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QUALITÄT VON DER PLANTAGE BIS ZUM EXPORT

DIE NATUR BRINGT KAFFEE ZUR PERFEKTION – IN UNSEREN HÄNDEN LIEGT DAS W ISSEN, DIE
PERFEKTION ZU BEWAHREN

Eine grundsätzliche Einführung zum Qualitätsmanagement


Alles, was ein Kaffeeproduzent wissen muss

Ernesto Velasquez Zarco


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Inhaltsverzeichnis

Danksagungen ........................................................................................................... 5
Vorwort ....................................................................................................................... 6
Kapitel 1: Einführung .................................................................................................. 9
Kapitel 2: Prolog ....................................................................................................... 14
Kapitel 3: Faktoren, die die Qualität des Kaffees bestimmen ................................... 16
Kapitel 4: Einflussfaktoren auf den Kaffeegeschmack.............................................. 22
Kapitel 5: Die Wichtigkeit laborgemäßer Verkostungen im Kaffeesektor .................. 40
Kapitel 6: Auf dem Weg zur Exklusivität durch das Beschreiben von Attributen....... 44
Kapitel 7: Zu Suchende Attribute bei einer Verkostung ............................................ 48
Kapitel 8: Der systematische Evaluierungsprozess bei Kaffee ................................. 51
Kapitel 9: Attribute und Besonderheiten bei außergewöhnlichen Kaffees ................ 57
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Danksagungen

Ich möchte Gott danken, dass ich die Möglichkeit erhalten habe, während der Bear-
beitung des Buches mein durch Erfahrung erlangtes Wissen zu teilen. Ich hoffe, dass
es ein Lesevergnügen für die Vielzahl der Produzenten, Exporteure, Wissbegierigen
und alle Personen sein wird, die mehr hinsichtlich der Produktion und Aufbereitung
von Spezialitätenkaffee wissen möchten.

Hugo Hernandez, der Direktor des Consejo Salvadoreño de Cafe half mir mit seinem
Wissen und seiner Erfahrung in der Ausgestaltung und der logischen Abfolge der
Kapitel. Darüber hinaus legte er viel Wert darauf, dass die von mir verfasste Abhand-
lung immer im Wirklichkeitseinklang steht und die vermittelten Informationen aktuell
und verständlich sind. Höchste Anerkennung geht an Luis „Lichi“ Araujo, Kaffeefar-
mer aus Cacahuatique, der mich überzeugte mein Wissen zu Papier zu bringen, in-
dem er mir nachvollziehbar versicherte, dass das vorliegende Buch ein wichtiger Bei-
trag sein wird, mittels dessen es Kaffeeproduzenten schaffen, die so differenzierte
Kaffeeproduktion in El Salvador nachzuvollziehen. Ein großer Dank geht auch an
Ana Elena Escalante, die sich in schwierigen Momenten um meine kranke Tochter
kümmerte.

Hochachtung habe ich an Ricardo Espitia zu zollen, der mir die Möglichkeit gab, der
Operational Manager der Escuela de Cafe de El Salvador zu werden. Zu danken ha-
be ich auch den Produzenten Isa Gadala Samour, Benjamin Argueta und Carlos
Murcia aus den Anbaugebieten El Balsamo, Chinchontepec bzw. Alotepec Metapan,
die bei diesem wichtigen Buch mithalfen, indem sie mich immer wieder motivierten,
sodass dieses Buch letzten Endes erscheinen konnte. Die aufwendigen Lektoratsar-
beiten die Aufarbeitung der Fotografien wurden durch die erfolgreiche Kaffeeprodu-
zentin Beatriz Valdez aus dem Anbaugebiet El Balsamo bewerkstelligt, der ich für
ihre Hilfe enorm dankbar bin, gleiches gilt auch für meinen Kollegen Walter Durán.

Ein spezieller Dank geht an meine Mutter und meine Ehefrau für ihr Einfühlungsver-
mögen und ihre Hilfe, indem sie die gesamte Zeit an mich glaubten, als ich mein
Wissen zusammentrug und dieses Buch schrieb.

Ein Dankeschön geht auch an alle meine Kollegen, die für die Nationale Landwirt-
schaftsschule „Roberto Quiñonez“ arbeiten sowie meine Kollegen von ASCAFE.

Höchster Respekt und Bewunderung zolle ich an alle Produzenten der sechs Anbau-
gebiete El Salvadors, die mit Sorgfalt und viel Aufwand das Land bebauen und mich
auch immer wieder darin bestärkten, dieses Buch zu verfassen.

MIR GEFÄLLT DER GERUCH DES MORGENS,


MIR GEFÄLLT DAS ERSTE SCHLÜCKCHEN KAFFEE,
DAS GEFÜHL DES ERSTEN SONNENSCHEINS AN MEINEM FENSTER,
UND ES ERFÜLLT MICH DER BLICK AUF DEN SONNENAUFGANG.

Frei übersetzt nach Jorge Zeledón

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Vorwort

Während der letzten zwei Dekaden wurde innerhalb der Kaffeeproduktion weltweit
viel hinsichtlich einer signifikanten Stabilisierung und Ausweitung hoher Produktions-
volumina in Ländern wie Brasilien und Vietnam experimentiert. Diese Experimente
beinhalten in erster Linie die Entwicklung schnellwachsender Varietäten mit hoher
Produktivität.

Der Hauptgrund für fallende Preise liegt in der Ausweitung der Kaffeeproduktion und
dem damit vergrößerten Angebot. Gerade deswegen ist es notwendig herauszuste-
chen, sodass die erzielten Preise für die mit viel Sorgfalt und Hingebung produzierten
Kaffees, die auf dem internationalen Markt erhältlich sind, langfristig höher sind.

Das Exportvolumen für kommerzielle sowie Spezialitätenkaffees im Erntejahr


2000/2001 lag bei 101.304 Zentnern. Das entspricht 8.661.495$ Einnahmen. Dem
stehen im Erntejahr 2012/2013 Produktionsmengen von 808.000 Zentnern Rohkaffee
und Einnahmen von 148.719.512$ gegenüber.

Gleichzeitig entwickelt sich zum traditionellen Kaffeemarkt ein Demand für hochwer-
tigeren Kaffee, den diejenigen Kaffeeproduzenten bedienen, die sich auf Möglichkei-
ten spezialisieren, Kaffee ohne Hindernisse für den Endkunden anzubieten. Sie ver-
einen in diesem speziellen Fall Aufgaben der Importeure, Exporteure und Röster in
ihrer Wertschöpfungskette. Ein Verkostungslabor bietet Möglichkeiten einer direkten
Qualitätskontrolle, mittels dessen Qualitäten beständig verbessert werden und
zugleich das Wertpotential des trinkfertigen Produktes zu ermitteln und ggf. korrigie-
rende Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Arbeitsfeld ermöglicht die Produktion hoch-
qualitativer Kaffees, erhöht die Rentabilität für den Produzenten und gleichzeitig die
Zahl der zufriedenen Kunden.

Es ist von höchster Dringlichkeit, dass die jüngste Produzentengeneration sich ver-
stärkt für Qualitätssicherung in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen engagiert und diese
Aspekte auch vermehrt in die Verwaltung und in ihr profundes Kultivierungswissen
einfließen lassen. Damit verbunden stehen für die jüngste Produzentengeneration
Themen von sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Dringlichkeit im Vordergrund.
Diese vereinen sich im Kaffeeanbau und in der Notwendigkeit das Erbe einer visionä-
ren Generation anzutreten, zu Experten mit innovativen Ideen heranzureifen, um Ar-
beitsplätze zu schaffen und die Wertschöpfungskette für den Anbausektor zu opti-
mieren. Die jüngste Produzentengeneration wird zukunftsweisend darin sein müssen,
das Augenmerk verstärkt auf verbesserte Produktionsmöglichkeiten zu lenken, neue
Aufbereitungsmethoden zu testen, neue Märkte zu erschließen und vermehrt auf
Messen und bei anderen Gelegenheiten ihre Produkte zu vermarkten.

Es ist daher unumgänglich, dass nachkommende Produzenten das wohl wichtigste


Thema der Kaffeeagronomie über alles stellen, auf unterschiedlichen Plantagen und
Beneficios hospitieren und sich darüber hinaus weiterbilden. Diese Weiterbildungs-
maßnahmen umfassen auch grundlegende Aspekte hinsichtlich des Röstens, ver-
schiedener Röstgrade, unterschiedlicher Zubereitungsmethoden, die im Einklang mit
den Röstergebnissen stehen, olfaktorischer und organoleptischer Verkostungstech-
niken von Kaffee, Kaffees innerhalb eines Cuppings eindeutig zu bewerten und pri-
mär positive Eigenschaften des Getränks zu identifizieren, die Arbeit des Baristas zu

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kennen, zu wissen wie man auf Espresso basierende Getränke zubereitet und ihre
Qualität hinsichtlich der Zubereitung einzuschätzen.

Darüber hinaus ist wichtig, dass Vermarktungstendenzen für Kaffee frühzeitig er-
kannt werden und an das Konsumverhalten angepasst werden. Um dieses Wissen
zu erlangen sind regelmäßige Teilnahmen an Messen wichtig, bei denen Kaffees
vermarktet werden und die jährlich stattfinden, zum Beispiel die SCAA- und SCAE-
Messen in den USA und Europa sowie in Japan. Hierbei ergeben sich Möglichkeiten,
neue Geschäftsbeziehungen zu etablieren, gleichzeitig zeigen Konsumenten ein er-
höhtes Interesse an der Rückverfolgbarkeit des Kaffees.

Viele erfolgreiche Beispiele für Direct Trade-Kaffees, vor allem Microlots sind mo-
mentan zu beobachten, bei denen junge Produzenten, meistens Kinder oder Enkel
der etablierten Produzentenfamilien, sich mit eben jener Tätigkeit auseinandersetzen
und daraufhin die Vermarktung ihrer Kaffees auf den genannten Messen vorantrei-
ben.

El Salvador gilt unter den Anbauländern als eines, dass für exzellente Qualitäten aus
sechs verschiedenen Anbaugebieten steht. Dies manifestiert sich in den Resultaten
der Cup of Excellence-Wettbewerbe, die seit 2003 stattfinden. Hierbei lässt sich ein
großes Interesse für Kaffees aus allen sechs Anbaugebieten ableiten, die ihren Platz
im Spezialitätensegment haben.

Mittels der in diesem Buch dargestellten Zusammenhänge, möchte ich einen Beitrag
leisten und einen Bogen spannen von der Produktion, über die Aufbereitung bis hin
zur Vermarktung von Spezialitätenkaffees und Möglichkeiten erarbeiten, mittels sei-
ner Hingabe einen Kaffee höchster Qualität zu produzieren. Am Beginn steht die
Sorgfalt bei der zu säenden Varietät, es folgt die Pflege der Pflanzen das ganze Jahr
über, dabei müssen wir unser Augenmerk auf ökonomisch vertretbare Kriterien len-
ken. Es folgen Ernte sowie Aufbereitung und am Ende stehen die richtige Lagerung
bis hin zur Verschiffung des Kaffees. Der Leser wird differenzierte Lösungsansätze
finden, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wie Qualität definiert werden kann. Glei-
ches gilt für Erfahrungswerte bei Cuppings hinsichtlich der Frage, wie man Qualitäten
findet, was als hochwertig angesehen wird. Das Ziel ist, dies alles an die jüngste
Produzentengeneration weiterzugeben als eine proaktive Wissensmethodik, als or-
ganisiertes, ganzheitliches Wissen, um unseren Kaffeebestand in El Salvador, der
immerhin sieben Prozent aller Pflanzen ausmacht, zu schützen und ihm die Wichtig-
keit zu verleihen, den er verdient. Das Buch setzt sich aus 13 Kapiteln zusammen.
Zu Beginn eines jeden Kapitels, soll dem Leser mittels salvadorianischer Lyrik die
landestypische Kaffeekultur und im Allgemeinen die fruchtbare Landschaft El Salva-
dors verbildlicht werden, vor allem durch den Dichter Alfredo Espino aus Ahuacha-
pan.

WENN DER TAG GEHT, WERDEN DIE SCHATTEN NEU GEBOREN,


UND IN DER RUHE FÜHLEN DIE KAFFEEBÄUME WIEDER.
DU BEGINNST DAS TRAURIGE LIEBESLIED DER ALTEN MUTTER ZU SINGEN,
SODASS DIE BÄUME IN DER LETHARGIE DER NACHT WEINEN.

Frei übersetzt nach Javier Solis

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EIN FARMER UND EIN STERN

EIN TAG, LIEBER GOTT!


ICH GEBE DIR JEDEN TAG EIN BISSCHEN.
ICH WERDE MEINE KLEINE FARM ERRICHTEN,
IN DER WIR ZWEI LEBEN WERDEN.

WAS WILL ICH SONST WOLLEN?


DEINE LIEBE, ,MEINE FARM, DIE BÄUME, DER HUND,
UND ÜBER UNS DER HIMMEL UND DIE W OLKEN
UND DIE KAFFEEPFLANZEN IN VOLLER BLÜTE…

UND INMITTEN DES DUFTES DER KAFFEEBLÜTEN


SITZT EINE SINGENDE DROSSEL
UND IHRE KINDER EIFERN IHR NACH.

WAS WIR ARMEN WOLLEN,


WAS WIR ARMEN LIEBEN,
DIES IST ES, WAS WIR SO SEHR BEWUNDERN,
DENN ES IST NICHT SELBSTVERSTÄNDLICH.

MIT NUR DIESEM EINEN, MEINEM LEBEN,


MIT NUR DIESEM:
MEINE VERSE UND DEIN SCHUTZ,
KANN UNS DER REST EGAL SEIN.

DENN ES GIBT NICHTS BESSERES


ALS EIN BERG, EINE FARM, UND EIN STERN,
SOBALD MAN WEIß, DASS MAN DICH LIEBT
UND DEINE GÖTTLICHKEIT IN DEN BLÜTEN RIECHT…

Frei übersetzt nach Alfredo Espino

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Kapitel 1: Einführung

Salvadorianische Kaffeeproduzenten genießen ein hohes Ansehen für ihren Eifer


und ihr Hingabe hinsichtlich des Managements ihrer Plantagen und werden als be-
sonders innovativ auf technischer Ebene angesehen, was El Salvador hinsichtlich
qualitativer Aspekte im Kaffee herausragen lässt. Diese Qualität manifestiert sich in
der perfekten Ausbalancierung zwischen Säuren und Süßen. Dies ist genetisch in
den Bourbon-, Pacas- und Pacamaravarietäten verankert, die der Coffea Arabica
entstammen. Darüber hinaus spielen aber auch mikroklimatische Bedingungen eine
wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Lufttemperatur, das Sonnenlicht, Nieder-
schlagsmengen und ein optimaler Boden, was auf salvadorianischen Kaffeeplanta-
gen gegeben ist.

Die Produzentenländer für Kaffee gliedern sich weltweit in fünf Gruppen: a) Colombi-
an Milds (gewaschene kolumbianische Kaffees), b) Other Milds (andere gewaschene
Kaffees), c) Brasil Naturals (brasilianische, trockenaufbereitete Kaffees), d) alle ande-
ren Arabicas und e) Robustas. Man differenziert sie untereinander hinsichtlich der
kultivierten Varietät bzw. Spezies, die angewandte Erntemethodik und die Art der
Aufbereitung. Salvadorianischer Kaffee, der zu der Gruppe der Other Milds gezählt
wird, zeichnet sich durch physische, biochemische und sensorische Alleinstellungs-
merkmale aus, die ihm weltweit gefragt machen. Die herausragende Qualität lässt
sich wie folgt begründen:

o Verwendung hauptsächlich alter Varietäten, wie zum Beispiel Bourbon und


Pacas, bekannt für ihre hohe Qualität, sowie die Züchtung und Einführung der
Pacamara im Jahr 1980.
o Die angewandten Techniken hinsichtlich der Anbaumethoden sind die ur-
sprünglichen, ausgenommen einiger kleinerer Gebiete, die anderweitige
Techniken nutzen.
o Die Aufbereitungsanlagen liegen strategisch günstig inmitten der Produktions-
gebiete und sind mit einer herausragenden Infrastruktur versehen, sodass ein
schneller Kaffeetransport und eine unmittelbare Aufbereitung sichergestellt
werden können.
o Die Professionalität und die hohe Verantwortlichkeit seitens der Farmer, des
technischen Personals, der Leute, die in den Aufbereitungsanlagen arbeiten
und die Kaffees evaluieren und die jahrelange Erfahrung, die hierbei aufein-
ander trifft, ist ein wichtiger Bestimmungsfaktor, um eine hohe Produktqualität
zu gewährleisten.

Die eben genannten Gründe machen den salvadorianischen Kaffee zu einer privile-
gierten Marke und ermöglichen konsequenterweise eine marktgerechte Bewertung.
Im Falle von Spezialitätenkaffee etablieren die salvadorianischen Kaffees für den
Käufer hohe Qualitätsstandards mittels hoher Normen und Verfahrenstechniken, die
in Produktion, Aufbereitung und Klassifizierung des Endprodukts einfließen. Die Qua-
lität von Kaffeegetränken ist unmittelbar verknüpft mit den in der Bohne steckenden
Qualitäten. Die geschmacklichen Charakteristika des Kaffees, sein Aroma, sein Ge-
schmack, sein Körper, seine Säure und seine Süße müssen im Einklang mit der
Marktnachfrage hinsichtlich Weiterverarbeitung und Zubereitung stehen.

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Die salvadorianischen Kaffeeproduzenten müssen sich verstärkt darum bemühen,
die Qualität ihrer Kaffees zu erhalten. Der Schlüssel für einen guten Ruf liegt in der
Arbeit der Entscheidungsträger auf eben jenen Plantagen, die über technische Ka-
pazitäten verfügen, die im Stande sind, das Personal möglichst genau in ihre Arbeits-
felder hinsichtlich Pflanzenmanagement und Ernte zu instruieren. Von großer Bedeu-
tung sind darüber hinaus die Verwalter der Beneficios, die um die technischen Be-
deutung des Aufbereitungsprozesses genau Bescheid wissen. Es folgen die Verkos-
ter, die für ihren guten Geschmackssinn geschätzt werden, da sie in der Lage sind,
die geschmacklichen Attribute von außergewöhnlichen Kaffees herauszuschmecken.
Zu guter letzt werden Experten hinsichtlich der Promotion und der Vermarktung des
Kaffees benötigt.

Das beeindruckende bei den Kaffeeproduzenten ist, dass alle Einzelproduzenten,


genauso wie Kooperativen in schwierigen Momenten in unserer Historie, wo die
Pflanzen durch Krankheiten umfassend beschädigt wurden, immer eine positive Re-
aktion gezeigt haben, indem sie sich eine goldene Zukunft durch unterschiedliche
Märkte geschaffen haben.

Abbildung 1: Salvadorianische Kaffeeanbaugebiete

Die salvadorianische Kaffee-Landkarte zeigt die sechs Kordilleren für Kaffee in El


Salvador: Die Kordillera Ilamatepec erstreckt sich von Ahuachapán, über Sonsonate
bis Santa Ana. El Balsamo Quetzaltepec erstreckt sich von La Libertad bis San Sal-
vador, Chinchontepec erstreckt sich von Sant Vicente über La Paz bis Cuscatlán.
Alotepec Metapan erstreckt sich über das Land von Chalatenango und Teile von
Santa Ana. Tecapa Chinameca liegt in Usulután und Cacahuatique liegt in San Mi-
guel bzw. Morazán.

Der Großteil des Kaffees kommt aus der Kordillera Apaneca Ilamatepec, wohingegen
Alotepec Metapán den kleinsten Marktanteil produziert, nichtsdestro trotz stehen alle
Anbaugebiete für exzellente Qualitäten und positive Geschmackskriterien.

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Geschmacksprofile der jeweiligen Anbaugebiete, aus einer im Jahr 2013 angefertig-
ten Studie für nationale Cuptaster im Auftrag der international renommierten Cuptas-
terin Sherri Johns.

Apaneca Ilamatepec

Tassenprofil: Kaffees aus dieser Region sind


Fragrance: 7,75 sehr gut balanciert, verfügen über eine
Körper: 7,75 saubere Tasse und eine hohe Grundsüße
Säure: 6,5 gepaart mit einer zitrischen Säure, einem
Geschmack: 7,75 seidig-cremigen Körper, mit Geschmäckern
Nachgeschmack: 7,75 von tropischen Früchten, Karamel, Pfirsich
und Honig.

Alotepec Metapan

Tassenprofil: Kaffees aus dieser Region sind


Fragrance: 6,5 typischerweise sehr klar mit einer angeneh-
Körper: 7 men Süße, einer ausgewogenen Säure und
Säure: 7 ausgewogenem Körper. Diverse Geschmä-
Geschmack: 6,5 cker von Schokolade, Zitrusfrüchten und Ka-
Nachgeschmack: 6,5 ramel, sehr balanciert.

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El Balsamo Quezaltepec

Tassenprofil: Kaffees aus dieser Region


können eine sehr hohe Klarheit und Süße
Fragrance: 6,75 mit zitrischen und beerigen Säuren aufwei-
Körper: 7,5 sen. Sie sind rund, haben einen cremigen
Säure: 7 Körper mit verspielten honigartigen Aromen
Geschmack: 7,5 bis hin zu Karamel, Früchten und Milch-
Nachgeschmack: 6,75 schokolade.

Chichontepec

Fragrance: 6,75
Körper: 7,5 Tassenprofil: Kaffees mit süßen Noten,
Säure: 7 zitrischen Säuren, buttrigem Körper,
Geschmack: 7,5 Geschmäckern von Orange über Pfir-
Nachgeschmack: 6,75 sich, Guave, bis hin zu Karamel und
Schokolade mit einem balancierten,
langanhaltenden Nachgeschmack.

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Tecapa Chinameca

Tassenprofil: Aromen reichen von flo-


Fragrance: 7,75
ralen, karamelligen, weinigen, kräuteri-
Körper: 7,75
gen bis hin zu vanilligen Aromen. Sau-
Säure: 7
berer süßer Geschmack, klare Säure-
Geschmack: 7,5
strukturen; mittlerer, cremiger Körper;
Nachgeschmack: 6,75
Geschmäcker von Butter, Milchschoko-
lade, Karamel und Orange mit einem
langanhaltenden Nachgeschmack.

Cacahuatique

Fragrance: 7,75 Tassenprofil: Kaffees aus dieser Regi-


Körper: 7,75 on sind sehr sauber, süß und haben
Säure: 7 eine mittelkräftige Säure. Darüber hin-
Geschmack: 7,5 aus weisen sie einen mitelkräftigen
Nachgeschmack: 6,75 Körper, florale und beerige Noten auf.

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DER FEUERBAUM

SIE IST SO BELEBEND,


DIE ERRÖTUNG DEINER BLÜTEN, KOSTBARER FREUND,
SODASS ICH ZU DEINEN BLÜTEN SAGE:
„HERZGEWORDENE BLÜTEN“.

UND MANCHMAL DENKE ICH:


WENN DIESER BAUM LIPPEN HÄTTE,
OH WIE VIELE KÜSSE WÄREN GEBOREN,
VON DIESEN FEUERROTEN LIPPEN.

MEIN FREUND, WIE SCHÖN IST DEIN GEWAND,


DASS DER HERR DIR GEGEBEN HAT;
DURCH SEINE LIEBE LIEBE ICH DICH,
DURCH DICH SEHE ICH DAS PARADIES.

WIE SCHÖN IST DER HIMMEL DURCH DICH,


BAUM AUF MEINER ERDE…
MEINE SEELE SEGNET DICH,
WEIL DU MIR POESIE BIST.

UNTER DEM HIMMELSGARTEN,


BIST DU ZUM GRÜN ERWACHSEN,
DASS SCHON DIE SONNE UNTERGEHT,
ÜBER DEINEN ZWEIGEN.

