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Hartmut Lang
Hrsg.
Außerklinische
Beatmung
Basisqualifikation für die Pflege heimbeatmeter Menschen
Vorwort
Außerklinische Beatmung vertritt den Anspruch, ein Begleitbuch für die Kollegen zu sein, die
die Fortbildung „Basisqualifikation außerklinische Beatmung“ DIGAB akkreditierter Anbieter
besuchen. Die Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. erstellt
seit 2011 (2012) ein Curriculum, in dem die Inhalte der Fortbildung erarbeitet sind. Teilneh-
merinnen und Teilnehmer dieser Fortbildung sollen für die Versorgung beatmungsabhängiger
Menschen umfangreiche Kenntnisse erwerben. Das Buch richtet sich daher an alle beruflich
pflegenden Kolleginnen und Kollegen, die diese Fortbildung besuchen, und zusätzlich auch
an diejenigen, die sich unsicher in der Betreuung dieser Menschen, Patienten und Bewohner
fühlen.
Das Anliegen meiner Ko-Autoren und mir ist, eine nachvollziehbare Orientierung zum Thema
künstliche Beatmung im Rahmen der außerklinischen Versorgung zu geben.
Außerklinische Beatmung ist didaktisch in sechs Sektionen aufgeteilt und richtet sich nach den
Anforderungen des DIGAB-Curriculums:
44Sektion I: Grundlagen der Atmung und des respiratorischen Versagens
44Sektion II: Möglichkeiten der Beatmung
44Sektion III: Beatmungsformen und Muster
44Sektion IV: Weitere Behandlungsmaßnahmen
44Sektion V: Überwachung und pflegerische Versorgung des Patienten und der Beatmung
44Sektion VI: Rechtsgrundlagen außerklinische Beatmung
Sektion I behandelt die anatomischen und physiologischen Grundlagen der Atmung, erläutert
das respiratorische Versagen und beschreibt Erkrankungen, die zu einer Beatmungspflichtigkeit
führen können.
Sektion III erläutert die unterschiedlichen Beatmungsformen, deren Nomenklatur, die Ein-
stellungen und Funktionen der einzelnen Einstellungen. Anhand von Fallbeispielen wird der
Zweck der unterschiedlichen Beatmungsformen verdeutlicht.
Sektion IV gibt eine Übersicht über weitere Behandlungsmaßnahmen, die außerklinisch beat-
mete Menschen zusätzlich erhalten, dazu gehören unterschiedliche Medikamente und oft eine
Sauerstofftherapie. Die betroffenen Menschen leiden unter Schluckstörungen, müssen künst-
lich ernährt werden und bedürfen einer psychosozialen Betreuung, die auch die Angehörigen
mit einschließen muss.
Sektion V stellt die umfassende Betreuung und Überwachung der Menschen dar. Sie gibt einen
Überblick über Begriffe, die in der Beatmung genutzt werden, und beschreibt die Alarm- und
Messwerte der Beatmung. Hinzu kommen atmungstherapeutische Maßnahmen, die in der
laufenden Versorgung einen hohen Stellenwert haben, so die Atemgasklimatisierung, das Se-
kretmanagement und das Weaning.
VI Vorwort
Sektion VI fasst die rechtlichen Grundlagen der außerklinischen Beatmung zusammen. Ein ge-
ordnetes Entlassungsmanagement stellt die Überleitung in die Häuslichkeit sicher. Haftung und
Medizinproduktegesetz sind unmittelbare Themen für beruflich Pflegende. Für alle Menschen
bedeutsam sind Themen zur Betreuung oder das Patiententestament.
Ich wünsche allen Lesern eine spannende Lektüre in einem nicht immer leicht verständlichen
Bereich und dass all diejenigen, die an und mit Beatmungspatienten arbeiten, eine gemeinsame
Arbeitsgrundlage und Arbeitssprache finden, in der die fachlichen und sachlichen Unklarheiten
beseitigt sind.
Hartmut Lang
Hamburg, Januar 2017
VII
Danksagung
Ohne die Hilfe von vielen Menschen und Firmen wäre das Buch nicht so entstanden, wie es
nun vor Ihnen liegt. Zu allererst möchte ich mich ganz herzlich bei allen meinen Ko-Autoren
bedanken, die an dem Entstehen von „Außerklinische Beatmung“ mitgeschrieben haben. Dank
ihrer Mitwirkung konnte ein kompetentes und für ihren jeweiligen Bereich spezialisiertes Fach-
wissen eingebracht werden: Herr Dr. Huhn (Krankenhaus Friedrichstadt Dresden, Oberarzt
der Abteilung Pneumologie, Dresden), Herr Dr. Schröter (Klinik Hohen Meißner, Chefarzt
der Abteilung Neurologie, Bad Sooden-Allendorf), Herr Malte Voth (Lehrrettungsassistent,
Bad Bramstedt (sicher-im-notfall)), Frau Britta Behrens (Apothekerin, Dorfplatz-Apotheke
Hamburg), Frau Mona van den Boom (Logopädin und Sprachtherapeutin, Viapallia Wedel/
Holstein), Herr Peter Otte (Diplom Pädagoge, Detmold), Herr Michael Thoms (Fachkranken-
pfleger, MediClin Lingen), Frau Elke Strelow (Pflegepädagogin, Bad Segeberg), Herr Andreas
Böhme (Pflegepädagoge, Hamburg).
Bei meinen Kollegen Martin Effenhauser, Franziska Hummel, Claudia Hajabatsch bedanke ich
mich für deren unermüdliches Gegenlesen und deren fachliche Korrektur. Ein besonderer Dank
gilt unserer Freundin Frau Brigitte Poggemeier, die unentwegt nach überflüssigen Füllwörtern,
Satzstellungen, Orthographie und Ausdruck Ausschau gehalten hat. Ein riesengroßer Dank
geht an meine Mitarbeiterin und Illustratorin Frau Isabel Guckes, die sehr viele Abbildungen
erstellt und alle meine Zeichnungen bearbeitet hat.
Für die Erlaubnis, Abbildungen und Bilder des Uniklinikums Hamburg Eppendorf zu nutzen,
möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Stefan Kluge, Chefarzt der Klinik Intensiv-
medizin am UKE-Hamburg, bedanken.
Viele Firmen und Institutionen waren ebenfalls bereit, Bildmaterial und Tabellen für das Buch
zur Verfügung zu stellen:
44idiag ag, Mülistrasse 18, CH-8320 Fehraltorf
44IFP - Internationale Stiftung für Forschung in Paraplegie, Rämistrasse 5, 8001 Zürich
44Prof. Martin E. Schwab, Institut für Hirnforschung, Universität Zürich
44Prof. Dr. med. T.O.F. Wagner, Abteilung Pneumologie/Allergologie des Universitäts-
klinikums Frankfurt
44R. Cegla GmbH & CO. KG, Horresser Berg 1, 56410 Montabaur
44Bundesverband „Schädel-Hirnpatienten in Not e.V.“, DEUTSCHE WACHKOMA
Gesellschaft
44HEIMOMED Heinze GmbH & Co. KG, HELPING INNOVATION®, Kerpen
44GHP Pflegedienst - Gesellschaft für häusliche Pflege in Hamburg und Umgebung“
44Covidien Deutschland GmbH, Neustadt/Donau
44Fa. ResMed GmbH & Co. KG, Martinsried
44Fa. Phillips GmbH Respironics, Herrsching
44Zentrum der Gesundheitsdienste Dresden, Pflegedienst Dresden
44Fa. Radiometer GmbH, Willich
44Fa. Medtronic GmbH, Meerbusch
44Seilnacht Verlag & Atelier, Thomas Seilnacht, Bern
44Fa. Gründler, ResMed Martinsried
VIII Danksagung
Zu guter Letzt gilt mein Dank Frau Sarah Busch vom Springer Verlag für ihr Vertrauen in
meine Arbeit. Frau Busch hat meine Arbeit immer anregend begleitet. Sie hat wesentlich zum
didaktischen Aufbau beigetragen. Meiner Lektorin Frau Ute Villwock möchte ich ebenfalls
einen großen Dank für ihre Korrekturen und die Gliederung aussprechen.
Hartmut Lang
IX
Inhaltsverzeichnis
3 Krankheitslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Matthias Huhn
3.1 Grundlagen und Diagnostik von Atemstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2 Erkrankungen und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4 Tracheotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Hartmut Lang
4.1 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.2 Tracheotomieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3 Verschiedene Trachealkanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.4 Verbandswechsel bei Trachealkanülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.5 Wechsel der Trachealkanüle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
4.6 Verschluss des Tracheotomas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6 Respiratormodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Hartmut Lang
6.1 Modell der Luft- oder Kolbenpumpe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.2 Modell Ambubeutel (Beatmungsbeutel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.3 Modell der offenen/halboffenen Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.4 Modell eines Wasserschlosses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
6.5 Respiratormodell eines Intensivbeatmungsgerätes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
6.6 Intensiv- und turbinengesteuerte Beatmungsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
6.7 Beatmungsschlauchsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.8 Atemgaskonditionierung – Atemgasbefeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
8 Beatmungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Hartmut Lang
8.1 Unterscheidungsmerkmale der Beatmungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
8.2 Beatmungskurven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
15 Notfallmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Malte Voth
15.1 Was ist ein Notfall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
15.2 Wer ist wann zuständig?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
15.3 Patienteneinschätzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
XII Inhaltsverzeichnis
IV Weitere Behandlungsmaßnahmen
16 Pharmakologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Britta Behrens
16.1 Einführung in die Medikamentenkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
16.2 Medikamentengruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
17 Sauerstofftherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Hartmut Lang
17.1 Aufgaben der Atmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
17.2 Symptome von Sauerstoffmangel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
17.3 Messmethoden zur Sauerstoffmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
17.4 Indikationen für eine Sauerstoffgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
17.5 Geräte zur Sauerstoffversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
17.6 Applikationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
17.7 Sicherheit gegen Feuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
18 Dysphagie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Mona van den Boom
18.1 Physiologischer Schluckvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
18.2 Gestörter Schluckakt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
18.3 Ursachen von Dysphagien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
18.4 Diagnostik von Dysphagien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
18.5 Therapie von Dysphagien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
18.6 Trachealkanülenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
20 Hygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
Michael Thoms
20.1 Einleitung in die Hygiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
20.2 Standzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
20.3 Trockenbeatmungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
20.4 Schläuche mit Atemgasbefeuchter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
20.5 HME-Filter und Gänsegurgel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
20.6 Beatmungsmasken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
20.7 Trachealkanülenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
20.8 Gerätepflege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
20.9 Händewaschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
26 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Malte Voth
26.1 Klinischer Blick/klinisches Monitoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
26.2 Pulsoxymetrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
26.3 Kapnometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
26.4 Kreislauf, Puls und Blutdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
28 Atemgaskonditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Hartmut Lang
28.1 Aufgaben der Atemwege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
28.2 Absolute und relative Feuchte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
28.3 Aktive Atemgasbefeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
28.4 Beatmungsfilter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
28.5 Passive Atemgasbefeuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
28.6 Aktive versus passive Befeuchtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
29 Sekretmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Hartmut Lang
29.1 Hustenfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
29.2 Unterstützung beim Husten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
29.3 Die endobronchiale/endotracheale Absaugung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
29.4 Inhalationstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
30 Weaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Hartmut Lang
30.1 Weaning-Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.2 Weaning-Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.3 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
30.4 Pflegerische Maßnahmen zur Stärkung der Atemmuskulatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
30.5 Weaning-Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
30.6 Entwöhnungsindex (RSB-Index). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
30.7 Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
XV
Inhaltsverzeichnis
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
Autorenverzeichnis
Otte, Peter
Westfälische Wilhelms Universität Münster
Rosenstraße 20
3256 Detmold
Thoms, Michael
Hygiene
Schwarzenbergweg 59
49740 Haselüne
Strelow, Elke
Kurhausstraße 46
23795 Bad Segeberg
1 I
Grundlagen der
Atmung und des
respiratorischen
Versagens
Kapitel 1 Anatomie und Physiologie der Atmung – 3
Hartmut Lang
Kapitel 3 Krankheitslehre – 39
Matthias Huhn
3 1
1.3 Atemhilfsmuskulatur – 15
1.3.1 Inspiration – 15
1.3.2 Exspiration – 16
1.4 Physiologie – 17
1.4.1 Atemluft – 17
1.4.2 Diffusionszeit – Diffusionsstrecke – 18
1.4.3 Atemregulation – 18
1.4.4 Physiologisches Shuntvolumen – 19
1.4.5 Atemmechanik – 19
1.6 Rückenmark – 24
1.6.1 Aufbau des Rückenmarks – 24
1.6.2 Innere Struktur des Rückenmarks – 27
1.6.3 Aufbau einer Nervenzelle – 28
Weiterführende Literatur – 29
1.1 · Obere Atemwege
5 1
Die Atmung hat die Aufgabe, durch Einatmung z Bezug zur künstlichen Beatmung
Sauerstoff aufzunehmen und durch Ausatmung Koh- Die oberen Atemwege können diese Aufgaben
lendioxid abzugeben. Sauerstoff benötigt man für die nicht mehr erfüllen, wenn sie mittels Trachealka-
Zellatmung bzw. den Stoffwechsel. Kohlendioxid ist nüle umgangen werden. Hier muss die künstliche
ein Endprodukt des Stoffwechsels und muss mit Hilfe Beatmung technische Hilfsmittel bereitstellen, um
der Atmung abgegeben werden. Die Sauerstoffauf- die oben genannten Aufgaben zu übernehmen. Es
nahme wird Oxygenierung genannt. Die Abgabe von werden aktive oder passive Befeuchtungssysteme
CO2 wird Decarboxylierung genannt. genutzt.
Anatomisch lassen sich unsere Atemwege in die
oberen und die unteren Atemwege unterteilen. Phy-
siologisch erfüllen sie unterschiedliche Aufgaben, die 1.1.1 Nase
im Folgenden erläutert werden sollen. Der normale
Weg der Atemluft wird nachvollzogen. Dabei soll auch An der Seitenwand jeder Nasenhöhle befinden
immer ein Blick auf die künstliche Beatmung fallen, sich drei übereinander liegende Nasenmuscheln
d. h., es wird erläutert, welche Aufgaben die künstliche ( . Abb. 1.2). Die Nasenschleimhaut besteht aus
Beatmung erfüllen muss, falls die normale Atmung einem Flimmerepithel mit vielen Schleimdrüsen.
von den Menschen nicht mehr ausgeübt werden kann. Das Flimmerepithel schlägt den Schleimfilm nach
hinten in Richtung Rachen. Im oberen Raum der
Nasenhöhle befindet sich die Riechschleimhaut.
1.1 Obere Atemwege Unter der Schleimhaut verläuft ein dichtes Kapillar-
netz, teilweise als volumenreicher Venenplexus (Sep-
tumschwellkörper). Nasenbluten entsteht zumeist im
Bestandteile der oberen Atemwege vorderen Abschnitt der Nasenschleimhaut.
(. Abb. 1.1)
55Nase und Nasenhöhle
55Mund 1.1.2 Kehlkopf und Stimmbänder
55Rachen (Pharynx)
55Kehlkopf (Larynx) Der Kehlkopf (Larynx) trennt den Rachen von der
Luftröhre (. Abb. 1.3). Er liegt vorne tastbar am Hals.
Der Kehlkopf hat drei Funktionen:
z Aufgaben der oberen Atemwege
1. Schutz vor Aspiration beim Schlucken:
Bei normaler Atmung hat der obere Respira- Beim Schlucken wird der Kehlkopf (Larynx)
tionstrakt vier Aufgaben ( . Tab. 1.1 ): Erwär- nach vorne und nach oben gezogen. Dadurch
mung, Anfeuchtung, Filterung und Turbulenz des verschließt der Kehldeckel (Epiglottis)
Atemgases. die Luftröhre (Trachea). Speisen und
42
1 . Tab. 1.1 Aufgaben der oberen Atemwege
Erwärmung Eingeatmete Luft wird erwärmt und kann so mehr Wasserdampf aufnehmen
Anfeuchtung Mit wässrigem Sekret aus den Drüsen des oberen Respirationstrakts, Selbstreinigungsmechanismus
wird so aufrechterhalten
Filterung Abfangen größerer Partikel durch Nasenhaare und durch den Schleimüberzug der Nasen- und
Tracheobronchialschleimhaut
Turbulenz Bewirkt einen größtmöglichen Kontakt zwischen Luft und Schleimhaut
Zungenbein
Durchtrittsöffnung für den (Os hyoideum)
N. laryngealis superior
Schildknorpel
(Cartilago thyroidea) Stimmband
(Ligamentum vocale)
Stellknorpel
(Plural: Cartilagines Membran
arytaenoideae Stimmritze und
Singular: Cartilago Ringknorpel
arytaenoidea) (Conus elasticus)
Knorpelspange der
Ringknorpel Luftröhre
(Cartilago cricoidea) (Cartilago trachealis)
. Abb. 1.3 Kehlkopf (aus Spornitz, 2010, Anatomie und Physiologie, Lehrbuch und Atlas für Pflege- und Gesundheitsberufe,
6. Aufl. Springer, Heidelberg Berlin)
. Abb. 1.4 Stimmritze beim Sprechen (links) und Atmen (rechts) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
8 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Bei Schluckstörungen sammelt sich das Sekret der Netz durchzogen. Wird die Carina von aspirierten
42
1 oberen Atemwege auch unterhalb des Kehlkopfes Fremdkörpern gereizt, entsteht ein Hustenreiz.
(subglottisch) und oberhalb der Trachealkanüle und Dieser kann auch durch eine endobronchiale Absau-
kann zu Mikroaspirationen führen. gung ausgelöst werden.
Bestandteile der unteren Atemwege Der rechte, etwas stärkere Hauptbronchus ist
55Trachea (Luftröhre) 1–2,5 cm lang. Er verläuft etwas gerader als der
55Bronchien linke Stammbronchus und hat eine Abknickung
55Bronchiolen von nur ca. 20 % gegenüber der Trachea. Der linke,
55Alveolen (nur sie dienen dem schwächere Hauptbronchus ist 4,5–5 cm lang. Seine
Gasaustausch) Abwinklung beträgt mindestens 35 % gegenüber der
Trachea (bedingt durch Aortenbogen). Aspirierte
Fremdkörper gelangen durch den Winkel zwischen
Trachea und Bronchien häufiger in den rechten als
1.2.1 Luftröhre (Trachea) in den linken Hauptbronchus.
Trachea und Bronchien weiten sich bei der Ein-
Die Trachea spannt sich als Rohr zwischen dem Kehl- atmung leicht. Dadurch steigt der Innendurch-
kopf und den Stammbronchien. Sie ist ca. 10–12 cm messer der Atemwege und Einatmung erfolgt ohne
lang, elastisch und besitzt zur Vorderseite hin 12–20 Anstrengung. Während der Ausatmung verengen
hufeisenförmige Knorpelspangen, die von außen sich Trachea und Bronchien leicht. Dadurch sinkt der
tastbar sind. Sie verhindern ein Kollabieren der Trachea. Innendurchmesser der Atemwege. Die Ausatmung
Die Hinterwand ist elastisch und besteht aus Bindege- dauert im Ruhezustand dadurch auch etwas länger
webe und Muskulatur. Daran grenzt die Speiseröhre. als die Einatmung. So entsteht ein Ruhe-Atemzeit-
Durch die Elastizität der Hinterwand kann der verhältnis von I:E = 1:2. Durch die Knorpelspangen
Innendurchmesser der Trachea auf ca. ¼ verengt und -platten bleiben die Atemwege gesichert offen.
werden. Das hat seine Bedeutung beim Husten und Die Wände der Bronchien sind aus 3 Schichten
Niesen, bei dem die Luft mit hohem Druck heraus- aufgebaut (. Tab. 1.2)
gepresst wird (. Abb. 1.5 rechts).
. Tab. 1.2 Aufbau der Bronchialwände
1.2.2 Carina
Innen Zylinderepithel und Flimmerhärchen
Mitte Drüsen für Feuchtigkeit und Schleimbildung
Die erste Aufzweigung von der Trachea zu den
Außen Knorpel (Knorpelspangen) zum Offenhalten
beiden Stammbronchien (Hauptbronchien) wird
und zur äußeren Schienung
„Carina“ genannt. Sie ist von einem dichten nervalen
Kehlkopf – Larynx
Luftröhre – Trachea 17. - 19. Abzweigung
1. Abzweigung Bronchiolen
Stammbronchus rechts
Stammbronchus links
2. Abzweigung 20. - 22. Abzweigung
Lappenbronchien links Bronchioli respiratorii
. Abb. 1.6 Bronchialsystem, links 1.–16. Generation und rechts 17.–23. Generation (mit freundlicher Genehmigung: Isabel
Guckes)
z Totraum
Der Bronchialbaum dient dem Transport der
eingeatmeten Luft. Er zweigt sich immer weiter auf, Die Luft, die sich ab Nase bzw. Mund bis zu den
insgesamt 23 Mal. Jede Verzweigung wird Genera- Bronchiolen der 16. Generation befindet, wird
tion genannt. Bis zur 16. Generation dient der Bron- Totraum genannt. Es ist der Anteil des Atemsys-
chialbaum ausschließlich dem Lufttransport. Ab tems, der zwar belüftet wird jedoch nicht am Gas-
der 17. Generation beginnt der Bereich, in dem der austausch beteiligt ist. Der Totraum kann weiter
Gasaustausch möglich ist. Dort beginnt der alveolare unterteilt werden.
Bereich (. Abb. 1.6).
Das Gesamtvolumen des Bronchialsystems ist z z Anatomischer Totraum
recht klein, nur 100 ml. Somit ist ein Eintritt von Dazu gehören die oberen Atemwege des Naso-
Flüssigkeiten und Fremdkörpern für den Menschen pharynx, Larynx, Trachea, Bronchien bis zur 16.
gefährlich, da das Volumen rasch ausgefüllt werden Generation. Sie dienen dem Lufttransport, der Rei-
kann. nigung, Anfeuchtung und Erwärmung der Atem-
luft. Der anatomische Totraum beträgt ca. 2 ml/kg
Körpergewicht. Für einen erwachsenen Menschen
mit einem Gewicht von 75 kg beträgt der Totraum
Anatomische Einteilung des Bronchialsys- somit ca. 150 ml Luft. Die Luft des anatomischen
tems (. Abb. 1.7) Totraumes ist die letzte Menge Luft, die eingeat-
55Hauptbronchus met wird. Und auch die erste, die wieder ausgeat-
55Lappenbronchien (rechts 3, links 2) met wird.
55Segmentbronchien (rechts 10, links 9)
55Mittlere und kleine Bronchien z z Alveolärer Totraum
55Bronchioli (alle Knorpelelemente fehlen) Ein Teil der Alveolen wird nur unzureichend durch-
55Bronchioli terminales blutet. Beim lungengesunden Menschen sind das ca.
55Bronchioli respiratorii (Beginn des 2 % des Atemzugvolumens (Tidalvolumen). Atem-
respiratorischen Teils des luft, die in die Alveolen gelangt, nimmt somit nicht
Bronchialbaumes) am Gasaustausch teil.
55Ductus alveolaris
55Azini (1 Acinus umfasst 1500–4000 z z Funktioneller Totraum
Alveolen, Durchmesser 2,5–5 mm) Ist die Summe des anatomischen und alveolären Tot-
raums und beträgt ca. 30 % des Tidalvolumens.
10 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Guckes) Bronchialmuskulatur
Terminale Bronchiolen
Bronchioli respiratorii
Alveolarsäckchen – Azinus
Kapillarsystem
z Alveoläre Ventilation
Die meisten Fremdpartikel, die durch die
Der Anteil der Atemluft, der in die Alveolen gelangt Atmung in die luftleitenden Atemwege gelangen,
und somit am Gasaustausch teilnehmen kann, also werden so innerhalb von 24 Stunden abtranspor-
die Differenz aus Atemminutenvolumen minus Tot- tiert. Längere Transportzeiten betreffen Fremdpar-
raumvolumen. Die alveoläre Ventilation beträgt tikel, die im Alveolarbereich abgelagert wurden. Die
beim Erwachsenen ca. 4500 ml/min bzw. 60 ml/ Zilienbeweglichkeit ist abhängig von der Luftfeuch-
kg KG/min, beim Neugeborenen ca. 400 ml/min tigkeit. Ist die Luftfeuchtigkeit nicht ausreichend und
bzw. 100–150 ml/kg KG/min und ist somit mehr als die Temperatur zu niedrig, wird der Reinigungsme-
doppelt so groß wie die des Erwachsenen. chanismus behindert.
äußere Bronchialwand
Epithelzellen mit
Flimmerhärchen – Zilien
Drüsenzellen
Atemwegsgang
und die Wirbelsäule begrenzt. Gleichzeitig bilden die Brustkorb aufgespannt, sie kann nicht kollabieren.
Rippen einen Schutz der Lunge und der Herzens. Nur durch die Eintrittspforte für Blutgefäße und die
Die Lunge ist von einer Haut, dem Brustfell Stammbronchien (Hilus) ist die Lunge fest mit dem
bzw. der Pleura umschlossen und besteht aus zwei Thorax verbunden.
„Blättern“. Das innere Blatt, das Lungenfell bzw. die Die beiden Blätter können sich gegeneinander
Pleura viszeralis, liegt der Lunge an (. Abb. 1.10). verschieben. Hierdurch ist die Lunge atemverschieb-
Das äußere Blatt, das Rippenfell bzw. die Pleura lich. Die Lunge folgt somit passiv der Bewegung des
parietalis, kleidet den Thorax von innen aus. Zwi- Brustkorbs, der bei der Atmung aktiv bewegt wird.
schen beiden Blättern befindet sich der Pleuraspalt, Die Lunge selbst hat keine Muskulatur, die eine aktive
der mit Flüssigkeit gefüllt ist. Damit ist die Lunge am Bewegung erzeugen kann.
12 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Innerhalb des Pleuraspalts besteht ein negativer, mittelbar gemessen werden. Bei großer Einatem-
subatmosphärischer Druck. Er beträgt während der anstrengung ist zu erwarten, dass der intrapleurale
Ausatmung ca. -5 cm H2O und bei der Einatmung Druck einen größeren Unterschied aufweisen wird.
ca. -8 cm H2O. Durch ihre elastischen Fasern neigt Der Brustkorb weitet sich, Zwerchfell kontrahiert bei
die Lunge dazu, sich zusammenziehen zu wollen. der Einatmung, aber die Lunge kann der Bewegung
Sie folgt bei der Einatmung aber der Bewegung des nicht unmittelbar folgen, da sie bei Lungenerkran-
Brustkorbs und des Zwerchfells, dadurch vergrößert kungen weniger elastisch und starrer ist. Je größer
sich ihr Volumen. Damit sinkt der negative intra- der negative Pleura- bzw. der Ösophagusdruck, desto
pleurale Druck während der Einatmung. Bei stärke- mehr strengt sich der Patient bei der Atmung an. Er
rer Einatemanstrengung (z. B. forcierte Einatmung droht sich dabei zu respiratorisch zu erschöpfen.
bei körperlicher Belastung) sinkt der intrapleurale Die künstliche Beatmung soll dazu beitragen,
Druck stärker. Während der Ausatmung verkleinert dass sich respiratorisch erschöpfte Patienten bei der
sich der Brustkorb, das Zwerchfell erschlafft. Die Atemarbeit nicht so stark anstrengen müssen. Luft
Lunge verkleinert sich ebenfalls und der intrapleu- wird mit Überdruck in die Lungen gepresst, das ent-
rale Druck steigt wieder an. lastet die Atemarbeit der Patienten. Bei der künstli-
chen Beatmung ist der Druck innerhalb der Lunge
z Messung des intrapleuralen Drucks (intrapulmonal) somit immer im positiven Bereich.
Der intrapleurale Druck kann mittels Sonden direkt im Ebenso der intrapleurale Druck, da die mit Luft
Pleuraspalt gemessen werden. Eine indirekte, jedoch gefüllte Lunge auf den Pleuraspalt drückt. Somit
zuverlässige Messmethode ist die Anwendung von befindet sich der transpulmonale Druck ebenso im
Ösophagusdrucksonden. Am Ende der Speiseröhre positiven Bereich.
herrscht ein vergleichbarer Druck. Der Druckunter-
schied von intrapulmonalem Druck und intrapleu-
ralem Druck wird transpulmonaler Druck genannt. 1.2.6 Lungenflügel, Lungenlappen
Dieser ist bei spontaner Atmung immer negativ. und Lungensegmente
z Bezug zur künstlichen Beatmung Die Lunge besteht aus einem rechten und einem
Patienten, deren Lungengewebe erkrankt ist, müssen linken Lungenflügel. Der rechte Lungenflügel hat
sich bei der Atmung mehr anstrengen. Mittels Öso- drei Lungenlappen, der linke Lungenflügel zwei
phagusdrucksonden kann diese Anstrengung (. Abb. 1.11).
1.2 · Untere Atemwege
13 1
. Abb. 1.11 Lungenflügel und
Lungenlappen (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes)
Die Lungenlappen teilen sich noch einmal in Der linke Lungenflügel ist kleiner als der rechte
Segmente auf (. Abb. 1.12). Der rechte Lungenflügel Lungenflügel und besteht aus 9 Segmenten. Er hat
besteht aus 10 Lungensegmenten: keinen Mittellappen. Somit ergibt sich eine andere
443 gehören dem Oberlappen an, Einteilung:
442 dem Mittellappen, 445 gehören dem Oberlappen an und
445 dem Unterlappen. 444 dem Unterlappen
14 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Die Segmente 4 und 5 werden Lingua genannt. Millionen Alveolen haben zusammen eine Oberflä-
42
1 Segment 7 ist links nicht ausgebildet. che von ca. 60–80 m². Die einzelne Alveole hat keinen
einzelnen eigenen Bronchioli. Ungefähr 1500–4000
z Bezug zur künstlichen Beatmung Alveolen bilden Alveolen-Säckchen, ein Azinus
Bei der normalen Einatmung gelingt es, dass sich (Mehrzahl Azini). Die Alveolen eines Azinus sind
die Luft gleichmäßig in alle Lungenlappen und -seg- untereinander mit Öffnungen, den Kohnschen-Poren,
mente verteilt. Bei der künstlichen Beatmung gelingt verbunden. Die eingeatmete Luft kann sich somit
diese gleiche Verteilung der Inspirationsluft nicht innerhalb dieser kleinen Einheit gleichmäßig verteilen.
immer. Die Luft der künstlichen Beatmung wird mit
Überdruck in die Lungen gepresst und neigt dazu, z Bezug zur künstlichen Beatmung
sich ungleichmäßig zu verteilen, meistens mit einer Bei der künstlichen Beatmung besteht wiederum
guten Belüftung der oberen apikalen Lungenseg- das Problem, dass sich die mit Überdruck inspi-
mente und mit einer unzureichenden Belüftung der rierte Luft ungleichmäßig verteilt. Dabei werden
unteren basalen und dorso-basalen Lungensegmente. kleine Alveolen oft gar nicht belüftet bzw. min-
Bei einigen Beatmungsgeräten findet man derbelüftet und große und größere Alveolen sogar
über 10 verschiedene Beatmungsformen. Dies soll überbläht. Eine potenzielle Folge ist der Verlust von
dazu dienen, mithilfe der unterschiedlichen Beat- Gasaustauschfläche.
mungsformen eine gleichmäßige Luftverteilung zu
erreichen. Die Alveolen sind ausgekleidet mit Lungenzellen,
den Pneumozyten Typ I. Sie bilden die innere Wand
der Alveolen, das Alveolarepithel (. Abb. 1.14).
1.2.7 Alveolen und Surfactant Zusätzlich gibt es den Pneumozyt Typ II. Dieser
bildet das Surfactant, welches
Die insgesamt ca. 300–400 Millionen Alveolen 44als dünner Film die innere Oberfläche der
werden von einem feinen Kapillarnetz überspannt. Alveolen auskleidet,
Zwischen den luftgefüllten Alveolen und den Kapil- 44die Oberflächenspannung herabsetzt,
laren, die aus der Pulmonalarterie hervorgehen, 44das Kollabieren der Alveolen verhindert.
findet dann der eigentliche Gasaustausch statt.
Gäbe es kein Surfactant, müsste ein wesentlich
> Der Gasaustausch in der Lunge wird äußere höherer Druck für die Wiedereröffnung der Alveo-
Atmung genannt. Der Gasaustausch im len aufgewendet werden, bzw. in der Inspiration
Gewebe bzw. an den einzelnen Körperzellen wäre eine größere Kraft der Atemmuskulatur erfor-
wird innere Atmung genannt. derlich. Das Surfactant bildet die Grenze zwischen
Atemluft und Gewebe. Surfactant wird schon intra-
Eine einzelne Alveole hat einen Durchmesser von uterin vom Fötus ab der 23. Schwangerschaftswo-
10–25 Mikrometer (. Abb. 1.13). Die ca. 300–400 che produziert. Surfactant besteht zu ca. 90 % aus
Lipiden (Fetten), zu 10 % aus Proteinen (Eiweißen) künstlichen Beatmung muss das durch die aktiven
und Kalziumionen. oder passiven Befeuchtungssysteme erfolgen.
1.3 Atemhilfsmuskulatur
Circa 2/3 der Atemarbeit wird durch Kontraktion des innerhalb der Lungen in alle Bereiche verteilen. So
42
1 Zwerchfells geleistet (. Abb. 1.15). Wenn die äußere gibt es nahezu keine Bereiche, die minderbelüftet
Rippenmuskulatur arbeitet, wird der Thorax ange- sind.
hoben und die Luft strömt in die Lungen ein. Ein
gewisses Halten der Inspiration (vergleichbar dem z Bezug zur künstlichen Beatmung
Plateau 7 Kap. 12) erfolgt durch die Halsmuskeln. Die künstliche Beatmung bewirkt keine gleichmä-
Weitere Hilfsmuskeln zur Inspiration, die in der Lage ßige Dehnung der Lunge. Die durch Überdruck ver-
sind, die Rippen anzuheben, sind die Mm. pectoralis abreichte Luft verteilt sich oft ungleichmäßig in den
major und minor, Mm. scaleni, M. sternocleidomas- Lungenbereichen. Das führt dazu, dass einige Berei-
toideus. Die gleichzeitige Muskelarbeit von Zwerch- che überdehnt, andere minder- oder gar nicht belüf-
fell und äußerer Zwischenrippenmuskulatur bewirkt, tet werden. Die Oberkörperhochlagerung des Patien-
dass sich die Lunge im Thorax gleichmäßig weitet ten auf 30–45°, ebenso die Hoch- bzw. Unterlagerung
und ausdehnt. der Arme unterstützt und ermöglicht ein optima-
Das Zwerchfell bildet im nicht kontrahierten les Einsetzen der Atemhilfsmuskulatur. Assistierte
Zustand jeweils Kuppen unterhalb der beiden Lun- Spontanatmung des Patienten bewirkt eine gleich-
genflügel. Die Kontraktion des Zwerchfells bewirkt, mäßige Verteilung der Beatmungsluft in der Lunge.
dass die Kuppen sich glätten. Damit bildet das kon-
trahierte Zwerchfell bei der Einatmung ein abge-
flachtes Trapez. Dadurch werden die Abdominalor- 1.3.2 Exspiration
gane nach unten und nach vorne verdrängt. Daran
erkennt man die „Bauchatmung“. An der Exspiration beteiligte Muskeln (. Abb. 1.16):
Das Zwerchfell zieht die Lungenflügel in die 44Innere Zwischenrippenmuskulatur
Länge. Es erfolgt eine gleichmäßige vertikale 44Schräger Brustmuskel
Dehnung. Die äußere Zwischenrippenmuskulatur 44Gerader Bauchmuskel
dehnt den Brustkorb nahezu zirkulär. Der Brustkorb
wird nach vorne, zur Seite und nach hinten hin ange- Die Ausatmung ist vorwiegend ein passiver Vorgang.
hoben. Die Lungenflügel werden dadurch gleichmä- Das kontrahierte Zwerchfell erschlafft und die Lun-
ßig horizontal gedehnt. Durch die vertikale und die genflügel werden leicht zusammengestaucht. Die
horizontale Dehnung entsteht ein leichter Unter- äußere Zwischenrippenmuskulatur erschlafft und
druck in der Lunge im Vergleich zur Außenluft und die zirkuläre Dehnung wird zurückgenommen. Auch
Atemluft strömt über die Atemwege in die Lunge das führt zu einem Zusammenstauchen der Lunge.
ein. Im Prinzip wird bei der Einatmung Luft „ein- Dadurch entsteht innerhalb der Lungen ein leich-
gesaugt“. Die eingeatmete Luft kann sich durch die ter Überdruck. Daher strömt die Luft leicht aus den
gleichmäßige Dehnung der Lunge auch gleichmäßig Lungen heraus.
Einatmung Ausatmung
Kopfmuskeln
(Sternocleidomastoideus)
Treppenmuskeln (Scalenen)
innere
Zwischenrippenmuskeln
Sägezahnmuskel (Serratus)
schräger Brustmuskel
äußerer
Zwischenrippenmuskeln
äußerer schräger
Bauchmuskel
Zwerchfell gerader
Bauchmuskel
innerer schräger
Bauchmuskel
. Abb. 1.16 Ein- und Ausatemmuskeln (mit freundlicher Genehmigung: idiag ag)
Atemarbeit ist ein energiesparender Vorgang. Atemmuskeltätigkeiten bewirken eine bessere Ver-
Nur ca. 2–3 % des täglichen Energiebedarfs eines teilung der Beatmungsluft innerhalb der Lungen.
erwachsenen Menschen wird für die Atemarbeit Bei schwerer Ateminsuffizienz wird sehr viel mehr
aufgebracht. Benötigt ein Mensch ca. 2000 kcal/ Energie zur Atemarbeit benötig, mit einem Anteil
Tag, so werden für die Atemarbeit nur 40–60 kcal/ von 20–30 %. Die künstliche Beatmung soll diesen
Tag gebraucht. Da Atemarbeit wenig Energie ver- hohen Energieverbrauch der Atmung senken und
braucht, können wir ohne Anstrengung 24 Stunden dient damit auch der Erholung bei Ateminsuffizienz.
rund um die Uhr atmen, ohne dass wir uns respira-
torisch erschöpfen.
1.4 Physiologie
z Bezug zur künstlichen Beatmung
Die spontane eigene Atmung ermöglicht bei der 1.4.1 Atemluft
Einatmung eine gleichmäßige Verteilung der Luft
in alle Lungenbereiche und ein gleichmäßiges Aus- Die Atemluft besteht zu einem großen Anteil aus
strömen der Luft während der Ausatmung. Eine Stickstoff (78 %). Sauerstoff ist nur mit einem Anteil
Konsequenz für die künstliche Beatmung ist, dass von 21% in der Einatemluft vertreten. Wir leben
die unterstützende Spontanatmung der Patien- demnach in einer Stickstoffatmosphäre. Jedoch
ten so früh wie möglich beginnen soll. Auch kleine wird der Stickstoff unverändert wieder ausgeatmet.
18 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
z Bezug zur künstlichen Beatmung – Die Zentrale der Atemregulation ist das Stammhirn
Blutgasanalyse bzw. das Atemzentrum im verlängerten Rücken-
Sauerstoff wird für die Stoffwechselprozesse benötigt mark (Medulla oblongata). Chemorezeptoren an der
und verbraucht („aerober Stoffwechsel“). Das End- Aorta messen die Konzentration der im Blut gelösten
produkt des aeroben Stoffwechsels ist Kohlendioxid Gase Sauerstoff und Kohlendioxid. Diese Informa-
(CO2), das bei jeder Ausatmung abgeatmet wird. tion wird durch nervale Reize über den 10. Hirnnerv
Daher ist der Anteil des CO2 an der Ausatemluft (N. vagus) und 11. Hirnnerv (N. accessorius) zum
so stark gestiegen. Beim „anaeroben Stoffwechsel“ Atemzentrum im Stammhirn geleitet. Im Stammhirn
laufen Stoffwechselprozesse zur Energiegewinnung selbst existieren Chemorezeptoren, die auf pH, pCO2
auch ohne Sauerstoff ab. Das Endprodukt ist Milch- und pO2 direkt reagieren.
säure (Laktat). Laktat entsteht somit immer bei Stoff- Primärer Antrieb für die Atemarbeit ist der Par-
wechselprozessen ohne Anwesenheit von Sauerstoff. tialdruck pCO2. Steigt der pCO2, wird die Atem-
Blut transportiert Sauerstoff zu den Zellen. Steigt in arbeit verstärkt. Sinkt der pCO2, wird die Atemarbeit
der Blutgasanalyse (BGA) der Laktatgehalt, so ist reduziert. Der Partialdruck beschreibt den Druck in
daraus zu schließen, dass der O2-Verbrauch höher einer Blutgasanalyse, der dem Gas CO2 zugeordnet
als das O2-Angebot ist, dies kann durch eine Störung werden kann (7 Kap. 27). Die Befehle der zu leisten-
der Durchblutung entstehen. den Atemarbeit werden erneut durch nervale Reize
zum Rückenmark und weiter an die motorischen
Fasern der Interkostalnerven geleitet. Dies sind die
1.4.2 Diffusionszeit – Spinalganglien der Brustwirbelkörper (BWK) 1–12.
Diffusionsstrecke Impulse werden auch über den Zwerchfellnerv bzw.
N. phrenicus zum Zwerchfell geleitet.
Die Diffusionszeit beschreibt die Zeit, die der Gas- Die Ein- und Ausatmung unterliegt dem sog.
austausch beim lungengesunden Menschen benö- Hering-Breuer-Reflex . Dehnungsreflexe setzen
tigt. Sie beträgt max. 0,75 Sek. Ein Erythrozyt hält einen Vagusreiz. Bei erfolgter Dehnung erfolgt ein
sich nur für ca. 0,3 Sek. in den Lungenkapillaren auf. „Umschalten“ auf Exspiration.
1.4 · Physiologie
19 1
1.4.4 Physiologisches Shuntvolumen es Abweichungen gibt. Das Atemminutenvolumen
(AMV) ist das Produkt aus Atemzugvolumen (Vt) ×
Dieses ist das im Lungenkreislauf zirkulierende Blut- Atemfrequenz (f). In Atemruhelage atmet man ca.
volumen, das nicht am Gasaustausch teilnimmt und 15-mal pro Minute 500 ml Luft ein. Das ergibt ein
beträgt 3–5 %. Bei einem Herzzeitvolumen (HZV) Atemminutenvolumen von 7.500 ml.
von 5 l/min werden somit 150–250 ml Blut nicht mit Körperliche Anstrengung bewirkt, dass sich
Sauerstoff angereichert. Auch kann kein Kohlendi- das Atemzugvolumen erhöht. Damit das geleistet
oxid abgegeben werden. werden kann, verfügt die Lunge über ein inspirato-
risches Reservevolumen (IRV) und ein exspiratori-
sches Reservevolumen (ERV). Die maximale Ein-
1.4.5 Atemmechanik oder Ausatmung wird jedoch sehr selten erreicht
(. Abb. 1.17).
Die Atemmechanik beschreibt die Zusammenhänge, Zur Übersicht der einzelnen Volumina der Spi-
wie Luft bei der Atmung in die Lunge gelangt. Sie rometrie . Tab. 1.5.
ist zusammengesetzt aus der Atemfrequenz, dem
Atemzugvolumen und dem Atemminutenvolumen z Bezug zur künstlichen Beatmung
(. Tab. 1.4). Auch Patienten mit künstlicher Beatmung sind
durch verschiedene Maßnahmen einer körperli-
z Lungenvolumina chen Anstrengung ausgesetzt. Körperliche Anstren-
Die Atemruhelage ist die normale Atmung eines gung bewirkt auch, dass sich die Atemfrequenz pro
Menschen ohne Anstrengung (Abb. 1.17). Dabei Minute und möglicherweise auch das Atemzugvolu-
entsteht ein Atemzugvolumen (AZV oder Vt) von men erhöht. Künstliche Beatmung muss das zulas-
ca. 450–600 ml. Dieses Atemzugvolumen wird sen können.
durchschnittlich in der Beatmung erzeugt, wobei
Die Summe von Atemzugvolumen in Ruhelage und
inspiratorischem Reservevolumen ergibt die inspi-
. Tab. 1.4 Atemmechanik Erwachsene und Kinder ratorische Kapazität. Auch bei maximalster Ausat-
mung verbleibt noch eine restliche Menge Luft in den
Erwachsene Neugeborene
Lungen, die nicht ausgeatmet werden kann. Das ist
Atemfrequenz 15–20/min 40–50/min das Residualvolumen und beträgt ca. 1000–1200 ml.
Atemzugvolu- 450–600 ml 20 ml In der Atemruhelage verbleibt am Ende der norma-
men len Ausatmung noch sehr viel Luft in den Lungen
Atemminuten- 6–10 l/min 800–1000 ml/min
und Atemwegen. Diese Menge Luft wird funktio-
volumen nelle Residualkapazität (FRC) genannt. Sie beträgt
ca. 2000–2400 ml.
42
1 . Tab. 1.5 Atemzugvolumina
z Bezug zur künstlichen Beatmung Das zentrale Nervensystem, auch ZNS genannt,
Bei Patienten, die invasiv beatmet werden, also einen hängt sehr eng mit dem peripheren Nervensys-
Tubus oder eine Trachealkanüle haben, besteht das tem zusammen und lässt sich daher auch nur topo-
Risiko, dass die FRC reduziert wird. Ist sie zu stark grafisch trennen. Zum ZNS gehören das Gehirn
reduziert, sind die Alveolen und Atemwege unter und das Rückenmark. Zum peripheren Nervensys-
Umständen nicht ausreichend offen für die kom- tem gehören alle vom ZNS abgehenden und ankom-
mende Inspiration und kollabieren. Bei der künst- menden Nervenbahnen des Körpers.
lichen Beatmung wird dem entgegengewirkt, indem Aufgaben des zentralen Nervensystems:
ein PEEP bzw. EPAP am Beatmungsgerät eingestellt 44Kontrolle der Motorik, also von Körperhaltung
wird. und Bewegungen
44Kontrolliertes Zusammenspiel aller lebensnot-
Die Summe aus Atemzugvolumen, inspiratorischem wendigen Systeme – von den Organfunktionen
und exspiratorischem Reservevolumen ergibt die über Hormonhaushalt und Atmung bis hin
Vitalkapazität. Diese beträgt ca. 4000–4500 ml. Die zum Schlaf-Wach-Rhythmus
Summe aus Atemzugvolumen, inspiratorischem und 44Verarbeitung von eintreffenden Informationen
exspiratorischem Reservevolumen und Residualvo- aus der Umwelt und dem Körperinneren
lumen ergibt die Totalkapazität. Diese beträgt ca. 44Alle kognitiven Funktionen – also
5000–6000 ml. Bewusstsein, Sprache, Denken, Lern- und
1.5 · Zentrales und peripheres Nervensystem
21 1
Erinnerungsvermögen, Aufmerksamkeit und befindet sich der sog. Subarachnoidalraum. Dieser
Vorstellungsvermögen ist mit Hirn-Rückenmarksflüssigkeit, dem sog.
44Gefühle und Triebe Liquor, gefüllt. Der Liquor schützt das Hirn vor
Erschütterungen.
Das periphere Nervensystem lässt sich wie folgt
weiter unterteilen: z z Weiche Hirnhaut (Pia mater)
44Somatisches Nervensystem (willkürliches Sie liegt der Hirnsubstanz und dem Rückenmark
Nervensystem) direkt auf und folgt auch deren vielen Krümmun-
44Vegetatives Nervensystem (unwillkürliches gen und Kurvaturen. Die Pia mater versorgt das Hirn
Nervensystem) wird weiter unterteilt in: mit Nährstoffen aus dem Liquor.
44Sympathisches Nervensystem
(Sympathikus)
44Parasympathisches Nervensystem 1.5.2 Hirnaufbau
(Parasympathikus)
44Enterisches Nervensystem (ENS) . Abb. 1.18
z Stammhirn
1.5.1 Anatomie Gehirn Zum Hirnstamm zählen folgende Strukturen:
44Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark)
Das Gehirn eines erwachsenen Menschen wiegt ca. 44Pons (Brücke)
1400 Gramm, benötigt aber ca. 20 % des gesamten 44Mesencephalon (Mittelhirn), z. B. Substantia
Energiebedarfes. Es besteht aus rund 100 Milliarden nigra
einzelnen Nervenzellen, die miteinander in Verbin-
dung stehen. Unzählige Verbindungen können ent- Aus dem Hirnstamm treten die 12 Hirnnervenpaare
stehen und sich weiterentwickeln. Die Möglichkeit, aus. Im Stammhirn befindet sich die Formatio reticu-
Verknüpfungen herzustellen, ist dynamisch und laris, ein für die Motorik wichtiges System aus Fasern
nicht von vornherein festgelegt, also nicht statisch. und Nervenzellen.
1.5.3 Hirnlappen und Hirnregionen Das pyramidale System bezeichnet die direkte Ver-
bindung des motorischen Kortex mit den Neuronen
Die Hirnrinde (Kortex), deren Oberfläche durch des entsprechenden Segments im Rückenmark. Es
Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) struktu- besteht aus ca. 1 Million Axonen, die ohne Unterbre-
riert ist, wird in vier sog. Hirnlappen (. Abb. 1.19) chung bis ins Rückenmark verlaufen und z. T. über
eingeteilt: 1 m lang sind, und steuert die bewusste Bewegung.
sekundäres
Sehzentrum
primäres
Sehzentrum Broca-Areal
Sprachbildung
primäres
Hörzentrum
sekundäres
Hörzentrum
24 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Die Bahnen ziehen durch die Capsula interna und die 44Hals- oder Zervikalmark mit Spinalnerven
42
1 Pons bis in die Medulla oblongata, wo die meisten auf C1–C8
die Gegenseite kreuzen und als Seitenstrang in der 44Brust- oder Thorakalmark mit Spinalnerven
Wirbelsäule abwärts laufen. Die Axone der Pyrami- T1–T12
denbahn enden z. T. direkt an den sog. alpha-Mo- 44Lenden- oder Lumbalmark mit Spinalnerven
toneuronen, die ohne weitere Zwischenstation mit L1–L5
den entsprechenden Muskelfasern verbunden sind. 44Kreuz- oder Sakralmark mit Spinalnerven
Meistens läuft die Verbindung jedoch über sog. Zwi- S1–S5
schenneurone, die in den Wirbelsäulensegmenten 44Schwanzmark
den alpha-Motoneuronen benachbart liegen.
Das extrapyramidale System ist ein indirektes Jeder Spinalnerv versorgt einen bestimmten Körper-
System; die Vermittlung zwischen Großhirn und teil oder ein bestimmtes Organ:
alpha-Motoneuronen läuft über viele Zwischensta- 44Die zervikalen Spinalnerven den Hals, die
tionen, d. h. synaptische Verbindungen zwischen Arme und die Atmungsorgane
Neuronen in verschiedenen Kernen des Gehirns. Es 44Die thorakalen Spinalnerven die Haltung und
steuert die unwillkürliche Bewegung, kann aber auch viele der inneren Organe
in die Willkürmotorik eingreifen. 44Die lumbalen Spinalnerven die Beine und
Das pyramidale und das extrapyramidale System Füße
sind somit parallel geschaltet. 44Die sakralen Spinalnerven die Blase, den Darm
und die Sexualorgane
Apac
Afip Aprcu
Apo
Afim
Apo
Acam
Acal Aca
Afia Achp Acoa
Apca
Aspa
Afbl Ato
Atpo Atp
Atim
Acm
b Ata
. Abb. 1.21 Hirndurchblutung, a. Circulus arteriosus Willisi und seine Zuflüsse, b. Hirnarterien in der Ansicht basal (aus Zilles
et al., Anatomie – Springer Lehrbuch, 2010, Abb. 17,46 (S. 658) und Abb. 17.47c (S. 660))
26 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Rückenmarksnerven
(Spinalnerven)
C1 betroffene Funktionen
C2
Zählung der Wirbel C1 Atmen (C1 bis C4);
C3 Bewegen von Kopf und Hals (C2)
C4
Halsmark Herzrate (C4 bis C6);
(cervikale Segmente) C5 Bewegen der Schultern (C5)
C6
Bewegen von Ellenbogen und
C7 Handgelenk (C6 bis C7)
T1 C8
T1 Bewegen von Hand und
Fingern (C7 bis T1)
T2
Brustmark T3
(thorakale Segmente)
T4
T5
T6 sympathischer Tonus (T1 bis T12)
(einschließlich Temperaturregulation);
T7 Rumpfstabilität (T2 bis T12)
T8
T9
T10
T11
Lendenmark
(Lumbal-Segmente)
T12
Ejakulation (T11 bis L2);
L1 L1 Huftbewegung (L12)
Sakralmark
L2
L3
Strecken des Knies ( L3)
L4
S2
S3 Erektion (S2 bis S4); S4);
Steuerung von Hamblase und
S4 Enddarm (S2 bis S3)
S5
1.6 · Rückenmark
27 1
1.6.2 Innere Struktur des Informationen wie Tast-, Druck-, Hitze- oder
Rückenmarks Schmerzempfindungen aus dem Körper und der
Haut. Die Zellkörper dieser Axone (. Abb. 1.23)
Die Zellkörper der Nerven der absteigenden motori- liegen im Spinalganglion, also außerhalb des Rücken-
schen Bahnen liegen im Gehirn. Ihr Axon verbindet marks aber innerhalb des Wirbelkanals. Die auf-
sie mit einem spezifischen Motoneuron oder Schalt- steigenden, zum Hirn führenden dorsalen Bahnen
kreis eines bestimmten Rückenmarksegments. Das übertragen sensorische Signale aus der Haut und
Signal gelangt somit vom Gehirn über das Moto- den Organen auf die Nervenzellen spezifischer Seg-
neuron in die Peripherie und löst dort im Muskel mente des Rückenmarks und leiten sie von dort zum
eine Kontraktion aus. Die aufsteigenden sensori- Gehirn. Die sensorischen Reize stammen von ver-
schen Bahnen leiten sensorische Signale aus der Peri- schiedenen spezialisierten Rezeptoren z. B. in der
pherie über das Rückenmark ins Gehirn. Haut, wo sie Druckunterschiede oder die Tempera-
. Abb. 1.23 zeigt einen Querschnitt durch das tur wahrnehmen, oder von Zellen, welche z. B. einen
Rückenmark. Es gibt ventrale und dorsale Bereiche. vollen Magen registrieren und somit den Zustand der
44ventral = bauchwärts bzw. nach vorne zum inneren Organe überwachen.
Bauch hin gerichtet Im Vorderhorn liegen die Zellkörper der Moto-
44dorsal = rückenwärts bzw. nach hinten zum neurone, deren Fasern die Befehle für die Bewegun-
Rücken hin gerichtet gen zu den Muskeln weiterleiten. Die absteigenden,
vom Hirn kommenden motorischen Bahnen verlau-
Die schmetterlingsförmige Region in der Mitte nennt fen ventral (bauchseitig) und kontrollieren die Bewe-
man graue Substanz. Sie enthält Nervenzellkörper. gungen der glatten Muskeln der inneren Organe sowie
Den vorderen ventralen Teil der grauen Substanz der gestreiften Muskeln, die zum Bewegungsapparat
nennt man Vorderhorn, den hinteren dorsalen Teil gehören. Sie unterstützen zudem das autonome Ner-
Hinterhorn. vensystem bei der Regulation von Blutdruck, Tem-
Das Hinterhorn erhält über die dorsale (nach peratur und der Reaktion auf Stress. Die Zellkörper
hinten weisende) Wurzel des Spinalnervs sensible dieser motorischen Nerven liegen im Gehirn und
vom Hirn
zum Hirn
Vorderhorn
Motoneuron
ventral
zum
Muskel
graue Substanz
weiße Substanz
Hinterhorn
dorsal
. Abb. 1.23 Rückenmarksquerschnitt (mit freundlicher Genehmigung: IFP - Internationale Stiftung für Forschung in
Paraplegie und Prof. Martin E. Schwab)
28 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
senden elektrische Signale entlang ihres Axons zu Signale aus der Peripherie aktiviert werden können.
42
1 bestimmten Segmenten des Rückenmarks, wo das Dazu gehören unter anderem die Reflexe. Ein weite-
Signal auf ein Motoneuron übertragen wird. Dieses res Beispiel ist die Schreitbewegung, die schon beim
Motoneuron leitet das Signal weiter in die Peripherie Neugeborenen ausgeprägt ist: Hält man ein neuge-
des Körpers und löst dort eine Muskelkontraktion aus. borenes Kind unter den Armen und lässt seine Füße
In der außen liegenden weißen Substanz des den Boden berühren, so beginnt es, Schreitbewegun-
Rückenmarks verlaufen dagegen die Nervenfa- gen zu machen. Zu diesem Zeitpunkt der Entwick-
serbahnen von vielen tausenden Fasern (Axone), lung sind die Nervenverbindungen, die das Gehirn
genauer die aufsteigenden sensorischen Fasern und mit dem Rückenmark verbinden, noch wenig aus-
die absteigenden motorischen Fasern. Die hellere gereift. Die im Rückenmark liegenden, neuronalen
Farbe der weißen Substanz ist auf die Myelinschicht Netzwerke hingegen sind schon funktionstüchtig.
zurückzuführen. Diese wird von Oligodendrozyten
gebildet, die bis zu 40 verschiedene Nervenfasern
gleichzeitig ummanteln. 1.6.3 Aufbau einer Nervenzelle
Das Myelin ist für eine rasche Übertragung des
Nervensignals unerlässlich (. Abb. 1.24). Sowohl Der Zellkörper der Nervenzelle hat verschiedene
in der weißen als auch in der grauen Substanz sind Fortsätze: Mehrere Dendriten empfangen Nerven-
weitere Zelltypen vorhanden wie Blutgefäßzellen signale von anderen Zellen, das Axon ist von einer
oder verschiedene Typen Gliazellen, welche die Ner- Myelinschicht umgeben und leitet das Signal weiter
venzellen ernähren und unterhalten. Oligodendrozy- zur nächsten Zelle (. Abb. 1.24). Die Synapse ist der
ten gehören beispielsweise zu den Gliazellen. Ort der Erregungsübertragung von einer Zelle zur
Im Rückenmark gibt es zudem neuronale Netz- nächsten.
werke, die unabhängig vom Gehirn durch sensorische
Gehirn
Rückenmark
Amyotrophische
Lateralsklerose
Polyneuropathien,
Neurale Muskelatrophie
(Charcot, Marie, Tooth)
(HMSN)
Spinale
Muskelatrophie,
Poliomyelitis
Nerv
Myasthenia
gravis
Muskel
. Abb. 1.25 Nervus phrenicus (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes) Muskeldystrophie, Myotonie,
Myositis
sogenannten motorischen Rinde des Gehirns und . Abb. 1.26 Verschaltung ZNS und PNS (mit freundlicher
das 2. Motoneuron im Bereich des Rückenmarks Genehmigung: Dr. med. Carsten Schröter)
dargestellt. Die aus den Dreiecken entspringenden
Linien repräsentieren die Nervenfasern, die Axone. man motorische Endplatte. Eine Nervenfaser ver-
Die Pfeile weisen auf die bei der Erkrankung betrof- sorgt (innerviert) aber mehrere Muskelfasern eines
fenen Strukturen hin. Das Schema zeigt die an der Muskels.
Motorik beteiligten Strukturen: An allen Stellen der Verschaltung von ZNS und
44das Gehirn, PNS können Störungen und Erkrankungen auftre-
44das Rückenmark, ten, die in 7 Abschn. 3.2.4 erläutert werden.
44die Nervenfasern und
44die Muskeln.
Weiterführende Literatur
Der Ausläufer der Nervenzelle im Gehirn (erstes
Büchli A, Schwab ME, Querschnittlähmung - Problemstellung
oder zentrales motorisches Neuron) zieht in den und wissenschaftliche Ansätze für eine Therapie, 2006.
Hirnstamm oder das Rückenmark und ist dort mit Institut für Hirnforschung, Universität Zürich in: BioFokus
einer zweiten Nervenzelle verknüpft. Von dieser 73/2006, Hg: Verein fürs Leben, Zürich.
Nervenzelle (zweites oder peripheres motorisches Klinke R, Pape H-C, Kurtz A, 2009. Physiologie,;6. vollständig
überarb. Aufl. Thieme Verlag
Neuron oder alpha-Motoneuron) zieht wiederum
Mutschler E, Schaible H-G, Vaupel P, 2007. Anatomie, Physio-
ein Ausläufer (Nervenfaser = Axon) bis zu einem logie, Pathophysiologie des Menschen, 6.völlig neu
Muskel. Hierbei handelt es sich um die Nervenfa- überarb. und erw. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesell-
sern, die als Bündel beispielsweise an Armen und schaft
Beinen verlaufen (z. B. Medianus-Nerv). Die Ver- Schmidt R, Lang F, 2011. Physiologie des Menschen: mit
Pathophysiologie, 31. Aufl. Springer Verlag
knüpfungsstelle der Nervenfaser zum Muskel nennt
30 Kapitel 1 · Anatomie und Physiologie der Atmung
Weiterführende Literatur – 37
2.1 Respiratorische Insuffizienz 7 Abschn. 1.3) entsteht innerhalb der Lungen und
Alveolen ein Unterdruck, ein „alveolärer Unter-
Die Beatmungspflichtigkeit eines Patienten ergibt druck“. Dies führt dann zur Einatmung. Das Einströ-
2 sich aus der respiratorischen Insuffizienz. Die respi- men von Luft während der Einatmung nennt man
ratorische Insuffizienz ist der Verlust der Fähigkeit, auch Ventilation, also Belüftung.
selbstständig und zuverlässig atmen zu können, wie Störungen des Systems Atempumpe führen zu
es Menschen unter physiologischen Bedingungen einer Störung der Belüftung und somit zu einer
tun. Aus der respiratorischen Insuffizienz ergeben Störung der Ventilation. Ein synonym genutzter
sich die Beatmungsindikationen. Ein Beatmungszu- Begriff für das Versagen der Atempumpe ist das „ven-
gang via Trachealkanüle direkt in die unteren Atem- tilatorische Versagen“ oder die „ventilatorische Insuf-
wege wird invasive Beatmung genannt. Wird die fizienz“. Leitsymptom der ventilatorischen Insuffi-
Beatmung mit Hilfe von Beatmungsmasken über die zienz ist die Hyperkapnie, der Anstieg des CO 2
oberen Atemwege durchgeführt, erfolgt eine nicht- Gehaltes, nachweisbar in einer Blutgasanalyse (BGA)
invasive Beatmung (NIV). als pCO2. Der Impuls zur zu leistenden Atemarbeit
Die respiratorische Insuffizienz wird unterteilt in: ist der Gehalt an Kohlendioxid im Blut, das pCO2. Je
44Versagen der Atempumpe höher der Gehalt an Kohlendioxid, desto größer der
44Versagen des pulmonalen Gasaustausches Atemantrieb. Je geringer der Gehalt an CO2, umso
geringer der Atemantrieb.
Wird die Atemmuskulatur andauernd zu stark
2.1.1 Versagen der Atempumpe beansprucht, so führt das zu einer Ermüdung der
Atemmuskulatur. Das kann eine ventilatorische
Die gesamte Atemmuskulatur dient funktionell als Insuffizienz verursachen. Eine erhöhte Beanspru-
Atempumpe. Durch die Atemmuskulatur wird die chung der Atempumpe führt somit zu ihrem Versa-
Atemarbeit geleistet. Die Atemmuskulatur bildet gen. Die nötige Atemarbeit kann nicht mehr geleis-
jedoch nur einen Teil der Atempumpe. Die Atem- tet werden. Um der ventilatorischen Insuffizienz zu
pumpe ist das Zusammenspiel von Atemzentrum, entgehen, ist eine Zeit der Erholung mit reduzier-
Nerven, dem knöchernen Thorax und der Atemmus- ter Atemfrequenz und Atemtiefe besonders wichtig!
kulatur (7 Kap. 1, . Abb. 2.1).
z Die Atempumpe beeinträchtigende Faktoren
z Funktionsweise der Atempumpe Die Funktion der Atempumpe kann durch ver-
Das Atemzentrum gibt autonom die Impulse für schiedene Faktoren beeinträchtigt sein oder ganz
die zu leistende Atemarbeit. Die Atemarbeit wird ausfallen.
durch die gegenwärtige körperliche oder seelische
Belastung bestimmt. Ist man in einem entspann- z z Atemzentrum
ten ruhigen Zustand, so sind Atemtiefe/Atem- Das Atemzentrum kann durch Störungen des Atem-
zugvolumen und Atemfrequenz niedrig. Befin- antriebs ausfallen. Diese können z. B. durch Trau-
det man sich in einer körperlich oder seelisch mata, Blutungen oder Insulte des Gehirns oder
angestrengten Situation, so steigen Atemzugvo- dauerhafte hypoxische Hirnschädigungen bedingt
lumen und Atemfrequenz. Damit steigt auch das sein. Ebenso haben diverse Medikamente einen Ein-
Atemminutenvolumen. fluss auf das Atemzentrum: Opiate, Benzodiazepine,
Die Impulse über die zu leistende Atemarbeit Narkotika dämpfen das Atemzentrum.
werden über Nervenbahnen, auch Motoneurone
genannt, zu der Atemmuskulatur weitergeleitet. Der z z Motoneurone
N. phrenicus regt das Zwerchfell zur Kontraktion an. Eine Beeinträchtigung der Funktion der Nervenbah-
Entsprechende Nervenbahnen entlang der Rippen- nen kann durch vielzählige neuromuskuläre Erkran-
bögen regen die Zwischenrippenmuskeln zur Kon- kungen erfolgen. Die normale Überleitgeschwin-
traktion an. Durch Kontraktion der Atemmuskulatur digkeit von Nervenimpulsen beträgt ca. 100–120
(Zwerchfell und äußere Zwischenrippenmuskulatur Meter pro Sekunde. Ist z. B. die Myelinschicht
2.1 · Respiratorische Insuffizienz
33 2
Das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) behin- Ausdauer. Die muskuläre Belastung bedeutet eine
dert ebenfalls die Belüftung, die Ventilation. erhöhte Atemarbeit über die verfügbare Kraft und
Eine Störung der Belüftung/Ventilation ist die letzte Ausdauer hinaus. Normalerweise befinden sich
2 Konsequenz, falls ein oder mehrere Anteile des Systems Kapazität und Belastung in einem Gleichgewicht
Atempumpe beeinträchtigt sind oder ganz ausfallen. Es (. Abb. 2.2).
kann keine ausreichende Atemtiefe, kein ausreichendes Ist die Belastung höher als die Kapazität, schwin-
Atemzugvolumen aus eigener Kraft erzeugt werden. det das Gleichgewicht und dem Menschen droht die
Kann kein ausreichendes Atemzugvolumen (AZV) respiratorische Erschöpfung. Nimmt die Kapazität
erzeugt werden, ist das Abatmen von Kohlendioxid ab, ist die Belastung automatisch höher. In dem in
(CO2) gestört. Das führt zur Hyperkapnie. . Abb. 2.2 dargestellten Waagemodell wiegt die
Einen erhöhten CO2-Gehalt kann der Körper Belastung schwerer und die Kapazität leichter. Das
bis zu einem gewissen Grad tolerieren, jedoch nicht Resultat ist ein Ungleichgewicht.
dauerhaft. Normalerweise reagiert der Körper mit Ursachen des Ungleichgewichts sind:
verstärkter Atmung durch erhöhte Atemtiefe und a. Kapazitätsabnahme der Atempumpe:
erhöhter Atemfrequenz. Sind die kompensatorischen 44zentral
Möglichkeiten des Menschen erschöpft, so kann 44neuromuskulär
die notwendige erhöhte Atemarbeit nicht erbracht 44muskulär
werden. Der erhöhte CO2-Gehalt macht müde, trübt b. Zunahme der Atemlast:
das Bewusstsein, es resultiert ein CO2-Koma bzw. 44bronchiale Obstruktion
eine CO2-Narkose. 44Compliance- bzw. Dehnungsstörung der
Lunge
> Leitsymptom des Versagens der Atempumpe 44Compliancestörung der Thoraxwand
ist die Hyperkapnie (BGA: pCO2 > 55 mmHg). 44gesteigerte Ventilation
Dies führt zur ventilatorischen Insuffizienz,
zur Hyperkapnie und unbehandelt zur Belastungen resultieren auch aus sportlicher Akti-
Hypoxämie (BGA: pO2 < 55 mmHg). Das vität oder schwerer körperlicher Arbeit. Zur Erho-
ventilatorische Versagen (Insuffizienz) wird lung braucht der Mensch irgendwann eine Pause.
mit künstlicher Beatmung behandelt. Menschen mit zu großer Belastung der Atempumpe
benötigen ebenso eine Pause. Die Pause der Atem-
z Muskuläre Kapazität und Belastung arbeit ist die Apnoe (wörtlich: keine Luft, Atemstill-
Die muskuläre Kapazität beschreibt, was die Atem- stand) und kann nur mit Hilfe der künstlichen Beat-
muskulatur zu leisten in der Lage ist, die Kraft und mung behandelt werden.
. Abb. 2.3 Verteilungsstörungen, links: gleichgewichtiges Durchblutungs- und Belüftungsverhältnis; Mitte: eingeschränkte
Belüftung, das erhöht den Shunt; rechts: eingeschränkte Durchblutung, das erhöht den Totraum (mit freundlicher
Genehmigung: Isabel Guckes)
36 Kapitel 2 · Indikationen und Ziele der Beatmung
Auslösende Ursachen: Blut bleibt sauerstoffarm und vermischt sich mit dem
44Bindegewebe im Interstitium gesättigten arteriellen Blut. Es entsteht primär eine
44Verkürzung der Kontaktzeit Hypoxie und später eine Hyperkapnie. Der CO2-
44Fibrose, Sarkoidose Anstieg wird meist durch eine Tachypnoe (Steige-
44Emphysem bei COPD rung der Atemfrequenz) ausgeglichen.
