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Sozialpsychologie

Soziale Interaktionen: Gruppen


Einfluss in sozialen Gruppen

MSc. Cathérine Hartmann

ZHAW Psychologisches Institut


Gesamtübersicht Vorlesung
‣ Methoden der Sozialpsychologie: Auf welchem Weg welche Informationen erhoben werden.
‣ Soziale Kognition: Wie Menschen soziale Informationen aufnehmen und weiter verarbeiten.
‣ Einstellungen und Einstellungsänderung: Wie unsere Einstellungen entstehen – und wie wir sie
ändern.
‣ Das Selbst & Kognitive Dissonanz: Wie wir zu einem Verständnis unseres Selbst gelangen & das
Bedürfnis unser Verhalten zu rechtfertigen.
‣ Soziale Wahrnehmung: Auf der Suche nach Ursachen menschlicher Handlungen.
‣ Gruppen - Soziale Interaktion: Wenn Gruppen unseren Charakter verändern.
‣ Sozialer Einfluss/Konformität: Von der Anpassung der eigenen Meinung bis zu «tödlichem Gehorsam».
‣ Prosoziales Verhalten: Wann helfen wir anderen – und wann nicht?
‣ Vorurteile: Woher kommen sie, was machen sie mit uns und was können wir dagegen tun?

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Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikt & Kooperation

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Überblick & Einleitung Gruppen
• … die Wichtigkeit von Gruppenentscheidungen und deren Tragweite.

A Lone Morton Thiokol Engineer tried to


convince NASA and Thiokol management that
their booster rocket is flawed. Both NASA and
Thiokol ignore his warnings.The next day The
Space Shuttle Challenger explodes over
Florida and the Rogers Commission is formed
to find out what exactly happened.

https://www.youtube.com/watch?v=xV25ol-NedQ

Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Gruppenentscheidungen: Sind zwei (oder mehr) Köpfe besser als einer?
In: Sozialpsychologie (S. 291). München: Pearson Studium.
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Überblick & Einleitung Gruppen

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As a
group
we can create problems
none of us
could cause
as individuals.

ZHAW Psychologisches Institut Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Gruppenentscheidungen:
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Sind zwei (oder mehr) Köpfe besser als einer? In: Sozialpsychologie (S. 291). München: Pearson Studium.
Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikt & Kooperation

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Definition & Abgrenzung
WARUM BILDEN WIR GRUPPEN - WARUM SCHLIESSEN WIR UNS IHNEN AN?
menschliches Grundbedürfnis der Zugehörigkeit - evolutionär bedingt - angeboren?

• bieten soziale Unterstützung & Ressourcen


• Mitglieder können als Informationsquelle dienen und Mehrdeutigkeit der sozialen Welt auflösen
• bestätigen das Selbstkonzept
• Zugehörigkeit formt eigene Identität und Gruppenidentität
• Identität bestimmt Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und grenzt nach außen ab

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Definition & Abgrenzung

Die Definition von Gruppe. Je nach Disziplin unterscheiden sich die Definitionen geringfügig.
„Eine Gruppe besteht aus zwei oder mehreren Personen, die miteinander interagieren und insofern interdependent
sind, als ihre Bedürfnisse und Ziele eine gegenseitige Beeinflussung bewirken. Personen, die sich zu einem
gemeinsamen Zweck zusammengetan haben, bilden Gruppe “ (Aronson et al., 2014)
„Eine Gruppe ergibt sich, wenn sich zwei oder mehr Einzelpersonen als Mitglieder einer Gruppe definieren.“ (Tajfel,
1981)
„A group exists when two or more people define themselves as members of it and when its existence is recognized by
at least one other member. “ (Brown, 1988)
“Eine Gruppe ist 1. eine Mehrzahl von Personen, 2. die über längere Zeit 3. in direktem Kontakt stehen, 4. wobei sich
Rollen ausdifferenzieren, 5. gemeinsame Normen entwickelt werden und 6. Kohäsion, d. h. ein Wir-Gefühl,
besteht.“ (von Rosenstiel 2003).
„Eine Gruppe im Arbeitskontext besteht aus drei oder mehr Personen, die ihre Aufgabenstellungen mit Hilfe von
Kommunikation und Kooperation bearbeiten.“ (Brodbeck & Guillaume, 2010)