Frei übersetzt nach Alfredo Espino

Abbildung 2: Zaza Coffee Abbildung 3: Don Enrique Alfaro Castillo


und Armando Zarco

Abbildung 4: Ein Produzent aus Morazan und Ernesto Velasquez Zarco

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Kapitel 2: Prolog

Während der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts bezogen die USA allein aus
Brasilien, Mexiko und El Salvador ca. 90% des für den Konsum vorgesehenen Kaf-
fees. Daran wird deutlich, wie hoch die Qualität unseres Kaffees in diesem Land ge-
schätzt wird. In den sechziger Jahren begann man verstärkt zu forschen und techno-
logische Aspekte in die Kultivierung einzubinden, mit dem Ziel, die Qualität der Boh-
ne zu verbessern. Man begann zusehends, den Produzenten, die Varietät Bourbon
anzubieten, da sie ertragreicher ist, mit der Konsequenz, dass Varietätenmischungen
mit niedrigen Erträgen auf den Plantagen verstärkt gegen Bourbonvarietäten ausge-
tauscht wurden. In den siebziger Jahren fokussierte sich die salvadorianischen Kaf-
feeproduktion vermehrt auf den interkontinentalen Handel mit dem anspruchsvollen
deutschen Markt mit seinen großen Warenumschlagplätzen in Hamburg und Bre-
men. Spätestens mit dieser Epoche wurde deutlich, welch großes Prestige salvado-
rianischer Kaffee bei den ausländischen Käufern genoss, die Kaffees ausschließlich
nach Homogenität und Qualität wählten.
Ende Dezember 1993 wurde unter dem Vorsitz der Europäischen Wirtschaftsge-
meinschaft der Salvadorianische Kaffeeverband (Consejo Salvadoreño de Cafe) ge-
gründet. Ziel war es, einen Plan zu entwickeln unter dem Projektnamen „Spezialitä-
tenkaffee aus El Salvador“. Dieser sollte an die ersten 50 Jahre des Jahrhunderts
anknüpfen und sah einen Export von ca. 50.000 Sack Spezialitätenkaffee vor, mit
denen für das Land Jahr für Jahr wertvolle Devisen generiert werden sollten.
Im Jahr 2003 implementierte der Consejo Salvadoreño de Cafe den Wettbewerb der
Cup of Excellence, welcher es ermöglichte, außergewöhnliche Kaffees mit komple-
xen Geschmacksstrukturen zu finden, die dann in einer Online-Auktion verkauft wer-
den. Dieses Programm ermöglicht es, direkte Handelskontakte zwischen Farmern
und Käufern zu etablieren. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass Homogenität und
Qualität unmittelbar mit folgenden Bedingungen verknüpft sind:
o Ausschließliche Ernte von reifen Kaffeekirschen, Vermeidung von Verunreini-
gungen mit unreifen oder überreifen Kaffeekirschen.
o Unterscheidung bei der Anlieferung von Kaffees nach Anbauhöhen.
o Unmittelbare Aufbereitung in einem Zeitraum von maximal 12 Stunden, nach-
dem die Kirschen geerntet wurden, um eine adäquate Nassfermentation ge-
währleisten zu können – ohne enzymatische Prozesse mit ungewünschten
Milchsäuren.
Im Jahr 2013 lagen die Exporte bei über 600.000 Sack mit unterschiedlichen Zielor-
ten. Dieses Resultat belegt, dass diese Initiativen erfolgreich waren.

Abbildung 5: Sonnenuntergang auf der Finca San Alonso, Ciudad Barrios, San Miguel
„VIELSEITIGKEIT – DAS HAUPTCHARAKTERISTIKUM FÜR SALVADORIANISCHE KAFFEES.“
Luis Araujo

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POSTUM

WENN ICH STERBE…


BRINGT MEINEN KÖRPER HEIM.
ICH WILL DEN SCHATTEN ERLEBEN,
DER KAFFEEPFLANZEN, DIE ICH AUS MEINEN TRÄUMEN KANNTE.
AUF MEINEM GRABSTEIN SOLL STEHEN,
VON WEITEM ERKENNBAR:
ICH BIN WEIT WEG VOM TOTSEIN –OHNE BLUT UND LEBEN.

BAUERNHÄNDE AUS DEM HOCHLAND,


DIE DIE ERDE BIS IN DIE TIEFE MIT EINEM SPATEN ERSCHLIEßEN
GLEICHSAM WIE UNKRAUT:
AUF FRUCHTBARER ERDE WÄCHST ALLES ÜPPIG,
UND IM VORBEIGEHEN SAGT MAN:
DAS IST ES, MEIN BRUDER: DAS FRUCHTBARSTE LAND.

UND INMITTEN DIESES LANDES,


SOLL MEIN GRAB SEIN…
TUT MIR DIESEN GEFALLEN, MEINE BRÜDER: PFLANZT EINEN KAFFEESTRAUCH!
DAMIT SEINE W URZELN,
DIE KRAFT MEINES BLUTES AUFSAUGEN
DAMIT DORT IN ALLER ÜPPIGKEIT,
MEINE ÜBERRESTE VON SEINEN W URZELN ZÄRTLICH UMARMT WERDEN!
DANACH… LASST MICH ZURÜCK! SO, ALS OB ICH NIE GESTORBEN WÄRE.

DENN DIE KRAFT DES ZARTEN HARZES DES KAFFEESTRAUCHS,


WIRD MEIN BLUT SEIN
UND IMMER WENN ES SINGT,
DAS BLATT, DASS DEN SONNENUNTERGANG HERBEISEHNT,
AN JEDEM DIESER MELANCHOLISCHEN TAGE DAHEIM,
DIE MELODIE DES W INDES IN DEN W IPFELN DER GELIEBTEN BÄUME,
UND DIE BERGE RINGSUM,
BEGLEITET DAS BLATT MEINE VERSE.

Frei übersetzt nach Obdulio Bauza

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Kapitel 3: Faktoren, die die Qualität des Kaffees bestimmen

Die klimatischen Bedingungen, die Bodenbedigungen und die botanische Varietät


sind konstant und wirken sich dominant auf die dem Kaffee inhärenten Charakter
aus, sowohl hinsichtlich seiner Qualität als auch hinsichtlich seiner physischen Cha-
rakteristik (Bohnengröße, Härte, Dichte).

3.1: Anbauhöhe
In El Salvador kultiviert man Kaffee prinzipiell nach drei Anbaukategorien, die sich
durch die jeweilige Anbauhöhe definieren, in der sich eine Finca befindet. Jede die-
ser Höhenkategorien zeichnet sich durch physische und aromatische Eigenheiten
aus. So sind Kaffees aus der untersten Anbaukategorie (bis 900m über NN), auch
Central Standard (CS) genannt, hinsichtlich des Bohnendurchmessers relativ klein,
wenn man sie mit den anderen Anbauhöhen vergleicht. Im Schnitt sind diese Bohnen
zu 50% kleiner als Screen 17 (17/64 Zoll). Geröstet weist der Kaffee eine relativ helle
Farbe und sensorisch weniger Intensität hinsichtlich Körper, Säure und Süße auf.
Der Anteil an Kaliumsalzen ist erhöht und der Absatzmarkt für derartige Kaffees liegt
in Ländern, wo die Konsumenten eher von Natur aus weiche und milde Kaffees be-
vorzugen.
Der in mittleren Höhen kultivierte Kaffee, der international als High Grown (HG) be-
zeichnet wird, wird in Höhen von 901 bis 1.200m Höhe angebaut. Die Bohnengröße
liegt zu 50% über Screen 17. Geröstet weißt der Kaffee einen mittleren Braunton auf
und sensorisch sind Säure, Süße und Körper auf einem mittelkräftigen Niveau aus-
geprägt.
Kaffee aus der höchsten Anbaukategorie, auch Strictly High Grown (SHG) genannt,
wird auf Höhen über 1.201m über NN kultiviert. Die Bohnengröße liegt zu über 60%
über Screen 17, die Röstfarbe ist dunkler und Säure, Körper und Süße sind intensiv
ausgeprägt. Hierbei muss festgehalten werden, dass sich diese Charakteristika nur
dann zeigen, wenn die Kaffeekirschen bei optimaler Reife geerntet, aufbereitet, ge-
röstet und zubereitet werden. Niedrigere Temperaturen, relative Luftfeuchtigkeit, län-
gere Kühlphasen in den Nächten sind Faktoren, die direkten Einfluss auf die Qualität
haben, da sie längere Reifezeiten ermöglichen. Reifezeiten sind hauptverantwortlich
für gemeinhin als hochwertig eingestufte Attribute. Vollentwickelte Intensitäten ste-
hen in unmittelbarer Verbindung zur langsamen Entwicklung der Frucht.

„Kaffee aus El Salvador – Säuren und Süßen in perfekter Balance.“ Roberto Ulloa

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3.2: Bodenbedingungen
Die salvadorianischen Böden sind in der Mehrheit vulkanische Böden, welche sehr
feine pyroklastische Produkte sind. Im Falle von El Salvador sind diese Auswurfpro-
dukte im letzten Eiszeitalter während des Pleistozäns und des darauf folgenden Ho-
lozäns entstanden. Diese beiden Quartäre sind aus geologischer Sicht sehr junge
Bodenproduzenten.
Die chemische und mineralische Zusammensetzung der landestypischen Vulkanbö-
den variiert im Falle von desitischem und andesitischem Bodenmaterial (der Silici-
umdioxid-Gehalt, sog. Kieselerde, im Boden liegt zwischen 45 und 66%). Damit ver-
bunden unterscheidet sich die Mineralstoffzusammensetzung mitunter stark, was
sich auf die Mineralisierung und die generelle Bodenbeschaffenheit hinsichtlich der
benötigten Mineralstoffe zur Entwicklung der Pflanzen auswirkt.
Wir können voraussetzen, dass die vorhandenen Böden komplexe Profile aufweisen,
die mittels Schwemmböden-Anteile Bodenumwälzungen herbeiführen. Diese Profile
können sich sehr weit ins Erdreich wie eine Decke aus Vulkanasche ausdehnen,
entsprechend dick, um eine gute Basis für die lockereren Bodenschichten darüber zu
bilden. Darüber hinaus formieren sich auch Profile, die teilweise aufgewühlt oder ver-
jüngte Erde mit einer dünnen Schicht aus Komposterde aufweisen, die es schaffen
die Bodenverhältnisse an der Oberfläche zu beeinflussen und mit Mineralien anzu-
reichern. Andere vulkanische Mineralstoffe resultieren aus verschiedenen Vulkan-
ascheböden, zumeist das Resultat aus einem oder mehreren Vulkanen.
El Salvador ist ein Land mit einer großen Vielzahl von Bodenderivaten vulkanischen
oder vulkanähnlichen Ursprungs. Sie können sehr unterschiedliche Texturen aufwei-
sen, je nach Ursprungsmaterial. Jedoch kann mit Kaffeekultivierung und damit ver-
bunden mit einer starken Nutzung des Bodens bei gleichzeitig inadäquatem Boden-
management eine Übersäuerung des Bodens entstehen. Es ist daher wichtig, die
Bodenverhältnisse zu bewahren, indem das Bodenmanagement verstärkt unter
technischen Gesichtspunkten ausgeführt wird.

3.3 Kultivierte Varietäten


El Salvador ist ein Arabica-Kaffeeproduzent. Darüber hinaus macht die Bourbonva-
rietät den Löwenanteil an den kultivierten Arabicavarietäten aus.

3.3.1 Die Varietät Bourbon


Kaffees der Varietät Bourbon ergeben einen Kaffee mit einer guten Balance und
Feinheit, Attribute die im Bereich des Spezialitätenkaffees sehr geschätzt werden.
Die Farbe des Fruchtfleischs einer Bourbon kann rot (im Normalfall), gelb und in
Ausnahmefällen orange sein, abhängig von den Allelen eines Gens.

Abbildung 6: v.l.n.r.: Bourbon Rojo, Bourbon Amarillo, Bourbon Rosado

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3.3.2 Die Varietät Pacamara
Die Varietät Pacamara, erforscht mit Beginn der 1950er Jahre, erstmals für den
Weltmarkt im Jahr 1980 kultiviert weißt exzellente Resultate hinsichtlich Aroma und
Geschmack auf.
Die Varietät Pacamara ist das Resultat einer artifiziellen Kreuzung aus den Varietä-
ten Pacas und der roten Maragogipe (selbst eine Varietätenkreuzung oder intraspezi-
fisch gekreuzt). Diese Arbeit wurde in El Salvador durch Agronomen des Instituts
ISIC (Instituto Salvadoreño de Investigaciones del Cafe) vorgenommen mit dem Ziel,
die Produktivität, die Wachstumshöhe, das Resistenzverhalten bei Wind, Sonne,
Dürren sowie die klimatische Anpassungsfähigkeit speziell für das salvadorianische
Klima wie bei der Pacas weitgehend zu erhalten und mit den Charakteristiken der
Maragogipe (Stammstärke, Fruchtgröße und Geschmack) zu verbinden.

Abbildung 7: Die Varietät Pacamara (links), Rohkaffee und gerösteter Kaffee von Bourbon und
Pacamara im Vergleich (rechts)

3.3.3 Die Varietät Pacas


Die Varietät Pacas resultiert aus einer natürlichen Mutation der Varietät Bourbon,
ähnlich wie die Caturra aus Brasilien und die Villa Sarchi aus Costa Rica. Haupt-
merkmal ist die Kleinwüchsigkeit, verglichen mit klassischen Typicas und Bourbons;
sie hat kurze, aber buschige Lateralzweige, die Internodien sind ebenfalls kurz, den
Lateralzweigen entsprechend.
In Relation zur Bourbon sind die Blätter der Pacas breiter und haben eine dunkelgrü-
ne Farbe. Die Triebspitzen sind grün und haben eine dichte Blattstruktur. Der Stamm
der Pacas ist sehr steif mit einem dichten und gut entwickelten Wurzelsystem,
gleichwohl die Wurzel kürzer und damit weniger stark im Boden verankert ist. Blüten
und damit auch Früchte sind in relativ großer Anzahl pro Triebansatz vorhanden, die
Kirschen sind bei Vollreife rot.
In El Salvador passt sich die Varietät am besten in Höhenlagen zwischen 500 bis
1.200m. Ihre Wurzeln gehen zurück in das Jahr 1949 auf die Finca San Rafael, in
Cantón Palo de Campana, am Vulkan Santa Ana, einem Estate, das der Familie Pa-
cas gehört, woraus sich auch der Name der Varietät ableitet.
Mit dem Auftreten dieser neuen Varietät und den zu beobachtenden positiven ge-
schmacklichen Qualitätskriterien wurde die Varietät von einigen Farmern auch „Hyb-
rid San Ramon“, Nordkaffee oder Windkaffee genannt. Man konnte aber beweisen,
dass diese Pflanze das Resultat einer Mutation und nicht einer Kreuzung ist, da die

18
nachfolgenden Generationen dieser Pflanze keinerlei phänotypische Varianzen auf-
wiesen.

3.3.4 Die Varietät Maragogipe


Die Maragogipe ist eine Mutation der Typica-Varietät, auch bekannt als der Gigant
des Kaffees. Sie hat einen hohen Wuchs, lange Lateralzweige und lange, geriffelte
und konvexe Blätter. Charakteristisch sind die grünlich-bronzefarbenen Triebspitzen,
große Blüten und Kirschen, die im Reifezustand normalerweise rot und manchmal
auch gelb sind. Generell ist die Maragogipe weniger buschig und weist eine niedrige
Produktion auf, jedoch ist der Geschmack unbestritten sehr hoch.
Zum ersten aufgetreten ist diese Mutation auf Kaffeeplantagen in 1870er Jahren, in
einer Region namens Maragogipe in Bahia, Brasilien.

Abbildung 8: Wachstumsprozess, Produktion und Trocknung von Kaffee

Diejenigen Varietäten, die ausschließlich tolerant und/oder resistent gegen den Blatt-
rost sind, weisen höchstwahrscheinlich nicht die Qualitäten der klassischen Varietä-
ten auf, weswegen sie unter Umständen richtige Kaffeeenthusiasten auf den ersten
Blick weniger ansprechen. Die Kultivierung von einheitlichen Hybridvarietäten, resis-
tent oder tolerant gegen Krankheiten und hohem Ertrag versehen, stellt sicher, dass
jeder Produzent alle benötigten Informationen hinsichtlich Bohnenqualität und hin-
sichtlich des gewünschten Geschmacks erhält. Dabei spielt die Anbauerfahrung der
anderen Produzenten, die bereits mit der jeweiligen Varietät arbeiten eine zentrale
Rolle.
Schlussendlich ist die richtige Wahl der Varietät von größter Bedeutung, vor allem
hinsichtlich der qualitativen Bewertung und der Kommerzialisierung des Kaffes. Der
Verband der Kaffeeverkoster ASCAFE (Asociación de Catadores de Café), 30 Ver-
koster in El Salvador umfassend, führte über drei Ernten Feldforschungen mit dem
Fokus durch, Tassenprofile in Relation zur Varietät zu setzen. Die vorläufigen Resul-
tate dieser Arbeite lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass bei Blattrost-
resistenten Varietäten das Tassenprofil zumeist eher dem kommerziellen Markt ent-
spricht. ASCAFE führt die Studie dahingehend weiter, den Schwerpunkt auf Produk-
tivitäts-Entwicklung, Anpassungsfähigkeit und geschmakliche Qualitätskriterien der
19
einzelnen Varietäten zu setzen. Für Sebastien Lafaye, Consultant bei CBI (Centre for
the Promotion of Imports), zeichnen sich salvadorianische Kaffees vor allem durch
Bezeichnungen wie “100% Bourbon” aus. Solche Beschreibungen erhöhen den Wert
des Kaffees ungemein. Die Kultivierung neuerer, vor allem resistenterer Varietäten
könnte das Tassenprofil negativ beeinflussen

20
DER ZUCKERROHR IN SEINER BLÜTE

SIE WOGEN WIE MEERE HIN UND HER, DIE ZUCKERROHRPLANTAGEN,


IN DENEN ICH FÜR EINEN TAG VERWEILTE
(MEIN BOOT DER PHANTASIE
SCHAUKELTE ÜBER DIE WELLEN)

EINE ZUCKERROHRPLANTAGE BRAUCHT KEINEN SCHMUCK,


WIE FÜR DAS MEER DER SCHAUM DER W ELLEN,
SO FÜR DAS FELD DIE FEDERARTIGEN BLÜTEN
DIE SICH WIE DIE UNTERSEITE EINES SMARAGDS ERSTRECKEN.

DIE W INDE – SIE SIND GOTTLOSE KINDER –


STEIGEN VON DEN BERGEN HERAB,
UND WERDEN GEHÖRT ZWISCHEN DEN ZUCKERROHRHALMEN,
WIE NACKTE VERSE.

WÄHREND DER MENSCH UNTREU IST,


PRÄGT DAS ZUCKERROHR IN IHM DAS GUTE.
DAHER HAT DER ZUCKERROHR MESSERSCHARFE BLÄTTER,
DAMIT MAN AUFHÖRT SEINEN KOSTBAREN HONIG ZU RAUBEN.

Frei übersetzt nach Alfredo Espino

Abbildung 9: Ernesto Velasquez mit einem italienischen Kaffeehändler (links) und Don Ale-
jandro Romero (rechts)

Abbildung 10: Studenten der Berlin School of Coffee, Februar 2013


21
Kapitel 4: Einflussfaktoren auf den Kaffeegeschmack
Die Kultivierungsmethodik, die Ernte, die Lagerbedingungen und die Aufbereitung für
den Export sind Variablen, die von einer zur nächsten Ernte unterschiedlich ausfallen
können. Zusätzlich spielt der Faktor Mensch eine große Rolle, dessen Interesse es
sein muss, einen von der großen Masse differierenden Kaffee zu produzieren. Dies
ist ein Faktor, der essentiell für die Bestimmung von Qualität ist. Die Gestaltungs-
möglichkeiten, um Qualität zu fördern, hängen vom Weltmarktpreis für Kaffee und
der Intention des Käufers ab, und inwiefern er bereit ist, die Produzenten mit einem
Preisdifferential zu entlohnen.

4.1 Sonnenlicht
Kaffee benötigt für sein Wachstum und die Fruchtbildung eine regulierte Sonnen-
lichtexposition, mit der die Verarbeitung von Kohlenstoffdioxid (Photosynthese) ein-
hergeht. Eine Plantage, die vollständig der Sonne ausgesetzt ist, hat einen höheren
Energiebedarf aufgrund erhöhter Photosynthesetätigkeit. Dadurch benötigt der Kaf-
fee mehr Mineralstoffe, entsprechend steigt auch der Bedarf an chemischen Düngern
bzw. organischen Düngern in zertifizierten Betrieben. Eine erhöhte Dichte an Schat-
tenbäumen wirkt sich positiv auf die Bohnengröße aus, sodass die Reifezeit der Kir-
schen verlängert wird. Gleichzeitig erhöht sich dadurch der Saccharosegehalt, der für
eine angenehme Fruchtsäure unverzichtbar ist. Beide Charakteristika sind Wegberei-
ter für jene Aromen, die den Kaffee prinzipiell attraktiv machen. Erntereife Kaffeekir-
schen in Kaffeeplantagen, die vermehrt Sonnenlicht ausgesetzt sind, entwickeln ihre
Reife wesentlich schneller, wodurch geschmackliche Charakteristika, wie Bitternoten
und in der Konsequenz eine fehlende Balance, entstehen. Dies ist eine Folge der
fehlenden Zeit, in der der Kaffee seine positiven Attribute und reichhaltigen Vorzüge
entwickeln würde.

Abbildung 11: Kaffeepflanzen unter reguliertem Schatten

„El Salvador, Produzent klassischer, im Schatten wachsender Varietäten,“ Jorge Es-


cobar

22
4.2 Schädlinge
Die Kaffeepflanze ist den Attacken verschiedener Schädlinge ausgesetzt. Manche
beschädigen das Wurzelwerk und andere die Blätter, den Stamm oder die Frucht.
Von Schädlingen befallene Früchte sind meistens frühreif und entwickeln Bohnen mit
einer sehr niedrigen Dichte, die im Röstkaffee sich durch seine helle Farbe wider-
spiegelt und schlussendlich im Tassenprofil einen wenig aussagekräftigen Ge-
schmack ermöglicht. Die Präsenz von Insektenschäden verschlechtert darüber hin-
aus auch das Bohnenbild.

Abbildung 12: Ein Kaffeebohrer befällt eine Kaffeekirsche

4.3 Krankheiten
Krankheiten befallen, ähnlich wie Schädlinge, verschiedene Teile der Kaffeepflanze,
nämlich das Wurzel- sowie das Blattwerk als auch die Kaffeekirsche. Der Blattrost
(spanisch: Roya / englisch: Coffee Leaf Rust) ist die wohl bekannteste Krankheit. Sie
befällt das Blattwerk der Pflanze und verursacht bei starkem Krankheitsbefall einen
kompletten Verlust der Blätter. Das wirkt sich auf die Frucht dahingehend aus, dass
mit den fehlenden Blättern auch die Mineralstoffreserven fehlen und die Pflanze da-
mit einhergehend den normalen Reifeprozess stoppt, ohne die benötigte Zeit zu ha-
ben, um die gesamte Palette an chemischen Komponenten zu bilden, die normaler-
weise für die aromatischen Qualitäten verantwortlich sind. Während des Röstprozes-
ses fallen die Bohnen der frühreifen Kirschen durch ihre helle Farbe auf und werden
als Quaker bezeichnet. Sie haben eine geringere Dichte und das Tassenprofil dieser
Bohnen wird als ordinär bezeichnet, sodass es nicht möglich ist, solche Kaffees als
Spezialitätenkaffees zu vermarkten.

Abbildung 13: Kaffeekirschen, die aufgrund von Blattrostbefall nicht ihre physiologische Reife
erreicht haben

23
4.4 Die Ernte
Kaffeekirschen reifen in einem Zeitraum von acht bis zu zwölf Monaten in Ausnah-
mefällen (Erntezeitraum: November bis März), abhängig vom Blütezeitpunkt verlän-
gert oder verkürzt sich dieser Zeitraum. Bei Arabicakaffee wird dieser Zeitraum au-
ßerdem durch die Varietät, das Klima und die Anbauhöhe beeinflusst. Bei Robusta
liegt dieser Zeitraum normalerweise zwischen zehn und elf Monaten, bei Liberica bei
ca. einem Jahr.
Die Ernte stellt eine Arbeit von größter Wichtigkeit dar. Denn während der Ernte er-
reicht die Frucht ihre volle Stärke, gleichzeitig markiert sie die widmungsvollste Arbeit
für den salvadorianischen Kaffeefarmer im gesamten Arbeitsjahr. Die Ernte muss auf
selektiver Basis erfolgen, mit dem Ziel einen möglichst homogenen Kaffee bei opti-
maler Reife zu produzieren. Eine Kaffeeplantage kann sehr hoch gelegen sein, in der
ideale klimatische Bedingungen herrschen, um einen qualitativ hochwertiges Getränk
zu produzieren, dennoch hängt alles von der Ernte ab, inwiefern ein Kaffee als au-
ßergewöhnlich gesehen werden kann. Im Falle von niedrigen Weltmarktpreisen er-
scheint das Auslesen der ausschließlich reifen Kaffees als großer Kostenfaktor. De-
nnoch sind das präzise Arbeiten und der erhöhte Zeitaufwand notwendig. Wenn die
Ernte inadäquat durch geführt wurde ist es schlichtweg unmöglich, einen Kaffee mit
außergewöhnlichen Qualitätskriterien zu produzieren.