44Blutungen/chronische Anämie Ein Shunt kann auch entstehen, wenn ein Teil der
Niedriger Blut-Hämoglobin (Hb) Alveolen noch durchblutet, aber nicht mehr belüftet
44Ansammlung von Flüssigkeit wird. Eine zu geringe Belüftung resultiert in Beat-
Lungenödem, pneumonische Infiltrate mungssituationen oft aus einer Verlegung der Atem-
wege durch Schleim und Sekrete. Das Blut, das die
z Störungen der Lungendurchblutung Lungenstrombahn passiert, kann somit nicht voll-
Eine verringerte Durchblutung resultiert aus einer ständig mit Sauerstoff gesättigt werden. Daraus resul-
Störung der Perfusion in der Lungenstrombahn. tiert eine globale Ateminsuffizienz mit Hypoxie und
Hierdurch werden auch die Kapillaren der Alveole Hyperkapnie.
schlecht durchblutet und der Gasaustausch, v. a. die Auslösende Ursachen:
Aufnahme von Sauerstoff, ist verzögert oder unter- 44Alveolarkollaps durch Atelektasen, Pneumo-
brochen, obwohl die Alveolen gut belüftet sind. Die thorax, Pleuraerguss
Luft nimmt nicht am Gasaustausch teil, damit steigt 44Alveolen mit Sekreten gefüllt, beim
auch der Totraum. Es entsteht primär eine Hypoxie Lungenödem, Pneumonie, Aspiration
und dann eine Hyperkapnie.
Ursachen der Störung der Lungendurchblutung: Ein Shuntvolumen von ca. 2–3 % erscheint unbe-
44Mikroembolien denklich: Bei 5 Liter HZV werden somit ca.
44Schwere Lungenembolie 100–150 ml Blut nicht mit Sauerstoff gesättigt. Steigt
44Kompression der Lungenkapillaren bei der Shuntanteil jedoch über 5–6 %, ist dies klinisch
Überblähung am Abfall einer Sauerstoffsättigung und am Sinken
44Verringerung des Kapillarbetts bei fibröser des pO2 in der BGA feststellbar.
Umstrukturierung des Lungengewebes
Bei Störungen der Perfusion geht der Quotient 2.1.4 Interaktion zwischen Lunge
aus alveolärer Ventilation und Perfusion gegen und Atempumpe
unendlich.
Eine Übersicht über die Interaktion zwischen Lunge
z Pulmonaler Rechts-Links-Shunt und Atempumpe gibt . Abb. 2.4.
Ein Shunt beschreibt die Menge Blut im Lungen- Leitsymptom des Versagens des pulmonalen
kreislauf, die nicht mit Sauerstoff gesättigt wird. Gasaustausches ist die Hypoxie/Hypoxämie. Lun-
Einige Blutgefäße umströmen die Alveole nicht. Das genparemchym-Erkrankungen führen zu Oxygenie-
Weiterführende Literatur
37 2
. Abb. 2.4 Schaubild Lunge –
Atempumpe (eigene Darstellung,
Bearbeitung: Isabel Guckes)
Krankheitslehre
Matthias Huhn
Weiterführende Literatur – 66
Europa Deutschland
. Abb. 3.1 Chemischer Atemantrieb (aus Schmidt et al. (Hrsg.). Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, 31.,
überarbeitete und aktualisierte Auflage, Springer 2010, Abb. 33.8, S. 736 Atmung)
Wert deutlich über 60 mmHg (8 kPa) ansteigt. Auch ca. 2–2,5 cm. Die Stamm- und Lappenbronchien
hier ist bei einem Nichteinsetzen des Atemreflexes haben einen Durchmesser von ca. 8–12 mm. Je
von einer irreversiblen Schädigung des Atemzent- weiter sich das Bronchialsystem aufzweigt (insge-
rums auszugehen. samt bis zu 23 Mal), umso kleiner wird der Durch-
messer der Bronchiolen. Die terminalen Bronchio-
Hirntod len weisen nur noch einen Durchmesser von weniger
Insbesondere bei der abschließenden Hirntoddiagnostik wird
als allerletzte Überprüfung des unwillkürlichen Atemreflexes
als 1 mm auf, die darauffolgenden Bronchiolen
ein Anstieg des CO2-Gehaltes durch einen Apnoe-Test provo- und Alveolargänge sogar nur noch 0,4–0,01 mm
ziert. Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel (7 Abschn. 1.2.3).
erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns Physiologisch ist eine leichte Ausdehnung der
und des Hirnstamms. Dabei kann durch kontrollierte Beat-
Durchmesser bei der Einatmung. Somit strömt Luft
mung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich auf-
rechterhalten werden.
gut während der Inspiration in die Lunge. Bei der
Ausatmung verengen sich die Atemwege ein wenig,
Alle physiologischen und pathophysiologischen die Ausatmung im Ruhezustand dauert etwa doppelt
Änderungen der Atmung werden nicht erst durch so lang wie die Einatmung. Sie bleiben jedoch gesi-
den Kohlendioxidpartialdruck gesteuert, sondern chert offen.
sind willkürlich und unwillkürlich änderbar z. B. Bei Atemwegserkrankungen können die Durch-
durch Emotionen, Muskelaktivität, Berührungen, messer der Atemwege akut oder chronisch verengt
Schmerzen, Entzündungen und Temperatur. sein, so dass sowohl die Inspiration als auch die
Exspiration erschwert sind (. Tab. 3.2).
44Spirometrie: Mit Hilfe der Spirometrie können Asthma bronchiale auftreten kann. Sowohl die
Teilvolumina ermittelt werden, transportables Einatem- als auch die Ausatemkurve sind kleiner
System. als die Referenzkurve. Das deutet auf eine perma-
44Lungenfunktionsprüfung (. Abb. 3.2) nente Luftflussstörung hin. Man kann ebenso einen
inspiratorischen wie einen exspiratorischen Stridor
. Abb. 3.2 zeigt links einen normalen Befund einer hören.
Lungenfunktionsprüfung. Die Graphik zeigt das Ver- Die dritte Darstellung von links zeigt eine typi-
hältnis von Atemzugvolumen (horizontale Achse) sche Ventilationsstörung, die z. B. bei Lungenfibrose
und der Luftflussgeschwindigkeit, dem Flow (ver- oder mechanischer Atembehinderung (schweres
tikale Achse). Es entsteht eine sog. Flow-Volu- Übergewicht, Thorax-Rumpf-Erkrankungen) auf-
men-Kurve. Ein Patient der untersucht wird, muss tritt. Hier ist die Kurve in Verhältnis zur Referenz
maximal einatmen und dann mit voller Kraft schnell kleiner und enger. Das ist charakteristisch für eine
ausatmen. Bei der maximalen Einatmung ergibt sich restriktive Belüftungsstörung, bei der die Gasaus-
ein typischer Halbkreis, der unterhalb der Volumen- tauschfläche verringert oder verkleinert ist. Es gibt in
achse dargestellt wird. Bei der maximalen Ausatmung der Abbildung keinen Hinweis auf eine Verengung/
wird eine typische Kurve oberhalb der Volumenachse Obstruktion. Diese kann jedoch bei restriktiven Ven-
angezeigt. Zu Beginn der Ausatmung mit maxima- tilationsstörungen ebenfalls auftreten.
ler Kraft erfolgt eine rasante Steigerung des Luftflus- Die Darstellung ganz rechts zeigt ebenfalls eine
ses. Der Flow steigt zuerst schnell nach oben, bis ein Verengung der Atemwege, wie sie typischerweise bei
Maximum erreicht ist. Diese Kurve fällt im Verlauf der COPD mit Lungenemphysem auftritt. Sowohl
der weiteren Ausatmung nach rechts hin stetig ab. Sie die Einatem- als auch die Ausatemkurve sind kleiner
verläuft dezelerierend (ständig abnehmend). als die Referenzkurve. Bei der Ausatemkurve tritt
In der zweiten Darstellung von links ist eine zusätzlich ein charakteristischer Knick auf, der als
Verengung der Atemwege dargestellt, wie sie beim Emphysemknick beschrieben wird. Dieser ist ein
. Abb. 3.2 Lungenfunktionsprüfung (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. Wagner)
3.1 · Grundlagen und Diagnostik von Atemstörungen
43 3
Hinweis auf den raschen Kollaps der Atemwege bei Hypoventilationen sind Hinweise auf eine gestörte
der Ausatmung. Atemmuskelkraft unterschiedlichster Ursache.
In beiden Situationen werden CO2, Kohlensäure beschrieben. Dabei müssen nicht notwendigerweise
und andere saure Stoffwechselprodukte angereichert. alle Phasen nacheinander durchlaufen werden. Die
Statistisch ist die Asphyxie die häufigste Form des Behandlung richtet sich nach dem Genesungszu-
Sauerstoffmangels im Hirn. Es entsteht dadurch stand und den wiedererlangten Fähigkeiten des
eine Azidose (Übersäuerung). Diese Übersäue- Betroffenen, welche Phase genutzt und welche über-
rung schädigt die Nerven, Nervenmembranen und sprungen wird (. Tab. 3.4).
3 die Wände der Kapillaren. Dadurch bricht die Blut-
Hirn-Schranke zusammen, Wasser tritt ins intersti-
tielle Hirngewebe ein und es entsteht ein Hirnödem. Klinik
Die Hirnschwellung wiederum verringert die Hirn- Seit dem Jahr 1994 veröffentlichte eine Arbeits-
perfusion, es kommt zur sekundären Ischämie. gruppe, die Multi-Society Task Force on PVS, eine
genauere Unterscheidung der Klinik des Wachkomas
(engl. PVS). Es wird unterschieden in
Wachkoma 44„persistent vegetative state“, eine teilweise
Rehabilitationsphasenmodell rückbildungsfähige Hirnschädigung und
Der typische Verlauf der Behandlung für Schwerst- 44„permanent vegetative state“, eine dauerhaft
Schädel-Hirnverletzte wird in einem Phasenmodell irreversible Hirnschädigung.
Quelle: http://www.schaedel-hirnpatienten.de/unterstuetzen/rehabilitation/das-phasenmodell/phasenmodell.pdf,
Recherche 29.02.2016
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
47 3
Im Rahmen dieser Unterscheidung wurden zudem Ursachen
klinische Kriterien für das Wachkoma definiert: Die häufigste Ursache des Schlaganfalls ist bei 80 %
44Vollständiger Verlust des Bewusstseins über aller Patienten der ischämische Hirninfarkt. Hierbei
sich selbst oder die Umwelt und über die ist eine Hirnarterie durch einen Thrombus oder einen
Fähigkeit, zu kommunizieren Embolus verlegt. Die Durchblutung in den betrof-
44Verlust der Fähigkeit zu willkürlichen oder fenen Hirnarealen ist unterbrochen. Das führt zu
sinnvollen Verhaltensänderungen infolge einem Funktionsverlust und ggf. zu einem Abster-
externer Stimulation ben von Hirngewebe. Bei etwa 15 % der Patienten
44Verlust von Sprachverständnis und Sprach- tritt eine Hirnblutung durch rupturierte arterielle
produktion (Aphasie) Gefäße auf. Das Blut dringt dann in das umgebende
44Harnblasen- bzw. Darminkontinenz Hirngewebe ein. Ca. 5 % der Schlaganfälle haben ihre
44Gestörter Schlaf-, Wachrhythmus Ursache in der Subarachnoidalblutung. Hierbei tritt
44Weitgehend erhaltene hirnstammgezogene, Blut in den Liquorraum ein und verdrängt das Hirn,
spinale, hypothalamische und autonome sodass es „eingequetscht“ wird (. Abb. 3.3, . Tab. 3.5).
Reflexe
Durchblutungs- Blutung
störung
Thrombus Verletzung
angeschwemmter
Imbolus Halsarterie
. Abb. 3.3 Durchblutungsstörungen des Hirns (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
Arteria cerebri anterior Halbseitenlähmung bzw. Hemiparese, v. a. beinbetont auf der Gegenseite
Arteria cerebri media Halbseitenlähmung bzw. Hemiparese, v. a. gesichts- und armbetont auf der Gegenseite
mit einhergehenden Gesichtsfeldstörungen und Sprachstörungen (Aphasie)
Arteria cerebri posterior Halbseitige Sehstörungen mit Einschränkungen des Gesichtsfeldes auf der Gegenseite
Arteria vertebralis Störung der Bewegungsabläufe (Ataxie), Gefühlsstörungen, Schluckstörungen, Schwin-
del mit Übelkeit und Erbrechen, herabhängendes Augenlid mit Verengung der Pupille
(Horner-Syndrom), Störung der Sprechmotorik (Dysarthrie).
Arteria basilaris Lähmung beider Arme und Beine, Gefühlsstörungen am gesamten Körper, Schluckstö-
rungen, Störungen der Atmung, Störungen des Bewusstseins
Die Basilaristhrombose stellt die schwerste Form des Schlaganfalls dar und führt
zu Ischämien des Stammhirns, des Kleinhirns und weiterer Hirnareale, sie hat eine
schlechte Prognose mit hoher Sterblichkeit der Patienten
> Die Behandlung erfolgt durch kontrollierte Rückenmarks in unterschiedlichem Maß unterbro-
Beatmung, bei der es eine vollständige chen, sodass eine Weiterleitung von motorischen
Übernahme der Atemzüge und Impulsen des Gehirns zu den Erfolgsorganen nicht
Atemfrequenz gibt, in der Regel ohne mehr möglich ist. Ebenso können sensorische Ner-
Sauerstoffgabe (Gasaustausch ist meistens venbahnen unterbrochen werden, sodass keine
nicht gestört). Rückmeldungen mehr zum Gehirn erfolgt.
A – komplett Keine sensible oder motorische Funktion ist in den sakralen Segmenten S4 bis S5 erhalten.
B – inkomplett Sensible, aber keine motorische Funktion ist unterhalb des neurologischen Niveaus erhalten und
dehnt sich bis in die sakralen Segmente S4/S5 aus.
3 C – inkomplett Motorische Funktion ist unterhalb des neurologischen Niveaus erhalten und die Mehrzahl der Kenn-
muskeln unterhalb des neurologischen Niveaus hat einen Muskelkraftgrad von weniger als 3.
D – inkomplett Motorische Funktion ist unterhalb des Schädigungsniveaus erhalten und die Mehrheit der Kenn-
muskeln unterhalb des neurologischen Niveaus hat einen Muskelkraftgrad größer oder entspre-
chend 3.
E – inkomplett Sensible und motorische Funktionen sind normal.
(nach American Spinal Injury Association, International Standards for Neurological Classification of Spinal Cord Injury)
Bulbärparalyse wird ein Krankheitsverlauf verstan- Insgesamt handelt es sich bei der Behandlung, wenn
den, der hauptsächlich die Sprech- und Schluckmus- die Diagnose gestellt ist, bis hin zum Lebensende um
kulatur, aber nicht die Arm- oder Beinmuskulatur eine palliative Therapie. Reichlich wertvolle Infor-
betrifft. mationen auch für Therapeuten bietet die Deutsche
Die Diagnosestellung der amyotrophen Late- Gesellschaft für Muskelkranke (www.dgm.org).
ralsklerose erfolgt unter Berücksichtigung der
3 Anamnese und der ausführlichen körperlich- z Poliomyelitis und Postpoliomyelitis-Syndrom
neurologischen Untersuchung sowie apparativen Die Poliomyelitis acuta anterior (kurz: Polio, Kin-
Zusatzuntersuchungen. Hier sind besonders die derlähmung) ist eine virusbedingte Erkrankung des
Elektroneurografie, die Elektromyografie sowie die zweiten motorischen Neurons. Heute ist die Erkran-
evozierten Potentiale zu benennen. Weitere wich- kung noch vorwiegend in Afghanistan und Pakistan
tige Untersuchungen können Kernspintomografien in Asien und in Nigeria in Afrika aktiv. In Europa
(MRT) von Gehirn und Halswirbelsäule sein, um gilt sie als ausgestorben. Auch in Afrika ist aktuell
andere Ursachen der Paresen auszuschließen. die Hoffnung groß, dort die Erkrankung bald aus-
Über 90 % der Patienten mit amyotropher Late- gerottet zu haben. Da auch heute die Gefahr einer
ralsklerose leiden unter der sporadischen Form, bei Einschleppung der Viren aus Asien und Afrika auf
5 bis 10 % liegt eine familiäre, also vererbliche Form dem Wege des Tourismus besteht, wird von der Stän-
vor. Erste Hinweise auf eine Ursache der familiären digen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-
Form ergab eine im Jahre 1993 veröffentlichte Unter- Institutes für Kinder und Jugendliche die Grundim-
suchung, die eine Mutation im Gen der Cu/Zn-SOD munisierung regelmäßig und für Erwachsene, die in
(Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase) auf dem Chro- entsprechende Regionen reisen, die Impfung alle 10
mosom 21 nachwies. Inzwischen sind aber eine Reihe Jahre weiterhin empfohlen.
weiterer Gene bekannt, deren Mutation zum Auf- Auch wenn die Erkrankung heute als Neuerkran-
treten einer ALS führen kann. Diese Formen geben kung in Europa nicht mehr auftritt, haben wir aber
die Möglichkeit, im Tiermodell spezifische Therapie- mit den Folgen insbesondere der Epidemien Ende
Konzepte zu entwickeln. der 50er und Anfang der 60er Jahre zu tun. Zum
Eine mehrmonatige Verlängerung der Lebens- einen wird durch die nach Auftreten der Erkrankung
dauer ist durch die Gabe von Riluzol belegt. Ebenfalls fortbestehenden Paresen, Atrophien und Verände-
geht man davon aus, dass der Erhalt des Körperge- rungen des Bewegungsapparate (sogenannter Polio-
wichts, ggfs. mit kalorienreicher Kost, prognostisch Restzustand) der Bewegungsapparat fehlbelastet,
günstig ist. Die Behandlung ist im Übrigen symp- dadurch können vorzeitiger Gelenkverschleiß (Arth-
tomatisch. Je nach Symptomatik sollten Physio- rose) und Störungen mit Schmerzen im Bereich der
therapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden in Wirbelsäule auftreten.
Abstimmung miteinander den Patienten betreuen. Davon abzugrenzen ist das sogenannte Post-
Hauptziele sind dabei die Verbesserung der Lebens- poliomyelitis-Syndrom (oder kürzer Postpoliosyn-
qualität in jeder Phase der Erkrankung, die Ver- drom oder PPS). Jahrzehnte nach der Polio kann es
meidung von Komplikationen sowie die Verlänge- zu einem Auftreten und langsamen Fortschreiten
rung der Lebensdauer. Ein Auftrainieren von Kraft von Paresen kommen. Dabei sind besonders Muskel-
ist nicht möglich, dabei ist die Gefahr der Überlas- gruppen betroffen, die häufig primär schwer betrof-
tung und dadurch bedingte Zunahme der Paresen fen waren, sich aber gut erholt haben. Die Patienten
groß. Das Aufrechterhalten der motorischen Funk- berichten dazu oft zunächst über eine Abnahme der
tionen und der Atmung, des Abhustens und des Spre- Ausdauerleistungen und Belastbarkeit. Im Verlauf
chens sind zentrale Therapieinhalte. Pathologisches werden dann auch zunehmende Paresen beob-
Lachen und Weinen, also Lachen oder Weinen, das achtet. Es werden darüber hinaus auch allgemeine
nicht der Intensität einer Stimmung entspricht, aber Erschöpflichkeit, Schlafstörungen und andere Stö-
vom Patienten nicht unterdrückt werden kann, kann rungen geschildert. Wenn primär im Rahmen der
im Kontakt mit anderen Menschen ein Problem sein, Polio die Atemmuskulatur betroffen war, kann es im
hier ist eine medikamentöse Behandlung möglich. Verlauf auch zu einer abnehmenden Vitalkapazität
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
57 3
(siehe . Tab. 1.5) und damit zu einer pulmonalen kausale Therapieansätze sind für genetisch bedingte
Insuffizienz kommen. Oft versuchen die Patienten Erkrankungen zugelassen. Durch die Fortschritte
wie in der Phase nach der akuten Polio, bei Auftre- in der Genetik sind im Verlauf der nächsten Jahr-
ten neuer Paresen im Rahmen des PPS intensiv zu zehnte auch weitere molekulargenetische Therapien
trainieren und erleben eine weitere Verschlechte- zu erwarten.
rung der muskulären Funktionen. Hier kann nur ein
dosiertes und moderates Übungsprogramm durch- z Muskuläre Schwäche
geführt werden, Überlastungen sind zu vermeiden. Paresen sind die wesentliche Ursache der meisten
Probleme bei neuromuskulären Erkrankungen. Es
z Neurale Muskelatrophien (hereditäre gibt eine Reihe gut kontrollierter Studien, die die
sensomotorische Neuropathien, HMSN) Effekte von Übung und Training auf die Kraft und
Bei den neuralen Muskelatrophien handelt sich vor- Funktion untersucht haben. Bei langsam fortschrei-
nehmlich um eine Erkrankung der Axone und/oder tenden neuromuskulären Erkrankungen ist durch
der Markscheiden. Die längsten Nervenfasern haben ein angepasstes Übungsprogramm eine Verbesse-
dabei das größte Risiko, zu erkranken. Deshalb rung von Funktionen zu erwarten ohne Hinweise auf
finden sich die Symptome distal betont. Etabliert ist eine Schwäche durch Überbelastung. Im Langzeit-
für diese Erkrankungen auch der Ausdruck der here- verlauf ist aber auch durch optimale Behandlungs-
ditären sensomotorischen Neuropathien (HMSN). maßnahmen ein Fortschreiten der Erkrankung nicht
Oft wird die Diagnose durch die Namen der Erstbe- zu verhindern. Es gibt ebenfalls Hinweise, dass die
schreiber ergänzt: Charcot, Marie und Tooth. Therapieverfahren für die verschiedenen neuromus-
Meist sind besonders die Unterschenkel und kulären Erkrankungen unterschiedlich effektiv sind,
Füße sowie die Hände mit atrophen Paresen betrof- hier müssen aber weitere Untersuchungen abgewar-
fen. Häufig sind Fußheberparesen das führende tet werden, bis gesicherte Daten vorliegen.
Symptom. Auch können Gefühlsstörungen an den Bei rasch fortschreitenden neuromuskulären
Füßen auftreten, sie sind jedoch in der Regel gering Erkrankungen ist das Risiko einer ausgeprägteren
ausgeprägt. Lagesinnstörungen führen zu einer Progredienz der Paresen durch Überlastung groß.
Gangunsicherheit, besonders im Dunklen. Ebenso Mit dem Ziel der Funktionsbesserung durchgeführt
sind oft Veränderungen des Fußskeletts vorhanden, ist das Risiko der Überlastung durch die Behandlung
insbesondere Hackenhohlfüße mit Hammerzehen. geringer. Patienten mit neuromuskulären Erkran-
Die Symptomatik kann sehr stark variieren, selbst kungen sollten angehalten werden, nicht bis zur
innerhalb einer Familie. Selten wird eine Phrenicus- Erschöpfung zu üben. Sie sollten über die Warnzei-
Parese beobachtet mit einseitigem Zwerchfellhoch- chen einer Überbelastung informiert werden. Hierzu
stand. Die Atmung ist sonst in der Regel aber nicht gehören ein vermehrtes Schwächegefühl nach der
betroffen. Übung oder Muskelschmerzen 24 bis 48 Stunden
nach dem Training. Andere Warnsignale beinhalten
ausgeprägtere Muskelkrämpfe, Schweregefühl von
Therapie Armen und Beinen und anhaltende Kurzatmigkeit.
Entzündliche Erkrankungen werden primär immun- Durch ein angepasstes Übungsprogramm mit
suppressiv oder immunmodulierend behandelt. leichter bis mäßiger aerober Belastung wie Gehen,
Ziele der Therapie und insbesondere der Rehabili- Schwimmen und Fahren auf dem Ergometer, wenn
tation bei Patienten mit degenerativen neuromus- es der Schweregrad der Erkrankung zulässt, ist eine
kulären Erkrankungen sind die Verbesserung und Verbesserung der muskulären Ausdauer und Funk-
das Erhalten der Selbstständigkeit in der Beweg- tion sowie der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-
lichkeit und Selbstversorgung sowie der Teilhabe Systems bei vielen neuromuskulären Erkrankungen
am sozialen Leben. Die Behandlung der hereditären zu erreichen. Neben umschriebenen Paresen sind
neuromuskulären Erkrankungen ist derzeit sympto- auch eine generalisiert verminderte Belastbarkeit
matisch, am wichtigsten sind in der Regel die Physio- sowie reduzierte Leistungsfähigkeit der Herz- und
therapie, die Ergotherapie und die Logopädie. Erste Lungenfunktion zu beachten. Das Übungsprogramm
58 Kapitel 3 · Krankheitslehre
trägt dazu bei, die Funktionen zu stabilisieren und aufzuwachen, ein nicht erholsamer Schlaf und eine
zu verbessern, das ideale Körpergewicht zu halten vermehrte Tagesmüdigkeit. Das Erfassen der Beein-
und Schmerzen durch Fehlbelastungen zu mindern. trächtigungen ist notwendig, um rechtzeitig eine
nichtinvasive Heimbeatmung initiieren zu können.
z Kontrakturen und Skoliose
Bei einer Reihe neuromuskulärer Erkrankungen z Komplikationen der Herzfunktion
3 sind Kontrakturen und Skoliosen häufige Probleme. Bei verschiedenen Erkrankungen der Muskulatur, so
Besonders groß ist die Gefahr bei Rollstuhlabhän- z. B. bei den Muskeldystrophien vom Typ Duchenne
gigkeit und zunehmender Rumpfmuskelschwä- und Becker oder bei der Muskeldystrophie vom Glie-
che, ebenso in der Zeit der Wachstumsschübe. Vor- dergürteltyp LGMD2I und bei den myotonen Dys-
sichtiges Dehnen der betroffenen oder gefährdeten trophien können Funktionsstörungen des Herzens
Gelenke reduziert das Risiko des Auftretens von auftreten. Hierbei kann es sich um eine Herzinsuf-
Kontrakturen und verlangsamt das Fortschreiten. fizienz oder um Herzrhythmusstörungen handeln.
Durch die regelmäßigen krankengymnastischen Hinweise können das Elektrokardiogramm (EKG),
Übungen sollte eine vorsichtige symmetrische Sta- das Langzeit-EKG oder das Echokardiogramm
bilisierung oder Erhalt der Rumpfmuskulatur ange- geben. Besonders bei den genannten Erkrankun-
strebt werden, um Skoliosen vorzubeugen oder das gen muss vor Einleitung eines Übungsprogramms
Fortschreiten zu vermindern. auch die Belastbarkeit der Herzfunktion überprüft
Forst und Rideau konnten zeigen, dass das ope- werden. Bei Herzrhythmusstörungen muss der
rative Lösen von Kontrakturen bei der Muskeldys- rechtzeitige Einsatz eines Herzschrittmachers beach-
trophie vom Typ Duchenne die Zeit der Gehfähig- tet werden.
keit verlängern kann. Auch bei Skoliosen besteht die
Möglichkeit eines operativen Eingreifens. Möglicher- z Störungen des Schluckens
weise können Orthesen durch eine Verlängerung der Störungen des Schluckens kommen besonders bei
Dauer der Gehfähigkeit dem Entstehen von Skolio- der amyotrophen Lateralsklerose, bei der bulbospi-
sen entgegenwirken. Hier sind aber weitere Unter- nalen Muskelatrophie und auch einzelnen Muskel-
suchungen nötig, um sichere Aussagen machen zu dystrophien vor. Erste Hinweise können sich aus
können. Die Orthesen sollten möglichst leicht sein, Veränderungen der Stimme, wie Heiserkeit, und ver-
um durch ihr Gewicht die Gehfähigkeit nicht zusätz- mehrtem Verschlucken ergeben. Genauere Beurtei-
lich zu beeinträchtigen. Auch mit optimal durchge- lungen können durch endoskopische und Röntgen-
führter Physiotherapie sind Kontrakturen und Sko- Untersuchungen erfolgen. Schluckstörungen sind
liosen bei rascher fortschreitenden neuromuskulären eine Indikation für logopädische Behandlungen.
Erkrankungen nicht zu verhindern. Ziel kann es nur Das Andicken von Flüssigkeiten und die Zuberei-
sein, den Verlauf günstig zu beeinflussen. tung leicht zu schluckender Speisen sind wichtige
Hilfen. Ist das Schlucken nicht mehr ausreichend
z Störungen der Lungenfunktion möglich, kann eine perkutane endoskopische Gast-
Schwächen des Zwerchfells, der Interkostal- und der rostomie (PEG) notwendig werden. Hier wird mittels
Bauchmuskulatur können Störungen der Lungen- einer Magenspiegelung eine dünne Sonde durch die
funktion zur Folge haben. Die verschiedenen neuro- Bauchdecke in den Magen bzw. den Dünndarm
muskulären Erkrankungen können in unterschiedli- gelegt.
chem Ausmaß zu diesen Beeinträchtigen führen. Bei
Erkrankungen, die die Atemmuskulatur im Verlauf
regelmäßig mit betreffen, sind regelmäßige Lungen- Beatmung
funktionsuntersuchungen notwendig. Erste klinische Ist bei den verschiedenen neuromuskuläre Erkran-
Zeichen einer Atemfunktionsstörung können nächt- kungen die Atmung beeinträchtigt, muss bei der
liche Störungen der Atmung sein: regelmäßiger mor- Entscheidung, wie beatmet wird, geklärt sein,
gendlicher Kopfschmerz, Unruhe oder Albträume welcher Anteil der Atmung gestört ist (Atemregu-
in der Nacht, das Gefühl, morgens wie gerädert lation, Atemwege bzw. -leitung, Atemmechanik
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
59 3
oder Gasaustausch). Ist als Folge einer neuromus- Kennzeichen der COPD
kulären Erkrankung die Atmung beeinträchtigt, 44Hypertrophie (abnorme Vergrößerung) und
sind in der Regel die Atemregulation und der Gas- Hyperplasie (abnorme Vermehrung) der
austausch nicht betroffen. Im Vordergrund steht die bronchialen Schleimdrüsen
beeinträchtigte Atempumpe bzw. die Atemmecha- 44Produktion von zähem, glasigem Schleim (sog.
nik. Die Beeinträchtigung sollte durch die Lungen- Dyskrinie)
funktionsmessung objektiviert und in der Schwere 44Das führt dazu, dass sehr viel Schleim in
beurteilt werden. den Atemwegen produziert wird, der nicht
mobilisiert und durch das mukoziliäre Trans-
> Die Behandlung besteht in einer portsystem abtransportiert wird. Der Schleim
kontrollierten Beatmung, bei der es eine verbleibt somit in den Atemwegen (sog.
vollständige Übernahme der Atemzüge Mukostase).
gibt, in der Regel ohne Sauerstoffgabe, 44Zudem kommt es zu einer Erweiterung der
es sei denn es besteht eine zusätzliche Lufträume distal (also hinter) der terminalen
Lungenerkrankung (COPD). Bronchiolen.
44Das führt im Endeffekt zu einer Destruktion
(Zerstörung) von Lungenparenchym (intaktem
3.2.5 COPD Lungengewebe).
> Dieses Phänomen nennt man Airtrapping ist eine verringerte Durchblutung der Lunge,
(gefangene Luft in den Alveolen). Die Luft also eine Störung der Perfusion.
kann zwar bei der Einatmung ein-, bei 44Die verringerte Durchblutung der Lunge führt
der Ausatmung aber nur sehr erschwert dann zu einer Rarifizierung der pulmonalen
ausströmen. Kapillaren. Diese nehmen in der Anzahl ab.
Damit verringert sich die Oxygenierung. Die
Diese gefangene Luft führt zu einer Überblähung der Sauerstoffaufnahme wird beeinträchtigt und
Alveolen und zu einem intrinsischen PEEP (PEEPi = der Gefäßwiderstand steigt an.
intrinsic PEEP). Dieses Phänomen behindert den an 44Die Blutmenge, die der rechte Ventrikel in
COPD Erkrankten insbesondere unter Belastungs- die Lunge pumpt, muss gleich derjenigen
bedingungen, das Atemminutenvolumen nicht sein, welche der linke Ventrikel in den großen
durch eine Erhöhung der Atemfrequenz anpassen Körperkreislauf pumpt. Erhöht sich der
zu können. Widerstand im Lungengefäßsystem, muss der
44Der intrinsische PEEP, der sog. innere dauerhafte rechte Ventrikel eine verstärkte Pumpkraft
Überdruck in den Alveolen der Lunge, führt zu aufbringen. Wenn der Lungenhochdruck durch
einer messbaren Zunahme der FRC, RV/TLC in die Rarifizierung der Kapillaren zur Rechts-
der Bodyplethysmografie (7 Abschn. 1.4.5). herzschwäche führt, kann die Blutmenge nicht
44Die chronische Überblähung der ganzen Lunge mehr transportiert werden und es entstehen
begrenzt schrittweise das Einatemvolumen. periphere Ödeme.
44Die Überbähung kann zu einer Kapillarkom-
pression führen. Die kleinen Blutgefäße der Die . Abb. 3.6 bis . Abb. 3.8 sollen die Problematik
Lunge werden zusammengedrückt. Die Folge der COPD verdeutlichen:
. Abb. 3.6 Atemwegskollaps – Obstruktion (= Verengung) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
3.2 · Erkrankungen und Behandlung
61 3
. Abb. 3.7 Intrinsic PEEP (= PEEPi) (mit freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
Bestehen diese über einen längeren Zeitraum fort, flussunwirksame Anstrengung der Atemmuskula-
ohne nachzulassen, besteht bei entsprechender tur) → eine erhöhte Atemanstrengung, die musku-
Risikoanamnese die Verdachtsdiagnose COPD. Im läre Belastung ist größer als die muskuläre Kapazität.
Verlauf der Erkrankung zeigen sich weitere Krank-
heitsfolgen, so dass man von einer Systemerkran-
kung spricht: Beatmung bei COPD
3 44Chronische, rezidivierende Infekte Bei der COPD ist die Atmung multifaktoriell beein-
44Chronische Luftnot trächtigt. Zunächst sind alle konservativen medizi-
44Ggf. Gewichtsabnahme und muskuläre nischen Maßnahmen auszuschöpfen, um eine Nor-
Erschöpfung malisierung der Atemfunktion zu erreichen. Dies
44Osteoporose betrifft die geschulte Verwendung von Antiobstruk-
44Ängste tiva, Krankheitsaufklärung, Nikotinentwöhnungs-
44Gefäßsklerosierungen programme, Immunisierung, stationäre und ambu-
44Herzinsuffizienz lante Rehabilitationsmaßnahmen. Sollte dennoch
44Depression eine gehäufte Exazerbationsrate auftreten oder eine
44Stoffwechselstörungen deutliche pulmonale/muskuläre Erschöpfung mit
Hyperkapnie nachweisbar sein, sollte eine Heimbeat-
mung angeboten werden. Bei der Entscheidung, wie
Stadieneinteilung beatmet wird, muss geklärt sein, welcher Anteil der
Die Stadieneinteilung richtet sich nach der Klinik des Atmung (Atemregulation, Atemwege bzw. -leitung,
Patienten, Exazerbationshäufigkeit und den Ergebnis- Atemmechanik oder Gasaustausch) gestört ist. In
sen einer Lungenfunktionsdiagnostik (. Tab. 3.9). Bei diesem Fall ist die Atemregulation erhalten. Jedoch
der neuen COPD-Einteilung, die seit 2012 gilt, werden sind die Atemwege bzw. -leitungen, die Atemmecha-
die Anzahl der Exazerbationen (akute Verschlechte- nik und der Gasaustausch gestört.
rung der COPD-Erkrankung) sowie der CAT- oder 44Der Atemantrieb durch das Atemzentrum ist
MRC-Score mit einbezogen. Die CAT- und MRC- nicht gestört.
Skalen sind Beurteilungsinstrumente zur Beurtei- 44Die Atemwege sind aufgrund der chronischen
lung der Luftnot (. Abb. 3.9, . Tab. 3.9, . Tab. 3.10 Obstruktion verengt.
und . Tab. 3.11). 44Die Atemmechanik ist aufgrund der dauer-
COPD Patienten müssen viel „isometrische haften Überblähung gestört. Das Zwerchfell,
Atemarbeit” leisten, um den intrinsischen PEEP als Hauptatemmuskel, ist stetig überdehnt,
zu überwinden („isometrische Atemarbeit” = abgeflacht. Das erschwert die Atemarbeit.
. Tab. 3.9 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) – alte Einteilung (mit freundlicher
Genehmigung: R. Cegla GmbH & CO.KG, Horresser Berg 1, 56410 Montabaur http://www.leichter-atmen.de/copd-
gold-stadien
. Tab. 3.10 Neue COPD Einteilung (seit 2012) (mit freundlicher Genehmigung: R. Cegla GmbH & CO.KG, Horresser
Berg 1, 56410 Montabaur http://www.leichter-atmen.de/copd-gold-stadien
Atemnot Punkte
Möglichkeiten der
Beatmung
Kapitel 4 Tracheotomie – 71
Hartmut Lang
Tracheotomie
Hartmut Lang
4.1 Begrifflichkeiten – 72
4.1.1 Indikation für eine Tracheotomie – 72
4.1.2 Vorteile und Nachteile einer Tracheotomie – 72
4.1.3 Orte der Tracheotomie – 73
4.2 Tracheotomieverfahren – 73
4.2.1 Durchführung der PDT (nach Caglia) – 73
4.2.2 Plastisches Tracheostoma – 75
4.2.3 Veränderungen durch ein Tracheostoma – 77
Weiterführende Literatur – 88
Begrifflichkeiten
55Tracheotomie/Tracheostomie: Die 4.1.2 Vorteile und Nachteile einer
Tracheotomie ist das chirurgische Anlegen Tracheotomie
einer Öffnung in der Vorderwand der
Trachea. Dabei entsteht ein Tracheostoma. Die Vor- und Nachteile der Tracheotomie beziehen
Bei der Tracheostomie wird die Luftröhre sich auf den Vergleich zu einem Tubus, der in der
nach außen verlagert und in die Halshaut häuslichen Versorgung nicht angetroffen wird.
eingenäht. Vorteile:
55Trachea: Luftröhre 44Vermeidung von Larynx- und Trachealschäden
55Tomie: Schnitt in Abhängigkeit von der Beatmungsdauer
55Stoma: Mund/Öffnung 44Totraumverkleinerung mit Verbesserung der
alveolären Ventilation
44Verminderte Atemarbeit durch Reduktion des
Atemwegswiderstandes
4.1.1 Indikation für eine Tracheotomie 44Verbesserte Fixierung, insbesondere bei
zunehmender Mobilität der Patienten
Die Indikationsstellung ist von der voraussichtlichen 44Erleichterung und Beschleunigung der
Dauer der invasiven Beatmung abhängig, wobei die Entwöhnung vom Respirator
Entscheidung zwischen dem 10.–20. Tag nach der 44Verbesserung der Mund-Rachen-Pflege sowie
Intubation gefällt werden sollte: des endotrachealen Absaugens
44Voraussichtliche Dauer der invasiven 44Geringerer Bedarf an Analgetika und
Beatmung kürzer als 10 Tage → translaryngeale Sedativa
Intubation 44Höherer Patientenkomfort
44Voraussichtliche Dauer länger als 10 Tage → 44Erleichterung des enteralen Kostaufbaus
Tracheotomie 44Sprechmöglichkeit über Spezialkanülen
44Voraussichtliche Dauer länger als 21 Tage →
Abwägen einer Frühtracheotomie am 3.–5. Nachteile:
Beatmungstag 44Infektion des Tracheostomas
44Verlegung der Atemwege/des Tracheostomas
Ist die Dauer der invasiven Beatmung nicht abzu- durch Sekrete
schätzen, sollte tägliche eine Entscheidung über das 44Keine optimale Anfeuchtung der Atemluft
Für und Wider einer Tracheotomie diskutiert werden. 44Bildung von Nekrosen
4.2 · Tracheotomieverfahren
73 4
4.1.3 Orte der Tracheotomie
4.2 Tracheotomieverfahren
. Abb. 4.6 Zugang zur Trachea (mit freundlicher . Abb. 4.7 Eröffnung des trachealen Fensters (mit
Genehmigung: Isabel Guckes) freundlicher Genehmigung: Isabel Guckes)
4.2 · Tracheotomieverfahren
77 4
z Einführung und Konnektierung der Kanüle z LA Atmen – Schleimproduktion
Unter Sicht wird der translaryngeal liegende Tubus 44Die Trachealkanüle wird die Atemwege
durch den Anästhesisten entblockt und zurückgezo- freihalten.
gen. Nach Absaugen des Trachealsekretes wird eine 44Die Atemluft wird nicht mehr durch die oberen
entsprechend große, meist eine 9-er Trachealka- Atemwege befeuchtet und gereinigt.
nüle durch das Tracheostoma eingeführt. Nachdem 44Die Schleimhäute der Trachea produzieren
der Cuff geblockt wurde, wird die Kanüle mit dem infolge der Reizung vermehrt Schleim.
Beatmungsgerät verbunden. Nach Überprüfung 44Die Trachealkanüle kann durch diesen Schleim
der regelrechten Beatmung wird die Trachealka- verstopfen.
nüle mit einem Halteband um den Hals des Patien- 44Das löst Atemnot aus.
ten befestigt. 44Absaugen des Sekretes aus der Kanüle und der
oberen Atemwege macht die Atemwege wieder
z Wechsel der Trachealkanüle frei.
Der Wechsel der Trachealkanüle bei einem plas- 44Zunächst muss häufig abgesaugt werden, später
tischen Tracheostoma ist in der Regel einfacher jedoch seltener.
durchzuführen. Nach Entfernung der Trachealka- 44Anfeuchtung durch Inhalation wird häufig
nüle bleibt das Tracheostoma offen und „verringert“ notwendig.
nicht wie das Punktionstracheostoma seinen Durch-
messer. Dennoch ist auch hier geraten, den Wechsel z LA Kommunikation – Sinn finden
mit zwei Personen durchzuführen und die unten auf- 44Die Stimmbildung ist nicht möglich, Kommu-
geführten Utensilien vorzuhalten. nikation ist eingeschränkt.
44Andere Kommunikationsmöglichkeiten
Praxistipp müssen gesucht werden (Schreibtafel,
Worttafel, Sprechaufsatz etc.).
In Bereitschaft halten/am Patientenplatz 44Stimmverlust verändert das Körperbild, das
bereitlegen: kann zur psychischen Belastung führen.
55Spekulum zum Spreizen des Tracheostomas 44Was bedeutet es, in seiner „Körperintegrität“
55Ersatzkanülen: gestört zu sein, was bedeutet es, ein „Loch im
–– Eine mit gleichem Innendurchmesser Hals“ zu haben?
–– Jeweils eine Nummer größer und kleiner
55Ambubeutel bzw. Handbeatmungsbeutel z LA Atmen – Husten
(mit O2-Anschluss) 44Husten und Pressen ist nur eingeschränkt
55Funktionstüchtige Absauganlage mit möglich.
angeschlossenem Absaugkatheter 44Zäher Schleim kann schlecht abgehustet
werden.
44Bauchpresse beim Stuhlgang ist eingeschränkt.
44Gefahr der Obstipation.
4.2.3 Veränderungen durch ein 44„Hochziehen“ und „Schnäuzen“ ist nicht
Tracheostoma möglich, deshalb vermehrtes Absaugen von
Nase und Mund nötig.
Entsprechend des Lebensaktivitäten-Modells (LA)
nach Nancy Roper soll folgend beschrieben werden, z LA Atmen – Atemwegsbefeuchtung
womit Pflegende und Angehörige und natürlich die 44Atemwegsbefeuchtung ist notwendig, denn
Betroffenen selbst bei der Versorgung mit einer Tra- sonst verfestigt sich der Bronchialschleim,
cheoakanüle rechnen müssen. bildet Borken und verstopft die Kanüle.
78 Kapitel 4 · Tracheotomie
Innendurchmesser (ID) und sogar der Außendurch- löst Schmerzen und unstillbaren Hustenreiz bei den
messer (AD) der Kanüle ist. Am Halteschild wird Betroffenen aus. Es soll aber auch nicht höher liegen,
das Kanülenfixierband angebracht. Sehr häufig ist denn sonst kann ggf. die Beatmungsluft nicht gleich-
das Halteschild elastisch, so lässt sich das Fixierbad mäßig in die Atemwege fließen.
leichter einfädeln. Trachealkanülen mit einem fle-
xiblen Halteschild weisen eine Skalierung auf dem z Cuffmanschette
Schaft auf. So kann dokumentiert werden, bis zu Oberhalb des distalen Endes liegt die Cuffmanschette
welchem Maß der Halteschild befestigt werden soll. bzw. der Cuff. In . Abb. 4.8 ist ein zylinderartiger Cuff
dargestellt, ein sogenannter Niederdruckcuff. Den
> Die Fixiervorrichtungen müssen wirklich Cuff gibt es jedoch auch kugelförmig. Der Nieder-
fest sein, denn sonst kann der Schaft in der druckcuff hat den Vorteil, dass sich der Druck, der
Trachea hin- und herrutschen. Die Kanüle auf der Trachea-Innenwand ausgeübt wird, über eine
könnte sogar aus dem Tracheostoma größere Fläche verteilt und so einem Trachealdekubi-
herausrutschen. tus vorgebeugt werden soll. Der Auflagedruck eines
kugelförmigen Cuffs ist konzentriert auf seine Äqua-
z Universalaufsatz torebene und wirkt stärker auf die Tracheaschleim-
Am dorsalen Kanülenende befindet sich meist ein haut auf (7 Abschn. 4.3.2).
Universalansatz. Auf diesen passen die „Gänsegur-
geln“ des Beatmungsschlauchsystems, der HME-Fil- z Ventil
ter, eine „feuchte Nase“ für spontan atmende Men- Der Cuff wird mit Luft gefüllt. Diese wird über ein
schen, ein Sprechventil und der Ambubeutel. Dieser Ventil verabreicht. Ein Cuffschlauch verläuft entlang
Ansatz ist genormt und alle Kanülen sämtlicher des Kanülenschafts, ist darin eingearbeitet und tritt
Hersteller haben den gleichen Außendurchmesser. als separater Schlauch in der Nähe des dorsalen
Es gibt auch Kanülen, an deren dorsalen Ende sich Endes aus. Es folgt ein Prüfballon bzw. Pilotballon
ein Schraubgewinde befindet. So kann der jeweilige bzw. Kontrollballon, an den sich dann das Ventil
Ansatz an- und abgeschraubt werden, der jeweils anschließt.
benötigt wird. Auf das Ventil passen Spritzen oder der Cuff-
Das distale Ende der Trachealkanüle befin- druckmesser gleichermaßen, da es ein Luer-An-
det sich in der Luftröhre, ca. 2–3 cm oberhalb der satz ist. So kann Luft hineingepumpt oder abge-
Carina. Es soll die Carina nicht berühren, denn das lassen werden. Gesichert ist das Ventil durch eine
80 Kapitel 4 · Tracheotomie
Praxistipp
Cuffmanschette
Der Cuffdruck kann nach ärztlicher Anordnung Die Cuffmanschette, auch Blockermanschette oder
ggf. vor Manipulationen auch erhöht werden, Cuff genannt, dichtet die Trachea ab, sodass bei der
muss jedoch danach wieder gesenkt und Belüftung oder Beatmung keine Nebenluft entsteht
überprüft werden. (. Abb. 4.9 und . Abb. 4.10). Der Inspirationsluft-
strom wird durch den Kanülenschaft in Richtung der
Lunge geleitet. Während der Exspiration gelangt die
z Cuffschlauch
Luft auch nur über den Kanülenschaft wieder hinaus.
Wäre der Cuff nicht gefüllt, würde Luft an der Tra-
Der Cuffschauch bzw. Luftzuführschlauch ist sehr chealkanüle vorbei und nach oben Richtung Kehl-
dünn. Über diesen wird die Luft zur Cuffmanschette kopf entweichen. Bei einer künstlichen Beatmung
geleitet. An der Stelle, wo der Cuffschlauch aus dem hört man ein typisches Ausatemgeräusch, eine Art
Schaft heraustritt und separat verläuft, kann er Gurgeln durch Vibrieren der Gesichtswangen.
abknicken. Der Cuff stellt auch einen gewissen Schutz vor
Sekreten und Mikroaspirationen dar, die sich unter-
Praxistipp halb des Kehlkopfs und oberhalb des Cuffs bilden.
Er verhindert – jedoch nicht vollständig –, dass die
55Der Cuffschlauch muss gerade verlaufen. Sekrete sofort und unmittelbar durch die Atemwege
55Er soll frei zugänglich sein. in die Lunge gelangen (. Abb. 4.9).
55Er soll nicht unter dem Trachealhalteband Wird die Cuffmanschette entblockt (. Abb. 4.11),
versteckt sein. führt das zur Nebenluft mit dem typischen Aus-
55Er soll nicht unter der Kleidung des atemgeräusch. Das wird bei einigen Patienten ange-
Menschen versteckt sein. wandt, um den Ausatemluftstrom beabsichtigt an
55Er soll nicht um die Trachealkanüle den Stimmbändern vorbeizuführen. So kann evtl.
gewickelt sein. Stimmbildung möglich sein. Es ist jedoch zu erwar-
55Er soll nicht unter Zugspannung stehen. ten, dass den Patienten die Atmung schwer fallen
wird und sie sich rasch erschöpfen.
4.3 · Verschiedene Trachealkanülen
81 4
. Abb. 4.9 Prinzip einer
Cuffmanschette (eigene Darstellung,
Bearbeitung Isabel Guckes)
. Abb. 4.10 Luftfluss Inspiration und Exspiration (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
. Abb. 4.11 Luftfluss und Sekretfluss bei entblocktem Cuff (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
82 Kapitel 4 · Tracheotomie
> Vor dem Entblocken soll oral und nasal kleinen Absaugschlauch, der im Kanülenschaft ein-
abgesaugt werden, so wird die Sekretmenge gebracht ist, können die Sekrete, die dem Cuff auf-
verringert. Beim Entblocken ist es notwendig, liegen, gezielt abgesaugt werden. Dabei kann das
dies immer mit einer endotrachealen Absaugen mit Hilfe einer Spritze oder mit einem
Absaugung durchzuführen. Dieses Absauggerät erfolgen. Die Absaugung mit Spritze
Manöver sollte geplant und gezielt zur ist immer intermittierend.
Sekretentfernung durchgeführt werden. Die Absaugung mit Absauggerät kann sowohl
intermittierend, als auch kontinuierlich erfolgen:
4 z In Kürze 44Die intermittierende Absaugfrequenz richtet
44Der Cuff wird mit Luft gefüllt, nicht mit sich nach der Sekretproduktion: so oft wie
Wasser/Flüssigkeiten. nötig, so selten wie möglich. Es ist nicht
44Die Blockmanschette/der Cuff dichtet so die vorteilhaft, ein Zeitintervall für die Absaugung
Luftröhre ab und: festzulegen.
44sorgt dafür, dass die Luft in Richtung der 44Bei der kontinuierlichen Absaugung mit Gerät
Bronchien und der Lunge weitergeleitet soll der Sog limitiert werden, denn ein zu
wird, starker Sog kann zu Verletzungen der Tracheal-
44bietet somit auch einen Schutz vor schleimhaut führen. Empfohlen ist gegenwärtig
Aspiration, damit Mageninhalt, Blut oder höchstens -20 cm H2O.
Fremdkörper nicht in die Lunge gelangen
Da die Sekrete oft sehr zäh sein können, muss damit
z Vorsicht gerechnet werden, dass das integrierte Absaugrohr
44Die Blockermanschette/den Cuff nicht zu stark oder die Absaugöffnungen verstopfen. Eine Spülung
mit Luft füllen. ist dann angezeigt. Aber Vorsicht, so können Sekret-
44Druck auf maximal 25 cm H2O. brocken erneut in die Luftröhre befördert werden,
44Druck so niedrig wie möglich. die ggf. auch aspiriert werden können.
44Druck so hoch wie nötig, es soll bei der künst-
lichen Beatmung keine Nebenluft entweichen. > Die subglottische Absaugung ersetzt
44Überprüfen des Druckes mit einem keine endotracheale oder endobronchiale
Cuffdruckmesser. Absaugung. Auch die Lunge produziert
44Gefahr der Durchblutungsstörungen, damit weiterhin Sekrete, die abgesagt werden
Gefahr von Drucknekrose, Ulzeration oder müssen.
Dekubitus an der Trachealinnenwand.
. Abb. 4.12 Inspiration: Luftfluss bei Sprechventil (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
Die Ausatemluft wird an den Stimmbändern entlang können bei Patienten angewendet werden, die sich in
laufen. Dadurch kann dem Patienten das Sprechen der Endphase einer längeren Entwöhnung befinden.
ermöglicht werden. Das ist eine auf Intensivstatio-
nen häufig angewandte Methode, um dem Patien-
ten erstmals Kommunikation durch Sprechen zu 4.3.5 Seele oder Innenkanüle
ermöglichen.
Trachealkanülen werden danach unterschieden,
> Ist ein Intensivpatient mit einer einfachen ob sie eine innere Kanüle, eine Seele, besitzen oder
Trachealkanüle mit Cuff versorgt, muss der nur aus dem Kanülenschaft bestehen (. Abb. 4.13).
Cuff zwingend entblockt werden, wenn ein Die Seele ermöglicht eine komfortable Entnahme
Sprechventil verwendet wird. Mit geblocktem und das Einsetzen einer neuen Ersatzseele, sodass
Cuff wäre zwar Einatmen möglich, jedoch die Beatmung nur kurzfristig unterbrochen werden
keine Ausatmung. Der Patient würde muss. Der komplette Wechsel der Trachealkanüle
ersticken!!! (. Abb. 4.12 rechts) kann auf längere Zeitinterwalle gedehnt werden.
Die Nachteile einer Seele sind, dass sie den
Bei sehr vielen Patienten ist zu beobachten, dass sie inneren Durchmesser der Kanüle verringern und
sehr viele Sekrete produzieren, wenn ein Sprechventil eine Spontanatmung dadurch erschwert wird.
genutzt wird. Daher sind Maßnahmen der Sekreteli-
mination sehr wichtig.
Nachteile:
44Verringerung des inneren Durchmessers, . Abb. 4.14 Gefensterte TK und Seele mit
dadurch erschwerte Spontanatmung. Phonationsfenster (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel
44Nicht jede Verschmutzung setzt sich an der Guckes)
Seele fest, auch Außenkanüle kann verschmutzt
sein und die Atmung behindern. Innendurchmesser die Atemwegswi-
44Beatmung ist nur mit Adapter für die Außen- derstände erhöht → auf respiratorische
kanüle möglich. Erschöpfungszeichen achten. Um die
44Es muss die passende Seele für die Außen- Atemwegswiderstände zu senken, kann die
kanüle eingesetzt werden. Cuffmanschette entblockt werden.
. Abb. 4.15 Luftfluss bei einer TK ohne Seele mit Phonationsfenster (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
> Vor jeder Verrichtung an der Kanüle: Vorbereiten der neuen Trachealkanüle:
Händedesinfektion! 44Testen des Cuffs
44Sauberkeit ist oberstes Gebot: zuerst gründlich
Nach PDT: die Hände desinfizieren
44Wechsel der Trachealkanüle frühestens am 10. 44Erst dann die Einführhilfe in die neue Kanüle
Tag, da das Tracheostoma lediglich aufgedehnt einführen
4 ist und unter Spannung steht. 44Das Halteband auf einer Seite der Halteplatte
44Dadurch ist die Einführung einer neuen Kanüle befestigen
erschwert. 44Dann die Schlitzkompresse über die Kanüle
44Bei versehentlicher Dekanülierung ziehen
sollte zunächst notfallmäßig oral intubiert 44Mit einer Kompresse Gleitmittel auf dem
werden. Kanülenschaft verteilen, es genügen geringste
44Erst danach erfolgt die erneute Dilatation mit Mengen
Rekanülierung.
Entfernen der alten Kanüle:
Nach konventioneller Tracheotomie: 44Ist eine Kanüle mit Cuff eingesetzt, muss
44Elektiv am ersten Tag nach Anlage zunächst der Cuff entblockt und gleichzeitig
44Dabei evtl. Einlage einer unterhalb der Kanülenspitze abgesaugt
„low-pressure-cuff “-Kanüle werden
44Wechsel so früh möglich, da ein plastisch 44Dann das Halteband lösen und die Kanüle der
stabiler Zugang zur Trachea besteht Krümmung folgend aus dem Tracheostoma
ziehen, gleichzeitig absaugen
44Legen Sie die Kanüle auf eine trockene
4.5.1 Vorbereitung Unterlage (z. B. Kompresse)
Material: Tracheostomapflege:
44Trachealkanüle mit entsprechendem 44Die Haut um das Tracheostoma mit einer
Zubehör Kompresse reinigen
44Halteband 44Darauf achten, dass nichts in das Stoma hinein-
44Cuffdruckmessgerät (bei Benutzung einer gelangt, deshalb nur fusselfreie Kompressen
Kanüle mit Ballon) verwenden!
445 Kompressen 10 x 10 cm, fusselfrei 44Die Haut um das Stoma gut abtrocknen
441 Schlitzkompresse aus Vlies, nicht gewebt
44Reinigungsbürsten für die Kanüle Einlage der neuen Trachealkanüle:
44Reinigungsdose 44Zum Einführen der neuen Kanüle den Kopf
44Reinigungsmittel zum Reinigen der des Patienten überstrecken bzw. in den Nacken
Kanüle legen
44Borkenpinzette 44Mit zwei Fingern die Haut um das Stoma
44Trachealspreizer/Spekulum spreizen
44Mit der anderen Hand die Kanüle der
Weitere Vorbereitung: Krümmung folgend langsam einführen
44Pulston der Sauerstoffsättigung anstellen 44Während des Einführens den Kopf langsam
44Ambubeutel bereithalten, mit Anschluss für wieder nach vorne neigen
Sauerstoff 44Die Kanüle mit zwei Fingern an der Halteplatte
44Präoxygenieren festhalten und die Einführhilfe dann zügig
44Sedierung nach AVO herausziehen
4.6 · Verschluss des Tracheotomas
87 4
44Danach sofort mit dem Halteband die Kanüle Anschließend wird der Cuff entblockt. Durch die
fixieren dadurch entstandene Leckage ist zu erwarten, dass
44Nun können in Ruhe die Zubehörteile der Respirator ein hohes Leckagevolumen und ein
angebracht werden sehr erniedrigtes Atemzugvolumen misst. Wird hin-
gegen das Atemzugvolumen bei entblocktem Cuff
Bei der Durchführung des Wechsels der Trachealka- nach wie vor hoch sein, so ist davon auszugehen, dass
nüle muss damit gerechnet werden, dass der Patient es eine ausgeprägte Verengung/Obstruktion vorliegt.
unruhig, ängstlich oder gar panisch wird. Daher ist
abzuklären, ob eine vorherige milde Sedierung not- > Ein Unterschied der beiden
wendig ist. Atemzugvolumina kleiner als 130 ml ist
Des Weiteren muss auf die häufig auftretende ein Hinweis auf einen Post-Dekanülie-
akute Luftnot seitens des Patienten reagiert werden. rungs-Stridor. Dieser wird auch nach
Deshalb soll der Patient präoxygeniert werden und Entfernung der Trachealkanüle vorhanden
ein Ambubeutel mit O2-Anschluss muss bereitgehal- sein. Daher sollte in dem Fall noch nicht
ten werden. Der Ambubeutel sollte über eine kleine dekanüliert werden.
Halsmaske verfügen, die auf das Tracheostoma passt
und für eine manuelle Notfallbeatmung verwendet
werden kann. Zudem sind häufig hohe Sekretvo- 4.6.2 Platzhalter
lumina vorhanden. Die Absauganlage muss daher
vor dem Kanülenwechsel geprüft und mit einem Nach Dekanülierung kann ein Platzhalter einge-
Absaugkatheter versehen werden und betriebsbe- setzt werden (. Abb. 4.16). Ein Platzhalter ist eine
reit sein. im Durchmesser engere Kanüle, die einen geraden
Schaft hat. Sie hält das Tracheostoma offen. Sie hat
4.6.1 Cuff-Leak-Test
Liegt nach den vier Tagen kein Anhalt für das erneute
Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz vor,
wird der Platzhalter entfernt und ein dilatativ ange-
legtes Tracheostoma mit einem Pflaster abgeklebt.
Ein chirurgisch angelegtes Tracheostoma muss ope-
rativ verschlossen werden.
Weiterführende Literatur
Weiterführende Literatur – 98
Neben der Tracheotomie stellt die nichtinvasive Venti- Besserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
lation oder nichtinvasive Beatmung (NIV) einen wei- erreicht werden. Die Beatmung generell, auch unter
teren Beatmungszugang dar. Es stehen verschiedene NIV, verbessert die Schlafqualität und führt zu einer
Systeme der NIV zur Verfügung: Nasenmasken, Nasen- Lebensverlängerung.
mundmasken, Ganzgesichtsmasken, Mundmasken
und Mundstücke. Das bedeutet auch vermehrte Anfor-
derungen an das betreuende Fachpersonal bezüglich Möglichkeiten der NIV
der Kenntnis, wann die NIV sinnvoll eingesetzt werden Die nichtinvasive Beatmung stellt eine Alternative
kann, und sie sollen vertraut sein im Umgang mit den zur invasiven Beatmung dar. Die nachgewiesenen
verschiedenen Beatmungsformen und Beatmungsmas- Vorteile sind:
5 ken. Dennoch sind die Betroffenen in der Regel alleine 44Abnahme der beatmungs-assoziierten
fähig, die Maskensysteme zu bedienen. Pneumonie
44Ggf. Vermeiden oder Hinauszögern einer
Tracheotomie
5.1 Indikationen und 44Verkürzung des Intensivaufenthaltes
Kontraindikationen 44Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit
44Reduktion der Dyspnoe
5.1.1 Indikationen 44Vermeidung von Entsättigungen
44Verbesserung bzw. Erhaltung der
Die nichtinvasive Beatmung als Therapie der chro- Atemmuskelkraft
nisch-respiratorischen Insuffizienz (CRI) ist einsetz- 44Patient kann weiterhin kommunizieren
bar bei Patienten mit folgenden Erkrankungen: 44Patient kann während der Beatmung Nahrung
44Chronisch obstruktive Erkrankung (COPD) und Getränke zu sich nehmen
44Thorakal restriktive Erkrankung 44Patient ist weiterhin mobil oder mobilisierbar
44Obesitas Hypoventilationssyndrom 44Intermittierende Beatmungsmöglichkeit
44Neuromuskuläre Erkrankungen
Die NIV zeigt hohe Erfolge beim Versagen der Atem-
Symptome einer chronisch-ventilatorischen Insuffi- pumpe (7 Abschn. 2.1.1), Atemarbeit wird hierbei
zienz: übernommen. Die Atempumpe wird entlastet. Sie
44Dyspnoe/Tachypnoe (bei Belastung und/oder hat weniger Vorteile bei hypoxämischem Lungenver-
in Ruhe) sagen (7 Abschn. 2.1.2). Dies geht mit einem Sauer-
44Morgendliche Kopfschmerzen stoffmangel einher.
44Abgeschlagenheit Eine hohe Kollapsneigung der Alveolen mit der
44Eingeschränkte Leistungsfähigkeit Entstehung von Atelektasen führt zu einem primären
44Psychische Veränderungen (z. B. Ängste, Versagen der Lunge. Es kommt zu einem Missver-
Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen) hältnis von Lungendurchblutung und Lungenbelüf-
44Schlafstörungen (nächtliches Erwachen mit tung und zu einer Verteilungsstörung zu Ungunsten
Dyspnoe, unerholsamer Schlaf, Tagesmü- der Belüftung. Die Kollaps- und Atelektasenneigung
digkeit, Einschlafneigung, Alpträume) kann durch die Anwendung eines PEEP/CPAP ver-
44Polyglobulie (eine erhöhte Anzahl roter mieden werden. Die NIV kann jedoch aufgrund von
Blutkörperchen im Blut) hohen Leckagen diesen PEEP nicht zuverlässig genug
44Tachykardie aufrechterhalten.
44Ödeme
44Cor pulmonale (Erkrankung des Herzens
mit verminderter Leistung aufgrund einer Risiken bei der NIV-Anwendung
Lungenerkrankung)
z Nasale Masken
Diese Symptome können durch die Anwendung Nasale Masken werden häufig verordnet, denn sie
der NIV reduziert werden. Des Weiteren soll eine bieten in der Regel einen hohen Patientenkomfort.
5.1 · Indikationen und Kontraindikationen
91 5
Die Möglichkeit, weiterhin essen, trinken und reden 44Der Auflagedruck der Maskenkissen kann
zu können, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Aber ungleichmäßig verteilt sein, Druckstellen sind
die Menschen müssen darauf trainiert werden. die Folge. Sie können ebenfalls Platzangst bei
Während des Schlafs, kann es zu hohen Leckagen den Betroffenen hervorrufen. Die korrekte
über den Mund kommen. Das reduziert die Effekti- Auswahl und Anpassung der Maske ist Aufgabe
vität der nasalen Beatmung. Abhilfe kann ein Kinn- der Kliniken bzw. deren Beatmungszentren.
band schaffen, welches das Herunterfallen des Unter-
kiefers verringert.
5.1.2 Kontraindikationen der NIV
z Full-Face-Masken (Nasen-Mund-Masken)
Leckagen können durch die Anwendung einer Full- Nicht allen beatmungspflichtigen Menschen kann
Face-Maske reduziert werden. Jedoch ist die Akzep- die NIV angeboten werden. In den folgenden Situ-
tanz meist geringer. Die Maskenkissen der Full-Face- ationen ist die NIV keine geeignete Therapiewahl:
Maske haben ein recht hohes Totraumvolumen. 44Unfähigkeit, einen passenden Beatmungs-
Daher darf es nicht zur Rückatmung der vorher aus- zugang für die NIV anzupassen
geatmeten Luft kommen, denn damit würden die 44Intoleranz der NIV
Menschen ihre eigene Ausatemluft erneut einatmen 44Ineffektivität der NIV
und damit auch das ausgeatmete CO2. Die Beat- 44Schwere bulbäre Symptomatik mit rezidivie-
mungsgerätetechnik ist jedoch längst ausgereift. So renden Aspirationen
wird ein ständiger Luftfluss erzeugt, der die Ausatem- 44Ineffektivität des nichtinvasiven
luft aus der Maske „heraus spült“. Sekretmanagements
Die NIV-Beatmung kann dazu führen, dass Beat- 44Scheitern der Umstellung auf NIV nach
mungsluft auch in den Magen gelangt, was wiede- invasiver Beatmung
rum zu Übelkeit und Erbrechen führen kann. Erbro- 44Unfähigkeit des Betroffenen, sich die Maske
chenes, das in das Maskenkissen gelangt, kann somit selbstständig an- und abzulegen:
erneut aspiriert werden. Husten und Sekretauswurf 44Patienten mit zunehmender muskulärer
ist erschwert. Es wird in die Maske ausgehustet. Diese Schwäche
muss dann abgelegt und gesäubert werden. Auch 44Patienten mit Tetraplegie (Vollbild
ausgehustetes Sekret könnte aspiriert werden. neuromuskulärer Erkrankungen, hohe
Die NIV-Beatmung kann zu erhöhtem Ohren- Querschnittslähmung)
druck führen. Ein Druckausgleich ist jedoch nur 44Patienten mit schweren Störungen des
schwer herzustellen. Gähnen ist eine Möglichkeit, die Atemzentrums (schwerer Schlaganfall
jedoch zu erneuter Leckage führen kann. Das kann oder schwere hypoxische Hirnschäden mit
die Akzeptanz für die Menschen deutlich erniedrigen. Beteiligung des Atemzentrums)
Das Sprechen ist eingeschränkt und erschwert. Die
Sprache des Menschen ist für die Zuhörer undeutlich. z Bulbäre Symptome
Generell gilt: Ist die Medulla oblongata erkrankt, so kommt es
44Der hohe Luftstrom kann zur Austrocknung zu den sog. bulbären Symptomen oder bulbären
der Nasen- und Mundschleimhäute führen. Erscheinungen. Die Medulla oblongata ist nicht nur
Eine Atemgasbefeuchtung ist daher zwingend das Steuerungszentrum für die Atmung (Atemzent-
notwendig. rum), sondern auch für die koordinierte Bewegung
44Die Haut unter der Maske kann schwitzen. von Zunge, Lippen, Gesichtsmuskeln, Gaumen,
Das geschieht auch durch die Feuchtigkeit der Rachen und Kehlkopf.
Ausatemluft. Die Menschen müssen daher die Sind diese Zentren erkrankt, was meist unum-
Fähigkeit haben, die Maske abzusetzen, um kehrbar (irreversibel) ist, kommt es bei diesen
ihre Haut zu trocknen und zu pflegen. Patienten zu:
44Masken, die nicht korrekt angepasst sind, 44Störungen bei der Sprachbildung,
können durch Leckagen die Augen austrocknen 44Störungen der Gesichtsmimik und
und Entzündungen hervorrufen. 44Störungen des Schluckreflexes
92 Kapitel 5 · NIV (nichtinvasive Beatmung)
44bei gleichzeitiger Erhöhung der Speichel- und ab. So kann ein Patient auch durch beide atmen, ohne
Sekretproduktion. sich konzentrieren zu müssen. Ist eine nasale Maske
nicht ausreichend für eine Beatmung, so bietet die
Das Risiko für die Patienten besteht in diesem Fall im Full-Face-Maske eine Alternative.
fehlenden Schluckreflex mit anschließendem Risiko Vorteile:
der Aspiration von Speichel, Mund-Rachensekreten, 44Wirksam bei eingeschränkter Mitarbeit
Getränken und Nahrung in die Lunge. 44Suffiziente Funktion auch bei Mundatmung
44Patient muss sich nicht entscheiden, ob er
durch den Mund oder die Nase atmet
5.2 Charakteristika der NIV
5 Nachteile:
. Tab. 5.1 gibt einen Überblick über die Komplika- 44Zum Husten muss Maske abgesetzt werden
tionen und Probleme der invasiven und nichtinva- 44Oft nur eingeschränkte Passgenauigkeit
siven Beatmung. 44Druckstellen auf Nasenrücken möglich
44Nebenluft/Leckage, die in die Augen strömen
und Bindehautreizungen oder -entzündungen
5.3 Verschiedene Maskensysteme verursachen kann
44Subjektiv empfundenes Beklemmungsgefühl
5.3.1 Nasale Maske
Diese Maske findet ihre Anwendung sehr oft bei 5.3.3 Total-Face-Maske
Patienten mit einer chronischen respiratorischen
Insuffizienz (CRI) und in der Therapie der Schlaf- Diese Maske bedeckt das ganze Gesicht ab (. Abb. 5.3).
apnoe. Sie bedeckt nur die Nase nicht den Mund Sie ist bei Patienten mit akuter respiratorischer Insuf-
(. Abb. 5.1), sodass Sprechen und Nahrungsaufnahme fizienz die Maske der zweiten Wahl, falls eine Full-
möglich ist. Die nasalen Atemwege müssen frei sein. Face-Maske nicht korrekt angepasst werden kann. So
Vorteile: ist eine NIV durchführbar und eine Intubation kann
44Komfortabel zu tragen evtl. vermieden werden. Diese Maskenart hat sich in
44Leichter in der Anwendung der außerklinischen Beatmung nicht durchgesetzt,
44Bessere Toleranz des Patienten trotz der unten aufgeführten Vorteile.