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Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
Zusammensetzung:
• Variation der Gruppengröße:
durchschnittlich 2-6, mit steigender
Anzahl wird Interaktion schwierig
• Homogenität in Bezug auf Alter,
Geschlecht, Überzeugungen,
Meinungen
• Ähnlichkeit: „gleich und gleich gesellt
sich gern“, Menschen mit ähnlichen
Einstellungen fühlen sich zueinander
hingezogen und attraktiv, d.h. sie
lassen eher ähnliche Menschen in
Jonas, K., Strebe, W., & Hewstone, M.
die Gruppe hinein. (2007). Phänomenologie von Gruppen.
In: Sozialpsychologie (S. 415).
Heidelberg: Springer.

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Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
• … soziale Normen: in Bezug darauf, welches Verhalten akzeptabel ist.
• Einhaltung einiger dieser Normen wird von allen erwartet, andere variieren von Gruppe zu Gruppe.
• Wenn man zu häufig gegen Gruppennormen verstößt, wird man von anderen Mitgliedern gemieden und im
Extremfall dazu angehalten, die Gruppe zu verlassen.
• … soziale Rolle: gruppeninterne gemeinsame Erwartung, wie sich bestimmte Personen verhalten
sollten.
• Die meisten Gruppen verfügen über eine Anzahl von klar definierten sozialen Rollen. So wird
definiert, wie sich Personen, die innerhalb der Gruppe bestimmte Positionen einnehmen, zu
verhalten haben.

• …sind hilfreich, weil man weiß, was man voneinander zu erwarten hat:
• Wenn Mitglieder einer Gruppe sich an ein Gefüge klar definierter Rollen halten, resultiert daraus tendenziell
Zufriedenheit und gute Leistung.

• …fordern potenziell jedoch auch einen gewissen Tribut.


• Menschen können sich so stark in eine Rolle einfinden, dass ihre persönliche Identität und ihre Persönlichkeit
verloren gehen.
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Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
• Die soziale Rolle im Stanford Prison Experiment (Zimbardo et al., 1973)
• zufällige Rollenzuweisung (Wärter vs. Gefangener); geplante Beobachtungszeit:
2 Wochen; Abbruch nach 6 Tagen, zu starke Identifikation mit Rolle, Verlust der
Identität, Loslösung von sozialen Normen
• überwältigend machtvolle Situation: Gefangene waren
in sich selbst zurückzogen und verhielten sich
pathologisch (depressiv), einige Strafvollzugsbeamte
zeigten sadistisches Verhalten (Misshandlung der
Gefangenen ging auch nachts weiter, wenn sie
anscheinend unbeobachtet waren).

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Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
Stanford Prison Experiment: Zimbardo et al., 1973

ZHAW Psychologisches Institut https://www.prisonexp.org/german !12


Zusatz: Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
• BBC Prison Study www.bbcprisonstudy.org • Findings & Conclusions:
• [Shared] social identity was a source of strength and resilience for the
prisoners just as its absence was a basis for weakness and disintegration
among the guards. United, the prisoners overcame their stress; divided,
the guards buckled. (Haslam & Reicher, 2006)

• People do not automatically act in terms of group memberships or roles


ascribed by others. (Reicher & Haslam, 2006)

