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Lesen Teil 3 B2

Das klügste Fortbewegungsmi el der Menschheit

Es ist ein täglicher Kampf ums Überleben, der ein starkes "Wir-gegen-sie-Gefühl" weckt:
Radfahrer gegen Autofahrer - sie scheinen natürliche Feinde zu sein. Doch eigentlich gehören
sie zusammen, sie sind Familie: Ohne die Entwicklung des Fahrrads wäre das Automobil kaum
denkbar gewesen.

Zu Beginn dieser so konfliktreichen Verkehrsgeschichte ‫܍‬rumpelte Karl Baron von Drais auf
einer Laufmaschine von Mannheim aus auf der gut ausgebauten Straße in Richtung
Schwetzingen; damals die beste Straße weit und breit. An jenem 12. Juni 1817 bot der Baron
seinen Zeitgenossen einen wohl seltsamen Anblick: Ein Mann auf einer hölzernen
Konstruktion, deren zwei Räder hintereinander angeordnet waren. Mit seinen Füßen stieß sich
der Baron im Rhythmus vom Boden der Straße ab – wie seltsam!
Allein der Gedanke, zwei Räder hintereinander statt nebeneinander anzuordnen, stellte eine
kleine Revolution dar: Bei Drais' Zeitgenossen weckte es Unverständnis und Furcht. Der
Begriff "Balancierangst" tauchte damals auf. Wie sollte so eine Maschine fahren, ohne
umzufallen? In der Natur existiert für dieses Prinzip kein Vorbild, der Erfinder ließ sich, wie er
einmal schrieb, von Schlittschuhläufern inspirieren, die trotz dünner Kufen nicht hinfallen.
Hunger hatte mit seiner Erfindung zu tun. Die Zerstörungen während der napoleonischen
Kriege ließen die Preise für Getreide drastisch steigen. Und dann sorgte der Ausbruch des
Tambora 1815 in Indonesien für das sogenannte Jahr ohne Sommer. Die monströse Explosion
des Vulkans beförderte derartige Mengen Asche in die Atmosphäre, dass es weltweit keine
Ernten gab. Menschen hungerten, und Pferde zu unterhalten, wurde noch teurer als zuvor schon.
Drais trieb die Idee an, einen mechanischen Ersatz zu konstruieren. Eine Maschine, die nicht
gefüttert werden musste. Ressourcenknappheit war zentral für die Erfindung des Fahrrads; so
wie in der Gegenwart das Rad als Verkehrsmittel auch aus ökologischen Gründen eine
Renaissance erlebt.
Auf seiner Fahrt legte Drais 12,8 Kilometer zurück - innerhalb einer Stunde. Die Laufmaschine
zeigte sich damit Postkutschen überlegen. Es war wie heute: Auf kurzen Distanzen bis fünf
Kilometer ist das Rad in der Stadt auf jeden Fall das schnellste Verkehrsmittel. Damals schlug
es die Postkutsche, heute rollen Radler an langen innerstädtischen Staus vorbei und kommen
schneller voran. Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern gab es übrigens bereits zu Drais'
Zeiten. Sieben Monate nach seiner Fahrt verbot Mannheim den wenigen Fahrern Bürgersteige
zu nutzen - zum Schutz der Passanten.
Die Zweiräder von Drais gerieten dennoch in Vergessenheit. Die Geräte waren trotz allem zu
teuer, ausschließlich der Adel und das reiche Bürgertum verfügten über die nötigen finanziellen
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Mittel sich so ein Spielzeug zu kaufen. Das änderte sich zunächst auch nicht, als die
Laufmaschine in den 1860er-Jahren in Frankreich einen entscheidenden Schritt
weiterentwickelt wurde. Der Wagenbauer Pierre Michaux oder Pierre Lallement - darüber
herrscht keine Einigkeit - statteten das Vorderrad als Erste mit Pedalen aus, ein entscheidender
Schritt in der Fahrraderfindung. Ein Problem jedoch bremste die frühen Radfahrer im
Wortsinne: Eine Pedalumdrehung erzeugte eine Umdrehung des Rades. Das limitierte die
Geschwindigkeit.
Schließlich präsentierte sich das Fahrrad gegen Ende des 19. Jahrhunderts als voll entwickeltes
Produkt, so dass Firmen in die Massenproduktion einstiegen. Frühe Fahrräder waren noch
handwerklich gefertigte Einzelstücke. Ersatzteile mussten auf jedes einzelne Rad angepasst
werden. Fertigungsprinzipien aus dem Nähmaschinenbau, der Herstellung von Taschenuhren
und Schreibmaschinen wurden nun übernommen, um den Ausstoß in Fahrradfabriken zu
erhöhen und den Preis für ein Rad zu drücken. Kostete um 1890 ein Sicherheitsrad noch
ungefähr 500 Mark, damals ein guter Jahreslohn eines deutschen Facharbeiters, fiel der Preis
um die Jahrhundertwende auf etwa 100 Mark. Die niedrigen Preise verwandelten das
Statussymbol in das erste massenhaften Individualverkehrsmittel, auf denen von 1910 an auch
Arbeiter und Frauen mobile Freiheit erlebten. Viele Firmen, die einst als Fahrradhersteller
begonnen hatten, nutzten ihr Wissen nun, um auf die Herstellung von Automobilen
umzusteigen.
‫܍‬rumpeln = sich geräuschvoll bewegen

Aus: www.sueddeutsche.de/wissen

(BEISPIEL) Das Rad und das Auto sind ...

A. natürliche Feinde.

B. unzertrennlich.

C. verwandt.✔

1. Drais´ Erfindung schien etwas Eigenar*ges, weil ...

A. der Baron in einer komischen Holzkutsche fuhr.

B. er sich auf zwei Rädern mit den Füßen fortbewegte.

C. seine Laufmaschine Pedale ha'e.

2. Seine Zeitgenossen reagierten auf seine Erfindung mit …

A. Akzeptanz.

B. Begeisterung.

C. Verständnislosigkeit.

3. Er erfand diese Laufmaschine ...

A. als Subs+tut für die Pferde.

B. dank seines Erfindergeists.

C. wegen seiner Hungersnot.

4. Man konnte damit ...


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A. auch auf Gehwegen fahren.

B. längere Strecken zurücklegen.

C. schneller fahren.

5. Drais´ Fahrrad …

A. ha'e kaum Erfolg.

B. fand euphorisches Interesse.

C. ließ sich gut verkaufen.

6. In Frankreich ...

A. gewann das Fahrrad an Tempo.

B. spielte Pierre Michaux die Schlüsselrolle für die Fahrradentwicklung.

C. wurde das Prinzip des heu+gen Fahrrads erfunden.

7. Im 19. Jahrhundert ...

A. entstanden die Fer+gungsprinzipien für Fahrräder.

B. fand eine explosive Verbreitung des Fahrrads sta'.

C. waren Fahrräder kein exklusiver Ar+kel mehr.

8. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ...

A. ha'en Firmen Schwierigkeiten mit der Nachfrage.

B. erschien die junge Autoindustrie dank des Fahrrads.

C. waren Frauen erfahrene Radlerinnen.

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