44Abhusten ist möglich Vorteile:
44Gute Dichtigkeit 44Anwendbar, falls Full-Face-Maske nicht passt
44Kommunikation ist möglich 44Meist gute Dichtigkeit
44Nasenmaske kann an die Gesichtskontur 44Keine Nebenluft, die in die Augen strömt
angepasst/modelliert werden 44Patient muss sich nicht entscheiden, ob er
durch den Mund oder die Nase atmet
Nachteile:
44Effektive Atmung nur bei Nasenatmung möglich Nachteile:
44Gute Kooperation erforderlich 44Abhusten ist möglich, jedoch nur in die Maske
hinein
44Daher ist öfters das Abnehmen der Maske
notwendig, um sie zu reinigen
5.3.2 Full-Face-Maske (Mund-Nasen- 44Maske beschlägt von innen
Maske) 44Dadurch wird die Sicht des Patienten
eingeschränkt
Die Full-Face-Maske ist bei Patienten mit akuter res- 44Gute Kooperation erforderlich
piratorischer Insuffizienz (ARI) die Maskenart der 44Kommunikation schwer möglich
ersten Wahl (. Abb. 5.2). Sie deckt Mund und Nase 44Schlechte Toleranz durch den Patienten
5.3 · Verschiedene Maskensysteme
93 5
. Tab. 5.1 Vergleich zwischen invasiver und nichtinvasiver Beatmung (mod. nach der AWMF-Leitlinie „Nichtinvasive
Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“, 2008)
Quelle: AWMF Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“, federführend
DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie), Stand 01.06.2008
Mundleckage – +
Volumen-Monitoring – +
Initiales Ansprechen der o +
Blutgase
Sprechen + –
Abhusten (Expektoration) + –
Aspirationsrisiko + o
Luftschlucken + o
. Abb. 5.4 Doppelwandiges Maskenkissen, Anpassung
(Aerophagie)
an Gesichtskonturen (mit freundlicher Genehmigung: Isabel
Guckes) Klaustrophobie + o
Totraum (kompressibles + o
Moderne NIV-Masken verfügen über ein doppel- Volumen)
wandiges Maskenkissen (- Abb 5.4). Sie bestehen aus Lärm und Irritation des + +
einem inneren und einem äußeren Kissen, wobei das Gehörs
innere Kissen aus einer festen Membrane, die anato-
misch vorgeformt ist, besteht. Sie gibt Halt und Sta- + Vorteil
bilität. Das äußere Kissen besteht aus einer dünnen o neutral
Membrane, die sich mit Luft füllt. Dadurch passt sie - Nachteil
sich den Gesichtskonturen an und die Maske wird Quelle: AWMF Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als
Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“,
sicher abgedichtet, auch bei Bewegungen des Patien- federführend DGP (Deutsche Gesellschaft für
ten (. Abb. 5.4). Pneumologie), Stand 1.06.2008
Moderne NIV-Masken verfügen über eine ver-
stellbare und großflächige Stirnstütze. Vorteile der
Stirnstütze: 44COPD
44Sie gibt Halt 44Thorakal restriktive Erkrankungen
44Sorgt für sehr gute Abdichtung an den Augen 44Obesitas Hyopventilationssyndrom
44Gleichzeitige Vermeidung von zu hohem 44Neuromuskuläre Erkrankungen
Auflagedruck auf die Nasenwurzel bzw. die
Zähne
5.5.1 COPD
. Tab. 5.2 gibt einen Überblick über die Vor-
und Nachteile der verwendeten Maskensysteme Die Indikation zur Einleitung einer außerklini-
(Interfaces). schen NIV sind gegeben, wenn ein Patient an den
Symptomen der chronischen Hyperkapnie leidet
(7 Abschn. 5.1.1). Ebenso zählt die Einschränkung
5.5 Typische Einsatzmöglichkeiten der Lebensqualität dazu. Es müssen nach der S2-Leit-
linie jedoch mindestens zwei weitere Kriterien hin-
Wie in 7 Abschn. 5.1.1 beschreiben, kann die NIV bei zugezogen werden:
Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen ein- 44Dauerhaft erhöhte CO2-Werte im Blut am Tag
gesetzt werden: (PaCO2 ≥ 50 mmHg / 6,65 kPa)
96 Kapitel 5 · NIV (nichtinvasive Beatmung)
Weiterführende Literatur
Beatmungsformen und
Muster
Kapitel 6 Respiratormodelle – 101
Hartmut Lang
Respiratormodelle
Hartmut Lang
Beatmungsgeräte haben die Aufgabe, Luft in die (. Abb. 6.2). Nur dass hier der Zylinder elastisch ist
Lunge des Patienten hinein zu befördern. Dabei und von außen komprimiert wird. Dadurch entsteht
erfüllen sie einige Bedingungen, denn die Beat- ein Überdruck und die Luft kann über das Ventil zum
mungsluft soll möglichst alle Bereiche der Lunge Patienten hin ausströmen.
erreichen. Um ein generelles Verständnis für die Die Größe des Ambubeutels bestimmt die maxi-
Funktion von Beatmungsgeräten zu erlangen, ist es male Menge an Luft, die verabreicht werden kann.
vorteilhaft, diese anhand von einigen Modellen zu Die Eindrucktiefe bestimmt die Menge an Volumen,
betrachten. die verabreicht wird. Je stärker der Ambubeutel
eingedrückt wird, desto mehr Volumen erhält der
Patient. Das Eindrücken des Ambubeutels erzeugt
6.1 Modell der Luft- oder einen Überdruck Die Luft kann nun über das Aus-
Kolbenpumpe lassventil herausströmen. Dies entspricht einer
Überdruckbeatmung.
6 Eine Luft- oder Kolbenpumpe entspricht zugleich auch Je schneller der Ambubeutel eingedrückt
dem einfachsten Modell eines Respirators. Die Größe wird, umso größer wird der Druck, und die her-
des Zylinders bestimmt die maximale Menge an Luft, ausströmende Luft wird schneller, je langsamer
die verabreicht werden kann. Der Kolbenweg bestimmt der Ambubeutel eingedrückt wird, umso lang-
die Menge an Volumen, die verabreicht wird. Je länger samer strömt die Luft aus, hieraus ergibt sich der
der Kolbenweg und je größer der Zylinder sind, desto Flow, die Fließgeschwindigkeit der Luft. Da dieser
mehr Volumen wird verabreicht (. Abb. 6.1). Vorgang mehrmals pro Minute wiederholt werden
Damit die Luft ausströmen kann, muss der kann, entspricht die Anzahl der Wiederholungen
Kolben im Zylinder einen Überdruck erzeugen. der Atemfrequenz.
Dadurch, dass der Kolben die Luft verdichtet, wenn
er vorangerieben wird, entsteht ein Überdruck. Die
Luft kann nun über das Auslassventil herausströmen. 6.3 Modell der offenen/halboffenen
Dieses Prinzip entspricht einer Überdruckbeatmung. Systeme
Je schneller sich der Kolben im Zylinder bewegt,
umso größer wird der Druck, und die herausströ- Bei den oben geschilderten Modellen handelt es sich
mende Luft wird schneller, je langsamer sich der um „offene Systeme“. Die Luft, die zur Beatmung
Kolben bewegt, umso langsamer strömt die Luft aus. benötigt wird, wird jedes Mal von außen zugeführt.
Hierdurch wird der Flow, die Fließgeschwindigkeit Die Ausatemluft (Exspirationsluft) wird nicht geson-
der Luft beschrieben. Da dieser Vorgang mehrmals dert abgeleitet, sondern entweicht wie bei dem nor-
pro Minute wiederholt werden kann, entspricht die malen Ausatmen in die Atmosphäre (7 Abschn. 6.1,
Anzahl der Wiederholungen der Atemfrequenz. 7 Abschn. 6.2).
Am Respirator gelangt die Beatmungsluft über
ein Schlauchsystem zum Patienten. Die Exspirations-
6.2 Modell Ambubeutel luft wird auch über ein Schlauchsystem in die Atmo-
(Beatmungsbeutel) sphäre abgeleitet (. Abb. 6.3). Man spricht in diesem
Fall von einem „halboffenen System“. Dieses ist das
Nach ähnlichem Prinzip, wie in 7 Abschn. 6.1 beschrie- am meisten verwendete Prinzip der Beatmungsge-
ben, erfolgt die Beatmung mit einem Ambu-beutel räte in der Heimbeatmungstherapie.
Atmosphäre Exspiration
Exspirationsventil
PEEP - Ventil
104 Kapitel 6 · Respiratormodelle
Obstruktionen unterschiedlichster Art. Sie werden Moisture Exchanger), oder aktive Befeuchter, die sog.
ebenfalls sehr häufig bei sehr kleinen beatmungs- HH (Heated Humidifier).
pflichtigen Kindern eingesetzt, denn hierbei ist die
Kontrolle der inspiratorischen und exspiratorischen
Atemzugvolumina von höchster Bedeutung. 6.8.1 Passive Befeuchter
. Abb. 6.6 Aufbau Beatmungsplatz (mit freundlicher Genehmigung GHP Pflegedienst in Hamburg und Umgebung)
Weiterführende Literatur
Spontanatmung und
Überdruckbeatmung
Hartmut Lang
In diesem Kapitel wird das Atemmuster eines normal Mit Hilfe dieses geringen Druckgradienten ist es
atmenden Menschen anhand eines Druck-Zeit-Dia- möglich, in Atemruhelage ca. 500–800 ml Luft pro
gramms erläutert. Es soll dargestellt werden, was der Atemzug ein- und auszuatmen. Bei maximalster
wesentliche Unterschied zur künstlichen/maschi- Atemanstrengung bis zu 4 Liter Luft. Dabei ist der
nellen Beatmung ist, die für die Patienten immer als Druckgradient wesentlich höher.
Überdruckbeatmung durchgeführt wird.
z Weitere Merkmale der spontanen
Ruheatmung
7.1 Atemmuster am Respirator 44Atemfrequenz
Ein erwachsener Mensch atmet ca. 12–20-mal
Das Atemmuster bei Spontanatmung ist als Druck- pro Minute ein und aus.
Zeit-Diagramm dargestellt (. Abb. 7.1). 44Atemzeitverhältnis
Normalerweise atmet der Mensch permanent Die Ausatmung ist in Ruheatmung ca.
spontan, ohne darüber nachdenken zu müssen. Die 1,5–2,5-mal so lang wie die Einatmung.
Atemregulation geschieht, wie in 7 Kap. 1 beschrie- Anders ausgedrückt, die Einatmung ist nur
7 ben, durch das Atemzentrum im Stammhirn. Auch halb so lang, wie die Ausatmung. Das zeitliche
die physiologischen Vorgänge sind schon beschrie- Verhältnis von Ein- und Ausatmung wird
ben worden. Die Lunge selbst ist ein unter Spannung auch I:E-Verhältnis genannt. Gemeint ist
stehendes elastisches Organ. Durch Kontraktion des das zeitliche Verhältnis von Inspiration und
Zwerchfells und der äußeren Rippenmuskeln wird Exspiration.
der Brustkorb vergrößert, das Lungengewebe gedehnt 44Einatemzeit
und somit wird innerhalb der Lunge ein geringer Diese dauert in Ruheatmung so lang, bis man
Unterdruck erzeugt. Luft strömt daher bei der Ins- ein angemessenes Atemzugvolumen einge-
piration (Einatmung) in die Lunge hinein bzw. wird atmet hat. Sie beträgt zwischen 1–2 Sekunden.
„einsaugt“. Die Exspiration (Ausatmung) geschieht 44Ausatemzeit
passiv. Das Zwerchfell erschlafft, die elastischen Diese dauert in der Regel so lange, bis die zuvor
Kräfte der Lunge wirken, wodurch sich der Brustkorb eingeatmete Luft wieder ausgeatmet wird.
verkleinert. Durch den nun entstandenen geringen Das dauert in der Regel ca. doppelt so lang im
Überdruck innerhalb der Lunge, strömt Luft hinaus. Vergleich zur Einatmung.
Die Luft strömt immer entlang einer Druckdiffe- 44Atemzugvolumen
renz, vom Ort höheren Drucks zum Ort niedrigeren Dieses ist auch in Ruheatmung unterschiedlich
Drucks. Dabei ist nur ein kleiner Druckgradient von groß, im Durchschnitt ca. 500–800 ml. Das
2–4 cm H2O nötig: maximale Atemzugvolumen ist immer am
44Während der Inspiration besteht ein leicht Ende der Einatmung erreicht.
negativer Druck. Bei der Ruheatmung von -1 44Atemfluss bzw. Flow
bis -2 cm H2O. Der Einatemluftfluss ist ruhig und langsam,
44Während der Exspiration ist der Druck leicht jedoch auch dynamisch. Ganz zu Beginn
positiv und beträgt bei der Ruheatmung ca. +1 der Einatmung steigt der Luftfluss rasch an,
bis +2 cm H2O. erreicht seine maximale Geschwindigkeit
ungefähr in der Mitte der Einatmung und wird Lunge schädigen. Daher wird versucht, die Lunge
zum Ende der Einatmung wieder gedrosselt, schonend zu beatmen, das nennt man lungenpro-
um eine gleichmäßige Verteilung der einge- tektive Beatmung.
atmeten Luft in allen Bereichen der Lunge zu Die druckkontrollierte Beatmung und die volu-
gewähren. Der Ausatemluftfluss ist langsam menkontrollierte Beatmung erscheinen als die klas-
und dynamisch. Zu Beginn der Ausatmung ist sischen Beatmungsformen. Mit deren Hilfe kann
der Luftfluss schnell, wird dann aber im Verlauf ein Patient zuverlässig künstlich beatmet werden.
der Ausatmung reduziert, damit die zuvor Deshalb werden sie auch zuerst vorgestellt. Weitere
eingeatmete Luft auch zuverlässig aus den Beatmungsformen leiten sich aus druck- oder
Lungen herausströmt. volumenkontrollierter Beatmung ab. Die Kennt-
44Atemzyklus nis beider Beatmungsformen ist daher essenziell,
Ein Atemzyklus besteht aus Ein- und um die Funktionen der weiteren Modi zu verste-
Ausatmung. Der Wechsel von Ein- zu hen (7 Kap. 8).
Ausatmung geschieht bei der Ruheatmung
in der Regel ohne große Pausen. Ebenso > Künstliche/maschinelle Beatmung versucht
verhält es sich zum Übergang in den nächsten in weiten Teilen, die Spontanatmung
Atemzyklus. nachzuahmen. Das gilt für die
Atemfrequenz, das Atemzeitverhältnis, das
Atemzugvolumen, die Dauer der Inspirations-
7.2 Überdruckbeatmung und Exspirationszeit und die Gestaltung des
Luftflusses.
Künstliche Beatmung ist eine Überdruckbeatmung,
eine Beatmung mit positivem Druck. Während bei
der Spontanatmung der Luftdruck in der Einat- Weiterführende Literatur
mung negativ ist (. Abb. 7.1), ist er bei der künst-
Braun J, Preuss R (2012) Klinikleitfaden Intensivmedizin, 8.
lichen Beatmung immer positiv (. Abb. 7.2). Das Aufl. Urban & Fischer, Elsevier
ist zunächst einmal unphysiologisch und kann die Bremer F (2014) 1×1 der Beatmung, 4. Aufl. Lehmanns Media
112 Kapitel 7 · Spontanatmung und Überdruckbeatmung
7
113 8
Beatmungsformen
Hartmut Lang
Die Anzahl der verschiedenen Beatmungsformen 44So sehr es eine Faszination der Apparate-
ist fast nicht mehr zu überblicken. Es sind sehr viele medizin gibt, im Mittelpunkt allen
Anbieter von Beatmungsgeräten auf dem Markt, die Handelns und Wirkens steht der Patient.
zum Bedauern der Anwender nahezu alle eine unter- Alle Geräte sind deshalb auch um den
schiedliche Nomenklatur verwenden. Es ist sehr Patienten/Bewohner herum aufgebaut, nicht
schwierig für Einsteiger, die Beatmungsformen zu umgekehrt.
beschreiben. Wenn jedoch mehrere Geräte aus unter- 2. Regelmäßiges Leeren der Wasserfallen bei
schiedlichen Generationen verwendet werden, wird aktiver Befeuchtung:
es unübersichtlich. Auch dieses Buch wird es nicht 44Beatmungsschläuche müssen stets vom
schaffen, alle Hersteller von Beatmungsgeräten und Wasser befreit sein, sonst kommt es zu
deren Bezeichnungen vollständig wiederzugeben. permanenten Strömungsabrissen im System.
Aber es vertritt den Anspruch, eine nachvollzieh- 44Wasser im Schlauchsystem löst „Autotrig-
bare Übersicht darzustellen. gerung“ aus. Das erhöht unbeabsichtigt die
Beatmungsfrequenz.
44Wird ein Zweischlauchsystem verwendet,
8.1 Unterscheidungsmerkmale der so führt Wasser im Exspirationsventil zu
Beatmungsformen Gerätestörungen.
8 Die Beatmungsformen können danach unterteilt
44Wasser im Schlauchsystem erhöht die
Keimbesiedelung.
werden, ob die Atemarbeit des Patienten vollständig 3. 30°-Oberkörperhochlage, sofern die Grund-
übernommen wird oder nicht. Man spricht von man- erkrankung es erlaubt:
datorischer oder kontrollierter Beatmung, wenn die 44Patienten müssen nicht flach auf dem
Atemarbeit des Patienten vollständig vom Respirator Rücken gelagert werden, außer die
übernommen wird. Kann der Patient noch einen Teil Erkrankung/Verletzung erfordert es.
der Atemarbeit leisten, dann spricht man von assistier- 44Die Nachgiebigkeit des Zwerchfells
ter oder augmentierter Beatmung oder Atemhilfe. wird bei Oberkörperhochlagerung
Beatmungsformen können auch nach den Kon- gewährleistet.
trollmechanismen unterschieden werden. Druck- 44Es ist nachgewiesen, dass respiratorindu-
kontrollierte Beatmung ist dadurch gekennzeichnet, zierte Pneumonien in 30°–45°-Oberkörper-
dass die Beatmungs- bzw. Luftdrücke vom Anwender hochlage seltener auftreten.
festgelegt werden. Volumenkontrollierte Beatmung 44Zudem stellt dies eine wirkungsvolle Reflux-
beschreibt die Verabreichung eines festgelegten Atem- prophylaxe bei Patienten dar, die eine nasale
zugvolumens. Aber auch hierbei gibt es schon länger Ernährungssonde haben.
Beatmungsformen, die beide Kontrollmechanismen
miteinander kombinieren. Tabelle 1 im Anhang gibt einen Überblick über die
Beatmungsformen werden nach den Steuerungs- verschiedenen Beatmungsgeräte, deren Beatmungs-
arten unterteilt. Steuerungsarten definieren, wann formen und einige Zusatzfunktionen mit der ent-
sowohl die Einatemphase als auch die Ausatemphase sprechenden Nomenklatur.
beginnt und endet. Dabei kann sie einerseits vom
Beatmungsgerät zeitlich gesteuert werden. Anderer-
seits kann der Patient es auslösen, triggern. Und auch 8.2 Beatmungskurven
hier gibt es wieder intelligente Mischformen.
Folgende Aspekte müssen bei der Arbeit mit beat- Bei modernen Respiratoren wird die Beat-
meten Patienten unbedingt berücksichtigt werden: mung anhand von Beatmungskurven dargestellt
1. Beobachtung des Patienten: (. Abb. 8.1). Dabei können moderne Respiratoren
44Pflegende müssen genau beobachten, ob 2–3 Kurven untereinander darstellen. Mit Hilfe der
ein Patient die Beatmung toleriert oder sich unterschiedlichen Beatmungskurven kann beurteilt
schwer tut bzw. quält. werden, ob und wie die Beatmung verläuft. Zunächst
8.2 · Beatmungskurven
115 8
. Abb. 8.1 Druck-, Flow-, Volumen-
und etCO2-Kurve (eigene Darstellung,
Bearbeitung Isabel Guckes)
wird zusammengefasst, was die Beatmungskurven Luftdruckbalken dargestellt, der in der Regel von
darstellen und welche Hinweise sie dem Anwender unten nach oben wandert, wenn es sich um die Inspi-
geben können. ration handelt und von oben nach unten zurückgeht
bei der Exspiration. Weitere Hersteller zeigen diesen
Luftdruckbalken auch waagerecht (z. B. Trilogy der
8.2.1 Druckkurve Fa. Respironics). Auch die farbliche Darstellung ist
unterschiedlich, schwarz auf hellem Hintergrund,
Der Luftdruck, der bei der Beatmung aufgebaut weiß auf dunklem Hintergrund oder farbig (grün
wird, wird bei Geräten der Heimbeatmung meist als oder blau).
116 Kapitel 8 · Beatmungsformen
Markierungen am Luftdruckbalken geben an, 44Eine Berechnung der Flächen gibt an, wie
bei welchem Wert der untere und der obere Beat- viel Volumen verabreicht wird und wie viel
mungsdruck eingestellt ist. Das können dreieckige Volumen wieder ausströmt, wobei angestrebt
Markierungen sein (VS 3, Fa. ResMed) oder Strick- wird, dass die Mengen an inspiratorischem und
markierungen (Astral der Fa. ResMed, PB 560 der Fa. exspiratorischem Volumen gleich sind. Das
Covidien). Diese Luftdruckbalken können auf einem errechnet der Respirator selbstständig und zeigt
Druck-Zeit-Diagramm dargestellt werden. So erhält die Werte in den Messwerten an.
man die Druckkurve (. Abb. 8.1 oben). 44Abweichungen können erkannt werden und
44Dargestellt werden Druck-Zeit-Diagramme, geben Hinweise auf inspiratorische oder
die Aussagen darüber machen, wie hoch exspiratorische Störungen.
der Luftdruck in den Atemwegen zu einem 44Der Flow wird mit der Einheit
bestimmten Zeitpunkt ist. 44Liter pro Minute (l/min) oder
44Die Messung des Luftdrucks erfolgt durch den 44Liter pro Sekunde (l/s) angegeben.
Respirator.
44In der Regel ist der Luftdruck immer positiv, da > 1 l/s = 60 l/min
alle Beatmungsformen Überdruckbeatmungen
sind. In den Messwerten wird oft angegeben, wie hoch
8 44Der Luftdruck während der Inspiration höher
als während der Exspiration.
bzw. schnell der maximalst gemessene Luftfluss ist,
angezeigt als PIF = Peak Inspiration Flow.
44Abweichungen können erkannt werden und
geben Hinweise auf inspiratorische oder
exspiratorische Störungen. 8.2.3 Volumenkurve
44Die Luftdrücke werden in unterschiedlichen
Einheiten angegeben: Diese wird bei Respiratoren der Heimbeatmung
44Millibar (mb, mbar) oder sehr selten angezeigt. Jedoch werden die Werte in
44Zentimeter Wassersäule (cm H2O) oder den Messwerten angeben. Bei einem Einschlauch-
44Hektopaskal (hPa). system wird i. d. R. nur das VTi, also das inspiratori-
sche Atemzugvolumen, angezeigt. Bei einem Zwei-
> Dabei ist 1 mb = 1 cm H2O = 1 hPa. schlauchsystem wird zusätzlich das VTe, also das
exspiratorische Atemzugvolumen, angegeben.
44Dargestellt wird ein Volumen-Zeit-Dia-
8.2.2 Flowkurve gramm, das angibt, wie viel Luft in die Lungen
verabreicht wird, bzw. wie viel Luft zu einem
Synonyme Begriffe sind Atemstromkurve, Fluss- bestimmten Zeitpunkt gegeben wurde.
kurve, Flowkurve, Luftflusskurve (. Abb. 8.1 zweite 44In der Inspiration steigt die Kurve an, in der
Kurve von oben). Meist wird diese Kurve nicht ange- Exspiration sinkt die Kurve wieder.
zeigt, da sie zu Diagnosezwecken verwendet wird. 44In den Messwerten wird dann angegeben,
Moderne Respiratoren können sie darstellen, entwe- wie viel Luft in der Inspiration in die Lungen
der als schwarze Kurve oder auch farbig. hineingelangt (Vt) und wieviel Luft in der
44Dargestellt wird ein Flow-Zeit-Diagramm, das Exspiration wieder rauskommt (Vte).
Aussagen macht, wie die Luft in die Atemwege 44Das Volumen wird mit der Einheit Milliliter
fließt und wie die Luft wieder ausströmt. (ml) oder als Liter (l) angegeben
44Der inspiratorische Flow ist positiv und geht
in den oberen Bereich oberhalb der Zeitachse.
Der exspiratorische Flow ist negativ und geht in 8.2.4 CO2-Kurve
den unteren Bereich unterhalb der Zeitachse.
44Bei Einschlauchsystemen wird i. d. R. nur der Die CO 2-Kurve entspricht der exspiratorischen
obere Bereich angezeigt, bei Zweischlauch- CO2-Messung bzw. dem endtidalen CO2 (etCO2).
system auch der untere Bereich. Diese Kurve kann jedoch nur angezeigt werden,
Weiterführende Literatur
117 8
wenn zusätzliche Instrumente zur Messung des Aus-
atem-CO2 eingebaut werden. Für die außerklinische
Beatmung ist das ungewöhnlich und meist nicht vor-
handen. Dennoch soll sie erläutert werden, um ein
Verständnis des Ausatem-CO2 zu vermitteln.
Die CO2-Kurve entspricht der exspiratorischen
CO2-Messung bzw. dem endtidalen CO2 (etCO2).
Es wird ein CO2-Zeit-Diagramm dargestellt. Das
Kohlendioxid wird bei der Ausatmung ausgeatmet,
daher ist die CO2-Kurve ist während der Exspiration
hoch, hingegen entspricht der Wert der CO2-Kurve
während der Inspiration Null. Das CO2 wird mit der
Maßeinheit Millimeter Quecksilbersäule (mmHg)
angegeben.
Abweichungen von den Normwerten der CO2-
Kurve geben Hinweise auf Ventilationsstörungen
Weiterführende Literatur
Druckkontrollierte Beatmung
(PCV/A-PCV)
Hartmut Lang
Ungünstige Wirkungen des PEEP inferior) wieder in den Thorax. Aufgrund der int-
Die ungünstigen Wirkungen können auch schon bei rathorakalen Druckerhöhung werden die Hohl-
einer PEEP/EPAP-Einstellung von 5 mbar auftreten. venen komprimiert, das verringert den Durch-
Jedoch die oben aufgeführten Vorteile überwiegen. messer. Jedoch ist die Blut- und Flüssigkeitsmenge
In Kliniken auf Intensivstationen gibt es daher keine zunächst gleich. Diese Menge kann nicht durch die
Beatmung ohne PEEP/EPAP. In der Heimbeatmung verengten Hohlvenen in den Thorax einströmen.
wird daher auch eine Beatmung mit PEEP/EPAP So stauen sich Blut- und die Blutflüssigkeit in den
durchgeführt. Hohlvenen, später auch in allen davorliegenden
Venengefäßen und Kapillaren der Peripherie. Bald
z Für die Herz-Kreislauf-Funktion können die ganzen Blutgefäße diese Blut- und Flüs-
Der PEEP/EPAP bewirkt, ebenso wie der Beat- sigkeitsmenge nicht mehr im Inneren halten. Die
mungsdruck, dass der Druck im Thorax und Lunge Blutflüssigkeit tritt aus, die Blutkörperchen verblei-
ansteigt (intrathorakale Druckerhöhung). Dieser ben in den Gefäßen und verursachen die periphe-
Druckanstieg verengt die großen Blutgefäße im ren Ödeme. Füße, Knöchel, Knie und Hüfte schwel-
Thorax, sodass der Blutrückstrom zum rechten len an.
Herzen verringert ist. Das HZV sinkt. Das kann ent- In den inneren Bauchorganen können sich
lastend bei einer Herzinsuffizienz sein. Das linke ebenfalls Ödeme bilden. Ödeme im Gastrointesti-
Herz muss demnach auch weniger Blut in die Aorta naltrakt bewirken eine eingeschränkte Nahrungs-
pumpen. Außerhalb des Thorax weiten sich die aufnahme. Malabsorption und Maldigestion mit
großen Blutgefäße wieder. Die Aorta verlässt den Übelkeit und Erbrechen aber auch mit Durchfällen
9 Thorax nach unten hin in das Abdomen, ins Becken können die Folge sein. Aus dem Kopf und Armen
und die Beine und nach oben hin durch die führen- kann die Blutflüssigkeit auch nicht mehr vollstän-
den Hauptschlagadern zum Gehirn und die Arme. dig in den Thorax zurückfließen. So bilden sich auch
Die Hauptschlagadern nehmen im Durchmesser zu. an Fingern, Armen, im Gesicht und an den Augen
Aber die Blutmenge ist geringer, da das HZV geringer Ödeme. Folgen:
war. Das senkt den systemischen Blutdruck. Folgen: 44Zunächst Sklerenödeme
44Ansteigen des intrathorakalen Drucks 44Ausweitung auf Extremitäten, v. a.
44Verminderung des Herz-Minuten-Volumens Handrücken, Knöchel, später generalisiert
(HZV) 44Ödeme im Gastrointestinaltrakt
44Blutdruckabfall
z Für das Gehirn
z Für die Nierenfunktion Der eingeschränkte venöse Blutrückstrom aus dem
Dieser Blutdruckabfall kann so gravierend sein, Hirn kann auch dort Ödeme bewirken. Das führt
dass der mittlere Blutdruck für die Nierendurchblu- möglicherweise zu Einschränkungen in der Denk-
tung nicht mehr ausreicht. Das führt zur reduzierten leistung, Beeinträchtigung der kognitiven Aufnah-
Diurese und zu vermehrter Flüssigkeitsansammlung mefähigkeit, Verwirrtheit und ggf. zu Bewusstseins-
im Blutgefäßsystem. Folgen: eintrübungen der Menschen. Folgen:
44Minderperfusion der Niere 44Hirndrucksteigerung
44Verringerte Diurese 44Venöser Abfluss vom Gehirn ist behindert
44Evtl. Nierenfunktionsstörungen
44ADH(antidiuretisches Hormon = Adiuretin). z Für die Lungenfunktion
Ausschüttung erhöht Innerhalb der Lunge kann der erhöhte intrathora-
44Verringerte Diurese kale Druck zu einer ungleichmäßigen Luftverteilung
44Evtl. Nierenfunktionsstörungen führen, obwohl die Anwendung von PEEP/EPAP
dieses Ziel hat. Folgen:
z Ödembildung 44Überdehnung von Arealen mit erhöhter
Das Blut aus der Peripherie gelangt über die obere Compliance
und untere Hohlvene (V. cava superior und V. cava 44Evtl. ungleichmäßige Luftverteilung
9.2 · Parameter-Einstellung
123 9
9.2.3 Inspirationsdruck/ Der Beatmungsdruck soll so hoch eingestellt werden,
Beatmungsdruck dass das ermittelte Atemzugvolumen sicher verab-
reicht werden kann. Der Beatmungsdruck muss aber
44Pinsp, Pin, Pi: Pressure Inspiration auch immer wieder angepasst werden, z. B. nach
44IPAP: Inspiratory Positive Airway Pressure Lageänderung des Patienten. Empfohlen ist, den
Druck im Stufen von 2–3 mbar anzupassen.
Das ist der Beatmungsdruck, der während der Inspi- Generell gilt: Das verabreichte Tidalvolumen ist
ration erreicht werden soll. Dieser bestimmt, wieviel abhängig von den eingestellten Luftdrücken Pinsp
Luft der Patient pro Atemhub erhalten soll. und PEEP.
Je größer die Druckdifferenz (∆ P; ∆ = griech.
z Wie hoch soll Pinsp eingestellt werden? Delta) zwischen dem PEEP und dem Pinsp bzw. IPAP
Bei der Wahl der Höhe des Pinsp ist das Ziel, eine aus- und EPAP ist, umso mehr Volumen wird verabreicht,
reichende Ventilation zu gewährleisten. Dabei darf je kleiner die Druckdifferenz ist, umso kleiner ist das
das Lungengewebe nicht durch zu viel verabreichtes Volumen (. Abb. 9.1).
Volumen überdehnt/überstrapaziert werden, denn
das kann zu Schäden am Lungengewebe führen. z Zusammenhang PEEP und Pinsp bei
Das Atemzugvolumen kann dabei mit folgender druckkontrollierter Beatmung
Formel errechnet werden: Abhängig vom Beatmungsgerät wird der Inspira-
446 ml/kg KG bezogen auf das ideale Körper- tionsdruck zum voreingestellten PEEP hinzu addiert
gewicht (IBW = Ideal Body Weight) eines oder nicht (. Abb. 9.2).
Menschen. Bei der Beatmung wird jeder Wert wird separat
44Faustformel für die Gewichtsberechnung: am Respirator eingestellt. Eine Einstellung des PEEP
Körpergröße im cm – 100 = normales von 8 mbar bedeutet, dass ein Luftdruck von 8 mbar
Köpergewicht in kg. Davon nochmals 10–15 % aufgebaut wird und dort auch beibehalten wird. Stellt
abziehen. man den PEEP auf 12 mbar ein, so wird ein Luftdruck
44So erhält man z. B. für einen 80 kg schweren von 12 mbar aufgebaut und beibehalten. Eine Einstel-
Menschen ein Atemzugvolumen von 480 ml lung des Pinsp von 12 mbar bedeutet, dass ein Luft-
pro Atemhub. druck von 12 mbar oberhalb des PEEP-Niveaus (z. B.
. Abb. 9.2 Druckeinstellung bei druckkontrollierter Beatmung (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
124 Kapitel 9 · Druckkontrollierte Beatmung (PCV/A-PCV)
PCV bei Elisee 150 oder VS III, Fa. ResMed: der Pin
wird zum PEEP hinzugefügt, bzw. drauf gesetzt. Wird für einen beatmeten Patienten der Respirator
Die Summe aus unterem und oberem Luftdruck gewechselt, so muss darauf geachtet werden, dass das
ergibt dann den gesamten Luftdruck in der ∆ P, also der Luftdruckunterschied zwischen dem
Inspiration (Beatmungsdruck) (. Abb. 9.2 links). PEEP und dem Pinsp bzw. EPAP und IPAP beibehal-
ten wird. Es ist daher wichtig, auf den Beatmungs-
modus zu achten.
Generell gilt: Das verabreichte Tidalvolumen ist
9 z Zusammenhang PEEP/EPAP und Pin/Pinsp/
abhängig von der gewählten Höhe der Luftdrücke
IPAP
Pinsp und PEEP bzw. IPAP und EPAP.
Ebenso wie bei der druckkontrollierten Beatmung Bei gleichbleibendem Druckunterschied zwi-
wird jeder Wert separat eingestellt. Eine Einstel- schen Pinsp und PEEP bzw. IPAP und EPAP gilt in
lung des PEEP/EPAP von 8 mbar bedeutet, dass der Regel, je niedriger beide Drücke sind, desto mehr
ein Luftdruck von 8 mbar aufgebaut wird und dort Volumen wird geliefert (. Abb. 9.3 links):
auch beibehalten wird. Stellt man den PEEP/EPAP
auf 12 mbar ein, so wird ein Luftdruck von 12 mbar Beispiel
aufgebaut und beibehalten. Allerdings bedeutet eine PEEP 5, Pinsp 15, Druckunterschied = 10. Je höher
Einstellung des Pin/IPAP von 12 mbar, dass ein Luft- beide Drücke gewählt sind, desto weniger Volumen
druck von 12 mbar, ausgehend vom Druckniveau = 0, wird geliefert (. Abb. 9.3 rechts).
in der Inspiration aufgebaut wird und dort auch bei-
behalten wird. Insgesamt wird dabei ein Beatmungs- Beispiel
druck von 12 mbar in der Inspiration erreicht. Nun wird beides um je 5 erhöht: PEEP 10, Pinsp 20,
44Bei einem PEEP/EPAP = 6 mbar ist das ∆ P = Druckunterschied von 10 bleibt gleich. Jedoch
6 mbar wird zu erwarten sein, dass aufgrund der größeren
44Bei einem PEEP/EPAP = 8 mbar ist das ∆ P = Luftfüllung der Lunge aufgrund des PEEP und dem
4 mbar gleichbleibenden Druckunterschied weniger Volu-
men geliefert wird.
Stellt man den Pin/IPAP von 17 mbar ein, so wird ein
Luftdruck von 17 mbar, ausgehend vom Druckniveau Beispiel
= 0, in der Inspiration aufgebaut und dort auch bei- Nochmalige Erhöhung beider Werte um 10: PEEP =
behalten. Insgesamt wird dabei ein Beatmungsdruck 20, Pinsp = 30, Druckunterschied von 10 bleibt er-
von 17 mb in der Inspiration erreicht. halten. Die Luftfüllung der Lunge aufgrund des PEEP
44Bei einem PEEP/EPAP = 6 mbar ist das ∆ P = ist noch größer. Eine Drucksteigerung um 10, sodass
11 mbar ein Pinsp von 30 erreicht wird, ergibt dennoch ein
44Bei einem PEEP/EPAP = 8 mbar ist das ∆ P = geringeres Tidalvolumen, da die Lunge sich kaum
9 mbar noch ausdehnen kann.
9.2 · Parameter-Einstellung
125 9
. Abb. 9.3 Auswirkungen
des Druckniveaus: links geringes
Druckniveau mit größerem
Atemzugvolumen, rechts höheres
Druckniveau mit geringerem
Atemzugvolumen (eigene Darstellung,
Bearbeitung Isabel Guckes)
Generell gilt: Das verabreichte Tidalvolumen ist zunächst angestrebt, wie bei einem normal atmen-
abhängig von der Dehnungsfähigkeit der Lunge den Menschen auch, die Beatmungsfrequenz so ein-
(Compliance, 7 Kap. 20). zustellen, dass ein normaler Atemrhythmus entsteht,
44Je größer die Dehnungsfähigkeit ist, desto mehr in der Regel zwischen 12–20-mal/Minute.
Volumen wird gefördert.
44Je kleiner sie ist, umso weniger Volumen wird
gefördert. 9.2.5 Inspirationszeit
Generell gilt: Das verabreichte Tidalvolumen ist Die Inspirationdauer bzw. -zeit, Tinsp (Time for
abhängig von den Atemwegswiderständen (Resis- inspiration), wird in Sekunden (s) angegeben. Es
tance, 7 Kap. 20). dauert eine gewisse Zeit, bis ein Patient vernünf-
44Je größer der Atemwegswiderstand, umso tig beatmet ist und ausreichend Luftvolumen in die
weniger Volumen wird gefördert. Lunge strömen/fließen kann. Mit der Einstellung
44Je kleiner der Atemwegswiderstand, umso der Inspirationszeit soll sichergestellt werden, dass
größer wird das geförderte Tidalvolumen. das zu verabreichende Atemzugvolumen sicher in
die Lunge gelangt und der Beatmungsdruck nur so
Generell gilt: Das verabreichte Tidalvolumen ist hoch wie notwendig eingestellt wird, in der Regel
abhängig von der Dauer der Inspiration (Tinsp). zwischen 0,8 bis 1,5 Sekunden, dabei sind Abwei-
Wird die Inspirationszeit zu kurz gewählt, chungen möglich.
reicht die angebotene Zeit evtl. nicht aus, um die
Lunge ausreichend mit Luft zu füllen. Bei der z Zusammenhang zwischen Tinsp und f
Heimbeatmung ist oft zu beobachten, dass das ver- Der Zusammenhang zwischen der Einatem- und
abreichte Atemzugvolumen VT größer ist als 6 ml/ Ausatemphase wird als Atem-Zeit-Verhältnis, Ins-
kg KG. Oft reicht das eigentlich optimal errech- pirations-Exspirations-Verhältnis oder kurz I:E-Ver-
nete VT nicht für eine gute Ventilation aus. Daher hältnis bezeichnet. Normalerweise ist die Einatem-
wird der Luftdruck meist höher eingestellt und es phase nur halb so lang wie die Ausatemphase, bzw.
werden häufig Atemzugvolumina von 8–10 ml/ die Ausatemphase ist doppelt so lang wie die Ein-
kg KG oder höher erreicht. Der beatmete Mensch atemphase, damit die gesamte vorher eingeatmete
muss zudem das Gefühl haben, dass er ausreichend Luft auch wieder aus den Lungen herausströmen
Luft erhält. kann. Dieser physiologische Status soll auch bei der
Beatmung erreicht werden. Daher wird die Einstel-
lung von f und Tinsp so gewählt, dass ein I:E-Verhält-
9.2.4 Frequenz nis von 1:2 resultiert.
Wenn einer der Beatmungsparameter f oder
Als Frequenz wird die Beatmungsfrequenz (f, AF) Tinsp verstellt wird, öffnet sich bei nahezu allen Beat-
pro Minute (engl. breaths per minute, bpm) bezeich- mungsgeräten ein zusätzliches Informationsfens-
net; z. B. 12/min. Der Patient soll mehrmals pro ter, in dem angegeben wird, wie viele Sekunden die
Minute kontrolliert beatmet werden. Dabei wird Tinsp und wie viele Sekunden die Texp (Ausatemzeit)
126 Kapitel 9 · Druckkontrollierte Beatmung (PCV/A-PCV)
9
44Zunahme der Scherkräfte mit erhöhtem Risiko Atemhub auslösen. Dies kann flow- und druckgetrig-
von interstitiellen Lungenemphysem und gert geschehen (7 Abschn. 12.2, . Abb. 12.2, . Abb. 12.3,
Pneumothorax . Abb. 12.4).
44Depression der mukoziliären Clearence
. Abb. 9.6 Ablauf der druckkontrollierten Beatmung (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
Volumenkontrollierte
Beatmung (VCV)
Hartmut Lang
10.1 Nomenklatur
Die Unterschiede der Einstellungen sind im Ver-
Die unterschiedlichen Respiratorhersteller nutzen gleich zu einer druckkontrollierte Beatmung nur
meist den Begriff VCV oder CV für die Bezeichnung gering (. Tab. 10.1).
der volumenkontrollierten Beatmung (Volume Con- Die meisten Parameter sind in 7 Abschn. 9.1 aus-
trolled Ventilation). Die Benennung der einzelnen Beat- führlich beschrieben, sodass hier nur die für die volu-
mungsparameter ist von Respirator zu Respirator leider menkontrollierte Beatmung spezifischen Parameter
unterschiedlich. Eine Auflistung der Parameter findet erörtert werden.
sich in Tabelle 3 im Anhang. Die Darstellung der ein-
zelnen Beatmungsparameter erfolgt daher allgemein. . Tab. 10.1 Parameter bei volumen- und
10 Das Atemmuster volumenkontrollierter Beat- druckkontrollierter Beatmung
mung ist in Form eines Druck-Zeit-Diagramms in
. Abb. 10.1 dargestellt. Der Luftdruck in den Atem- Volumenkontrolliert Druckkontrolliert
Gezeigt wird, welche Luftdrücke sich in der Lunge Durch Einstellung des Flow kann man die Dauer
zu welchem Zeitpunkt aufbauen. Die Druckmes- der Plateauphase beeinflussen.
sung bei modernen Respiratoren findet am Y-Stück 44Will man eine längere Plateauphase haben, so
statt. Zu Beginn der Inspiration strömt die Luft wählt man einen hohen Flow. Die Luft strömt
mit einem bestimmten Flow (mit einer bestimm- dann mit einer schnelleren Geschwindigkeit in
ten Geschwindigkeit) in die Lungen ein. Der Luft- die Atemwege, der Spitzendruck wird früher
druck steigt kontinuierlich an und erreicht dann erreicht (und ist dabei auch meistens höher)
einen sog. Spitzendruck, der Ppeak oder PIP, der und somit verlängert sich die Plateauphase.
auch in den Messwerten angezeigt wird: 44Will man eine kürzere Plateauphase haben,
44Je größer der Flow eingestellt wird, desto wählt man einen niedrigen Flow. Die Luft
schneller steigt der Druck an. strömt dann mit einer langsameren Geschwin-
44Je niedriger der Flow eingestellt wird, desto digkeit in die Atemwege, der Spitzendruck
langsamer steigt der Druck an. wird später erreicht (und ist dabei auch
meistens niedriger) und somit verkürzt sich die
Moderne Beatmungsgeräte gestalten den Flow Plateauphase.
derart, dass er über die gesamte Inspirationszeit auf- 44Will man gar keine Plateauphase haben, wird
recht erhalten bleibt. Dadurch kommt es gar nicht der Flow so eingestellt, dass die Luft während
zur Entwicklung eines Spitzendrucks. Ist ein Spitzen- der gesamten Dauer der Inspiration in die
druck erreicht, so ist das vorbestimmte und einge- Atemwege fließt. Der Spitzendruck wird somit
stellte Hubvolumen in den Lungen appliziert. Dabei erst am Ende der Inspirationszeit erreicht und
ist der Wert des Spitzendrucks zunächst unbekannt. ist dabei wesentlich geringer.
Der Druck fällt nach Erreichen des Spitzen-
10 drucks wieder leicht ab und pendelt sich auf einem z Exspiration
niedrigeren Niveau, dem Plateaudruck, ein. Auch Ist die Inspirationszeit vorüber, öffnet sich das Exspira-
dessen Höhe ist zunächst unbekannt. tionsventil. Die Luft strömt aus der Lunge heraus. Der
Druck sinkt kontinuierlich bis auf seinen Ausgangs-
z Warum fällt der Luftdruck wieder ab? wert-PEEP. Ausatmen ist ein passiver Vorgang. Der
Solange die Luft in die Lungen hineingepresst wird, Patient leistet keine Arbeit. Die Dauer der Exspirations-
kann sie sich nicht gleichmäßig verteilen. Einige zeit wird durch das I:E-Verhältnis vorgegeben. Damit
Lungenareale erhalten mehr Luft, vor allem das wird nicht sofort beim Erreichen des Ausgangsdruck-
Bronchialsystem, andere weniger. Die Luft staut werts ein neuer Atemzyklus und damit eine erneute
sich quasi, deshalb steigt auch der Luftdruck. Dieser Inspiration einleitet, sondern erst nach Beendigung der
wird gemessen und als Spitzendruck (Ppeak oder PIP) Exspirationszeit beginnt ein neuer Atemzyklus.
angezeigt. Ist das gesamte Hubvolumen verabreicht,
verbleibt meist noch ein Rest der Inspirationszeit
(7 Abschn. 10.2.2). In dieser Phase hat die Luft Zeit, 10.4 Probleme der
sich gleichmäßig in den Lungen zu verteilen. Es ent- volumenkontrollierten
steht Pendelluft (7 Abschn. 10.4.2), die nachteilig für Beatmung
die Patienten ist. Der Druck in dieser Phase fällt auf
das Niveau des Plateaudrucks ab. 10.4.1 Risiko der unbekannten
Luftdrücke
z Plateauphase
Die Zeit des Plateaudrucks wird Plateauphase genannt. Bei der klassischen Form der volumenkontrollier-
Sie bleibt für den Rest der Inspiration erhalten. Der ten Beatmung wird mit Hilfe des Beatmungsparame-
Patient kann während dieser Zeit nicht ausatmen, da ters Flow angegeben, wie schnell das vorbestimmte
die Ventile geschlossen sind. Während der Plateauphase Atemzugvolumen verabreicht werden soll. Dabei
wird die inspirierte Luft folglich in den Lungen gehal- können unterschiedlich hohe Beatmungsdrücke ent-
ten. So besteht ausreichend Zeit für den Gasaustausch. stehen, die vorher unbekannt sind: Weder die Höhe
10.4 · Probleme der volumenkontrollierten Beatmung
137 10
des Spitzendrucks (Ppeak bzw. PIP) noch das Niveau einströmende Luft und die Pendelluft übermäßig
des Plateaudrucks sind vor der Beatmung bekannt. gedehnt, was zu Schädigungen der Lunge führen kann.
Dabei können als Spitzendruck auch sehr hohe
Werte erreicht werden. Diese können zudem von
Atemzyklus zu Atemzyklus variieren. Es resultiert 10.4.3 Scherkräfte
daraus ein unterschiedlich hoher Luftdruckunter-
schied ∆ P zwischen dem PEEP und dem Ppeak. Der Der rechte Lungenflügel besteht aus zehn Lungen-
∆ P sollte jedoch nicht mehr als 15 mb betragen, da segmenten, der linke Lungenflügel aus neun Lungen-
höhere Druckunterschiede ggf. das Lungengewebe segmenten (7 Kap. 1 und . Abb. 10.4).
schädigen können. Das kann mit der klassischen Die unterschiedliche Compliance (Dehnungs-
Form der volumenkontrollierten Beatmung nicht fähigkeit) unterschiedlicher Segmente wird durch
garantiert werden und es besteht das Risiko ungüns- pathologische Prozesse, wie z. B. pneumonische
tiger Auswirkungen auf die Lungenfunktion. Infiltrate, bei denen einzelne Segmente betroffen
sind, verstärkt. Durch die Infiltrate dehnen sich die
Segmente bei der Belüftung unterschiedlich weit
10.4.2 Pendelluft aus, bei der Exspiration ziehen sie sich uneinheit-
lich zusammen. Durch diese unkoordinierten Bewe-
Bei der volumenkontrollierten Beatmung entsteht gungen scheuern die Segmente aneinander, das
bei der Inspiration der Spitzendruck. Anschließend
fällt der Luftdruck etwas ab und bildet einen Plateau-
druck. Da die Lungenflügel nicht gleich groß sind
(7 Kap. 1, . Abb. 1.12), ist der linke Lungenflügel
zuerst mit Luft gefüllt. Die überschüssige Luft, die
noch weiter vom Respirator gefördert wird, wird nun
an den rechten Lungenflügel abgegeben (. Abb. 10.3).
Der rechte Lungenflügel wird kurzfristig überdehnt
und schickt die Luft wieder in den linken Lungenflü-
gel zurück. Die Luft pendelt zwischen den Lungen-
flügeln hin und her, bis ein endgültiger Druckaus-
gleich entstanden ist. Die Lungenareale mit erhöhter
Dehnungsfähigkeit (Compliance) werden durch die
. Abb. 10.3 Modell der Pendelluft zwischen den Lungen . Abb. 10.4 Modell der Lungensegmente (eigene
flügeln (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes) Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
138 Kapitel 10 · Volumenkontrollierte Beatmung (VCV)
. Abb. 10.7 Astral 150, Fa. ResMed (eigenes Foto, mit freundlicher Genehmigung: Fd. ResMed GmbH & Co. KG)
140 Kapitel 10 · Volumenkontrollierte Beatmung (VCV)
Weiterführende Literatur
10
141 11
Druckregulierte-
volumenkontrollierte
Beatmung
Hartmut Lang
Der Vorteil einer druckkontrollierten Beatmung Das optimale Atemzugvolumen wird ebenso
ist die Begrenzung der Beatmungsdrücke auf ein wie eine „vernünftige“ Beatmungsfrequenz für den
vorher festgelegtes Niveau. Nachteilig ist, dass jeweiligen Patienten ausgewählt. Aus Atemzugvolu-
dadurch unterschiedlich hohe Atemzugvolumina men und Beatmungsfrequenz resultiert das Atemmi-
entstehen können (7 Kap. 9). Der Vorteil einer volu- nutenvolumen (AMV oder MV).
menkontrollierten Beatmung ist das Verabreichen Nach der Grundeinstellung erfolgen nun ein paar
eines vorbestimmten Atemzugvolumens für eine „Testbeatmungshübe“. Daraufhin errechnet der Res-
gesicherte Beatmung. Nachteilig sind jedoch unbe- pirator, wie hoch der Beatmungsdruck sein muss
kannt hohe Beatmungsdrücke, Scherkräfte und (. Abb. 11.1). Der Druck wird dabei nur so hoch
Pendelvolumen (7 Kap. 10). Beide Vorteile können gewählt, dass das vorbestimmte Atemzugvolumen
in einer Beatmungsform miteinander kombiniert gesichert verabreicht werden kann.
werden, als druckregulierte-volumenkontrollierte Die Höhe des Inspirationsdrucks kann von
Beatmung. Atemzyklus zu Atemzyklus variieren. Der Respira-
tor wird den Inspirationsdruck automatisch, selbst-
ständig herunter- oder hochregulieren. Diese selbst-
11.1 Nomenklatur ständige Regulation des Beatmungsdrucks erfolgt in
kleinen Schritten von 2–3 mbar. Damit wird vermie-
Die unterschiedlichen Respiratorhersteller nutzen den, dass unbeabsichtigt hohe Drücke entstehen, die
meist den Begriff Sicherheits- Vt oder Ziel- Vt für die Lunge schädigen können.
die Bezeichnung der volumenkontrollierten-druck- Die Einstellung eines Pmax/Plimit bewirkt, dass
regulierten Beatmung. Sie ist damit weniger eine der Beatmungsdruck nur bis zu einem bestimmten
eigenständige Beatmungsform, sondern eine Schutz- Niveau ansteigen kann, ihn aber nicht überschrei-
funktion bei der druckkontrollierten oder druck- tet. Das dient der Vermeidung zu hoher Beatmungs-
unterstützenden Beatmung. drücke. Mit der Rampe wird festgelegt, innerhalb
welcher Zeit der Beatmungsdruck erreicht werden
11 soll, unabhängig davon, ob der Druck nun gerade
11.2 Parameter-Einstellung herunter- oder hochreguliert wurde.
Die selbstständige Regulation des Beatmungs-
Zur Beatmung eines Patienten mit druckregulier- drucks entbindet den Anwender von der ständigen
ter-volumenkontrollierter Beatmung sind die in der manuellen Eingabe. Sie hat jedoch den Nachteil, dass
Übersicht aufgeführten Einstellungen notwendig. dabei dennoch unterschiedlich hohe Atemzugvolu-
mina entstehen.
44Der Respirator errechnet z. B., dass der
Beatmungsparameter Druck erniedrigt werden muss. Bliebe der
55FiO2 Druck auf dem bestehenden hohen Niveau,
55PEEP so würde zu viel Atemzugvolumen geliefert.
55Atemzugvolumen, Vt Das langsame Absenken des Drucks bewirkt,
55AF, f, Frequenz dass das Atemzugvolumen sinkt, jedoch nicht
55Tinsp (aus der Einstellung f und Tinsp unmittelbar sofort. Für 2–5 Atemzyklen wird
resultiert das I:E) weiterhin ein zu hohes Volumen geliefert.
55Rampe 44Der Respirator errechnet z. B., dass der Druck
55Pmax/Plimit erhöht werden muss. Bliebe der Druck auf dem
bestehenden niedrigen Niveau, so würde zu
wenig Atemzugvolumen geliefert. Das langsame
Sauerstoff und PEEP werden nach den schon genann- Anheben des Drucks bewirkt, dass das
ten Kriterien eingestellt (7 Abschn. 9.2). Je nachdem Atemzugvolumen vorsichtig steigt, jedoch nicht
wie lange ein Inspirationshub für den individuellen unmittelbar sofort. Für 2–5 Atemzyklen wird
Patienten dauern soll, wird die Tinsp eingestellt. immer noch ein zu geringes Volumen geliefert
11.4 · Anwendung der druckregulierten-volumenkontrollierten Beatmung
143 11
. Abb. 11.1 Selbstständige
Druckregulation des Respirators
bei der druckregulierten-
volumenkontrollierten Beatmung
(eigene Darstellung, Bearbeitung
Isabel Guckes)
11.3 Selbstständige
. Tab. 11.1 Übersicht der selbstständigen
Beatmungsdruckniveau- Druckregulation
Einstellung
Zu Grund Selbstständi-
beobachten ge Regulation
Folgende Einstellungen wurden festgelegt: PEEP, Vt,
f, Tinsp, Rampe, Plimit (7 Abschn. 11.2). Als regulie- Vt ist zu hoch Compliance groß Beatmungs-
rende Parameter verbleiben die Messgrößen Com- – Vt ↑ –C↑ druck wird
pliance und Resistance, von denen das verabreichte Resistance reduziert ↓
niedrig – R ↓
Atemzugvolumen abhängig ist. Diese werden vom
Respirator eigenständig reguliert. Vt ist zu gering Compliance Beatmungs-
– Vt ↓ niedrig – C ↓ druck wird
Resistance hoch angehoben ↑
–R↑
11.3.1 Dehnungsfähigkeit der Lunge
(Compliance)
Je kleiner der Atemwegswiderstand, umso mehr
Je größer die Dehnungsfähigkeit (C) ist, desto mehr Volumen wird bei gleichbleibendem Beatmungs-
Volumen wird bei gleichbleibendem Beatmungs- druck gefördert. Folge für selbstständige Druckein-
druck gefördert. Folge für die selbstständige Druck- stellung: Der Beatmungsdruck wird langsam redu-
einstellung: Der Beatmungsdruck wird langsam ziert, bis das Vt wieder erreicht wird (. Tab. 11.1).
reduziert, bis das Vt wieder erreicht wird. Ist R ↓ → Vt ↑ → Beatmungsdruck wird selbst-
Ist C ↑ → Vt ↑ → Beatmungsdruck wird selbst- ständig reduziert ↓
ständig reduziert ↓
Je kleiner die Compliance ist, umso weniger
Volumen wird bei gleichbleibendem Beatmungs- 11.4 Anwendung der
druck gefördert. Folge für selbstständige Druckein- druckregulierten-
stellung: Der Beatmungsdruck wird langsam erhöht, volumenkontrollierten
bis das Vt wieder erreicht wird. Beatmung
Ist C ↓ → Vt ↓ → Beatmungsdruck wird selbst-
ständig erhöht ↑ Bei diesem Beatmungsmodus wird ein garantier-
tes und gesichertes Atemzugvolumen verabreicht.
Daher profitieren nahezu die gleichen Patien-
11.3.2 Atemwegswiderstände ten davon, wie in 7 Abschn. 10.5. erläutert. Die in
(Resistance) 7 Abschn. 10.4 aufgezählten Risiken der volumen-
kontrollierten Beatmung sind jedoch aufgrund der
Je größer der Atemwegswiderstand (R), umso weniger automatischen Druckregulation geringer. So kommt
Volumen wird bei gleichbleibendem Beatmungs- dies einer druckkontrollierten Beatmung nahe.
druck gefördert. Folge für selbstständige Druckein- Dieser Beatmungsmodus wird daher eben-
stellung: Der Beatmungsdruck wird langsam erhöht, falls Patienten angeboten, bei denen es wichtig
bis das Vt wieder erreicht wird. ist, dass ein gesichertes Atemzugvolumen verab-
Ist R ↑ → Vt ↓ → Beatmungsdruck wird selbst- reicht wird, da sonst die Hypoventilation droht. Das
ständig erhöht ↑ betrifft v. a. Menschen mit Restriktionen der Lungen
144 Kapitel 11 · Druckregulierte-volumenkontrollierte Beatmung
Druckunterstützende
Beatmung (PSV)
Hartmut Lang
Die druckunterstützende Beatmung (PSV = Pres- von Respirator zu Respirator leider unterschiedlich.
sure Support Ventilation) soll den Patienten bei Eine Auflistung der Parameter finden Sie in 7 Tabelle 4
der Eigenatmung unterstützen. Die Unterstützung im Anhang. Die Darstellung der einzelnen Beat-
geschieht durch die gleichzeitige Verabreichung mungsparameter erfolgt daher allgemein.
eines Luftdruckes mit der spontanen Einatmung des
Patienten. Der Patient bestimmt, wie oft und wie tief
er atmet. Der spontan atmende Patient erhält vom 12.2 Parameter-Einstellung
Respirator bei jedem Atemzug eine Hilfestellung,
eine Luftdruckunterstützung, den sog. Pressure-Sup- Zur Beatmung eines Patienten mit druckunter-
port (PS). Die patienteneigene Einatemarbeit wird stützender Beatmung sind folgende Einstellungen
durch Lieferung eines Überdrucks vom Respirator notwendig:
unterstützt wird. Auch bei der PSV-Atmung befindet
sich der Luftdruck in den Lungen immer im positi-
ven Bereich. Dennoch kommt dies einer physiologi- Beatmungsparameter
schen Spontanatmung nahe. 55O2-Konz., FiO2, Sauerstoff
Es ist Aufgabe der betreuenden Personen, darauf 55PEEP, Ptief
zu achten, dass die vorgegebenen Parameter den 55Psupport/PS
Atembemühungen des Patienten auch gerecht werden. 55Back-Up mit Einstellungen:
Aspekte der Beobachtung: –– f, AF, Frequenz
44Adäquate Lagerung –– Tinsp, Thoch oder
44Hecheln bzw. effektive Atmung –– Atem-Zeit-Verhältnis I:E
44Tolerierung der Lagerungsmaßnahmen durch 55Rampe, Druckrampe, Anstiegszeit
den Patienten 55Trigger, als Flowtrigger oder Drucktrigger
44Gestresstes/gequältes Aussehen des Patienten 55Exspirationstrigger
44Erschöpfungszustände 55Pmax, Paw, Druck, Plimit
Hyperventilation. Auch bei einem Singultus kann es Unterdruck (. Abb. 12.3 oben) unterhalb des PEEP-
unbeabsichtigt zur Triggerung kommen – mit den Niveaus. Das Erreichen dieses Unterdrucks wird
eben beschriebenen Folgen. erkannt und es wird synchron zur Einatmung der
PS-Hilfsdruck bzw. die Druckunterstützung geliefert.
12 z Mögliche Folgen einer zu hohen
Triggereinstellung Beispiel
Je höher der Flowtrigger eingestellt ist, umso größer Der Drucktrigger ist auf den Wert -2 mbar einge-
muss die Inspirationsbemühung des Patienten sein, stellt: Der Patient atmet ein und erzeugt dabei einen
um den Hilfsdruck zu erhalten. Unterdruck von -2 mbar unterhalb des eingestellten
Die Atemanstrengung der Patienten kann zu PEEP, dann wird vom Respirator ein atemsynchro-
groß sein. Zu große Atemanstrengungen können zu ner Beatmungshub ausgelöst und dem Patienten
Erschöpfungszuständen führen. Atemanstrengun- verabreicht.
gen des Patienten werden evtl. nicht mit einem PS-
Hilfsdruck beantwortet. Der Patient atmet zwar ein, Die Triggerfunktion stellt einen Schwierigkeitsgrad
jedoch nicht kräftig genug, um die Druckunterstüt- dar, den der Mensch zu Auslösung eines PS-Hilfs-
zung auszulösen (. Abb. 12.2 oben Druckkurve) und drucks aufbringen muss. Bei einer Einstellung mit
erreicht nicht die Flowtriggerschwelle (. Abb. 12.2 einem Luftdruckwert gilt:
gestrichelte Linie über der unten dargestellten Flow- 44Er wird immer mit einem negativen Wert
kurve). Daraus resultiert eine Hypoventilation. eingestellt, z. B. -2 mbar/-2 cm H2O.
44Je negativer der Wert eingestellt ist, desto
schwerer fällt es dem Patienten, einen PS-Hilfs-
Drucktrigger druck auszulösen.
Die Angabe erfolgt in einer Luftdruckeinheit oder 44Je weniger negativ der Wert eingestellt ist,
als „Stufe” von 1–6. Atmet der Patient im PS-Mo- desto leichter fällt des dem Patienten, einen
dus, so entsteht durch die Einatembemühungen ein PS-Hilfsdruck auszulösen.
12.3 · Druckunterstützung der Atmung
149 12
. Abb. 12.2 Keine Triggerung
(eigene Darstellung, Bearbeitung
Isabel Guckes)
Bei einer Stufeneinstellung für den Drucktrigger gilt: 44Trigger Stufe 3, bedeutet einen Schwierig-
44Je kleiner der Wert eingestellt ist, desto leichter keitsgrad mittel
fällt es dem Patienten, einen PS-Hilfsdruck 44Hilfsdruck bzw. PSV von +14 cm H2O oberhalb
auszulösen. des PEEP-Niveaus
44Je größer der Wert eingestellt ist, desto schwerer 44Anstieg von 200 ms = 0,2 s (entspricht der
fällt des dem Patienten, einen PS-Hilfsdruck Rampe, 7 Abschn. 9.2.7)
auszulösen.
Ausgangspunkt der Atmung ist das PEEP-Niveau
von 4 cm H2O. Der Patient atmet ein. Dabei wird das
12.3.3 Back-Up PEEP-Niveau etwas unterschritten. Der Patient muss
12 eine Einatemkraft der Stufe 3 aufbringen, der einem
Das „Back-Up“-Programm ist für den Patienten mittleren Schwierigkeitsgrad entspricht. Dieser
eine Sicherheit, für den Fall, dass er aufgrund von Wert wurde gewählt, damit eine Luftdruckunterstüt-
Erschöpfung, trotz Druckunterstützung, nicht zung nicht zu leicht ausgelöst werden kann. Kann
mehr selbstständig atmet. In dem Fall wird auto- ein Patient diese Kraft nicht aufbringen, so wird er
matisch die „Back-Up“-Funktion aktiviert und der auch keine Druckunterstützung für seine Einatmung
Patient nach den Prinzipien der druckkontrollier- erhalten (. Abb. 12.2). Die richtige Auswahl der
ten Beatmung beatmet ( 7 Kap. 9). Dazu werden Trigger Stufe ist Aufgabe des Beatmungszentrums.
zusätzlich eine Atemfrequenz und eine Inspira- Ist die Triggerschwelle überschritten, so wird
tionszeit eingestellt. Damit eine ausreichende Lun- dem Patienten parallel zu seiner eigenen Einatmung
genbelüftung erhalten bleibt, kann zusätzlich ein der Überdruck, der PS-Hilfsdruck bzw. die Druck-
Sicherheitsatemzugvolumen Vt eingestellt werden. unterstützung geliefert. Die Anstiegszeit bzw. Rampe
Damit stellt die „Back-Up“-Funktion eine Apnoe- ist auf 200 ms (= 0,2 s) eingestellt und bedeutet, das
Ventilation dar und sichert dem Patienten die eingestellte PS-Hilfsdruckniveau wird nach 200 ms
Ventilation. erreicht.
Der Patient kann aber noch weiter einatmen.
Es wird ihm so lange Luft geliefert, wie er möchte.
12.4 Fallbeispiel: PSV-Atmung Jedoch ist auch hierbei eine Sicherheitsfunktion ein-
gestellt: Es soll sichergestellt sein, dass die Einatmung
Der Ablauf der PSV-Atmung wird anhand . Abb. 12.4 mindestens 0,2 s (Ti Min, Min = Minimum) dauert
dargestellt und verdeutlicht: und eine Zeit von 1,5 s (Ti Max, Max = Maximum)
44PEEP von 4 cm H2O nicht überschreitet.
12.5 · Exspirationstrigger
151 12
Für die gesamte Zeit der Einatmung wird das Dieser Wert wird vom Beatmungsgerät gespeichert
Luftdruckniveau nicht überschritten. Die gesamte und mit dem Wert 100 % gleichgesetzt. Die Bezeich-
Höhe des Luftdruckniveaus, das erreicht wird, ergibt nung für den maximalen Luftfluss wird PIF = Peak
sich aus dem PEEP = 4 plus dem eingestellten PSV Inspiration Flow genannt. Im weiteren Verlauf der
von 14 cm H2O. Insgesamt resultiert daraus ein Luft- Einatmung (Inspiration) nimmt der Luftfluss immer
druck von 18 cm H2O. Dieser wird am Luftdruck- weiter ab.
balken an der linken Bildschirmseite angezeigt. Ab einem gewissen Wert wird die Ausatmung
Einmal durch den Strich in Höhe des Wertes 18 und eingeleitet. Dieser Wert beträgt meistens 25 % und
am oberen Ende des Druckbalkens mit dem Wert bedeutet, wenn der Luftfluss so weit abfällt, dass nur
18,7. Er ist somit leicht höher als errechnet, aber noch eine Luftflussgeschwindigkeit von 25 % der
diese kleine Abweichung tritt immer wieder auf und zuvor gemessenen maximalen Luftflussgeschwin-
bedeutet keine Gefahr für den Patienten. digkeit erreicht ist, wird die Ausatmung eingeleitet/
ausgelöst. Diesen Wert kann man variabel einstellen.
Je höher die Prozentzahl ist, desto früher wird die
12.5 Exspirationstrigger Ausatmung eingeleitet/ausgelöst.
. Abb. 12.5 links: Exspirationstrigger auf 30 %
Weitere mögliche Bezeichnungen: eingestellt. Folge, wenn ETS < 30 %:
44ETS: Exspiratorische Trigger Sensibilität 44Einatmung dauert länger
44TG (E): Trigger für die Exspiration 44Ausatmung evtl. erschwert
44Exsp. Trigger
Je geringer die Prozentzahl ist, desto später wird die
Die Inspiration ist irgendwann beendet. Der Res- Ausatmung ausgelöst. Vorteil:
pirator muss nun erkennen, dass der Patient auch 44Eigentlich keine Vorteile, denn Patient muss
wieder ausatmen möchte, und muss es unmittel- ggf. pressen, um auszuatmen.
bar zulassen. Dazu dient der Exsp.-Trigger bzw. der 44Dieses Pressen führt wieder zur Erschöpfung.
Exspirationstrigger.
Das Beatmungsgerät misst ständig den erzeug- . Abb. 12.5 rechts: Exspirationstrigger auf 50 % ein-
ten Luftfluss (Flow). Relativ rasch, meist schon zum gestellt. Folge:
Beginn der Einatmung, wird eine maximale Luft- 44Einatmung ist kürzer
flussgeschwindigkeit erreicht (ein maximaler Flow). 44Ausatmung evtl. erleichtert
. Abb. 12.5 Exspirationstrigger niedrig – hoch (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
152 Kapitel 12 · Druckunterstützende Beatmung (PSV)
In dem Fallbeispiel ist die Triggerfunktion auf „Auto“ Der ST-Modus (spontaneous – timed) verknüpft
eingestellt. Der Respirator versucht somit, nach jeder eine druckkontrollierte mit einer druckunterstüt-
Einatmung selbstständig eine optimale Stufe einzu- zenden Beatmung. Es ist eine Kombination aus
stellen. Die Ausatmung des Patienten soll nicht zu beidem, bei der die Spontanatmung ermöglicht ist.
früh beginnen, denn sonst könnte der Mensch das Vorteilhaft erscheint diese Kombination bei der
Empfinden haben, er könne zuvor gar nicht ausrei- nichtinvasiven Beatmung. 7 Tabelle 5 im Anhang
chend einatmen. Die Ausatmung soll jedoch auch gibt eine Auflistung der verschiedenen Geräteher-
nicht zu spät beginnen, sonst kann der Patient das steller wieder.
