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Der Adel
Der Adel
Zum Herrschen geboren?
Warum viele Familien immer noch so mächtig sind
3 Hefte 1 Heft
nur € 22,50 gratis
DRID, Hamburg
Im Esszimmer
ihres Augsburger
Familienstamm-
sitzes Schloss
Wellenburg emp-
fingen Hubertus
Fürst und Alexander
Graf Fugger-Baben-
hausen Redakteurin
Bettina Musall.
Dafür, dass es den Adel eigentlich nicht mehr näckig – und fasziniert bis heute nicht nur Ewig-
gibt, hat er sich gut gehalten: Mittels gekonnter gestrige.
Inszenierungen und eines immer noch dankbaren Redakteur Frank Patalong porträtierte die wich-
Publikums behaupten sich Fürsten, Herzoginnen tigsten europäischen Fürstenhäuser, die teils bis heu-
und Grafen auch hundert Jahre nach der Auf- te Staatsoberhäupter stellen. Redakteurin Bettina
hebung ihres Standes als eine klar identifizierbare Musall, die dieses Heft konzipiert hat, befragte die
Klasse von erstaunlicher Vitalität. Köpfe des Hauses Fugger über die Familienge-
Woher rührt dieses unerschütterliche Selbst- schichte und ihr heutiges Selbstverständnis (Seite
bewusstsein? Antworten gibt, wie so oft, der Blick 116). Im Augsburger Schloss gefiel ihr ein Detail
in die Geschichte. Diese Ausgabe von SPIEGEL besonders: Die Hirschgeweihe im Foyer dienen als
GESCHICHTE erklärt, wie seit dem Mittelalter Hutständer für die Kopfbedeckungen der Familie.
um die regierenden Herrscherhäuser Europas eine
Adelsschicht entstand, die Anspruch auf Privi- Wir wünschen eine anregende Lektüre,
legien und Mitregentschaft erhob – und in ihren Ihr Team von SPIEGEL GESCHICHTE
eigenen Landen selbst über Menschen herrschte.
Von Beginn an fußten Standesdünkel und Füh-
rungsanspruch von Aristokraten auf einer ver-
meintlich gottgewollten Gesellschaftsordnung, die
einer kleinen Schicht zugestand, etwas Besseres
als alle anderen zu sein (Seite 16). Das Heft erläu-
tert, warum der Adel auch über die Französische
Revolution hinaus so mächtig blieb (Seite 60) und
welche Rolle er wirklich im Nationalsozialismus
spielte (Seite 106). Das 20. Jahrhundert machte
Schluss mit dem System aus Gnade, Gunst und
Gewalt von oben, kritische Adelige wandten sich
ab von der Idee einer geborenen Elite. Doch Redakteur Frank Patalong besuchte das Schloss
ein Rest von Standesbewusstsein hält sich hart- der Wittelsbacher in Düsseldorf-Benrath.
Schreiben Sie uns, wie Sie das Heft fanden oder über welche Themen Sie künftig einmal in SPIEGEL GESCHICHTE
etwas lesen möchten. Sie erreichen uns unter info@spiegel-geschichte.de.
6 Bildessay. Eine Klasse für sich 78 England. »Unter gar keinen Umständen waschen«
Wie wohl keine andere Familie stehen die Hohenzollern Im 18. Jahrhundert leisteten sich Adelige lebende
für Glanz und Niedergang der Aristokratie. Schmuckeremiten zur Zierde ihrer Gärten.
Was klingt wie der Gipfel der Exzentrik, hatte
16 Grundlagen. »Höheres Menschsein«
einen tieferen Sinn.
Gab es einen Adel immer schon? Eher nicht, sagt der
Historiker Werner Hechberger im Interview. 82 Kaiserreich. Aufstieg verwehrt
Und: Auch Normalsterbliche konnten aufsteigen. Die Verleihung eines Adelsprädikats galt als
Ausweis gesellschaftlichen Erfolgs. Doch jüdische
26 Mittelalter. Edle Mannen in schwerer Rüstung
Familien wurden nur selten nobilitiert. Warum?
Ritter prägten das Bild des Adels. Pracht und Risiko
ihrer Lebensweise wurden zum Mythos. 90 Landadel. Frondienst mit Freibier
Junker herrschten über Gut Stavenow, ihre Untertanen
34 Chronik. Der Adel in Deutschland
ackerten auf den Feldern. Die Macht schien
36 Herrschaft. Ergebenst dienen zum eigenen Vorteil klar verteilt – aber die Realität sah anders aus.
Die Habsburger Monarchen regierten mithilfe
98 Weimarer Republik. »Wie soll es nur werden?«
loyaler Adeliger wie der Familie Liechtenstein.
Mit dem Kaiserreich verschwanden auch die
Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.
adeligen Privilegien. Wie gingen die Aristokraten
mit dem Statusverlust um?
46
106 Nationalsozialismus. Nützliche Handlanger
Große Teile des Adels kollaborierten mit den
Nationalsozialisten. Einige organisierten als hohe
SS-Führer sogar Massenmorde.
Accessoires
Selbst die Tasche des Zaren 114 Seitenblick. Sitz!
zeigte seine Macht. Hunde gehören zur adeligen Selbstdarstellung.
Einige wurden europaweit berühmt.
116 Gespräch. »Wir wurden nie verbogen«
46 Kleidung. À la mode Hubertus Fürst und Alexander Graf Fugger-
Stoffe, Schnitte, Farben – die Garderobe diente dazu, Babenhausen diskutieren über das Vermächtnis ihrer
den adeligen Status hervorzuheben. Vorfahren aus der Augsburger Kaufmannsdynastie.
52 Unternehmertum. Die Alternativen
128
Arbeiten? Und etwa noch selbst? In der Theorie eine
Zumutung für jeden Edelmann. In der Praxis nicht.
58 Porträt. Was vom Adel übrig blieb
Gloria von Thurn und Taxis wurde als »Punk-Fürstin«
bekannt. Heute fällt sie mit ultrarechten Thesen auf. Verwandtschaft
Baron Börries von
60 Französische Revolution. »Ich bin es meinem Münchhausen war
Haus und mir selbst schuldig« der Urgroßonkel
Die Bürger forderten Gleichheit – und stürzten von Jutta Ditfurth.
Und Antisemit.
Frankreichs König. Für einen Grafen vom
Niederrhein ging es nun um seine Existenz.
128 Essay. »Es gab nur eine Ausnahme«
64 Dokument. »Sie glauben, noch zu führen«
Die Politikerin Jutta Ditfurth hat sich von ihrer
Der Publizist Alexis de Tocqueville beschrieb, wie
adeligen Herkunft abgewandt. Ein Grund war die
Missstände in der Aristokratie 1789 zum Umsturz in
Geschichte ihrer Familie.
Frankreich führten.
133 Nachschlagewerk. Die Bibel der Salonlöwen
68 Selbstzeugnisse. »Mein ganzes Schicksal hat
Wer in den »Gotha« aufgenommen wurde, war ganz
sich entschieden«
oben angekommen.
In Tagebüchern oder Briefen hielten adelige Damen
Details aus ihrem Leben fest. Sie geben Einblicke in 134 Adel heute. Ein Stimmungsbild
den Alltag von damals. Welche Rolle sollte die Aristokratie noch spielen?
90 Gutsherrschaft
Die Junker auf Gut Stavenow
herrschten im 18. Jahrhundert
über ihre Bauern. Doch die
60
ließen sich nicht alles gefallen.
Revolution
Reichsgraf Joseph zu
Salm-Reifferscheidt-Dyck
kämpfte um 1800 um
den Erhalt seines Erbes –
und um sein Schloss.
Eine Klasse für
6 BI LDESSAY
sich
Sie brachten Preußen zur Blüte, einigten
Deutschland und führten es in einen Weltkrieg: Wie
wohl keine andere Familie stehen die Hohenzollern
für Glanz, Gloria und Niedergang der Aristokratie.
Der Erstgeborene
Kronprinz Wilhelm, ältester Sohn des
Kaiserpaares, verkörperte das preu-
ßische Ideal von Stolz und Schneid.
Wilhelms Kinder im Matrosenanzug (M.);
er selbst auf dem Pferd (o., vorn);
beim Weihnachtsfest mit Familie um
1920 auf Schloss Cecilienhof.
Rechte Seite: eine Postkarte des
Kaiserpaares.
8 BI LDESSAY
Fürstliches Theater
Bei der Ankunft von Kaiserin
Auguste Viktoria in Gera
überreichte eine knicksende
Untertanin der Monarchin
einen Blumenstrauß (1905).
10 BI LDESSAY
Herrschaft Kutschen, Pferde und ein staunendes Volk als
Staffage: Wenn die kaiserliche Familie erschien, musste die Inszenierung
stimmen. Hacken zusammen, tiefer Knicks, huldvolles Lächeln – Hauptsache,
jeder war am richtigen Platz. Die hierarchische Ordnung, angeblich
gottgewollt, hielt die Monarchie zusammen und die adelige Elite oben.
Waffenrock Hochzeitsparade
Um die Armee an das Haus Hohenzollern Zivile Großereignisse lieferten die
zu binden, wurden auch Prinzessinnen Kulisse für monarchisch-militärische
ehrenhalber militarisiert. Cecilie (r.), Selbstdarstellung – wie die Fahrt
Ehefrau von Kronprinz Wilhelm, firmierte der königlichen Hoheiten bei
als Chefin des Dragoner-Regiments der Hochzeit von Viktoria Luise von
König Friedrich III., Prinzessin Viktoria Preußen mit Ernst August III.
Luise (l.) repräsentierte das 2. Leib- von Hannover vom Brandenburger Tor
husaren-Regiment in Danzig (Langfuhr). zum Berliner Stadtschloss 1913.
Sprösslinge
Die Kinder des Kronprinzen – Prinz
Hubertus, Prinzessin Cecilie und
Prinz Friedrich von Preußen – im Jahr
1934, die Prinzen in SA-Uniform.
Ihr Vater rief 1932 zur Wahl Hitlers
als Reichspräsident auf. Die Frage,
welche Rolle die Hohenzollern für den
Aufstieg des Nationalsozialismus
spielten, beschäftigt derzeit das
Verwaltungsgericht Potsdam. Es
geht dabei um Rückerstattung von
Kunstschätzen oder Entschädigungen
für Enteignungen in den Jahren 1919
beziehungsweise 1945.
14 BI LDESSAY
DI E HOH ENZOLLE RN
Die Aufsteiger von der Schwäbischen Alb
wurden Grafen, Kurfürsten, Könige und Kaiser –
und Inbegriff des Preußischen.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Friedrich II., 1712 bis 1786. Der »Alte Wilhelm II., 1859 bis 1941. Der letzte
1061 Fritz« ist eine der widersprüchlichsten Figu-
ren der deutschen Geschichte: Aufklärer und
deutsche Kaiser hegte imperialistische
Großmachtallüren. Als Österreichs Kaiser
absoluter Herrscher, Schöngeist und Kriegs- Franz Joseph I. Serbien den Krieg erklärte,
treiber, der Länder ohne Kriegserklärung sprang ihm Wilhelm allzu freudig bei.
S TA M M S I T Z überfiel. Machte Preußen endgültig zu einer Der Konflikt eskalierte zu einem Weltkrieg,
Macht. Zu seinem Erbe gehören aber auch der 15 Millionen Menschen das Leben kostete.
Burg
Sozialreformen und die Formung eines Monarchie und Adel hatten danach aus-
Hohenzollern
für seine Zeit ungewöhnlich toleranten gedient in Deutschland und Österreich. [3]
Staatswesens, das sich als fit für die folgen-
den revolutionären Zeiten erwies. Sah sich Corinna von Hohenzollern, geboren
S TA M M L A N D E selbst als »erster Diener des Staates«. [1] 1990. Heiratete mithilfe von Carl Alexander,
geboren 1970, ins Adelshaus ein. Er liebte sie
Hechingen
Königin Luise von Preußen, 1776 bis nach eigener Aussage wegen ihrer Brüste, doch
(heute in Baden- 1810. Die starke, intelligente Frau hinter sie »wollte nur den Titel«: Nach zwei Monaten
Württemberg) dem schwächlichen Friedrich Wilhelm III. war der Spuk vorbei, die Ehe gescheitert.
Trieb ihren Mann zu Reformen, wirkte
auf seine Politik ein. Gegen jedes Protokoll G R Ö S S T E R S K A N DA L
HÖCHSTE suchte sie diplomatische Lösungen mit
ÄMTER Napoleon. Wurde nach ihrem Tod zur Heldin, Als Spross eines Prinzen und Patenkind eines
[GESCH ICHTE]
fast zu einer Heiligen verklärt. [2] Papstes schien Ferfried Prinz von Hohen-
zollern, geboren 1943, ein Leben in elitären
deutsche Kaiser
BEDEUTENDSTE LEISTUNG Zirkeln vorgezeichnet. Doch im reifen Alter
entdeckte er die Liebe zur Trash-TV-Ikone
[ G E G E N WA R T ]
Die Hohenzollern machten aus dem sandi- Tatjana Gsell – und wurde an ihrer Seite zum
gen Ackerland Preußen eine europäische Reality-TV-Star »Foffi«. Besonders unschön:
keine
Großmacht, um die sich 1871 die deutschen Zu diesem Zeitpunkt war er noch verheiratet.
Staaten scharten, um einen Nationalstaat Seit die Liaison beendet wurde, fällt er nur
zu begründen. noch selten auf. Gsell hingegen schon. [4]
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Sanssouci und
Neues Palais
in Potsdam,
Berliner Stadt-
schloss, Schloss
Charlottenburg
sowie Stadtschloss [1] [2] [3] [4] [5]
Breslau und
Schloss
Königsberg
Bekannte Köpfe heute: Georg Friedrich Prinz von Preußen, geboren 1976. Das Oberhaupt der
preußischen Linie macht Schlagzeilen mit Forderungen nach Rückgabe von Familienschätzen.
Karl Friedrich Fürst von Hohenzollern, geboren. 1952, Oberhaupt der vermögenderen schwäbischen
Linie. Ist stiller, außer auf der Bühne: Er ist nicht nur Unternehmer, sondern auch Jazzer! [5]
SPIEGEL: Herr Professor Hechberger, was Einen Adel gab es schon in der Antike: die
ist Adel? römische Nobilitas, jene römischen Bürger also,
Werner Hechberger: Adel ist ein soziales und die Grundbesitz hatten und politische Ämter
kulturelles Phänomen, das in vormodernen Ge- bekleiden konnten. Es gibt einige Historiker, die
sellschaften entstand. Modellhaft gehen Histori- meinen, dieser Adel habe nahtlos bis ins Mittel-
ker davon aus, dass sich Agrargesellschaften ir- alter fortbestanden, aber das ist umstritten. Si-
gendwann leisten konnten, einige Mitglieder von cher wurden einige Vorstellungen übernommen,
der normalen Arbeit freizustellen. Diese Leute und wahrscheinlich gab es auch personelle Konti-
mussten nicht mehr täglich aufs Feld, sondern nuitäten, vor allem in den ehemaligen römischen
übernahmen Spezialaufgaben, die für alle wich- Gebieten, in Gallien etwa. Aus der germanischen
tig waren: religiöse oder kriegerische Aufgaben. Vorzeit, den Gebieten außerhalb des römischen
Einflusses, haben wir kaum aussagekräftige Quel-
Für die Religion waren die Priester zuständig, len. Die Archäologie weist auf beträchtliche so-
für die Kriegsführung jene, die später adelig
wurden?
Genau, sie sorgten für den Schutz der Ge-
meinschaft, aber auch für die Expansion des
Territoriums. Weil sie dafür Fähigkeiten und
Kenntnisse brauchten, genossen sie besonderes
Ansehen und hatten eine gesellschaftliche Vor-
rangstellung, die später auch vererbt wurde. Die
Familien verfügten dann normalerweise über
reichlichen Grundbesitz und konnten auf eine
besondere Abstammung verweisen. Auch ein
bestimmtes Selbstverständnis gehörte dazu.
Schließlich fixierte man das Ganze rechtlich –
der Adel im klassischen Sinn war entstanden,
so stellt man sich zumindest in der Theorie die
Entstehung des Adels vor.
20 GRUN DLAGEN
sein. In der Realität war sie es nicht. Aufstieg
war immer möglich. Die Ministerialen etwa
waren ursprünglich unfreie Dienstmannen, die
in der Verwaltung Funktionen ausübten oder
Kriegsdienste leisteten. Sie fanden ab dem
12. Jahrhundert Anschluss an den Adel, und ihre
Nachkommen bildeten den niederen Adel des
späten Mittelalters. Und schon früher, im späten
9. und frühen 10. Jahrhundert, gab es im Adel
vielleicht besonders hohe Fluktuation.
Kämpfen
Wie reagierte der Adel?
Einst zogen Adelige in den Krieg, heute aufs Spielfeld. Er war nun gezwungen, klarer zu definieren,
»Codex Manesse«, 14. Jh.; Prinzen William, Harry beim Polo (rechte Seite). was ihn eigentlich auszeichnet. Es scheint mir,
dass der Adel nun erst recht ein eigenes Bewusst-
sein, ein eigenes Selbstverständnis als Gruppe
Die adelige Vorherrschaft wurde, wie Herr- ausbildete und sich noch stärker abgrenzte. Nun
schaft im Mittelalter generell, religiös begründet. gab es so etwas wie Jagdverbote für Bauern
Aber das war durchaus ambivalent, und das und Jagdrechte für Adelige, die auch der gesell-
macht es unglaublich interessant. Denn nach schaftlichen Unterscheidung dienten. Die Trenn-
christlicher Lehre sind ja alle Menschen vor Gott linie zwischen Adel und Bauern wurde nun fast
gleich, es gibt keine Privilegien. Soziale Unter- zu einer ideologischen Kampflinie.
schiede auf Erden musste man deshalb immer
schon rechtfertigen – und nach heftigem Blättern Der Adel veränderte sich im Verlauf des
in der Bibel kann man dafür tatsächlich ein paar Mittelalters massiv, erfand sich auch immer
Stellen finden, die Herrschaft von Menschen wieder neu. Gibt es einen Gedanken, der sich
über Menschen begründen können. So hat etwa von Beginn an durchzieht?
Noah Kanaan, den Sohn seines Sohnes Ham,
und dessen Nachkommen dazu verflucht, Knech-
te von Hams Brüdern zu werden, nachdem
Ham seinen Vater betrunken und nackt schla- Schnelles Was ist eine
fend gesehen hatte. Aber aus Kreisen des Mönch- Wissen
»Adelsprobe«?
tums kam immer wieder Kritik am Adel, an sei-
nen Privilegien und an Hierarchien allgemein. Die Ahnen- oder Adelsprobe diente seit dem Hochmittelalter dazu nach-
In den Bauernunruhen des Spätmittelalters wur- zuweisen, dass jemand tatsächlich adeliger Abstammung war. Für den Ein-
de das zur Fundamentalkritik, die sogar die tritt etwa in Stifte oder Orden, aber auch für Heiraten wurde eine solche
Existenz des Adels gänzlich infrage stellte. Beim Adelsprobe verlangt. Mindestens wurde der Nachweis von vier standes-
englischen Bauernaufstand von 1381 soll der gemäßen Ahnen verlangt, doch es konnten bis zu 32 Vorfahren verlangt
Priester John Ball demonstrativ gefragt haben: werden, also eine nachgewiesen adelige Abstammung bis in die Genera-
»Als Adam grub und Eva spann – wo war denn tion der Ururgroßeltern. Als Beweismittel dienten Zeugen oder eidliche
da der Edelmann?« Wenn man auf die Bibel Beglaubigungen. Die Adelsprobe war bis ins 19. Jahrhundert hinein üblich.
22 GRUN DLAGEN
Hochgeboren
Wa s b e d e u te n d i e
verschiedenen Adelstitel?
Sicher das Selbstverständnis als Elite, die Vor-
stellung, besser zu sein als die anderen, die Idee
Adel beruhte ursprünglich auf Herrschaft über Men- vom »höheren Menschsein«, wie es einmal der
schen. Die Herrschaftsrechte und damit die Titel wur- Historiker Otto Gerhard Oexle genannt hat. Das
den vom König als Lehen vergeben und im Laufe ist die Grundidee. Das Spezifische am europäi-
der Zeit erblich, auch feste Herrschaftsterritorien schen Adel ist vielleicht der Dienstgedanke: das
bildeten sich heraus. Die Titel veränderten sich oft Bewusstsein, dass man nie automatisch herrscht,
aber auch: Ziel vieler Adelsfamilien war es, in den sondern einen Dienst leisten soll an der Gesell-
nächst-»höheren« Stand aufzusteigen, also etwa vom schaft. Das wäre ja eigentlich auch etwas, auf das
Freiherrn zum Grafen zu werden. man sich heute wieder besinnen könnte.
Fürsten: Anfangs die Einzigen, die nur der Herr- Was hat das Konzept Adel so erfolgreich
schaft des Königs unterworfen waren. Von circa 1500 gemacht, dass es so lange überdauert hat?
an gab es auch andere »reichsunmittelbare« Stände, Früher ging man von einer Krise des Adels im
den Fürsten blieben soziale Reputation und politi- späten Mittelalter aus: Es entstanden alternative
scher Einfluss im »Reichsfürstenrat« des Reichstags. Eliten, und die Kriegsführung änderte sich,
Auch Grafen und Herzöge konnten Fürsten sein. es gab Feuerwaffen, Landsknechtsheere, neue
Anrede: »Königliche Hoheit« (bei ehemaligen regie- Kampfweisen, der Ritter wurde überflüssig.
renden Häusern), sonst »Durchlaucht«.
Aber diese Krise gab es gar nicht?
Herzog: Übte in einem Herzogtum königliche Amts- Sie führte jedenfalls nicht automatisch zum
gewalt aus. Herzöge waren über mehrere Grafschaf- Niedergang des Adels. Die Forschungen der
ten gesetzt, ihr Status höher als der von Grafen. Im Adelshistoriker in den vergangenen 20 Jahren
Französischen spricht man von Duc, im Englischen haben ganz eindeutig gezeigt: Der Adel ist aus-
von Duke. gesprochen anpassungsfähig. Viele Adelige such-
Anrede: »Durchlaucht«. ten sich ein anderes Auskommen. Man konnte
in der Theorie die Arbeit verachten, den Handel
Graf: Ursprünglich königliche Amtsträger in be- und den Umgang mit Geld – wie es dem adeli-
stimmten Bezirken, den Grafschaften. Daraus ent- gen Wertekodex entsprach – aber in der Praxis
wickelten sich eigene Herrschaftsrechte. Markgrafen dennoch erstaunlich erfolgreich im Handel sein.
(französisch: Marquis), Pfalzgrafen und Landgrafen Es gab niederadelige Familien, die wagten sich
gehörten dem Fürstenstand an. Der französische ins Kreditgeschäft und finanzierten sogar den
»Comte« und der englische »Count« entsprechen Landesherrn oder übernahmen Ämter in der
dem Grafen. Landesherrschaft. Andere wurden Kriegsunter-
Anrede: »Erlaucht« beziehungsweise »Hochge- nehmer. Nur die extremen Nichtanpasser en-
boren«. deten als Raubritter – aber sie waren eher die
Ausnahme. Der Großteil des Adels reagierte auf
Freiherr: Der Titel bedeutet »Freier Edelmann« und die Veränderungen erstaunlich flexibel.
hing, wie alle anderen Adelstitel, an einem Herr-
schaftsgebiet, etwa einem Gut. Entspricht dem in Herr Professor Hechberger, wir danken Ihnen
anderen europäischen Ländern verwendeten Titel für dieses Gespräch.
»Baron«, den es in Deutschland nicht gab.
Anrede: »Hochwohlgeboren«. Das Gespräch führte die Redakteurin Eva-Maria Schnurr.
Werner
Historischer Adel: Mit dieser adelsintern heute Hechberger, 56,
noch verwendeten Bezeichnung sind Familien ge- ist Professor für
meint, die ihren Adelstitel gemäß dem 1919 abge- Mittelalterliche
schafften Adelsrecht tragen. Wer etwa durch Adop- Geschichte an
der Universität
tion den Titel erworben hat, zählt nicht dazu. Koblenz-Landau.
Er forscht über
das Mittelalter.
24 GRUN DLAGEN
Dietrich I. Konrad I. »der Große« Otto »der Reiche« Heinrich »der Erlauchte« Friedrich I. Friedrich II.
Graf von Markgraf von Meißen Markgraf von Meißen Markgraf von Meißen »der Streitbare« »der Sanftmütige«
Hassegau um 1096 bis 1157 1125 bis 1190 um 1215 bis vor 1288 Kurfürst von Sachsen Kurfürst von Sachsen
Geburtsdatum mächtigster Fürst Silbererzvorkommen erhält von Kaiser Friedrich II. 1369 bis 1428 1412 bis 1464
ungesichert, vor im Osten des Reiches machen seine Grafschaft die Landgrafschaft Thüringen 1425 Verleihung
976 gestorben reich; verleiht 1165 der Kurwürde
Leipzig die Stadtrechte
Kurfürst August
1526 bis 1586
Die namensstiftende
Burg Wettin an der Bruder von Moritz
Kurfürst Friedrich III., Saale, erworben im
Zeichnung von Albrecht 11. Jahrhundert; Kurfürst Johann Georg I.
Dürer, um 1523 zeitgenössischer Stich, 1585 bis 1656
um 1885
Kurfürst Friedrich August I. »der Starke«
1670 bis 1733
Zweig Sachsen-Coburg und Gotha zugleich als August II. gewählter
König von POLEN ab 1697
BELGIEN Friedrich August I. »der Gerechte«
Leopold Prinz von Sachsen-Coburg Saalfeld König von Sachsen
1790 bis 1865 1750 bis 1827
1831 vom belgischen Nationalkongress als Leopold I. Königstitel für Sachsen
zum ersten belgischen König gewählt 1806 durch Napoleon
verliehen
VEREINIGTES
PORTUGAL KÖNIGREICH
Ferdinand Prinz von Prinz Albert von Albert
Sachsen-Coburg und Gotha Sachsen-Coburg und Gotha König von Sachsen
1816 bis 1885 1819 bis 1861 1828 bis 1902
heiratet 1836 Königin Maria II. heiratet 1840 Königin Victoria von 1853 Heirat mit
da Gloria von Portugal und wird Großbritannien und Nordirland Caroline Prinzessin Wasa
als Ferdinand II. Titularkönig aus Schweden
König Edward VII.
1841 bis 1910
BULGARIEN Friedrich August III.
Ferdinand Prinz von König George V. König von Sachsen
Sachsen-Coburg und Gotha 1865 bis 1936 1865 bis 1932
1861 bis 1948 1917 Änderung des Namens 1918 Abdankung und
1887 Ferdinand I. Saxe-Coburg and Gotha Enteignungen in Sachsen;
Fürst der Bulgaren; in Windsor 1919 Abschaffung der Adelsprivilegien
1908 Zar der Bulgaren; durch die Weimarer Reichsverfassung
1918 Abdankung
Manuel II. König von Portugal König George VI. Friedrich Christian
1889 bis 1932 1895 bis 1952 Markgraf von Meißen
Regentschaft endet 1910 1893 bis 1968
mit Ausrufung der Republik zwischen 1945
Simeon II. Königin Elizabeth II. und 1949 erneute
geboren 1937 geboren 1926, Enteignungen
als Minderjähriger 1943 bis 1953 Krönung zur
1946 der letzte Zar der Bulgaren; Königin des Ver-
König Philippe 1946 Verlust der Thronrechte einigten König- Alexander
geboren 1960 nach einer Volksabstimmung reichs Groß- Prinz von Sachsen
belgischer König über die Staatsform; britannien Herzog zu Sachsen
seit 2013 zwischen 2001 und 2005 unter und Nord- Markgraf von Meißen
dem Namen Simeon Sakskoburg- irland geboren 1953
* Auswahl aus den gotski Ministerpräsident der seit 1997 Oberhaupt
Stammeslinien Republik Bulgarien des Hauses
26 M ITTELALTER
Wehrhaft ragende
Mauern, kunstvoll
durch Gräben und
Tore geschützt:
Burgen – hier Burg
Eltz in der Eifel –
sind seit dem ho-
hen Mittelalter ein
Symbol des Ritter-
tums. Rüstungen
wie die abgebildete
von Schloss Am-
bras bei Innsbruck
wurden aber erst im
späteren Mittelalter
üblich.
