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Gliederung Dogmatik: De scriptura!

1. Bestimmung des dogmatischen Problems

1.1. Aktualität / Relevanz / Probleme:

− Frage nach der Bedeutung der Bibel! Wie kann Offenbarung Gottes im Hören auf biblisches Zeugnis erkannt und Menschen der heutigen
Zeit zugänglich gemacht werden?
− Verständnis und Autorität der Schrift?
− Wie bindend sind heute biblische Aussagen? Frage nach Normen? Welche biblischen Abschnitte wählen wir aus?
− Kanonentstehung?
− Bibel als Wort Gottes? Offenbarungsproblematik!?
− Verhältnis AT - NT?
− Verhältnis Kerygma - Dogma?
− Probleme und Gefahren: Fundamentalismus, Verbalinspiration, Buchstabenglaube ...
− Hermeneutische Fragestellung; Gesetz und Evangelium als hermeneutisches Prinzip?
− Frage nach der Notwendigkeit von Auslegungsprinzipien um Offenbarung aus der Schrift zugänglich zu machen?
− Funktion der Bekenntnisse? Exemplarische Schriftauslegung?
− Problemverschiebungen (Tradition - Reformation - HKF)

1.2. Zusammenhang mit anderen dogmatischen Loci:

− Offenbarung (durch Schrift?)


− Ekklesiologie (Kirche als creatura verbi?)
− Rechtfertigungslehre

1.3. Bekenntnisse

− Nicänum-Konstantinopolitanum: „... der durch die Propheten geredet hat.“


− FC 1: „... die einige Regel und Richtschnur ... seiend allein die prophetischen und apostolischen Schriften Altes und Neues Testament.“
FC 8: „... die anderen ... Schriften sind nicht Richter ..., sondern allein Zeugnis und Erklärung des Glaubens.“
− Heidelberger Katechismus: „Gott hat das Evangelium im Paradies offenbart, dann durch die heiligen Erzväter und Propheten verkündigen
lassen, ... endlich durch seinen Sohn erfüllt.“
− Barmen I: Jesus Christus, wie er uns in der heiligen Schrift bezeugt ist, ist das eine Wort Gottes“.

2. Problembearbeitung:

2.1. Biblisch:

Verklammerung von AT und NT (vgl. auch später zur Autorität des AT):
− Die Predigt Jesu ist das AT, ebenso die Überprüfung seiner Predigt (Apg.17,11); NT bezeugt Christus durch AT. Auslegung durch
Interpretation, Textänderung, Fehlzitierungen, Typologien.
− Gott des AT, der in Christus neu handelt: NT in Sprachwelt und Tradition des AT, in der sich Christus inkarniert: Das AT ist Hermeneut
des NT.
− Legitimität und Integrität des Kanon: Dtn.4,2 und Apk.22,18f.
− auf Verbalinspiration weist 2.Tim.3,16.
− Zur Christuserkenntnis nicht durch die Lektüre des AT, sondern Glaubensentscheidung erschließt AT (2.Kor.3,12ff: Erkenntnis aus Schrift
durch Christusoffenbarung; Lk.24,13ff: Jesus legt als Hermeneut AT aus); Re-Flektion der Schrift (Apg.8,26-40 - Jes.53).
− In der Frage nach dem Gesetz kommt es zu einem „differenzierten Nein“ (Röm., Gal.).
− Das NT kennt drei Autoritäten: AT (Mt.5,17), Herrn (1.Kor.7,10), Apostel (Mt 16,18). Diese bezeugen das Wort Gottes, wobei Jesus das
Wort nicht hat, sondern ist.
− Defizite des AT gegenüber dem NT liegen in der Wertung von Krieg, Gewalt, Gottesbild...
− Überschuß des AT in Themen Schöpfung, Eros, Geschichte, Gebete, Wirkungsgeschichten (Hiob...); Gegen Entweltlichung und
Doketismus, wehrt christlichen Transzendentalismus.
− Überschuß hat NT in Erfüllung der messianischen Weissagung (Weissagungsbeweise, Adam-Christus-Typologie) durch Zeugnis des NT in
Christus. Das Neue ist Christus als Person und Ereignis.
− NT sagt Ja und Nein zum AT, in dialektischen Stellung (lineares und polares Verhältnis): Positive Aufnahme und Ablehnung finden sich.
NT legt kritisches Auswahl- und Auslegungsprinzip an, AT aber bekannt und gültig.

