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INHALT
1. Die Bundeslade.......................................................................................................................... 4
1.1. Begriffe im Vergleich .......................................................................................................... 4
1.2. Die Bedeutung von Aaron .................................................................................................. 4
1.2.1. Allgemein..................................................................................................................... 4
1.2.2. Die Gestalt der Lade .................................................................................................... 6
1.2.3. Die Deckplatte (Kapporet) ........................................................................................... 7
1.2.4. Die Keruben ................................................................................................................. 8
1.3. Der Behälter der Zehn Gebote ......................................................................................... 10
1.4. Josefs Grab – Osiris - Jahwe ............................................................................................. 11
1.5. Thronbesteigung .............................................................................................................. 12
2. Die Sonnengöttin von Arinna .................................................................................................. 14
2.1. Die Namen der Sonnengöttin ........................................................................................... 14
2.2. Sonnengöttin von Arinna und Göttin Hepat..................................................................... 16
2.3. Die Hattier ........................................................................................................................ 17
2.2. Hethitische Königinnen .................................................................................................... 19
3. Arawnah und David ................................................................................................................. 21
3.1. II. Samuel 24 ..................................................................................................................... 21
3.2. Die Tenne ......................................................................................................................... 22
3.2.1. Die dreschende Anat ................................................................................................. 23
3.2.2. Das Hohelied ............................................................................................................. 26
3.2.3. «Die Tenne» bei den Schriftpropheten ..................................................................... 28
3.3. Der Name Arawnah .......................................................................................................... 29
3.4. Suppiluliuma I. und die Pest ............................................................................................. 32
3.4.1. Hethitische Deserteure in Kanaan............................................................................. 33
3.4.2. Der Kuruštama-Vertrag ............................................................................................. 34
4. Lade und Sexualität ................................................................................................................. 36
4.1. Symbolik der Lade ............................................................................................................ 36
4.2. II. Samuel 6,5-7 ................................................................................................................. 37
4.4. Richter 19f. ....................................................................................................................... 38
4.5. IV. Mose 16....................................................................................................................... 39
4.6. Die Quedešen und die Lade ............................................................................................. 40
1 Jos. 6,6.8.12.13; I. Sam. 5,10; 2. Sam. 6,4.12; 6,1; 7,1; II. Sam. 6,9 etc.
2 I. Sam. 4,11.22; 5,1; 14,18; II. Sam. 7,2; 1. Chr. 13,5; 15,2.24 etc.
3 5. Mose 31,9; Jos. 3,6; Jos. 6,6 etc.
4 Num. 14,44; Jos. 4,7; I. Sam. 4,4; I. Kön. 6,19; I. Chr. 16,37; 28,18 etc.
5 I. Sam. 4,4; 5,8; I. Chr. 16,6
ab, das aramäisch ‚irân «Bahre» bedeutet. Im Alten Testament ist Aaron normalerweise der
Begriff für die «Gotteslade», einmal wird Aaron auch als «Sarg (Josephs)» verwendet (I. Mose
50,26) und einmal als Geldkästchen im Jerusalemer Tempel (II. Kön. 12). Aaron ist
normalerweise männlich gedacht wie die deutschen Wörter «der Sarg», «der Kasten», «der
Behälter», an drei Stellen jedoch weiblich (I. Sam. 4,17; II. Chr. 8,11, Ps. 132,6)6:
Aus dem Alten Testament kennen wir den Begriff Aaron vor allem als Kultobjekt, das in enger
Beziehung zu Jahwe und seinem Bund mit Israel steht. Spät
kommt die Idee dazu, dass Mose die Zehn Gebote in die oder
neben die Lade legt (II Mose 25,21; V. Mose 31,9).
A print from the Phillip Medhurst Collection of Bible illustrations in the
possession of Revd. Philip De Vere at St. George’s
Court, Kidderminster, England, 01.01.1970, aus wikimedia
Die Lade «Aaron» wird an manchen Stellen im Alten Testament durch Begriffe wie «Wolke»
oder «Herrlichkeit» Jahwes ersetzt. Diese Wörter stehen mit der Lade für ein Gottesbild, das
von den exilisch-nachexilischen Priestern ersetzt worden war. Peter Porzig schreibt:
In dem Moment, in dem die Lade im Tempel steht, zieht Jahwe – in Form der
Wolke – in sein Heiligtum ein. Die Lade symbolisiert die Gottheit, die in der Wolke
anwesend vorgestellt ist: Im Grunde erfüllt hier wie dort die Lade die Funktion
eines Götterbildes, das es verständlicherweise für die exilisch-nachexilische
Theologie nicht gegeben haben darf8.
6 Hans-Jürgen Zobel in ThWbAT I, Spalte 393; Hans Bauer und Pontius Leander, Historische Grammatik
der hebräischen Sprache, S. 82f. vgl. Wilhelm Gesenius „Hebräisches und aramäisches Wörterbuch
über das Alte Testament, Band 1, S. 96f.; Hans-Jürgen Zobel, Aron in ‚Forschung zur Religion und
Literatur des Alten und Neuen Testaments‘, Spalte 393f. ; Peter Porzig, Die Lade Jahwes, S. 1ff.
7 Peter Porzig, Die Lade Jahwes, 224
8 Peter Porzig, Die Lade Jahwes im Alten Testament und in den Texten vom Toten Meer, S. 27. Für den
Autor war die Lade nie ein Götterbild, S. 300
Nach Peter Porzig sind all die Notizen und Erzählungen über die Lade Gottes während der Exils-
und Nachexilszeit entstanden (ab 6 Jh. vor Chr.). Die jüngsten Eintragungen reichen bis in die
Makkabäerzeit (2. Jh. v. Chr.). In der Anfangszeit der Geschichte Israels (um 1200 Jh. v. Chr.)
spielte die Gottheit «Aaron» eine herausragende Rolle, wie Martin Noth gezeigt hat. Unter
dem Schutz dieser Gottheit vereinigten sich die zwölf Stämme Israels. - Die Zahl Zwölf ist
typisch für die Sonnensymbolik, die Lade musste demnach eine Sonnengottheit gewesen sein.
In den Anfängen Israels soll die Lade von Stadt zu Stadt gezogen sein, um für eine Weile an
einem Ort zu bleiben, und dann zum nächsten aufzubrechen. – Diese Gottheit hatte im reinen
Jahweglauben des 6. Jh. v. Chr. keinen Platz mehr, d.h. sie musste weg!» (Jer. 3,16; vgl. Röm.
3,25).
Mit viel emotionalem Aufwand wurde die Bedeutung der Gottheit Aaron im Laufe der Zeit
verdrängt, indem man aus ihr einen Behälter machte, eine «Bundeslade». Dann war sie gerade
noch gut genug, um Gott als Fussschemel zu dienen:
Lasst uns einziehen in seine Wohnung,
uns niederwerfen vor dem Schemel seiner Füssen.
Steh auf, Jahwe, von deiner Ruhestatt,
du und deine machtvolle Lade. (Ps. 132,7-8).
Mit «Schemel deiner Füsse» ist zwar die Lade nicht expressis verbis genannt, dürfte aber
gemeint sein. Denn in I. Chr. 28,2 heisst es:
Und David, der König, stellte sich hin, und sprach: Hört mich, meine Brüder und mein Volk!
Es liegt mir am Herzen, ein Haus der Ruhe zu bauen für die Lade des Bundes Jahwes und
für den Schemel der Füsse unseres Gottes, und ich habe Vorbereitungen getroffen für den
Bau9.
Die Situation im babylonischen Exil (6. Jh. v. Chr.) wurde von den damaligen Theologen in die
Anfangszeit der Israeliten Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. projiziert. - Dasselbe taten die
antiken Juden nach der Zerstörung des 2. Jerusalemer Tempels, indem sie das Imperium
Romanum zurück in die babylonische Zeit übertrugen. So schreibt etwa IV. Esra Ende des 1.
Jahrhunderts nach Christus:
Im dreißigsten Jahre nach dem Untergange der Stadt verweilte ich Salathiel (der auch
Esra heißt) in Babel, und als ich einmal auf meinem Bette lag, geriet ich in Bestürzung,
und meine Gedanken gingen mir zu Herzen, weil ich Zion verwüstet, Babels Bewohner
aber im Überfluss sah. Da ward mein Gemüt heftig erregt, und in meiner Angst begann
ich, zum Höchsten zu reden. (IV. Esra 3,1-3).
Im Alten Testament hatte bereits Hosea (8. Jh. v. Chr.) eine Wüstenerzählung von Jahwe und
seinem Volk entworfen (Hos. 2,16; 5,9; 13,5.15) und dabei auf überliefertes Wissen von Dürre
und Hungersnöten zurückgegriffen. Nach heutigem Konsens gab es von 1250 bis 1100 v. Chr.
eine Kälte- und Dürreperiode um das ganze östliche Mittelmeerbecken. Damals wanderten
Massen von Menschen Richtung Ägypten, wo reiche Ernten vorhanden waren10. Denn der Nil
führte Wasser von Zentralafrika und war nicht abhängig von den Regenfällen des Mittelmeers.
10 Heike Sterberg/el Hotabi, der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III, S. 21; Eric H. Cline, 1177
v. Chr., S. 211; Video von Terra-X: «Klima macht Geschichte», Teil 1, ab 36 min.
er sterben. Denn ich erscheine in der Wolke über der Deckplatte. (V. 2)
In V. 2 wird die Lade noch erwähnt, kommt aber im ganzen Kapitel nicht mehr vor. Der Blick ist
auf die Deckplatte gerichtet, an der die Sühne der Priester und des ganzen Volkes vollzogen
wird:
Dann soll er den Bock schlachten, der als Sündopfer für das Volk bestimmt ist, und sein
Blut hinter den Vorhang bringen. Und mit seinem Blut soll er genauso verfahren wie mit
dem Blut des Jungstiers, und er soll es an die Deckplatte sprengen und vor der Deckplatte
versprengen. (V. 15f.)
Dann folgt die Anweisung eines Sühnerituals, das bei den Hethitern üblich war11:
Und wenn er die Sühne für das Heiligtum, das Zelt der Begegnung und den Altar beendet
hat, soll er den lebenden Bock herbeibringen. Und Aaron soll beide Hände auf den Kopf
des lebenden Bocks legen und über ihm alle Schuld der Israeliten und all ihre Vergehen
bekennen, mit denen sie sich versündigt haben. Und er soll sie auf den Kopf des Bocks
legen und ihn durch einen Mann, der bereitsteht, in die Wüste treiben lassen. (III. Mose
16,20f.
Dieses Ritual steht im engen Zusammenhang mit dem Hohepriester Aharon, der als Bruder
Mose spät in das Alte Testament eingefügt wurde. Von ihm gibt es – wie auch von Mose –
keine historischen Überlieferungen. Dieses Ritual steht im engen Zusammenhang mit dem
Hohepriester Aharon, der als Bruder Mose spät in das Alte Testament eingefügt wurde. Über
ihn gibt es – wie auch für Mose – keine historischen Überlieferungen. Heinrich Valentin
schreibt in «Aaron - Eine Studie zur vorpriesterlichen Aaron-Überlieferung», dass wesentliche
Teile der «Aaron-Überlieferung» unterdrückt worden seien, und provoziert die Frage, aus
welchem Grund solches geschehen sein könnte (S. 414). Weiter schreibt der Autor:
Wohl steht hinter dem Namen Aaron in Ex. 17,*8-13 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
historische Persönlichkeit. Aber was sich über diese aussagen lässt, ist sehr wenig.
Meines Erachtens ersetzt er wie die Lade (Ha-Aaron) ursprüngliche eine Gottheit. Dabei
musste es sich um eine überragende Gottheit gehandelt haben mit ähnlichem Namen wie
«Aaron». Für das Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. kommt nur die Sonnengöttin von Arinna in
Frage.
11 Birgit
Christiansen, «Reinheitsvorstellungen und Entsühnungsriten der Hethiter und ihr möglicher
Einfluss auf die biblische Überlieferung», S. 142f. in BN: Biblische Notizen, Nr. 156 Jahr: 2013
Die Keruben erinnern stark an die Sonnengöttin von Arinna, die von den Hethitern in erster
Linie als astrale Gottheit in Gestalt der geflügelten Sonnengöttin verehrt worden war12.
Daisuke Yoshida schreibt13:
Ihre astrale Bedeutung als Tagessonne wird durch Epitheta wie «Königin des Himmels»
oder «des Hatti-Landes Fackel» deutlich.
Von den hethitischen Priestern der Sonnengöttin von Arinna schreibt Volkert Haas14:
Ein Text, der Aussagen über den Verbleib von Kultgeräten enthält, zeigt in dem folgenden
Absatz, dass der Kult der Disken auf alteinheimischen Priester(familien)-Traditionen fusst:
«Folgendermassen (spricht) Hutarli, der Priester: «Mein Vater hatte eine Sonnengöttin
von Arinna (in Form ) einer Scheibe aus Gold [und] eine Mezulla (in Form) einer Scheibe
aus Silber. Für sie pflegte er im Tempel das Opfer darzubringen. Jetzt aber bringe ich
jeweils in meinem Hause das Opfer dar». Folgendermassen (spricht) Zuwa: «Vom Vater
unseres Vaters haben wir eine Sonnengöttin von Arinna (in Form) einer Scheibe aus Gold;
sie pflegen sie (für sich) kultisch. Das Gold aber (ist Eigentum) der Gottheit»
(Text aus KUB XXXVIII 37, Rs. 8-12).
