt 240 –– Cholesterin- 361
Natriumthiosulfat 571 Östrogene 11 –– Differenzialdiagnose 356
Nebivolol 561, 564 Östrogensubstitution 688 –– idiopathische 357
Neoplasie(n), nach Herztrans- Overdrive-pacing 411 –– medikamenteninduzierte
plantation 502 Oversensing (Schrittma- 361
Nephrosklerose 505 cher) 669 –– Myxödem- 361
Neurofibromatose Recklinghau- Overshoot 294 –– nach Herzinfarkt 111
sen 323 Over-the-Wire-Katheter 632 –– tuberkulöse 358
New York Heart Association, –– urämische 360
Siehe NYHA –– virale 357
P Perikardreiben 355
Nicorandil 134 Paartherapie 708
Nierenarterienstenose 513 Perikardresektion 40
PAH 490 Perikardtamponade 38, 40
Niereninsuffizienz, nach Herz- –– EMAH 286
transplantation 501 –– Management 40
–– Subgruppen 493 Perindopril 567
Nitrate 558 –– Therapie 493
–– KHK 133 Phäochromozytom 324, 325,
Pankarditis, rheumatisches Fie- 514
Nitro-Perfusor, ACS 83 ber 346
Non-Compaction-Kardiomyopa- Phenprocoumon 608, 610
Pankreatitis, Thoraxschmerz 31 Phenylalkylamine 574
thie 322 Papillarmuskelabriss 112
Non-compliant Balloon 632 Phenytoin 583
Parachute valve 166 Phosphodiesterasehemmer
Nonnensausen 257 Parasystolie, ventrikuläre 452
Non-sustained VT, Siehe 551
Pardée-Q 86, 120 Photoablation 654
Tachykardie(n), ventrikuläre, Partialinsuffizienz, respirato-
nichtanhaltende Pilzperikarditis 359
rische 489 Pilzperimyokarditis 353
Noonan-Syndrom 240 Patienten-Prothesen-mis-
Noradrenalin 546, 551 Pindolol 587
match 276 Pink Fallot 263
–– Perfusor 551 PCI 137, 632
No-Reflow-Phänomen, bei PISA-Methode, Mitralklappenin-
–– ACS 68 suffizienz, chronische 176
PCI 643 –– Angina pectoris nach 640 Pistol-shots-Geräusche 210
736 Register 

