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Schwerpunkt
Zusammenfassung
Die Methoden der Biotechnologie wurden in den letzten 10 Jahren zu len hier Antiinfektiva eine wichtige Rolle. Neuartige Therapieverfahren wie
einem wichtigen Instrumentarium in der pharmazeutischen Wirkstofffor- die RNA-Interferenz stecken dagegen mit 1,5% aller kommerziellen For-
schung und -entwicklung. Bereits heute machen Biopharmazeutika rund schungsprojekte noch in den Kinderschuhen. Investitionen in zukunftsfä-
15% des gesamten Umsatzes mit Arzneistoffen aus. Dabei sind die drei hige Spitzentechnologien wie die Biotechnologie sind für ein hoch ent-
wichtigsten Indikationsgruppen die Onkologie, Stoffwechselerkrankungen wickeltes und rohstoffarmes Land wie Deutschland von zentraler Bedeu-
und Erkrankungen des Bewegungsapparats. Für die nächsten Jahre kann tung. Die Biotechnologie hilft den deutschen Pharmaakteuren vor allem
damit gerechnet werden, dass Biopharmazeutika weiter an Bedeutung ge- dabei, neue Produkte, Prozesse/ Verfahren und Dienstleistungen zu ent-
winnen. Der Anteil von Substanzen in der präklinischen Forschung, die auf wickeln und existierende zu verbessern. Dadurch kann die internationale
biotechnologischen Verfahren beruhen, liegt mittlerweile bei über 25%. Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, neue Arbeitsplätze in Deutschland können
Neben Produkten für die Onkologie und Stoffwechselerkrankungen spie- geschaffen und bestehende gesichert werden.
∗ Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Sibylle Gaisser, Hochschule Ansbach, Residenzstraße 8, 91522 Ansbach, Deutschland. Tel.: +49 0 981 4877 304.
E-Mail: sibylle.gaisser@hs-ansbach.de.
Key words: biotechnology, pharmaceutical industry, market potential, employment potential, potential in research and development, new therapeutics
Einleitung und Methodik Anbieters informa healthcare geliste- tären und industriellen Forschungsalltag
ten Forschungsprojekte und der am wahrgenommenen Anzahl von Projek-
Biotechnologie als Stimulus des Markt registrierten und eingeführten ten.
Pharmasektors Produkte, die am Fraunhofer-Institut
Die Dynamik der letzten Jahre im Phar- für System- und Innovationsforschung
masektor wurde stark durch Trends aus durchgeführt wurden. In der Datenbank Markt- und
der Biotechnologie geprägt. Die Me- sind alle in der Pharmaentwicklung be- Umsatzpotentiale von
thoden der Bio- und Gentechnik ha- findlichen Substanzen systematisch er- Biopharmazeutika
ben sich als zentrale Methoden in fasst. Dieser Substanzfokus führt dazu,
der medizinischen und pharmazeuti- dass einzelne Forschungsprojekte, die Biotechnologieprodukte in der Phar-
schen Forschung etabliert. Den bio- zur selben Substanz durchgeführt wer- mazeutischen Industrie fallen in die
technologischen Verfahren kommt eine den, zu einem Projekt/einer Aktivität zu- Kategorien der Therapeutika, Vakzine
immer wichtigere Rolle bei der Ent- sammengefasst sind. So werden zum und Diagnostika. Zu den Biopharma-
wicklung und Herstellung von phar- Beispiel verschiedene Tierexperimente zeutika zählen u.a. gentechnisch pro-
mazeutischen Produkten (Diagnostika, und klinische Studien mit einer be- duzierte (rekombinante) Proteine, the-
Therapeutika, Impfstoffe) zu [1]. Da- stimmten Substanz zu verschiedenen In- rapeutische Antikörper und Medika-
bei wird das seit Jahrzehnten vorherr- dikationen jeweils unter dem Substanz- mente auf Nukleinsäurebasis. Über die
schende chemische Paradigma zuneh- namen als ein Treffer zusammengefasst. letzten Jahre hinweg konnten Bio-
mend durch ein biotechnologisches ab- Damit unterscheidet sich die in der pharmazeutika zunehmend Marktan-
gelöst: Molekularbiologische und gen- Datenbank vorgenommene Projektde- teile gewinnen. Eine Untersuchung des
technische Ansätze tragen wesentlich finition vom gängigen Projektverständ- Fraunhofer-Instituts für System- und In-
zur Aufklärung der physiologischen nis, bei dem die Abgrenzung über den novationsforschung (ISI) basierend auf
Vorgänge bei, die im Krankheitsfall Untersuchungsgegenstand (eingesetz- Umsatzzahlen von IMS Health zeigte,
vom Normalzustand abweichen. Somit tes Tier im Tierversuch, untersuchte In- dass Biopharmazeutika zwischen 1995
wird die Grundlage für neue Thera- dikation, Dosis oder Zielgruppe) oder und 2005 ihre Marktanteile in Europa
pien und damit auch neue Medika- die das Projekt durchführende Einrich- von 3,5 % aller durch Pharmazeutika
mente gelegt [2]. Dieser Trend ging tung erfolgt. Bedingt durch diesen Sub- gemachten Umsätze auf 8% steigern
mit einer grundlegenden Strukturände- stanzfokus der Projektdefinition liegt konnten (Abb. 1). In den USA lag nach
rung im Pharmasektor einher. Ab der die absolute Anzahl der in der Da- dieser Untersuchung der Umsatz mit
Jahrtausendwende hatten sich Biotech- tenbank PHARMAPROJECTS ermittel- Biopharmazeutika im Jahr 2005 bereits
Start-up-Unternehmen als neue Ak- ten Projekte unter der im universi- bei 12% [4]. Die Unterschiede zwischen
teure im Pharmasektor zu begehr-
ten Fusions- und Übernahmekandida-
ten entwickelt. Nach einer Studie von
PricewaterhouseCoopers im Jahr 2001
hatten Biotech-Unternehmen mit 44 %
(= 27 Mrd. US$) den weltweit höchsten
Anteil am Gesamtwert aller Pharmafu-
sionen und -übernahmen erreicht [3].