Und Brian R. Doak betont, dass es auf dieser Stele keinen männlichen Gott gibt: :
If there is no male deity in tier IV, and if no one lurks in teir IV empty space, then there is
no male deity on the stand at all17.
Da ich keine Abbildung der Göttin Aschera in dieser Form kenne, gehe ich davon aus, dass es
sich hier um die Sonnengöttin von Arinna handelt.
Interessant sind die verschiedenen Stempel, die man in Jerusalem gefunden hatte18. Ein ganz
schönes Exemplar zeigt uns Thomas Staubli. Auf dem Siegel ist die die kanaanäische
Vegetations- und Stadtgöttin als stilisierten Baum zu sehen mit ihren
Begleittieren, den Capriden. Über dem Baum befindet sich die
geflügelte Sonnenscheibe. Der Autor nimmt hier ein ägyptisches
Motiv des Amun-Re an. Doch es ist das Siegel eines judäischen Königs,
der sich auf alte Traditionen stützt. Und zu dieser gehört die
Übergabe Jerusalems vom Jebusiterkönig Araunah an König David (II.
Sam. 24).
Bild: Abdruck eines Stempelsiegelamuletts aus
«Die kanaanäische Vegetationsfrömmigkeit» von Thomas Staubli, S. 88
Das Siegel gehörte einem judäischen Königs. Und normalerweise stützt sich ein König auf alte
Traditionen des Landes und nicht auf modisches Design. Und da ist uns die Übergabe vom
Jebusiterkönig Araunah an König David überliefert (II. Sam. 24). Fritz Stolz und andere nehmen
an, dass mit Araunah eine «indogermanische/hethitische» Gottheit gemeint sei. Meines
Erachtens handelt es sich aber nicht um einen indogermanischen Gott sondern um die genuin
hattisch-hethitische19 Hauptgottheit, um die Sonnengöttin von Arinna. - Doch davon später.
17 Brian R. Doak, « A Reevaluation of the Iconographic Motifs of the Taanach Cult Stand”» , S. 5 in
“academia.edu”
18 Siegel des Königs Hiskia (726-697 v. Chr.) in «Neuer Fund aus König Hiskias Palastarchiv in Jerusalem»
von Andreas Späth und Peter van der Veen, in academia.edu
19 Die Hattier sind die anatolische Urbevölkerung und nicht indogermanisch
20 Peter Porzig, Die Lade Jahwes im Alten Testament, 54
Der Deuteronomist sieht Gott weder in der «Bundeslade», noch in der «Wolke» noch in der
«Herrlichkeit Gottes», sondern allein in den Zehn Geboten, der Tora. Und so lautet sein Credo:
«Wer Gottes Willen erkennen will, muss im Gesetz forschen und es auslegen»21.
Mit der Lade als Behälter der Zehn Gebote fängt die Beziehung zwischen Aaron und Chokmah
(Weisheit) an: Die Weisheit vertritt die Gebote Gottes, während Aaron der Behälter der
Gebote darstellt. Die Weisheit vertritt aber nicht nur die Gebote auf den steinernen Tafeln,
sondern füllt die göttlichen Gebote mit numinoser Grösse. Sie ist die geordnete Welt, der
Kosmos schlechthin22. Dabei wird die Weisheit auch Trägerin der ursprünglichen Sonnengöttin
von Arinna.
In den beiden weiteren Stellen (Ex. 13,19; Jos. 24,32) ist nur noch von den «Gebeine Josefs»
die Rede. Sie begleiteten das Volk durch die Wüste nach Sichem. In Sichem wurde die
«Gebeine Josefs» bei «seinen Vätern» beizusetzen. - Josef wurde in Ägypten also nach dem
dort gängigen Totenkult mumifiziert und damit dem Gott Osiris gleichgesetzt23.
Hugo Gressmann sieht eine enge ideologische Verbindung
zwischen dem Ahnenkult um Josef und Jahwe in der Lade24.
Dann ist Jahwe eins mit Osiris25 im dunklen Grab, aus dem er
das Getreide spriessen lässt.
Aus wikimedia: Osiris Philae aus “The Egyptian Religion of the
Resurrection, E.A. Wallis Budge (1857-1937), 31.08.2017
1.5. Thronbesteigung
Nach ägyptischer Vorstellung ist Isis der Thron. Auf ihrem Schoss sass Horus,
der Pharao.
Im Alten Testament wird der König inthronisiert inmitten tobender Feinde. Psalm 2 beginnt:
Warum toben die Völker,
und sinnen die Nationen Nichtiges? (V. 1f.)
….
Ich selbst aber „bin“ als „sein“ König eingesetzt
auf Zion, meinem29 heiligen Berge.
Dann folgt ein verderbter Text (V. 6f.), der unterschiedlich übersetzt wird:
Zürcher Bibel Hermann Gunkel «die Psalmen»
Kundtun will ich den Beschluss des Er sprach zu mir: «Ich nehme dich auf
HERRN: Er sprach zu mir: Mein Sohn meinen Schoss». Ich habe dich heute
bist du, ich habe dich heute gezeugt. gezeugt30. (V. 6f.)
(V. 6f.)
26 Erich Neumann, die Grosse Mutter; wikipedia «Nut (ägyptische Mythologie)», 08.08.2019
27 vgl. O. Keel, Jahwe Visionen und Siegelkunst, S. 180;
28 Aus wikimedia: Cercueil de'Isetemkheb, fille d'Ankhsyeniset et de Roriou, sacrificateur du domaine
d'Amon Thèbes-Ouest (?) Début de l'époque saïte, XXVIe dynastie, vers 664-500 avant J.-C. Bois
entoilé, stuqué et peint L. 176 ; l. 48 ; P. 43 cm Dépôt de l'Etat Inv. 1969-197 dépôt du musée du
Louvre
29 nach Gunkel „seinem heiligen Berg“
30 jld: gebären, zeugen. Normalerweise mit „gezeugt“ übersetzt
Darauf verkündet der König das göttliche Orakel, nach dem Gott ihn zum Weltenherrscher
erkoren hat31:
Bitte von mir, so geb ich dir Völker zum Erbe,
zum Besitz die Enden der Welt!
Du magst sie mit eisernem Szepter zerschmettern,
wie Töpfergeschirr sie zertrümmern!“ (V. 8f.)
Nach Hermann Gunkel32 ist der Text verderbt und statt «kundtun will ich die Satzung» ( אספרה
)אל חקmüsste hier «ich werde dich auf meinen Schoss setzen ( )אאספר אל חֵ יקיheissen.
Entsprechend übersetzt Hermann Gunkel in «Psalmen»:
Er sprach zu mir: Ich nehme dich auf meinen Schoss,
ich selbst habe dich heute gezeugt (S. 5).
Hermann Gunkel schreibt: «Ich habe dich gezeugt» erinnert an das ägyptische «ich bin dein
Vater, der dich unter den Göttern erzeugte». Doch das «heute» irritiert und zeigt, dass der
Dichter etwas ganz Anderes im Sinne hatte und den Satz entsprechend änderte. Es wird
bedeuten, dass bis jetzt ein Mensch dem König Vater war, von heute an ist es Jahwe. Doch
diese Lösung ist nicht das Gelbe vom Ei und so schreibt der Autor weiter:
Schliesslich ist zu bemerken, dass die besprochenen Gottesworte am besten in den Mund
einer weiblichen Gottheit passen würden; das würde darauf deuten, dass solche Sätze
zuerst zur Verherrlichung heidnischer Könige ausgesprochen und von israelitischen
Dichtern nicht erfunden, sondern nur nachgeahmt worden sind (S. 7).
Im Vergleich: Die hethitische Grosskönige wurden von der Sonnengöttin von Arinna und dem
Wettergott zum König eingesetzt. In einem Gebet von Ḫattušili I. (1565-1540 v. Chr.) sind
Thronbesteigung und Kampf auch eng beieinander:
Der Grosskönig Tabarna, der Liebling der Sonnengöttin von Arinna bin ich,
und mich setzte die Sonnengöttin von Arinna auf ihren Schoss,
und sie nahm mich bei der Hand und lief mir im Kampf voran33.
Sie ist die oberste Staatsgottheit; vor ihr werden die Urkunden über beschworene
Staatsverträge niedergelegt; vor ihr legt der König Rechenschaft ab, indem er seine Taten
berichtet. An sie wendet sich der König in Staatsangelegenheiten zuerst; sie hilft ihm in
der Schlacht3.
Die Sonnengöttin von Arinna wurde im 2. Jahrtausend v. Chr. in Anatolien von der hattischen
Urbevölkerung verehrt. Als Tagessonne hiess sie Eštan, hethitisch Ištanu, als Nachtsonne
Wurušemu (Mutter des Landes)4. Ihr Kultzentrum war das Städtchen Arinna, das in der Nähe
der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša lag. Der Ort Arinna war neben seinen vielen Tempeln
auch wegen der Schmiedekunst bekannt5.
Das Städtchen Arinna war bereits in vorhethitischer Zeit ein hattisches Kultzentrum. Der Name
«Arinna» setzt sich aus Ari+nna zusammen und heisst «(die Stadt) der Quelle». Wo sich Arinna
befand, weiss man heute nicht, doch dürfte die Stadt nur ein paar Kilometer von der
Hauptstadt Ḫattuša entfernt gewesen sein6. Die Bewohner des Hattilandes glaubten, dass die
Sonnengöttin selbst Arinna als ihren Sitz ausgewählt hatte:
1 Zum Bild der Sonnengöttin mit Kind vgl. Dokumentarfilm «The Hittites» wird diese Darstellung als
Sonnengöttin von Arinna interpretiert (1 Stunde:50 Minuten)
2 wikipedia, «hethitische Mythologie»
3 Albrecht Goetze, Kulturgeschichte Kleinasiens, 1957, Seite 136
4 Maciej Popko, Arinna – eine heilige Stadt der Hethiter, S. 27
5 Wikipedia „Arinna“
Die Sonnengöttin wird hattisch mit DUTU bezeichnet. Heute ist nicht klar, was DUTU bedeutet8.
Die meisten Altorientalisten übersetzen den Begriff mit «Sonnengott». Doch DUTU heisst
Sonnengöttin wie etwa G. Heinrichs anhand eines Gebet Mursilis zeigt9:
zi-ik-pát-za DUTU URUA-ri-in-na gi-in-zu-la-wa-as
DINGIRLUM zi-ik nu gi-in-zu zi-ik-pát da-as-ki-si
Doch wird dies von anderen Forschern verneint. Nach Jörg Klinger etwa kann man die
Übersetzung von «Sonnengott» nicht beweisen13, und Maciej Popko ist sich sicher, dass mit
Ištanu die Sonnengöttin von Arinna gemeint ist14. Er schreibt in «Arinna – Eine heilige Stadt der
Hethiter»:
Das hethitische Wort für eine Sonnengottheit lautet Ištanu (aus dem hatt. Eštan), und
es ist sicher, dass die Sonnengöttin von Arinna unter diesem Namen bekannt wurde.
Darauf weist vor allem die Schreibung dieses Namens mit dem phonetischen
Komplement -u- in KUB 28,6 Vs. II 12 URUPU-na-as dUTU-uš hin, wobei das Epitheton
7 Beide Zitate in Maciej Popko, Arinna, eine heilige Stadt der Hethiter, S. 15.29
8 Maciej Popko, Arinna, eine heilige Stadt der Hethiter, S. 27
9 KUB XXX 13,1; G. Heinrichs, Einführung in die hethitische Sprache, S. 48 pdf-Datei
10 Jörg Klinger, die Hethiter, S. 26. Dagegen spricht Maciej Popko in „Völker und Sprachen Altanatoliens“
davon, dass in der hattischen Sprache aus der der Name „Ištanu“ stammt keine feminine Bildung
kennt
11 Volkert Haas, die hethitische Literatur, S. 164. Volkert Haas, Heidemarie Koch, Religionen des Alten
Orients, Teil 1, S. 220.223.226. So auch Albrecht Goetze, Kulturgeschichte Kleinasiens, S 137; Walter
Burkert, Fritz Stolz, Hymnen der Alten Welt im Kulturvergleich, S. 62
12 Volkert Haas, Hethiter, S. 225
13 Jörg Klinger, Untersuchungen zur Rekonstruktion der hattischen Kultschicht, S. 143
14 Maciej Popko, Arinna, S. 27, so auch Jörg Klinger, Hethiter
«von Arinna» die Identifizierung der Göttin bestätigt. Ausserdem sprechen dafür solche
Kontexte wie IBoT 1,29 Vs. 63, in dem DIštanu im Paar mit DTaru vorkommt. Da mit
D
Taru der hattische Wettergott, in diesem Fall der Hauptgott von Hattuša gemeint ist,
darf geschlossen werden, dass hier als DIštanu nur die Sonnengöttin von Arinna in
Betracht kommen kann (S. 27).
