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Gesundheitsökonomie der
Krebsfrüherkennung in
Deutschland: Welche
Interventionen sind
kosteneffektiv bei bevölkerungs-
weiter Umsetzung?
Früherkennungsprogrammen veränder- Gesamtheit der Versicherten, auch bei aber wirksame2 Maßnahme zur
ten Versorgungsbedarf gerecht zu wer- Folgekostenabschätzung und Kosten- Früherkennung wie der Test nach
den, und fordert, dass die Kosten eines Nutzen-Abwägung im Vergleich zu Papanicolaou (Pap-Test), der durch
Programms in einem annehmbaren Ver- anderen Maßnahmen. mikroskopische Diagnose von Vor-
hältnis zu seinem Gesamtnutzen stehen stufen das Risiko der Erkrankung
sollen [5]. Vor diesem Hintergrund werden seit über an einem Zervixkarzinom deutlich
In Deutschland sind die offiziel- 30 Jahren international in stetig steigen- senkt, Mehrkosten von mehr als einer
len Evaluationskriterien für Früherken- dem Umfang – anders als bislang in Million US-Dollar bezogen auf das
nungsmaßnahmen in der Verfahrens- Deutschland – formale gesundheitsöko- Jahr 19903 (hochgerechnet auf 2018
ordnung des Gemeinsamen Bundesaus- nomische Evaluationen eingesetzt, um entspräche das rund dem doppelten
schusses (G-BA) niedergelegt [6]. Für wirksame Strategien der Früherkennung Dollarbetrag) je zusätzlich gewonne-
die Entscheidung, welche Leistungen (und Prävention) von schweren Erkran- nem Lebensjahr verursachen kann
von der Gesetzlichen Krankenversiche- kungen auf ihre Wirtschaftlichkeit zu – und zwar dann, wenn bei 20- bis
rung (GKV) im Einzelnen übernommen überprüfen und daraus die Entwicklung 75-jährigen amerikanischen Frauen
werden, werden demnach insbesondere von Empfehlungen für ihren optima- die Screeningfrequenz von einmal
berücksichtigt, len Einsatz zu unterstützen [7]. Diese in zwei Jahren auf einmal jährlich
4 ob es sich um eine behandelbare Analysen führen zu manchmal überra- erhöht würde. Ungeachtet dessen
Krankheit handelt (Wirksamkeit schenden Einsichten, die für informierte wurde der Pap-Test in Deutschland
unter Ideal- und unter Praxisbedin- Entscheidungen über die Aufnahme für alle Frauen ab 20 Jahren einmal
gungen: „efficacy“; „effectiveness“); von Maßnahmen etwa in den Leis- jährlich empfohlen und die Kosten
Nutzen einer frühen im Vergleich zu tungskatalog der GKV in Deutschland wurden von den Krankenkassen im
einer späteren Behandlung; und in Österreich bzw. der obligatori- Rahmen der gynäkologischen Vor-
4 die Erfassbarkeit von Vor- und schen Kranken- und Pflegeversicherung sorgeuntersuchung übernommen.
