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Wandel verankern

Warum tiefgreifender Wandel einen


guten Ordnungsrahmen braucht

Mit wieviel Zauber, wieviel Enthusiasmus, wieviel Hoffnung die


Projekte des Wandels in Organisationen oft beginnen. Die Ziele
sind hochgesteckt und umfassend. Die Storyline begeistert.
Strategie, Kultur, Führung, Prozesse. Nicht einmal das Organi-
gramm ist tabu. Zum Kick-off kommt sogar der Bereichsvor-
stand. Und wie dankbar Partizipationsangebote angenommen
werden – alle fühlen sich gut mitgenommen. Überall ist großes
Engagement spürbar. Eng beschriebene Moderationskarten zeu-
gen von persönlichen Commitments auf allen Ebenen.
Nimmt man Kurt Lewins Diktum ernst, dass wir die Organisa-
tion erst kennenlernen, wenn wir sie verändern, dann steht am An-
fang jedes Wandelprozesses vor allem eines: Unwissen. Darü-
ber nämlich, wie sich die Veränderung denn nun tatsächlich
auf den unterschiedlichen Ebenen der Organisation und bei den
Kund*innen auswirkt. Wie sich die Prozesse verändern werden,
was der/die Einzelne in seinen täglichen Routinen ändern muss.
Auch wer in der Transformation gewinnt und wer verliert, ist
anfangs nur schemenhaft erkennbar.
Dass Organisationen keine trivialen Maschinen sind, bedeu-
tet ja vor allem, dass ihr Wandel eben nicht detailliert planbar
ist. Je umfassender der Change, umso weniger ist deshalb auch
initial einschätzbar, welche Verschiebungen sich auf den Vor-
der- und Hinterbühnen der Macht ergeben. Nur so lässt sich
erklären, dass beim Misserfolg des Change dieselben Personen
behaupten, dass sie das schon immer gewusst hätten, wie beim
Erfolg.
Ganz gleich, ob es sich um eine kulturorientierte Organisa-
tionsentwicklung, eine Post-Merger-Integration oder eine har-
te Restrukturierung handelt: Im Verlauf jedes tiefgreifenden
Veränderungsprozesses tauchen ungeahnte Kräfte auf, die am
Wandel zerren. Gute Change-Prozesse machen Entscheidungs-
prämissen erlebbar. So verweisen sie meist nach oben, dorthin,
wo die zentralen Entscheidungen in der Vergangenheit gefällt
wurden. Hat die Organisation keine ausprägte Lernkultur, wird
von dort auch das kommen, was Chris Argyris Fancy Footwork

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Inhalt

genannt hat: Taktiken des gesichtswahrenden Vermeidens von Deshalb braucht tiefgreifender Wandel eine funktionierende
öffentlichem Lernen. Und das in der Praxis dann oft ganz sub- Governance. Einen definierten Ordnungsrahmen, der Steue-
tile Diskreditieren des Change. Hatte die Allianz der Willigen rungs- und Entscheidungsprozesse klärt. Der festlegt, mit wel-
schon zu Anfang einen zu lockeren Schulterschluss, so führen chem Mandat die Rollenträger unterwegs sind und klärt, welche
die wachsenden Zentrifugalkräfte zum raschen Auseinander- Teams warum und wann an welchen Fragen arbeiten. Ein Rah-
brechen der Führungskoalition. Den Rest erledigt dann das Ta- men, der auch das Verhältnis des Change zum Tagesgeschäft
gesgeschäft – traditioneller Lieblingskonkurrent des Wandels. klarstellt. Und eben auch Spielregeln aufstellt, unter welchen
Das bindet Aufmerksamkeit und Ressourcen im Hier und Jetzt Umständen die obersten Ebenen der Organisation einen Refle-
und beschleunigt so das zentrifugale Veränderungskarussell. xionsprozess brauchen, um weiterzukommen. Letztlich muss
die Governance des Change auch sich selbst als ihren eigenen
Gegenstand verstehen.
Kann ein solcher Ordnungsrahmen die Zentrifugalkräfte ver-
hindern, die am Wandel zerren? Wohl kaum. Aber er kann sie
besprechbar machen.

Prof. Dr. Heiko Roehl, ZOE-Redakteur,


Geschäftsführender Gesellschafter
Kessel & Kessel GmbH
hr@heikoroehl.de

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Change Governance Reflexion

Change Governance , ZOE-Redakteur,


Geschäftsführender Gesellschafter
Kleiner Leitfaden für einen Ordnungsrahmen des Wandels Kessel & Kessel GmbH
hr@heikoroehl.de

Tiefgreifender Wandel ist auf gut gelebte Macht angewiesen. Häufig beginnen Change-Prozesse, bevor der Ordnungsrah-
So können Entscheidungen gegen Partialinteressen durchge- men geklärt ist. Idealerweise wird die Change Governance
setzt werden, die strategischen Zielsetzungen entgegenste- aber als erstes installiert – bevor der eigentliche Prozess star-
hen. Macht wird für den Wandel produktiv, wenn sie inner- tet. Das ist die «Phase 0» jeder erfolgreichen Transformation.
halb eines definierten Rahmens stattfindet. Macht braucht Change Governance repräsentiert die Auf-Sicht auf die Trans-
Spielregeln. Wenn also Partialinteressen den Wandel nicht ver- formation im doppelten Wortsinn: Sie ist Vogelperspektive
frühstücken sollen, dann ist ein funktionierender Ordnungs- und Ordnungshüter in einem. Es lohnt sich, der Change Go-
rahmen essenziell. Er sichert, dass Veränderung auf allen vernance ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie der
Ebenen gedacht und gemacht werden darf. Aufgabe dieser Governance der eigentlichen Operation der Organisation.
Change Governance ist es, den Wandel zu schützen und zu si- Und zwar kontinuierlich – schließlich zeigen sich die wirk-
chern. So wird verhindert, dass der Change-Prozess nicht zur lichen Machtverhältnisse erst im weiteren Verlauf des Pro-
Arena unproduktiver Machtspiele wird. zesses.

Change Governance Framework – Fragen für die Phase Null

Verantwortungen und Zuständigkeiten im • Wie sieht das Steuerungs- und Führungssystem des Change aus?

ges Element des Diskurses. • …

• …

dieser Koordination. • …

Nr. 2 |2022 21

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