Gefühl haben, er würde die zuvor eingeatmete Luft Turbinengesteuerte Beatmungsgeräte wie Hamil-
gar nicht wieder abatmen können. Diese variable ton C2, T1 und Respironics V60 und BiPAP Vision
„Auto“-Einstellung erhöht den Atemkomfort an (Philips) verfügen über einen Modus für die NIV
dem Respirator. Beatmung, mit der Bezeichnung „ NIV ST“.Dabei
Der Patient atmet aus und der Luftdruck sinkt steht S für spontaneous (spontan) und T für timed
wieder auf das PEEP-Niveau zurück. Will der Patient (Zeit). Die Bezeichnung NIV beschreibt, dass diese
erneut atmen, so muss der Trigger überwunden Beatmungsform für die Maskenbeatmung ange-
werden. wandt wird. Erzeugt wird damit eine sog. BiLevel
Beatmung. Eine Beatmung, bei der zwei (Bi-) unter-
schiedlich hohe Luftdruckniveaus (-level) durch das
12.6 Vor- und Nachteile Beatmungsgerät aufgebaut werden.
Ein hohes Luftdruckniveau wird während der
z Vorteile der PSV-Atmung Inspiration erzeugt durch den Beatmungspara-
12 Jede Form der Beatmung bedeutet Stress. Dieser ist meter IPAP „Inspiratory Positive Airway Pressure“
umso größer, je schlechter die Beatmung angepasst (synonym auch: Phoch, Pinsp, Pin, Pi). Ein niedriges
ist. Vorteile der PSV: Luftdruckniveau wird während der Exspiration
44Hohes Maß an Selbstbestimmung erzeugt durch den Beatmungsparameter EPAP
44Eigene Entscheidung des Patienten, wie oft und „Exspiratory Positive Airway Pressure“ (synonym
wie tief geatmet wird auch: PEEP oder P tief). IPAP und EPAP haben die
44Kein vorgegebener Atemtakt, der eingehalten gleiche Endung, nämlich PAP. Daher wird diese Art
werden muss der Beatmung auch BiPAP genannt.
44Der Patient ist in der Regel wacher
44Kommunikation ist daher möglich > BiPAP (mit kleinem i) ist nicht das BIPAP von
44Trachealsekret wird oft besser mobilisiert den Evita Intensivbeatmungsgeräten der Fa.
44Bessere Atelektasen- und Pneumoniepro- Dräger, auch wenn es gleich ausgesprochen
phylaxe durch Aktivität der Atemmuskulatur wird.
44Bessere Belüftung basaler Lungensegmente
z Beschreibung des Beatmungsmodus ST
z Nachteile von PSV: Mit Hilfe dieses Beatmungsmodus kann ein Patient
44Atemmonotonie → es wird immer der gleiche unter Maskenbeatmung spontan atmen. Die
Atemhilfsdruck geliefert S-Funktion (Spontanatemfunktion) entspricht der
12.7 · ST-Modus
153 12
Fall, dass ein Patient nicht mehr spontan atmen
. Tab. 12.1 Übersicht der Beatmungsparameter
bei NIV ST kann. Die einzustellenden Beatmungsparameter
sind in . Tab. 12.1 und anhand eines Praxisbeispiels
Alle Parameter Für die S- Für die T- in . Tab. 12.2 aufgeführt.
Funktion Funktion Ein Patient atmet ruhig spontan mit der Druck-
unterstützung. Die S-Funktion ist aktiv (. Abb. 12.6).
Sauerstoffkonzent- × ×
ration Im Hintergrund „wacht“ das Beatmungsgerät,
dass eine bestimmte Atemfrequenz nicht unterschrit-
EPAP × ×
ten wird (. Abb. 12.7).
IPAP × ×
Atmet der Patient weiterhin regelmäßig mit
Anstieg/Rampe × × Druckunterstützung, „wacht“ das Beatmungsgerät
Trigger/Flowtrigger × nur, dass mindestens 12 Atem- oder Beatmungshübe
ETS (exspiratorische × erreicht sind (. Abb. 12.8).
Trigger-Sensibilität) 12 Atem- und Beatmungshübe sollen mindestens
Beatmungsfrequenz f × erreicht sein. Kann der Patient jedoch einige Atem-
(Back-Up-Frequenz) züge mit Druckunterstützung nicht auslösen, werden
Inspirationszeit Ti × sie als Beatmungshübe ergänzt. Falls somit ein
Patient nur 5-mal pro Minute spontan atmen kann,
werden somit 7 Beatmungshübe ergänzt, sodass die
12 Atem- und Beatmungshübe erreicht sind. S-Funk-
ASB/PSV-Atmung, also der Spontanatmung mit tion und T-Funktion sind aktiv (. Abb. 12.9).
Druckunterstützung. Kann der Patient gar nicht mehr atmen, weil er
Kann ein Patient vor Erschöpfung nicht mehr erschöpft ist, wird er kontrolliert mit 12 Beatmungs-
spontan atmen, so wird er beatmet. Die T-Funktion hüben/Minute ( . Abb. 12.10 ) beatmet. Nur die
(timed – zeitgetaktet bzw. zeitgesteuert) entspricht T-Funktion ist aktiv.
der druckkontrollierten Beatmung (7 Kap. 9). Sie Kann der Patient wieder regelmäßig mit Druck-
erfüllt gleichzeitig die Back-Up-Beatmung für den unterstützung atmen, „wacht“ das Beatmungsgerät
Sauerstoffkonzentration 30 % Gleich
EPAP 5 cm H2O Gleich
IPAP 15 cm H2O Gleich
Aus dem Druckunterschied zwischen EPAP und IPAP folgt: ∆ P = 10 cm H2O
Anstieg/Rampe 0,2 s/200 ms Gleich
Trigger / Flowtrigger 2 l/min.
ETS (exspiratorische Trigger-Sensibilität) 25 %
Beatmungsfrequenz f (Back-Up-Frequenz) 12 ×/min.
Inspirationszeit Ti 1,5 s
Aus der f = 12 x/min. und der Ti = 1,5 s folgt: I:E = 1:2,3 oder Ti/Ttot = 30 % (= 0,3)
154 Kapitel 12 · Druckunterstützende Beatmung (PSV)
12
Fazit
Der ST-Modus ist eine Kombination aus einer druck-
kontrollierten und einer druckunterstützenden Beat-
mung. Falls ein Patient nicht mehr spontan atmen
kann, auch nicht mit Druckunterstützung, tritt zur
Sicherheit eine druckkontrollierte Beatmung ein.
Der Patient bleibt zuverlässig beatmet. Die Über-
gänge von kontrollierter zu unterstützenden Beat-
mung können fließend sein.
Weiterführende Literatur
SIMV (Synchronized
Intermittent Mechanical
Ventilation)
Hartmut Lang
Eine kombinierte Anwendung von SIMV und . Tab. 13.1 Generelle Einstellung
PSV ist möglich. Die Spontan-Atemzüge erhalten volumenkontrolliertes SIMV
dann eine Druckunterstützung (. Abb. 13.2).
Für die Für die Druckunterstüt-
volumenkontrollierte zung
Beatmung
13.1.1 Parameter-Einstellung
O2-Konz., FiO2, O2-Konz., FiO2, Sauerstoff
Zur Beatmung eines Patienten mit volumenkontrol- Sauerstoff
lierter SIMV-Beatmung sind die in . Tab. 13.1 auf- PEEP, Ptief PEEP, Ptief
geführten Einstellungen notwendig. Eine allgemeine f, AF, Frequenz
Auflistung der verschiedenen Gerätehersteller ist in Vt, Atemzugvolumen
7 Tab. 6 im Anhang aufgelistet.
Tinsp, Thoch oder
Atemzeitverhältnis I:E,
Ti/Ttot
13.2 Druckkontrolliertes SIMV (PC
P ASB, Psupport/PS, ∆ P ASB,
SIMV)
∆ Psup
Wert auf 0 einstellen, falls
Das druckkontrollierte SIMV ist eine Kombination keine Druckunterstützung
der Beatmungsformen PCV und CPAP. Es gibt darin verabreicht werden soll
13.2.1 Parameter-Einstellung
. Tab. 13.2 Generelle Einstellung druckkontrollierte
SIMV
Zur Beatmung eines Patienten mit druckkontrollier-
Für die Für die Druckunterstüt-
ter SIMV-Beatmung sind die in . Tab. 13.2 aufge-
druckkontrollierte zung
führten Einstellungen notwendig. Eine allgemeine Beatmung
Auflistung der verschiedenen Gerätehersteller ist in
7 Tab. 7 im Anhang aufgelistet. O2-Konz., FiO2, Sauerstoff O2-Konz., FiO2, Sauerstoff
PEEP, Ptief PEEP, Ptief
f, AF, Frequenz
13.3 Vorteile und Nachteile von SIMV
Pinsp, Phoch
Tinsp, Thoch oder Atem-
z Vorteile von SIMV zeitverhältnis I:E, Ti/Ttot
Weiterführende Literatur
a b
. Abb. 14.1 PC AVAPS-Einstellungen (Zentrums der Gesundheitsdienste Dresden, mit freundlicher Genehmigung der Fa.
Phillips GmbH Respironics)
IPAP Bereich mit den Größen IPAP-Max.Druck = In 7 Abschn. 11.4 wurde ein Fallbeispiel der
20 cm H2O und IPAP-Min.Druck = 12 cm H2O ein- Druckregulation vorgestellt, bei der der notwen-
gestellt. Innerhalb des IPAP-Bereichs wird der Luft- dige Druck abrupt angehoben wird, falls ein Ziel
druck automatisch angepasst. Der IPAP-Min.Druck Vt nicht erreicht wird. Dieser abrupte Anstieg des
gewährleistet, dass der Beatmungsdruck nicht unter Drucks kann für die Patienten unangenehm oder
12 cm H2O fallen wird. Der IPAP-Max.Druck garan- gar schmerzhaft sein. Die Möglichkeit, den Druck-
tiert, dass er nicht über 20 cm H2O steigen wird. Das anstieg sanft für die Patienten zu gestalten, ver-
dient dem Schutz vor Lungenüberblähung und damit ringert die Druckbelastung und erhöht damit den
Lungenschäden. Beatmungskomfort.
Der Effekt der automatischen Druckanpas- PC (Pressure Control) ist eine kontrollierte Beat-
sung kann auf den beiden Abbildungen beobachtet mung, deshalb wird die Atemfrequenz und die Ins-
werden. Während die linke Abbildung als Messwert pirationszeit festgelegt (linke Abbildung). Da der
Vte = 382 ml anzeigt ist das Vte auf der rechten Abbil- Patient noch über Eigenatmung verfügt, wird ihm
dung auf 365 ml gesunken. Erkennbar ist im Ansatz, die Möglichkeit gegeben, weitere Atemzüge zu trig-
dass der Druck auf der rechten Abbildung gesteigert gern. Die Triggerfunktion ist aktiviert und als Flow-
wird. Der Luftdruckbalken ist bei knapp 15 cm H2O trigger eingestellt (7 Abschn. 9.2.8). In den Messwer-
(Messwert PIP = 14,3; PIP = Peak Inspiration Pres- ten ist ablesbar, dass die AF 23 AZ/min und somit um
sure, dt. Spitzeninspirationsdruck). 7 Atemzüge höher ist als eingestellt.
Bliebe das Vte unter den eingestellten Wert von Wie bei jedem invasiv beatmeten Menschen
380 ml, so würde der Druck automatisch angeho- ist auch hier ein EPAP gewählt, der Atemwege und
ben werden. Dieser Druckanstieg wird mit dem Alveolen offenhalten und stabilisieren soll.
Parameter AVAPS-Geschwindigkeit eingestellt. Soll
der Druck angehoben werden, würde das in Schrit-
ten von je 1 cm H2O pro Atemhub geschehen und 14.4 Anwendung von AVAPS
nicht abrupt. Das macht die Druckregulation für
den Menschen sanfter. Diese sanfte Druckregula- Diese Zusatzfunktion wird Patienten angeboten, bei
tion in Schritten von je 1 cm H2O pro Atemhub gilt denen es wichtig ist, dass ein gesichertes Atemzug-
auch, wenn der Druck wieder gesenkt werden soll. volumen verabreicht wird, da sonst die Hypoven-
Das wäre der Fall, wenn das Vte dauerhaft größer als tilation droht. Das betrifft v. a. Menschen mit Res-
380 ml wäre. triktionen der Lungen (Lungenfibrose, Obesitas
166 Kapitel 14 · AVAPS (Average Volume Assured Pressure Support)
Hypoventilationssyndrom, thorakal-restriktive
Erkrankungen, COPD). Durch die Einstellung einer
Beatmungsfrequenz wird somit auch ein angepass-
tes Minutenvolumen erreicht. Die automatische
und sanfte Druckregulation ermöglicht eine dem
Patienten angepasste Beatmung und damit eine hohe
Toleranz.
Die AVAPS-Funktion wird nicht nur bei kontrol-
lierter Beatmung eingesetzt, sondern auch bei druck-
unterstützender Spontanatmung. Von dieser profitie-
ren Menschen, deren Spontanatemaktivität erhalten,
aber deren Einatem- bzw. Inspirationskraft unzurei-
chend ist. Auch für diese Menschen wird vom Beat-
mungszentrum festgelegt, welches Atemzugvolumen
für eine Ventilation angemessen ist. Die Höhe der
Druckunterstützung wird dabei automatisch vom
Respirator geregelt, bei drohender Hypoventilation
wird der Druck angehoben, bei Hyperventilation
wieder gesenkt.
Bei drohender Bradypnoe wird eine Back-Up-
Beatmungsfrequenz eingestellt, sodass ein ange-
passtes Minutenvolumen gewährleistet bleibt.
Neue Entwicklungen der AVAPS-Funktion ermög-
lichen auch die automatische Einstellung des EPAP-
bzw. PEEP-Niveaus. Dieser Modus nennt sich
AVAPS-AE. Hierbei werden die Atemwegswider-
stände (7 Kap. 21) gemessen und daraufhin die Höhe
des EPAP automatisch angepasst.
Weiterführende Literatur
Notfallmanagement
Malte Voth
15.1 Was ist ein Notfall? > Der Kassenärztliche Notdienst steht nur
zu bestimmten Uhrzeiten zur Verfügung.
Als medizinischer Notfall wird in der Regel eine Diese unterscheiden sich in den einzelnen
Erkrankung bezeichnet, die akut lebensbedrohlich Bundesländern. Weitere Informationen
ist oder schwerwiegende Schäden am Betroffenen finden sich online im Internet auf folgender
nach sich ziehen kann, sofern keine unmittelbare Homepage: www.116117info.de
Behandlung erfolgt.
15.2.2 Weaning-Zentrum
15.2 Wer ist wann zuständig?
Bei beatmungsspezifischen Problemen gibt es
Nicht bei jeder Veränderung eines heimbeatme- oftmals auch die Möglichkeit, telefonischen Kontakt
ten Patienten ist der Rettungsdienst der richtige mit dem zuletzt behandelnden Beatmungs- bzw.
Ansprechpartner. Die Aufgabe der Pflegekraft vor Weaning-Zentrum aufzunehmen. Häufig können
Ort ist es, die Situation einzuschätzen und bei Bedarf Probleme mit der Beatmung oder dem Beatmungs-
die richtige Hilfe zu rufen. Damit dies gelingen kann, gerät am Telefon geklärt und ein weiteres thera-
ist eine fundierte Weiterbildung notwendig. Geräte- peutisches Vorgehen besprochen werden. Das ent-
kunde und Kenntnisse über die Tracheostomapflege sprechende Beatmungszentrum mit telefonischen
sind unabdingbar. Kontaktdaten ist in dem ärztlichen Verlegungsbe-
Ein Patient ist nicht immer im Krankenhaus richt hinterlegt und soll ebenso in der Pflegeana-
gut aufgehoben. Eine Einweisung in eine Klinik mnese aufgeführt sein. An jedem Beatmungsgerät,
sollte nur dann erfolgen, wenn der Aufenthalt in Absauggerät etc. sind auch große Aufkleber mit Not-
der Klinik einen therapeutischen Nutzen hat. Viele fall-Telefonnummern der entsprechenden Versorger
Veränderungen lassen sich durch einen kompeten- angebracht, die bei technischen Problemen kontak-
ten Hausarzt gut versorgen. In der Regel kennt der tiert werden können.
170 Kapitel 15 · Notfallmanagement
Handelt es sich um einen akuten Notfall, ist der Ret- Der Rettungsdienst wird im Notfall bundeseinheitlich
tungsdienst der Ansprechpartner. Für den Regelret- über die Rufnummer 112 alarmiert. Nicht dringliche
tungsdienst ist der heimbeatmete Patient meist ein Krankentransporte werden je nach Region teilweise
selten gesehener Patient. Je nach Erfahrung und Aus- über separate Telefonnummern angerufen und bestellt.
bildungsstand des Personals, kann eine Besatzung Wenn ein Anrufer die 112 wählt, wird der Anruf in der
vor Ort sicher auftreten oder auch eher unsicher sein. regionalen Rettungsleitstelle auflaufen. Je nach Region
Unsicherheit führt bei Menschen häufig zu nicht pro- und Anrufaufkommen ist es möglich, dass der Anrufer
fessionellem Auftreten und kann eine Situation vor zunächst in einer Warteschleife landet.
Ort erschweren. Die Besetzung der Rettungsmittel
ist in vielen Bundesländern unterschiedlich geregelt. > Landet man in der Warteschleife: NICHT
auflegen, ansonsten wird man erneut an der
> Für den Regelrettungsdienst ist der letzten Position eingereiht.
heimbeatmete Patient kein Routinefall!
Sobald ein freier Disponent den Notruf annimmt, wird
in modernen Rettungsleitstellen das Gespräch von der
15.2.4 Qualifikation des Leitstelle aus geführt. Dies bedeutet, dass der Leitstel-
Rettungsdienstpersonals lenmitarbeiter gezielt fragen wird. Trotzdem ist es sinn-
voll, dass die Pflegekraft vor Ort die wichtigen Angaben
Das im Rettungsdienst eingesetzte Personal ist eines Notrufes kennt. Sollte die Leitstelle nach etwas
unterschiedlich qualifiziert. Erst ab 2021 sind in den nicht fragen, kann der Anrufer wichtige Angaben noch
meisten Bundesländern Vorschriften für die Beset- ergänzen. Da die Aufregung im Notfall möglicher-
zung eines Rettungswagens mit einem Notfallsanitäter weise groß ist, ist es schwer, klare Gedanken zu fassen.
vorgesehen. Der Notfallsanitäter ist ein neu geschaffe- Deshalb arbeiten viele Einrichtungen (auch Arztpra-
nes Berufsbild mit einer drei jährigen Ausbildung und xen, Kliniken & Rettungsdienste) mit Checklisten.
wird auf medizinische Probleme gut vorbereitet sein. Die Standardangaben sollten in einer Checkliste
Mitarbeiter, die vor 2016 im Rettungsdienst angefan- gesammelt werden, so braucht der Anrufer diese
gen haben zu arbeiten, sind weniger umfangreich aus- Angaben nur abzulesen.
gebildet (Rettungsassistent, Ausbildung i. d. R 2 Jahre).
Je nach Region, sind auch Rettungssanitäter anzutref-
fen (Ausbildungsdauer: 3 Monate). Checkliste für Notfälle
Um als Notarzt fahren zu können, muss man 55Wo ist der Notfallort? → Angaben über den
approbierter Arzt sein. Die Fachrichtung ist nicht Ort, die Straße und die Hausnummer, die
15 entscheidend. Je nach Bundesland werden unter- Etage.
schiedliche Zeiten auf Stationen (z. B. auf einer Inten- In Pflegeheimen oder Kliniken sind die
sivstation) vorausgesetzt. Ein spezieller Notarztkurs Station und die Zimmernummer zu nennen.
(80 Std. Dauer) muss absolviert sein. Anschließend CAVE: Manchmal gibt es eine sinnvollere
müssen in den meisten Bundesländern noch 50 Ein- Anfahrtstraße als die Postanschrift!
sätze als Praktikant auf einem notarztbesetzten Ret- 55Was ist passiert? → Leitsymptom nennen,
tungsmittel absolviert werden. Trotz dieser Vor- auf Heimbeatmung und evtl. Infektionen
gaben kann die Fachkenntnis eines Notarztes sehr (z. B. 3 MRGN im Trachealsekret) hinweisen.
stark variieren. Während ein Facharzt für Anäs- 55Wer ruft an? → Namen und Qualifikation
thesie und Intensivmedizin die Fachgebiete Beat- nennen
mung und Tracheostoma beherrscht, ist es für einen 55Wie viele Patienten? → I.d.R. handelt es
Facharzt für Chirurgie oder innere Medizin nicht sich um einen Patienten
der Alltag, sich mit diesen medizinischen Themen 55Auf Rückfragen warten
auseinanderzusetzen.
15.3 · Patienteneinschätzung
171 15
15.2.6 Transportmanagement Manchmal verbirgt sich hinter dieser Äußerung
das gute „Bauchgefühl“. Oftmals ist es jedoch die
Egal ob es sich um einen Notfall oder einen geplanten Summe des Patienteneindrucks. Diesen kann man
Transport handelt, für den Patienten ist eine Trans- allerdings nicht immer in Worte fassen. Im Ret-
portbegleitung durch die aktuell betreuende Pflege- tungsdienst nennt man den Ersteindruck auch häufig
kraft sinnvoll! Diese kennt ihre Patienten in der Regel „Türschwellendiagnostik“.
gut und kann im Krankenhaus detaillierte Auskünfte
geben. Zusätzlich wird durch die Begleitung ein z z Die Haut eines Patienten
Wechsel der Beatmung häufig vermieden. Schließ- Man erwartet eine normale, rosige und trockene
lich ist die betreuende Pflegekraft in das Heimbeat- Haut. Fällt einem auf, dass der Patient eine Blässe,
mungsgerät eingewiesen. Das Personal im Kranken- graue Hautfarbe, oder eine Zyanose aufweist, ist dies
haus und im Rettungsdienst ist dies für gewöhnlich ein Hinweis, dass es sich möglicherweise um eine
nicht. ernste Störung handelt.
anwendbarer Weg sein, um auf ein Problem auf- 44Einziehungen des Thorax bei Inspiration
merksam zu werden. 44Zyanose
Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes wird die 15.5.2 Versehentliche Dekanülierung
Situation stets reevaluiert. Dies bedeutet, dass das
ABCDE-Schema mehrfach wiederholt wird. So Kommt es aufgrund einer Verkettung unglücklicher
können die eigenen Maßnahmen auf Effektivität Umstände zu einer Dekanülierung des Patienten, so
kontrolliert werden. Eine Verbesserung (der Patient ist schnellstmöglich wieder eine Kanüle einzuset-
im Beispiel klart langsam auf) oder eine Verschlech- zen. Hierfür ist ein Notfallset stets in Reichweite zu
terung (Sättigungsabfall, Atemwege frei?) wird halten. Darin soll immer eine kleinere Kanüle als die
174 Kapitel 15 · Notfallmanagement
a b
c d
e f
15.6.6 Epidemiologie
15.7.1 Vorgehen
Generell erleidet etwa jeder zwanzigste Mensch im
Laufe seines Lebens irgendwann aus irgendeinem 1. Patienten ansprechen, anfassen → Patient
Grund einmal einen Krampfanfall. Insofern ist dies reagiert nicht →
eines der häufigeren Notfallgeschehen. Meist bleiben 2. Hilfe rufen, Notruf (Telefon: 112) absetzen →
die Ereignisse allerdings ohne weitere Folgen. Die 3. Atmung kontrollieren → keine normale
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für eine bleibende Atmung vorhanden →
Epilepsie liegt bei 0,5–1 % der Bevölkerung. 4. Beginn mit der Reanimation
178 Kapitel 15 · Notfallmanagement
Bei erwachsenen Patienten werden aktuell 30 Herz- ihn auf den Fußboden zu legen. Dieses Vorgehen
druckmassagen im Wechsel mit zwei Beatmungen sollte in Notfallkursen gezielt geübt werden.
empfohlen. Die Herzdruckmassage soll mit einer
Frequenz von 100–120/min erfolgen. Die empfoh- > Vor jeder notfallmäßigen Umlagerung
lene Drucktiefe beträgt mindestens 5 cm, aber nicht unbedingt den Atemweg und andere
mehr als 6 cm. Wenn möglich soll hochdosiert Sauer- Zugangswege (z. B. einen Blasenkatheter)
stoff gegeben werden (15 l/min). sichern! Die Beatmungsmaschine wird hierfür
Sicherer ist eine manuelle Beatmung mittels diskonnektiert.
eines Beatmungsbeutels. Es ist nicht auszuschlie-
ßen, dass ein Heimbeatmungsgerät aufgrund einer
eingestellten Druckbegrenzung keine Beatmung 15.7.2 Erweiterte Maßnahmen der
durchführt, da die Herzdruckmassage einen hohen Reanimation
Druck ausübt. Dieser Punkt soll explizit bei einer
Geräteeinweisung angesprochen und nachgefragt Ist ein Defibrillator oder AED (automatisierter exter-
werden. Die Aussage des Geräteherstellers ist hierzu ner Defibrillator) vorhanden, soll dieser bei Reani-
zu beachten. mationsbeginn durch eine weitere Pflegekraft geholt
Im Idealfall erfolgt eine manuelle Beatmung und während der laufenden Basisreanimation ein-
mittels Beatmungsbeutel über eine liegende und satzbereit gemacht werden. Die frühzeitige Defibril-
funktionierende Trachealkanüle. Um keinen unnö- lation kann bei einem Kammerflimmern lebensret-
tigen Zug an der Trachealkanüle auszuüben, wird die tend sein. Jede Minute, in der eine Defibrillation
Nutzung einer Tubusverlängerung („Gänsegurgel“) nicht durchgeführt wird, senkt die Überlebenswahr-
empfohlen. Sofern die Möglichkeit besteht, Sauer- scheinlichkeit um 8–12 %.
stoff an den Beatmungsbeutel anzuschließen, soll Eine medikamentöse Therapie wird erst durch
diese Möglichkeit auch genutzt werden. Die ERC- einen anwesenden, besonders geschulten Arzt oder
Leitlinien 2015 empfehlen die hochdosierte Sauer- eine besonders geschulte Pflegekraft durchgeführt.
stoffgabe während der Reanimation (15 l/min). In der Regel ist dies die Aufgabe des Rettungsdiens-
Wenn vorhanden soll auch ein Reservoirbeutel tes. Entscheidend für das Reanimationsergebnis
genutzt werden. (Outcome) sind gut durchgeführte und schnell ein-
Die Reanimation soll auf einer harten Unterlage geleitete Basismaßnahmen. Denn Hirnzellen sterben
erfolgen. Wie dies umzusetzen ist, muss im Einzel- bereits nach 3 Minuten ohne Sauerstoff ab.
fall vor Ort entschieden werden. Ein leichter Patient, Die Zugangswege für den alarmierten Rettungs-
z. B. ein Kind, ist relativ einfach auf den Fußboden dienst sind zu öffnen. Sollte die Pflegekraft alleine vor
zu legen. Bereits bei einem normalgewichtigen Ort sein, empfiehlt es sich, dies während des Abset-
Erwachsenen ist es jedoch gar nicht so einfach, ihn zens des Notrufs zu tun. Möglicherweise können in
15 auf den Fußboden zu legen. Hier kann ein „Reani- einer häuslichen Betreuungssituation auch Angehö-
mationsbrett“ Abhilfe schaffen. Einige Pflegebetten rige hiermit beauftragt werden.
verfügen über ein herausnehmbares Fußteil, dieses
ließe sich ebenfalls als „harte Unterlage“ nutzen.
Weichteilmatratzen lassen sich in der Regel für eine 15.7.3 Das Reanimationsergebnis
Reanimationssituation „hart stellen“. (Outcome)
Sind keine Hilfsmittel vorhanden und kann der
Patient nicht aus einem Bett auf den Fußboden gelegt Das Outcome ist abhängig vom zügigen und
werden, sollte der Helfer an Ort und Stelle mit der effektiven Beginn der Basismaßnahmen und der
Reanimation beginnen. Sofern der Kreislaufstill- Ursache des Kreislaufstillstandes. Selbstverständ-
stand bei einem Patienten sitzend in einem Rollstuhl lich beeinflussen die Vorerkrankungen ebenfalls
oder einem E-Rollie eintritt, ist es ebenfalls wichtig, ein mögliches Überleben. Heimbeatmete Patienten
15.8 · Kinderreanimation
179 15
sind i. d. R. bereits schwer krank. Daher muss die 3. Atmung kontrollieren → keine normale
Pflegekraft, sowie die Angehörigen dieser Patien- Atmung vorhanden →
tengruppe, stets von einem schlechten Reanima- 4. 5 × initial beatmen
tionsergebnis ausgehen. Leitungspersonal sollte bei 5. Lebenszeichen? → wenn nein:
Betreuungsbeginn eines Patienten die Frage nach 6. 15 Thoraxkompressionen : 2 Beatmungen
einer Reanimation und dem Patientenwillen gezielt 7. Wenn der Helfer alleine ist, soll erst nach einer
ansprechen. Minute durchgeführter Basisreanimation der
Das Thema Patientenverfügung (7 Abschn. 34.3) Rettungsdienst gerufen werden
muss im Vorfeld direkt angesprochen und der Ausgang
des Gesprächs entsprechend dokumentiert werden, Bei einem Kind sollen zunächst 5 initiale Beatmun-
das gesamte Team ist vor Betreuungsbeginn darüber zu gen durchgeführt werden. Der Grund ist der, dass
informieren. Der Patientenwille muss in der Patienten- bei Kindern meist ein A- oder ein B-Problem die
akte dokumentiert werden, eine Patientenverfügung Ursache für einen Kreislaufstillstand ist. Bei Erwach-
sowie eine Vorsorgevollmacht müssen in der Patien- senen ist die Ursache meistens ein C-Problem (z. B.
tenakte als zusätzliches Exemplar vorgehalten werden. Herzinfarkt).
Der verantwortliche Arzt trifft die Entscheidung zum Gibt es auf diese Initialbeatmungen keine Reak-
Reanimationsabbruch. Die Kriterien sind individu- tion, werden für medizinisches Fachpersonal 15
ell. Folgende Aspekte werden hierbei berücksichtigt: Herzdruckmassagen im Wechsel zu 2 Beatmungen
44Wurde das Ereignis beobachtet (Zeitpunkt des empfohlen. Die Drucktiefe beträgt 1/3 des Thorax.
Kreislaufstillstandes)? Wenn möglich soll hochdosiert Sauerstoff gegeben
44Welcher Grund hat vermutlich zum Kreislauf- werden (15 l/min). Für Kinder muss ein geeigneter
stillstand geführt? Beatmungsbeutel benutzt werden. In den Reani-
44Wie lange dauerten die mationsleitlinien gilt ein Kind als Kind bis zum
Reanimationsmaßnahmen? Beginn der Pubertät. Je nach Grunderkrankung
44Wie war der erste Herzrhythmus und und Entwicklungsstand des Kindes trifft die Pfle-
welcher ist jetzt aktuell beim Patienten gekraft vor Ort die Entscheidung über das weitere
vorhanden? Vorgehen.
44Welche Grunderkrankungen liegen vor? Die Unterschiede in der Reanimation bei Kindern
44Wie ist der (mutmaßliche) Patientenwille? sind in . Tab. 15.1zusammengefasst. Wichtig ist hier
bereits der frühe Beginn von Wiederbelebungsmaß-
Je nach Grunderkrankungen des Patienten, können nahmen.
die Voraussetzungen, eine technisch korrekte Herz-
druckmassage durchführen zu können, variie-
ren. Patienten mit einer veränderten Anatomie des Praxistipp
Körpers haben bedingt durch die Veränderungen
schlechtere Vorrausetzungen. Dieser Umstand muss Vor jedem Schichtbeginn sollte eine „Antritts-
allen beteiligten Personen bewusst sein. kontrolle“ durchgeführt werden. Dazu gehört
die Kontrolle, ob alle Notfallutensilien dort
sind, wo sie vermutet werden, und ob sie
15.8 Kinderreanimation einsatzbereit sind. Alle Einstellungen an
den Geräten und die Alarmgrenzen müssen
geprüft werden. Der Patienten wird sorgfältig
z Vorgehen
angeschaut und beurteilt, ob er so aussieht,
1. Patienten ansprechen, anfassen → Patient wie es von seinem Gesundheitszustand zu
reagiert nicht → erwarten ist.
2. Hilfe rufen →
180 Kapitel 15 · Notfallmanagement
Neugeborenes (direkt Säugling (Tag 1 bis Ende 1. Kind bis zur Pubertät (Be-
nach Geburt Lebensjahr) ginn 2. LJ bis Pubertät)
Weiterführende Literatur Noachtar, Soheyl (2009): Epileptische Anfälle und Status epi-
lepticus In: Akutmedizin – die ersten 24 Stunden. 4.Aufl.
Elsevier Verlag
Biarent D, Bingham R, Eich C, Lopez-Herce J, Maconochie I,
ERC Leitlinien 2015
Rodriguez-Nunez A, et al: European Resuscitation Council
Guidelines for Resuscitation 2010 Section 6. Paediatric life
support. Resuscitation 2010;81:1364–88
S1-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
zum Thema Status Epilepticus im Erwachsenenalter
(Stand: Februar 2015 – Gültig bis 29.09.2017)
181 IV
Weitere Behandlungs-
maßnahmen
Kapitel 16 Pharmakologie – 183
Britta Behrens
Pharmakologie
Britta Behrens
16.1 Einführung in die Eigenschaften das Auflösen und die Aufnahme aus
Medikamentenkunde dem Magen-Darm-Trakt nicht ermöglicht. Ein Bei-
spiel für einen anderen Applikationsweg ist die Auf-
16.1.1 Wirkung eines Medikaments nahme durch Inhalation des Arzneistoffs, genannt
im Körper bronchopulmonale Applikation. Darunter versteht
man die Inhalation der Arzneistoffe in die Lungen,
z. B. die Anwendung von Dosieraerosolen oder Pul-
Die Wirkung eines Medikaments kommt durch verinhalaten sowie Vernebleraerosole.
verschiedene, sehr komplexe Vorgänge im Körper Ein anderes Beispiel ist die parenterale Applika-
zustande (. Abb. 16.1). Vereinfacht kann man den tion, dazu zählt man u. a. die subkutane Injektion.
Ablauf in drei Abschnitte unterteilen: Man spritzt das Arzneimittel subkutan, also unter
44Der erste Abschnitt ist die pharmazeu- die Haut, wobei sich der Arzneistoff langsam, wie aus
tische Phase. Dabei wird der dem Körper einem Reservoir, in das Blut verteilt. In der folgenden
zugeführte Arzneistoff freigesetzt. I. d. R. Tabelle werden einige Applikationsarten und Darrei-
geschieht das durch die orale Aufnahme einer chungsformen aufgeführt (. Tab. 16.1).
Darreichungsform, sprich einer Tablette oder Weitere Begrifflichkeiten:
Kapsel o. Ä., welche dann zerfällt und sich 44Alveolen: Lungenbläschen
anschließend auflöst. 44Applikation: Verabreichung, Anwendung
44Im zweiten Abschnitt, genannt pharmakokine- 44parenteral: unter Umgehung des
tischen Phase, wird der Wirkstoff resorbiert, Magen-Darm-Traktes
d. h. in das Blut aufgenommen und im Körper 44Pharmakokinetik: befasst sich mit der Verän-
verteilt. Der Wirkstoff gelangt so schließlich an derung des Arzneistoffs im Körper
seinen Wirkort. Zu dieser Phase gehören auch 44Pharmakodynamik: befasst sich mit der
eine eventuelle Speicherung, der Abbau und die Wirkung auf den Körper
Ausscheidung aus dem Körper.
44Der dritte Abschnitt ist die pharmakodyna-
mische Phase. Am Wirkort entsteht die eigent- 16.1.3 Darreichungsformen
liche erwünschte Wirkung, die den krankhaften
Zustand bessert, auch als pharmakologischer
Effekt bezeichnet. Orale Anwendung
Zur oralen Applikation werden v. a. feste Darrei-
chungsformen wie einfache Tabletten, Kapseln
16.1.2 Applikationsarten und Dragees verwendet. Im Normalfall findet man
in Aluminiumfolie und Plastik verschweißte Durch-
Um einen pharmakologischen Effekt zu erhalten, drückpackungen, auch Blister genannt, aus denen
bietet der menschliche Körper unterschiedliche man das Arzneimittel durch die Folie herausdrü-
16 Aufnahmeorte für Arzneistoffe. Die häufigste und cken muss.
am besten bekannte Verabreichung ist die orale oder
perorale Applikation, also das Schlucken der Arz- z Einnahme fester Darreichungsformen
neiform mit anschließender Lösung und Aufnahme Die Einnahme fester Darreichungsformen sollte
über die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes. Für immer aufrecht sitzend oder stehend mit mindes-
die meisten Anwendungsgebiete gibt es Arzneistoffe tens 125 ml Flüssigkeit erfolgen. Hierzu eignet sich
für die orale Anwendung, da diese bei der Handha- am besten Leitungswasser oder Mineralwasser.
bung i. d. R. einfach für den Patienten sind. Beim Schlucken von Tabletten und Dragees wird
Bei einigen Anwendungsgebieten gibt es spe- der Kopf leicht nach hinten geneigt, beim Schlu-
zielle Applikationswege. Dabei werden andere Appli- cken von Kapseln sollte dagegen der Kopf und
kationsorte gesucht, weil der Arzneistoff z. B. im Oberkörper leicht nach vorne gebeugt werden. Bei
Magen-Darm-Trakt zerstört werden würde oder seine Schluckproblemen kann im Einzelfall der Inhalt von
16.1 · Einführung in die Medikamentenkunde
185 16
. Abb. 16.1 Wirkung einer Tablette
1. Pharmazeutische Phase
Speicherung
Resorption
Ausscheidung Verteilung
3. Pharmakodynamische Phase
Pharmakologischer Effekt
Wirksamkeit
sehr großen Kapseln durch Öffnen der Kapsel ent- lang sein. Die Lösungen sollte man frisch herstel-
nommen und in Flüssigkeit oder Weichkost (z. B. len und unmittelbar trinken. Trinklösungen sollen
Joghurt, Kartoffelbrei, Obstmus) eingenommen nicht auf Vorrat hergestellt werden. Die Stabilität und
werden. Bei solch einem Einzelfall muss vorher der Geschmack verschlechtern sich i. d. R. erheblich
geprüft werden, ob das Öffnen möglich ist und/oder durch zu langes Stehenlassen.
sich aus der veränderten Anwendung die pharma-
kokinetischen Eigenschaften, also die Eigenschaf- z Lyophilisiertabletten oder Schmelztabletten
ten des Arzneistoffs, ändern. Auskunft darüber gibt Lyophilisiertabletten oder Schmelztabletten sind
manchmal der Beipackzettel. Im Zweifel fragt man durch Gefriertrocknung hergestellte Plättchen, die
besser beim Apotheker oder pharmazeutischen bei Flüssigkeits- und Speichelkontakt sofort zerfal-
Unternehmen nach. len und den Arzneistoff extrem schnell freisetzen.
Das Pulverisieren von einfachen Tabletten, Kau- Bei der Entnahme dieser Tabletten darf man die Tab-
tabletten oder einfachen Dragees lässt sich am besten letten nicht durch die Blisterfolie drücken, sondern
unter Zuhilfenahme eines Tablettenmörsers bewerk- muss die Aluminiumfolie abziehen und die Tab-
stelligen. Dabei handelt es sich i. d. R. um kleine ver- lette mit trockenen Fingern entnehmen. Der Vorteil
schließbare Becher aus Hartplastik, die die Arznei- dieser Darreichungsform ist die sehr schnelle Lös-
form zerdrücken und fast verlustfrei vermahlen. Das lichkeit des Arzneistoffs und die Anwendung auch
so erhaltene Pulver kann dann dem Patienten, wie ohne weiteres Nachtrinken von Flüssigkeit. Die
schon oben beschrieben, verabreicht werden. Schmelztabletten können auch in Wasser aufgelöst
und getrunken werden.
z Freisetzungsverhalten
Viele oral anzuwendende Arzneimittel besitzen ein z Tropfen, Säfte und Suspensionen
verändertes Freisetzungsverhalten. Das bedeutet, Zu den flüssigen, oralen Darreichungsformen zählen
dass sie ein gesteuertes Lösungsverhalten besitzen. Tropfen, Säfte und Suspensionen (. Abb. 16.2). Bei
Damit wird der Ort der Löslichkeit und der Wir- der Anwendung von flüssigen Darreichungsformen
kungseintritt bzw. die Wirkdauer beeinflusst, d. h., ist auf die Dosiergenauigkeit zu achten. Viele Herstel-
sie werden durch die Verwendung spezieller Hilfs- ler liefern entsprechende Messlöffel oder Messbecher
stoffe für die Anwendung optimiert. Die veränderte in der Verpackung mit. Bei Säuglingen und Kindern
Freisetzung kann zum einen Schutz für den Arz- können auch Einmalspritzen als Dosierhilfe benutzt
neistoff aber auch für den Magen bieten, z. B. damit werden, die man am besten langsam an der Innen-
die Freisetzung erst später im Dünndarm stattfin- seite der Wange entleert.
det. Solche Präparate nennt man magensaftresistent. Bei Tropfenpräparaten werden Senkrecht-
Magensaftresistente Arzneimittel müssen mindes- tropfer und Randtropfer eingesetzt oder Verschlüsse
tens 30 Minuten vor der Mahlzeit eingenommen mit Dosierpumpe. Die Senkrechttropfer haben ihre
werden, damit sie den Magen ungehindert passie- Öffnung zentral liegend und werden beim Tropfen
ren können. Sie dürfen nicht zerkleinert, zerkaut senkrecht gehalten. Bei den Randtropfern liegt die
16 oder gelutscht werden. Retardarzneimittel setzen Tropföffnung am Rand. Diese werden zur rich-
den Arzneistoff verzögert frei, wobei vor allem die tigen Tropfenentnahme etwa im Winkel von 45
Wirkdauer optimiert werden kann, die Wirkung Grad gehalten. Bei Vorhandensein einer Dosier-
wird durch Retardformen verlängert. Die Teilbar- pumpe sollte die Flasche bei der Entnahme immer
keit des Retardpräparats muss für den Einzelfall im senkrecht stehen und die Flüssigkeit vorher nicht
Beipackzettel nachgelesen oder mit dem pharmazeu- geschüttelt werden, da es sonst zu Unterdosierun-
tischen Hersteller abgeklärt werden. gen kommt. Wird vom Hersteller eine Pipette zur
Entnahme der Dosis verwendet, gilt bei gerader
z Brause- und Trinktabletten Form der Pipette eine senkrechte Verwendung, wie
Brause- und Trinktabletten werden mit Leitungs- bei Senkrechttropfern. Bei Pipetten mit Kugelspitze
wasser aufgelöst und getrunken. Die Stabilität der kann nahezu jede beliebige Neigung bei der Tropfen-
so hergestellten Lösungen kann unterschiedlich abgabe gewählt werden.
16.1 · Einführung in die Medikamentenkunde
187 16
Bei Saftpräparaten sind die vom Hersteller bei- und wird mit Hilfe eines elektrischen Gerätes, eines
gefügten Messlöffel oder Messbecher zu verwenden. Verneblers, in kleinste Tröpfchen vernebelt und
Fehlen diese, sollte man als Dosierhilfe eine Einmal- somit in ein lungengängiges Inhalat überführt.
spritze verwenden. Pulverförmige Trockenpräparate, Bei den Inhalationslösungen handelt es sich um
z. B. Antibiotikasäfte, werden frisch vor der Anwen- Arzneistoffkonzentrate und um Lösungen zum Ver-
dung durch die Zugabe eines Lösungsmittels, am dünnen, z. B. isotonische Kochsalzlösung, die sich in
besten frisches Leitungswasser, in eine Lösung oder Tropf- oder Pumpflaschen oder Ampullen aus Glas
Suspension überführt. Das Datum der Herstellung oder Plastik befinden. Angebrochene Inhalations-
sollte man am besten auf der Flasche notieren, um lösungen in Mehrdosisbehältnissen sollte man am
die Aufbrauchfrist zu berechnen oder das „Verwend- besten im Kühlschrank aufbewahren.
bar-bis-Datum“ auf der Flasche vermerken. Suspen- Unkonservierte Inhalationslösungen sind nach
sionen, wie sie bei Antibiotika-Säften häufig vorlie- dem Öffnen max. 24 h haltbar. Bei den Tropfflaschen
gen, müssen vor der Entnahme vorsichtig geschüttelt ist die Form des Tropfaufsatzes bei der Dosierung zu
werden. beachten. Die wiederholte Entnahme aus Flaschen
ohne Dosiervorrichtung sollte mit sterilen Kanülen
und Einmalspritzen erfolgen. Bei Durchstechfla-
Bronchopulmonale Anwendung schen mit Gummistopfen ist es sinnvoll, eine steril
Als Darreichungsformen zur bronchopulmonalen belüftete Aufziehkanüle zu benutzen, wobei die in die
Anwendung werden Inhalationslösungen, Dosier- Flasche einströmende Luft einen 0,2 µm Membranfil-
aerosole und Pulverinhalate verwendet. ter passiert und somit Keime zurückgehalten werden.
Zuviel aufgezogene Arzneistofflösung darf aus hygi-
z Inhalationslösungen enischen Gründen nicht zurück in das Vorratsgefäß
Die Anwendung von Arzneistoffen in den Bronchien gegeben werden und wird verworfen.
bzw. Lungen stellt besondere Anforderungen an die Die Aufbrauchfrist der Arzneistofflösung ist den
Darreichungsform und die Teilchengröße des Arz- Herstellerangaben zu entnehmen. Ist nichts ange-
neistoffs. Bei Inhalationslösungen liegt der Arznei- geben, liegt die Frist bei maximal 4 Wochen nach
stoff bereits in gelöster oder suspendierter Form vor Anbruch. Das Vorratsgefäß ist dicht verschlossen,
188 Kapitel 16 · Pharmakologie
kühl, am besten im Kühlschrank und vor Licht 44Mundstück beim Ausatmen entfernen, soweit
geschützt aufzubewahren. Das „Verwendbar-bis- kein Ausatemventil im Mundstück vorhanden ist.
Datum“ ist auf der Flasche zu vermerken. 44Nach der Inhalation den Raum lüften, aber
Das Mischen von Inhalationslösungen mit iso- den Patienten keiner starken Temperatur-
tonischer Kochsalzlösung darf erst unmittelbar vor schwankung aussetzen, um die Infektions-
der Inhalation erfolgen. Beim Mischen von arznei- gefahr zu minimieren.
stoffhaltigen Konzentraten muss man Unverträglich- 44Kinder unter 12 Jahren sollten nur im Beisein
keiten der Arzneistoffe bzw. der Hilfsstoffe beachten eines Erwachsenen inhalieren.
(. Tab. 16.2).
Tipps zur Anwendung von Inhalationslösungen
mit Verneblergeräten: z Dosieraerosole
44Wie häufig und welche Arzneistoffmenge Dosieraerosole bestehen meist aus einer druckfes-
inhaliert wird, ist vom Arzt festzulegen. ten Aluminiumdose mit einem Ventil und einer
44In der Regel werden 1–2 ml Lösung vernebelt Halterung aus Kunststoff mit einem verschließba-
und über max. 15 min inhaliert. ren Mundstück. In den meisten Aerosolen liegt der
44Vor dem Umgang mit dem Inhalator und Arzneistoff in suspendierter Form vor und muss vor
der Inhalationslösung Hände waschen und jedem Gebrauch aufgeschüttelt werden. Neben dem
desinfizieren. Arzneistoff enthält die Aluminiumdose ein verflüs-
44Der Patient sollte entspannt, am besten aufrecht sigtes Treibgas. Beim Betätigen des Sprühmechanis-
sitzen. mus wird eine definierte Menge Treibgas und Arznei-
44Das Gerät sollte senkrecht stehen, damit die stoff über das Ventil freigesetzt.
Lösung richtig angesaugt werden kann. Tipps zur Anwendung von Dosieraerosolen:
44Wenn möglich immer ein Mundstück 44Dosieraerosole vor Gebrauch schütteln
verwenden, das fest mit den Lippen (wichtig!)
umschlossen wird (muss eine Maske 44Zeitgleiches Sprühen und Einatmen bei
verwendet werden, sollte die Nase durch eine Dosieraerosolen
Klemme verschlossen werden, da sonst bereits 44Nach dem Einatmen Atem ca. 5–10 Sekunden
Arzneistoffpartikel in der Nase abgeschieden anhalten, mit Lippenbremse ausatmen
werden). 44Bei Dosieraerosolen mit Kortisonanteil immer
44Tief einatmen, Atempause beachten, langsames den Mund ausspülen, Zähne putzen oder im
Ausatmen. Anschluss an die Inhalation essen
. Tab. 16.2 Verträglichkeit von Wirk- und Hilfsstoffen beim Mischen von Inhalationslösungen
+ mischbar
– unverträglich
n. b. nicht bekannt
16.2 · Medikamentengruppen
189 16
Beim sogenannten Autohaler®-System handelt es sich Muskulatur an den Blutgefäßen und damit einen
um speziell gebaute Dosieraerosole, welche durch den Blutdruckanstieg. Sogenannte Beta-Blocker, oder
Atemzug des Patienten ausgelöst werden und den genauer beta-Adrenorezeptor-Antagonisten, sind
Arzneistoff mit dem Beginn der Einatmung freisetzen. in der Lage, diese Verengungen durch Blockade der
Bei den meisten Autohalern wird vor der jeweiligen Rezeptoren aufzuheben, sodass der Gefäßwiderstand
Anwendung zuerst ein Kipphebel betätigt, der eine und damit der Blutdruck sinken. Da diese blutdruck-
kleine Feder spannt und damit die Inhalation vorbe- senkende Wirkung vor allem über Beta-1-Rezeptoren
reitet. Bei sogenannten Easybreath®-Systemen erfolgt zustande kommt, werden bevorzugt Beta-Blocker mit
das Spannen der Feder für die Auslösung des Atem- Hauptwirkung am Beta-1-Rezeptor angewendet. Man
zugmechanismus allein durch das Herunterklap- bezeichnet diese Beta-Blocker auch als „β-1-selektiv“.
pen der Schutzkappe und der Patient löst durch den Die Selektivität ist allerdings dosisabhängig und bei
Atemzug beim Einatmen die Arzneistoffabgabe aus. höheren Dosierungen werden auch β-2-Rezeptoren
blockiert, woraus unerwünschte Wirkungen, z. B.
z Pulverinhalatoren Bronchospasmus, periphere Durchblutungsstörungen,
Pulverinhalatoren sind eine weitere Darreichungs- Unterzuckerung und Störungen im Lipidstoffwechsel,
form zur inhalativen Anwendung. Dabei handelt es entstehen können.
sich um treibgasfreie Inhalationssysteme, in denen Zur Gruppe der hauptsächlich β-1-selektiven
der Arzneistoff in Pulverform vorliegt und ausschließ- Beta-Blocker gehören Atenolol, Acebutolol, Celi-
lich über den Einatemstrom des Patienten, ohne Hilfe prolol, Bisoprolol, Metoprolol, Nebivolol, Betaxolol.
eines Treibgases, zum Wirkort gelangt. Damit der Die Arzneistoffe werden entsprechend den
Arzneistoff richtig freigesetzt werden kann, muss der Therapieempfehlungen zur Blutdrucksenkung
Inhalator absolut trocken sein, der Patient sollte also verwendet und bei nicht ausreichendem Erfolg
nie in den Inhalator ausatmen, da sich sonst Feuch- auch in Kombination mit anderen Arzneistoffen
tigkeit aus der Atemluft absetzen könnte und das Pul- (. Tab. 16.3) verabreicht. Betablocker werden v. a. bei
verinhalat verklebt. Die Einatmung zum Freisetzen Patienten < 65 Jahren zur Blutdrucksenkung einge-
der Arzneistoffmenge sollte kurz und kräftig erfolgen. setzt, bei gleichzeitig bestehender Koronarer Herz-
Tipps zur Anwendung von Pulverinhalatoren: krankheit und Tachyarrhythmien. Die Anfangsdo-
44Der Inhalator muss absolut trocken sein sierung erfolgt meist niedrig oder einschleichend
(wichtig!) und wird wochenweise gesteigert. Die Blutdruck-
44Kräftige, kurze Einatmung senkung setzt langsam ein und ist nach 1–2 Wochen
44Nicht in den Inhalator ausatmen, da sich sonst voll ausgeprägt. Aber auch ältere Patienten profitie-
Feuchtigkeit niederschlägt! ren vom Einsatz dieser Arzneistoffe. Unter Berück-
sichtigung von anderen Erkrankungen, wie Nieren-
und Leberfunktionsstörungen oder Diabetes, und
16.2 Medikamentengruppen von möglichen Wechselwirkungen kann auch bei
höherem Lebensalter mit Betablockern therapiert
16.2.1 Kardiaka werden.
z z Kontraindikationen
Antihypertensiva (Bluthochdruck, Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen, Bra-
Hypertonie) dykardie < 50 Schläge/min, sinuatrialer Block, AV-
Block II. und III. Grades, ausgeprägte Hypotonie, peri-
z Beta-Blocker phere Durchblutungsstörungen, (Herzinsuffizienz).
z z Wirkung z z Nebenwirkungen
Körpereigene Botenstoffe, die Katecholamine (Adre- Bronchospasmus, Hypoglykämie, periphere Durch-
nalin, Noradrenalin), bewirken durch den Angriff blutungsstörungen, Fettstoffwechselstörungen,
an Beta-Rezeptoren eine Verengung der glatten Potenzstörungen.
190 Kapitel 16 · Pharmakologie
Gynäkomastie und Potenzstörungen, bei Frauen Hir- bzw. den Hörnerv) in Kombination mit Amino-
sutismus (übermäßige Körperbehaarung). glykosiden und Cephalosporinen, sowie Cisplatin.
Andere Blutdrucksenker verstärken den Blutdruck-
z z Wechselwirkungen abfall, besonders ACE-Hemmer. Antidiabetika sind
Andere Diuretika führen zu verstärkter Urinbildung in ihrer Wirkung ebenfalls abgeschwächt.
(Diurese) und u. U. zu Blutdruckabfall, Wirkungs-
abschwächung von Epinephrin und Norepinephrin. z Angiotensin-II-Antagonisten bzw. AT1-
Blocker
3. Schleifendiuretika: Furosemid/Torasemid,
Piretanid z z Wirkung
z z Wirkung Die AT1-Blocker, auch als Sartane bezeichnet,
Die Schleifendiuretika wirken in der Niere im auf- hemmen die Wirkung von Angiotensin II am AT1-
steigenden Teil der Henle-Schleife durch Blockade Rezeptor, wodurch weniger Angiotensin III und
des Na+/K+/2Cl-Transporters. Dadurch werden ver- Aldosteron gebildet wird. In der Folge sinkt der Blut-
mehrt Natrium-, Kalium- und Chloridionen ausge- druck und es wird mehr Wasser und Salz aus dem
schieden. Des Weiteren werden Magnesium- und Körper ausgeschieden (. Tab. 16.7).
Kalziumionen ausgeschieden. Die Vertreter dieser
Gruppe sind stark wirksame Diuretika, die vor allem z z Nebenwirkungen
bei Ödemen, aber auch zur Behandlung des Blut- Schwindel, Kopfschmerz, Störungen im Lipidstoff-
hochdrucks verwendet werden (. Tab. 16.6). wechsel (Dyslipidämie).
z z Nebenwirkungen z z Wechselwirkungen
16 Nach längerer Gabe Hypokaliämie, Hyponatriämie, Lithium, kaliumsparende Diuretika, nichtsteroidale
Hypomagnesiämie und Hypokalzämie, erhöhte Antirheumatika.
Harnsäure- und Blutzuckerwerte.
z z Kontraindikationen
z z Wechselwirkungen Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen,
Wirkabschwächung durch NSAR – nicht steroidale Schwangerschaft und Stillzeit.
Antirheumatika, z. B. Diclofenac, Ibuprofen, Ver-
stärkung der Hypokaliämie durch Kortikosteroide, z ACE-Hemmer
Insulin, Laxanzien und Testosteron. Hypokaliämie ACE ist die Abkürzung für Angiotensin-Converting-
verstärkt die Wirkung von Herzglykosiden und Mus- Enzym. Das körpereigene Enzym ACE ist beteiligt im
kelrelaxanzien. Erhöhte Ototoxizität (Gefahr der gif- Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und regu-
tigen bzw. schädigenden Wirkung für das Innenohr liert u. a. den Blutdruck.
16.2 · Medikamentengruppen
193 16
Candesartan 4–16 mg/d
Olmesartan 10–40 mg/d Olmetec® und Olmetec® plus (in
Höchstdosis 40 mg Kombi mit HCT)
Votum®, Vocado®, Sevikar®
Valsartan 80–160 mg/d Diovan®, Provas® und Generika
Höchstdosis 320 mg
Irbesartan 150–300 mg/d Aprovel®, Karvea® und Generika
Azilsartan 20–80 mg/d Edarbi®
Losartan 50–100 mg/d Lorzaar® und Losartan-Generika
Kurzwirksam
Captopril 2–3 × tägl. 6,25–50 mg Halbwertszeit (HWZ) 1,5 h
max. 150 mg/d Captopril-Generika
Langwirksam
Moexipril 7,5–15 mg/d morgens beginnend mit 3,75 mg bis max.
30 mg/d, HWZ 8 h
Fempress®
Enalapril 2,5–40 mg/d HWZ 11 h
Corvo®, Enalapril-Generika
Fosinopril 5–20 mg/d max. 30 mg HWZ 12 h
Fosinorm®, Fosinopril-Generika
Ramipril 5–40 mg/d HWZ13–14 h
Delix®, Ramipril-Generika
z z Wirkung z z Wechselwirkungen
Diese Arzneistoffe hemmen am Herzen und an der Herzglykoside, Betablocker und Antiarryhthmika
glatten Muskulatur, z. B. an Gefäßen, den Einstrom bei Verapamil, Gallopamil und Diltiazem. Verstär-
von Kalziumionen, wodurch es zu einer Erschlaffung kung der Blutdrucksenkung von Nitraten, Betablo-
der Gefäße und zu einer Abnahme der Kontraktions- ckern ACE-Hemmern und Diuretika.
kraft und Frequenz des Herzens kommt. Der Blut-
druck sinkt und das Herz wird entlastet. z z Kontraindikation
Ausgeprägte Hypotonie, Herzinsuffizienz, kardio-
z z Anwendung gener Schock. Bei Verapamil- und Diltiazemtyp:
Angina pectoris, Hypertonie, koronare Herzkrank- AV-Block II. und III. Grades, Sinusknotensyndrom.
heit Bei Nifedipin Schwangerschaft, Herzinsuffizienz,
Man unterscheidet unterschiedliche Gruppen Herzinfarkt. Bei Nitrendipin Schwangerschaft und
von Kalziumantagonisten (. Tab. 16.9): Schock.
Antiarrhythmika z z Nebenwirkungen
(Herzrhythmusstörungen) Blutdrucksenkung, Mundtrockenheit, Durchfall,
gastrointestinale Störungen, erschwertes Wasserlas-
z Bradykardien sen, Störungen des Sehens.
Beta-Adrenorezeptor Agonisten: Adrenalin, Isopre-
nalin, Orciprenalin z z Wechselwirkung
Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika ver-
z z Wirkung stärken den antiarrhythmischen Effekt.
Beschleunigen den Herzschlag, indem sie die
Anstiegssteilheit des Aktionspotenzials steigern und z z Gegenanzeigen
die Dauer des Aktionspotenzials sowie die Refraktär- Dekompensierte Herzinsuffizienz, Bradykardie.
zeit verkürzen, durch die Erhöhung des Kalziumio-
nen-Einstroms in der Plateauphase und durch die Klasse I B: Lidocain, Tocainid, Mexiletin, Phenytoin
Beschleunigung des Kaliumionen-Auswärtsstromes
während der Repolarisation. z z Wirkung
Wirken überwiegend an den Herzkammern und ver-
z z Nebenwirkungen langsamen den Herzschlag, indem sie die Depola-
Arrhythmiegefahr ist erhöht, Zittern, Angstzustände, risationsgeschwindigkeit herabsetzen und die
verstärktes Schwitzen. Erholungszeit der Natriumkanäle verlängern. Die
Arzneistoffe werden vor allem in Ausnahmefäl-
Parasympatholytika: Atropin, Ipratropiumbromid len bei lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen
angewendet.
z z Wirkung
Beschleunigen den Herzschlag, indem sie an den z z Nebenwirkungen
Muscarin-Rezeptor binden und damit kompetitiv Ähnlich wie bei Klasse I A, in höherer Dosierung
die Wirkung von Acetylcholin hemmen. zentrale Erregung und Krämpfe.
z z Nebenwirkungen
Bei Amiodaron: Photosensibilisierung, Ablagerun- Beta-2-Rezeptoragonisten
gen in Haut und Hornhaut des Auges, Leberfunk- Zur Behandlung aller obstruktiven, also verengenden
tionsstörungen, Atembeschwerden, Schilddrüsen- Zustände der unteren Atemwege, wie z. B. beim Asthma
funktionsstörungen. Bei Dronedaron: Störungen des bronchiale und der chronischen Bronchitis, verwen-
Magen-Darm-Traktes, Bradykardie, Müdigkeit, All- det man meist kurzwirksame Broncholytika in Form
ergie, Leberinsuffizienz. von beta-2-Rezeptoragonisten. Diese Arzneistoffe
. Tab. 16.10 Übersicht Antiarrhythmika
Klasse IA
Chinidin oral 1–1,5 g alle 6–8 h oder 12 h bei Retardformen Testdosis 200 mg oral, außer
Vertrieb
Disopyramid 300–600 mg/d in 2–4 ED DDD 400 mg, außer Vertrieb
Klasse IB
Lidocain initial 50–100 mg in 2–5 min i. v., dann p.inf.
2–4 mg/min
Tocainid 400 mg/d 3–4 ED DDD 1200 mg, außer Vertrieb
Mexiletin Akut i. v. sehr langsam 125–250 mg, gleiche Dosis DDD 800 mg
über 1 h, ggf. gleiche Dosis alle 4 h
oral 200 mg in 3 ED
oral 360 mg als retard in 2 ED
Phenytoin zu Beginn i. v. 125 mg, bei guter Verträglichkeit Tagesdosis 600 mg
nach 20–30 min erneut 125 mg, anschließend oral
Klasse IC
Flecainid akut 1 mg/kg KG langsam i. v. DDD 200 mg
oral 50–100 mg in 2 ED Tambocor®, Generika
Klasse II
Acebutolol 200–400 mg Prent®
Atenolol 1 × 50–100 mg/d DDD 75 mg; selektiver β-1-Blocker
Tenormin®, Atenolol-Generika
Metoprolol 1 × 100–200 mg/d selektiver β-1-Blocker
Beloc®, Metoprolol Generika
Pindolol 3 × 5–10 mg/d DDD 15 mg
Visken®, Generika
Propranolol 3 × 40 mg ggf. 2–3 × 80 mg oder 1 × 160 mg nicht selektiver β- Blocker
retard /d Dociton®, Generika
Sotalol 2–3 × 80–160 mg/d DDD 160 mg
Darob®, Sotalex®, Generika
Klasse III
Sotalol siehe Klasse II
Amiodaron Initial 3 × 200 mg für ca. 8 Tage als Sättigungsdo- Cordarex®, Generika
16 sis, dann täglich 200 mg als Erhaltungsdosis an 5
Tagen der Woche
Dronedaron 2 × täglich 400 mg, morgens und abends Multaq®
HWZ 16 h
Klasse IV
Verapamil 3 × 40–80 mg/d DDD 240 mg
Isoptin®, Generika
Diltiazem 3 × 60–120 mg/d oder 90–180 mg ret. DDD 240 mg
Dilzem®, Generika
Asthmaanfalls und des Status asthmaticus angewen- an. Anticholinergika werden nicht zur Akutbe-
det. Zur Asthmaprophylaxe werden oral Retardfor- handlung des Asthmaanfalls verabreicht, sondern
men eingesetzt. Die Anwendung sollte am Abend nur zur Behandlung der COPD, der chronischen
erfolgen. Die Dosierung erfolgt individuell, die mitt- Bronchitis und Reflexbronchokonstriktion. Es gibt
lere Erhaltungsdosis beträgt 200–800 mg, definierte auch die Kombination mit einem beta-2-Sympato-
Tagesdosis 400 mg. mimetikum (. Tab. 16.12).
z z Wirkung z z Nebenwirkungen
Der genaue Wirkmechanismus des Theophyllins ist Hautrötungen und Wärmestau, Unruhezustände,
noch nicht geklärt. Es erweitert die Bronchien und Engwinkelglaukom, Sehstörungen, Mundtrocken-
erhöht die mukozilliäre Clearance, also die Beweg- heit, Tachykardie, Miktionsbeschwerden.
lichkeit der Zilien und damit den Abtransport von
Schleim. Die Freisetzung von Botenstoffen, wie His- z z Wechselwirkungen
tamin, wird gehemmt. Die anticholinerge Wirkung wird verstärkt durch die
gleichzeitige Anwendung von Chinidin, Amantadin,
z z Nebenwirkungen tri- und tetrazyklische Antidepressiva, Neuroleptika,
Zentralnervöse Störungen, wie Unruhe, Schlaflosig- Dopaminantagonisten (z. B. Metoclopramid).
keit, Übelkeit und Kopfschmerzen, am Herz Tachy-
arrhyhthmien sowie gastrointestinale Störungen. z z Kontraindikationen
Engwinkelglaukom, Blasenentleerungsstörungen,
z z Wechselwirkungen Tachyarrhythmien, mechanische Verengungen im
Theophyllin wird durch beta-2-Rezeptoragonisten Magen Darm Trakt, akutes Lungenödem.
und Ephedrin in der Wirkung verstärkt. Makrolid-
antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin, Azitro-
mycin), Allopurinol, Furosemid, Cimetidin, orale PDE-4-Hemmer
Kontrazeptiva und Gyrasehemmer (Ciprofloxacin,
Norfloxacin, Enoxacin) verstärken Theophyllin in z z Wirkung
seiner Wirkung. Die Wirkung von Theophyllin wird Der Arzneistoff Roflumilast ist ein Phosphodieste-
durch die gleichzeitige Anwendung von Rifampicin, rasehemmer (PDE-4), ein nicht-steroidaler Entzün-
Carbamazepin, Phenytoin, Isoniazid und bei Rau- dungshemmer, der bei COPD und chronischer Bron-
chern (!) vermindert. chitis mit häufigen Exazerbationen in Kombination
mit einem Bronchodilatator gegeben wird. Durch die
Hemmung der PD Esterase erhöht sich c-AMP und
Anticholinergika/Beta-2- es kommt zu einer Erweiterung der Bronchialmus-
Sympathomimetika kulatur. Die Anwendung erfolgt peroral. Die volle
z z Wirkung Wirkung kommt erst nach einigen Wochen zustande
16 Die Arzneistoffe aus der Gruppe der Anticholiner- (. Tab. 16.13).
gika sind Ipatropiumbromid, Glycopyrroniumbro-
mid und Tiotropium. Sie heben die Wirkung von z z Nebenwirkungen
Acetylcholin am Muscarin-Rezeptor auf, indem Anfänglich Störungen des Magen-Darm-Traktes,
sie den Rezeptor blockieren. Das führt zu einer z. B. Durchfall, Übelkeit, Schlafstörungen, Kopf-
Erweiterung der Bronchialmuskulatur, hebt also schmerzen, selten psychische Störungen, Leber-und
eine Verengung der Bronchien auf. Bei den ver- Gallenerkrankungen.
wendeten Darreichungsformen handelt es sich
um Pulverkapseln oder Lösungen zur Inhalation, z z Wechselwirkungen
deren Wirkung vorwiegend lokal in den Bronchien Verstärkung der Wirksamkeit durch Enoxacin, Ery-
zustande kommt. Die Wirkung setzt 5–30 min nach thromycin, Ketokonazol, Theophyllin, orale Kont-
Inhalation ein und hält je nach Arzneistoff 4–24 h razeptiva, Cimetidin, Fluvoxamin. Verminderung
16.2 · Medikamentengruppen
201 16
HWZ= Halbwertzeit
SAMA/LAMA = short/long acting muscarinergic antagonist
DDD = Definierte Tagesdosis
Ambroxol
der Wirksamkeit durch Rifampicin, Phenobarbital,
Carbamazepin und Phenytoin. z z Wirkung
Ambroxol bewirkt in den Bronchien die Verflüs-
z z Gegenanzeigen sigung des zähen Schleims und die vermehrte
Personen <18 Jahren, mittelschwere bis schwere Bildung von dünnflüssigem Sekret. Zugleich wird
Leberfunktionsstörungen. die Anhaftung des Schleims an der Bronchial-
schleimhaut herabgesetzt. Das Flimmerhärchen-
epithel kann wieder besser den Schleim abtrans-
16.2.3 Sekretolytika/Expektoranzien portieren. Eine antientzündliche Komponente wird
vermutet (. Tab. 16.14).
Hierbei handelt es sich um Arzneistoffe, die die
Viskosität, also die Zähigkeit des Schleims in z z Nebenwirkungen
den Bronchien, vermindern, sodass der Schleim Magenbeschwerden, Durchfall, Hautausschlag,
dünnflüssiger wird und besser von den Bronchien Fieber, Schüttelfrost.
202 Kapitel 16 · Pharmakologie
z z Wirkung
ACC verringert die Zähigkeit des Bronchialschleims 16.2.4 Sedativa
und erleichtert das Abhusten. Der Arzneistoff wird
oral und inhalativ angewendet.
Benzodiazepine
z z Nebenwirkungen Diese Arzneistoffe werden i. d. R. als kurzfristige,
Störungen des Magen- und Darmtraktes, bei der unterstützende Begleitmedikation von Neurolep-
Aerosoltherapie mit Verneblergerät kann es zu Ver- tika bei psychiatrischen Erkrankungen und bei
krampfungen der Bronchien kommen, allergische Angstneurosen angewendet, zusätzlich bei Agi-
Reaktionen der Haut. tiertheit, Schlafstörungen, zur Vorbehandlung
der Narkose und bei bestimmten Epilepsieformen
z z Wechselwirkungen (. Tab. 16.15).