Frühstadien durch geeignete diag- (OKP) in der Schweiz äußerst hilfreich Die Situation hat sich seit Eddys
nostische Maßnahmen (Krankheits- sein können. Sie bergen aber auch das Studie insofern verändert, als dass
verlauf ohne und mit Intervention; Potenzial, bei fehlendem Verständnis mit der Entdeckung der kausalen
Aussagekraft und Effektivität der In- der zugrunde liegenden Methodik, der Rolle des Humanen Papillomvirus
tervention; Skalierbarkeit, d. h. Erhalt getroffenen Annahmen und der damit (HPV) bei der Entstehung zahl-
der Aussagekraft und Qualität bei verknüpften Limitationen zu folgen- reicher Zervixkarzinome und der
flächendeckender Anwendung); schweren Fehleinschätzungen beitragen Einführung der HPV-Impfung nun
4 die Trennschärfe von Befundkate- zu können. eine primärpräventive Maßnahme
gorien und die technische Güte des zur Verfügung steht [9], deren Kos-
Diagnoseverfahrens; Überraschende Einsichten teneffektivität sowohl für Mädchen
4 das Vorhandensein der notwendigen [10] als auch Jungen gut belegt ist [11,
Infrastruktur (erwartete Fallzahlen; Zwei frühe Beispiele für überraschende 12]. Vor diesem Hintergrund wurde
Zahl und Qualifikation der Leis- Einsichten illustrieren auf den ersten vom G-BA die empfohlene Scree-
tungserbringer; Organisation der Blick kontraintuitiv erscheinende Er- ningstrategie angepasst: bei Frauen
gesamten Screeningkette und der gebnisse, die eine genauere Analyse ab dem Alter von 35 Jahren soll bei
Behandlungspfade) sowie, verdienen, weil sie zentrale Aspekte ge- unauffälligem Test auf eine HPV-
4 für die vorliegende Arbeit von beson- sundheitsökonomischer Analysen auf Infektion eine zytologische Untersu-
derem Interesse, die Wirtschaftlich- dem Gebiet der Früherkennung und chung (kombiniert mit einem HPV-
keit: Prävention von Krebserkrankungen be- Test) nur noch im Abstand von drei
In §10, 1, 5 der Verfahrensordnung leuchten helfen: Jahren erfolgen [13]. Modellierun-
[6] konkretisiert der G-BA, dass die 1. Die Überraschung war groß, als der gen unterstützen die Sinnhaftigkeit
Einschätzung der Wirtschaftlich- amerikanische Entscheidungsanaly-
keit einer Maßnahme „möglichst“ tiker David Eddy 1990 [8] aufzeigte, 2 Die Risikoreduktion in Eddys Studie [8] war
erfolgen soll auf der Basis von Un- dass eine so wenig aufwendige1 , da-
wie folgt: Referenzfall ohne Screening: 118
terlagen zu zusätzlichen Kosten pro Todesfälle je 10.000 Frauen (bezogen auf
zusätzlich entdecktem Fall und pro einer Alterskohorte von 20 bis 75 Jahren);
verhindertem Ereignis (Erkrankung, Screening in Vierjahresabständen: 43/10.000;
Behinderung, Tod), Kosten und Ein- in Dreijahresabständen: 40/10.000; in Zwei-
1 In David Eddys Studie [8] wurde von La- jahresabständen: 34/10.000; einmal jährliches
sparung der aus der Früherkennung
borkosten von 3 US-$ pro Test ausgegangen; Screening: 28/10.000 Frauen.
resultierenden Therapie, Kosten- 3
darüber hinaus konnten weitere Kosten in Das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt
Nutzen-Abwägung (Patienten- oder einer Größenordnung von US-$ 62 bis US-$ 76 pro Kopf betrug im gleichen Jahr (1990)
Versichertenperspektive), Kosten- entstehen, wenn ein Arztbesuch nur wegen des ca. 24.000 US-$, im Vergleich zu ca. 57.500 US-$
Nutzen-Abwägung in Bezug auf die Früherkennungstests erfolgte. im Jahr 2016.
The health economics of cancer screening in Germany: Which population-based interventions are
cost-effective?
Abstract
Only a small proportion of German health effectiveness ratios, comparing a measure benefit ratio for the fecal occult blood test and
expenditure is spent on prevention and with its appropriate alternatives, may be colonoscopy for colorectal cancer screening
early detection (screening). The rationale for a useful tool. Their application requires and, similarly, for the use of mammography
screening is to identify persons with disease a defensible benchmark (threshold) for cost for breast cancer screening. On the other
precursors or at the early stage of diseases effectiveness and a supplementary analysis hand, the economic evidence in favor of low-
when they are still asymptomatic, in order of the necessary infrastructure and the dose computed tomography for lung cancer
to decrease disease-specific morbidity and budgetary impact associated with program screening does not yet appear sufficiently
mortality. In Germany, the economic evidence implementation. Also (albeit not only) strong, and the currently available health
is one of the evaluation criteria for screening because of the usually long time required to economic evidence does not support the use
measures, which, among other things, takes observe the clinical outcomes of a screening of PSA testing for prostate screening.