4.4.1 Ernte und Reifegrade


Um die Kaffeequalität während der Ernte zu bewahren, ist es notwendig alle Vorkeh-
rungen zu treffen, mittels denen ein maximaler Ertrag bei höchstmöglicher Qualität
garantiert wird. Dies wird gewährleistet mittels der ausschließlichen Ernte derjenigen
Kirschen, die im optimalen Reifepunkt (glänzend rote Farbe) sind. Hierbei ist es wich-
tige die verschiedenen Reifestadien der Bohne zu kennen und wie sie sich auf das
Tassenprofil auswirken. Dies wird wie folgt beschrieben:
 Grüne/unreife Kirschen: wenig aromatisch, das Tassenprofil weißt eine hohe
Adstringenz, Bitterstoffe und herbe Noten auf.
 Reife Kirschen: starkes und langanhaltendes Fragcrance, im Flavour kommen
geschmackliche Charakteristika zum Ausruck

Um eine gutes Tassenprofil sicherzustellen, ist es wichtig, folgende Punkte ein-


zuhalten:
 Die Kirschen müssen im optimalen Reifegrad geerntet werden; unreife Kir-
schen verringern das Gewicht und führen zu einer Verschlechterung des
Getränks.
 Beim Ernten der Frucht ist es ratsam, die Kirschen abzudrehen und nicht
abzureißen, um zu vermeiden, dass die Blütenansätze für die zukünftige
Ernte zerstört werden.
 Man sollte grüne und vertrocknete Kirschen in jedem Fall separieren, da
sie als Mischungsbestandteil die aromatische Intensität, die Säure und den
Körper verringern.
 Noch am Tag der Ernte, möglichst schon am Nachmittag sollte der Aufbe-
reitungsprozess des Kaffees gestartet werden, um Gewichtsverlust und
Fermentation der Kirschen zu vermeiden.
 Es muss sichergestellt werden, dass die Transportfahrzeuge für den Kaf-
fee sauber sind, um eine Vermischung mit Fremdmaterialien zu vermei-
den, da dies in der Regel der Hauptgrund für schlechte Geschmäcker und
Gerüche ist.
24
 Alle Informationen zur Ernte sollten notiert werden: Datum, Zeitpunkt der
Anlieferung an der Aufbereitungsanlage, Hanglage und Name der Finca,
mit dem Ziel, alles unter genauer Kontrolle zu halten.

Morphologie der Kaffeekirsche


a. Epicarp oder Cascara: Die äußere Schale der Frucht; grüne Farbe, wenn noch
nicht reif; rot, gelb oder orange bei optimaler Reife und kastanienbraun, wenn
sie vertrocknet ist.
b. Mesocarp oder Mucilage: Gummiartige bis glitschige Ummantelung, die die
zwei Samen mit ihren jeweiligen Ummantelungen umgibt.
c. Endocarp oder Hornschale: Hornschalene Ummantelung, die die zwei Samen
mit ihren Silberhäutchen jeweils einzeln umgibt.
d. Silberhäutchen: Umgibt jeden Samen in Form einer feinen, seidigen Hülle.
e. Endosperm, Bohne oder Samen: Der Teil der Frucht, der das genetische Erb-
gut beinhaltet und durch Keimung das Überleben der Spezies garantiert.

Abbildung 14: Ausselektionierung der grü- Abbildung 15: Kaffeekirschen in optimaler


nen Kirschen Reife (Fotos: Eduardo Mendoza)

Kaffeekirschen in optimaler Reife besitzen all jene Komponenten, die olfaktorische


und gustatorische Qualitäten fördern. Sie lassen sich vor allem bei Kaffees finden,
die in Höhen über 1.200m wachsen. Sie bilden die Ausgangsbasis für ein Getränk
mit perfekter Balance zwischen Säure und Süße, also jene Basis, über die wir exzel-
lente Qualitäten im Kaffee definieren.

Abbildung 16: Kaffeekirschen in adäquater Abbildung 17: Brix-Refraktometer


Reife

Das Handrefraktometer ermöglicht einen genaueren Einblick in den Zuckergehalt


innerhalb der Mucilage. Auf Basis dessen lässt sich der Zeitpunkt der optimalen Rei-
25
fe und des optimalen Reifezeitpunkts bestimmen. Kaffeekirschen der Varietät Bour-
bon, reif geerntet und in SHG-Lagen gereift, haben einen Zuckergehalt von 22 Grad
Brix, wodurch die Süße zum sensorischen Hauptattribut wird.
Auf den Reifegrad der Kirschen kann man auch im Röstprozess rückschließen. Reife
Kaffeekirschen weisen einen tendenziell eher dunklen Farbwert und untereinander
eine hohe Homogenität auf. Unreife oder grüne Kirschen hingegen weisen im Röst-
vorgang viele Quakerbohnen auf. Man erkennt sie an ihrem hellen Farbton. Fragran-
ce und Aroma ähneln Erdnüsse, der Kaffee selbst weißt astringierende und zugleich
ordinäre Charakteristika auf.

Abbildung 18: Röstkaffee, bestehend aus unreifen (links) und reifen Bohnen (rechts)

Im Falle einer um ein paar Wochen verspäteten Ernte hinsichtlich des eigentlich phy-
siologisch perfekten Reifezeitpunkts der Kirsche, haftet die Mucilage als Teil der
Frucht am Pergamino an, wodurch weinige Noten im Getränk entstehen können.

Abbildung 19: Purpurfarbene, überreife Kaffeekirschen

4.5 Der Transport


Die mit den unmittelbar geernteten Kaffeekirschen befüllten Säcke sollten nicht direk-
ter Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, da hierdurch enorme Temperaturen die
Kirschen schwitzen lassen. Dies begünstigt und beschleunigt Fermentationsprozesse
und es darf nicht vergessen werden, dass unmittelbar nach dem Abtrennen der Kir-

26
sche von der Pflanze der Fermentationsprozess einsetzt. Daher ist es auch notwen-
dig, Kaffeekirschen am selben Tag der Ernte zu entpulpen.

Der soeben geerntete Kaffee muss unmittelbar zum Beneficio transportiert werden,
wo er in Anlieferungsbecken gelagert wird, um unmittelbar verarbeitet zu werden. Für
den Fall dass eine unmittelbare Aufbereitung aufgrund höherer Gewalt nicht möglich
sein sollte, sollte der Kaffee in einem Becken mit frischem Wasser deponiert werden,
um die Fermentationsprozesse hinauszuzögern, die sonst die physische Qualität
gleichwie das Tassenprofil negativ beeinflussen würden. Sobald sich das Wasser
verdunkelt aufgrund von in der Pulpe enthaltenen Säuren, sollte das Wasser gegen
frisches Wasser ausgetauscht werden. Dieser Wechsel sollte alle sechs Stunden
erfolgen.

4.6 Der Nassaufbereitungsprozess


Der Nassaufbereitungsprozess ist einer der am meisten die Qualität beeinflussenden
Aufbereitungsprozesse. Daher muss man diesem Prozess höchste Achtsamkeit zu-
kommen lassen. Der Prozess beinhaltet das Entfernen von Pulpe und Mucilage, um
die Definition eines gewaschenen Kaffees zu erfüllen. Um einen Honey Dried zu pro-
duzieren, ist es weder notwendig die Mucilage zu entfernen, noch den Kaffee zu wa-
schen. In beiden Fällen muss der Kaffee bis zum entsprechend richtigen Prozentsatz
getrocknet werden, der für die Lagerung des Kaffees notwendig ist. Um die Qualität
des Kaffees während des Aufbereitungsprozesses zu erhalten, ist es unumgänglich,
dass die verantwortliche Person umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich der Kalibrie-
rung der Entpulper, der Fermentation und Trocknung sowie hinsichtlich der ord-
nungsgemäßen Lagerung des Kaffees aufweist.

4.6.1 Die Anlieferung der Kaffeekirschen


In diesem Schritt müssen Proben entnommen werden, um den Anteil der Kaffeekir-
schen mit Schädlingsbefall, mit Fermentationsschäden sowie den Anteil unreifer Kir-
schen zu bestimmen und allgemein den Zustand der Kirschen zu überprüfen.

4.6.2 Hydrostatische Klassifikation (Syphon)


Die Kaffeekirschen werden von den Anlieferungsbecken hydraulisch mittels einer
Transportschnecke oder alternativ durch eine Rutsche zum Syphon transportiert.
Hier werden die Kirschen nach Dichte sortiert. Alle Fremdkörper, z.B. Steine sinken
aufgrund ihrer hohen Dichte zu Boden und werden so nicht weiterverarbeitet, da sie
in den Absenkungen des Syphons bleiben. Auch werden leichte Materialien wie Blät-
ter oder vertrockneter Kaffee an der Oberfläche des Beckens gesammelt.
Der reife Kaffee wird durch eine Pumpe zu den Entpulpern weitertransportiert. Damit
genug Wasserdruck entsteht, um den reifen Kaffee weiterzuspülen ist es notwendig,
dass der untere Teil des Syphons sich verengt. Die Menge an Wasser sollte im Ver-
hältnis 3:1 zum Kaffee stehen. Das hierbei verwendete Wasser kann problemlos wei-
terverwendet werden.

4.6.3 Das Entpulpen des Kaffees


Der Entpulpungsprozess stellt die primäre physische Transformation von der Kirsche
zum Pergamino dar. Die Pulpe, die in etwa 40% des Gesamtgewichts der Kirsche
darstellt, wird hierbei entfernt. Die hierbei verwendeten Entpulper machen sich die
27
glitschige Oberfläche der Mucilage zunutze, indem mittels leichten Druckes die Kir-
sche von der Bohne abgestreift wird.
Ein schlecht kalibrierter Entpulper, der mit zu hohem Druck arbeitet, sorgt für eine
Beschädigung des Pergaminos bzw. der Bohne. Dieser Defekt zieht sich durch sämt-
liche Etappen des Aufbereitungsprozesses, beeinflusst das Fermentations- wie auch
das Trocknungsverhalten, verändert die chemische Zusammensetzung der Bohne
und beeinflusst daher auch schlussendlich das Tassenprofil des Kaffees.
Daher ist es vorab sehr wichtig, dass die für die Entpulpung zuständige Person Alles
unternimmt, damit der Entpulper perfekt ausbalanciert und kalibriert ist. Die an der
Trommel befindliche Brustplatte muss ebenfalls überprüft werden und bei Beschädi-
gungen ausgetauscht werden.
Während des Entpulpungsprozesses muss er besondere Aufmerksamkeit dem ent-
pulpten Kaffee zukommen lassen und sicherstellen, dass die Bohnen nicht ge-
quetscht und darüber hinaus keine Absplitterungen oder Kratzer aufweisen. Darüber
hinaus muss sichergestellt werden, dass untentpulpte Kirschen nicht in zu großem
Umfang enthalten sind sowie, dass in der Pulpe keine entpulpten Bohnen enthalten
sind.

4.6.4 Der Primär-Entpulper


Die Entpulper, die mit einem horizontal ausgerichteten Zylinder ausgestattet sind,
sind die am häufigsten genutzten Entpulper in El Salvador. Der Aufbau hat sich über
die Zeit hinweg nicht verändert. Grundsätzlich bestehen sie aus einem kupferum-
mantelten Zylinder mit kleinen rasiermesserähnlichen Klingen. Dieser Zylinder führt
die Kirschen zu einer eisernen Brustplatte oder einem Gummiband, das den reifen
Kaffee entpulpt. Die Pulpe wird über die Rückseite des Entpulpers mit oder ohne
Wasser (bestenfalls ohne Wasser) getrennt und die entpulpten Bohnen werden an
der Vorderseite mit oder ohne Wasser weiterverarbeitet.

Abbildung 20: Zusammengeschaltete Entpulper (links) und eine Entpulpungstrommel (rechts)

Die Entpulpung des Kaffees muss am selben Tag der Ernte erfolgen, spätestens
zwölf Stunden nach der Ernte. Hilfreiche Hinweise für eine gute Entpulpung sind:
 Die Brustplatte des Entpulpers muss sehr genau kalibriert werden und einmal
pro Woche korrigiert werden.
 Erhöhte Aufmerksamkeit muss aufgebracht werden, wenn viele Pulpenreste
im Bohnenbild oder viele Bohnen in den Pulpenresten zu finden sind.
 Der Abstand zwischen Trommel und Brustplatte variiert abhängig vom
Durchmesser der Kaffeekirschen. So muss dieser Abstand beispielsweise bei
der Pacamara-Varietät neu kalibriert werden.
28
 Die Sauberkeit des Entpulpers sowie das Ölen der Antriebskette müssen täg-
lich als Teil der immer wiederkehrenden Wartungsarbeit überwacht werden.

4.6.5 Der Nachbearbeitungs-Entpulper


Die Nachbearbeitungs-Entpulper sind in der Regel enger konfiguriert, um unreife Kir-
schen zu entpulpen, die im vorherigen Entpulpungsprozess nicht entpulpt wurden.
Die hier entpulpten Bohnen sind zum größten Teil minderwertig, nur ein kleiner Teil
entspricht gehobenen Standards. Der Abstand zwischen Brustplatte und Zylinder ist
geringer, gleichwohl ist es hier ebenfalls notwendig, die Pulpe zu kontrollieren. Nor-
malerweise arbeiten die Nachbearbeitungs-Entpulper mit einer Eisenplatte, jedoch
können auch hier Gummibänder genutzt werden. Der hier entpulpte Kaffee sollte im
Weiteren separat aufbereitet werden.

4.6.6 Entpulpung ohne Wasser


Die Vorteile, die sich durch eine Entpulpung ohne Wasser ergeben sind in erster Li-
nie folgende: Kürzere Fermentationszeit, weniger kontaminiertes Wasser und weni-
ger Schimmelbildung an der Pulpe zu Beginn des Entpulpungsprozesses. Um ohne
Wasser zu entpulpen, braucht man einen trockenen Einfülltrichter, von wo aus die
Kaffeekirschen zu den Trichtern der Entpulper weitergeleitet werden. Um die Pulpe
abzutransportieren, ist es wichtig, dass die Rampe einen Neigungswinkel von 47°
zum Boden hat, damit die Pulpe letzendlich auch wirklich zum Kompostierungsort
transportiert werden kann. Für längere Distanzen empfiehlt sich eine Transport-
schnecke.

4.6.7 Volumetrische Klassifikation des entpulpten Kaffees


Der auf nassem Wege entpulpte Kaffee ist großen Schwankungen ausgesetzt, wes-
halb eine Klassifikation in diversen Schritten von der Ernte der Kaffeekirschen bis zur
Waschung notwendig ist. Der entpulpte Kaffee muss nach Größe klassifiziert werden
mit dem Ziel, nicht enpulpte Kirschen sowie Pulpenreste von den Bohnen zu trennen.
Pulpenreste in den Fermentationsbecken verändern die Bohnenoberfläche, verleihen
ihr einen rötlichen Farbton und eine unkontrollierte Fermentation. Um den Entpul-
pungsprozess zu optimieren, kann man eine der folgenden Apparaturen verwenden:

4.6.7.1 Schwingsiebe
Hierbei handelt es sich um Metallsiebe mit ovalförmigen Löchern. Der wie auch im-
mer geartete Kaffee rutscht über die horizontale Fläche, die entpulpten Bohnen fallen
aufgrund ihres Durchmessers und ihrer Form in die Löcher des Siebes und werden
weitergeleitet zu den Fermentationsbecken bzw. zum Demucilierer (Desmucilagina-
dora), währenddessen die nicht entpulpten Kirschen oberhalb des Siebes bleiben
und zum Nachbearbeitungs-Entpulper weitergeleitet werden.

4.6.7.2 Trommel-Rotationssiebe
Rotationssiebe funktionieren grundsätzlich genauso wie Schwingsiebe. Sie drehen
sich mit etwa 15-18 Umdrehungen pro Minute. Die Maschen des Siebs haben die
gleichen Durchmesser wie das Schwingsieb. Um zu vermeiden, dass die Bohnen die
Maschen der Trommel verstopfen, muss ein walzenförmiger Besen oberhalb der

29
Trommel installiert werden. Diese Verfahrensweise benötigt kein Wasser, dass nor-
malerweise bis zu diesem Prozessschritt notwendig ist.

4.6.8 Fermentation in Becken

Abbildung 21: Leere Fermentationsbecken (links), Fermentationsbecken mit Pergaminos


(rechts)

Um den Fermentationsprozess für nassaufbereiteten Kaffee zu starten, ist es not-


wendig, dass das Fermentationsbecken sauber und frei von Wasserresten ist. Nur
dann erfolgt der Prozess ohne zusätzliche Probleme. Die Fermentation besteht im
Wesentlichen darin, den soeben entpulpten Kaffee in Becken zu lagern. Nach einer
bestimmten Zeit löst sich die Mucilage bzw. der Honig von der Bohne mittels Rei-
bung durch Wasser. Der Fermentationsprozess stellt einen der schwierigsten Pro-
zesse dar, da Fehler die Qualität direkt senken können. Daher muss die genaue
Fermentationszeit unbedingt eingehalten werden. Die Umgebungstemperaturen so-
wie die Luftfeuchtigkeit haben einen direkten Einfluss auf die Fermentationszeit. Da-
her verlängert sich die Fermentationszeit in höher gelegenen Regionen, in den zum
Beispiel Kaffee angebaut wird, der gemeinhin als SHG klassifiziert wird, wohingegen
in niedriger gelegenen Anbaugebieten sich die Fermentationszeit deutlich verringert.

4.6.8.1 Der richtige Fermentationspunkt


Der richtige Fermentationszeitpunkt liegt dann vor, wenn es möglich ist, die sich lö-
sende Mucilage mittels Reibung zwischen Wasser und Bohnen zu trennen. Ein auf
diese Weise aufbereiteter Kaffee wird am Weltmarkt gemeinhin als Fully Washed-
Kaffee bezeichnet. Der im Anschluss an die Fermentation stattfindende Wasch-
Prozess kann auf verschiedene Weisen stattfinden, die im Folgenden näher erörtert
werden.

4.6.9.1 Mechanisches Waschen


Um den Waschvorgang mechanisch umzusetzen, braucht man ein horizontal ange-
ordnetes Becken, wo sich, nachdem Kaffee und sauberes Wasser eingefüllt wurden,
die Mucilage von der Bohne trennen lässt. Dieser Prozess ist gemeinhin der in El
Salvador typische Prozess.

30
4.6.9.2 Impulspumpen
Hier werden zwei Impulspumpen eingesetzt. Die erste erzeugt Turbulenzen und so-
mit Reibung zwischen den Bohnen, die zweite stellt sicher, dass die Mucilage kom-
plett abgeleitet wird. Das Wasser der zweiten Pumpe kann ein weiteres Mal bei den
Fermentationsbecken eingesetzt werden.

4.6.9.3 Der Demucilierer (Desmucilaginadora)


Die Mucilage kann auch mittels Demucilierern entfernt werden. Diese reiben die
Bohnen aneinander und durch frisches Wasser wird die Mucilage gleichermaßen ent-
fernt. Bei dieser Art des Waschens ist es nicht notwendig, die Mucilage vorab lösbar
zu machen. Der Kaffee kann in einem kontinuierlichen Prozess unmittelbar nach der
Entpulpung zu dem Demucilierer weitergeleitet werden. Die Hersteller haben dem-
entsprechend Nassaufbereitungsanlagen entwickelt, die simultan entpulpen, Kir-
schen von entpulpten Bohnen separieren und den Kaffee waschen. Es ist möglich,
selbst kleine Volumina an Kaffee auf diese Weise aufzubereiten. Die Vorteile dieser
Apparaturen sind u.a.: wenig Platzbedarf, weniger Zeit- sowie Wasserbedarf und
leichte Handhabung.

Abbildung 22: Das Innenleben eines Demucilierers (Desmucilaginadora)

4.6.9.4 Der Waschprozess in Fermentationsbecken (die herkömmliche Aufbe-


reitung)
Dieser Prozess besteht darin, sauberes Wasser in das mit dem bereits optimal fer-
mentierten Kaffee zu leiten. Der Kaffee wird mittels Holzplanken kontinuierlich be-
wegt, bis die gesamte Mucilage abgeflossen ist. Dies lässt sich daran erkennen,
dass sich das Wasser aufgrund der Vermischung mit Mucilage verdunkelt. Dieses
Wasser muss an einen adäquaten Ort für die spätere Wasseraufbereitung abgeleitet
werden. Sobald kein Wasser mehr im Fermentationstank ist, wird ein weiteres Mal
sauberes Wasser in den Fermentationstank geleitet. Der Kaffee wird wiederholt be-
wegt, an derem Ende dann der gewaschene Pergamino steht. Diese Variante der
Nassaufbereitung findet man in herkömmlichen Beneficios, die mehrheitlich in La
Palma, Chalatenango stehen.

31
Abbildung 23: Kontinuierliches Bewegen der Pergaminos (links), gewaschener Pergamino
(rechts)

Während der letzten zehn Jahre hat der Honey-Dried-Prozess einen deutlichen An-
stieg bei Spezialitätenkaffees zu verzeichnen. Dies hängt mit den Cuppingresultaten
zusammen. Der Kaffee weist eine deutliche Süße in Kombination mit einer balancier-
ten Säure auf. Diese Charakteristika werden international bei Spezialitätenkaffees
sehr geschätzt. Um einen Honey-Dried zu erhalten, sollte die Mucilage nicht vom
Pergamino getrennt werden, der dabei entstehende Vorteil liegt in der Tatsache,
dass weniger Kontamination mit der Umwelt stattfindet, da hierbei kein Wasser zum
Einsatz kommt.

4.6.10 Der Transport des gewaschenen Kaffees


Tauchpumpen haben die grundsätzliche Aufgabe Wasser und Feststoffe von einem
Ort zu einem andern zu transportieren. In diesem Fall werden die Pergaminos ge-
mischt mit Wasser zu den Trocknungsflächen (Patios) mittels einer Tauchpumpe
transportiert. Hierbei kommen 65% Wasser und 35% Pergaminos aufeinander. Am
Ende wird das Wasser von den Pergaminos getrennt.

4.6.11 Die Trocknung des Kaffees


Der Trocknungsprozess beinhaltet die Verringerung der Feuchtigkeit in den Bohnen
von 55% auf ca. 12%. Es ist dringend geraten, bereits angetrockneten Kaffee nie-
mals mit feuchten oder durchnässten Bohnen zu mischen, andernfalls wird man
schlussendlich Bohnen mit sehr unterschiedlichen Feuchtigkeitsgehältern und ent-
sprechend unterschiedlichen Farbwerten haben. Das Trocknen unter Sonne von Na-
turals oder Honey Drieds gelingt am besten in African Drybeds. Hierbei sollte man
am Anfang eine Schicht von 2cm Kaffee haben. Diese Schichtdicke sollte bis etwa
zur Hälfte des Trocknungsprozesses erhalten bleiben, damit der Kaffee seinen
Feuchtigkeitsgehalt schnell verringern kann. Für ein guten Kaffee ist es notwendig,
den Kaffee regelmäßig und vollständig zu wenden. Bei der Trocknung des Kaffees
auf Patios sollte der Kaffee nach drei Tagen angehäuft werden und in den Nächten
abgedeckt werden, damit der Kaffee sich hierdurch homogenisieren kann hinsichtlich
Farbe und die Feuchtigkeit an die Oberfläche der Bohne transportiert werden kann.
Darüber hinaus muss vermieden werden dass der Kaffee mit Tautropfen in Kontakt
kommt, ein Phänomen, dass in El Salvador während der Aufbereitungszeit häufig
vorkommt. Durch Tau verlängert sich die Trocknungszeit. Die Trocknungsdauer ist
direkt von den Umgebungsfaktoren abhängig, normalerweise liegt sie bei etwa zehn
Tagen, um die empfohlenen 12% Restfeuchte zu erhalten, die zum Ende hin mit
Humedometern ermittelt werden kann.

32
Der Austausch von Wärme mit Feuchtigkeit beginnt in der Oberfläche der Bohne, die
sich nach unten hin ablegt, wo sie nahezu gleich bleibt. Das liegt daran, dass kaum
Wärmeenergie aufgrund von Wasserverdunstung dorthin gelangt. Daher ist ein re-
gelmäßiges Wenden des Kaffees zwingend notwendig. In den wärmsten Stunden
des Tages, wo sich der Kaffee deutlich erhitzt, muss der Kaffee alle 30 Minuten ge-
wendet werden. Dabei sollte bedacht werden, dass ein Quintal (100lb.) Pergamino-
Kaffee, ca. 1,5m² Patio benötigt.

Bedarfskalkulation Patio

Anlieferung des Kaffees (in Quintales) Benötigter Platz auf dem Patio in m²

Kirschen / Tag Gewaschener Pergamino m² / Tag m² / Woche

200 84 126 882


100 42 63 441
50 21 31,5 220,5
25 10,5 15,75 110,25

Die Patios müssen in einem optimalen Zustand hinsichtlich Sauberkeit sein, um ein
uniformes Trocknungsergebnis zu erzielen. Dafür muss außerdem sichergestellt
sein, dass der Kaffee auf ca. 3cm Höhe geschichtet wird. Dies gilt für die ersten zwei
bis drei Tage der Trocknung und hilft dabei, zuerst die Oberfläche des Kaffees zu
trocknen. Alle 30 Minuten muss der Kaffee mit einem Rechen oder mechanisch ge-
wendet werden, wodurch die unteren mit den oberen Schichten ausgetauscht wer-
den.
Viele tendenziell außergewöhnliche Kaffees können aufgrund eines ungenügenden
Trocknungsprozesses, speziell, da der Kaffee nicht ausreichend bewegt wird, nicht in
den Spezialitätenmarkt eingeführt werden.
Ungleiche Farbtöne entstehen durch zu dicke Trocknungsschichten und nicht ausrei-
chende Bewegung in der oben genannten Frequenz. Andere Ursachen hierfür kön-
nen zu dünne Trocknungsschichten sein, wodurch der Kaffee zu schnell trocknet.
Hierdurch bleicht die Bohne speziell an den Rändern aus.

