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Facharztprüfung
Innere Medizin
in Fällen, Fragen und Antworten
Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®). Aus dem Fehlen
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namen handelt.
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonde
re für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro
nischen Systemen.
Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline
Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.
in Ihrer Hand halten Sie ein Lernbuch, kein Lehrbuch. Mit seiner Hilfe können Sie internistisches Wissen
erarbeiten und vertiefen. Zwei Instrumente setzt das Buch dazu ein: Zum einen geht jeder Beitrag von einem
konkreten Fallbeispiel aus; zum anderen werden Diagnostik und Therapie innerer Krankheiten in einem
Wechselspiel von Fragen und Antworten dargestellt.
Die Fragestruktur hat drei Vorteile: Erstens stimuliert sie den Leser – oder besser ausgedrückt, den „Bear
beiter“ –, aktiv Wissen zu formulieren (oder Wissenslücken zu identifizieren), statt passiv Information aus
einem fortlaufenden Text aufzunehmen; zweitens ist die Fragesituation näher an der klinischen Praxis; und
drittens – und nicht zuletzt – bilden die Fragen, ausgehend von einem individuellen Patienten, auch den
Ablauf einer Facharztprüfung ab. Dass aktiv formuliertes Wissen um ein Vielfaches besser und länger im
Gedächtnis bleibt, ist ein Grundcredo der Didaktik. Es werden Denk- und Gedächtnisprozesse gebahnt, wie
sie in einem Prüfungsgespräch, aber auch im klinischen Alltag gefordert werden.
Zielgruppe des Buchs sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung zum Facharzt und zur
Fachärztin für Innere Medizin. Insbesondere soll Sie dieses Lernbuch bei der Vorbereitung zur Facharztprü
fung unterstützen. Bewusst orientiert sich die Kapitelgliederung an den acht Teilgebieten der Inneren Medi
zin. Viele der Fragen können sowohl für die Facharztprüfung wie auch für die Vorbereitung zu einer Teilge
bietsprüfung genutzt werden, denn Internisten- und Teilgebietsprüfung unterscheiden sich mehr im Detail
grad der Antworten als in der Wahl der Fragen.
Die Innere Medizin ist das größte Gebiet der Medizin. 34% aller Krankenhausbetten in Deutschland sind
internistische Betten. Entsprechend groß sind die einzelnen Teilgebiete. Lassen Sie sich von der Fülle des
Stoffs nicht entmutigen. Sehen Sie vielmehr in der Breite der Inneren Medizin auch die enormen Möglichkei
ten, dem Rat und Hilfe suchenden Patienten mit Diagnose und Therapie zu helfen.
Herausgeber und Verlag konnten für jedes der Teilgebiete jeweils einen klinisch hervorragend ausgewiese
nen Autor gewinnen. Jeder dieser Autoren ist aktuell oder war früher Institutsdirektor, Oberarzt und/oder
Bereichsleiter, in den meisten Fällen mit entsprechender Weiterbildungsermächtigung der Landesärztekam
mer. Die überaus große und positive Resonanz auf unser Facharztbuch seit der ersten Auflage im Jahr 2003
hat uns sehr gefreut. Die Akzeptanz des Buches hat alle zwei Jahre Neuauflagen möglich gemacht, sodass wir
jetzt, nach zwölf Jahren, für Sie die 5. Auflage herausgeben können. Die Fallstudien wurden vollständig über
arbeitet und, wo anwendbar, nach neuen Leitlinien aktualisiert.
Als Herausgeber danke ich den Autoren für die überaus kompetente, sorgfältige und praxisnahe Darstel
lung in ihren Kapiteln. Die Zusammenarbeit am Buch in dieser und den früheren Auflagen war fachlich und
persönlich eine große Freude. Herausgeber und Autoren danken den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des
Elsevier Urban & Fischer Verlags für die professionelle und vertrauensvolle Kooperation: insbesondere Frau
Uta Lux für die Planung des Projekts, Frau Petra Laurer für das Lektorat und Frau Sonja Hinte für die redak
tionelle Bearbeitung. Sie haben mit großem Einsatz und Sachverstand zur Entstehung und Vollendung der
aktuellen Auflage beigetragen.