into account the additional cost per additional measure, the economic evaluation of such
case detected or per case-related event programs regularly involves the application Keywords
avoided, as well as a cost-benefit balance. of decision analytic simulation models. With Cost effectiveness · Colorectal cancer · Breast
For this purpose, cost-effectiveness analyses, regard to cancer screening programs, the cancer · Lung cancer · Prostate cancer
which report marginal or incremental cost available models indicate an excellent cost-
dieses Strategiewechsels aus gesund- im Stuhl (gFOBT) als Lehrbeispiel mit geradezu unglaublich anmuten-
heitsökonomischer Sicht, da er bei verwendet. Nachdem die American den Mehrkosten von 47 Mio. US-$
verbesserter Effektivität sogar zu Kos- Cancer Society gerade die sechsma- je extra gewonnenem Lebensjahr
tensenkungen führen könnte [14], lige Durchführung des einfachen einherginge.
wobei die Auswirkungen steigen- Tests empfohlen hatte, legten Duncan
der HPV-Vakzinationsraten auf die Neuhauser und Ann Lewicki 1975 Erklärungsansätze
Kosteneffektivität von Screeningstra- [16] eine Berechnung vor, der zufolge
tegien noch nicht berücksichtigt sind der sechste Test (nach fünf zuvor 1. Das erstgenannte Beispiel zeigt
[15]. bereits durchgeführten) nur noch die grundlegende Bedeutung des
2. In vielen gesundheitsökonomischen 0,0003 weitere Fälle bezogen auf eine Prinzips der marginalen (und in-
Seminarveranstaltungen wurde (und Kohorte von 10.000 Testpersonen krementalen) Analyse in der Ge-
wird bis heute) die Kosteneffektivität aufdecken würde – und deshalb im sundheitsökonomie eindrucksvoll
des sechsten Tests auf okkultes Blut vielzitierten Basisfall (Base Case) auf (vgl. unten und . Infobox 1).
Tab. 3 Merkmale wichtiger Modellierungstechniken zur Evaluation eines Screeningprogramms ten (kolorektale Karzinome, Brustkrebs,
(eigene Darstellung, DKFZ; in Anlehnung an [23–25]) Prostata- und Lungenkrebs) skizziert
Kohortenmodelle Personenbasierte Modelle und anhand der mit Blick auf das Ziel
(Markov-Modelle) (Mikrosimulationen) der vorliegenden Übersicht relevan-
Strukturelle Flexibilität Vergleichsweise gering Deutlich größer testen Studien exemplarisch diskutiert
Komplexität der Modellent- Gering, solange die Zahl der Vergleichsweise höher werden. In allen Fällen ist eine Mo-
wicklung Gesundheitszustände gering dellierung über den durch empirische
bleibt Daten abgesicherten Zeitraum hinaus
Komplexität der Kalibrierung Gering, solange die Zahl der Vergleichsweise höher unverzichtbar (. Abb. 1; [27–51]). Daten
Gesundheitszustände gering zum klinischen Nutzen unter Studien-
bleibt
bedingungen liegen für die wichtigsten
Kommunizierbarkeit der Er- I. d. R. einfacher Komplexität erschwert Kom-
Früherkennungsmaßnahmen bislang
gebnisse munizierbarkeit
über einen Zeitraum von 17 bzw. 30 Jah-
Gedächtnis (Berücksichtigung Nein Ja
vorangegangener Ereignisse)
ren (Darmkrebs; gFOBT [27, 28] und
flexible Sigmoidoskopie [32–34]; vgl. un-
Komplexität der Modellierung Vergleichsweise höher Vergleichsweise niedriger
von Subpopulationen ten), von 29 Jahren (Brustkrebs [36–38]),
15 Jahren (Prostatakrebs [42–44]) bzw.
Verlaufsdarstellung auf Patien- Nein Ja
tenebene möglich 7 Jahren (Lungenkrebs [48]) vor.
Probabilistische Modellierun- Möglich, aber technisch an- Ja
gen spruchsvoll Früherkennung kolorektaler
Entscheidungsanalytische Ja Eingeschränkt Karzinome: FOBT und Endoskopie
Standardsoftware verfügbar?