Plaque 48 Pulmonalstenose Reentry-Tachykardie 408, 421


–– fibröse 48 –– valvuläre 235 –– antidrome 428
–– instabile 48 –– Ätiologie 235 –– atriale 409
–– komplizierte 48 –– Diagnostik 235 –– bei WPW-Syndrom 427
–– stabile, Siehe fibröse 48 –– Differenzialdiagnose 237 –– normodrome 427
–– atheromatöse 48 –– Klinik 235 –– orthodrome 427
Plethora, pulmonale 241 –– subvalvuläre 235 –– permanente junktionale 431
Pleuraerkrankungen, entzünd- –– supravalvuläre 235 Refluximprint 186
liche 33 –– Therapie 238 Refluxlunge 174
Pneumonie, Antibiose 629 Pulsdefizit 260, 529 Refluxösophagitis 31
Pneumothorax pulsless disease, Siehe Takayasu- Refraktärzeit (Schrittma-
–– bei Schrittmacherimplan­ Arteriitis cher) 664
tation 667 Pulslose elektrische Aktivität Rehabilitation 693
–– Thoraxschmerz 31 23 –– Phase I 694
Polyarthritis, migratorische 346 Pulsus alternans 306, 311 –– Phase II 695
Polymyositis 372 Pulsus celer et altus 209 –– Phase III 697
Postinfarktangina 35, 111 Pulsus durus 260 Reha-Zentrum 695
Postinfarktsyndrom 361 Pulsus mollis 306 Reizhusten 467
Postkardiotomiesyndrom 361 Pulsus paradoxus 318, 365 Reperfusionsschaden 85
Posttransplantationsdiabetes, Pulsus parvus et tardus 194, 195 Rescue-PCI 638
nach Herztransplantation 501 Resynchronisationstherapie, kar-
Präexzitationssyndrom(e) 424 Q diale, Siehe CRT
–– Akuttherapie 431 QT-Verlängerung Reteplase 623
–– Rezidivprophylaxe 432 –– angeborene 441 Reverberationen 190
–– Therapie 431 –– erworbene 441 Reye-Syndrom 613
–– Übersicht 427 Quadrigeminus 447 Rhabdomyom 368
Präsynkope 519 Quick-Wert 610 Rheuma-Knötchen 346
Pravastatin 626 Quinapril 567 Rheumatisches Fieber 345
Prävention 688 Quincke-Kapillarpuls 209 –– Jones-Kriterien 347
Primärprävention 688 Rheumatoide Arthritis, Herzbetei-
Prinzmetal-Angina 54 ligung 371
Proarrhythmie 402, 403 R Rhythmus, akzelerierter idiopa-
Progressive Muskelrelaxation Ramipril 567 thischer 453
­(Jacobson) 707 Ranolazine 134 Rhythmusdiagnostik 376
Propafenon 585 Rashkind-Ballon-Septosto- Rhythmusstörung(en), bradykar-
Propranolol 564, 587 mie 271 de, bei HCM 303
Prothesenendokarditis 278 Rauchen Rickettsien 353
Pseudohypertonus 506 –– KHK 3, 689 Riesenzellarteriitis 539
Pseudo-SAM-Phänomen 297 R-auf-T-Phänomen 448 Rifampicin 629
Pseudoxanthoma elasticum RCA 45 R. interventricularis anterior,
326 –– Röntgenanatomie 45 Siehe LAD
Psychokardiologie 704 R. circumflexus, Siehe RCX R. interventricularis posterior
Psychosyndrom, hirnorga- RCM 315 45, 46
nisches 724 –– sekundäre 326 Risikofaktoren, KHK 2
Psychotherapie RCX 44, 45 Risikopersönlichkeit 711
–– nach Myokardinfarkt 713 Reanimation 17, 550 Risikostratifizierung, KHK 127
–– stationäre 708 –– Basismaßnahmen 16 RIVA, Siehe LAD
–– supportive 707 –– Beendigung 29 Rivero-Caravallo-Zeichen 226
–– tiefenpsychologisch fun- –– Indikation 19 Roemheld-Syndrom, Thorax-
dierte 708 –– psychische Aspekte 724 schmerz 31
–– traumazentrierte 708 Rechtsherzendokarditis 333, Romano-Ward-Syndrom 441
Psychotraumatherapie 708 340 Röntgenanatomie
PTCA 137 Rechtsherzinfarkt 104 –– LCA 44
–– Begleittherapie 140 Rechtsherzinsuffizienz 486 –– RCE 45
–– Nachsorge 143 –– akute 494 ROSS-Operation 205
–– Risikoabschätzung 139 –– chronische 487 Rotationsangioplastie 653
Pulmonalarteriendruck, bei Lun- Rechtsherzkatheter Roth-Flecken 333
genembolie 484 –– bei akuter Mitralinsuffizi- Rückwärtsversagen 465
Pulmonalis-Angiografie, bei Vor- enz 186 Rumble-Geräusch 160
hofseptumdefekt 242 –– Pulmonalstenose 237
Pulmonaliskatheter –– Trikuspidalinsuffizienz 228
–– VSD 249 S
–– kardiogener Schock 108 SA-Block 378, 381
–– Therapie Herzinsuffizienz 484 Rechtsschenkelblock, bei Myo-
kardinfarkt 109 Sägezahnmuster 410
Pulmonalklappeninsuffizienz Sail sound 269
–– Ätiologie 233 recommended replacement time
(R.R.T.), Schrittmachersys­ SAM-Phänomen 297
–– Diagnostik 234 Sarkoidose 326, 327, 353
–– Differenzialdiagnose 234 teme 666
Reentry 397, 398 Sauna, Reha KHK 700
–– Klinik 234
 Register 737