2.2. Historisch

2.2.1. Alte Kirche und Mittelalter:

− Ende 1.Jh. Kanonisierung auf der Synode von Jamnia nach schrittweiser Kristallisierung, Abschluß durch 39. Osterfestbrief des Athanasius
367 (göttl. Worte, Schreiber inspiriert durch Geist; Irenäus bezieht dies auf einige Worte, Origenes auf die ganze Schrift). Origenes legt
die Schrift 3fach aus: physisch (wörtlich), psychisch (moralisch) und pneumatisch (allegorisch).
− Beschleunigung der Kanonbildung wegen Marcion.
− Kriterien der Kanonizität: Apostolizität, Gottesdienstgebrauch, inhaltliche Bedeutung.
− 2 Auslegungsmethoden: Allegorese (hinter dem vordergründigen Wortlaut wird ein auf Christus bezogener Sinn gesucht) und Typologie
(Ereignisse und Gestalten sind Abbilder künftiger Ereignisse).
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− Augustin legt 4fach aus: Geschichte, Beweggrund, Entsprechung, Allegorie.
− Auslegung durch den vierfachen Schriftsinn: sensus historicus (unmittelbarer Wortsinn); allegoricus (Auslegung an Christusglauben
orientiert); moralis/tropologicus (Verhaltensanweisungen); anagogicus/eschatologicus (Hinweis auf Vollendung im Reich Gottes).

2.2.2. Reformation und ApO:

− Im MA nun auch allegorische Auslegung bei ntl. Texten. Unterschied zur Scholastik (littera gesta docet, quid credas allegoria, moralis quid
agas, quid speres anagogia; sacra scriptura): Luther bezieht Glaube auf das Wort selbst, nicht auf eine dahinterstehende metaphysische
Wirklichkeit. Luther spricht von Inspiration, unterscheidet aber Schrift und Wort Gottes; Kritik an der Schrift nur durch Christozentrik.
− Abkehr von Allegorie und vierfachem Schriftsinn, keine außerbiblischen Kriterien: sola scriptura.
− Gesamtsinn der Botschaft: Gesetz und Evangelium als hermeneutisches Prinzip, Mitte Jesus Christus.
− Kriterium der Kanonizität: „Was Christum treibet“.
− Trient: Schrift kann nicht ohne Tradition gelesen werden.
− Erfahrungen der Reformation mit der Bibel wurden in der ApO systematisiert durch die Lehre von den Affektionen („Schriftdoketismus“):
auctoritas causativa/normativa (Schrift beglaubigt sich selbst; gg. Lehramt), perspicuitas/claritas (legt sich selbst aus; gg. Lehramt, gg.
kath. Vorwurf der Vieldeutigkeit und Dunkelheit), sufficientia (Schrift ausreichend; gg. Tradition und Lehramt), efficatia (braucht nicht
Heil vermittelndes Amt).
− Real-, Verbal- und Personalinspiration: Identifikation Schrift und Wort Gottes (Schreiber erhält durch Geist Impuls, Inhalt und Worte).
Kritik: Es geht um Fleisch- nicht Buchwerdung!.