• The rather remarkable conclusion of this simulated prison experience is


that the prisoners dominated the guards! The guards became increasingly
paranoid, depressed and stressed … Several of the guards could not take
it any more and quit. The prisoners soon established the upper hand,
working as a team to undermine the guards .… What is the external
validity of such events in any real prison anywhere in the known universe?
In what kind of prisons are prisoners in charge? How could such an
• Setting: eventuality become manifest?” (Zimbardo, 2006, commenting on the BBC
Prison Study)
• simuliertes Gefängnis mit zufälliger Insassen- & Wärter-Aufteilung
• NEU - Promotion: Insasse kann zum Wärter aufsteigen
• NEU - zusätzlicher Verhandler: neuer Insasse kommt an Tag 5 (möchte Konflikt klären) und wird Anführer der Verhandlung/Forum zw.
Insassen & Wärtern
• Abzug des Verhandlers/Anführers: Reaktion der Gruppe, Beibehaltung der Demokratie scheitert, Konflikt flammt wieder auf
• „Aufbau einer Kommune“: gleiche Rollenverteilung, Eigendynamik nimmt ihren Lauf
• endet in „Militärregime“ &Tyrannei
Branscombe, N. R. & Baron, R. A. (2017). Social Influence: Changing Others’ Behaviour
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In: Social Psychology (S. 288). Essex: Pearson Education Limited.
Zusatz: Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
Stanford Prison vs. Gefängnis Abu Ghraib (Irak)
• systematischer Gefangenenmissbrauch im Abu Ghraib
Gefängnis im Irak durch US-Soldaten
• Situation und soziale Rollen als Ursache?
• P. G. Zimbardo als Gutachter der US-Soldaten, die am
Missbrauch beteiligt waren

• "I had taken similar images myself 30 years earlier," he says. "And by similar, I mean prisoners with bags over their heads, prisoners
stripped naked, prisoners made to do sexually degrading activities. It was very disturbing. [The scenes at Abu Ghraib] recreated
emotionally the horrible things I not only saw but that I allowed to continue to happen."
• "When the American military and Bush administration immediately distanced themselves by saying Abu Ghraib was the work of a few bad
apples, I was suspicious," he says. "I knew that in the Stanford experiment, I began with good apples and that it was the place that
corrupted them, so my hypothesis was that maybe these soldiers were good apples and it was the barrel at Abu Ghraib that corrupted
them."
• "There was a real injustice," says Zimbardo. "Colonel Larry James, a psychologist sent to Abu Ghraib to fix it, said that 50 times he was
within 100 yards of being blown up or shot. It was 130 degrees. There was faeces everywhere; rats running around; 1,000 prisoners,
many naked; people screaming. It was hell." Frederick, he explains, worked 12-hour shifts in these conditions without a night off in 40
days. When he finished his shift he would sleep in a cell, "so he was always in prison". Not once in three months did a senior officer come
down to his area, says Zimbardo.

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http://www.ted.com/talks/philip_zimbardo_on_the_psychology_of_evil !14
Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
‣ … Verbundenheit/Kohäsion: Aspekte einer Gruppe, welche die Mitglieder aneinander binden und die
Zuneigung innerhalb der Gruppe fördern.

‣ Bei wachsender Gruppenkohäsion verbleiben die Gruppenmitglieder umso wahrscheinlicher in der


Gruppe, nehmen an Gruppenaktivitäten teil und versuchen, neue gleichgesinnte Mitglieder anzuwerben.
‣ Wenn man bei einer Aufgabe gut abschneidet, steigt die Kohäsion der Gruppe.
‣Gute Leistung > größere Kohäsion

‣ Auch wenn die Aufgabe enge Kooperation zwischen den Gruppenmitgliedern erfordert, bewirkt die
entstehende Kohäsion, dass eine Gruppe hohe Leistungen erbringt (z.B. im Fussball, Militärmanöver, etc.).
‣ Wenn die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen Gruppenmitgliedern wichtiger wird als die
Erarbeitung guter Lösungen für das gegebene Problem, kann die Kohäsion optimalen Lösungen auch im Weg
stehen. (z.B. „kuschelnde Politiker“)
‣ Große Kohäsion > bessere Leistung bei Aufgaben, die enge Zusammenarbeit erfordern
und > schlechtere Leistung bei Aufgaben, die Differenziertheit erfordern (siehe Groupthink)

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Merkmale von Gruppen - Zusammensetzung und Funktion
‣ … Status: Position und Rang innerhalb der Gruppe. (=Status ist erkennbar in Mensch- und Tierwelt)
‣ Höherer Status kann den Zugang zu zentralen Ressourcen und zur Reproduktion eher ermöglichen als niedriger
Status (Buss, 1999).

‣ Höherer Status kann erreicht werden durch:


‣ … Körperliche Eigenschaften
‣ z.B. haben grösser gewachsene Personen mitunter Vorteile am Arbeitsplatz: mehr Respekt (man muss zu ihnen
hoch schauen), erhalten im Durchschnitt mehr Lohn, werden häufiger auf Führungspositionen nominiert (Judge & Cable,
2004).

