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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

Astrid Hoffmann

Entführung auf Umwegen

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

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danken und um Ihre Unterstützung bitten, damit wir auch in Zukunft Stücke für Sie zur
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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

Komödie oder wahlweise Musical über eine chaotische Familie, zwei überforderte Entführer, eine
besessene Hobbydetektivin und wahre Freundschaft

Kurzinformation

Frauenschwarm Daniel und Computernerd Gustav sind stadtbekannte Einbrecher und konnten nur
knapp einer Gefängnisstrafe entgehen. Zu blöd, dass sie gleich bei ihrem nächsten Raubzug auf frischer
Tat ertappt werden – und das auch noch von der zickigen Clara und ihrer nervigen Emo-Schwester
Antonia. Aus Angst, verraten zu werden und auf direktem Weg in den Knast zu wandern, entführen sie
die zwei wohlhabenden Mädchen. Doch sie haben die Rechnung ohne eine größenwahnsinnige
Hobbydetektivin gemacht…

Dauer: ca. 80 Minuten ohne Musik, mit Musikstücken entsprechend länger

Musik: Die in dem Drehbuch angegebenen Songs sind nur Vorschläge und können weggelassen oder
durch andere Lieder ersetzt werden. Dabei sind die Bestimmungen der GEMA zu beachten.

Besetzung: 22-50 Schüler/innen und Schüler (Doppelrollen sind möglich). Das Stück ist für die Mittel-
und Oberstufe geeignet. Viele Rollen können/sollen jedoch auch von Unterstufenschülern gespielt
werden (können jedoch bei Bedarf in ältere Rollen umgeschrieben werden). Grundsätzlich können fast
alle Rollen bei entsprechender Änderung der Anrede bzw. des Namens im Text sowohl mit Mädchen als
auch mit Jungen besetzt werden. Es sollten jedoch mindestens 3 Jungen/Männer und mindestens 8
Mädchen/Frauen mitspielen.

Hinweis: Das Stück darf nach Belieben angepasst und verändert werden.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

Rollen

Emo-Mädchen Antonia Schwester von Clara, rebellisches Emo-Mädchen, von der Welt genervt
Tussige Clara Schwester von Antonia, zickig, überheblich, nur an Schminke interessiert, ärgert ihre
Schwester
Nerd Gustav naiver, verplanter und technisch begabter Kleinkrimineller, entführt Antonia und Clara
„aus Versehen“
Verführer Daniel schleimiger, charmanter, von sich überzeugter Kleinkrimineller, Komplize von Gustav
Mauerblümchen Emma Schwester von Daniel, klug, angeberisch, einsam
Mutter Sabine Mutter von Antonia und Clara, wohlhabend, zickig und hysterisch, gelangweilt, fühlt
sich vernachlässigt
Vater Reinhard Vater von Antonia und Clara, wohlhabend, ausgelaugt, überarbeitet, müde
Tante Beatrix Tante von Antonia und Clara, sehr vornehm, auf ihren Ruf bedacht, übertrieben
harmoniebedürftig
Cousinen/Cousins Cousinen/Cousins von Antonia und Clara, sehr vornehm und brav, etwas arrogant,
Rollenanzahl flexibel, hier: Margarethe, Liliane, Henriette, Rose-Marie
Hobbydetektivin Julia kluges Mädchen, eifert ihrem Vorbild „Sherlock Holmes“ nach
Frau Stanzer Mutter von Julia, sehr harmoniebedürftig, „perfekte Hausfrau“
Freundinnen von Julia sind nur zweckgebunden mit Julia befreundet, interessieren sich eigentlich
mehr für Boygroups, Rollenanzahl flexibel, hier: Mary, Ellen, Cindy, Josy, Zoe, Stacie,
Jenny
Polizeipsychologin Dr. Bergemann sehr engagiert und ernsthaft
Polizist(in) Jimmy O. interessiert sich nicht für seinen Job, ständig durch Musik abgelenkt
Polizist(in) Bordeaux ständig betrunken
Erzieherin Marlene sehr engagiert und liebenswert, etwas überfordert
Schwer erziehbare Kinder rebellisch und unerzogen, Anzahl flexibel, Lucy, Melly, Larissa, Nikita, Tessa,
Ronja, Emmy, Ben, Melissa, Lotte, Merle
Moderatorin Moderatorin einer Nachrichtensendung, etwas chaotisch
Seniorinnen autoritär, lassen sich jedoch von Daniels Charme beeinflussen, Anzahl flexibel, hier:
Brunhilde, Waldtraud, Hildegard, Gertrug, Ingeborg, können bei Bedarf auch
weggelassen werden
Tussis arrogant und hochnäsig, sind ursprünglich hinter Daniel her, Rollenanzahl flexibel, hier:
Paris, Olivia, Sidney, Charlyn
Hally und Sally Leiter(innen) einer Musicalschule, sollten tanzen können (könnten bei Bedarf auch
weggelassen werden)
Mc Donalds-Verkäufer(in) genervt und unfreundlich
Gäste bei Mc Donalds Anzahl flexibel
Zombies keine Sprechrollen, Anzahl flexibel (je mehr, desto wirkungsvoller)

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1. Szene: Die Familie wird vorgestellt

Zu Beginn könnte ein thematisch passender Song erklingen (z.B. Puddle of Mudd – She hates me).
Währenddessen ist Sabine im Haushalt beschäftigt. Ihr Ehemann Reinhard kommt herein, will sie
küssen, doch sie wehrt ihn ab. Er setzt sich hin und sie korrigiert alles, was er tut. Sie geraten ständig
aneinander. Nach dem Song:

SABINE [abfällig, aggressiv und zynisch] Na, Schatz? Wie war denn Dein Tag, Schatz?