In der Literatur und auch in Beipackzetteln findet
sich bei manchen Antibiotikagruppen (Aminogly- z z Wirkung
coside, Tetrazykline, Penicilline und Cephalospo- Die Arzneistoffe wirken im zentralen Nervensystem
rine) der Hinweis auf die Abschwächung der anti- und verstärken die hemmende Wirkung von Boten-
biotischen Wirksamkeit bei zeitgleicher Einnahme stoffen am GABA-Rezeptor (Gamma-Aminobut-
des ACC. Diese Wechselwirkung konnte bisher nur tersäure); sie wirken als Agonisten. Es entsteht eine
im Laborversuch bestätigt werden. Als Empfehlung angstlösende, sedierende, schlaffördernde, zentral
kann ACC 2 h zeitversetzt nach der Antibiotikagabe muskelentspannende und krampflösende Wirkung.
eingenommen werden, um einer Wechselwirkung ACHTUNG: Es kann eine Abhängigkeit bei regel-
vorzubeugen (. Tab. 16.14). mäßiger und längerer (> 4 Wochen) Anwendung
entstehen! Die Behandlung sollte daher nur kurz-
zeitig und nach mehrwöchiger Behandlung auch
Kochsalzlösungen ausschleichend erfolgen. Man unterscheidet kurz-
Isotonische Kochsalzlösung hat eine Konzentra- (< 6 h HWZ), mittellang- (6–24 h HWZ) und lang-
tion von 0,9 % Natriumchlorid und ist damit der wirksame (> 24 h) Benzodiazepine.
16
. Tab. 16.14 Arzneistoffe und mittlere Dosierung Sekretolytika
HWZ= Halbwertzeit
DDD = definierte Tagesdosis
haben aber auch auf das Nervensystem dämpfende Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit, depressive
bis sedierende, also beruhigende, schlaffördernde Verstimmungen, metabolische Störungen (Diabe-
Wirkungen. tes, Blutfette) und Gewichtszunahme als Nebenwir-
kungen vor.
z z Wirkung
Der genaue Mechanismus bzw. die Wirkung der z z Anwendungsbereiche
Arzneistoffe ist noch nicht geklärt. Die Wirkungen Behandlung von Schizophrenien, in niedriger Dosie-
kommen durch die Hemmung von Neurotransmit- rung auch bei Angsterkrankungen.
terrezeptoren, hauptsächlich Dopaminrezeptoren,
zustande. Die klassischen Neuroleptika hemmen z z Wechselwirkungen
am stärksten den Dopamin-2-Rezeptor, bei den aty- Narkosemittel, Schlafmittel, starke Analgetika,
pischen werden außerdem noch andere Rezepto- Alkohol, α- und β-Blocker und Anticholinergika
ren blockiert. Dabei wirken sie dämpfend auf Erre- verstärken die Wirkung von Neuroleptika.
gungszustände, Angst, Trugwahrnehmungen, und
zwar mehr oder weniger stark. Eine Übersicht ver- z z Kontraindikation
schafft . Tab. 16.16. Vergiftungen mit zentral dämpfenden Arzneimitteln
(Narkosemittel, Schlafmittel, starke Analgetika) und
z Haloperidol Alkohol.
Leitsubstanz der 1. Generation ist Haloperidol.
z z Nachteile
z z Nebenwirkungen Die Neuroleptika haben eine Latenzzeit bis zum
Extrapyramidal-motorische Störungen wie Zittern, antipsychotischen Wirkungseintritt von mehreren
Zucken (Parkinson-Symptome), Unruhe sowie hor- Wochen. Die Nebenwirkungen treten sofort auf.
monelle und vegetative Störungen. Bei den Subs- Neuroleptika werden auch nach ihrer neuro-
tanzen der 2.Generation kommen insbesondere leptischen Wirkungsstärke oder Potenz eingeteilt.
a. schwach potent
Sulpirid 300 mg /d (-1600 mg/d max.) Dogmatil®, Meresa® und Generika
Chlorprotixen 15–-45 mg/d Truxal® und Generika
Pipamperon 120 mg/d (max. -360 mg/d) Dipiperon® Saft und Tabl. Pipamperon
Generika
Promethazin 50®150 mg/d Atosil® Tabl und Tropfen, Proneurin®, Generika
Prothipendyl 120–320 mg (-960 mg) Dominal® forte
Levomepromazin 50–150 mg/d (-600 mg/d) Neurocil®
Thioridazin bis 200 mg/d (-600 mg/d) Melleril® und Generika
b. mittelstark potent
Melperon 50–200 mg/d Generika
Perazin 50–150 mg/d (-600 mg/d) Taxilan® und Perazin-neurax®
c. stark potent
Perphenazin 8–24 mg/d Perphenazin-Generika
Flupentixol 4–20 mg/d (-60 mg/d) Fluanxol® Tabl, Ampullen
Quetiapin 150–600 mg/d (-750 mg/d) Seroquel® Quetiapin-Generika
Risperidon 2–6 mg/d Risperdal® und Generika
d. sehr stark potent
Pimozid 1–2 mg/d Orap®
Fluphenazin 3–6 mg/d (-24 mg) Lyogen® und Generika
Haloperidol 5–10 mg/d Haldol®
Fluspirilen 1,5–6 mg /Woche! Als Depotspritze Imap®, Fluspi® Amp
206 Kapitel 16 · Pharmakologie
HWZ = Halbwertzeit
16.2 · Medikamentengruppen
207 16
. Tab. 16.19 SSNRI – selektive Serotonin/ . Tab. 16.20 NaSSA – Noradrenalin und spezifisch
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer serotonerge Antidepressiva
z z Wechselwirkungen
z z Nebenwirkungen Amphetamine, Levodopa, Sumatriptan, Alkohol.
Übelkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Tremor, Ner- Bei Tranylcypromin kann es mit tyraminhaltigen
vosität, Schwitzen, Potenzstörungen. Lebensmitteln (z. B reifer Käse, Hefe, Fleischex-
trakt, Fischkonserven) zum Anstieg des Blutdrucks
z z Kontraindikationen kommen, bis hin zur hypertensiven Krise (Lebens-
Keine gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmer, gefahr möglich!)
Vorsicht bei Ciprofloxacin, Fluvoxamin und Enoxa-
cin, sowie schweren Leber- und Nierenstörungen. z z Kontraindikationen
Schwere Erkrankungen des Herzens und des Kreis-
laufs, Phäochromozytom, Thyreotoxikose, Suizid-
NaSSA (Noradrenalin und spezifisch gefahr, Verwirrtheit, gleichzeitige Einnahme von
serotonerge Antidepressiva) Opioiden (besonders Pethidin), Clomipramin,
Vertreter dieses Wirkmechanismus ist Mirtazapin. In Sympathomimetika und trizyklische Antidepres-
einer Dosierung bis 30 mg wirkt Mirtazapin sedie- siva (SSRI + SNRI) (. Tab. 16.21).
rend, in höherer Dosierung wirkt es antriebsstei-
gernd (. Tab. 16.20).
. Tab. 16.21 MAO-Hemmer
Thrombozytenaggregationshemmer z Dipyridamol
(TAH) Verstärkt die aggregationshemmende Wirkung
Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Dipyri- von Adenosin und Prostaglandin E und hemmt
damol sind Thrombozytenaggregationshemmer. die Thrombozytenphosphodiesterase, ein Enzym,
Sie hemmen oder verringern die Verklumpung von das die Botenstofffreisetzung aus den Thrombozy-
Thrombozyten ten unterdrückt, sodass diese sich nicht vernetzen
und nicht verklumpen. Meist wird es in Kombi-
z ASS nation mit ASS eingesetzt. Dosierung: 2 × täglich
hemmt irreversibel in den Blutplättchen das Enzym 1 Retardkapsel 200 mg/25 mg (ASS), (Präparat:
Cyclooxygenase 1, wodurch die Thromboxan-A2- Aggrenox®).
Synthese gehemmt wird und die Verklumpung aus-
bleibt. ASS wird angewendet bei instabiler Angina
pectoris, zur primären und sekundären Prophylaxe Direkte und indirekte Antikoagulanzien
16 des Herzinfarkts und Schlaganfalls. Die Dosierung
z Heparine
ist 30–100 mg/d (Präparate: Aspirin® 100 mg, ASS
100 mg Generika) Der wesentliche Wirkmechanismus der Heparine
ist die Aktivierung von Antithrombin, welches
z z Nebenwirkungen Thrombin und andere Enzyme der Blutgerinnung
Gastrointestinale Störungen, erhöhte Blutungsnei- hemmt. Dabei bildet das Heparin einen Komplex
gung, Eisenmangel. mit diesen Substanzen und verringert dadurch die
Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Heparine haben
z z Wechselwirkungen den Vorteil, dass sie sofort nach der Verabreichung
Glukokortikoide, Allopurinol, NSAR, andere Anti- wirken. Die Wirkung von Standard-Heparin kann
koagulanzien (außer niedrig dosiertem Heparin) z. B. mit Protaminsulfat schnell aufgehoben werden
16.2 · Medikamentengruppen
209 16
und damit relativ gut steuerbar. Je nach Molekular- (HWZ 40 h) und Phenprocoumon ist langwirksam
gewicht unterscheidet man (150 h HWZ).
44Standard-Heparin: 5000–30000 Molekular-
gewicht, Ø 15000, 1 mg entspricht 170 I.E. z z Anwendung
44Niedermolekulares Heparin: 4000–6000 Die Arzneistoffe werden zur Langzeittherapie als
Molekulargewicht, Halbwertzeit 4–6 h bei Prophylaxe und Therapie von Thromboembolien
subkutaner Anwendung, Präparate: Clexane®, angewendet. Zu Beginn der Therapie werden die
Fragmin®,Clivarin®, Innohep® Arzneistoffe immer mit einem parenteralen Antiko-
agulans kombiniert, bis sich alle anderen Signalstoffe
z z Anwendung innerhalb der Blutgerinnung, die blutgerinnungsför-
Vor- und nachoperative Thrombose- und Embolie- dernd wirken, normalisiert haben.
prophylaxe, instabile Angina pectoris, Akutphase des
Herzinfarktes. z z Dosierung
Die Dosierung erfolgt auf den Patienten abgestimmt,
z z Dosierung da der Stoffwechsel individuell variiert. Die Blutge-
2–5 h vor der Operation und 5–10 Tage nach der rinnung wird engmaschig über die Bestimmung des
Operation in 6 h, 8 h später 12 h-Intervallen 3000– INR-Wertes (International Normalized Ratio) kon-
5000 IE Standard-Heparin oder entsprechende Dosis trolliert. Dieser Blutwert sollte bei 2,5–3,5 liegen und
niedermolekulares Heparin. 4,5 nicht überschreiten. Phenprocoumon wird dafür
zwischen 1,5–6 mg/d dosiert und Warfarin zwischen
z z Nebenwirkungen 5–15 mg/d.
Blutungen in die Haut oder Schleimhäute, Hepa-
rin-induzierte-Thrombozytopenie (HIT) Typ I z z Antidot
und II (bei Auftreten von Typ II muss eine andere Vitamin K wird als Antidot verwendet, hat allerdings
Substanzgruppe verwendet werden), allergische einen verzögerten Wirkeintritt von 6–12 h. Bei stär-
Reaktionen. keren Blutungen werden Transfusionen und Gerin-
nungsfaktoren verabreicht.
z z Kontraindikationen
Blutungsneigungen, Magen-Darm-Geschwüre, z z Nebenwirkungen
schwere Leber-, Nieren- und Pankreaserkrankungen. Blutungen, mit verlängerter Gerinnungszeit.
z z Wechselwirkungen z z Kontraindikationen
Thrombozytenaggregationshemmer und Antibio- Schwangerschaft und Stillzeit.
tika (Penicilline, Cephalosporine) verstärken die Blu-
tungsneigung. Antihistaminika, Digitalis und Tetra- z z Wechselwirkungen
zykline vermindern die Wirkung Die Cumarinderivate sind sehr anfällig für Inter-
aktionen, die Wirkung kann dabei abgeschwächt
z Cumarinderivate (Phenprocoumon und werden oder verstärkt werden.
Warfarin) 44Verstärkung der Blutungsneigung
durch: Allopurinol, Schilddrüsen-
z z Wirkung hormone, NSAR (Salicylate!)
Bei diesen Arzneistoffen handelt es sich um Vitamin- Sulfonylharnstoffe, Chloramphenicol,
K-Antagonisten, welche in die Bildung der Gerin- Langzeitsulfonamide, Chinidin, Tetracycline,
nungsfaktoren innerhalb der Leber eingreifen und Anabolika
den normalen Ablauf der Blutgerinnung blockieren. 44Abschwächung der Wirkung: Barbiturate
Die Wirkung tritt erst nach einer gewissen Latenzzeit andere Enzyminduktoren, Vitamin-K-haltige
von 1–3 Tagen ein. Dabei wirkt Warfarin mittellang Präparate und Lebensmittel
210 Kapitel 16 · Pharmakologie
Sauerstofftherapie
Hartmut Lang
Dies sind eher unspezifische Symptome, die in der Erkrankungen des Herzens:
Regel noch nicht behandlungsbedürftig sind. 44Angeborene Herzfehler (Fallot Tetralogie)
Bei den folgenden Symptomen ist eine Sorge 44Klappenfehler (Stenosen, Insuffizienz)
um den Menschen angebracht. Bleiben sie länger 44Koronare Herzkrankheit (KHK)
bestehen, ist dringend ärztliche Hilfe angezeigt: 44Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
44Kurzatmigkeit 44Herzrhythmusstörungen (Bradykardie,
44Luftnot (Dyspnoe) Tachykardie)
44Erschöpfung bei geringer körperlicher 44Entzündungen (z. B. Endokarditis)
Belastung 44Tumoren
44Zyanose (Blaufärbung der Haut)
44Blässe der Mundschleimhäute Nicht alle genannten Erkrankungen führen zu einem
dauerhaften Sauerstoffmangel, die eine dauerhafte
z Krankheiten einhergehend mit Sauerstofftherapie erfordern. Jedoch haben sehr viele
Sauerstoffmangel der o. g. Erkrankungen zur Folge, dass die Menschen
Verlangsamter, behinderter oder unterbrochener dauerhaft eine Sauerstofftherapie benötigen.
Blutdurchfluss durch die Blutgefäße:
44Thrombose
44Arterielle Verschlusskrankheit pAVK 17.3 Messmethoden zur
(Schaufensterkrankheit) Sauerstoffmessung
44Lungenembolie
17.3.1 Transkutane Sauerstoffsättigung
Lungenerkrankungen:
44Chronische Bronchitis Zur Messung einer transkutanen Sauerstoffsättigung
44Asthma bronchiale kann z. B. ein TCM 5 Monitor verwendet werden
44Lungenemphysem (. Abb. 17.1).
44Pneumonie Der durch die Haut und durch die Membran
44Lungenfibrose des Sensors diffundierende Sauerstoff verändert die
17 44Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung Spannung zwischen einem + Pol und einem - Pol, die
(COPD) sich im Sensor (. Abb. 17.2 rechts außen) befinden.
44Lungenembolie Das Gerät kann das messen und umrechnen und gibt
44Evtl. Lungentumore den Wert der Sauerstoffsättigung an.
44Zystische Fibrose (Mukoviszidose)
Pulskurve oder Pulston ist unregelmäßig bei: Ausnahme davon bilden die Patienten mit neuro-
44Bewegungen des Patienten muskulären und restriktiven Thoraxerkrankungen.
44Muskelzittern Bei diesen Patienten ist v. a. die Kraft zum Atmen ver-
44Durchblutungsstörungen der Haut (Blässe, ringert oder komplett eingeschränkt, sie benötigen
livide) eine dauerhafte oder intermittierende Beatmungs-
44Hypothermie therapie, ggf. mit einer zusätzlichen Sauerstoffgabe.
44Zentralisation Bei den übrigen Erkrankungen, v. a. Lungen-
44Gabe von Katecholaminen und Herzerkrankungen, kann es im Rahmen einer
44Zu niedrigem Blutdruck akuten zunehmenden Verschlechterung zu einer
akuten Hypoxie kommen, die auf jeden Fall eine
VORSICHT: falsch-richtige Werte bei: Sauerstoffgabe nötig macht. Fast immer werden
44Lackierten Fingernägel diese Patienten in einem Akutkrankenhaus aufge-
44Erhöhtem Bilirubin nommen werden müssen. Deren Situation ist sehr
44Fieber oft lebensbedrohlich.
44Kohlenmonoxidvergiftungen Zur Beurteilung, ob deren Sauerstoffgehalt
44Nitropräparate ausreichend ist, benötigt man die Blutgasanalyse
(7 Kap. 27) und die Messung der Sauerstoffsätti-
gung. Bei vielen Situationen, wie operativen Ein-
17.4 Indikationen für eine griffen in Vollnarkose, Beatmung auf der Intensiv-
Sauerstoffgabe station oder kardiopulmonaler Wiederbelebung,
ist sogar sehr oft eine 100 %-ige Sauerstoffgabe
Patienten mit Sauerstoffmangelzuständen, die nicht erforderlich. Das Ziel bei allen Sauerstoffgaben ist
weiter behandelt und therapiert werden können, immer, dass die Patienten so viel Sauerstoff erhal-
benötigen eine zusätzliche Sauerstofftherapie, z. B. ten, wie sie benötigen; der Sauerstoffbedarf von ca.
bei: 250–300 ml/min soll gedeckt sein.
44Akuter Hypoxämie Chronisch erkrankte Patienten mit Herz- oder
44Chronischer Hypoxämie Lungenproblemen haben das Problem, dass ihre Belas-
44Belastungsabhängiger Hypoxämie tung erhöht ist, ihr Sauerstoffbedarf aber gleich hoch
44Nächtlicher Hypoxämie bleibt. Jedoch können sie durch ihre Organerkrankun-
gen nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen. Lungen-
Der Profit liegt in der Vermeidung oder dem Hin- erkrankte Patienten können nicht ausreichend Sauer-
auszögern von: stoff über die Atmung aufnehmen und herzerkrankte
44Krankheitsbedingter Immobilität Patienten können keine ausreichend hohe Herzfre-
44Sekundärfolgen (Osteoporose, quenz mit ausreichendem Herzminutenvolumen
Infektanfälligkeit) erbringen. Bei diesen Menschen besteht somit immer
44Sozialer Isolation ein Defizit in der Sauerstoffversorgung, sodass sie
44Pflegebedürftigkeit unter Kurzatmigkeit, Luftnot (Dyspnoe) und Erschöp-
44Chronischer Hypoxämie fung bei geringer körperlicher Belastung leiden.
44Stationären Krankenhauseinweisungen
17 44Teuren ambulanten Behandlungen
44Erhöhung der Lebensqualität für Patient und 17.4.1 Langzeit-Sauerstoff-Therapie
seine Familie (LTOT)
44Erhöhung der Lebenserwartung
44Erhöhung der Mobilität (von Erwerbstätigkeit Die Indikationen zur Einleitung einer LTOT (long
bis hin zum Urlaub) term oxygen therapy) richten sich v. a. nach dem arte-
riell gemessenen pO2. Die Deutsche Gesellschaft für
Bei fast allen unter 7 Abschn. 17.2 genannten Patien- Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat
ten ist eine Sauerstoffgabe angezeigt. Eine größere hierfür gültige Leitlinien erlassen: . Tab. 17.2.
17.4 · Indikationen für eine Sauerstoffgabe
219 17
Dauer der Sauerstoffgabe bei LTOT: Sauerstoff ermittelt das Ziel der Oxygenierung, damit
44Mindestens 16 Stunden/Tag auch die optimale Flussrate vom Sauerstoff. Da viele
44Besser 24 Stunden am Tag Patienten bei schon geringer Belastung auch unter
Sauerstoffgabe eine Hypoxie erleiden können, ist die
Flussraten: Messung in Ruhe alleine nicht repräsentativ.
44Meistens 1–2 l/min Menschen mit Sauerstoffmangel werden zur Kom-
pensation beschleunigt atmen (Hyperventilation).
Eine Hyperventilation führt zur vermehrten Abat-
17.4.2 Intermittierende Sauerstoffgabe mung von Kohlendioxid und verursacht eine Hypo-
kapnie. Dies erhöht die Belastung der Atemmuskula-
Nicht immer ist eine kontinuierliche O2-Gabe erfor- tur und kann zu Erschöpfungszuständen führen.
derlich. Das gilt v. a. bei Krankheiten, die mit einer Die Hypokapnie ist meist nicht rasch in der BGA
akuten Hypoxämie einhergehen, z. B.: nachweisbar. Daher wird der Sauerstoff wieder abge-
44Asthma bronchiale schaltet und für weitere 10 Minuten Ruhe eingehal-
44KHK mit Angina-pectoris-Anfällen ten. Auch in diesem Fall geht der Sauerstoffgehalt
44Kinder mit Herzfehlern wieder zurück. Das kann durch die Pulsoxymetrie
44Schweres zerebrales Anfallsleiden gemessen werden. Ist der SpO2-Wert am Fallen, ist
44Attacken des „Cluster“-Kopfschmerzes das der optimale Zeitpunkt für eine Kontroll-BGA
ohne Sauerstoff. Dies dient auch der verbesserten
Die Sauerstoffgabe ist hierbei nur in den akuten Suche nach der optimalen Flussrate von Sauerstoff.
Phasen der Erkrankung notwendig, eine kontinu-
ierliche Gabe wie bei LTOT entfällt, wenn die akute z Empfohlene Kontrollen/
Krankheit überwunden ist. Kontrolluntersuchungen
44Im ersten Jahr: alle 3 Monate
44Später: halbjährlich
17.4.3 Basisdiagnostik 44Engmaschiger:
44Bei Hyperkapnie
44BGA (Blutgasanalyse) in Ruhe ohne Sauerstoff 44Bei Verschlechterung der Krankheit
44BGA unter Sauerstoff 44Sofortige Kontrolle
44Sauerstoff abschalten 44Bei akuter Verschlechterung (Exazerbation)
44BGA ca. 10 Minuten danach 44Inhalte der Kontrolluntersuchung:
44Gleichzeitige Pulsoxymetrie SpO2 44Blutbild mit Hämatokrit
44Spirometrie mit Bronchospasmolysetest
Erläuterung zur Basisdiagnostik: Die BGA in Ruhe 44BGA mit und ohne Sauerstoff, ggf. mit und
ohne Sauerstoff ermittelt die Hypoxie. Die BGA mit ohne Belastung
220 Kapitel 17 · Sauerstofftherapie
Anfallende Kosten Bewegung ist sehr wichtig für die Funktion und
17 44 Neuanschaffung: Gerät ca. € 800–1.300 Gesundheit des menschlichen Körpers. Bewegungs-
44 Wartung: 1–2 × jährlich, jeweils ca. € 200 (ohne mangel setzt multiple degenerative Abläufe in Gang,
besondere Ersatzteile und Wegegeld) u. a. auch eine Verschlechterung der Atemfunktion.
44 Auslieferung/Einlagerung: ca. € 200
44 Stromkosten pro Jahr: abhängig von
Betriebsdauer, Leistungsaufnahme und Anfeuchtung
Strompreis, maximal ca. € 450 pro Jahr Eine Anfeuchtung des abgegebenen Sauerstoffs ist
i. d. R. erforderlich, da der abgefüllte Sauerstoff kei-
Quelle: Langzeitbeatmung und Langzeit-Sauer- nerlei Feuchtigkeit enthält. Die Anfeuchtung erfolgt
stofftherapie Arbeitshilfe zur sozialmedizinischen über einen an den Druckminderer anschließbaren
17.5 · Geräte zur Sauerstoffversorgung
221 17
Sprudlerbefeuchter. Eine besonders sorgfältige Rei- 44Bei einem Verbrauch von 3 l/min reicht
nigung der Befeuchter ist aus hygienischen Gründen der O2-Vorrat für 666 min = 11 h 6 min
unbedingt erforderlich, gerade bei Sauerstoffgeräten, (2000:3).
die nicht kontinuierlich benutzt werden. 44Bei einem Verbrauch von 4 l/min reicht
Bei nur gelegentlichem oder kurzzeitigem der O2-Vorrat für 500 min = 8 h 20 min
Sauerstoffbedarf wird ein Anfeuchter nicht benö- (2000:4).
tigt. Ebenso wird bei mobilen Sauerstoffgeräten
keine Befeuchtung notwendig sein. Wird bei lau- Diese Rechenbeispiele geben die mögliche Dauer
fender Beatmung Sauerstoff zugeführt, darf kein bei einer ununterbrochenen 24-Stunden-Anwen-
Sprudler genutzt werden. Der Sauerstoff wird ent- dung an. Bei einer unterbrochenen Nutzung bleibt
weder direkt am Respirator angeschlossen oder der Vorrat an Sauerstoff natürlich der gleiche, aber
über Adaptoren in das Beatmungsschlauchsystem die Intervalle, in denen die Flaschen aufgefüllt sein
eingeführt. müssen, verlängert sich dabei.
Während der Ausatmung und der Phase der Tot- Ein System von Sicherheitsventilen verhindert,
raumventilation wird die Sauerstoffzufuhr gestoppt; dass der Druck im Behälter zu hoch werden kann,
17 allein die Ausatmung nimmt ca. 65 % der Zeit eines wobei die Spontanverdampfungsrate von der
Atemvorganges in Anspruch. Es ist so leicht ersicht- thermischen Behälterisolation abhängig ist und
lich, welche Einsparung (= Verlängerung der Reich- 0,5–0,7 l Flüssigsauerstoff pro Tag betragen kann
weite des Systems) gegenüber einem kontinuierli- (430–600 l/Tag).
chen Sauerstofffluss möglich ist, sie beträgt, abhängig Auch hier wieder Beispielrechnungen über die
von der Atemfrequenz ca. 50–75 %. Anwendungsdauer:
44Beispiel: Ein Erwachsener, der 20 ×/min atmet, 4445 l-Tank = 37800 l O2. Bei einem Verbrauch
benötigt bei einer Abgabe von 25 ml nur 0,5 l von 1 l O2/min benötigt der Patient 1440 l O2/
O2/min. Tag (1 l × 60 min × 24 h)
17.5 · Geräte zur Sauerstoffversorgung
223 17
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich > Vorsicht: Hier könnte der Patient
560 l/Tag unterversorgt sein.
44→ Verbrauch 2000 l/Tag
44→ Vorrat für ca. 18,5 Tage (37800:2000) Eine Anzeige für den Füllungszustand ist i. d. R. vor-
44Verbrauch mit Demand-Systemen: handen; die Abgabe des Sauerstoffs wird über einen
44Beispiel: Ein Erwachsener, der 20 ×/min sog. Flowregler dosiert. Die Füllung der mobilen
atmet, benötigt bei einer Abgabe von 25 ml Einheiten erfolgt an stationären Tanks (Vorratsbe-
nur 0,5 l O2/min (0,5 × 60 × 24 = 720 O2/ hältern), wofür die Systeme entsprechende Kup-
Tag) plungs- und Ventilsysteme aufweisen müssen.
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich Analog zu den Druckgassystemen können eben-
560 l/Tag falls Sauerstoffsparsysteme eingesetzt werden, zum
44→ Verbrauch 1280 l/Tag Teil sind diese auch bereits in das mobile System
44→ Vorrat für ca. 29,5 Tage (37800:1280) fest integriert. Die Vorteile der Flüssigsauerstoff-
44G
egenüber einem kontinuierlichen Fluss von bevorratung liegen in dem relativ günstigen Ver-
1 l/min ist das eine Ersparnis um 36 %. hältnis von Gesamtgewicht und der nutzbaren
44Bei einem Verbrauch von 2 l O2/min benötigt Sauerstoffmenge.
der Patient 2880 l O2/Tag (2 l × 60 min × 4 h)
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich
520 l/Tag 17.5.4 Auswahl eines geeigneten
44→ Verbrauch 3400 l/Tag mobilen Systems
44→ Vorrat für ca. 11 Tage (37800:3400)
44Verbrauch mit Demand-Systemen: Im Rahmen der Langzeit-Sauerstofftherapie stehen
44Beispiel: Ein Erwachsener, der 20 ×/min mobilen Patienten grundsätzlich verschiedene Ver-
atmet, benötigt bei einer Abgabe von 40 ml sorgungsmöglichkeiten zur Verfügung:
nur 0,8 l O2/min (0,8 × 60 × 24 = 1150 O2/ 44Kombination aus Sauerstoffkonzentrator
Tag) und tragbarer Sauerstoffflasche (i. d. R. mit
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich Demand-System)
560 l/Tag 44Flüssig-Sauerstoffsystem als Komplettver-
44→ Verbrauch 1720 l/Tag sorgung (optional mit Demand System)
44→ Vorrat für ca. 21,5 Tage (37800:1720) 44Sauerstoffkonzentrator kombiniert mit
44G
egenüber einem kontinuierlichen Fluss von Flüssigsauerstoff
2 l/min ist das eine Ersparnis um fast 50 %. 44Sauerstoffkonzentrator mit Füllfunktion für
44Bei einem Verbrauch von 3 l O2/min benötigt Druckgasflaschen
der Patient 4320 l O2/Tag (3 l × 60 min × 24 h)
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich Alle möglichen Versorgungsformen beinhalten ver-
580 l/Tag schiedene Vor- und Nachteile, über die die Betrof-
44→ Verbrauch 4900 l/Tag fenen eingehend informiert und beraten werden
44→ Vorrat für ca. 7,5 Tage (37800:4900) müssen: Unterschiede im alltäglichen Anwen-
44Verbrauch mit Demand-Systemen: dungskomfort, z. B. auf Reisen, unterschiedliche
44Beispiel: Ein Erwachsener, der 20 ×/min Geräusch- und Wärmeentwicklungen und ggf.
atmet, benötigt bei einer Abgabe von 40 ml zusätzliche Folgekosten, Probleme der Reichweite
nur 0,8 l O2/min (0,8 × 60 × 24 = 1150 O2/Tag) und ggf. auch die Notwendigkeit zur Mitnahme
44Zusätzlich ein Verlust von durchschnittlich einer Reserve. Eine fachkompetente Beratung setzt
580 l/Tag hier nicht nur Kenntnis aller verfügbarer Hilfsmittel
44→ Verbrauch 1740 l/Tag und ihrer medizinisch sinnvollen Einsatzmöglich-
44→ Vorrat für ca. 21 Tage (37800:1740) keiten voraus, sondern auch die Auseinandersetzung
44G
egenüber einem kontinuierlichen Fluss von mit den persönlichen Wünschen und Erfahrungen
3 l/min ist das eine Ersparnis um fast 65 %. der Patienten.
224 Kapitel 17 · Sauerstofftherapie
17 Transtracheal Katheter
Sauerstoffbrille
0,25–0,5 l
bis 8 l
24–44 %
bis 50 %
Einfache Sauerstoffmaske 6–12 l bis 60 %
Masken mit Reservoirbeutel Minimal 6 l, bis > 10 l bis 80%
Hoch-Fluss-Systeme
Venturi-Maske 3–15 l 30–50%
Quelle: M. Kasper, D. Kraut: Atmung und Atemtherapie, Verlag Huber, Bern, Göttingen Toronto Seattle 2000, S. 128.
Weiterführende Literatur
225 17
es sog. FireSafes. Das sind thermische Ventile, die im
Brandfall den Sauerstoffdurchfluss stoppen.
Weiterführende Literatur
Dysphagie
Mona van den Boom
Gegebenenfalls kann der Patient selbst oder seine Screenings zum Einschätzen des
Angehörigen Auskünfte über die Dauer und die Art Aspirationsrisikos
der Schluckbeschwerden geben. Um einzuschätzen, ob der Patient Speichel oder
Nahrung aspiriert, können verschiedene Scree-
nings in Form von Schluckversuchen durchge-
18.4.3 Klinische Diagnostik führt werden. Zunächst wird beobachtet, wie oft
der Patient spontan (Speichel) schluckt. Der The-
In der klinischen Diagnostik beurteilt der Schluck- rapeut beurteilt dabei sichtbare Bewegungen, wie
therapeut die Fähigkeiten und Einschränkungen der die Hebung des Kehlkopfes oder den Mundschluss,
relevanten Funktionen des Patienten. Er führt Unter- und achtet auf Schluckgeräusche und die Dauer des
suchungen und Beobachtungen durch und erlangt so Schluckvorgangs. Anschließend versucht der Thera-
Hinweise auf den Schweregrad und die Symptome peut, den Schluckreflex manuell auszulösen. Wenn
der Schluckbeschwerden. Daraus leitet er konkrete möglich wird der Patient auch aufgefordert, willent-
Therapieverfahren und eine geeignete Kostform lich zu schlucken. Zusätzlich wird überprüft, wie
und -stufe ab. Es gibt verschiedene Checklisten, die der Patient auf Reize an den Lippen oder im Mund-
dabei helfen, die Ergebnisse der klinischen Schluck- raum reagiert (z. B. Stimulation mit Zitronensaft).
untersuchung zu dokumentieren und einen Verlauf Es können auch Schluckversuche mit Schluckma-
darzustellen terial unterschiedlicher Konsistenz durchgeführt
Da beim Schlucken aber große Anteile auch werden, allerdings nur, wenn keine Hinweise auf eine
in nicht von außen sichtbaren Bereichen ablaufen schwere Schluckstörung vorliegen. Begonnen wird
232 Kapitel 18 · Dysphagie
mit kleinen Mengen und möglichst ungefährlichem und zum anderen mit instrumentellen Diagnostik-
Material (z. B. angedicktes Wasser). methoden beurteilt werden.
Ein Test, in dem bestimmte Mengen von Wasser Ein im deutschsprachigen Raum gebräuchliches
geschluckt werden ist z. B. der Daniels-Wasser- Instrument zur Einschätzung des Dysphagieschwe-
schluck-Test (Daniels et al. 1997). Im Anschluss regrades ist der Bogenhausener Dysphagiescore
an das Schlucken werden die Schutzmechanismen (BODS) (Bartolome 2006): Es gibt zwei Unterskalen
sowie die Stimmqualität beurteilt. Daraus ergeben mit jeweils ein bis acht erreichbaren Punkten. Eine
sich Hinweise auf das Vorliegen einer Penetration beurteilt die Beeinträchtigung des Speichelschlu-
oder Aspiration sowie die Schutz- und Reinigungs- ckens bei Patienten mit und ohne Trachealkanüle,
mechanismen des Patienten. die andere die Beeinträchtigung der Nahrungsauf-
Der Gugging Swallowing Screen (GUSS) (Trapl nahme. Die Summe beider Skalen ergibt den Schwe-
et al. 2007) ist ein Schlucktest, der mehrere Konsis- regrad der Dysphagie, wobei fünf Schweregrade
tenzen beinhaltet und eine Empfehlung zur Kost- unterschieden werden. Die Einteilung in Schwere-
stufe gibt. grade dient vor allem der ärztlichen und therapeuti-
Bei Patienten mit Trachealkanüle wird der Spei- schen Kommunikation und Verlaufsdokumentation.
chel des Patienten oder zu schluckendes Material mit Für die Therapieplanung ist sie nicht hilfreich, da sie
blauer Lebensmittelfarbe angefärbt. Anschließend nichts über die Qualität der Störung aussagt.
wird über die Trachealkanüle abgesaugt. Wenn das
abzusaugende Sekret/Material blau oder bläulich ist,
kann auf eine Aspiration geschlossen werden (Modi- Instrumentelle Diagnostik
fied Evan’s Blue Dye Test; Brady, 1999). Instrumentelle Diagnostikverfahren sind objek-
Diese Testungen können eine Schluckstörung tiv und liefern Erkenntnisse über die genaue ana-
niemals zu 100 % ausschließen. Stille Aspirationen tomische Beschaffenheit sowie Funktion und Dys-
können mit Wasserschlucktests definitionsgemäß funktion der am Schlucken beteiligten Strukturen.
nicht nachgewiesen werden. Auch der Blauschluck Eine instrumentelle Diagnostik wird durchgeführt,
kann nur aussagen, dass im Moment der Testung eine wenn die medizinische Anamnese die Wahrschein-
Aspiration vorliegt, nicht aber, dass keine vorliegt. lichkeit einer Dysphagie nahelegt oder Schluckbe-
Das Schluckmaterial kann auch lange über Stimm- schwerden aus der Eigen-/Fremdanamnese oder
lippenniveau verbleiben, bis es aspiriert wird, oder der klinischen Diagnostik hervorgehen. Eine ins-
in geringen Mengen nur langsam an der Tracheal- trumentelle Diagnostik zeigt gestörte Funktionen,
wand nach unten fließen. Diese Testungen können die in der klinischen Diagnostik nicht sicher erkannt
nur das Vorliegen einer Schluckstörung für die kon- werden können. Sie ist Voraussetzung für die rich-
krete Situation nachweisen. Sie können weder eine tige Auswahl der nachfolgenden Therapieschritte.
Aspiration während der Testung ausschließen noch Im Folgenden werden die zwei wichtigsten instru-
bestätigen sie ein generelles Aspirationsrisiko. Sie mentellen Verfahren der Dysphagiediagnostik sowie
dienen einem ersten Eindruck. ergänzende Verfahren dargestellt.
Rahmen der Schlucktherapie schützt den Patien- Haltungsänderungen (z. B. Drehen des Kopfes zur
ten vor Karies und Erkrankungen im Mund- und gelähmten Seite bei Residuen oberhalb des Kehl-
Rachenraum sowie vor Aspirationspneumonien. kopfes auf der betroffenen Seite) sowie bestimmte
Außerdem ist die Schlucktherapie danach für Schlucktechniken. Auch hierbei muss der Patient
den Patienten angenehmer und es werden bereits kooperativ und außerdem in der Lage sein, die Vorge-
Schleimhaut und Muskulatur stimuliert und hensweise zu verstehen, umzusetzen und zu behalten.
aktiviert.
Symptome. Die Dysphagie war schwer, hauptsächlich Aktivität im Mundbereich im Sinne einer Explora-
in der pharyngealen Phase, mit Aspiration von Spei- tion durch die Zunge sowie Kaubewegungen, die zur
chel und kompletter Ernährung über Magensonde. Auslösung des Schluckreflexes führten. Auch olfak-
Kommunikation sowie eine aktive Mitarbeit bei der torische Reize führten zu einer erhöhten Aktivität
Therapie war nicht möglich. Das Hauptziel in der im Mundbereich.
logopädischen Therapie war die Verbesserung der Zur klinischen Überprüfung der Effizienz des
Schluckfunktion und ggf. eine Dekanülierung. Schluckvorgangs wurde mehrfach ein Blauschluck
durchgeführt. Dieser zeigte jedes Mal kein Aspirat
z z Behandlung von eingefärbtem Material an. Zudem musste die
In den Therapieeinheiten wurde als erstes nach LIN Patientin allgemein nur selten und in sehr geringen
(Lagerung in Neutralstellung) sitzend oder seit- Mengen durch die Trachealkanüle abgesaugt werden.
lich gelagert (wenn nicht schon vorher durch Pflege Diese Beobachtungen sprachen für einen effizien-
oder Physiotherapie) und anschließend Mundpflege ten Schluckvorgang. Deshalb wurde eine FEES in
durchgeführt. Dann wurde die Trachealkanüle ent- einer Klinik veranlasst, bei der dies objektiv über-
blockt. So konnte die Patientin die Atmung nicht prüft werden sollte. Die Untersuchung verlief positiv,
nur durch die Trachealkanüle sondern auch daran die Untersuchung zeigt keine Aspiration von Spei-
vorbei auf physiologischem Wege durch Mund und chel und eine weitestgehend physiologische Anato-
Nase leiten. mie und Funktion der relevanten Strukturen sowie
Da über längere Zeit eine Gewöhnung an die reizlose Schleimhäute. Die Patientin bekam wenige
Atmung durch die Kanüle stattfindet, sind die phy- Wochen später einen Klinikplatz für eine erneute
siologischen Atemwege oftmals zunächst verlegt, Reha mit dem Ziel der Dekanülierung.
unter anderem durch die Stimmlippen, durch das In der Klinik kam es zu wiederkehrenden Infekten
Gaumensegel oder durch die Zunge. Wenn die Tra- unter anderem der Magenschleimhaut mit Erbrechen
chealkanüle verschlossen wird, ist dieser Atemweg von Blut und Sondennahrung sowie zu vermehrter
verschlossen, sodass das Nutzen des physiologischen obstruktiver Atmung (Herauspressen der Ausatem-
Atemwegs notwendig ist. Zu diesem Zweck benutzt luft bei gleichzeitiger Engebildung in den Atemwe-
man Verschlusskappen. gen) mit wiederholtem Sauerstoffsättigungsabfall.
Frau X benötigte meist einige Zeit (ein bis zwei Eine Dekanülierung konnte nicht erreicht werden.
Minuten) für die Umgewöhnung. Der Luftstrom ist Bei Wiederaufnahme der logopädischen Thera-
für die Strukturen des physiologischen Atemwegs ein pie mit dem Ziel der physiologischen Atemumlei-
ungewohnter Reiz. Zudem kann Sekret, das sich evtl. tung zeigte sich die obstruktive Respiration deutlich
vorher über dem Cuff befand, hinunterfließen, was ausgeprägter als zuvor. Die Patientin war angespannt
dann über die Kanüle abgesaugt werden muss. Eine und fühlte sich sichtlich unwohl. Deshalb wurden
weitere Reizung entsteht, wenn die Trachealkanüle die schlucktherapeutischen Maßnahmen bei ent-
die Trachealwand berührt, da sie nicht mehr durch blockter Trachealkanüle ohne Verschluss durchge-
den Cuff in der Mitte gehalten wird. führt. Die Patientin nutzte dabei nur den Atemweg
Während der Umgewöhnung zeigte die Patien- über die Trachealkanüle, wobei theoretisch gleich-
tin ausgeprägte Schutz- und Reinigungsmechanis- zeitig der physiologische Atemweg genutzt werden
men in Form von kräftigem Husten und einer Art kann, welcher aber in ihrem Fall aufgrund der hohen
klärenden Phonation (Stimmbildung), was für eine Anspannung verlegt war.
ausgeprägte Sensibilität im Bereich der Luftwege Die Therapie bei nichtverschlossener Tracheal-
18 spricht. Nach der kurzen Umgewöhnung konnte die kanüle (also mit feuchter Nase) beinhaltet aber einige
Patientin zeitweise gut umleiten. Zum Teil zeigte sie Einschränkungen. Wird der Luftstrom nicht durch
eine obstruktive Atmung (Herauspressen der Aus- die physiologischen Atemwege gelenkt sondern
atemluft bei gleichzeitiger Engebildung in den Atem- durch die Trachealkanüle können zum einen keine
wegen). Auf orale Stimulation mit taktilen, therma- effizienten Schutz- und Reinigungsmechanismen
len oder gustatorischen Reizen sowie auf manuelle ausgeübt oder trainiert werden, da die Luft zum effi-
äußere Reize reagierte die Patientin mit deutlicher zienten Husten oder Räuspern die Stimmbänder
18.6 · Trachealkanülenmanagement
237 18
passieren muss (die über der Trachealkanüle liegen Während der Therapie wird die Trachealkanüle wei-
und somit dann nicht Teil des Atemwegs sind). terhin verschlossen. Die Reaktion der Patientin
Genauso ist eine Phonation nicht möglich, da auch zeigte sich unterschiedlich, zum Teil mit obstrukti-
diese nur entsteht wenn der Luftstrom die Stimm- ver Respiration, zum Teil entspannt. Je nach Verhal-
lippen passiert. ten wurde bei offener oder verschlossener Tracheal-
Bei Übungen mit verschlossener Trachealka- kanüle und mit unterschiedlichen Reizen gearbeitet.
nüle vor der Reha phonierte die Patientin oft aus- Es war eine temporäre Verschließung durch einen
giebig und bildete verschiedene Laute und Silben. Platzhalter geplant, um die Reizung der Luftröhre
Die Stimme ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeit zu minimieren und so evtl. die obstruktive Respi-
und trägt zur Aktivierung des Patienten mit apalli- ration zu reduzieren. Das Ziel war weiterhin eine
schem Syndrom bei. Zum anderen können Patienten Dekanülierung.
keine olfaktorischen Reize wahrnehmen, da dies nur
beim Einatmen des Luftstroms in die Nase geschieht.
Olfaktorische Reize sind eng mit Emotionen und Herr Y, 74 Jahre
Erinnerungen verbunden. Deshalb sind auch diese
Reize sehr wichtig zur Aktivierung. Auch gustatori- z z Ärztliche Diagnose
sche Reize werden über den Luftstrom (während der Mehrzeitige embolische Infarkte im linken Media-
Ausatmung) durch die Nase wahrgenommen. Der stromgebiet mit raumfordernder Hämorrhagie im
Patient kann also nicht riechen und nicht schmecken, linken Stammganglienbereich, Hemiparese, ein-
was die Therapie mit oraler Stimulation stark ein- seitige Glottisparese in Paramedianstellung, leichte
schränkt. Eine Ausnahme bilden die Geschmacks- Dysphagie, globale Aphasie
qualitäten, die von der Zunge wahrgenommen
werden: süß, salzig, sauer, bitter und umami (= flei- z z Anamnese
schig-herzhafte Geschmacksrichtung). Herr Y kam nach mehreren Wochen Frührehabili-
Eine weitere Einschränkung betrifft die Sensibili- tation in der Klinik zu uns. Er zeigte sich wach und
tät im Mund und Rachenraum. Wenn dauerhaft kein trotz der schweren Aphasie freundlich kommuni-
Luftstrom den Mund- und Rachenraum passiert und kativ. Er äußerte nur Sprachautomatismen, konnte
zusätzlich die Muskelaktivität in dem Bereich einge- aber zum Großteil adäquat auf Ja-Nein-Fragen mit
schränkt ist, kann es zu Sensibilitätsstörungen und Kopfbewegungen antworten und sogar durch Gestik
zu einer veränderten Sekretproduktion kommen. kommunizieren. Die Glottisparese (Stimmlippen-
Zusätzlich ist das Infektionsrisiko erhöht. Deshalb lähmung) war einseitig und in Paramedianstellung.
sollte so oft wie möglich eine Atemumleitung auf die Das bedeutet, dass eine Seite der Glottis nicht ganz
physiologischen Atemwege versucht werden. öffnet (. Abb. 18.3), was zu einer Engebildung des
Aufgrund des weiterhin effektiven Schluckens Atemwegs und somit zu einer Einschränkung der
der Patientin konnte sie mit einer Trachealkanüle Atmung führt.
ohne Cuff versorgt werden. Diese gewährleistet Aus diesem Grund war er zur Gewährleistung
einen freien Atemweg aber keinen Aspirationsschutz. einer effizienten Atmung mit einer Trachealkanüle
versorgt. Der Patient hatte eine leichte Dysphagie in eineinhalb Stunden leicht erschöpft und nahm sich
der pharyngealen Phase nur bei festeren Konsisten- die Verschlusskappe selbst ab. Zu der Zeit produ-
zen, weshalb er auf Koststufe drei (von insgesamt fünf zierte der Patient noch relativ viel Sekret, sodass
Stufen) eingestuft war (weiche Kost). Herr Y zeigte er viel husten und manchmal durch die Tracheal-
keine Aspiration von Speichel und die Nahrung der kanüle abgesaugt werden musste. Dies verbesserte
Koststufe drei konnte weitestgehend problemlos sich aber im Laufe einiger Wochen. Die Zeiten mit
gegessen werden. Es kam teilweise zu Penetration, Verschlusskappe wurden zunächst auf den Vormit-
der Patient hatte aber gute Schutz- und Reinigungs- tag und schließlich auf den ganzen Tag ausgeweitet.
mechanismen, sodass er durch kräftiges Husten Auch die Schluckfunktion verbesserte sich, sodass
und Räuspern das penetrierte Material selbststän- Herr Y Speisen überwiegend fester Konsistenz zu
dig wieder entfernen konnte. Aus dem Grund war sich nehmen konnte (Koststufe vier).
seine Trachealkanüle ohne Cuff, also nicht blockbar Wir meldeten den Patienten zu einer erneu-
und diente somit nicht als Aspirationsschutz. ten FEES in der Klinik an, um zu sehen, wie sich
Die Trachealkanüle war durch ein Sprechventil die Glottisparese und die Schluckfunktion entwi-
teilverschlossen. Dieses Ventil bewirkt, dass die Ein- ckelt hatten. Die Untersuchung zeigte zum einen,
atmung über die Trachealkanüle (Ventil öffnet), die dass sich die Glottisparese zurückgebildet hat, also
Ausatmung aber über den physiologischen Atemweg wieder eine physiologische Medianstellung während
(Ventil schließt) stattfindet. So ist die Voraussetzung der Einatmung bestand. Zum anderen zeigten sich
für die Stimmbildung sowie effektive Schutz- und bei Schluckversuchen von verschiedenem Schluck-
Reinigungsmechanismen gegeben und gleichzei- material Residuen oberhalb des Kehldeckels. Diese
tig der Luftweg während der Einatmung gesichert. wurden aber durch Nachschlucken oder Räuspern
Die Ausatmung ist generell einfacher über den phy- und Husten unaufgefordert entfernt. Der Patient
siologischen Atemweg zu leiten, da durch den Luft- bekam einen Termin zur geplanten Dekanülie-
strom bei der Ausatmung die Strukturen quasi rung einige Wochen nach Untersuchung. In der
„aufgedrückt“ werden, während es bei der Einat- Zeit konnte die auch nachts problemlos beibehalten
mung eher zum „Zusammenziehen“ der Atemwege werden. Die Dekanülierung verlief erfolgreich. Der
kommt. Zudem wird Speichel oder Schluckmate- weitere Verlauf ist nicht bekannt, da der Patient im
rial im Mund- und Rachenraum nur vom Luftstrom Anschluss auszog.
während der Ausatmung passiert, also in Rich-
tung Ausgang, und wird nicht in Richtung Trachea
eingesogen. Weiterführende Literatur
Kommunikation in
Pflegebeziehungen
Peter Otte
» Menschen sind eher bereit, Opfer zu bringen, Dieses Ergebnis lässt sich nun verallgemeinern im
Probleme zu bewältigen, dazuzulernen, wenn Sinne der kognizierten Kontrolle und auf andere
ihnen diese Kontrollkognitionen gegeben Zusammenhänge übertragen. Für den Umgang mit
werden – wenn sie also wissen, warum etwas Patienten bedeutet das ganz praktisch: Wenn der
gemacht werden soll; wenn sie vorhersehen Patient im Großen und Ganzen informiert ist über
können, wie lange der Prozess dauert, und den Krankheitsverlauf, den eigenen Behandlungs-
wenn sie in den Prozess mit einbezogen prozess, den Verlauf des Heilungsprozess, erhält
werden. er das Gefühl der Kontrolle und der Sinnhaftigkeit
seiner Existenz.
Dieter Frey behauptet: Erklärbarkeit, Vorhersehbar- Professor Frey und seine Forschergruppe haben
keit, Beeinflussbarkeit und Kontrollmöglichkeit haben das in Krankenhäusern erforscht und festgestellt,
einen positiven Einfluss auf menschliches Befinden dass gute Erklärungen über den Verlauf der Heilung
und Aktivitäten. In dem Moment, in dem einem etwas nach einer Operation den Gebrauch von Schmerz-
klar wird, man eine Erkenntnis gewinnt, werden vom und Schlafmitteln senken, ebenso dass mehr Trans-
Gehirn sogenannte Glückshormone (Dopamin, Sero- parenz, Vorhersehbarkeit, Mitgestaltung und Sinn-
tonin, Oxytozin) ausgeschüttet, die durch den Körper vermittlung einen schnelleren Genesungsprozess
fließen und Wohlbefinden auslösen. bewirken. Darüber hinaus ergeben sich weniger
Umgangssprachlich ausgedrückt: Wenn man die Komplikationen in der Wundheilung und ein sta-
Kontrolle über etwas hat, und sei es auch nur gedank- bileres Immunsystem. Die Forschergruppe konnte
lich, also kogniziert, ist man davon überzeugt, dass auch bei Unfallpatienten beobachten, dass die Patien-
man sich etwas Unangenehmes vom Hals schaffen ten schneller genesen, wenn ihnen der Verlauf ihrer
oder etwas Angenehmes besorgen kann. Dagegen Heilung bekannt und ihnen ihre persönliche Beein-
führt Unsicherheit zu Verdrossenheit, Hoffnungslo- flussungsmöglichkeit deutlich ist.
sigkeit, Demotivation und schließlich zu versteckter Aber das wirkt auch im Kleinen, in sogenannten
Aggression und schließlich zu Burnout, wenn dieser Minisituationen bei einzelnen kleinen Handlungen.
Zustand lange anhält. Wenn der Patient informiert ist, was gleich in den
nächsten Minuten mit ihm geschehen wird, kann er
Beispiel aus dem Alltag sich darauf einstellen und hat die Situation zumin-
Ein Nachbar will eine Party feiern und sagt Ihnen vor- dest kognitiv im Griff.
her Bescheid: „Wenn es Ihnen zu laut wird, kommen Eine Pflegeperson könnte zum Beispiel vor
Sie rüber und sagen es!“ Er gibt Ihnen also die Chan- einer Mobilisation zum Patienten sagen: „Ich stehe
ce, das Ereignis zu kontrollieren. Vermutlich werden vor Ihnen, fasse Sie gleich an der Hüfte und an der
Sie den Lärm der Partygäste viel gelassener ertragen, Schulter an.“ Sie wartet, bis sie den Eindruck hat, dass
als wenn Sie plötzlich davon überrascht würden. der Patient ihre Ankündigung verarbeitet hat. Dann
fährt sie fort: „Ich werde jetzt Ihren Körper auf die
Beispiel aus der Forschung linke Seite drehen, Sie merken, dass Sie dabei über
Zwei Gruppen von Versuchspersonen sollten Lärm die zusammengerollte Wäsche rollen. Wir beginnen
per Kopfhörer ertragen und sagen, wann es ihnen bei drei, ich zähle eins, zwei, drei.“
242 Kapitel 19 · Kommunikation in Pflegebeziehungen
19 Empfänger Sender
dekodiert kodiert
19.3 · Sender-Empfänger-Modell
243 19
> „Das Missverständnis ist in der die Träume, frühere verdrängte Erlebnisse und unbe-
Kommunikation der Normalfall, geglückte wusste Erfahrungen, die man eventuell mit tiefen-
Kommunikation ist eher selten.“ psychologischen Methoden bewusst machen kann.
Ganz tief liegen die frühkindlichen Erlebnisse und
Wenn wir uns dessen bewusst sind, gilt es also immer, eventuell verdrängte Erfahrungen und unsere gene-
sich zu vergewissern, ob man von seinem Gegenüber tische Veranlagung.
richtig verstanden worden ist. Statt: „Sie haben mich Kommunikation spielt sich also an der Ober-
nicht richtig verstanden!“ sagt man dann besser: „Ich fläche ab. Dabei sind auch schon Missverständnisse
habe mich wohl nicht verständlich ausgedrückt, ich möglich (Beispiel . Abb. 19.2).
sag es noch mal!“
Fazit
Das Eisbergmodell wird an vielen Stellen in der Psy-
19.3.1 Eisbergmodell chologie benutzt, um Hintergründe in der Kom-
munikation zu verdeutlichen. Im kommunikati-
Mit dem Eisbergmodell kann man in die Tiefe gehen ven Umgang macht es darauf aufmerksam, Motive,
und die Hintergründe verdeutlichen, die beim Kodie- Absichten, Befürchtungen und Hoffnungen der
ren und Dekodieren zu Missverständnissen führen Patienten wie auch eigene zu berücksichtigen.
können. Bei einem Eisberg sind i. d. R. nur 1/5 bis 1/7
seines ganzen Volumens an der Oberfläche zu sehen.
In dem Vergleich mit menschlichem Verhalten stellt 19.3.2 Verzerrte Wahrnehmungen
dieser Bereich alle die Handlungen und Verhaltens-
weisen eines Menschen dar, die andere Menschen mit Die sogenannten verzerrten Wahrnehmungen, eng-
ihren Sinnen von ihm wahrnehmen können, also seine lisch „bias“ genannt (= Tendenz, Vorliebe, Vorurteile),
Kleidung, Auftreten, Sprache, Mimik und Gestik. sind häufig Ursache für Missverständnisse, die auf
Ist das Wasser klar, kann man bei einem Eisberg der Senderseite liegen. Eine dieser Verzerrungen ist
sehen, wie es unter der Wasseroberfläche weitergeht. z. B. der sogenannte „false konsensus bias“. Damit ist
Beim Menschen wären das seine Motive, unausge- gemeint, dass Menschen beim Sprechen häufig davon
sprochenen Absichten, Gefühle, Hoffnungen und ausgehen, dass andere Menschen die Welt genauso
Befürchtungen etc., also der Teil einer Person, der für sehen wie sie selber. Menschen haben die Tendenz
andere nicht sichtbar, für die Kommunikation selbst anzunehmen, dass die anderen in ihrer Wahrneh-
aber sehr bedeutsam sind. Noch tiefer liegen dann mung der Dinge, ihren Ansichten, ihrem Geschmack
Der Sender sagt: „Es ist zwölf U hr.“ Das hört der Empfänger
oder
oder ihren Kenntnissen mit ihnen übereinstimmen, plus“ umformuliert. Dann heißt er: Man kommu-
also konsent sind, und das ist häufig falsch. niziert immer. Also auch wenn jemand nichts sagt,
schweigt oder sich wortlos umdreht und geht, teilt er
Beispiel doch etwas über sich mit, nämlich dass er nicht am
Jemand fragt: „Wo liegt denn die grüne Wärmefla- Gespräch teilnehmen will oder kann.
sche?“, und der Gefragte sagt: „Drüben im Schrank.“,
und wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Nach eini- 2. Axiom:
ger Zeit ertönt: „Wo drüben? In welchem Schrank? „Jede Kommunikation hat eine Interpunktion,
Wo im Schrank?“ Das nervt den Gefragten sehr und d. h. eine Reihenfolge, einen Ablauf.“
während er anfängt, sich zu ärgern, sieht er die grü- Jemand (A) fängt an zu sprechen, darauf reagiert
ne Wärmflasche ganz deutlich vor seinem inneren jemand (B). Das wiederum veranlasst A zu reagie-
Auge im zweiten Schrank von links im mittleren ren, usw. Das obige Sender-Empfänger-Modell
Fach neben der Wolldecke. Er hatte bei seiner Anga- zeigte das deutlich. Dabei geht die Handlung oder
be „drüben im Schrank“ vorausgesetzt, dass der an- das Gespräch, die Interaktion mit dem weiter, was
dere die Örtlichkeiten genauso kennt wie er selber. bei B angekommen ist.
Um solche Situationen zu vermeiden, sollte man > „Wahr“ ist nicht, was A sagt, sondern „wahr“
sich also angewöhnen, kurz darüber nachzudenken: ist, was B versteht.
Was weiß der andere? Kennt er die Örtlichkeiten?
etc., denn man kann nicht davon ausgehen, dass der Im Alltag entsteht oft Streit, weil nicht mehr klar ist,
andere die Welt genauso kennt wie man selbst. wer was wann zuerst gesagt hat.
3. Axiom:
19.4 Theorien der „Kommunikation kann symmetrisch oder
Kommunikationswissenschaft komplementär verlaufen.“
Dabei heißt symmetrisch so viel wie auf gleicher
Es gibt zwei grundlegende Theorien der Kommuni- Augenhöhe und komplementär bedeutet, dass sich die
kationswissenschaft, die sich in der Praxis bewährt Gesprächspartner auf verschiedenen Ebenen befin-
haben: den, z. B. Pflegekraft und Patient, Chef und Mitarbeiter.
1. Die Kommunikationstheorien von Paul
Watzlawik und Friedemann Schulz von Thun 4. Axiom:
2. Das transaktionsanalytische Modell der „Kommunikation ist analog und/oder digital.“
Ich-Zustände von Eric Berne u. a. Ein Patient hat starke Schmerzen in der Brust. Er
stöhnt, verzerrt sein Gesicht und greift sich an seine
Brust. Seine Äußerungen kommen also so, wie er den
19.4.1 5 Axiome von Paul Watzlawick Schmerz fühlt. Das ist analog. Digitale Kommunika-
tion geht über Zeichen (lat. digis = das Zeichen) und
Paul Watzlawik hat fünf sog. Axiome aufgestellt. das kann ein gesprochenes bzw. ein geschriebenes
Axiome sind Behauptungen, die so klar sind, dass Wort sein oder ein Symbol.
sie nicht bewiesen werden können, und sie sind meist
sofort einsichtig. Hier sind seine Axiome in einer 5. Axiom:
etwas anderen Reihenfolge aufgeführt, als man sie „Kommunikation hat immer einen Inhalts-
meist in der Literatur findet. aspekt und einen Beziehungsaspekt.“
19 1. Axiom:
Der Inhaltsaspekt ist die reine sachliche Informa-
tion einer Mitteilung. Der Beziehungsaspekt zeigt,
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ wie der Sender zu dem Empfänger, der Sprecher zu
Das liest sich zunächst verwirrend und lässt dem Hörer steht. Das kann freundlich oder grob,
sich besser verstehen, wenn man den Satz nach nett oder hässlich, wertschätzend oder abwertend,
der mathematischen Regel „minus mal minus gibt ermunternd oder frustrierend, cool oder engagiert
19.4 · Theorien der Kommunikationswissenschaft
245 19
usw. sein. Darin zeigen sich all die Möglichkeiten, Wunsch, eine Absicht, was er von dem anderen will.
die menschliche Beziehung ausmachen. Dies ist der Appell. Und schließlich zeigt er, wie er zum
Interessant ist dabei, dass laut Watzlawik Kom- Hörer steht, also seine Beziehung zu ihm (. Abb. 19.3).
munikation „immer“ einen Beziehungsaspekt hat, Der Hörer wiederum hört seinerseits gleichsam
also auch durch kleinste Mitteilungen wird stets ver- mit vier Ohren: den Inhalt, die Selbstoffenbarung, den
mittelt, wie der andere zu einem steht. Menschen sind Appell und wie der Sprecher die Beziehung zum Hörer
äußerst sensibel dafür, wie andere zu ihnen stehen, sieht. Häufig ist für den Hörer eine dieser vier Informa-
und registrieren z. B. schon in der kleinsten Mittei- tionen besonders interessant, er hört also auf einem Ohr
lung mögliche Abwertungen oder Akzeptanz. Beson- genauer hin. Das ist sehr individuell und von Mensch
ders im Bereich der Krankenpflege ist die Beziehung zu Mensch und von Situation zu Situation verschieden
zwischen Patient und Pflegekraft wichtig, weil ja (. Abb. 19.4).
bekannt ist, dass eine gute Beziehung das Wohlbe- Es ist sinnvoll, sich darin zu üben, die vier Ebene
finden des Patienten beeinflusst und das wiederum einer Mitteilung während eines Gesprächs für sich
den Heilungsprozess unterstützt (7 Abschn. 19.2). selber zu unterscheiden und herauszuhören.
Beispiel
19.4.2 Vier-Seiten-Modell Die Pflegerin Ina betritt das Zimmer und der Patient
Herr Meier schreit erbost: „Warum kommen Sie denn
Dieses Modell der vier Seiten erweitert das 5. Axiom jetzt erst?“ Darauf die Pflegerin: „Ich bin nicht Ihre
von Watzlawick, dass Kommunikation immer einen Angestellte.“
Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat. Friede-
mann Schulz von Thun ergänzt zwei weitere Aspekte:
In einer Aussage, und sei sie auch noch so kurz, sagt Der Sprecher vermittelt
jemand immer auch etwas über sich selber aus und einen Inhalt
was er von dem anderen will.
einen Selbstdarstellung
Der Sender spricht also immer vier Botschaften
gleichzeitig und eine davon steht für ihn im Vorder- einen Appell
grund. Der Sprecher vermittelt mit seiner Äußerung die Beziehung
einen Inhalt. Das ist das, was er sagt. Gleichzeitig sagt er
aber auch etwas über sich selber, wie er „drauf “ ist. Das
ist seine Selbstoffenbarung. Dann vermittelt er einen . Abb. 19.3 Der Sprecher
Die Äußerung des Patienten lassen sich nach den vier Ein weiteres Beispiel aus Schulz v. Thun, an dem
Seiten folgendermaßen analysieren: die vier Ebenen jeweils benannt werden können:
44Herr Meier fragt auf der Inhaltsebene nach
dem verspäteten Kommen der Pflegerin. Beispiel
44Auf der Selbstdarstellungseben zeigt er, dass Ein Paar im Auto steht an der Ampel. Sie sitzt am
er erbost ist, und er erlaubt sich zu schreien. Steuer. Die Ampel springt auf grün. Da sagt er: „Du,
44Das soll auf der Appellebene bewirken, dass es ist grün!“ Darauf sie: „Fährst du oder fahre ich?“
die Pflegerin künftig gefälligst pünktlich zu
kommen hat. Bleibt noch anzumerken: Beruflich hat man andere
44Und damit legt er die Beziehung zwischen ihm Ohren als privat. Frauen haben oft größere Ohren auf
und der Pflegerin offen als ein Verhältnis von der Appell- und auf der Beziehungsebene. Beispiel:
Chef und Angestellter, also abwertend und „Es ist kein Kaffee mehr da!“ Manch eine Frau steht
Unterordnung verlangend. Genau darauf geht dann auf und macht welchen. Männer bleiben häufig
die Pflegerin ein mit ihrer Äußerung „Ich bin gerne auf der Inhaltsebene, verwenden u. U. aber
nicht Ihre Angestellte!“ sehr viel innere Aufmerksamkeit für die Selbstdar-
stellung, besonders wenn sie in Konkurrenz unter-
Sie könnte aber auch auf eine der anderen Ebenen einander stehen.
reagieren, z. B.: Jede dieser Ebenen kann nun in unterschiedli-
44Inhaltsebene: „Weil ich im Stau stecken cher Weise dargestellt werden. Im Folgenden werden
geblieben bin.“ Oder etwas sagen, was sachlich Eigenschaftswörter aufgelistet (ohne Anspruch auf
ihre Verspätung begründet. Vollständigkeit), die die verschiedenen Möglichkei-
44Oder sie könnte auf die Selbstdarstellung ten der Kommunikation beschreiben. Diese können
reagieren „Sie sind aber wütend! Mussten Sie so nach der eigenen Lebenserfahrung ergänzt und
lange warten?“ benutzt werden, um das eigene Kommunikations-
44Oder auf der Appellebene könnte sie reagieren verhalten einzuschätzen.
mit „Tut mir leid, ich werde mich bemühen, 441. Die Sachebene:
nächstes Mal pünktlich zu sein.“ Eine Information kann man z. B. folgender-
maßen vermitteln:
Beispiel 44inhaltsreich, sachlich, nüchtern, präzise,
Ein Paar sitzt am Tisch beim Essen. Er fragt: „Was ist das gegliedert oder
Grüne da in der Soße?“ Darauf sie: „Mein Gott, wenn 44spannend, interessant, wichtig, bedeutsam
es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders es- oder
sen gehen!“ Quelle: Schulz von Thun 1981, S.63 44undeutlich, unlogisch, genuschelt,
chaotisch, ausschweifend
44Inhalt: Da ist was Grünes. 442. Die Selbstdarstellung:
44Selbstoffenbarung: Ich weiß nicht, was es ist, Der Sprecher zeigt von sich bewusst oder
und will es wissen. unbewusst gewisse Eigenschaften – oder er
44Appell: Sag mir, was es ist. erlaubt sich solche Eigenschaften zu zeigen:
44Beziehung: Du wirst es wissen, ich nicht. 44entspannt, gelassen, zuversichtlich, selbst-
bewusst, zielstrebig, überlegen, elegant
Die Hörerin hört den Inhalt: Er fragt nach dem oder
Grünen in der Soße. Sie reagiert aber nicht darauf, 44bedrückt, angespannt, hektisch, verkrampft,
sondern unterstellt auf der Selbstoffenbarungs- unsicher, schwächlich oder
19 ebene: Dem schmeckt das nicht, und hört den
Appell heraus: Ich soll nächstes Mal das Grüne weg-
44schlampig, unfähig, inkompetent, chaotisch
443. Der Appell kann folgendermaßen
lassen! Daraus macht sie auf der Beziehungsebene: rüberkommen:
Er hält mich für eine miese Köchin und empfiehlt, 44freundlich, bittend, motivierend, anstoßend
woanders essen zu gehen. oder
19.4 · Theorien der Kommunikationswissenschaft
247 19
44quälend, jammernd, manipulativ oder 19.4.3 Small talk, high talk, move talk
44schroff, befehlend, fordernd, einklagend
444. Die Beziehungseben: Natürlich kann man ohne Worte kommunizieren, z. B.
Zwischenmenschliche Beziehungen können über Gesten, Mimik und Äußerlichkeiten. Deborah
sein: Tannen hat mit ihrer Theorie auf einen Aspekt auf-
44liebevoll, wertschätzend, freundschaftlich, merksam gemacht, der allen Menschen sicher in der
partnerschaftlich, warm oder Praxis schon begegnet ist, aber man geht nicht gerade
44kollegial, kooperativ, respektvoll oder bewusst damit um. Sie spricht von „move talk“.
44neutral, indifferent, distanziert, kühl „Small talk“ kennt jeder Mensch. Gemeint ist
oder damit das nette, oft belanglose Gespräch, mit dem
44konkurrierend, machtgeprägt, man eine Pause überbrücken kann. Die Äußerungen
auftrumpfend, unterwürfig oder sind dann oft persönlich, aber nicht gerade sachlich
44abwertend, feindschaftlich, hasserfüllt, bedeutungsvoll. Nebensächlichkeiten werden aus-
aggressiv gewalzt, dabei ist das Wetter oft Thema. Als Ergän-
zung zu small talk beschreibt Tannen „high talk“ als
Desweiteren gilt für die Interaktion zwischen zwei intellektuell anspruchsvolles Gespräch, in dem sach-
Personen: „Wahr“ im Sinne von „handlungsfortset- liche Argumente, genaue Schilderungen und geziel-
zend“ ist nicht, was „A“ sagt, sondern immer, was „B“ tes Fragen vorkommen.
verstanden hat! Also auf welchem Ohr hat der Emp- Dann beschreibt sie „move talk“ als die nonver-
fänger besonders deutlich gehört und danach wird balen Reaktionen in einem Gespräch nur mit dem
er seine Reaktion ausrichten. Körper, mit Bewegung, Haltung, einfachen Gesten,
Wenn man merkt, dass der Empfänger auf einem dabei schweigend nur die Mimik einsetzend. Auch
anderen Ohr hört, als man gesendet hat, kann man Veränderungen im Raum gehören dazu. Diese Kom-
das nachträglich korrigieren durch Ich-Botschaf- munikationsform ist sehr wirkungsvoll, auch wenn
ten: Nicht „Du hast mich falsch verstanden“, sondern keine Worte dabei benutzt werden.