Seit der mittelhethitischen Zeit (1450 bis 1380 v. Chr.) wurde die Sonnengöttin auch Göttin des
Himmels genannt15. So betet Grosskönig Muwatalli II. (ca. 1294-1272 v. Chr. ):
Sonnengöttin von Arinna (und) Hepat, Königin des Himmels
In diesem Satz erscheint nach Volkert Haas die Göttin Ḫepat als Attribut der Sonnengöttin von
Arinna16.
von Arinna, der Wettergott ehellibi (und) der Wettergott suhurribi (KUB 6,45 Vs. 1, 37ff.)
Offenbar war in internationalen Verträgen der männliche Gott an der Spitze wichtig. Doch der
Sonnengott gehörte nicht zu den von der hattischen Bevölkerung verehrten Gottheiten, wie
eine andere Liste von Muwatalli II. zeigt:
Der König (Muwatalli II.) opfert vier (Gottheiten) reihum: Sonnengöttin, Wettergott,
Mezzulla und Hulla (und der nicht übersetzbare Text dürfte die Göttin Zintuhi meinen) 19.
Die in der zweiten Liste erwähnte Gottheiten hatten in Arinna je einen Tempel: Die
Sonnengöttin von Arinna, der Wettergott Tarḫunna (hethitisch) oder Taru (hattisch), Mezzulla,
die Tochter der Sonnengöttin, der Berg(gott) Hulla und Zintuhi (hattisch «Enkelin» [der
Sonnengöttin]). Zum himmlischen Sonnengott in der ersten Liste schreibt E. O. James:
The Queen of the Land of Hatti, Heaven and Earth, Mistress of the Kings and
Queens of the Land of Hatti, directing the Government of the King and Queen
of Hatti, but unlike the Hurrian Hebat she was essentially a solar deity. Her
relationship, however, with the male Sun god was never clearly established20.
Der Name Hatti geht auf die Bevölkerung zurück, die im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. eine
reiche Kultur, Religion und Staatswesen geschaffen hatten, die von den Indoeuropäern, die
Ende des 3. Jahrtausends von Südrussland kommend, übernommen hatten. Die Indoeuropäer
nannten sich Neši. Der Name taucht anfangs des 2. Jahrtausend vor Chr. für das assyrisch-
anatolische Handelszentrum Kaniš (Kültepe) auf, die auch Neša genannt wurde. Da aus jener
Zeit keine Kriegsspuren auszumachen sind, dürfte eine friedliche Vermischung der
Indoeuropäern mit den einheimischen Hattiern stattgefunden haben.
Die Hattier kannten nur Sonnengöttinnen22, aber keine Sonnengötter. Unter Suppiluliuma I.
(1355-1320 v. Chr.) und seinem Sohn Muršili II. erreichte die hethitische Herrschaft ihre
grösste Ausdehnung. Von Mursilli II. ist ein Gebet an die Sonnengöttin von Arinna als
Universalgöttin überliefert23. Er betet:
Du, Sonnengöttin von Arinna, bist eine angesehene Gottheit.
Dein Name ist unter den Namen angesehen.
Deine Göttlichkeit ist unter den Göttern angesehen
Gross auch bist du, Sonnengöttin von Arinna.
Es gibt keine andre Gottheit, mehr angesehen und grösser als du.
Gerechten Gerichtes Herrin bist du.
Über Himmel und Erde übst du gnädig die Königsherrschaft aus.
Der Länder Grenzen setzest du.
Die Klagen erhörst du.
Du, Sonnengöttin von Arinna, bist eine milde Gottheit, du.
Mildheit übest du.
Der begnadete Mann ist dir, Sonnengöttin von Arinna, lieb.
Ihm gewährst du, Sonnengöttin von Arinna, Verzeihung.
Im Runde von Himmel und Erde bist du, Sonnengöttin von Arinna, die Leuchte.
In den Ländern bist du die gefeierte Gottheit.
Jedes Landes Vater und Mutter bist du.
Des Gerichtes begnadete Herrin bist du.
An der Stätte des Gerichts gibt es für dich kein Ermüden.
Unter den uralt-ewigen Göttern bist du die gefeierte.
Den Göttern bereitest du, Sonnengöttin von Arinna, die Opferriten.
Der uralt-ewigen Götter Anteil teilst du zu.
Fast die ganze Zeit des Hethiterreiches bedrohten im Norden Anatoliens Kaskäer das Land. Als
die Söhne Mursillis II. - Muwatalli II. und Ḫattušili III. - die Städte Ḫakmiš und Nerik von den
Kaskäern zurückerobert hatten, wurden sie unter dem Schutz des Wettergottes gestellt.
Muwatalli II. (ca. 1294-1272 v. Chr.) setzte darauf seinen Bruder Ḫattušili III. zum König dieser
Städte ein. Dabei musste die Schutzgottheit korrigiert werden. Denn die Orte lagen nun wieder
im Hethiterreich und demnach unter dem Schutz «der Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin,
Königin aller Lande»“24 und die Sonnengöttin setzt den Grosskönig Ḫattušili sakralrechtlich zum
König von Ḫakmiš ein:
„Der Platz an dem du uns, Sonnengöttin von Arinna einsetztest,
ist der Ort des Wettergottes von Nerik, deines geliebten Sohnes“ 25.
Ḫattušili III. stand seit seiner von Krankheit geprägten Kindheit unter dem besonderen Schutz
der Ištar von Samua und war deren Priester26. Als Nachfolger von Muwatalli auf den Thron des
Hethiterreiches, war er
«der Liebling der Sonnengöttin von Arinna, des Wettergottes von Nerik
und der Ištar von Samua»27.
Zur Zeit seines Bruders Grosskönig Muwatalli II war ihm Ḫattušili eine starke Stütze. Denn er
befriedete den Norden des Hethiterreiches und füllte die Städte mit Menschen. Nach der
Schlacht von Kadeš in Syrien verfolgte er die Ägypter bis nach Damaskus und residierte eine
Zeitlang dort – wie lange ist heute nicht bekannt. – Auf der Rückkehr nach Anatolien heiratete
er die Priesterin Puduhepa, setzte später seinen Neffen Muršili III. (Urḫi-Teššub) ab und wurde
hethitischer Grosskönig28 (ca. 1266-1236 v. Chr.). Er und Puduhepa schlossen mit Ramses II.
den berühmten Völkervertrag. Bei diesem setzten die Ägypter die hethitische Staatsgöttin mit
ihren Hauptgöttern Re und Seth gleich:
The Re, the Lord of the Sky; the Re of the Town of Arinna; Seth,
the Lord of the Sky, Seth of Hatti; Seth of the Town of Arinna,... 29
In akkadischen Verträgen erscheint die Sonnengöttin von Arinna als Šamaš von Arinna30. Auch
hier scheiden sich die Geister, ob dabei die Sonnengöttin von Arinna oder der ihr zugeordnete
Sonnengott gemeint ist.
Aus wikimedia: Map of the Hittite Empire at its greatest extent under
Suppiluliuma I(c.1350–1322) and Mursilli II (c.1321–1295) von Javierfv1212, 19.03.2010
28 nach Francis Beyer, ist die Zählung falsch, Hattusili III. wäre eigentlich Hattusili II. in «Ägypten und
Anatolien»; genauer Hergang in Trevor Bryce, The Kingdom of the Hittites
29 ANET (Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament)
edited by James B. Pritchard, 1955 ed. 2, S. 201
30 Daisuke Yoshida, «Untersuchungen zu den Sonnengottheiten bei den Hethitern», S. 1f.
gewaschen, gesalbt und wieder auf die Tische zurückgestellt hat, tritt die Königin aus dem
Innengemach: Die Prinzen bringen ihr das Wasser zum Waschen der Hände, der Priester
reicht ihr das Handtuch, mit dem sie sich die Hände abtrocknet. Dann verneigt sie sich vor
der Sonnengöttin von Arinna und weiht ihr sieben Lämmer in der folgenden Weise:
Zwei Lämmer erhielt die «Sonnengöttin von Arinna der Walani'»
ein Lamm die «Sonnengöttin von Arinna der Nikka[lmadi]»,
ein Lamm die «Sonnengöttin von Arinna der Asm[unikkal]»,
ein Lamm die «Sonnengöttin von Arinna der Dud[ubeba]»,
ein Lamm die "Sonnengöttin von Arinna der lJenti» und
ein Lamm der «Sonnengöttin von Arinna der Taw[ ananna]".
Man treibt die Lämmer in die [Küche], wo man sie schlachtet und das Fleisch zerlegt. Die
erste Opferrunde besteht aus den gebratenen Lebern und Herzen, die zusammen mit
einem Brotgericht auf die sechs Tische gestellt werden. ….. 31.
Doch die Volkszählung war ein Sakrileg und der Feldherr Joab weigerte sich vorerst, den Befehl
Davids auszuführen. Zuletzt stand die Armee vor dem König, und er zählte die Männer. Kaum
war die Zählung vorbei, bekennt David seine Sünde. Darauf sandte Jahwe den Propheten Gad
zu David und liess ihn zwischen drei Katastrophen wählen: Sieben Jahre Hunger im Land, drei
Monate lang Flucht vor Feinden oder drei Tage Pest im Lande. David wählte das dritte Unheil.
Prompt wütete die Pest drei Tage lang und tötete siebzigtausend Mann von Dan bis Beer-
Scheba. Frauen und Kinder nicht mitgezählt. Weiter beabsichtigte Gott Jerusalem zu
vernichten:
Und der Bote (des HERRN) führte seine Hand gegen Jerusalem, um es zu vernichten,
dem HERRN aber tat das Unheil leid, und er sprach zu dem Boten, der Vernichtung
brachte im Volk: Genug! Zieh jetzt deine Hand zurück! Der Bote des HERRN aber war
gerade bei der Tenne von Arauna, dem Jebusiter (V. 16f.)
Da gereute Jahwe das Unheil und liess den Engel der Vernichtung innehalten - genau vor der
Tenne Araunahs, dem Jebusiter. - Im Text verursacht nicht mehr Jahwe die Katastrophe
sondern ein Engel der Vernichtung (vgl. I. Chr. 21,15). Durch den Propheten Gad liess Jahwe
David ausrichten: «Gehe hinauf zur Tenne Araunahs, des Jebusiters» (V. 18) und errichte dort
einen Altar. König David ging zu Araunah, der ihm die Tenne mitsamt den Rindern schenken
wollte.
Zum Namen des Jebusiters meint Georg Hentschel1, «Arauna» ist nicht semitisch. Statt eines
Namens kann der Begriff auch einen sozialen Rang bezeichnen. Der Autor überlegt sich, wenn
Araunah aus dem Hethitischen übernommen ist, lässt sich der Name mit der Gottheit Uruwana
(indisch Varuna) vergleichen, er kann aber auch einfach «frei» bedeuten. Das Wort kann
ebenso hurritisch für «Ari-wana» («Herr» oder «König») stehen. Dieser Vorschlag würde den
schwierigen Satz V. 23 erklären, der etwa übersetzt wird:
Das alles übergibt Arauna, der König, dem König (II. Sam. 24,23).
Der Autor pocht wie andere seiner Kollegen wissenschaftlich ganz unvoreingenommen auf die
Männlichkeit des Namens respektive des Titels oder des Ranges.
Im Text beharrte David darauf, dem Arauna die Tenne und die Rinder für fünfzig Schekel Silber
abzukaufen. Dann baute er den Altar für Jahwe und brachte Brand- und Heilsopfer dar:
Und Jahwe liess ab von der Plage über Israel (V. 18-25).
Die Plage hörte also auf, weil auf der des Araunahs dem Jahwe geopfert wurde und nicht, weil
die drei Tage des Unheils um waren. Später baute König Salomo auf diesem Platz den
Jerusalemer Tempe (I. Kön. 6-8; I. Chr. 21).
Daraus folgert er, dass die Tenne Araunah grn aruna den altjebusitischen Kultplatz von
Jerusalem bezeichne und schreibt:
Es handelt hier um eine vorisraelitische Sagenfassung, in der nicht David der Kultgründer
war sondern wohl eher der Jebusiter Araunah. Ursprünglich dürfte die Geschichte so
geendet haben, dass Araunah den Pestengel auf dieser Tenne gesehen hatte und eilends
einen Altar errichtete und der Gottheit sein Dreschvieh geopfert hatte. Mit der
Übernahme des Heiligtums durch Israel wurde die Sage neu geschrieben und David als
Kultgründer eingesetzt. Darauf weisen das Element der Eigentumsübertragung und das
Zurücktreten Araunas. Die Erzählung legt viel Gewicht darauf, dass David ganz legal in den
Besitz der Tenne gekommen ist und erweckt so den Eindruck, als ob David den
Jahwegottesdienst in Jerusalem auf kultisch jungfräulichem Boden eingerichtet hätte.3
Archäologische Funde zeigen, dass auf dem Zion bereits vor David ein Tempel stand. Auch
nimmt man an, dass in Jerusalem eine hethitische Oberschicht herrschte (vgl. II. Sam. 11) oder
zumindest unter hethitischem Kultureinfluss stand. beim Namen Araunah nicht auf einen
indogermanischen Gott, der eigentlich Sius (gr. Zeus, lat. deus) hiess, zu schliessen sondern auf
die hattische Sonnengöttin von Arinna4.