28 M ITTELALTER
»Erst als
man begann,
den Gebrauch
der Waffen
moralisch zu
rechtfertigen,
wurde aus
hen um die Mitte des 11. Jahrhunderts erblich ge- temachens nicht in die Hölle zu kommen. Bald
dem adeligen worden waren. wurde dieses positive Image durch mönchisch or-
›Krieger‹ Als der Jurist Eike von Repgow im 13. Jahrhun- ganisierte Elitetruppen wie die Johanniter oder
ein ›Ritter‹.« dert seinen »Sachsenspiegel« verfasste, stellte er den Templerorden zusätzlich verklärt.
zwar eine säuberliche »Heerschildordnung« auf, Kein Wunder, dass im hohen und späteren Mit-
die vom König an der Spitze bis hinab zu den letz- telalter ein regelrechter Kult um die Daseinsform
ten kleinen »Hintersassen« reichte. Doch das hatte des Ritters und der höfischen Eleganz herrschte.
»weitgehend nur theoretische Bedeutung«, wie der Als Parzival, der Titelheld im großen Versepos des
Mediävist Joachim Bumke warnt. Gerade die An- Wolfram von Eschenbach (um 1220), eines Mor-
ziehungskraft des Ritterstandes belegt, wie durch- gens zum ersten Mal in seinem Leben drei Berit-
lässig die Schichten blieben. Begüterte Lehensleute tene »von Fuß auf gewappnet« heranpreschen
mussten dem König Kriegsfolge leisten und stellten sieht, fällt er ehrfürchtig auf die Knie: »Der Knap-
auch berittene Kämpfer. Diese Reiterkrieger, kei- pe glaubte ohne Spott, / ein jeglicher sei ein Gott.«
neswegs immer Adlige, waren Keimzelle des Rit- Einer der Kämpen trägt über der Rüstung kost-
tertums; ihre steinernen Wohntürme oder kleinen bare Gewänder: »Im Tau schleppte der Mantel-
Kastelle bildeten den Ursprung der Burgen. saum. / Güldene Schellen, kleine, / hörte er vor
Zur Zeit Heinrichs VI., in einer Epoche des kräf- dem Beine / an den Bügelriemen klingen, /die
tigen Bevölkerungswachstums, war das Rittertum hinab zum Fuße gingen. / Sein rechter Arm von
ein sozialer Schmelztiegel, denn es bekam Zulauf Schellen klang, / wenn er ihn bot oder schwang, /
von beiden Seiten: Aufstrebende Ministeriale wie damit es beim Schwertwechsel so tönt. / Der Held
Markward sahen hier die Chance zu Ruhm und war an Preis gewöhnt. / So ritt der Höfe Zierde /
baldiger Freiheit, aber auch Abkömmlinge der al- in köstlicher Zimierde«, heißt es in der Überset-
ten Hofaristokratie lockte das Ansehen des tugend- zung von Wolfgang Mohr.
haften Kämpfers. Herkunftsstolz, aristokratische
Haltung und die Ideologie vom »edlen« Rittertum Klar, dass der ahnungslose junge Parzival am
verschmolzen in einem geradezu mythischen liebsten auch solch ein »Kunstwerk Gottes« mit
Adelsideal. Entscheidend beschleunigt wurde die- blinkendem Panzer, Kettenhemd und Glöckchen-
se Entwicklung durch die Kreuzzüge seit 1095. zier werden möchte. Dabei hatte seine Mutter Her-
»Erst als man begann, den Gebrauch der Waffen zeleide gerade dies verhindern wollen, war doch
moralisch zu rechtfertigen, wurde aus dem adeli- ihr heldenhafter Mann auf Kriegszügen umgekom-
gen ›Krieger‹ ein ›Ritter‹«, sagt Joachim Bumke men. Nicht lange, und Parzival führt tatsächlich
pointiert. Der »miles christianus« übte sein vor- das Schwert, sogar von des legendären König
dem sündiges Waffenwerk endlich mit Gottes Se- Artus’ Gnaden. Aus Wolframs Reimerzählung er-
gen aus: Er durfte hoffen, trotz Leichen und Beu- fuhren die Zuhörer in allen Details, was ein edler,
tapferer Ritter so tut oder tun sollte: Kämpfe gegen
Monster und Unholde, sittsam-kluges, tugendhaf-
tes Benehmen in der Gesellschaft, Beistand für
Schnelles Wie viele mittelalterliche schöne, bisweilen kapriziöse Frauen und manch-
Wissen
Burgen gab es? mal auch zarte erotische Bande zu ihnen.
Literarische Überhöhungen des ritterlichen Da-
Mittelalterliche Burgen definiert das »Europäische Burgeninstitut« seins wurden von 1200 an eine Hauptattraktion
als befestigten Sitz eines Adeligen. Burgen dienten nicht nur der der Adelshöfe Mitteleuropas. In hochstilisierter
Verteidigung, sondern waren lokale Verwaltungszentren: Hier wurden Liebeslyrik, dem Minnesang, ging es gewitzt um
Abgaben gesammelt und Zölle erhoben, hier wurde Recht gesprochen. Leidenschaft, Psychologie und stilvolles Miteinan-
Wie viele Burgen es einst gab, ist unklar, denn bisher hat niemand der. Meist wurden die Stücke von professionellen
sie gezählt. Nun hat das Europäische Burgeninstitut damit begonnen; reisenden »Troubadours« gedichtet und gesungen;
in einer Hochrechnung der bisher gezählten Exemplare schätzen die aber auch Regenten und adlige Herren versuchten
Experten, dass es einst zwischen 20 000 und 25 000 Burgen auf dem sich als Minnesänger.
Gebiet des heutigen Deutschland gab. Noch viel mehr waren es in Die erzählende weltliche Dichtung wurde erst
ganz Europa, doch hierzu fehlen Zahlen bislang völlig. Übrigens leb- recht zum geistreichen Spiel mit den neuen Idea-
ten nicht alle Adeligen auf Burgen, einige wohnten auch in Städten. len. Von Anfang an ging es dabei um mehr als ade-
30 M ITTELALTER
lige Superhelden in blitzendem Eisen. Die Haupt- ergänzte; Stammbäume oder Familiengrabmale Rekordbau
figuren mussten sich bewähren; der »Parzival« wirkten dank der bunten Zier sowieso viel hübscher. Im bayerischen
Burghausen erhebt
handelt letztlich von der Suche nach dem geheim- Begeistert tüftelten Heraldiker immer subtilere Ge- sich die längste
nisvollen »Gral« und dem Ritterorden, der ihn hü- schlechterzeichen und Wappenregeln aus. Burg der Welt – mit
tet. In seinem nächsten Versroman »Willehalm« All dies war für Enguerran de Coucy (1340 bis ihren umfangrei-
fragt Wolfram dann sogar, ob ein Ritter feindliche 1397), den Siebten dieses Namens, schon selbst- chen Wohn- und
Wehranlagen misst
Heiden, nämlich die muslimischen Kreuzzugsgeg- verständlich. Seine fünftürmige Burg in der Picar- die Anlage über
ner, bedenkenlos abschlachten darf – sind sie denn die kontrollierte die Region; der Festungsturm in einen Kilometer.
nicht auch von Gott erschaffene Menschen? der Mitte, rekordverdächtige 30 Meter breit, nahm Ausgebaut wurde
im Ernstfall 1000 Menschen auf. Schon 1216 hatten der um 1000 ge-
gründete Adelssitz
Zum Glanz der Ideologie vom christlich-tugend- die Coucys für Feldzüge 30 Ritter stellen müssen, vor allem von
haften, adeligen Ritter trugen die parallel auf- nur 4 weniger als das Herzogtum Anjou. den Wittelsbachern
kommenden Turniere viel bei. Entstanden aus Zwölf Wappen zeugten von Generationen klu- um 1500.
militärischem Training, entwickelten sich die ger Heiratspolitik und entsprechend stattlichen
durchaus riskanten Wettkämpfe allmählich zur Ländereien. Bei allem Reichtum musste man stets
Show-Sportart mit kompliziertem Regelwerk. auf der Hut sein: Scharen von Briganten-Kompa-
Aber das ursprüngliche Szenario blieb: Schwer nien, Trupps aus entwurzelten Rittern, Bastarden
gerüstet preschten zwei Reiter in Kampfbahnen und anderen Freibeutern, machten seit der Pest-
aufeinander zu und versuchten, den Gegner mit epidemie 1348 das Land unsicher. Mit 18 musste En-
eingelegter Lanze aus dem Sattel zu heben. guerran VII. erst einmal als Geisel nach England,
Ein von Kopf bis Fuß gepanzerter Streiter war das nach zermürbenden Kriegsjahren ein bitteres
nur durch äußere Zeichen erkennbar, am deutlichs- Friedensdiktat über Frankreich verhängt hatte.
ten an den Mustern und Symbolen auf seinem Immerhin kam der junge Aristokrat am schwel-
Schutzschild. Schon um beim Turnier nicht ver- gerisch-eleganten Hof von Windsor so gut an, dass
wechselt zu werden, legte jeder ritterlich Gewapp- er Ende 1365 die Königstochter Isabella von Eng-
nete Wert auf ein individuelles Wappen. Im Deut- land als Gemahlin heimführen durfte – und es fort-
schen macht die enge Wortverwandtschaft zwi- an ablehnte, mit seinem Schwiegervater jenseits
schen »Waffe« und »Wappen« hörbar, wie gut der des Kanals Krieg zu führen. Lieber zog er auf ei-
neue Brauch das ritterliche »Schild-Amt« (Wolfram) gene Rechnung ins Feld, zum Beispiel für den
32 M ITTELALTER
D I E W I T T E L S BAC H E R
In 839 Jahren brachte das Haus Wittelsbach mehr als 130 regierende
Fürsten hervor. In der Rückschau überstrahlen zwei
alle anderen – zu ihrer Zeit waren sie der Familie eher peinlich.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Elisabeth von Österreich, 1837 bis 1897. Ludwig II., König von Bayern, 1845
1180 Für viele war »Sisi« die schönste Frau
der Welt, für die Ungarn eine Art Mutter
bis 1886. Die Schlösser des »Märchen-
königs« sind heute weltberühmt, doch
der Nation: Mit ihrer Unterstützung Ludwig entzog man wegen der horren-
bekamen sie eine Verfassung. Elisabeth den Baukosten die Krone. Zuvor wurde
S TA M M S I T Z war davon überzeugt, dass das Ende der er für geisteskrank erklärt, Hinweise
Burg
Herrscher von Gottes Gnaden absehbar dafür gab es seit seiner Jugend. Ludwig
Wittelsbach
sei (siehe auch rechts). [1] wurde immer seltsamer, weder bereit
noch in der Lage, die Pflichten eines
Rupprecht von Bayern, 1869 bis 1955. Königs zu erfüllen. Sein rätselhafter Tod
Lehnte das NS-Regime ab und bezahlte ist heute Teil seiner Legende. [4]
S TA M M L A N D E dafür: Er floh 1939 ins Exil. Frau, Sohn
Bayern (Region
und zwölf Verwandte sperrte man 1944 Elisabeth von Österreich. Heute zur
Augsburg)
ins Konzentrationslager. Nach dem Krieg Kultfigur romantisiert, fand »Sisi« zu Leb-
Fürsprecher einer föderalistischen Neuord- zeiten in ihrem Umfeld wenig Zuspruch.
nung. Sein Vermächtnis besteht auch in Für den Hochadel war sie bestenfalls eine
der Hoffnung, dass es doch noch einmal Außenseiterin, wenn nicht gar Feindin. So
HÖCHSTE einen bayerischen König geben könnte. oft sie konnte, verließ sie Wien, ihren kai-
ÄMTER Manchem Bayern wäre das wohl recht. [2] serlichen Pflichten kam sie kaum nach. [2]
[GESCH ICHTE]
BEDEUTENDSTE LEISTUNG G R Ö S S T E R S K A N DA L
Kaiser in zwei,
Könige in sieben
Ländern
Der Erhalt des Katholizismus in Bayern Ob Morde, Einweisungen, Intrigen: Die
gegen starke reformatorische Kräfte im Wittelsbacher produzierten zahllose – teils
16. und 17. Jahrhundert legte die zukünfti- im Wortsinn irre – Skandale. Besonders
[ G E G E N WA R T ]
ge kulturelle, aber auch wirtschaftliche pikant: die Abdankung König Ludwig I.
keine
Entwicklung des Landes fest. Maximilian im Jahr 1848 wegen seiner Affäre mit
I. war dabei die treibende Kraft als der angeblich aus Spanien stammenden
Mitbegründer der katholischen Liga. [3] Tänzerin Lola Montez. [5]
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Bekannte Köpfe heute: Ludwig Prinz von Bayern, IT-Unternehmer und Entwicklungshelfer.
Lebt meist in Kenia, wo er Tech-Start-ups auf die Sprünge hilft. Die meiste mediale
Aufmerksamkeit wird wohl Erbprinzessin Sophie ernten: spätestens wenn ihr Gatte eines
Tages Staatsoberhaupt von Liechtenstein wird.
Ab 1200 Aus der Masse der Ministe- Ab 1400 Einige Fürsten, Grafen und
rialen entwickelt sich der niedere Bischöfe können ihre Macht steigern,
Adel, daraus bildet sich später unter sie bündeln und sammeln Rechte und
anderem die »Reichsritterschaft«. entwickeln sich so zu Landesherren,
Manche Bischofssitze gelangen unter die über Territorien herrschen. Inner-
die Kontrolle von Adelsfamilien. halb dieser Landesherrschaften ent-
Die Bischöfe stammen oft aus dem steht in vielen Territorien der »land-
Grafenstand oder dem niederen Adel. sässige Adel«, er untersteht der Herr-
schaft des jeweiligen Landesherrn.
Um 1225 Die Heerschildordnung Die Nähe zum fürstlichen Hof ge-
im »Sachsenspiegel«, einer Sammlung winnt an Bedeutung für den Adel.
Wartburg in Eisenach geltender Rechte, zeigt eine lehns-
rechtliche Stufenordnung des Adels: Um 1500 Der Adel macht einen An-
sich eine Hierarchie innerhalb des Die Spitze bildet der König, es teil von etwa 1,5 Prozent der Gesamt-
Adels. Burgen werden nun zu Adels- folgen die geistlichen Fürsten, dann bevölkerung aus. Seine Vorrechte
sitzen, um die herum Herrschafts- die weltlichen, auf dem vierten umfassen einen besonderen Gerichts-
bereiche entstehen. Die Familien Schild stehen die Grafen und freien stand, Privilegien im Kriminalprozess,
nennen sich häufig nach dieser Herren, darunter weitere Vasallen. wie zum Beispiel die Hinrichtung mit
Stammburg, Dynastien und Adels- dem Schwert, besondere Erbrechte
geschlechter bilden sich heraus. 1356 Der König wurde traditionell und Sonderrechte bei Jagd, Zoll und
von Adeligen gewählt. Die »Goldene Steuern. Nicht zuletzt gibt es spezielle
Ab 1060 Die ursprünglich unfreien Regelungen hinsichtlich der Kleidung
»Ministerialen«, Dienstmannen des und der Anrede sowie das Recht auf
Königs und später auch anderer Adeli- einen eigenen Kirchenstuhl. Für seine
ger, die zunächst Güter verwalteten, Untertanen ist der Adelige der Ge-
entwickeln sich zu einem eigenen richtsherr.
»Stand«. Einigen von ihnen gelingt
der Anschluss an den Adel, bisweilen Ab 1550 In der Verwaltung der früh-
auch über Bischofsämter. Die Minis- neuzeitlichen Territorien spielen die
terialen könnten das Ritterideal mit Adeligen eine große Rolle, etwa als
seinem ausgeprägten Dienstgedanken Geheimräte oder Minister. Auch diplo-
beeinflusst haben. Die »Goldene Bulle« von 1356 matischer Dienst oder Militärdienst
34 ÜBERBLICK
sind unter Adelssöhnen gefragt (Töch- 1848 Die Revolution von 1848/49
ter werden in der Regel verheiratet stellt den Adel grundsätzlich infrage:
und haben keine eigenen Berufe, eine Die Frankfurter Nationalversamm-
Ausnahme sind Äbtissinnen und Stifts- lung beschließt, den Adel und seine
damen). Darüber hinaus gelten noch Einzug Napoleons in Berlin 1806 Privilegien abzuschaffen. Doch
die Verwaltung ererbter Güter, die un- weil die Revolution scheitert, behält
ternehmerische Tätigkeit in der Land- 1806 Unter dem Einfluss von Napole- der Adel eine Sonderstellung.
wirtschaft oder – zumindest für Katho- on endet mit der Unterzeichnung der
liken – die Versorgung durch eine Kar- Rheinbundakte das »Heilige Römi- 1874 Nach der Gründung des Deut-
riere in der Kirche als standesgemäß. sche Reich Deutscher Nation«, letzter schen Reichs formiert sich die Deut-
Kaiser war Franz II. Viele Kleinstaa- sche Adelsgenossenschaft (DAG).
ten und Reichsstädte werden unter Ihre Ziele sind die Erhaltung adeligen
französischer Besatzung oder im Grundbesitzes, die Verhinderung
Reichsdeputationshauptschluss von sozialen Abstiegs unter Adeligen und
1803 mediatisiert, also in größere Ter- die Bindung aller Standesgenossen an
ritorien integriert. Insbesondere im strenge konservative Grundsätze in
Westen und Süden des Reichs wird Sachen Familie, Stand und Politik.
die adelige Macht beschnitten. Auch
die Reichsritterschaft ist aufgehoben.
Ergebenst
dienen
zum eigenen
Vorteil
E
s ging um alles für Rudolf von Habsburg
am 26. August 1278. Um seine Macht,
seinen Titel, sein Leben. Jahrelang hatte
der inzwischen 60-Jährige mit dem böh-
mischen König Ottokar II. Premysl gestritten, denn
der wollte die Wahl Habsburgs, des Emporkömm-
lings aus dem Alemannischen, zum König des Hei-
ligen Römischen Reichs nicht akzeptieren. Nun
kämpften die Rivalen auf dem Marchfeld nahe der
Getümmel
österreichischen Stadt Dürnkrut die entscheidende Die Schlacht auf
Schlacht. dem Marchfeld
Unter den Getreuen des Habsburgers warteten 1278 gilt als eine
auch die Brüder Friedrich und Heinrich II. von der größten Ritter-
schlachten Europas
Liechtenstein auf ihren Einsatz. Ihr Vater hatte (Darstellung von
einst König Ottokar und dessen Vorgänger Wenzel Julius Schnorr von
gedient. Nach dessen Tod aber hatten sich die Carolsfeld, 1835).
österreichischen Stände gegen den Böhmen ge-
wandt, und auch die Söhne der Familie Liechten-
stein waren zum römischen König übergelaufen.
Im Kampf gegen Ottokar ging es nicht nur um die
Macht des Habsburgers Rudolf, sondern auch um
die Zukunft der Familie.
Beinahe schon geschlagen, griff Rudolf zu ei-
nem Trick. Eine versteckte Reservetruppe mit
36 H ERRSCHAFT
SPI EGEL GESCH ICHTE 6/2019 37
rund 60 Rossen brach hervor, griff die verdutzten
Feinde von der Flanke aus an und spaltete deren
Heer. Die Ritter, die durch die Sehschlitze ihrer
Topfhelme kaum etwas erkennen konnten, ergrif-
fen die Flucht. Ottokar selbst kämpfte weiter – bis
ihm ein Schwerthieb den Kopf spaltete. Rudolf
hatte an diesem Tag nicht nur seinen Titel vertei-
digt, sondern auch Österreich und die Steiermark
von seinem Widersacher erobert. Mehr als 600
Jahre lang sollten diese Territorien die Basis der
Habsburger bleiben. Sie waren Ausgangspunkt
einer beispiellosen Karriere: Von 1438 bis 1806
stellte die Familie fast durchgehend den König und
den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.
38 H ERRSCHAFT
Karl von Liechtenstein galt als
weitsichtig, kaltblütig und entschlossen.
40 H ERRSCHAFT
SPI EGEL GESCH ICHTE 6/2019 41
»… ein schönes modell, Fürstlich
zu leben und hauß zu halten«.
42 H ERRSCHAFT
Mitsprache!
Wie der Adel in
terházy, auch der Prachtliebende genannt. Neun Ständeversammlungen
Jahre zuvor hatte er für Maria Theresias Sohn Jo- mitregierte
seph II. in Frankfurt eine spektakuläre Feier zur
Krönung inszeniert. Johann Wolfgang von Goethe
hatte hinterher vom »Esterházyschen Feenreich« Das Heilige Römische Reich war kein Nationalstaat,
geschwärmt. Jetzt empfing der Fürst die Regentin sondern ein im Mittelalter gewachsener hierarchi-
in seiner opulenten Schlossanlage Esterházy, die scher, ständischer, auf Treuebekundung beruhender
er in Fertöd nahe dem Neusiedler See bauen ließ. Verband. Oberhaupt war der König, der meist an-
Gerade war die Bagatelle, ein Lusthaus im chine- schließend zum Kaiser gekrönt wurde. Er fungierte
sischen Stil, vollendet worden. In der 8000 Men- als höchster Lehnsherr, Richter und Wahrer von
schen fassenden Schlossanlage verzauberte er Ma- Frieden und Recht und wurde gewählt.
ria Theresia mit einem gigantischen Fest – zwei Die »Goldene Bulle«, eine Gesetzessammlung
Tage lang. von 1356, bestimmte endgültig, dass allein die Kur-
Mit Esterhazy lustwandelte sie durch die Gär- fürsten (anfangs die Erzbischöfe von Trier, Köln und
ten, hörte im Opernhaus »L’infedeltà delusa« unter Mainz, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sach-
Leitung des hauseigenen Kapellmeisters Joseph sen, der Markgraf von Brandenburg und der König
Haydn und vergnügte sich abends beim Masken- von Böhmen, vom 17. bzw. 18. Jahrhundert an zu-
ball in der Bagatelle. Als sie eigenhändig ein Feu- sätzlich auch der Herzog von Bayern und der Herzog
erwerk entzündete, erstrahlte das ungarische Wap- von Braunschweig-Lüneburg) einen neuen König
pen und darüber glitzerten die Buchstaben VMT: wählen durften.
Vivat Maria Theresia. Der Monarch konnte nicht unabhängig regieren,
Nikolaus’ Liebe zur Pracht kam die Esterházy sondern musste für viele Entscheidungen, die zum
teuer zu stehen: Als er 1790 starb, hinterließ er sei- Beispiel Kriege, Steuern und Gesetze betrafen, auf
nen Nachkommen 3,8 Millionen Gulden Schulden. Reichstagen die Einwilligung der Reichsstände
Doch der Einsatz lohnte sich, noch immer. Die einholen. Zu diesen gehörten Einzelpersonen und
Habsburger hatten die Aristokratie zwar ge- Korporationen, nämlich die Kurfürsten, die Fürsten,
schwächt, doch nicht völlig entmachtet. Der Adel Grafen und Herren, geistliche Vertreter wie zum
regierte weiterhin maßgeblich mit – nun nicht Beispiel Bischöfe und Äbtissinnen sowie die Reichs-
mehr gemeinsam in den Ständeversammlungen, städte. Um in den Reichsstand erhoben zu werden,
sondern als Berater des Kaisers in Wien. Das war musste ein Adliger von 1654 an ein reichsunmittel-
auch so geblieben, nachdem Maria Theresia mit bares Territorium besitzen, also ein Lehen, das di-
ihrer Staatsreform 1749 die Adelsprivilegien weiter rekt vom Kaiser vergeben wurde und keinem Herrn
beschnitten hatte: Die Familien verloren die obers- darunter unterstellt war.
te Gerichtshoheit und mussten Verwaltungskom- Auf Länderebene verhielt es sich ähnlich: Hier
petenzen an die neuen Kreisämter abgeben. Und traten Landtage zusammen, also der Landesherr
statt wie bisher der Monarchin jährlich die Steuern mit den jeweiligen Ständen, um zum Beispiel
zu bewilligen, mussten die Aristokraten jetzt län- Steuerangelegenheiten zu regeln. Die Zusammen-
gerfristige sogenannte Rezesse verabschieden – setzung der Landstände konnte sich regional
und sogar selbst Abgaben zahlen. unterscheiden. Meist gehörten der Herren-, Präla-
Auch das Militär reformierte die Habsburgerin, ten- und Ritterstand sowie die Städte dazu, mit-
Untertanen konnten als Soldaten nun zwangsre- unter waren aber auch, wie in Tirol, die Bauern
krutiert werden, die lokalen Adeligen hatten keine vertreten.
Mitspracherechte mehr. Wer es jedoch wie Fürst Die Ständeversammlungen verstanden sich
Josef Wenzel von Liechtenstein geschickt anstellte, zwar als Repräsentation des ganzen Landes, spie-
konnte seinen Einfluss durchaus behaupten. Im gelten aber nicht die Meinungsverhältnisse der Be-
österreichischen Erbfolgekrieg 1741/42 hatte Öster- völkerung wider. Schließlich war hier nur die Elite
reich eine herbe Niederlage gegen Preußen erlitten. vertreten, die die Interessen ihres jeweiligen Stan-
Fürst Josef Wenzel erkannte als Generalissimus des vertrat, und keine demokratisch gewählten
der Regentin die entscheidende Ursache für die Abgeordneten.
eklatante Schwäche der österreichischen Armee:
die veraltete Artillerie.
Im Auftrag der Kaiserin, mithilfe ausländischer gen, zählten weiterhin. Und so bemühte sich auch
Experten und eigenem Geld entwickelte der Fürst die Familie Esterházy hartnäckig darum, endlich
neuartige Feldstücke, Haubitzen und Mörser. Jähr- auf eine Stufe mit ihren Konkurrenten, den Liech-
lich zog er das Artilleriekorps zu Gefechtsübungen tenstein, zu gelangen, Sitz und Stimme im Reichs-
zusammen und verteilte Lehrschriften zur Hand- fürstenrat zu erhalten.
habung der Geschütze, die er auf eigene Kosten Wie sein gleichnamiger Großvater gab auch das
neu herausbrachte. amtierende Oberhaupt des Hauses, Fürst Nikolaus
Uneigennützig war der Einsatz jedoch nicht: II., das Geld mit beiden Händen für Kunst, Neu-
Als privater Unternehmer produzierte Josef Wen- bauten und einen luxuriösen Lebenswandel aus.
zel in seinen neuen böhmischen Manufakturen Trotzdem gelang es ihm, die Reichsgrafschaft
jene Waffen für die Armee, die er als staatlicher Edelstetten in Bayern für eine jährliche Leibrente
Generaldirektor der Artillerie entwickelt hatte. von 11 000 Gulden zu kaufen. Am 20. Juni 1804
Das österreichische Heer rüstete auf, bis Maria nahm der Ungar die Herrschaft in Empfang, ein
Theresia schließlich im Siebenjährigen Krieg Ra- knappes halbes Jahr später wurde sie von Kaiser
che an Preußen nahm. 1757 schlugen ihre Truppen Franz II. zur gefürsteten Reichsgrafschaft erhoben.
den Gegner bei Kolin – dank der überragenden Nikolaus II. hatte es geschafft: Er war nun unmit-
Geschütze. Der preußische König Friedrich II. telbarer Reichsfürst und damit endlich den Liech-
nannte Josef Wenzel daraufhin anerkennend einen tenstein, den Schwarzenberg und den anderen
»Pionier der modernen Artillerie«. führenden Adelsgeschlechtern in der Habsburger-
monarchie ebenbürtig.
