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Geschichte(n) 45
Getrübte Badefreuden
Warum Weiach seit Jahren kein eigenes Schwimmbad mehr hat
Wer in unserem Dorf Badefreuden erleben will, ist auf das eigene Planschbecken und den
Swimmingpool in Haus oder Garten angewiesen. In diesem überaus heissen Sommer haben
sich wohl einige ältere Weycher mit etwas Wehmut an die kleine Badeanstalt auf Gemeinde-
boden erinnert. Sie war noch in den 60er Jahren in Betrieb, wie Ackerknechts Film beweist.
Heute aber bleiben einem für die grösseren Schwimmstrecken nur noch der Rhein oder die
Bäder von Nachbargemeinden. Am beliebtesten dürfte immer noch das grosse, an der Glatt
gelegene Schwimmbad «Wisengrund» bei Glattfelden sein, eher ein Geheimtip dagegen die
kleine «Badi» der Stadt Kaiserstuhl. Man findet sie direkt am Rhein, wenige Schritte (ca. 200
m) vom Städtchen aus flussaufwärts. Warum haben wir eigentlich keine eigene Badi mehr?
Dem Weltkrieg zum Trotz: Auch Weiach will wieder eine Badi
Dann versandete die Angelegenheit
offenbar. Bis Ende Juli 1941 der da-
malige Gemeindepräsident, Kan-
tonsrat Albert Meierhofer «durch
eine erfolgte Zeitungsnotitz [sic!]
aus der Nachbargemeinde Kaiser-
stuhl stammend», aufmerksam wur-
de «auf die Verhältnisse betr. der
Badegelegenheit am Rhein, als öf-
fentliches Gewässer.» Die Kaiser-
stuhler hatten ihre Badi von der
Kraftwerkgesellschaft fi nanziert be-
kommen, Weiach dagegen war leer
ausgegangen!
Der für den Mehranbau nach Plan
Wahlen geforderte körperliche Ef-
fort liess den Wunsch nach einer «Wir wollen auch einen Ersatz für unsere Rheinbadi!»
Gelegenheit zur Abkühlung (es gab 1941 beschwerte sich Gemeindepräsident Albert Meierhofer
noch keine Duschen wie heute) beim Kanton Zürich über die Kraftwerk Reckingen AG.
nicht als Luxus erscheinen.
Da ist es verständlich, dass sich der Gemeinderat Weiach für die eigene Badi ins Zeug legte.
Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 100
Eine Badi am Rhein, wie die von Kaiserstuhl!
Auf den gemeinderätlichen Brief hin intervenierte die Zürcher Verwaltung in Weil. Die Kraft -
werk gesellschaft hielt fest, dass sie laut Konzession nur im Aargau Ersatz zu leisten hätte.
Sie sei aber «doch in entgegenkommender Weise bereit, auch für die Gemeinde Weiach ei-
nen Badeplatz [...] zu den gleichen Bedingungen wie den aargauischen Gemeinden zu erstel-
len». Ende 1941 teilte das Unternehmen mit, dass «die Angelegenheit bereits am 5. Septem-
ber mit Vertretern des Gemeinderates Weiach an Ort und Stelle gemeinsam besprochen wor-
den» sei. Man habe «die Ausarbeitung und Vorlage eines Projektes für einen neuen Bade-
platz am Rheinuf er direkt oberhalb vom früheren im Rhein vereinbart. Das Speisewasser für
das Badebecken soll aus dem hier in den Rhein fliessenden Bach entnommen werden.»
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Vom Rhein an den Sagibach
Damit war der Weg frei für ein neues Projekt mit saubererem Wasser. Die Bauleitung der
«Kraftwerk Reckingen» wollte aber die Baurechnung abschliessen und drängte deshalb auf
eine finanzielle Abfindung. Motor-Columbus schrieb am 5. August 1942:
«Wir bestätigen die gestrige Unterredung zwischen Ihrem Herrn Gemeindepräsident Meier-
hofer, Gemeindeschreiber Bersinger und Gemeinderat Baumgartner und unserem Herr
Schoep, wonach Sie auf die Anlage des Badeplatzes am Rhein verzichten und im Einver-
ständnis mit der kantonalen Baudirektion einen solchen am Sägebach hinter dem Dorf er-
stellen wollen. Die Kraftwerk Reckingen A.G. hat gegen diese Verlegung nichts einzuwenden,
jedoch kann für die Festlegung der Abfindungssumme des durch die Zementsperre heute
verhinderten Baues nur die projektierte Anlage am Rhein massgebend sein. [...] »
Der Ablösungsvertrag vom 9. Oktober 1942 sah unter anderem folgende Punkte vor:
§1. Die Kraftwerk Reckingen A.G. zahlt an die Gemeinde Weiach als Abgeltung für den am
Rhein vorgesehenen Bau eines Badeplatzes eine Pauschalsumme von sfrs. 12.200.-- (zwölf-
tausendzweihundert). Damit sind alle Ansprüche der Gemeinde gegen die Kraftwerk Reckin-
gen A.G. bezüglich der Errichtung eines Badeplatzes abgegolten. Die Direktion der öffentli-
chen Bauten des Kantons Zürich hat zu diesem Vertrag ihre Genehmigung mit Schreiben
vom 13.8.1942 erteilt.