Derzeit müssen vor allem zwei Familien
von Indikations-Interventions-Paaren
künftige Kosten und Effekte über den dungen zu treffen, wenn bzw. solange unterschieden werden: fäkal-okkulte
empirisch dokumentierten Zeitrahmen abschließende Studienergebnisse (noch) Bluttestungen (FOBT; auf welche bei po-
hinaus zu berücksichtigen. Aus diesen nicht vorliegen (können). Modellierung sitivem Ergebnis weitere diagnostische –
und weiteren Gründen gilt die Nutzung sollte als ein iterativer Prozess verstanden in der Regel zunächst eine Koloskopie –
entscheidungsanalytischer Modelle in werden, der helfen kann, komplexe Zu- und gegebenenfalls therapeutische Maß-
der angewandten Gesundheitsökonomie sammenhänge besser zu verstehen und nahmen folgen) und Darmspiegelungen
als unverzichtbar – auch wenn ihr gera- Vorhersagen im Sinne von Wenn-Dann- (in der Regel Koloskopien), die neben der
de in Deutschland vielfach mit Skepsis Aussagen abzuleiten, deren Unsicherheit Früherkennung von asymptomatischen
begegnet wird. mittels Sensitivitätsanalysen untersucht Karzinomen (Sekundärprävention) auch
Aus ökonomischer Sicht wünschens- und aus denen weitere Forschungsfragen die Detektion und Entfernung von ade-
wert wäre eine regelhafte Simulation der abgeleitet werden können. International nomatösen Veränderungen (Primärprä-
zu erwartenden Auswirkungen vor der anerkannte Standards für gute Modellie- vention) erlauben. Für das Screening
Implementierung von Programmen. An- rungspraxis liegen vor – u. a. hinsichtlich von asymptomatischen Personen mit
ders als eher reduktionistische Markov- Klarheit der Fragestellung, Modellstruk- durchschnittlichem Risiko werden in
Kohortenmodelle sind dynamische Mi- tur, Datenquellen, Transparenz, Validie- Deutschland mit Verabschiedung der
krosimulationstechniken geeignet, auch rung, Kalibrierung [23–25]. Richtlinie für organisierte Krebsfrüher-
Feedbackschleifen, Interaktionen und Einmal implementiert, sollten organi- kennungsprogramme (oKFE-RL) durch
nichtlineare Beziehungen abzubilden sierte Krebsfrüherkennungsprogramme den G-BA am 19.07.2018 und 02.08.2018
und auf dieser Basis mittels Szenario- grundsätzlich nicht nur – wie derzeit ab dem 50. Lebensjahr einmal jährlich
und Sensitivitätsanalysen Zusammen- in Deutschland vorgesehen [26] – hin- (ab dem Alter von 55 Jahren alle zwei
hänge zwischen Evidenz, getroffenen sichtlich Akzeptanz, Qualität und me- Jahre) die Kosten für Tests auf okkultes
Annahmen und den vom G-BA defi- dizinischen Outcome evaluiert, sondern Blut im Stuhl mittels immunologischer
nierten Evaluationskriterien (vgl. Einlei- auch gesundheitsökonomisch begleitet Technik (iFOBT; anstelle der bis 2016
tung) transparent zu machen bis hin zu und ausgewertet werden. üblichen guajakbasierten chemischen
Konsequenzen für die benötigte Infra- Tests, gFOBT) von der GKV erstat-
struktur und budgetären Auswirkungen Gesundheitsökonomische tet [26, 52]. Als Goldstandard gilt die
von Screeningprogrammen sowie mög- Evaluationen von Krebs- komplette qualitätsgesicherte Kolosko-
lichen Skaleneffekten (. Tab. 3; [23–25]). früherkennungsprogrammen pie, welche die höchste Sensitivität und
Selbst wenn Modelle natürlich kein Spezifität für das Auffinden von Kar-