Unter dem Stichwort «El» und «Dreschplatz» erwähnt Ingo Kottsieper5 die ugaritische Danil-
Tradition:
Da zudem die Danil-Tradition auf eine Erzählung zurückgeht, in der der Herrscher nicht im
Palast, sondern im Kreis der Würdenträger am Tor oder auf dem Dreschplatz (1.17 V 6f.)
seiner fürsorglichen Tätigkeit nachgeht, darf man vermuten, dass diese Beziehung
zwischen El und Herrscher eine Herrscherideologie aufgreift, die nicht ursprünglich im
Königtum der Stadtstaaten verwurzelt war, sondern vor dem Hintergrund des
patriarchalischen Herrschaftsideals im Kontext von Klangemeinschaften zu verstehen ist,
das natürlich auch auf das Königtum übertragen werden konnte.
[TUAT III/6, 1250ff.]; 1.17 V 4-8 [TUAT III/6, 1268])
Wenn Fritz Stolz betont, dass der Name Arwna auf den hurritischen oder hethitischen
Sprachraum verweise , dann kann bei «Arawnah» nicht von El und nicht von Varuna die Rede
sein, sondern explizit von Araunah, der Sonnengöttin von Arinna. Sie ist «der höchste Gott» (El
`äljon), die hethitische Staatsgöttin.
Im vorliegenden Text wird eine Erzählung über die Pest als Strafe Gottes mit der kultischen
Übergabe des Königtums verbunden. Die Stichworte König - Militär - Pest – Strafe – Arauna
passen bestens in eine Situation des 14. Jh. v. Chr., als Grosskönig Šuppiluliuma I. mit seiner
Armee die Pest aus Syrien nach Anatolien einschleppte. Dort wütete die Krankheit 20 Jahre
lang. Der Nachfolger Šuppiluliumas I., der jugendliche Grosskönig Mursilli II. wandte sich an
die hethitischen Gottheiten, unter anderem an die Sonnengöttin von Arinna.
Mot ist der Gott der glühenden Sommerhitze. Im Herbst wird das Getreide in einem
kanaanäischen Agrarkult auf der Tenne gedroschen und gemahlen. Dieser Vorgang wird im
Kult auf die Götter Anat und Mot übertragen. - Beim zweiten Angriff heisst es:
Sie (Anat) packte ihn (Mot) mit dem Schwerte,
Sie worfelte ihn mit der Getreideschwinge,
Sie röstete ihn am Feuer,
Sie mahlte ihn in der Mühle,
Sie streute seine Überreste auf das Feld.
Nicht frassen die Vögel seine Glieder,
Nicht verzehrten die Gefiederten die Überreste,
eins nach dem andern (I AB, II,31-37)
Kriegsgöttin Anat8
In II. Sam. 24 änderte der exilische Redaktor die Geschichte nach seinem theologischen
Interesse um: Nun soll David auf göttlichem Geheiss Jahwe einen Tempel bauen und ihm
opfern. – Ob zur Zeit Davids Jahwe überhaupt verehrt wurde, ist nicht belegt9. Bei der Tenne
handelt es sich ursprünglich um den sakralen Platz von Jerusalem, um Zion, wo bereits vor
Davids Ankunft ein Tempel einer Sonnengottheit stand. Dazu schreibt Othmar Keel:
Wie jede bronzezeitliche kanaanäische Stadt muss Jerusalem eines oder mehrere
Heiligtümer besessen haben. Der Name Jerusalem «Gründung Schalems» (Morgenröte)
suggeriert, dass dazu ein Heiligtum für den Kult einer Sonnengottheit gehörte. Auf
kanaanäische Sonnenkulte in der Gegend von Jerusalem verweisen Namen wie Beth-
Schemesch «Haus, Tempel des Sonnengottes» und «En-Schemesch» «Quelle des
Sonnengottes10.
Wie wir im 2. Kapitel gezeigt haben, wird auch die Sonnengöttin von Arinna als Šamaš
bezeichnet. Der Name Arinna bedeutet «Stadt der Quelle». Für Jerusalem betont Othmar Keel,
dass die Jerusalemer Quelle Gihon an mythische Traditionen von Urflut und Endzeit gebunden
war11. –
In II. Samuel 24,20 heisst es:
Und Arauna hielt Ausschau und sah, dass der König mit seinen Dienern zu ihm
herüberkam. Da ging Arauna hinaus und warf sich vor dem König zur Erde nieder auf sein
Angesicht.
Die Tributzahlung ist in einem hethitischen und einem akkadischen – die damalige
Handelssprache - Text verfasst12.
In II. Samuel 24 drischt der Jebusiterpriester anstelle der Anat auf der Tenne und hält
gleichzeitig Ausschau nach dem Geliebten der Göttin13. Und da stellt sich beim Priesterkönig
Araunah die Frage, ob es sich hier wirklich um einen Mann handelt oder doch eher um eine
Priesterin-Königin? - Doch dies dürfte eher unwahrscheinlich sein – Jedenfalls lautet der
Grundsatz unserer patriarchalen Theologie:
MANN / MÄNNLICH = WAHR; (frau/weiblich ?? = unwahrscheinlich!)
Ein kleiner Hinweis, dass in vorisraelitischer Zeit die Mutter den König krönt, geht auch aus
einer Inschrift von Abdi-Chepa von Jerusalem (um 1350 v. Chr.) hervor. Er betont in einer
Inschrift, dass der ägyptische Pharao ihn als König von Jerusalem eingesetzt hatte und nicht
Vater oder Mutter:
Siehe, mich hat weder mein Vater noch meine Mutter an diesem Ort eingesetzt,
der mächtige Arm des Königs hat mich eingeführt in das Herrscherhaus meines Vaters
12 O. Eissfeldt, Ein neuer Beleg für die Funktion der Sonnengöttin von Arinna als Oberhaupt des
hethitischen Staates in Kleine Schriften, S. 505-513
13 Etwa Heide Göttner-Abendroth, Die Göttin und ihr Heros
(EA 286)14.
Abdi-Chepa «Diener der (Göttin) Ḫepa» (dt. Eva) ist ein hurritischer Name wie der des Königs
Abdi- Aširta (um 1380 v. Chr.) von Amurru. - Zur Zeit Amenophis III. und seinem Sohn Echnaton
Mitte des 2. Jt. v. Chr. wurde Kanaan von Ägypten «lose kontrolliert»15. In dieser Zeit eroberte
der Anführer einer Hapiru-Gruppe ganz Amurru und wurde deren König unter dem Vorwand,
er vertrete die ägyptischen Interessen gegen äussere Feinde, d.h. gegen die Hethiter. Im
Geheimen aber sympathisierte er mit Šuppiluliuma. Er ist eine bekannte Gestalt in den
Amarna-Texte. Da sein Name Abdi-Aširta hurritisch ist, und er offenbar lesen und schreiben
konnte, war er wohl aus der mitannischen Elite. «Hapiru» waren Flüchtlinge, Kriminelle und
Randständige, die herumzogen und als Gruppen die Handelswege bedrohten. Sie wurden auch
als Söldner angestellt, wenn Kleinfürsten ihr Gebiet vergrössern wollten16. Und wie Abdi-Aširta
dürften in der Zeit der Eroberungszüge Šuppiluliumas I. durch Syrien noch weitere fürstliche
Flüchtlinge aus Syrien oder Anatolien ins ägyptische Hoheitsgebiet geflohen sein, um sich dort
als Verteidiger ägyptischer Interessen zum Fürsten eines Stadtstaates legitimieren zu lassen.
Mesha-Stele22
In Vers 6 erscheint der Aufzug Dôds nach Jerusalem wie eine Rauchsäule, die aus der Wüste
zum Heiligen Berg Zion hinaufzieht. In V. 7.9 wird Baal-Dod mit König Salomo identifiziert, der
sich in einer Sänfte zur Geliebten hinauftragen lässt. Als Dod-Baal oben auf dem Zion
angekommen war, findet die Hochzeit statt. Davor krönte ihn seine Mutter zum König.
Mit dem Baal-König ziehen auch sein Heer mit hinauf auf den Berg Zion:
Siehe, das ist die Sänfte Salomo,
von sechzig Helden umgeben aus Israels Helden.
Alle tragen sie Schwerter,
sind geübt im Kampfe;
ein jeder hat sein Schwert an der Seite
gegen nächtlichen Schrecken (Hl. 3,7f.)
Auf dem Zion findet neben den Opferungen auch die Heilige Hochzeit statt, d.h. die sechzig
Helden veranstalten mit den Hierodulen des Tempels23 den Hieros Gamos24.
Dass mit der Tenne ein kultischer Ort gemeint ist, geht auch aus II. Samuel 6 hervor: Da wurde
der Priester/Priesterin25 Ussa bei der Tenne Nahors getötet, als er/sie die Gotteslade berührte.
Dann aber kamen sie zur Tenne des Nachon, und Ussa griff nach der Lade Gottes
und hielt sie fest, denn die Rinder hatten sich losgerissen. (II. Sam. 6,6)
Statt dem Menschenopfer (II. Sam. 6,6) soll das Volk Israel sich zerstreuen wie der Spreu von
der Tenne:
Wenn Ephraim redete, so erzitterte man; hoch erhaben war es in Israel. Da verschuldete
es sich durch den Baal und - starb. 2. Und nun fahren sie fort zu sündigen; sie machen sich
Gussbilder aus ihrem Silber, Götzen nach ihrem Bilde; Machwerk von Schmieden ist alles.
Ihnen, sagen sie, bringt Opfer dar! Menschen sollen Kälber küssen! Darum sollen sie
werden gleich der Morgenwolke und wie der Tau, der bald verschwindet, wie Spreu, die
von der Tenne verweht wir, und wie Rauch aus der Luke. (Hosea 3,1-3)
Beim Prophet Micha drischt die Tochter Zion anstelle der Göttin viele Völker:
Steh auf und drisch, Tochter Zion,
denn ich mache dir eiserne Hörner
und Hufe von Erz, dass du viele Völker zermalmst
und «weihst» ihren Gewinn dem Jahwe
und ihren Reichtum dem Adon der ganzen Erde. (Micha 4,12f.)
23 Das Hohe Lied; vgl. auch Ri. 6,37, ein Tauzauber, der im Istarkult gesehen wird: vgl. Robert Eisler,
Weltenmantel und Himmelszelt, S. 81; vgl. auch meine Interpretationen zu II. Sam. 6 (darin: I. Sam. 9;
I. Sam. 14
24 W. Wittekindt, Das Hohe Lied und seine Beziehung zum Ištarkult, 1925, S. 127ff.; vgl. Hinweis von
Mircea Eliade, Kosmos und Geschichte, S. 74: Es war Brauch, dass anlässlich des jom ha-kippurim
(identisch mit Neujahrsfeiertag) die jungen Mädchen sich vor die Stadtgrenzen hinausbegaben, um zu
tanzen und sich zu belustigen; bei dieser Gelegenheit wurden auch die Heiraten ins Werk gesetzt. Am
gleichen Tage aber duldete man auch eine Menge von Ausschreitungen, die manchmal sogar
orgiastische Formen annahmen und uns sehr wohl an die letzte Phase des akîtu erinnern können
25 Vgl. meine Interpretation zu II. Samuel 6
«Weihen» - «Gewinn» erinnert an II. Kön. 12, wo «Aaron» als Spesenkasse für den
Qedesenlohn gedacht ist. – Darüber später.
Beim Prophet Joel (Kap. 2) übernimmt Jahwe die Fruchtbarkeit des Volkes:
Sei ohne Furcht, Acker, frohlocke und freue dich; denn der Herr hat Grosses getan (V. 21)
Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes; denn neu grünen die Auen der Trift,
die Bäume tragen ihre Frucht, Feigenbaum und Weinstock geben vollen Ertrag. (V. 22)
Und ihr Kinder Zions, frohlocket und freuet euch über den Herrn, euren Gott! Denn er hat
euch Nahrung gegeben zum Heil und euch Regen gesandt, Herbstregen und
Frühjahrsregen wie vordem. Da werden die Tennen sich füllen mit Korn und die Keltern
überfliessen von Wein und Öl. (V. 23f.)
Hier kling die Göttin noch leise an in: Sei ohne Furcht, Acker, frohlocke und freue dich; denn
der Herr hat Grosses getan. Der Gewittergott, der Jahwe einmal war, erscheint hier in
gewandelter Form, denn jetzt macht Jahwe den Herbst- und Frühlingsregen. Der einstige
Fruchtbarkeitsritus ist völlig rationalisiert. «Rationalisiert» heisst konkret: Es lebe der Mythos
vom MANN, vom SCHÖPFER und EWIGEM MACHER!»
Fazit: Die Tenne, der Dreschplatz war ursprünglich ein kultischer Ort, wo alte Ackerriten
vollzogen wurden. Diese bestanden aus dem Hieros Gamos, Menschenopfer und das Einsetzen
des Königs als irdischer Sohn der Göttin.
Typ der Aschirat/Aschera. Doch der Name Chepa (Ḫepa) ist in Arawnah nicht enthalten,
sondern die «(Sonnengöttin von) Arinna», die im 13. Jahrhundert v. Chr. mit Ḫepa
gleichgesetzt wurde.
Fritz Stolz schreibt zu Arawnah:
Eine weitere Figur, hinter der man eine hervorragende jebusitische Persönlichkeit
vermutete, ist Arawna, der nach II. Sam. 24 dem Eroberer David seine Tenne als
zukünftigen Tempelplatz verkaufte. Die Komposition des ganzen Kapitels ist
undurchsichtig.... Einleuchtend ist die These, dass ein ursprünglich eigenständiges Motiv,
für welches jebusitische Entstehung vorausgesetzt werden kann, von der Erscheinung
eines Gottes (der später ‚Engel Jahwes‘ degradiert wurde) auf der ‚Tenne Arawnas‘
berichtete28.
