Sie sind auf Seite 1von 8

Weiacher

Geschichte(n) 45

Getrübte Badefreuden
Warum Weiach seit Jahren kein eigenes Schwimmbad mehr hat

Wer in unserem Dorf Badefreuden erleben will, ist auf das eigene Planschbecken und den
Swimmingpool in Haus oder Garten angewiesen. In diesem überaus heissen Sommer haben
sich wohl einige ältere Weycher mit etwas Wehmut an die kleine Badeanstalt auf Gemeinde-
boden erinnert. Sie war noch in den 60er Jahren in Betrieb, wie Ackerknechts Film beweist.
Heute aber bleiben einem für die grösseren Schwimmstrecken nur noch der Rhein oder die
Bäder von Nachbargemeinden. Am beliebtesten dürfte immer noch das grosse, an der Glatt
gelegene Schwimmbad «Wisengrund» bei Glattfelden sein, eher ein Geheimtip dagegen die
kleine «Badi» der Stadt Kaiserstuhl. Man findet sie direkt am Rhein, wenige Schritte (ca. 200
m) vom Städtchen aus flussaufwärts. Warum haben wir eigentlich keine eigene Badi mehr?

Rhein-Stau ersäuft Weycher Badi


Das ist eine lange Geschichte. Man muss in den Annalen vor die Zeiten des Zweiten Welt-
kriegs zurückgehen. Genauer gesagt, ins Jahr 1937. Damals begann der Bau der Staustufe
bei Rekingen, Kt. Aargau.
Schon kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs war das von den NOK betriebene Flusskraft -
werk bei Rheinsfelden in der Gemeinde Glattfelden fertig geworden. Nun machte sich die
«Kraftwerk Reckingen Aktien-Gesellschaft» mit Sitz in Weil am Rhein (Baden) daran, den
Rhein auch unterhalb unseres Gemeindegebietes aufzustauen. Mitten im Krieg, 1941, konn-
ten die Bauarbeiten nach vier Jahren endlich abgeschlossen werden. Das heute noch beste-
hende Kraftwerk liegt auf der Höhe der wuchtigen Bauten der Zementfabrik Rekingen, etwa
neun Kilometer flussabwärts von der Einmündung unseres Dorfbachs in den Rhein.
Der Stau ersäufte die traditionellen Badeplätze am Rhein. Der Kanton Aargau verfügte daher
in seiner Konzession an die Kraftwerk Reckingen A.-G., sie habe den Gemeinden Kaiser-
stuhl, Fisibach, Rümikon und Mellikon «geeignete Badeplätze zur Verfügung zu stellen». Der
Gemeinderat Weiach wandte sich am 28. Juni 1939 an die Volkswirtschaftsdirektion des Kan-
tons Zürich «damit unserer Gemeinde wieder eine richtige Badanlage erstellt wird». Die von
der kantonalen Baudirektion avisierte Kraftwerkgesellschaft versprach, «die Frage der Bade-
anlage dieser Gemeinde im Rahmen unserer Konzessionsverpflichtungen zu regeln».

Dem Weltkrieg zum Trotz: Auch Weiach will wieder eine Badi
Dann versandete die Angelegenheit
offenbar. Bis Ende Juli 1941 der da-
malige Gemeindepräsident, Kan-
tonsrat Albert Meierhofer «durch
eine erfolgte Zeitungsnotitz [sic!]
aus der Nachbargemeinde Kaiser-
stuhl stammend», aufmerksam wur-
de «auf die Verhältnisse betr. der
Badegelegenheit am Rhein, als öf-
fentliches Gewässer.» Die Kaiser-
stuhler hatten ihre Badi von der
Kraftwerkgesellschaft fi nanziert be-
kommen, Weiach dagegen war leer
ausgegangen!
Der für den Mehranbau nach Plan
Wahlen geforderte körperliche Ef-
fort liess den Wunsch nach einer «Wir wollen auch einen Ersatz für unsere Rheinbadi!»
Gelegenheit zur Abkühlung (es gab 1941 beschwerte sich Gemeindepräsident Albert Meierhofer
noch keine Duschen wie heute) beim Kanton Zürich über die Kraftwerk Reckingen AG.
nicht als Luxus erscheinen.
Da ist es verständlich, dass sich der Gemeinderat Weiach für die eigene Badi ins Zeug legte.