‣ Nach einer Wahl wird der Gewinner grösser eingeschätzt als vor der Wahl (Higham & Carment, 1992).
‣ … Personen, die prototypisch für die Gruppe angesehen werden – die also zentrale Eigenschaften der Gruppe
verkörpern –, erhalten eher einen höheren Status, z. B. durch Bestimmung durch den Gruppenführer (Haslam, 2004).

‣ Wenn höherer Status erreicht ist:


‣ zeigt sich oft eine Verhaltensveränderung. Das Beachten von Gruppennormen und -regeln sinkt, ebenso die
subjektive Konformität.
‣ Möglicherweise verhalten sich Mitglieder mit niedrigem Status konformer, um höhere Akzeptanz in der Gruppe zu
erfahren (Jetten et al,, 2006).
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Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikte & Kooperation

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Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
Beeinflusst das Zusammensein mit Anderen die eigene Leistung?

Die bloße Gegenwart Anderer kann eine Reihe interessanter Auswirkungen auf unser
Verhalten haben.
‣ Bearbeitung einer Aufgabe mit Personen, die dasselbe tun wie Sie
‣ Bearbeitung einer Aufgabe vor einem Publikum, das nichts anderes tut, als Sie zu beobachten
• Cockroach-Studie (Zajonic et al., 1969) • Triplet (1898) Soziale Erleichterung/Aktivierung
• Angelschnur-Studie: (social facilitation)
Solange die Aufgabe relativ
…Tendenz, dass Menschen bei
einfach bleibt und gut einfachen Aufgaben besser, bei
eingeübt ist, verbessert die schwierigen Aufgaben schlechter
bloße Anwesenheit anderer abschneiden, wenn sie in
die Leistung. Gegenwart anderer sind und ihre
individuelle Leistung messbar ist.

ZHAW Psychologisches Institut Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Individualverhalten im Kontext !18
der Gruppe. In: Sozialpsychologie (S. 318). München: Pearson Studium.
Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
Beeinflusst das Zusammensein mit anderen die eigene Leistung?

Die bloße Gegenwart anderer kann eine Reihe interessanter Auswirkungen auf unser
Verhalten haben.
‣ Wer mit anderen zusammen ist, kann in einer Gruppe auch untergehen und weniger auffallen
(Einzelleistung ist nicht messbar), es besteht keine Bewertungsangst und Entspannung setzt
ein. Die Motivation, das Beste zu geben, sinkt.
Soziales Faulenzen (social loafing)
(Latané, Williams & Harkins. 1979)
• Ringelmann-Effekt
• nachgewiesen in zahlreichen Untersuchungen: Beifall klatschen, …Tendenz, dass Menschen bei
einfachen Aufgaben schlechter, bei
Team anfeuern, vielfältige Verwendung eines Gegenstandes (z.B.
schwierigen Aufgaben aber besser
Karau & Williams, 2001)
abschneiden, wenn sie in Gegenwart
anderer sind und ihre individuelle
Leistung nicht messbar ist.

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Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
• weitere Motivations- und Koordinationsverluste, die in Gruppen auftreten. (Wegge, 2004)
• Trittbrettfahrer (»free riding«): bewusste strategische Entscheidung, keinen Beitrag zum
Gruppenprodukt zu leisten.

• Nicht der Dumme sein wollen (»sucker effect«): Grundlage: Free-Rider Effekt, Reduzierung der
Anstrengung durch Wahrnehmung reduzierter Leistung anderer Gruppenmitglieder.

• Soldatentum (»soldiering«): Motivations- und Leistungsreduktion als Ausdruck des Protestes


gegenüber Personen oder Gruppen, weil ungerechtfertigt Ansprüche gestellt werden. Der Begriff
spielt auf die Situation an, in der ein Ausbilder von seinen Rekruten Unmögliches verlangt und diese
daraufhin noch weniger leisten, als möglich wäre.