gleichwertiger Ersatz für randomisier- Im Folgenden soll der Stand der gesund- zinomen und Adenomen aufweist. Sie
te kontrollierte Studien sind, können sie heitsökonomischen Forschung bezogen wird gemäß oKFE-RL für Personen mit
doch dabei helfen, informierte Entschei- auf die Früherkennung häufiger Krebsar- durchschnittlichem Erkrankungsrisiko
Abb. 1 8 Zeithorizont aktueller internationaler klinischer Studien zur Wirtschaftlichkeit von Krebsfrüherkennungsprogram-
men (Stand Juni 2018). Die dunkelblauen Balken zeigen jeweils die längste in klinischen Studien dokumentierte Follow-up-
Periode (Basis: Vollpublikationen in Zeitschriften mit externem Peer Review; Stand Juni 2018). Die hellblauen Balken geben die
zusätzlichenZeitspannenan,fürwelcheKostenundNutzenmittels gesundheitsökonomischerModellierungensimuliert wur-
den.DerZeithorizont dereinzelnenStudienunterscheidet sichteils beträchtlich.(Nach:Darmkrebs/gFOBT,2 klinischeStudien
[27, 28], 3 Modellierungen [29–31]; Darmkrebs/(einmalige flexible) Sigmoidoskopie, 3 klinische Studien [32–34], 2 Modellie-
rungen [31, 35]; Brustkrebs, 3 klinische Studien [36–38], 3 Modellierungen [39–41]; Prostatakrebs, 3 klinische Studien [42–44],
3 Modellierungen (davon ein systematischer Review; [45–47]); Lungenkrebs, 1 klinische Studie [48], 3 Modellierungen (davon
ein systematischer Review; [49–51])
in Deutschland zweimal im Abstand Deutschland [57]) kostensenkende Ef- als unbefriedigend angesehenen Teil-
von mindestens zehn Jahren, für Män- fekte – im Vergleich zu keinem Screening nahmeraten an Screeningprogrammen
ner beginnend mit dem 50., für Frauen [54–56]. Die Studienlage erlaubt dagegen und hier vor allem an der Kolosko-
beginnend mit dem 55. Lebensjahr, von keine eindeutige Aussage über die relati- pie als gegenwärtigen Goldstandard zu
der GKV übernommen [52]. Es ist gut ve (inkrementale) Kosteneffektivität der steigern. Es muss davon ausgegangen
belegt, dass sowohl primär gFBOT- unterschiedlichen Strategien, auch wenn werden, dass sich in Deutschland die
[27, 28] als auch sigmoidoskopiebasier- US-amerikanische Studien Koloskopi- Zehnjahresteilnahmeraten bei über 55-
te [32–34] Screeningstrategien zu ei- en im Zehnjahresabstand tendenziell Jährigen in einer Größenordnung um
ner Senkung der krankheitsspezifischen kosteneffektiver erscheinen lassen [56], 30 % bewegen. Daraus ergibt sich unter
Mortalität und (im Fall primär endosko- während umgekehrt zwei europäische Berücksichtigung von Koloskopien, die
piebasierter Strategien [53]) auch einer Studien [30, 57] Hinweise auf eine mögli- aufgrund anderer Indikationen (gastro-
deutlichen Reduktion der Inzidenz füh- che ökonomische Vorteilhaftigkeit einer intestinale Symptomatik oder positiver
ren; ein signifikanter positiver Effekt auf auf zweijährlichem iFOBT basierenden FOBT) durchgeführt werden, eine In-
das Gesamtüberleben der Screeningteil- Strategie liefern. anspruchnahme durch nur 55 % der
nehmer konnte allerdings bislang nicht Nicht alle vorliegenden gesundheits- insgesamt infrage kommenden und von
direkt nachgewiesen werden. ökonomischen Evaluationen beziehen der Untersuchung profitierenden Popu-
Systematische Reviews der gesund- die mit der Einführung neuer therapeu- lation [59].