2.2.3. Aufklärung und liberale Theologie (Der historische Jesus) [s. auch 2.3.3.]:

− Bruch mit Verbalinspiration, Bibel als historisches Buch und historisch-kritische Methode: Unterschied von historischer Aussage und
Vernunftwahrheit: Der historische Jesus ist Jesus, wie er sich der historischen Rekonstruktion erschließt. Der irdische Jesus wird als
Ausdruck für das Leben Jesu von Geburt bis Tod gebraucht (Evangelien kennen irdischen, aber nicht historischen Jesus). Vier Etappen der
Forschungsgeschichte lassen sich unterscheiden:
a) Erst die historisch-kritische Forschung fragt hinter den dogmatischen Jesus zurück. Die menschliche Wirklichkeit wird Jesu zugestanden,
jedoch in Frage gestellt, was die Tradition darüber hinaus sagte. Die historische Frage nach Jesus spricht Jesus damit nicht die
Gegenwartsbedeutung ab, im Gegenteil, sie fragt mit einem religiösen Interesse nach Jesus als die positive Verwirklichung und Kraft
des Evangeliums. Die wesentlichen Elemente der Evangelien sind zeitlos und bleiben damit auch für uns in Kraft. Die Forscher finden
in Jesus alle Werte und Vorstellungen, die ihnen selbst in der je eigenen Zeit wichtig sind (Reimarius bis Harnack): Erkenntnissicherheit
gewinnen.
b) Schweitzer erkennt in seiner „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“, daß die Frage nach dem vorösterlichen Jesus scheitert: Jesus ist
bleibender Fremder, da keine Naherwartung. Kähler hatte schon erkannt, daß die Evangelien Zeugnischarakter haben und keine
historischen Berichte darstellen, weshalb nicht hinter das Kerygma gefragt werden kann (als historisch wird die eschatologische Predigt
und die Liebesethik Jesu angesehen.
c) Durch die Ergebnisse der formgeschichtlichen Schule weisen Dibelius und Bultmann historische Ergebnisse als für den Glauben irrelevant
zurück. Entscheidend war schon für die Urgemeinde allein das „daß“ des Gekommenseins.
d) Um der Gefahr eines Doketismus zu entgehen, wurde in den fünfziger Jahren die Frage nach dem historischen Jesus als „legitime Frage der
Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten“ v.a. von Käsemann wieder aufgenommen: Im- und explizite Christologie.
Typisierend für die Frage nach dem historischen Jesus sind also drei Strukturelemente (perspektivische Auslegung):
− Die Wirklichkeit Jesu wird begrenzt durch die Rekonstruktion im Medium der Geschichte (Troeltsch, Ebeling)
− Das gegenwärtige Interesse geht von Werten aus, die der historische Jesus verkörpert (Sölle, Harnack)
− Die gegenwärtige Betroffenheit liegt darin, daß Jesus die gegenwärtige Verwirklichung dieser Werte als Lehrer und Vorbild ermöglicht.
− Ergebnis: Der historischen Frage auszuweichen ist feige; gleichzeitig kann das Recht des Christusglaubens aber nicht historisch bewiesen
werden. In Jesu Verhalten und Verkündigung gibt es nur eine implizite Christologie, die durch die Identität von irdischem und
auferstandenen Jesus Grund für eine explizite Christologie ist. Heute kann also nicht mehr von einem kerygmatischen oder irdischen
Jesus ausgegangen werden, sondern nur noch von der Frage wie der vorösterliche Christus das Christuskerygma impliziert (weg von
Substanzontologie).
− Bei Schleiermacher hat das AT keine dogmatisch normative Bedeutung mehr. Der Glaube muß vorausgesetzt werden, um der Schrift
Ansehen einzuräumen.