Vorwort zur 5. Auflage VII
Wir danken vielen Lesern, die uns wichtige Hinweise für Inhalt und Darstellung der Fälle gegeben haben.
Für weitere Anregungen sind wir Ihnen sehr dankbar (endres@lmu.de). Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin,
lieber Herr Kollege, wünsche ich eine stressarme Vorbereitung zur Facharztprüfung, einen befriedigenden
Wissenszuwachs und vor allem – weiter oder wieder – Freude an der Inneren Medizin, zum Wohl Ihrer Pa
tienten.
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet P088 Prof. Dr. med. Stefan Endres, Leiter der Abtei
sich bei allen Abbildungen im Werk am Ende des lung für Klinische Pharmakologie, Medizi
Legendentextes in eckigen Klammern. nische Klinik und Poliklinik IV, Klinikum der
E324 Underwood J C E. General & Systematic Universität München.
Pathology. 5. A. Philadelphia: Elsevier P089 Prof. Dr. med. Ulrich Hoffmann, Leiter des
Churchill Livingstone, 2009 Gefäß-Zentrums, Medizinische Klinik und
E355–24 Goldman L et al. Cecil MEDICINE. 24. A. Poliklinik IV, Klinikum der Universität
Philadelphia: Elsevier Saunders, 2012. München.
F538–005 Allan B. Dunlap et a.: The fate of patients P090 Prof. Dr. med. Rudolf Maria Huber, Leiter der
with retinal artery occlusion and Sektion Pneumologie und Thorakale
Hollenhorst plaque, Journal of Vascular Onkologie, Medizinische Klinik und
Surgery, Volume 46 Issue 6, December Poliklinik V, Klinikum der Universität
2007, Pages 1,125–1,129, with permission München.
from Elsevier. P091 Priv.-Doz. Dr. med. Dr. phil. Fuat S. Oduncu,
F848–001 Fogo, A.: Diabetic Nephropathy, Atlas of MA, EMB, MBA, Leiter der Hämatologie und
Renal Pathology, American Journal of Onkologie, Medizinische Klinik und
Kidney Diseases, Vol. 34 Issue 5, Poliklinik IV, Klinikum der Universität
November 1999, with permission from München.
Elsevier. P092 Prof. Dr. med. Stefan Schewe, Ehem. Oberarzt
F848–002 Fogo, A.: Amyloid, Atlas of Renal der Rheumatologie Rheuma-Einheit,
Pathology, American Journal of Kidney Medizinische Klinik und Poliklinik IV,
Diseases, Vol. 32 Issue 5, November 1998, Klinikum der Universität München.
with permission from Elsevier. P093 Prof. Dr. med. Federico Tatò, Gefäßpraxis im
F849–001 McMurray, John J. V. et al.: ESC Guidelines Tal.
for the diagnosis and treatment of acute P107 Prof. Dr. med. Werner Pichler, Inselspital,
and chronic heart failure 2012, European Universitätsklinik für Rheumatologie,
Heart Journal, Vol. 33 Issue 14, July 2012, Immunologie und Allergologie, Bern.
1,787–1,847, Oxford University Press. T127 Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. Peter C. Scriba,
L106 Henriette Rintelen, Velbert. München.
L231 Stefan Dangl, München. T798 Prof. Dr. med. Jens Encke, Abteilung Innere
M181 Dr. med. Steffen Krautzig, Bad Münder. Medizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus
M589 Prof. Dr. med. Volker Klauss, Leiter gGmbH.
Kardiologie der LMU München-Innen T799 Prof. Dr. E. O. Riecken.
stadt.
P062 Prof. Dr. med. Harald Rupprecht,
Klinikum Bayreuth GmbH.
Abkürzungen und Akronyme
Angiologie
1.1 Leitsymptom akuter Beinschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1
1.6 Leitsymptom akrale Nekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
• Vitalparameter: Blutdruck 125/70 mmHg, Puls 110/min, absolut arrhythmisch, Atemfrequenz 14/min, Temperatur
36,8 °C.