Abbildung 24: Trocknung des Kaffees mittels African Drybeds

33
Den Kaffee anzuhäufen und während der Nächte abzudecken hat eine positive Aus-
wirkung auf die Homogenität hinsichtlich des Feuchtigkeitsgehaltes. Hierdurch
kommt ein intensiver dunkelgrüner Farbton sowie für den Spezialitätenmarkt positiv
besetzte Geschmackscharakteristika zu Stande.

4.6.11.1 Mechanische Trocknung


Mechanische oder künstlich beschleunigte Trocknung bietet sich in den Fincas an,
wo eine natürliche Trocknung aufgrund von Niederschlägen oder wenig Lichteinfall
erschwert ist.
Die diversen Trocknungssysteme auf dem Markt basieren auf dem Prinzip von Heiß-
luft und Zirkulation (Silos) oder Heißluft und konstante Bewegung des Parchments in
einer Trommel (z.B. Guardiola). Als Brennstoff kann Pergamenthaut, Holz oder Die-
sel verwendet werden.

4.6.11.2 Komponenten der mechanischen Trocknung


Der Chamuscadora: Sobald der Kaffee den Waschprozess verlässt wird er in eine
Maschine befördert, wo das Wasser an der Oberfläche der Bohnen entfernt wird,
gleichwie Partikel, die an der Oberfläche der Bohne haften. Anschließend wird der
von Unreinheiten befreite Kaffee zur Vortrocknung befördert.
Der Vortrockner: Der Vortrockner ist grundsätzlich gleich gebaut wie ein regulärer
Trockner. Einzige Unterschiede bestehen darin, dass der Vortrockner keine Rück-
standstaschen für Unreinheiten hat und die Lufttemperatur höher ist. Nach Abschluss
der Vortrocknung hat der Kaffee eine Restfeuchtigkeit von 35-40%. Die Lufttempera-
tur darf dabei nicht höher als 70°C sein. Der Prozess dauert zwischen 20 und 30 Mi-
nuten.
Der Trockner: Sobald die Feuchtigkeit des Kaffees auf 35% reduziert wurde, wird er
zum Trockner befördert. Dieser verfügt über Rückstandstaschen für Unreinheiten im
oberen Bereich, was zu einer besseren Homogenität des Kaffees führt. Die Tempe-
ratur muss zwischen 60 und 65°C liegen bei einer Trocknungszeit von 20 bis 30
Stunden, abhängig vom Equipment und dem zu erzielenden Endprodukt. Je langsa-
mer die Trocknung vorangeht, desto höher ist Qualität der Bohne.

4.6.11.3 Der richtige Trocknungszeitpunkt


Idealerweise hat getrockneter Kaffee eine Restfeuchtigkeit von 12%, diese kann auf
folgende Weisen ermittelt werden:

4.6.11.4 Empirische Bestimmung


Es ist wichtig ein repräsentatives Muster eines Produktionslots zu erhalten. Darüber
hinaus muss man dem Umstand Rechnung tragen, dass dieses Muster verschieden-
artig große Bohnen enthält. Die kleineren Bohnen werden tendenziell eher über-
trocknet, die mittelgroßen adäquat getrocknet und die ganz großen Bohnen mitunter
Wasserflecken bzw. Feuchtigkeitsflecken aufweisen. Um zu überprüfen, ob der Kaf-
fee die für die Lagerung sinnvolle Restfeuchtigkeit erreicht hat, gibt es vier empiri-
sche Prüfweisen:
o Optische Bestimmung: Man entfernt die Pergamenthaut des Kaffees und fo-
kussiert sich auf die Farbgebung des grünen Kaffees: Sind die Bohnen noch
grün-bläulich, ist der Trocknungsprozess noch nicht abgeschlossen, die
Feuchtigkeit ist zu hoch.
34
o Bestimmung mit den Zähnen: Man nimmt Bohnen in unterschiedlichen Feuch-
tigkeitsgehalten und zerdrückt sie mit den Zähnen. Es muss überprüft werden,
ob im Kaffee der Zahnabdruck erkennbar ist. Ist dies der Fall, hat der Kaffee
seinen adäquaten Punkt erreicht. Lassen sich die Bohnen mit den Zähnen
zerbrechen, ist der Kaffee noch zu feucht, sind keine Zahnabdrücke auf der
Bohne erkennbar, ist der Feuchtigkeitsgehalt der Bohne zu niedrig.
o Bestimmung mit einem Messer: Die Bohnen, möglichst in verschiedenen
Trocknungszeitpunkten, werden auf einen ebenen Untergrund mit der Bauch-
seite gelegt. An jeder Bohne wird ein Schnitt vorgenommen. Wenn die Bohne
sich zerschneiden lässt und dabei beide Teile der Bohne zur Seite wegsprin-
gen, ist der Trocknungsgrad adäquat. Lässt sich die Bohne schneiden, die
Teilchen springen aber nicht auseinander, ist der Feuchtigkeitsgrad zu hoch.
Für den Fall, dass die Bohne sich gar nicht schneiden lässt, ist die Bohne kris-
tallisiert, der Feuchtigkeitsgehalt ist zu niedrig.
o Bestimmung mit einem Hammer: Die Bohnen werden auf einen ebenen Un-
tergrund mit der Bauchseite gelegt. Ist ein Hammerabdruck auf der Oberfläche
zu sehen, ist der Kaffee auf den Punkt getrocknet. Sobald die Bohnen jedoch
zerplatzen, ist der Feuchtigkeitsgehalt zu hoch, widerstehen die Bohnen dem
Hammerschlag unbeschadet, so ist der Kaffee übertrocknet.

4.6.11.5 Bestimmung der Feuchtigkeit mittels Apparaturen


Es gibt Apparaturen, mittels denen es möglich ist, schnell und exakt den Feuchtig-
keitswert des Rohkaffees zu messen. Manche Modelle können die Feuchtigkeit so-
wohl bei Pergaminos als auch bei grünem Kaffee messen. Generell messen diese
Apparaturen die Leitfähigkeit bzw. die nicht leitenden Teilchen in der Bohne.

Abbildung 25: Feuchtigkeitsmessgerät

4.6.12 Die Lagerung


In einem Beneficio muss ein Lager vorhanden sein, in dem man Kaffee lagern kann,
gleichwie Waagen, Säcke, etc. Dieses Lager muss absolut sauber und frei von kon-
taminierenden Elementen wie Giften, chemischen Düngern, organischem Dünger,
Arbeitsgerät und anderen Dingen gehalten werden, die die Qualität des Kaffees be-
einträchtigen können. Notwendigerweise muss bekräftigt werden, dass die Bereiche,

35
in denen Kaffee egal in welchem Zustand auch immer gelagert wird, mit Leichtigkeit,
angenehme sowie unangenehme Gerüche aus der Umgebung aufnehmen.

Abbildung 26: Adäquate Lagerung von Kaffee

Die Lagerung von Kaffee muss zu dem Zeitpunkt beginnen, wo der Kaffee eine
durchschnittliche Feuchtigkeit von 12% erreicht hat. Im Falle, dass aufgrund eines
Fehlers der Kaffee mit einer Feuchtigkeit oberhalb von 13% gelagert wird, besteht
das Risiko, dass sich das in der Bohne enthaltene Wasser während der Lagerung
erhitzen wird. Im Vordergrund muss immer stehen, dass der ökonomische Wert des
Kaffees erhalten bleibt. Die Bohne ist nach wie vor lebendig und weist physiologische
Aktivität auf. Bei 12% Restfeuchtigkeit befindet sich die Bohne quasi im Schlafzu-
stand und muss gelagert werden. Jede weitere Bearbeitung des Kaffees generiert
Wärme, die wiederum physischen und sensorischen Charakteristika des Kaffees ne-
gativ beeinflusst.
Wird im Gegenzug Kaffee mit einem sehr niedrigen Feuchtigkeitsgehalt gelagert, ver-
liert dieser an Gewicht. Darüber hinaus wird der Kaffee während der Schälung (Trilla)
Schaden nehmen, da er im Inneren kristallisiert ist. Letzteres führt zu einer signifikan-
ten Verringerung des Verkaufspreises und der Qualität.

Abbildung 27: Rohkaffee unterteilt nach abweichender Farbe aufgrund zu hoher Feuchtigkeit
bei Lagerung

Es wird empfohlen, Kaffee bei Temperaturen zwischen 18 und 20°C und einer Luft-
feuchtigkeit zwischen 60 und 65% zu lagern. Die Oberflächenbeschaffenheit des Bo-
dens muss so beschaffen sein, dass ein direkter Kontakt mit dem Wasser vermieden
wird. Es wird die Benutzung von Holzpaletten daher empfohlen. Eine andere Option
stellt die Benutzung der Pergamentschalen als Abfallprodukt aus dem Trilla dar. Dar-
36
über hinaus kann man auch mit Säcken arbeiten, die wie eine Isolatin zwischen Kaf-
fee und dem Boden fungieren. Auf diese Weise wird die Feuchtigkeit im Kaffee erhal-
ten und gleichzeitig eine physische Zersetzung auch im Hinblick auf das Kaffeege-
tränk vermieden. Es muss darüber hinaus beachtet werden, dass die Kaffees nicht
zu nah an Wänden oder am Dach gelagert werden, damit Luftzirkulation sowie ein
ständiger Zugang zu jedem einzelnen Kaffee sichergestellt sind. Es muss sicherge-
stellt werden, dass zwischen dem Kaffee und den Wänden ein Mindestabstand von
0,5m und zum Dach ein Abstand von 1,5m besteht.

In dem Moment, wo der Kaffee an einen anderen Ort transportiert werden soll, muss
sichergestellt sein, dass die Oberfläche des Transportmittels so sauber wie möglich
und frei von kontaminierenden Substanzen sowie ander Unreinheiten ist.

Der Kaffee sollte gemäß der bereits realisierten Cuppingresultate angemessen gela-
gert werden. Diese sind wichtig, um den Kaffee zu klassifizieren, gleichwie seine or-
ganoleptischen Charakteristiken zu beschreiben. Eine qualitätskonforme Trocknung
und die Lagerung unter guten Bedingungen führen zur besten Vorsorge gegen jede
Art von Pilzbefall.

Abbildung 28: Bei adäquaten Temperaturen gelagerter Kaffee

4.6.12 Der Dry-Milling-Prozess


Der Dry-Milling-Prozess besteht aus der Entfernung der Schale, also entweder der
Pergamenthaut oder der getrockneten Kirschschale, und der anschließenden Klassi-
fikation und Aussortierung der Bohnen, die Defekte aufweisen, auf ein Mindestmaß
gemäß Absprache zwischen den einzelnen Parteien.

4.6.12.1 Die Anlieferung des Kaffees


Der trockene Pergamino wird in ein Metallsilo gefüllt, mit dem Vorsatz, ein Volumen
zu erzeugen, dass einen kontinuierlichen Nachfluss zur Schälmaschine (Trilla) si-
cherstellt.

4.6.12.2 Die Schälung des Kaffees


Der Kaffee im Pergamentstadium wird mit 12%iger Feuchtigkeit zum Trilla weiterge-
leitet, eine Maschine die Schale von Bohne trennt.

37
4.6.12.3 Volumetrische Klassifikation des Rohkaffees
Dieser Vorgang wird mittels Schüttelsieben durchgeführt. Dabei werden die Bohnen
nach Volumen klassifiziert. Die Bohnen mit einem höheren Volumen sind i.d.R.
hochwertiger und werden in El Salvador als Primärkaffee (café de primera) bezeich-
net.

4.6.12.4 Klassifikation nach Dichte („Windverkoster“)


Der grüne Rohkaffee wird im Weiteren Verlauf auf sein spezifisches Gewicht hin
klassifiziert. Dies geschieht durch ein pneumatisches System, dass die Bohnen mit
niedriger Dichte von denen mit höherer Dichte trennt.

4.6.12.5 Klassifikation mittels Pneumatik und Vibration


Der Kaffee wird nach einem System klassifiziert, dass drei Prinzipien umschließt:
Vibration, Luftdruck und Neigung, um die Bohnen mit höherer Dichte, größerem Vo-
lumen und Gewicht zu gruppieren.

4.6.12.6 Manuelle und/oder elektronische Selektion


Der klassifizierte Rohkaffee wird in ein Silo geleitet mit dem Vorsatz, ein Volumen zu
erzeugen, dass einen kontinuierlichen Nachfluss zur manuellen oder elektronischen
Selektion sicherstellt. Hier werden diejenigen Bohnen separiert, die aufgrund ihrer
Farbe defekt sind oder nicht der Definition von Spezialitätenkaffee entsprechen.

4.6.12.7 Aufbereitungen
Abhängig vom Markt, in dem der Kaffee offeriert werden soll, wird die Aufbereitung
hinsichtlich der Anzahl der Defekte auf 300g Kaffee eines repräsentativen Musters
spezifiziert. Bohnenvolumen sowie die Intensität der allgemeinen Geschmackskrite-
rien spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Allgemein gibt es zwei internationale Aufbe-
reitungsarten für den weltweiten Kaffeemarkt, die als European Preparation (EP) so-
wie American Preparation (AP) bezeichnet werden. Die APs sind flexibler hinsichtlich
der Anzahl der Defekte.
Der für den Spezialitätenkaffeemarkt produzierte Kaffee weist eine grün-bläuliche
Färbung, eine ansprechende Erscheinung und ein einheitliches Volumen auf. Der
Feuchtigkeitsgehalt liegt bei 12%, der Kaffee weist klare Attribute in der Tasse auf.
Ausschließlich jene Kaffees, die mit höchster Sorgfalt und Aufmerksamkeit produziert
werden, können in diesen Markt eingeführt werden.

38
QUEZALTEPEC

DIE NACHT WAR MAJESTÄTISCH…INMITTEN DER RUHE


BRACH EIN DONNERGROLLEN HEREIN…
WIE EINE HORDE PFERDE MIT BRECHENDEM GALOPP
AUF EINEN ABGRUND ZURENNEND…

EIN BLASSER SCHEIN ALS AUSLÖSER,


AM HIMMEL WIE DIE RUHE VOR DEM STURM,
PLÖTZLICH IST ES TAGHELL
ALS WÜRDE DER HIMMEL SICH SELBST VERBRENNEN…

DER QUEZALTEPEC ZWISCHEN TAUSEND AUSBRÜCHEN


RAGT EIN ROTER KRATER EMPOR
IN DIESER BITTEREN NACHT DER ARMUT…

DER KRATER WIRD ZUR OFFENEN W UNDE


AUS IHR DIE BRENNEND WÜTENDE LAVA STEIGT,
WIE EINE ANMUTIG BRENNENDE BOA.

Frei übersetzt nach Alfredo Espino.

Abbildung 29: Absolventen aus San Igna- Abbildung 30: Freunde von der Vereinigung
cio, Chalatenango (2009) "Verkoster des Jahres" (2014)

Abbildung 31: Produzenten aus Perquin (2012)

39
Kapitel 5: Die Wichtigkeit laborgemäßer Verkostungen im Kaffeesektor
Der Verkostungsprozess stellt die Bemessung, Bewertung und Beschreibung der
physischen und organoleptischen Charakteristiken des Kaffes dar. Diese Kunst er-
laubt es uns, Attribute gleichwie Qualitäten und Defekte zu bewerten, was schluss-
endlich Sinn und Zweck einer Qualitätskontrolle am Ende des Transformationspro-
zess des Produktes sein sollte. Salvadorianischer Kaffee gilt als sehr wandlungsfähig
und weißt viele Charakteristiken auf. Hierbei muss erwähnt werden, dass es viele
Variablen gibt, die hinsichtlich des Geschmacks evaluiert und bemessen werden
müssen, wodurch sich das Profil des Kaffees und all seine Geschmäcker definieren.
Sobald man die Stärken des Kaffees identifiziert hat, hat man einen kompletten Ein-
blick, was die Vermarktung des Kaffee angeht. Das Wissen besteht in dem Können,
den Bereich abzustecken, in dem ein Produkt kommerzialisiert werden kann. Es ist
unumgängliches Wissen, dass die Verkostungsergebnisse von erheblicher Wichtig-
keit sind, den Kaffee erfolgreich zu handeln.
Mittels der Verkostung evaluiert man die Intensität und die Qualität, die das Getränk
definieren: Aroma, Körper, Säure, Geschmack sowie den Nachgeschmack. Diese
Attribute stehen im Zusammenhang mit der Anbauhöhe, klimatischen Einflussfakto-
ren, dem Plantagenmanagement, der botanischen Spezies und Varietät, den Boden-
verhältnissen, dem Aufbereitungsprozess und der schlussendlichen Lagerung. Diese
Attribute werden in numerischen Skalen evaluiert sowie durch beschreibende Adjek-
tive unterstrichen, die sowohl Qualitäten wie auch Defizite beinhalten. In der Summe
lässt sich daraus das Tassenprofil ableiten.
Ohne zutreffende Beschreibungen der Qualitäten bzw. ohne repräsentatives Muster
besteht keine Kauf-/Verkaufsgrundlage für (Micro-)Lots. Gleichwohl ist die Frage
nach Qualitäten immer auch eine subjektive Bestimmung, offen für viele Interpretati-
onen, immer einhergehend mit den persönlichen Kriterien des Cuptasters.

Abbildung 32: Rohkaffeemuster

„DIE NATUR BRINGT KAFFEE ZUR PERFEKTION – IN UNSEREN HÄNDEN LIEGT DAS W ISSEN,
DIE PERFEKTION ZU BEWAHREN“
Roberto Iglesias

40
Die Farmer, die in unternehmerischer Hinsicht interessiert sind, ihre Produkte im
Spezialitätensegment zu platzieren, sind daran gehalten, sich vollends auf Qualität
zu fokussieren. Eine gute Reputation kann nur dann erzielt werden, wenn man sich
strikt an die im Kontrakt festgehaltenen Absprachen hält und das Produkt liefert, das
man auch angeboten hat.
Reputationswerte im Relation mit einer guten Qualität locken eine gute Käuferclientel
an, die an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sind. Dadurch wird das
Interaktionsniveau zwischen den einzelnen Parteien erhöht, die Vermarktungsstrate-
gie bewegt sich von simpler Preissteuerung weg hin zum Konzept, wo Preis und
Qualität in Relation stehen. Einer der meistbegangenen Fehler von Kaffeeproduzen-
ten liegt in der Tatsache, einen Kaffee wissentlich zu verkaufen, der nicht die Spezifi-
kationen eines Kontraktes erfüllt. Der Fokus auf Qualität sowie eine tadellose Aus-
führung des Kontrakts sind daher essentiell wichtig und können zum wichtigsten Be-
standteil werden hinsichtlich der Kommerzialisierung.
Das Verkostungslabor stellt eine fundamentale Institution dar für diejenigen, die den
Wunsch verspüren, differenzierte Kaffees zu erhalten und erfolgreich Kaffee handeln
wollen. Das Labor wird dadurch zu einem Ort, an dem sehr wichtige Entscheidungen
getroffen werden. Darüber hinaus dient das Verkostungslabor dem Produzen-
ten/Aufbereiter auch dazu, Kaffees zu beurteilen und seine Qualitäten zu erklären
hinsichtlich der Preisverhandlung. Dem Käufer steht der Kaffee hier vorab zur Verfü-
gung, um zum jeweiligen Moment, prädominante Geschmäcker, die generellen Qua-
litäten der produzierten Varietäten sowie die gefundenen Attribute unter Verwendung
verschiedener Zubereitungsmethoden zu bestimmen. Er kann die hervorstehenden
Charakteristiken des Kaffees kommentieren, auch abhängig davon, ob der Kaffee
gewaschen, halbgewaschen, als Honey Dried, als Natural oder als Blend vorliegt.
Das Verkostungslabor schafft die idealen Geschäftsbedingungen und verbindet sie
mit einem familiären und vertrauenswürdigen Ambiente. Es besteht auch die Mög-
lichkeit testweise Proben zu erstellen, um zum Beispiel einen gewaschenen Kaffee in
einer bestimmten Menge mit einem halbgewaschenen Kaffee zu mischen. Man kann
den Kaffee auf unterschiedliche Farbwerte rösten, um den Kaffee auf die Wünsche
des Klienten anzupassen. Zu guter letzt verkostet der Käufer den Kaffee dort, wo er
auch geerntet wurde.

Abbildung 33: Verkostungstisch (l.), der internationale Cuptaster Paul Songer (r.)

Wenn potentielle Käufer ein Ursprungsland besuchen, zeigen sie sich besonders
zufrieden, wenn sie sich direkt an den Produktionsorten aufhalten und sind beson-
ders dankbar, Verkostungen mit dem Besuch einer Finca zu kombinieren. Das Ver-
kostungslabor ist der Ort, um Geschäfte zu realisieren und darüber hinaus auch der
perfekte Ort, an dem Informationen hinsichtlich der Rückverfolgbarkeit des Kaffees
gesammelt werden, zum Beispiel durch ein Musterarchiv, die Lage des Lots oder des
Hangs auf der Finca, die kultivierte Varietät, Anbauhöhe, Bohnendurchmesser, anvi-
siertes Tassenprofil, Temperaturen und andere für den Käufer wichtige Daten. Im
41
folgenden ist das klassische Verkostungsformat nach den Standards der SCA zu se-
hen, mittels dessen man den Kaffee evaluiert. Dieses wird auch z.B. in Japan ange-
wandt, momentan der wichtigste Abnehmer für die hochwertigsten Kaffees. Es ist
darüber hinaus wichtig zu erwähnen, dass eine genaue Evaluierung der Qualität
durch drei Cuptaster vorgenommen werden sollte, die über die Q-Grader-
Zertifizierung verfügen.

42
KAFFEE

I VI
LASS DIE TASSE KAFFEE ZURÜCK WIE DER KAFFEE, SO SIND SIE GEREIFT
IN DER ECKE DER SCHLAFLOSEN NÄCHTE
ZUSAMMEN MIT DEM STIFT
UND EINEM W ASSERGLAS SIE SIND FRÜCHTE DER NATUR.
UND DER TIEFGRÜNDIGEN RUHE UND DIE GIER AUS EINTAUSEND AUGEN
BERÜHRT NUR DAS DRUMHERUM.
II ACH, WIE WUNDERVOLL SIND DIE TROPISCHEN
DIES ALLES UND DIE LUFT IM RAUM WÄLDER
BRINGT DICH DAZU, DIE DÜFTE UND DER KAFFEE ALS WESENTLICHKEIT HIER!
KENNENZULERNEN,
DEN INTENSIVEN DUFT DER ORANGENBLÜTE, VII
HELLER TABAK, DUNKLER KAFFEE, SPÄTER… AUF DEM PATIO.
UND DEN DUFT VON ROSINEN DIE ROTEN KIRSCHEN.
UND ALLES WAS DU FINDEN KANNST WIE ROTE UNBEWEGLICHE EIDECHSEN
SCHLAFEN SIE IN IHREM EIGENEN SAFT
III WIE AUF LANGGEZOGENEN STRÄNDEN
DIES IST DIE GESCHICHTE EINES EINZIGEN IN DER SONNE.
SCHLUCKES UND SIE ZIEHT WEITER UND KOMMT DOCH
DORT, WO MAN ATMET: WIEDER.
KRÄFTIGE GERÜCHE BRINGEN UND EIN SÜßLICHER GERUCH MACHT DIE
EIN UNTERGRÜNDIGES VERLANGEN DIREKT LUFT DICHT UND SCHWER
VOM HIMMEL TAG UND NACHT, VOM AUFGANG BIS ZUM
UND DIES UMRUNDET DEN ERDBALL. UNTERGANG.
KLETTERE ZU DER GRÜN-SCHWARZEN LASS DIE TASSE KAFFEE ZURÜCK
FRUCHT IN DER ECKE DER SCHLAFLOSEN NÄCHTE
ZERSTÄUBT WIE VON EINER SICH IM W IND
WIEGENDEN BLÜTE VIII
DURCH DIE URGEWALTEN GESCHÜTTELT LASS DIE AROMEN WIE FLÜGEL ENTWEICHEN,
OFFENBART SIE IM KERN EINEN RUBIN LANGSAM GENIEßEN,
DIES IST DER HONIG DIESES GIFTES. EIN FEST FÜR DIE SINNE,
EIN UNAUSWEICHBARER ZAUBER,
IV WENN DER KAFFEE SICH GLEICH ENEM
UND DANN…VOM STRAUCH IN DEN KORB RODEOREITER SEINEN WEG BAHNT.
WERDEN DIE PFLÜCKER EINS MIT IHR UND LASS UNS DABEI ÜBER FINCAS UND
GLEICHWIE IHRE SCHNELLEN HÄNDE. SOMMER SPRECHEN
UND EIN REGEN VON KIRSCHEN MIT LEISEN STIMMEN
PRASSELT IN DEN KORB HERNIEDER. BIS HIN ZUR WAHREN RUHE.