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Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
Soziale Erleichterung und Soziales Faulenzen - Zusammenfassung

• weitere Erkenntnisse
(Karau & Williams, 1993):

• Metaanalyse von 150 Studien


zum social loafing zeigte, dass
die Neigung zum Faulenzen
bei Männern stärker
ausgeprägt ist als bei Frauen
• Die Neigung zum Faulenzen
ist in westlichen Kulturen
stärker ausgebildet als in
asiatischen Kulturen
(unterschiedliche
Selbstdefinitionen).

ZHAW Psychologisches Institut Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Individualverhalten im Kontext !21
der Gruppe. In: Sozialpsychologie (S. 320). München: Pearson Studium.
Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Deindividuation - Untergehen in der Menge
‣ … Lockerung der normalen Verhaltenszwänge beim Einzelnen, wenn er in der Gruppe nicht direkt
identifiziert werden kann.
‣ … führt zu einem Anstieg von impulsiven und von der gesellschaftlichen Norm abweichenden
Handlungen (Handlungen, von denen keiner geglaubt hätte, dazu fähig zu sein)
‣ Bsp. gegnerische Fussballfans, Ku-Klux-Klan, Massaker durch Militär (Lynchmorde)
‣ je mehr Mitglieder der Mob umfasste, desto grausamer und hinterhältiger wurden die Opfer getötet (Mullen, 1986).
Krieger, die vor dem Kampf ihre Identität maskierten (Gesichts- & Körperbemalung) neigten signifikant stärker zu
Mord, Folter oder Verstümmelung von Kriegsgefangenen als Krieger, die ihre Identität nicht maskierten (Watson,
1973)
‣ … mindert das Verantwortungsgefühl (senkt die Wahrscheinlichkeit, zur Rechenschaft gezogen zu werden)
‣ … verstärkt das Befolgen von Gruppennormen (je höher die Deind., desto eher wird die Gruppennorm befolgt)
‣ … tritt häufig im Cyberspace auf (anonyme Kommentarfunktion erlaubt bedenkenlos Kommentare)
‣ Wenn Anwesende wieder als Individuen adressiert werden - z. B. gezieltes Ansprechen in der Menge -
dann nimmt die Verantwortung für die Handlung zu und die Handlung wird direkt auf sich selbst
bezogen.
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Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikte & Kooperation

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Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Hauptgrund für Gruppenarbeit: Entscheidungen!! Gruppe ist glaubwürdiger und deren Meinung aussagekräftiger.

‣ Im Allgemeinen arbeiten Gruppen erfolgreicher als Individuen, wenn sie sich auf die Person mit
dem meisten Fachwissen verlassen und wenn sie motiviert sind, nach der Antwort zu suchen, die
am besten für die gesamte Gruppe ist und nicht nur für sie selbst.(DeDreu, Nijstad & van Krippenberg, 2008)
‣ Manchmal sind aber zwei oder mehr Köpfe nicht besser als einer, oder zumindest nicht besser als zwei
selbstständig arbeitende Köpfe.

‣ Prozessverlust: (>versuchen zu überzeugen und tatenlos mit ansehen, wie die falsche Entscheidung gefällt wird)
‣… alle Aspekte der Interaktion in Gruppen, die gutes Problemlösungsverhalten beeinträchtigen.
Diese können aus ganz verschiedenen Gründen auftreten:
‣ zu wenig Sorgfalt bei der Auswahl des kompetentesten Mitglieds
‣ kompetentestes Mitglied kann Meinung nicht durchsetzen (normativer Einfluss)
‣ Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Gruppe (zuhören vs. sprechen vs. abschalten)
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Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Prozessverlust - wenn wichtige Informationen nicht geteilt werden
‣ … Tendenz von Gruppen, sich auf das zu
konzentrieren, was ihre Mitglieder bereits alle
wissen und Diskussion von Informationen zu
versäumen, über die nur wenige Mitglieder
verfügen
‣ Lange genug diskutieren!! dann wird klar, was
jeder Einzelne bereits weiss und
höchstwahrscheinlich auch ungeteilte
Informationen eingebracht.
‣ Verschiedene Gruppenmitglieder für
bestimmte Wissensgebiete zu Experten
erklären!! dann wird Bewusstsein geschaffen,
dass sie allein dafür verantwortlich sind, bestimme
Informationen beizutragen. (Stewart & Strasser, 1995)
‣ „Transaktives Gedächtnis“ nutzen!!
Kombiniertes Gedächtnis zweier Personen, das
effizienter ist als das des Einzelnen
Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Gruppenentscheidungen: Sind zwei (oder mehr)
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Köpfe besser als einer? In: Sozialpsychologie (S. 289). München: Pearson Studium.
Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Prozessverlust - wenn viele Köpfe das gleiche denken - „Groupthink“
‣… Form des Denkens, bei dem der Erhalt der Gruppenkohäsion und der Solidarität wichtiger
ist als die realistische Betrachtung der Tatsachen (z.B. Challenger Disaster)
‣Groupthink ist ein „... Denkmodus, in den Personen verfallen, wenn sie Mitglied einer hoch
kohäsiven Gruppe sind, wenn das Bemühen der Gruppenmitglieder um Einmütigkeit, ihre
Motivation, alternative Wege realistisch zu bewerten, übertönt“. (Janis, 1982, S. 9).
‣ Tritt am wahrscheinlichsten unter bestimmten Vorbedingungen auf:
‣ Gruppe ist hoch kohäsiv, von anderen Meinungen isoliert, einem direkten
Führer unterstellt, der seine Wünsche klar äußert, die Mitglieder unter
hohem Stress stehen und der Entscheidungsfindungsprozess keine
Alternativentscheidungen vorsieht.
‣ z.B. Invasion der Schweinebuch unter J.F. Kennedy