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 100
Eine Badi am Rhein, wie die von Kaiserstuhl!
Auf den gemeinderätlichen Brief hin intervenierte die Zürcher Verwaltung in Weil. Die Kraft -
werk gesellschaft hielt fest, dass sie laut Konzession nur im Aargau Ersatz zu leisten hätte.
Sie sei aber «doch in entgegenkommender Weise bereit, auch für die Gemeinde Weiach ei-
nen Badeplatz [...] zu den gleichen Bedingungen wie den aargauischen Gemeinden zu erstel-
len». Ende 1941 teilte das Unternehmen mit, dass «die Angelegenheit bereits am 5. Septem-
ber mit Vertretern des Gemeinderates Weiach an Ort und Stelle gemeinsam besprochen wor-
den» sei. Man habe «die Ausarbeitung und Vorlage eines Projektes für einen neuen Bade-
platz am Rheinuf er direkt oberhalb vom früheren im Rhein vereinbart. Das Speisewasser für
das Badebecken soll aus dem hier in den Rhein fliessenden Bach entnommen werden.»

Ist der Dorfbach denn sauber genug?


Die neue Badi sollte also auf der Wiese
rechts der Einmündung des Dorfbaches
entstehen, etwa dort, wo heute der «Hoch-
wasserstuhl» steht. Hätte man tatsächlich
wie geplant gebaut, das Schwimmbecken
wäre wohl im Jahre 1999 vom Rhein über-
schwemmt worden.
Zum Bau kam es allerdings nie. Wohl wurde
das Projekt ausgearbeitet, wie der neben-
stehende Plan beweist. Auch erteilte der
Regierungsrat am 9. April 1942 das Was-
serrecht Nr. 60a des Bezirks Dielsdorf, das
der Gemeinde erlaubt hätte, bis 600 Minu-
tenliter Wasser aus dem Dorfbach in das
10x20 m grosse Becken umzuleiten.
Im Sommer waren sich die Weycher dann
aber nicht mehr so sicher, ob die Speisung
aus dem Dorfbach eine gute Idee sei.
Am 21. Juli schrieb Präsident Meierhofer
nach Zürich, es sei «aus dem Schoss» der
Gemeindeversammlung die Frage «geäus -
sert worden ob nicht die Möglichkeit bestün-
de, dass die Anlage oberhalb dem Dorfe Lageplan 1:500 vom 17. November 1941, erstellt
durch die Motor-Columbus A.G. in Baden.
Weiach statt am Rhein gebaut werden
könnte, z.B. im Sägebachtal hinter der Säge Die Weiacher Badi am Rhein hätte so
Weiach.» ausgesehen wie die Kaiserstuhler Badi!

Indirekt mussten die Gemeindeväter nun


eine Fehleinschätzung einräumen: «Die Anfrage konnte vom Gemeinderat nicht abgelehnt
werden weil der Fragesteller betonte das Badewas ser wäre dort sauberer als am Rhein wo
Abwasser aller Art sich im Bachwasser befinden müs se.» Wenn man sich in Erinnerung ruft,
dass die Gemeinde erst in den 50er-Jahren eine Kanalisation und noch viel später eine Klär-
anlage baute, ist der Einwand umso verständlicher. Ein weiteres Argument konnte Meierhofer
kontern: «Es soll auch schon vorgekommen sein, dass in ganz trockenen Sommern kein
Wasser bis zum Rhein fliese und so das Bassin, dann nicht gespiesen werde. (Geschieht
aber nur im Sommern wenn 8 oder 9 Wochen keine Niederschläge mehr vorkommen, dürfte
also eine ausserordentliche Aus nahme sein.)». Ob sie in diesem Sommer eingetreten wäre?

Bekommen wir überhaupt Zement?


Das Projekt scheiterte aber nicht nur an Hygiene-Bedenken. Die Kriegszeit forderte ebenfalls
ihren Tribut. Man konnte damals nämlich nicht einfach alles kaufen, was man wollte. Sämt-
liche wichtigen Güter waren rationiert. Schon am 18. Mai 1942 erhielt die Baudirektion des
Kantons Zürich deshalb einen vom Weiacher Gemeindepräsidenten mit «A. Meierhofer,
Ktsr.» unterzeichneten Brief, worin er unter Bezug auf eine am Rande der Kantonsratssitzung
geführte Unterredung mit «Herrn Reg.rat Herrn Dr. Corrodi» erklärte, die Badeanlage könne
«wegen Zementrationierung nicht ausgeführt werden».