V IX
ZUR MITTAGSSTUNDE BEGLEITEN SIE DIES IST DIE GESCHICHTE EINES EINZIGEN
GUITARRE UND DIE SONNE GLEICHERMAßEN SCHLUCKES
WIE EIN MAST AUS LICHT UND SCHWÜLE DORT, WO MAN ATMET.
AUF EINEM SINKENDEN SCHIFF HEIMISCH IN MEINEM LAND
UND DER GERUCH DER BOHNEN UND KULTIVIERT VON MEINEM VOLK.
TORTILLAS MEINE ZUNGE RÜHMT DEN KAFFEE
UND DIE FARBINTENSITÄT WIE EIN MEIN BLUT SCHMECKT SEINE GEHEIMNISSE
FRENETISCHER TRUBEL. UND MEINE GEFÜHLE – SIE SIND IM REINEN
DIE ESSENZ DES KAFFEES IN MEINEN VENEN.

Frei übersetzt nach Hugo Lindo.


43
Kapitel 6: Auf dem Weg zur Exklusivität durch das Beschreiben von Attributen
Die Qualitätsanforderungen müssen immer mit höchster Aufmersamkeit verfolgt werden,
speziell in der Hinsicht, dass Fehler auftreten können, die wie auch immer geartet sein
können. Sie können leicht im fertigen Kaffee und in Verkostungen entdeckt werden und
müssen im Anschluss ausgewertet werden, um zu vermeiden, dass diese Fehler sich wie-
derholen.
Die „Gesamtqualität“, die für Produzenten wie Käufer gleichermaßen entscheidend ist, er-
gibt sich aus der botanischen Varietät, Boden- und Klimabedingungen und der Achtsam-
keit, mit der der Kaffee kultiviert, geerntet, aufbereitet, gelagert und weiterverarbeitet wur-
de.
Im Folgenden ist das Bewertungsformular zu sehen, mit dem Muster im Rahmen der Cup
of Excellence bewertet werden. Es beinhaltet acht Attribute:

6.1 Attribute im Kaffeegetränk


Die Qualität von Lebensmitteln lässt sich normalerweise vom Nährstoffgehalt, von seiner
Sauberkeit, seinen organoleptischen Charakteristiken sowie der allgemeinen Akzeptanz
des Konsumenten her ableiten. Geschmack, Duft und das Aroma sind sensorische Eigen-
schaften bei Lebensmitteln. Für Produkte wie Kaffee sind diese sensorischen Eigenschaf-
ten von höherer Wichtigkeit als der Nährstoffgehalt. Das liegt daran, dass Kaffee etwa 400
organische und anorganische Komponenten aufweist, die zur Entwicklung des Ge-
schmacks beitragen. Das Aroma von Kaffee setzt sich sogar aus 600 Komponenten zu-
sammen, die zu den Aldehyden, Ketonen, Estern und Kohlenhydraten gehören. Viele die-
ser Komponenten sind nur in Spuren enthalten, weswegen man sie nicht wahrnehmen
kann, stattdessen überwiegen die sog. Primärkomponenten im Getränk. Wenn diese Kom-
ponenten jedoch in konzentrierter Form vorliegen, entwickeln sie vielfältige Düfte, Aromen
und Geschmäcker im Kaffee; daher kommt es, dass Kaffees zitrische Noten, Noten von
Pflaume, Pfirsich oder karamellige bis schokoladige Noten aufweisen. Noten, die häufig in
Spezialitätenkaffees zu finden sind und genau diese müssen breitflächig beschrieben wer-
den, geht es um den Geschmack des Kaffees.
Nach wie vor ist die effektivste Variante der Qualitätsbeurteilung und das damit verbundene
Studium der geschmacklichen Eigenschaften mit unseren gustatorischen Papillen verbun-
den. Qualitative Abstufungen vorzunehmen, ist das grundlegende Ziel für ein Verkostungs-
labor. Jedes zu analysierende Muster steht für ein separates Lot, eine bestimmte Hangla-
ge, eine bestimmte Höhenlage, einen bestimmten Aufbereitungsprozess oder eine be-
stimmte Qualität hinsichtlich des Dry-Millings. Daher müssen für eine erfolgreiche Einstu-
fung der Muster folgende Phasen berücksichtigt werden:

44
6.1.1 Separierung der einzelnen Lots, abhängig von Hanglage, Erntedatum, Höhenla-
ge, Varietät und Aufbereitungsprozess

6.1.2 Verkostung jedes einzelnen Lots

6.1.3 Rückverfolgung des Produkts bis hin zum involvierten Personal (Plantagema-
nager bzw. –verwalter, operative Manager in den Beneficios bis zum Ursprung zu-
rück)

6.1.4 Wirtschaftliche Beteiligung gemessen an der erzielten Qualität für alle Beteilig-
ten, die daran gearbeitet haben, ein gutes Produkt zu erzeugen

Während der Durchführung der Verkostung am Produktionsstandort, versucht man, die


Vorzüge der ursprungsspezifischen Qualität durch eine hohe Reputation zu entwickeln.
Normalerweise gibt es offeriert man diverse Typen eines Kaffees, um die Unterschiedlich-
keit der angebotenen Muster hinsichtlich Varietät, verschiedener Lots und Aufbereitungs-
prozess darzustellen, gleichwohl auch Mischungen daraus denkbar sind. Die Käufer, die
ein Ursprungsland besuchen, mit der Zielsetzung langfristig Geschäftskontakte zu knüp-
fen, sind bereit höhere Preise zu zahlen. Der Produzent sollte daher sein Bestes geben,
damit die Besucher einen Bezug zu den verschiedenen Details der Kaffees aufbauen.

Abbildung 34: Produzent/innen aus Ciudad Barrios (l.), Käufer aus Japan (rechts)

Salvadorianische Farmer sollten sich generell progressiv zeigen, wenn es darum geht,
neue Wege im Kaffeesektor zu gehen. Ein Beispiel hierfür ist der Anbau außergewöhnli-
cher Varietäten oder auch die Zuwendung zu Aufbereitungsprozessen, die für außerge-
wöhnliche Geschmäcker stehen, speziell Naturals oder Honeys oder auch eine Mischung
aus Beidem. Im Verkostungsprozess gibt es drei verschiedene Typen von Kaffees zu iden-
tifizieren: Außergewöhnliche Kaffees, die ihre Charakteristiken klar definiert im Getränk
ausdrücken, die dann später auf dem Markt auch zu höheren Preisen verkauft werden
können. Darüber hinaus gibt es kommerzielle Kaffees, die gesund sind und auf dem Welt-
markt verkauft werden, sowie beschädigte Kaffees, die über Defektgeschmäcker verfügen.
Die Verkostung gewährt einen Einblick in die Tatsache, welcher Kaffee außergewöhnlich,
kommerziell bzw. defekt ist.
Außergewöhnliche Kaffees stehen für das Beste aus der jeweiligen geografischen Region
und die Information über die Verkostungsergebnisse sind in einer Weise dargestellt, bei der
die sensorische Wahrnehmung des Verkosters in ein numerisches System übertragen wird.
Um diese Ergebnisse nun kommunizieren zu können, ist eine gemeinsame und einheitliche
45
Sprache innerhalb der Kaffeeszene genauso wichtig wie die Erörterung eines Musters aus
verschiedenen Blickwinkeln. Mit der Zeit kann ein Verkoster seine Wahrnehmung verbes-
sern und jeden Aspekt voneinander getrennt bewerten. Wenn seine Professionalität weiter
wächst, entwickelt ein Verkoster ein gustatorisches Erinnerungsvermögen.
Ein anderes Verkostungsniveau liegt darin, Qualitäten zu identifizieren, nach denen ein
bestimmter Käufer sucht. Solche Kaffees bilden eine Zusammenstellung aller Aspekte dar,
die ihn einzigartig machen und alle Faktoren einbeziehen, die die Qualität beeinflussen
bzw. erzeugen. Ein perfekt geernteter und aufbereiteter Kaffee weist eine saubere Tasse
und eine balancierte Süße auf. Ist diese der Fall, kann man davon ausgehen, dass die
Fermentationsprozesse sauber, der Waschungsprozess adäquat und die weitere Behand-
lung mit der nötigen Achtsamkeit ausgeführt wurden.

Abbildung 35: Aus physiologischer Sicht reife Kaffeekirschen

Die Süße des Kaffees ist ein Nachweis dafür, dass der Kaffee bei optimaler Reife geerntet
und korrekt getrocknet wurde. Speziell was die Trocknung betrifft, verhält es sich so, dass
die Sonne den Kaffee zu stark aufheizen kann und dieser dadurch Zucker abbaut.

Abbildung 36: Produzent/innen aus Perquin (l.), Preisverleihung an Ernesto Velasquez zum „Catador
del Año“ (Verkoster des Jahres) 2013 (r.)

46
FRAGMENTE DER BEGRÜßUNGSREDE AN IHRE MAJESTÄT RINA I.
DIE KÖNIGIN DES KAFFEES AUS AHUACHAPAN (1966)

MIT KAFFEE WURDEST DU FEIERLICH GESALBT, KÖNIGIN,


UND DIE VORMALS GOLDENE BOHNE VERLEIHT DEINEN LIPPEN FARBE, GELIEBTE KÖNIGIN!
AHUACHAPAN LIEGT DIR LIEBEVOLL ZU FÜßEN

EIN GANZES LEBEN VERKÖRPERT DIESE BOHNE,


DIE ARBEIT DER PFLÜCKER UND DIE MÜHE DER FARMER
DIE ERHABENE FRUCHTBARKEIT UNSERES BODENS
DIES FÖRDERT DIESES GÖTTLICHE PRODUKT ZU TAGE, MEINE KÖNIGIN.

MEINE KÖNIGIN DES KAFFEES, DU VERKÖRPERST HOFFNUNG,


DASS ES UNS MIT HARTER ARBEIT GELINGT,
JEDE KRISE IN DER FERNE ZU ÜBERSTEHEN,
UND FÜR DIE ZUKUNFT GERÜSTET ZU SEIN.

DER KAFFEE IST DIE BASIS UNSERES LEBENS,


EINE WICHTIGE RESOURCE FÜR DIE W IRTSCHAFT, NATIONALER STOLZ,
WIE DAMALS BEIM SCHÜRFEN VON GOLD, IST KAFFEE EINEN LANGEN W EG GEGANGEN!
GOTT HAT UNS ZUM DRITTGRÖßTEN PRODUZENTEN WELTWEIT WERDEN LASSEN.

DU WIRST DAS SYMBOLGESCHENK GEWESEN SEIN, DASS ALLES ÜBERRAGT,


AUCH DIE VORURTEILE, DIE SEIT UNSEREN VORFAHREN EXISTIEREN;
WIR ERHOFFEN VON DIR EINEN FRÜHLINGSHAUCH,
UND AUF SOZIALE GERECHTIGKEIT DURCH DEIN REGIMENT ÜBER UNSERE BÖDEN.
IN DEUTSCHLAND UND DEN USA
STEHT UNSER KAFFEE FÜR DAS BESTE STIMULANZ;
IN ZEITEN DER REZESSION UND FALLENDER PREISE
BEDROHT DER HUNGER UNSER VOLK.

WIR SIND HIER, UM EURE AUGEN ZU SEHEN UND EUREN GESANG ZU HÖREN
DEN ICH ZU ÜBERTRAGEN VERSUCHE MIT SUBTILER LEICHTIGKEIT,
WIR SEHEN UNSERER TRAGÖDIE MIT EINZIGARTIGEM ANMUT ENTGEGEN,
DENN NUR IN DIR, KÖNIGIN, FINDEN WIR UNS WIEDER.

Frei übersetzt nach José Eduardo Cáceres

47
Kapitel 7: Zu Suchende Attribute bei einer Verkostung
Die Kaffees, die beispielhaft für Qualität stehen, bergen in sich einen erhöhten Wert, da sie
auch in ein einzigartig feines Getränk umgewandelt werden können, dass in dieser Form
einen limitierten Status genießt. Es wird auf dem Markt detailgetreu mit direktem Bezug zur
Finca angeboten werden und sind gute Repräsentanten für ihren Ursprung, ganz gleich,
ob gewaschen, halgbewaschen, Honey oder Natural oder eine Mischung daraus. Im fol-
genden werden die allgemeinen Geschmackscharakteristiken in Relation zu Anbauhöhen
und Aufbereitungsprozessen dargestellt.

Generelle Charakterisierung anhand von Qualitäten und Aufbereitungen

Central Standard (Kultivierungshöhe max. 900m über NN)

Gewaschen: Duft und Aroma: sehr weich, kaum wahrnehmbares Säureprofil in


der Tasse, dünner Körper, wässriger und kurzer Nachgeschmack

Halbgewaschen: Duft und Aroma: sehr weich, leicht wahnehmbares Säureprofil


in der Tasse, mittelkräftiger Körper, nicht sehr stark ausgeprägter Nachge-
schmack

Honey: Duft und Aroma: karamellig, moderat wahrnehmbares Säureprofil in der


Tasse, mittelkräftiger Körper, nicht sehr stark ausgeprägter Nachgeschmack

Natural: Duft und Aroma: lieblich-fruchtig, mittelkräftig ausgeprägtes Säureprofil,


kurzer Nachgeschmack mit fruchtigen Noten

High Grown (Kultivierungshöhe 901-1200m über NN)

Gewaschen: Lieblicher Duft, moderates Säureprofil, mittelkräftiger, lieblicher und


wahrnehmbarer Körper, sauberer Nachgeschmack

Halbgewaschen: Duft und Aroma sind intensiv karamellig, feines Säureprofil,


mittelkräftiger Körper, diverse Geschmäcker und ein sauberer Nachgeschmack

Honey: Duft und Aroma sind intensiv karamellig, feines Säureprofil, mittelkräfti-
ger Körper, balanciertes Geschmacksprofil mit leicht fruchtigem Einschlag und
sauberem Nachgeschmack

Natural: Duft und Aroma sind sehr süß, schokoladig und fruchtig, feines Säure-
profil, cremiger Körper, sehr vielfältig, gute Balance mit sauberem Nachge-
schmack

„KAFFEE AUS EL SALVADOR – EINZIGARTIGER GESCHMACK, VERSCHIEDENE PROZESSE.“


CARLOS MURCIA

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Strictly High Grown (Kultivierungshöhe min. 1201m über NN)

Gewaschen: Duft und Aroma erinnern an reife und karamellisierte Früchte. Leb-
haftes Säureprofil. Deutlich wahrnehmbarer Körper: nachhaltig und viskos. Zitri-
sche Geschmäcker, karamellig, schokoladig bis hin zu diversen Früchten, langer
und lieblicher Nachgeschmack.

Halbgewaschen: Der Duft ist karamellig, zitrisch, schokoladig, die Aromen e-


benso vielfältig und intensiv. In der Tasse findet sich ein fruchtiges, lebhaftes
Säureprofil. Cremiger Körper. Geschmack von tropischen Früchten, sauberer
und langanhaltender Nachgeschmack.

Honey: Duft und Aroma: zitrisch, karamellig und schokoladig. Fruchtiges und
saftiges Säureprofil, voller und cremiger Körper. Balanciert, komplexe Ge-
schmacksstruktur, sauberer und langanhaltender Nachgeschmack.

Natural: Duft und Aroma: süß und schokoladig. Sehr fruchtiges Säureprofil.
Cremiger und umgreifender Körper, balanciert, hohe Vielfalt an Geschmäckern,
sauberer, lieblicher und langanhaltender Geschmack.

Anmerkung: Diese Charakterisierung ist ausgelegt auf Arabica-Varietäten und gilt natürlich
nur unter Voraussetzung einer rigorosen Ernte der reifen Kirschen sowie einer mit adäqua-
ter Qualitätskontrolle versehenen Weiterverarbeitung.

Bevor man in den Spezialitätenkaffeemarkt geht, ist es notwendig, ein möglichst präzises
Wissen hinsichtlich der Qualitäten und über die Attribute des produzierten Kaffees zu ha-
ben und zu wissen, in welche der vielen Nischen, die der Spezialitätenkaffeemarkt bietet,
man passen könnte. Auch wenn einzelne Produzenten die gleichen Varietäten kultivieren,
gibt es Unterschiede in der Beschaffenheit der Pflanzen, der Detailversessenheit, der Ferti-
lisierung und den generellen Anbaupraktiken. Dies sind Faktoren, die die Kaffeequalität von
einer Finca zur anderen in der gleichen Anbauregion variieren lassen können. Sind diese
Unterschiede nicht allzu evident, besteht auch die Möglichkeit, die Kaffees miteinander zu
vermischen und dennoch eine akzeptable Qualität zu erhalten. Im Falle, dass die Unter-
schiede jedoch sehr deutlich zu Tage treten, ist es ratsam, nicht die schlechteren Qualitä-
ten mit den besseren zu mischen.

Abbildung 37: Käufer aus Japan Abbildung 38: Käufer der Cup of Excellence 2014

Die Durchführung einer Verkostung birgt die folgenden Zielsetzungen in sich:

7.1 Das Finden von Defekten und die Korrektur der Defekte am entsprechenden Pro-
duktionspunkt
Sowohl im agronomischen Bereich, wie auch während der Ernte, der Aufbereitung, der La-
gerung und des Dry-Millings können Defekte entstehen aufgrund von Unachtsamkeit oder
49
fehlendem Wissen. In einigen Fällen sind sie im Muster des Rohkaffees nicht sichtbar, je-
doch in der Tasse zu schmecken.

7.2 Außergewöhnliche Geschmäcker identifizieren


Ein außergewöhnlicher Kaffee kann nicht identifiziert werden, solange er nicht sensorisch
von einem professionellem Verkoster analysiert wurde. Hierbei ist es erwähnenswert, dass
in El Salvador nach wie vor viele Kaffees existieren, die nicht eingehend analysiert werden;
diese Analyse muss vor allem bei den Fincas erfolgen, die sich speziell im direkten Umfeld
oder angrenzend an Gewinnerfarmen der Cup of Excellence befinden, die darüber hinaus
gut geführt werden, wo gut geerntet wird und der Kaffee im Anschluss gut aufbereitet wird.
Solche Fincas können sich als absolute Überraschungen erweisen.

7.3 Wiedererkennung bekannter Geschmäcker, der „Terroir-Effekt“


Lassen sich außergewöhnliche Geschmäcker im Kaffee finden und sind diese für eine be-
stimmte Anbauregion einzigartig, so bezeichnet man dieses Phänomen als Terroir-Effekt.
Die sich daraus ableitenden Qualitäten sind das Ergebnis von Bodenbedingunen, Varietä-
ten, Sonnenstunden, Windrichtung, Anbauhöhe, etc. Generell sollten Kaffees mit solch au-
ßergewöhnlichen Qualitäten aus diesen Anbauregionen in den entsprechend passenden
Nischen des Spezialitätenmarkts vermarktet werden.

Abbildung 39: Käufer aus Japan (l.) bzw. Taiwan (r.)

7.4. Archivierung aller Verkostungsergebnisse


Alle Verkostungsresultate müssen archiviert werden, damit Resultate aus physischen und
organoleptischen Analysen auch von verschiedenen Lots verglichen werden können. Die
daraus resultierenden Daten dienen der Verbesserung und vermeiden Fehler. Die einzel-
nen Aspekte hinsichtlich physischer und organoleptischer Charakteristiken im Getränken
können Jahr für Jahr Unterschiede aufweisen. Diese Unterschiede können im Zusammen-
hang mit viel oder wenig Regen stehen oder mit Krankheiten bzw. Plagen zusammenhän-
gen.
Eine herausragende Qualität entsteht durch Detailversessenheit. Es ist nicht allzu kompli-
ziert, dieser Genauigkeit nachzukommen, solange der Produzent immer für adäquate Be-
dingungen sorgt: Das bezieht sich auf die Agronomie, die Ernte, Nass- und Trockenaufbe-
reitung, die Lagerung und die schlussendliche Klassifizierung des Kaffees. Der erste Ein-
druck, der dem Käufer mittels repräsentativer Muster vermittelt wird, kann die Perspektiven
des Produzenten verbessern oder zerstören. Ein Muster, das einen negativen Eindruck
49
hinterlässt, wird von Beginn an einem negativem Urteil unterworfen. Das noch größere Ü-
bel dabei ist, dass der potentielle Käufer das Muster nicht einmal richtig evaluiert und es
von vornherein ablehnt. Viele Exporteure erhalten somit keine Rückmeldungen über Ver-
kostungsergebnisse hinsichtlich der Muster, die sie versandt haben. Das liegt daran, dass
die Käufer selbst ebenfalls stark beschäftigt sind. Es ist dann nicht leicht, sie davon zu ü-
berzeugen, Zeit in die Verkostung eines neuen Kaffees zu investieren, insbesondere des-
halb, da der erste Eindruck des Musters keinen guten Eindruck hinterlassen hat. Umso
wichtiger ist es, mögliche Märkte genau zu erkunden, da das Versenden von Mustern an
viele Käufer sehr kostenintensiv ist.

Abbildung 40: Kaffeeproduzenten Abbildung 41: Baristaschüler aus San Pedro


Puxtla

Abbildung 42: Licenciada Ileana Rogel, Licenciado Orestes Ortez, Minister Carlos Cheng und Ernesto
Velasquez

50
Kapitel 8: Der systematische Evaluierungsprozess bei Kaffee
Der Verkostungsprozess ist eine systematische Methode, um gustatorisch und olfaktorisch
wahrnehmbare Charakteristiken in einem Muster zu evaluieren. Die Methodik besteht im
Wesentlichen darin, Kaffee in mehreren Schritten zu überprüfen, wobei jeder Schritt uns
die Gelegenheit gibt, den Duft und den Geschmack des Kaffees wahrzunehmen. Da eine
Verkostung generell mit einer ökonomischen Intention verbunden ist, folgt der Verkoster
einem sehr rigorosen Schema, woraus sich die Technik des Verkostens ergibt.

8.1 Vorbereitung der Muster


Kaffeemuster repräsentieren ein konkretes Bild eines Lots, eines Microlots, einer Charge
oder eines gesamten Betriebs, weswegen es wichtig ist, direkt bei der Ankunft des Musters
im Labor, das Muster adäquat mit einem Code zu registrieren, um das Muster im An-
schluss wertungsneutral und ohne voreinnehmende Tendenz zu analysieren und damit
eine gerechte Beurteilung im Moment der Evaluierung zu ermöglichen. Auf etwa 18t Kaffee
eines Lots muss ein Muster von 500g Rohkaffee entnommen werden.

8.1.1 Die Röstung des Musters


Sobald der Kaffee produziert, geerntet und adäquat aufbereitet wurde, ist es wichtig, dass
dass das Röstbild nahezu zu 100% uniform ist. Das bezieht sich auf den Farbwert, die
Oberflächenstruktur und den möglichst weißen bzw. goldfarbenen Bohnenschlitz. Nassauf-
bereiteter Kaffee sieht im Röstbild normalerweise sehr gut aus, speziell dann, wenn die
Pergaminos adäquat und unter der Sonne getrocknet wurden.

Abbildung 43: Gerösteter Kaffee mit ausgewiesener Homogenität

Der zu evaluierende Kaffee sollte seinen Röstzeitpunkt möglichst nah an der Verkostung
haben. Idealerweise einen Tag vor der Verkostung sollte er geröstet werden. Es wird emp-
fohlen, den Röstkaffee möglichst in einem geschlossenen Gefäß zu lagern, um zu vermei-
den, dass Luft, Licht, Feuchtigkeit oder Fremdgerüche mit dem Kaffee in Kontakt kommen.