• Inspektion: Der linke Fuß ist im Liegen blass und im Seitenvergleich kühl, es finden sich keine ischämischen Läsionen.
• Pulsstatus der unteren Extremität: rechts unauffällig, links Leisten- und Poplitealpuls normal, Fußpulse fehlend.
• Auskultation: keine pathologischen Herzgeräusche, Aorta sowie iliakal, inguinal und femoropopliteal beidseits ohne
Strömungsgeräusche.
• Rekapillarisation: links stark verzögert.
• Motorik und Sensibilität: Motorik von Fuß und Zehen links vorhanden, grobe Kraft bei Dorsal- und Plantarflexion
des Fußes seitengleich, Sensibilität im Bereich der Zehen und des Vorfußes li. gering eingeschränkt.
• Systolische Knöchelarteriendrücke: A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior rechts 130 mmHg, über der linken
A. dorsalis pedis schwaches, arterielles Doppler-Signal mit 30 mmHg, venöse Signale sind beidseits ableitbar.
Wie schätzen Sie danach den Schweregrad der vorliegenden Ischämie ein?
Bei dem Patienten liegt eine kritische Extremitätenischämie mit geringem sensiblem Defizit, aber erhaltener
Motorik und noch vorhandenem arteriellem Doppler-Signal vor. Damit handelt es sich um eine akute Isch
ämie im Stadium IIa.
Wie unterscheidet sich das primäre Vorgehen in den vier Stadien der akuten Extremitätenischämie?
• Stadium I: Die Extremität ist nicht unmittelbar bedroht. Es besteht daher noch Zeit für eine weitergehen-
de Diagnostik und für die elektive Durchführung der gewählten Therapieform. Es kommen konservative,
interventionelle und chirurgische Therapieoptionen infrage.
• Stadium IIa: Die Extremität ist vital bedroht, eine Rettung der Extremität ohne Amputation ist durch
baldige Revaskularisation möglich. Es besteht noch Zeit für eine morphologische Diagnostik (z. B.
Angiografie). Je nach Befund sind sowohl interventionelle als auch chirurgische Therapieoptionen
möglich.
• Stadium IIb: Die Extremität ist unmittelbar vital bedroht, eine Rettung der Extremität ohne Amputa-
tion oder mit Minoramputation (Zehen) ist durch sofortige Revaskularisation möglich. Je nach Befund
sind sowohl interventionelle als auch chirurgische Therapieoptionen möglich. Die Revaskularisation
sollte sofort, ohne zeitaufwändige Diagnostik, erfolgen (Duplexsonografie in der Regel ausreichend).
• Stadium III: Es ist bereits ein irreversibler Gewebsschaden eingetreten. Trotz Revaskularisation ist eine
Majoramputation unumgänglich.
Cave: Die Übergänge zwischen den Stadien sind fließend. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Stadi-
um IIa und IIb kann schwierig sein. Als Grundregel sollte daher bei akuter Extremitätenischämie möglichst
wenig Zeit verloren werden.
– arterio-arteriell (flottierende Thromben der Aorta, vorgeschaltete Stenosen, rupturierte Plaques, teil-
thrombosiertes Aneurysma der Aorta und der Becken- oder Beinarterien)
– gekreuzte (paradoxe) Embolie bei offenem Foramen ovale
1 • arterielle Thrombose (20–30 %):
– stenosierende oder dilatierende Arteriosklerose
– thrombotischer Bypass-Verschluss
– Aneurysma (besonders Popliteaaneurysma)
– Kompressionssyndrome (popliteales Entrapment, zystische Adventitia-Degeneration, Thoracic-Outlet-
Syndrom)
• andere:
– Aortendissektion
– Trauma
– Vasospasmus (Ergotismus)
– thermische und aktinische Schäden
– myeloproliferative Syndrome
– Vaskulitis
– paraneoplastisch
– iatrogen
Der Patient hatte bisher eine uneingeschränkte Gehstrecke. An Vorerkrankungen ist eine chronisch-obstruktive Lungener-
krankung mit Lungenemphysem bekannt. Zwei Wochen zuvor wurde beim Hausarzt erstmals ein schneller, unregelmäßi-
ger Puls festgestellt. Eine Behandlung wurde hierfür noch nicht begonnen, insbesondere eine Antikoagulation wird ver-
neint.