Die Familie Liechtenstein hatte nun fast alles Auf der Bank des Reichsfürstenrats saß er je-
erreicht, was man als Adelsgeschlecht erreichen doch nie. Am 6. August 1806 legte Franz II. die
konnte. 1719 waren ihre Territorien rund um römisch-deutsche Kaiserkrone auf Druck Napo-
Schloss Vaduz am Rhein zum Reichsfürstentum leons nieder. Das Heilige Römische Reich deut-
erhoben worden, damit wurden die Fürsten in den scher Nation war nach 844 Jahren Geschichte.
Reichsfürstenrat des Reichstags aufgenommen. Für die Familie Liechtenstein hingegen zahlten
Jetzt durften sie also nicht mehr nur an der Politik sich die Investitionen der vergangenen Jahrhun-
in den Habsburgischen Landen mitwirken, son- derte aus: Mit dem Fall des Reichs wurde ihr Fürs-
dern auch im Reich. tentum souverän, nun war der Fürst selbst oberster
Mochten die Staaten auch zunehmend auf eine Regent in seinem Land.
moderne Verwaltung durch Berufsbeamte setzen, Bis heute existiert der Kleinstaat als konsti-
mochten Unternehmer und Bankiers durch eigene tutionelle Erbmonarchie. Und bis heute stellt die
Verdienste gesellschaftlich aufsteigen, die alten Ti- Familie der Liechtenstein den regierenden Landes-
tel und die Versprechen, die mit ihnen einhergin- fürsten.
44 H ERRSCHAFT
DI E HABSBURGER
Dieser Familie gehörte einst die Welt: Kein Adelsgeschlecht
weitete seine Herrschaft so global aus wie die Habsburger.
Am Ende scheiterten sie auch an sich selbst.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Maximilian I., 1459 bis 1519. Der erste Karl II., 1661 bis 1700. Mit ihm endete die
1090 römisch-deutsche Kaiser aus dem Hause
Habsburg steht fast synonym für den Auf-
Herrschaft Habsburgs in Spanien. Körperlich
missgestaltet und geistig stark eingeschränkt,
stieg der Familie zur europäischen Macht. wirkte Karl auf Zeitgenossen grotesk, sie
Das gelang dem »letzten Ritter« zum Teil gaben ihm den Beinamen »der Verhexte«. In
S TA M M S I T Z auf dem Schlachtfeld, weit größeren Erfolg Wahrheit war er das bedauernswerte Opfer
aber erzielte er durch seine eigenen Hoch- der familientypischen Heiratspolitik. Über
Habsburg
zeiten und die seiner Kinder. [1] Generationen hatten sich seine Vorfahren
weitgehend untereinander verbunden. [3]
Maria Theresia, 1717 bis 1780. Früh ver-
S TA M M L A N D E waist, fand sich die Erzherzogin als Regentin Rudolf von Österreich, 1858 bis 1889,
mit den Begehrlichkeiten von Konkurrenten nahm ein unrühmliches Ende, um das sich
Aargau,
konfrontiert, die die vermeintliche Gunst bis heute Legenden ranken. Den Sohn von
Schweiz
der Stunde nutzen wollten. Sie war jedoch Kaiserin Elisabeth, »Sisi«, fand man tot
keine Frau, die sich die Butter vom Brot neh- neben seiner 17-jährigen Geliebten, Baroness
men ließ. Am Ende setzte sie ihren schwachen Mary Vetsera, auf Schloss Mayerling. [4]
HÖCHSTE Gatten Franz I. Stephan sogar als römisch-
ÄMTER deutschen Kaiser durch – und wurde G R Ö S S T E R S K A N DA L
[GESCH ICHTE]
zur eigentlichen Regentin des Reiches. [2]
Die Cousine, der Cousin, immer wieder:
Kaiser von
BEDEUTENDSTE LEISTUNG In keinem Adelshaus war die Heirat unter
Österreich-
Verwandten so verbreitet wie bei den Habs-
Ungarn, römisch-
Die Ausweitung des Machtbereichs der Fami- burgern. Über Jahrhunderte gab es dadurch
deutscher
lie durch konsequente Heiratspolitik: Zeit- eine erschütternd hohe Zahl von Totgeburten
Kaiser
weise gab es rund um den Globus Habsburg- und geistigen und körperlichen Gebrechen,
regierte Länder und Kolonien. Die Sonne die durch Inzucht verursacht worden waren.
[ G E G E N WA R T ]
ging nicht mehr unter in diesem Reich, die Die Habsburger wussten das und taten es
Dynastie dann aber doch – gerade auch trotzdem: Es ging um Machterhalt – doch es
keine
wegen dieser Heiratspolitik (siehe rechts). trug zum Niedergang des Hauses bei.
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Allein im heuti-
gen Österreich
unterhielten die
Habsburger rund
zwei Dutzend [1] [2] [3] [4] [5]
Residenzen. Die
bekanntesten:
die Hofburg und
Schloss Schön- Bekannte Köpfe heute: Karl Habsburg-Lothringen, geboren 1961, ist aktuelles Oberhaupt der
brunn in Wien. Familie. Trat als Medienunternehmer, TV-Moderator und ÖVP-Politiker auf. In der Klatsch-
presse präsenter sind Eleonore Habsburg-Lothringen, geboren 1994, Model für edle Marken, und
Ferdinand Zvonimir Habsburg-Lothringen, geboren 1997, Rennfahrer (Formel 3 und DTM). [5]
À la mode
46 KLEI DUNG
P
aris wurde schon im 12. Jahr-
hundert Hauptstadt der Mo-
de, als Heinrich II., Herzog
der Normandie, und Philipp
IV., »der Schöne«, Frankreichs Vor-
macht in Europa ausbauten. Der fran-
zösische Hof bestimmte die »mâze«,
Schnitte und Materialien, Ritter brach-
ten von ihren Kreuzzügen Eindrücke
einer prunkvollen Textil- und Anzieh-
kultur mit in die Heimat. Die so entste-
hende höfisch-ritterliche Welt legte
Kleiderordnungen für den Adel fest, um
sich von niederen Ständen – und von-
einander – zu unterscheiden.
Samt, Seide und Damast, aufwendi-
ge Stickereien, Pelze, Unmengen Stoff,
reine, leuchtende, also teure Farben –
alles setzten die edlen Herrschaften ein,
um mithilfe der Aufmachung klarzustel-
len, welcher Platz in der Hofhierarchie
ihnen zustand. »Entartet« und »unma-
ßend« nannte König Karl VII. von
Frankreich (1403 bis 1461) sein Volk,
weil es dulde, »dass jeder nach seinem
Vergnügen sich kleidet«, sodass »man
vermittelst der Kleider nicht mehr den
Stand und Rang der Leute erkennt, ob
sie Prinzen sind oder Edelleute oder
Handwerker«. Je mehr sich Bürgertum
und Adel im Laufe der Jahrhunderte
im Status annäherten, umso rigider wur-
de auf Unterscheidung geachtet: Die
Auswahl an Stoffen, Applikationen und
Schnitten wurde eingeschränkt.
Unnahbar
Vielsagend
48 KLEI DUNG
Eckig
Ellenlang
50 KLEI DUNG
O R A N I E N - NA S SAU
Sie begannen als Provinzadelige und stiegen zum einfluss reichen
Haus des Hochadels auf: Den Weg zur Macht fand
das Haus Oranien vor allem durch politisches Geschick.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Wilhelm I. von Oranien, 1533 bis 1584. Marianne von Oranien-Nassau, 1810
1544 Unter Philipp II. von Spanien Statthalter
der »Siebzehn Provinzen«. Als dort eine cal-
bis 1883, ließ ihren permanent untreuen
Ehemann sitzen und brannte mit ihrem Leib-
vinistische Revolte losbrach, setzte sich kutscher Johannes Rossum durch. Mit dem
Wilhelm I. erfolgreich an deren Spitze: 1581 er- lebte sie in wilder Ehe, bis sie schwanger
S TA M M S I T Z klärten sieben Provinzen ihre Unabhängigkeit. wurde, dann durften die beiden heiraten. [3]
Die Oranier wurden erst Statthalter der Konfö-
ab 1581 de facto
deration und später Könige der Republik der Bernhard Prinz zur Lippe-Biesterfeld,
Den Haag
Niederlande, die daraus hervorging. [1] 1911 bis 2004, Prinzgemahl von Königin
Juliana. Ließ sich vom US-Rüstungskonzern
Juliana von Oranien-Nassau, 1909 bis Lockheed mit 1,1 Millionen Dollar schmie-
S TA M M L A N D E 2004. Galt als volksnah, prägte mit ihrer ren, den für 116 Piloten tödlichen »Star-
unprätentiösen Art den ganz eigenen, fighter« F-104 einzuführen. Mutierte im
Zunächst Nassau-
vergleichsweise lockeren Stil der niederlän- Alter vom passionierten Großwildjäger zum
Dillenburg
dischen Royals. Dass sie einen Ehemann Gründungspräsidenten des World Wildlife
(zwischen
mit Glaubwürdigkeitsproblemen und eine Fund (WWF). [4]
Westerwald und
Vorliebe für esoterische Beraterinnen hatte,
Taunus) sowie
verzieh man ihr (siehe rechts). Anekdotisch G R Ö S S T E R S K A N DA L
Orange (Frank-
überliefert ist die ihr zugeschriebene Aussa-
reich), später
ge, sie wäre gern Sozialarbeiterin geworden, Die Greet-Hofmans-Affäre, 1956. Der
Niederlande
wenn sie nicht Königin geworden wäre. [2] SPIEGEL enthüllte, dass die amtierende
Königin Juliana unter Kontrolle einer obsku-
BEDEUTENDSTE LEISTUNG ren Geistheilerin stehe. Durchgestochen wur-
HÖCHSTE den die Informationen von ihrem Ehemann
ÄMTER Die sieben nördlichen Provinzen der Nieder- Prinz Bernhard. Die Affäre erreichte ihren
[GESCH ICHTE]
lande durch 80 Jahre Krieg mit Spanien Höhepunkt, als die Geistheilerin eine Hand-
geführt zu haben und am Ende den Keim granate in ihrer Post fand und verängstigt
Großherzöge
einer Republik zu pflanzen, ohne dabei den abtauchte. Erstmals seit 1815 wackelte die
von Luxemburg,
royalen Status zu verlieren. Hut ab! niederländische Monarchie, und zwar kräftig.
König von
England, Könige
der Niederlande
[ G E G E N WA R T ]
Könige der
Niederlande
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Bekannte Köpfe heute: Noch immer Beatrix, geboren 1938, Königin bis 2013. Erste nieder-
Das
ländische Monarchin, die an öffentlichen Schulen unterrichtet wurde. In der Öffentlichkeit
Palais op de Dam
oft als winkende, volksnahe »Königin mit Hut« wahrgenommen, galt die studierte Juristin als
in Amsterdam
machtbewusste Strippenzieherin, die gern Einfluss auf die Politik nahm. [5]
A
ls sich Königin Victoria von England für Januar leben und ihr Vermögen in die aufwendige Repräsentation
1845 zu Besuch in Stowe House ansagt, will sich ihres gesellschaftlichen Status investieren, ist ein Klischee,
der Herzog von Buckingham nicht lumpen lassen. immer wieder aufgekocht in Romanen und Serien wie
Auf eigene Kosten lässt er ein Regiment aufmar- »Downton Abbey«. Es entsprach aber auch dem Selbstbild
schieren, 400 seiner Pächter stehen zum standesgemäßen der europäischen Fürsten, Grafen, Herren und ihrer Familien
Empfang der Queen zu Pferd sauber aufgereiht Spalier. Hun- bis ins späte 19. Jahrhundert.
derte Landarbeiter sind angetreten, Blaskapellen spielen, Ar- Fleiß und Sparsamkeit galten als bürgerlich, Arbeit wurde
tilleriesalven werden abgefeuert. Der Herzog hat seine riesige im Adel traditionell eher verachtet. So schrieb das »Deutsche
Landvilla für diesen royalen Anlass komplett neu einrichten Adelsblatt« noch 1887: »Uns will eine kaufmännische, fabrik-
lassen. Im königlichen Badezimmer sollen Tigerfelle gelegen atomische Ausbeutung des größeren Grundbesitzes nicht an-
haben. »Ich habe in keinem meiner beiden Paläste solche gemessen erscheinen … Der adelige Majoratsherr scheint uns
Pracht«, merkt die Queen an. aber vor allem die Pflicht zu haben, den Familienbesitz, den
Der Besuch der jungen Königin und ihres Gemahls war er von den Vorfahren überkommen, zu erhalten, auf das
der Höhepunkt des extravaganten Lebensstils des Herzogs – Beste zu bewirtschaften, ohne deshalb mit aller seiner Thä-
und sein Endpunkt. Richard Plantagenet Temple-Nugent- tigkeit in der materiellen Beschäftigung auf zu gehen.«
Brydges-Chandos-Grenville der Zweite Herzog von Bucking- Als der Text erschien, hatte sich dieses adelige Selbstbild
ham erfüllte das klassische Ideal des Adels: Er lebte von den faktisch längst überlebt: Die Industrialisierung wirbelte die
Einkünften seiner Güter, war als Politiker im Oberhaus tätig Wirtschaft durcheinander, die Agrargesellschaft früherer Zei-
und ein Agrarlobbyist, der von sich behauptete, »jeder Maß- ten, auf deren Grundlage der Adel gewachsen war, löste sich
nahme Widerstand zu leisten, die den Interessen der Land- auf. Doch das Ideal hatte auch vorher nie ganz der Realität
wirtschaft schaden würde«. Doch damit verfolgte er eine Stra- entsprochen. Zu allen Zeiten waren einzelne Aristokraten
tegie, die schon an ihr Ende kam, bevor die Korngesetze 1846 mehr als bloße Verwalter ihres ererbten Vermögens, sie ver-
abgeschafft wurden; sie hatten den Preis für britisches Ge- suchten, mit Innovationen und Investitionen ihr Vermögen
treide mit hohen Einfuhrzöllen abgesichert. zu sichern oder zu mehren.
Sein luxuriöses Leben mit Affären und unehelichen Kin-
dern hatte den Herzog schon zuvor dem Bankrott nahege- Wie hoch der Anteil der Unternehmer in Adelskreisen in
bracht. Um den Ruin der Familie aufzuhalten, musste sein den verschiedenen Epochen war, können Historiker heute
Sohn Richard kurz nach dem königlichen Besuch die gesamte allerdings schwer einschätzen. Weil der Schriftverkehr über
Inneneinrichtung wieder versteigern. Mit Sparsamkeit und wirtschaftliche Belange in den adeligen Familienarchiven sel-
einem geradezu bürgerlichen Erwerbs- tener aufbewahrt wurde als jener zu juristischen Vorgängen,
einkommen in der Leitung der London gibt es nur wenige Dokumente. Insgesamt sei die Forschung
Fernverkehr
and North-Western Railroad konnte über adelige Unternehmer noch höchst lückenhaft, schreibt
Im ganzen Habs-
burger Reich, bis dieser Dritte Herzog von Buckingham Manfred Rasch, Professor für Technik- und Umweltgeschichte
hin nach Granada, schließlich einen Teil des Familienver- an der Ruhr-Universität. Vor allem die Frage nach den Be-
beförderten die mögens, das Stowe House und manch sonderheiten des adeligen Unternehmertums sei noch nicht
Postkutschen der
anderes im Familienbesitz halten. erforscht.
Thurn und Taxis De-
peschen, Waren und Das Bild von Adeligen, die allein von Doch herausragende Figuren repräsentieren in der Art,
auch Menschen. Pachten und Erträgen ihrer Ländereien wie sie ihre Unternehmungen führten, ihre Zeit. Sie zeigen,
54 UNTERN EH M ERTUM
1505 gelang Franz von Taxis der
nächste Schritt zum freien Dienst-
leistungsunternehmer. Er schloss
mit dem kastilischen König Phi-
lipp I., dem Sohn Maximilians, den
spanisch-niederländischen Postver-
trag. Die Taxis hatten nun inner-
halb ihres Unternehmens gewisse
staatliche Hoheitsrechte, wie sie
ein Landesfürst besaß. Sie konnten
jeden, der die Beförderung der Post
behinderte, zur Unterstützung
zwingen und über Postangestellte
Gerichtsurteile fällen.
Der Fabrikant
56 UNTERN EH M ERTUM
www.dva.de
geschlossenen Öfen verkohlt werden. Dabei entstehende Ne-
benprodukte wurden unter anderem zu Teer, Gips und Blei-
weiß weiterverarbeitet, die im Baugewerbe, in der Glasver-
edelung und der Farbproduktion gebraucht wurden.
1822 eröffnete die Chemische Fabrik Wocklum. Lands-
berg-Velen ging dabei ein hohes unternehmerisches Risiko
ein: Die Verkohlung in geschlossenen Öfen war noch nicht
praktisch erprobt. Er verließ sich auf den Fachmann; der Apo-
theker Herold wurde als »Dirigent« der Fabrik sein Geschäfts-
partner. Landsberg-Velen stellte den Hauptteil des Kapitals
und ließ die notwendigen Produktionsgebäude bauen, ein
Labor wurde in einer ehemaligen Kapelle untergebracht. Fast
alle Rohstoffe für die chemische Produktion kamen von den Taschenbuch. € (D) 11,–
Gütern der Landsberg-Velens. So war die Wocklumer Che- Verfügbar auch als E-Book
miefabrik nie auf Bankkredite angewiesen.
Bald produzierte die Chemiefabrik neben Holzkohle bis
IM
zu 38 Produkte aus organischen und anorganischen chemi-
schen Prozessen, etwa Schwefel- und Salpetersäure oder
Soda.
ZICKZACK
Der Reichsfreiherr fungierte zunächst als stiller Teilhaber:
Er tat alles für den Erfolg seines Unternehmens, hielt sich
aber aus den operativen Prozessen heraus. Er sorgte sich um
DURCH
den Ausbau von Straßen in der Region und richtete für die
Mitarbeiter eine Krankenkasse ein, damit sie kostenlos me-
dizinisch behandelt wurden. Doch nachdem Herold ausge-
DIE
stiegen und ein Nachfolger gescheitert war, musste der Frei-
herr nach 17 Jahren selbst eingreifen.
WELT-
Um seine Investitionen, aber auch die Arbeitsplätze zu
retten, entschloss sich Landsberg-Velen 1839, für Produktion
und Finanzen jeweils einen Geschäftsführer anzustellen.
GESCHICHTE
Er selbst trieb von nun an als chemischer Laie Innovatio-
nen voran. Als »wissenschaftlicher Koordinator«, wie er es
nannte, wertete er in seinem Schloss in Münster systematisch
chemische Zeitschriften, Hand- und Lehrbücher aus, über-
mittelte den Chemikern im Betrieb fast täglich seine Notizen
mit Anregungen für Verbesserungen und neue Produkte. So In sieben Schritten
entstand zwischen den Experten und dem chemischen Auto-
didakten Landsberg-Velen eine rege schriftliche Diskussion entstehen die verblüffendsten
über Fabrikationsmethoden und Reaktionsabläufe, die die
Firma vorantrieb. Zusammenhänge – so
Als Landsberg-Velen 1863 starb, führte sein Sohn Fried-
rich die Geschäfte erfolgreich weiter. Ihn hatte der Vater überraschend, vergnüglich
nicht mehr auf die im Adel traditionelle Kavaliersreise durch
Europa geschickt, sondern mit Studienreisen an Standorte und unterhaltsam war
der englischen Chemieindustrie auf die Nachfolge vorberei-
tet. Mit der Weltwirtschaftskrise allerdings gingen 1930 Teile Geschichte noch nie.
des freiherrlichen Unternehmens in Konkurs. Ein Prokurist
der Landsberg-Velens übernahm die Chemiefabrik und führ-
te sie nach dem Zweiten Weltkrieg weiter. Die Chemie Wock-
lum existiert bis heute.
D
ie Frau mit dem adeligen Namen Gloria Prinzes- mitnichten anders drauf als wir. Dass die mehr schnackseln,
sin von Thurn und Taxis verblüffte Beobachter hat mit den klimatischen Bedingungen da unten zu tun.«
schon in jungen Jahren. Mit Anfang zwanzig galt Zwei Monate zuvor hatte Papst Benedikt XVI. sie zur
sie als »Punk-Fürstin«. Da ließ sie sich ihre Haare »Komturdame mit Stern des Päpstlichen Ritterordens des hei-
von Starfriseur Gerhard Meir zu turmartigen Kunstwerken ligen Gregor des Großen« ernannt. Schon 2006 hatte sie vom
verformen. Sie erschien mit einer haarspraysteifen Löwen- Bundespräsidenten das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundes-
mähne in Pink auf dem Hochzeitsball ihrer Schwester in Salz- republik Deutschland erhalten. Die Auszeichnung wird »ver-
burg. Und tanzte in der New Yorker Disco »Palladium« in ei- dienten Männern und Frauen des deutschen Volkes« verlie-
nem Kettenhemd von Paco Rabanne auf einer Tischplatte. hen. Dass sie zu diesen gehört, daran scheint auch Bayerns
Auch ein SPIEGEL-Reporter schwärmte 1986 von ihren Ministerpräsident Markus Söder, Aspirant auf die Kanzler-
»fiebrig schönen Augen« und fand, sie habe »etwas ungemein kandidatur, nicht zu zweifeln. Er bezeichnete sie kürzlich als
Explosives«. »Kunstwerk« und »liebe Fürstin« – als habe er die nach der
Geboren wurde sie im Februar 1960 als Tochter von Joa- Revolution 1918 erfolgte Abschaffung des Adelsprivilegs noch
chim Graf von Schönburg-Glauchau und seiner ersten Frau nicht bemerkt.
Beatrix. Die Schönburgs gehörten zum sächsi- Sein Kabinettskollege Bernd Sibler, Staats-
schen Adel, per Bodenreform 1945 in der Sowjeti- minister für Wissenschaft und Kunst, nennt die
Auffällig
schen Besatzungszone entschädigungslos expro- Gloria feierte 1987 Schlossbesitzerin ernsthaft »Ihre Durchlaucht«.
priiert, Vater Schönburg verdiente sein Geld als als Glamour-Punk Ebenso halten es TV-Moderator Kai Pflaume
Journalist, unter anderem als stellvertretender auf einem Charity- und Hofschranzen des Bayerischen Rundfunks.
Chefredakteur der Jagdzeitschrift »Die Pirsch«. Ball im Waldorf- So bekommt die Schlossherrin immer wieder ein
Astoria Hotel in
»Wir waren verarmt, weil uns die Kommunisten New York City. Forum, nicht selten für reaktionären Nonsens.
enteignet hatten«, bilanziert Gloria ihr Familien- Mal behauptet die »Fürstin zum Anfassen«
schicksal. Doch der vermeintlichen Armut entfloh (Bayerischer Rundfunk), Kondome schützten nicht
sie mit einem Schlag. 1980 heiratete sie einen der reichsten vor Aids, mal nennt sie Schwangerschaftsabbrüche »Massen-
Männer Deutschlands, Johannes Prinz von Thurn und Taxis, mord« und hebt lobend hervor, »dass die AfD die einzige
Universalerbe des riesigen Vermögens der Familie, zu dem Partei ist, die offen gegen Abtreibung ist«. Zugleich behaup-
auch umfangreicher Waldbesitz gehört. tet die Shitstorm-Erprobte, mit der AfD nicht viel am Hut
Die Hochzeit mit dem 34 Jahre älteren Lebemann feierte zu haben.
sie 1980 auf Schloss St. Emmeram bei Regensburg, vergoldete Allerdings findet sich die Schlossherrin ein bei Versamm-
Kutsche und Brautdiadem inklusive. Der Milliardär und Star lungen rechter Abtreibungsgegner, etwa in Verona im Februar
der Regenbogenpresse pflegte sein Jetset-Leben, mal mit, 2018. Und sie pflegt einen trauten Umgang mit Ikonen des
mal ohne die auffällige Gestalt an seiner Seite, bis er zehn Erzkonservativismus wie Ungarns Premier Viktor Orbán und
Jahre später verstarb. So erbte sie mit 29 Jahren sein Vermö- Trumps Ex-Chefideologen Stephen Bannon. Den findet sie
gen und das Schloss, mit einer Wohnfläche von 21 500 Qua- »nicht so schlimm«.
dratmetern größer als Buckingham Palace. Zum Thema »Migration« offerierte sie 2015 eine Sicht,
Ihrem Hang zum Hemmungslosen blieb sie treu. Schon die selbst den rechtesten Flügel der AfD nur erfreuen kann:
zu Lebzeiten ihres Mannes hatte sie dessen Freunde aus der »Wir stehen am Rand des dritten Weltkrieges, man könnte
Familie Rothschild als »Weinjuden« bezeichnet. In der ARD- fast sagen, diese Völkerwanderung, die hier auf uns zuströmt,
Talkshow »Friedman« dozierte sie 2001 mit erhobenem Zei- ist schon eine Art Krieg.« Die »Süddeutsche Zeitung« be-
gefinger über das Sexualverhalten von Afrikanern: »Der zeichnete sie kürzlich als »Popstar der Rechten«.
Schwarze schnackselt gern.« Das Entsetzen war groß, doch Damit ihr Auftreten Schule macht, bietet Gloria auf ihrem
folgenlos – im September 2008 legte Gloria noch einmal Schloss seit 2013 Kurse an in »gesellschaftlicher Etikette«.
nach, in der »Bild«-Zeitung, dem Zentralorgan für das, was Bei ihr lasse sich lernen, sagt sie, »Benimmregeln« zu beher-
man doch noch mal wird sagen dürfen: »Die Afrikaner sind zigen und »souverän und anschaulich zu plaudern«.
E
Familiensitz ndlich! Im Mai 1793 erhielt der jugend-
Die Wurzeln der liche Reichsgraf Joseph zu Salm-Reiffer-
Familie Dyck, die in
scheidt-Dyck die ersehnte »Großjährig-
einem Schloss
mit Wassergraben keitserklärung« von Kaiser Franz II.,
residierte, reichen dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Rei-
mindestens bis ins ches Deutscher Nation. Der Kaiser schrieb darin,
11. Jahrhundert
dass er Joseph »tüchtig und fähig befinde, die ei-
zurück (Postkarte
aus dem 20. Jahr- gene Verwaltung seiner Güter und Herrschaften,
hundert). ohne allen vormundschaftlichen Beistand und Hil-
fe, antreten und führen zu können«.
Der niederrheinische Graf hatte seinen Vater
bereits im Alter von zwei Jahren verloren und seit-
dem unter der Vormundschaft seiner Mutter und
eines Onkels gestanden. Nun, mit knapp 20 Jahren,
war er endlich sein eigener Herr und alleiniger Ge-
bieter über seine Besitztümer und damit auch über
die Herrschaft Dyck, ein Territorium von etwa
neun Quadratkilometer Größe, gelegen südwest-
lich von Düsseldorf.
Allerdings konnte der Graf seine Regentschaft
nur für knapp anderthalb Jahre genießen: Im Ok-
tober 1794 besetzten französische Revolutionstrup-
pen das linke Rheinufer, marschierten in die Reichs-
grafschaft Dyck ein und übernahmen auch das
schmucke Wasserschloss, in dem Joseph residierte.