2.3.Aktuelle Diskussion

2.3.1. Die Schrift als Wort Gottes?

Bevor es zu einer Differenzierung von hermeneutischen Ansätzen der Locus „De scriptura“ kommen kann, muß geklärt werden, inwieweit
Schrift und Wort Gottes zusammenhängen. Drei Möglichkeiten lassen sich dabei unterscheiden:
a) Identifikation von Schrift und Wort Gottes (formale und materiale Autorität; heute Missouri-Lutheraner; vgl. ApO);
b) Unterscheidung von Schrift und Wort Gottes (Luther: Lehre als Verkündigung, Gesetz und Evangelium, Bibel existentiell auf Begegnung
bezogen [dagegen: Calvin]; Ott: Das Externum ist für das Internum Voraussetzung);
c) Einheit und Differenz durch die Lehre von der dreifachen Gestalt des Wortes (Barth: Bibel ist nur aufgrund des Glaubens mit Gottes Wort
identisch [Verbalinspiration, aber nicht Verbalinspiriertheit], Der trinitarische Grundakkord lautet offenbartes - geschriebenes und
verkündetes Wort Gottes.
 Wird das persönliche Wort überbetont, kommt es zu Historismus; Wird das geschriebene Wort überbetont, kommt es zu
Fundamentalismus; Wird das mündliche Wort überbetont, kommt es zu Enthusiasmus; Fazit: Jede Einseitigkeit führt zu gesetzlicher Nötigung,
was in der Folge nun zu beachten sein wird. Die Bibel ist mit dem Wort Gottes nicht Deckungsgleich, ist zu unterscheiden, aber nicht zu
scheiden („Membran braucht stimmlichen Anhauch“).

2.3.2. Die Kanonfrage


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Neben Marcion ist die Kanonbildung v.a. im zunehmenden zeitlichen Abstand begründet. Die Frage ist v.a., ob der Kanon von der Kirche
produziert, oder als gewordenes Faktum festgestellt und anerkannt wurde. Katholische Theologen und Marxen behaupten, daß die Kirche vor
dem Kanon da war, ihn also selbst geschafften hat (sola scriptura als Selbstwiderspruch).
Nach Barth macht sich dagegen die Kirche nicht den Kanon, sondern die Bibel macht sich selbst zum Kanon (besonders Inhalt). Kirche kann
den ihr gegebenen Kanon nur nach bestem Wissen und Gewissen und im Gehorsam eines Glaubensurteils feststellen. Auch nach Diem hat sich
der Kanon selbst durchgesetzt.
Einig sind sich alle Konfessionen, daß die Schrift nur kanonisch wird, wenn sie mit kirchlicher und biblischer Lehre übereinstimmt. Nicht ein
historisches Urteil ist also entscheidend für die Feststellung der Autorität, sondern das testimonium spiritus sancti internum (inneres Zeugnis
des Heiligen Geistes, das als dritter Punkt im Alt- und Neuprotestantismus zur Apostolizität und Christozentrik [Was Christum treibet] kam).

2.3.3. Modelle zur Begründung der Schriftautorität und die historisch-kritische Methode:

Bereits im geschichtlichen Abriß wurden verschieden Begründungen der Schriftautorität deutlich. Vier Modelle lassen sich festhalten: 1)
formal-biblizistisch (unhinterfragbare Inspiration, MA); 2) inhaltlich-christologisch (Bibel als primäres Christuszeugnis; Luther, Barth,
Bultmann, Käsemann); 3) historisches Argument (Apostolischer Ursprung und Nähe zu Jesus; Schleiermacher, liberale Theologie, konservative
Kreise) und 4) das pneumatisch-wirkungsgeschichtliche Modell (Schrift vermittelt Handeln Gottes in/an der Kirche; M. Kähler).
Durch die Aufklärung, den Untergang der Verbalinspiration und der Entwicklung der historisch-kritischen Methode verschob sich auch die
Fragestellung der Schriftautorität. Diese Methode vermittelt das geschichtlich-situationsbezogene Konkrete der biblischen Verkündigung und
wehrt dem ideologischen Mißverständnis der Bibel als eines abstrakten, ungeschichtlichen Lehrbuches oder Utopien. Ihr Problem ist, daß sie
nicht die Wahrheit des biblischen Zeugnisses von Jesus als Christus begründen kann. Frage ist nun, wie sich die Faktizität des Kanons (formal)
und die historisch-kritischen Ergebnisse zusammenbringen lassen. In der Regel wird dies durch die Mitte des Kanons im Kanon zu lösen
versucht:

