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© Assure Consulting 2020

W H I T E PA P E R

Agiles Projektmanagement:
Für mehr Flexibilität und
Transparenz in der Projektarbeit
Executive
Summary
Agile Vorgehensweisen sind längst mehr als nur ein Trend,
denn die Schar ihrer Anhänger wächst seit Jahren. Das hat
Projekt-immanente, wirtschaftliche als sicherlich auch kul-
turelle Gründe.

Steigende Komplexität in den Projekten und ein immer dy-


namischeres Umfeld liefern vielfach nicht mehr oder zu-
mindest nicht schnell genug die richtigen Antworten auf
die Herausforderungen des Unternehmensalltags. Klassi-
sche, durchgeplante Projektmanagement-Konzepte, die
am Ende zwar ein Ergebnis liefern, aber gegebenenfalls ei-
nes, das nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, geraten zu-
nehmend unter Druck. Auch die Anforderungen der Mitar-
beiter in Bezug auf Führung, Selbstorganisation und
Kommunikation haben sich in den vergangenen Jahren
stark verändert: Wenn von ihnen erwartet wird, aus Fehlern
zu lernen und Veränderungen in den weiteren Arbeitspro-
zess zu integrieren, sollte auch das Vorgehensmodell ihres
aktuellen Projektes diese Fähigkeiten haben.

Agiles Projektmanagement greift diese Entwicklungen auf


und stellt immaterielle Werte in den Vordergrund: Men-
schen, Transparenz, Kommunikation und Flexibilität gewin-
nen an Bedeutung. Planung, Prozesse und Dokumentation
hingegen bleiben zwar ebenfalls wichtig, stehen aber nicht
mehr an erster Stelle. Veränderungen werden als integraler
Bestandteil von Projektarbeit begriffen, nicht als unliebsa-
mes Hindernis auf dem einmal eingeschlagenen Weg.

Im vorliegenden White Paper werden die Grundannahmen,


Werte und Vorgehensweisen agilen Projektmanagements
dargestellt und von Methoden mit einer klassischen Prä-
gung abgegrenzt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf
den Vorzügen des agilen Ansatzes: Dem unmittelbaren
Kundennutzen durch ein lauffähiges Inkrement nach jeder
Iteration, der durchgehenden Flexibilität, Änderungen und
Anpassungswünsche in den weiteren Projektverlauf aufzu-
nehmen sowie dem hohen Maß an Transparenz in Bezug
auf Ressourcen-Allokation und den aktuellen Projektfort-
schritt.

Nach der Erfahrung von Assure Consulting sollte die Ent-


scheidung für oder gegen klassisch bzw. agil nie grund-
sätzlich oder Ideologie-getrieben, sondern jeweils indivi-
duell und projektabhängig gefällt werden. Jede Methode
hat ihre Vorteile, aber auch ihre Schwächen. Manchmal ist
Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen erstellt worden, auch die Kombination beider Ansätze die richtige Lösung.
jedoch ohne Gewähr. Die Inhalte beruhen auf Beratungs-
und Projekterfahrung der Autoren und spiegeln sich
ebenso in der angegebenen Literatur wider.

Fotos © Fotolia.com

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Inhalt

1 Projektmanagement in Zeiten des Wandels

2 Agil oder klassisch:


Wo genau liegt der Unterschied?

3 Grundverständnis des agilen


Projektmanagements

4 Agile Vorgehensmodelle

4.1 SCRUM

4.2 Kanban

5 Die Qual der Wahl: Agil oder klassisch?

6 Literatur

7 Über Assure Consulting

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1 Projektmanagement in Zeiten des Wandels

Wir leben und arbeiten in ei- wicklungen zu finden. ment-Vorgehen gegenüber-


ner High-Speed-Epoche, die gestellt und diskutiert. Den
von sprunghaften technolo- Dabei folgt agiles Projekt- Abschluss bilden Empfehlun-
gischen Entwicklungen und management einem iterativ- gen, die Sie bei einer Entschei-
häufig wechselnden Trends inkrementellen Ansatz: Das dung zwischen „agiler“ oder
geprägt ist. Der dadurch ent- Projekt wird Schritt für Schritt „klassischer“ Vorgehensweise
stehende Innovations- und geplant und umgesetzt. Ge- unterstützen.
Wettbewerbsdruck beeinflusst treu dem Motto: Der Weg ist
auch die Projektarbeit und die das Ziel. Wie dieses im Detail
Anforderungen an Projektma- aussieht, wird aber oft erst im
nagement in den Unternehmen Projektverlauf richtig deutlich.
allgemein. Klassische, oft eher Die zu Beginn definierten Zie-
starre Projektmanagement- le und Planungen sind flexi-
Methoden werden der ständig bel, denn Veränderung gilt im
zunehmenden Dynamik und agilen Projektmanagement als
Komplexität häufig nicht län- fester Bestandteil der Projekt-
ger gerecht. Insbesondere in arbeit. Insbesondere bei Pro-
IT- und Software-Projekten se- jekten, die nur schwer in einem
hen sich die Verantwortlichen vollumfänglichen Plan abge-
vielfach mit einem extrem bildet werden können und
dynamischen Umfeld, kom- von unklaren Anforderungen
plexen technischen Rahmen- sowie Hindernissen geprägt
bedingungen, sich ändernden sind, nimmt die Komplexität
Kundenwünschen und einem der Projektarbeit nach agiler
Mangel an Know-how-Trägern Methode deutlich ab. Agiles
konfrontiert – um nur einige Projektmanagement reduziert
Stolperfallen zu nennen. Auf- zwar nicht die Komplexität der
traggeber haben oft Schwie- Projektaufgabe, strukturiert
rigkeiten, Projektziele und -an- sie aber in kleinere und weni-
forderungen schon zu Beginn ger komplexere Inkremente.
abschließend zu beschreiben Das eigentliche Ergebnis aus
und alle denkbaren Risiken Sicht des Auftraggebers wird
abzuschätzen. Daraus resul- gegenüber der Planung „am
tierende Change Requests Reißbrett“ deutlich aufgewer-
münden nicht selten in Aus- tet. Die Folgen des Perspektiv-
einandersetzungen zwischen wechsels auf die Projektarbeit
Auftraggeber und -nehmer, werden wir im Rahmen dieses
erhöhten Kosten und umfang- White Papers noch thematisie-
reichen Verzögerungen. Agiles ren.
Projektmanagement versucht,
durch eine neue Herangehens- Der agile Ansatz wird dem
weise Antworten auf diese Ent- klassischen Projektmanage-

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2 Agil oder klassisch: Wo genau liegt der Unterschied?