Es blieb nicht die einzige dramatische Verände-
rung im Leben des Grafen Joseph zu Salm-Reif-
ferscheidt-Dyck in den unruhigen Zeiten vor und
nach der Französischen Revolution. Wie auch viele
andere Vertreter des Adelsstandes kämpfte er da-
rum, sich in einer rasant verändernden Welt ge-
sellschaftlich oben zu halten. »Ich bin es meinem
Haus und mir selbst schuldig«, notierte Salm-Reif-
ferscheidt-Dyck einmal, »mir die Verhältnisse zu
sichern, die meinem Stande und meiner Geburt
angemessen sind. Dieses Ziel werde ich nie aus
den Augen verlieren.« Von vielen anderen Ade-
ligen jedoch unterschied Joseph zu Salm-Reiffer-
scheidt-Dyck vor allem eines: Er erreichte mit viel
Mühen und Einsatz sein Ziel am Ende – fast.
Josephs Kindheit und Jugend waren geprägt von
überlieferten adligen Vorstellungen: Die eigene Dy-
nastie und die Kirche waren die alles entscheiden-
den Instanzen. Die Familie war sich ihrer Tradition
bewusst: Bereits Ende des 11. Jahrhunderts wurden
die Herren von Dyck erstmals genannt, sie stiegen
als Gefolgsleute der Kölner Erzbischöfe auf. Die
Ahnengalerie auf dem Schloss versuchte sogar, die
Familie bis auf Karl den Großen zurückzuführen
Freiheit und Gleichheit forderten (was allerdings nur gelang, indem auch Vorfahren
die Bürger in der Französischen der Ehefrauen miteinbezogen wurden).
Revolution. Für einen Grafen Im Alter von sechs Jahren schickte seine Mutter
den kleinen Joseph gemeinsam mit seinem jünge-
vom Niederrhein ging es nun um ren Bruder auf die Schule nach Köln, zuerst auf
seine Existenz. das in der Tradition der Jesuiten stehende Konvikt
Xaverianum, dann auf das ehrwürdige Gymnasium
62 FRANZÖSISCH E REVOLUTION
ner Weise vorgeworfen werden, er sei jemals ein
Feind der französischen Republik gewesen. Der
Unterzeichnende erklärt ausdrücklich, dass er
französischer Bürger bleiben will.«
M it ihren Forderungen
nach »Freiheit, Gleich-
heit, Brüderlichkeit«
sich und bildet sich neben ihnen,
ohne sie und gegen sie; sie hat-
ten die Bürger weder zu Verbün-
richtete sich die Französische deten noch zu Mitbürgern ha-
Revolution 1789 gegen die alten ben wollen: sie sollen in ihnen
Vorrechte des Adels. Die anfangs erst Nebenbuhler, bald Feinde
gemäßigten Revolutionäre radi- und endlich Herren finden. Eine
kalisierten sich in der zweiten fremde Macht hat sie der Sorge
Phase der Revolution, bevor schließlich Napoleon Bona- überhoben, ihre Vasallen zu leiten, zu schützen, zu
parte sich 1804 zum Kaiser von Frankreich krönte und unterstützen; da diese Macht ihnen aber zu gleicher
einen neuen Adel schuf, die »Noblesse imperiale«. Zeit ihre pekuniären Rechte und ihre Standesprivi-
In seinem Werk »Der Alte Staat und die Revolution« legien gelassen hat, glauben sie, nichts verloren zu
untersuchte der Publizist und Politiker Alexis de Tocque- haben; da sie noch immer vorangehen, glauben sie,
ville 1856 die Geschichte des Umsturzes und die Be- noch zu führen, und allerdings sind sie von Menschen
dingungen, die dazu führten. Tocqueville stammte umgeben, die sie in notariellen Urkunden ihre Unter-
selbst aus einer alten normannischen Adelsfamilie, er tanen nennen; andere nennen sich ihre Vasallen, ihre
beschrieb sich selbst als »Aristokrat aus Instinkt und Zinsbauern, ihre Pächter. In Wahrheit folgt ihnen nie-
Demokrat aus Vernunft«. Dennoch hielt er die Entwick- mand, sie sind allein, und wenn man endlich auftreten
lung vom aristokratischen, »alten«, zum neuen, »de- wird, um sie niederzuwerfen, wird ihnen nur die
mokratischen« Zeitalter für unaufhaltbar. In seinem Flucht übrig bleiben …
Werk kritisierte er die Fehler und Versäumnisse des Zu allen Zeiten wird man staunen, wenn man die
Adels vor 1789, die schließlich zur Revolution führten. Trümmer dieses großen französischen Staatsgebäudes
sieht, dem es beschieden zu sein schien, sich über ganz
»Der französische Adel hält sich hartnäckig von den Europa zu erstrecken; diejenigen aber, die seine Ge-
anderen Klassen getrennt; die Edelleute lassen sich schichte aufmerksam lesen, werden seinen Fall leicht
endlich von den meisten der öffentlichen Lasten be- begreifen. Fast alle die Gebrechen, fast alle die Irr-
freien, die jene drücken; sie wähnen, ihre Größe be- tümer und verderblichen Vorurteile, die ich geschildert
haupten zu können, indem sie sich diesen Lasten ent- habe, verdankten in der Tat sowohl ihr Entstehen als
ziehen, und anfangs scheint dem auch so zu sein; bald ihre Dauer und Entwicklung jener Kunst, welche die
aber scheint eine innere unsichtbare Krankheit ihre Mehrzahl unserer Könige besaß, nämlich die Men-
Stellung befallen zu haben, die sich allmählich ver- schen zu trennen, um sie desto unumschränkter zu
ringert, ohne dass sie selbst von jemand angetastet beherrschen.«
werden; sie verarmen in dem Maße, wie ihre Vorrech-
te zunehmen. Der Bürgerstand dagegen, mit dem sich Zitiert nach J. P. Mayer (Hg.): »Alexis de Tocqueville. Der alte Staat
zu vermengen sie sich so sehr scheuten, bereichert und die Revolution«. Carl Schünemann; Bremen, 1959.
64 FRANZÖSISCH E REVOLUTION
mit in die Ehe; auf Schloss Dyck residierte somit den preußischen König Friedrich Wilhelm III., ab, Waffensaal
eine Patchworkfamilie – zumindest im Sommer. um auf sich aufmerksam zu machen: »Ein großer Ursprünglich eine
wehrhafte Burg-
Die Wintermonate verbrachte das Paar stets in Teil des linken Rheinufers hat sich im Gefolge
anlage, verwandelte
der französischen Hauptstadt. Für Joseph war der glücklicher Ereignisse, bei welchem die königlich sich der Adelssitz
Pariser Salon seiner Gattin ein hervorragender preußische Armee sich mit Ruhm bedeckte, jetzt von Dyck in den
Ausgangspunkt, um Verbindungen in die franzö- das Glück, in Eurer Majestät ihren König und Lan- Jahren 1656 bis
1667 in ein reprä-
sische Politik, in die Verwaltung und ins Militär desvater zu verehren.«
sentatives Schloss
zu knüpfen. Er engagierte sich auch bei den Frei- Auf heutige Menschen mag Josephs Verhalten (Postkarte aus dem
maurern und in Jagdvereinigungen. anbiedernd und opportunistisch wirken. Doch er 20. Jahrhundert).
selbst wird es als schlüssig und notwendig betrach-
Josephs Stellung schien wieder gesichert: Er tet haben. Zu seiner Zeit gab es noch kein Natio-
verkehrte in höchsten Kreisen, war angesehen und nalbewusstsein, man gehörte noch nicht zu einem
hatte sogar direkten Kontakt zum Kaiser. Doch Staat, sondern man war Untertan eines Herrn –
dann wurde Napoleon im Juni 1815 in Waterloo und der konnte eben wechseln.
von englischen und preußischen Truppen vernich- Für Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck zählte
tend geschlagen. Das französische Herrschafts- deshalb nicht so sehr, ob er einem deutschen oder
system in Europa zerbrach – und mit ihm der Sta- französischen Kaiser oder einem preußischen Kö-
tus in der französischen Gesellschaft, den Joseph nig unterstand, für ihn war vielmehr entscheidend,
sich erarbeitet hatte. wie er sein gesellschaftliches Ansehen, seine Macht
Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde das und seine Güter durch die Umwälzungen der Zei-
Rheinland und mit ihm die Grafschaft Dyck dem ten retten konnte. Seine Frau Constance schildert »… das Glück,
Königreich Preußen zugeschlagen. Erneut drehte diese Einstellung in einem Brief im Jahr 1814 ein-
sich Josephs Schicksal: Aus dem in Frankreich bes- drücklich: »... wende ich mich doch denen zu, bei
in Eurer
tens vernetzten »Comte« wurde plötzlich wieder denen ich bin; weil nun einmal alles so ist, wie es Majestät
ein unbedeutender rheinischer Gutsherr, der zu- ist. Ich folge den Bewegungen der Königreiche, ihren König
nächst kaum Verbindungen in die höhere preußi- Imperien und ihren Regenten, wie man einer Par- und Landes-
sche Gesellschaft hatte – und zudem in ungünstiger tie Schach folgt.«
Randlage angesiedelt war. Sofort setzte Joseph Nun war sein Herr eben der preußische König. vater zu
eine Ergebenheitsadresse an seinen neuen Herrn, Und diesem gegenüber versuchte Joseph, seine In- verehren«.
66 FRANZÖSISCH E REVOLUTION
KA PE T I N G E R & B O U R B O N E N
Die Kapetinger mit ihrer Nebenlinie Bourbon sind Europas
zweitältestes Adelshaus. Kaum ein Thron, auf dem
sie nicht einst saßen – und auf zweien sitzen sie noch heute.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Hedwig von Anjou, 1373 bis 1399. Erb- Philippe I. de Bourbon, Duc d’Or -
987 streitigkeiten spülten sie auf den polnischen
Thron – unter der Auflage, den litauischen
léans, 1640 bis 1701, war am französischen
Hof Teil der homosexuellen Bruderschaft
Großfürsten Jogaila zu heiraten. Der musste »Confrérie d’italianisants«. Doch als Vor-
dafür Christ werden, und mit ihm alle Litau- reiter der LGBT-Emanzipation taugt er
S TA M M S I T Z er. Hedwigs Verdienst, fand Papst Johannes damit nicht: Einen unwilligen Knaben ließ
Paul II. und sprach sie heilig. Das dafür nöti- er angeblich beseitigen. So wie möglicher-
Paris
ge Wunder: Den Auftrag zur Jogaila-Heirat weise auch seine erste Frau, die vergiftet
habe sie von einem leuchtenden, sprechen- worden sein soll. [4]
den Kruzifix bekommen. [1]
S TA M M L A N D E Kaum weniger grenzwertig trieben es sein
Ludwig XIV., 1638 bis 1715. Frankreichs Sohn Philippe II. und seine Enkelin
Westfranken,
»Sonnenkönig« strahlte zumindest als Proto- Marie Louise Élisabeth [5], 1695 bis
das spätere
typ des absolutistischen Herrschers (»Der 1719. Legendär wurden ihre Orgien, bei
Frankreich
Staat bin ich«): Kunst, Architektur und Wis- denen sich Vater und Tochter vergnügten:
senschaft fördernd, wirkte er stilbildend und Voltaire sagte ihnen Inzest nach, was ihn
zeitprägend – und war lebendes Modell eines zeitweilig in Haft brachte. Gerade 24-jährig,
HÖCHSTE schwelgerisch-parasitischen, höchst artifiziel- kollabierte Marie bei einem Gelage und
ÄMTER len Lebensstils. Ludwig war durch und durch starb. Als erster Bourbonin verweigerte man
[GESCH ICHTE]
»barock«, ein dem normalen Leben komplett ihr die Trauerrede – angeblich, weil es nichts
entrücktes Kunstwesen. [2] Gutes zu sagen gab.
Großherzöge,
Könige
BEDEUTENDSTE LEISTUNG G R Ö S S T E R S K A N DA L
und Kaiser
Hugo Capet, circa 940 bis 996, wurde 987 Juan Carlos I., spanischer König von 1975
[ G E G E N WA R T ]
König der Franken und machte den Titel erb- bis 2014, trat nach Affären, Skandalen sowie
lich. Er begründete eine Königslinie, die erst dem Vorwurf der Bestechung, Korruption
König von
1848 endete: Über 861 Jahre waren alle Köni- und Geldwäsche zurück. Seine Erben versu-
Spanien,
ge Frankreichs seine direkten Nachfahren. [3] chen nun, die spanische Monarchie zu retten.
Großherzog von
Luxemburg
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Unter den
Dutzenden
Schlössern [1] [2] [3] [4] [5]
der Sippe
ragen die von
Fontainebleau
und Versailles Bekannte Köpfe heute: Felipe VI. (geboren 1968), König von Spanien, Henri von Nassau, Groß-
heraus. herzog von Luxemburg: Obwohl Nachkomme der Nebenlinie Bourbon-Parma, nennen sich die Groß-
herzöge von Luxemburg seit 1919 »von Luxemburg-Nassau«. Das hat – ähnlich wie bei den Windsors,
die man den Häusern Wettin oder Sachsen-Coburg und Gotha zuordnen kann – politische Gründe.
Ball
1878 malte Adolf Menzel ein »Ballsouper«
(Abendessen mit Tanz) am preußischen
Königshof. Der Besuch solcher Feste gehörte
zu den Verpflichtungen vieler Adeliger.
70 SELBSTZEUGN ISSE
W
ie lebten adelige Frauen low aus altem mecklenburgischen Adel, als daß er sie nicht hätte errathen sollen.
um 1800? Wie sah ihr der ebenfalls eine Diplomatenkarriere Auch war es mein Wunsch nicht, sie
Alltag aus, wie das Fa- einschlug. Als Botschaftergattin lebte ihm zu verbergen, aber mein Herz war
milienleben? Und vor al- Bülow acht Jahre lang in London, wo zu voll, meine Gefühle zu heftig, als
lem: Wie nahmen die Aristokratinnen sie enge Kontakte zum Hochadel und daß ich sie hätte durch Worte ausdrü-
ihr Leben wahr? Waren sie glücklich? sogar ins Königshaus pflegte. Mit ihrem cken können. Er schlang seinen Arm
Und waren sie sich ihrer privilegierten Mann, der nach der Rückkehr nach Ber- um mich, zog mich sanft an seine Brust,
Stellung bewusst? lin preußischer Außenminister wurde, blickte mich zärtlich an u. drückte einen
In Tagebüchern oder Briefen notier- aber schon 1846 starb, bekam sie sieben Kuß auf meine Wangen. So standen wir
ten viele Frauen um diese Zeit Ein- Kinder, als Witwe kümmerte sie sich ein Weilchen. Ich war nicht vermögend,
drücke und Begebenheiten aus ihrem um die Verwaltung der Güter ihrer mehr als abgebrochne Worte zu spre-
Leben: private Details, intime Gedan- Familie. In Briefen an ihren Mann und chen, eine Feuerröthe überflog mein
ken, präzise Beobachtungen ihrer Um- vor allem ihre Schwester Adelheid er- Gesicht, mein Herz schlug dem seinigen
gebung. zählte sie detailliert aus ihrem Leben, entgegen u. ich sank an seinen Busen.
Freifrau Caroline von Lindenfels das 1887 endete. Endlich blickte er mich noch einmal an
etwa, geboren als Caroline von Flotow Es sind drei Frauen mit drei unter- u. sagte: Darf ich sie nun meine liebe
1774 in Arzberg in der Markgrafschaft schiedlichen Schicksalen und Biogra- Caroline nennen? Ein Kuß war meine
Bayreuth. Ihr Vater war Leutnant im fien, aber sie alle schrieben ihr Leben Antwort. Wir umarmten uns von neu-
preußischen Regiment, ihr Ehemann und ihre Gedanken so nieder, dass sie em u. der Bund unsrer Herzen war ge-
Friedrich (»Fritz«) von Lindenfels ein heutigen Lesern ermöglichen, in die schloßen.«
entfernter Vetter. Die beiden bekamen adelige Welt von damals einzutauchen. Caroline von Lindenfels über die erste
zehn Kinder, bewirtschafteten verschie- Begegnung mit Friedrich von Lindenfels,
dene Güter und schließlich den Stamm- nachdem sie in eine Ehe mit ihm eingewilligt
hatte, 23. März 1796
sitz der Familie Lindenfels in Thumsen- Über die Liebe:
reuth. Neben ihren Aufgaben als Guts-
herrin – sie leitete die Bediensteten an »O! Gott! er liebt mich. Er liebt mich
und half auch beim Schlachten und wirklich! Wie glücklich bin ich! Ein un- »Es ist so entsetzlich unsinnlich daß ich
Kerzenziehen – unterrichtete sie ihre aussprechlich süßes Gefühl durchdringt in letzter Zeit gar nicht in mein Journal
Kinder, pflegte Kontakte zu Verwand- mein(e) Brust, ich möchte der ganzen schrieb. Allein wir brachten den Mor-
ten und anderen adeligen Familien und Welt laut zurufen: Ich bin glücklich, gen immer an tausend Geschäften und
erfüllte ihre gesellschaftlichen Verpflich- denn Lindenfels liebt mich, ist mein! Besuchen zu – dann war Nicky viel hier,
tungen. Seit ihrem 16. Lebensjahr führ- mein auf ewig! Ich hatte die Nacht ziem- so daß ich auch zu nichts kam. Wir aßen
te Caroline – mit Unterbrechungen – lich unruhig zugebracht, stand also be- immer bei Louis Karoly, einmal bei Stef-
Tagebuch, sie starb 1850. zeiten auf, kleidete mich an u. ginng fy Karoly … bei Esterhazy … – Montag
Oder Maria Gräfin von Esterházy- mit Luisen ins Eßzimmer. Hier entdeck- war ein großes Diner, eine Art von
Galantha-Forchtenstein: Sie wurde te ich ihr die Ursache meiner Unruhe Verlobung – am Tage nach unserer
1809 als Reichsgräfin Maria Plettenberg- u. wurde durch ihre Versicherung, daß Ankunft erhielt ich viele Geschenke …
Mietingen zu Nordkirchen geboren; da ihr Bruder aus eigner, freier Wahl und am 20t schenkte Nicky mir ein sehr
ihr Bruder gestorben war, wurde sie zur ohne die geringste Überredung, blos schönes Brautlet das mich sehr freute.«
Alleinerbin des Familienbesitzes. Als mit Zustimmung seiner Eltern, um mei- Maria Gräfin von Esterházy-Galantha-F.
Kind lebte sie im Westfälischen, als Ju- ne Hand gebeten hätte, sehr erheitert über ihre Verlobung, 18. Dezember 1832
gendliche in Ungarn und Österreich. … Nach dem Frühstücke gingen wir
1833 vermählte sie sich mit dem ungari- in die Kirche … Nun kleidete ich mich
schen Grafen Nikolaus (»Nicky«) Paul an und ginng ins Zimmer der Frau v. »Seitdem ich Dir das letzte Mal schrieb,
Esterházy von Galantha, Erbgraf zu Lindenfels, wo ich die übrigen Mäd- hat sich soviel zugetragen, mein ganzes
Forchtenstein, der als Kämmerer und chens u. auch meinen Fritz fand. Es künftiges Schicksal hat sich entschieden,
Reichsrat am kaiserlichen Hof in Wien wurde Clavier gespielt, gesungen u. ge- ich bin versprochen, mit Bülow, ach,
tätig war. Mit ihm und den drei Söhnen plaudert, mir wurde dieß aber doch zu- und bin so glücklich, so unaussprechlich
(Paul, Maximilian, Nicolas) lebte sie in lezt ein wenig lästig, weil ich in Fritzens glücklich. Du glaubst nicht, was es für
Nordkirchen und Wien vom Ertrag ihrer Blick den Wunsch zu lesen glaubte, ein lieber, guter, edler Mensch ist und
Güter, unter anderem in Württemberg. mich allein sprechen zu können. End- wie ich an ihm mit so ganzer Seele hän-
Die Palastdame der Kaiserin verfasste lich waren wir allein. Er faßte meine ge und ewig hängen werde … Doch
zwölf Tagebücher mit insgesamt 3308 Hand, drückte sie sanft an seinen Mund lieb hab’ ich meinen Bülow seit dem
Seiten, bevor sie 1861 starb. u. fragte: ob ich ihm wohl ein wenig gut ersten Augenblick, wo ich ihn sah, ge-
Freifrau Gabriele von Bülow, Toch- seyn könnte? Ich schwieg, blickte ihn habt und im tiefsten Herzen gefühlt,
ter des Botschafters und Staatsministers an, eröthete u. schlug die Augen nieder, daß nur er mich ganz glücklich machen
Wilhelm von Humboldt, wurde 1802 in aber mein Händedruck u. das laute könnte. Der Allmächtige weiß, wie ich
Berlin geboren. 1821 heiratete sie den klopfen meines Herzens waren zu deut- ganz von Dankbarkeit durchdrungen
Sekretär ihres Vaters, Heinrich von Bü- liche Verräther meiner Empfindungen, bin, daß ich so ganz die Befriedigung
72 SELBSTZEUGN ISSE
Zimmern – Max und ich setzten bis ½
»Gegen Abend wanderten wir nach »Wenn man einmal sich ans Wohnen in 8 Uhr die BillardParthie fort – dann las
Hause, kamen daselbst aber sehr spät verschiedenen Etagen gewöhnt hat, so Max mir eine ½ Stunde abwechslnd
an, weil wir die Kinder tragen mußten, sind die Komforts und Bequemlichkei- Englisch, Deutsch, Französisch vor. …
denn auch Mariane hatte sich in Rosen- ten eines solchen englischen Hauses um 8 ¼ kam der Thee, und unser tägli-
hof mit den Kindern der Hirschberg so groß, wie die der ganzen häuslichen cher AbendGast der Verwalter Mors-
herum getummelt, daß sie jetzt wenig Einrichtung … So folge ich also allen bach. Die Post kam auch gegen 8 Uhr
Lust zum Laufen bezeigte. Linchen hiesigen Gebräuchen und werde da- es wurde etwas Politik gelesen aber
trank während dem gehen u. schlief durch heimisch in der Fremde, ohne da- mehr noch geplaudert. … Zuweilen
endlich an meiner Brust ein.« rum der Heimath fremd oder noch viel machten wir Abends eine kleine Lot-
Caroline von Lindenfels, 10. Juni 1801 weniger hochmüthig u.s.w. zu werden. terie.«
Meine dereinigste, hoffentlich deutsche Maria Gräfin von Esterházy-Galantha-F.
Dienerschaft soll sich, hoffe ich, künftig über ihren Tagesablauf im Winter,
darüber nicht zu beschweren haben. Ich 22. März 1855
»… So ist die Bibliothek aus einem würde es hier ebensowenig wie dort un-
traurigen verlassenen Raum allmählich ter meine Würde halten, ein menschlich
unser Aller Lieblings Aufenthalt gewor- Wort mit meinem Küchenmädchen … »Um fünf waren wir wieder zu Hause,
den – Jeder Abend vereinigt uns dort – zu sprechen, aber ich muß es gut finden, die Herzogin nahm mich dann wieder
wir kommen gegen ½ 7 Uhr dort zu- daß ich keine Gelegenheit dazu habe in ihre Stube. Wir könnten noch ein
sammen und blieben bis zum Schlafen- dadurch, daß sie die oberen Regionen Stündchen nähen, meinte sie. Daraus
gehen – Seitdem Herbste, sind neue des Hauses nicht zu betreten hat.« wurde aber eine kleine Schulstunde für
Schränke in einem Raum angebracht – Gabriele von Bülow aus London an ihre mich. Ich bewunderte eine Stickerei in
Fenster und Thüre haben Gardinen – Schwester, 1. Juli 1830 bunter Wolle, die sie zu einem Kleid-
Die Nebenstehende Zeichnung zeigt chen für die kleine Prinzeß Viktoria so-
die Art, wie wir den Raum bewohnen eben vollendet, gleich wollte sie sie mich
– a sind 4 Schränke – b großer Tisch »Wir brachten den Winter Gottdank lehren, und that das nicht allein, sondern
– c das Clavier – d ein Canapé – e Fau- recht froh, still und sehr heimlich hier gab mir gleich den ganzen Rest ihrer Ar-
teuils – f Stühle – g ein Spieltisch – h der zu! Im November verließen wir die Bi- beit nebst der Wolle u.s.w. mit, so daß
Gesellschafts-Tisch – i ein Schreibtisch bliothek und etablirten uns Abends im ich die Kinder sehr beglücken werde mit
– K mein Platz – L Nickys Platz SüdSalon – Unsere TagesEintheilung der Hoffnung auf den Besitz gleicher
– M Mäxchens Platz – N Nicolas Platz ward verändert – Wir frühstückten um Kleider wie Prinzeß Viktoria. Es ist eine
– O des Verwalters Morsbach unser 9 Uhr – hatten um 12 Uhr unser Dejeu- gute Arbeit, aber ich will sie wirklich un-
täglicher Abend Gast – P der Englän- ner á la Fourchette – um ½ 6 Uhr di- ternehmen, schon in Erinnerung an die
derin Miss Georgina Barry (Englisch- nirten wir – dann gingen wir ins Billard Herzogin. Wenn sie nur keine Herzogin
lehrerin) – Q Lampen – R Thee Service Zimmer, wo der Abbe (Erzieher der wäre! Das sage ich so oft, wenn mir in
– S Spanische Wand – T Spielsachen Kinder) mit 4 spielte – es war recht ani- ihrem Umgang so wohl wird, den ich
der Kinder – U Kindertisch – V Ofen.« miert, um 7 Uhr hatte Nicolas bis 8 Uhr dann doch noch mehr genießen könnte.
Maria Gräfin von Esterházy-Galantha-F., eine Violin Stunde mit König auf dem Und doch ist es wieder so erfreulich, daß
25. Februar 1850 sogenannten Spielgange vor unseren sie als eine so Hochgestellte so ist, wie
sie ist.«
Gabriele von Bülow aus England an ihre
Schwester, 5. April 1830
Schnelles Woher stammt der Ausdruck
Wissen
»Adel verpflichtet«? »Übrigens ist jezt der Unterricht der
Es ist einem cineastisch interessierten Publikum nahezu unmöglich, bei dem Sprich- Kinder, so weit ich es vermag, meine
wort »Adel verpflichtet« nicht an den wandlungsfähigen Alec Guinness zu denken, Hauptbeschäftigung. Vormittags haben
der in dieser schwarzen Komödie aus dem Jahr 1949 gleich acht Rollen spielte. Der wir abwechselnd Geographie, Religion,
Filmtitel hat aber einen älteren Ursprung, denn es ist die Übersetzung des franzö- Geschichte, Teutsch u. französisch le-
sischen Sprichworts »noblesse oblige«. Das findet sich 1808 in den »Maximen und sen, auswendig lernen. Nachmittags
Reflexionen« von Pierre Marc Gaston Duc de Lévis, später auch in dem Balzac-Roman schreiben, rechnen, um welches sich
»Le Lys dans la Vallée«. Es handelt sich um einen Spruch aus der Zeit nach der Franzö- vorzüglich mein Mann annimmt, wenn
sischen Revolution, als der Adel sich herausgefordert sah und durch solchen Verweis er Zeit hat. Abends list Marianne etwas
auf die moralische und tugendhafte Implikation des Standes eine Rechtfertigung aus der Geschichte, der Erdbeschrei-
versuchte. Vor der Revolution war Adel einfach von Gott gegeben, aber in einer zu- bung pp vor, dann die beiden Kleinen
nehmend aufgeklärten und säkularen Gesellschaft wurden Fragen und Ansprüche laut, abwechselnd aus einem nützlichen und
die mit dieser Formel teils abgewehrt, teils verstärkt wurden. Der Schriftsteller unterhaltenden Buche, z.B. Campens
Valery Larbaud erkannte in dem Ausdruck eine tiefe Wahrheit über den französischen Robinson pp.«
Adel: »Der verpflichtet andere und macht selbst nichts.« Caroline von Lindenfels, 29. Januar 1814
74 SELBSTZEUGN ISSE
Diplomatengattin
Gabriele von Bülow führte zeitweise eine Fernbeziehung mit ihrem Mann zwischen
London und Berlin (Gemälde von Friedrich Wilhelm Herdt, 1826).