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 101
Vom Rhein an den Sagibach
Damit war der Weg frei für ein neues Projekt mit saubererem Wasser. Die Bauleitung der
«Kraftwerk Reckingen» wollte aber die Baurechnung abschliessen und drängte deshalb auf
eine finanzielle Abfindung. Motor-Columbus schrieb am 5. August 1942:
«Wir bestätigen die gestrige Unterredung zwischen Ihrem Herrn Gemeindepräsident Meier-
hofer, Gemeindeschreiber Bersinger und Gemeinderat Baumgartner und unserem Herr
Schoep, wonach Sie auf die Anlage des Badeplatzes am Rhein verzichten und im Einver-
ständnis mit der kantonalen Baudirektion einen solchen am Sägebach hinter dem Dorf er-
stellen wollen. Die Kraftwerk Reckingen A.G. hat gegen diese Verlegung nichts einzuwenden,
jedoch kann für die Festlegung der Abfindungssumme des durch die Zementsperre heute
verhinderten Baues nur die projektierte Anlage am Rhein massgebend sein. [...] »
Der Ablösungsvertrag vom 9. Oktober 1942 sah unter anderem folgende Punkte vor:
§1. Die Kraftwerk Reckingen A.G. zahlt an die Gemeinde Weiach als Abgeltung für den am
Rhein vorgesehenen Bau eines Badeplatzes eine Pauschalsumme von sfrs. 12.200.-- (zwölf-
tausendzweihundert). Damit sind alle Ansprüche der Gemeinde gegen die Kraftwerk Reckin-
gen A.G. bezüglich der Errichtung eines Badeplatzes abgegolten. Die Direktion der öffentli-
chen Bauten des Kantons Zürich hat zu diesem Vertrag ihre Genehmigung mit Schreiben
vom 13.8.1942 erteilt.
§2. Eine Handänderung des Grundstückes für
den am Rhein bisher vorgesehenen Badeplatz
findet daher nicht statt. Das in der Sitzung vom 9.
April 1942 von dem Regierungsrat des Kt. Zürich
erteilte Wasserrecht am Dorfbach wird damit hin-
fällig. Die Gemeinde Weiach hat also bei Errich-
tung eines Badeplatzes selbst die Verleihung
eines Wasserrechtes nachzusuchen.
§3. Die Kraftwerk Reckingen A.G. gestattet den
im Rhein badenden Personen das Betreten ihres
Geländes an geeigneter Stelle unter der Voraus-
setzung, dass dafür gesorgt wird, dass dem
Pächter dieses Geländes durch das Baden nicht
ein ungebührlicher Schaden entsteht.

Landerwerb beim hintern Sägeweiher


Am 7. September 1943 genehmigte die Gemein-
deversammlung den Kauf einer Parzelle «zwecks
Anlage eines Bade- und Turnplatzes.» Der Ver-
käufer, Ernst Bösiger, geb. 1882, Sager, traf sich
am 24. September 1943 mit dem Gemeindeguts-
verwalter Albert Meierhofer-Meier auf dem Nota-
riat in Niederglatt zur öffentlichen Beurkundung
Wasserrecht Nr. 85 Bezirk Dielsdorf.
des Kaufvertrages für «ca. 24 (vierundzwanzig)
Das Titelblatt des Projektplans 1:100
Aren Wiesen u. Staudenland in der Lengg, beim
für das neue Projekt am Sägebach.
hintern Sägeweiher, mit dem Weiher.»