Dies verdeutlicht den hohen Stellen-
wert, der den Biotech-Unternehmen
aus der Perspektive der pharmazeuti-
schen Industrie zugeschrieben wird.
Methodik
Ein Großteil der in dieser Untersuchung
dargestellten Analysen basiert auf ei-
ner Auswertung der in der Datenbank Abb. 1. Umsatzanteile von Biopharmazeutika am Gesamtpharmamarkt: Berechnungen Fraunhofer ISI
PHARMAPROJECTS des kommerziellen basierend auf Daten von IMS Health [4].
Volkswirtschaftliche
Bedeutung
Investitionen in zukunftsfähige Spitzen-
technologien wie die Biotechnologie
sind für ein hoch entwickeltes und roh-
stoffarmes Land wie Deutschland von Abb. 5. Relevanz verschiedener Molekülarten bei biotechnologischen Substanzen in der präklinischen
zentraler Bedeutung, um sich in vie- Entwicklung. Berechnungen Fraunhofer ISI basierend auf PHARMAPROJECTS (2008).
ner Untersuchung des Fraunhofer ISI Beschäftigungspotenziale Unter- und ISIS eingesetzt (zur Methodik vgl.
wurde mit Hilfe eines „Top-down‘‘ und Obergrenzen angegeben im Sinne ei- [8]).
„Bottom-up‘‘-Verfahrens und eines nes „wahrscheinlichen Korridors‘‘. Zu Die Untersuchungen zeichnen fol-
breiten Quellen- und Methoden-Mix beachten ist zudem, dass der gesamt- gendes Bild [8]: In 2004 basierten in
(insb. schriftliche Befragung, Exper- wirtschaftliche Beschäftigungseffekt der Pharmaindustrie 11 bis 18 Pro-
teninterviews, Patentanalysen so- mit dem üblichen Indikator der di- zent des Umsatzes auf Biotechnolo-
wie technoökonomischen Studien) rekt Biotechnologie-Erwerbstätigen gie. Bis 2020 steigt dieser Umsatzan-
Marktpotenziale der Biotechnologie in der Pharmaindustrie nur un- teil voraussichtlich deutlich auf 18 bis
(„Biotechnologie-Umsatzanteile‘‘) in zureichend erfasst wird. Durch 40 Prozent an mit positiven Folgen für
der Pharmaindustrie für die Jahre 2004 Investitionstätigkeiten (u.a. zur Mo- die Beschäftigung. Dadurch ergeben
und 2020 bestimmt (zur Methodik vgl. dernisierung von Biotechnologie- sich für die Pharmabranche folgende
[8]). Produktionsanlagen/ Forschungsla- „Biotechnologie-Beschäftigungs-
Da wie in neuen Technikfeldern üb- bors) und Ausgaben für Vorleistungs- effekte‘‘: In 2004 induziert je-
lich die tatsächliche Marktdurchdrin- käufe bei Zulieferindustrien (u.a. che- der der 12.500-20.500 direkten
gung mit erheblichen Unsicherheiten mische und pharmazeutische Vor- Biotechnologie-Arbeitsplätze in der
behaftet ist (u.a. auf Grund aktuell produkte, FuE-Dienstleistungen von Pharmaindustrie weitere ca. 1,05, d.h.
begrenzter Datenverfügbarkeit, noch Hochschulen, Forschungseinrichtun- insgesamt 13.000-21.500 Arbeitsplätze
nicht getroffener strategischer Un- gen und Biotechnologie-KMU) entste- in vorgelagerten Zuliefersektoren.
ternehmensentscheidungen, techno- hen vorgelagerte indirekte Beschäf- Die Gesamtzahl der direkt
logischer Durchbrüche oder der Ent- tigungseffekte in den Zuliefersek- plus indirekt Biotechnologie-
wicklung der innovationsfördernden toren der Pharmaindustrie. Zur Be- Erwerbstätigen liegt damit bei circa
und innovationshemmenden Stand- rechnung der direkten und indirek- 25.500-42.000 in 2004; dieses gesamte
ortfaktoren bis 2020), wurden sowohl ten Beschäftigungspotenziale wurde Beschäftigungspotenzial steigt weiter
für die Umsatzanteile als auch für die das Fraunhofer Input-Output-Modell an auf rund 40.500-90.000 in 2020.