76 SELBSTZEUGN ISSE
DIE WELFEN
Das älteste Adelshaus Europas übte lange Zeit Macht aus,
ohne in erster Reihe zu stehen. Noch heute aber
gehören die Welfen zu Deutschlands reichsten Familien.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Heinrich der Löwe, 1129 bis 1195. Erst Caroline von Braunschweig, 1761 bis 1821.
819 engster Verbündeter, am Ende Gegner
Friedrich Barbarossas, verlegte der Herzog
Gilt als Skandalnudel des Geschlechtes, weil
sie ihrem Gatten und Cousin mehrfach Hör-
das Machtzentrum der Welfen von Süd- ner aufsetzte. Der aber, Georg IV., König von
deutschland nach Braunschweig – ein Wen- England, war der wahre Missetäter: Schon der
S TA M M S I T Z depunkt in der Geschichte der Familie. Eheschluss war Bigamie, weil er sich vorher
Was er als Kriegsherr gewonnen hatte, verlor anderweitig heimlich hatte trauen lassen. [3]
Ravensburg
er auch wieder, doch große Teile gingen
später an die Familie zurück. Die war fürder- Ernst August, 1887 bis 1953. Eine ZDF-
hin eine Macht unter den Mächtigen. [1] Dokumentation erhob 2014 schwere Vorwür-
S TA M M L A N D E fe gegen ihn: Er habe in der NS-Zeit von der
Victoria von England, 1819 bis 1901, war Enteignung jüdischer Bürger profitiert und
Schwaben, später
die letzte Welfin auf Englands Thron. Nach KZ-Häftlinge in familieneigener Rüstungs-
Braunschweig
ihr benannte man im Englischen die imperia- firma für sich arbeiten lassen. Urenkel Erb-
le Blütezeit Großbritanniens und eine die prinz Ernst-August ließ prüfen und musste
Welt verändernde Epoche. Ihre enorm zahl- die Vorwürfe bestätigen: Der Welfen-Fürst
HÖCHSTE reiche Nachkommenschaft (9 Kinder, 42 En- habe finanzielle Vorteile gesucht. [4]
ÄMTER kel, 87 Urenkel) machte sie zur »Großmutter
[GESCH ICHTE]
Europas«: Kaum ein Adelshaus, das Victoria G R Ö S S T E R S K A N DA L
heute nicht in seiner Ahnenreihe führt. [2]
Römisch-
Ernst August, geboren 1954, verschaffte
deutscher Kaiser,
BEDEUTENDSTE LEISTUNG sich durch Tritte und Schläge mit und ohne
König von
Regenschirm einen Ruf als »Sid Vicious
Großbritannien
Den Welfen gelang es, quasi aus der zweiten der Aristokratie« (Song »Ernst August« von
Reihe heraus, über mehr als tausend Jahre »Terrorgruppe«) und den Spottnamen
[ G E G E N WA R T ]
Strippenzieher in Europa zu bleiben. Eine »Prügelprinz«. Noch mehr Spott erfuhr er
über längere Zeit gekrönte Dynastie wurden aber auf der Weltausstellung 2000: Da beob-
keine
sie erst, als 1714 bis 1901 die englische Krone achtete man ihn, als er gegen den türkischen
an die Nebenlinie Haus Hannover fiel. Pavillon urinierte. [5]
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Schloss
Herrenhausen
bei Hannover
ist für seine
Gärten bekannt,
Schloss [1] [2] [3] [4] [5]
Marienburg
diente auch
schon als
Filmkulisse. Bekannte Köpfe heute: Ernst August von Hannover, geboren 1983. Verwaltet seit 2004 die Liegen-
schaften der Welfen und restauriert den zuletzt leicht lädierten Ruf des Hauses. Gilt schon jetzt
als Erneuerer, der die Welfen auf die Höhe der Zeit bringt. Beim eigenen Nachwuchs brach er die
Ernst-August-Tradition seiner Linie: der erste Sohn heißt Welf-August. Nach Graf Welf I., um 819.
78 ENGLAN D
Von Patrick Spät
D
er englische Landadelige Charles Ha- die potenziellen Dekorationseinsiedler boten ihre
milton suchte 1763 für seinen Painshill Dienste an. Am 11. Januar 1810 erschien beispiels-
Park das ultimative Gimmick. Der 80 weise in der Zeitung »The Courier« folgende An-
Hektar große Landschaftsgarten süd- zeige: »Ein junger Mann, der sich aus der Welt zu-
westlich von London war einer der ersten seiner rückziehen und als Eremit an einem angenehmen
Art und avancierte schnell zum Vorbild für viele Plätzchen in England leben möchte, ist bereit, sich
Anlagen in Europa: Ein künstlicher See, neogoti- von jedwedem Ehrenmann anheuern zu lassen,
sche Zierbauten und prachtvolle Bäume machten der einen Eremiten begehrt.«
den Park zum »begehbaren Landschaftsgemälde«. Die englischen Landschaftsgärten entstanden
Doch der Eremitage fehlte für den Geschmack damals als Gegenpol zu den verschmutzten und
ihres Besitzers der letzte Farbtupfer. Kurzerhand lebensfeindlichen Städten der industriellen Revo-
veröffentlichte Hamilton eine Zeitungsannonce lution. Als Ideal galt nun die befreite und dennoch
und bot 700 Pfund für jenen, der bereit war, »sie- beherrschbare Natur. Fast jeder Park hatte eine
ben Jahre in der Eremitage zu bleiben, wo er ver- Eremitage, einen verwunschenen Rückzugsort in
sorgt wird mit einer Bibel, einer Brille, einer Fuß- Form einer einfachen Grotte oder Hütte, wo man
matte, einem Strohsack als Kissen, einer Sanduhr entspannen und nachdenken konnte. Die ersten
als Zeitmesser, Trinkwasser und Essen aus dem Eremitagen waren als Stillleben komponiert: Sie
Haus. Er muss ein wollenes Gewand tragen und sollten so aussehen, als ob dort jemand hauste.
darf sich unter gar keinen Umständen die Haare, Erst später gingen einige Adelige dazu über, nach
den Bart oder die Nägel schneiden. Er darf nicht Bewohnern zu suchen.
jenseits der Parkgrenzen herumstreunen oder auch
nur ein Wort mit dem Diener wechseln.« Denn echten Eremiten konnte man in England
Kost und Logis waren frei, doch die 700 Pfund zu dieser Zeit kaum noch begegnen: Im Jahr 1534
sollten erst nach Vertragserfüllung gezahlt werden. hatte sich die anglikanische Kirche von Rom los-
Die hohe Summe lockte: Hamilton fand einen ge- gelöst, woraufhin die katholischen Mönche ihre
wissen Mister Remington, der ins eigens gebaute Orden und Klöster verließen, die nunmehr zer-
Baumhaus einziehen wollte. Doch nach nur drei stört, für weltliche Zwecke verwendet oder schlicht
Wochen wurde Remington gefeuert, nachdem man dem Verfall überlassen wurden. Doch schon bald
ihn beim Biertrinken im örtlichen Pub und oben- wieder sehnten sich viele Menschen nach asketisch
drein beim Techtelmechtel mit der Milchmagd er- lebenden Einsiedlermönchen und romantisierten
wischt hatte. die mit Efeu umrankten Klosterruinen – auch die
So kurios das Zeitungsinserat klingen mag: Von Parkbesitzer wollten dieses Verlangen stillen.
Exzentrik, Prunk- und Geltungssucht getrieben, Deshalb veranstalteten manche Fürsten Rollen-
heuerte der englische Adel während der Georgia- spiele, bei denen sie sich als Eremiten verkleideten
nischen Epoche von 1714 bis 1830 tatsächlich so- und durch ihre Gärten lustwandelten, um dann
genannte Schmuckeremiten (»ornamental her- zum Abendessen wieder das Schloss aufzusuchen.
mits«) an. Inspiriert von der Philosophie Jean- Europaweit bekannt waren die Rollenspiele des
Jacques Rousseaus und Erzählungen wie Daniel Markgrafen Georg Wilhelm und seines Hofstaats
Defoes »Robinson Crusoe« (1719), wünschten sich in der 1715 erbauten Eremitage zu Bayreuth. Ähn-
viele Parkbesitzer einen »edlen Wilden« mit ver- liche Spiele sollen Herzog Carl August und Johann
Ziermönch
Ende des 18. Jahr-
zotteltem Bart, wallendem Haar und abgerissenen Wolfgang von Goethe im Borkenhäuschen des
hunderts schwappte Klamotten, der durch ihr begehbares Gesamt- Weimarer Ilmparks inszeniert haben.
die Eremitenmode kunstwerk lustwandelte. Die Befindlichkeiten der Oberschicht haben das
aus England herü- Die Annoncen dieser Zeit ähnelten sich. So Bild der Parks entscheidend geprägt. »Die ›Grand
ber. Der Hamburger
suchte 1797 auch der exzentrische Bankierssohn Tour‹, also die Bildungsreise, war für Adelige
Kaufmann Caspar
Voght unterhielt auf Joseph Pocklington einen Schmuckeremiten für damals fast obligatorisch. Zurück in der Heimat,
seinem Landgut sieben Jahre, »während derer er mit niemandem versuchten sie, in ihren Gärten die ganze Welt
in Flottbek mehrere reden und sich unter gar keinen Umständen wa- abzubilden«, erklärt Antonio Lucci, Kulturwissen-
Eremitagen (Johann
schen darf«. Seine Haare und Nägel sollen »so schaftler an der Berliner Humboldt-Universität.
Baptist Schmitt:
»Der Eremit in lange wachsen, wie es die Natur ihnen erlaube«. »Deshalb findet man dort chinesische Pavillons,
Flottbek«, 1795). Doch nicht nur die Oberschicht inserierte, auch türkische Zelte, griechische Statuen, nordameri-
kanische Nadelhölzer und sogar norwegische Ren- trales Motiv der Schmuckeremiten. Die »positive
tiere. Die Schmuckeremiten vervollständigen die- Traurigkeit« war bei den Gutbetuchten durchaus
ses akribisch geplante Ensemble.« angesagt, denn nach damaligem Verständnis zeug-
Im April 1830 berichtete das »Blackwood’s te sie von charakterlicher Tiefe. Der britische His-
Edinburgh Magazine« von einem barfüßigen Ere- toriker Gordon Campbell hat mit »The Hermit in
miten, der diese Tätigkeit 14 Jahre lang bei Sir the Garden. From Imperial Rome to Ornamental
Richard Hill in der Grafschaft Shropshire ausgeübt Gnome« das bislang umfassendste Buch zum
haben soll und dabei »in einer Höhle saß, die sich Thema verfasst. Er beschreibt die Parkbesitzer als
auf dem Grundstück des ehrenwerten Adligen be- »viel beschäftigte CEOs, die sich dazu entschieden
fand. Er hielt, von Sonnenaufgang bis Sonnenun- haben, die besinnliche Seite ihrer Persönlichkeit
tergang, eine Sanduhr in der Hand und trug einen outzusourcen«.
Bart, der zuvor einer alten Ziege gehörte hatte«. Der Trend, sich einen Schmuckeremiten zu leis-
Dabei war es ihm verboten, Geld von Besuchern ten, fand um 1760 seinen Höhepunkt. Nachdem
anzunehmen. England 1833 den »Slavery Abolition Act« verab-
schiedet und alle Sklaven im britischen Kolonial-
Die englischen Parks waren der breiten Öffent- reich zu freien Menschen erklärt hatte, galt auch
lichkeit zwar zugänglich, wurden allerdings »nur die Anstellung eines Schmuckeremiten zuneh-
dann für Besucher geöffnet, wenn der Parkbesitzer mend als anrüchig. Viele Parkbesitzer, die keinen
persönlich vor Ort war. Man wollte seine Macht Einsiedler haben wollten oder sich keinen leisten
zur Schau stellen«, sagt Antonio Lucci. »Und konnten, gingen dazu über, stattdessen steinerne
schon das Wort ›Schmuckeremit‹ zeigt, dass es Statuen oder hölzerne Puppen in der Eremitage
sich um etwas Wertvolles handelt, mit dem man zu platzieren. Bei manchen handelte es sich um
sich selbst verzieren möchte.« Der Andrang auf ausgeklügelte Automaten, die in ihren Bewe-
die Eremiten war dermaßen groß, dass Richard gungen einen lesenden oder trinkenden Eremiten
Hill sogar einen Pub eröffnete, um die Besucher- imitierten.
massen zu versorgen. Ein zeitgenössischer Be- Auch Richard Hill stieg in seinem Park in der
sucher schilderte die Szenerie in Hills Hawkstone Grafschaft Shropshire schließlich auf einen künst-
Park so: »Man zieht an der Türglocke und bittet lichen Eremiten um. Doch an die Faszination der
um Einlass. Der Eremit befindet sich für gewöhn- echten falschen Eremiten kamen die Puppen nicht
lich in einer sitzenden Haltung, vor ihm ein Tisch, heran. Der Adlige Sir Richard Colt Hoare, selbst
auf dem sich ein Totenschädel, eine Sanduhr, ein Besitzer und Gestalter eines prächtigen Parks, war
Buch und eine Brille befinden.« bei seinem Besuch in Hills Park not amused: »Das
Neben Bildung (Buch, Brille) und Vergänglich- Gesicht ist kreatürlich genug, aber die Figur wirkt
keit (Schädel, Sanduhr) ist Melancholie ein zen- steif und unförmig.«
80 ENGLAN D
SAC H S E N-C O B U RG-G O T H A
Prinz Albert heiratete 1840 Königin Victoria, und ihre Ehe
war fruchtbar: Von England aus vermählte sich
das Haus Sachsen-Coburg und Gotha quer durch Europa.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Ernst II., 1818 bis 1893. Ein aufgeklärter Luise, 1800 bis 1831. Hatte das Pech, mit
1826 Förderer des liberalen Bürgertums: Als einzi-
ger Landesfürst nahm der Sachsen-Coburger
Ernst I. (siehe u.) verheiratet zu werden.
Rebellierte gegen dessen Affären und zahlte
die 1848 formulierten Bürger-Grundrechte in es ihm mit gleicher Münze heim, doch sie
seine Gesetze auf und schrieb Konzepte für wurde verstoßen und zur »Schand-Luise«
S TA M M S I T Z einen deutschen Bundesstaat. Kaiser Wil- abgewertet. 1826 geschieden, heiratete sie
helm I. würdigte ihn als einen der Architek- noch im gleichen Jahr ihren Liebhaber und
Veste Coburg,
ten der Reichsgründung 1871. [1] erfuhr ein spätes, kurzes Glück. [4]
Schloss
Callenberg
Alexandrine von Baden, 1820 bis 1904. Carl Eduard, 1884 bis 1954. Unterstützte
Ehefrau von Ernst II.: Er reformierte auf poli- den Kapp-Putsch, engagierte sich in diversen
tischer Ebene, sie auf sozialer. Gründete Stif- Freikorps und antisemitischen Terrortruppen.
S TA M M L A N D E tungen und unterstützte mit Geld, was ihr Von 1929 an in der NSDAP, besetzte der
wichtig erschien, etwa ein Mädchen-Gymna- Hitler-Verehrer bald diverse Ämter: in
Sachsen-Coburg
sium. Als sie starb, hinterließ sie der Gemein- der SS, der SA, im Nationalsozialistischen
de Coburg über 600 000 Mark »zum Wohl Fliegerkorps. Bekam nach dem Krieg gegen
des Volkes«. Die Stadt errichtete unter ande- Zahlung von 5000 Mark einen »Persil-
HÖCHSTE rem ein Volksbad – und ihr ein Denkmal. [2] schein«. Ist der Familie heute noch peinlich.
ÄMTER
[GESCH ICHTE] BEDEUTENDSTE LEISTUNG G R Ö S S T E R S K A N DA L
Könige, Zaren
Als Simeon II. war Simeon Sakskoburg- Die Griechin Pauline Alexandre Panam
und ein
gotski von 1943 bis 1946 letzter Zar von Bul- lernte im zarten Alter von 14 Jahren Ernst I.,
Premierminister
garien. Die sowjetische Besatzung trieb ihn 1784 bis 1844, so intensiv kennen, dass sie
[ G E G E N WA R T ] ins Exil, aus dem er 1996 zurückkehrte. 2001 mit 16 Mutter wurde und ihn damit erpresste.
gründete er eine Partei, mit der er zehn Wo- Ernst zahlte mit seinem Ansehen: Ihre
Monarchen
chen später Premierminister von Bulgarien »Memoiren einer jungen griechischen
in Belgien
wurde – der einzige Monarch, der in Europa Dame« erschienen 1823 – zum hämischen
und England
je per Wahl wieder an die Macht kam. [3] Vergnügen des europäischen Hochadels.
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Sieben
Residenzen
werden heute
noch genutzt,
[1] [2] [3] [4] [5]
darunter der
Königspalast
Brüssel und
die britischen Bekannte Köpfe heute: Philippe König von Belgien [5], Königin Elizabeth II. Deren Familie
Königspaläste. nennt sich seit 1917 Windsor, weil ihr die Verbindung zu Deutschland peinlich wurde. Mit
Elizabeth wird die Linie in England erlöschen: Ihre Nachkommen gehören zum Haus Schleswig-
Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Auch sie bleiben per Namensänderung aber Windsors.
Aufstieg
verwehrt Von Nils Minkmar
D
as faszinierende Thema der in den Adelsstand
erhobenen Juden erweist sich als geschichtswis-
senschaftliches Kaleidoskop – je nach Situation,
Stand der Sonne und betrachtetem Ausschnitt ver-
mag jede und jeder etwas anderes darin zu erkennen. Der
erste Überraschungseffekt stellt sich schon gleich bei der
Frage nach jüdischem Adel ein, denn die Welt des Adels und
jene der Juden erscheinen weit voneinander entfernt. Kon-
servative Adelsfamilien betonten gern ihre christliche Genea-
logie und spezifische Autonomie. Soziale Mobilität, Offenheit
für andere Religionen und Kulturen sind in diesen Kreisen
nicht von großem Wert, alles dreht sich um Tradition und
Kontinuität.
Zwei Wege führten in den Adel: Einmal der Militärdienst
oder die Organisation militärischer Dienstleistungen – diese
Diplomat Option war Juden traditionell verwehrt, sie konnten kein Of-
Der Nahostexperte
fizierspatent erwerben, solche Titel nicht erben oder dazu
Max von Oppen-
heim (3. v. l.) po- berufen werden. Der andere Weg war der Besitz von Grund
siert mit dem deut- und Boden – Herrschaft ging mit einem Adelsprädikat einher.
schen Botschafter Man konnte erben, einheiraten oder wurde vom Monarchen
Johann Heinrich
mit Land und Titel bedacht. Nicht so die Juden in der vor-
von Bernstorff (mit
Mantel) 1906 vor modernen Gesellschaft.
der Gesandtschaft Das Thema nobilitierter Juden fällt in eine Phase des his-
in Kairo. torischen Übergangs zwischen traditioneller und moderner
M
drangsaliert. All das änderte sich über Nacht. anche Fälle sind eindeutig: Die
Man konnte nun Jude und Citoyen, Staatsbür- Erhebung von Nathaniel de Roth-
ger, sein, mit allen Rechten und Pflichten wie ins- schild in den Adelsstand, der 1885
besondere der Möglichkeit, eine Beamtenkarriere zum ersten Lord jüdischen Glau-
oder die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Militär- bens wurde, galt nicht nur den britischen Juden
dienst wurde national definiert, die Armee galt als als rundum positives Signal. Ganz anders verhält
Schule der Nation, in der das Leistungsprinzip galt. es sich in Preußen. Die Bewertung der dortigen
Höchste militärische Ehren wurden nun durch Ereignisse ist kaum vom Wissen um die weitere
Tüchtigkeit und Tapferkeit verdient. Somit öffnete geschichtliche Entwicklung zu trennen: dem durch
sich einer der Wege in den Adel genau in dem his- die traditionellen preußischen Eliten beförderten
torischen Moment, in dem der Adel insgesamt für Aufstieg des Nationalsozialismus, dem eliminato-
überflüssig erklärt wurde. Diese Entwicklung hatte rischen Antisemitismus und schließlich der Schoa.
auch ihren Preis, denn die Nation wollte keine Den Ton gab der große Historiker Fritz Stern
andere Nation im Inneren dulden, viele jüdische vor. In seinem meisterlichen Buch »Gold und
Bräuche und ihre eigene Gerichtsbarkeit gingen Eisen«, einer Doppelbiografie von Otto von Bis-
verloren. Dennoch machten sich in den folgenden marck und dessen Vertrauten Gerson von Bleich-
Jahrzehnten ambitionierte jüdische Familien aus röder, schildert er den Bankier jüdischer Herkunft
vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas auf nach als, so eine Kapitelüberschrift, »Jude als patrioti-
Paris, wo ein Neubeginn möglich war. scher Parvenü«: Bleichröder sei hungrig nach Ti-
teln gewesen, strebte nach völliger Assimilation.
Doch die Revolution wurde keineswegs überall Dieses kritische Bild des Strebens nach sozialer
begeistert aufgenommen, auch nicht in Frankreich Anerkennung durch Nobilitierung im Kaiserreich,
selbst. In vielen katholischen Kreisen, in weiten das Stern hier zeichnete, überzeugte Leser und
Teilen des Adels und in ländlichen Gebieten sah Historiker so sehr, dass der spezifische historische
man den Umsturz als Übel, das eine gottlose Pöbel- Kontext darüber in den Hintergrund geriet:
herrschaft heraufbeschworen hatte. Errungenschaf- Bleichröder war keine Ausnahme, sondern agierte
ten wie die Erklärung der Menschen- und Bürger- völlig im Einklang mit seinem Milieu und seiner
rechte und die Emanzipation der Juden galten Epoche.
reaktionären Kreisen in ganz Europa als Symbole Der Gang auch der preußischen Geschichte war
der vermeintlich schlechten neuen Zeit. nicht festgeschrieben, moderne und reaktionäre
Und obwohl die Revolution zunächst das Ende Elemente mischten sich. Eine Republik, in der Adel
der adeligen Sonderstellung bedeutet hatte, feierte keine Rolle spielt, der Glaube Privatsache ist und
sie schon bald eine Wiederauferstehung. Napoleon die Funktionseliten nach Kriterien von Leistung
und später die Restauration machten sich an eine und Tüchtigkeit gebildet werden, scheint uns heute
Wiederbelebung des Adels zur Herrschaftssiche- selbstverständlich – damals aber war sie eine radi-
84 KAISERREICH
Dynastie
Der Bankier Na-
thaniel Meyer von
Rothschild, hier
auf dem Wiener
Kostümball 1886 (1),
erbte von seinem
Vater Anselm
Salomon den
österreichischen
Freiherrentitel.
Nathan Mayer Roth-
schild wurde 1822
von Kaiser Franz I.
in den Freiherren-
stand erhoben (2).
Sein Sohn Lionel
musste elf Jahre
lang auf seinen
Sitz im britischen
Parlament warten,
weil er sich wei-
gerte, auf die Bibel
1 zu schwören (3).
Gesellschaftsleben
Eine Kaffeetafel
im Garten der Fami-
lie von Bleichröder
in Heringsdorf
1927 (1). Moritz
Freiherr von Königs-
warter, Mitglied des
österreichischen
Oberhauses, heira-
tete 1860 Charlotte
Edler von Wertheim-
stein (2). Der Unter-
nehmer Moritz von
Hirsch entstammte
einer bayerischen
Bankiersfamilie (3).
2
86 KAISERREICH
kale Utopie, an die kaum jemand glaubte und die urteilt: »Die jüdische Großbourgeoisie und die Mehr-
überdies auch kaum jemand wünschte. heit der jüdischen Millionäre waren besonders assi-
In seinem Buch »Der Kaiser« aus dem Jahre miliert. Sie waren zwar weniger ›feudalisiert‹ als
1919 schildert Walther Rathenau eine Szene in ihre nicht jüdischen Klassengenossen. Ballin, Fürs-
einem Bahnabteil, die er 1909 datiert. Dort hätten tenberg und die Berliner Zeitungszaren zum Bei-
sich einige Großindustrielle so über den Kaiser spiel lehnten die Nobilitierung ab, andere waren
echauffiert, dass sie einer Verfassungsänderung freilich für das Adelsprädikat empfänglich.«
das Wort redeten, um die Macht des Monarchen Einige Jahre später schrieb der Bielefelder Ge-
zu beschränken. Die Idee einer Petition wurde be- schichtsforscher Hans-Ulrich Wehler: »Gar nicht
sprochen, einer Unterschriftenliste, die diesem so selten wurde sogar die angebotene Erhebung
Wunsch in der Öffentlichkeit Nachdruck verleihen in den Adelsrang von millionenschweren deut-
sollte. Doch Rathenau, so jedenfalls seine Darstel- schen Unternehmern selbstbewusst abgelehnt: von
lung, antwortete ihnen: »Sie irren. Keiner würde Carl Fürstenberg und von Max Warburg etwa,
unterschreiben. Die Aussicht auf das Herrenhaus auch von Albert Ballin, Emil Kirdorf, August
und den Adel wäre zu Ende. Die Karriere des Soh- Scherl und anderen.«
nes erledigt, der Verkehr mit Hof und Würdenträ-
D
gern abgeschnitten.« och, so stellt Drewes in seiner 2013 er-
Diese interessengeleitete Nähe auch des preu- schienenen Arbeit fest: Für die Ableh-
ßischen Bürgertums zu Monarchie und Adel wurde nung des Adelsprädikats gibt es keinen
in der Diskussion um den »Deutschen Sonder- Beleg. Trocken bemerkt er: »Wilhel-
weg« – die Frage, ob eine mangelhaft ausgebildete minische Juden, die eine Nobilitierung ablehnten,
bürgerlich-liberale Tradition im Deutschen Reich obwohl sie sogar angeboten worden war, gab es
den Nationalsozialismus begünstigte – zum belas- nicht. Vielmehr überstieg die Nachfrage nach
tenden Argument: Das Bürgertum in Preußen sei Adelstiteln bei Weitem das Angebot.«
eben nicht bürgerlich genug gewesen, sondern Die preußische Monarchie war mit Nobilitie-
habe sich zu sehr an Adel und Militär orientiert. rungen sehr zurückhaltend und schloss sie für nicht
Doch mit der Zeit trat eine andere Betrachtung konvertierte Juden ganz aus. Diese nüchterne
in den Vordergrund. Nun, verstärkt in den Jahren historische Realität erklärt die geringe Zahl geadel-
nach der deutschen Wiedervereinigung, suchten ter Juden in Preußen.
Historiker, wo sich gewissermaßen Reservate des Demgegenüber entfaltet die These vom selbst-
Bürgersinns auch in Preußen ausfindig machen bewussten jüdischen Großbürgertum, das nicht ge-
ließen. Als solche galten zunehmend jene großbür- adelt werden wollte, sehr viel mehr Charme: Hier
gerlichen, vermögenden Juden, die, im Unter- könnte das Vorbild für eine moderne, tolerante
schied zu Bleichröder, nicht nobilitiert wurden. Bürgergesellschaft liegen, eine Tradition, an die
Aus dem Umstand der nicht erfolgten Adelserhe- sich anknüpfen lässt, während man zugleich über
bung wurde also ein kühner Schluss gezogen. Die- die alten Zöpfe des Wilhelminismus spottet. Denn
ses Vorgehen erinnert an den berühmten Fall, in das ist ein nicht zu vernachlässigender Begleit-
dem Sherlock Holmes den Täter überführt, indem effekt dieses Bildes: Ein Kaiser, der es nicht ver-
er untersucht, warum ein Hund nicht gebellt hat. mag, Leute in den Adelsstand zu erheben, weil
die gar nicht wollen, wirkt schon ziemlich armselig.