„HOCHACHTUNG GEWINNT MAN, INDEM MAN VORBILD FÜR ANDERE IST.“ ALDO RUFFATTI
51
8.1.2 Farbmessungen bei Röstkaffee
Es ist wichtig, die Farbwerte des Röstkaffees zu messen. Jeder Farbwert hat eine direkt
wahrnehmbare Auswirkung auf die Qualitäten des Getränks. Ein dunklerer Röstgrad betont
weniger stark das Säureprofil und damit auch weniger stark die unterschiedlichen Aspekte
des Geschmacks, dafür wird der Körper deutlicher betont. Ist der Röstgrad heller, kommen
die Säure sowie der Geschmack stärker zum Vorschein, der Körper tritt in den Hintergrund.
Die Bezeichnungen hell, mittel und dunkel werden je nach Person unterschiedlich interpre-
tiert, sie sind subjektive Begriffe. Daher hat die Specialty Coffee Association (SCA) ein
Punktesystem eingeführt, um den Röstgrad zu messen. Durch dieses Werkzeug ist es
möglich, eine gleiche Sprache hinsichtlich des Röstgrades zu sprechen. Dieses System
bedient sich acht verschiedenen Farb-Disks, mit denen man sein Kaffeemuster gemahlen
in einer Petri-Schale vergleicht. Darüber hinaus kann man auch Röstgrade mittels der
Agtron-Skala messen. Sie startet bei Nummer 95 (sehr hell) und geht auf 25 runter (sehr
dunkel)

Abbildung 44: Agtron-Disks

Auf Basis der Agtron-Skala sollte Kaffee hinsichtlich einer Verkostung auf einen Farbwert
von 58 (ganze Bohne) bzw. 63 (gemahlen) geröstet werden. Diese Farbwerte werden i.d.R.
bei Röstzeiten zwischen sieben und acht Minuten erzielt. Mit Beendigung der Röstung soll-
te der Kaffee unmittelbar mit frischer Luft gekühlt werden. Die Varietät Pacamara weist eine
geringere Dichte auf, weswegen die Röstart sich hier auch unterscheidet. Die Starttempe-
ratur sollte entsprechend angepasst werden. Im Falle, dass man Pacamara wie z.B. einen
Bourbon röstet, wird der Kaffee tendenziell an der Oberfläche sehr dunkel und innen sehr
hell. Die bohnenspezifische Dichte ist generell an die Anbauhöhe gebunden: Je höher die
Lage, desto höher auch die Dichte. Dadurch wird der Farbwert des Kaffees tendenziell
dunkler.

8.1.3 Das Mahlen von Kaffee


Es ist von höchster Wichtigkeit, dass man, bevor man ein zu verkostendes Muster mahlt,
die Mühle mit Bohnen desselben Kaffeemusters reinigt. Auf diese Weise eliminiert man
Rückstände des vorherigen Musters, die sich naturgemäß im Inneren der Mühle ansam-
meln. Anschließend mahlt man eine ordentliche Menge des Kaffees und dosiert die ent-
sprechende Menge, die für die Verkostung benötigt wird.

52
Abbildung 45: Eine Kaffeemühle für Verkostungen

8.1.4 Bestimmung des Röstkaffeegewichts


Der gemahlene Kaffee wird auf Basis von 150ml Wasser mit 8,25g Kaffee bemessen. Im
Falle, dass man z.B. Tassen mit einem Fassungsvermögen von 225ml verwendet, ent-
spricht das 12,35g.

8.1.5 Analyse des Getränks


Sobald der Kaffee in den Tassen entsprechend dosiert wurde, beginnt der Moment der ol-
faktorischen Analyse über das Bouquet (Fragrance). Die klassische Verkostungsmethode
stellt die Tassenbrühung dar. Hierfür wird eine Wassertemperatur zwischen 92 und 96°C
empfohlen. Diese wird gehalten, da der gemahlene Kaffee in der Tasse Partikel an die O-
berfläche des Wassers steigen lässt, die eine Kruste bilden.
Da eine Tasse Kaffee zu 98% aus Wasser besteht, darf die Wichtigkeit der Wasserqualität
nicht unterschätzt werden.

Abbildung 46: TDS-Meter

Das zu verwendende Wasser sollte etwa 100-200ppm (parts per million) an gelösten Stof-
fen aufweisen, das entspricht der durchschnittlichen Wasserhärte bei Tafelwasser.
Die Wasserqualität sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden, sie sollte immer
wieder kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass die Partikel des gemahlenen Kaffees
und die Fülle aller Komponenten auch wirklich extrahiert werden können. Dies erleichtert
die Wahrnehmung der Attribute während der sensorischen Evaluierung.

8.2 Sensorische Evaluierungsareale


Im Jahr 1974 hat sich Virginia Collins mit den Schlussfolgerungen David Hänigs aus dem
Jahr 1901 beschäftigt und aus den Theorien von Hänig ein gängiges Konzept abgeleitet:
Demnach gibt es Variationen hinsichtlich der Sensibilisierungen auf die vier Grundge-
53
schmäcker. Die Zunge ist eigentlich zu klein um eine wie auch immer geartete einheitliche
Wahrnehmung zu entwickeln. Collins fand heraus, dass es für die Wahrnehmung aller Ge-
schmäcker an jeder beliebigen Stelle der Zunge gustatorische Rezeptoren gibt, adrüber
hinaus auch am weichen Gaumen , im hinteren Teil, auch im Gaumenbereich selbst an den
Flügeln der Atemwege.
Darüber hinaus gibt es zu den allseits bekannten Geschmäckern süß, sauer, alzig und bit-
ter noch einen fünften Geschmack, der als „fleischig“ bzw. Umami bezeichnet wird. Dieser
Geschmack wird mit einem fleischigen Geschmack bzw. mit Glutamat assoziiert.

8.2.1 Grundgeschmäcker und ihr chemischen Kompositionen


 Süße: Süße charakterisiert sich durch Zuckerlösungen, Alkohol und manche Säuren
in Verbindung mit Proteinen und CO2.
 Salze: Salze charakterisieren sich durch Lösungen von Chlorid, Iod, Nitraten und
Sulfaten in Verbindung mit Kalium, Phosphor und Calcium.
 Bitterkeit: Bitterkeit charakterisiert sich durch Lösungen von Koffein und anderen Al-
kaloiden in Verbindung mit Phenolen und Trigonellin.
 Säure: Eine Zusammensetzung aus zitrischen Lösungen in Verbindung mit Chloro-
gensäure, zitrischen, tartarischen und malischen Säuren.
 Umami.

8.3 Primärgeschmäcker im Kaffee


Mittels eines Prozesses, den man als Geschmacksmodulation bezeichnet, interagieren die
Grundgeschmäcker miteinander. Jeweils abhängig von der jeweiligen Intensität jedes ein-
zelnen Grundgeschmackes, lassen sich sechs mögliche Kombinationen beschreiben:
 Säuren erhöhen die Intensität der Süße von Zuckern.
 Salze erhöhen die Intensität der Süße von Zuckern.
 Zucker reduzieren die Säurigkeit von Säuren.
 Zucker reduzieren die Salzigkeit von Salzen.
 Säuren erhöhen die Salzigkeit von Salzen.
 Salze reduzieren die Säurigkeit von Säuren.

Die physischen Vorgänge, die während des Verkostungsprozesses involviert sind, sind be-
schreiben, riechen und schlürfen. Sie müssen deutlich ausgeprägt sein im Vergleich als
das normalerweise der Fall ist, wenn man Getränke konsumiert. Der Grund für diese deut-
liche Ausprägung liegt darin, dass man die Intensitäten des Kaffees zu jedem Zeitpunkt
bestmöglich verdeutlichen muss, um eine komplette Wahrnehmung des Kaffees zu ge-
währleisten. Das Schlürfen sorgt darüber hinaus dafür, dass auch die kleinstmöglichen Par-
tikel, die im Wasser gelöst sind, in die verschiedenen Bereiche unserer sensorischen
Wahrnehmung vordringen.
Der Verkostungsprozess bei Kaffee besteht aus acht Phasen, die es uns ermöglichen, die
Attribute und Besonderheiten zu identifizieren und/oder Defekte zu erkennen.

54
DER BAUM

MIT GRAZILEN BEWEGUNGEN LÄSST ER SEINE BLÄTTER ERSCHAUERN,


MIT SEINEN BLÜTEN ALS KRONE. UND UNTER DEM EINDRUCK DES NAHENDEN ABENDS,
DER HIMMEL, DER SICH ÜBER DIE ERDE WIE EIN WEG AUSSTRECKT,
MIT REGENBOGENFARBENEM REGEN, DER DEN WIND NIEDERSTÜRZEN LÄSST.

DIE VÖGEL DES W ALDES FÜHREN EIN LETZTES LAMENTIEREN AUF


AUSGEFÜLLT MIT SÜßEM GESANG; EIN GEZWITSCHER ENTSTEHT,
ZWISCHEN DEN NESTERN NAHE DER BLÜTEN… UND VERWANDELT SICH IN GÖTTLICHEN GESANG.
DER BAUM, ER SINGT WIE EIN BAUM AUS EINEM MÄRCHEN ENTFLOHEN.

INMITTEN DIESER WOHLRIECHENDEN STILLE IN DIESER GEGEND,


UNTERNEHMEN DIE VÖGEL EINE ABRUPTE REISE,
WÄHREND DAS LICHT SEINE SCHWACHE RÖTE ÜBER DAS FIRMAMENT SCHÜTTET.

ZWISCHEN SEINER BLÜTENKRONE LEUCHTET DAS SCHWARZ DER NACHT AUF;


UND SOWIE DER W IND SICH NIEDERGESTÜRZT HAT, SIEHT MAN IN DER HÖHE EINEN STERN;
UND IM SCHATTEN DES BAUMES VERBLEIBEN DIE NIEDERSINKENDEN BLÜTEN.

Frei übersetzt nach Obdulio Bauza.

Abbildung 47: Absolventen der Berlin School Abbildung 49: Produzenten aus Morazan und
of Coffee Ernesto Velasquez

Abbildung 48: Ernesto Velasquez, Produzent Abbildung 50: Familie Velasquez


Gadala Samour und der Direktor des Consejo
Salvadoreño del Cafe Hugo Hernandez

55
Kapitel 9: Attribute und Besonderheiten bei außergewöhnlichen Kaffees

Abbildung 51: Bewertung von Fragrance (l.) und Aroma (r.)

Unter sinnlicher Wahrnehmung versteht man jene Funktionen, mit denen der Mensch Ein-
drücke von außen mittels der jeweils damit in Verbindung stehenden Organe wahrnimmt.
Um externe Stimulanzen wahrzunehmen, ist unser Nervensystem mit sensorischen Rezep-
toren ausgestattet, die man als Exterorezeptoren bezeichnet. Diese Rezeptoren sind je-
weils in den Sinnesorganen lokalisiert: In unserer Haut für die taktile und thermische Wahr-
nehmung, in unserem Mund für die gustatorische Wahrnehmung, im Riechepithel für die
olfaktorische Wahrnehmung, in unseren Augen für die visuelle Wahrnehmung und in unse-
re Ohren für die auditive Wahrnehmung. Durch Stimulation wird ein Nervenreflex ausge-
löst, der in unser Großhirn weitergeleitet wird. Im Parasympathikus, einem Teil des Groß-
hirns, wird der Nervenreflex in einen individuellen Zusammenhang gebracht und zu einer
taktilen, thermischen, mitunter schmerzhaften, gustatorischen, olfaktorischen, visuellen und
oder auditiven Wahrnehmung umgewandelt.
Die sensorischen Funktionen lassen sich in drei Etappen unterscheiden: a) Rezeption, b)
Überführung und c) Wahrnehmung. Die Stimulantien benötigen eine bestimmte Intensität,
um von unseren Rezeptoren wahrgenommen zu werden, diese Mindestintensität nennt
man Wahrnehmungsschwelle. Um darüber hinaus ihre volle Leistung abrufen zu können,
muss jeder Sinn auf etwas spezialisiert sein, zum Beispiel wird das Auge durch Licht stimu-
liert und das Gehör durch Schallwellen. Einhergehend mit der Beschaffenheit des Stimu-
lanz werden chemische Rezeptoren (Chemorezeptoren), mechanische Rezeptoren (Me-
chanorezeptoren) oder Lichtrezeptoren (Photorezeptoren) angesprochen. Chemorezepto-
ren sind diejenigen Rezeptoren, die für die Aufnahme von Substanzen und Düften zustän-
dig sind. Der Verkostungsprozess umfasst alle fünf Sinne, auch wenn wir letztendlich uns
nur auf die olfaktorische und gustatorische Wahrnehmung beziehen.

9.1 Die olfaktorische Wahrnehmung


Die olfaktorischen Chemorezeptoren befinden sich in einer speziellen Zone, dem Rieche-
pithel, das sich oberhalb der Riechschleimhaut (Mukus) befindet. Die Riechschlaumhaut
befindet sich im Deckenbereich der Nasenhöhle. Das Riechepithel ist vom Typ her ein sog.
pseudo-mehrschichtiges Säulenfragment, dass sich aus drei verschiedenen Zelltypen zu-
sammensetzt: Sützzellen, Basalzellen und Riechzellen. Der olfaktorische Sinn erlaubt es
uns, den Duft von Substanzen wahrzunehmen. In der Region der Riechschleimhaut befin-
den sich die Riechzellen, die Stimulantien aufnehmen und diese durch chemo-elektrische
Transduktion zur Riechrinde (Bulbus Olfaktorius) weiterleiten, der sich in der Großhirnrinde
befindet.

„ALLES IST MÖGLICH, WENN DU DARAN GLAUBST.“ RUBÉN ERNESTO VELASQUEZ

57
Generell ist uns nicht immer der schmale Grad zwischen olfaktorischer und gustatorischer
Wahrnehmung bewusst. Nur wenn wir erkältet sind, bekommen wir einen Eindruck davon,
dass es nicht nur schwer ist, Gerüche in Getränken wahrzunehmen sondern auch der
Grundgeschmack zusehends verschwindet.
Unsere olfaktorische Wahrnehmung basiert auf chemischen Prozessen, die als Stimulus
flüchtige (volatile) Duftpartikel wahrnimmt. Über die Luft die wir einatmen werden Duftparti-
kel an die Riechschleimhaut zum Riechepithel transportiert, wo die Riechzellen setzen.
Damit sie aber wahrgenommen werden können, müssen sie vorab löslich gemacht werden.
Damit dies geschehen kann, befeuchtet die Riechschleimhaut das Riechepithel. Abhängig
von der Person ist die olfaktorische Sensibilität mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die
Aromen im Kaffee basieren auf Estern, Aldehyden, Ketonen, und Schwefelverbindungen.

9.1.1 Das Fragrance


Die Wahrnehmung des Fragrance stellt den ersten Schritt der Verkostung dar. Hier werden
u.a. Komponenten wahrgenommen, die man so nicht konsumieren oder anderweitig wahr-
nehmen kann, dies ist vergleichbar mit Parfums. Die Intensität des Fragrances steht im
Zusammenhang mit der Frische des Musters, darüber hinaus spielt auch der zeitliche Ab-
stand zwischen Röstung und Vermahlung eine Rolle. Das Fragrance stellt einen sehr wich-
tigen Punkt bei der Kaffeeverkostung dar, da hier die flüchtigsten Aromen wahrgenommen
werden können, speziell jene, die auf Schwefelverbindungen basieren. Nur einige wenige
Aromen werden über eine längere Periode wahrnehmbar sein.

9.1.2 Das Aroma


Die Wahrnehmung des Aromas stellt die zweite Phase der Verkostung dar. Man hat vier
Minuten Zeit, das Aroma wahrzunehmen, nachdem man Wasser auf den vorab gemahle-
nen Kaffee gegossen hat. Das Wasser sollte eine Wassertemperatur von 92-96°C haben.
In dem Moment, wo das Wasser auf den Kaffee aufgegossen wird, bildet sich eine Kruste
an der Oberfläche. Gebrochen wird die Kruste mit einem Löffel, die Gase die sich in Kom-
bination mit der Wassertemperatur gebildet haben müssen unmittelbar über die Nase inha-
liert werden. Erfahrungswerte zeigen, dass Verkoster jeden Kaffee über ihr Erinnerungs-
vermögen klassifizieren müssen; so können sie einen Kaffee von einem anderen unter-
scheiden.
Beschreibung und Intensität des Aromas sind abhängig vom Ursprung, der Frische, dem
zeitlichen Abstand zwischen Röstung und Verkostung, der Lagerung, der Luftfeuchtigkeit
sowie von der Interaktion des Kaffees mit Sauerstoff.
Aromen sind flüchtig und werden über ebenfalls über das Riechepithel wahrgenommen,
sobald die unlöslichen Teilchen an der Oberfläche der Tasse entfernt werden. Die Wahr-
nehmung des Aromas ist eine außergewöhnlich gute Erfahrung, um olfaktorisch wahr-
nehmbare Komponenten im Kaffee generell zu finden. Am besten nimmt man diese Kom-
ponenten durch kurze Atemzüge wahr. Zu lange Atemzüge sind nicht empfehlenswert, da
dann die Luft zu weit in die Lunge gelangt. Ein Beispielaroma, dass in dieser Phase beson-
ders gut wahrgenommen werden kann, ist Vanille. Es ist gemeinhin sehr selten wahrnehm-
bar, da es im weitern Verlauf der Verkostung i.d.R. überlagert wird.

58
9.2 Die gustatorische Wahrnehmung
Die gustatorische Wahrnehmung basiert auf dem Kontakt zwischen chemischen sowie lös-
lichen Substanzen mit der Zunge. Der Mensch ist im Stande einen breiten Fächer an Ge-
schmäckern wahrzunehmen. Diese basieren auf einer Kombination aus verschiedenen
Stimulantien aus Textur, Temperatur, Duft und Grundgeschmack. Die Oberfläche der Zun-
ge ist bedeckt mit einer Schleimhaut, in der sich kleine kegelförmige Erhebungen befinden,
die als Papillen bezeichnet werden. Die am häufigsten anzufindenden Papillen sind krater-
förmig bzw. pilzförmig. Die darin befindlichen mikroskopisch kleinen Geschmacksknospen
nehmen den Geschmack wahr. Die fadenförmigen bzw. kronenförmigen Papillen sind für
die tactile sowie thermische Wahrnemung zuständig. Die Geschmacksknospen bestehen
aus Basalzellen sowie Geschmackssinneszellen. Diese besitzen kleine Härchen unmittel-
bar unterhalb der Poren der Zunge, die mit einer Vielzahl von Nervenzellen verbunden
sind. Die Nervenzellen transportieren die geschmackliche Wahrnehmung zum verlängerten
Mark, ein spezieller Bereich des Hirnstamms. Die annähernd 10.000 Geschmackspapillen,
die der Mensch im Durchschnitt hat, sind in ungleicher Weise über die Zungenoberfläche
verteilt. Sie formen bestimmte Bereiche auf der Zunge, die für bestimmte chemische Kom-
ponenten zuständig und damit definitorisch für die Gustatorik tätig sind. Die chemischen
Komponenten lösen sich im Speichel und kommen somit mit den in den Poren der Zun-
genoberfläche befindlichen Geschmackspapillen und damit auch mit den Geschmackssin-
neszellen in Kontakt. Wird einer der Rezeptoren von den gelösten Stoffen stimuliert, ent-
steht ein Nervenimpuls zum Gehirn hin. Die Wiederholungsfrequenz dieser Impulse be-
stimmt die Geschmacksintensität. Es ist möglich, dass ein spezifischer Geschmack auf-
grund eines bestimmten Zelltyps, der für diesen Geschmack zuständig ist, registriert bleibt.
Über eine verlängerte Exposition sättigen sich dann die Geschmackspapillen und Informa-
tionen werden an das Gehirn gesendet, weswegen nach einer bestimmten Zeit sich ein
Geschmack wahrnehmen lässt.

9.2.1 Die Säure ist genauso wichtig wie der Geschmack


Die sog. Klarheit in der Tasse ist vielleicht der wichtigste Faktor für Kaffeekäufer, sofern es
um Spezialitäten geht. Sie steht in Relation zur Säure und ist der wesentliche Begleiter
zum Geschmack. Hierbei ist die Balance zwischen Säure und Geschmack wichtiger als die
reine Intensität. In einigen Regionen steht ein lediglich gering vorhandenes Säureprofil für
ein wesentliches Geschmackscharakteristikum und verhilft subtilen Geschmäckern, deutli-
cher zu Tage zu treten. Bei salvadorianischen Kaffees ist diese Balance jedoch fundamen-
tal und leicht zu finden. Die Säure stellt das Rückgrat des Kaffees dar, sie ist hell, frisch
und vital und äußert sich auf der Zunge mit einem sauberen Geschmack, der fruchtig und
intensiv ist. Das Säureprofil setzt sich aus der relativen Intensität der im Kaffee zu finden-
den Säuren zusammen: Zitrische, malische und tartarische Säuren reagieren mit Zuckern
und erhöhen dadurch die Süße und werden als Fruchtsäure wahrgenommen, wohingegen
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Chlorogensäure vermehrt Adstringens und Trockenheit vermittelt. Essigsäuren verursa-
chen säurige Geschmäcker und quinische Säuren vermitteln Bitterkeit. Die Phosphorsäure
ist jene Säure, die einen hellen und klaren Kaffee definiert. Sie hebt sich von allen anderen
Säuren ab. Säuren sind generell ein Resultat der Umwandlung von gebildeten Zuckern
während der Photosynthese, speziell zitrische Säuren sind in diesem Kontext allgemein
bekannt.

9.2.2 Der Geschmack (Flavour)


Um eine Flüssigkeit feinstmöglich dem Mundraum zuzuführen und somit auf alle Areale der
gustatorischen Wahrnehmung zu verteilen, ist es ratsam die Flüssigkeit mit Sauerstoff zu
vermischen. Entsprechend ist das Schlürfen ein wichtiger Bestandteil, den Kaffee ver-
gleichbar mit Tautropfen in allen Bereichen des Mundraums und der Zunge zu verteilen.
Das hilft uns alle Grundgeschmäcker (süß, salzig, sauer, bitter und umami) und die daraus
resultierenden Interaktionen zwischen diesen wahrzunehmen, wodurch der Geschmack im
Resultat moduliert wird. Um primäre sowie sekundäre Charakteristiken des Geschmacks
zu schmecken, ist es wichtig, die Flüssigkeit für etwa drei Sekunden im Mundraum zu hal-
ten.
Es existieren nicht weniger als 18 prinzipielle Geschmäcker, die in ihrer Mehrheit fruchtig
sind. Diese gliedern sich sich in großer Quantität in gustatorische Beschreibungen auf. Das
Auftreten solcher Geschmäcker ist abhängig von Umweltfaktoren, Anbaupraktiken sowie
von Aufbereitungsprozessen.

60
Floral Bergamotte, Organgenblüte, Jasmin, Magnolie, Lavendel, Nelke

Schwarzer Tee, grüner Tee, Minze, Duftwicke, Erbse, Zuckererbse,


Kräuter
Kürbis, grüne Paprika, Olive, Tabak, Zeder, frisches Holz, Erde

Umami Tomate, getrocknete Tomate, Sojasauce, Fleisch, Leder

Gewürze Anis, Muskatnuss

Röstaromen Kohle, Rauch, karamellisierter Zucker, Toast

Frisches Brot, Malz, Weizen, Roggen, Granola, Knäckebrot, Weiß-


Getreide
brot

Nüsse Mandel, Haselnuss, Cashew, Erdnuss

Vanille, weißer Nougat, Honig, Butter, Sahne, Rohrzucker, brauner


Karamell
Zucker, Karamell, Ahornsirup, Melasse, Cola

Kakaobohne, Kakaonibs, dunkle Schokolade, Schokoladenbrot,


Schokolade bitteres Karamell, Zartbitterschokolade, Kakaopulver, Milchschoko-
lade

Trockenobst Sultanine, Rosine, Feige, Dattel, Pflaume

Blaubeere, Himbeere, Erdbeere, Broombeere, rote Traube, Johan-


Beeren
nesbeere, Cassis

Früchte Aprikose, Nektarine, Pfirsich, Pflaume, Kirsche, Schattenmorelle

Litschi, Sternfrucht, Tamarinde, Maracuja, Ananas, Mango, Pa-


Tropische Früchte
paya, Kiwi, Banane, Kokos

Traube Weiße Traube, grüne Traube, rote Traube

Melone Wassermelone, Honigmelone

Apfel/Birne Grüner Apfel, roter Apfel, Limone, Limonade, Limette

Zitrusfrüchte Limette, Limonade, Pomelo, Clementine, Mandarine, Orange

Pomelo Mandarine, Orange


Quelle: Counter Culture Coffee, 2013

61
9.2.3 Der Nachgeschmack oder Aftertaste
Die schwereren Duftmoleküle werden wahrgenommen und evaluiert gemeinsam mit dem
Grundgeschmack des Kaffees. Ein lang anhaltender Nachgeschmack ist nicht zwingend
wünschenswert oder positiv. Idealerweise ist er angenehm. Bleibt ein lang anhaltender Bit-
tergeschmack handelt es sich nicht um einen angenehmen Nachgeschmack. Die Präsenz
eines lang anhaltenden, süßen und angenehmen Nachgeschmacks wird als fundamental
für außergewöhnliche Kaffees angesehen.

9.2.4 Der Körper


Der Körper wird mittels der Dichte bzw. des Gewichtes des Kaffees im Mundraum be-
stimmt. Um den Einstieg zu erleichtern nehmen wir beispielsweise an, dass Milch mehr
Körper als Wasser hat. Um den Körper zu evaluieren, muss die Zunge den Mundraum
passieren und unter die Zunge gehen bis zum Gaumen. Hat man das Gefühl eines glatten
Kaffees, so ist die Menge an löslichen Stoffen höher. Diese Eigenschaft ist eng verknüpft
mit der Anbauhöhe, sodass man sagen kann, dass ein Kaffee aus hohen Lagen mehr Kör-
per mitbringt.