Maximal 780 Minutenliter und Siebe gegen Fische


Im Sommer 1944 musste «das Terrain nordöstl. des zu erstellenden Beckens [...] zuerst
ausnivelliert werden. Die Arbeit hat das Arb.Lager für Internierte diesen Sommer ausgeführt»,
schrieb der Gemeinderat am 27. September im Begleitbrief mit dem das fertige Projekt beim
Kanton eingereicht wurde.
Der Regierungsrat erteilte am 18. Januar 1945 das auf 30 Jahre bis Ende 1974 befristete
Wasserrecht Nr. 85, Bezirk Dielsdorf: «Nach dem eingereichten Projekt soll links des korri-
gierten Sägebaches in der "Lengg", Weiach, beim ehemaligen oberen Sägeweiher des erlo-
schenen Wasserrechtes Nr. 43, Bezirk Dielsdorf, ein betoniertes Badebecken von 10 x 20 m
Größe erstellt werden. Es ist vorgesehen, das erforderliche Badewasser mit einer ver-
schließbaren, 15 cm weiten Zementrohrleitung ca. 70 m oberhalb des Badebassins aus

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 102
einem Absturzbecken des zur Haupt sache mit reinem Grundwasser gespiesenen Säge-
baches zu entnehmen. Das Über- und Leerlaufwas ser aus dem Badebecken soll wiederum in
ein Absturzbecken des Baches zurückgeleitet werden.» Der Regierungsratsbeschluss gibt
auch hydrologisch interessante Details bekannt: «Die mittlere Wasserabflußmenge des
2 3
Baches dürfte entsprechend seinem Einzugsgebiet von 1,5 km ca. 1,5 m /min betragen.
Davon vermag die 15 cm weite Wasserzuleitung zum Badebassin bis zu 780 Minutenliter
abzuführen.»
Zum Schutze des Pächters des Fischereireviers Nr. 50, das die Weiacher Bäche umfasste,
verlangte der Regierungsrat unter Punkt 4: «Die mit Abstellschiebern zu versehenden Zu-
und Ablaufleitungen des Badebassins sind gegen den Bach hin mit geeigneten Vorrichtungen
(Siebe usw.) vor dem Eindringen von Fischen zu schützen. Vor Einbau dieser Vorrichtungen
sind entsprechende Vorschläge der Finanzdirektion, Fischerei- und Jagdverwaltung, zur
Genehmigung einzureichen.»

Schon wieder kein Zement!


Eigentlich hätte die Gemein-
de jetzt bauen können. Der
Regierungsrat verlangte auch
aus drücklich: «Die Wasser-
benützungsanlage ist bis
spätestens 31. Dezember
1945 zu erstellen.»
Anfang 1945 stand der
Zweite Weltkrieg vor dem
Ende. Die Kriegswirt schaft
hatte aber die Zement zutei-
lung noch fest im Griff, wes-
halb die Frist bis Ende 1946
verlängert werden musste.
Das Warten auf die Badi
dauerte also einen weiteren
Projekt-Plan 1:1000 vom 24. Dezember 1942
Sommer.
Erstellt durch Ingenieur M. Stauber, Zürich.
Es fehlen nicht nur die
Umkleidekabinen
Endlich, im Sommer 1947, konnte die neue Badi eröffnet werden. Mehr als ein Bassin mit
Wasser war da allerdings noch nicht. Es fehlten die Umkleidekabinen und Duschen, nicht
einmal einen Abort gab es. Kein Wunder, dass sich die Weiacher ihrer neuen Errungenschaft
nicht so recht erfreuen konnten und der Gemeinderat sich nun jeden Sommer mit schöner
Regelmässigkeit Klagen anhören musste. Denn zusätzlich gab es noch massive Probleme
mit der Sauberkeit. Am Wasser des Sägebaches selber lag es nur bedingt. Natürlich kam da
ab und zu Erde in den Einlauf. Aber damit konnte man leben. Gravierender war das Fehlen
einer Dusche. Am Bassinrand gab es zudem keine Steinplatten, was den Schmutzeintrag
noch einmal verstärkte, vom fehlenden WC ganz zu schweigen.