So wurde aus dem Komplex der geadelten preu- 2003 fasste der Schriftsteller Sten Nadolny in
ßischen Juden ein ganz besonderes, mitunter auch seinem »Ullsteinroman« über das Leben des Ver-
kurioses Thema der Geschichtswissenschaft. Der legers Franz Ullstein das Bild von der Adelsver-
Historiker Kai Drewes hat sich in seiner Studie weigerung noch einmal eindrücklich zusammen:
»Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im »Franz sollte den Wilhelmsorden erhalten – von
Europa des 19. Jahrhunderts« mit den mannigfal- Seiner Majestät persönlich. Womöglich auch ge-
tigen Deutungen dieses Themas beschäftigt. adelt werden, munkelte man lockend. Warum?
Ausgangspunkt seiner Betrachtung sind zwei Wegen der Ullstein-Kriegsbücher, die vom Verlag
seltsam umfassende, dann auch wieder bloß ange- zu Hunderttausenden kostenlos an die Front ge-
deutete Befunde wichtiger deutscher Historiker, gangen waren … Er bat sich Bedenkzeit aus. Aus-
der erste von Thomas Nipperdey. Der hatte ge- gerechnet den Wilhelmsorden! Man hatte ihn
E
s hätte so sein können. Doch für diesen zu richten, sollte man den Alltag der antisemiti-
Vorgang – Majestät bietet an, Unterneh- schen Einstellungen und Praktiken in Preußen im
mer lehnt ab – fehlt jeder Beleg. Warum Blick behalten. Und erkennen, dass die respekt-
auch hätte ein Großbürger des Kaiser- volle Beschreibung einer historischen Gruppe da-
reichs so reagieren sollen? Die Nobilitierung ver- rin besteht, sie in ihrer Zeit zu würdigen.
vielfältigte das symbolische Kapital noch einmal er- Weil die Menschen damals weder das Ende der
heblich. Drewes resümiert: »Orden und Adelstitel Monarchie noch das Ende Preußens oder gar den
kamen gesellschaftlichen Ambitionen ebenso zugu- Weg in den Massenmord an den europäischen Ju-
te wie ihrer Kreditwürdigkeit und Ehre.« Das aller- den vorausahnen konnten, gab es für preußische
dings war keine preußische oder deutsche Beson- Bürger jüdischer Herkunft, von denen viele zum
derheit, sondern ein europäisches Phänomen. In Län- Protestantismus konvertiert waren, schlechter-
dern, in denen mehr und häufiger nobilitiert wurde, dings keinen Grund, die eigene Lebensleistung
etwa in Österreich, waren unter den Neuaristokra- nicht durch einen der seltenen Adelstitel zu krö-
ten auch zahlreiche Personen jüdischer Herkunft. nen. Und durch solchen Ausweis der Tüchtigkeit
Große jüdische Familien wie die Rothschilds und des individuellen Leistungsprinzips die Anti-
kombinierten diverse Traditionen und Distinktio- semiten in Adelskreisen auch kräftig zu ärgern.
88 KAISERREICH
DA S H AU S S AV O Y E N
Könige hat die Sippe erst spät hervorgebracht.
Aber auch ohne gekrönte Häupter gehörte sie lange
zu den einflussreichsten Adelshäusern Europas.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Prinz Eugen von Savoyen, 1663 bis 1736. Karl Emmanuel II., 1634 bis 1675, ließ
1034 Zum europäischen Helden wurde er 1697 als
Oberbefehlshaber des habsburgischen Hee-
1655 ein Massaker an vermeintlich ketze-
rischen Waldensern verüben. Das empörte
res im Großen Türkenkrieg: Mit dem Sieg in Europas Protestanten, Britannien drohte
der Schlacht von Zenta leitete er die Nieder- mit Truppen. Der Herzog gab nach, aber
S TA M M S I T Z lage des Osmanischen Reiches ein – und den nicht auf. Der resultierende Krieg endete
Aufstieg Österreichs zur Großmacht. [1] erst 15 Jahre nach seinem Tod.
Chambéry
Maria Luisa Gabriella von Savoyen, Olympia Mancini, 1639 bis 1708, war
Königin von Spanien 1701 bis 1714. Regierte Mätresse des französischen Königs und Ehe-
S TA M M L A N D E das Land erstmals mit nur 13 Jahren, frau von Eugen Moritz von Savoyen-Cari-
mitten im spanischen Erbfolgekrieg, und gnan, der diese Ehe nicht überlebte. Olympia
Maurienne
das auch noch gut, klug und resolut. In den wurde angeklagt, ihn vergiftet zu haben.
und Savoyen
für Spanien erfolgreichen Friedensverhand- Der Nachweis misslang, trotzdem landete sie
lungen sicherte sie ihrem Mann Philipp V. im Exil. Nach dem plötzlichen Tod der spani-
die Krone. Sie starb mit nur 25 Jahren, schen Königin Marie Louise d’Orléans geriet
HÖCHSTE vom spanischen Volk verehrt. [2] sie erneut als Giftmörderin in Verdacht. [4]
ÄMTER
[GESCH ICHTE]
BEDEUTENDSTE LEISTUNG G R Ö S S T E R S K A N DA L
Könige
Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es den Der 1937 geborene italienische Kronprinz
von Sizilien,
Savoyern, zuerst Norditalien unter ihrer Viktor Emanuel machte über Jahrzehnte
Sardinien und
Führung zu einen und dann die eigentlich Schlagzeilen: wegen angeblicher Verbindung
Italien, Kaiser
republikanische Unabhängigkeitsbewegung zur terrorverdächtigen Geheimloge P2 und
von Abessinien
Giuseppe Garibaldis in Süditalien und Sizilien durch Anklagen wegen Korruption, Betrug
für sich zu gewinnen. 1861 wurde Viktor und Ausbeutung von Prostituierten. Schuldig
[ G E G E N WA R T ]
Emanuel II. so zum ersten König Gesamt- gesprochen wurde er nie, trotzdem setzte
italiens seit der Antike – und zum Mitbe- ihn das Adelshaus als Oberhaupt ab – wegen
keine
gründer des italienischen Nationalstaats. [3] nicht standesgemäßer Ehe.
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Frondienst mit
Freibier
90 LAN DADEL
Von Martin Pfaffenzeller
Ö
stlich der Elbe, auf halber Strecke zwi- schaft in Stavenow für immer verändern: Mit dem
schen Berlin und Hamburg, herrscht Widerstand gegen die Holzfahrten begann der
Friedrich Joachim von Kleist um 1768 langsame Zusammenbruch der Junkerherrschaft.
über das Rittergut Stavenow. Er wohnt Zwar waren die Bauern Erbuntertanen ihres Guts-
in der Burg Stavenow, einem viereckigen Wehr- herrn: Er bewirtschaftete mit ihrer Arbeitskraft
turm aus dem Mittelalter, ausgebaut zu einem seine Ländereien, ohne seine Genehmigung durf-
30 Meter langen Herrenhaus. Daneben erheben ten sie weder wegziehen noch heiraten. Doch wohl
sich eine Kapelle, ein Wirtshaus, mehrere Bara- zu keiner Zeit konnten sich die adeligen Herrscher
cken für Tagelöhner und Gesinde sowie Stallungen in Stavenow auf den blinden Gehorsam ihrer Un-
für 40 Pferde und 300 Kühe. tertanen verlassen. Die wussten, dass sie es waren,
Aus seinem Gemach im dritten Stock blickt die den Ertrag des Guts sicherstellten – an ihnen
Kleist, 38 Jahre alt und Major der preußischen hing das wirtschaftliche Schicksal des Gutsherrn.
Armee, auf die Brücke über die Löcknitz, einen Und so ist die Geschichte von Stavenow ein Bei-
Nebenfluss der Elbe, über Äcker, Weiden und spiel dafür, wie die Interessen von Adeligen und
Wälder. Er sieht die Bauerndörfer Mesekow und jene der unfreien Bauern aufeinanderprallten, wie
Karstädt, die beiden nächstgelegenen der neun sie ganz praktisch um Kompromisse rangen – und
Siedlungen auf seinen Tausende Hektar großen wie wenig die formale Macht des Adels im kon-
Junkerburg
Um 1900, als die- Ländereien. kreten Fall bisweilen nutzte.
ses Foto von Gut Die etwa 1500 Menschen, die dort leben, sind Schon in den wenigen erhaltenen Akten der
Stavenow entstand, Kleists Untertanen – jedes Familienoberhaupt hat Junkerfamilie Quitzow, die das Gut Stavenow von
war die Zeit der ihm Treue und Gehorsam geschworen. Der Guts- 1405 bis 1647 besaß, fand Historiker Hagen Spu-
unfreien Bauern vor-
bei. Gut hundert herr besitzt die Flächen, die sie beackern, und die ren von Widerstand: 1549 verringerte Gutsherr
Jahre zuvor wurden Häuser, die sie bewohnen. Nach Belieben kann er Lütke von Quitzow die Frondienste auf drei Tage
die Landarbeiter ein- sie zu Abgaben und Fronarbeit zwingen. – vermutlich hatten die Bauern rebelliert.
gekerkert und gefol- Doch als Kleist im Winter 1768/69 verlangt, Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648
tert, wenn sie Fron-
arbeit verweigerten dass seine Untertanen jede Woche Dutzende Wa- erließ der neue Gutsherr Joachim Friedrich von
oder die Anordnun- genladungen Holz zum über 20 Kilometer entfern- Blumenthal seinen Leuten noch mehr Frondienste.
gen der Gutsherren ten Elbhafen in Lenzen karren, weigern sie sich: Der Krieg hatte das Gut mit voller Grausamkeit
kritisierten. Die Fracht würde ihre Pferde über Gebühr schin- getroffen: Nur ein Drittel der Bauern hatte Kämpfe
den, klagen sie. Zudem verstieße die Forderung und Pest überlebt, sie galt es, auf dem Gut zu
gegen frühere Vereinbarungen. halten und möglichst neue Siedler anzulocken.
Kleists Gutsaufseher bestrafen die Bauern für Als die Kornpreise wegen Ernteüberschüssen um
ihren Ungehorsam. Sie schlagen sie und nehmen 30 Prozent fielen, forderte Blumenthal wieder
ihnen die Zugtiere weg – so werden es die Unter- mehr Dienste von seinen Untertanen. Damit stieß
tanen später vor Gericht schildern, wie der er auf Widerstand: In der ganzen Region im Nord-
US-Historiker William W. Hagen in seiner Studie westen Brandenburgs habe sich die »gemeine
»Ordinary Prussians« anhand der Gutsakten Bauernschaft« zu einem »kühnen und frechen Auf-
rekonstruiert hat. Angebliche Rädelsführer wie stand« erhoben, berichtete ein besorgter Prignitzer
der Bauer Peter Ebel werden eingekerkert. Die Junker 1701 dem Berliner Hof.
Wärter werfen feuchtes Kiefernholz in den Ofen Ein königlicher Beamter befragte Gutsherren
seiner Zelle, zwei Tage sitzt der 63-Jährige im und sammelte die Beschwerden der Landbevölke-
Rauch. rung. Die Bauern klagten nicht nur über die zu-
So eskalierte in Stavenow ein Konflikt, wie er sätzliche Arbeit. Auch dass sie zu den Frondiens-
auf ostelbischen Rittergütern seit Jahrhunderten ten kein Freibier bekamen und der Gutsverwalter
immer wieder vorkam: Ein profitgetriebener Guts- Schafe auf ihren Äckern weiden ließ, trieb sie um.
herr stieß auf Untertanen, die ihren Lebensstan- Besonders ärgerte sie der neue Folterkerker,
dard und ihre traditionellen Rechte mit allen Mit- »Brack« genannt, in dem Gefangene mit Hand-
teln zu verteidigen suchten. schellen so an die Wand gehängt würden, dass
Doch was in diesem Winter 1768/69 zunächst ihnen der Rücken fast entzweibreche.
wie einer der üblichen Arbeitskämpfe erscheint, Der Beamte schlug sich auf die Seite des Adels:
sollte das Verhältnis zwischen Adel und Bauern- Mehr als zwei Jahre lang steckte er Prignitzer
92 LAN DADEL
Schnelles Waren die Bauern der Junker
Wissen
Leibeigene?
Rechtlich waren die meisten Bauern im ostelbischen Preußen des 18. Jahr-
hunderts keine Leibeigenen, denn ihr Körper gehörte dem Gutsherrn nicht.
Außerdem konnten sie vor Gericht ziehen und hatten eigenes Geld, Kleidung
und Vieh. Gleichwohl waren die Bauern vom Junker abhängig, denn er
war Eigentümer ihrer Häuser, Äcker und Pflüge – für die Nutzung verlangte er
Frondienste. Zudem unterlagen sie auf dem Gut seiner Rechtsprechung: dem Gutsherrn für eine Stunde in den Folter-
Sie waren daher seine Untertanen. Übergaben Bauern ihre Höfe an die kerker.
nächste Generation, musste der Gutsherr zustimmen. Meist übernahmen Nachgiebiger zeigte sich Junker Kleist 1738: Als
die Bauernkinder Status und Nutzungsrechte von ihren Eltern, das Ver- bei einem Transport von 400 »Holländer-Käsen«
hältnis von Gutsherren und Bauern nennt man daher Erbuntertänigkeit. nach Berlin 100 Pfund verschwanden und später
sogar ein ganzer Käsetransport nach Potsdam, ver-
urteilte der Gutsrichter die Bauern dazu, den Wert
des verlorenen Käses zu ersetzen. Weil die Bauern
schung aus Pranger und Folterwerkzeug, das über aber damit drohten, ihre Höfe dann ganz aufzu-
Kopf und Schultern geschnallt wurde – meist am geben, musste Oberst Kleist nachgeben: Statt die
Sonntag auf dem Kirchplatz. Gegen die neue Dis- aufmüpfigen Bauern vom Gut zu werfen, verzich-
ziplin wehrten sich die Stavenower: 1726 stand tete er auf Bußgelder.
der Bauernsohn Jochen Milatz vor Gericht, weil Nachdem Kleist im selben Jahr gestorben war,
er einen Aufseher mit einem Knüppel geschlagen änderte seine Witwe Marie Elisabeth als neue Guts-
haben soll. Der Angeklagte rechtfertigte sich damit, herrin die Strategie: Statt die Untertanen auszu-
dass sein Pferdegespann wegen der Fronarbeit pressen, setzte sie auf landwirtschaftliche Reformen.
kurz vor dem Zusammenbruch gestanden habe. Sie schaffte Dutzende Zugpferde an, um die Fel-
»Der Hund« – wie er den Aufseher nannte – könne der effektiver zu pflügen. Sie vergrößerte die Kuh-
ihm schließlich keine neuen Pferde »scheißen«. ställe, damit mehr Mist als Dünger abfiel. Auch
Der Gutsrichter schickte Milatz in Absprache mit die Einnahmen aus Viehverkauf und Käserei stie-
94 LAN DADEL
Ebel erkrankt schwer. Nach fünf Tagen geht es
ihm so schlecht, dass der Gefängniswärter ihn ent-
lässt. Für andere Stavenower Aufrührer aber dau-
ert die Tortur im Kerker drei Wochen.
Dennoch geben die Bauern nicht klein bei –
und sie organisieren ihren Widerstand gewiefter
als damals gegen den alten Kleist. Sie streiken wei-
ter und sammeln Geld für einen Anwalt, der eine
Petition an den König verfasst. Denn obwohl die
Gutsgerichte weitgehend autonom Recht sprechen,
kann sich das königliche Kammergericht in Fällen
besonderen Unrechts einschalten.
Im Sommer 1769 kommen Beamte nach Stave-
Formale Macht gen. Dazu ließ sie mehr Schnaps brennen und now, untersuchen den kranken Ebel, begutachten
Die Arbeit ihrer mehr Bier brauen. die Pferde, messen die Strecke zur Elbe und befra-
erbuntertänigen
Bauern erhielt den
Wichtigste Neuerung aber war die Abkehr von gen die Bauern. Viele behaupten, ihnen drohe we-
Gutsbesitzern ihre der Dreifelderwirtschaft. Die Bauern sollten die gen der Holztransporte der Ruin. Vermutlich über-
stattlichen Anwe- Felder nun in elf Phasen bewirtschaften: Ab- zeichnen sie ihre Geldnot jedoch, denn die meisten
sen (hier im Land- wechselnd wurden Winter- und Sommergetreide Bauernhöfe wirtschaften im 18. Jahrhundert trotz
kreis Meißen) und
ihren herrschaft-
sowie Kartoffeln angebaut, zwischendurch weide- Abgaben an Gutsherrn und König rentabel.
lichen Lebensstan- te das Vieh auf den Flächen – die Erträge stiegen 1764 etwa vererbt eine Bäuerin aus einem der
dard. Doch ab Mitte deutlich. Mitte des 18. Jahrhunderts erwirtschaf- Stavenower Gutsdörfer 11 Kleider, 16 Mieder, 27
des 18. Jahrhun- tete das Gut im Schnitt rund 4000 Taler Rein- Hauben und einen Schal aus Musselin. Selbst un-
derts begehrten
die Bauern auf und
gewinn pro Jahr. verheiratete Mägde und Knechte bekommen täglich
erkämpften sich Fünf Jahre nach dem Tod von Marie Elisabeth Käse, Butter und mindestens anderthalb Liter Bier,
Besitzrechte und von Kleist 1758 legten die zehn Söhne der Guts- essen mehrmals in der Woche Fleisch und trinken
bessere Arbeits- herrin »in brüderlicher Harmonie«, wie es in einer Schnaps – eine reichere Kost, als sie damals die
und Lebens-
bedingungen.
Urkunde hieß, fest, dass Stavenow 127 483 Taler meisten freien Bauern westlich der Elbe genießen.
wert sei – mehr als doppelt so viel wie der einstige Die Stavenower rebellieren nicht aus purer Not.
Kaufpreis. Übernehmen sollte der Sechstgebore- Sie wollen ihren Lebensstandard bewahren – oder
ne: Major Friedrich Joachim von Kleist, damals verbessern.
32 Jahre alt. Das Berliner Kammergericht urteilt zunächst
Der junge Major startete seine Gutsherrnzeit im Sinne Kleists, weil die Untertanen nicht nach-
mit 75 000 Talern Schulden, denn er musste seinen weisen können, dass die Holzfahrten »absolut un-
Brüdern das Erbe auszahlen. Um die Last zu tilgen, möglich« seien. Doch anders als beim Prignitzer
kombinierte er die Strategien seiner Eltern. Wie Bauernaufstand knapp sieben Jahrzehnte zuvor ge-
seine Mutter versuchte er, die landwirtschaftlichen ben die Untertanen nicht nach. Sie streiken weiter
Erträge durch Innovationen zu steigern. Er bestell- und ziehen vor das »Ober-Appellations-Tribunal«,
te Bücher über Viehzucht und Ackerbau und ließ die höchste Instanz im Rechtssystem Preußens.
Wälder roden, um das Holz zu verkaufen und neue Und nun triumphieren die Bauern: Im Novem-
Felder zu erschließen. ber 1771 hebt das Tribunal den alten Richterspruch
Das Holz aber musste irgendwie zum Händler auf – und erklärt die Holzfahrten für illegal. Die
kommen. Da Kleist keine zusätzlichen Knechte Strecke zum Elbhafen und zurück sei zu weit für
oder Tagelöhner bezahlen wollte, versuchte er wie einen Tag, heißt es in der Begründung.
sein Vater, die Untertanen zu mehr Frondiensten Gutsherr Kleist verfasst Beschwerdebriefe an
zu zwingen. König, Kammergericht und Kabinett, die seine
Und so begann der Konflikt um die Transporte Verzweiflung offenbaren. »Trotzige« Bauern wür-
zum Elbhafen, der sich über Monate immer weiter den nicht einmal mehr pflügen und düngen. Das
verschärfte – eben bis der Bauer Peter Ebel im »wundersame« Urteil sei »schlecht für das Land«,
Winter 1768/9 in einer verqualmten Kerkerzelle denn es gefährde das Rückgrat der preußischen
nach Sauerstoff japst. Armee: Ohne Gutsherrschaft könne kein Junker
96 LAN DADEL
DA S H AU S O L D E N B U R G
Der Name klingt nach norddeutscher Provinz, doch dahinter
verbirgt sich weit mehr: »Oldenburger« regierten Großmächte –
heute sind sie im englischen Königshaus vertreten.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Auguste Viktoria, 1858 bis 1921. Engagier- Nikolaus Friedrich Wilhelm von
1091 te sich als erste deutsche Monarchin karitativ,
kirchlich und für Frauenrechte, insbesondere
Oldenburg, 1897 bis 1970. NSDAP-Mitglied
und SA-Standartenführer. Fühlte 1941 bei
für die Schulbildung von Mädchen. War Himmler vor, ob er im zu erobernden Osten
schon zu Lebzeiten deutlich populärer als ihr günstig Ländereien erwerben könne. Das In-
S TA M M S I T Z Mann, der kriegerische Kaiser Wilhelm II., vestment scheiterte aus bekannten Gründen.
und wird im Gegensatz zu ihm heute wegen
Burg
ihrer Verdienste gewürdigt. [1] Zar Alexander III., 1845 bis 1894. Erfand
Aldenburg
die Geheimpolizei Ochrana und Gefangenen-
Christian X. von Dänemark, 1870 bis lager in Sibirien. Erließ antijüdische Gesetze,
1947. Trotzte 1940 den deutschen Besatzern scheiterte aber am Versuch, die Leibeigen-
S TA M M L A N D E die Zusicherung ab, sich nicht in innerdäni- schaft wieder einzuführen. Eine Frau unter
sche Angelegenheiten einzumischen. Das den »schwarzen Schafen« des Hauses Olden-
Großherzogtum
ermöglichte die lebensrettende Abschiebung burg konnten wir nicht finden. Das liegt oft
Oldenburg
von 7000 dänischen Juden ins neutrale auch daran, dass Frauen eine weniger aktive
Schweden. Seine Renitenz gegenüber den Rolle zugestanden wurde als Männern. [3]
Nazis machte ihn zu einer Symbolfigur des
HÖCHSTE dänischen Widerstands. [2] G R Ö S S T E R S K A N DA L
ÄMTER
[GESCH ICHTE]
BEDEUTENDSTE LEISTUNG Der mysteriöse Tod von Friedrich VIII.
von Dänemark, 1843 bis 1912. Starb unter
Könige und
Durch geschicktes Knüpfen von Familien- unklaren Umständen an einem Herzinfarkt:
Zaren
banden dehnte das ursprünglich gräfliche Der Monarch logierte unter falschem Namen
Haus seinen Einfluss auf viele Länder in einem Hamburger Hotel. Gefunden wurde
[ G E G E N WA R T ]
Europas aus. Die Zahl der regierenden »Ol- er in der Nähe eines Bordells; ob er bei
denburger« dürfte sogar noch steigen: Mit einem Spaziergang starb (so die offizielle
Könige in
einer Thronfolge zu Charles oder William Darstellung) oder posthum aus dem Ge-
Dänemark und
fällt der englische Thron der Nebenlinie bäude getragen wurde, blieb ungeklärt – um
Norwegen
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg die Königsfamilie nicht zu verletzen, wie es
zu, die sich dort aber Windsor nennt. seitens der Polizei hieß.
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Das königliche
Schloss in Oslo
und Schloss
Amalienborg in
Kopenhagen
[1] [2] [3] [4] [5]
Bekannte Köpfe heute: Philip, Duke of Edinburgh (*1921) [4], Charles, Prince of Wales (*1948),
William, Duke of Cambridge (*1982), Königin Margrethe II. von Dänemark (*1940) [5],
König Harald V. von Norwegen (*1937).
Von Eckart Conze einer Familie des Adels, der sich nicht nur in die
bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in-
tegriert, sondern in dieser bürgerlichen Gesell-
schaft seine Dominanz verteidigt, der sich behaup-
tet hatte, der »oben geblieben« war: politisch, öko-
nomisch und kulturell.
Drei Jahrzehnte später war diese Selbstgewiss-
»Wie soll
heit dahin. Mit dem Untergang des Kaiserreichs
und der Niederlage im Ersten Weltkrieg lag die
Welt des Adels, so schien es, in Scherben. »Was
soll nur aus uns werden, wenn ich keine lohnende
Stellung finde«, fragte und klagte der Kavallerie-
J
Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft wurden
e länger ein Gebäude den Stürmen der Privilegien des Adels abgebaut: Das aufsteigende
Zeit Trotz geboten hat, ohne in Verfall zu Bürgertum forderte selbstbewusst seine Beteili-
geraten, je sicherer können wir auf die gung an der politischen Herrschaft, die Vertretung
Güte und Festigkeit des Materials, aus in Parlamenten, den Zugang zu öffentlichen Äm-
dem es ausgeführt wurde, je sicherer auch auf die tern und die Durchsetzung des Leistungsprinzips
hohe Verehrung, mit welcher es von Geschlecht anstelle des Geburtsprinzips. Die großen Ideen
zu Geschlecht geachtet und gepflegt wurde, der Französischen Revolution, allen voran Freiheit
schließen.« und Gleichheit, erschütterten auch in Deutschland
In dieser Überzeugung, die Graf Werner von die jahrhundertealte Herrschaft des Adels.
Bernstorff in den 1880er-Jahren an die Spitze einer Und dennoch wusste sich der Adel zu behaup-
familiengeschichtlichen Betrachtung stellte, spie- ten. In der Sozialhierarchie des deutschen Kaiser-
gelt sich das Selbstbewusstsein einer Adelsfamilie, reichs rangierte er ganz oben. Die monarchische
die zu den größten Grundbesitzern in Mecklen- Ordnung des Kaiserreichs, auf nationaler Ebene
Gespött burg und Hannover zählte. Einer Familie, deren und in seinen Einzelstaaten, stabilisierte die poli-
Die adelskritischen Schlösser und Herrenhäuser ihren materiellen tische und gesellschaftliche Dominanz des Adels.
Karikaturen auf
dieser und den
Wohlstand demonstrierten; die in den politischen Adelskultur und adeliger Lebensstil wurden zum
folgenden Seiten Institutionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts Modell für das Bürgertum. Erfolgreiche Unterneh-
erschienen zwi- gut vertreten war; deren Vertreter auch im Staats- mer erwarben ländliche Rittergüter und imitierten
schen 1903 und dienst, als Diplomaten beispielsweise, hohe Posi- dort das Leben des Adels. Historiker sprechen von
1912 in den Satire-
zeitschriften »Sim-
tionen bekleideten; die im mecklenburgischen einer Feudalisierung des Bürgertums, das durch
plicissimus« und Wedendorf oder im hannoverschen Gartow unan- seine Orientierung am Adel zu dessen Selbstbe-
»Der wahre Jacob«. gefochten die lokale politische Herrschaft ausübte; hauptung entscheidend beitrug.
Porträts aus Russlands letzter Adelsgeneration: Baron Pjotr Nikolajewitsch Wrangel, Großfürst Nikolai
Nikolajewitsch Romanow, Großfürst Kirill Wladimirowitsch Romanow und dessen Tochter Kira (l.)
