Sie sind auf Seite 1von 9

Transkription

Jan Schipmann: Leute, zu Schönheits-OPs hat jeder seine eigene Meinung.


Manche finden die persönlich voll okay und manche halt nicht. Aber: Es gibt in Deutschland ein
paar richtig große Probleme mit Beauty- Eingriffen und die gehen auch die Politik was an.
Auf der einen Seite machen immer mehr Ärzt(innen) krasse Werbung auf Insta oder Tiktok.
Besonders für Filler. Das sind Botox- und Hyaluronbehandlungen und die absoluten Topseller im
Business.
Manche flexen mit den krassesten Vorher-Nachher-Bildern. Und da sind einige dubiose Leute am
Start. Die Risiken von solchen OPs oder Spritzen werden da fast immer verschwiegen. Und diese
Werbung zieht offenbar richtig: Die Zahl der Eingriffe gerade unter jungen Menschen nimmt
immer weiter zu.
Auf der anderen Seite ist der Staat mit diesem Trend scheinbar total überfordert. In Düsseldorf sind
sogar schon zwei Frauen bei einer OP gestorben, weil der Arzt extrem unverantwortlich und shady
war.
Und der hatte vorher auch mit richtig extremen Videos auf Social Media Werbung gemacht. Mit
strengeren Regeln für solche Werbung und für Beauty-Eingriffe allgemein hätte diese Todesfälle
vielleicht verhindert werden können.

Karl Lauterbach (Heutiger Gesundheitsminister, SPD: Sozialdemokratische Partei


Deutschlands): Wir optimieren die Jugend zu Tode.

Jan Schipmann: Da frage ich mich aber: Warum macht Lauterbach da nichts? Wie könnte der
Staat vor allem junge Menschen besser schützen, damit sie nicht von dubiosen Ärzte(innen) auf
Tiktok zu riskanten Eingriffen verleitet werden?
In diesem Video erzähle ich euch, woher der Beauty-OP-Boom kommt, wieso es bei Insta und
Tiktok immer mehr Werbung für Beauty-Docs gibt, was da überhaupt erlaubt ist und warum der
Staat nichts dagegen tut.
Es kann viele verschiedene Gründe für einen Beauty-Eingriff geben und das ist auch eine Sache,
die jede und jeder für sich selbst entscheiden muss. Trotzdem müssen wir uns das Business mit
Beauty-Eingriffen genauer anschauen.
Wer sich entscheidet, einen Termin beim Beauty Doc zu machen, geht meistens mit dem aktuellen
Trend. Und im Trend liegt vor allem gerade das “pillow face” - das ist ein aufgepolstertes, mit
Fillern unterspritztes Gesicht ohne Falten. Und dazu kommt dann meistens noch ein markanter
Kiefer und volle Lippen.
Das ist so ziemlich das Schönheitsideal der GenZ und in großen Teilen das unserer kompletten
westlichen Gesellschaft. Und wir kennen das wahrscheinlich alle: Schönheitsideale können ganz
schön belastend sein. Sogar für Menschen, die dem Ideal schon ziemlich nah kommen.