Fritz Stolz stellt fest, dass der «Engel Jahwes» auf einen Gott zurückgeht, der nicht Jahwe
war29. Die Gottheit Arawnah allein konnte den Engel stoppen. Den Namen Arawna ארונהsetzt
er, wie bereits erwähnt, mit einem indogermanischen Himmelsgott Uruwna/Varuna/Uranos
gleich.
Fritz Stolz setzt mit anderen Fachmännern voraus, dass in Palästina ein indogermanischer
Himmelsgott existierte. Exegeten setzen heute «indogermanisch» mit «hethitisch» gleich und
bestreiten gleichzeitig heftig, dass es je anatolische Hethiter in Palästina gegeben hatte.
Ausserdem waren die Hethiter keine Indogermanen sondern ein gut altorientalischer
Völkermix, und «Mithra» und «Varuna» keine genuin hethitische Götter.
Beim «indogermanischen Vertrag», den Fritz Stolz in Bezug auf II. Samuel 24 erwähnt, handelt
es sich um den Vasallenvertrag zwischen dem Hethiterkönig Šuppiluliuma I. (1355-1320) und
Šattiwazza oder Mattiwaza (je nach Lesart). Šuppiluliuma I. hatte in mehreren Feldzügen das
hurritische Mitannireich erobert und Šattiwazza als Vasallenkönig im übrig gebliebenen Gebiet
von Mitanni oder Habilgalbat, wie es die Assyrer nannten, eingesetzt. - Der Vertrag zwischen
Suppiluliuma I. und Šattiwazza/Mattiwaza beginnt mit:
The Sun-god of Heaven, the Sun-goddess of Arinna, the Storm-god of Heaven the Hattian
Storm-god, Seris (and) Hurris, Mount Nanni (and) Mount Hazzi30, ….
Der Vertrag wurde von den Hethitern zu Füssen der Sonnengöttin von Arinna deponiert:
A duplicate of this tablet has been deposited before the Sun goddess of
Arinna, because the Sun goddess of Arinna regulates Kingship and
Queenship. (ANET, 5)31
Im stark verkleinerten Mitannireich dagegen bewachte der Gott Tesub das Duplikat:
In the Mitanni land (a duplicate) has been deposited before Tesub,
the Lord of the Kurinnu of Kahat.
Dann folgt eine lange Liste von Göttinnen- und Götternamen, die den Vertrag besiegelt sollten.
Und ganz zum Schluss – wirklich am Schluss - tauchen die Namen Varuna und Mithra auf. Der
Text lautet transkribiert:
1. DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il
DINGIRmes U-ru-un-na-as-si-el
2. DINGIRmes Mi-it-ra-as-si-il
DINGIRmes A-ru-na-as-si-il
d-In-da-ra DINGIRmes Na-sa-at-ti-ia-an-na
Der Vertrag wurde in einer mit der Sprache nicht kompatiblen Schrift verfasst, sodass
Wiederholungen von Wortelementen unvermeidlich waren32. Die sich wiederholenden
Elemente können gestrichen werden.
Auch Karl Jaros freut sich über die Entdeckung der vedischen, also indischen Götter, die am
Schluss dieses Vertrages auftauchen und schreibt:
Nach Ablösung der mittanischen Elemente (-ssil,-nna), sind das vedische Götterpaar
Mitra und Varuna, der vedische Gott Indra und die Götterzwillinge Nasatya zu
erkennen33.
So wie ich das sehe, sind die Namen Mithras und Uruna doppelt aufgelistet, wobei Uruna das
zweite Mal mit Aruna gleichgesetzt wird, also mit der Sonnengöttin von Arinna, die als
Hauptgöttin am Anfang des Vertrags steht. Ausserdem wird in anderen Texten Mezzulla, die
Tochter der Sonnengöttin von Arinna «Mezulla von Urauna» genannt. Mit Urauna ist eine
Stadt gemeint34. Vielleicht geht auch der griechische Begriff Urania «die Himmlische» auf
Arinna oder Urauna zurück? Jedenfalls ist Urania der Beiname verschiedener griechischen
Göttinnen, etwa Aphrodite Urania35.
Was Varuna und Mithra betrifft, so waren diese Gottheit nach Jean Przyluski ursprünglich
weibliche Gottheiten. Er schreibt:
Nach Herodot (I,131) heiss Aphrodite bei den Persern Mithra. Es scheint mithin, dass der
iranische Mithra aus einer Verschmelzung der Göttin-Mutter mit dem indisch-iranischen
Gott Mithra hervorging. Herodot erzählt an der gleichen Stelle, dass die Perser von
Assyrern und Arabern den Brauch übernahmen, der Urania zu opfern. Diese Urania
entspricht zweifellos der Göttin, die bei den Indern Varuna hiess36.
Dieser Sohn soll ihr Gemahl und zukünftiger Pharao werden. Nach
langem Hin- und Her – man nennt das heute die Dahamunzu-Affäre - schickte der hethitische
Grosskönig seinen Sohn Zannanza nach Ägypten. Der hethitische Prinz wurde auf der Reise
nach Ägypten jedoch ermordet.
Dann folgte der jugendliche Muršili II. auf den Thron. Er sieht die Ursache der Epidemie bei den
Sünden seines Vaters, die er vor dem Wettergott ausbreitete42 und klagte vor den Gottheiten
in Arinna. Trevor Bryce interpretiert die deutsche Interlinarübersetzung wie folgt:
What have you done, o Gods?
You have allowed a plague to enter the land of Hatti and all of it is dying!
Now there is no-one to prepare food and drink offerings for you.
No-one reaps or sows the god’s fields, for the sowers and reapers are all dead!
The mill women who used to make the bread of the gods are all dead!
All the corrals and sheepfolds from which cattle and sheep
were chosen for sacrifice are empty,
for the cowherds and shepherds are all dead! ….
KUB XXIV3 and duplics CTH 37643
Was für ein Unterschied zwischen diesem verzweifelten Gebet und II. Samuel 24, wo knapp von
ein paar Tausend Pesttoten die Rede ist.
41 Claude-Frédéric Schaeffer and Amand. Ugaritica III. 1956. Bild aus «The Role of Women in Politics in
Hittite Society” von Yildirim Idil, 06.07.2012
42 Text aus «www.hethport.uni-wuerzburg.de»
43 Trevor Bryce, Life and Society in the Hittite World, p. 78; deutsche Interlinarübersetzung in
hethport.uni-wuerzburg.de
44 auch die Philister wurden um 1175 v. Chr. von den Ägyptern in Kanaan angesiedelt zum eigenen
Schutz in Heike Sternberg - el Hotabi, Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III., S. 53;
wikipedia «Philister», 10.10.2019
Nach der Durchsicht von «Ägypten und Anatolien» von Francis Breyer48 denke ich, die Leute
aus Kuruštama waren keine Indoeuropäer sondern einheimische Hattier, die unter dem Schutz
des Wettergottes von Hatti, also dem Sohn der Sonnengöttin von Arinna nach Kanaan kamen.
Waren die Leute aus Kuruštama keine Indoeuropäer sondern einheimische Hattier, so
verehrten sie neben dem Wettergott von Hatti auch ihre Sonnengöttinnen, die im
mittelhethitischen Reich unter der Sonnengöttin von Arinna zusammengefasst wurden49. Der
Enkel Mursilis II. Grosskönig Tudhaliya IV. (ca. 1236–1215 v. Chr.) bestätigt den Vertrag und
siegelt ihn:
mit dem Siegel der Sonnengöttin von Arinna und mit dem Siegel des Wettergottes von
Hatti (Bo 86/229)50.
50 Bearbeitet von H. Otten, 1988 in Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, S. 190, Anm. 46
1 Ewald Roellenbleck, die Alma Mater und das Alte Testament, S. 100
2 Julian
Morgenstern, The Ark, the Ephod and the Tent of Meeting, p. 237ff; Thomas Staubli, Das Image
der Nomaden im Alten Israel, S. 127: Er bezieht sich auf Julian Morgenstern «The Ark, the Ephod and
the Tent».
3 Ewald
Roellenbleck, Alma Mater und das Alte Testament, S. 101; Zu «die nackten Göttinnen» etwa
Othmar Keel, Christoph Uehlinger: Göttinnen, Götter und Gottessymbole
In der differenzierten Darstellung des Archetyps der Grossen Mutter von Erich Neumann
gehört die Lade zu deren «Gefässcharakter» mit dem Motiv «Tod und Wiedergeburt»4. Diese
Symbolik der Grossen Mutter beinhaltet räumliche Objekte wie Kiste, Schiff, Stadt, Haus, Korb,
aber auch Erde, Himmel, Land, Meer, Unterwelt. Die Lade repräsentiert demnach den
mütterlichen Urschloss, welcher die Welt gebiert und sie wieder verschlingt. Die mit dieser
Symbolik gegebene numinose Dynamik wird in den Aspekten Fruchtbarkeit und Destruktion
entfaltet. Dabei erscheint die Göttin als Liebes- und Kriegsaspekt5.
Die Symbolik der «Erdspalte, Erdfurche, Vagina» wie sie die Lade repräsentiert, kommt in
älteren Texten des Alten Testament häufig vor, z.B. unter dem Begriff päräz (Riss): So gebiert
Thamar zuerst Perez (Riss), dann Serah (Sonnenaufgang; I. Mose 38,29). Da Serah
«Sonnenaufgang» bedeutet, handelt es sich hier um die Geburt eines Sonnenhelden - eine
Mythologie, die von den späteren biblischen Redaktoren als Familiengeschichte gestaltet
wurde.
Der Tod des Ussa wird von David ausdrücklich als "Riss (prz) Jahwe" betrauert. Jahwe in Gestalt
eines Gewittergottes reisst eine Lücke, eine Spalte, einen Riss, in dem er Ussa tötet. Die
Vorstellung erinnert an einen kultischen Akt des Aufreissens der Erde, ein kultisches Pflügen,
und Ussas Sterben als Opfer dieser Zeremonie. Als kultische Prozession der Befruchtung der
Erde durch den Gewittergott passt auch das nackte Tanzen Davids, als die Lade nach Jerusalem
hinauf gebracht wurde6.
Sie war tot. «Steh auf!» gilt im Alten Testament sonst als Schlachtruf, hier macht der Satz aber
einen unglaublich brutalen, verachtenden Eindruck. Als der Levit merkte, dass die Frau tot war,
ging er nach Hause und teilte sie in 12 Stücke. Die zwölf Teile liess er den verbündeten
Stämmen zukommen, jedem ein Stück. Die Stämme versammelten sich in Beth-El, wo die
Gotteslade im Zelt stand, und zogen von da in den Krieg gegen die Benjaminiten (Ri. 20,26f.).
Diese wurden vernichtend geschlagen:
Und die Männer Israels waren zurückgekehrt zu den Benjaminiten und schlugen sie mit
der Schärfe des Schwertes, Menschen und Vieh, alles, was sich fand; sie setzten auch alle
Städte in Brand, die sie vorfanden (Ri. 19,48).
Nur die Mädchen wurden nicht getötet, weil die Krieger sie als Frauen benutzten (Ri. 21,12).
Wie in II. Samuel 6 ist auch hier (Ri. 19f.) von einem Opfer und von der Gotteslade die Rede,
aber auch von Spalten in zwölf Teile anstelle vom «Riss». Statt dem «Zorn Jahwes» (II. Sam. 6)
ist hier von männlicher Sexualität die Rede, von rauschhafter Gier, die einem weiblichen Opfer
das Leben kostete.
Auffallend ist, dass die getötete Frau im Text durchgehend als «Nebenfrau» des Leviten
bezeichnet wird und in zwölf Teile geschnitten wurde. - Das lässt aufhorchen: Zwölf Teile
erinnern an die Sonnensymbolik der «Bundeslade», erinnert an die «Sonnengöttin von
Arinna». Andererseits werden Frauen, die den biblischen Redaktoren nicht passen,
abgewertet. So nehme ich an, dass es sich bei der «Nebenfrau» und eine wichtige
Persönlichkeit handelte, etwa um eine Priesterin der Sonnengöttin.
Hyam Maccobi weist darauf hin, dass der Stamm Benjamin während der babylonischen Exilszeit
verschwunden war7. Wenn man bedenkt, dass diese Geschichten genau in jener Zeit
redaktionell bearbeitet wurden, dürfte hier eine ursprüngliche Geschichte in eine Ätiologie
zum Verschwinden des Stammes Benjamin redaktionell umgewandelt worden sein.
Nach Richter 20,27 soll die Lade in Bethel gestanden haben. Nach Renate Laut hat hier aber ein
Heiligtum der Anat gestanden8. Dies geht aus den Papyri von Elephantine hervor, wo von
«Anat-Jahu», «Anat-Bethel» und «Aschim-Bethel» die Rede ist. «Anat» und «Aschim» werden
von Eduard Meyer als die beiden Göttinnen, die zu Jahwe gehören, interpretiert9. Bei der
7 Hyam Maccobi, Der Mythenschmied - Paulus und die Erfindung des Christentums, S. 104; The
Mythmaker, p. 96
8 Renate Laut, Weibliche Züge im Gottesbild israelitisch-jüdischer Religiosität, S. 36f. ; wikipedia
«Elephantine-Papyri », 04.09.2019
9 Eduard Meyer, Der Papyrusfund von Elephantine, S. 57-59
jüdischen Gemeinde auf Elephantine geht es um Nachfahren von Israeliten, die nach der
Zerstörung des Nordreiches nach Ägypten ausgewandert sind.