§2. Eine Handänderung des Grundstückes für
den am Rhein bisher vorgesehenen Badeplatz
findet daher nicht statt. Das in der Sitzung vom 9.
April 1942 von dem Regierungsrat des Kt. Zürich
erteilte Wasserrecht am Dorfbach wird damit hin-
fällig. Die Gemeinde Weiach hat also bei Errich-
tung eines Badeplatzes selbst die Verleihung
eines Wasserrechtes nachzusuchen.
§3. Die Kraftwerk Reckingen A.G. gestattet den
im Rhein badenden Personen das Betreten ihres
Geländes an geeigneter Stelle unter der Voraus-
setzung, dass dafür gesorgt wird, dass dem
Pächter dieses Geländes durch das Baden nicht
ein ungebührlicher Schaden entsteht.
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einem Absturzbecken des zur Haupt sache mit reinem Grundwasser gespiesenen Säge-
baches zu entnehmen. Das Über- und Leerlaufwas ser aus dem Badebecken soll wiederum in
ein Absturzbecken des Baches zurückgeleitet werden.» Der Regierungsratsbeschluss gibt
auch hydrologisch interessante Details bekannt: «Die mittlere Wasserabflußmenge des
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Baches dürfte entsprechend seinem Einzugsgebiet von 1,5 km ca. 1,5 m /min betragen.
Davon vermag die 15 cm weite Wasserzuleitung zum Badebassin bis zu 780 Minutenliter
abzuführen.»
Zum Schutze des Pächters des Fischereireviers Nr. 50, das die Weiacher Bäche umfasste,
verlangte der Regierungsrat unter Punkt 4: «Die mit Abstellschiebern zu versehenden Zu-
und Ablaufleitungen des Badebassins sind gegen den Bach hin mit geeigneten Vorrichtungen
(Siebe usw.) vor dem Eindringen von Fischen zu schützen. Vor Einbau dieser Vorrichtungen
sind entsprechende Vorschläge der Finanzdirektion, Fischerei- und Jagdverwaltung, zur
Genehmigung einzureichen.»
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der Wunsch geäussert worden, es möchte schulpflichtigen Kindern das Baden ab 18.00 Uhr
abends verboten werden». Da «das abendliche Baden noch schulpflichtiger Kinder für er-
wachsene Personen […] die das Schwimmbassin am Feierabend benützen möchten», stö-
rend sei, beschliesst der Rat: «Schulpflichtigen Kindern ist die Benützung der Badeanstalt ab
18.00 Uhr verboten». Punktum! Offenbar galt das selbst in Begleitung der Eltern!
Damoklesschwert Gewässerschutz
Ob es die vielen Brämen im Täli hinten waren, die zur Schliessung der Badi führten? Kaum.
Entfliehen konnte man denen ja, wenn man bis zum Hals im Nassen untertauchte. Allerdings:
Stieg der Badegast aus dem Wasser, stürzten sich die Plagegeister erst recht auf ihn.
Entscheidend waren letztlich die Anforderungen des Gewässerschutzes. Die geforderten
Hygienestandards konnte man je länger je mehr nur noch mit Chlorzusätzen garantieren.
Dadurch wurden aber die Fische im Sägebach gefährdet, wenn man nicht vorsichtig genug
vorging und die Reinigungsabwässer fachgerecht neutralisierte. Da war gute Abhilfe teuer.
Schon 1955 kam das Ingenieurbüro Gujer in Rümlang zum Schluss, Filtrieranlage und auto-
matische Beimischung von Chlor kämen auf ca. 30’000 Franken zu stehen. Vor den Zeiten
des Kieswerkgeldes war das für die Gemeindekasse eine Summe jenseits von Gut und Böse.
Später gingen die Forderungen des Gewässerschutzgesetzes noch mehr ins Geld. Eine Sa-
nierung hätte gemäss einer Studie vom Herbst 1974 insgesamt 630’000 Franken gekostet.
«Robinson-Spielplatz» zerstört
Ende der 60er- oder anfangs der 70er-Jahre wurde der Badebetrieb schliesslich eingestellt.
(Im Gemeinderatsprotokoll vom 17. Juni 1980, das den definitiven Entscheid zur Eindeckung
der Anlage brachte, steht, sie sei nun «ungefähr 10 Jahre nicht mehr benützt» worden. Also
wurde der Badibetrieb in etwa im Jahre 1970 eingestellt. Etwa deshalb, weil der Schreibende
in den Akten bislang keinen formellen Entscheid zur Schliessung finden konnte.)