Paula Douglas (Influencerin): Ich finde das traurig eigentlich, dass es heutzutage so ist, aber
irgendwo kann man sich da auch nicht von distanzieren. Weil das halt dann wieder der Druck von
außen ist.
Jan Schipmann: Eine unmittelbare Folge davon ist: Schönheitschirurg(innen) haben extrem viel
zu tun. Und woher wissen wir, das? Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische und Plastische
Chirurgie macht jedes Jahr eine Statistik.
Dafür hat sie diesmal über 1.400 Patient(innen) befragt. Die Zahl der Beauty-Eingriffe nimmt von
Jahr zu Jahr zu. Ganz besonders die Behandlungen mit Botox - und Hyaluronsäure werden immer
mehr. Beide Mittel werden gespritzt, um Falten zu glätten oder z.B. Lippen aufzufüllen. Solche
Mittel nennt man Filler.
Solche Beauty-Eingriffe zählen zu den „minimalinvasiven Behandlungen“. Das sind also keine
Operationen. Und genau diese Unterspritzungen werden immer beliebter. Vor allem im Gesicht.
Bei Frauen und bei Männern.
Trotzdem muss man sagen: Die allermeisten von denen, die Schönheits-OPs oder Filler
bekommen, sind Frauen. Und die Patient(innen) werden immer jünger. Und klar, dazu haben wir
auch eine Zahl. Und die finde ich echt krass: Mehr als 21 % sind unter 30!
Warum ist das so? Warum boomen Beauty-Eingriffe und besonders Filler gerade bei jungen
Menschen so?
Das hat verschiedene Gründe: So eine Unterspritzung dauert wenige Minuten. Ohne Vollnarkose.
Kurze Beratung, hinsetzen, kleiner Pieks und vielleicht direkt noch einen neuen Termin
ausmachen. Und eine Botox - oder Hyaluronbehandlung kostet erst mal deutlich weniger als eine
Operation. Die Kosten schwanken etwa zwischen 200 und 500 Euro für eine Faltenunterspritzung.
Sie hängen aber auch immer von der Menge und dem Material ab, das verwendet wird. Aber dazu
kommt noch eine wichtige Entwicklung: Sich Filler spritzen zu lassen, ist kein Tabuthema mehr.
Und zwar auch wegen einer ganz einfachen Sache. Früher haben Klatschblätter noch über Promis
und ihre Beauty-Geheimnisse spekuliert: Hat sie etwa was machen lassen? Und manchmal trendet
das Thema auch heute noch. Bei Vielen muss man mittlerweile aber nicht mehr lange spekulieren.
Influencer drehen reihenweise Youtube-Videos oder Stories dazu: Bibi nach der Brust- und
Nasen-OP …

Bibis Beauty Palace (Influencerin): Der Arzt war gerade schon zur Nachkontrolle
da. Das erste Mal meine Brüste gesehen. Und es ist alles super.

Jan Schipmann: Oder Sylvie im Talk mit ihrer Ärztin.

Sylvie Meis (Moderatorin und Model): Unsere Freundschaft hat mich natürlich auch sehr
gestärkt und unsere Zusammenarbeit im Sinne von viele Infos, die ich bekommen habe. Dieses
Freiheitsgefühl, das es mir gegeben hat, das Gefühl, auch jetzt die beste Version von mir selbst zu
sein.

Jan Schipmann: Immer mehr Influencer stehen zu ihren Beauty-Eingriffen. Meistens sind das
Frauen, aber auch einige Männer reden ziemlich offen darüber.

Bill Kaulitz: Ich weiß jetzt schon, natürlich. Ich meine, ich helfe ja auch hier und da schon nach,
mit ein paar Tricks, sag ich mal, und ich werde natürlich sehr bald mal meinen ersten Termin zum
Schibbeln bestimmt haben.
Jan Schipmann: „Tricks“ sind z.B. genau solche Filler. Und die Offenheit geht noch weiter:

*Tiktok Video*

Jan Schipmann: Viele Influencer empfehlen ihre Beauty-Docs ihren Followern, indem sie die
z.B.in ihren Stories verlinken. Und tatsächlich kommen zu denen immer mehr junge Menschen mit
Insta-Fotos, die dann als Vorlage dienen sollen. Das berichtet Dr. Alexander Hilpert. Er ist Facharzt
für Plastische und Ästhetische Chirurgie.

Dr. Alexander Hilpert (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie): Auf den Bildern
erkennen sie manchmal Makel, die sie behandelt haben wollen oder die sie durch Filter-Programme
selber verändern. Und diese gemorphten Bilder legen sie uns dann vor und sagen: Dem würde ich
gerne nachkommen.

Jan Schipmann: Filter beeinflussen so das Schönheitsideal, aber das ist halt oft schwer zu
erreichen, selbst mit Beauty-Eingriffen. Das betonen teilweise auch Ärzt(innen), wie Dr. Isabel
Perianez. Die ist Expertin für Behandlungen mit Fillern. Auch ihre Patient(innen) bringen oft
Fotos mit.

Dr. Isabel Perianez (Ärztin für Ästhetische Medizin): Schauen Sie, so möchte ich das haben.
Sag ich, das geht nicht, weil sie anatomisch ganz andere Voraussetzungen haben.

Jan Schipmann: Aber es ist so: Wie intensiv Dr. Hilpert, Dr. Perianez und andere ihre
Patient(innen) am Ende wirklich beraten oder wann sie Behandlungen ablehnen, weil die
Vorstellungen unrealistisch sind, lässt sich kaum überprüfen.
Andere, wirklich unseriöse Beauty-Docs können mit immer neuen Wünschen junger Patient(innen)
ganz schön viel Geld verdienen.
Social Media können Ärzt(innen) also auch für sich nutzen. Manche posten sogar eigenen Content.