In der späten Redaktion des Textes werden sie «Aaron», der «Bundeslade» zugeordnet. In der
exilisch-nachexilischen Zeit, rund 800 bis 1000 Jahre nach den Kriegen des Hethiterkönigs
Šuppiluliumas in Syrien wurde «Aaron» zum Sammelbegriff weiblicher Göttinnen in Kanaan.
In IV. Mose 16,31 drückt baka betont den verschlingende Aspekt des tellurischen Weiblichen
aus: Ursprünglich ging es wohl um ein Ritual der Erdgöttin mit Räucherpfannen und Feuer, in
der jetzigen Version um göttliche Bestrafung (V. 2): In der Erzählung treten Männer gegen
Mose und Aaron auf (V. 3). Aaron ist hier keine Göttin mehr sondern Bruder Mose und erster
Hohepriester10. Die Gegner Mose werden als Aufwiegler bestraft. Jahwe selber fordert für sie
die Todesstrafe:
Wenn aber der HERR Unerhörtes schafft, und der Ackerboden seinen Mund aufsperrt und
sie verschlingt mit allem, was ihnen gehört, und sie lebendig hinabfahren ins Totenreich,
werdet ihr erkennen, dass diese Männer den HERRN verachtet haben. Als er aber alle
diese Worte zu Ende geredet hatte, spaltete sich der Ackerboden unter ihnen. Und die
Erde tat ihren Mund auf und verschlang sie und ihre Häuser und alle Menschen, die zu
Korach gehörten, und ihre gesamte Habe (IV. Mose 16,30-32).
«Der Mund» steht hier im Motiv von «Tod und Wiedergeburt» und fällt in dieser Archaik
zusammen mit der Vagina. Das Motiv ist auch in Ägypten bekannt. So verschlingt am Abend
die Göttin Nut/Hathor das «Boot des Res». Dieses durchläuft die Totenwelt, um am Morgen
von der Himmelsgöttin wieder geboren zu werden11. - Im Text IV. Mose 16 kommt das
Wiedergebortsmotiv im Motiv des «Zelteingangs» zum Ausdruck12.
Im Text tauchen einige Wörter auf, die zur Erdgöttin gehören und in der vorliegenden
Erzählung neu interpretiert wurden, so «Eingang des Zeltes» (V. 18.19), «Erde» (Ha-Aräz הארץ,
V. 32.33.34), Ackerboden (Ha-Adamah/האדמה, V. 30.31), Totenreich (V. 30.33) (10).
«Herrlichkeit Jahwes» (V. 19) gilt als Synonym für «Bundeslade»13. – Bei den Hethitern gehörte
diese Symbolik zum Nachtaspekt der Sonnengöttin von Arinna, zur Wurušemu «Mutter der
Erde». Während der Nacht durchläuft sie wie in Ägypten der Sonnengott Re das Totenreich14.
10 E. Auerbach zitiert in Heinrich Valentin, «Aaron eine Studie zur vorpriesterlichen Aaron-
Überlieferung», S. 24
11 Erich Neumann, die Grosse Mutter, S. 157-161
12 vgl. Otto Rank: Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung, S. 87f.
13 Peter Porzig, Die Lade Jahwes im Alten Testament und in den Texten vom Toten Meer,
S. 277, 286.290 etc.
14 Volkert Haas, Heidemarie Koch, Religionen des Alten Orients, S. 174.180
Während der Wüstenwanderung, wie sie in IV. Mose beschrieben wird, ist Aaron als «Lade des
Bundes Jahwes» (IV. Mose 4,44) stete Begleiterin des Volkes. Sie repräsentiert die weibliche
Sonne als Erdmutter, wie sie sowohl in Anatolien wie bei Semiten verehrt wurde15. Auch im
Text IV. Mose 16 kommt Aharon vor, diesmal nicht als Lade, die die Israeliten begleiteten
sondern als «Bruder Mose». Doch die Symbolik im Text weist auf Wurušemu «Mutter der
Erde», die bei den Priestern im fernen Babylon zum Hohepriester Aharon mutierte16.
Zur Bestrafung der Aufwiegler «schafft» Jahwe, der Ewiger Macher «Unerhörtes» (V. 31). Es ist
ein selbständiger Satz steht, auf den ein weiterer selbständige Satz folgt, «und der Ackerboden
sperrt seinen Mund auf».
Wenn aber der HERR Unerhörtes schafft,
und der Ackerboden seinen Mund aufsperrt (V. 31)17
Dort werden die Toten von ihren Müttern in Empfang genommen18. In Kanaan wird sie mit
Sexualität und Fruchtbarkeit assoziiert und damit den grossen Fruchtbarkeitsgöttinnen
angeglichen. Bei späteren Redaktoren tritt sie als «offene Lade» auf und symbolisiert damit
den Erdspalt, die chthonische Mutter und Todesgöttin, was auch in III. Mose 16 zum Ausdruck
kommt, denn vor ihr wird das Blut der Opfertiere gesprengt19.
Und wenn ihr euch in jenen Tagen mehrt und fruchtbar werdet im Land, Spruch Jahwes,
wird man nicht mehr sagen: Die Lade des Bundes Jahwes! Und sie wird niemanden in den
Sinn kommen, und man wird sie nicht vermissen und sie wird nicht wieder hergestellt
werden. In jener Zeit wird man Jerusalem Thron Jahwes nennen. Und dort werden sich alle
Nationen versammeln, beim Namen Jahwes, und dem Starrsinn ihres bösen Herzens
werden sie nicht mehr folgen (Jer. 3,16f.)
Hier ist die Lade «Aaron» als Göttin für die Fruchtbarkeit zuständig und soll nun endlich
verschwinden. Sexualität in Beziehung zu Aaron ist auch an anderen Stellen belegt, etwa in I.
Samuel 2,22 schlafen die Söhne des Priesters Eli mit den Frauen, die vor dem «Zelt der
Begegnung» Dienst tun. Dieses Verhalten weist auf den Fruchtbarkeitskult hin, der von
Schriftpropheten polemisiert wurde. Nach Mircea Eliade gehörte dieses Ritual zum integralen
Bestandteil der Erneuerungs- und Neujahrkultes21. Während und nach dem babylonischen Exil
war diese Praxis aber für die Redaktoren des Alten Testaments unhaltbar: Es war böse in den
Augen Jahwes.
Aber welchen Dienst taten die Frauen vor dem Tempel? Oder die Frauen mit den Spiegeln in II.
Mose 38,8? Oder nach II. Kön. 23,6f. wohnten „Geweihte“ (Qadešim mask. Plur.) beim Tempel
und Frauen woben btim (kultische Gewänder) für die Aschera. Die Kultbilder und die Häuser
der Qedešen nahe beim Tempel liess König Josia zerstören:
Er (Joschija) liess die Aschera aus dem Tempel JHWHs hinausschaffen und sie draussen vor
Jerusalem im Kidrontal verbrennen und zu Staub zerstampfen und den Staub dann auf die
Gräber der gemeinen Leute werfen.
Er riss die Wohnungen der Geweihten ein, die beim Tempel JHWHs waren, in denen die
Frauen btim für die Aschera woben22.
Thomas Staubli hält die Frauen, «die vor dem Eingang der Stiftshütte Dienst taten» (2. Mose
38,8) für «Hofdamen» einer ursprünglich weiblichen Gottheit, die im Zelt verehrt wurde,
vergleichbar mit den Priesterinnen am Hathor-Heiligtum in Timna. Er vermutet in den Frauen
«Wärterinnen des Heiligtums». – Da die Lade sich im Zelt der Begegnung befand, war sie
demnach die erwähnte weibliche Gottheit. Das Zelt der Begegnung vergleicht er mit der
arabischen Qubba, einem kleinen Zelt auf dem Kamel23. Dazu schreibt er:
In Ex. 38,8 ist von diensttuenden Frauen am Eingang des Begegnungszeltes die Rede.
Nimmt man eine Verehrung der Lade innerhalb dieses Zeltes an, so scheinen Frauen im
alttestamentlicher Zeit eine bedeutsame Rolle im Zusammenhang mit der Lade gespielt zu
haben, seien es nun Musikantinnen gewesen …., Tempelprostituierte (vgl. I. Sam. 2,22 M)
oder einfach «Hofdamen» einer ursprünglich weiblichen Gottheit, die im Zelt verehrt
wurde (vgl. die Hathor im Timna!), beziehungsweise Wärterinnen des Heiligtums 24.
In der Qubba befanden sich zwei Steine, welche die Göttinnen Al-Lat und Al-Ussa
symbolisierten. In gleicher Weise dürften in der Lade zwei Steine gelegen haben. Und als uralte
Göttinnen kämen da nur die Sonnengöttin von Arinna und die Himmelsgöttin Hepat in Frage.
21 Mircea Eliade, Kosmos und Geschichte – Der Mythos der ewigen Wiederkehr, S. 72f.
22 Silvia Schroer, «In Israel gab es Bilder», S. 25
23 Thomas Staubli, Das Image der Nomaden, S. 225
24 Thomas Staubli, das Image der Nomaden, S. 224. Er bezieht sich auf Julian Morgensterns «The Ark,
the Ephod and the Tent»; vgl. Wolfgang Zwickel, Der Salomonische Tempel, S. 25
Die eine ist uns im Namen der Lade Ha-Aaron überliefert, die andere als Eva, «die Mutter alles
Lebens» (I. Mose, 3,21).
An die «Frauen des Tempels» knüpft eine kathologische Tradition an, nach der soll Maria „den
purpurne Vorhang im Tempel gesponnen haben». Doch Maria befasste sich bekanntlich nicht
nur mit kultischen Tüchern sondern wurde von Gott geschwängert und zur «Gottesgebärerin».
Sie ist als die «neuen Bundeslade» interpretiert25.
Bei «Geweihte» weiss man allerdings nicht, was damit gemeint ist. Die «Gute Nachricht Bibel»
übersetzt «geweihte (maskulin plural) Männer und Frauen». Dabei wird angenommen, dass
wie in westlichen Sprachen im Hebräischen mit der männlichen Form eines Wortes Frauen
mitgemeint sind. Andere Übersetzungen orientieren sich an den populären Ascheren, die es im
Jerusalemer Tempel und überall im Lande gab und übersetzen Qadešen als männliche «Kult-
Prostituierte», so die Luther und Elberfelder Bibeln:
Und er brachte die Aschera aus dem Hause des HERRN hinaus vor Jerusalem an den Bach
Kidron und verbrannte sie am Bach Kidron, zermahlte sie zu Staub und warf ihren Staub
auf die Gräber des einfachen Volks. Und er brach ab die Häuser der Tempelhurer, die an
dem Hause des HERRN waren, in denen die Frauen Gewänder für die Aschera wirkten.
(Luther-Bibel 2017: II. Könige 23,6 vgl. auch I. Kön. 22,47).
Die «English Standard Version» übersetzt Qadešim mit «the male cult prostitutes» und die
«King James Version»: «and the remnant of the sodomites» (I. Kön. 22,46)28.
Christine Stark ist dem Begriff Qadešim nachgegangen und fasst am Anfang des Buches
zusammen:
Bei den Stellen zu den männlichen Qedešen ist gar keine Verknüpfung zu hurerischen
Handlungen gegeben. Bei den weiblichen ist zwar eine Anlagerung der Hurerei-Vorwurfs
festzustellen, dieser basiert jedoch auf dem metaphorischen Vergleich von erwünschtem
Glauben mit hurerischem Treuebruch gegenüber JHWH 29.
Die Autorin kann zum Begriff Qedešen für Männer keinerlei sexuelle Kultpraktiken nachweisen,
für Frauen schon. Doch diese hängt nicht mit dem Begriff «qdš» zusammen sondern mit dem
Vorwurf Gottes gegen sein hurerisches Volk. D.h. im metaphorischen Vergleich ist der Mann
Gott gleichgesetzt30, Frau Metapher für Untreue und Hurerei gegenüber ihrem Ehemann und
Gott. Damit wird sie zur Schattenträgerin von Gott und Mann, denn alles Negative, das Gott
und seine Theologen nicht an sich sehen wollen, projizieren sie auf Israel, «seine Frau». So ist
zu bedenken, dass im Vorwurf gegen Israel als hurerische Ehefrau häufig soziale
Ungerechtigkeit gemeint sind, bei der die Reichen die Armen ausnutzten. Darüber hinaus
werden auch die Verehrung anderer Götter und Göttinnen als Hurerei diffamiert. - Für mich stellt
sich da eine ethische Frage: Von Kind auf wurde mir eingeredet, dass sich die jüdische und
später die christliche Religion moralisch über «die anderen Religionen» erhoben haben. Wie ist
aber diese moralische Überlegenheit zu vereinbaren, wenn metaphorisch, abstrakt oder sonst
irgendwie der Schatten dieser Religion auf ein Frauenbild projiziert wird, oder wenn andere
Religionen und Völker mit den eigenen sexuellen Phantasien diffamiert werden, um die eigene
Religion ideologisch über die anderen zu setzen?