Ungelöste Hygieneprobleme und ein Badeverbot für Schulkinder nach 18 Uhr


Anfang 1950 teilte der Gemeindeweibel Eduard Meierhofer, der gleichzeitig auch als Bade-
meister amtete, dem Gemeinderat brieflich mit, er müsse «Eine Unangenehme Sache» mel-
den. «In der Badhütte Kabine 2 hat Ein Mensch Grausig Hufiert / das ist nicht das Erste mahl
sondern schon mehre mahl vorgekommen.» Gemeint hatte er wohl “hofieren”, ein Ausdruck
der offenbar schon damals nicht mehr allgemein bekannt war, wie ein Fragezeichen von an-
derer Hand vermuten lässt. Hofieren bedeutet “dreckig hinterlassen”. Man ging früher vom
Haus in den Hof um sich Blase und Darm zu erleichtern. Anzunehmen ist also, dass der
Bademeister unerwarteten Ortes auf versch... Tatsachen stiess. Umso erstaunlicher mutet es
an, dass erst 1956 oberhalb des Baches ein Aborthäuschen erstellt wurde – weit entfernt vom
Bassin und am anderen Ende der Spielwiese.
In der Sitzung vom 22. Juli 1952 musste sich der Gemeinderat nicht nur mit Reklamationen
wegen mangelhafter Reinigung des Schwimmbassins herumschlagen: «Ausserdem ist [...]

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 103
der Wunsch geäussert worden, es möchte schulpflichtigen Kindern das Baden ab 18.00 Uhr
abends verboten werden». Da «das abendliche Baden noch schulpflichtiger Kinder für er-
wachsene Personen […] die das Schwimmbassin am Feierabend benützen möchten», stö-
rend sei, beschliesst der Rat: «Schulpflichtigen Kindern ist die Benützung der Badeanstalt ab
18.00 Uhr verboten». Punktum! Offenbar galt das selbst in Begleitung der Eltern!

Tote Mäuse stören die Idylle


Da hatte die Gemeinde südwestlich
des Dorfes nun endlich ihr eigenes
kleines, idyllisch gelegenes Freiluft-
schwimmbad. Und regelmässigen
Ärger für den Gemeinderat!
So ist es nicht verwunderlich, dass
Behördenmitglieder und Einwohner-
schaft langsam den Verleider beka-
men. Dass die Pflege der Badi
mehr Aufwand bedeutete, als sich
die Exekutive das vorstellte, zeigt
sich exemplarisch am Disput zwi-
schen Bademeister und Gemeinde-
rat. Im Juni 1959 sprach der Rat ein
Machtwort, weil im Bassin tote
Mäuse und Frösche schwammen.
Aus dem Normal-8-Film des Weiacher Lehrers Kurt Acker-
«Totalreinigung zweimal jede Wo- knecht. Digitalisiert von Hans Müller, Zugführer, Weiach
che!», lautete das Verdikt. Dass der und ausgelesen von FreeVision, Hanspeter Frei, Journalist,
Bademeister dafür sechseinhalb Bachenbülach. Mit freundlicher Genehmigung.
Stunden aufschrieb, stiess dem
Gemeinderat Anfang 1960 sauer auf. Er ging von gerade zweieinhalb Stunden pro Reinigung
aus. Schliesslich erhielt der Bademeister zu seiner Jahresentschädigung von 300 Franken
«ohne Anerkennung einer Rechtspflicht» einen Zustupf. Man kann den Vorwurf nicht nur dem
Bademeister machen. Auch der Gemeinderat war wohl über weite Strecken etwas blauäugig,
hat die Zügel schleifen lassen und eher reagiert als vorausschauend zu entscheiden.

Damoklesschwert Gewässerschutz
Ob es die vielen Brämen im Täli hinten waren, die zur Schliessung der Badi führten? Kaum.
Entfliehen konnte man denen ja, wenn man bis zum Hals im Nassen untertauchte. Allerdings:
Stieg der Badegast aus dem Wasser, stürzten sich die Plagegeister erst recht auf ihn.
Entscheidend waren letztlich die Anforderungen des Gewässerschutzes. Die geforderten
Hygienestandards konnte man je länger je mehr nur noch mit Chlorzusätzen garantieren.
Dadurch wurden aber die Fische im Sägebach gefährdet, wenn man nicht vorsichtig genug
vorging und die Reinigungsabwässer fachgerecht neutralisierte. Da war gute Abhilfe teuer.
Schon 1955 kam das Ingenieurbüro Gujer in Rümlang zum Schluss, Filtrieranlage und auto-
matische Beimischung von Chlor kämen auf ca. 30’000 Franken zu stehen. Vor den Zeiten
des Kieswerkgeldes war das für die Gemeindekasse eine Summe jenseits von Gut und Böse.
Später gingen die Forderungen des Gewässerschutzgesetzes noch mehr ins Geld. Eine Sa-
nierung hätte gemäss einer Studie vom Herbst 1974 insgesamt 630’000 Franken gekostet.