*Tiktok Video*

Jan Schipmann: Sie präsentieren sich also bewusst auf den Plattformen, die ihnen richtig viel
Kundschaft in die Praxis spülen. Aber wie genau sieht diese Werbestrategie aus? Und warum kann
sie richtig gefährlich sein? Da soll die Community zum Beispiel sehen, welche Methoden ein Arzt
oder eine Ärztin anbietet.

Arzt von Tiktok Video: Nicht operative Fettreduktion mit „SculpSure“. Beim „SculpSure“
werden Fettzellen über einen Laser erhitzt. Die gehen damit kaputt. Gleichzeitig wird das Gewebe
gestrafft und man hat eine dauerhafte Fettreduktion.

Jan Schipmann: Oder wie Lippen nach der Unterspritzung aussehen können.

*Tiktok Video*

Jan Schipmann: Manchmal werden Filler auch einfach nur als Wunderwaffe präsentiert.

*Tiktok Video*
Jan Schipmann: Von solchen Videos könnte ich euch jetzt eine ganze Menge zeigen. Das Internet
ist voll davon. Ich habe mir echt einige davon reingezogen. Und dabei ist mir ganz stark
aufgefallen: Über Risiken solcher Unterspritzungen und OPs wird so gut wie nie gesprochen.
Schon gar nicht ausführlich. Dabei gibt es einige Risiken, auch bei Fillern. Zum Beispiel, wenn
Augenringe unterspritzt werden, damit man weniger müde aussieht.

Dr. Alexander Hilpert: Ich könnte Nerven verletzen, Gefäße verletzen, blaue Flecken, der Patient
kann, wenn ich das in ein Augengefäß praktisch spitze, erblinden, Sehstörungen bekommen.

Jan Schipmann: Im schlimmsten Fall kann es sogar zu Schlaganfällen kommen, wenn


Hyaluronsäure in Blutgefäße gespritzt wird, die das Gehirn versorgen. Die sind allerdings sehr
selten. Ein Forscherteam aus den USA hat eine Studie zu den häufigsten Komplikationen gemacht.
Entzündungen der Haut, Schwellungen und Infektionen kommen immer mal wieder vor.
Beeinträchtigung des Sehvermögens passiert in deutlich weniger Fällen. Seriöse Ärzt(innen)
kennen diese Nebenwirkungen, klären ihre Patient(innen) darüber gut auf und wissen auch, wie sie
auf Komplikationen reagieren müssen. Weil sie ja medizinisch gut ausgebildet sind und ihren Job
im besten Fall sehr ernst nehmen. An dieser Stelle will ich auch noch mal sagen: Solche
Ärzt(innen) gibt es natürlich auch. Nur vielleicht nicht immer mein Tiktok. Das Ding ist aber:
Filler dürfen nicht nur Ärzt(innen) spritzen. Und da kommen wir zu einem weiteren Problem.

Sprecherin der DGPRÄC: Viele junge Patienten und Patientinnen werden über Social Media
bewusst angelockt und himmeln einige Ärzte geradezu an, ohne deren Qualifikation geprüft zu
haben.

Jan Schipmann: Nicht nur alle Ärzt(innen) dürfen Filler spritzen, sondern auch
…Heilpraktiker(innen). What?
Klar, die lernen in ihrer Ausbildung auch was über Anatomie, aber ausgebildete und zugelassene
Mediziner(innen) haben dann doch deutlich mehr Wissen darüber, wo im Gesicht z.B. Muskeln,
Blutgefäße und Nerven verlaufen.
Kosmetiker(innen) dürfen keine Filler spritzen. Das Ding ist aber: Um Filler zu spritzen, müssen
selbst Ärzt(innen) oder Heilpraktiker(innen) nicht mal eine Zusatzausbildung gemacht haben. Bei
richtigen Schönheitsoperationen sind die Regeln dann schon deutlich strenger. Die dürfen wirklich
nur ausgebildete und zugelassene Ärzt(innen) durchführen. Ein abgeschlossenes Medizinstudium
reicht auch noch nicht. Über sechs Jahre Weiterbildung sind Pflicht. Dann dürfen Sie sich erst
“Fachärzt(innen) für Ästhetische und Plastische Chirurgie” nennen.
Achtung, das heißt aber auch: Wenn sich jemand den Titel „Schönheitschirurg“ an die Tür schreibt,
kann man sich darauf nicht verlassen. Der ist nämlich nicht geschützt. Jeder Arzt und jede Ärztin
kann sich so nennen. „Echte“ Chirurg(innen) nervt das. Sie fürchten unseriöse Konkurrenz.