„Ich hab mich falsch transportiert“, oder „Ich hab das Für den Einsatz dieser drei Arten von „talk“ hat
anders gemeint!“, oder „Ich hab mich nicht klar aus- Deborah Tannen folgende Regeln herausgefunden:
gedrückt, ich sag‘s nochmal!“
Die folgenden praktischen Fähigkeiten können 1. Regel: Small talk „schlägt” high talk.
helfen, Missverständnisse möglich klein zu halten. Also ein nichtintellektuelles Geplänkel ist
44Als Zuhörer das eigene Denken einen Moment stärker als ein intellektuelles Gespräch, wenn
stoppen und nur zuhören, „aktiv“ zuhören, man damit dazwischen platzt.
d. h. genau zuhören und das auch den Blick-
kontakt signalisieren Beispiel
44Nicht unterbrechen, ausreden lassen Jemand redet konzentriert über längere Zeit über
44Analytisches Fragen, also nicht „Warum ist das einen sachlichen Gegenstand (high talk) und wird
passiert?“, sondern wann, wo, wie … ist das unterbrochen durch die small-talk-Bemerkung
passiert? „Schönes Wetter heute, nicht wahr.“ Oder „Sie ha-
44Paraphrasieren und Spiegeln, d. h., das, was der ben aber eine schicke Bluse an!“ Der oder die so
andere gesagt hat, kurz zusammenfassen und Angesprochene ist zumindest überrascht, vielleicht
gegebenenfalls die dabei gezeigten Gefühle sogar irritiert, verliert eventuell den Faden und das
benennen Gespräch kann einen anderen Verlauf nehmen.
44Professionelles Feedback geben, d. h. eine
Rückmeldung an jemanden sollte immer so 2. Regel: Move talk „schlägt” small talk und high
gestaltet sein, dass der andere sich dadurch talk.
entwickeln kann; hilfreich ist dann auch, das Also eine nonverbale Reaktion ist wirkungs-
Feedback mit etwas Positivem zu beginnen und voller als ein verbales und nichtintellektuelles
zu enden Geplänkel und eine verbale und intellektuelle
Auseinandersetzung.
248 Kapitel 19 · Kommunikation in Pflegebeziehungen
Für das In-Ordnung-Sein oder Nicht-in-Ord- 44 Ein Vorgesetzter äußert konstruktive Kritik, die
nung-Sein hat sich also als Abkürzung „o.k. plus“ seine Mitarbeiter veranlasst, ihr Verhalten zu
und „o.k. minus“ eingebürgert. verbessern. Das ist in Ordnung → kEL plus.
Erwachsenen-Ich
Er
rebellisch
nicht-ok.
ok.
Beispiele 44 Oder: „Nein, das mach ich besser nicht, weil dort
44 „Legen Sie bitte die Sachen dort drüben ab!“ – nachher geputzt wird. Ich suche einen anderen
„Ja, gut, mach ich.“ (angemessenes angepasstes Platz.“ → rK plus.
Kind → aK plus.
44 „Ich hab die Sachen schon da drüben hingelegt Zusammengenommen gibt es somit zehn Ich-
und ordentlich beschriftet und sauber gemacht Zustände, aus denen heraus jemand agieren oder
habe ich sie auch schon … !“ Das könnte man reagieren kann (. Abb. 19.7).
als unterwürfiges, überangepasste, eventuell
sogar schleimiges Verhalten interpretieren
und wäre damit nicht in Ordnung → aK 19.5.1 Kommunikation als Transaktion
minus.
Eine Transaktion wurde beschrieben als die Kom-
Zum angepassten Kind-Ich-Zustand gehört aber bination aus einer Äußerung und einer Reaktion. A
auch rebellisches Verhalten (rK), denn wenn sich kommuniziert mit B und B reagiert darauf. Mit Hilfe
jemand rebellisch verhält, weiß er sicher, wie er sich von Kreisen und Pfeilen kann man diese Kommuni-
eigentlich richtig verhalten sollte. Er verhält sich aber kation als Transaktionen darstellen. Damit lässt sich
genau entgegengesetzt. die Transaktionsanalyse sehr anschaulich als Kom-
19 Beispiele
munikationstheorie benutzen. Dadurch, dass die
Kreise, also die Ich-Zustände, so differenziert sind,
44 „Legen Sie bitte die Sachen dort drüben ab!“ – gelingt nochmal ein tieferer Einblick in die Motive,
„Nein, tu ich nicht! Machen Sie das doch selber!“ Absichten und Hintergründe der Äußerungen
→ rK minus. (. Abb. 19.8, . Abb. 19.9).
19.5 · Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse
251 19
. Abb. 19.8 Parallele Transaktionen 1
Solche Transaktionen nennt man parallel, weil sie Man merkt, eine gekreuzte Transaktion schafft eine
aus dem jeweils angesteuerten Ich-Zustand zurück- Veränderung oder Irritation in der Kommunikation.
kommen. Parallele Transaktionen haben die Eigen- Sie sind immer Auslöser von emotionalen Reaktio-
schaft, dass sie beliebig lange fortgesetzt werden nen wie Freude, Humor und Sympathie, aber auch
können. Anlass für Ärger, Verwirrung oder Entwertung. Das
Es gibt aber auch gekreuzte Transaktionen. Wie wurde in dem Beispiel von der Pflegerin Ina und
verläuft die Kreuzung bei folgender Transaktion: Herrn Meier deutlich.
44„Wie spät ist es?“ – „Hast du keine Uhr?“ Zusammenfassend lässt sich also mit Hilfe der
44Oder weinerlich: „Könntest du mir mal helfen, Ich-Zustände feststellen, ob und warum eine Kom-
das ist so schwer.“ – „Nein, ich hab selber so viel munikation gelingt, ob man also das Gefühl hat:
zu tun, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, „Mein Gesprächspartner hat mich verstanden“, und
ich brauch´ selber Hilfe.“ (. Abb. 19.10) „Ich glaube, ich habe ihn verstanden.“ Oder es lässt
252 Kapitel 19 · Kommunikation in Pflegebeziehungen
sich analysieren, warum eine Kommunikation miss- Ich bin o.k. und du Ich bin nicht o.k., aber
bist für mich o.k. du bist für mich o.k.
lingt und zu unbefriedigenden Ergebnissen führt.
+/+ –/+
O.k.-Position 44„Ich bin o.k. und du bist für mich o.k.“ +/+.
Schon Säuglinge sammeln ihre Erfahrungen, die sie in Das ist die Position, die sich am besten eignet,
ihrer Umgebung und mit den Menschen ihrer Umge- ein ordentliches Leben zu führen. In dieser
bung machen. Das brauchen sie, um sich zurechtzu- Position kann man sich über das Angenehme
finden, und schon früh kommen sie dann zu Erkennt- gut freuen und das Unangenehme zerbricht
nissen. In der Erwachsensprache ausgedrückt, könnte einen nicht, dafür gibt es immer noch eine
ihre Erkenntnis heißen: „Ach, so läuft das hier!“ Lösung.
Wenn Kleinstkinder gut von ihren Eltern umsorgt 44„Ich bin o.k., aber du bist für mich nicht
werden, sich die Eltern um sie kümmern, mit ihnen o.k.“ +/–. Das ist Position der Menschen,
sprechen und einen liebevollen Blickkontakt halten, die ihr o.k.-Sein aus dem nicht-o.k.-Sein der
dann kann in ihnen ein Lebensgefühl entstehen etwa anderen ziehen, die „Säuberungs-Position“,
nach dem Motto: „Es ist gut, dass ich da bin.“ Die die arrogante Position von zudringlichen
Kinder entwickeln eine Einstellung zu sich selbst: „Ich Menschen, die sich ständig besserwisserisch
bin o.k. und es ist eine Lust, auf der Welt zu sein“. Das in die Angelegenheiten anderer Leute
geschieht etwa bis zum sechsten Lebensmonat. mischen.
Wenn die Kinder jedoch nicht diese liebevolle 44„Ich bin nicht o.k., aber du bist für mich
Zuwendung erfahren, nicht gut versorgt werden, o.k.“ –/+. Das ist die depressive Position von
eventuell sogar misshandelt werden, kann das Verlierern mit dem Motto: „Ach, wenn ich
Lebensgefühl entstehen: „Ich bin nicht o.k., ich doch nur … “ und „Hätte ich doch … “
gehöre nicht in diese Welt und ich sollte besser nicht 44„Ich bin nicht o.k. und du bist für mich
da sein.“ Zwischen diesen beiden extremen Möglich- auch nicht o.k.“ –/–. Das ist die Sinnlosig-
keiten gibt es noch viele Abstufungen. keits-Position mit dem Motto: „Warum sollte
19 Bis zum dritten Lebensjahr etwa werden dann die
Erfahrungen mit anderen Menschen in das Lebens-
man sich und alle anderen nicht eines Tages
umbringen oder verrückt werden?“
gefühl mit einbezogen und es können vier Einstel-
lungen entstehen. Die hat Thomas A. Harris in einer Die Einstellung: „ … und du bist für mich o.k.“, heißt
Tabelle dargestellt, dem o.k.-Geviert. aber nicht, dass man das Verhalten seines Gegenübers
19.5 · Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse
253 19
o.k. findet. Eine Person kann o.k. sein, aber ihr Ver- 44Du bist auf dem richtigen Wege, mach weiter so.
halten nicht! Diese Einstellung hat erhebliche prak- 44Das kann ja gar nicht gehen.
tische Konsequenzen im Umgang mit anderen, z. B. 44Niels ist genauso blöd wie ich.
im Umgang mit Patienten, Angehörigen, Kollegen 44Was hat der denn wieder gemacht?
oder Untergebenen. Die o.k.-Positionen fordern auf, 44Die sind doch alle unfähig, da müsste man doch
zwischen der Person und ihrem Verhalten zu trennen mal mit dem eisernen Besen fegen?
und genauer hinzuschauen. 44Mir wird richtig schlecht, wenn ich da
Wenn man mit einer Person nicht einverstan- zuschaue!
den ist, sich über sie geärgert hat, ist es hilfreich, 44Das kriegst du bestimmt hin!
sich das ärgerliche Verhalten der Person genau klar
zu machen und zu benennen. Wenn man dann ein Wenn die nicht-o.k.-Positionen in einer Extremform
konfrontierendes Gespräch mit der Haltung beginnt: auftauchen, grenzen sie an psychiatrische Erkran-
„Du bist o.k., aber dein Verhalten in der und der Situ- kungen. Das ist im Falle der Ich bin nicht o.k, aber
ation ist nicht o.k.“, kann man das ärgerliche Ver- du bist für mich o.k.-Position die Depression. Man
halten viel deutlicher ansprechen, ohne das Gefühl, kann eine Depression als Zustand der „-losigkeit“
unsolidarisch, unkollegial oder abwertend zu sein. bezeichnen:
Die o.k.-Position eines Menschen kann man in 44freudlos
der Praxis deutlich beobachten. Sie äußert sich oft 44lustlos
in kurzen Bemerkungen, z. B. aus der +/+ Position 44hoffnungslos
heraus sagt jemand ähnliche Sätze wie: „Das schaffst 44antriebslos
du!“, „Ich vertraue dir!“, „Ihr Vorschlag ist gut, so 44stimmlos
machen wir es!“
Aus der +/– Position heraus benutzen Menschen Der Extremfall der Position „Ich bin o.k., aber du bist
oft sog. Killerphrasen. Das sind meist kurze Sätze, für mich nicht o.k.“ kann zum Narzissmus führen.
ins Gespräch hinein geworfen, die den anderen zum Narzissmus ist gekennzeichnet durch die vier „E“:
Schweigen bringen sollen, ihn „platt“ machen, z. B.: 44E = Egozentrismus
„Das haben wir hier schon immer so gemacht.“, „Das 44E = Empfindlichkeit bei Kritik
können Sie doch gar nicht beurteilen!“ 44E = Empathiemangel für andere
Aus der –/+ Position heraus hört man oft Sätze 44E = Entwerten anderer
wie: „Ich haben schon alles versucht.“, „Mach du das
mal, ich kann das nicht.“, „Das wächst mir total über Wie man hieraus erkennen kann, erfährt man durch
den Kopf.“ die Transaktionsanalyse nicht nur etwas über die
Aus der –/– Position heraus könnten folgende Kommunikationsprozesse, sondern auch die dahin-
Sätze gesagt werden: „Das funktioniert doch nie terliegende Grundeinstellungen und Motive und
im Leben!“, „Ich kann tun was ich will, ich mach‘s kann damit etwas für seine Psychohygiene tun.
sowieso keinem Recht.“, „Das hat doch alles keinen Lösung der Aufgabe zu den o.k.-Positionen:
Sinn.“ Das kann doch nicht so schwer sein. → +/–
An den folgenden Sätzen kann die Wahrneh- 44Was haben Sie denn schon wieder gemacht? →
mung der o.k.-Positionen geübt werden: +/–
Das kann doch nicht so schwer sein. → +/– 44Da werden wir eine Lösung für das Problem
44Was haben Sie denn schon wieder gemacht? finden. → +/+
44Da werden wir eine Lösung für das Problem 44Hast du das immer noch nicht kapiert? → +/–
finden. 44Ich trau mich nicht, aber die anderen sind auch
44Hast du das immer noch nicht kapiert? nicht besser. → –/–
44Ich trau mich nicht, aber die anderen sind auch 44Ich akzeptiere konstruktive Kritik und bin
nicht besser. bereit, aus meinen Fehlern zu lernen. → +/+
44Ich akzeptiere konstruktive Kritik und bin 44Das funktioniert doch nie im Leben! → +/–
bereit, aus meinen Fehlern zu lernen. 44Du bist auf dem richtigen Wege, mach es weiter
44Das funktioniert doch nie im Leben! so. → +/+
254 Kapitel 19 · Kommunikation in Pflegebeziehungen
44Das kann ja gar nicht gehen. → +/– Gesunde und ungesunde Symbiose
44Niels ist genauso blöd wie ich. → –/– Symbiosen sind definiert als enge Beziehungen zwi-
44Was hat der denn wieder gemacht? → +/– schen zwei Individuen zum gegenseitigen Nutzen.
44Die sind doch alle unfähig, da müsste man doch Aus dem Tierreich sind viele solcher Beziehungen
mal mit dem eisernen Besen fegen? → +/– bekannt, z. B. die Putzerfische. Der große Raub-
44Mir wird richtig schlecht, wenn ich da fisch öffnet sein Maul und die Putzerfische schwim-
zuschaue! → +/– men hinein, um sich von den Speiseresten zwischen
44Das kriegst du bestimmt hin! → +/+ den Zähnen zu ernähren. Der Raubfisch frisst sie
nicht und das nutzt beiden. Auf Flusspferden sieht
man häufig Schwärme von Vögeln, die sich von den
Verdeckte Transaktionen Maden in den Hautfalten ernähren. Das Flusspferd
Die vier Ebenen der Kommunikation, dargestellt in hält still. Diese Symbiosen sind gesund.
dem Modell von Schulz v. Thun, werden durch die Auch in menschlichen Beziehungen findet man
genauere Betrachtung der Ich-Zustände noch einmal solche Symbiosen. Eine Darstellung mit Hilfe der
verfeinert. So lassen sich z. B. nicht so häufig vorkom- Ich-Zustände macht das deutlich: Eine Mutter ver-
mende Kommunikationsformen mit Hilfe der Kreise sorgt ihr kleines Kind mit ihrem Eltern-Ich und
und Pfeile darstellen, etwa verdeckte Transaktionen Erwachsenen-Ich, weil das Kind noch nicht über
(. Abb. 19.11). diese Ich-Zustände verfügt. Dann sind alle drei Ich-
Zustände in diesem System wieder vorhanden und
Beispiel das System funktioniert.
„Wir haben hier ein neues Beatmungsgerät bekom- Auch in einer Pflegebeziehung setzt die Pfle-
men. Das hat viele neue Knöpfe und Schalter. Bei gekraft ihr hilfsbereites Eltern-Ich und fachkundi-
dem sollte man erst die Gebrauchsanweisung lesen, ges Erwachsenen-Ich ein, während der Patient auf
bevor man es einschaltet!“ Grund seiner Krankheit über sein EL und ER nicht
voll verfügen kann. Damit funktioniert das System
Diese Äußerung enthält außer der sachlichen Mittei- im Moment, aber auf Dauer und mit zunehmender
lung über das neue Gerät an das Erwachsen-Ich eine Gesundung des Patienten wird die Symbiose unge-
Warnung an das freie Kind-Ich, das Gerät nicht nach sund und dann werden die Probleme deutlich. Das
Versuch und Irrtum zu bedienen. Solche verdeckten Erwachsenen-Ich und das Eltern-Ich des Patien-
Transaktionen kommen sehr häufig im beruflichen ten kommen zu kurz. Um das zu vermeiden, setzt
Alltag vor. Sie enthalten das, was man im vier-Oh- man das Konzept der selbstaktivierenden Pflege ein.
ren-Modell auf der Beziehungsebene wahrnehmen Ebenso kommt aber auch das Kind-Ich der Pflege-
kann, was man sich aber häufig nicht deutlich aus- kraft in dieser Symbiose zu kurz. Das Kind-Ich aber
zusprechen traut. ist die Quelle der Kreativität und Lebensfreude.
19
19.5 · Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse
255 19
Dagegen hilft nur, dass sich die Pflegekraft selbst um Verträge
sich kümmert und für einen angemessenen Aus- Verträge sind uns bekannt aus der Politik, der Wirt-
gleich in ihrer Familie oder in ihren Hobbys schafft. schaft oder privaten Beziehungen, z. B. der Ehever-
trag oder ein Therapievertrag bei einer medizini-
Beispiel schen Behandlung. Kennzeichen von Verträgen sind,
Die Pflegekraft hat gerade bei dem wachen und an- dass beide Partner gleichwertig sind und ihn gemein-
sprechbaren, beatmeten Patienten ihre Pflegetätig- sam ausgehandelt haben, bis sie mit dem Inhalt des
keit beendet und möchte das Zimmer verlassen. Da Vertrages einverstanden sind. Auch in kleinen Kom-
streckt der Patient seinen Arm aus und hält einen munikationsabläufen kann man in jeder Vereinba-
Zipfel der Kleidung fest und versucht, die Pflege- rung oder Abmachung einen Vertrag sehen.
kraft am Gehen zu hindern. In der Transaktionsanalyse spielen Verträge eine
große Rolle, denn sie setzen voraus, dass jeder Ver-
Zwei typische Reaktionen sind denkbar: tragspartner sich beim Aushandeln des Vertrages in
a. Die Pflegekraft reagiert ärgerlich aus dem seinem Erwachsenen-Ich-Zustand (ER) befindet,
Kind-Ich heraus und versucht, die Hand des er also in vollem Bewusstsein und mit seiner klaren
Patienten von seiner Kleidung zu lösen und Denkfähigkeit handelt. Wünsche und Bedürfnisse
sagt dabei: „Nicht, lassen Sie das, ich muss aus dem Kind-Ich (K) und moralische Bedenken
weiter … “r aus dem Eltern-Ich (EL) werden offen benannt, um
b. Die Pflegekraft dreht sich um, legt ihre Hand heimliche Trübungen des Denkens zu vermeiden. Der
auf den Unterarm des Patienten und sagt: „ dann ausgehandelte Vertrag sollte beide Seiten zufrie-
… ich merke, Sie haben noch einen Wunsch. den stellen. Andersherum kann man auch jemanden
Wie kann ich Ihnen den Wunsch erfüllten? durch das Aushandeln eines Vertrages auffordern, in
Können Sie mir Ihren Wunsch mittels Gesten sein Erwachsenen-Ich (ER) zu gehen, also klar und
verständlich machen?“ Dabei benutzt sie ihr nüchtern zu denken. Das setzt voraus, dass beide
Erwachsenen- und ihr Eltern-Ich, während der Partner ihr Gegenüber respektieren, bereit sind, ihm
Patient sich im hilflosen Kind-Ich befindet. zuzuhören und seine Position zu verstehen versuchen.
So hat sich in kritischen Pflegesituationen be-
währt, eine Auseinandersetzung zu unterbrechen,
Rabattmarken-Modell bevor sie hitzig wird, und in einem Schritt zurück
Viele Menschen habe die Angewohnheit, in Situ- noch einmal die Positionen zu klären. In der Bereit-
ationen, in denen sie unangenehme Gefühle, z. B. schaft zum Zuhören zeigt sich oft auch eine Wert-
Ärger oder Angst erlebt haben, zu schweigen und schätzung des Gegenübers, was diesen veranlasst,
diese Gefühle für sich zu behalten. Das Modell der sich zu beruhigen.
Rabattmarken (engl. Rackets) sagt dazu, sie kleben
sich dann, anstatt den Ärger zu äußern, eine Rabatt- Beispiel
marke in ihr imaginäres Rabattmarkenheft. Ist nun In der Beatmeten-Wohngemeinschaft lebt seit fünf
das Heft eines Tages voll, passt z. B. die letzte Ärger- Monaten ein junger Mann. Seine Spontanatmung
marke nicht mehr hinein, kommt es zu einem hef- beträgt einmal sieben Minuten am Tag, an guten
tigen Eklat. Das ganze Heft, der ganz gesammelte Tagen erreicht er zweimal bis zu zehn Minuten. Im
Ärger wird gleichsam in dieser Situation einge- Zusammenleben mit den anderen Bewohnern fällt
tauscht. Sicher hat jeder schon einmal solche Eklats jedoch sein passives und mürrisches Verhalten auf.
erlebt, bei denen alle Umstehenden meinten: „Mein Seit einigen Wochen arbeitet ein neu eingestellter,
Gott, so schlimm war das gerade doch gar nicht!“ etwa gleichaltriger Fachkrankenpfleger mit ihm.
Daraus ergibt sich die Forderung für professio- Diesem gelingt es über seinen persönlichen freund-
nelles kommunikatives Handeln, dass man auf sich lichen Umgang, den Beatmeten zum ersten Mal zu
selber achtet und Ärger in den Situationen, in denen einem Lächeln zu bewegen. Am Abend steht ein
er entsteht, möglichst bald anspricht und sich keine spannendes Fußballspiel an. Der Pfleger verspricht
Marken einklebt. Auch damit sorgt man für sich ihm, gemeinsam mit ihm das Spiel im Fernsehen an-
selbst. zusehen, wenn er sich aus seinem Zimmer bewegt,
256 Kapitel 19 · Kommunikation in Pflegebeziehungen
Überwachung und
pflegerische Versorgung
des Patienten und der
Beatmung
Kapitel 20 Hygiene – 259
Michael Thoms
Hygiene
Michael Thoms
Beatmungssystem 7 Tage Bei infektiösen Erkrankungen müssen diese in Rücksprache mit der
(trocken) Hygiene evtl. geändert werden.
Beatmungssystem 48 Std.
(feucht)
Aqua (steriles Wasser) 7–30 Tage Wechsel beim neuen Patient, hier Herstellerangaben beachten, das
Intervall liegt am verwendeten Produkt.
Absaugung 24 Std. Geschlossene Systeme können bis zu 7 Tagen am Patienten bleiben.
Beatmungsfilter (HME) 24 Std.
Inhalationen/Vernebler 24 Std.–6 Wochen Diese Differenz liegt an den einzelnen Komponenten, so haben z. B.
Filter eine Standzeit von 7 Tagen, Verbindungsstücke 6 Wochen und
Verneblerkammern nur 24 Std.
nach Herstellerangaben im Normalfall einmal im mit Kernseife entfernt werden. Bei allem jedoch stets
Monat gewechselt werden. Wenn es sich, wie z. B. auf die Herstellerangaben achten!
im CPAP-Bereich, um Schlauchsysteme aus haltba-
ren Materialien handelt, gibt es auch deutlich andere Praxistipp
Wechselintervalle. Diese Schläuche können Zuhause
durchaus ein Jahr lang genutzt werden. Das Schlauchsystem immer zuerst am
Patienten entfernen und dann am Gerät,
das neue System wird dann zuerst am Gerät
20.3.4 Systemwechsel angeschlossen und erst danach am Patienten.
Wichtig ist es, mit Ruhe zu arbeiten und den
Das hygienische Arbeiten beim Systemwechsel ist Patienten über das Vorgehen zu informieren.
Voraussetzung für eine Vermeidung von Infektio-
nen. Hier gelten die Grundregeln:
44Das System darf nicht nach dem Vorbereiten in
das Patientenbett gelegt werden. In Patienten- 20.4 Schläuche mit
betten könnten sich Keime befinden, die der Atemgasbefeuchter
Patient noch nicht in den Atemwegen hat.
44Die Schläuche dürfen nicht mit dem Boden Diese sind im Krankenhaus fast völlig verschwun-
in Berührung kommen. Gerade die Böden in den. Das Problem bestand dabei darin, dass Aqua
stationären Einrichtungen und Krankenhäuser angewärmt werden musste, um es dann bei der Ins-
enthalten oftmals eine Vielzahl von Keimen. piration dem Patienten zuzuführen. Dadurch sollte
der Patient pulmonal nicht zu trocken und Pneumo-
> Jedes System, das kontaminiert wurde, darf nien vermieden werden. Das Problem war jedoch der
nicht mehr benutzt werden, sondern muss unsachgemäße Umgang. So konnte zu warmer Was-
sofort entsorgt werden. serdampf entstehen, was die Lunge schädigte, aber
auch zu einer Kontamination führen konnte, da sich
Beim hygienisch korrekten Vorgehen wird das neue Keime gerade in einem feuchten und warmen Milieu
System zuerst zusammengebaut und dann entweder sehr wohlfühlen und sich reichlich vermehren. Und
auf eine sterile Unterlage gelegt oder so in der Hand diese Voraussetzungen erfüllen die Atemgasbefeuch-
gehalten, dass es nicht zur Kontamination kommt. ter. Gerade in Krankenhäusern, wo es eine Vielzahl
Danach wird das zu wechselnde System entfernt und von Keimen gibt, können sich diese bei nur gerings-
das neue System angeschlossen. Neben dem hygieni- ter Unsauberkeit sehr stark vermehren.
schen Arbeiten spielt die Zeit hier eine Rolle. Es sollte
zügig und ruhig gewechselt werden. Hektische Sys- > Wichtig ist, dass beim Einsatz von
temwechsel führen oft zur Kontamination. Auch die Beatmungssystemen mit Befeuchter keine
Patienteninformation trägt zum ruhigen Arbeiten HME-Filter verwendet werden. HME-Filter
bei und vermittelt Sicherheit. würden das angefeuchtete Atemgas
behindern und die Feuchtigkeit würde sich
im Filter sammeln.
20.3.5 Mehrwegesysteme
20
20.7 · Trachealkanülenmanagement
267 20
der Exspiration ins Beatmungsgerät zurück werden. Einige Kliniken bieten eine Maskensprech-
(Strom und Nässe). stunde an, auch diese kann ein guter Anlaufpunkt
sein. Auf keinem Fall die Masken irgendwie flicken,
dass dieses die Funktion beeinträchtigen kann!
20.6 Beatmungsmasken
Praxistipp
Bei den Beatmungsmasken gibt es im Homecare-Be-
reich eine reichhaltige Auswahl. Von der einfachen Eine gut gepflegte Maske hält deutlich länger
Nasenmaske über die Mund-Nasen-Maske (Fullface) und ist für den Patienten im Tragekomfort
zur Total-Face-Maske oder den Beatmungshelm. deutlich angenehmer.
Egal, welches System verwendet wird, alle müssen
gereinigt werden und für alle gelten die gleichen
Voraussetzungen.
20.7 Trachealkanülenmanagement
z Homecare-Bereich
Beatmungsmasken finden heute neben der Schlaf- Als Trachealkanülenmanagement wird die Reini-
medizin zusätzlich ihre Anwendung im Heimbeat- gung und allgemeine Pflege einer Trachealkanüle
mungsbereich. Dabei werden die Masken im Kran- bezeichnet. Hier geht es aber nicht um den Ablauf
kenhaus verordnet und dem Patienten nach Hause eines Wechsels, sondern eher um den Zeitraum, wie
mitgegeben. Diese Masken müssen dort ein Jahr lang oft die Kanülen gewechselt werden sollten. Beim
halten, da die Krankenkassen diese nur einmal pro Zeitraum spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
Jahr ersetzen. Die Reinigung muss also Zuhause in So ist das Material, aus dem die Kanüle besteht, zu
einem festgelegten Abstand erfolgen, auch hierbei beachten, aber auch die Frage, ob es sich um eine
sind Herstellerangaben zu beachten. Es empfiehlt frisch angelegte Trachealkanüle handelt.
sich, diese einmal unter fließendem Wasser mit
Kernseife zu reinigen. Zur Reinigung werden die
Masken vorsichtig in ihre einzelnen Teile zerlegen 20.7.1 Liegezeiten
und mit einer kleinen Flaschenbürste werden die ein-
zelnen Komponenten reinigen. Danach gut abspülen Die Liegezeiten der Trachealkanülen sind von vielen
und zum Trocknen hinlegen. Punkten abhängig: Ist sie defekt oder lässt sie sich
noch gut blocken? Ist sie von innen mit Sekret ver-
> Nur Kernseife oder vom Hersteller krustet? Hat sie Innenseelen, die gewechselt und
angegebene Reinigungsmittel verwenden. damit gereinigt werden können? Ist es der erste
Die Parfümanteile im normalen Haushalts- Wechsel nach Anlage oder hat der Patient diese
reiniger können die Schläuche und Masken schon länger? Und letztendlich, was sagt der Her-
zerstören und sich in der Lunge ablagern. Für steller und der behandelnde Arzt Zuhause und/oder
die Reinigung kleine Bürsten, Schwämme in der Klinik? Um eine Vorstellung zu geben, hier
oder Tücher besorgen, die ausschließlich hier einige Richtzahlen:
verwendet werden. 44Vertreter von Firmen geben Liegedauer von
3–7 Tagen und von 1–2 Wochen an.
Wenn eine Maske beschädigt wird, was sich bei 44Ärzte im Homecare-Bereich geben Liegedauer
Kunststoff und einem regelmäßigen Gebrauch auch von 2–4 Wochen an.
nicht vermeiden lässt, sollte man sich umgehend an 44Im Intensivbereich werden Zeiträume nach
den Händler wenden. Krankenkassen übernehmen dem ersten Wechsel zwischen 14 Tage und
in den meisten Fällen eine neue Maske, ansonsten 2,5 Monaten gehandelt. Hier jedoch bleibt es
können viele Masken auch vom Händler repariert meistens bei 4 Wochen.
268 Kapitel 20 · Hygiene
z Gerätefilterwechsel
Viele Beatmungsgeräte im Homecare-Bereich haben
> In einigen Bereichen werden Reinigungs- eine Zeituhr, die anzeigt, wann ein Geräteschutzfil-
tabletten wie die für dritte Zähne verwendet. ter zu wechseln ist. Dabei haben die Geräte in einigen
Davon ist strikt abzuraten, da die Hersteller Baureihen einen Grobstaubfilter, in andere einen Fein-
der Reinigungstabletten und die Hersteller staubfilter. Der Grobstaubfilter muss je nach Herstel-
der Trachealkanülen jede Verantwortung lerangaben zwischen einmal pro Woche bis einmal pro
ablehnen! Monat gereinigt werden. Hierbei wird der Staub aus-
geklopft und anschließend unter fließendem Wasser
ausgespült. Die Homecare-Geräte haben meistens
20.8 Gerätepflege einen Ersatzfilter, der im Austausch zum Einsatz
kommt. Der Grobstaubfilter wird zwischen einmal
Die Pflege der Geräte im Beatmungsbereich ist ein im Monat und einmal pro Jahr gänzlich erneuert.
Aspekt, der nur zu oft nicht ausreichend berücksich- Beim Feinstaubfilter handelt es sich meistens
tigt wird. Egal, ob in der Klinik oder Zuhause, ein um eine Filterkassette. Doch egal, ob es eine Kas-
sauberes Gerät ist weniger störanfällig und es wird sette oder ein Vlies ist, das Gerät gibt den Wechsel-
auch eine Keimübertragung reduziert. intervall oft vor. Ansonsten gelten wie überall die
20
20.8 · Gerätepflege
269 20
Vorgaben der Hersteller, die meistens einen monat- Patienten. Wechsel von Feuer-Flowstop-Ventilen und
lichen Rhythmus vorgeben. anderen technischen Teilen dürfen nur vom geschulten
medizintechnischen Personal vorgenommen werden.
> Niemals feuchte Feinstaubfilter einsetzen! Die Reinigung der Geräte erfolgt auch hier wie
bei den Beatmungsgeräten am besten mit Kernseife.
Auch hier sollten grobe Verunreinigungen zeitnah
20.8.2 Cough Assist entfernt werden. Die Sauerstoffleitungen vom Gerät
zum Patienten sind als Einmalmaterial einmal im
Der Cough Assist ist ein Gerät, das Patienten bei halben Jahr zu wechseln, jedoch gelten auch hier die
Abhusten unterstützen soll. Dieses Gerät ist für Vorgaben der Hersteller.
Patienten konzipiert, die nicht mehr am Intensiv- Ein (klarer) Vorteil der Konzentratoren ist, dass sie
beatmungsgerät hängen. Es wird hauptsächlich im nicht so empfindlich in Bezug auf Nässe sind. Ledig-
Homecare-Bereich eingesetzt. Die Reinigung und lich die Filter sind nur trocken zu verwenden, damit
hygienische Aufbereitung mit Systemwechsel hat keine Feuchtigkeit ins Gerät gelangt. Die Aqua-Einhei-
die gleichen Grundregeln wie beim Beatmungsgerät. ten sind einmal pro Monat zu erneuern oder sobald sie
Der Systemwechsel ist leichter, da es sich nicht leer sind. Bei Nachfüll-Systemen darf ausschließlich
um einen kontinuierlichen Geräteeinsatz handelt, medizinisch zugelassenes Aqua verwendet werden.
sondern um einen intermittierenden. Da auch der Auch die Nasenbrille sollte regelmäßig gereinigt und
Cough Assist einen HME-Filter und eine Gänse- gewechselt werden. Hier gelten die Angaben zwischen
gurgel hat, sind die bereits genannten Intervalle und einem Monat und einem Jahr. Auch hier geben die
Vorgaben auch hier gültig. Die eigentlichen Schläu- Angaben der Hersteller die maßgeblichen Zeiten vor.
che können zwischen einem Monat und einem Jahr,
je nach Herstellerangaben, belassen werden. z Flüssigsauerstoff
Die Tanks des Flüssigsauerstoffs werden durch die
versorgende Firma regelmäßig oder nach Bedarf des
20.8.3 Sauerstoffgeräte Patienten aufgefüllt. Hierbei nimmt die Firma gleich-
zeitig eine Kontrolle der wichtigsten Teile wahr. Ist
Bei den Sauerstoffgeräten gibt es zwei Funktions- etwas verunreinigt oder defekt, wird gleich Abhilfe
weisen: die Sauerstoffkonzentratoren und die Ver- geschaffen. Ansonsten ist die Reinigung im Homeca-
sorgung mit Flüssigsauerstoff. Beide Systeme müssen re-Bereich ähnlich dem von Sauerstoff-Konzentrato-
gereinigt werden und beide Systeme haben Schläu- ren. Der wesentliche Vorteil ist, dass mehr Sauerstoff
che zum Wechseln. verabreicht werden kann. Nachteil ist, dass es durch
die Kälte des Sauerstoffes viel Kondensationswasser
z Sauerstoffkonzentratoren gibt. Es muss darauf geachtet werden, dass der Tank
Sauerstoffkonzentratoren sind die am häufigsten ein- dicht ist! Hier mit möglichst wenig Flüssigkeit arbei-
gesetzten Geräte, um dem Patienten Zuhause Sauer- ten, da es zu Eisbildungen kommen kann.
stoff zu verabreichen. Diese Geräte filtern aus der
umgebenden Raumluft den Sauerstoff und geben ihn > Niemals bei der Sauerstofftherapie
dann an den Patienten weiter. Dies ist nur bis zu einer gleichzeitig Feuer verwenden!
bestimmten Litermenge machbar. Die Geräte arbeiten
mit Filtern, die regelmäßig wie die Fein- und Grob-
staubfilter der Beatmungsgeräte gewechselt werden 20.8.4 Absauggeräte
müssen. Ein verunreinigter Filter kann Staub und
andere Partikel nicht voll zurückhalten, sodass diese Wie im klinischen Bereich gelten auch im Homeca-
dann ins Gerät gelangen können und damit auch zum re-Bereich gerade für die Absaugeinheiten besondere
270 Kapitel 20 · Hygiene
Richtlinien. Da sich in den Behältern mit dem abge- Vom RKI wird folgender Ablauf zur Desinfektion
saugten Sekret viele Keime sammeln und vermehren, der Hände empfohlen:
müssen diese täglich erneuert werden. Die Absaug- 1. Desinfektionsmittel auf die Handfläche geben
katheter hingegen sind ausschließlich Einmalmate- und verreiben.
rial und werden nach jeder Benutzung entsorgt. 2. Handfläche auf Handrücken im Wechsel für
Eine Ausnahme gibt es hier auch bei den soge- beide Hände.
nannten geschlossenen Absaugungen. Diese Absau- 3. Handfläche auf Handfläche mit verschränkten,
gungen sind fest auf der Trachealkanüle gesteckt und gespreizten Fingern.
mit der Absauganlage verbunden. Sie sollten nach 4. Außenseite der Finger auf gegenüberliegende
den Vorgaben der Hersteller alle drei bis spätestens Handfläche mit verschränkten Fingern.
vier Tagen gewechselt werden. 5. Kreisendes Reiben der Daumen in der
geschlossenen Handfläche für beide Hände.
> Bei Absaugmaterial handelt es sich mit 6. Kreisendes Reiben hin und her mit geschlos-
wenigen Ausnahmen um Einmalmaterial, das senen Fingerkuppen in der hohlen Hand für
entsorgt und nicht gereinigt wird. beide Hände.
Die Halterungen der Absauganlagen sollten täglich > Ein beatmeter Patient ist immer abwehrge-
gereinigt werden. Auch hier ist im Homecare-Be- schwächt. Durch die Beatmung können die
reich Kernseife das Mittel der Wahl. Keime sehr viel leichter auch in tiefe Areale
der Lunge eindringen. Darum fangen die
Hygiene und das hygienische Arbeiten beim
20.9 Händewaschen Händewaschen an.
Ein wichtiger Bereich der Hygiene ist das Händewa- > Hygiene ist nicht nur die Desinfektion im
schen. Seife löst die Keime und sorgt dafür, dass sie Krankenhaus, sondern die beste Vorbeugung
unter fließendem Wasser abgespült werden können. für die Gesundheit des Patienten und den
Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung Schutz des Materials.
hat hierzu eine Empfehlung herausgegeben. Dabei
sollten die Hände ca. 30–40 Sekunden lang mit Seife Fazit
gründlich eingeseift werden, besonders zwischen Die Hygiene ist gerade im Homecare-Bereich ein
den Fingern, da sich hier gerne Keime verstecken. häufig vernachlässigter Faktor, mit dem aber jeder
Anschließend gründlich unter fließendem Wasser Angehörige und die Mitarbeiter der Intensivpflege-
abspülen und dann gründlich abtrocknen. Hände- dienste einen wichtigen Anteil an der Prävention
waschen ist nicht nur nach dem Toilettengang oder von Krankheiten haben. Da Zuhause nicht die Des-
vor dem Essen wichtig, vor dem Kontakt mit Patien- infektionsmittel zur Verfügung stehen wie im Kran-
ten sorgt eine gründliche Händereinigung für eine kenhaus, empfiehlt sich zur Reinigung Seifenwasser,
gute Prävention vor Erkrankungen. das mit Kernseife hergestellt wurde. Da in originaler
Kernseife keine Parfüme oder andere Duftstoffe
z Händedesinfektion enthalten sind, schädigen sie auch nicht die Geräte
Für die Händedesinfektion gibt es in den Apothe- oder das Zubehör. Somit wird der unsachgemäße
ken verschiedene Händedesinfektionsmittel. Wichtig Gebrauch fast zur einzigen Quelle von Schäden an
ist gerade im häuslichen Bereich bei den mit Tra- dem Beatmungsequipment.
chealkanüle beatmen Patienten: Auch wenn sie
Zuhause in einem bekannten Keimmillieu leben,
können sie doch mit Keimen von außerhalb infiziert Weiterführende Literatur
werden. Desweiteren gilt auch für die Pflegenden der
20 Selbstschutz.
Aerogen - Informationsmaterial (Hygiene und Umgang im
Krankenhaus)
Weiterführende Literatur
271 20
Bode - Informationsmaterial (Risikobewertung im Kranken-
haus)
Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, www.infek-
tionsschutz.de (2016)
Covidien - Informationsmaterial (Heimbeatmungslösung,
Schlauchsysteme, Reinigung von Shiley-Kanülen, Respi
Flow, Standzeiten Aerodyne Omega, Standzeiten Masken,
Brillen und Schläuche, Wiederaufbereitung von Flutter)
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH)
und Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Inten-
sivmedizin e.V. (DGAI) (Infektionsprävention)
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedi-
zin e. V. - Nichtinvasive und invasive Beatmung als Thera-
pie der chronischen respiratorischen Insuffizienz
Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung - Informations-
material (Leitlinie zur Validierung maschineller Reini-
gungs- Desinfektionsprozesse zur Aufbereitung thermo-
labiler Endoskope)
Dräger - Informatinsmaterial (Handbuch zur Aufbereitung von
Geräten und Zubehör)
Kassenärztliche Vereinigung Bayern (Hygienische Aufberei-
tung von Medizinprodukten, Verpackung von Medizin-
produkten)
Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) M-V, Abtei-
lung 3, Dezernat Krankenhaushygiene
Pflegewiki.de - Händedesinfektion
Robert Koch Institut (2016), www.rki.de
Robert Koch Institut - Händehygiene Richtlinien
Robert Koch Institut - Informationsmaterial (Empfehlung
Medizinprodukte)
Robert Koch Institut - Prävention der nosokomialen beat-
mungsassoziierten Pneumonie
Spectaris (Groß et al. 2012), Hygienische Aufbereitung von
Hilfsmitteln der respiratorischen Heimtherapie
Weinmann - Informationsmaterial (Poster Hygienische Auf-
bereitung)
Wilamed - Informationsmaterial (Atemgasbefeuchtung)
273 21
ΔP = 20 - 15 = 5 mbar
21.1.1 Normwerte
. Tab. 21.1
Ein Anstieg der Resistance geschieht bei Veren-
gungen der Atemwege gleich welcher Ursache. Mög-
liche Ursachen für eine erhöhte Resistance sind:
44Endotrachealtubus
44Hypersekretion der Atemwege
Alter Strömungswider-
stand R
Kann die Ursache der Atemwegsverengung nach Sinkt das Atemzugvolumen, droht eine Hypoventi-
Erhöhung des Pinsp später beseitigt werden, wird der lation. Diese ist am erhöhten pCO2-Wert in der Blut-
Atemwegswiderstand R sinken und das Atemzugvo- gasanalyse oder exspiratorisch als erhöhtes etCO2 zu
lumen Vt wieder steigen, sogar höher als angemes- erkennen.
sen. Nun kann der Pinsp wieder abgesenkt werden.
R ↑ → Vt ↓ und MV ↓ und etCO2 ↑
PEEP Hubvolumen�
C=
Eine Erhöhung der Atemwegswiderstände R kann endinspiratorischer − endexpiratorischer � Druck
auch durch den Kollaps der Atemwege oder der ∆V ml
= in�
Alveolen erfolgen. Kollabieren die Alveolen, ist die ∆P mbar
Belüftung gestört, keine O2-haltige Luft kann in die
Alveolen einströmen. Damit kann kein Sauerstoff Auch hier mag eine Skizze den Zusammenhang
aufgenommen werden; erkennbar am Abfall der O2- besser veranschaulichen (. Abb. 21.2).
Sättigung bzw. in der BGA am Abfall des pO2-Wer- Aus den gemessenen Drücken resultiert eine
tes (. Tab. 21.2). Druckdifferenz Δ P. Das Hubvolumen zwischen
diesen beiden Druckwerten wird in den Messwer-
R ↑ → Atemwege eng, Belüftung ↓ ten angezeigt, z. B. 700 ml. Das ist ΔV. Nun lässt sich
die Compliance errechnen:
R ↑ → pO2 ↓ Complianceberechnung: PCV
Pinsp (endinspiratorischer Druck): 20 mbar,
Der PEEP dient der Stabilisierung und dem Offen- PEEP (endexspiratorischer Druck): 5 mbar, Hubvo-
halten der Alveolen und Atemwege. Daher kann lumen 700 ml.
eine Erhöhung des PEEP dazu beitragen, die Alveo-
len und Atemwege offen zu halten. Die Belüftung Δ P = Pinsp – PEEP = 20 mbar – 5 mbar = 15 mbar
wäre wieder hergestellt und O2 kann wieder über
die Alveolen aufgenommen werden. 700 ml
∆V ml
C= = = 46, 66
∆P 15 mbar mbar
pO2 ↓ → PEEP ↑
21.2.1 Normwerte
∆V 700 ml ml
C= = = 35
∆P 20 mbar mbar
Altersabhängige Normwerte der Dehnungsfähigkeit
Moderne Respiratoren errechnen die Compliance sind in . Tab. 21.3 angegeben.
aus der laufenden druckkontrollierten Beatmung Ein Sinken des Compliance-Wertes weist auf eine
von Atemzyklus zu Atemzyklus aus, ebenso bei einer verminderte Dehnungsfähigkeit hin. Der Zeitraum,
druckregulierten Beatmung. in dem die Veränderung stattfindet, gibt Hinweise
Vergleich mit der Ruheatmung: Mit Hilfe der auf die zugrunde liegende Ursache (. Tab. 21.4).
Kontraktion von Zwerchfell und äußerer Zwischen-
rippenmuskulatur wird bei der Einatmung innerhalb
der Lungen ein kleiner Unterdruck von ca. -1 mbar 21.2.2 Auswirkung der Compliance
erzeugt. Während der Ausatmung erschlaffen Zwerch-
fell und äußere Zwischenrippenmuskulatur, die
inneren Zwischenrippenmuskeln kontrahieren. Dabei Druckkontrollierte Beatmung
entsteht ein kleiner Überdruck in dem Lungen von Bei der druckkontrollierten Beatmung werden die
ca. +1–2 mbar. Mit Hilfe dieses Druckunterschieds Beatmungsdrücke Pinsp und PEEP festgelegt. Von
gelingt es, ca. 700 ml Luft ein- und auszuatmen. Atemzyklus zu Atemzyklus werden immer die glei-
Complianceberechnung: Spontanatmung chen Drücke erreicht. Sinkt die Compliance C, die
Pinsp (endinspiratorischer Druck): -1 mbar, PEEP Dehnungsfähigkeit der Lunge, z. B. durch „schlechte“
(endexspiratorischer Druck): +1 mbar, Hubvolumen Lagerung, Infiltrate oder pulmonale Flüssigkeit, wird
700 ml. diese herabgesetzt sein. Bei gleichbleibendem Abstand
der Beatmungsdrücke, werden Atemzugvolumen und
Δ P = Pinsp – PEEP = -1 mbar – +1 mbar = Atemminutenvolumen sinken (. Tab. 21.5).
2 mbar
Die Lunge ist beim spontan atmenden, gesunden Innerhalb kürzester – rigider Thorax bei Husten
Zeit
Menschen deutlich dehnungsfähiger als bei einem – ungünstige Lagerung der
beatmeten Patient. Patienten
– Schmerzen
Über Stunden oder – pulmonale Flüssigkeit
. Tab. 21.3 Compliance – Normwerte
Tage – Infiltrate
Alter Dehnbarkeit der Lunge C – Alveolarkollaps
– erhöhter intraabdomineller
Erwachsene > 50–100 ml/mbar
Druck
10-Jährige ca. 25
Längerfristig – struktureller Umbau der
Neugeborene ca. 2,5 Lunge
21.2 · Compliance
279 21
C ↓ → Lunge unzureichend Hierdurch kann es zum Sinken von Atemzugvolu-
dehnungsfähig men und Atemminutenvolumen kommen.
Sinkt das Atemzugvolumen, droht eine Hypoventi- C ↓ → Vt gleich, aber Druck ↑ → Plimit
lation. Diese kann mit Hilfe eines erhöhten pCO2-
Wertes in der Blutgasanalyse oder als exspirato- Kann die Ursache der verringerten Dehnungsfähig-
risch als erhöhtes etCO2 gemessen werden. Kann keit behoben werden, steigt die Compliance C und
die Ursache der verringerten Dehnungsfähigkeit der Beatmungsdruck sinkt.
behoben werden, steigt die Compliance C, Atem-
zugvolumen und Minutenvolumen werden wieder
steigen. Druckunterstützende Beatmung
Bei der druckunterstützenden Beatmung werden
C ↓ → Vt ↓ und MV ↓ und etCO2 ↑ die Beatmungsdrücke ASB/PS und PEEP festge-
legt, die in jedem Atemzyklus erreicht werden.
Kann die Ursache zunächst nicht beseitigt werden, Sinkt die Compliance C, ist die Dehnungsfähigkeit
sollte der Pinsp vorsichtig erhöht werden, bis für den der Lunge herabgesetzt. Daher werden bei gleich-
Patienten ein angepasstes Atemzugvolumen erreicht bleibendem Abstand der Beatmungsdrücke Atem-
wird. zugvolumen und Atemminutenvolumen sinken
(. Tab. 21.5).
C ↓ → Vt ↓ und MV ↓ → Pinsp ↑
C ↓ → Lunge unzureichend
Kann die Ursache der verringerten Dehnungsfähig- dehnungsfähig
keit nach Erhöhung des Pinsp später beseitigt werden,
wird die Compliance C steigen. Ebenso das Atem- C ↓ → Vt ↓ und MV ↓
zugvolumen, sogar höher als angemessen. Dann
sollte der Pinsp wieder abgesenkt werden. Sinkt das Atemzugvolumen, droht eine Hypoventi-
lation. Diese wird mittels erhöhtem pCO2-Wert in
der Blutgasanalyse oder erhöhtem etCO2 endexspi-
Volumenkontrollierte Beatmung ratorisch gemessen.
Bei der klassischen volumenkontrollierten Beat-
mung wird ein vorbestimmtes Atemzugvolumen C ↓ → Vt ↓ und MV ↓ und etCO2 ↑
für den Patienten eingestellt. Dabei ist zunächst
nicht bekannt, wie hoch der Beatmungsdruck Der betroffene Patient kann aufgrund der verringer-
steigt, um das Atemzugvolumen zu gewährleisten. ten Dehnungsfähigkeit nicht ausreichend tief einat-
Sinkt die Compliance C, ist die Dehnungsfähig- men. Das Luftholen wird schwer und der Patient
keit der Lunge herabgesetzt und der Beatmungs- atmet zum Ausgleich schneller. Er wird tachypno-
druck steigt bei gleichbleibendem Atemzugvolumen isch. Die Tachypnoe kann ggf. die Hypoventila-
(. Tab. 21.5). tion ausgleichen. Das kostet Kraft und der Patient
kann sich erschöpfen. Er hat Angst oder Panik. Die
C ↓ → Lunge unzureichend Atmung wird „asynchron“, der Patient „kämpft“ mit
dehnungsfähig dem Respirator.
Der kann leider auch so hoch steigen, dass die Kann die Ursache zunächst nicht beseitigt werden,
Gefahr der Lungenschädigung entsteht. Um das sollte der ASB/PS vorsichtig erhöht werden, bis für
zu vermeiden, muss der Druck begrenzt werden den Patienten ein angepasstes Atemzugvolumen
(Plimit). Es resultiert eine druckbegrenzte Beatmung. herauskommt.
280 Kapitel 21 · Resistance und Compliance
Kontrollmechanismen und
Steuerungsarten
Hartmut Lang
22 Je nach Beatmungsform werden einzelne Variablen So ergeben sich für die einzelnen Beatmungsformen
vom Respirator konstant gehalten (. Tab. 22.1). die Mischformulierungen:
44VCV ist einevolumenkontrollierte zeitge-
steuerte Beatmungsform, d. h., es wird mit
22.2 Steuerungsarten der Beatmung jedem Atemhub ein vorgestimmtes Volumen
verabreicht und die Inspiration endet nach
Steuerungsarten beziehen sich auf den Atemzyklus, einer vorbestimmten Zeit.
also wann Inspiration und Exspiration beginnen und 44PCV ist eine druckkontrollierte zeitgesteuerte
enden. Steuerungsvariablen sind Begrenzungsvariablen Beatmungsform. Auch hier ist die Dauer der
über den Ablauf der Inspiration (. Tab. 22.2). Es werden Inspiration vorbestimmt. Bei jedem Atemhub
obere Grenzen für Druck, Volumen und Zeit angege- wird ein vorbestimmtes Luftdruckniveau nicht
ben, die nicht überschritten werden können. Bei Flow- überschritten. Die Menge der Luft ist dabei
steuerung beendet eine untere Grenze die Inspiration. variabel.
Drucksteuerung Während der Inspiration wird der Druck so lange aufgebaut, bis ein bestimmter Wert erreicht ist.
Sobald dieser Druck erreicht ist, stellt die Beatmungsmaschine von Inspiration auf Exspiration um.
Es gibt keine inspiratorische Pause.
Volumensteue- Das Beatmungsgerät schaltet von Inspiration auf Exspiration um, sobald das vorbestimmte
rung Volumen verabreicht wurde, ohne inspiratorische Pause.
Gefahr: Die Inspirationsphase ist dann beendet, wenn ein vorgegebenes Volumen abgegeben
wurde, egal wo das Volumen bleibt, z. B. bei einer Leckage. Dabei wird das Volumen zwar abge-
geben, aber es erreicht den Patienten nur zu einem Teil. Dadurch Hypoventilationsgefahr
(→ volumengesteuerte Beatmung findet heute keine Anwendung mehr, wird jedoch häufig mit
der volumenkontrollierten Beatmung verwechselt).
Zeitsteuerung Inspiration und Exspiration stehen in einem bestimmten zeitlichen Verhältnis. VCV und PCV arbei-
ten mit einer Zeitsteuerung. Sie wird durch das Atemzeitverhältnis I:E bzw. T insp angegeben.
Flowsteuerung Bei Unterschreiten einer bestimmten Flussgeschwindigkeit, eines bestimmten Flows, wird die
Inspiration beendet und die Exspiration eingeleitet.
Funktioniert bei modernen Respiratoren nur im Spontanatemmodus, nicht im mandatorischen
Beatmungsmodus und nur nach Triggerung. Durch Triggermechanismen wird erkannt, der
Patient möchte einatmen. Durch die Flowsteuerung wird erkannt, dass der Patient auch wieder
ausatmen möchte.
Weiterführende Literatur
285 22
44PSV ist einedruckkontrollierte flowgesteuerte
Beatmungsform. Ein vorbestimmtes
Luftdruckniveau wird nicht überschritten.
Die Inspiration endet in Abhängigkeit von
der Geschwindigkeit des inspiratorischen
Luftstroms.
44AVAPS/IVAPS ist eine Mischform
vonvolumengarantierter zeitgesteuerter
Beatmungsform und druckkontrollierter
flowgesteuerter Beatmung
Weiterführende Literatur
. Abb. 23.1 Sinusflow bei links Spontanatmung (schnelle Einatmung: gestrichelte Linie); konstanter Flow mittig bei
volumenkontrollierter Beatmung; dezelerierender Flow rechts bei druckkontrollierter Beatmung (eigene Darstellung,
Bearbeitung Isabel Guckes)
23.2 · Flow bei volumenkontrollierter Beatmung
289 23
damit das obere Luftdruckniveau gehalten werden renden Flow erzeugen, kommen der physiologischen
kann, so ist der Flow = 0. Die exspiratorische Luft- Atmung näher als volumenkontrollierte Beatmungs-
stromkurve zeigt bei allen Beatmungsmodi die ähn- formen mit konstantem Flow. Daher ergeben sich
liche Form. Während der Exspiration fließt die Luft mehrere Vorteile des dezelerierenden Flows:
aus dem Patienten hinaus. Die Flowkurve ist im nega- 44Spitzendruck wird vermieden.
tiven bzw. unteren Bereich. Da bei der Exspiration 44Beachtung von Resistance und Compliance.
nur das Ventil geöffnet wird, ist der exspiratorische 44Überdehnung gut belüfteter Alveolen wird
Flow zu Beginn sehr hoch. Er nähert sich aber rasch vermindert.
der Null. Ab dem Zeitpunkt, an dem der Flow erneut 44Verhindern der Pendelluft in Lungenarealen
Null ist, nennt man diese Phase auch Nullflowphase. mit verminderter Dehnungsfähigkeit
(7 Abschn. 10.4.2).
> Werden Einschlauch-Beatmungssysteme 44In Lungenarealen mit erniedrigter Compliance
verwendet, wird i. d. R. nur die inspiratorische wird der Alveolareröffnungsdruck bereits zu
Flowkurve angezeigt, denn es fehlt ein Beginn der Inspiration erreicht.
Sensor, der den exspiratorischen Luftstrom
misst.
23.2 Flow bei volumenkontrollierter
Beatmung
23.1.1 Aussagen von Flowkurven
23
recht erhalten bleibt. Dadurch kommt es gar nicht zur Die Rampe kann auch flacher sein, der Anstieg
Entwicklung eines Spitzendrucks. ist langsamer, z. B. innerhalb von 0,3–0,5 Sekunden
bzw. wenn eine höhere Stufe eingestellt ist (Stufe 3–5,
7 Kap. 9) (. Abb. 23.3 rechts). Dann wird der Flow
23.3 Flow bei druckkontrollierter langsamer ansteigen, sein Maximum wird etwas
Beatmung später erreicht. Es entsteht ein Luftfluss, dessen
Anstieg insgesamt langsamer und niedriger ist.
23.3.1 Flowverhalten bei
unterschiedlich steiler Rampe
23.3.2 Flowverhalten bei
Die Rampe definiert, innerhalb welcher Zeit der Beat- unterschiedlich hohem Pinsp
mungsdruck Pinsp erreicht sein soll. Das kann schnell
geschehen, z. B. innerhalb von 0,0–0,1 Sekunde bzw. Die Höhe des Pinsp wird so eingestellt, dass ein
wenn eine niedrige Stufe eingestellt ist (Stufe 1–2, adäquates Atemzugvolumen für den Patienten
7 Kap. 9) (. Abb. 23.3 links). Dann wird der Flow sehr erzeugt wird. Der Pinsp ist daher individuell unter-
schnell gefördert und erreicht sein Maximum sehr schiedlich hoch. Je höher der Pinsp eingestellt wird,
rasch. Es entsteht ein schneller und hoher Luftfluss. desto schneller wird der Flow sein (. Abb. 23.4 links).
23.3 · Flow bei druckkontrollierter Beatmung
291 23
. Abb. 23.3 Flowverhalten bei unterschiedlich steiler Rampe. Steile Rampe bzw. schneller Anstieg → schneller hoher Flow
(links) und flache Rampe bzw. langsamer Anstieg → langsamer niedriger Flow (rechts) (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel
Guckes)
. Abb. 23.4 Flowverhalten bei unterschiedlich hohem Pinsp. Hoher Pinsp, schneller hoher Flow (links), niedriger Pinsp, schneller
aber niedriger Flow (rechts) (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
Der Flow wird schnell gefördert und erreicht sein 23.3.3 Flowkurve bei zu kurzer
Maximum sehr rasch. Es entsteht ein hoher Luftfluss. Exspirationszeit
Je niedriger der Pinsp eingestellt wird, desto niedri-
ger wird der Flow sein (. Abb. 23.4 rechts). Der Flow Bei zu kurzer Exspirationszeit geht der Flow nicht auf
wird auch rasch ansteigen, sein Maximum wird aber Null zurück (. Abb. 23.5 gestrichelte Linie). Die Exspi-
niedriger sein. Es entsteht ein Luftfluss, der insgesamt rationszeit ist zu kurz für eine vollständige Exspira-
langsamer ist. tion. Daraus resultiert ein „intrinsischer PEEP“.
292 Kapitel 23 · Flow und Flowkurven
23
Es wird nicht die gesamte Luft ausgeatmet, die 23.3.4 Flowkurve bei zu kurzer
sich in den Lungen befindet, sondern es verbleibt Inspirationszeit
ein Restvolumen. Das addiert sich bei der nächsten
Inspiration mit dem dabei verabreichten Luftvolu- Der dezelerierende Flow wird während der ganzen
men. Es entsteht ein dauerhafter positiver innerer Zeit der Inspiration aufrechterhalten. Am Ende der
Luftdruck, der sog. „intrinsischer PEEP“ bzw. der Inspiration geht er jedoch nicht gegen Null zurück
„intrinsic PEEP“, auch „Auto-PEEP“ genannt. (. Abb. 23.6 gepunktete Linie), sondern bleibt positiv.
Der Unterschied zum eingestellten PEEP besteht Dann beginnt die Exspiration, die Luft wird abgelas-
darin, dass er mittels Beatmung erreicht wird. Bei sen. Es erscheint ein „Treppenabsatz“ in der inspira-
dem klinisch relevanten APRV–Beatmungsmodus torischen Flowkurve.
(Airway Pressure Release Ventilation) macht man In diesem Fall wurde die Dauer der Inspirations-
sich das zunutze, denn dort werden die Exspirations- zeit zu knapp bemessen. Sie reicht nicht aus, um das
phasen mit Absicht kurz gehalten, um einen thera- mit dem eingestellten Druck erreichbare Volumen
peutisch höheren PEEP zu erzeugen. zu verabreichen → Lungenareale mit erniedrig-
Vorsicht bei der Parameter-Einstellung, denn ter Dehnungsfähigkeit werden nicht ausreichend
dieses Flowverhalten tritt auf bei: ventiliert.
44Erhöhung der Atemfrequenz bei gleichblei- Vorsicht bei der Parameter-Einstellung, denn
bender Zeit für Tinsp dieses Flowverhalten tritt auf bei:
44Verkürzung der Exspirationszeit 44Erhöhung der Atemfrequenz bei gleichblei-
44Risiko, wenn das I:E-Verhältnis kleiner ist als bendem I:E
1:1,5 bzw. auch bei umgekehrtem I:E, bei der die 44Verringerung der Zeit für Tinsp
Einatemzeit länger dauert als die Ausatemzeit.
23.3 · Flow bei druckkontrollierter Beatmung
293 23
. Abb. 23.6 Flowkurve bei zu
kurzer Inspirationszeit, gepunktete
Linie endinspiratorischer Flow (eigene
Darstellung, Bearbeitung Isabel
Guckes)
23
Eigenleistung bei der Atmung erzeugen. Tut er das, zusätzlichen Beatmungshub auslösen.
so entsteht ein leichter Unterdruck. Das Erreichen Damit übersteigt die Anzahl der gemessenen
einer vorbestimmten Schwelle (. Abb. 23.8 gestri- Beatmungshübe die Anzahl der im Menü
chelte Linie in der oberen Druckkurve) wird vom eingestellten Beatmungshübe.
Respirator erkannt und nun wird atemsynchron der 44Bei vielen Heimbeatmungsgeräten älterer
Beatmungsdruck Pinsp verabreicht. Bauart übernimmt der Drucktrigger im Modus
Diese Druckkurve ist zur besseren Kenntlichkeit A-PCV die gleiche Funktion.
übertrieben dargestellt, denn am Respirator wird in 44Bei volumenkontrolliertem SIMV wird mit
der Regel ein Drucktrigger von –1 bis –2 mbar einge- Hilfe des Drucktriggers die Verabreichung der
stellt. Das ist auf der angezeigten Druckkurve meist Beatmungshübe an die Spontanatmung des
nicht erkennbar. Es kann auch eine Triggerstufe ein- Patienten angepasst und somit synchronisiert.
gestellt werden, die dann den Schwierigkeitsgrad Dadurch verändert sich ggf. das Atemzeitver-
wiederspiegelt, z. B. Stufe 1–2 eher leicht, Stufe 3–4 ist hältnis I:E ein wenig. Auch hier sind es meist
eher mittel bis schwer. Das kann auf der Druckkurve ältere Intensivrespiratoren, die den Drucktrigger
meist gar nicht erkannt werden. Atmet ein Patient aber noch keine Flowtriggerfunktion haben.
spontan ein, so wird ein leichter Unterdruck erzeugt,
der leicht unterhalb des PEEP-Niveaus sinkt. Das löst
gleichzeitig einen Luftfluss, einen Flow aus. Auch 23.3.7 Flowtrigger versus Drucktrigger
dieser ist oben zur besseren Kenntlichkeit übertrie-
ben dargestellt. Ein Drucktrigger funktioniert, indem das Beat-
Der Drucktrigger ermöglicht eine Synchronisation mungsgerät beim Beginn der Inspiration des Patien-
von kontrollierter Beatmung und Spontanatmung. ten das Inspirationsventil noch verschlossen hält.
Verwirklicht wird dies bei einigen Beatmungsmodi: Der Patient atmet also zunächst gegen ein geschlosse-
44Bei volumenkontrolliertem VCV kann ein nes Ventil ein. Der Luftfluss ist unterbrochen. Damit
Patient mit Hilfe des Drucktriggers einen kann das Gerät den Unterdruck messen, der bei der
23.4 · Flowkurve im PSV
295 23
. Abb. 23.8 Drucktrigger.
Triggerschwelle: gestrichelte Linie
in der oberen Druckkurve (eigene
Darstellung, Bearbeitung Isabel
Guckes)
Spontanatmung entsteht. Erst das Erreichen einer erzeugen, der zum Auslösen des Beatmungshubs
eingestellten Schwelle öffnet das Ventil. Die Einat- oder einer Luftdruckunterstützung bei der Spontan-
mung kann als „abgehackt“ oder als unterbrochen atmung (PSV) führt. Der Patient erhält folglich auch
empfunden werden. Das löst Asynchronität aus. keinen Beatmungshub. Hypoventilation ist dabei
Der Patient „zieht“ die Luft ein und muss darum das Risiko. Die Atemanstrengung ist erhöht und
kämpfen, „fighten“. Das wiederum erhöht die Atem- führt zur respiratorischen Erschöpfung.
anstrengung und kann zur raschen respiratorischen
Erschöpfung führen.
Ein Flowtrigger ermöglicht einem Patien- 23.4 Flowkurve im PSV
ten eine leichtere Spontanatmung. Das Inspira-
tionsventil ist jederzeit geöffnet, die Luft kann Die weitere Möglichkeit eines „Treppenabsatzes“ in
fließen. Bei der Inspiration muss der Patient die der Flowkurve gibt es im PSV. Hierbei ist die Dauer
Luft nicht stark „ziehen“. Der Luftfluss bei der Ein- der Inspiration nicht zu kurz, denn die wird im PSV
atmung ist nicht unterbrochen, sondern kontinu- gar nicht vorbestimmt, sondern dieser Treppenab-
ierlich vorhanden. Der Übergang bis zum Errei- satz ist gewollt. Grund ist die Steuerungsart der Beat-
chen der Flowtriggerschwelle und dem Übergang mung. Steuerungsarten bestimmen den Atemzyk-
zur Verabreichung des Beatmungshubes ist nahezu lus, also wann die Inspiration anfängt und wann sie
übergangslos. endet. ASB bzw. PSV ist eine flowgesteuerte Beat-
mungsform. Die unterschiedlichen Einflussfaktoren
Fazit werden nachfolgend dargestellt.
Für beide Triggerarten gilt: Die sensible Einstellung
der jeweiligen Triggerschwelle entscheidet über
den Erfolg einer Synchronität von Spontanatmung 23.4.1 Flowtrigger
und kontrollierter oder assistierter Beatmung. Ist die
jeweilige Schwelle zu groß eingestellt, kann der Pa- Im ASB/PSV erkennt der Respirator die Einatem-
tient entweder den Flow oder den Unterdruck nicht bemühungen des Patienten. Diese sollen unterstützt
296 Kapitel 23 · Flow und Flowkurven
werden. Atmet er ein, so entsteht ein kleiner Luftfluss. 23.4.2 Anstieg bzw. Rampe
Der Patient muss so kräftig einatmen, bis er einen
Flow erzeugt, der der eingestellten Triggerschwelle Es wird bestimmt, wie schnell die Luftdruckunter-
entspricht. z. B. 5 l/min. Erreicht der Patient diese stützung erreicht werden soll, bzw. wie schnell das
Schwelle, bekommt der die Druckunterstützung hohe Luftdruckniveau der Druckunterstützung
für seine Einatmung, die PS-Druckunterstützung erreicht werden soll. Das wird mit dem Beat-
23 (. Abb. 23.9). Erreicht der Patient diese Schwelle mungsparameter Anstieg bzw. Rampe eingestellt
nicht, so erhält er auch keine Druckunterstützung. (. Abb. 23.10).
. Abb. 23.9 Flowtrigger bei PSV (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
23.4 · Flowkurve im PSV
297 23
. Abb. 23.10 Anstieg bzw. Rampe. schneller Anstieg (links) und langsamer Anstieg (rechts) (eigene Darstellung, Bearbeitung
Isabel Guckes)
Meist wird eine kurze Zeit, z. B. 0–200 Millise- 44Patienten mit „restriktiven“ Lungenerkran-
kunden (ms) bzw. 0,0–0,2 s eingestellt. Das erleich- kungen profitieren ggf. davon.
tert einem Patienten mit geschwächter, erschöpfter
Atemmuskulatur die Atemarbeit. Je kürzer die Zeit Nachteil:
für den Anstieg bzw. Rampe gewählt wird, umso 44Patient muss mit Kraftanstrengung einatmen,
schneller wird das Luftdruckniveau der Druckunter- „Luft ziehen“
stützung erreicht. Und umso schneller wird der 44Gefühl, als käme gar keine Luft
Luftfluss (Flow), den das Beatmungsgerät erzeugt. 44Kann erneut Erschöpfung auslösen
Durchaus bis 60–80 l/min (1–1,3 l/s).
44Vorteil für den Patienten: Erleichterung der
Atemarbeit, wichtig bei vorhandener Atemnot. 23.4.3 Exspirationstrigger
44Nachteil: Teilweise empfindet der Patient die
Unterstützung als: „zu viel Druck“. Der Exspirationstrigger wird je nach Gerät anders
bezeichnet:
Je länger die Zeit für den Anstieg bzw. Rampe gewählt 44Exsp. Trigger
wird, umso langsamer wird das Luftdruckniveau der 44Tg (E)
Druckunterstützung erreicht und umso langsamer 44ETS
wird der Luftfluss (Flow), den das Beatmungsgerät
erzeugt. Ein Patient atmet im ASB- bzw. PSV-Modus spontan
Vorteil für den Patienten: und erhält eine Luftdruckunterstützung. Das Beat-
44Luft kommt nicht so schnell mungsgerät muss auch erkennen, wann die eigene
44Wird als angenehmer empfunden Einatmung beendet ist und die Ausatmung begin-
44Luft kann sich gleichmäßiger in der Lunge nen soll. Dafür gibt es den Beatmungsparameter
verteilen Exspirationstrigger.