Schenkelblockierungen, Schritt- –– genetische Beratung bei Herz- Splitter-Blutungen 333


machertherapie 658 fehler 283 Spondylitis, ankylosierende, Siehe
Schlafapnoe, Diagnostik 489 –– HCM bei 302 Morbus Bechterew
Schleifendiuretika 554, 557 –– Herzinsuffizienz 282 Sportarten, Reha KHK 701
Schock 36 –– Herzklappenerkran- Sport/Bewegungsmangel,
–– kardiogener 17, 29 kungen 281 KHK 689
Schocklagerung 28 –– Mitralinsuffizienz 282 Square Root 363
Schrittmacher –– Mitralstenose 282 Square-Root-Zeichen 318
–– Aggregatwechsel 663 –– Pulmonalstenose 282 Stauungshusten 306
–– AV-Intervall 665 –– Trikuspidalvitien 282 STEMI 43, 59, 63, 84
–– Batterieerschöpfung 669 –– VSD 284 –– Diagnostik 85
–– Betriebsarten 661 –– zyanotische Herzfehler 284 –– Klinik 63
–– Blankingzeit 664 Schwangerschaftsabbruch, Indi- –– kombinierter Links- und
–– Detektionsschwelle 665 kationen 282 Rechtsherzinfarkt 105
–– Druckläsion 668 Schwangerschaftshypertonie –– Koronarrevaskularisation,
–– Elektrodendefekte 668 516 ­chirurgische 102
–– Erwartungsintervall 664 Schwimmen, Reha KHK 700 –– Lysetherapie 99
–– erweiterte Kontrolle 671 Schwirren 252 –– Pathophysiologie 85
–– Escape interval 664 Sekundenherztod 454 –– PCI 101
–– Exitblock 665, 668 Selbsthilfegruppen 709 –– PTCA 101
–– Grenzfrequenz, obere 664 Sensitivität (Schrittmacher) 665 –– Reperfusionstherapie 93
–– Hysterese 665 Sensorfrequenz –– Therapie 93
–– Implantation 666 –– maximale, Schrittmacher 664 Stent(s)
–– implantierbarer 673 Sepsis, Antibiose 629 –– Bare metal, Siehe BMS
–– Impulsamplitude 665 Septumhypertrophie, asymme- –– beschichtete 650
–– Impulsbreite 665 trische 293, 296 –– drug-eluting, Siehe DES
–– Interventionsfrequenz 664 Septumruptur, bei Myokardin- –– intrakoronare 633, 648
–– Komplikationen 667 farkt 248 –– Komplikationen 651
–– Magnetfrequenz 664 Sexualität, Reha KHK 700 ST-Hebung 69, 85
–– Multiprogrammierbar- Sicherheitsstimulation, ventriku- Stiff heart 327
keit 663 läre (Schrittmacher) 665 St. Jude Medical-Klappen­
–– Nachsorge 671 sick sinus syndrome, Siehe Sinus- prothese 170, 280
–– permanenter 656 knotensyndrom Strahlenperikarditis 360
–– psychische Aspekte 724 Silent ductus 254 Strain 295
–– Refraktärzeit 664 Simvastatin 626 Streptokinase 100, 622
–– Reizschwelle 665 Sinusarrest 381 STS-Score 138
–– Sensing 665 Sinusarrhythmie 404 Subaortenstenose, hypertro-
–– Sensitivität 665 Sinusbradykardie 378, 380 phische, idiopathische, Siehe
–– Sensorfrequenz, maximale –– bei Myokardinfarkt 109 IHSS
664 Sinusknotenerkrankung 383 sudden infant death syndrome,
–– Sicherheitsstimulation, ventri- –– Schrittmachertherapie 657 SIDS 454
kuläre 665 Sinusknotenfunktionsstörung Summationsgalopp 221, 469
–– Stimulation 380 Sustained VT, Siehe
–– – bipolare 665 Sinusknotenhemmer, KHK 134 Tachykardie(n), ventrikuläre,
–– – präventive 664 Sinusknoten-Reentry-Tachykar- anhaltende
–– – unipolare 665 die 408 SVES , Siehe Extrasystole(n),
–– Störquellen 670 Sinusknotensyndrom 383 ­supraventrikuläre
–– Systeme 660 Sinustachykardie 399, 404 Swan-Ganz-Katheter 249
–– Systemwahl 661 –– mit SVES 399 Swinging Heart 40, 366
–– Tascheninfektion 667 Sinus-Valsalva-Ruptur 208 Sydenham-Chorea, Siehe Chorea
–– Telemetrie 664 Sinus-venosus-Defekt 239 minor 346
–– temporär 104 Sklerodermie 327 Sympathomimetika 545
–– Thrombosen, venöse 668 –– Herzbeteiligung 370 –– Wirkmechanismus 546
Schrittmachercodierung 661 Sklerose, progressive systemische, Syndrom(e)
Schrittmacherkabelinfektion, An- Siehe Sklerodermie –– des erkrankten Sinusknoten,
tibiose 630 Slope-Bestimmung 212 Siehe Sinusknotensyndrom
Schrittmachersyndrom 669 Slow-fast-Tachykardie 422 –– hypereosinophiles 310
Schrittmachertherapie, Indikati- Slow-Flow-Phänomen 350 Syndrom X 57
onen 656 small vessel disease 6, 153 Synkope(n) 17, 388, 519, 529
Schwangerschaft Sotalol 564, 587 –– konversionsneurotische 720
–– Aortenisthmusstenose 283 Spade-like-Form 300 –– neurokardiogene, Siehe
–– Aortenvitien 282 Spätpotenziale, ventrikuläre, Synkope(n), vasovagale
–– Arrhythmie 459 plötzlicher Herztod 457 –– psychosomatische
–– ASD II 283 Speicherkrankheiten 324, 325 ­Aspekte 719
–– Ductus Botalli apertus 284 Spike-and-dome-Muster 298 –– reflexvermittelte 520
–– Eisenmenger-Reaktion Spiro-Ergometrie 8 –– Therapie 522
284 Spironolacton 555 –– Ursachen 520
–– EMAH 288 Spitzentorsade 440 –– vasovagale 521, 719
738 Register 