Anamnestisch finden sich keine Hinweise auf eine symptomatische koronare Herzerkrankung oder zerebrovaskuläre Er-
krankung. An kardiovaskulären Risikofaktoren besteht ein langjähriger Nikotinkonsum von 20 Zigaretten pro Tag.
Das in der Notaufnahme angefertigte EKG zeigt ein tachykardes Vorhofflimmern.
Welche ist die aussagekräftigste Untersuchung zur Sicherung einer kardialen Emboliequelle?
Kardiale Thromben, insbesondere Vorhofthromben lassen sich nur mit der transösophagealen Echokardio-
grafie zuverlässig nachweisen. Die definitive Emboliequellensuche sollte aber die Therapie der akuten Extre-
mitätenischämie nicht verzögern und ist erst nach der Wiederherstellung der Perfusion der Extremität indi-
ziert.
Was sehen Sie auf dem farbkodierten Duplexsonogramm (› Abb. 1.1-1a und b)?
Gezeigt ist ein Längsschnitt durch die linke A. poplitea mit einem echoarmen Verschluss (› Abb. 1.1-1a).
Das unmittelbar oberhalb des Verschlusses abgeleitete pw-Doppler-Signal (› Abb. 1.1-1b) zeigt einen An-
schlagsfluss mit sehr niedriger Flussgeschwindigkeit.
Die komplette Duplexsonografie der linksseitigen Becken-Bein-Arterien und der Bauchaorta zeigt neben dem distalen
Popliteaverschluss links lediglich eine geringe Arteriosklerose ohne Stenosen oder Aneurysmen.
Labor: Kreatinkinase mit 220 U/l (Norm < 180 U/l) und LDH mit 280 U/l (Norm < 250 U/l) gering erhöht. Blutbild, Reten-
tionswerte, Elektrolyte, Gerinnung und TSH im Normbereich.
Welche Therapieoptionen stehen zur Behandlung akuter arterieller Verschlüsse zur Verfügung?
• gefäßchirurgische Revaskularisation:
– Embolektomie nach Fogarty
– lokale Thrombektomie
– Thrombendarteriektomie (TEA)
– Bypass
• perkutane, kathetergestützte Verfahren (einzeln oder in Kombination):
– lokale oder lokoregionäre Fibrinolyse
– perkutane Aspirationsembolektomie
– perkutane mechanische Thrombektomie
– je nach Befund (z. B. vorbestehende Stenosen) Kombination mit perkutaner transluminaler Angioplas-
tie (PTA) und Stenting
• konservative Therapie:
– Antikoagulation
– Prostaglandin-Infusionen (PGE1, Ilomedin)
– bei kompensierter Hämodynamik Gehtraining
Cave: Bei der akuten Ischämie kommt ein konservatives Vorgehen nur bei nicht vital gefährdeter Extremität
(Stadium I) infrage, insbesondere wenn Kontraindikationen für invasive Eingriffe vorliegen.
6 1 Angiologie
Aufgrund der peripheren Verschlusslokalisation entschied man sich im vorliegenden Fall für eine perkutane Katheterembol-
ektomie. Noch am gleichen Tag erfolgte eine Femoralisangiografie in Interventionsbereitschaft (antegrader Zugangsweg!).
Nach der diagnostischen DSA erfolgt in gleicher Sitzung die perkutane Aspirationsembolektomie. › Abbildung 1.1-3
zeigt die Spritze mit Aspirationskatheter und die bei der Prozedur aspirierten Thromben. › Abbildung 1.1-4 zeigt den
angiografischen Abschlussbefund mit wieder komplett durchgängiger popliteo-kruraler Strombahn.
Postinterventionell ist der Patient beschwerdefrei. Die klinische, angiologische Untersuchung am Tag nach der Interven-
tion zeigt eine normale Durchblutung des linken Beins mit tastbaren Fußpulsen und seitengleich normalen Knöchelarte-
riendrücken.