Dr. Jan Pasel (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie): Es muss ganz klar geklärt
werden: Wer darf was machen und wer darf sich wie bezeichnen? Zum Beispiel ein Begriff wie
Schönheitschirurgie nur wirklich zulassen für diejenigen, die das auch gelernt haben und die da
auch zertifiziert sind.
Jan Schipmann: Bei Insta oder Tiktok checkt man aber erstmal gar nicht, ob ein Arzt irgendeine
Zusatzausbildung gemacht hat. Wie gefährlich das werden kann, wenn man an Ärzt(innen) gerät,
die keine haben oder einfach komplett verantwortungslos und unseriös sind, zeigt eine krasse Story
aus Düsseldorf. Zwei Frauen haben sich da einem sogenannten “Brazilian Butt Lift” unterzogen
und sind an den Folgen der OP gestorben. Eine war da 42, eine gerade mal 20 Jahre alt. Zur
Erklärung: Beim “Brazilian Butt Lift” wird Fett von anderen Regionen des Körpers abgesaugt und
in den Po gespritzt. Und ey, haltet euch fest. Eine von 3000 OPs endet tödlich.
Meistens, weil zu viel Fett gespritzt wird und das dann in die Blutbahn des Muskelgewebes
kommt. Der Arzt aus Düsseldorf sitzt inzwischen für mehrere Jahre im Gefängnis. Das Gericht
geht davon aus, dass er seine Patient(innen) nicht über die Risiken aufgeklärt hat. Besonders krass:
Auch er war früher sehr aktiv auf Instagram. Sein Account war voll mit extremen Bildern aus dem
OP. Und er hat sogar damit angegeben, Frauen besonders große Pos zu machen.
Da frage ich mich: Ist das überhaupt erlaubt, so auf Social Media Werbung zu machen?
Jein: Das deutsche Gesetz erlaubt das grundsätzlich schon. Besser gesagt, das
Heilmittelwerbegesetz. Aber es kommt auch hier darauf an, ob es um Filler geht oder um OPs. Für
OPs, also chirurgische Eingriffe darf nicht mithilfe von Vorher-Nachher-Bilder geworben werden.

Dr. Alexander Hilpert: Mir zum Beispiel als plastischem Chirurgen ist verboten, das zu zeigen,
wenn ich keine medizinische Indikation habe.

Jan Schipmann: Oder noch eine andere wichtige Regel: Werbung für Schönheits-OPs darf sich
nicht ausschließlich oder überwiegend an Kinder oder Jugendliche richten. Aber bei Werbung für
Filler-Behandlungen gelten diese Regeln so nicht.

*Tiktok Video*
Jan Schipmann: Ich bin bei der Recherche aber auch auf ein paar Gerichtsurteile gestoßen, die
Filler-Behandlungen auch als operative Eingriffe verstehen und Vorher-Nachher-Bilder verboten
haben. Das scheint also eine Grauzone zu sein. Wenn da schon nicht ganz klar ist, was Phase ist,
frage ich mich: Halten sich diese Beauty-Docs bei Insta und Tiktok denn wirklich an diese
gesetzlichen Regeln? Joa… geht so. Das habe ich im Gespräch mit den Landesmedienanstalten
erfahren. Und denen ist in letzter Zeit aufgefallen, dass immer mehr Ärzt(innen) in diesem Internet
Werbung machen. Wie viele Verstöße es da so gibt, konnte sie mir nicht sagen. Weil, jetzt haltet
euch fest: Es ist einfach noch komplett unklar, ob die Landesmedienanstalten wirklich dafür
zuständig sind, das zu checken.
Bis jetzt ist offiziell niemand zuständig. Immerhin, “sie sind dran” und irgendwer will irgendwann
dann genauer hinschauen. Es ist aber trotzdem so: Der Staat ist da echt spät dran. Seit Jahren gibt
es diese Accounts von den Beauty-Docs und es werden immer mehr.
Okay, aber mal angenommen, die Werbung geht klar und die Aufklärung über Risiken hat
stattgefunden. Wer darf denn alles was machen lassen? Für die Eingriffe selbst gibt es erst mal nur
eine kleine Hürde. Aktuell ist der Stand so: Der Staat traut Jugendlichen ab 16 zu, zusammen mit
ihren Eltern entscheiden zu können, ob sie ihren Körper verändern wollen oder nicht. Wer unter 18
ist, braucht die Zustimmung von Mama oder Papa. Das gilt für alle Beauty-Eingriffe, egal ob Filler
oder OP.
Das ist alles? Könnte der Staat da nicht viel mehr tun, um junge Menschen besser zu schützen? Die
Antwort ist ja. In anderen Ländern gelten z.B. viel strengere Regeln. In Italien sind schon seit 2012
Brust-OPs bei Minderjährigen verboten. Und in England sind Botox-Behandlungen bei unter
18-Jährige nicht erlaubt. Ihr seht: Da geht noch was bei uns in Deutschland. Aber wird da auch was
passieren? Zumindest habe ich eine Idee, welcher deutsche Minister Bock haben könnte. In der
Bundesregierung sitzt nämlich einer, der 2019 ein Verbot von Schönheitsoperationen für alle unter
18 gefordert hatte. Und seine Kritik ging noch viel weiter.