ZHAW Psychologisches Institut Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Gruppenentscheidungen: !26
Sind zwei (oder mehr) Köpfe besser als einer? In: Sozialpsychologie (S. 291). München: Pearson Studium.
Entscheidungsprozesse in Gruppen
• Prozessverlust - wenn viele Köpfe das Gleiche denken - „Groupthink“

• fehlerhafte Entscheidungsprozesse
sind verbreiteter als ursprünglich
angenommen und werden bereits durch
wenige Voraussetzungen ausgelöst.
Gruppen müssen daher umso
umsichtiger vorgehen, um
Fehlentscheidungen zu vermeiden.
(Baron, 2005)

ZHAW Psychologisches Institut Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Gruppenentscheidungen: !27
Sind zwei (oder mehr) Köpfe besser als einer? In: Sozialpsychologie (S. 291). München: Pearson Studium.
Entscheidungsprozesse in Gruppen
• Prozessverlust - „Groupthink“ verhindern
• Ein umsichtiger Führer kann mehrere Schritte befolgen, um sicherzustellen, dass seine Gruppe bei
Entscheidungsfindung gegen Gruppendenken gefeit ist. (vgl. Zimbardo & Andersen, 1993)
• Unparteiisch bleiben (Führer darf keine direktive Rolle einnehmen)
• Fremdmeinungen einholen (Von außerhalb Meinungen von Personen einholen, die keine
Gruppenmitglieder sind. Diese haben es weniger auf die Kohäsion der Gruppe abgesehen.)
• Untergruppen bilden (Diese sollten zuerst separat und später dann gemeinsam
zusammentreffen, um unterschiedliche Vorschläge zu diskutieren.)
• Namenlos abstimmen (Durch geheime, anonyme Abstimmung wird Selbstzensur verhindert.)

Finanzkrise. Ein Ergebnis von Gruppendenken?


- US Bundesbank hätte Finanzkrise vorhersagen müssen, tat es aber nicht. Die Blase explodierte.
- Viele Finanzexperten sahen dies kommen, wurden aber nicht ernst genommen.
- Die New York Times sprach von katastrophalem Gruppendenken.
ZHAW Psychologisches Institut !28
Entscheidungsprozesse in Gruppen
• Risikobereitschaft bei der Entscheidung & Polarisierung in Gruppen
• Treffen Individuen oder Gruppen die risikoreicheren Entscheidungen?
• Entgegen der Annahme, dass individuelle Entscheidungen extremer sind als
Gruppenentscheidungen, zeigt sich offenbar das Gegenteil: Einzel- und Gesamtmeinungen werden
im Verlauf der Zeit innerhalb der Gruppe in die gleiche Richtung extremer (hin zu größerem
Risiko, wenn die Mitglieder ursprünglich zum Risiko neigten & zu größerer Vorsicht, wenn
Mitglieder ursprünglich zur Vorsicht neigten)
• In Gruppen werden je nach vorheriger Neigung riskantere Entscheidungen getroffen: „risky
shift“. (Wallach et al., 1962)
Vor der Nach der
Diskussion Diskussion