LITERATUR
S3 Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK). VASA 38, Supplement S/75, 2009.
TASC II, Section E: Acute limb ischemia. European Journal of Vascular and Endovascular Surgery 2007; 33(1), Supplement 1,
45–53.
2012 focused update of the ESC guidelines for the management of atrial fibrillation. Eur Heart J 2012; 33:2719–2747.
8 1 Angiologie
Wie beurteilen Sie beim vorliegenden klinischen Befund die Wahrscheinlichkeit dieser Diagnosen?
Die einseitige, mäßig schmerzhafte Wadenschwellung mit eindrückbarem Ödem, einer Umfangsdifferenz
> 3 cm und etwas vermehrter epifaszialer Venenzeichnung ist hochgradig verdächtig auf eine tiefe Bein
venenthrombose. 1
Das Fehlen eines schmerzhaft verhärteten, geröteten Venenstrangs spricht gegen eine Thrombophlebitis.
Bei Fehlen von sichtbaren Varizen, Hyperpigmentierung oder sonstigen trophischen Hautveränderungen
(Stauungsdermatitis, Lipodermatosklerose, venöse Ulzera) besteht kein Anhalt für das Vorliegen einer chro
nischen venösen Insuffizienz.
Ohne Rötung, Überwärmung, inguinale Lymphknotenschwellung und Fieber ist ein Erysipel unwahr-
scheinlich.
Typisch für ein Lymphödem sind schmerzlose Schwellung, Induration, Beteiligung von Fußrücken und
Zehen, vertiefte Hautfalten und normale Hautfarbe.
Angiodysplasien sind angeboren und gehen oft mit typischen Hautzeichen wie Himbeernävi, Naevus
flammeus, Teleangiektasien und kutanen Hämangiomen sowie einer Asymmetrie der Extremitäten einher.
Ein muskuloskelettales Problem müsste anamnestisch weiter erhärtet werden (z. B. Knieprobleme, kör-
perliche Belastung, akutes Schmerzereignis).
Der Patient war am Tag vor Beginn der Beschwerden zehn Stunden Auto gefahren. Ein sonstiger Auslöser lässt sich nicht
erfragen. Bisher waren keine Venenprobleme aufgetreten. Die Mutter und die Schwester des Patienten haben Bein
venenthrombosen gehabt.
Welche weiteren Faktoren gehen in die Beurteilung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer venösen
Thrombose ein?
In den Algorithmen für die Diagnostik der venösen Thromboembolie ist die klinisch ermittelte Vortestwahr-
scheinlichkeit ein wichtiger Baustein im Entscheidungsbaum. Neben den oben genannten klinischen Befun-
den sprechen im vorliegenden Fall auch die kurz zurückliegende mehrstündige Autofahrt und die familiäre
Belastung mit einer hohen Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer tiefen Beinvenenthrombose.
Weitere Kriterien für die Beurteilung der Vortestwahrscheinlichkeit sind:
• frühere Thrombosen
• Zustand nach Operation oder Trauma
• Beinruhigstellung (Gips, Schiene)
• sonstige Immobilisation
• aktive Tumorerkrankungen
• Peri- und Postpartalphase
• orale Kontrazeption
• bekannte Thrombophilie
• Fehlen einer ebenso wahrscheinlichen alternativen Diagnose
Welche diagnostischen Maßnahmen können Sie zur Abklärung des Thromboseverdachts einsetzen und
wie ist deren Stellenwert?
• Bestimmung der D-Dimer-Konzentration im Plasma: Ein negatives D-Dimer schließt in Kombination
mit einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit eine frische Thrombose weitgehend aus. Ein positives
D-Dimer (> 0,5 μg/ml) hat aber eine sehr niedrige Spezifität (Erhöhung auch bei Operation, Entzündung,
Blutung, Trauma, malignen Erkrankungen und in der Schwangerschaft). Der Stellenwert von D-Dimer
liegt besonders in der Thrombose-Ausschlussdiagnostik bei ansonsten gesunden Patienten.
