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Viele träumen von einer eigenen Immobilie. Die meisten potenziellen Käufer und Anleger kalkulieren
jedoch nicht durch, was sie erwarten könnte
Erschienen im Standard im August 2021
Der Besitz einer eigenen Immobilie stellt für viele Menschen eine der größten Investitionen in ihrem
Leben dar. Jedoch ist ein Haus kein eigentlicher Teil der Wirtschaft. Ein Eigenheim bietet keine
Einnahmen wie beispielsweise Unternehmen, wenn Sie es nicht gerade an jemand anderen vermieten.
Es stellt keine Dienstleistungen oder Produkte der Gesellschaft zur Verfügung und verursacht Kosten
in Form von Erhaltung, Verbesserungsmaßnahmen und Steuern. Selbst angesichts der anzutreffenden
Preisschwankungen und hoher Verschuldungsraten auf dem Immobilienmarkt sind viele Leute davon
überzeugt, dass der Kauf eines Eigenheims die beste Investition darstellt, die sie tätigen können.
Tatsächlich sind Immobilien und Eigenheime so beliebt, dass Menschen, die das Pensionsalter
erreichen, in der Regel die Hälfte ihrer Vermögenswerte in Realwerten veranlagt haben. Wenn Sie
sich jedoch mit den Zahlen befassen, stellen Sie fest, dass Häuser normalerweise keine großartige
Möglichkeit sind, um Geld zu verdienen. Die Renditen von selbstgenutzten Immobilien sind in
Österreich durchaus nicht so attraktiv, wie es die Immobilienbranche und die Bankenbranche, welche
an Immobilienkrediten verdienen, darstellen. Aber verzweifeln Sie nicht: Sie können immer noch eine
gute Investition sein. Erwarten Sie keine beeindruckenden Preissteigerungen von Ihrem Haus oder
Ihrer Wohnimmobilie, insbesondere wenn Sie die hohen Kosten für Wohneigentum berücksichtigen.
Opportunitätskosten bedeuten, wenn wir uns entscheiden, unsere Euros in etwas zu stecken oder zu
investieren, geben wir etwas anderes dafür auf. Wir denken jedoch nicht lange genug darüber nach,
um die damit verbunden Chancen, Risiken und Kompromisse zu berücksichtigen. Die schöne Uhr, das
neue iPhone oder der teure Wein sind nicht gleich mit den Kosten eines mehrtägigen Urlaubs
gleichzusetzen. 500 Euro, welche heute an Kosten aufgewendet werden, bedeuten vielmehr, 3.000
Euro für die Pensionsvorsorge aufzugeben. Werden diese Gelder dann fehlerhaft veranlagt (unter
anderem aufgrund zu hoher Bewertungen von Immobilien, welche zu weiterführend geringeren
Renditen führen; Kosten in Form der Illiquidität von Immobilien können ebenso angeführt werden),
sind dies die "Kosten entgangener Gewinne".
Vorherrschender Markt
Blickt man auf die nackten Zahlen, so stimmt es, dass die historisch niedrigen Zinssätze die Schaffung
von Eigentum erleichtern. Diesen Vorteil machen die immensen Preissteigerungen von Immobilien
jedoch wieder wett. Wir erleben derzeit eine Situation in Teilen Europas, wo Vermögenswerte in
Immobilien gesteckt werden, ohne nähere Überlegungen zu den Bewertungen dieser anzustellen.
Zinshäuser, Eigentumswohnungen und andere Immobilien werden um die ein Prozent Rendite
gehandelt. Gemeinhin werden Gelder trotzdem in diese Projekte gesteckt, da man vom sicheren
"Betongold" ausgeht. Das trotz der Tatsache, dass aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise die
Renditen nicht mit der Inflation mithalten und die Erträge auch nicht mit Hebel (Einsatz von Kredit)
gesteigert werden können, da die wirtschaftlichen Renditen unterhalb der Kreditzinsen liegen (geht
man von keinen überhitzten Preissteigerungen der Vergangenheit aus).
Der Preisanstieg von Immobilien war in der Vergangenheit bei den Mieten nicht so dramatisch
ausgeprägt wie im Eigentumsbereich. Neben den Miet- und Kaufpreisen sind natürlich weitere
wichtige Faktoren zu berücksichtigen. In der Regel werden zehn bis 20 Prozent Eigenkapital von den
Banken für die Schaffung von Wohnraum gefordert. Der Kauf und der Verkauf von Immobilien sind
teuer, was ein weiterer Grund ist, dass Sie vor allem einen langen Zeithorizont benötigen sollten, wenn
Eigentum angeschafft wird. Beim Kauf fallen Bearbeitungsgebühren, Treuhandkosten,
Grunderwerbssteuer und Notariatskosten an, welche ebenso rund zehn Prozent des Kaufpreises
ausmachen.