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Katharina II., genannt die Große, 1729 bis Elisabeth I., 1709 bis 1762. Ließ ihren mit
1553 1796. Die gebildete Kaiserin galt als »Philoso-
phin auf dem Thron« (Denis Diderot). Ord-
zwei Monaten zum Zar gekrönten Großneffen
Iwan VI. nach nur einem »Regierungsjahr«
nete per Verwaltungsreform das Reich neu stürzen. Gab Klein Iwan in Lagerhaft, wo er
und schuf eine Struktur, in der auch Bildungs- 23 Jahre lang überleben durfte. Nach ihrem
S TA M M S I T Z wesen, Kranken- und Armenversorgung er- Ableben wurde er wohl präventiv ermordet,
weitert wurden. An die Macht putschte sie um Erbfolgestreit zu vermeiden. Offiziell kam
Moskau
sich allerdings gegen ihren Ehemann Peter er bei einem Fluchtversuch ums Leben.
III., den sie wohl auch ermorden ließ. [1]
Nikolaus I., Zar von 1825 bis 1855: stützte
S TA M M L A N D E Alexander I., 1777 bis 1825, fiel durch sein Regime auf eine gefürchtete Geheimpoli-
keinerlei Säuberungen, Massendeportationen zei. Aufgeklärte Ideen wie die Beendigung
Großfürstentum
oder Verwandtenmorde auf. Stattdessen der Leibeigenschaft lehnte er ab, stattdessen
Moskau
bemühte sich der aufgeklärte Geist um Refor- erließ er Gesetze gegen Juden und trug damit
men bei der Leibeigenschaft und um Frieden zu ersten Pogromen in Russland bei. [4]
in Europa. Trotzdem vergrößerte er das
HÖCHSTE Reich. Am Ende nahm er – zunehmend G R Ö S S T E R S K A N DA L
ÄMTER verbittert und paranoid – jedoch etliche
[GESCH ICHTE]
seiner Reformen wieder zurück. [2] Zarin Alexandra vertraute dem Wunder-
heiler Rasputin, 1869 bis 1916, bei der
Zaren und Kaiser
BEDEUTENDSTE LEISTUNG Behandlung ihres Sohnes Alexej, der Bluter
Russlands
war. Weil das geheim war, gab es Gerüchte:
Zar Peter I., 1672 bis 1725, genannt der Hatten Zarin und Heiler ein Verhältnis? Am
[ G E G E N WA R T ]
Große, ragte körperlich (mehr als zwei Meter) Ende wandte sich Zar Nikolaus II. von Ras-
wie politisch heraus: Er verschaffte Russland putin ab, der von Adeligen ermordet wurde –
keine
Zugänge zur Ostsee und zum Asowschem wohl auch, weil er sich gegen die Kriegs-
Meer und machte es so zur maritimen Groß- beteiligung Russlands ausgesprochen hatte.
macht. Als Erster nahm er für sich den Titel Sauferei und sexuelle Exzesse hatte man ihm
BERÜH MTE eines russischen Kaisers in Anspruch. [3] verziehen, aber das ging wohl zu weit.
RESIDENZEN
Der Kreml in
Moskau
und der
Winterpalast
in Sankt
Petersburg
Bekannte Köpfe heute: Olga Prinzessin Romanow, Kopf der Romanov Family Association
(RFA), die 28 der überlebenden Nachfahren des letzten Zaren vertritt. Außerdem Maria
Wladimirowna: Bekannt ist sie, weil sie selbst sich zwar als Großherzogin und Thronfolgerin sieht,
die RFA das aber kategorisch bestreitet. Das ist idealer Stoff für die Regenbogenpresse. [5]
Nützliche Handlanger
106 NATIONALSOZIALISMUS
Von Uwe Klußmann Große Teile des Adels kollaborierten mit den
Nationalsozialisten. Adelige organisierten
als hohe SS-Führer sogar Massenmorde an Juden.
W
as sich am 21. März 1933 vor der
Potsdamer Garnisonkirche abspiel-
te, machte auf den früheren Kron-
prinzen Wilhelm von Preußen tie-
fen Eindruck. Der »Führer« und Reichskanzler
Adolf Hitler hatte sich dort verneigt vor dem
»ehrwürdigen Herrn Reichspräsidenten« Paul
von Hindenburg. Da habe eine »Hochstimmung«
geherrscht, schrieb der Kronprinz dem rechts-
gerichteten britischen Verleger Lord Rothermere
am 20. Juni 1934. Hitler, so der Hohenzoller, habe
die Hoffnung geweckt auf eine »Wiedereinsetzung
der Monarchie«.
Schon im Juli 1933 hatte der Kronprinz in Lord
Rothermeres Zeitung »Sunday Dispatch« eine
Hymne auf Hitler publiziert und ihn als Retter vor
der »roten Gefahr« gepriesen. Nun legte er in sei-
nem Brief an den Verleger nach: Die »ersten Schrit-
te der neuen Regierung« seien »höchst zufrieden-
stellend« gewesen. Die Hitler-Regierung habe
»Entschlossenheit« erkennen lassen. Als erfreulich
kam aus seiner Sicht hinzu: »Die Wiederaufrüs-
tung wurde als Notwendigkeit erkannt.«
Wilhelm von Preußen stand mit seiner Meinung
nicht allein. Etliche Adelsfamilien setzten wie er
hohe Erwartungen in Hitler. Sie wünschten sich
einen starken Führer, der das Land aus den – wie
sie es sahen – demokratischen Verirrungen der
Weimarer Republik herausführen sollte.
Die Nazis allerdings dachten nicht daran, die
Monarchie zu restaurieren. Sie wollten mit ihren
Parteigenossen eine neue Machtelite schaffen. Zu-
gleich versuchte Hitler, Adelige in sein System
einzubinden, um keine Opposition entstehen zu
lassen und vor allem ihre verwandtschaftlichen
Auslandsbeziehungen zu nutzen.
Die adeligen Hoffnungen auf Hitler hätten auf
einem »doppelten Missverständnis« beruht, erläu-
tert der Historiker Stephan Malinowski, der die
Beziehungen des Adels zu den Nationalsozialisten
detailliert erforscht hat. Weder wollten die Nazis
den Adel in seine alten Rechte einsetzen, noch teil-
ten sie dessen Traditionsverständnis. Aus ihrer
Sicht war die adelige Oberschicht verantwortlich
für »jene Kluft zwischen den breiten Massen des
Volkes und der Führungsschicht, an der im Jahre
1918 das kaiserliche Deutschland zerschellt war«,
108 NATIONALSOZIALISMUS
SPI EGEL GESCH ICHTE 6/2019 109
Der »reinblütige deutsche Adel«
wollte mit Hitler die »nationale
Revolution gewinnen«.
110 NATIONALSOZIALISMUS
Doch das Verhältnis der Nazis zu Edward war
zynisch, wie im Tagebuch von Propagandaminister
Goebbels dokumentiert ist: Der sei »kein ganzer
Mann, aber ein liebenswerter Charakter«. Edward
sei »tatsächlich etwas verrückt« und zudem »de-
kadent, taktlos und eben etwas übergeschnappt«.
Um effektiver auf die Briten einzuwirken, mach-
ten die Nationalsozialisten den Herzog von Sach-
sen-Coburg 1936 zum Präsidenten der Vereinigung
deutscher Frontkämpferverbände. Der Verband
pflegte Kontakte zur British Legion, die Coburgs
Vetter Edward führte.
Als die Wehrmacht im März 1936 das durch
den Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland
besetzte, reiste der Herzog von Coburg zu seinem
britischen Cousin und warb um Verständnis für
diesen Schritt des »Führers«.
Parallel dazu versuchte Hitler, auch andere
Adelsverbindungen zu nutzen. Geschickt instru-
mentalisierten die Nationalsozialisten etwa die
enge Beziehung der durch Heirat zur Prinzessin
avancierten Stephanie von Hohenlohe zum briti-
schen Pressemagnaten Lord Rothermere.
Prinzessin Hohenlohe wird in zahlreichen Pu-
blikationen als »Hitlers Spionin« oder »Geheim-
agentin« bezeichnet. Doch sie hatte weder eine
geheimdienstliche Anbindung, noch hat sie je
eine nachrichtendienstliche Ausbildung erhalten.
Ihre Rolle war die einer inoffiziellen Mittlerin –
ihre Netzwerke nutzte sie für die Nazis.
Der Verleger Lord Rothermere erlag dem
Charme der gebürtigen Wienerin. Kronprinz Wil-
helm verschaffte ihr Ende 1933 eine Audienz bei
Hitler. Der gab ihr einen Brief an Lord Rothermere
mit. Darin dankte der Diktator dem Lord für die
»zielführende journalistische Unterstützung« sei-
ner Politik. Und er beteuerte, er betreibe eine
»wahre europäische Friedenspolitik«.
Die freundschaftliche Beziehung zwischen der
Der »Führer« träumte von einer deutsch-briti- Verbunden Prinzessin von Hohenlohe, die den »sehr verehr-
Im September 1933
schen Allianz gegen die Sowjetunion. Und so war ten Herrn Reichskanzler« schon mal einen »char-
marschierte Kron-
Coburg für ihn vor allem wegen dessen Verwandt- prinz Wilhelm (vorn) manten Hausherrn« nannte, und dem »Führer«
schaft in Großbritannien interessant. Edward VIII. bei einer Parade setzte sich bis 1938 fort. Hitler strich ihr bisweilen
war Coburgs Cousin zweiten Grades. Mit ihm neben SA-Führer über das Haar und kniff sie freundschaftlich in die
Ernst Röhm (mit
stand er in regem Kontakt. Edwards Mutter, Queen Wange, sein Adjutant Fritz Wiedemann begann
Hitlergruß) in
Mary, stammte aus dem deutschen Hause Teck. Hannover. ein Verhältnis mit der Prinzessin. Doch Ermittlun-
Hitlers Feindschaft gegenüber dem Kommunismus gen des SS-Gruppenführers Reinhard Heydrich
und gegenüber der Sowjetunion als geopolitischem brachten die Faszination der Nazigrößen zum Er-
Erzfeind Britanniens, aber auch seine Verbeugun- löschen. Nach Einschätzung der SS war die Prin-
gen vor dem »germanischen« Brudervolk machten zessin, geboren als Stephanie Richter in Wien, eine
Eindruck auf das Haus Windsor. »Halbjüdin«. Ihr Liebhaber Wiedemann, blamiert
112 NATIONALSOZIALISMUS
1943 mehrten sich in ade- ter in Rom. Das brachte in
ligen Kreisen Zweifel Westdeutschland nach dem
am »Führer«. Nun wurde Krieg die Deutung hervor,
immer deutlicher, dass der Adel als Schicht habe
Deutschland dabei war, den Widerstand gegen die Nazis
Krieg zu verlieren. Der geleistet. Ein Mythos: Der
Rückzüge an der Ostfront Marburger Historiker Eckart
und aus Nordafrika verstärk- Conze weist in dem Band
ten in adeligen Offizierskrei- »Adel und Bürgertum in
sen die Angst vor einer Nie- Deutschland« darauf hin,
derlage. dass es »nur winzig kleine
Der Offizier Claus adelige Personengruppen«
Schenk Graf von Stauffen- gab, die sich von Anfang an
berg sprach davon, es drohe »kompromisslos gegen Hitler
die »Vernichtung der mate- stellten«. Vor allem waren
riellen und blutsmäßigen dies mit bürgerlichen Frauen
Substanz des deutschen Vol- verheiratete Adelige.
kes«. Auch deshalb ent- Nach dem gescheiterten
schloss sich Stauffenberg mit Anschlag des Grafen von
zahlreichen Mitverschwö- Stauffenberg riss für einen
rern innerhalb und außer- Moment ein Graben auf zwi-
halb der Wehrmacht am schen der NS-Elite und dem
20. Juli 1944 zu einem Atten- Adelsmilieu. Robert Ley,
tat auf Hitler und einem Putsch. Unter den Ver- NSDAP-Reichsleiter und Chef der »Deutschen Ar-
schwörern waren viele Adelige. Etwa 50 der beitsfront«, wetterte Ende Juli in einer Rede vor
150 wegen des 20. Juli Hingerichteten stammten Arbeitern eines Berliner Metallbetriebs, die auch
aus adeligen Familien. Hohenzollern waren nicht im Rundfunk gesendet wurde, brachial gegen die
darunter. Zum Widerstandskreis zählten Generäle alte Elite. Ley tönte gegen »Reaktionäre« und »die
wie Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben Adelsclique«. Diese sei »degeneriert bis in die Kno-
und Diplomaten wie Friedrich-Werner Graf von chen, blaublütig bis zu Idiotie, bestechlich bis zur
der Schulenburg, bis Juni 1941 Botschafter in Mos- Widerwärtigkeit«. Und er drohte: »Dieses Ge-
kau, oder Ulrich von Hassell, langjähriger Botschaf- schmeiß muss man ausrotten, mit Stumpf und Stiel
vernichten.« Propagandaminister Goebbels war
entsetzt. Mit »widerlichen Hass- und Wutausfällen
gegen alles, was adlig ist«, habe Ley »wie der Ele-
Schnelles Warum spricht man vom fant im Porzellanladen gewütet«, notierte der Pro-
Wissen
»Haus Hohenzollern«? pagandist in seinem Tagebuch. Goebbels bestellte
den Polterer Ley ein und zwang ihn, sich für die
Ab etwa 1500 bürgerte sich der Begriff »Haus« als Bezeichnung für das ein, Ausfälle zu entschuldigen. Am 26. Juli 1944 schrieb
was wir heute »Dynastie« nennen: die viele Generationen umfassende Ab- Goebbels, es sei auch Hitlers Ansicht, »dass keine
stammungskette eines Adelsgeschlechts, bei der die Familienzugehörigkeit Adelshetze stattfinden soll« und »immer wieder
in der Regel über die männliche Linie vererbt wird. Auch die Herrschafts- betont werden muss, dass unser Heer vollkommen
rechte, die von dieser Verwandtschaftsgruppe ausgeübt wurden, waren mit- intakt ist«.
gemeint. Der Begriff entstand in einer Zeit der Selbstvergewisserung des Hitler und Goebbels wussten, dass sich ihr Re-
Adels, nun wurden in fast allen Rangstufen lange Abstammungslinien mit gime auf Tausende adelige Offiziere in Wehrmacht
zum Teil mythischen Wurzeln konstruiert, von den Mitgliedern eines Hauses und Waffen-SS verlassen konnte. So hatte es Adels-
erwartete man Kenntnisse über die »Hausgeschichte«. Mit der Zeit wurden marschall Fürst Bentheim im März 1933 verspro-
verschiedene Zweige der Abstammungslinie mit tatsächlichen »Häusern« in chen, als er gelobte, »der reinblütige deutsche
Verbindung gebracht, in der Realität Schlösser oder Burgen: So entstanden Adel« werde entweder mit Hitler »die nationale
im »Haus Askanien« der Fürsten von Anhalt beispielsweise 1609 die Linien Revolution gewinnen« oder sich »mit Ehren unter
Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen und Anhalt-Zerbst. ihren Trümmern begraben lassen«.
Sitz!
Hunde gehören zur Die Angriffe auf das Personal sind verbrieft.
adeligen Selbst- Wehrhaft inszenierte sich auch der deutsche
Reichskanzler Otto von Bismarck, ein Doggennarr:
darstellung dazu. Die Hunde begleiteten ihn seit seiner Jugend in
Einige wurden Kniephof (heute Konarzewo), dem Familiengut in
europaweit berühmt. Pommern. 1874 bekam Bismarck die Dogge Sultan
als Leibwächter vom bayerischen Grafen von
Holnstein geschenkt. Aus diplomatischen Gründen
Von Anke Wellnitz wurde der Hund fortan Sultl gerufen – man wollte
das Osmanische Reich nicht verärgern.
Für einen außenpolitischen Krisenmoment sorgte
dann aber eine andere Dogge des Kanzlers: Tyras.
1878 verhandelte Bismarck mit dem russischen
Außenminister Fürst Alexander Michailowitsch
Gortschakow, es ging um eine neue Ordnung für
Südosteuropa und einen direkten Zugang Russ-
lands zum Mittelmeer. Ob die Unterhaltung zu
laut wurde oder einer der Verhandlungspartner
zu wild gestikulierte, ist nicht überliefert, doch
offenbar sah Tyras einen Grund, seinen Herrn zu
verteidigen: Das Tier fiel über den russischen Ge-
sandten her. Dieser hatte Glück und kam mit einem
Schock und einer zerfetzten Hose davon.
Tyras wurde durch den Vorfall so berühmt, dass
die Nachricht seines Todes später durch die ganze
Welt gekabelt wurde. In Deutschland wurden Bis-
marcks Wadenbeißer fortan »Reichshunde« ge-
Brav
nannt. Seine letzte Ruhe fand Tyras auf Bismarcks
Reichskanzler Landgut bei Köslin (heute Koszalin).
Otto von Bismarck Willow, der letzte Pembroke Welsh Corgi der
mit Dogge Tyras Queen, starb im April 2018. Er war in 14. Generation
1884 (o.), Prinzes-
sin Elizabeth mit
auf ihre erste Hündin Susan zurückzuführen. 2009
ihren Corgis Jane hatte die Monarchin erklärt, sie beende die Zucht.
und Dookie 1936. Sie wolle keine Corgis allein zurücklassen.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Jean Baptiste Bernadotte, 1763 bis 1844, Carl XVI. Gustaf, geb. 1946, ist die Aus-
1806 brachte es zu Adel und als Karl XIV. Johann
zur Königswürde. Kämpfte sich als Offizier
nahme in einer ansonsten als fast skandalfrei
geltenden Familie. 2010 erschütterten Ent-
Napoleons derart erfolgreich durch sämtliche hüllungen über seine angeblichen Rotlicht-
Schlachten, dass Schweden ihn umwarb, als ausflüge und Affären die schwedische Monar-
S TA M M S I T Z dort die Thronfolger ausgingen. Fortan focht chie. Carl Gustaf tauchte ab und schob
er für Schweden und gegen Bonaparte. Der Thronfolgerin Victoria ins Scheinwerferlicht.
Stockholm
kinderlose schwedische König adoptierte ihn Deren Naturell und ihre entzückenden
1810, acht Jahre später war er selbst König – Kinder haben die Schweden seitdem wieder
so wie heute noch seine Nachkommen. [1] versöhnt. [3]
S TA M M L A N D E
Silvia von Schweden, geb. 1943. Die Die Herzensdamen, immer wieder: Die
Schweden
amtierende Königin begann bürgerlich in Bernadotte hatten eine so ausgeprägte Nei-
Heidelberg, lernte ihren Mann als Hostess gung zur »unstandesgemäßen« Heirat, dass
bei den Olympischen Spielen 1972 kennen. in einer Generation sämtliche Thronfolger
HÖCHSTE Sie gilt heute als royaler als ihr Mann Carl aus der Erbfolge fielen: Seit 1973 dürfen sie
ÄMTER Gustaf (siehe r.). [2] deshalb heiraten, wen sie wollen.
[GESCH ICHTE]
BEDEUTENDSTE LEISTUNG G R Ö S S T E R S K A N DA L
Könige von
Schweden und
Das Haus Bernadotte brachte eine beeindru- 1957 landete Prinz Carl Bernadotte im
Norwegen
ckende Zahl musisch oder wissenschaftlich »Huseby-Skandal« vor Gericht. Mit zwei
begabter Vertreter vor: Darunter ernst Komplizen soll er eine reiche Landbesitzerin
[ G E G E N WA R T ]
zu nehmende Schriftsteller, Maler, Kompo- ausgenommen haben. Carl legte ein volles
nisten, einen Filmemacher. Lennart Graf Geständnis ab. Er ging allerdings als Einziger
König von
Bernadotte machte sich gar als Garten- straffrei aus, weil man bei ihm keinerlei kri-
Schweden
bauer um den Bodensee-Tourismus verdient: minelle Energie entdeckte, sondern nur tota-
Von 1932 an gestaltete er das bis dahin le finanzielle Inkompetenz – ein peinlicher
öde Eiland Mainau zur Blumeninsel um. Freispruch. Carl wanderte danach aus. [4]
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Das Stockholmer
Schloss ist
Amtssitz bis
heute. Daneben
nutzt die könig -
liche Familie
noch drei der [1] [2] [3] [4] [5]
ursprünglich
insgesamt zehn
Königsschlösser
Schwedens. Bekannte Köpfe heute: Victoria von Schweden, geb. 1977. Die Bernadotte erlauben seit 1980
die Thronfolge auch auf weiblicher Linie, und sie dürfen »unstandesgemäß« heiraten: Es sprach
also absolut nichts dagegen, dass Victoria ihren Fitnesstrainer heiratete. Und siehe, die Schweden
finden das sogar klasse, die Zustimmung für das Königshaus steigt seitdem wieder – geht doch! [5]
Standhaft
Vater und Sohn
Fugger-Baben-
hausen vertreten
die 652-jährige Ge-
schichte der Fugger
in Augsburg. In der
Kirche St. Ulrich
und Afra hält ein
Engel neben dem
Wappen der Ilsung
von Tratzberg den
gevierteilten Fugger-
Wappenschild,
der zweimal die
Doppellilie in Gold
und Blau zeigt.
»Wir wurden
nie
verbogen«
116 GESPRÄCH
Sie halten sich aus der Klatschpresse und aus den sozialen Netzwerken heraus. Seit ihrem
Aufstieg vom Kaufmanns- in den Adelsstand vor fast 500 Jahren arbeiten die Augsburger
Fugger an ihrem Ruf als soziale Wohltäter – und an der Vermehrung ihres Vermögens.
Einem SPIEGEL-Gespräch stimmten sie zu, weil der Text grundsätzlich autorisiert wird.
SPIEGEL: Meine Herren, wie dürfen wir Sie merhin acht Jahre. Nach der Bundeswehr habe
ansprechen? ich in St. Gallen studiert und danach gleich hier
Fürst Fugger: Hier zu Hause werde ich mit im Betrieb gearbeitet, weil mich mein Vater we-
Durchlaucht und mein Sohn wird mit Erlaucht gen seiner schlechten Gesundheit gerufen hat.
angesprochen. Aber ansonsten sind wir Fürst
und Graf Fugger. Diese Anreden sind ja ohnehin SPIEGEL: In den Siebzigerjahren sind Sie
ziemlich unhandlich. nach Amerika gegangen, mit Ihrer Frau und
fünf Kindern. Was haben Sie von den Ameri-
SPIEGEL: Fürst Fugger, Sie sind in den Fünfzi- kanern gelernt?
gern aufgewachsen. Was mussten Fugger-Kinder Fürst Fugger: Einen sehr viel weiteren Hori-
abgesehen von der Schule zu Ihrer Zeit lernen? zont als zuvor. Und eine große Faszination für
Fürst Fugger: Gehorsam. die Möglichkeiten, die die dortige Gesellschaft –
ausgenommen in der jüngeren Zeit – jedem bie-
SPIEGEL: Klingt wenig lustig. tet. Die Kinder sind drüben in den Kindergarten,
Fürst Fugger: Ich hatte den Vorteil, dass ich in in die Schule und ins College gegangen.
Babenhausen auf dem Dorf aufgewachsen bin
und ein Leben wie Tom Sawyer und Huckleber- SPIEGEL: Graf Fugger, Sie sind 37 Jahre alt,
ry Finn führen konnte. Ich ging da zur Volksschu- an welche Erziehungsmaßnahmen können Sie
le und konnte mit meinen Spezis meistens unter sich erinnern?
dem Radar meines ehrgestrengen Vaters rum- Fürst Fugger: Maßnahmen?!
toben. Meine Seele ist immer noch da draußen. Graf Fugger: Ja, deswegen zögere ich. Das
Positive ist vielleicht, dass mir keine konkreten
SPIEGEL: Aber zu den väterlichen Erziehungs- Maßnahmen einfallen. Ich denke unheimlich
zielen gehörten sicher noch andere Dinge? gern an meine Kindheit zurück, mit meinen vier
Fürst Fugger: Boxen, Reiten, Schießen, Jagen Geschwistern. Wir hatten eine Mordsgaudi und
gehörten absolut zum Programm. Ich habe mich waren und sind sehr eng mit unseren Eltern. Wir
schon früh für die Jagd interessiert. Reiten war wurden nie in eine Richtung verbogen.
Vorbild
Anton Fugger (1493 für mich dagegen immer vorn gefährlich, hinten Fürst Fugger: Ich wollte ja auch nicht unbe-
bis 1560), »Fürst gefährlich, in der Mitte unbequem, wie Mark dingt da weitermachen, wo es bei mir und mei-
der Kaufleute«, Twain gesagt hat. nen Geschwistern mit der Strenge der voran-
knüpfte Verbindun-
gegangenen Generation aufgehört hatte.
gen in höchste
politische und kirch- SPIEGEL: Welche Rolle hat Ihre Mutter
liche Kreise – in gespielt? SPIEGEL: Fürst Fugger, unter Ihren Ahnen
einer Weise, bei der Fürst Fugger: Sie war immer wunderschön gibt es viele überaus erfolgreiche Männer …
man heute über
und vielleicht etwas unterkühlt, sie kam aus Fürst Fugger: … und Frauen!
Korruption diskutie-
ren würde. Seiner- einer schwedischen Familie. Die Erziehung wur-
zeit war das de delegiert an das Kindermädchen. SPIEGEL: Gibt es jemanden, den oder die Sie
übliches Geschäfts- sich zum Vorbild genommen haben?
gebaren.
SPIEGEL: Und das durfte auch strafen? Fürst Fugger: Mir gefällt der Anton Fugger
Fürst Fugger: Sie und mein Vater. Das war sehr gut. Er ist von seinem Onkel ausgesucht
dann manchmal schmerzhaft. In der Schule wur- worden, das Unternehmen zu übernehmen, weil
de ab und zu mit Bambusstöckchen gestraft. der meinte, Anton sei der Fähigste.
Aber das hat mir nicht geschadet. Heute wäre
das unmöglich. SPIEGEL: Der Onkel war der berühmte Jakob
Fugger, genannt der Reiche. Er trat 1473 mit
SPIEGEL: 1968 waren Sie 22. Wie und wo ha- 14 Jahren in das Familienunternehmen ein.
ben Sie die Zeit der Studentenunruhen erlebt? Fürst Fugger: Und Anton übernahm Ende
Fürst Fugger: Ich wurde mit zehneinhalb 1525, in einer Zeit, in der es politisch große Um-
Jahren in die Schweiz geschickt, ins Internat. Ich brüche gab: Die Reformation, die Türkenkriege,
fand’s prima, denn es gab viel Sport. Man war der Amerikahandel, die Spanier in Südamerika,
dadurch natürlich wirklich weg. Dort war ich im- das waren alles Kräfte, die auf die Firma wirkten.
SPIEGEL: Was zeichnet Anton aus? Millionen Gulden vermehrt hatte. Was hat
Fürst Fugger: Er hatte ein großes diplomati- Jakob besser gemacht als seine Mitbewerber?
sches Geschick. Nur ein Beispiel: Nachdem Kai- Fürst Fugger: Er hat früh im Ausland, in Ita-
ser Karl V. 1547 den Schmalkaldischen Krieg ge- lien, Erfahrungen gesammelt, er hat selbst trotz
gen die protestantischen Reichsstädte, darunter des Reichtums ziemlich bescheiden gelebt. Wahr-
Augsburg, gewonnen hatte, wehrte Anton ge- scheinlich hat ihm persönlich auch geholfen, dass
meinsam mit anderen Handelsherren Strafmaß- er letztlich zum alten Glauben gehalten hat.
nahmen gegen seine Heimatstadt ab. Graf Fugger: Sicher war er auch so erfolg-
Graf Fugger: Man muss sich das mal vorstel- reich, weil er schon früh überlegt hat, wie er den
len: Die Firma lebte vom Handel, vor allem mit Bürgern von seinem Reichtum etwas zurück-
Textilien, Silber und Kupfer. Aber Anton durch- geben kann. Er hat jungen Männern aus seinen
schaute früh die Entwicklung am Rohstoffmarkt. Herrschaften mit Stipendien das Studieren er-
Bemerkenswert, diese Weitsicht zu haben: Da möglicht. Und er hat Kunst, Musik, Architektur
ändert sich was politisch, im Risikoprofil des der italienischen Renaissance diesseits der Alpen
Genialer Kapitalist Unternehmens, da muss ich gegensteuern, mit imposant umgesetzt.