• Kompressionssonografie: Sie ist als nichtinvasives, bildgebendes Verfahren Methode der ersten Wahl.
Für die proximale tiefe Beinvenenthrombose liegen sowohl Sensitivität als auch Spezifität > 95 %.
10 1 Angiologie
• Phlebografie: Sie ist eine Option für Fälle mit Diskrepanz zwischen einer hohen Vortestwahrscheinlich-
keit und negativen Ergebnissen in der nichtinvasiven Diagnostik. Alternativ wird eine Wiederholung der
Duplexsonografie nach 4–7 Tagen empfohlen.
1
Das D-Dimer ist mit 59 μg/ml deutlich erhöht.
Was sehen Sie in der Kompressionssonografie (› Abb. 1.2-2 und › Abb. 1.2-3)?
Abb. 1.2-2 Kompressionssonografie: Querschnitt durch die Abb. 1.2-3 Kompressionssonografie: Längsschnitt durch die
rechte A. femoralis superficialis und V. femoralis [P093] V. femoralis [P093]
› Abbildung 1.2-2 zeigt einen sonografischen Querschnitt durch die rechte A. femoralis superficialis und V.
femoralis in Oberschenkelmitte unter Kompression mit dem Schallkopf. Die Vene ist nicht kompressibel und
erweitert (weiter als die kranial gelegene Arterie).
› Abbildung 1.2-3 zeigt den sonografischen Längsschnitt durch die rechte V. femoralis superficialis in
Höhe des proximalen Thrombusendes. Der Thrombuskopf ist noch umspült („flottierend“).
Welches sind die typischen Symptome und klinischen Zeichen der Lungenembolie?
• Dyspnoe, Tachykardie (häufigste Symptome)
• Husten, pleuritischer Thoraxschmerz, Hämoptoe (bei peripherer Lungenembolie mit Lungeninfarkt)
• Hypotonie, Synkope, Zyanose, Halsvenenstauung (bei zentraler Lungenembolie)
• subfebrile Temperatur
• Blutgasanalyse: SaO2 ↓, pO2 ↓, pCO2 ↓
• EKG: Sinustachykardie, neu aufgetretenes Vorhofflimmern oder -flattern, kompletter oder inkompletter
Rechtsschenkelblock, S in Ableitung I, Q in Ableitung III, negatives T in Ableitung III, T-Negativierung in
den Ableitungen V1 bis V4, QRS-Achse > 90° (d. h. überdrehter Rechtstyp)
1.2 Leitsymptom einseitige Beinschwellung 11
Bei gezielter Nachfrage gibt der Patient an, seit einem Tag Kurzatmigkeit beim Treppensteigen zu bemerken. Husten und 1
atemabhängige Thoraxschmerzen werden verneint. Bei Erstvorstellung beträgt der Blutdruck 140/85 mmHg, der Ruhepuls
ist regelmäßig mit 88/min, die Atemfrequenz ist 22/min. Auskultatorisch ist die Lunge unauffällig. Blutgasanalyse: pO2
79 mmHg, pCO2 26 mmHg, pH 7,45, Bikarbonat 18 mmol/l. EKG: Sinusrhythmus, Mitteltyp, Normalbefund, Röntgenbild
des Thorax: Normalbefund.
Welche weitergehenden diagnostischen Möglichkeiten haben Sie grundsätzlich bei Verdacht auf
Lungenembolie?
Für die Diagnostik der Lungenembolie sind prinzipiell die folgenden Verfahren von Bedeutung:
• D-Dimer-Bestimmung: Ein negatives D-Dimer schließt bei nicht hoher Vortestwahrscheinlichkeit eine
Lungenembolie aus.
• Kompressionssonografie der Beinvenen: Der Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose erübrigt beim
kreislaufstabilen Patienten in der Regel eine pulmonale Diagnostik. Eine proximale Beinvenenthrombose
findet man bei etwa 30 % aller Patienten mit Lungenembolie. Eine unauffällige Kompressionssonografie
schließt daher eine Lungenembolie nicht aus.