Den Buben des Dorfes, unter ihnen der Autor dieser Zeilen, war das ziemlich egal. Sie sahen
primär den Spielwert der verwaisten Anlage. Man konnte nämlich immer noch den Schieber
im Bach setzen und so das Becken füllen. Dann liessen sich auch die Türen der Umkleide-
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kabinen ausbauen, mit denen man anschliessend nach Herzenslust auf dem eingelassenen
Wasser «böötle» konnte. Einfach wunderbar.
Dem Gemeinderat gefiel das nicht. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre sprach er erst ein Be-
nutzungsverbot aus und liess danach die Zuleitung und den Schieber zerstören. Die Begrün-
dung, bei einer Speisung aus einem Bach könnten die Hygienestandards nicht eingehalten
werden, war für uns Buben schlicht nicht stichhaltig. Wir waren uns einig: Das ist gemein!
Hinterhältige Sabotage unseres Freizeitspasses! Und wir schworen uns, den Gemeindeobe-
ren niemals zu verzeihen. Die meisten von uns sehen das heute wohl nicht mehr so eng.
Die Gründe für die vermeintlich mutwillige Zerstörung sind aus der nüchternen Warte der
sparsamen Gemeindeväter und der Gewässerschutz-Beamten in Zürich ziemlich einleuch-
tend: Zuviel Geld hätte in die Anlage investiert werden müssen. Einige Jahre behielt die
Gemeinde die Option auf Sanierung noch bei, verzichtete dann aber 1980 definitiv darauf.
So bleiben als Erinnerung nur noch die Erklärungen zu den Flurbezeichnungen im Anhang
von Walter Zollingers 1271-1971 Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach
Im Erb unterhalb Sanzenberg, hinter Badi
Isebüeli oberhalb Badanstalt
Sandbuck hinter Badi, heute neu bewaldet
Grenzbetrachtungen
Und wo befindet sich die Weiacher Badi heute? Wenn wir uns für einmal geschichtsrevisionis-
tisch betätigen wollten, dann wäre die Kaiserstuhler Badi eigentlich auf Weiacher Gebiet gele-
gen. Während Jahrhunderten seit dem späten Mittelalter und noch bis 1860 verlief die Grenze
zwischen Weiach und Kaiserstuhl nämlich direkt an der Stadtmauer.
Aber wieso sollte man sich auch teure Unterhaltskosten aufhalsen wollen, wenn die lieben
Nachbarn brav dafür bezahlen?
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Die Badi beim Isenbühli Chronologie einer baulichen Herausforderung
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1971 Das Bassin wird nicht mehr benutzt (der genaue Zeitpunkt der Ausserbetriebs-
setzung geht aus den Akten leider nicht hervor)
1974 Das Wasserrecht Nr. 85 läuft aus. Eine Verlängerung um 10 Jahre wird beantragt
weil die Anlage saniert werden soll. Eine Sanierung würde jedoch über eine halbe
Million Franken kosten. Die Gesundheitsbehörde prüft 3 weitere Varianten.
1976 Die neu erstellte Turnhalle verfügt über ein Hallenschwimmbad im Rohbau.
1977 Antrag der Gesundheitsbehörde, das Bassin eindecken zu lassen.
1980 Die Gemeinde verzichtet definitiv auf die Sanierung der Badanlage.
1981 Der Kanton verlangt den Abbruch der Wasserentnahme- und rückgabevorrichtun-
gen und Wiederherstellung des früheren Zustandes. Auch das Badehaus und der
Abort werden abgebrochen, das Bassin eingedeckt und die Fläche renaturiert.
Im Grundbuch werden die wasserrechtsbezogenen Einträge gelöscht.
Die Gebäudeversicherung streicht Badehaus und Abort aus ihren Büchern.
Quellen
Die verwendeten Dossiers enthalten zusammen weit über einhundert Einzeldokumente.
Kürzel: StAZH = Staatsarchiv Zürich; GA = Gemeindearchiv.
- Website der Gemeinde Küssaberg, Deutschland. http://www.kuessaberg.de/gemeinde/reckingen.html
- Ackerknecht, Kurt: Dorffilm aus den 50er/60er-Jahren. Videostill von Hans Müller, 2003.
- StAZH Ordner Z 1, Seiten 227-232, Amt für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW).
- StAZH Z 1.1125 Wasserrecht Nr. 60a, Bezirk Dielsdorf
- StAZH Z 1.1133 Wasserrecht Nr. 85, Bezirk Dielsdorf
- GA Weiach II 22.8 Liegenschaften, Badeanstalt (Schwimmbassin)
- GdeSchreiber Weiach, Peter Wunderli, Mündliche Mitteilung vom 22. Juli 2003.
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