«Robinson-Spielplatz» zerstört
Ende der 60er- oder anfangs der 70er-Jahre wurde der Badebetrieb schliesslich eingestellt.
(Im Gemeinderatsprotokoll vom 17. Juni 1980, das den definitiven Entscheid zur Eindeckung
der Anlage brachte, steht, sie sei nun «ungefähr 10 Jahre nicht mehr benützt» worden. Also
wurde der Badibetrieb in etwa im Jahre 1970 eingestellt. Etwa deshalb, weil der Schreibende
in den Akten bislang keinen formellen Entscheid zur Schliessung finden konnte.)
Den Buben des Dorfes, unter ihnen der Autor dieser Zeilen, war das ziemlich egal. Sie sahen
primär den Spielwert der verwaisten Anlage. Man konnte nämlich immer noch den Schieber
im Bach setzen und so das Becken füllen. Dann liessen sich auch die Türen der Umkleide-

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 104
kabinen ausbauen, mit denen man anschliessend nach Herzenslust auf dem eingelassenen
Wasser «böötle» konnte. Einfach wunderbar.
Dem Gemeinderat gefiel das nicht. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre sprach er erst ein Be-
nutzungsverbot aus und liess danach die Zuleitung und den Schieber zerstören. Die Begrün-
dung, bei einer Speisung aus einem Bach könnten die Hygienestandards nicht eingehalten
werden, war für uns Buben schlicht nicht stichhaltig. Wir waren uns einig: Das ist gemein!
Hinterhältige Sabotage unseres Freizeitspasses! Und wir schworen uns, den Gemeindeobe-
ren niemals zu verzeihen. Die meisten von uns sehen das heute wohl nicht mehr so eng.
Die Gründe für die vermeintlich mutwillige Zerstörung sind aus der nüchternen Warte der
sparsamen Gemeindeväter und der Gewässerschutz-Beamten in Zürich ziemlich einleuch-
tend: Zuviel Geld hätte in die Anlage investiert werden müssen. Einige Jahre behielt die
Gemeinde die Option auf Sanierung noch bei, verzichtete dann aber 1980 definitiv darauf.

Keine Spuren mehr – ausser in den Archiven


Heute zeugt von der Badeanlage kein einziger Überrest mehr. Die Fläche wurde rekultiviert,
der Beton entfernt. Und schon auf der Landeskarte 1:25'000 Ausgabe 1982 findet man keine
Spur mehr von einer Badi. Nur ein Dossier im Gemeindearchiv sowie zwei Mappen in alten
Akten des Amtes für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW) künden mit umfangreichen
Korrespondenzen und meist kolorierten Plänen noch davon:

Aktenzeichen: DLD-WR60A Aktenzeichen: DLD-WR85


von/bis: 1939-1945 von/bis: 1942-1981
Z 1.1125 Z 1.1133
Erloschenes Wasserrecht in Weiach Erloschenes Wasserrecht in Weiach
Badewasser Badewasser
Badeanlage, Badeplatz Weiach Badeanlage in der Lengg
Gewässer: Dorfbach Weiach Gewässer: Sägebach oder Rällenbach

So bleiben als Erinnerung nur noch die Erklärungen zu den Flurbezeichnungen im Anhang
von Walter Zollingers 1271-1971 Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach
Im Erb unterhalb Sanzenberg, hinter Badi
Isebüeli oberhalb Badanstalt
Sandbuck hinter Badi, heute neu bewaldet

Grenzbetrachtungen
Und wo befindet sich die Weiacher Badi heute? Wenn wir uns für einmal geschichtsrevisionis-
tisch betätigen wollten, dann wäre die Kaiserstuhler Badi eigentlich auf Weiacher Gebiet gele-
gen. Während Jahrhunderten seit dem späten Mittelalter und noch bis 1860 verlief die Grenze
zwischen Weiach und Kaiserstuhl nämlich direkt an der Stadtmauer.
Aber wieso sollte man sich auch teure Unterhaltskosten aufhalsen wollen, wenn die lieben
Nachbarn brav dafür bezahlen?