SYNTAX-Score 137 Thiaziddiuretika 554 V


Syphilis 524 Thoraxschmerz(en) Vagolyse 28
Systolic anterior movement –– DD 31, 52, 53 Valsartan 569
297 –– kokainassoziierte 56 Valvuloplastik 182, 233
Thoraxtrauma 212 Vancomycin 629
T Thrombembolie –– Serumspiegel 544
Tachyarrhythmia absoluta, bei –– Mitralklappenprolaps 193 Vanillinmandelsäure 515
Vorhofflimmern 399 –– Mitralstenose 170 Vaporisation 654
Tachyarrhythmie(n) 379 –– nach Klappenersatz 277 Vareniclin 4
–– Notfallvorgehen 22 Thromboaortopathie, okklusive, Variant-Threshold-Angina 52
–– supraventrikuläre 405 Siehe Takayasu-Arteriitis Vaskulitis 369
–– – Übersicht 405 538 Vasodilatatorreserve, koronare
–– ventrikuläre Thromboatheromatose 537 (CVR) 129
–– – bei HCM 303 Thrombopenie, heparinindu- Vasovagale Synkope 28
Tachykardie(n) zierte 599 Vaughan-Williams-Klassifika­
–– atriale 406 Thrombozytenaggregationshem- tion 401
–– – Ablation 682 mer 613 V.-cava-Kompressions-Syn-
–– – multifokale 408 Thrombozytenaggregationshem- drom 519
–– AV-junktionale 421 mung, ACS 78 Vena contracta 213
–– bei Myokardinfarkt 109 Ticlopidin, KHK 132 Venenkatheterinfektion, Antibi­
–– bidirektionale 442 Tietze-Syndrom, Thorax- ose 629
–– incessant 431 schmerz 31 ventricular capture 434
–– repetitive, monomorphe Tirofiban 618, 620 Ventrikel, hyperdynamer 293
443 Torasemid 557, 558 Ventrikelaneurysma 113
–– ventrikuläre 433 Torsade-de-pointes-Tachykar- Ventrikelfunktion 151
–– – Akuttherapie 438 die 440 Ventrikelgalopp 221, 469
–– – anhaltende 433 t-PA 623 Ventrikelhypertrophie 295
–– – anhaltende monomor- Transplantatvaskulopathie, nach Ventrikelseptumdefekt, Siehe
phe 436 Herztransplantation 501 VSD
–– – arrhythmogene rechtsventri- Transposition der großen Arte- Ventrikelthromben 111
kuläre Dysplasie 445 rien, Siehe TGA 270 Venturi-Effekt 297
–– – nichtanhaltende 433 Traube-Zeichen 210 Verapamil 574, 592
–– – nichtanhaltende monomor- Trichinose 353 Verhaltenstherapie 707
phe 440 Trigeminus 447 Verlaufskontrolle, nach Klappen-
–– – polymorphe 400, 442 Triglyzeride, KHK 9 ersatz 278
–– – Risikostratifizierung 439 Trikuspidalklappendystopie Vernichtungsschmerz 525
Takayasu-Arteriitis 538 268 VES Siehe Extrasystole(n),
Tako-Tsubo-Kardiomyopa- Trikuspidalklappenersatz 233 ­ventrikuläre
thie 106 Trikuspidalklappeninsuffizi- Viagra® 700
–– psychosomatische As- enz 225 Virusmyokarditis, Dallas-Krite-
pekte 715 –– Ätiologie 225 rien 348
Tamponadezeichen 360, 365 –– Diagnostik 226 Visitengespräch, psychosoma-