– Ansichten der Gruppenmitglieder +


ZHAW Psychologisches Institut !29
Zusatz: Entscheidungsprozesse in Gruppen
• Führung in Gruppen - Führung von Gruppen
• Führungsstile: transaktional vs. transformational
• Persönlichkeitseigenschaften von Führungspersonen:
aufgabenorientiert vs. beziehungsorientiert, abhängig vom Kontrollgrad (hoch, mittel, niedrig)
• Geschlechtszugehörigkeit und Führung/s-Stile: Mann vs. Frau
• Kultur und Führung: autonom, charismatisch, teamorientiert
in der A&O Psychologie mit mehr Details und Beispielen

ZHAW Psychologisches Institut !30


Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikte & Kooperation

ZHAW Psychologisches Institut !31


Konflikte & Kooperation - Koordination von Gruppen
‣ Ziele & Bedürfnisse von Individuen kollidieren häufig mit denen der Mitmenschen und sind ein
Nebenprodukt der Zivilisation (Freud, 1930). Unterschiedliche Ziele führten in manchen Fällen zu
interpersonellen Konflikten (wenn 2 oder mehr Menschen interagieren).
‣ Soziales Dilemma
‣… Konflikt, bei dem sich die für den Einzelnen vorteilhafteste Lösung schädlich auf alle auswirkt,
wenn sie von vielen gewählt wird.
‣ Bsp.: Streik von Gewerkschaften, Restaurantkette „Panera Cares“, Free-Walking Tours, … beruht auf freiwilligen
Beträgen und können zu Nachteilen bei Individuen führen.
‣ Bei vielen sozialen Dilemmata handeln Menschen zu Beginn zum Allgemeinwohl, am Ende jedoch in ihrem
Eigeninteresse & auf Kosten aller.

‣ … Förderung von Kooperation und das Lösen von Konflikten (Bsp. Gefängnisdilemma)
‣ z.B. mit Freunden/Bekannten oder Personen spielen, die man später wiedersehen wird. Sozialisierung (z.B. in
asiatischen Kulturen). bewusste Namensgebung (Wall Street Game (33%) -> Community Game (71%). Tit-for-tat-
Strategie: zunächst kooperativ, dann aber stets wie der Gegner in der vorausgegangenen Runde handeln (kann beides
kooperativ oder kompetitiv sein) mindert die Bereitschaft vor Rückzug & Ausbeutung. Einzelpersonen verhandeln lassen.

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Konflikte & Kooperation - Koordination von Gruppen
🚛
🚚
‣ In Konfliktsituationen sind viele versucht, die andere
Partei zu bedrohen, damit sie sich den eigenen
Wünschen beugt. Das ist jedoch kein wirksames
Mittel.

‣ LKW-Speditions-Experiment (Deutsch
&Krauss, 1962)

‣ Zeigte, dass sich durch verschiedene


Bedingungen (Schranken: ohne,
einseitig und beidseitig), die als
Bedrohung des eigenen Geschäfts
angesehen werden, unterschiedlich viel
Kooperation bzw. Konflikt erzielt wird.

Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Konflikt und Kooperation.
ZHAW Psychologisches Institut !33
In: Sozialpsychologie (S. 302). München: Pearson Studium.
🚛
Konflikte & Kooperation - Koordination von Gruppen
🚚
‣ Auswirkung von Kommunikation
‣ Wie förderlich ist es z.B. bei Verhandlungen, miteinander zu kommunizieren?
‣ Variation des Lastwagenspiels: keine Kommunikation vs. freiwillige Kommunikation vs.
erzwungene Kommunikation
‣ freiwillig: kommunizierten nicht viel, Auswirkungen von
Kommunikation eher gering
‣ erzwungen: minderte Verluste leicht (bei einseitiger
Bedrohung), aber auch hier kein deutlicher Anstieg der
Gewinne; Kooperation wurde nicht gefördert.
‣Kommunikation förderte nicht das Vertrauen;
Sprechanlage wurde für Drohungen genutzt
‣ Kommunikation löst Konflikte nur dann, wenn sie
Vertrauen fördert.