Leicht Mittel Schwer


Wässrig Eben Komplett
Teeartig Zuckerig Samtig
Seidig Rund Groß
Glatt Cremig Gummiartig
Saftig Milchartig
Quelle: Counter Culture Coffee

9.2.5 Die Balance


Hierbei handelt es sich um die Kombination aller zuvor beschriebenen Attribute. Diese
können sich untereinander steigern, so wie zum Beispiel Süße den Körper steigert. Ein
Kontrast entsteht, wenn man Salz und Zitrussäure miteinander vermischt, andere Aspekte
werden dadurch ausgelöscht. Es ist notwendig zu erwähnen, dass in diesem Fall ein Attri-
but das andere überlagert. Wenn wir ein sehr süßes Getränk probieren, kann man diesem
auch mehr Körper bescheinigen. Und wenn es einen höheren Säuregehalt gibt, finden wir
auch mehr Süße, weswegen sich Säure auch hier vorteilhaft auswirkt. Im höheren Tempe-
raturbereich erzeugt ein Kaffee mehr Aromen, wohingegen ein kalter Kaffee weniger Ge-
schmack in dieser Hinsicht aufweist.

9.2.6 Die Gesamtbewertung / Overall


Hierbei handelt es sich um das professionelle Urteil des Cuptasters. Um diesen Aspekt zu
bestimmen, bezieht der Cuptaster alle vorherigen Attribute ein und zieht auf Basis dessen
seine Schlussfolgerung. Diese Kombination ist sehr wichtig für die Ableitung der Punktzahl,
die man einem Kaffee schlussendlich gibt.
Das Resultat des Verkostungsprozess kann als generelle Definition des Tassenprofils ge-
sehen werden im Einklang mit den verschiedenen deskriptiven Elementen.

62
Positive deskriptive Elemente für Kaffee
Knackig Strukturiert Weich Saftig
Brillant Balanciert Tief Andauernd
Vibrierend Rund Komplex Flüchtig
Spitz Dicht Delikat Sauber

Die Verkostungsergebnisse stehen in Relation mit diversen Aspekten, die ausschließlich


überprüft werden können durch Zweitverkostungen. Dies soll im Folgenden erklärt werden:

Die Position des Musters auf dem Cuppingtisch


Normalerweise stehen auf einem Cuppingtisch unterschiedliche Muster. Es können zehn
Muster sein und jedes von ihnen steht in vierfacher Ausführung, sodass wir vierzig Tassen
zu verkosten haben. Die Position des ersten Musters kann daher anders wahrgenommen
werden als das zehnte Muster. Außerdem wird das zehnte Muster das letzte sein, was man
verkostet, wodurch die Verkostungstemperatur dieses Musters niedriger sein wird.

Andere Muster in der Verkostung


Das Verkostungsergebnis eines Musters kann durch seine Lage zu den anderen Kaffees
auf dem Tisch beeinflusst werden. Zum Beispiel wird ein Muster zwischen zwei wirklich
außergewöhnlichen Mustern häufig sichtbar anders wahrgenommen. Gleiches kann auch
mit den zwei wirklich außergewöhnlichen Kaffees passieren, dass sie aufgrund ihrer ge-
schmacklichen Extreme als schlecht wahrgenommen werden. Daher ist es wichtig ähnliche
Bedingungen zu schaffen, weswegen die Wiederholung von Verkostungen die beste Ga-
rantie dafür ist, Qualität zu identifizieren und ein gerechtes und aussagekräftiges Urteil zu
gewährleisten. Eine Möglichkeit, Kaffees aussagekräftig zu klassifizieren liegt in der Ver-
kostung mittels numerischer Systeme.

63
Die Geschichte des Kaffeeanbaus in El Salvador

Der Historiker Don Ignacio Barberena gibt als Ursprungsort die Umgebung von Ahuacha-
pan an, wo die ersten Kaffeepflanzen aus Guatemala von der Hacienda "El Soyate" kom-
mend durch Álvarez de Asturias angebaut wurden. Darüber hinaus kultivierte der gebürtige
Brasilianer Don Antonio Cohello, Pädagoge an der Hochschule in San Salvador, 1840 eini-
ge Pflanzen auf einer Finca. Er wird ebenfalls als möglicher Gründer der salvadorianischen
Kaffeekultur angesehen.
Mit dem Beginn der Präsidentschaft von Doktor Eugenio Aguilar im Jahre 1846 wurde der
Kaffeesektor gezielt gefördert. In dieser Epoche wurden jenen Bauern besondere Privile-
gien zugesprochen, die sich auf den Kaffeeanbau spezialisierten, da man sich von diesem
Bereich viel für die Zukunft versprach. Dieser Entstehungsprozess dynamisierte sich in der
Regentschaft von Gerardo Barrios und die Leitung des Republik unter ihm. Er vergrößerte
die Privilegien, wies Land jenen zu, die Sich der Kaffeekultivierung verschreiben wollten
machte damit den Kaffeeanbau mehr oder weniger verpflichtend. Zuvor wurde im Landwirt-
schaftssektor Kakao, Tabak, Baumwolle, Getreide, Vieh und Indigopflanzen gehalten.

Abbildung 52: Kaffee-, Tee- und Weinmesse in Abbildung 54: Berlin School of Coffee
Taiwan, 2013

Abbildung 53: Perquín Morazán 2014 Abbildung 55: Produzenten aus Perquín Mora-
zán 2014

64
Kapitel 10: Defektgeschmäcker im Kaffee
Alle physischen Schäden bringen geschmackliche Beeinträchtigungen mit sich , was zu
einem unschönen Geschmacksbild führt. Dadurch reduziert sich auch der kommerzielle
Wert des Kaffees. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Qualität durch Kontamination
in den verschiedenen Phasen der Nassaufbereitung, Lagerung und Klassifizierung sich
verschlechtern kann. Sog. Defektgeschmäcker die man normalerweise während einer Ver-
kostung ausfindig machen kann, sind im Folgenden beschrieben:

10.1 Herb
Dieser Geschmack tritt auf durch die Ernte unreifer oder grüner Kirschen, wodurch die phy-
siologisch adäquate Reife noch nicht erzielt wurde, die normalerweise verantwortlich für die
Ausformung von Säure und Süße ist. Das mit unreifem Kaffee zubereitete Getränk hat als
Charakteristik einen sehr ordinären Geschmack. Dieser Geschmack wird nicht als Tassen-
fehler angesehen, nichtsdestotrotz kann der Kaffee nicht als Spezialitätenkaffee gehandelt
werden.

10.2 Erdig
Es dominiert ein muffig-feuchter Geschmack in der Tasse. Dieser charakteristische Ge-
schmack kommt durch das Auflesen von Kaffeekirschen vom Boden zu Stande.

10.3 Schimmelig
Dieser Geschmack entsteht durch Fehler in der Trocknung, zum Beispiel aufgrund zu sel-
tener Wendung des Kaffees oder zu dicken Trocknungsschichten auf den Trocknungspati-
os. Dieser Defekt kann auch bei Lagerung des Kaffees bei zu hoher Feuchtigkeit und bei
gleichzeitig hohen Temperaturen auftreten. Dieser Schaden verstärkt sich vor allem, wenn
der Kaffee lang anhaltend unter diesen Bedingungen gelagert wird.

10.4 Weinig
Ein Geschmack, der durch die Ernte überreifer Kaffeekirschen begünstigt wird. Gleichzeitig
kann es auch sein, dass der Entpulpungsprozess verspätet stattgefunden hat. Die Bohne
weist eine rötliche Färbung auf. Der fruchtige oder an Wein erinnernde Geschmack ist ein
gutes Beispiel für einen weniger schwerwiegenden Defekt, da es durchaus möglich ist,
dass diese Geschmäcker dem Kaffee etwas Interessantes verleihen.
Nichtsdestotrotz ist der darauf folgende Schritt hin zu einem essigartigen Geschmack un-
erwünscht. Der weinige Geschmack kann sich auch zu einem zwiebelartigen Geschmack
entwickeln - ein Zeichen für Fermentationsgeschmäcker.

10.3 Fruchtig
Kann durch einen verspäteten Entpulpungsprozess begünstigt werden.

Ich bin Salvadorianer, aufrichtig und ohne Vorwand.


Ich trage mein geliebtes Land in meinem Herzen.

"DER PERFEKTIONISMUS IST DER FEIND DES GUTEN." CARLOS CRUZ

65
10.6 Säurig
Ein intensiverer Geschmack als fruchtig oder weinig, der speziell bei ähnlichen aber lang-
anhaltenderen Bedingungen entsteht. Der säurige Geschmack, häufig ins zwiebelige ge-
hend, entsteht durch eine starke Verzögerung zwischen Ernte und Entpulpung. Auch die
Übertrocknung von Pergaminos ist eine Ursache für diesen Defekt.

10.7 Überfermentation
Überfermentation charakterisiert sich in Form unerwünschter Geschmäcker und Gerüche,
die durch nicht ausreichendes Waschen des Kaffees entstehen und der Kaffee zu lang in
den Fermentationsbecken verbleibt. Es kann aber auch eine Überziehung derjenigen Be-
dingungen sein, die fruchtige und weinige Geschmäcker begünstigen.

10.8 Geschmack von alten Kirschen


Dieser Geschmack kommt durch einen natürlichen Alterungsprozess zu Stande, auch
wenn der Kaffee adäquat aufbereitet wurde. Schlechte Trocknungsbedingungen mit Tem-
peraturen von mehr als 20°C und eine Luftfeuchtigkeit von mehr als 65% bringen einen
sehr schnellen Abbau des Kaffees mit sich, woraus dieser Geschmack resultiert. Der Alte-
rungsprozess geht auch mit einem Farbverlust der Bohne einher. Schlecht getrocknete
Kaffee altern schneller und verlieren ihre Farbe in kürzerer Zeit als gut aufbereitete Kaf-
fees.

10.9 Kräuterig
Der Geschmack nach Kräutern überdeckt die feineren Aspekte des Tassenprofils, wie zum
Beispiel den Geschmack und das Aroma. Der daraus resultierende Geschmack, häufig an
Heu erinnernd, liegt häufig bei sehr frischen Kaffees vor, deren Aufbereitung unmittelbar
zurückliegt.

10.10 Kontamination
Kaffee ist anfällig für von außen kontaminierende Düfte. Deswegen muss man ihn fernhal-
ten von Rauch, Insektiziden, Düngemitteln, Zitrusfrüchten, Gummi, Benzin und anderen
stark riechenden Substanzen.

10.11 Phenolisch
Dieser Geschmack wird häufig mit medizinischen, jodartigen, apothekenartigen und che-
mischen Geschmäckern gleichgesetzt. Die daraus resultierende Qualität ist extrem unan-
genehm für den Gaumen. Die Einflussfaktoren hinsichtlich dieses Defektes können chemi-
sche wie auch mikrobakterielle Kontamination während des finalen Reifeprozesses sein.
Durch Kaffeebohrerbefall kann dieser Geschmack indirekt auftreten gleichwie durch feh-
lendes Wenden während des Trocknungsprozesses oder schlechte Lagerungsbedingun-
gen.

10.12. Stinker
Die hauptsächlichen Gründe für das Auftreten dieses Defektes liegen in schlechten Ernte-
bedingungen sowie fehlenden Hygienemaßnahmen im Nassaufbereitungsprozess.

66
Der eifrige Farmer - Gründer von ökonomischem und ökologischem Reichtum

Der salvadorianische Farmer arbeitet in einer Industrie, die es seit fast 200 Jahren gibt. Er
ist ein Veteran, was Kaffeekrisen angeht - sie kommen und gehen. Und der Farmer, einge-
bettet in seinen eigenen Stoizismus, wurde von den Widrigkeiten geformt und verfolgte
immer den Anbau dieses aromatischen Produktes. Die schlechten Zeiten hat man immer
durchgestanden und der salvadorianische Farmer hat sie immer irgendwie überwunden,
während sein Kaffee mittlerweile einen sehr guten Ruf im Spezialitätensektor hat.

Der Farmer heute, Nachfolger von ganzen Farmergenerationen, ist ausgestattet mit der
richtigen Mentalität und einem Herzen für Kaffee. Hört er von aufkommenden Krisen, so
sagt er sich: Viele Übel sind über uns gegangen, doch wir denken an die Pflege unserer
Baumschulen (Nurseries); wir denken daran, alle notwendigen Arbeiten auf dem Feld zu
machen; und bei alledem haben wir genug Wissen was aktuelle Kaffeeprobleme betrifft.
Wir beharren auf das Gute, dass der Kaffee mit sich bringt, das Gute was er dem Land ge-
bracht hat mit all seinen Schwierigkeiten, die sich in der Konsequenz daraus ergeben ha-
ben, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit durch die zunehmende Industrialisierung des
Landes.

Es ist klar, dass viele Entbehrungen im Kaffeesektor auftreten. Die Gründe dafür liegen in
schlechten Ernten, verursacht durch natürliche Phänomene wie starke Winde, Dürren, zu
viel Regen, Plagen, Krankheiten und niedrige Preise. Immer wieder auftretende Weltwirt-
schaftskrisen genau so wie unstrukturierte Märkte, in denen Kaffee zuerst gehortet wird
und später dann die Konsumentenländer mit Kaffee überschwemmt werden, tragen ihren
Teil dazu bei.

Die sich für die Produzenten ergebenden Möglichkeiten gleichwie die technologischen
Neuerungen, die durch Experten vorangetrieben werden, verändern den Kaffeesektor da-
hingehend, dass jeder von uns seinen Platz findet, wie er es sich erhofft: An der Quelle des
Lebens in El Salvador.

Abbildung 56: Ernesto Velasquez, zertifizierter Q-Grader

Abbildung 57: Herr Generalkonsul Arthur Dar- Abbildung 58: Auf der Messe Kaffee, Tee und
boven (l.) und sein Vater (r.) Wein, Taiwan 2013

67
Kapitel 11: Physische Analyse von Kaffee
Die physische Analyse besteht im Wesentlichen aus der Ermittlung der physischen Eigen-
schaften des Kaffees durch kalibriertes Equipment.

11.1 Der Feuchtigkeitsgehalt


Der adäquate Feuchtigkeitsgehalt in der Bohne sollte für eine korrekte Lagerung bei 12%
liegen und während der Trocknungsphase entsprechend erreicht werden. Kaffees deren
Feuchtigkeitsgehalt höher als 12% liegt, darf nicht gelagert und erst recht nicht verpackt
werden. Liegt die durchschnittliche Feuchte unter 10%, setzt ein Zersetzungsprozess hin-
sichtlich Aroma, Säure und Frische ein. Ab einer Restfeuchte von 8% sind diese Eigen-
schaften komplett verschwunden. Der Feuchtigkeitsverlust sollte allmählich eintreten, voll-
zieht sich die Trocknung zu schnell, bekommt der Kaffee eine weiß-grünliche Farbe.

11.2 Der Bohnenscreen


Bohnen mit einem kleinen Durchmesser und wenig Dichte sind das direkte Ergebnis von
Wassermangel während des Entwicklungsprozesses der Frucht. Der Durchmesser von
kommerziellen Kaffees wird mittels perforierter Siebe gemessen. Kommerzielle Kaffees
müssen mindestens zu 50% eine Screengröße von 15 (15/64 Zoll) haben und maximal 5%
der Bohnen dürfen kleiner als Screen 14 sein. Der Durchmesser von Spezialitätenkaffees
muss zu 100% bei mindestens Screen 16 liegen.

Abbildung 59: Siebe zur Größenermittlung von Rohkaffee

Kleine und leichte Bohnen werden zu schnell geröstet in Relation zur normalen Röstdauer,
wo größere Bohnen mehr Zeit benötigen. Diese haben naturgemäß auch ein höheres Ge-
wicht sowie eine höhere Dichte.

11.3 Die Dichte der Bohne


Bohnen mit geringer Dichte weisen in der Regel auch weniger Gewicht auf. Diese Eigen-
schaften treten durch lange Dürrephasen oder durch Plagen, zum Beispiel den Broca (Kaf-
feebohrer), auf. Auch bei schwach entwickelten Kaffeepflanzen oder durch eine zu früh
erfolgende Ernte wird dieser Aspekt begünstigt. Diese Bohnen weisen nicht nur weniger
Aroma, Säure und Körper auf, auch tritt ein schaler oder ordinärer Geschmack in den Vor-
dergrund. Daher ist eine adäquate Trennung nach Dichte von größter Wichtigkeit, wenn
man Spezialitätenkaffee produzieren will.

"ES HERRSCHT KEINE ARMUT IN DEN TASCHEN DER MENSCHEN, SIE HERRSCHT IN DEN KÖPFEN."
Francisco Figueroa

68
11.4 Physische Defekte im Kaffee
Physische Defekte müssen in jedem Fall vermieden werden. Ein erhöhter Anteil an Defek-
ten verringert das Exportvolumen und darüber hinaus auch die Einkünfte. Die Ursachen der
Defekte können im Anbau, der Ernte, der unmittelbaren Aufbereitung, der Lagerung und
die Exportaufbereitung entstehen. Verfärbte Bohnen sind zum Beispiel ein Indiz für eine
unadäquate Aufbereitung, insbesondere für eine ungenaue Kontrolle des Feuchtigkeitsge-
haltes in der Bohne. Ein hoher Feuchtigkeitsgehalt verursacht somit einen schnelleren Alte-
rungsprozess.

11.4.1 Kätebrandbefall bei Bohnen


Dieser Defekt entsteht durch viel Regen über einen längeren Zeitraum, wo der Kaffee ge-
reift ist. Solche Bohnen findet man häufiger bei geernteten Kaffees aus besonders hohen
Lagen (höher als 1.600m ü. NN)

11.4.2 Kristallinisierte Bohnen


Das Hauptmerkmal dieser Bohnen besteht darin, dass sie fragil und brüchig sind, norma-
lerweise verursacht durch zu hohe Temperaturen während der Trocknungsphase, was eine
Übertrocknung der Bohnen begünstigt. Gleichzeitig geht mit diesem Defekt ein Absterben
des Keimes einher, sodass der Kaffee leblos ist.

11.4.3 Schwarze / teilweise schwarze Bohnen


Hierbei handelt es sich um Bohnen mit bräunlicher bis gänzlich schwarzer Farbe. Der
Durchmesser der Bohnen ist kleiner, die Oberfläche ist sehr glatt und der Schlitz der Bohne
ist weit geöffnet. Der Defekt kommt durch Insektenbefall, Krankheiten, durch Mineralstoff-
mängel oder durch Wassermangel in der frühen Entwicklungsphase der Bohnen zu Stan-
de. Wassermangel zwischen der 13. und der 17 Woche nach der Blütezeit führt zu führt zu
einem ungewollten Stoffwechselprozess des in der Bohne enthaltenen Kohlenstoffsioxids,
weswegen dieser Zeitraum ein sehr kritischer Zeitraum ist.

11.4.4 Zerquetschte Bohnen


Zerquetschte Bohnen mit zum Teil einhergehendem Bohnenbruch entsteht durch den
Schälungsprozess, wenn die Pergamenthaut entfernt wird und dabei die Bohne in Mitlei-
denschaft gezogen wird.

11.4.5 Gemaserte, farblose Bohnen


Bei diesem Defekt handelt es sich um einen "Re-Wettingdefekt", wo der Kaffee nochmals
feucht wird nach Abschluss des Trocknungsprozesses. Erkennbar ist dieser Defekte daran,
dass die Bohnen aufquellen, die einen höheren Restfeuchtigkeitsgehalt als 12% haben. Die
Farblosigkeit an den Rändern und überall zu sehende weiße Flecken sind oft bei den Kaf-
fees zu finden, die im Trocknungsprozess bei Temperaturen von mehr als 70°C übererhitzt
wurden und im Nachhinein wieder Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen.

11.4.6 Blassgrüne Bohnen


Über einen langen Lagerungszeitraum kann Kaffee seine natürliche Farbe verlieren, da der
Kaffee die in der Bohne enthaltenen essentiellen Öle abbaut. Bei guten Bedingungen gela-

69
gerte Pergaminos können ihre Farbe über einen langen Zeitraum erhalten, während bei der
Lagerung von grünen Bohnen der Kaffee seine normale Farbe nur für einen begrenzten
Zeitraum konserviert. Eine vernünftige Verpackung des Kaffees besteht daher darin, spe-
zielle Plastikbeutel (Grain Pro-Bags) zu verwenden, die die physischen und sensorischen
Eigenschaften des Kaffees konservieren und vermeiden, dass Luft von außen an die Boh-
ne dringt. Dadurch wird der Kaffee über einen längeren Zeitraum konserviert. Der Großteil
der Käufer von Spezialitätenkaffees will, dass Kaffees in diesen Plastikbeuteln verpackt
werden.

11.4.7 Butter- oder bernsteinfarbene Bohnen


Hierbei handelt es sich um Bohnen mit gelblicher und transparenter Farbe. Form und
Durchmesser sind normal, farblich sind Ähnlichkeiten zu Bernstein zu entdecken, wohinge-
gen die Haptik wachsartig ist. Insgesamt weisen solche Bohnen Ähnlichkeiten zu überfer-
mentierten Bohnen auf, lediglich der Bohnenschlitz ist nicht geöffnet. Dieser Defekt ist auf
Mineralstoffmängel im Boden zurückzuführen.

11.4.8 Blasse Bohnen durch Übertrocknung


Diese Bohnen weisen eine bernsteinfarbene oder leicht gelbliche Struktur auf, die durch
eine zu lange Trocknung zu Stande kommt.

11.4.9 Bruchbohnen
Diese Bohnen weisen Absplitterungen oder Kratzer auf, die normalerweise mit einer
schwarzen Färbung einhergehen. Dies geschieht aufgrund von Oxidation. Der Defekt ent-
steht aufgrund von zu starker mechanischer Einwirkung während des Entpulpungsprozes-
ses. In alkalischer Flüssigkeit weisen die Bruchstellen der Bohne an den Rändern eine
dunkelgrüne bis bläuliche Färbung auf. Nach ein paar Tagen wandeln sich diese Farben in
eine dunkle Farbe um.

11.4.10 Zerteilte Bohnen


Hierbei handelt es sich um länglich zerteilte Bohnen, die durch den Schälprozess entste-
hen, wenn die Feuchte in der Bohne höher als 12% ist.

11.4.11 Insektenschäden
Insektenschäden liegen bei den Bohnen vor, die über kleine Löcher verfügen. In der Regel
handelt es sich um Schäden, verursacht durch den Kaffeebohrer (Broca). Ist der verursach-
te Schaden stärker ausgeprägt, entsteht ein bitterer und ordinärer Geschmack.

11.4.12 Schrumpelige Bohnen


Dieser Defekt entsteht meistens durch Wassermangel während der Fruchtentwicklung oder
durch Mineralstoffmängel, speziell bei primärem Mineralstoffmangel (N-P-K).

11.4.13 Saure / teilweise saure Bohnen


Hierbei handelt es sich um Bohnen mit einer Farbe, die an dunkles Karamell erinnert. Der
Bohnenschlitz weist kein Silberhäutchen und der Bohnenrücken eine rötliche Farbe auf.
Der Grund für diesen Defekt liegt entweder in einem zu langen Abstand zwischen Ernte

70
und Entpulpung, einer zu langen Fermentation, unsauberen Fermentationsbecken oder
einer zu starken Erhitzung des Kaffees während der Trocknung.

11.4.14 Unreife Bohnen (Quaker)


Dieser Defekt verursacht ein trockenes Mundgefühl und der Geschmack erinnert an Erd-
nuss. Visuell lässt sich dieser Defekt daran erkennen, dass die Ränder stark hervortreten
und scharfkantig sind die Bohnenform löffelartig ist. Das Silberhäutchen klebt an der Bohne
und die Bohnen weisen einen sehr dunkelgrünen Farbton auf. Da sich weder Zucker noch
Kohlenstoffdioxid gebildet hat, weist die geröstete Bohne keinen schönen Farbton auf, die
geschmackliche Qualität des gesamten Kaffees wird durch diesen Defekt massiv beein-
trächtigt.

11.4.15 Überfermentierte Bohnen


Diese Bohnen weisen eine blasse Farbe und eine faltige Struktur auf, der Bohnenschlitz
hat kein Silberhäutchen und der Keimling ist zerstört, wenn der Defekt deutlich vorange-
schritten ist. Im Allgemeinen geben die Bohnen einen Fermentgeruch ab. Dieser Defekt
entsteht durch mangelhafte Sauberkeitsbedingungen im Fermentationsbereich.

11.4.16 Fleckige Bohnen


Bei diesen Bohnen ist die Größe und Form normal entwickelt, jedoch findet man an der
Oberfläche verschiedene Farbschattierungen, ohne dass die Oberflächentextur verschie-
denartig ausgeprägt ist. Der Ursprung dieses Defekts kann durch Pilz- oder Insektenbefall
herrühren oder durch mechanische Schäden während der Aufbereitung, wodurch die Fle-
cken zumeist etwas dunkler werden und grünliche und bläuliche Farbschattierungen auf-
weisen.