Agiles Projektmanagement Dazu ein Praxisbeispiel:


kennt keine starre Planung.
Nicht der Scope, sondern Zeit Ein Online-Shop wurde be- Die Such- und Filterfunktio-
und Kosten sind als fixe Kon- reits in Betrieb genommen. nen sind also verknüpft und
stanten definiert. Belohnt wer- Anfänglich gab es verschie- verbessert worden. Mit jeder
den Anwender mit effizientem dene Anforderungen, die nach Iteration wird so ein Nutzen
Scope-Management, motivier- Marktbedürfnissen analysiert stiftendes Inkrement fertig-
ten Mitarbeitern, zufriedenen und priorisiert wurden. Für gestellt, das je nach Kunden-
Kunden und mehr Flexibilität die anstehende Iteration wird oder Marktbedarf in darauf-
in der Projektarbeit. Wer nach als wichtigste fehlende Funk- folgenden Iterationen weiter
agiler Vorgehensweise arbei- tionalität ein Produkt-Filter verbessert wird (Vision Driven
tet, kann dem stetig wachsen- identifiziert, mit dessen Hilfe Development).
den Innovationsdruck besser Kunden z.B. nach ihren Lieb-
gerecht werden und dadurch lingsmarken filtern können. In
auch wirtschaftlich erfolgrei- der folgenden Iteration wird
cher sein – so der Anspruch. dieser von Kunden häufig
Als „Geheimrezept“ dafür gilt nachgefragte Filter im Online-
das iterativ-inkrementelle Vor- Shop implementiert. Der Filter
gehen, in dem jede Iteration ist damit eine eigene Funktio-
mit dem Minimum Viable Pro- nalität, also ein für sich funk-
duct, also dem kleinsten lauf- tionierendes Inkrement, das
fähigen Inkrement, bereits ei- einen Mehrwert liefert. Für die
nen Mehrwert für den Kunden nachfolgende Iteration werden
liefert. Wie funktioniert das in die Kundenbedürfnisse erneut
der Praxis? analysiert und priorisiert. Wie
sich herausstellt, benötigt der
Online-Shop auch eine Such-
funktion. Auch diese wird ent-
wickelt und implementiert und
funktioniert als unmittelbar
Nutzen stiftendes Inkrement.
Nach erneuter Priorisierung
der Marktbedürfnisse soll
für die nächste Iteration eine
Funktion implementiert wer-
den, die erkennt, um welches
Kleidungsstück es sich handelt,
wenn der Kunde nach einem
Begriff sucht. Gibt er etwa den
Begriff „Jeans“ ein, erkennt das
System automatisch, dass es
um eine Hose geht. Der Kunde
wird dann direkt in den Shop-
Bereich für Hosen weiterge-
leitet, der bereits nach „Jeans“
gefiltert ist.

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2 Agil oder klassisch: Wo genau liegt der Unterschied?

Ganz anders verläuft das Pro- se, zum Beispiel in Form einer management von Beginn an
jekt nach klassischer Vorge- entwickelten Software, werden fixierte Planung setzt voraus,
hensweise, denn hier steht die dadurch meist erst zum oder dass Auftraggeber ihre An-
Planung klar im Vordergrund. nach dem Projektende wirklich forderungen bereits zu die-
Scope, Aufgaben und Pro- fassbar. Auch alle Erfahrungen, sem Zeitpunkt genau kennen.
jektziele sind in einer mög- die im Rahmen des Projektes Auch Risiken oder potenzielle
lichst detaillierten Leistungs- gesammelt wurden, können Veränderungen im Projektum-
beschreibung in Form eines frühestens in die nachgelager- feld wollen gut durchdacht
Lastenheftes von Anfang an te Phase einfließen. Da eine sein, denn jede Änderung des
festgezurrt. Umgesetzt wird Phase – gerade bei komplexen Scopes beeinflusst den im Vor-
nach dem Phasen- oder Was- und großen Projekten – zum feld geplanten Zeit- und Kos-
serfallmodell: eine Phase nach Teil über mehrere Monate tenrahmen. Die Drohung mit
der anderen. Ist ein zuvor de- oder sogar Jahre dauern kann, Vertragsstrafen führt immer
finierter Meilenstein erreicht, gehen wichtige Lessons Lear- wieder zu unrealistischen Pla-
ist die Phase abgeschlossen – ned häufig verloren. nungen, weil oftmals Sicher-
Rücksprünge sind nicht vorge- heitspuffer und Zuschläge be-
sehen. Ausgelieferte Ergebnis- Die im klassischen Projekt- rücksichtigt werden.

Sequentielle und iterativ-inkrementelle


Umsetzung im Vergleich

IDEE
PLANUNG
REALISIERUNG
EINFÜHRUNG
ÜBERPRÜFUNG

Sequentielle Umsetzung
Zeit nach klassischer Methode

Iterativ-inkrementelle
Umsetzung nach agiler
Zeit Methode

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2 Agil oder klassisch: Wo genau liegt der Unterschied?