Aronson, E., Wilson, T., & Akert, R. (2008). Konflikt und Kooperation.
ZHAW Psychologisches Institut !34
In: Sozialpsychologie (S. 303). München: Pearson Studium.
Konflikte & Kooperation - Koordination von Gruppen
‣ Robbers-Cave-Experiment „Ferienlagerexperiment“ (Sherif, 1961)
🏕
‣ 22 Jungen im Ferienlager und die Dynamik der eigenen Gruppenzugehörigkeit (11 gegen 11)
‣1. Gruppenbildung > 2. Gruppenkonflikt > 3. Gruppenkonfliktlösung
‣ 2.: Gruppen treten in Wettbewerben gegeneinander an, manipuliert zugunsten immer dergleichen
Gruppe, schnell kam es zu verbalen Attacken und Aggressionen, rivalisierende Gruppen sollten dann
3. Aufgaben lösen, die nur gemeinsam gelöst werden konnten, dadurch reduzierten sich nach und
nach Stereotype.
‣ Erkenntnisse:
‣ Gruppenkonflikte entstehen nicht als Konsequenz persönlicher Probleme, Neurosen o.ä., sondern bei völlig
normalen Menschen, aber aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen.
‣ Wettbewerb um begrenzte Ressourcen fördert einen Gruppenkonflikt massiv.
‣ Intergruppenkontakte beeinflussen die Bildung von In-Group-Normen (nur so konnte ein ehemals isolierter
Junge sozial aufsteigen zu einem „Tyrann“).
‣ Wiederholte Anlässe für kooperierendes Verhalten zur Erreichung gemeinsamer Ziele verbessert die
Atmosphäre zwischen zwei Gruppen.
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Übersicht

‣ Überblick & Einführung Gruppen


‣ Gruppen: Definition und Abgrenzung
‣ Merkmale von Gruppen
‣ Leistung der Gruppe – Leistung des Einzelnen
‣ Soziale Aktivierung
‣ Soziales Faulenzen
‣ Entscheidungsprozesse in Gruppen
‣ Konflikte & Kooperation
‣ Zusammenfassung

ZHAW Psychologisches Institut !36


Zusammenfassung
‣ Definition Gruppe
‣ Merkmale & Charakteristika von Gruppen sind u.a. abhängig von sozialen Normen, sozialen Rollen, Kohäsion und
Status. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass gerade die soziale Rolle gefährliche Züge annehmen kann.
‣ Leistungen von Gruppen in der Gruppe sind geprägt von entweder Erleichterungen oder Faulenzen, diese variieren je
nach Aufgabenstellung und -schwierigkeit. Zudem gibt es weitere Motivations- und Koordinationsverlust-Phänomene.
‣ Entscheidungen von Gruppen. Wählt man Gruppenmitglieder nicht sorgfältig genug aus, diskutiert nicht lange genug
und überlässt sie sich selbst (und viele weitere kontraproduktive Punkte), kann es zu Prozessverlust & Groupthink
kommen: Tendenzen, dass die Leistung der Gruppe leidet, falsche Entscheidungen getroffen werden und die Gruppe
ineffizient wird.
‣ Dagegen gibt es verschiedene Kontra-Groupthink-Strategien, wie z.B. anonym abstimmen.
‣ Die Risikobereitschaft von Einzelnen und der Gruppe wird bei mehrmaligen Entscheidungen extremer, d.h. sie
verändert sich in Richtung risikobereiter bzw. auch vorsichtiger als zu Beginn eines Entscheidungsfindungsprozess.
‣ Konflikte, Kooperation & Dilemma: Konflikte entstehen v.a. durch Dilemma, durch den ausschliesslichen Fokus auf das
Individuum und unter verschiedenen Bedingungen, die Kooperationen erschweren (z.B. Möglichkeiten, die es einem
erlauben die andere Partei zu schädigen („Schranken“)). Konflikte können durch bestimmte Strategien gelöst werden.

ZHAW Psychologisches Institut !37

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