2.3.4. Die Einheit der Schrift (Mitte des Kanon)

Aussagezusammenhang von der Mitte der Schrift her: In der ApO galt noch das Wort Gottes als Einheit der Schrift. Statt des kath.
Ekklektizismus wurde nun tota scriptura gefordert, das in einem soteriologischen Schema angewendet wurde. Die historische Kritik machte
eine solche Lehre unmöglich, so daß dies nun als neues Axiom galt. Die verschiedenen Lösungsversuche werden hier genannt, aus Zeitgründen
können jedoch nur zwei Modelle exemplarisch kurz dargestellt werden:
a) Die Einheit der Schrift ist das Evangelium in der Sünderrechtfertigung (Käsemann: Kanon ist synkretistisch, begründet sonst nur Vielfalt
nicht Einheit): Die Orthodoxie (Schrift - Evangelium) und die Aufklärung (Verlust der Schrift) waren damit überwunden und das
Verhältnis von Buchstabe und Geist und eine (unbeabsichtigte) Wiedereingliederung in die Ekklesiae betont. Kritik: Subjektive
Bestimmung des Evg., Geist als enthusiastisches Prinzip, keine Verkündigungssituation, Frage nach Verhältnis von Subjekt und Objekt.
b) Die Einheit der Schrift ist das Verkündigungsgeschehen (Althaus / Diem): Die Orthodoxie (Kanon als Lehreinheit) und Käsemanns
(Rechtfertigungsgeschehen statt -lehre) wurden hier überwunden, der reformatorische Ansatz (Faktizität des Kanon;
Verkündigunseinheit statt Lehreinheit) und die Verkündigungssituation hervorgehoben. Gegen die prinzipielle Abgeschlossenheit des
Kanons (Tridentinum) anstelle der faktischen grenzte man sich hier ab und vertrat einen theozentrischen Ansatz: Jesus verkündigt sich
selbst. Kritik: Keine Objektivation, nach der dogmatische Reflexion fragen muß.
c) Einheit der Schrift als Vermittlung von Gottes Handeln in Christus (Mildenberger)
d) Einheit der Schrift im reziproken Verhältnis beider Testamente (Bultmann)
e) Einheit der Schrift in der Kontinuität der Überlieferungsgeschichte (Rad)
f) Einheit der Schrift in der Gottesgeschichte (Mildenberger)
 Mitte ist Christus: Dadurch gestufte, keine flächenmäßige Autorität des NT