Geplantes Hallenschwimmbad – Von der «Bauleiche» zum Gemeindesaal


Im Untergeschoss der 1976 fertiggestellten Weiacher Turnhalle konnte man während Jah-
ren den Rohbau eines Hallenschwimmbades bewundern – eine typische «Bauleiche» der
Hochkonjunktur. Der Betrieb wäre viel zu teuer gekommen, schliesslich kostet auch das
Stadler Lehrschwimmbecken die Oberstufengemeinde ein Heidengeld. So wurde der
leere Raum unter der Turnhalle für gelegentliche Truppeneinquartierungen zwischen
rohen Betonwänden genutzt. Als die Primarschule mehr Platz brauchte und den bisher für
Gemeindeversammlungen genutzten Saal im Untergeschoss des Schulhauses selber be-
legen wollte, fand sich schliesslich eine bessere Lösung. Der 1997 fertiggestellte neue
Gemeindesaal ist hübsch geraten und wird auch von Vereinen und Privaten rege genutzt.
Das hineingesteckte Geld ist also gut investiert. Besser als in ein Schwimmbad? Da möge
sich jede(r) selber ein Urteil bilden.

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 105
Die Badi beim Isenbühli Chronologie einer baulichen Herausforderung

1937 Baubeginn Kraftwerk Reckingen


1939 Die Badanlage im Rhein kann nach der Aufstauung nicht mehr benützt werden.
Gemeinderat Weiach will Ersatz, bittet Kanton Zürich um Unterstützung.
1941 Das Kraftwerk Reckingen ist fertiggestellt. Die aargauischen Nachbargemeinden
haben eine neue Badanstalt erstellt bekommen, Weiach ging vergessen.
Gemeindepräsident Meierhofer beschwert sich beim Kanton, es sei «nichts gegan-
gen». Das Kraftwerk Reckingen A.-G. willigt ein, Weiach auch eine Badi zu bauen.
1942 Der Kanton Zürich verleiht das Wasserrecht Nr. 60a für die Speisung einer Badi aus
dem Weiacher Dorfbach. Standort: im Sädel am Rheinufer (am heutigen Standort
des Hochwasserstuhls). Projekt der Motor-Columbus, Baden.
Bau kann wegen Zementrationierung nicht ausgeführt werden. Kraftwerk Reckingen
und Gemeinde Weiach einigen sich auf eine Ablösesumme von Fr. 12’200.-
In einer Gemeindeversammlung wird die Verlegung der Badi ins Sägebachtal vor-
geschlagen. Grund: Das Wasser des Dorfbaches sei nach Passage durchs Dorf
verschmutzt. Diesem Argument kann sich der Gemeinderat nicht verschliessen.
1943 Die Gemeinde kauft für Fr. 2449.- Land beim ehemaligen oberen Sägeweiher.
1944 Arbeitslager für Internierte planiert die für die Badanstalt vorgesehene Fläche aus.
1945 Der Kanton Zürich verleiht das Wasserrecht Nr. 85 für die Speisung einer Badi aus
dem Sägebach. Verlangt wird die Erstellung der Bauten bis Jahresende.
Die Zementzuteilung klappt wieder nicht. Die Baufrist wird bis Ende 1946 erstreckt.
1946 Im Herbst sind Becken und Wasserleitungen endlich fertig. Maurerarbeiten durch
Baumeister Griesser in Weiach. Die Baukosten sind wegen der massiven Teuerung
um 20% höher als die Entschädigung der Kraftwerk Reckingen von 1942.
1947 Schreiner Paul Schmid erhält den Zuschlag für ein Badehaus (Kosten: 1680.-)
1948 Baumängel am Betonbecken erfordern neue Abdichtung der Fugen.
1950 Über der Wasserlinie werden zwei 10-Meter-Haltestangen angebracht, um «des
Schwimmens unkundigen Kindern die Möglichkeit zu bieten, sich daran zu halten».
Der Auftrag geht an den Weiacher Schlosser Ernst Wolf.
Der Bademeister beklagt sich über Verunreinigungen im Badehaus von unbekannt.
1952 Klagen wegen schlecht besorgter Reinigung des Beckens und Störung durch
schulpflichtige Kinder nach Feierabend. Badeverbot für Schulkinder ab 18 Uhr.
1954 Türen des Badehauses von Jugendlichen durchlöchert. Die Primarschulpflege
schlägt diverse Massnahmen vor, u.a. ein Innenanstrich im Bassin «um das Anset-
zen von Moos» zu verhindern, Desinfektion des Wassers mit Chlor, Erstellung eines
Aborts (!) und «sichtsichere» Innenverkleidung für die Mädchenkabine. Der Ge-
meinderat lehnt die Chlorung des Wassers ab, will aber einen Abort erstellen.
1955 Das Ingenieurbüro Gujer in Rümlang kommt zum Schluss, eine «richtige,
zuverlässige Sanierung» würde «ca. Fr. 30'000. -- kosten». Dazu gehörten:
«Filtrieranlage, automatische Beimischung von Chlor.»
1956 Abortanlage und «Tuscheplatz» werden durch Baumeister Griesser erstellt.
1957 Das Bassin erhält durch Gemeinderat Näf «mit einer nötigen Anzahl Hilfskräften»
einen Innenanstrich.
1959 wird Anfang Juni «bedenklich verschmutztes Wasser angetroffen, in welchem tote
Mäuse, Frösche usw. herumschwammen». Der Gemeinderat greift durch, rügt den
Bademeister und verlangt, dass zweimal wöchentlich Komplettreinigung erfolgt.
1960 Disput zwischen dem Bademeister und der Gemeinde über den zur Reinigung
nötigen Zeitaufwand. Zusatzentschädigung von ingesamt 86 Franken bewilligt.
1968 Verwarnung eines Raaters, der seinen Hund im Becken hat baden lassen.
Ende der 60er / Anfang der 70er-Jahre wird der offizielle Betrieb eingestellt.