Karl Lauterbach: Das gesamte Instagram-Geschäft basiert darauf, im Prinzip Leute süchtig zu
machen. Süchtig nach Likes, süchtig nach Freunden, süchtig nach Followern, süchtig nach Geld,
süchtig nach Schönheit, Gewichtsverlust, Sport. Alles macht süchtig. Wir optimieren die Jugend zu
Tode. Und das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Trend in die falsche Richtung, der uns auch
noch langfristig sehr schaden wird.

Jan Schipmann: Jetzt ist Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister. Er kann endlich loslegen,
neue Gesetze anstoßen, etwas bewegen. Wie sieht es denn aus mit dem Verbot für Schönheits-OP
bei Jugendlichen? Das wollte ich genau wissen. Und ich habe mal beim Gesundheitsministerium
nachgefragt. Das ist deren Antwort:

(Begleitkommentar) Verlesung der Antwort des Bundesgesundheitsministerium: Für


weitergehende Verbote, etwa generelle Schönheitsoperationen bei Minderjährigen, gibt es im
Gesundheitsrecht des Bundes keine Gesetzgebungskompetenz. Die Verantwortung hierfür liegt in
den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder.
Jan Schipmann: Und die sind bei den Gesundheitsämtern der Bundesländer angesiedelt.
Lauterbach ist also nicht zuständig.Okay, aber dann habe ich nochmal nachgefragt, ob er generell
noch Handlungsbedarf sieht beim Thema Schönheits-Eingriffe bei jungen Menschen. Und auf die
Frage habe ich nicht mal mehr meine Antwort bekommen. Find ich schon mau dafür,dass er bei
“hart aber fair” noch so einen Rant losgelassen hat.
Apropos “hart aber fair”: Ein anderer Gast in der Runde war damals ein bekannter Beauty-Doc:
Prof. Werner Mang. Er sagte, der Einfluss der sozialen Medien und wie junge Menschen sie
nutzen, ist das Problem.

Prof. Werner Mang (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie): Die werden so
überflutet von Instagram, YouTubern und von Schönheit und Ästhetik. Man macht ja heute nicht
mal ein Facelifting im Instagram, sondern ein Face Tuning. Und im Face-Tuning kann der mit
einer Bearbeitungs-App genau dann seine Nase formen.

Jan Schipmann: Und da setzen auch Psycholog(innen) und andere Expert(innen) an: Sie fordern
schon seit Jahren Kids in der Schule mehr Medienkompetenz zu vermitteln. So richtig viel passiert
ist da aber irgendwie nicht. In einigen Bundesländern wird gerade mal so getestet, wie so ist, im
Unterricht darüber zu reden, wieso z.B. Werbung für Beauty-Eingriffe verharmlosend sein kann.
Also ich habe den Eindruck, in Deutschland steht das ganze Thema Beauty-Eingriffe bei jungen
Menschen nicht so weit oben auf der Agenda. Behörden laufen den Entwicklungen hinterher. Aber
pennt der Staat da einfach oder will er gar nicht mehr machen? Ist es überhaupt seine Aufgabe
Kinder und Jugendliche besser vor riskanten Beauty-Eingriffen zu schützen?
Wir kennen das wahrscheinlich alle: Hier und da würden wir gern was an unserem Körper
verändern. Die einen vielleicht nur an einer Stelle und wieder andere an sehr vielen Stellen

Harald Glööckler (Modedesigner): Man muss auch immer mal ein bisschen, finde ich, erst mal
nicht gleich kritisieren. Heute wird alles kritisiert und überlegen: Warum macht jemand was und
warum hat er sich jetzt zu einem Kunstwerk oder was auch immer gemacht? (...) Ich möchte so
sein, wie ich mir vorstelle, dass ich aussehe.