Zudem muss jede nachträgli- Priorisierung wird geprüft, wel- doch keineswegs, klassisches
che Änderung ein aufwändiges che Anforderungen innerhalb Projektmanagement abzuwer-
Verfahren durchlaufen. Insge- des definierten Budget- und ten oder klassische Werkzeu-
samt wird deutlich: Gerade in Zeitrahmens umgesetzt wer- ge, Prozesse sowie die starke
komplexen Projektumfeldern den können. Auf diese Weise Planungssicherheit in Frage zu
stellt das Vorgehensmodell des erleichtert der agile Ansatz das stellen. Es stellt allerdings ne-
klassischen Projektmanage- Kosten- und Zeitmanagement ben Standardisierung und For-
ments die Beteiligten häufig und steigert die Produktivi- malitäten weitere Werte wie
vor große Herausforderungen. tät – gerade bei großen und Flexibilität und Kommunikati-
komplexen IT-Projekten. Wäh- on auf die gleiche Ebene.
Studien aus dem IT-Sektor zei- rend im klassischen Projekt-
gen, dass ein Großteil der IT- management der Großteil des Klassisches Projektmanage-
Projekte die anfangs geplanten Planungsaufwands noch vor ment ist oft an standardisierte
Zieltermine und Kosten deut- dem tatsächlichen Projektstart Projektmanagement-Metho-
lich überschreiten.1 Diese Er- anfällt, verteilt er sich im agilen den angelehnt, etwa an IPMA
fahrung greift der agile Ansatz Modell auf die gesamte Lauf- (GPM in Deutschland), PMI
mit seiner Grundannahme auf, zeit. oder AXELOS mit PRINCE2.
dass Projekte im Grunde viel Vielfach entwickeln Unterneh-
zu komplex sind, um schlicht Um es nochmal zu verdeut- men auch eigene Vorgehens-
in Phasen unterteilt zu werden. lichen: Beim klassischen Pro- modelle. Ein sogenanntes Pro-
Deswegen wird das Projekt jektmanagement wird zu- ject Management Office (PMO)
beim agilen Vorgehensmodell nächst ein Scope definiert, der kann beispielsweise als eigene
nicht in Phasen, sondern in in einem bestimmten Zeitraum Organisationseinheit dabei
kurze und unverrückbare Zeit- und zu einem bestimmten helfen, bestehende Standards
intervalle eingeteilt, die immer Budget umgesetzt werden soll. weiter zu entwickeln, zu inte-
gleich lange andauern und Weil das Erreichen des Scopes grieren und ihren Einsatz zu
sich wiederholen (iterativ). Zu im Vordergrund steht, wird überwachen.
Beginn jedes neuen Zeitinter- auch die Überziehung von
valls werden die Planung und Zeit- und Kostenzielen in Kauf Im agilen Projektmanagement
die zu realisierenden Ziele neu genommen. Einen konkreten hingegen wird auf eine de-
durchdacht und geplant. Hier- Mehrwert liefert das Projekt taillierte Standardisierung mit
für wird der Scope zum Pro- erst nach Abschluss. Im agilen einer allumfassenden Richtli-
jektbeginn nur grob beschrie- Modell dient die Planung bei nie weitgehend verzichtet. Der
ben und in jedem Zeitintervall Projektstart lediglich dazu, sich Fokus liegt eher auf der Pro-
neu priorisiert und angepasst dem Ziel anzunähern und rele- jektkultur, der Selbstorganisa-
(inkrementell). Anforderungen vante Projektinformationen für tion, dem steten Streben nach
und Änderungen (klassisch im den Weg dorthin zu sammeln. Verbesserung und dem flexibel
Sinne von Change Requests) Einen konkreten Mehrwert lie- gestaltbaren Produktnutzen.
werden dabei innerhalb eines fert bereits jede Iteration. Daher wird agiles Projektma-
Zeitintervalls umgesetzt. Mit nagement oft als „leichtge-
Hilfe einer wiederkehrenden Der agile Ansatz versucht je- wichtig“ empfunden.

1 Vgl. Panorama Consulting Solutions: 2014 ERP REPORT. 2014, o.O. URL: https://cdn2.hubspot.net/hubfs/4439340/2014%20
BPM%20Report.pdf [Abruf: 30.03.2020] oder Double Whammy – How ICT Projects are Fooled by Randomness and Screwed by
Political Intent, Working Paper, 09.07.2012, Alexander Budzier, Bent Flyvberg, University of Oxford URL: https://arxiv.org/ftp/arxiv/
papers/1304/1304.4590.pdf [Abruf: 30.03.2020]

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2 Agil oder klassisch: Wo genau liegt der Unterschied?

Tatsächlich gibt es auch für Wie Kapitel 5 zeigen wird, hat unterstützen.
den agilen Ansatz in der Praxis jeder Projektmanagement-
etablierte Standards wie zum Ansatz seine Stärken und
Beispiel Scrum, Kanban oder Schwächen und ist dadurch für
Extreme Programming. Diese gewisse Projektumfelder und
sind jedoch bei weitem nicht -arten besser oder weniger
so detailliert und weitreichend gut geeignet. Ein Fragen- und
wie die des klassischen Ansat- Kriterienkatalog kann bei der
zes. Entscheidungsfindung

Gegenüberstellung agiles und klassisches


Projektmanagement

Agiles Projektmanagement Klassisches Projektmanagement

Vorgehens- - Iterativ-inkrementell - Linear, meist nach dem Phasen- oder


weise Wasserfallmodell
Primäre Ziele - Flexibilität - Hohe Planungssicherheit
- Transparenz - Klar definierte Strukturen
- Kommunikation
Veränderungs- - Änderungen sind fester Bestandteil der - Projektumgebung verändert sich nur wenig
annahme Projektarbeit bzw. Änderungen sollen im Vorfeld kalkuliert
- Änderungen führen zu gesteigertem Nutzen werden
- Änderungen werden weitestgehend vermieden
Auftraggeber- - Vertrauensvolles Verhältnis - Meist rechtliche Absicherung durch Verträge
Auftragneh- - Kontinuierliche Einbeziehung des Auftrag- - Punktuelle Einbeziehung des Auftraggebers
mer- gebers
Konstellation
Planung / - Grundsatz: „So wenig wie möglich, so viel - Sehr wichtig (präzise und detailliert)
Dokumenta- wie nötig.“ - Planungsaufwand fällt insbesondere zum
tion - Planungsaufwand fällt verstreut, aber über Projektbeginn an
die gesamte Projektlaufzeit an - Hoher Aufwand bei Änderungen
- Kein expliziter Aufwand bei Änderungen
(da Änderungen genereller Bestandteil der
Planung sind)
Fortschritts- - Anhand von (lauffähigen / funktionieren- - Meist anhand von Meilensteinen oder der
messung den) Teilen des Endproduktes Erfüllung von Arbeitspaketen
- Speziell bei SCRUM: Burndown-Chart
Feedback / - Kontinuierlich durch tägliche Meetings bzw. - Meist am Phasen- bzw. Projektende
Verbesserung spätestens nach jedem abgeschlossenen
Zeitintervall
Verhältnis zu - Kosten und Zeit sind fix - Kosten und Zeit sind variabel
PM-Dimensio- - Leistung ist variabel - Leistung ist fix
nen (Zeit, Kos-
ten & Leistung)

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3 Grundverständnis des agilen Projektmanagements