Die sexuelle Praktiken, die es im Alten Testament doch gibt, ordnet Christine Stark der
Volksreligion und der Hausfrömmigkeit zu. Sie sind auf Feiern beschränkt, die zu bestimmten
Zeiten stattfanden, wo Tabus aufgebrochen und überschritten werden, etwa unserer Fasnacht
vergleichbar. Auch gibt es Grauzonen zwischen Offizialkult und Privatfrömmigkeit, wenn
private Äusserungen im öffentlichen Raum stattfinden. Als Beispiel nennt die Autorin Hannas
privates Gebet im Tempel von Silo (1. Sam. 1,9f.), das eine öffentliche Kulthandlung nach sich
zieht (z.B. 1. Sam. 1,24ff: Hanna löst ihr Gelübde ein)31.
Diesem Verbot folgt ein weiteres, das es verbietet, für ein Gelübde Dirnenlohn oder Hundegeld
in den Tempel Jahwes zu bringen:
Du sollst keinen Dirnenlohn und kein Hundegeld in das Haus Jahwes,
deines Gottes, bringen auf irgendein Gelübde hin,
denn beides verabscheut Jahwe dein Gott. (V. 19)
V. 18 wird in 3. Person gehalten und V. 19 in 2. Person singular. Obwohl der stilistische Bruch
der beiden Verse offensichtlich ist, werden die beiden Sätze zusammengelesen, d.h. die
weiblichen Geweihten werden mit Dirnenlohn und die männlichen mit dem Hundegeld in
Verbindung gebracht. Nach Christine Stark ist «Hundegeld» das Geld, das für einen Sklaven
oder Untergebenen an den Tempel bezahlt werden soll und zwar für ein geleistetes Gelübde.
Sie zeigt auch, dass die beiden Versen sekundär in die vorliegende Versreihe eingefügt wurden.
Nach ihr bleibt die Tätigkeit der Qedešen unklar und folgert, es handle sich um eine dem
Jahweglauben unerwünschte Arbeit32.
Sonderbar ist aber, weshalb es ein solches Verbot überhaupt gibt, das ausdrücklich Hurerei
unter Israelitinnen und «eine unerwünschte Arbeit» für Israeliten verbietet. Ein solches Verbot
wurde doch nicht einfach in den luftleeren Raum ausgesprochen, sondern muss irgendwo
fassbar sein? – So gibt es alte, vorexilische Texte, die später durch die veränderten
Moralvorstellungen der Autoren und Redaktoren aus dem Exil bearbeitet wurden, aber deren
ursprünglichen Sinn noch zu greifen sind, auch ohne den Begriff «Qedešen» zu gebrauchen,
etwa wenn David nackt vor der Lade tanzt (II. Sam. 6) oder Eli Hanna einen Sohn «verheisst» (I.
Sam. 1-3).
Jahwes bringt36. Das sollen die Priester an sich nehmen, ein jeder von seinem Verwalter,
und sie sollen die Schäden am Haus ausbessern, wo immer sich daran ein Schaden findet.
(II. Kön. 12,5).
Der Text scheint mir recht kompliziert, da wurde viel herumgeflickt. Die Übersetzungen zeigen
demnach auch ein uneinheitliches Bild, was der Begriff Weihegabe bedeuten könnte. Die Wurzel
von für Weihgaben הַ קֳּ דָ ִׁ֜שיםist « קדשheilig» wie die von Qedešen. In II. Könige 12 geht es meines
Erachtens um die Einnahmen der Qedešen, den sie für die Renovation des Tempels Salomons
entrichten sollen. Darauf weist auch עברabr37 für «Einschätzung». עברheisst «vorüberziehen»,
doch kann עברauch „besamen“ heissen im Sinne von «Geschlechtsverkehr haben»38. So gibt es
ein Verbot, in dem es heisst:
Auch sollst du deines Nächsten Weib keinen Beischlaf gewähren, sie zu besamen,
dass du dich mit ihr verunreinigest.39 (III. Mose 18,21; auch Hiob 21,10)
In unserem Text II. Könige 12,10 wird geschildert, wie der Priester Jehojada genüsslich ein Loch
in irgendein Kästchen (Aaron) bohrt:
Jehojada, der Priester, aber nahm (irgend)einen Kasten (Aaron), bohrte ein Loch in dessen
Deckel und stellte ihn rechts neben den Altar, wo jeder eintrat in das Haus des HERRN.
Dort hinein taten die Priester, die Hüter der Schwelle, alles Silber, das in das Haus des
HERRN gebracht wurde.
Also zum Einsammeln der Gelder für die Tempelrenovation nahm der Ziehvater des Königs
Jehoasch IRGENDEIN Kästchen, irgendein Aaron und bohrt da ein Loch in den Deckel. Doch
während der Königszeit stand im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels die Bundeslade, die
– was für ein Zufall - ebenfalls Aaron heisst. Deshalb gehe ich davon aus, dass mit diesem
Geldkästchen, in welches man noch ein Löchlein bohren musste, um eine willentliche
Abwertung der Bundeslade geht, das durch das «irgendein» unterstrichen wird. So kommt
«durchbohren» in Geldangelegenheiten im Alten Testament nur noch in der
Unheilsverkündigung des Propheten Haggais vor:
Und wer Lohn verdient, legt den Lohn in einen durchlöcherten Beutel. (Hag. 1,6).
Die ausführliche Schilderung, wie Jojada ein „Loch in den Deckel von Aaron“ gebohrt habe,
lässt an die «Durchbohrte» denken, was «Frau» bedeutet. «Durchbohrte kann auch für
Göttinnen (Dt. 4,16) und weibliche Opfertiere40 verwendet werden.
Ich denke, ursprünglich wurde für die Geldbeschaffung, um die dringenden Renovationen des
Jerusalemer Tempels zur Zeit König Joas Qedešen-Gelder verwendet. Da aber Qedešen laut V.
Mose 23,18 verboten waren, und andererseits die Bundeslade im Allerheiligsten nach Jeremia
3,14 vergessen sein sollte, hatte sich ein später Redaktor aus seinen Vorgaben eine satirische
Erzählung ausgedacht, in deren Mittelpunkt die Bundeslade stand, die lächerlich gemacht
werden soll.
Über geweihte weibliche Prostituierte wurde schon viel diskutiert. Was mich weit mehr
interessiert, sind die männlichen Prostituierte. Und so wie ich die Texte im Alten Testament
lese, ist das Wort «Qedešen» Sammelbegriff für Priester (I. Sam. 1), Propheten (II. Kön. 4,15ff.)
und Männer, die sich als Bote Gottes ausgeben (Ri. 13,3ff.; Lk. 1,26ff.) oder als Gott höchst
persönlich (I. Mose 18,9ff.; Matth. 1,18ff.).
Der Mann ist nicht nur mit der geliebten aber kinderlosen Hanna verheiratet sondern auch mit
einer zweiten Frau Peninna, die viele Söhne und Töchter hat (V. 4). Diese Peninna macht sich
über die Unfruchtbarkeit Hannas lustig und kränkt sie sehr.
Diese Formation einer unfruchtbaren und einer fruchtbaren Frau, die mit demselben Mann
verheiratet sind, ist typisch im Alten Testament, so Sara und Hagar als Frau und Nebenfrau
Abrahams oder Lea und Rahel als Schwestern und Ehefrauen Jakobs. Dazu schreibt Irmtraud
Fischer:
Das Motiv der Unfruchtbarkeit hat damit offensichtlich eine Theologisierung erfahren, da
diese Kinder unfruchtbarer Mütter ihre Existenz mehr dem rettenden Eingreifen Gottes
für die Frauen als der männlichen Potenz verdanken 1.
oder «der Höchste» und wird als «der Erhabene» übersetzt. Nach Reinhard Müller ist
Eli als Kürzung für «mein Gott ist hoch (= erhaben)» zu verstehen2.
«Hinauf», «hoch» kommt im selben Satz also zwei Mal vor. Es ist, als ob der Prediger den
verbotenen Höhenkult, den jede Hörerin und jeder Hörer im rückständigen Juda Ende des 6.
Jh. v. Chr. kennt, abwehren wollte. Dabei leitet er ihr Wissen knapp auf die beiden Söhne Elis
Hophni und Pinhas, um zu sagen:
Auf die Söhne komme ich noch. Doch vorher erzähle ich eine andere Geschichte,
die Geschichte der gesitteten Familie des Mannes Elkana.
Und so schildert der Prediger wortreich, wie die Familie beim Abendessen zu Tisch sass –
gesittet, wie es sich für eine anständige Familie gehört! – Nur die Hauptperson Hanna ist
traurig, sie mag weder essen noch trinken, sodass Elkana sie fragt: „Bin ich dir nicht mehr wert
als 10 Söhne?“ – Sie gibt keine Antwort sondern steht auf und eilt zum Tempel und betet dort
inbrünstig zu Jahwe um einen Sohn (V. 9a). Während sie betet, sitzt Eli („der Erhabene“), auf
einem Stuhl beim Türpfosten vor dem Tempel3 und beobachtet Hanna, wie sie vor Jahwe um
einen männlichen Spross bettelt.
In 1. Samuel 1 wird mit keinem Ton erwähnt, dass Aaron in Silo stand. Stattdessen pilgert die
Familie zu «Jahwe der Heerscharen». «Heerscharen» gehörte jedoch ursprünglich zur Gottheit
Aaron, erst in verschiedenen Schritten ging der Begriff an Jahwe über, wie ich in einem
weiteren Kapitel zeigen werde. Dass Aaron in Silo stand, wird in I. Samuel 3,3 kurz erwähnt.
Hanna gelobte, wenn sie von Jahwe einen Sohn bekommt, wird sie diesen Jahwe weihen. Das
Wort Gelübde (hebräisch ndr )נדרkommt im Alten Testament auch im Verbot vor, wonach kein
Dirnenlohn oder Hundelohn für ein Gelübde im Tempel Jahwes geduldet wird (V. Mose 23,19).
Hanna entscheidet selbständig, aus eigenem Antrieb, dass sie ihren Sohn der Gottheit weihen
wird. Da frage mich, wie ist das möglich in einer streng patriarchalen Gesellschaft, auf die
unsere Alttestamentler insistieren? Ein solches Versprechen könnte doch nur der Besitzer von
2 Konkordanz, S. 1652: ähnlich lautende Namen, die mit Ajin beginnen nur noch von Ulla in 1. Chr. 7,39;
Alwah (I. Mose 36,40) und Alwan (I. Mose 36,23). Elia von Elijahu (mein Gott ist Jahwe) und Elisa
werden mit Alef geschrieben.
Reinhard Müller „Eli/Eliden“ in Bibellexikon, 10.10.2017
3Hier ist wörtlich vom «Tempel Jahwes» die Rede. So sass Eli vor dem Tempel (V. 9). In I.
Samuel 2,22 tun die Frauen aber Dienst vor dem «Zelt der Begegnung». D.h. hier besann sich
der Redaktor, dass es vor dem Tempel Jerusalems gar keinen Tempel für Jahwe geben darf und
setzt der exilisch-nachexilischen Ideologie entsprechend «Zelt der Begegnung».
Frau und Kind, Elkana, leisten. Aber dieser sitzt in der Herberge im trauten Kreis seiner zweiten
Frau und den zahlreichen Kindern. – Aber auch kein Aufschrei, wie die eines Propheten Hosea,
wo sich seine Lieblingsfrau Hanna alleine in der abendlichen Dunkelheit herumtreibt.
Schliesslich will sie einen Sohn, und den bekommt sie nur mit einem konkreten Mann, ob man
diesen nun Eli «der Erhaben» nennt oder Engel Gabriel (Lukas 1,26). Von daher ist es
naheliegend, dass der Erzähler die Praktiken des Höhenkultes in eine moralisch gesittete
Erzählung umdeutet. Dabei gibt sich Hanna nicht in einer rauschhaften Orgie einem göttlichen
Vertreter auf Erden hin, sondern heult und bettelt im Tempel auf Knien um einen Sohn. Der
Erzähler will den Rückständigen in Juda klarmachen:
Diese Geschichte hat nichts, aber gar nichts zu tun mit den Fruchtbarkeitskulten
auf den Höhen oder den verbotenen Qedešen.
Im vorliegendem Text konnte Eli vom Türpfosten die betende Hannah zwar sehen, aber nicht
hören. Und so glaubt er, sie sei betrunken (V. 14f.). Er geht zu Hanna und tadelt sie. - Ein
kluger psychologischer Moment des Predigers, denn die Hörerin, der Hörer haben dem
Priester Eli das Wissen voraus, dass Hanna nichts gegessen und nichts getrunken hatte, schon
gar kein berauschendes Tränkchen. Hier geht es nur um ihre Trauer – und um gar nichts
anderes! – der geistige Mahnfinger des Predigers ist mit Händen zu greifen. Um dies zu
unterstreichen, legte er der Hanna in den Mund:
Hanna aber antwortete und sprach: Nein, mein Herr! Ich bin eine Frau beschwerten
Geistes; Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken, sondern habe mein Herz vor
Jahwe ausgeschüttet. Du sollst deine Sklavin nicht für eine Tochter Belials halten, denn ich
hab aus meinem grossen Kummer und aus Traurigkeit so lange geredet.