Jan Schipmann: Und genau das ist in Deutschland sogar ein Grundrecht. Abgeleitet von Artikel 2:

(Begleitkommentar) Verlesung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland


Artikel 2: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die
Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz
verstößt. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist
unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Jan Schipmann: Das Bundesverfassungsgericht hat 2016 nochmal ausdrücklich klargestellt:

(Begleitkommentar) Verlesung der Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts: Der Mensch ist


nach dem Grundgesetz grundsätzlich frei, über Eingriffe in seine körperliche Integrität und den
Umgang mit seiner Gesundheit nach eigenem Gutdünken zu entscheiden.
Jan Schipmann: Das gilt grundsätzlich auch für Schönheits-Eingriffe. Aber: Bei Kindern und
Jugendlichen ist das nicht so einfach. Da hat der Staat eine ganz schön knifflige Aufgabe. Er geht
davon aus, dass Minderjährige nicht immer einschätzen können, welche Auswirkungen es z.B.
haben kann, wenn sie sich für eine Schönheits-OP entscheiden.
Deshalb will er junge Menschen davor schützen, zu krass beeinflusst zu werden, z.B. auf Social
Media. Im Grundgesetz ist nämlich auch geregelt, dass der Staat für den Jugendschutz in den
Medien zuständig ist.
Und deshalb verbietet er Werbung für Schönheits-OPs, die sich explizit an Jugendliche richtet. Und
hier kommen wir noch mal zurück zu den Landesmedienanstalten. Ihr erinnert euch: Die sind nicht
nur dran zu kontrollieren, ob Beauty-Docs sich an die Gesetze für Werbung halten. Sondern bei
den Landesmedienanstalten gibt es noch die Kommission für Jugendmedienschutz. Und die checkt
alles mögliche an Content im Fernsehen, im Radio, aber auch auf Social Media. Und schaut, ob da
was dabei ist, was Kinder und Jugendliche gefährden oder in ihrer Entwicklung negativ
beeinflussen könnte. Und da ist nicht nur Werbung dabei, sondern auch das alles:

(Begleitkommentar)Verlesung der Kriterien für die Aufsicht in Rundfunk und in den


Telemedien von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM): Es können Angebote sein,
die: körperliche Ideale in einer Weise in den Mittelpunkt rücken, die ästhetisch motivierte Eingriffe
am eigenen Körper (z. B. Schönheitsoperationen, Anabolika für einen künstlichen Muskelaufbau)
als selbstverständlichen oder normalen Bestandteil eines spezifischen Lebensstils inszenieren.

Jan Schipmann: Beiträge, die den Landesmedienanstalten auffallen, werden dann geprüft und
möglicherweise gelöscht.
Fazit!: Macht der Staat dafür genug oder zu wenig, um junge Menschen vor unüberlegten oder
riskanten Beauty-Eingriffen zu schützen?
Das lässt sich so pauschal natürlich nicht sagen. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen.
Die Frage ist eben, wie viel Jugendschutz ist sinnvoll?
Deshalb sollte der Staat nicht nur über Verbote für Kinder und Jugendliche nachdenken, sondern er
sollte Beauty-Docs viel strenger kontrollieren. Und junge Menschen dabei unterstützen, sich von
den perfekten Körpern auf Insta oder Tiktok nicht zu sehr unter Druck setzen zu lassen. Oder ihnen
helfen, zu verstehen, wie Schönheitsideale überhaupt entstehen und dass sie sich verändern
können.
Ist euch diese Werbung auf Social Media auch schon begegnet? Wie nehmt ihr sie wahr und was
würdet ihr euch vom Staat wünschen? Mehr Jugendschutz oder mehr Eigenverantwortung auch für
junge Menschen? Schreibt’s mir in die Kommis.

Das könnte Ihnen auch gefallen