Auch wenn sich die verschie- Das heißt, obwohl wir die Wer- gewinn aus den Augen zu ver-
denen agilen Vorgehensmo- te auf der rechten Seite wichtig lieren.
delle im Projektmanagement finden, schätzen wir die Werte
in ihrer Grundausrichtung zum auf der linken Seite höher ein.“3 1. Individuen und Interak-tio-
Teil stark unterscheiden, ha- Erst mit der Formulierung des nen sind wichtiger als Prozesse
ben sie doch viele Grundsätze Agilen Manifests etablierte und Werkzeuge
und Denkweisen gemeinsam. sich der Sammelbegriff „agil“
Bereits der erste Wert stellt die
Stichworte wie Lean Thinking, für die entsprechenden Vorge-
Menschen, ihre Beziehung zu-
das Prinzip der Einfachheit, hensweisen. Mit mittlerweile
einander und die Kommunikati-
die besondere Bedeutung von mehreren tausend Unterzeich-
on in den Mittelpunkt: Interak-
Kommunikation und Team- nern verzeichnet das Konzept
tion sichert den Projekterfolgt.
work sowie das Streben nach eine wachsende Unterstützer-
Standardisierte Prozesse und
kontinuierlicher Verbesserung gemeinde.
Werkzeuge helfen dabei, die
seien an dieser Stelle nur ex-
Fehlerquote zu reduzieren
emplarisch genannt. An den vier im Manifest er-
und die Qualität in der Pro-
wähnten Werten wird deutlich,
jektarbeit zu erhöhen. Dabei
Seit dem Jahr 2001 gibt es das dass der agile Ansatz seine
soll nach agilem Modell genü-
sogenannte Agile Manifest, Wurzeln in der Software-Ent-
gend Freiraum für individuel-
in dem PM-Experten aus den wicklung hat. Eine Anerken-
les Handeln, Kommunikation
USA die Eckpfeiler agiler Pro- nung in weiteren Bereichen
und Interaktion bleiben, denn
jektarbeit definiert haben. Dar- fand erst in den letzten Jahren
sie gelten als unverzichtbar
in heißt es unter anderem: statt, inzwischen ist er aus der
für ein leistungsstarkes und
Projektmanagementlandschaft
erfolgreiches Team. Aufgabe
„Wir erschließen bessere Wege, nicht mehr wegzudenken.
des Projektmanagers ist es,
Software zu entwickeln, indem
als Moderator und Enabler zu
wir es selbst tun und anderen Die Werte sollen nicht nur
agieren und damit eine positi-
dabei helfen. Durch diese Tä- deutlich machen, was agile
ve Arbeitsatmosphäre sicher-
tigkeit haben wir diese Werte Projektarbeit eigentlich be-
zustellen.
zu schätzen gelernt: deutet, sondern können auch
für eine erste Einschätzung
2. Funktionierende Software ist
1. Individuen und Interakti- genutzt werden, ob die eigene
wichtiger als eine umfassende
onen mehr als Prozesse und Projektarbeit gegebenenfalls
Dokumentation
Werkzeuge bereits agil ist. Die folgen-
2. Funktionierende Software de Erläuterung der vier Werte Wie bereits erwähnt, bezog
mehr als umfassende Doku- wird zeigen, dass es beim agi- sich das Manifest ursprünglich
mentation len Projektmanagement vor ausschließlich auf Software-
allem um die Menschen geht, Entwicklungen. Im Zusammen-
3. Zusammenarbeit mit dem
zudem um Transparenz, Kom- hang mit dem Thema Projekt-
Kunden mehr als Vertragsver-
munikation, Kooperation und management bringt dieser
handlung
Flexibilität. Damit rücken im- Wert zum Ausdruck, dass der
4. Reagieren auf Veränderung materielle Werte beim agilen Projektfortschritt und funktio-
mehr als das Befolgen eines Projektmanagement stärker in nierende (Teil-)Produkte einen
Plans. den Fokus – selbstverständlich höheren Wert haben als eine
ohne den monetären Projekt- allumfassende Dokumentati-

3 Beck, Kent; Beedle, Mike; u.a.: Manifesto for Agile Software Development. 2001, o.O. URL: https://agilemanifesto.org/iso/de/mani-
festo.html [Abruf: 30.03.2020]

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3 Grundverständnis des agilen Projektmanagements

on. In der Praxis ist häufig das häufig zu zähen Auseinander- standteil agiler Projektkultur.
gegenteilige Phänomen zu be- setzungen und einem hohen Eigeninitiative, die Übernah-
obachten: Das Einhalten eines zusätzlichen Arbeitsaufwand me von Verantwortung und
Plans oder gewisser Formalien für alle Beteiligten führen, liegt lösungsorientiertes Handeln
(wie z.B. Erstellung von Sta- Veränderung für agile Pro- bestimmen den Projektalltag.
tusberichten zu einem festge- jektmanager in der Natur der Erst die Projektumgebung
legten Stichtag) genießt eine Sache. Dass dazu ein kontinu- schafft die Voraussetzungen
höhere Priorität als das reale ierlicher Einbezug des Kunden dafür, dass sich Projektmit-
Projektergebnis. gegeben sein muss, erklärt arbeiter entsprechend dieser
sich von allein. Grundsätze entwickeln kön-
3. Zusammenarbeit bzw. Kom- nen. Das Umfeld muss ent-
munikation mit dem Kunden 4. Reagieren auf Veränderung sprechend durch Transparenz,
ist wichtiger als Vertragsver- ist wichtiger als das Befolgen flache Hierarchien und eine of-
handlungen eines Plans fene Kommunikation geprägt
sein. Ferner definiert das Team
Bei diesem Wert wird der Un- Dieser Wert bildet das Herz-
seine eigenen Regeln und kon-
terschied zwischen klassischer stück aller agilen Ansätze.
trolliert sich selbst. Ein offenes
und agiler Vorgehensweise Veränderungen werden – wie
Miteinander mit regelmäßigen
besonders deutlich. Wird beim beschrieben – als integraler
Meetings sorgt für steten Wis-
klassischen Modell zu Projekt- Teil der Projektarbeit begriffen.
senstransfer und kontinuierli-
beginn ein Vertrag mit präzi- Das heißt, sie werden nicht nur
che Verbesserung. Mit der Fer-
se formulierten Lasten- und akzeptiert, sondern als wesent-
tigstellung eines lauffähigen
Pflichtenheften abgeschlos- licher Nutzenfaktor angese-
Inkrements nach jedem Zeit-
sen, präsentiert sich der agi- hen. Der größtmögliche Nut-
intervall wird schließlich auch
le Ansatz wesentlich flexibler: zen steht stets an erster Stelle.
der Projektfortschritt messbar.
Zwar existieren auch hier Ver- Dabei folgt der agile Ansatz
Das steigert Motivation, Ver-
einbarungen, das angestrebte dem Pareto-Prinzip. Danach
trauen und Zufriedenheit – im
Endergebnis bleibt aber offen liefern 20 Prozent der Projek-
Projektteam wie beim Kunden.
für Veränderungen. tarbeit 80 Prozent des Werts.
Mehrwert lässt sich durch eine
Wird im klassischen Projekt- Schritt-für-Schritt-Umsetzung
management durch detaillier- also schneller erzielen. Außer-
te Pläne und rechtlich binden- dem sind die Projektmitarbei-
de Dokumente eine möglichst ter dadurch motivierter und
hohe Planungssicherheit an- die Kunden meist deutlich zu-
gestrebt, wird das Projektend- friedener. Natürlich benötigt
ergebnis im agilen Modell auch agiles Projektmanage-
im gegebenen Kosten- und ment Pläne – nur eben flexible.
Zeitrahmen immer wieder den
Kundenwünschen angepasst. Neben diesen vier Werten ist
Und während Änderungswün- die Selbstorganisation des
sche in klassischen Projekten Projektteams ein fester Be-