11.4.17 Rötliches Silberhäutchen


Form und Durchmesser der Bohnen sind normal ausgeprägt. Jedoch klebt das Silberhäut-
chen an der Bohne fest. Dieser Defekt entsteht dadurch, dass der Kaffee zu spät geerntet
wurde oder zu spät entpulpt wurde, es handelt sich in beiden Fällen um eine Überfermenta-
tion.

Abbildung 60: Diverse physische Defekte im Kaffee


71
Eine Verschlechterung der physischen Eigenschaften des Kaffees sind in jedem Fall auf
ein schlechtes Management in allen Phasen der Produktion zurückzuführen. So kann zum
Beispiel im Anbauprozess durch schlechtes Schattenmanagement ein Antrocknen der Kaf-
feekirsche erfolgen, wodurch sie an der Bohne anhaftet, wodurch wiederum die Bohne
bräunlich oder schwarz wird. Fehlende Kontrollen hinsichtlich diverser Plagen, wie zum
Beispiel des Kaffeebohrers (Broca), können dazu führen, dass der Samen angebohrt wird
und dadurch Wasser einfacher in die Bohne läuft, wodurch die Bohne ihre Normale Farbe
verliert und die Dichte der Bohne und der eigentliche Geschmack des Kaffees negativ be-
einflusst werden.

Eine ungenaue Ernte hat einen erhöhten Anteil unreifer Bohnen zur Folge. Die dadurch
entstehenden Farbunterschiede sind sowohl im Rohkaffee, im Röstkaffee als auch im Ge-
tränk erkennbar. Die Evaluationsstandards für hochwertigere Kaffees erlauben eine Ma-
ximalanzahl an Quakerbohnen von max. 3 Bohnen auf 100 Gramm, bei Spezialitätenkaf-
fees darf lediglich eine Quakerbohne auf 100 Gramm Röstkaffee entfallen.

Der Größteil der Defekte entsteht im Aufbereitungsprozess nach der Ernte, weswegen es
naturgemäß wichtig ist, dass wir unser gesamtes Augenmerk auf die Konservierung der
Qualität in diesem Abschnitt richten, ohne dabei den Trocknungsprozess und die korrekte
Lagerung aus den Augen zu verlieren.

Abbildung 61: Ernesto Velasquez mit japanischen Rohkaffeehändlern (links: im Jahr 2008, rechts: im
Jahr 2009)

Abbildung 62: Ernesto Velasquez mit einem Abbildung 63: Yoshi Cato (im Jahr 2010)
taiwanesischen Rohkaffeehändler (Orsir Cof-
fee)

72
Kapitel 12: Ideale Bedingungen für ein Verkostungslabor

12.1 Sauberkeit
Das Verkostungslabor muss absolut sauber sein, angefangen beim Boden, über die Wän-
de, Musterregale, Maschinerie bis hin zum Verkostungsequipment. Wir sollten uns immer
daran erinnern, dass dies allein für den vermittelten Ersteindruck gegenüber dem Käufer
wichtig ist. Es ist empfehlenswert, dass das Verkostungsareal ausschließlich aus dem Ver-
kostungstisch besteht und darum herum ausschließlich Dinge zu finden sind, die in Verbin-
dung zur Verkostung stehen. Der Röster, die Mühle, Waagen und anderes Equipment soll-
te außerhalb des Verkostungsareal sein. Darüber steht die äußerlich sichtbare Hygiene des
Raumes auch für Sauberkeit und Intaktheit des Equipments.

12.2 Ordnung
Sämtliche Materialien und das Equipment müssen an ihrem adäquaten Platz sein. Für die
Lagerung von Mustern sind kleine, luftdicht verschließbare Plastikschälchen empfehlens-
wert, die keine unangenehmen oder künstlichen Gerüche absondern.

12.3 Instandhaltung
Die Instandhaltung des Equipments sollte über das gesamte Jahr hinweg gewährleistet
sein, um die Lebensdauer der Gerätschaften zu verlängern.

12.4 Minimale Anforderungen hinsichtlich Equipment und Materialien in einem Cup-


ping-Lab

12.4.1 Sampleröster
Es ist empfehlenswert, sich Equipment von bekannten Herstellern anzuschaffen, da diese
eine bessere Langlebigkeit bei kontinuierlicher Instandhaltung garantieren und darüber
hinaus Röstergebnisse garantieren, die auf einem einheitlichen Profil beruhen.

12.4.2 Mühle
Die Mühle muss eine homogene Vermahlung sicherstellen. Dieser Faktor steht in direkter
Verbindung mit der Extraktion sowie der später stattfindenden, klaren Wahrnehmung olfak-
torischer und gustatorischer Attribute.

12.4.3 Cuppingtisch
Der Tisch, auf dem sich die Muster sowie die Cuppingbowls befinden, sollte traditionell ge-
formt sein, entweder rund oder rechteckig. Im Fall einer Verkostung mit mehreren Ver-
kostern empfiehlt sich ein rechteckiger Tisch. Die empfohlenen Maße sind: 1m (Höhe) x 2m
(Länge) x 0,8m (Tiefe)

"DIE VARIETÄT PACAMARA - MADE IN EL SALVADOR." Ángel 'Padre de Pacamara' Cabrera

73
12.4.4 Cuppingbowls
Die Tassen müssen die Eigenschaft besitzen, die Wärme des Getränks zu konservieren.
Damit wird sichergestellt, dass der Verkoster auch bei der letzten Tasse auf dem Tisch ei-
ne adäquate Temperatur vorfindet, die es ihm ermöglicht, die Eigenschaften und Einzelhei-
ten des Kaffees bestimmen zu können. Das Volumen dieser Tassen sollte normalerweise
bei 225ml liegen.

12.4.5 Cuppingspoons
Cuppingspoons zeichnen sich durch eine runde Form aus. Man kann sie auf Messen der
SCA käuflich erwerben.

12.4.6 Siebe
Die Siebe dienen der Evaluierung der Bohnengrößen von Rohkaffee. Die zumeist genutz-
ten Siebe haben die Nummern, 14, 15, 16, 17 und 18 (je /64 Zoll). Entsprechend besteht
der Unterschied bei den Sieben im Durchmesser der Löcher.

12.4.7 Thermometer
Das Thermometer ist für die Messung der Temperatur beim Sampleröster, die Messund
der Temperatur der gerösteten Bohnen sowie für die Messung der Wassertemperatur, mit
der man den Kaffee aufgießt, erforderlich.

12.4.8 Farbmessgerät
Das Farbmessgerät dient der Festlegung eines einheitlichen Röststandards. Der Farbwert
wird numerisch ermittelt. Zumeist wird auf Basis der Agtron-Discs gemessen. Jede dieser
Discs repräsentiert mit ihrer Farbintensität einen Farbwert. Diese Discs sind ebenfalls auf
den zuvor erwähnten Messen erhältlich.

12.4.9 Digitalwaage
Die Waage sollte im Stande sein, bis auf das Zehntelgramm genau zu abzuwiegen. Sie
dient dazu, den Kaffee zu dosieren, der später analysiert werden soll. Darüber hinaus dient
sie auch der Ermittlung des Ist-Gewichts von Rohkaffee nach der Entfernung des Pergami-
nos.

12.4.10 Wasserkessel
Die Wasserkessel können hinsichtlich ihres Volumens variieren. Das Volumen ist abhängig
davon, wie viele Kaffees man in einem Durchgang verkostet. In diesen Kesseln muss das
Wasser auf die korrekte Temperatur für eine Verkostung erhitzt werden, die bei 92-96°C
liegt.

12.4.11 Evaluierungsbögen
Die Evaluierungsbögen, die man für eine Verkostung verwendet, um schlussendlich aus-
sagekräftige Verkostungsresultate zu erzielen, können vom Besitzer der Farm und/oder
vom Verkoster angepasst werden. Jedoch dienen als Basis in den meisten Fällen die Eva-
luierungsbögen der Cup of Excellence oder der SCA.

74
12.5 Minimale Anforderungen für das Cupping-Lab

12.5.1 Lichtintensität
Die Lichtintensität im Cupping-Lab sollte es dem Cuptaster ermöglichen, Farbunterschiede
im Rohkaffee, im Röstkaffee sowie im Mahlgut einfach erkennen zu können. Daher ist es
empfehlenswert, neben künstlichen Lichtquellen auch Tageslicht im Cuppinglab zu haben.

12.5.2 Luftreinheit
Im Cuppinglab sollten weder angenehme noch unangenehme Gerüche wahrnehmbar sein.
Entsprechend sollte die Luft neutral sein. Daher sollte der Raum sowie die Umgebung sau-
ber gehalten weder. Es sollte kein Müll, keine Desinfektionsmittel, kein Benzin, kein Öl,
keine Pulpe, keine Erde, keine Gewürze und des Weiteren nichts in der Nähe sein, was zur
Veränderung der Luft beiträgt. Denn solche Stoffe verursachen Störgerüche speziell bei
Röstkaffee. Kaffee hat die Eigenschaft, mit Leichtigkeit jegliche Gerüche in der Umgebung
zu absorbieren. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, dass die Raumtemperatur kontrol-
liert wird, und diese auch angenehm ist, um den Verkostern, Käufern und Besuchern die
Möglichkeit zu geben, in einem angemessenen Ambiente die sensorische Analyse eines
Kaffees vorzunehmen.

12.5.3 Platz für archivierte Evaluierungsbögen


Die Verkostungsergebnisse sollten abgeheftet werden. Es ist somit möglich, die Ergebnis-
se später nochmals einzusehen, sie zu analysieren und ggf. Aspekte zu korrigieren, sofern
dies notwendig ist.

12.5.4 Farbgestaltung an den Wänden


Die Wände im Cupping-Lab sollten möglichst weiß sein und wenn überhaupt nur mit Foto-
grafien der Farm oder des Beneficios dekoriert sein.

Abbildung 65: Ernesto V. erhält


Abbildung 64: Gewinnerproduzenten der Cup of Excellence, eine Auszeichnung in Berlin,
La Palma Chalatenango, übergeben eine Auszeichnung an Deutschland (im Jahr 2014).
Ernesto V. (im Jahr 2013)

75
Kapitel 13: Positive Gesundheitswirkungen im Kaffee

13.1 Antioxidative Eigenschaften


Um zu verstehen, was Antioxidantien sind, ist es notwendig zu erörtern, was sie machen
und welche Auswirkungen Oxidation in den Körperzellen mit sich zieht. Jede Zelle produ-
ziert seine eigene Energie, um sich der ihr ausgesetzten Oxidation zu erwehren. Bei dieser
Reaktion repräsentiert der Sauerstoff das letzte Bindeglied in der Kette, um Elektronen zur
Energieproduktion zu transportieren.
Dieser Vorgang ist nicht immer perfekt, da flüchtige Elektronen zur Produktion stabiler ge-
ladener Atome (Ionen) beitragen können. Chemisch sind sie damit in der Lage, mit anderen
Atomen zu reagieren und damit eine Kettenreaktion auszulösen.
Wenn die Produktion solcher Atome oder Moleküle überhand gewinnt, entsteht eine oxida-
tive Stress-Situation, die viele chronische Krankheiten sowie Herzkranzgefäßverengung
und Krebs nach sich ziehen kann.

13.2 Diverse Typen von Antioxidantien


Der menschliche Körper bildet Verteidigungsmechanismen gegen den sog. oxidativen
Stress durch diverse Systeme von Antioxidantien, die untereinander komplementär sind
und in ihrer Gesamtzahl Sauerstoffbestandteile und dadurch entstehende verschiedenarti-
ge Zellstrukturen bekämpfen können. Die Komplexität unseres antioxidativen Verteidi-
gungssystems liegt dabei in der Tatsache, dass es die Möglichkeit minimiert, dass freie
Radikale die fundamentale Struktur der Zellen beschädigen.
Die verschiedenen antioxidativen Systeme greifen auf Moleküle zurück, die endogen (vom
Körper produziert) wie auch exogen, also von außen hinzugeführt sein können. Bei den
endogenen Verteidigungsmechanismen gibt es eine Vielzahl an antioxidativen Enzymen,
die freie Radikale weniger schadhaft machen können. Einige von diesen Enzymen bilden
sich heraus aus Elementen wie Selen, Zink, Magnesium und Kupfer. Sie sind von essen-
tieller Bedeutung hinsichtlich der Funktionalität des antioxidativen Verteidigungsmechanis-
mus. Daher ist es wichtig, dass diese Elemente optimalerweise Bestandteil der täglichen
Nahrungsaufnahme sind.
Unser Organismus kann nicht-enzymatische, natürliche Spurenelemente synthetisieren.
Dieser Vorgang geht durch Antioxidantien mit einem niedrigen Molekül-Gewicht einher. Sie
können freie Radikale neutralisieren oder antioxidative Enzyme verstärken (z.B. Glutathi-
on). Auch bilden sie als Teil des endogenen antioxidativen Systems Eiweißketten, die Me-
tallspurenelemente wie Eisen und Kupfer abbauen, deren Präsenz freie Radikale bilden
können.

13.3 Antioxidative Lebensmittel


Antioxidantien in Lebensmitteln lassen sich in großer Zahl in Früchten, Gemüse, Getränken
aus natürlichem Ursprung, Wein, Kaffee, Tee und Fruchtsäften nachweisen.
Phenolische Komponenten findet man in Schokolade, Rotwein, Kaffee und Tee (abstei-
gend nach Quantität geordnet).

13.4 Studien zur gesundheitlichen Wirkung von Kaffee


Die im Kaffee enthaltenen Antioxidantien wirken in unserem Organismus sehr schnell. Da-
her kann Kaffee seinen antioxidativen Gehalt schnell auf unseren Organismus übertragen.
Ein Kaffee Americano erhöht den Gehalt an Antioxidantien im Zellplasma signifikant. In
Japan durchgeführte Studien an 11 Testpersonen ergaben, dass der tägliche Konsum von
Kaffee (täglich 24 Gramm, eine Woche lang) die Gefahr von oxidativem Stress reduziert,
76
diese jedoch sehr schnell wieder zu den ursprünglichen Werten zurückspringt, sofern der
Kaffeekonsum unterbrochen wird. Eine andere Studie mit 8 Testpersonen ergab, dass ein
täglicher Konsum von 600ml Kaffee über fünf Tage die DNA im Lymphsystem stärkt, indem
dort vermehrt antioxidative Enzyme gebildet werden.
An gesunden Menschen wurde bewiesen, dass 5 Tassen Espresso am Tag die Herausbil-
dung von Glutathion verstärken. Glutathion ist ein wichtiges endogenes Antioxidans.
Die im Kaffee enthaltenen Antioxidantien sind sehr überlebensfähig. Auch Stoffwechsel-
prozesse stellen kein Hindernis für Antioxidantien dar, um in unseren Organismus zu ge-
langen.

13.5 Kaffee und Krebs


Im Jahr 1991 hat die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) als Teil der Weltge-
sundheitsorganisation (WHO) Kaffee als "möglicherweise" krebserregend eingestuft, spe-
ziell hinsichtlich eines erhöhten Risikos von Harnblasenkrebs. Mittlerweile konnte nachge-
wiesen werden, dass der Kaffeekonsum als Schutzmaßnahme bei diversen Krebsarten
wirkt. Die vier für Konsumenten grundsätzlichen Krebsarten sind: Darmkrebs, Pankreas-
krebs, Leberkrebs und bei Männern Prostatakrebs.

13.6 Mentale Wirkungsweisen von Kaffee


Der Kaffeekonsum trägt zu besseren Funktion des Großhirns bei, wodurch die Gehirnaktivi-
tät, das Reaktionsvermögen sowie das Konzentrationsvermögen gesteigert werden. Es
macht uns daher auch weniger anfällig für negative Umwelteinflüsse.
Der morgendliche Kaffeekonsum steigert unsere Wachsamkeit, unseren mentalen Zustand
sowie unser Wohlergehen und lässt uns den Tag mit einem guten Gemütszustand starten.

13.7 Kaffee und Alzheimer


Alzheimer ist heutzutage die am häufigsten auftretende Demenzerkrankung. Seine Be-
handlung und Vorbeugung sind eine der Hauptaufgaben in der weltweiten Gesundheitsfor-
schung. Erwiesenermaßen beinhaltet Kaffee die Funktion, vor Alzheimer zu schützen.
Dies wurde in wissenschaftlichen Studien mehrfach bestätigt. Man geht davon aus, dass
die Aufnahme von Koffein das Risiko einer Alzheimererkrankung reduziert.

13.8 Kaffee und Diabetes Typ 2


Nahezu ständig gibt es mehr Studien und Hinweise darüber, dass der Kaffeekonsum das
Risiko einer Diabeteserkrankung des Typs 2 deutlich reduziert. Auch Diabetes des Typs 2
ist eine weltweit zu erforschende Krankheit. Bisher vorgenommende Untersuchungen ver-
weisen eindeutig darauf, dass ein normaler Kaffeekonsum im Einklang mit anderen Fakto-
ren (Lebensstil, kein Über- oder Untergewicht sowie Bewegung) der beste Schutz vor Dia-
betes des Typs 2 ist.

13.9 Kaffee und Kopfschmerzen


Das in einem starken Kaffee enthaltene Koffein kann dazu beitragen Migräne-Attacken
vorzubeugen, oder solche Attacken zu heilen, wenn man Kaffee im Frühstadium der Kopf-
schmerzen zu sich nimmt. Man weiß aber auch von Substanzen, die die Vehnen ausdeh-
nen, wie zum Beispiel Alkohol, dass sie ebenfalls Kopfschmerzen verursachen können.

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AUF EINE TASSE KAFFEE

OHNE ZU ZÖGERN GEBE ICH MICH DEM KUNSTVOLLEN GESCHMACK HIN,


SOWIE SICH DER HEIßE DAMPF MEINEN LIPPEN UND MEINER ZUNGE NÄHERT

WIE DER STIMULIERENDE DUFT


MEINEN GAUMEN MIT FREUDE ERWÄRMT
WIE EIN SCHMERZLINDERNDER SAFT,
SO TANKT MEIN KÖRPER KRAFT

ALS ER MEINEN MUND ANREGT,


SO VERSCHLUCKT MICH SEINE ESSENZ.
DU HEILMITTEL, DASS MICH BEGEISTERT
BIS DANN DER LETZTE TROPFEN DIESER W UNDERKUR
IN MEINEM MUND ENTSCHWINDET WIE EIN STÜCK ZUCKER
UND WAS DENNOCH LANGE VERBLEIBT
IST DER BODENSATZ IN DER TASSE.
ICH TRINKE DICH
UND JEDE NACHT
BIST DU BEI MIR.

Abbildung 66: Cup of Excel- Abbildung 67: Berlin School of


lence in El Salvador 2013 Coffee Abbildung 68: Cup of Excel-
lence

Abbildung 70: Cup of Excellence Abbildung 71: Berlin School of


2013 Coffee, 2014

Abbildung 69: Agronomieschu-


lung auf dem KaffeeCampus,
Hamburg 2014

78
Abbildung 72: Kooperative Las Abbildung 73: Verkoster des Jah-
Marias 93 res 2014 und Freunde

Abbildung 74: Berlin School of


Coffee, 2013

Über den Autor

Ernesto Velasquez Zarco begann mit seiner Anhäufung von Wissen bezüglich Kaffee
schon in seiner Kindheit. Geboren wurde er auf der Finca Montecarmelo an den Hängen
des Vulkans Boqueron im Cantón San Juan Los Planes, im Departement San Salvador.
Als er zwei Jahre alt war, entschieden seine Eltern auf die Finca La Fany in Apaneca um-
zusiedeln. Beide Fincas sind im Besitz von Enrique Alfaro Castillo. Zusammen mit Arman-
do Zarco, dem Vater des Autors fingen sie schon früh an, Ernest das Wissen über die Kul-
tivierung von Kaffee und den Respekt für die Pflanze nahe zu bringen.
Seine erste berufliche Tätigkeit trat Ernesto im Jahr 1990 bei UCAFES an, wo er für die
Vorbereitung von Cuppings für die beiden altehrwürdigen Cuptaster Boris Elías und Jorge
Trejo zuständig war. So wurde er in die schöne Kunst des Verkostens eingeführt. Später
arbeitete er für das Institut PROCAFE zehn Jahre lang. Hierbei handelt es sich um eine
Institution, die es ihm ermöglichte sein Wissen hinsichtlich der Verkostungen weiter auszu-
bauen, neben vielen anderen Schulungen, die sein Wissen über Kaffee bereicherten. Vier
weitere Jahre arbeitete er für SEM, wo er die Möglichkeit erhielt als Trainer in den Berei-
chen Kaffeeaufbereitung und Qualitätskontrolle zu arbeiten und Schulungen für Produzen-
ten in Guatemala, Nicaragua und Panama durchzuführen.
Seit 2007 arbeitet er als Koordinator im Bereich Qualitätskontrolle für die Escuela de Cafe
(Kaffeeschule El Salvadors) als Unterbereich des Consejo Salvadoreño del Cafe (salvado-
rianischer Kaffeerat). Diese Institution kümmert sich um die politische Dimension des Kaf-
feeanbaus in El Salvador. Im Juni 2013 erhielt Ernesto Velasquez Zarco die Auszeichnung
zum Cuptaster des Jahres, verliehen durch die ASCAFE. Diese Auszeichnung entspringt
einer Abstimmung von fast 20.000 Produzenten aus den sechs Anbauregionen, vertreten
durch je einen Produzenten aus jedem Anbaugebiet, namentlich durch Andreas Girón (A-
paneca-Ilamatepec), Anny Ruth Pimentel (El Balsamo-Quetzaltepec), María Elena de Botto
(Alotepec-Metapàn), Roberto Iglesias (Chichontepec), Lucía de Ortiz (Tecapa-Chinameca)
sowie Andrés Quintanilla (Cacahuatique, auch bekannt als das Kakaogebirge).

Die gesammelten Erkenntnisse sind Früchte meiner Erfahrung und das Ergebnis einer di-
rekten Verbindung und Respekt zu den Farmern, die sich mit der Kultivierung des Kaffees

79
und seinen verschiedenen Aufbereitungen beschäftigen. Dies ist das Fundament in der
Kaffeewelt. Gemäß dieser gesammelten Erfahrungen empfehle ich den Kaffeefarmern, die
in diesem Buch beschriebenen Ansätze zu befolgen und wünsche ihnen viel Erfolg hin-
sichtlich der Produktion und des Verkaufs hochwertiger Kaffees.

ICH MAG ES IN DEN W IND ZU SINGEN, DENN DER WIND TRÄGT MEINEN GESANG,
UND ES IST MEIN WICHTIGSTES ANLIEGEN, ZU SAGEN, DASS ICH EIN KIND DES KAFFEES BIN.

Abbildung 75: Finca El Barbaro, Cordillera El Balsamo


Epilog

Der experimentierfreudige Cuptaster sollte die Farmer El Salvadors anregen, weiterhin ihr
bestes zu geben, das Land zu bestellen, Kaffee mit Leidenschaft zu produzieren und somit
dem Land und der Regierung zu helfen. Ohne die Hilfe aller im Kaffee zu findenden Seg-
mente, wird man großen Schwierigkeiten ausgesetzt sein.
Doch durch den Enthusiasmus seitens der salvadorianischen Farmer, kann dieses Land zu
einem leuchtenden Beispiel werden. Man kann der Welt zeigen, neben all den Entbehrun-
gen, die die Kaffeeproduktion mit sich bringt, welche Eigenschaften und Vorzüge salvado-
rianischer Kaffee mit sich bringt. In diesem Zusammenhang möchte ich unseren verehrten
Landwirtschaftsminister Orestes Ortéz erwähnen, der sich als federführend in dieser Hin-
sicht erweist und mitverantwortlich dafür ist, dass der Kaffeekonsum in unserem Land ex-
ponentiell ansteigt.
Unsere Philosophie besteht darin, dass wir nach vorne schauen können und müssen. Wir
müssen überdies lernen, mit der Regierung zusammen zu arbeiten, nur so können wir im
Gegenzug gemeinsame Ziele für die einzelnen Regionen definieren. Ohne einen Rechts-
staat gibt es keinen Fortschritt. Wir müssen einander helfen, wenn es um das Gute in unse-
rem Land geht, nur so geht es sozial bergauf.
Seit Beginn seiner Amtszeit hat unser hochverehrter Präsident Sánchez Cerén zu ver-
schienden Arbeitssektoren Brücken gebaut, die Rechte der Arbeiter gestärkt, das Sozial-
system verbessert, um das Land langfristig zukunftsfähig wirtschaftlich wie auch sozial zu
machen.

Abbildung 76: Kaffeeproduzent Gadala Samour Abbildung 77: Ricardo Ventura und Ernesto Velas-
und Ernesto Velasquez quez
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