Angenommen der Preis Ihres Hauses beziehungsweise Wohnung steigt um ein paar Prozentpunkte pro
Jahr, aber Sie verkaufen nach nur fünf oder sechs Jahren. Sobald Sie alle Kosten, Gebühren und
Steuern einkalkulieren, schaut man da schnell durch die Finger. Hohe Trennungs- und
Scheidungsraten, Jobverlust oder Erkrankungen können der gewünschten langfristigen Wohnsituation
ebenso einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn Sie sich die regelmäßigen
Hypothekenzahlungen für Ihr Eigenheim nicht leisten können, könnte Ihr finanzielles Leben schnell
ins Wanken geraten – Banken sind da meist sehr hart im Nehmen. Wohneigentum ist darüber hinaus
mit hohen laufenden Kosten verbunden. Zusätzlich zu den Hypothekenzahlungen haben Sie
Aufwendungen für Grundsteuern, Gebühren, Versicherungen und regelmäßige Wartungen zu leisten.
Die laufenden Kosten zur Instandhaltung sind selbst bei Neubauten mit rund 1,5 Prozent des Zeitwerts
der jeweiligen Immobilie anzusetzen. Da ein Haus beziehungsweise eine Wohnung mit hohen
laufenden Kosten verbunden und teuer zu verkaufen ist, sollten diejenigen, die finanzielle Flexibilität
anstreben, wahrscheinlich mieten. Sie könnten diese Flexibilität nutzen, um Ihre
Lebenshaltungskosten zu senken, indem Sie eine niedrigere Miete aushandeln, sollten sich Ihre
Finanzen zum Schlechten wenden.
Es zeigt sich immer wieder, dass auch scheinbar sichere Anlageformen, wie Immobilien zum
"Stillstand" kommen und von herben Verlusten gekennzeichnet sind. Darüber hinaus sind diese
Anlageformen zumeist illiquide. Das heißt, dass Einbrüche und Preisverfälle am Immobilienmarkt
dazu führen, dass Immobilien nur mehr schwer oder mit erheblichen Abschlägen zu verkaufen sind
(anders als beispielsweise Aktien, welche ständig ge- oder verkauft werden können). Dennoch können
zu Zeiten hoher Inflation Sach-, Realwerte und Immobilien ein lohnendes Investment darstellen,
wohingegen finanzielle Vermögenswerte zumeist magere Renditen erzielen. Berücksichtigt man
Kaufkraftverluste für diese harten Vermögenswerte über einen langen Zeitraum, fallen die Renditen
allerdings bescheiden aus. Da jedoch harte Vermögenswerte ihren Wert im Verhältnis zur Inflation
sehr gut erhalten können, tendieren Anleger dazu, in Zeiten rasch steigender Verbraucherpreise zu
ihnen zu strömen.
Unabhängig von den wirtschaftlichen Umfeldern steigt auf lange Sicht der Wert Ihres Eigenheims um
durchschnittlich etwa ein bis zwei Prozentpunkte pro Jahr höher als die Inflation (hier muss nach Art
der Immobilie und nach der jeweiligen Region differenziert werden – städtischer oder ländlicher
Raum). Dies mag mager erscheinen, ist jedoch Realität und steht damit in Verbindung, dass hohe
Ausgaben und große Renovierungsarbeiten keine wirklichen Investitionen darstellen, sondern
Aufwendungen. Das ist auch völlig gerechtfertigt, wenn Sie Freude an den Verbesserungen Ihrer
Immobilie haben. Aber investieren Sie keine Vermögenswerte für zusätzliche Überarbeitungen des Ist-
Zustandes Ihrer Immobilie im Glauben, dass dies ein gutes Investment darstellt. Das ist in der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht so. Der wesentliche Grund, warum der Wert Ihres
Eigenheims ansteigt, sind nicht die von Ihnen durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen an Ihrer
Immobile, sondern die Wertsteigerungen Ihres Grund und Bodens. Ländereien und Grundstücke sind
begrenzt und eine wachsende an Wohlstand gewinnende Bevölkerung verspürt den Wunsch,
Immobilien Ihr Eigen zu nennen. Zusammengenommen resultiert dies darin, mit Immobilien
Kaufkraftverlusten vorzubeugen und Wertsteigerungen zu erzielen.
So wurden 2019 in Österreich 78.000 neue Wohneinheiten fertiggestellt. Das entspricht 10,9
Neubauprojekten pro 1.000 Einwohnern und somit einem neuen Rekordwert. Wir liegen demnach
nicht nur bei den Eigentumspreisen im europäischen Spitzenfeld, sondern ebenso bei den neuen
Wohneinheiten. Früher oder später drückt dieses erhöhte Angebot auch auf die Preise. Berücksichtigt
man veränderte Lebensmodelle der Menschen, die immens gestiegenen Preise für Eigentum, die
historischen Renditen der Anlageklassen und legt bei einer Kalkulation alle Kosten wie
Zinsaufwendungen und Instandhaltungskosten zugrunde, so spricht nicht lediglich kurzfristig viel für
die Mietung von Immobilien, sondern auch langfristig.