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4 Agile Vorgehensmodelle

Etliche statistische Auswertun- verdeutlicht dessen Stellen- bination ist beispielsweise das
gen belegen, dass die Zahl der wert. In jüngster Vergangen- Vorgehensmodell Scrumban.
Unternehmen, die ihre Projek- heit hat außerdem Kanban
te mithilfe agiler Vorgehens- zunehmend an Bedeutung ge- Im Folgenden werden exemp-
modelle managen, vor allem in wonnen, was darauf zurückzu- larisch Scrum und Kanban vor-
den vergangenen Jahren stark führen ist, dass sich der Einsatz gestellt.
angestiegen ist.4 Dass agiles von Scrum und Kanban in der
Projektmanagement dabei oft Projektarbeit keinesfalls aus-
mit Scrum gleichgesetzt wird, schließen. Eine sinnvolle Kom-

4 4.1 SCRUM

Nach dem Scrum-Modell be- verständlich werden alle rele- der Product Owner dem Team
ginnt jedes Projekt mit einer vanten Beteiligten frühzeitig in die Product Items in der Rei-
Vision. Die Vision legt fest, wo- die Erstellung der Vision und henfolge ihrer Priorisierung
rum es in dem Projekt über- des Product Backlogs einbezo- vor. Anschließend entscheidet
haupt geht und was entwickelt gen. das Team, welche und wie viele
werden soll. Auf Grundlage der Items im anstehenden Sprint
Vision definiert der Product Ganz im Sinne agilen Denkens umgesetzt werden sollen und
Owner alle Anforderungen wird ein Projekt bei Scrum in verpflichtet sich zur Umset-
an das Projekt. Diese werden gleich lange Zeitabschnitte zung. Die ausgewählten Items
nach Scrum als Backlog Items (maximal vier Wochen), soge- werden in das Sprint Backlog
bezeichnet. Die Backlog Items nannte Sprints, eingeteilt. Die- übertragen.
werden in einer Liste, dem se zeitliche Aufschlüsselung
Product Backlog, gesammelt wird auch als Timeboxing be- Während eines Sprints setzt
und in Form einer User Story zeichnet. Die gleichbleibende das Team die Anforderungen
beschrieben. Jede User Sto- Länge der Sprints liefert die eigenverantwortlich um und
ry formuliert die Anforderung Basis für eine Vergleichbarkeit. organisiert sich selbst. Durch
grundsätzlich aus Sicht des „Einfrieren“ des Sprint Backlogs
Endnutzers und definiert prä- Nach der Erstellung des Pro- wird eine störungsfreie Arbeit
zise, wer was und zu welchem duct Backlog kann der erste des Teams sichergestellt. Eine
Zweck benötigt. Vereinfacht Sprint beginnen. Grundsätz- Änderung oder neue Priorisie-
ausgedrückt: Das Product lich startet jeder Sprint mit rung, zum Beispiel durch den
Backlog übersetzt die Vision in dem Sprint Planning. In einem Product Owner, ist frühestens
ein konkretes Produkt. Selbst- Sprint-Planning-Meeting stellt beim Sprint Planning für den

4 Vgl.Hochschule Koblenz in Zusammenarbeit mit der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. und der Internatio-
nal Project Management Association (IPMA): Status Quo Agile: Zweite Studie zu Verbreitung und Nutzen agiler Methoden. 2014,
o.O. URL: https://www.gpm-ipma.de/know_how/studienergebnisse/status_quo_agile_2014.html [Abruf: 30.03.2020]

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4 4.1 SCRUM

nächsten Sprint möglich. Das Scrum-Modell zahlreiche rum nicht lösen lassen, wer-
sorgt für einen guten Aus- Feedback-Schleifen und eine den im sogenannten Impedi-
gleich zwischen den Polen Sta- kontinuierliche Kommunika- ment Backlog erfasst und von
bilität einerseits und Flexibili- tion. Diesem Grundsatz fol- dort aus weiter bearbeitet. Auf
tät andererseits. Das Ergebnis gend findet an allen Arbeitsta- diese Weise wird eine effekti-
eines Sprints sollte nach Mög- gen ein Daily Scrum statt. Das ve Zusammenarbeit erreicht,
lichkeit mindestens ein für sich Team trifft sich für maximal 15 außerdem werden Schwierig-
lauffähiges Produkt, ein soge- Minuten, bespricht, wo es ge- keiten schneller offensichtlich.
nanntes Deliverable sein, das rade steht, wer an was arbeitet Die regelmäßige Kommu-
im Anschluss an einen Sprint und welche Probleme aufge- nikation und kurzen Sprints
an den Kunden ausgeliefert treten sind. verhindern, dass auftreten-
werden kann. de Probleme allzu komplex
werden.
Für Transparenz in der Pro- Probleme und Anliegen, die
jektarbeit sorgen nach dem sich im Rahmen des Daily Sc-