2.3.5. Die Autorität des AT:

Wesentliche Problemstellungen wurden bereits in der biblischen Darstellung angesprochen. Stichpunktartig sollen hier die hermeneutischen
Modelle unseres Jahrhunderts zur Lösung dieses Problems skizziert werden. Konsens besteht in keine Allegorese, keine Religionsgeschichte,
sondern Vorgeschichte der Offenbarung und nicht alle Linien laufen auf Christus:
a) Die christologische Auslegung
Das AT weist auf die Kreuzigung; Jede Auslegung des AT weist auf Christus hin (z.B.: Ex.17,1-7; Kainszeichen als Kreuzzeichen...);
Vertreter: W. Vischer, D. Bonhoeffer, K. Barth, K. Schwarzwäller.
b) Die typologische Auslegung
Unter Typen versteht man die Vorausdarstellung und Vor-Bilder ntl. Personen, Orte, Sachverhalte, Ereignisse und Glaubensäußerungen
im AT; Vertreter: G. v. Rad (1952), H.W. Wolff (1956), L. Goppelt, W. Vischer.
c) Die antithetische Auslegung
AT und NT stehen in absolutem Gegensatz (Gal.3,24f); Vertreter: E. Hirsch, R. Bultmann, F. Baumgärtel, F. Hesse, H. Ulonska, H.
Wolff.
d) Verheißung und Erfüllung
Das AT ist die Verheißung, das NT die Erfüllung (vgl. 1.Kor.15,3ff); Vertreter: W. Eichrodt, W. Zimmerli, C. Westermann, H. Gese.
e) Theokratische Auslegung („Reichspredigt“)
Der Leitgedanke des AT ist die Theokratie, das NT ist Auslegung des AT; Vertreter: A.A. van Ruler [K.H. Miskotte].
f) Die universalgeschichtliche Auslegung
Die Einheit der Geschichte als Offenbarung bildet den Zusammenhang von AT und NT (Gen.15 zeigt ganze Heilsgeschichte); Vertreter:
W. Pannenberg, R. Rendtorff.
g) Das Lösungsmodell der Strukturanalogie
Die Strukturanalogie hat eine Nähe zur existentialen Interpretation (Typologie der glaubenden Existenz vor Gott) und fragt nach der
Analogie glaubender Existenz im Dort und Hier durch gemeinsame Grundstrukturen. Vertreter: C.H. Ratschow, K. Mayer zu Uptrup, H.D.
Preuß, F. Dreyfus, A. Deissler.
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 Kritik: Verheißung - Erfüllung spricht an der Gemeinde vorbei, Universalgeschichte und Theokratie sind Geschichtsbelehrungen, Antithese
macht AT überflüssig und christologische Auslegung wird Geheimwissenschaft. Einzig Strukturanalogie scheint sich zu bewähren.

2.3.6. Schrift / Tradition /Bekenntnis:

Kurz sei hier auf den geschichtlich schon öfters angesprochenen Unterschied zur kath. Tradition verwiesen: Die Tridentinische Lehre
(endgültig im Vaticanum II rezipiert), setzt als Glaubensnormen Schrift, Tradition und Lehramt gleich. Die ev. Kirche kennt kein auslegendes
Lehramt. Die Bekenntnisse sind im Gegensatz zur Urtradition (norma normans) Sekundärtraditionen (norma normata), die sich als
Auslegungen in der Zeit messen lassen müssen. Sie sind zeitbedingt, nicht ewig und von formaler Offenbarungsqualität. Bekenntnisse werden
nicht geglaubt, sondern der Glaube bekannt. Sie haben doxologische, abgrenzende und normative Funktion. Für Barth trifft das Bekenntnis eine
Entscheidung über die richtige Anwendung der Schrift. Sie sind weder Glaubensgegenstand, noch Lehrgesetz, aber als Formulierung
kirchlichen Konsens kommt ihnen großes Gewicht zu. Gerade für den Umgang mit der Schrift in der Verbindung zur Tradition zeigt dieser
Punkt einen gewaltigen Unterschied zur katholischen Lehre.
 Schrift entspricht der Tradition und kann ihr daher nicht gegenübergestellt werden. Als Schrift hat sie jedoch prinzipiell maßgebende
Bedeutung und normierenden Anspruch für alle weitere Tradition (vor der Schrift steht Tradition). Die Schrift hat durch Jesus keine
Formal-, sondern Materialautorität.