heitsökonomischen Literatur fanden im tischer Optionen verknüpften steigenden Bemerkenswerterweise haben viele
Jahr 2002 sieben [54], 2011 bereits 32 [55] Behandlungskosten kolorektaler Karzi- der US-amerikanischen Kosteneffekti-
und 2018 in einem Update weitere 33 nome in die Modellierung ein; es ist vitätsanalysen eine Adhärenzrate von
[56] den Suchkriterien genügende Kos- zu vermuten, dass deren vollständige 100 % unterstellt [56]; sie zeigen da-
teneffektivitätsanalysen der verschiede- Berücksichtigung die durchschnittliche her, was die Intervention idealtypisch
nen Screeningstrategien. Die Ergebnisse Kosteneffektivität der wirksam die Inzi- zu leisten vermag (im Sinne von „effi-
belegen für alle relevanten Interventio- denz reduzierenden Screeningstrategien cacy“; . Tab. 1). Selbst wenn in diesen
nen (gFBOT und iFOBT jährlich oder weiter verbessert bzw. deren kosten- Modellen eine verringerte Adhärenz per
zweijährlich; flexible Sigmoidoskopie in einsparenden Effekt vergrößert, also se das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht
Fünfjahresabständen, Koloskopie und die ökonomische Vorteilhaftigkeit der signifikant verändert, bleibt unter den
auch CT-Kolonographie in Zehnjahres- Screeninginterventionen noch einmal Bedingungen der medizinischen Praxis
abständen) konsistent Kosteneffektivität deutlicher hervortreten lassen würde die Frage nach dem Verhältnis von mar-
nach herkömmlichen Kriterien (Bench- [58]. Vor diesem Hintergrund gibt es ginalem Aufwand (vorliegend: um die
marks, vgl. oben) oder sogar (auch für sehr gut begründete Bemühungen, die Inanspruchnahme zu steigern) und mar-
ginalem Ergebnis („effectiveness“) offen. QALY [63] in hochentwickelten west- Früherkennung des Lungen-
Für eine belastbare gesundheitsökono- lichen (aber wahrscheinlich nicht in karzinoms: Low-Dose-
mische Bewertung der Kosteneffektivität asiatischen [63, 64]) Ländern bewegen Computertomographie (LD-CT)
von Programmen zur Früherkennung dürften – und damit unterhalb verbreitet
(nicht nur bei kolorektalen Karzinomen) angewendeter Schwellenwerte für Kos- Die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie des
kommt es aber genau darauf an, denn teneffektivität. Die wenigen verfügbaren G-BA schließt die LD-CT zur Früher-
es wäre vollkommen unrealistisch, unter deutschen Daten bewegen sich innerhalb kennung des Lungenkarzinoms nicht
der Randbedingung autonomer Teilnah- des genannten Rahmens [66]. Die ökono- ein [52]. Deutsche und internationale
meentscheidungen der umworbenen mischen Implikationen der Anwendung Empfehlungen [68–71] stimmen da-
Bürger (und weiterer intervenierender neuerer Techniken und einer möglichen mit insofern überein, als sie – trotz
Variablen) eine Inanspruchnahme von Ausweitung vor allem der unteren Al- der in einer Langzeitstudie über sie-
100 % zu erwarten. tersgrenze sind unklar und könnten zu ben Jahre dokumentierten Reduktion
weniger günstigen Ergebnissen führen der krankheitsspezifischen Mortalität
Früherkennung des Mammakarzi- [67]. im Vergleich zu posterior-anteriorem
noms: Mammographiescreening Thoraxröntgen [48] – die Methode für
Früherkennung des Prostata- den Breiteneinsatz überwiegend noch
Die gesundheitsökonomische Diskus- karzinoms: Screening mittels nicht empfehlen und den Einsatz primär
sion der verfügbaren Optionen zur PSA-Test bei Vorhandensein von Risikofaktoren
Früherkennung des Mammakarzinoms (in erster Linie Raucheranamnese) als
in der symptom- und risikofaktorfrei- Die gesundheitsökonomischen Evalua- gerechtfertigt betrachten. Kosteneffek-
en Allgemeinbevölkerung wird hier tionen des populationsbasierten Scree- tivitätsmodellierungen legen nahe, dass