• Lungenperfusions- und Ventilationsszintigrafie: gut validiertes Verfahren. Ein normales Perfusions-
szintigramm schließt eine Lungenembolie aus. Bei diagnostischer Szintigrafie mit „mismatch“ zwischen
Perfusion und Ventilation liegt eine Lungenembolie mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit vor. Et-
wa 50 % der durchgeführten Szintigrafien sind allerdings nicht diagnostisch.
• Spiral-Computertomografie (CT): hat zunehmend die Szintigrafie als Verfahren der ersten Wahl ver-
drängt. Moderne Mehr-Zeilen-Spiral-CTs erreichen heute auch für periphere Lungenembolien eine gute
Sensitivität. Vorteile sind die sehr hohe Spezifität, die kurze Untersuchungszeit und die simultane, pul-
monale Differenzialdiagnostik. Nachteile sind die Strahlen- und Kontrastmittelbelastung.
• Pulmonalisangiografie: Sie gilt als Goldstandard, ist aber aufwendig, invasiv und in der Aussagekraft
nicht immer eindeutig. Sie ist in der Praxis selten erforderlich.
Wegen der angegebenen Belastungsdyspnoe entschieden sich die betreuenden Ärzte dennoch zu einer Spiral-CT des
Thorax.
12 1 Angiologie
Es zeigt sich eine Kontrastmittelaussparung im Bereich der Abzweigung der linken Oberlappenarterie. Der
Befund entspricht einer segmentalen Lungenarterienembolie.
Überlappend zu dieser parenteralen Antikoagulation wird die Therapie mit einem oralen Vitamin-K-Ant
agonisten eingeleitet. Hierfür stehen Phenprocoumon (Marcumar®) und Warfarin (Coumadin®) zur Verfü-
gung. Wenn die INR den Zielwert von 2,0–3,0 erreicht hat, kann die Antikoagulation mit Heparin beendet
werden.
Alternativ zur o. g. Therapie stehen die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) zur Verfügung. Für die
Therapie der venösen Thromboembolie sind die beiden Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban
und der Thrombinantagonist Dabigatran zugelassen. Mit Rivaroxaban und Apixaban kann die Therapie vom
ersten Tag an oral erfolgen. Vor Beginn einer Antikoagulation mit Dabigatran sollten die Patienten hingegen
mindestens 5 Tage mit einem niedermolekularen Heparin behandelt werden. Eine Überwachung der Gerin-
nung ist unter DOAKs nicht erforderlich. Bei eingeschränkter Nierenfunktion besteht besonders unter Dabi-
gatran ein Kumulationsrisiko. Für alle DOAKs sollten die Kontraindikationen und die empfohlenen Dosisan-
passungen bei Niereninsuffizienz und/oder hohem Alter beachtet werden.
Neben der Antikoagulation ist die Kompression die zweite Säule der Thrombosetherapie; sie ist für eine
schnelle Rückbildung der subjektiven Beschwerden unerlässlich. Nach initialer Abschwellung mithilfe elasti-
scher Binden wird ein Kompressionsstrumpf der Kompressionsklasse II angepasst.
Eine Immobilisation ist nicht erforderlich. Bei massiver Beinschwellung kann die kurzfristige Bettruhe mit
Hochlagerung der Extremität das Abklingen der Symptome beschleunigen.
1.2 Leitsymptom einseitige Beinschwellung 13
Wegen des Auftretens einer idiopathischen Beinvenenthrombose bei diesem jungen Patienten und der familiären Belas-
tung erfolgte vor Beginn der Antikoagulation eine Blutentnahme zur Thrombophiliediagnostik. Hier zeigte sich eine hete-
rozygote APC-Resistenz.
1
Welche sind die wichtigsten Thrombophilien?
• hereditäre Thrombophilien (in abnehmender Häufigkeit): APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation),
Prothrombinmutation, Protein-C-, Protein-S-, AT-III-Mangel
• erworbene Thrombophilien: Phospholipid-Antikörper, Lupus-Antikoagulans
Wie häufig ist die APC-Resistenz und wie hoch ist das Thromboserisiko?