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 106
1971 Das Bassin wird nicht mehr benutzt (der genaue Zeitpunkt der Ausserbetriebs-
setzung geht aus den Akten leider nicht hervor)
1974 Das Wasserrecht Nr. 85 läuft aus. Eine Verlängerung um 10 Jahre wird beantragt
weil die Anlage saniert werden soll. Eine Sanierung würde jedoch über eine halbe
Million Franken kosten. Die Gesundheitsbehörde prüft 3 weitere Varianten.
1976 Die neu erstellte Turnhalle verfügt über ein Hallenschwimmbad im Rohbau.
1977 Antrag der Gesundheitsbehörde, das Bassin eindecken zu lassen.
1980 Die Gemeinde verzichtet definitiv auf die Sanierung der Badanlage.
1981 Der Kanton verlangt den Abbruch der Wasserentnahme- und rückgabevorrichtun-
gen und Wiederherstellung des früheren Zustandes. Auch das Badehaus und der
Abort werden abgebrochen, das Bassin eingedeckt und die Fläche renaturiert.
Im Grundbuch werden die wasserrechtsbezogenen Einträge gelöscht.
Die Gebäudeversicherung streicht Badehaus und Abort aus ihren Büchern.

Quellen
Die verwendeten Dossiers enthalten zusammen weit über einhundert Einzeldokumente.
Kürzel: StAZH = Staatsarchiv Zürich; GA = Gemeindearchiv.
- Website der Gemeinde Küssaberg, Deutschland. http://www.kuessaberg.de/gemeinde/reckingen.html
- Ackerknecht, Kurt: Dorffilm aus den 50er/60er-Jahren. Videostill von Hans Müller, 2003.
- StAZH Ordner Z 1, Seiten 227-232, Amt für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW).
- StAZH Z 1.1125 Wasserrecht Nr. 60a, Bezirk Dielsdorf
- StAZH Z 1.1133 Wasserrecht Nr. 85, Bezirk Dielsdorf
- GA Weiach II 22.8 Liegenschaften, Badeanstalt (Schwimmbassin)
- GdeSchreiber Weiach, Peter Wunderli, Mündliche Mitteilung vom 22. Juli 2003.

Definitiver Ausführungs -Plan 1:1000 vom 31. Juli 1946


Erstellt durch Ingenieur M. Stauber, Zürich.

Weiacher Geschichte(n) Streiflichter aus der Vergangenheit unseres Dorfes. Separatdruck August 2003
Redaktion: Ulrich Brandenberger, Chälenstrasse 23, 8187 Weiach 107

Das könnte Ihnen auch gefallen