2.3.7. Konkrete hermeneutische Modelle

Nachdem nun schon verschiedene Modelle im- und explizit genannt wurden, sollen sie hier nun noch einmal vollständig aufgeführt werden.
Auch hier gehe ich nur noch exemplarisch auf einige Punkte ein:
a) vierfacher Schriftsinn (AK; MA)
b) Gesetz und Evangelium als hermeneutisches Modell (Reformation, Ebeling, Elert)
c) sacra scriptura sui ipsius interpres (ApO)
d) Vernunftgemäßheit als hermeneutisches Modell (Aufklärung)
e) Menschliches Gottesbewußtsein (Schleiermachers rel. Apriori)
f) „Wort-Gottes-Theologie“ (interpretiert sich selbst) als Gegenposition (Barth): unterscheiedet Schrift - Wort Gottes, das dreifach begegnet:
offenbart - geschrieben - verkündet; AT wird christologisch gedeutet.
g) Entmythologisierung und existentiale Interpretation (Bultmann): gegen Barth ist der geschichtlich bedingte Horizont aufzunehmen;
Christuskerygma als Richtschnur (<Kähler); AT Weissagung des Scheiterns; Wort und Geschichte fallen im Kerygma zusammen (von
v. Rad kritisiert). Das Offenbarungswort begegnet dem Menschen als souveräner Anruf Gottes. Der existentielle Sinn der Anrede Gottes
wird durch den Intellekt nicht verstellt. Weiterentwickelt von Fuchs und Ebeling mit einer stärkeren Betonung Jesu als geschichtliches
Ereignis. Es wird überlegt, wie das in Jesus zur Sprache gekommene neu übersetzt werden kann.
h) Methode der Korrelation (Tillich): Theologie muß Vermittlung leisten, indem sie Fragen formuliert, in denen die Vernunft an Grenzen
stößt. Zugleich muß sie die Fragen so anlegen, daß Christus als Antwort verstanden werden kann. Wegen der Geschichte sind Fragen
und Antworten jeweils neu zu formulieren. Entspricht im Rahmen der existentialen Interpretation, geht aber weiter in der Frage nach
dem Sinn der Geschichte und allgemeine ontologische Grenzprobleme. Auch wird der Charakter des Wortgeschehens nicht
ausschließlich gesehen.
i) Politische Theologie als Grundorientierung (Moltmann): Die existentiale Interpretation hat die biblische Botschaft auf das Individuum und
seine persönliche Daseinsproblematik reduziert und ist damit eine Verkürzung der Sachintention der biblischen Botschaft wie des
heutigen Erfahrungshorizontes. Wichtig sind aber gesellschaftliche Zusammenhänge. Veränderung der Welt durch Innerlichkeit und
Eschatologie blockiert. Problem ist dabei die Zeitgemäßheit vor der Schriftgemäßheit.
j) Weitere Positionen: Käsemann (Kanon begründet Vielfalt nicht Einheit; gegen Formalautorität; Kriterium ist Gottes befreiendes Wort;
Rechtfertigung ist Kerygma des Evangeliums, ist Kanon im Kanon); Diem (Selbstevidenz der Schrift; gegen RFL als alleiniges Kriterium);
Ebeling (Gesetz-Evg. als hermeneutisches Prinzip; Gesetz durch Philosophie Heideggers sachgemäß interpretiert); Elert (Unterscheidung
Gesetz-Evg.; Gesetz wird ontologisiert); Rahner (Schrift als Buch der Kirche).

3. Eigene Stellungnahme:

− Wort Gottes ist mehr und größer als die Bibel: Inkarnation ist erste, Bibel zweite, Verkündigung dritte Gestalt.
− Die Bibel ist nicht Wort Gottes, aber es kann nur in ihr für die Verkündigung erkannt werden.
− Das Grundkerygma der Heilstat Gottes in Christus ist die Sachmitte, der Kanon im Kanon.
− Von daher übt sie nicht nur eine auctoritas causativa, sondern auch eine auctoritas normativa aus (gestufte, keine flächenhafte Autorität)
− Bibel ist nicht nur norma normans gegenüber normans normata der Bekenntnisse, ebenso verhält sich das NT zum AT und das
Christuskerygma zum NT.
− Bibelkritik ist nur möglich als Selbstkritik vom Kanon im Kanon her (von der Heilstat Gottes in Christus her).
− Kriterien der Kanonizität sind (nach Pöhlmann) Christozentrik, Apostolizität und Autopistie.
− Drewermann will HKF in Emotion ändern: Neognosis!

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