Eigentlich sollte er einer langfristigen Strategie in Grund und Bo- Fürst Fugger: Er war ein begnadeter Netz-
Geistlicher werden.
Doch sein absoluter
den, in Herrschaften investieren. Das ist beein- werker. Das war Teil seines Genies. Engste Kon-
Führungswille druckend. Gleichzeitig war er ein neugieriger, takte zu knüpfen zur Kirche, zu den regierenden
und ein untrüglicher kulturaffiner Humanist, ein intelligenter, be- Habsburgern und in den Adel hinein.
Riecher fürs Profi- lesener Mann.
table machten Jakob
Fugger (1495 bis
SPIEGEL: Die Fugger waren Kaufleute, die als
1525) zu Lebzeiten SPIEGEL: Anton Fugger konnte auf einem Kaiser- und Königsmacher galten. Wie war
zum angeblich Vermögen aufbauen, das sein Onkel zwischen das möglich?
reichsten Mann 1511 und 1525 von knapp 200 000 auf zwei Fürst Fugger: Nehmen Sie den Habsburger
der Welt.
Maximilian I., der war ein reisender Imperator
ohne Vermögen. Als er 1477 Maria von Burgund
heiraten wollte, konnte er sich keine angemesse-
ne Hochzeitsausstattung leisten. Die Fürsten wa-
ren angewiesen auf erfolgreiche Kaufleute. Es
passte, dass Jakob und Maximilian gleichaltrig
waren und Maximilian oft nach Augsburg kam.
Graf Fugger: Das macht diese Zeit für mich so
spannend. Da etabliert sich eine Unternehmer-
familie in Augsburg und gewinnt einen einfluss-
reichen Kunden, den König, den sie vorfinanzie-
ren muss. Durch das Kreditgeschäft entsteht eine
Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit. Denn umge-
kehrt bot sich natürlich die Chance politischer
Einflussnahme für den Unternehmer.
120 GESPRÄCH
DIE FUGGEREI
»Würdige Arme«, so erklärte »der Reiche«, wie Ja-
kob Fugger genannt wurde, sollten in der Freien
Reichsstadt Augsburg eine menschenwürdige
Unterkunft finden. Er stiftete 1521 die älteste be-
stehende Sozialsiedlung der Welt, in der aktuell
88 Cent Miete im Jahr bezahlt werden, Gegen-
wert für einen Rheinischen Gulden. Die Mieter
sprechen bis heute täglich drei Gebete für die
katholische Stifterfamilie. Acht Gassen, 67 efeu-
berankte Reihenhäuser, ein Springbrunnen, ein
malerischer Garten, zwei Museen, eine kleine Kir-
che – wie eine bessere, friedvolle Miniaturwelt
umgibt die Fuggerei ihre 150 Bewohner, darunter
alleinerziehende Mütter, Paare und Studenten
ebenso wie ältere Männer und Frauen. Wer
würdig ist, entscheidet das fuggersche Familien-
seniorat, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
Bedürftig und katholisch müssen die Bewerber
sein (oben rechts eine nachgebaute Schlafstube).
122 GESPRÄCH
Mainz, aus dem Ablasshandel erworben hatte,
und finanzierten anfangs sogar die Schweizer-
garde des Papstes. Mit den Habsburgern
kämpften die Fugger gegen die Reformation.
Was überwog bei Jakob Fugger: der Wohltäter,
der Gottesfürchtige oder der Geschäftsmann?
Fürst Fugger: In seinem Innersten sicher die
Gottesfurcht. Mit seinen Talenten garantiert der
Kaufmann – aus der Kombination von beidem
erwuchs die Verantwortung fürs Gemeinwohl.
SPIEGEL: Egal, ob Tochter oder Sohn? schnell, was für ein besonderer Ort das ist. Und
Graf Fugger: Ich habe noch keine Kinder, natürlich gibt es Dankbarkeit, an Orten wie
aber grundsätzlich: ja. Wir müssen in der Familie Schloss Wellenburg und Babenhausen aufwach-
gar nicht weit schauen, der Familienzweig Fug- sen zu dürfen, das wird Teil der Identität. Beson-
ger-Kirchberg wird schon seit der letzten Genera- ders wenn man die Aufgabe erhält, das Erreichte
tion von einer Frau geführt. zu erhalten und weiterzuentwickeln. Da sagt
man nicht: Ich guck mir das mal an, und wenn’s
Jungsouverän SPIEGEL: Was macht die Identität der Fugger nichts für mich ist, bin ich halt wieder weg. Das
Mit 27 folgte Alexan-
der Graf Fugger-
aus? ist eine generationsübergreifende Aufgabe.
Babenhausen 2009 Graf Fugger: Für mich ist es zuerst die Kern-
dem Ruf seines familie, in der ich aufgewachsen bin. Für uns alle SPIEGEL: Gibt es Familiengeschichten, die
Vaters, fortan den prägend ist sicher auch die Verantwortung für abends zum Einschlafen erzählt werden?
Augsburger Familien-
betrieb aus Forst-
die fuggerschen Stiftungen, um das positive, so- Graf Fugger: Das war in meiner Kindheit eher
wirtschaft und ziale Wirken dieser Einrichtung sicherzustellen. Astrid Lindgren.
Immobilien zu leiten.
Zuvor hatte der SPIEGEL: Gibt es so etwas wie Stolz auf das, SPIEGEL: Was machen die Fugger anders als
Volkswirt in London
bei einer amerika-
was die Dynastie erschaffen hat? andere adlige Familien?
nischen Bank ge- Graf Fugger: Sicher, die Fuggerei schon als Fürst Fugger: Anders kann ich nicht sagen.
arbeitet. Kind intensiv erlebt zu haben zeigt einem Wir treten nicht gern sehr bunt in der Gesell-
schaftspresse auf, das ist keine unserer Familien-
tugenden. Wir halten uns lieber im Hintergrund.
124 GESPRÄCH
DIE FUGGER-K APELLE
Rosa Marmor, verschnörkelte Stukkaturen und
ein Stilbruch in Blau und Gold: In der Augsburger
Kirche St. Anna haben die Fugger dafür gesorgt,
dass der Widerstand der Katholiken gegen die
Reformation bis heute sichtbar ist. Ihre ab 1509
für die Familie errichtete Grabkapelle, an deren
fürstlicher Ausstattung auch Albrecht Dürer mit-
gewirkt hat, gilt als erster sakraler Renaissance-
bau diesseits der Alpen. Die Kapelle blieb auch
nach 1517 katholisch; das barockisierende Lang-
haus der Kirche hingegen wurde protestantisch,
ein Symbol für die bikonfessionelle Reichsstadt
Augsburg. Die Fugger verewigten sich als Stifter
der Kapelle nicht nur durch das allgegenwärtige
Lilienwappen; auf dem linken Flügelbild der
großen Orgel sind der Stifter Jakob Fugger (mit
Goldhaube) und vermutlich sein Neffe Raymund
verewigt – geschickt unter die Zeitzeugen von
»Christi Himmelfahrt« gereiht.
sicher bei jedem eine gewisse Ehrfurcht aus. Museum und den Parkanlagen zu erhalten, an-
Ansonsten verhalte ich mich nicht anders, weil dererseits eine nachhaltige Nutzung zu finden.
jemand diesen oder jenen Namen trägt. Gemeinsam mit der Gemeinde Babenhausen
wollen wir dort eine Kita, Kindergarten und
SPIEGEL: Wenn Sie dem Herzog von Bayern Hort unterbringen und unserer sozialen Verant-
begegnen, gibt es keine Hierarchie? wortung gerecht werden.
Fürst Fugger: Doch, die gibt es. Letztendlich
wäre er der König von Bayern, und wir haben SPIEGEL: Sie brauchen öffentliche Gelder,
uns dementsprechend zu benehmen. um das Schloss zu erhalten?
Graf Fugger: Es gibt einschlägige Fördermög-
SPIEGEL: Was bedeutet das dann? lichkeiten, zum Beispiel aus der Denkmalpflege,
Fürst Fugger: Zurückhaltung, gelebter Respekt. die so wiederum der Allgemeinheit zugute-
kommen.
SPIEGEL: Ein Fugger-Forum 2018 trug den
Titel »Muss denn Reichtum Sünde sein«. SPIEGEL: Im sogenannten Damenhof des
Wie kann man vermeiden, dass Reichtum Augsburger Fuggerpalais kann man in einer
zur Sünde wird? Sommerbar beim Sundowner auf die fresken-
Fürst Fugger: Indem man seiner Verantwor- geschmückten Arkaden des ersten Renais-
tung der eigenen Umgebung gegenüber sanceprunkbaus nördlich der Alpen schauen.
gerecht wird. Und die Verbundenheit zu Ein- Setzen Sie Grenzen für das, was mit dem
richtungen aufrecht hält, die es seit Generatio- Namen Fugger heute gemacht werden darf?
nen gibt. Graf Fugger: Wir müssen uns immer fragen,
welche Nutzungen ein Ort verträgt.
SPIEGEL: Zum Beispiel?
Fürst Fugger: Etwa zur Universität Augsburg, SPIEGEL: Und welche nicht?
wo wir die wissenschaftliche Arbeit unterstüt- Fürst Fugger: Alles, was irgendwie schreie-
zen, aber auch im Schützenverein Babenhausen, risch oder kurzlebig angelegt ist, oder Investi-
den Anton Fugger 1557 gegründet hat. tionen, die schnelle hohe Rendite versprechen,
aber nicht solide durchdacht sind. Die vertragen
SPIEGEL: Die kleine amerikanische Gemein- sich nicht mit dem, was wir zu bewahren haben.
de, in der Jeff Bezos und Bill Gates wohnen,
hat neulich vermeldet, dass ihr das Geld für SPIEGEL: Wozu verpflichtet Adel heute noch?
Feuerwehr, Polizei und Straßen ausgeht. Das Graf Fugger: Der Adelstitel wurde in der Ge-
kann in Augsburg oder Babenhausen nicht schichte immer für eine besondere Leistung an
passieren? Einzelne vergeben, deren Nachkommen idealer-
Graf Fugger: Stiftungsvermögen und Privat- weise die Verantwortung und Vorbildfunktion
vermögen sind bei uns strikt getrennt. Als Firma fortführen. Klar, wir sind im Laufe der Familien-
muss ich wie jedes Unternehmen gut wirtschaf- geschichte geadelt worden. Und wir versuchen,
ten, als Familienseniorat sind wir unter anderem das Erbe von Jakob und Anton Fugger in die Ge-
verantwortlich für neun Stiftungen, darunter die genwart und Zukunft zu tragen, unter anderem
Fuggerei. das Mäzenatentum in der heutigen Zeit zu ani-
mieren. Aber ich tue mich schwer damit, mich in
SPIEGEL: Und dann sind da noch eine ganze meinem Alter als Vorbild zu sehen. Ich habe hier
Reihe von Schlössern … eine Aufgabe im Kontext der Familie in 19. Ge-
Graf Fugger: …die im 21. Jahrhundert zu er- neration und darf mich nicht nur auf mich selbst
halten ist eine gewaltige Aufgabe. Ein Projekt, und meine Ziele konzentrieren.
an dem wir momentan arbeiten, ist die Sanie-
rung der ehemaligen Wirtschaftsgebäude von SPIEGEL: Fürst Fugger, Graf Fugger,
Schloss Babenhausen, dem Stammsitz meiner wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Familie. Auf der einen Seite geht es darum, die
kulturhistorisch wichtigen Gebäude mit dem Das Gespräch führte die Redakteurin Bettina Musall.
126 GESPRÄCH
D I E B R AGA N ZA
Fast 400 Jahre lang wurde Portugal von Königen aus dem
Haus Braganza regiert, unter ihnen erlebte das Land
eine Blütezeit. Viel geblieben ist vom alten Glanz nicht.
ERSTMALS L I C H T G E S TA LT E N S C H WA R Z E S C H A F E
N AC H W E I S B A R
Johann IV., 1604 bis 1656. Als 1640 ein Charlotte Joachime von Spanien, 1775
1442 Aufstand gegen die spanischen Habsburger
losbrach, stellte sich Johann an dessen Spitze.
bis 1830. Versuchte, ihren Ehemann ent-
mündigen zu lassen, und unterstützte Sohn
Die Revolte gelang, und die Portugiesen Michael I. im Putsch gegen den Vater und im
krönten ihn zum König. Ein Coup zur rech- Krieg gegen den Bruder. Machte posthum
S TA M M S I T Z ten Zeit: Halb Europa lag im Krieg, die Groß- Karriere in Film und TV – als Schurkenfigur. [3]
mächte waren abgelenkt. Portugal nutzte das,
Vila
um seine Kolonien in Afrika und Südamerika Michael I., 1802 bis 1866, putschte erfolg-
Viçosa
auszudehnen – mit der Herrschaft der los gegen seinen Vater. Nach dessen Tod bot
Braganza begann Portugals Blütezeit. [1] Thronfolger Peter IV. dem Bruder Versöh-
nung, die Regentschaft und die Hand seiner
S TA M M L A N D E Kronprinzessin Isabella, 1846 bis 1921, siebenjährigen Tochter. Doch Michael wollte
vertrat ihren Vater Peter II. dreimal auf Krieg: Tausende starben, Michael landete im
Herzogtum
dem Kaiserthron Brasiliens. Und das nicht Exil. Der Familienkrach dauerte an, von nun
Braganza
nur pro forma: 1888 unterzeichnete sie an aber ohne Opfer.
(Nordost -
das »Goldene Gesetz« zur Sklavenbefrei-
portugal)
ung. Das Establishment empörte sich, G R Ö S S T E R S K A N DA L
das Militär putschte, die Monarchie endete.
In Brasilien erinnert man sich heute mit Prinz Franz Joseph, 1879 bis 1919, wurde
HÖCHSTE einem Ehrennamen an Isabel: Man nennt in London wegen einer homosexuellen Or-
ÄMTER sie »die Erlöserin«. [2] gie mit Minderjährigen angeklagt. Der Prinz
[GESCH ICHTE]
erklärte, ein Junge (15) habe ihn zu einer
BEDEUTENDSTE LEISTUNG Prostituierten führen sollen, stattdessen sei
Könige von
er überrascht gewesen, junge Männer anzu-
Portugal, Kaiser
Durch politische Allianzen mit England ze- treffen. Am Ende wurde er freigesprochen.
von Brasilien
mentierten die Braganza die Unabhängigkeit Wenig überrascht war man in Österreich, wo
Portugals von Spanien – und brachten das der Prinz wegen seiner Vorliebe für Tüllklei-
[ G E G E N WA R T ]
kleine Land so auf den Weg, zu einer der der bekannt gewesen sein soll. Für ein Paten-
mächtigsten Nationen Europas zu werden. kind des Kaisers galt das als unpassend. [4]
Kongress-
abgeordneter
in Brasilien
BERÜH MTE
RESIDENZEN
Der Stammsitz
ist auch der [1] [2] [3] [4] [5]
schönste, der
Palast aus dem
16. Jahrhundert
Bekannte Köpfe heute: Luiz Philippe Prinz von Orléans-Braganza, geboren 1969. Banker, Inter-
in Vila Viçosa.
netunternehmer und aufstrebender sozialliberaler Politiker in Brasilien. Bisher bemerkenswerteste
Initiative: Forderung nach einer neuen Verfassung nach dem Vorbild von 1824 – möglicherweise
Monarchie inklusive. Das würde Luiz Philippe zum brasilianischen Kronprinzen machen. [5]
128 ESSAY
Verwandtschaft
Die Braut auf dem
Ausnahme«
Foto, Hertha von
Raven-Beust, ist die
Großtante von Jutta
Ditfurth; sie heira-
tete 1909 Johannes
von Schierstädt.
Gertrud von Raven-
Beust (die zweite
Frau links der Braut)
ist Ditfurths
Urgroßmutter.
K
aum etwas markiert das Wesen des ein; Vorfahren von mir nahmen teil. Auf der Ta- in der Frankfurter
Stadtverordneten-
Adels präziser als sein Verhältnis gesordnung stand auch die »Emancipationsfrage
versammlung.
zum Judentum. Das »inkorporierte der Juden«, ein Gutachten belegte deren bedrü-
kulturelle Kapital« (so der Soziolo- ckende Lage. Die adeligen Delegierten ereiferten
ge Pierre Bourdieu) des Adels enthält mehr als sich über die Juden. Die stünden »auf einer sehr
tausend Jahre Judenhass. Von Gott »begnadet«, niedrigen Stufe der Kultur«, seien »fremdartige
kämpfte der christliche Adel gegen die ältere Re- Elemente ohne Recht«, in »einem christlichen
ligion. Während der Kreuzzüge verübten Ritter Staate ein obrigkeitsstaatliches Amt zu beklei-
noch auf deutschem Boden die ersten europäi- den«. Auch den Judenfreundlicheren ging es am
schen Pogrome. Ende darum, »das Judentum zu vernichten«.
Der Reformator Martin Luther, Vorbild mei- Kaiser Wilhelm II. beobachtete die zionisti-
ner Vorfahren, rief die protestantischen Fürsten sche Bewegung Theodor Herzls um 1900: »Ich
zum Niederbrennen von Synagogen, zur Vertrei- bin sehr dafür, daß die Mauschels nach Palästina
bung und Ermordung der Rabbis auf. Aber der gehen.« Herzl bemühte sich um eine Audienz,
Adel hatte da längst entdeckt, dass Pogrome ihn aber der Kaiser wollte mit keinem Juden gesehen
schlagartig von jüdischen Gläubigern befreiten. werden, die hätten schließlich »den Heiland
Der romantische Dichter Achim von Arnim, umgebracht«. Dennoch, dankbare »Hebräer«
mütterlicherseits weitläufig mit mir verwandt, konnten vielleicht von Nutzen sein, warum kein
gründete 1811 die »Deutsche Tischgesellschaft«, deutsches »Schutzgebiet« in Palästina? Am
in der sich die preußische Elite traf. Von Arnim Ende waren dem Kaiser die Eisenbahnverträge
befürchtete, dass sich Juden als getaufte Christen mit dem Osmanischen Reich wichtiger.
130 ESSAY
Beim Kuren hörte die Großtante einen Vortrag über die Protokolle
der Weisen von Zion. Danach verprügelte ihr Mann einen Juden.
Der Dichter Freiherr Börries von Münchhau- willkommen. Sie waren Aktivisten, Ideologen
sen, mein Urgroßonkel, schrieb in jungen Jahren und Agitatoren. Der größte Adelsverband, die
jüdische Heldenballaden, gab sie unter dem Titel Deutsche Adelsgenossenschaft (DAG), beschloss
»Juda« heraus und wurde von Herzl dafür ge- 1920 einen »Arierparagrafen« (siehe Seite 106).
lobt. Aber noch vor dem Ersten Weltkrieg lernte Adelige Familien gaben sich entsprechende
Münchhausen, Juden zu hassen. »Jedesmal, Satzungen.
wenn ich Berlin wiedersehe, erschreckt mich die Zum »Gotha«, dem genealogischen Handbuch
Verjudung unseres Volkes aufs Höchste … Es ist des Adels (siehe Seite 133), kam 1925 die »Edda«,
eine fürchterliche Rasse!« Else Lasker-Schüler das Eiserne Buch Deutschen Adels deutscher
»ist weitaus die übelste Jüdin des Tiergartens«. Art, ein Register des »reinblütigen« Adels, das
»Rassereinheit« wurde sein zentraler Gedanke. nur Mitglieder aufnahm, die auch vor 1750
»Eine Kreuzung von Mops und Dackel ergibt weder jüdische noch nicht weiße Vorfahren be-
immer nur ein Mistvieh … Eine Ehe zwischen sessen hatten. Damit übertraf man sogar die SS.
Arier und Juden ergibt immer einen Bastard.« Bald hatten sich 6000 adelige Männer registrie-
ren lassen, zusammen mit ihren Familien ergab
D
ie Quartiere der mehrheitlich adeli- das vermutlich eine Mehrheit im deutschen Adel.
gen Offiziere im Ersten Weltkrieg Es gab nur wenige Ausnahmen. Und in meiner
waren – bis heute oft unterschätzte – Verwandtschaft nur eine einzige: Karl Freiherr
Orte völkischer und antisemitischer von Brandenstein war SPD-Innenminister sowie
Agitation. 1918 vereinigten sich die Alldeutschen Justizminister in Thüringen und aktiver Nazi-
mit anderen rechtsradikalen Organisationen zur gegner. In meiner Familie nannte man ihn ver-
Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), einer ächtlich »das rote Biest von Brandenstein«.
Vorläuferorganisation der NSDAP. Die Hälfte Meine Urgroßmutter Gertrud von Raven-
meiner adeligen Verwandtschaft war Mitglied Beust rief 1923 die Reichswehr gegen aufrühre-
oder machte Wahlkampf. rische Landarbeiter auf ihrem Gut im thüringi-
Mit der Kriegsniederlage habe »sich die ur- schen Langenorla zu Hilfe. Oberstleutnant Wer-
alte, nordische Sage erfüllt, der Fenris-Wolf hat ner von Blomberg, ab 1935 Reichskriegsminister,
die Sonne verschlungen«, meinte meine Urgroß- half. Drei Tage später marschierten Truppen der
mutter Gertrud von Raven-Beust. Selbst als ihr Reichswehr aus Bayern nach Thüringen ein und
Ehemann einen großen Teil ihres Vermögens gingen gewaltsam gegen die neu gewählte links-
verspekuliert hatte, waren andere schuld, denn sozialistische Regierung vor. Sechs Jahre später
»der Jude zog uns durch seinen Terminhandel war die NSDAP dort zum ersten Mal in einer
noch das letzte Geld aus der Tasche«. Landesregierung vertreten.
Verwandte waren in der Weimarer Republik
V
Mitglieder des rechtsradikalen Freicorps Brigade erwandte nahmen 20 Jahre vor der
Ehrhardt, der nationalistischen Terrorgruppe Schoa die Vernichtung der Juden in
Organisation Consul (OC), im präfaschistischen ihren Alltagswortschatz auf: »Am
»Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten«. Einige liebsten schlüge ich noch heute einen
wurden mitverantwortlich für politische Morde. Juden tot und käme um Dich zu holen!«, schrieb
Die Verwandtschaft machte Ferien auf »juden- meine Großtante Hertha von Schierstädt ihrer
freien« Nordseeinseln. Urgroßtante Armgard Mutter in den Zwanzigerjahren, als sie knapp
von Hardenberg empörte sich im Schwarzwald bei Kasse war. Beeindruckt von der »üppigen«
über »Schieber und Juden«, die in den »elegan- Sanierung des elterlichen Guts Lemmie bei
testen Autos herumsausten«. Großtante Arm- Hannover, fragte meine Großmutter 1924 ihre
gard Maria von Holtzendorff hörte beim Kuren Schwester: »Hat Vati einen Juden erschlagen,
in Bad Kissingen einen Vortrag über »Die Pro- oder macht Ihr aus Häckerlingen Gold?«
tokolle der Weisen von Zion« und lernte: »Sie Münchhausen, mein Urgroßonkel, half, die
haben alle Macht in der Hand.« Danach ver- Akademie der Künste in Berlin von Juden wie
prügelte ihr Gatte einen Juden. Alfred Döblin und Demokraten wie Thomas
Adelige mit ihren in Jahrhunderten gereiften Mann zu »befreien«. Er brachte das Naziregime
einflussreichen Netzwerken waren bei den Nazis 1936 auf Trab, als es um die »Entdeutschung von
132
Anderthalb Jahrhunderte lang war der »Gotha« das wichtigste Handbuch
des europäischen Adels. Wer dort verzeichnet war, war ganz oben angekommen.
A
dukt; der letzte »Almanach de Gotha« erschien
ls der 22-jährige Pariser Autor Mar- Erlauchter Kreis für das Jahr 1944. Im Jahr darauf brannte das
cel Proust 1893 eine »Snobdame« be- Porträts aus dem Perthes-Archiv nieder.
»Gotha« von 1853:
schrieb, nannte er als wichtigste Quel- Marie Königin von
Seit 1997 aber hat ein britischer Verlag den
len ihrer Weltkenntnis spöttisch die Hannover, Georg V. ehrwürdigen Namen wiederbelebt – und offenbar
Gesellschaftsblätter »Tout-Paris«, »High-Life« König von Hannover, mit Erfolg. Der jüngste, 120 Pfund teure »Alma-
und – den »Gotha«. Marie Herzogin von nach de Gotha 2019« umfasst zwei Bände mit
Sachsen-Altenburg,
Der war damals bereits im 130. Jahrgang zu ha- Zar Nikolaus I.
zusammen mehr als 2800 Seiten. 2015 erkannte
ben. Mit vollem Namen hieß das fast 1300 Seiten (im Uhrzeigersinn) das Deutsche Adelsarchiv den Trend und nennt
dicke Buchklötzchen »Almanach de Gotha«. Es nun seine Buchreihen auch wieder »Gothaisches
enthielt ein Kalendarium, eine Statistik über alle Genealogisches Handbuch«. Stoff genug für Nostal-
Länder der Welt und einen umfangreichen Ab- giker, Traditionalisten – und Freaks.
»Es gibt heute viele im Adel, die mit ihrem Namen renommieren
gehen und versuchen, ihre Herkunft für wirtschaftliche Zwecke
zu instrumentalisieren. Ich bezweifle, dass der Adel heute
noch die Aufgabe einer Orientierung ausfüllen könnte. Er hat
als Klasse abgewirtschaftet, und zwar schon lange. Er hat
sich selbst abgewirtschaftet. Und er sollte in seiner traditionellen
Form abgewirtschaftet bleiben.«
Elisabeth Plessen, 75. Die Autorin, geboren als Elisabeth Charlotte Marguerite Auguste Gräfin von
Plessen, distanzierte sich in den Siebzigerjahren vom Adel. Ihre Erfahrungen beschreibt sie auch in ihrem
kürzlich erschienenen Roman »Die Unerwünschte« (Berlin Verlag).
134 GEGENWART
»Man muss
den Menschen,
die glauben,
wichtig zu sein,
ihre Wichtigkeit
nehmen. Da-
durch, dass ich
die Leute normal
»Wir haben keine behandele, reden
Macht, wir haben sie auch anders
keine Schlösser, miteinander,
wir haben kein es spielt dann
Land, wir haben keine Rolle,
nur unsere Ge- welches Amt sie
schichten. Und das innehaben.«
ist auch gut so.« Marianne Fürstin
zu Sayn-Wittgenstein-Sayn,
Konstantin von Hammerstein, 99, Fotografin, »Gesell-
58, arbeitet als SPIEGEL-Autor schaftsexpertin« und Gast-
in Berlin. geberin
Auch Herzog
Wilhelm Ernst von
Sachsen-Weimar
sammelte Bücher –
sie bildeten
den Grundstock
der berühmten
Herzogin Anna
Amalia Bibliothek
in Weimar.
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zum Besuch der Ausstellung »AMERIKA! DISNEY, ROCKWELL,
Straße, Hausnummer oder Postfach POLLOCK, WARHOL« (19.10.2019 bis 12.1.2020)
Die Ausstellung ist am Veranstaltungsabend von 19.00 bis 19.45 Uhr
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der Verzweiflung Kriege, Entdeckerfahrten
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