Wo genau Hanna betet, ist nicht klar. Die Fachleute gehen davon aus, dass sich Hanna im
Innern des Tempel befindet, was für Frauen verboten war. Auch der Platz, wo Eli auf einem
Stuhl (oder Thron) sitzt, ist auffällig. Am Türpfosten vor dem Tempel wohnten sonst die
Frauen, die ihren Dienst taten (I. Kön. 22,47).
Auffällig ist auch das Gefälle zwischen Gott und der Frau respektive dem Priester und der Frau.
Hanna spricht Gott als «Jahwe» oder «Jahwe der Heerscharen» an. Offiziell soll man statt
Jahwe Adonai «mein Herr» sagen. Hanna spricht aber auch den Priester Eli mit «Adonai» an. Es
ist also kein Unterschied zwischen Gott und dem Priester Eli (der Erhabene). Demgegenüber
bezeichnet sich Hanna vor Jahwe als «deine Magd», vor dem Priester erniedrigt sie sich gar zu
«deine Sklavin». Als Eli sie fortschickte sagte er:
Daraufhin sagte Eli: Geh in Frieden! Und der Gott Israels möge dir geben, was du von ihm
erbeten hast.
Und sie sprach: Deine Sklavin möge Gnade finden in deinen Augen. Und die Frau ging ihres
Wegs, und sie ass, und ihr Gesicht war nicht mehr betrübt. (1. Sam. 1,17f.)
Eli spendet ihr den Segen vom «Gott Israels». Da ursprünglich Aaron die Göttin Israels war,
bleibt hier in der Schwebe, welche Gottheit gemeint ist. Dasselbe Phänomen findet sich im
Lukas-Evangelium: Gott schickt den Engel Gabriel, der zu Maria sagt, der «Heilige Geist»
komme über sie. Der Heilige Geist als Taube verweist ausdrücklich auf die altorientalische
Liebesgöttin. Demnach steht der Engel Gabriel als «Geliebter der Göttin» der Maria gegenüber
(Lukas 1,28), um mit ihr stellvertretend für den Heiligen Geist das Kind zu zeugen. Doch dies
widerspricht der moralischen Vorstellung der Geschichteerzähler, und so lassen sie den Engel
Gabriel respektive den Priester Eli die Verheissung aussprechen. – Was Jesus betrifft, so geht
Paulus von Tarsus klar von einer konkreten Zeugung aus:
Das Evangelium von seinem Sohn, der nach dem Fleisch aus dem Samen Davids stammt,
nach dem Geist der Heiligkeit aber eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht, seit der
Auferstehung von den Toten. (Röm. 1,3f.)
Ich denke, es ist ein Satz, der die Zeugung verschleiern soll. Doch diese Vorstellung wehrt der
spätere Redaktor ab und notierte kurz: nicht Adonai hat den Sohn gezeugt sondern Elkana, der
kaum zu Hause angekommen, Hannah «erkannte», d.h. er hatte Sex mit ihr (V. 19)4.
Als der Bub entwöhnt war, überbrachte Hanna ihn dem Tempel. Aber sie weihte nicht nur
ihren Sohn dem Tempel sondern spendete noch einen Stier, Mehl und Wein (V. 24), dazu
Kleider für den kleinen Novizen, und Geld hatte sie ebenfalls dem Tempel vermacht. Dies alles,
ohne ihren Ehemann Elkana zu fragen. - Und dass Sie bei all diesen Gaben an den Tempel ja
nicht an den «Hundelohn» für unerlaubte Dienste des Priesters denken! – Ja nicht!
So bieder und harmlos der priesterliche Segen Eli daherkommt, in V. 21 ist davon die Rede,
dass Jahwe Hanna heimsucht (pqd). Das göttliche „Heimsuchen“ wird im Alten Testament
gewöhnlich als «Strafe Gottes für die Verfehlungen des Volkes» verwendet5. Wenn eine Frau
von Gott heimgesucht wird, dann ist pqd positiv als Zeugen eines Sohnes verwendet. So wird
auch Sara von Gott geschwängert:
Und der Jahwe suchte Sara heim (pqd), wie er gesagt hatte,
und tat an ihr, wie er geredet hatte (1. Mose 21,1).
Wie bei Sara «heimsuchen» verstanden sein will, wird in der Namensgebung Isaaks klar. Denn
Abraham nannte «seinen» Sohn Isaak mit der Begründung: Gott habe Sara ein Lachen bereitet
(isq: I. Mose 21,1-6). Doch Isq bedeutet eigentlich „Geschlechtsverkehr haben»6. Im Namen
Isaak kommt die kultische Vereinigung einer Frau mit Gott also noch deutlicher zum Ausdruck
als bei Hanna. Erst in der Nachexilszeit suchten die Redaktor diesen Worten eine neue
Bedeutung zu geben, indem der jeweilige Ehemann an Gottes Statt tritt. Im Neuen Testament
wurde Maria vom «Heiligen Geist als Taube» respektive ihrem Vertreter, dem Engel Gabriel
heimgesucht. In der moralisierenden Variante überbrachte dieser bloss die frohe Botschaft.
Und darauf ist sie wie Hanna des Lobes voll über Gott (I. Sam. 2,1ff; Lk 1,46-55)7.
In I. Samuel 1 handelt Hanna selbständig, als wohlhabende Frau. Ihr Ehemann spielt ausser in
einigen Notizen, die die Tugendhaftigkeit Hannas bestätigen soll, keine Rolle. Wie passt aber
eine solche Frau im «reinen Jahweglauben», der nach heutigen Theologen ein strenges
Patriarchat legitimieren soll?8
Sie sei keine «Bath-Belial». «Bath Belial» wird in den Bibeln mit «ruchlose Frau» übertragen.
Hamilton Smith9 übersetzt wortwörtlich: sie sei keine „Tochter Belials“. Sie ist keine «Tochter
dunkler Mächte», «keine Tochter Satans». - Was meint der Erzähler damit? Im Alten
Testament ist sie der einzige weibliche Mensch, der mit Satan in Verbindung gebracht wird. In
den anderen Beispielen handelt es sich um Männer, die bejahend als «Söhne Belials»
bezeichnet werden, bereits die Söhne Elis, Hophni und Pinhas. In der Luther Bibel (2017):
Aber die Söhne Elis waren ruchlos. Sie fragten nicht nach dem Herrn
Auf die tugendhafte Mutter Hanna folgt ihr Sohn: Der junge Novize «Samuel» war im Tempel
Silos ein tugendhaftes und von Jahwe anerkanntes Kind (V. 26) im Gegensatz zu den Söhnen
Elis, die die Pilger um ihre Opfer prellten und mit den Frauen schliefen, die vor dem Eingang
des «Zeltes der Begegnung ihren Dienst taten» (I. Sam. 2,22). «Söhne Belials» waren auch die
Männer der Stadt Gibea, die des Nachts den fremden Leviten für homosexuelle Handlungen
herausforderten. Der Levit überliess ihnen seine Nebenfrau, die bei der nächtlichen
Vergewaltigungen getötet wurde (Ri. 19,22; 20,13). «Söhne Belials» stehen also im
Zusammenhang mit unerlaubter Sexualität. Ausserdem ist Belial eine numinose Gestalt, die
summarisch für die «fremden Götter und Göttinnen» steht. Da nur Jahwe Gott ist, sind diese
aber keine Götter, sondern werden als «abgefallener Engel und seine Diener» interpretiert.
Das setzt eine lange theologische Reflexion voraus, die deutlich macht, dass die Erzählung spät
entstanden ist, in nachexilische Zeit.
Hanna ist «keine Tochter Belials». Dieser Hinweis richtet sich gegen die Polemik der
Schriftpropheten, die die Untreue des Volkes Israel metaphorisch als lüsternes Frauenzimmer
darstellten: Hanna ist keine solche Frau. Ihren Wunsch nach Kinder wird in nachexilischer Zeit
kraft des Wortes der Verheissung von ihrem Ehemann vollzogen.
Die Begründung des Namens war also erbeten vom Verb ša’al. Der Knabe müsste demnach
Saul heissen und nicht Samuel. Geht man davon aus, dass Belial wie im Neuen Testament seine
Verbündete hat, also böse Geister, dann passt Saul eher zur Mutter Hanna, die keine Tochter
Belials war. Denn Saul hatte mit guten (ֱֹלהים ִ֔ ֣רּוחַ א, I. Sam. 10,10) und bösen Geistern ( ֱֹלהים
ִ֛ ֽרּוחַ ־א
ָר ָ ָ֖עה, I. Sam. 16,15) zu kämpfen, die beide von Gott kommen: So überfiel ihn, nachdem Samuel
ihn gesalbt hatte, der Geist Gottes, sodass er inmitten der Propheten weissagte und ein
anderer Mensch wurde (I. Sam. 10,6-10). Doch die bösen Geister waren auch gleich zur Stelle
(I. Sam. 16). - Andererseits nannte David ihn «den Gesalbten Jahwes» (Messias Jahwes/ משיח
יהוה, 2. Sam. 1,14). Auch über David kam der Geist Gottes, nachdem Samuel ihn zum König
gesalbt hatte (I. Sam. 16,13). Aber er kämpfte nicht mit den bösen Geister, sondern wütete
selber wie ein Berserker: So tötete er etwa Männer und Frauen, damit Philisterkönig Achisch
von Gath nichts von seinen Raubzügen erfährt:
David aber liess weder Männer noch Frauen am Leben, die er hätte nach Gat bringen
können. Er dachte: Dass sie nur nicht über uns berichten: So ist David verfahren! Und so
hielt er es, solange er auf dem offenen Land bei den Philistern wohnte. (I. Sam. 27,11).
Dasselbe Muster wiederholt im Neuen Testament: Jesus wurde vom Heiligen Geist in Gestalt
einer Taube zum «Sohn Gottes» bestimmt. Dann führte sie Jesus sogleich in die Wüste und
konfrontierte ihn mit dem Satan. Während seines ganzen Wirkens wird Jesus von bösen
Geistern, den Gehilfen Satans, bedrängt. Er trieb sie vielen Menschen aus, doch, da stellt sich
die Frage, wo gingen diese nach der Austreibung hin? – In die «Pharisäer», «Schriftgelehrten»
und «Heriodianer», die ihn letztlich ans Kreuz brachten. So wie ich das Evangelium lese, steht
Jesus unter dem positiven Aspekt der Grossen Mutter, denn der Heilige Geist erscheint
ausdrücklich in der Gestalt einer Taube, Jesus wurde von einer Frau gesalbt und von einem
Männergremium hingerichtet. Diese Männer sind alle religiöse und politische Würdenträger
und repräsentiert demnach den Archetyp des Grossen Vaters.
Heute geht man davon aus, dass die «Pharisäer», «Schriftgelehrten» oder «Heriodianer» eher
Christen meinen, die zu Anmassungen neigen. – Einen solchen Christ sehe ich in Paulus, der
anfänglich die christliche Gemeinde verfolgt hatte. Als er das Potential der Heidenchristen
begriffen hatte, gab er sich als der ewige Leidende aus. So schreibt Paulus etwa:
Diener Christi sind sie? Bar jeglicher Vernunft sage ich: Ich bin's weit mehr! Mehr Mühsal,
mehr Gefangenschaft, unzählige Schläge, oft in Todesgefahr! Von den Juden erhielt ich
fünfmal die 'Vierzig-weniger-einen'. Dreimal bekam ich die Prügelstrafe, einmal wurde ich
gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf offener
See. Oft war ich auf Reisen, oft war ich Gefahren ausgesetzt durch Flüsse, durch
Wegelagerer, durch Volksgenossen und Fremde; in der Stadt, in der Einöde, auf dem
Meer, durch falsche Brüder. Es gab Mühsal und Plage, ich ertrug viele durchwachte
Nächte, Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blösse. Und abgesehen davon: der
tägliche Andrang zu mir, die Sorge um alle Gemeinden. (II. Kor. 11,23-28)
Wie immer geht es ihm um SEINE Person, sein Leiden, das er aber immer wieder selber
provoziert hatte. Als er dem Kaiser seine frohe Botschaft überbringen wollte, übernahm er
sich. Der Evangelist Lukas schildert die Szene in der Apostelgeschichte:
(Paulus) Ich rufe den Kaiser an! Da besprach sich Festus mit seinen Ratgebern und
antwortete: Den Kaiser hast du angerufen, zum Kaiser sollst du gehen (Apg. 25,11f.)
(Festus) Es scheint mir nämlich unsinnig, einen Gefangenen zu überweisen, ohne
anzugeben, was gegen ihn vorliegt. (Apg. 25,27)
und Agrippa sagte zu Festus: Dieser Mensch könnte wieder frei sein, wenn er nicht den
Kaiser angerufen hätte (Apg. 26,32)
Jesus wurde von ähnlichen Leuten hingerichtet, weil er ein gerechtes System für alle
einforderte, Paulus wurde frei gesprochen, weil er dasselbe patriarchale System vertrat wie
der Statthalter und der jüdische König.
Ob es sich hier um den spanischen Bürgerkrieg geht, um einen Weltkrieg oder um «Gott am
Sinai» - Es ist immer dasselbe: der Wille zur Macht heiligt alle Mittel.