Der Scrum-Prozess

VISION

SPRINT 5 Min.
PLANNING 5-1
Daily
Scrum
hen
PRODUCT oc
BACKLOG W
1-4

Scrum Team
SPRINT Sprint
BACKLOG

Scrum Product
Master Owner 

Überprüfen +
verbessern

SPRINT SPRINT
RETROSPEKTIVE REVIEW

12
4 4.1 SCRUM

Im Anschluss an jeden Sprint benenfalls Änderungen oder stellen außerdem sicher, dass
findet ein Sprint-Review statt, Anpassungen vorzunehmen wichtiges Feedback und Ver-
in dem das gesamte Projekt- sind. An das Sprint-Review- besserungsvorschläge direkt
team das Produkt bewertet. Meeting schließt eine Sprint- in die weitere Produktentwick-
Das Team stellt allen betei- Retrospektive an, bei der nicht lung einfließen.
ligten Stakeholdern – insbe- das Produkt, sondern der Pro-
sondere dem Kunden – seine zess im Team reflektiert wird. Scrum unterscheidet drei Rol-
Arbeitsergebnisse vor. Durch Ziele sind die kontinuierliche len (nicht mit Positionen zu
den Review kann der Kunde Weiterentwicklung der bishe- verwechseln), die in folgender
entscheiden, ob die Ergeb- rigen Vorgehensweise und die Tabelle beschrieben sind.
nisse seinen Erwartungen Steigerung der Leistungsfähig-
entsprechen oder ob gege- keit des Teams. Die Meetings

Rollenmodell nach Scrum

Rolle Rollenbeschreibung
Scrum Master - Schafft die Voraussetzungen, dass Scrum-Prozesse umgesetzt werden können
- Überwacht die Umsetzung und moderiert Meetings
- Fungiert als Coach für das Team (löst keine Probleme selbst, sondern befähigt das
Team, seine Probleme selbst zu lösen)
- Verwaltet und pflegt das Impediment Backlog
- Grundsatz: „Führen durch Dienen.“
- Keine Weisungsbefugnis
Product Owner - Verantwortet den geschäftlichen Erfolg des Projekts
- Repräsentiert den Kunden und alle weiteren Stakeholder
- Fungiert als Ansprechpartner für das Team
- Erstellt und pflegt den Product Backlog
- Überprüft die Anforderungen am Ende eines Sprints
- Verantwortet die Strategie inklusive Priorisierungen
Scrum Team - Arbeitet selbstorganisiert
- Bringt sich aktiv in die Planung und Konzeption ein
- Ist cross-funktional besetzt (alle Fähigkeiten, die für die Umsetzung des Sprints
erforderlich sind, müssen vertreten sein)
- Besteht optimal aus 5 bis 9 Personen

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4 4.2 Kanban

Kanban stammt ursprünglich weiteren Schritt werden alle 3. Integriere ein „Pull-System“
aus der Automobilindustrie. Aufgaben in der ersten Spalte
Die Tickets werden nicht vom
Toyota hat das Vorgehensmo- des Boards gesammelt. Ent-
Projektmanager zugeteilt, son-
dell zur Verbesserung der Pro- sprechend dem Bearbeitungs-
dern vom Projektteam selbst
duktionssteuerung entwickelt. status „wandern“ die Tickets
„gezogen“. Damit steuert sich
Heute kommt es vor allem in in den Spalten von links nach
das Projetteam weitestgehend
IT-Projekten zum Einsatz und rechts. Mit Erreichen der letz-
alleine. Erst wenn ein Mitar-
wird daher auch häufig als ten Spalte ist das Ticket, also
beiter tatsächlich ausreichend
Software-Kanban bezeichnet. das Arbeitspaket, abgeschlos-
Kapazitäten zur Verfügung hat,
Kanban steht für eindeutige sen. Vor dem Board findet täg-
zieht er ein Ticket. Da für die
Arbeitsabläufe und -prozesse, lich ein Standup-Meeting statt,
Bearbeitung der einzelnen Ti-
eine gleichmäßige Auslastung in dem offene Tickets und ak-
ckets kein Zeitlimit vorgege-
der Projektmitarbeiter und tuelle Blockaden gemeinsam
ben ist, erfordert Kanban einen
kurze Durchlaufzeiten. besprochen werden.
großen Vertrauensvorschuss
des Projektmanagers gegen-
Auch wenn Kanban zu den Die Projektarbeit nach Kanban
über seinem Team.
agilen Projektmanagement- ist kontinuierlich von vier Prin-
Methoden gezählt wird, lässt zipien geprägt:
4. Denke systemisch
sich die Methodik nur schwer
mit anderen agilen Ansätzen 1. Visualisiere den Workflow Die Veränderung verbessert
wie zum Beispiel Scrum ver- immer das ganze System, nicht
Der Grundsatz lautet: „Nur was
gleichen. Kanban ist weniger nur eine Schnittstelle. Im Fokus
wir sehen, können wir verbes-
eine Planungsmethode oder steht die Fertigstellung der Ti-
sern.“ Das Board muss für das
ein Managementframework, ckets in einer hohen Qualität.
gesamte Projektteam gut er-
es dient eher der Steuerung Arbeiten Mitarbeiter an meh-
reichbar und sichtbar sein. Für
der Projektarbeit und zielt auf reren Projekten, impliziert dies
jeden Arbeitsschritt wird eine
eine kontinuierliche Verbes- einen kontinuierlichen Kon-
Spalte angelegt und damit si-
serung der Arbeitsweisen und textwechsel, was gleichzeitig
chergestellt, dass der gesamte
Prozesse ab. die Fehleranfälligkeit steigert.
Workflow auf dem Board ab-
Daher werden Mitarbeiter bei
gebildet wird. Die Zahl der in
Dazu wird mit Hilfe eines so- Kanban immer nur für ein Pro-
Arbeit befindlichen Aufgaben
genannten Kanban-Boards zu- jekt abgestellt. Im Gegenzug
wird mit der Kennzahl Work in
nächst der Ist-Zustand visuali- müssen Leerlaufzeiten toleriert
Progess (WIP) gemessen.
siert. Auf dem Kanban-Board werden.
werden zunächst die einzelnen
2. Limitiere die Tickets
Prozessschritte abgebildet, die Im Rahmen einer regelmä-
eine Projektaufgabe bis zu ih- Damit die Projektmitarbei- ßigen Retrospektive wird
rer Fertigstellung durchläuft. ter sich effizient auf gewisse überprüft, ob die Werte und
Das Board soll den aktuellen Arbeitspakete konzentrieren Grundgedanken von Kanban
Workflow sichtbar machen, können, ist je Prozessschritt eingehalten werden. Dazu
nicht den Wunschzustand ab- nur eine begrenzte Anzahl an werden Vorgehensweise und
bilden. Für jede Projektauf- Tickets vorgesehen. Das fest- Probleme kritisch reflektiert,
gabe wird ein sogenanntes gelegte Limit wird direkt über Verbesserungsvorschläge sol-
Ticket, zum Beispiel in Form die jeweilige Spalte geschrie- len im Team diskutiert und
einer Karteikarte, angefertigt ben. umgesetzt werden.
und mit den wichtigsten Infor-
mationen versehen. In einem