298 Kapitel 23 · Flow und Flowkurven
23
. Abb. 23.11 Exspirationstrigger: links niedrig (ETS 30 %), rechts hoch (ETS 50 %) (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel
Guckes)
z Funktionsprinzip Exspirationstrigger
z z TgE / ETS mit hoher%-Zahl eingestellt
Das Beatmungsgerät misst ständig den erzeugten Ist Tg E real auf > 40 % eingestellt, werden die Ein-
Luftfluss (Flow). Relativ rasch, meist schon zum atmung kürzer und die Ausatmung evtl. erleichtert.
Beginn der Einatmung, wird eine maximale Luft- Das bietet für den Patienten (auch im Selbstversuch
fluss-Geschwindigkeit erreicht (ein maximaler so erfahren!) den Vorteil einer erleichterten Ausat-
Flow), der PIF. Dieser Wert wird vom Beatmungs- mung, bei der er nicht angestrengt und „kräfterau-
gerät gespeichert und mit dem Wert 100 % gleich- bend“ pressen muss, damit er ausatmen kann.
gesetzt. Im weiteren Verlauf der Einatmung bzw.
Inspiration nimmt der Luftfluss immer weiter ab.
Ab einem gewissen Wert, der mit dem Parameter Weiterführende Literatur
TgE / ETS E eingestellt wird, wird die Ausatmung
Rittner F, Döring M (2013) Kurven und Loops in der Beatmung.
eingeleitet (. Abb. 23.11). Dieser Wert ist variabel http://www.draeger.com/sites/assets/PublishingImages/
einstellbar und beträgt in der Praxis meistens 25 % Products/rsp_evita_infinity_v500_sw2/DE/9097420Kur-
und bedeutet dann: wenn der Luftfluss so weit abfällt, ven-Loops-Fibel-DE-230513.pdf. Recherche 20.05.2015
dass nur noch eine Luftflussgeschwindigkeit von
25 % der zuvor gemessenen maximalen Luftflussge-
schwindigkeit PIF erreicht ist, wird die Ausatmung
eingeleitet. Je höher die%-Zahl ist, desto früher wird
die Ausatmung eingeleitet/ausgelöst.
Alarme und
Alarmeinstellungen
Hartmut Lang
Alarme sollen die betreuenden Personen (Pflege- gezeigt werden, die gar keine Gefährdung der Patien-
kräfte und Ärzte) auf bedrohliche Situationen für ten bedeuten. Das Resultat wäre nur eine unerträg-
die Patienten während der Beatmung aufmerksam liche akustische Belastung, v. a. auch für den Patien-
machen. Deshalb werden Alarmgrenzen eingestellt, ten, der ja direkt neben dem Beatmungsgerät liegt.
die zu Beginn der Dienstschicht jedes Mal erneut Moderne Beatmungsgeräte legen die Alarmgren-
kontrolliert werden müssen. zen für den Anwender zunächst auch fest, jedoch
wird die Einstellung der Alarmgrenzen vom Beat-
mungszentrum erfolgen. Diese müssen nach einer
24 24.1 Stufen der Alarmmitteilungen endgültigen Beatmungseinstellung erneut überprüft
und angepasst werden.
In der Regel gibt es drei Stufen der Alarmmitteilun-
gen, die sowohl optisch als auch akustisch angezeigt
werden. 24.2 Spezielle Alarme
44Alarmmeldungen mit höchster Priorität:
meist mit roten optischen Signalen und einer 24.2.1 Atemwegsdruck/Pmax
längeren, sich ständig wiederholenden, sehr
eindringlichen Tonfolge Diese Atemwegsdruckgrenze (Paw, Pmax, Ppeak) soll
44Alarmmeldungen mit mittlerer Priorität: i. d. R. vor unbeabsichtigt hohen Luftdrücken schützen und
mit roten oder gelben optischen Signalen und nicht überschritten werden, denn hohe Luftdrücke
Tonfolgen, die nicht so eindringlich sind können das Lungengewebe schädigen und zum Bar-
44Alarmmeldungen mit geringer Priorität: i. d. otrauma führen. Hohe Luftdrücke werden in der Ins-
R. mit gelben optischen Signalen und einer piration erreicht.
einzelnen Tonfolge
> In der Regel wird eine Luftdruckbegrenzung
Mögliche wählbare Alarme: zwischen 30–40 mbar bzw. cm H2O gewählt.
44Atemwegsdruck (Paw)
44Atemwegsdruck tief (PEEP) Es bestehen 2 Möglichkeiten, wie diese Grenze
44Minutenvolumen tief funktioniert:
44Minutenvolumen hoch 1. Übersteigt ein Luftdruck die eingestellte
44Atemzugvolumen tief Grenze, wird der Luftdruck limitiert, d. h.
44Atemzugvolumen hoch höher als die eingestellte Grenze kann der
44Atemfrequenz hoch Luftdruck nicht steigen. Dabei wird aber nicht
44Atemfrequenz tief zwingend die Inspirationsphase abgebrochen.
44Apnoezeit Sie kann entsprechend der eingestellten Inspi-
rationsdauer (Tinsp) aufrechterhalten bleiben.
Für diese Alarme sind vom Anwender Grenzen ein- 2. Funktion bei volumenkontrollierter Beatmung:
zustellen. Diese sollen auch zu Beginn jeder Schicht Übersteigt ein Luftdruck die eingestellte
vom Mitarbeiter kontrolliert werden. Ggf. können sie Grenze jedoch um mehr als 10 mbar, wird die
an die Bedingungen des Patienten angepasst werden. Inspiration abgebrochen. Das Überdruckventil
Sie sind somit nicht starr. oder Exspirationsventil wird geöffnet, die Luft
Für die Wahl der Alarmgrenzen gilt, sie sollen wird abgelassen und der Luftdruck in der Lunge
dem Anwender rechtzeitig einen Hinweis geben, falls sinkt wieder auf den eingestellten PEEP zurück.
eine Alarmsituation eintritt und der Patient gefähr-
det wird. Die Alarmgrenzen sollen nicht zu weit aus- Mögliche Ursachen für Alarm „Atemwegsdruck zu
einander liegen, denn sonst besteht die Gefahr, dass hoch“:
eine Alarmsituation nicht rechtzeitig erkannt wird. 44Alarmgrenze wurde überschritten
Die Alarmgrenzen sollen jedoch auch nicht zu eng 44Patient hustet
aneinander liegen. Es könnten sonst Alarmhinweise 44Patient „presst“, atmet gegen das Gerät
24.2 · Spezielle Alarme
301 24
44Sekretverlegung des Tubus/der Trachealkanüle einer Grenze besteht jedoch die Gefahr, dass Patien-
44Beatmungszugänge abgeknickt ten nicht ausreichend ventiliert werden. Es droht
eine Hypoventilation und daraus ein ungenügendes
Mögliche Ursachen für Alarm „Atemwegsdruck zu Abatmen von CO2. Daraus droht eine CO2-Narkose.
niedrig“: Oberhalb einer Grenze besteht die Gefahr der
44Keine Dichtigkeit des Schlauchsystems Hyperventilation. Hier kann eine Hypokapnie mit
44Leckage evtl. auftretenden tetanischen Krämpfen resultieren.
44Cuffmanschette ist nicht ausreichend geblockt Mögliche Ursachen für Alarm „Minutenvolu-
– dadurch Leckage men zu hoch“:
44Diskonnektion 44Patient atmet zu schnell, er hyperventiliert
44Tracheoalkanüle disloziert 44Unbeabsichtigte Hyperventilation durch
falsche Parametereinstellung
Atemwegsdruck tief/PEEP tief: Dieser Alarm soll 44Im A-PCV auch beides möglich
den Anwender davor warnen, wenn der Luftdruck
in der Beatmung zu niedrig ist. > Empfehlung für die Alarmeinstellung:
durchschnittliches MV + 50 %, in obigen
> Einstellung: ca. 2–3 mbar/cm H2O unterhalb Beispiel 7 l/min + 50 %, also bei 10,5 l/min.
des PEEP-Niveaus.
Mögliche Ursachen für Alarm „Minutenvolumen
Durch die Einstellung des PEEP ist festgelegt, welcher zu niedrig“:
Luftdruck mindestens aufrecht erhalten bleiben soll. 44Hypoventilation des Patienten
Wird nun dieser Mindest-Luftdruck unterschritten, 44Unbeabsichtigte Hypoventilation durch falsche
so gibt es einen Alarm. Niedrige Luftdrücke werden Parametereinstellung
in der Ausatemphase erreicht. 44Verlegung der Atemwege
Mögliche Ursachen für zu niedrige Luftdrücke: 44Verlegung des Tubus
44Beatmungsschlauchsystem hat einen Defekt 44Obstruktion der Atemwege
oder eine Leckage 44Leckage im Schlauchsystem
44Beatmungsschlauchsystem ist nicht richtig
konnektiert, zu locker aufgesetzt > Empfehlungen für die Alarmeinstellung:
44Cuffmanschette der Trachealkanüle nicht durchschnittliches MV - 50 %, in obigen
ausreichend geblockt, dadurch entsteht Beispiel 7 l/min - 50 %, also bei 3,5 l/min.
Nebenluft
44Dislokation der Trachealkanüle
44Patient triggert, atmet ein und erzeugt dadurch 24.2.3 Atemzugvolumen
einen niedrigeren Druck als das PEEP-Niveau,
hier die Alarmgrenze anpassen! Für eine ausreichende Ventilation soll ein Patient
ein Atemzugvolumen (Vt, AZV) von 6 ml/kg KG
bezogen auf sein Idealgewicht erhalten. In der Heim-
24.2.2 Minutenvolumen beatmung werden für die Menschen jedoch auch
höhere Atemzugvolumina angestrebt, da sonst deren
Das Minutenvolumen (MV) errechnet sich aus der Lungenbelüftung unzureichend ist. So bei Menschen
Atemfrequenz (AF) und dem Atemzugvolumen mit restriktiven Lungen (OHS, Hoher Querschnitt,
(AZV): AF × AZV = MV. Thorax-restriktive Erkrankungen). Ihnen muss ein
garantiertes Atemzugvolumen verabreicht werden.
Beispiel Auch hierbei ist eine gewisse Variation ohne
14 × 500 ml = 7 l/min. Gefährdung des Patienten gestattet. Das Atemzug-
volumen ist ein Anteil des Minutenvolumens, somit
Innerhalb gewisser Bereiche ist die Ventilation und entsprechen die Risiken den schon beschriebenen
Beatmung der Patienten nicht gefährdet. Unterhalb des Minutenvolumens (7 Abschn. 24.2.2).
302 Kapitel 24 · Alarme und Alarmeinstellungen
Beatmungsparameter werden nicht nur eingestellt. gemessenen PEEP übereinstimmt. Meistens stimmt
Die Messwerte geben eine Auskunft darüber, welche es überein, manchmal gibt es kleine Abweichungen,
Ergebnisse die eingestellten Werte ergeben. Es kann ein die für den Patienten nicht gefährlich sind.
Vergleich erfolgen, ob die gewünschten Werte für den
Patienten auch erreicht werden. Im Folgenden werden z Beatmungsmitteldruck
wichtige Messwerte vorgestellt und eingeordnet. Das Beatmungsgerät errechnet bei jedem Atemzy-
klus den Beatmungsmitteldruck, kurz Mitteldruck,
„pressure mean“ (Pmean). Es ist der Mittelwert von
25.1 Messwerte Spitzendruck Ppeak/Pinsp und dem PEEP.
25.1.1 Druckwerte
25 Beispiel
Pinsp = 20 mbar
z Spitzendruck PEEP = 8 mbar
Dies ist der maximal gemessene Luftdruck, der Errechnung des Mittelwertes: 20 + 8 = 28:2 = 14 mbar
während eines Atemzyklus gemessen wird, auch
„pressure peak“ (Ppeak) oder PIP (Peak Inspiration Bei der Beatmung von Erwachsenen hat dieser
Pressure) genannt. Dieser soll i. d. R. bei der druck- Messwert eine untergeordnete Rolle. Während er
kontrollierten Beatmung mit dem Pinsp und bei der bei der Beatmung von Früh- und Neugeborenen
PSV-Atmung mit dem PEEP plus PS übereinstimmen. eine große Bedeutung hat und Hinweise gibt, ob
Es kommt jedoch immer wieder zu kleinen Abwei- die Atemwege während des gesamten Atemzyklus
chungen, die für den Patienten nicht gefährlich sind. offen bleiben.
44Je höher der Mitteldruck ist, umso wahrschein-
z Minimaldruck licher das Offenbleiben der Atemwege.
Der minimalst gemessene Luftdruck, der während 44Je niedriger der Mitteldruck, umso größer das
eines Atemzyklus gemessen wird, auch „pressure Risiko, des Atemwegkollaps.
minimum“ (Pmin) genannt. Dieser soll in der Regel
bei der Beatmung mit dem PEEP übereinstimmen.
Es kommt jedoch immer wieder zu kleinen Abwei- 25.1.2 Volumina
chungen, die vor allem bei einsetzender Spontanat-
mung vorkommen. Durch Kontraktion der Atem- z Atemminutenvolumen
muskulatur bei der Spontanatmung und Triggerung Das Beatmungs- oder das Atemvolumen, welches
kommt es kurz zu einer Absenkung des Druckes auch innerhalb einer Minute in die Lunge des Patienten
unterhalb des PEEP-Niveaus. Dieser Wert wird dann kommt, wird auch Minutenvolumen (MV) genannt.
gemessen und angezeigt (. Abb. 25.1). Es errechnet sich aus dem Atemzugvolumen (Vt) ×
Atemfrequenz (f/AF).
z PEEP
Der „positive end exspiratory pressure“, der positive z Spontanatmungsminutenvolumen
Luftdruck am Ende der Ausatemphase (Exspirations- Dies ist das Minutenvolumen, das durch spontane
phase) überprüft, ob der eingestellte PEEP mit dem Atmung eingeatmet wird (MV spontan). Viele Beat-
das Beatmungsgerät das Atemzeitverhältnis mit spontaner Atemfrequenz und gemessenem Atem-
jedem Atemzug des Patienten neu. Daher kann zugvolumen. Er gibt einen Hinweis auf die Atem-
dieser Wert auch stark variieren, z. B. 1:1,3 aber auch kapazität (7 Abschn. 2.1.1 Muskuläre Kapazität und
manchmal 2,1:1. Belastung) eines Patienten.
44Je kleiner der Wert ist, umso kräftiger ist der
z z Atem-Zeit-Verhältnis Ti/Ttot Patient.
Bei dieser Variante der Messung des Atem-Zeit-Ver- 44Je größer der Wert ist, umso weniger Kraft
hältnisses wird der gesamte Atemzyklus, der aus Ins- und Ausdauer hat ein Patient für seine
piration und Exspiration besteht, als Ttot bezeichnet, Spontanatmung.
und mit dem Wert 100 % oder als ganze Zahl 1 belegt.
25 Der Anteil, der für die Inspiration Ti genutzt wird, ist > Der RSBI wird bei dem Respirator Astral
somit immer nur ein Teil der 100 %, z. B. 30 %. Dieser (Fa. ResMed) auch im A-PCV Modus
Wert wird angezeigt. Der Anteil, der für die Inspira- angezeigt. Der wird dabei aber konstant
tion Ti genutzt wird, ist somit immer nur ein Teil der sein. Es ist nur ein Anzeigewert, der keine
ganzen Zahl 1, z. B. 0,3. Dieser Wert wird angezeigt. Aussage über die Atemkapazität des
Patienten trifft.
z Inspirationsphase, Inspirationszeit
Die Dauer der Einatemphase, „time inspiration“ z %-Trigger
(Tinsp bzw. Ti) wird in Sekunden angegeben. Bei der
kontrollierten Beatmung ist dieser Wert fest einge- Bei A-PCV wird gemessen, wie oft der Mensch einen
stellt, somit stimmen eingestellter Wert und Mess- zusätzlichen Beatmungshub auslöst und als%-Wert
wert überein. Bei der ASB/PSV-Atmung ist fast jeder angezeigt.
Atemzug des Patienten anders als der vorherige. Wie
lange bei der spontanen Atmung des Patienten die Beispiel
Einatemphase dauert, wird vom Beatmungsgerät mit 15 Beatmungszyklen/min. und zusätzlich 3 getrig-
jedem Atemzug neu gemessen. Daher kann es auch gerte Atemzyklen = 18 gemessene Atemzyklen.
hierbei starke Variationen geben. Dann Dreisatz-Rechnung: 18 AZ = 100 %.
Wie viel% sind dann 3 AZ?
z Exspirationsphase, Exspirationszeit %-Trigger = 16,6 %
Die Dauer der Ausatemphase, „time exspiration“
(Texsp bzw. Te) wird in Sekunden angegeben. Dies Im PSV-Modus wäre zu erwarten, dass es zu 100 %
ist nur ein Messwert, denn i. d. R. wird keine vorbe- Trigger kommt. Ist der Mensch jedoch erschöpft und
stimmte Exspirationsphase am Respirator eingestellt. kann nicht mehr selbstständig atmen, wird automa-
Die Dauer der Ausatemphase resultiert entweder aus tisch die Back-Up-Beatmungsfunktion aktiv und er
den Einstellungen f bzw. AF und der Inspirationszeit wird vollständig beatmet. So kann es auch im PSV zu
Tinsp bzw. Ti. Oder sie resultiert aus der Einstellung 0 % Trigger kommen.
des Atem-Zeit-Verhältnisses I:E bzw. Ti/Ttot.
z Sauerstoffkonzentration
z Resistance Bei der O2-Konzentration wird ein Abgleich der ein-
7 Abschn. 21.1 gestellten mit der real gemessenen O2-Konzentration
durchgeführt.
z Compliance
7 Abschn. 21.2 > Bei großer Abweichung, dauerhaft
größer als 3 %, wird ein Fehler im
z Rapid Shallow Breathing Index Respirator vorhanden sein. Das Gerät darf
(7 Abschn. 30.6) nicht mehr genutzt und muss ausgetauscht
Der RSB bzw. RSBI bzw. f/Vi wird im Spontanatem- werden. Der Technikservice muss informiert
modus PSV angezeigt und ist ein Quotient zwischen werden.
25.2 · Beatmungsprotokoll
309 25
25.2 Beatmungsprotokoll kanüle und Größe der TK bzw. nicht-invasiv mit
NIV-Maske und Größe. Hier könnte noch der Her-
Ein Beatmungsprotokoll dient der Dokumentation steller der Beatmungszugänge aufgeführt werden.
und somit der Erfassung der Messwerte der Beat- Die Art der Atemgasbefeuchtung ist angezeigt, aktive
mungseinstellungen (. Abb. 25.2). Solch ein Proto- Befeuchtung oder passive Befeuchtung mit einem
koll könnte noch durch die vom Beatmungszentrum HME-Filter. Eine Beatmung soll immer eine Atem-
oder dem behandelnden Arzt vorgegebenen Beat- gasbefeuchtung haben. Die entsprechenden Systeme
mungseinstellungen ergänzt werden. Die aufgezeich- sind ärztlich verordnet worden.
neten Messwerte sollen zusätzlich der Beurteilung Mit Datum und Uhrzeit werden die einzelnen
der Beatmung dienen. Messwerte aufgeschrieben. Nicht alle im 7 Abschn. 25.1
Das Protokoll ist einem Patienten zugeord- genannten Werte müssen dokumentiert werden. Die
net. Darin wird vermerkt, mit welchen Respirator im Beispiel aufgeführten reichen aus, um die Beat-
er versorgt ist und ob es ein Zweitgerät gibt. Dieses mung beurteilen zu können.
benötigen Patienten, deren Beatmungsdauer größer Das zeitliche Dokumentationsintervall kann
als 16 Stunden/Tag beträgt. Dokumentiert wird die variabel gestaltet werden. Bei Menschen, deren
Beatmungsdauer in Stunden während des Tages und Beatmung nicht stabil und regulär erfolgt, z. B. bei
während der Nacht. So kann im Verlauf beurteilt Fieber und Atemwegsinfekten, erscheint ein engerer
werden, ob sich die Dauer verändert. In der Regel Zeitraum sinnvoll. Der Abstand sollte vom Krank-
wird die Beatmungsdauer ebenfalls vom Beatmungs- heitszustand der Patienten abhängig sein und kann
zentrum oder dem behandelnden Arzt als ärztliche ggf. 2-stündlich betragen. Ist die Beatmung stabil,
Verordnung (AVO) vorgegeben. wird eine Dokumentation bei jedem Schichtwech-
Es wird protokolliert, mit welchem Beatmungs- sel ausreichen. Die Nachtruhe der Menschen sollte
zugang der Patient versorgt ist, invasiv mit Tracheal- nicht durch übermotiviertes Dokumentieren gestört
. Abb. 25.2 Beispiel des GHP Pflegedienstes Hamburg und Umgebung (mit freundlicher Genehmigung GHP Pflegedienst in
Hamburg und Umgebung)
310 Kapitel 25 · Messwerte der Beatmung
Fazit
Messwerte alleine geben einen Hinweis, ob die Be-
atmung regulär oder nicht regulär läuft. Verände-
rungen können beobachtet und interpretiert wer-
den. Das gilt für alle erhobenen und dokumentier-
ten Werte, so auch Puls, RR, Bewusstsein etc. Aber
die allgemeine Beobachtung der Menschen durch
die Pflegekräfte wird damit nicht ersetzt, sondern
ergänzt.
311 26
Monitoring
Malte Voth
Unter dem Begriff „Monitoring“ versteht man eine 44 Befindet sich Blut im Sekret? Wenige Blutstreifen
systematische und wiederkehrende Erhebung und sind unbedenklich. Wenn jedoch mehr hellrotes
Beobachtung verschiedenerer Werte und Sinnes- oder dunkles, altes Blut im Sekret vorhanden ist,
eindrücke. Die Ergebnisse werden dokumentiert soll der behandelnde Arzt informiert werden
und lassen sich vergleichen. Durch einen regelmä-
ßigen Vergleich der erhobenen Befunde, lassen sich Die Pflegekraft muss sich mit der Grunderkrankung
Veränderungen erkennen. Eine beginnende Ver- des ihr anvertrauten Patienten auseinander setzen
schlechterung des Gesundheitszustandes kann so und das individuelle Risikopotenzial beachten. Tet-
möglicherweise frühzeitig erkannt werden. Kran- raplegiepatienten haben beispielsweise eine erhöhte
kenhauseinweisungen können durch aufmerksame Mortalität infolge eines Dekubitusgeschwürs. Hier
Patientenbeobachtung oftmals vermieden werden. ist es daher enorm wichtig, den Zustand der Haut
Beispiele hierfür sind: Infektion der Atemwege, genauestens zu beobachten und frühzeitig einen sich
Harnwegsinfekt und Dehydration. entwickelnden Dekubitus zu erkennen und fach-
26 gerecht zu behandeln. Eine häufige Komplikation
bei heimbeatmeten Patienten ist generell die beat-
26.1 Klinischer Blick/klinisches mungsinduzierte Pneumonie. Das frühe Erkennen
Monitoring einer Infektion der Atemwege kann hier lebens-
rettend sein. Daher muss jede betreuende Pflege-
Monitoring hat nicht ausschließlich etwas mit kraft die Auskultation erlernen und auch regelmä-
Geräten zu tun. Viel wichtiger ist der „klinische Blick“ ßig üben. Man kann eine Pneumonie nur erkennen,
einer Pflegekraft. Sie nutzt ihre Sinne, um Verände- wenn man weiß, wie sich verschiedene Atemgeräu-
rungen am Patienten, seinen Ausscheidungen, oder sche unterscheiden.
an Kathetern, Sonden und z. B. Kanülen zu erkennen:
> Hygienische Standards und Abweichungen
bei standardisierten Pflegetätigkeiten
Klinisches Monitoring können im Prozess des Monitorings auffallen
55Sehen (Inspektion), z. B. Haut und und müssen im Team besprochen werden.
Schleimhäute, Färbung des Urins,
Atemexkursionen Zusätzlich stehen verschiedene technische Hilfsmit-
55Fühlen (Palpation), z. B. Temperatur, tel zur Verfügung: angefangen beim Fieberthermo-
Atmung, Abwehrspannung am Bauch, meter, über das Stethoskop, die Pulsoxymetrie bis
Muskelspannung hin zur Blutgasanalyse. Welche technischen Geräte
55Hören (Auskultation), z. B. Atemgeräusche, zum Einsatz kommen, hängt vom individuellen
Darmgeräusche Patientenzustand und der Grunderkrankung ab. Im
55Riechen (Olfacio), z. B. Infektionen, Folgenden werden die wichtigsten vorgestellt, auch
Ketoazidose wenn diese nicht an jedem Patienten Verwendung
finden.
Weiterführende Literatur
Blutgasanalyse (BGA)
Hartmut Lang
Die Werte einer Blutgasanalyse (BGA) geben den für die Menschen birgt und recht einfach hand-
wichtigsten Hinweis auf die Atmungs- und Beat- habbar ist. Die anderen Entnahmemöglichkeiten
mungsverhältnisse der Patienten. Blutgasanalysen spielen in der außerklinischen Versorgung keine
werden auch bei noch nicht intubierten Patienten Rolle.
durchgeführt. Vom Ergebnis hängt die weitere The-
rapie ab, also auch, ob ein Patient beatmet werden
muss oder nicht. 27.2 Sauerstoff und Kohlendioxid
z Sauerstoffzufuhr z z Sauerstoffbindungskapazität
Raumluft besteht zu 21% aus Sauerstoff (. Tab. 27.3). Die maximale Menge an Sauerstoff, die 1 g Hämo-
globin (Hb) binden kann. Wird auch als Hüfner-Zahl
Beispiel bezeichnet.
Beispiel eines Erwachsenen: 1 g Hämoglobin (Hb) kann 1,34 ml Sauerstoff
44 Atemfrequenz/min = 16 × binden.
44 Atemzugvolumen = 500 ml (O2-Anteil 21 % ≙
105 ml O2) z z Sauerstoffgehalt (CaO2)
Die Menge an Sauerstoff im arteriellen Blut
( CaO 2 – engl.: arterial oxygen content ). Diese
. Tab. 27.3 Zusammensetzung der Luft ist abhängig von der Hb-Konzentration und der
Sauerstoffsättigung.
Einatmung Ausatmung CaO2 beträgt ca. 18– 20 ml O2 pro 100 ml Blut (=
180–200 ml O2 pro 1 l Blut)
Stickstoff 78 % 78%
Sauerstoff 21 % 16 % z z Sauerstoffangebot (DO2)
Kohlendioxid 0,03 % 4% Die Menge an Sauerstoff, die pro Minute von der
Andere, z. B. Edelgase 1% 1% Lunge zu den Kapillaren transportiert wird (DO2 –
engl.: oxygen delivery). Diese ist abhängig von der
318 Kapitel 27 · Blutgasanalyse (BGA)
Die Partialdrücke im Lungenkapillarblut, die Wird die Atemluft mit Sauerstoff angereichert
beim Gasaustausch interessieren, sind pO2 und (z. B. O2-Konzentration von 100 % – 760 mmHg
pCO2. Diese beiden Gase werden ausgetauscht. Die (101,1 kPa), resultiert ein wesentlich höheres Druck-
Diffusion, also die Wanderung der Gase, geschieht gefälle zwischen intraalveolär und intrakapillär.
vom Ort höherer Partialdrücke zum Ort niedrigerer Daraus ergibt sich eine bessere Diffusion (. Abb. 27.2).
Partialdrücke. Entlang dieses Druckgefälles strömt Wenn wir „lungengesund“ sind, ergibt das ein
Sauerstoff von den Alveolen ins Blut und Kohlendi- pO2 von ca. 500 mmHg bzw. 66,5 kPa (. Abb. 27.2
oxid aus dem Blut in die Alveolen (. Tab. 27.7 und links). Wenn wir „lungenkrank“ sind, erhoffen wir
. Abb. 27.1). uns ein pO2 von mind. 60–70 mmHg bzw. 8–9,3 kPa
In den Lungenarterien ist der pO2 sehr niedrig, (. Abb. 27.2 rechts).
d. h., das Blut ist arm an Sauerstoff, der ja durch die
Stoffwechselprozesse verbraucht ist. Der pCO2 wie- z z Kohlendioxidpartialdrücke
derum ist sehr hoch, d. h., das Blut ist reich an Koh- Im Bronchiolus befindet sich fast kein pCO2. In
lendioxid, das beim Stoffwechsel als Endprodukt der Alveole jedoch ein erhöhter pCO 2 von ca.
anfällt (. Tab. 27.7 rechts venös/gemischtvenös). 40 mmHg/5,3 kPa. Warum ist das so? Die Luft in
27 der Alveole wird nicht komplett ausgetauscht. Es ver-
z Unterschiede des Sauerstoff- und bleibt ja eine größere Menge Luft in den Alveolen
Kohlendioxidpartialdrucks nach der Ausatmung. Diese Menge Luft ist die funk-
tionelle Residualkapazität (FRC). Alte Luft mischt
z z Sauerstoffpartialdrücke sich somit mit neuer ventilierter Luft. Deswegen
In den Bronchioli herrscht ein hoher pO2 von ca. herrscht intraalveolär ein erhöhtes pCO2.
150 mmHg/19,9 kPa und fast kein pCO2. In der CO2 diffundiert ca. 20-mal schneller als Sauer-
Alveole befindet sich ein erniedrigter pO2 von ca. stoff durch die Membranen. Daher ist nicht so eine
100 mmHg/13,8 kPa. Warum ist das so? Die Luft in hohe Druckdifferenz notwendig, damit das CO2 dif-
der Alveole wird nicht komplett ausgetauscht. Es ver- fundieren kann. Die Diffusionsrichtung verläuft von
bleibt nach der Ausatmung eine größere Menge Luft intrakapillär hin zu intraalveolär. Nach Passage des
in den Alveolen. Diese Menge Luft ist die funktio- Blutes an der Alveole enthält das Blut weniger CO2.
nelle Residualkapazität, FRC. Alte Luft mischt sich Das ist die Decarboxylierung (. Abb. 27.3 links).
somit mit neuer, ventilierter Luft. Daher befindet sich
intraalveolär ein erniedrigtes pO2 im Vergleich zu z z Hypoventilation
den Bronchioli. Die FRC garantiert auch während Atmet der Patient ein zu geringes Atemzugvolumen,
der Exspiration den Gasaustausch. steigt das pCO2 auch intrakapillär an (. Abb. 27.3
Dennoch reicht dieses erniedrigte pO 2 für rechts). Nach Passage des Blutes an der Alveole
einen ausreichenden Druckunterschied zwischen enthält das Blut weiterhin viel CO2. Auch in den
intraalveolär und intrakapillär aus. Deshalb dif- Bronchioli steigt das pCO2, weil kein CO2 durch die
fundiert (wandert) Sauerstoff von intraalveolär Atmung ausgetauscht wird, aber im Stoffwechsel
hin zu intrakapillär. Nach Passage des Blutes an dauerhaft produziert wird.
der Alveole ist das Blut mit Sauerstoff gesättigt, es Dieser hohe Gehalt an CO2 kann mit der Ausatem-
ist oxygeniert. luft gemessen werden als „etCO2“ (end-tidales CO2).
. Abb. 27.1 Gasaustausch mmHg (links) und kPa (rechts) eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes
. Abb. 27.2 Gasaustausch unter O2-Therapie beim Lungengesunden (links) und einem Lungenkranken (rechts) (eigene
Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
. Abb. 27.3 Gasaustausch Kohlendioxid (links) und bei Hypoventilation bzw. Hyperkapnie (rechts) (eigene Darstellung,
Bearbeitung Isabel Guckes)
322 Kapitel 27 · Blutgasanalyse (BGA)
27.2.4 Sauerstoffsättigung
z Zentralvenöse und gemischtvenöse das venöse, O2-arme Blut des Herzens. Die Herz-
Sauerstoffsättigung venen münden im rechten Vorhof in der Nähe des
Bei der zentralvenösen Messung (ScvO2) kommt das Sinus coronarius. Daher ist die venöse Sättigung
Blut hauptsächlich aus der oberen Hälfte des Körpers, etwas niedriger als die gemischtvenöse Sättigung.
aus den Armen und dem Kopf mit Gehirn. Und dort Eine Bestimmung der O2-Sättigung nach venöser
ist der O2-Verbrauch höher als in der unteren Kör- Blutentnahme aus der V. femoralis repräsentiert
perhälfte. Die Sättigung ist dementsprechend nied- somit nur die O2-Sättigung der unteren Hälfte des
riger bei 72 %. Körpers. Diese ist höher, da der O2-Verbrauch der
Bei der gemischtvenösen Messung (S⊽O2) ver- unteren Organe, also Bauchorgane und Beine, nicht
mischt sich das Blut nun vollständig. Das Blut der so groß ist wie in der oberen Körperhälfte. Die Sätti-
oberen und der unteren Körperhälfte und zusätzlich gung ist dementsprechend höher bei 80 %.
27.2 · Sauerstoff und Kohlendioxid
323 27
27.2.5 Sauerstoffbindungskurve Rechtsverschiebung
Die Rechtsverschiebung bedeutet ein erhöhtes pO2
Die Sauerstoffbindungskurve stellt die Sauerstoff- im Verhältnis zur SO2. Eine Rechtsverschiebung der
sättigung ins Verhältnis zum Partialdruck Sauerstoff Sauerstoffbindungskurve (. Abb. 27.6) tritt bei fol-
(pO2). Auf der vertikalen Achse der . Abb. 27.5 ist genden Situationen auf:
die Sättigung, auf der horizontalen Achse der pO2 44Abfall des pH-Wertes, damit Anstieg der H+
abgebildet. Das Verhältnis von Sättigung und pO2 ist Ionen ↑ → Azidose
nicht linear, sondern zeigt einen S-förmigen Verlauf. 44Retention von CO2, damit Anstieg des pCO2 ↑
44So ist bei einer Sättigung von 100 % der pO2 → Hyperkapnie
sicherlich auch bei 100 mmHg/13,5 kPa. 44Fieber bzw. Hyperthermie ↑
44Bei einem pO2 von ca. 70 mmHg/9,3 kPa 44Anstieg der 2,3-BPG-Konzentration ↑
wird wahrscheinlich fast 95–100 % Sättigung
angezeigt. z z 2,3-BPG
44Bei einer Sättigung von 90 % hat man einen Das Molekül „2,3-Bisphosphoglycerat“ (2,3-BPG)
pO2 von nur noch 50–55 mmHg/6,65–7,3 kPa. entsteht bei einem Nebenweg der Glykolyse (Prozess
44Bei einer Sättigung von 80 % hat man einen der Energiegewinnung). Es verringert die Bindungs-
pO2 von nur noch ca. 40 mmHg/5,3 kPa. fähigkeit (Affinität) von Sauerstoff an das Hämoglo-
44Bei einer Sättigung von 70 % hat man einen bin und sorgt so für eine bessere Freisetzung von
pO2 von nur noch ca. 35 mmHg/4,65 kPa. Sauerstoff ins Gewebe.
44Die gemischtvenöse Sättigung von 75 % ergibt
ein pO2 von ca. 35–40 mmHg/4,65–5,3 kPa. Bei gleichem pO2 wird somit weniger Sauerstoff ans
Hämoglobin gebunden. Das erkennt man an einer
> Wenn die Sättigung fällt, sind Sorgen um erniedrigten O2-Sättigung. Oder umgekehrt, eine
das Wohl des Patienten begründet, da erniedrigte O2-Sättigung hat dennoch ein erhöhtes pO2
das pO2 überproportional zum Abfall der zur Folge. Gerade durch 2,3-BPG ist die O2-Abgabe an
O2-Sättigung sinkt und das Hypoxierisiko das Gewebe erleichtert, d. h., bei niedrigem SO2 wird
dementsprechend steigt! dennoch vermehrt O2 ins Gewebe abgegeben.
27
44So ist bei einer Sättigung von 100 % der pO2 44Hypothermie ↓
sicherlich auch bei 100 mmHg/13,5 kPa. 44Abfall der 2,3-BPG-Konzentration ↓
44Bei einer Sättigung von 90 % hat man einen pO2
von nur noch ca. 70–75 mmHg/9,3–9,9 kPa. Eine zu geringe Konzentration des Moleküls
44Bei einer Sättigung von 80 % hat man einen „2,3-Bisphosphoglycerat“ (2,3-BPG) verstärkt die
pO2 von nur noch ca. 60 mmHg/7,9 kPa. O2-Bindung an das Hämoglobin. Es wird weniger
44Bei einer Sättigung von 70 % hat man einen Sauerstoff ans Gewebe abgegeben. Bei gleichem pO2
pO2 von nur noch ca. 50 mmHg/6,65 kPa. wird mehr Sauerstoff ans Hämoglobin gebunden.
Das erkennt man an einer erhöhten O2-Sättigung.
Situationen wie Azidose, Hyperkapnie und Fieber Oder umgekehrt, eine erhöhte O2-Sättigung hat
sind bei beatmeten Menschen häufig. Aber eine dennoch ein niedriges pO2 zur Folge.
erniedrigte O2-Sättigung muss nicht zwingend eine Die O2-Abgabe an das Gewebe ist dadurch schwe-
Gewebshypoxie bedeuten, da die Abgabe von Sauer- rer, d. h., trotz hoher SO2 wird weniger O2 abgegeben.
stoff unter den o. g. Umständen erleichtert ist. 44Bei einer Sättigung von 100 % ist der pO2
sicherlich bei 100 mmHg/13,5 kPa. Er könnte
> Bei Fieber, Azidose oder Hyperkapnie zeigt jedoch auch wesentlich niedriger liegen, bei
ein scheinbar ausreichendes pO2 jedoch eine 50–60 mmHg bzw. 6,65–8 kPa.
erniedrigte O2-Sättigung. 44Bei einer Sättigung von 90 % hat man einen pO2
von nur noch ca. 35–40 mmHg/4,65–5,3 kPa.
44Bei einer Sättigung von 80 % hat man einen
Linksverschiebung pO2 von nur noch ca. 30 mmHg/3,9 kPa.
Die Linksverschiebung bedeutet ein erniedrigtes pO2
im Verhältnis zur SO2. Eine Linksverschiebung der Situationen wie Alkalose, Hypokapnie und Hypother-
Sauerstoffbindungskurve (. Abb. 27.7) tritt bei fol- mie sind auch sehr häufig bei den Patienten anzutreffen.
genden Situationen auf: Die Abgabe von Sauerstoff ans Gewebe ist erschwert
44Anstieg des pH-Wertes → damit Abfall der H+ und es droht eine Gewebshypoxie. Daher sollte die
Ionen ↓ → Alkalose Alkalose durch Pufferung, die Hypokapnie durch ggf.
44Hypokapnie (bei Hyperventilation) → Abfall verringerte Ventilation und die Hypothermie durch
des pCO2 ↓ Aufwärmen der Patienten behandelt werden.
27.2 · Sauerstoff und Kohlendioxid
325 27
. Abb. 27.7 Linksverschiebung
der Sauerstoffbindungskurve (eigene
Darstellung, Bearbeitung Isabel
Guckes)
27.2.7 Horowitz-Quotient Nach der „Berlin Definition“ des ARDS, also des
akuten Lungenversagens, aus dem Jahr 2012, gilt:
Der Quotient (Oxygenierungsquotient) aus arte- 44Horowitz-Quotient unter < 300 (< 40 kPa)
riellen O2-Partialdruck und inspiriertem Sauerstoff weisen auf milde Oxygenierungsstörungen hin.
dient der Beurteilung der Oxygenierungsfunktion 44Horowitz-Quotient unter < 200 (< 26,6 kPa)
der Lunge, also inwieweit ist die Lunge in der Lage, weisen auf moderate Oxygenierungsstörungen
das fließende Blut mit Sauerstoff aufzusättigen. hin.
Oxygenierungsindex in mmHg: 44Horowitz-Quotient unter < 100 (< 13,3 kPa)
44pO2 = 70 mmHg und FiO2 = 0,21 → 70/0,21 = weisen auf schwere Oxygenierungsstörungen
335 mmHg hin.
44pO2 = 60 mmHg und FiO2 = 0,60 → 60/0,6 =
100 mmHg > Der Oxygenierungsquotient nach Horowitz
44pO2 = 100 mmHg und FiO2 = 0,21 → wird sehr selten in der Einheit kPa
100/0,21 = 476 mmHg (für Lungengesunde) angegeben, meist in der Einheit mmHg.
326 Kapitel 27 · Blutgasanalyse (BGA)
Erniedrigte Werte des SvO2 geben Hinweise auf Erhöhte Werte des ScvO2 geben Hinweise auf
27 Weitere mögliche Ursache eines verminderten HZV ist werden weniger mit Blut versorgt. Das bewirkt einen
Anstieg des ScvO2.
die Hypovolämie. Daher kann die ScvO2 auch für diese
Beurteilung herangezogen werden. Mit der Konse- Eine weitere Ursache einer Zentralisation ist die Gabe von
quenz, dass ein verringerter intravasaler Volumen- hochdosierten Katecholaminen. Diese werden primär zur
mangel durch Volumengabe ausgeglichen werden Blutdrucksteigerung eingesetzt. Diese geschieht auch
sollte. Ein verringertes HZV birgt immer das Risiko einer Vasokonstriktion in der Peripherie. Zentral entsteht ein
verminderten Gewebsoxygenierung in sich. hyperdynamer Kreislauf. Wichtige zentrale Organe werden
durchblutet, die Peripherie erleidet eine Minderperfusion.
ScvO2 steigt an.
Zusammengefasst: Zusammengefasst:
– Vermindertes HZV – Periphere Fehlverteilung bei Sepsis
– Bei z.B. kardiogenem Schock – Zentralisation im Schock
– Bei z.B. Hypovolämie – Hyperdynamer Kreislauf bei hohen Katecholamingaben
– Risiko der verminderten Gewebsoxygenierung
pH-Wert Gramm an H+-Ionen 44Je höher der pH-Wert ist, desto geringer ist die
Anzahl der H+-Ionen. Die Lösung ist „alkalisch
pH 7,0 1/10 000 000 bzw. basisch“.
pH 7,1 1/12 589 254
pH 7,2 1/15 848 931
pH ↑ → H+ ↓
pH 7,3 1/19 952 623
pH 7,36 1/22 908 676 27.3.2 Puffer und Puffersysteme
pH 7,4 1/25 110 864
pH 7,44 1/27 542 287 Die Wasserstoffionenkonzentration des Blutes wird
pH 7,5 1/31 622 776 innerhalb enger Grenzen konstant gehalten. Das
Blut hat einen pH-Wert zwischen 7,36 und 7,44. Der
pH 7,6 1/39 810 717
Körper ist selbstständig in der Lage, diesen engen
pH 7,7 1/50 118 723
pH-Wert konstant zu halten, denn nur innerhalb
pH 7,8 1/63 095 734 dieses Blut-pH-Wertes können die biochemischen
pH 7,9 1/79 432 823 Reaktionen im Körper korrekt ablaufen. Damit der
pH 8,0 1/100 000 000 Körper seinen Blut-pH-Wert konstant halten kann,
bedient er sich sog. Puffer und Puffersysteme.
328 Kapitel 27 · Blutgasanalyse (BGA)
Salzsäure 35 % pH = -1 Bier pH = 5
Salzsäure 3,5 % pH = 0 Urin pH = 5
Salzsäure 0,35 % pH = 1 Hautoberfläche pH = 5,5
Magensäure pH = 1 Mineralwasser pH = 6
Zitronensaft pH = 2 Reines Wasser pH = 7
Essigessenz pH = 2 Blut pH = 7,4
Essig pH = 3 Sauberes Seewasser pH = 8,3
Coca Cola pH = 3 Darmsaft pH = 8,3
Wein pH = 4 Waschmittellösung pH = 10
Saure Milch pH = 4,5 Natronlauge 3 % pH = 14
Stuhlgang Säuglinge pH = 4,5–5 Natronlauge 30 % pH = 15
27
Quelle: http://www.seilnacht.com/Lexikon/pH-Wert.htm, Recherche vom 28.10.2014
z Puffer
die schnell in die Bestandteile Wasserstoffion und
Puffer sind Lösungen (z. B. Blut), deren pH-Wert Hydrogenkarbonat zerfällt. Umgekehrt reagie-
sich bei Zugabe einer Säure oder Base nicht wesent- ren Wasserstoffionen mit Hydrogenkarbonat zu
lich ändert. Die Puffer können bei Zugabe einer Kohlensäure. Diese zerfällt dann in Wasser und
Säure H+-Ionen binden, bei Zugabe einer Base H+- Kohlendioxid.
Ionen freisetzen. Die meisten Säuren entstehen im Ständig befinden sich im Körper zu viel oder zu
Stoffwechsel. Daraus gehen große Mengen an CO2 wenig Wasserstoffionen, Kohlendioxid oder Bikar-
hervor. CO2 wird dann als sog. „flüchtige Säure“ bonat. Die Ungleichgewichte werden ständig durch
abgeatmet. unser Puffersystem ausgeglichen. Die Reaktion ver-
läuft stets in beide Richtungen, gekennzeichnet durch
die Doppelpfeile. So ist der Körper immer in der
27.3.3 Regulation des Säure-Basen- Lage, auf Ungleichgewichte im Säure-Basen-Haus-
Haushaltes halt zu reagieren.
Ein weiteres Modell zum Verständnis: Ist der
Es gibt drei Systeme zur Regulation: pH-Wert niedrig, handelt es sich um eine Säure. In
1. Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem, es einer Säure befinden sich viele H+-Ionen. Um diesen
besteht aus Kohlensäure und Bikarbonat (75% Überschuss an H+-Ionen zu verringern, benötigt
des Puffersystems) man eine Puffersubstanz, einen Stoff, der in der Lage
2. Niere ist, die H+-Ionen zu binden und damit zu neutra-
3. Lunge (Niere und Lunge gemeisnam 25 % des lisieren. Das ist das Hydrogenkarbonat/Bikarbonat
Puffersystems) (HCO3-). Die Niere reguliert die Konzentration des
HCO3- im Körper.
Der Säure-Basen-Haushalt kann mit Hilfe der CO2- pH ↓ → H+ ↑ (HCO3- wird zur Pufferung benö-
Dissoziationsgleichung dargestellt werden: tigt)Ist der pH-Wert hoch, handelt es sich um eine
Lauge.
H2O + CO2 ⇄ H2CO3 ⇄ H+ + HCO3- In einer Lauge befinden sich sehr wenige
H+-Ionen. Um diesen Mangel an H+-Ionen auszu-
Die Reaktion steht in einem ständigen Gleichgewicht. gleichen, benötigt man als Puffersubstanzen CO2
Wasser reagiert mit Kohlendioxid zu Kohlensäure, und H2O (Kohlendioxid und Wasser). Denn wenn
27.3 · Säure-Basen-Haushalt
329 27
CO2 und H2O miteinander reagieren, kann H+ frei- vorhanden sind und der pH-Wert seinen Normbe-
gesetzt und somit ein Mangel an H+-Ionen ausgegli- reich erreicht hat.
chen werden. Die Lunge reguliert die Konzentration Chemische Reaktionsformel:
von CO2 im Körper.
pH ↑ → H+ ↓ (CO2 + H2O werden zur Pufferung H2O + CO2 →H2CO3 →HCO3– + H+ ↑↑↑ (steigt an)
benötigt)
Damit ausreichend H + -Ionen zur Verfügung CO2(-Konzentration steigt an) ↑↑↑ + H2O →
stehen, reagieren Wasser und Kohlendioxid. Falls H2CO3 →HCO3– + H+ ↑↑↑ (steigt an)
der Körper vermehrt CO2 benötigt, wird langsa-
mer geatmet, es wird weniger CO2 abgeatmet. Die Nun tritt die Selbstregulation des Puffersystems
Kohlensäure zerfällt wieder in Bikarbonat (HCO3–) ein. Der Körper reagiert darauf, indem die Atmung
und Wasserstoffionen (H+). Die Reaktion verläuft beschleunigt wird. Der Patient hyperventiliert und
so lange, bis wieder ausreichend Wasserstoffionen atmet vermehrt CO2 ab. Die H+-Ionen verbinden
330 Kapitel 27 · Blutgasanalyse (BGA)
Ebenso wichtig ist das Betrachten des Atem- muss immer wieder kontrolliert werden, ob nach
zugvolumens (Vt) in den Messwerten. Ein guter der Erniedrigung des Pinsp das Zielvolumen verab-
Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob ein angepass- reicht wird.
tes Vt für den Patienten erreicht ist, ist die Formel
6 ml/kg KG bezogen auf das ideale Körpergewicht Nach gegebener Zeit, ca. ½– 1 Stunde nach Verstel-
IBW. len der Beatmungsparameter, soll eine erneute BGA
erfolgen. Ein Erfolg besteht dann in einer Zunahme
Beispiel des pCO2 und einer Senkung des pH-Wertes. Unter-
Für einen 80 kg schweren Patienten sollte somit ein bleibt die respiratorische Behandlung, kommt es zu
Vt von ca. 480–500 ml zu erwarten sein. Ist dieses einem Ausgleichsversuch des Körpers, zu einer meta-
in den Messwerten dauerhaft zu hoch, muss der bolischen Kompensation. Aber nur, wenn die Niere
Einstellwert Atemzugvolumen Vt bei volumenkont- noch arbeiten kann (. Tab. 27.17).
rollierter Beatmung gesenkt werden. Bei druckkon- Die Ausscheidung von Bikarbonat/Hydrogen-
trollierter Beatmung muss der Wert Pinsp erniedrigt karbonat führt zu einer leichten Senkung des erhöh-
werden, jedoch vorsichtig; das Absenken des Pinsp ten pH Wertes. Jedoch bleibt erkennbar, dass eine
soll in Schritten von 2–3 mb/cm H2O erfolgen. Es respiratorische Alkalose besteht.
27.3 · Säure-Basen-Haushalt
335 27
. Tab. 27.17 Kompensierte BGA bei respiratorischer . Tab. 27.19 Beispielhafte BGA bei metabolischer
Alkalose Azidose
pH 7,43–7,45 ↑ pH 7,30 ↓
pCO2 28 ↓ pCO2 40
pO2 95 pO2 95
BE -3 ↓ BE -4 ↓
HCO3 - 19 ↓ HCO3 - 20 ↓
. Tab. 27.20 Fortsetzung
Therapie i. v. Puffersubstanzen:
– NaBi 8,4 % (1 ml = 1 mmol)
– Tris-Puffer (Trometamol)
Beide Substanzen können H+-Ionen binden und neutralisieren, damit wird der Blut-pH-Wert
angehoben
. Tab. 27.21 Kompensierte BGA bei metabolischer . Tab. 27.22 Ursachen der metabolische Alkalose
Azidose
– Abnahme von – Zunahme von Bikarbonat
pH 7,35–7,37 ↓ Säuren – Zu viele Puffersubstanzen
pCO2 30 ↓ – Kaliummangel – Diuretika, die die Bikarbo-
27 pO2 95 – Akutes oder chro-
nisches Erbrechen
natausscheidung behindern
BE –6 ↓ – Chloridmangel
– Durchfall, Diarrhö, – Laxansabusus
HCO3– –18 ↓ Abführmittel
– Malabsorption
– Kortikoidtherapie
– Leberinsuffizienz
. Tab. 27.25 Kompensierte BGA bei metabolischer nicht mit Hilfe der Atmung versuchen, die meta-
Alkalose bolischen Azidose auszugleichen. Hierbei kann die
künstliche Beatmung ggf. einen Teil der Kompensa-
pH 7,43–7,45 ↑
tion bewirken.
pCO2 48 ↑
pO2 95
27.4 Auswirkungen von Azidose
BE +7↑
und Alkalose
HCO3- + 28 ↑
27
Weiterführende Literatur
Atemgaskonditionierung
Hartmut Lang
ca. 37 °C erwärmt und kann dementsprechend pro unabhängig vom aktuellen Gasfluss und von
Liter Luft 44 mg Wasser als Feuchte aufnehmen. Die der Gastemperatur am Befeuchtereingang.
Anfeuchtung durch Verdampfung von Wasser und 44Änderungen von Beatmungseinstellungen
das Ausmaß der Verdampfung hängen von drei Fak- oder Veränderungen der Atemtätigkeit bzw.
toren ab: der Lungenfunktion des Patienten bleiben
44Mit steigender Temperatur verdampft mehr im Wesentlichen ohne Einfluss auf die
Wasser Befeuchtungsleistung.
44Bei großer Oberfläche verdampft mehr Wasser 44Durch die Möglichkeit patientenindividueller
44Je größer die Luftbewegung über der Wasser- Einstellungen kann die Zielfeuchte optimal an
oberfläche, desto größer die Verdampfung den Patienten und seine individuelle Situation
Das Anwärmen der Atemluft sollte auch bei invasiv (z. B. Körperkerntemperatur) angepasst
beatmeten Patienten 37 °C betragen. Diese Tempe- werden.
ratur entspricht der Körperkerntemperatur, höhere 44Geringe Atemarbeit des Patienten durch
Temperaturen sind nicht sinnvoll. minimale Resistance (Flow-Widerstand) des
gesamten Befeuchtungssystems.
28.5 Passive Atemgasbefeuchtung jedoch auch direkt auf die Trachealkanüle gesteckt
werden.
Die passive Atemgasbefeuchtung geschieht mit
Wärme und Feuchtigkeitsaustauschern, den HME
Filtern. Die HME Filter (Heat and Moisture Exchan- 28.5.1 Generelle Funktionsweise
ger) werden umgangssprachlich Beatmungsfilter
genannt. Der HME Filter wird in der Regel zwischen Während der Exspirationsphase wird die Wärme
dem Beatmungsschlauchsystem und der Gänsegur- und der Wasserdampf des Patienten vom HME
gel angebracht (. Abb. 28.4, . Abb. 28.5). Er kann Element gebunden und somit zwischengespeichert
(. Abb. 28.6).
Bei der anschließenden Inspiration wird die
gebundene Wärme und Feuchte mit der Luft an den
Patienten abgegeben (. Abb. 28.7).
28
absorbiert. Kalziumchlorid wird im Herstellungs- > Keine gemeinsame Verwendung von aktiven
verfahren aufgetragen. Befeuchtungssystem und HME Filter!
Das HME-Element kann aus verschiedenen
Materialien bestehen, aus einem aufgerollten Strei-
fen aus Löschpapier aber auch Polyurethan-Schwäm- 28.6 Aktive versus passive
men, die mit dem hygroskopischen Salz Kalzium- Befeuchtung
chlorid getränkt sind. Das Produkt sollte ca. 30 ml
H2O pro Liter Atemgas bei 30°C liefern. Bei einem Vergleich beider Befeuchtungsverfahren
werden i. d. R. 5 Aspekte betrachtet.
44Befeuchterleistung
28.5.3 HMEF 44Rate der Ventilator assoziierten Pneumonien
44Atemwegswiderstand
HMEF (Heat and Moisture Exchange Filters) kom- 44Totraumerhöhung
binieren ein Filtermedium mit einem Element zum 44Kosten
Wärme- und Feuchtigkeitsaustausch. Das HME-Ele-
ment kann sich vor oder hinter dem Filterelement 1. Befeuchterleistung
befinden. Auch eine elektrostatische Membran ist bis Aktive Atemwegsbefeuchter sind in der Lage,
zu einem gewissen Grad hydrophob. die Inspirationsluft zu 100 % mit Feuchtigkeit zu
28.6 · Aktive versus passive Befeuchtung
347 28
sättigen, d. h., 1 Liter Luft kann 44 mg Wasser- 3. Atemwegswiderstand
dampf bei 37°C aufnehmen. Es gibt allerdings auch Die Bedingungen für einen erhöhten Atemwegswi-
die Gefahr, dass die Befeuchter zu heiß eingestellt derstand wurden schon beschrieben. HME-Filter
werden, also größer als 37°C. Dabei kommt es zur erhöhen ebenso den Atemwegswiderstand wie der
Bildung von Kondensat und zu einer Überbefeuch- Durchmesser und die Länge eines Tubus. Patienten,
tung. Das kann eine erhöhte Absaugfrequenz zur die beginnen, eigenständig zu atmen, werden den
Folge haben. erhöhten Atemwegswiderstand mit einer vermehr-
Passive Befeuchtersysteme, sog. HME-Filter ten Arbeitsleistung kompensieren müssen. Moderne
(= Heat and Moisture Exchanger) speichern die Respiratoren bieten daher die Möglichkeit, dass
Wärme und Feuchtigkeit aus der Exspirationsluft zum Beginn der Ventilation das aktive oder passive
und geben sie bei der folgenden Inspiration wieder Befeuchtungssystem ausgewählt werden muss, um
ab. Die Aufnahmefähigkeit wird in der Literatur eine Kompensation des Atemwegswiderstandes zu
unterschiedlich beschrieben, zwischen 25–34 mg erreichen.
Wasser pro Liter Luft. Neuere Filter garantieren
einen Wasserverlust von max. 7 mg Wasser pro 4. Totraumerhöhung
Liter Luft, das entspricht dem physiologischen Der physiologische Totraum beträgt ca. 140–150 ml
Wasserverlust. Luft bei erwachsenen Menschen. Eine Totraumerhö-
hung wird durch die Verwendung von Trachealkanü-
2. Rate der Ventilator assoziierten len, Gänsegurgeln und HME-Filtern vermutet. Sie ist
Pneumonien jedoch nahezu gleich des anatomischen Totraumes.
Die Rate der Pneumonien, die infolge einer künstli- HME-Filter mit hohem Innenvolumen bergen
chen Beatmung bei Patienten auftreten, wird mit ca. die Gefahr, dass vermehrt Totraum entsteht und dass
11 Fällen pro 1000 Beatmungstage beschrieben. Die der pCO2-Gehalt ansteigen kann, wenn mit gerin-
höchste Rate von Pneumonien tritt nach 6–10 tägiger geren Tidalvolumina beatmet wird. Sie bergen wei-
Beatmungsdauer auf. Als häufigste Ursache für eine terhin die Gefahr, dass spontan atmende Patien-
Pneumonie wird die Mikroaspiration von Bakterien ten diesen erhöhten Totraum durch eine verstärkte
aus dem Oropharynx genannt. Exogene Faktoren wie Atemanstrengung überwinden müssen, was bei ein-
unzureichende Händedesinfektion von Klinikperso- geschränkter Leistungsfähigkeit der Atempumpe
nal spielen ebenfalls eine Rolle. rasch zu Erschöpfungszuständen führen kann.
Die Bildung von Kondensat und eine erhöhte Moderne HME-Filter werden mittlerweile mit
Absaugfrequenz bei aktiven Befeuchtern stei- geringeren Innenvolumina angeboten, die kleiner
gern das Risiko eines Keimeintritts in den Respi- als 50 ml sind.
rationstrakt. Eine nicht ausreichende Rückgabe
von Wärme und Feuchtigkeit von HME-Filtern 5. Kosten
senken die Rate der Absaugfrequenz und erhöhen Bezüglich der Wechselintervalle der gesamten
das Risiko einer Sekreteindickung mit Zunahme der Schlauchsysteme kann nicht zwingend von einem
Infektanfälligkeit. Kostenvorteil gesprochen werden. Folgt man den
Moderne HME-Filter sind mit einem Filter- Empfehlungen des RKI, so können die Wechselinter-
system ausgestattet, welches die Patienten vor der valle 7 Tage betragen, unabhängig von der Verwen-
Kontamination von Keimen schützt. Derzeit wird dung eines HME-Filters oder nicht. Es mag jedoch
jedoch weder vom Robert-Koch-Institut (RKI) noch schon Kliniken geben, die das Wechselintervall der
vom Center for Disease Control (CDC/USA) eine Schlauchsysteme bei Verwendung eines HME-Fil-
Empfehlung für die Anwendung von HME-Filtern ters erhöht haben.
gegeben. Es gibt aber eine Reihe von Studien und Bei Verwendung eines HME-Filters kann
Beobachtungen, die eine Senkung der Ventilator die Absaugrate sinken. Eine geringere Absaug-
assoziierten Pneumonien unter Verwendung eines rate bedeutet weniger Absaugkatheter und damit
HME-Filters beschreiben. weniger Kosten. Bei Verwendung einer aktiven
348 Kapitel 28 · Atemgaskonditionierung
Weiterführende Literatur
Sekretmanagement
Hartmut Lang
Die Fähigkeit, die vom Bronchialsystem produzier- Damit ein Hustenstoß effektiv wird, ist ein Mindest-
ten Sekrete wieder loszuwerden, ist einem gesunden luftstrom (Flow) von 270 l/min. notwendig. Kritisch
Menschen gar nicht so bewusst. Die Schleimhäute wird der Hustenstoß, wenn der Flow weniger als
der oberen und unteren Atemwege produzieren 160 l/min. beträgt, damit wäre eine effektive Sekret-
ständig Sekrete, die wieder weitergefördert werden. Clearence nicht mehr gewährleistet.
Dabei nehmen die Sekrete auch Schmutz- und Husten, Räuspern oder Niesen ist im Prinzip
Fremdpartikel auf. Mit Hilfe von Flimmerhärchen ein sehr schnelles Ausatmen. Dadurch werden die
werden diese Sekrete Richtung Rachen gefördert und Sekrete mit Hilfe des sehr schnellen Ausatemluft-
lösen einen Schluckreiz aus. stroms mitgerissen und aus den Atemwegen hinaus
Produktion und Abtransport der Sekrete sind gefördert. Husten oder Räuspern geschieht mehr-
bei maschinell beatmeten Patienten beeinträchtigt. mals hintereinander, nicht nur einmalig.
Maßnahmen zum Sekretmanagement sind daher
wesentlich für die Patienten.
29.1.2 Probleme bei vermindertem
Husten
29.1 Hustenfähigkeit
Patienten mit vermindertem Hustenstoß sind beson-
Die Fähigkeit Husten zu können ist lebenswich- ders gefährdet, Komplikationen zu erleiden. Das sind
tig. Mit dem Husten ist es möglich, Sekrete und insbesondere Menschen mit
Fremdkörper aus den Atemwegen heraus zu beför- 44einer geschwächten Atempumpe,
29 dern. Das Herausbefördern von Sekreten aus den 44neuromuskulären Erkrankungen,
Atemwegen durch Husten wird Sekret-Clearence 44verengten und geschwollenen Atemwegen,
genannt. 44eingeschränkter Zilienbeweglichkeit oder
Damit der Mensch husten kann, sind einige Vor- 44bronchopulmonalen Erkrankungen, die eine
aussetzungen nötig: Sekret-Clearence behindern.
44Ausreichende Inspiration (mind. 1,5 Liter
Luft) Menschen mit geschwächter Atempumpe haben u. a.
44Fähigkeit zum Verschluss des Kehldeckels folgende Probleme:
(Glottisverschluss) 44Verminderte Ventilation (Hypoventilation)
44Aufbau eines ausreichenden Druckes innerhalb 44Dadurch Verminderung der Dehnungsfä-
der Atemwege (hoher intrathorakaler higkeit des Lungengewebes
Druck) 44Dadurch deutlich abgeschwächter Hustenstoß
44Dadurch verringerte oder mangelnde
Sekretelimination
29.1.1 Hustenvorgang
Menschen mit verengten und geschwollenen Atem-
Der Hustenvorgang läuft in 4 Phasen ab (. Abb. 29.1). wegen, z. B. bei einer COPD, haben ebenfalls Prob-
44Phase 1: Inspirationsphase → tiefes Einatmen leme bei der Sekretmobilisation:
mit einer Einatempause 44Deren gebildete Sekrete sind sehr zäh.
44Phase 2: inspiratorische Pause 44Durch die verengten Atemwege lassen sich
44Phase 3: Kompressionsphase → Aufbau eines diese schwer mobilisieren.
hohen intrathorakalen Druckes (Kompression) 44Sie sammeln sich dadurch bevorzugt in den
durch das Anpressen gegen den geschlossenen untersten Atemwegen an.
Kehldeckel (Glottisverschluss)
44Phase 4: Ausstoßphase → abruptes Öffnen des Menschen mit eingeschränkter Zilienbeweglichkeit
Kehldeckels; dadurch strömt die Luft mit einer haben Probleme bei Sekretmobilisation:
großen Geschwindigkeit heraus (Luftgeschwin- 44Schleim wird weiterhin von den schleimbil-
digkeit ca. 360 l/min.) denden Zellen der Atemwege produziert.
29.2 · Unterstützung beim Husten
351 29
44Schleim und Sekrete werden aber durch die 29.2 Unterstützung beim Husten
Flimmeraktivität der Zilien nicht abtrans-
portiert und sammeln sich in den untersten Die Unterstützung des Hustenvorgangs soll sowohl
Atemwegen an die Einatemphase, die Inspirationspause mit Kom-
pression und die Ausstoßphase umfassen. Menschen,
die aufgrund einer muskulären Schwäche diese
Komplikationen einer mangelnden Sekret- Phasen nicht alleine ausführen können, bedürfen
Clearence sowohl manueller als auch technischer Hilfen. Diese
55Verlegung bzw. Verstopfung der Atemwege Hilfen sind dann effektiv, wenn sie 2–5-mal hinterei-
durch Sekretansammlungen. nander angewandt werden und nicht nur einmalig.
55Diese können ganze Lungenbereiche
betreffen, z. B. Segment- und
Stammbronchien. 29.2.1 Maßnahmen zur Vergrößerung
55Dadurch kommt es zu einer verminderten des intrathorakalen Volumens
Belüftung dieser Bereiche.
55Oft findet auch gar keine Belüftung Die Maßnahmen zur Vergrößerung des Einatemvo-
(Ventilation) mehr statt. lumens als Vorbereitung zum Husten können sowohl
55Eine mangelnde Belüftung führt zu einer manuell als auch mit technischen Hilfen realisiert
mangelnden Versorgung mit Sauerstoff, die werden. Das Ziel bei allen Maßnahmen ist, dass ein
Folge ist Sauerstoffmangel (Hypoxie). ausreichendes inspiratorisches Volumen erzielt wird
55Sekretansammlungen sind ein idealer (Phase 1 und 2) und dass die Luft anschließend gehal-
Nährboden für krankheitserregende ten und intrathorakal komprimiert (Phase 3) wird.
Keime, die Folge ist eine Infektion oder gar Um Schleim zu mobilisieren, muss sich distal
Pneumonie. (hinter) der Obstruktion (des Schleims) Luft befin-
55Eine Pneumonie kann bei Patienten mit den (. Abb. 29.2). Nur dann kann das Sekret durch
geschwächter Atempumpe zu einem die ausströmende Luft oder durch die Druckerhö-
vollständigen respiratorischen Versagen hung hinter der Obstruktion transportiert werden
führen. („Luft hinter dem Pfropf “).
55Dies führt oft zur invasiven künstlichen Damit die Luft in der Einatemphase hinter den
Beatmung. verengenden Schleimpfropf gelangen kann, soll sie
langsam fließen. Bei der maschinellen Beatmung
352 Kapitel 29 · Sekretmanagement
. Abb. 29.4 Packe- und Reizgriffe (eigene Darstellung, Bearbeitung Isabel Guckes)
soll, kann gelten, das Doppelte bis Dreifache des 29.2.2 Maßnahmen zum intensivierten
normalen Atemzugvolumens. Ein Ambubeutel für exspiratorischen Luftfluss
Erwachsene hat ein mögliches Füllvolumen von
1,5–1,7 l.
Ist die Lunge mit dem vermehrten Volumen Manuelle Hustenunterstützung
gefüllt, macht man sich die elastischen Eigenschaften Bei unzureichender Exspirationskraft kann mit Hilfe
des Thorax und der Lunge zunutze. Der Ambubeutel von Laken oder Tüchern, die um den Rumpf des
wird entfernt und die Luft strömt mit einer größeren Patienten gewickelt werden, synchron zum Husten
Geschwindigkeit aus der Lunge heraus. Durch die der exspiratorische Fluss verstärkt werden. Falls der
erhöhte Ausatemgeschwindigkeit sollen bronchiale Patient diese Maßnahme nicht verträgt, kann die
Sekrete mit heraus befördert werden. manuelle Unterstützung auch durch einen leichten
Den Vorgang kann man bis zu 5-mal wiederho- Händedruck im Epigastrium ausgeführt werden.
len, und das mehrmals am Tag und ggf. in der Nacht. Bei den manuellen Unterstützungsmaßnahmen
muss darauf geachtet werden, dass der Druck vor-
z LIAM bei Ventilogic Respiratoren wiegend auf das Abdomen und der Druck synchron
Das Lung Insufflation Assist Maneuver (LIAM) zum Husten ausgeübt wird (. Abb. 29.5).
der Ventilogic Respiratoren (Fa. Weinmann) ver-
folgt ebenso das Prinzip des vorsichtigen Über-
blähens der Lunge. Hierbei wird aber ein vorbe- Maschinelle Hustenunterstützung
stimmter Luftdruck eingestellt, der ungefähr die z Hustenassistenzgeräte Cough Assist
doppelte Höhe des sonst eingestellten Beatmungs- (. Abb. 29.6)
drucks hat. Ausgelöst wird dieses Überblähungs-
manöver durch Druck auf die sog. LIAM-Taste am z z Einsatz
Respirator. Ein Hustenassistenzgerät ist ein mechanischer In-
Die Einstellung der Druckhöhe, wird vom Beat- und Exsufflator, der einen natürlichen Husten simu-
mungszentrum übernommen, das ebenso festlegt, liert. Dazu wird beim Einatmen – ähnlich wie beim
wie oft das Manöver durchgeführt wird. In der Regel normalen tiefen Einatmen – nach und nach eine
wird es 3–-5 mal am Tag durchgeführt, bei Bedarf große Luftmenge in die Atemwege abgegeben (positi-
auch in der Nacht. ver Druck) und anschließend auf Unterdruck umge-
schaltet, damit Sekretauflagerungen aus der Lunge
z VCV befördert werden (negativer Druck/Sog). Es wird
Die volumenkontrollierte Beatmung VCV kann dabei ein Hustenzyklus nachgeahmt. In der Regel
bei vielen Beatmungsgeräten als 2. Modus einge- werden, wie bei dem normalen Husten, 3–6 Husten-
stellt werden. Hierbei wird die Lunge des Patienten zyklen angewandt. Diese bilden eine Hustensequenz.
mit einem vorbestimmten Atemzugvolumen vor-
sichtig überbläht, ebenso meist das Doppelte oder z z Indikationen
Dreifache des sonst verabreichten Atemzugvolu- Geeignet ist der In- und Exsufflator bei Patienten,
mens. Auch hier erfolgt die Einstellung durch das denen kein oder nur ein unzureichender Hustenstoß
Beatmungszentrum. erhalten geblieben ist. Das sind i. d. R. Patienten mit
354 Kapitel 29 · Sekretmanagement
neuromuskulären Erkrankungen, Verletzungen des 44Bei manueller Anwendung wird der Husten-
Rückenmarks aber auch mit Vorsicht und Einschrän- zyklus über einen Schalter oder ein Fußpedal
kungen auch bei COPD. Zudem eignet sich das Ver- gestartet. Geeignet ist das manuelle Verfahren
fahren bei akuten Infekten der Atemwege, falls bei Patienten mit erhaltenem Hustenantrieb,
andere Maßnahmen des Air-Stackings (Luft stapeln so kann der Beginn und der Verlauf des
29 7 Abschn. 29.2.1) nicht ausreichend sind, und um das Hustenzyklus mit dem Patienten abgesprochen
invasive Absaugen von Sekreten zu verringern. werden. Auch die Pausenzeit und die Exsuff-
lation werden manuell vorgenommen.