auf das Mammographiescreening (bei nings auf Frühformen des Prostatakarzi- LD-CT – stets verglichen mit keinem
Frauen im Alter von 50 bis 74 Jah- noms mittels PSA-Tests lassen sich um Screening und in Abhängigkeit vom
ren) beschränkt [60], für das die mit den Preis nur geringer Vereinfachung herangezogenen Benchmark – unter be-
Abstand beste Evidenz für einen kli- so zusammenfassen: Ohne belegte Ef- stimmten Voraussetzungen mit einem
nischen Nutzen (einschließlich einer fektivität kann es keine Kosteneffektivi- inkrementalen Kosten-Effektivitäts-Ver-
Mortalitätsreduktion [36–38]) vorliegt tät geben. Selbst wenn man einer Lang- hältnis von US-$ 81.000 pro QALY in
[61]. Eine aus Modellrechnungen ab- zeitstudie folgen wollte, die im Gegen- den USA [49, 51] beziehungsweise bei
geleitete Kosteneffektivitätsbetrachtung satz zu zwei anderen Studien über 10 (medizinisch hinterfragbarer [72]) nur
neuerer Verfahren ist bei (noch) nicht [44] bzw. 15 Jahre [42] eine Redukti- einmaliger Durchführung in England
schlüssig belegter Effektivität mit vielen on der krankheitsspezifischen Mortali- mit GBP 8466 pro QALY kosteneffektiv
Konjunktiven behaftet und übersteigt tät aufgrund einer PSA-Screeningstra- sein könnte. Mindestens solange, als für
den Rahmen dieser Übersicht. Den tegie fand [43], könnte im niedrigsten Deutschland keine ökonomischen Eva-
US-amerikanischen Empfehlungen ent- Fall einer Simulationsstudie zufolge bei luationen auf der Basis der am DKFZ seit
spricht mit Ausnahme der Altersgrenzen 55- bis 59-jährigen Männern mit ein- dem Jahr 2007 laufenden Studie „Lung
(die American Cancer Society empfiehlt maligem Screening eine Kosteneffektivi- Tumor Screening and Intervention“
zum Beispiel einen Beginn mit dem tät von ca. US-$ 31.000 je gewonnenem (LUSI; [73]) vorliegen, bieten die Mikro-
45. Lebensjahr, das National Compre- QALY erreicht werden [45]. Diese Ergeb- simulationen von Marina Treskova et al.
hensive Cancer Network sogar ab dem nisse repräsentieren einen absoluten Best [50] die derzeit aussagekräftigsten Daten
40. Lebensjahr) die aktuelle Beschluss- Case und können sich bei Berücksichti- für eine differenzierte Bewertung der
lage des G-BA, der zufolge im Einklang gung von Überdiagnosen und Überbe- Kosteneffektivität anhand von Alters-
mit der aktuellen deutschen S3-Leitlinie handlungen verschlechtern. Sie stehen in gruppen, Risikofaktoren und weiteren
[62] Frauen in Deutschland vom 50. Widerspruch zu anderen Kosteneffekti- Parametern.
bis zum 70. Lebensjahr Anspruch auf vitätsanalysen, die in ihrer Gesamtheit
eine zweijährliche qualitätsgesicherte aus gesundheitsökonomischer Sicht kei- Zusammenfassende Bewertung
Mammographie haben [52]. ne belastbaren Argumente für ein po- der Studienlage
Die vorliegenden Kosteneffektivi- pulationsbasiertes PSA-Screening liefern
tätsanalysen [39–41, 63–65] zeichnen [46, 47]. Diese Beobachtung steht erwart- Belastbare Studien, die eine gesund-
in ihrer Gesamtheit ein konsistentes bar im Einklang mit der klinischen Evi- heitsökonomische Bewertung der ver-
positives Bild, dem zufolge sich die denz [42, 44] und der Beschlusslage des schiedenen Programme zur Krebsfrüh-
Mehrkosten (immer im Vergleich zu G-BA [52]. erkennung in Deutschland erlauben,
keinem Screening) in einer Bandbreite liegen bislang nur eingeschränkt vor.
von wenigen Tausend US-Dollar bis zu Die überwiegend internationale Daten-
US-$ 45.700 (bei jährlichem Screening lage spricht trotz gewisser Lücken für das
in den USA) je gewonnenem Lebens- Angebot bevölkerungsweiter Früherken-
jahr bzw. US-$ 46.500 je gewonnenem nungsuntersuchungen auf Darmkrebs
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