14
4 4.2 Kanban

Kanban bietet den Vorteil, dass Zuspruch. Auch wenn Kanban meist nur
sich viele Probleme durch die in IT-Projekten zum Einsatz
Visualisierung am Board leich- Durch die Limitierung der Auf- kommt, lässt es sich ebenso
ter identifizieren lassen. So gaben und die feste Zuord- gut für andere Projektarten
lässt sich beispielsweise schnell nung von Mitarbeitern kann einsetzen. Vor allem Projekte,
ableiten, welche und wie viele Kanban für kürzere Durchlauf- die einen Großteil der Aufga-
Projektaufgaben tatsächlich zeiten sorgen, denn die Pro- ben nach Prozessen bearbei-
abgeschlossen sind, an wel- jektmitarbeiter können sich ten – etwa Marketing- und
chen Themen die Key-Res- vollständig auf einen Projekt- Support-Projekte – eignen sich
sourcen aktuell arbeiten und kontext konzentrieren. Sie ar- besonders für eine Abwicklung
an welchen Stellen der Prozess beiten die Tickets nacheinan- nach Kanban.
Schwachstellen hat. Vorausset- der ab, anstatt sich mit Die Einführung von Kanban er-
zung dafür allerdings ist, dass mehreren Aufgabenstellungen fordert von Unternehmen
jeder Mitarbeiter offen legt, an gleichzeitig beschäftigen zu meist weniger Umdenken als
welchen Tickets er wie lange müssen. Dadurch werden Er- andere agile Methoden. Des-
arbeitet. Diese sehr umfassen- gebnisse schneller sichtbar wegen ist es unter den agilen
de Transparenz in Bezug auf und weisen eine höhere Quali- Methoden auch oft
die eigene Arbeit stößt nicht tät auf. die beliebteste.
bei allen Mitarbeitern auf

Exemplarische Gestaltung eines Kanban-Boards

5 4 3
Backlog Planung Realisierung Implementierung Fertig

15
5 Die Qual der Wahl: Agil oder klassisch?

Wie so oft gibt es auch auf die Auch eine Kombination beider Randbedingungen wie Unter-
Frage, ob Unternehmen nach Methoden ist denkbar. nehmensstrukturen bewertet
klassischer oder agiler Metho- und bei der Entscheidung be-
de arbeiten sollen, keine allge- Die Beantwortung einiger Fra- rücksichtigt werden.
meingültige Antwort. Im Ideal- gen erleichtert die Entschei-
fall muss für jedes Projekt neu dung, ob für das anstehen- Folgende Tabelle zeigt die
abgewogen und entschieden de Projekt ein agiler Ansatz wichtigsten Kriterien im
werden, ob ein Vorgehen nach überhaupt in Frage kommt. Überblick:
agilem Ansatz sinnvoll ist und Dabei müssen nicht nur Pro-
wenn ja, in welchem Umfang. jektmerkmale, sondern auch

Hilfreiche Entscheidungskriterien für die Wahl einer


Projektmanagament-Methodik

Methode
Agiles Projektmanagement Klassisches Projektmanagement
Kriterien
Anforderungen/Scope
Wenig ausgeprägt Stark ausgeprägt
Frage: Wie genau sind Anforderun-
gen vor Projektbeginn definierbar?
Erfahrungswerte

Frage: Wurden ähnliche/gleiche


Weitestgehend nein Weitestgehend ja
Projekte bereits öfter umgesetzt?
Sind die einzusetzenden Technolo-
gien bekannt oder neuartig?
Projektmerkmale

Auftraggeber-/Auftragnehmer-
Verhältnis
Ja Nein
Frage: Besteht ein Vertrauens-
verhältnis? Sind vertragliche
Absicherungen redundant?
Dokumentationscharakter
Nein Ja
Frage: Ist eine detailreiche Doku-
mentation des Projekts notwendig?
Komplexität

Frage: Wie komplex ist das Projekt Komplex Weniger komplex


z.B. hinsichtlich Planung, Risiken,
Innovationsdruck und Scope?

16
5 Die Qual der Wahl: Agil oder klassisch?

Fortsetzung: Hilfreiche Entscheidungskriterien für


die Wahl einer Projektmanagament-Methodik

Methode
Agiles Projektmanagement Klassisches Projektmanagement
Kriterien
Projektumfeld
Wenig reglementiert Stark reglementiert
Frage: Wie stark ist das Projekt-
umfeld reglementiert
Innovationscharakter
Frage: Wie innovativ ist das
Projekt/der Projektgegenstand? Hoch / ja Gering / nein
Bestehen z.B. hohe Planungs-
unsicherheiten?
Time-to-Market
Projektmerkmale

Frage: Wie stark ist der Druck


Hoch / ja Gering / nein
hinsichtlich einer Time-to-Market-
Lieferung? Arbeiten Konkurrenzun-
ternehmen an ähnlichen Projekten?
Fortschrittstransparenz

Frage: Wie wichtig ist eine kurzfris-


Hoch / ja Gering / nein
tige Fortschrittstransparenz? Sollen
Fortschritte kurzfristig messbar
sein?
„Zerlegbarkeit“ des Projektziels

Frage: Kann das Projektziel schritt- Möglich Nicht möglich


weise realisiert werden, so dass ein
Mehrwert entsteht?
Selbstorganisation im Team-
Frage: Wie selbstständig können/
wollen/dürfen die Mitarbeiter Stark ausgeprägt Gering ausgeprägt
arbeiten?
Unternehmensstruktur

Flexible Unternehmenskultur

Frage: Inwieweit sind freie Inter- Stark ausgeprägt Gering ausgeprägt


aktion, flache Hierarchien und
Vertrauen gegeben/möglich?
Flexibilität und Geschwindigkeit

Frage: Wie flexibel sind Unterneh-


Stark ausgeprägt Gering ausgeprägt
mensprozesse? Wie schnell können
Entscheidungen im Unternehmen
durchgesetzt werden?

17
5 Die Qual der Wahl: Agil oder klassisch?