Tanzende Hili 234 –– Symptome 226 tisches 705
TEE 376 –– Therapie 229 Vitamin-K-Antagonisten 608
Telemetrie (Schrittmacher) Trikuspidalstenose –– Therapiesteuerung 610
664 –– Ätiologie 231 –– Überdosierung 610
Telmisartan 569 –– Diagnostik 231 Vorhoferregung, retrograde 447
Tenecteplase 624 –– hämodynamisches Profil 232 Vorhofflattern 410
TGA 270 –– Symptome 231 –– Ablation 682
–– kongenital korrigierte, –– Therapie 233 –– Akuttherapie 411
EMAH 290 Trimetazidine 135 –– bei Myokardinfarkt 110
–– Therapie 271 Troponin 74, 88 –– mit regelmäßiger Überlei-
Therapie –– Erhöhung 71 tung 399
–– psychoanalytische 708 Troponin-T-Schnelltest 34 –– Typ I 410
–– psychosomatische 706 Twiddler-Syndrom 669 –– Typ II 410
–– – Entspannungsverfah- Typ-A-Verhalten 711 –– unregelmäßige Überlei-
ren 707 tung 399
–– – Familientherapie 708 U Vorhofflimmern 378, 412
–– – Gruppentherapie 708 Übergewicht, KHK 7, 689 –– Ablation 683
–– – Paartherapie 708 Uhl-Erkrankung 322 –– Antikoagulation 419
–– – Psychotraumatherapie 708 Ultraschall, intrakoronarer, Siehe –– bei HCM 303
–– – Selbsthilfegruppen 709 IVUS –– bei Mitralstenose 170
–– – Tiefenpsychologisch fun- Umkehrtachykardie 440 –– beim WPW-Syndrom 428
dierte Psychotherapie 708 Undersensing (Schrittma- –– bei Myokardinfarkt 110
–– – Verhaltenstherapie 707 cher) 668 –– bei Präexzitationssyn-
Therapieverfahren, interventio- Urapidil 573 drom 400
nelle 632 Urokinase 623 –– bei primärer Kardiomyopa-
Thermodilution 249 thie 295
 Register 739

–– Elektrokardioversion 416 –– Differenzialdiagnose 251 Wasserhammerpuls 209


–– Medikamentöse Kardiover­ –– EMAH 289 Wenckebach-Punkt 672
sion 416 –– Formen 245 Westermark-Zeichen 495
–– Notfallvorgehen 26 –– hämodynamische Eintei- White clot syndrome 599
–– Pseudoregularisierung 378, lung 250 witnessed death 454
382 –– infundibulärer Typ 245 WPW-Syndrom
–– Rezidivprophylaxe 416 –– Klinik 246 425, 427, 429
–– Schrittmachertherapie 658 –– membranöser Typ 245 –– verborgenes, Siehe Concealed
Vorhofgalopp 469 –– muskulärer Typ 245 WPW
Vorhofseptumdefekt, Siehe ASD –– Therapie 251
Vorhoftachykardie Z
–– mit Block 399 W Zucker-Katheter 270
–– unregelmäßige Überlei- Waist-to-Hip-Ratio 7 Zyanidintoxikation 571
tung 400 Walk-through-Angina 52 Zyanose
Vorwärtsversagen 465 Warfarin 609, 610 –– dissoziierte 254
Vorzeitigkeitsindex 448 Warming-up-Automatie –– periphere 468
VSD 112, 245 405 Zystizerkose 353
–– AV-Kanal-Typ 245 Washout-Phänomen 89, 91
–– Diagnostik 246

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