44Bei der automatischen Anwendung wird neben
Kontraindikationen den o. g. Parametern festgelegt, wie lange die
55Gesichertes bullöses Lungenemphysem Insufflations-, Pausen- und die Exsufflations-
55Bekannte Anfälligkeit für Pneumothorax phase dauern. Diese Werte werden dann am
oder Pneumomediastinum Display des Cough-Assist angezeigt. Eine
55Schwere Herzerkrankungen
55Frische Operationen an Thorax oder Lungen
55Frische Operationen am Abdomen
55Zustand nach Barotrauma
44Gefahr: durch die Blutung und Sickern des z Einführungstiefe des Absaugkatheters
Blutes ist eine erneute Verlegung des Tubus, der Aufgrund der Risiken soll der Absaugkatheter nur
Trachea, der Bronchien möglich durch ausgebildetes und erfahrenes Pflegepersonal
44Ambubeutel bereithalten, notfalls damit tiefer eingeführt werden. Diese nochmal zur Über-
Überdruckbeatmen sicht zusammengefasst:
44Danach Patienten wieder am Respirator
anschließen
44Respirator beobachten → wird ausreichend Risiken beim Absaugen
Volumen verabreicht? 55Ansaugen des Katheters an der
Bronchialwand
Unter druckkontrollierter Beatmung (PCV) ist es –– → dadurch Verletzungen bzw. Läsionen
durchaus möglich, dass zwar Druck aufgebaut wird, an der Bronchialwand
aber kein Volumen geliefert wird. 55Reizung der Carina
44→ Hinweis auf Verlegung der Atemwege –– → dadurch Auslösen eines sehr starken
44→ Hinweis auf Bronchospastik Hustenreizes
55Verletzung der Carina
Moderne Respiratoren geben dann auch „Apnoe- –– → dadurch Läsionen bis hin zu Nekrosen
Alarm“, denn innerhalb des Schlauchsystems fließt an der Carina
keine Luft. Deshalb kann kein Atemzyklus regist- 55Auslösen von Brady- oder Tachykardie,
riert werden. Die Anzeige „f “ (Frequenz) sinkt daher Abfall der Sauerstoffsättigung
29 auch, bis zum Apnoe-Alarm. In der Regel wird dann –– → dadurch Hypoxierisiko
die Backup-Beatmung einspringen. Bei unzurei-
chender Volumengabe wird der Respirator auch das
Sicherheits-Vt verabreichen. Während dieser Periode Zeigen sich beim Absaufvorgang gehäuft oder
wird der Beatmungsdruck steigen (7 Abschn. 9.5). ständig diese Risiken, soll der Absaugkatheter nur
Wichtig zu beachten: so tief eingeführt werden, wie der Schaft der Tra-
44Die Wahrscheinlichkeit, dass eher der rechte chealkanüle lang ist.
Hauptbronchus abgesaugt wird, ist größer, da
er steiler als der linke abfällt z Anschließende Mund- und Nasenpflege
44Vagusreiz kann ausgelöst werden → Brady- 44Zusätzlich zur endotrachealen Absaugung
cardie und RR-Abfall sollte in einem Arbeitsschritt die Mund- und
44Sympathikusreiz kann ausgelöst werden → Nasenpflege mit durchgeführt werden. Auch
Tachykardie und RR-Anstieg hierbei werden oral und nasal alle Sekrete
44Deshalb während der Absaugung Pulsoxy- abgesaugt. Sie werden nach Beschaffenheit,
metrie beobachten Konsistenz, Geruch und Farbe beurteilt.
44Falls die Reize ausgelöst werden, Absaugung 44Sekrete des Nasen-Rachenraumes stellen
sofort abbrechen, i. d. R. hört die Bradykardie immer ein Reservoir für Keime dar. Sie bilden
dann auch auf eine feuchte Kammer, das Milieu, in dem
44Ständige Kontrolle der Sauerstoffsättigung vor, pathogene Keime wachsen. Angesammelte
während und nach der Absaugung Sekrete im Nasen-Rachenraum bergen die
44Weitere Gefahren der endobronchialen Gefahr der stillen Aspiration.
Absaugung: Alveolarkollaps und Neubildung 44Obligat ist die Entfernung von Borken, Speise-
von Atelektasen resten, Belägen etc. aus der Mundhöhle, die
44Beurteilung und Dokumentation der Sekrete Reinigung der Nase von Schorf und getrock-
nach Beschaffenheit, Konsistenz, Geruch und netem Sekreten oder Blut und die anschließende
Farbe. Hautpflege von Nasenschleimhaut und Lippen.
29.4 · Inhalationstherapie
357 29
29.3.1 Geschlossene versus offene wird nicht unterbrochen. Diskonnektionen verur-
Absaugung sachen einen Verlust des Monitorings: Es gibt keine
Überwachung von Atemfrequenz und Atemzugvo-
Die Diskussionen über die verschiedenen Vor- und lumen durch das Beatmungsgerät.
Nachteile der geschlossenen versus der offenen Über die Handhabbarkeit dürften geteilte Mei-
Absaugung sind noch nicht abgeschlossen. Diese nungen vorliegen. Es wird bei geschlossenen Syste-
beziehen sich u. a. auf die Rate von Pneumonien men oft beklagt, man könne nicht so effektiv absau-
bzw. deren Reduzierung, auf Wechselintervalle, gen, da der Katheter nur starr eingeführt würde. Es
die PEEP- und Monitoring-Verluste und auf die fehle außerdem das taktile Empfindungsvermö-
Handhabbarkeit. gen durch die Plastikhülse. Diese Bedenken sollten
Allgemein werden geschlossene Absaugungen jedoch mit zunehmender Übung und Vertrautheit
empfohlen bei: zurückgehen (. Abb. 29.7).
44Hohe Sauerstoffzufuhr, O2-Konzentraton > 50 %
44PEEP > 8 mbar
44Patienten mit Problemkeimen (MRSA, AIDS, 29.3.2 Subglottische Absaugung
Tb, 3 oder 4 MRGN)
44Verhinderung von Kreuzinfektionen Mit Hilfe einer subglottischen Absaugung können
44Infektionsprophylaxe Sekrete abgesaugt werden, die durch den Kehlkopf
und die Stimmritze hindurch und auf die Cuffman-
Bezüglich der Pneumonierate konnte weder die schette gelangen ( 7 Abschn. 4.3.2). Durch einen
offene noch die geschlossene Absaugung eine signi- kleinen Absaugschlauch, der im Kanülenschaft ein-
fikante Reduzierung herbeiführen. gebracht ist, können die Sekrete, die dem Cuff auf-
Ein Problem geschlossener Absaugsysteme sind liegen, gezielt abgesaugt werden. Dabei kann das
die Wasseransammlungen in der Plastikhülse, die Absaugen mit Hilfe einer Spritze oder mit einem
feuchte Kammern und damit Keimreservoire bilden. Absauggerät erfolgen (. Abb. 29.8, . Abb. 29.9). Die
Geschlossene Absaugkatheter sind an der Spitze Absaugung mit Spritze ist immer intermittierend.
rasch mikrobiell besiedelt. Die Keime werden bei Die Absaugung mit Absauggerät kann sowohl inter-
jedem Absaugvorgang erneut in die Atemwege ein- mittierend, als auch kontinuierlich erfolgen.
geführt. Ein Wechselintervall von 24–48 Stunden ist
daher empfohlen. Das Problem der offenen Absaug-
systeme besteht in der Diskonnektion des Beat- 29.4 Inhalationstherapie
mungsschlauchs vom Tubus. Damit steigt die Gefahr
der Keimeinwanderung. Vorteile der Inhalationstherapie gegenüber einer sys-
Das Diskonnektieren hat des Weiteren oft zur temischen Applikation:
Folge, dass das Personal einen feucht-nassen Luft- 44Hohe lokale Wirkstoffkonzentration
strom abbekommt. Auf deren Hände und auf den 44Niedrige Gesamtdosis
Oberkörper der Patienten ergießt sich dieser feucht- 44Günstiges Wirkungs-Nebenwirkungsverhältnis
nasse Luftstrom, der auch mit Keimen kontaminiert 44Rascher Wirkungseintritt
sein kann.
Ein weiteres Problem der Diskonnektion besteht . Tab. 29.1 gibt eine Übersicht der durchschnittli-
in dem Verlust des PEEP, durch den erneut Atelekta- chen Teilchengröße, die eingeatmet werden können.
sen entstehen können, die erst mit der Rekonnektion Bei einer therapeutischen Inhalation sollen die
wieder eröffnet werden müssen. Dadurch wird die inhalierten Partikel gezielt an den Ort gelangen, an
Oxygenierung beeinträchtigt. Durch die geschlos- dem sie auch ihre Wirkung entfalten können. Dazu
sene Absaugung wird zwar automatisch ein Unter- werden die Atemwege zur Vereinfachung grob ein-
druck erzeugt, der PEEP wird zumindest regional geteilt (. Tab. 29.2, . Abb. 29.10). Partikel, die gezielt
abgesaugt. Geschlossene Absaugungen verhindern inhaliert werden sollen, müssen klein sein, umso
aber einen generellen PEEP-Verlust. Die Beatmung kleiner, je weiter der Weg zu den Atemwegen ist.
358 Kapitel 29 · Sekretmanagement
a b c
29 d e f
a b c
a b c
Gasmoleküle 0,001–0,01 µm (µm = Mikron) Die Ablagerung oder auch Abscheidung eines inha-
Viren 0,005–0,05 µm lierten Wirkstoffes, eines inhalierten Aerosols, im
Atemtrakt nennt man Deposition. Dabei ist die
Ruß/Tabakrauch 0,01–0,5 µm
Deposition abhängig von:
Bakterien 0,5–15 µm
44Teilchengröße (dem Ort der Abscheidung)
Pollen 3–15 µm 44Dem Atemzugvolumen, der inspirierten
Nebel 4–100 µm Luftmenge
44Dem Atemfluss, der Einatemgeschwindigkeit
44Der Atemwegsgeometrie und -morphologie
44Einfluss des Atemzugvolumens
. Tab. 29.2 Inhalationsorte der Atemwege 44Je tiefer der Atemzug, desto mehr Aerosol wird
inhaliert
Atemwege Wo Partikelgröße 44Bei tiefem Atemzug wirkt sich der funktio-
nelle Totraum weniger aus (Mundhöhle,
Zentral Trachea, 5–10 μm
Stammbronchien
Hypopharynx, Trachea = 150 ml)
44Je tiefer und langsamer inhaliert wird, desto
Intermedial Bronchien 3–5 μm
mehr Wirkstoff wird abgeschieden
Peripher Bronchiolen und 0,5–3 μm
Alveolen
Einfluss der Atemströmung:
44Langsam inhaliertes Teilchen folgt dem
Atemtrakt
44Zu schnell inhaliertes Teilchen prallt schon auf
Partikel, die therapeutisch inhaliert werden proximale Atemwegswände
sollen, haben eine Größe von 2–6 Mikron. Die opti- 44Bei Atemfluss von 30 l/min gelangen Teilchen <
male Partikelgröße liegt in der Mitte bei 3 Mikron. 2–3 μm bis in die tiefen Atemwege
Schwingmembran- und Düsen-Vernebler erzeu-
gen 3–6 Mikron. Nicht belüftete, nicht ventilierte
Lungenbereiche können inhalativ nicht erreicht 29.4.2 Depositionsarten
werden, so bei Atelektasen, Emphysem, zystischer
Fibrose. z z Impaktion
Ist die Abscheidung von Teilchen/Aerosolen an
Kurven und Krümmungen des Respirationstraktes.
Diese Abscheidung ist abhängig von der Trägheit,
d. h. von Größe und Gewicht des Teilchens. Die Teil-
chen nehmen aufgrund ihrer Trägheit einen geraden
Weg ein und folgen nicht dem inspiratorischen Luft-
strom. Teilchengröße > 10 μm.
z z Sedimentation
Ist die Abscheidung von Teilchen/Aerosolen auf der
Schleimhaut der Schwerkraft folgend. Diese Abschei-
dung ist abhängig von der Teilchengröße und der
Aufenthaltszeit in den großen und mittleren Atem-
wegen. Die Teilchen folgen dem inspiratorischen
Luftstrom. Die Abscheidung ist umso günstiger, je
. Abb. 29.10 Depositionsorte (eigene Darstellung, langsamer und tiefer bei der Inhalation eingeatmet
Bearbeitung Isabel Guckes) wird. Teilchengröße 3–10 μm.
360 Kapitel 29 · Sekretmanagement
z z Diffusion
Ist die Abscheidung von Teilchen/Aerosolen an der
Bronchial- oder Alveolarwand. Sie nimmt zu bei
langer Aufenthaltszeit des Teilchens an der Wand.
Die Teilchen folgen der „Brown-Molekularbewe-
gung“. Sie schweben geradezu in der Luft. Teilchen-
größe < 0,5 μm.
29.4.4 Verneblersysteme
dargestellt werden. Sie sorgen dafür, dass das Inhalat
gesichert durch die Trachealkanüle in die Atemwege Für die Vernebelung von Medikamenten stehen
verabreicht werden kann. Jedoch muss mit einem drei Systeme zur Verfügung, die in der außerklini-
geringen Verlust der Wirkstoffmenge gerechnet schen Beatmung Anwendung finden (. Tab. 29.3,
werden. . Abb. 29.16).
Die Auslösung des Dosieraerosols soll synchron Die so erzeugten Aerosole gelangen mit dem
zur Inspiration erfolgen. Die Menschen mit erhalte- maschinellen Inspirationsstrom in die Lunge. Diese
ner Spontanatmung sollen zu einer vertieften Einat- Art der Inhalation wird meist 5–15 Minuten lang
mung angeregt werden und, falls sie das Vermögen durchgeführt. Da es sich um Flüssigkeiten handelt,
haben, die Luft auch ein wenig anhalten. müssen die Vernebler senkrecht ausgerichtet sein
Düsenvernebler Aerosolerzeugung durch Druckluft via Kompressoren nach dem Venturi-Prinzip (. Abb. 29.16
oben)
Ultraschallvernebler Aerosolerzeugung durch niederfrequenten Ultraschall, Membran-Vibration (. Abb. 29.16
mitte)
Erzeugen das Aerosol, indem ein Piezokristall elektrisch angesteuert und in Schwingungen
versetzt wird
Membranvernebler Auch Mesh-Vernebler genannt (. Abb. 29.16 unten)
Sie benutzen einen Ultraschall-Kopf zur Erzeugung von Schwingungen in der Inhalationslösung
und drücken die Tröpfchen durch die statische Mesh-Scheibe
29.4 · Inhalationstherapie
363 29
. Abb. 29.17 Düsenvernebler richtig angewendet . Abb. 29.18 Düsenvernebler richtiges Anbringen mit
HME Filter
a b
durchgeführt werden. Es kann empfohlen werden, Der Vernebler soll sauber und trocken gelagert
das Verneblersystem nach der Anwendung zu dis- werden. So kann er bei den Folgeintervallen genutzt
konnektieren. Die Vernebelung soll je nach ärztlicher werden. Verbleibt der Vernebler im Beatmungs-
Anordnung 4–8-mal pro Tag durchgeführt werden. schlauchsystem, so erhöht das den Totraum, v. a.
Ist der Vernebelungsintervall zu Ende muss der dann, wenn die Vernebelung mit HME-Filter durch-
HME-Filter zur Atemluftklimatisierung wieder geführt wird. Die Belüftung der Lunge ist dann ggf.
eingesetzt werden. Meistens wird in einem Arbeits- zu gering. Hypoventilation wäre die Folge.
schritt der Vernebler entfernt und der HME-Filter Verbleibt der Vernebler, können Restflüssig-
wieder eingesetzt. Das bedeutet jedoch die wieder- keiten aus Versehen über die Gänsegurgel und
holte Dis- und Rekonnektierung vom Beatmungsge- Trachealkanüle in die Lunge geraten. Das ent-
rät und birgt damit ggf. hygienische Risiken. spricht einer Aspiration. Die wiederum erhöht die
364 Kapitel 29 · Sekretmanagement
. Abb. 29.20
Schwingmembranvernebler (Aeroneb
Pro®) (mit freundlicher Genehmigung:
INSPIRATION Medical GmbH)
29
. Abb. 29.21 Aeroneb solo-Vernebler richtig angewendet . Abb. 29.22 Aeroneb solo-Vernebler richtiges Anbringen
mit HME-Filter
a b
Weiterführende Literatur
Weaning
Hartmut Lang
. Tab. 30.1 Weaning Klassifikation (mod. nach Boles et al. und Funk et al. 2010)
Quelle der Einteilung: Boles JM, Bion J, Connors A et al. Weaning from mechanical ventilation. Eur Respir J 2007; 29:
1033–1056
Quelle über prozentuale Verteilung: Funk GC, Anders S, Breyer MK et al. Incidence and outcome of weaning from
mechanical ventilation according to new categories. Eur Respir J 2010; 35: 88–94
. Tab. 30.2 Untergruppen des prolongierten Weaning (mod. nach Schönhofer et al. 2014)
3a Prolongiertes bzw. verlängertes Erfolgreiches Weaning mit Extubation bzw. Dekanülierung erst nach
Weaning ohne NIV mindestens drei erfolglosen SBT
Oder: Beatmung länger als sieben Tage nach dem ersten erfolglosen SBT
ohne Zuhilfenahme der NIV
3b Prolongiertes Weaning mit NIV Erfolgreiches Weaning mit Extubation bzw. Dekanülierung erst nach
mindestens drei erfolglosen SBT
Oder: Beatmung länger als sieben Tage nach dem ersten erfolglosen SBT
und nur mittels Einsatz der NIV, ggf. mit Fortsetzung der NIV als außer-
klinische Beatmung
3c Erfolgloses Weaning Tod
Oder: Entlassung mit invasiver Beatmung via Tracheostoma
44Zu hohen Gaben von Sedativa, Narkotika und kalorischen Bedarfes sollten durch Lipide
Opiaten gedeckt werden, da hierdurch die CO2-Pr-
oduktion verringert wird, im Gegensatz zum
z z Atemmuskulatur kräftigen Kohlenhydratstoffwechsel.
Die Belastung der Atemmuskulatur soll nicht zu 44Proteinmangel
hoch sein, denn sonst droht ein Weaning-Versagen. Das Aminosäurenangebot sollte 1–1,5 g/kg KG/
Die Belastung ist zu hoch bei zu hohem Atemwegs- Tag betragen. Das gilt als ausreichend für einen
widerstand (Resistance 7 Kap. 21): Aufbau der Atemmuskelmasse. Ein zu geringes
44Widerstand der Trachealkanüle, wenn die Angebot an Proteinen führt zu Katabolie und
I.D.-Größe ist zu klein gewählt wurde Atrophie der Atemmuskulatur.
44Widerstand im Beatmungssystem (deshalb 44Kaliummangel
vollständige Testung nach neuer Aufrüstung Kann zu schweren Herzrhythmusstörungen
eines Beatmungsgerätes) und zu Muskelschwäche führen. Zudem wird
44Bronchokonstriktion (Zusammenziehen / eine Alkalose begünstigt.
Einschnüren der Bronchien). 44Kalziummangel
Kalzium ist bedeutend für die Muskelkon-
z Erniedrigte Dehnungsfähigkeit traktion, denn es ist an der Interaktion der
Bei erniedrigter Dehnungsfähigkeit (Compliance Aktin- und Myosinfilamente beteiligt, die nur
7 Kap. 21) ist die Belastung der Atemmuskulatur eben- unter Anwesenheit von Kalzium funktioniert.
falls zu hoch. Dies kann verursacht werden durch: 44Phosphatmangel
44Kardiales Lungenödem (bei Herzinsuffizienz) Energielieferant für alle Arbeits- und
44Pulmonale Stauung bzw. Überwässerung Stoffwechselprozesse im Körper ist ATP
30 44Bronchokonstriktion (Adenosintriphosphat). Nur bei genügendem
44Nicht kardiales Lungenödem Angebot von Phosphat kann ATP vom Körper
44Lungenüberblähung hergestellt werden.
44Lungenfibrose 44Schilddrüsenwerte
44Hoher intrinsischer PEEP Bei sedierten und beatmeten Patienten fallen
44Pleuraverschwartung sie ab.
44Instabile Thoraxwand 44Ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt
(7 Kap. 27)
z Leistungsfähigkeit der Atemmuskulatur 44Anämie
Die Leistungsfähigkeit der Atemmuskulatur soll Bei einer Anämie sind weniger O2-Träger
gefördert werden, damit eine Ermüdung vermie- vorhanden, sodass weniger Sauerstoff zu den
den wird. Dazu gehört im weitesten Sinne, eine aus- Körperzellen bzw. den Erfolgsorganen trans-
reichende Durchblutung der Atemmuskulatur zu portiert werden kann. Kompensatorisch wird
gewährleisten. Deshalb gehört zu weiteren präven- die Herzfrequenz gesteigert, damit auch das
tiven Maßnahmen die Beachtung bzw. Vermeidung Herz-Zeit-Volumen. Es muss vermehrt Arbeit
von: geleistet werden, wodurch vermehrt Sauerstoff
44Mangelernährung/Fehlernährung benötigt wird.
Im Rahmen einer parenteralen oder enteralen 44Infekte, Fieber
Ernährung führt eine zu hohe Kohlenhydrat- Hier ist meistens die Herzfrequenz und die
zufuhr zu einem Anstieg der CO2-Produktion. Atemfrequenz gesteigert. Eine Steigerung der
Dadurch erhöht sich auch notwendigerweise Herzfrequenz bedeutet eine Zunahme des
das Atemminutenvolumen → Erhöhung der Sauerstoffbedarfs und einen erhöhten Energie-
Atemarbeit. verbrauch. Der erhöhte Sauerstoffbedarf wird
Die Energiezufuhr sollte daher nur 25–30 kcal/ durch eine beschleunigte Atmung gedeckt.
kg KG/Tag beschränkt sein (bei 70 kg also Aber auch das erhöht den Energieverbrauch.
zwischen 1750–2100 kcal/Tag). Ca. 50 % des Dadurch wird die CO2-Produktion gesteigert.
30.5 · Weaning-Strategien
371 30
Eine erhöhte Atemfrequenz ist notwendig, um 44Schlafbedürfnis und Schlafhygiene des
das anfallende CO2 abzuatmen. heimbeatmeten Menschen beachten!
Bei erhöhter Atemfrequenz ist die Belastung 44Akustisches Umfeld aus der Intensivstation
der Atemmuskulatur erhöht. Das kann zu reduzieren
Erschöpfung führen. Daher ist eine fiebersen- 44Aufklärung und Begleitung bei der schwierigen
kende und antiinfektiöse Therapie angezeigt. Entwöhnungsphase
44Schlafrhythmus bzw. Tag-Nacht-Rhythmus 44Mobilisation:
Schlafmangel bedeutet einen zusätzlichen 44Stufenmobilisation mit Lagerung, Mobili-
Stressfaktor, der mit erhöhtem Energiebedarf sation an die Bettkante bis zum Erreichen
verbunden ist. Erschöpfungszustände und einer ausreichenden Kontrolle des Rumpfes
Delir können leichter auftreten. 44Danach Mobilisation in einen
44Ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt Lehnstuhl möglich; das funktioniert
Es ist auf eine angepasste Flüssigkeitszufuhr zu auch bei Menschen ohne ausreichende
achten. Dehydration muss vermieden werden. Rumpfstabilität.
Ein angepasstes Flüssigkeitsregime ist zudem 44Sekretmobilisation
eine gute Vorbeugung gegen zähe Sekrete in 44Auswahl geeigneter Pflegemittel, Mundpfle-
den Atemwegen. Eine Flüssigkeitsrestriktion getees etc.
ist angezeigt bei Patienten mit Herzinsuffizienz 44Ausreichende Analgesie der Patienten
und Nierenversagen.
30.5 Weaning-Strategien
30.4 Pflegerische Maßnahmen zur
Stärkung der Atemmuskulatur Die Patienten im Weaning sollen längere Phasen der
Spontanatmung durchhalten, ohne sich zu erschöp-
Pflegerische Maßnahmen können zur Stärkung der fen. Dazu werden zwei Verfahren der Entwöhnung
Atemmuskulatur beitragen. genutzt, das diskontinuierliche Weaning und das
44Lagerung des Patienten: kontinuierliche Weaning.
44Herzbettlage zur Entlastung
44Oberkörperhochlage (mind.30°)
44Arme hoch bzw. seitlich auf Kissen gelagert 30.5.1 Diskontinuierliches Weaning
44Knie leicht gebeugt
44Füße tief – Fußende des Bettes absenken Bei diesem Verfahren wechseln sich Phasen der man-
44Bedürfnislage des Patienten beachten: datorischen Beatmung mit Phasen der Spontanat-
44Besuchsempfang ermöglichen mung ab (. Abb. 30.1). Die maschinelle Beatmung
44Musik wird immer wieder unterbrochen und die Patienten
44Licht atmen mit „feuchter Nase“ oder „T-Stück“ spontan.
dem Wert < 105 bleiben, kann von einer ausreichen- Patienten nicht auf einer Intensivstation entwöhnt
den Kapazität, einer ausreichenden Kraft und Aus- werden, werden sie auf eine Weaning-Station verlegt.
dauer der Atemmuskulatur ausgegangen werden Hier wird das Weaning fortgeführt, indem die Spon-
und eine Entfernung des Tubus bzw. Spontanatmung tanatemfähigkeit des Patienten überprüft, der Ent-
mit feuchter Nase an der Trachealkanüle erwogen wöhnungsprozess festgelegt und die Spontanatem-
werden. versuche durchgeführt werden. Wie in . Tab. 30.2
Wird jedoch der RSBI bei dem Absenken der beschrieben gelingt nicht jede Entwöhnung im Beat-
Druckunterstützung einen Wert von > 105 anzeigen, mungszentrum. Aber sie kann weiterhin in einer
ist davon auszugehen, dass die Kraft und Ausdauer außerklinischen Einrichtung fortgeführt werden,
der Atemmuskulatur zu gering ist. Eine Extubation da die Kriterien für die Voraussetzungen, Durchfüh-
wird dann voraussichtlich scheitern. rung und Beenden des Spontanatemtests gleich sind.
z Praktisches Vorgehen
44RSB < 105, bei einem ASB bzw. PS von 25 mbar 30.7.1 Voraussetzungen
→ Reduzieren des ASB bzw. PS auf 20 mbar
4415 Minuten warten, hierbei den Patienten z Überprüfung der Spontanatemfähigkeit
intensiv beobachten (gilt auch für die nächsten Ablauf der Überprüfung:
Reduzierungsschritte!) 44Diskonnektion vom Beatmungsgerät
44→ RSB < 105 → Reduktion des ASB bzw. PS 44Kontinuierliches Monitoring der Sauerstoff-
auf 15 mbar sättigung SpO2
44→ RSB > 105 → auf Anzeichen der respira- 44Keine Sauerstoffapplikation
torischen Erschöpfung achten und auf einen 44Atmen über T-Stück für 3–10 min.
30 kontrollierten Beatmungsmodus (PCV, 44Ermitteln der Vt und AF des Patienten mittels
BIPAP bzw. BiLevel) umstellen (gilt auch für Spirometer/Pneumotachygraph
die nächsten Reduzierungsschritte) 44Arterielle BGA am Ende des Spontanatemtests
4415 Minuten: RSB < 105 → dann Reduktion des
ASB bzw. PS auf 10 mbar Anschließend wird der Patient für 24 Stunden kon-
4415 Minuten: RSB < 105 → dann Reduktion des trolliert beatmet (CMV/PCV/PC-AC), wobei die
ASB bzw. PS auf 5 mbar Beatmungsfrequenz leicht oberhalb der Spontan-
4430–120 Minuten: RSB < 105 → Extubation atemfrequenz des Patienten liegen sollte. Hierdurch
oder bei trachealkanülierten Patienten soll die Atemmuskulatur maximal entlastet und
Spontanatemversuch ohne jede maschinelle zumindest partiell regeneriert werden. Toleriert der
Unterstützung Patient die kontrollierte Beatmung nicht, sollte der
PSV-Modus gewählt werden.
Nachteil für die außerklinische Entwöhnung ist die
Anwendung des Modus PSV. Die meisten Menschen z Ziel der Beatmung
werden im A-PCV-Modus beatmet. Es müsste somit 44Tidalvolumina < 450 ml bei thorakorestriktiven
der PSV-Modus eingestellt werden. Jedoch hat sich Erkrankungen
das ständige Umstellen der Modi nicht bewährt. Es 44Dabei Ti/Ttot 0,4–0,5, entspricht einem I:E =
bleibt somit eher ein guter Beurteilungs-Index für 1:1,5 bis 1:1
die klinische Beatmungsentwöhnung. 44Tidalvolumina > 550 ml bei COPD
44Dabei Ti/Ttot 0,2–0,3, entspricht einem I:E =
1:4 bis 1:3
30.7 Entwöhnung von 44Dabei PEEP von 4–6 zur Antangonisierung
langzeitbeatmeten Patienten des PEEPi
Die Entwöhnung von langzeitbeatmeten Men- Eine leichte Sedierung wird Patienten bei asynchro-
schen ist eine der Hauptaufgaben eines Beatmungs- nen Interaktionen, Dyspnoe oder genereller Intole-
zentrums bzw. von Weaning-Stationen. Können ranz verabreicht.
30.7 · Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patienten
375 30
30.7.2 Entwöhnungsprozess 44Angst
44Spontanatemfrequenz > 35/min.
Einen hohen Stellenwert hat ein zirkadianer Schlaf- 44Atemzugvolumen < 250 ml
Wach-Rhythmus. Die Patienten sollen nachts ohne 44pCO2 > 50 mmHg (6,6 kPa)
Sedativa schlafen. Unterstützend können Sedativa
gegeben werden (bis max. 4 Uhr). Mehrmals täglich wird beurteilt, ob ein Spontanatem-
versuch gestartet werden kann. Sinnvoll könnten eine
z Diskontinuierlicher Entwöhnungsprozess morgendliche und eine nachmittägliche Beurteilung
44Individuell angepasste A-PCV Beatmung sein. Im weiteren Verlauf auch 2-mal vormittags und
tagsüber (8–20 Uhr) 2-mal nachmittags etc. Die Spontanatemphasen
442-stündlich durch zunächst kurze Spontan- sollten nach Möglichkeit weiter ausgedehnt werden.
atemphasen unterbrochen Initial wird mit 3–10 min. begonnen. Sie sollen aber auf
44Messen der spontanen Atemfrequenz 15, 30, 60, 120 Minuten ausgedehnt werden. Zwischen
44Einstellung der maschinellen Beatmungs- den Spontanatemphasen wird kontrolliert beatmet. Ist
frequenz leicht oberhalb der spontanen eine Spontanatmung von 8–20 Uhr möglich, wird die
Atemfrequenz, damit der Respirator kurz vor Nacht darauf erneut kontrolliert beatmet. Danach soll
der erwarteten Inspiration des Patienten die Patient ununterbrochen spontan atmen.
maschinelle Inspiration einleitet Nach sieben Tagen kontinuierlicher Spontanat-
mung ohne invasive Beatmung gelten die Patienten
Am Beginn der Entwöhnung überwiegt die kontrol- als erfolgreich entwöhnt (. Tab. 30.3).
lierte Beatmung bei mehreren nur sehr kurzen Spon-
tanatemphasen (Dauer 3–10 min.).
30.7.4 Entwöhnbarkeit
z Voraussetzung des Patienten für
Spontanatemversuch Der Patient wird als nicht entwöhnbar eingestuft,
Der Patient soll: wenn er nach 14 Tagen unter dem beschriebenen
44Wach und orientiert sein Entwöhnungskonzept noch immer mehr als 20
44Spontanatemfrequenz < 30/min. Stunden täglich invasiv beatmet werden muss und
44Herzfrequenz < 110/min. keine Zeichen einer klinischen Verbesserung zeigte.
44MAP > 80 mmHg Als erfolgreich entwöhnt werden alle Patienten
eingestuft, die mindestens sieben aufeinander fol-
gende Tage ohne invasive mechanische Beatmung
30.7.3 Durchführung des auskommen. Der Beginn einer intermittierenden
Spontanatemversuchs nicht invasiven Beatmung (NIV) bei Hyperkapnie
unter Spontanatmung schließt den Entwöhnungser-
Die Spontanatmung soll eine Spontanatmung ohne folg nicht aus. Bei den erfolgreich entwöhnten Patien-
maschinelle Unterstützung sein! ten wird zwischen dem klinisch stabilen und klinisch
44Diskonnektion vom Respirator instabilen Entwöhnungserfolg unterschieden:
44Trachealkanüle entblocken 44Als klinisch instabil entwöhntwerden Patienten
44Evtl. Einsetzen eines Platzhalters eingestuft, die in den ersten sieben Spontanat-
44Atemluft strömt über die normalen oberen mungstagen eines oder mehrere der folgenden
Atemwege Kriterien aufwiesen:
44Ggf. Sauerstoffgabe, falls SaO2 < 88 % 44Hyperthermie, Temperatur >38°C
44Hämodynamische Instabilität, insbesondere
z Kriterien für Abbruch des HF > 120/min, MAP < 80 mmHg
Spontanatemversuchs 44Instabile Blutgase, pCO2 > 60 mmHg
44Signifikante Dyspnoe (8 kPa), pH < 7,35, SO2 < 90 % trotz
44Agitation Sauerstoffgabe
376 Kapitel 30 · Weaning
Weiterführende Literatur
Rechtsgrundlagen
außerklinische
Beatmung
Kapitel 31 Entlassungsmanagement in der Pflege – 381
Elke Strelow
Entlassungsmanagement in
der Pflege
Elke Strelow
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Entlassungs- die ambulante Intensivpflege ausgerichtet sind. Dies
management in der Pflege und richtet sich an ambu- sollte bei den jeweiligen Kostenträgern erfragt werden.
lante Pflegedienste, die sich auf die außerklinische
Beatmung spezialisiert haben. Das hier beschriebene
Entlassungsmanagement entspricht nicht dem pro- 31.1.1 Versorgungsvertrag gemäß
fessionellen Case Management, welches eine Wei- §§ 132, 132a Abs. 2 SGB V
terbildung von mindestens 210 Stunden voraussetzt.
Die Deutsche Gesellschaft für Case und Care Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ist grund-
Management (DGCC) beschreibt das Case Manage- sätzlich im § 37 SGB V geregelt. Sie dient der Vermei-
ment folgendermaßen: dung bzw. Verkürzung einer Krankenhausbehand-
lung bzw. der Sicherung der ambulanten ärztlichen
» Case Management ist eine Verfahrensweise Behandlung. Dadurch soll dem Versicherten die Mög-
in Humandiensten und ihrer Organisation zu lichkeit gegeben werden, möglichst früh in die eigene
dem Zweck, bedarfsentsprechend im Einzelfall Häuslichkeit zurückzukehren bzw. dort so lange wie
eine nötige Unterstützung, Behandlung, möglich zu verbleiben. Die §§ 132 und 132a bilden die
Begleitung, Förderung und Versorgung von weitere Grundlage bezüglich der ambulanten Kran-
Menschen angemessen zu bewerkstelligen. kenpflege sowie die Versorgung mit Haushaltshilfen.
Der Handlungsansatz ist zugleich ein Um einen Versorgungsvertrag gemäß §§ 132,
Programm, nach dem Leistungsprozesse in 132a Abs. 2 SGB V beim Verband der Ersatzkassen
einem System der Versorgung und in einzelnen (VdEK) zu beantragen, muss der Pflegedienst einen
Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens Strukturerhebungsbogen ausfüllen. Dieser erfragt
effektiv und effizient gesteuert werden die allgemeinen Angaben zum Pflegedienst, Name
können. (DGCC 2016) und Qualifikation der verantwortlichen Pflegefach-
kraft sowie der stellvertretenden Pflegefachkraft,
Nur wenige Pflegedienste verfügen über einen Case Angaben zu den Mitarbeitern und den zu erbringen-
31 Manager, können aber dennoch ein gelungenes den Leistungen. Liegen alle Unterlagen vor, sendet
Entlassungsmanagement gestalten und somit dafür der Verband den Vertrag zur Unterschrift an die ein-
Sorge tragen, dass Versorgungslücken verhindert zelnen Kostenträger und letztendlich an den Pflege-
werden, um die Belastung für den Patienten so gering dienst, der nunmehr im Rahmen der Behandlungs-
wie möglich zu halten. Hierfür ist es erforderlich, alle pflege seine Tätigkeit aufnehmen kann.
Abläufe minutiös zu beschreiben und durchzufüh-
ren. Alle Mitarbeiter sollten diese Abläufe kennen Praxistipp
und konsequent umsetzen. Im Folgenden werden
neben den gesetzlichen Anforderungen alle erfor- Ein Mustervertrag findet sich unter: https://
derlichen Schritte beschrieben. www.vdek.com/LVen/SHS/Vertragspartner/
Pflegeversicherung61806/haeusliche-kran-
kenpflege/_jcr_content/par/download_4/file.
31.1 Gesetzliche Vorgaben res/140429%20Versorgungsvertrag.pdf
31
möchte. Daher muss der Pflegedienst einen Pflege- Pflegestufe oder bei dauerhaft erheblich
vertrag mit dem Patienten abschließen. Nimmt der eingeschränkter Alltagskompetenz.
Patient auch Sachleistungen im Rahmen des SGB XI 2. Schulung und Beratung von Angehörigen
in Anspruch, muss dem Pflegevertrag auch ein Kos- 44Der Pflegedienst sollte mit den Angehörigen
tenvoranschlag zu den geplanten grundpflegerischen besprechen, ob sie an der Versorgung
Leistungen beigefügt sein. Die Leistungen werden mitwirken möchten. Ist dies der Fall, können
vom Pflegebedürftigen eingekauft und müssen auf Schulungen angeboten werden. Beratungen
dem Kostenvoranschlag per Unterschrift bestätigt zu den pflegerischen Maßnahmen helfen,
werden. Hier ist eine umfassende Beratung erfor- diese besser zu verstehen bzw. nachvoll-
derlich. Der Pflegevertrag und der Kostenvoran- ziehbar zu machen. Auch ein Hinweis auf
schlag müssen den Akten beigefügt sein. Dies wird die Geräusche der verschiedenen Geräte,
im Rahmen der Qualitätsprüfung kontrolliert. wie Alarme oder Absauggeräusche,
kann den Angehörigen helfen, mit dieser
Situation besser zurechtzukommen.
31.2.6 Besuch in der Häuslichkeit 3. Platz für Hilfsmittel
44Die für die außerklinische Beatmung
Es ist unumgänglich, sich ein genaues Bild von der erforderlichen Hilfsmittel benötigen
Häuslichkeit des Patienten zu machen, da hier die viel Platz, der letztendlich nicht immer
weitere Versorgung stattfinden soll. Eine umfassende in ausreichendem Maße zur Verfügung
Klärung aller Fragen ermöglicht einen reibungslo- steht. Obgleich es nicht zu vermeiden ist,
sen Ablauf der pflegerischen Tätigkeiten und trägt dass das Zimmer den Charakter eines
insbesondere zu einem harmonischen Miteinander Krankenzimmers bekommt, sollte doch
bei. Eine Checkliste zum Abarbeiten kann hier hilf- auf größtmögliche Wohnqualität geachtet
reich sein. werden. Eventuell ist es nötig, einen Schrank
Folgende Fragen müssen im Vorwege abgeklärt auszuräumen oder neu hinzu zu stellen, um
31 werden: die Hilfsmittel bestmöglich zu verstauen.
1. Wo genau wird der Patient versorgt? Vor der Entlassung des Patienten sollten die
44Bieten die Räumlichkeiten genügend Platz persönliche Schutzausrüstung (PSA), wie
für die Versorgung? Gibt es genügend Steck- z. B. Handschuhe, ggf. Schutzkittel sowie
dosen, ist die Stromversorgung gesichert? Desinfektionstücher, Einmalhandtücher,
44Beleuchtung, Pflegebett, Beatmungsgerät, Handwaschseife und Hautschutzmittel,
Atemgasbefeuchtung, Inhalator, Sauerstoff sowie Spritzenabwurfbehälter bereits in der
Konzentrator, Pulsoxymeter, Absauggerät Häuslichkeit vorliegen.
und Ernährungspumpe erhöhen den 4. Arbeitsplatz der Pflegekräfte?
Stromverbrauch. Der Patient sollte daher 44Die Pflegekräfte müssen sich in unmittel-
auch darauf hingewiesen werden, dass barer Nähe zum Patienten aufhalten, um im
er einen schriftlichen Antrag auf Strom- erforderlichen Fall sofort intervenieren zu
kostenerstattung bei seiner Krankenkasse können. Evtl. wird ihnen ein separater Raum
stellen kann. Zwingend erforderlich ist es zur Verfügung gestellt, der diese Bedingung
zu wissen, wo sich der Sicherungskasten allerdings erfüllen muss. Auch der Zugang
befindet. zu den sanitären Anlagen muss besprochen
44Sollten Umbaumaßnahmen zur Verbes- werden. Ein Platz zum Dokumentieren
serung des Wohnumfeldes erforderlich sollte grundsätzlich zur Verfügung stehen,
sein, kann bei der Pflegekasse ein Zuschuss allerdings ist der Patient nicht verpflichtet,
in Höhe von 4000 Euro (seit 2015) zur Internet oder das private Telefon zur
Wohnungsanpassung beantragt werden. Verfügung zu stellen. Es empfiehlt sich,
Dies gilt bei u. a. bei Vorliegen einer seitens des Pflegedienstes ein Teamhandy
anzuschaffen.
31.2 · Entlassungsmanagement
389 31
5. Müllentsorgung Checkliste ist hier sehr hilfreich. Alle an der Pflege
44In der außerklinischen Beatmung fällt je beteiligten Personen müssen nachweislich in sämt-
nach Umfang der Versorgung deutlich mehr liche Geräte eingewiesen sein. Es ist auch möglich,
Müll an, der laut Biostoffverordnung korrekt einige Mitarbeiter vom Provider als Multiplikato-
entsorgt werden muss. Es ist durchaus ren einweisen zu lassen. Diese sind dann berechtigt,
möglich, dass eine weitere Mülltonne weitere Personen einzuweisen. Die Befähigung zum
angeschafft werden muss. Der Patient sollte Multiplikator muss auf dem Zertifikat vermerkt sein.
darauf hingewiesen werden. Wie der Müll Alle Versorger müssen in der Dokumentation
getrennt wird, kann in der Broschüre der mit Hinweis auf die Versorgungsart hinterlegt sein.
Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Ebenso muss die Geräteeinweisung vorliegen. Dies
Wohlfahrtspflege nachgelesen werden. wird im Rahmen der Qualitätsprüfung durch den
MDK kontrolliert.
Praxistipp
Im Pflegealltag sind Mitarbeiter mit vielen recht- des Bettgitters ein Kausalzusammenhang besteht.
lichen Regelungen konfrontiert. Vielfach fehlt es Dies bedeutet, der Kläger muss beweisen, dass der
dabei an einer Überschaubarkeit. Die nachfolgenden Schaden vermeidbar gewesen wäre, wenn das Bett-
Kapitel sollen daher einen Überblick über die wich- gitter hochgezogen wäre. Es leuchtet sicherlich ein,
tigsten rechtlichen Grundlagen vermitteln. Dabei dass dies in den meisten Fällen gar nicht zu bewei-
wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. sen ist, wenn der Patient noch eine gewisse Rest-
Zudem wird beschrieben, in welcher Weise Pfle- beweglichkeit aufweist. Kaum ein Gutachten kann
gende straf- bzw. haftungsrechtlich zur Verantwor- daher glaubhaft beweisen, dass ein bewegungsfä-
tung gezogen werden können. Dabei soll der Leser higer Patient nicht über ein hochgezogenes Bettgit-
sensibilisiert werden, das eigene Tun im jeweiligen ter klettern könnte und sich somit noch viel schlim-
Handlungsumfeld aus rechtlicher Perspektive zu mer verletzen würde. Dies ist ein weiteres wichtiges
reflektieren. Argument in den aktuell geführten Diskussionen,
generell freiheitsentziehende Maßnahmen im Pfle-
gealltag möglichst zu vermeiden.
32.1 Die Rechtsquellen
Die weitere Prüfung im Haftungsrecht umfasst die
Folgende Rechtsquellen sind maßgeblich: folgenden Schritte:
44Grundgesetz (GG) 1. Tatbestandsmäßigkeit:
44Gesetze: 44Entspricht ein bestimmtes Verhalten dem
44Verabschiedung durch Parlamente, Gesetzeswortlaut?
Bundestag, z. B. StGB, BGB 2. Rechtswidrigkeit:
44Rechtsverordnungen: 44Greifen keine Rechtfertigungsgründe für ein
44Rechtsnormen, die von Exekutivorganen bestimmtes Verhalten ein?
(Regierung oder einzelnen Ministern) 44Man darf sich z. B. gegen einen Angreifer
erlassen werden, um die Ausführung der wehren (Notwehr).
Gesetze zu ermöglichen, z. B. StVO 3. Schuld:
44Satzungen: 44Kann einer Person ein bestimmtes von der
32 44Rechtsnormen, die von Körperschaften, Rechtsordnung missbilligtes Verhalten
Stiftungen und Anstalten des öffentlichen vorgeworfen werden?
Rechts zur Regelung ihrer eigenen Angele- 44So handelt z. B. ein an einer psychiatrischen
genheiten erlassen werden Erkrankung Leidender nicht schuldhaft, da
44Privatrechtliche Verträge er nicht in der Lage ist, die Verwerflichkeit
44Privatautonome Regelungen zwischen seines Handelns zu erkennen.
Parteien, z. B. Kaufvertrag
Gibt es also bestimmte Rechtfertigungsgründe, so
scheidet ein Verschulden vollständig aus.
32.2 Prüfungsschema für eine
Haftung
32.3 Rechtfertigungsgründe zum
Im Strafrecht wie im Zivilrecht geht es zunächst um Verschuldensausschluss
das Prüfungsschema (. Abb. 32.1).
Dabei sind insbesondere folgende Rechtfertigungs-
Beispiel gründe für den Pflegealltag relevant:
Ein Patient ist aus seinem Pflegebett gefallen, es 44Notwehr/Nothilfe (§ 32 StGB):
stellte sich später im Krankenhaus ein Oberschen- 44Jeder gegenwärtige rechtswidrige Angriff
kelhalsbruch heraus. Ein am Bett angebrachtes Bett- auf ein fremdes Rechtsgut darf durch das
gitter war bei Schadenseintritt nicht hochgezogen. mildeste Mittel abgewehrt werden.
Hierbei muss der Kläger beweisen, dass zwischen 44Notwehr ist die Selbsthilfe.
eingetretenem Schaden und dem Nichthochziehen 44Nothilfe ist die Hilfe für einen anderen.
32.3 · Rechtfertigungsgründe zum Verschuldensausschluss
395 32
. Abb. 32.1 Prüfungsschema
Leistungen verpflichtet. Damit ergibt sich die weitere Fallbeispiel bestand der Behandlungsfehler darin,
Verpflichtung zur Erfüllung fachlicher und organi- dass die wenig erfahrene Pflegekraft den Tracheal-
satorischer Sorgfalt (§§ 276, 278). Der Träger muss kanülenwechsel eigenständig ohne entsprechende
demnach gewährleisten können, dass das Kran- Fachkenntnisse durchgeführt hat. Der Arzt hätte
kenhaus über den für die Behandlung erforderli- diese Person im Rahmen seiner Delegationsverant-
chen medizinischen, pflegerischen und technischen wortung überhaupt nicht auswählen dürfen bzw. das
Standard verfügt. Hierzu gehört u. a. die Verpflich- ganze Geschehen intensiv begleiten und überwachen
tung zur Bereitstellung einer für die Versorgung müssen. Somit liegt im Fallbeispiel auch ein Kausal-
der Patienten ausreichenden Zahl von Personal- zusammenhang zwischen entstandenem Schaden
stellen, die mit entsprechend qualifiziertem pfle- am Patienten und dem pflichtwidrigen Handeln der
gerischem und ärztlichem Personal besetzt sein Pflegekraft vor.
müssen. Laut Brenner liegt ferner ein Organisations-
mangel vor, „wenn Einsatz, Anleitung und Kontrolle z Der Rückgriff
eines Berufsanfängers unzureichend geregelt sind.“ Trotzdem kann das Krankenhaus in bestimmten
(Brenner 2002, S. 141). Fällen Rückgriff bei seinem Personal nehmen. Denn
bei Verschulden des medizinischen Personals sind
dann im Innenverhältnis die Gesamtschuldner zum
32.4 Vorsatz und Fahrlässigkeit Ausgleich verpflichtet (§ 426 I BGB). Allerdings ist
diese Haftung eingeschränkt aufgrund des Arbeits-
Eine vorsätzliche Handlung meint in diesem Zusam- verhältnisses. Sie entfällt bei leichter Fahrlässigkeit,
menhang das einem Patienten bewusste bzw. gewollte wird bei mittlerer bzw. bei bewusster Fahrlässigkeit
Zufügen eines Schadens oder auch das wissentliche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufge-
Unterlassen einer Schädigung, welche voraussehbar teilt und besteht nur bei Vorsatz und i. d. R. auch bei
ist. Dementsprechend kann größtenteils davon aus- grober Fahrlässigkeit.
gegangen werden, dass es im medizinisch-berufli- Beispiel für grobe Fahrlässigkeit: Eine Pflegekraft
chen Handlungsfeld nicht zu einer vorsätzlichen legt ohne Schutz eine kochend heiße Wärmflasche
Schädigung der Patienten kommt. Fahrlässigkeit auf den Bauch eines Patienten und dieser erleidet
32 wird laut § 276 (2) BGB hingegen als das Außeracht- eine Brandverletzung (§ 823 I BGB).
lassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt defi- Anmerkung: Die Arbeitsgerichte halten inzwi-
niert. Im Rechtsstreit muss der Grad der Fahrlässig- schen selbst bei grober Fahrlässigkeit eine Quote-
keit einzeln geprüft werden. lung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber für
Haftung des Trägers für seine „Erfüllungsgehil- möglich (Tröger und Wüst 2002). Im genannten
fen“: Fallbeispiel kann demnach ggf. von einer Begren-
zung der persönlichen Haftung ausgegangen
» § 278 BGB [Verantwortlichkeit des Schuldners werden.
für Dritte]
Der Schuldner hat ein Verschulden
seines gesetzlichen Vertreters und der 32.5 Körperverletzung
Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner
Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Für eine Körperverletzung ist gemäß § 223 I StGB
Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. eine „körperliche Misshandlung“ bzw. eine „Gesund-
heitsbeschädigung“ erforderlich. Beispiele für kör-
Nach diesem Gesetz haftet primär der Träger, wenn perliche Misshandlungen sind u. a. das Zufügen
die Pflegekraft oder der Arzt die Pflicht zur sorgfäl- von Schmerzen (Injektion) oder auch Rasieren oder
tigen Durchführung der Behandlung des Patienten Haare schneiden (sog. Substanzverlust). Ein Beispiel
widerrechtlich verletzt und ihm aufgrund dieser für eine Gesundheitsbeschädigung wäre gegeben,
Sorgfaltspflichtverletzung, ausgelöst durch Vorsatz wenn eine Pflegekraft wissentlich an einer Salmo-
oder Fahrlässigkeit, einen Schaden zufügt. Im nelleninfektion leidet, trotzdem zur Arbeit erscheint
Weiterführende Literatur
397 32
und damit Patienten ansteckt. Auch das Narkotisie- Weiterführende Literatur
ren von Patienten ist Gesundheitsbeschädigung.
BGB – Bürgerliches Gesetzbuch, 2010. München: Deutscher
Schuldhaftes Verhalten liegt bei den Fällen von Kör-
Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG
perverletzung allerdings nur dann vor, wenn kein Brennner G (2002). Rechtskunde für das Krankenpflegeperso-
Rechtfertigungsgrund vorliegt. Insbesondere stellt nal. (8.Aufl.). Stuttgart u.a.: Gustav Fischer Verlag
somit die Einwilligung des Patienten ein wichtiger Reimer W (2000). Pfleglicher Umgang mit dem Recht – Rechts-
Rechtfertigungsgrund dar. kunde für Pflegeberufe. (3. Aufl.). Ulm: Universitätsverlag
Ulm GmbH
Tröger, K. & Wüst, H. (2002). http://www.troeger-wuest.de/
Texte/anhft.html. Adelsheim
32.6 Unterlassungsdelikt
Internet: Bayrische Krankenhausgesellschaft e.V. (Mai 2009),
http://www.bkg-online.de/. München
Damit wird eine Straftat bezeichnet, bei der das straf-
bare Verhalten in der Nichtvornahme einer gebote-
nen Handlung besteht. Denn strafbar kann nicht nur
eine Handlung (aktives Tun), sondern eben auch das
Unterlassen sein. Jedoch wird das Unterlassen nur
dann bestraft, wenn der Unterlassende eine rechtli-
che Verpflichtung zum Handeln hatte.
Das Strafrecht gliedert Unterlassungsstraftaten
in zwei Kategorien:
44Echte Unterlassungsdelikte
44Unechte Unterlassungsdelikte (§ 13 StGB)
Für den Umgang mit Medizinprodukten sind spe- 33.2 Sinn und Zweck des
zielle rechtliche Rahmenbedingungen notwendig, Medizinproduktegesetzes
um möglichst Schäden beim Betroffenen zu ver-
meiden sowie durch eine korrekte Umgangsweise z § 1 MPG
mit Medizinprodukten auch einen entsprechenden Zweck dieses Gesetzes ist es, den Verkehr mit Medi-
Therapieerfolg zu ermöglichen. Im Folgenden sollen zinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicher-
die wichtigsten Regelungen des Medizinprodukte- heit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte
rechts dargestellt werden und als kleiner Wegweiser sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz
im beruflichen Alltag zu Diensten stehen. der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen.
z § 3 MPG 1
33.1 Gründe für ein Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinan-
Medizinproduktegesetz (MPG) der verbunden verwendeten Instrumente, Appa-
rate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus
Die Erfahrungen der Praktiker zeigen, dass die Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der
ursprünglich bestandenen Regelungen nicht ausrei- für ein einwandfreies Funktionieren des Medizin-
chend waren. Die Notwendigkeit gesetzlicher Rege- produktes eingesetzten Software, die vom Hersteller
lungen zeigt sich u. a. auch in folgenden Punkten: zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funk-
44Reaktion auf Häufung von Vorkommnissen tionen zum Zwecke:
44Verbindliche Aufgaben für: a. der Erkennung, Verhütung, Überwachung,
44Hersteller / Importeur Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
44Händler bzw.
44Betreiber b. der Erkennung, Überwachung, Behandlung,
44Anwender werden verbindlich festgelegt Linderung oder Kompensierung von Verlet-
zungen oder Behinderungen, bzw.
> Der Anwender trägt die größte c. der Untersuchung, der Ersetzung oder der
Verantwortung Veränderung des anatomischen Aufbaus oder
eines physiologischen Vorgangs oder
Es sind meist Bedienungsfehler sowie Installations- d. der Empfängnisregelung
33 und Instandhaltungsfehler, die bei regelrechter Über-
prüfung vor Anwendung gefunden worden wären zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungs-
(. Abb. 33.1). gemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen
Fazit
Für die Anwendung von aktiven Medizinprodukten,
33 insbesondere natürlich Beatmungsgeräte, Absaug-
geräte, elektronische Betten, elektrisch betriebene
Inhalatoren etc., muss grundsätzlich eine grundle-
gende Einweisung durch einen Medizinprodukte-
bzw. Gerätebeauftragten der jeweiligen Einrichtung
erfolgen. Diese muss ggf. bei Veränderungen bzw.
Updates aufgefrischt bzw. wiederholt werden. Ein
entsprechender Eintrag im Gerätepass ist zwingend
erforderlich! Vor jedem Einsatz ist das Gerät einer
den Vorgaben entsprechenden Funktionskontrol-
le (u. a. Dichtigkeitstest, Manometerkontrolle) zu
unterziehen.
Weiterführende Literatur
Serviceteil
Anhang – 408
Stichwortverzeichnis – 416
Anhang
(A) PCV (A) PCV (A)PCV (A)PCV PVC PC PCV A/C PCV ASS PCV
PVC (A) a PCV
PEEP PEEP PEEP PEEP PEEP EPAP PEEP EPAP EPAP
oder
PEEP
Pinsp IPAP Pin/Pinsp Pin/Pinsp Insp. Dr. IPAP IPAP IPAP IPAP
(max Pi oder
und min, i-Druck
wenn
AVAPS
ein)
Atemfre- Back-Up- Fmin. Fmin. Atemfr. Atemfre- Af Af
quenz Frequenz quenz
Ti Ti I:E oder Ti I:E oder Ti Insp. Zeit Inspira- Ti Insp. Zeit
tionszeit
I:E - Kalk I:E I/T
oder
I:E
Antiegs- Anstiegs- Kurve Kurve Anstieg Rampen- Druck- Anstiegs- Rampe
zeit zeit dauer anstieg zeit
Absenk-
zeit
Triggertyp Triggertyp
Trigger Drucktrig- Insp. Insp. Flowtrig- Trigger Trigg I Trigg I
ger TgD Trigger Trigger ger-Sensi-
(bei PCV tivität
A)
Sicher- Vt min Ziel Atemzug- Volu- Ziel Vt Ziel Vt
heits Vt V TS Volumen volumen men-
Volumen- TgV (wenn kompen-
sicherung AVAPS sation
(Total
ein)
garan-
tiertes
Volumen)
Apnoe- Alarm
Reaktion Apnoe
Apnoefre-
quenz
410 Anhang
. Tab. 2 Fortsetzung
Seufzer Seufzer
Manueller LIAM
Atemzug ∆ P (über
IPAP)
Ti und Te
LIAM
Duration
(Dauer)
Intervall
Cycles
(Anzahl)
AVAPS
. Tab. 3 Fortsetzung
. Tab. 4 Druckunterstützung
Astral Stellar VS III Eliseé 150 Vivo 50/60 Ventilogic LS PB 560/520 Legendair
(ResMed) (ResMed) (ResMed) (ResMed) (Breas) (Weinmann) Covidien
PSV PSV PS.T, PSV PS.T, PSV PSV PSV PSV S/T PSV ST
PEEP PEEP PEEP PEEP PEEP PEEP EPAP EPAP
PSV Pin Insp. Druck PSV Insp. Dr. IPAP IPAPsupp IPAP
Pin zu PEEP
Anstiegs- Kurve Kurve Kurve Anstieg Druckanstieg Anstiegszeit Rampe
zeit Anstiegszeit
Triggertyp
412 Anhang
. Tab. 4 Fortsetzung
Astral Stellar VS III Eliseé 150 Vivo 50/60 Ventilogic LS PB 560/520 Legendair
(ResMed) (ResMed) (ResMed) (ResMed) (Breas) (Weinmann) Covidien
. Tab. 5 S/T
. Tab. 5 Fortsetzung
. Tab. 6 Fortsetzung
. Tab. 8 iVAPS/AVAPS
Stichwortverzeichnis
A Atelektase 138
Atem-Zeit-Verhältnis 126, 307
–– Häufigkeit 40
–– mandatorische 114
A-PCV-Beatmung 129 Atemarbeit 32 –– nichtinvasive Siehe nichtinvasive
A-PVC-Beatmung 307 Atemfrequenz 302, 307 Beatmung 90
ABCDE-Schema 172 Atemgasbefeuchter 264 –– volumengarantierte 164, 285
Absaugung Atemgasbefeuchtung –– volumenkontrollierte Siehe
–– endotracheale 355 –– aktive 343 volumenkontrollierte
–– geschlossene 357 –– passive 345 Beatmung 288
–– offene 357 Atemgaskonditionierung 342 –– zeitgesteuerte 284
–– subglottische 82, 357 Atemhilfsmuskulatur 15 Beatmungsfilter 344
ACE-Hemmer 192 Atemluft 18, 319 Beatmungsfrequenz 307
Acetylcystein (ACC) 202 Atemminutenvolumen 19, 306 Beatmungsgerät
Acetylsalicylsäure 208 Atempumpe 32 –– Pflege 268
AED (automatisierter externer Atemregulation 18, 40 –– turbinengesteuertes 104
Defibrillator) 178 Atemstillstand 40 Beatmungskurve 114
Airtrapping 60 Atemwege Beatmungsmaske 267
Alarmmitteilung 300 –– obere 5 Beatmungsmitteldruck 306
Alkalose 330 –– untere 8 Beatmungsprotokoll 309
–– metabolische 336 Atemwegsbefeuchtung 342 Beatmungsvolumen 306
–– respiratorische 333 Atemwegsdruck 300 Befeuchter 106
ALS (amyotrophe Lateralsklerose) 55, Atemwegswiderstand 143 Befeuchterflüssigkeit 261
130, 164 Atemzugvolumen 19, 123, 301, 307 Benzodiazepin 202
Alveolarluft 319 –– VCV 135 Berne, Eric 248
Alveolen 14 Atmung Beta-2-Rezeptoragonist 197
Ambroxol 201 –– äußere 14 Beta-Blocker 189
Ambubeutel 102 –– innere 14 Betreiberverordnung 401
Angiotensin-II-Antagonist 192 Auskultation 41 Betreuung 404
Anoxie 45 Autohaler®-System 189 Betreuungsverfügung 404
Anstiegszeit 126 Autotriggerung 147 BGA Siehe Blutgasanalyse 316
Anti-Xa-Faktor 210 AVAPS (Average Volume Assured Bikarbonat 328
Antiarrhythmikum V, 196 Pressure Support) 164, 285 Bisphosphoglycerat 323
Anticholinergikum 200 Axiome von Watzlawick 244 Blockermanschette 80
Antidepressivum 205 Azidose 330 Blutdruck 313
Antihypertensivum 189 –– metabolische 335 Blutgasanalyse 316
Antikoagulans 208 –– respiratorische 331 –– Normwerte 316
Apallisches Syndrom 45 Azinus 14 Bodyplethysmografie 41
Apnoe-Test 40 Bogenhausener Dysphagiescore 232
Bradykardie 196
B
Apnoeventilation 302
Apnoezeit 302 Bronchien 8
Applikation, Medikamente 184 Bronchitis 197
Back-Up 150 Bronchodilatativum 197
Aqua 261
Back-Up-Einstellung 303 bulbäres Symptom 91
Arzneimittel,
Barotrauma 300
magensaftresistentes 186
Base-Excess (BE) 331
C
Asphyxie 45
Bauchatmung 16
Aspiration 229
Beatmung
–– Risiko 231
–– augmentierte 114 Carina 8
ASS (Acetylsalicylsäure) 208
–– druckkontrollierte 114, 120, 142, Case Management 382
Asthma bronchiale 197
159, 164, 284, 288 Clearence, mukoziliäre 10
–– Lungenfunktionsprüfung 42
–– druckregulierte- CO2 (Siehe auch Kohlendioxid) 215,
Asthmaanfall 200
volumenkontrollierte 142 318
Astral 150 139, 150
–– druckunterstützende 142, 146 CO2-Dissoziationsgleichung 328
AT1-Blocker 192
–– flowgesteuerte 285 CO2-Kurve 116
Stichwortverzeichnis
417 A– H
P Q Sauerstoffnasensonde 224
Sauerstoffpartialdruck 319–320
Packegriff 352 Querschnittslähmung 48 Sauerstoffsättigung 322
Paraplegie 49 Quotient, respiratorischer 215 –– transkutane 216
Parese 57 –– zentralvenöse 325
Partialdruck 18, 319 Sauerstoffverbrauch 215
Partialinsuffizienz, respiratorische 37
Pass-Over-Verdampfer 343
R Säure 327
Säure-Basen-Haushalt 328
Patienteneinschätzung 171 Rabattmarken-Modell 255 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 230
Patientenverfügung 404 Rampe 126 Schadenersatz 395
PB 560 130, 144 –– Flowverhalten 290 Scherkraft 138
PC (Pressure Control) 165 Rapid Shallow Breathing Index 308, Schlaganfall 47
PC SIMV 159 373 Schlauchsystem 264
PCV (druckkontrollierte Reanimation 177 Schleifendiuretikum 192
Beatmung) 120, 159, 284 –– Kinder 179 Schluckreflex 228
PDE-4-Hemmer 200 Rechts-Links-Shunt 36 Schluckstörung 58
Peak Inspiration Flow 116, 151 Rechtsverschiebung 323 Schluckvorgang 228
Peak Inspiration Pressure 165 Reizgriff 352 Schmelztablette 186
PEEP (Positive End Expiratory Reservevolumen Schulz von Thun, Friedemann 245
Pressure) 121, 306 –– exspiratorisches 19 Sedativum 202
–– intrinsischer 60, 292 –– inspiratorisches 19 Sedimentation 359
PEEP-Ventil 103 Residualkapazität 20, 320 Seele 83, 268
PEEPi (intrinsic PEEP) 60 Residuen 229 Sekret-Clearence 350
Pendelluft 137 Resistance 143, 274 Sekretmobilisierung 352
Penetration 229 –– Normwerte 274 Sekretolytikum 201
Pflegeversicherung 382 Respirator 103 Serotonin-Wiederaufnahmehemmer,
Pflegevertrag 385 respiratorischer Quotient 215, 318 selektiver 206
pH-Wert 326 Restriktion 43 Serotonin/Noradrenalin-
Pharmakodynamik 184 Retardarzneimittel 186 Wiederaufnahmehemmer,
Pharmakokinetik 184 Retentionswert 344 selektiver 206
Pharynx 228 Rettungsdienst 170 Shuntvolumen 19
Phosphodiesterasehemmer 200 Robert Koch-Institut (RKI) 383 Sicherheits- Vt 142
PIF (Peak Inspiration Flow) 116, 151 Roflumilast 200 SIMV (Synchronized Intermittent
Pinsp, Flowverhalten 290 RSB-Index (Rapid-Shallow-Breathing- Mechanical Ventilation) 158
PIP (Peak Inspiration Pressure) 165 Index) 373 –– druckkontrollierte 159
Plateaudruck 136 Rückenmark 24 –– volumenkontrollierte 158
Plateauphase 136, 289 Rückenmarksläsion 49 Sinusflow 288
Platzhalter 87 Rückgriff 396 Skoliose 58
Pleura 11 small talk 247
Pmax (Atemwegsdruckgrenze) 300 Spinalnerv 24
Poliomyelitis 56 S Spirometrie 42
Spitzendruck 136, 289, 306
Polymyositis 54
positive Druckbeatmung 111 Sartan 192 Spitzeninspirationsdruck 165
Postpoliomyelitis-Syndrom 56 Sauerstoff 18, 120, 214, 317, 319 Spontanatemversuch 375
Ppeak (Spitzendruck) 306 –– Bindungskapazität 214, 317 Spontanatmung 110
Pressure Control 165 –– Bindungskurve 323 Spontanatmungsfrequenz 307
Prozent-Trigger 308 –– Extraktionsrate 318 Spontanatmungsminutenvolumen
PSV (Pressure Support Ventilation) 146 –– Toxizität 120 306
–– flowgesteuerte, Sauerstoffbrille 224 Sprechventil 82
druckkontrollierte 285 Sauerstoffflasche 220 SSNRI (selektive Serotonin/
–– Flowtrigger 295 Sauerstoffgabe, Indikation 218 Noradrenalin-
Puffer 327 Sauerstoffgerät, Pflege 269 Wiederaufnahmehemmer) 206
Puffersystem 327 Sauerstoffkonzentration 308 SSRI (selektive Serotonin-
Puls 313 Sauerstoffkonzentrator 220, 269 Wiederaufnahmehemmer) 206
Pulsoxymetrie 216, 312 Sauerstoffmangel, Symptome 216, 318 ST-Modus 152
Pulverinhalator 189 Sauerstoffmaske 224 Stammhirn 21
Punktionstracheotomie (PDT) 73 Sauerstoffmessung 216 Standzeit, Desinfektionsmittel 261
420 Stichwortverzeichnis
T Ventilationsstörung 33
Verneblersysteme 362
Tachykardie 196 Verschulden 394
Tannen, Deborah 247 Versorgungsvertrag 382
Tetraplegie 49 Vertrag 255
Thalamus 22 Vertragshaftung 395
Theophyllin 199 Videofluoroskopie 233
Thiazid 191 Videoskopie 232
thorakal restriktive Erkrankung 65 Vier-Seiten-Modell 245
–– NIV 96 Vitalkapazität 20
Thrombozytenaggregationshemmer volumenkontrollierte Beatmung 114,
208 134, 284, 288
Ti/Ttot 308 –– Atemzugvolumen 135
TIA (transitorisch ischämische Attacke) –– Flow 135
47 Volumenkurve 116
Tidalvolumen 9, 307 Volumensteuerung 284
Total-Face-Maske 92 Vorderhorn 27
Totalkapazität 20 Vorsatz 396
Totraum 9 Vorsorgevollmacht 404
Trachea 8
Trachealkanüle 78
–– gefensterte 84 W
Trachealkanülenmanagement 234,
267 Wachkoma 46
Tracheostoma Wahrnehmung, verzerrte 243
–– plastisches 75 Wasserfalle 265
–– Verschluss 87 Wasserschloss 103
Tracheotomie Watzlawick, Paul 244
–– Indikation 72 Weaning
–– Orte 73 –– diskontinuierliches 371
Transaktion –– kontinuierliches 372
–– gekreuzte 251 –– Voraussetzungen 368
–– parallele 251 Weaning-Prozess 368
–– verdeckte 254 Weaning-Zentrum 169
Transaktionsanalyse 248
Transferkoeffizient 44