Etwa 5 % der Normalbevölkerung und 20 % der Patienten mit Thrombose sind Träger der Faktor-V-Leiden-
Mutation. Das Thromboserisiko ist bei heterozygoter APC-Resistenz nur gering erhöht (0,25–0,45 %/Jahr).
Das Risiko steigt aber um ein Vielfaches, wenn zusätzliche Mutationen (z. B. Prothrombinmutation) oder
Risikofaktoren (z. B. orale Kontrazeption) hinzukommen.
Welche Konsequenz ziehen Sie im vorliegenden Fall aus dem Nachweis einer heterozygoten APC-
Resistenz?
Der Nachweis einer heterozygoten APC-Resistenz ist per se kein Grund für eine langfristige Antikoagulation
(eine primär langfristige Antikoagulation wird nur für die homozygote APC-Resistenz, das Antiphospholi-
pid-Antikörper-Syndrom und den AT-III-Mangel empfohlen).
Im vorliegenden Fall ist eine Antikoagulation für sechs Monate bis ein Jahr sinnvoll. Eine schlechte Reka-
nalisation der Thrombose, männliches Geschlecht und eine persistierende Erhöhung des D-Dimers scheinen
mit einer höheren Rezidivgefahr einherzugehen. Diese Faktoren können evtl. bei der Entscheidungsfindung
bezüglich der Antikoagulationsdauer hilfreich sein. Nach Beendigung der oralen Antikoagulation sollte dem
Patienten eine situative Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin in Risikosituationen emp-
fohlen werden.
LITERATUR
Interdisziplinäre S2-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Bein- und Beckenvenenthrombose. VASA 2010, S/78.
Antithrombotic therapy and prevention of thrombosis, 9th ed. American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical
Practice Guidelines. Chest 2012; 141 (2 suppl).
2014 ESC guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism. Eur Heart J 2014; 35:3033–3080.
1.3 Leitsymptom Belastungsschmerz der unteren Extremität 15
Der Patient berichtet über eine schmerzfreie Gehstrecke von etwa 200 m, bergauf kürzer als in der Ebene. Die Schmerzen
zwingen zum Stehenbleiben.
Die körperliche Untersuchung ergibt fehlende Pulse ab der rechten A. poplitea und ein hochfrequentes Strömungs
geräusch über dem Adduktorenkanal rechts.
Welches ist die häufigste Ätiologie der pAVK, welches sind seltene Ursachen?
Die häufigste Ursache ist die Arteriosklerose (> 90 %). Seltenere Ursachen (< 10 % der pAVK) betreffen vor
allem jüngere Patienten. Dies sind:
• Embolie
• entzündliche Gefäßerkrankungen (v. a. Thrombangiitis obliterans)
• Gefäßtraumata und Kompressionssyndrome
• Radiatio
• Ergotismus
Welche weiteren diagnostischen Basismaßnahmen ergreifen Sie zum objektiven Nachweis einer pAVK?
• systolische Knöchelarteriendruckmessung mit dem cw-Doppler mit Bestimmung des Knöchel-Arm-In-
dex zum Nachweis eines hämodynamisch signifikanten Strombahnhindernisses in Ruhe (ein Index < 0,9
spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine pAVK)
• evtl. Druckmessung nach Belastung (20 Zehenstände oder Laufbandergometrie) bei normalem Index
und suggestiver Anamnese; pathologisch bei Abfall des Knöchelarteriendrucks unter 90 % des Sys-
temdrucks = Nachweis einer pAVK
• evtl. Mehretagen-Oszillogramm, vor allem bei Mediasklerose, d. h. nichtkompressiblen Knöchelarterien
(Index > 1,4; gehäuft bei Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz); qualitative Veränderung der Volumen-
pulskurve als Hinweis für ein vorgeschaltetes arterielles Strombahnhindernis (Cave: pulsatiles Vorfuß
oszillogramm schließt in der Regel eine kritische Extremitätenischämie aus)
• Laufbandergometrie zur objektiven Bestimmung der schmerzfreien Gehstrecke (3,2 km/h; 10 % Steigung)
By John Malcolm.
The lost, the castaway on desert isles,
Or rocks of ocean, where no human aid
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