Aus der Beantwortung der ternehmen. Agile Werte wollen


oben aufgeführten Fragen durchgängig eingesetzt und in
ergeben sich bereits einige den Alltag integriert werden.
Hinweise darauf, ob sich der Ohne Unterstützung der Ge-
jeweilige Projektzweck bes- schäftsführung, die eine ent-
ser mit Hilfe eines agilen oder sprechende Unternehmens-
eines klassischen Projektma- kultur schafft – also Vertrauen,
nagement-Ansatzes erreichen freie Interaktion und flache
lässt. Doch wie die Entschei- Hierarchien nicht nur zulässt,
dung auch ausfällt: Wichtig sondern aktiv fördert – , wird
ist, dass der Ansatz „gelebt“ sich ein agiler Ansatz kaum
und nicht zwangsweise über- erfolgreich etablieren können.
gestülpt wird. Manchmal kann Werden nicht nur agile Werte,
eine Kombination beider An- sondern auch agile Methoden
sätze innerhalb eines Projekts eingeführt, ergibt sich außer-
eine sinnvolle Lösung sein. Es dem oft schnell ein Balanceakt,
gibt aber auch Fälle, in denen bei dem es darum geht, trotz
einer der beiden Ansätze zwar Standardisierung weiter offen
besser geeignet, aber nicht mit zu bleiben – und nicht das eine
etablierten Standards, Prozes- starre Raster durch ein anderes
sen und Methoden im Unter- zu ersetzen.
nehmen kompatibel ist.

Sollte die Entscheidung für die


Einführung einer agilen Pro-
jektmanagement-Methodik
fallen, bedeutet dies meist eine
große Umstellung für das Un-

18
6 Literatur

Beck, Kent; Beedle, Mike; u.a.: Manifesto for Agile Software Development. 2001, o.O. URL: https://agilema-
nifesto.org/iso/de/manifesto.html [Abruf: 30.03.2020]

Bock, Jörn: Agiles Projektmanagement: Scrum, Kanban und Scrumbuts im Einsatz. In: t3N Magazin,
2013 Nr. 31. URL: http://t3n.de/magazin/praxisbericht-scrum-kanban-scrumbuts-agiles-232822/ [Abruf:
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Capgemini Consulting: Studie IT-Trends 2015. 2015, Berlin. URL: https://www.de.capgemini.com/resource-


file-access/resource/pdf/it-trends-studie-2015.pdf [Abruf: 10.05.2015].

Double Whammy – How ICT Projects are Fooled by Randomness and Screwed by Political Intent, Working
Paper, 09.07.2012, Alexander Budzier, Bent Flyvberg, University of Oxford URL: https://arxiv.org/ftp/arxiv/
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Hochschule Koblenz in Zusammenarbeit mit der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.
und der International Project Management Association (IPMA): Status Quo Agile: Zweite Studie zu Verbrei-
tung und Nutzen agiler Methoden. 2014, o.O. URL: http://www.gpm-ipma.de/know_how/studienergebnis-
se/status_quo_agile.html [Abruf: 10.05.2015].

Hüsselmann, Claus: Agilität im Auftraggeber-Auftragnehmer-Spannungsfeld. Vortrag im Rahmen einer


Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. Hamburg, 12.1.2015 .
URL: http://www.gpm-ipma.de/fileadmin/user_upload/Events/Regionale_Veranstaltungen/Hamburg/GPM_
RGHH_Agilitaet_im_AN_AG-_Spannungsfeld.pdf [Abruf: 18.05.2015]

Hüsselmann, Claus: Agilität im Auftraggeber-Auftragnehmer-Spannungsfeld. Mit hybridem Projektansatz


zur Win-win-Situation. In: Projektmanagement aktuell, 25. Jahrgang, 1/2014, S.38 – 42.

International Association of Project Managers: AGILE PROJECT MANAGEMENT GUIDE 2.0. 2013, Lichten-
stein. URL: https://www.iapm.net/de/zertifizierung/zertifizierungsgrundlagen/agile-pm-guide-2-0/ [Abruf:
20.04.2015].

Meyerbröker, Philipp: Agiles Projektmanagement – eine Einführung (Teil 1). In: Projekt Magazin, 17/2011.

Meyerbröker, Philipp: Agiles Projektmanagement – eine Einführung (Teil 2). In: Projekt Magazin, 18/2011.

Panorama Consulting Solutions: 2014 ERP REPORT. 2014, o.O. URL: https://cdn2.hubspot.net/
hubfs/4439340/2014%20BPM%20Report.pdf [Abruf: 30.03.2020]

Wirdemann, Ralf: Agile Softwareentwicklung mit Scrum und User Stories. In: Projekt Magazin, 02/2010.

19
7 Über Assure Consulting

Assure Consulting ist eine der rinnen und Mitarbeiter von As- im Einzel- und Multi-Projekt-
führenden Unternehmensbe- sure Consulting kontinuierlich management sowie beim Se-
ratungen für Projektmanage- geschult und nach internatio- tup von PMOs. Ziel dabei ist
ment-Dienstleistungen und nalen Standards zertifiziert: die Entwicklung pragmatischer
unterstützt internationale Kon- Alle Mitarbeiter absolvieren und kundenspezifischer Lö-
zerne dabei, komplexe Groß- bereits im ersten Jahr ihrer Fir- sungsansätze sowie die An-
projekte erfolgreich zu reali- menzugehörigkeit die Zertifi- wender und das Management
sieren sowie Prozesse und zierung zum Projektmanage- im Projektalltag zu überzeu-
Strukturen in der Projektorga- ment-Fachmann/-Fachfrau gen.
nisation zu optimieren. (GPM) der IPMA. Als weiter-
führende Ausbildungsstan-
Kernkompetenz ist das opera- dards haben sich bei Assure
tive Projektmanagement. Im Consulting Zertifizierungen
Rahmen von Project / Pro- nach dem PMBOK Guide (PMI),
gramm Offices (PO) sowie in PRINCE2 und SCRUM etabliert.
der Leitung von Projekten stel-
len die Assure-Projektmanager Basierend auf den Zertifizie-
eine valide Planung sowie eine rungen und umfassenden Pro-
transparente Steuerung der jekterfahrungen berät Assure
Projekte sicher. Consulting seine Kunden so-
wohl in klassisch
Für eine einheitliche Methodik als auch agil geführten Projek-
und eine hervorragende Leis- ten bei der Optimierung von
tung werden die Mitar- beite- Methoden und Werkzeugen

Kontakt
Assure Consulting GmbH
Rudolf-Diesel-Str. 7
D-61273 Wehrheim
+ 49 6081/ 44 47-0
info@assure.de
www.assure.de

Ihr Ansprechpartner:
Nicolaus v. Gersdorff,
Geschäftsführer

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