REINHARD [lesend und gähnend] Och, wie immer. Lang und anstrengend.

SABINE Aha. Lang und anstrengend also. So lang wie die Beine deiner Sekretärin und so
anstrengend wie die täglichen Überstunden mit ihr?

REINHARD Bitte, Sabine. Heute nicht. Ich habe ganz furchtbare Verhandlungen hinter mir…

SABINE [rastet aus] Du hast jeden Tag „ganz furchtbare“ Verhandlungen hinter dir! Wie wäre
es denn, wenn du zur Abwechslung mal mit Deiner Ehefrau verhandelst?! [sarkastisch]
Ich biete „Socken waschen“, „Fenster putzen“ und tägliche Diskussionen mit zwei
reizenden Töchtern. [dumpfe Emo-Musik aus dem Nebenraum erklingt, schreiend]
Antonia, mach' diese scheußliche Musik leiser. Nebenbei bemerkt biete ich auch noch
unsere Tochter Clara, die morgen in die Nachprüfung muss. Und was bietest du?

REINHARD [stöhnt] Ich biete euch ein Leben, in dem ihr euch um nichts sorgen müsst. Ihr lebt in
einem wunderschönen, großen Haus. Und ihr könnt euch alle Kleider kaufen, die ihr in
dem Pay-TV seht, das ich euch unbedingt abonnieren musste.

SABINE [wütend] Ich scheiß auf die Kleider, wenn ich keinen Ehemann habe, der sie an mir
bewundert.

REINHARD Aber ich bewundere sie doch an dir. Guck mal: Kleid [zeigt auf das Kleid, Ehemann
zeigt auf sich] Bewunderung [macht eine übertriebene Geste] Zufrieden?

SABINE Nein!

REINHARD Dann kann ich dir auch nicht helfen. Und jetzt lass mich bitte ein paar Minuten
ausruhen…

SABINE Nein! Ich will, dass Du mich endlich ernst nimmst.

REINHARD Sabine, meine Liebste. Ich nehme dich doch ernst. Vor allen Dingen nehme ich dein
Bedürfnis nach Luxus ernst. Wenn sich deine Bedürfnisse geändert haben sollten, lass es
mich wissen, dann kündige ich und wir ziehen in ein Mehrfamilienhaus. Wenn dich das
glücklicher macht…

SABINE Nein! Das macht mich nicht glücklicher! Ich will keinen Mann, der aufgibt! Ich will
einen Mann, der endlich mal den Mund aufmacht und für sich und seine Familie
kämpft! Sag Deinem verblödeten Chef endlich mal die Meinung.

REINHARD [stöhnend] Mein Chef interessiert sich nicht für meine Meinung. Wenn ich ihm sage,
dass ich weniger Überstunden machen will, staucht er mich entweder zusammen oder
ersetzt mich gleich durch so einen Karrierejüngling. Die stehen schon Schlange… [Emo-
Musik geht aus]

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SABINE [verzweifelt] Die stehen wenigstens für irgendetwas. Du stehst für gar nichts! Ich will
einen Mann mit Rückgrat, keinen müden Waschlappen! Einen Mann, zu dem unsere
Töchter aufschauen können…

Töchter kommen sich streitend herein, Antonia will Clara ein Tagebuch wegnehmen. Vieles des
dargestellten Dialogs verläuft gleichzeitig

ANTONIA Jetzt gibt das her!

CLARA Hilfe, Antonia will mich schlagen! [verteidigt das Tagebuch]

ANTONIA Verdammt noch mal, Clara, gib das her!

REINHARD [steht schlaff auf, und will sie umarmen, schafft es aber nicht] Hallo meine lieben
Töchter.

Töchter streiten weiter.

SABINE [pfeift, alle sind still, sie sagt schadenfroh] Hey Mädels, euer Vater ist wieder da. Wollt
ihr ihn nicht begrüßen?

CLARA Oh Papa, dich wird bestimmt brennend interessieren, was Antonia so über dich schreibt.

ANTONIA Lass es, ich warne dich!

CLARA Liebes Tagebuch, warum muss ausgerechnet ich so einen bescheuerten Vater haben?
Kriecht die ganze Zeit seinem Kapitalistenschwein von Chef in den Arsch und jammert
nur rum. Hat überhaupt keine Eier!

SABINE [schadenfroh] Siehst du, das sag' ich doch die ganze Zeit.

CLARA Aber meine Mutter ist noch viel bescheuerter…

SABINE Was?!

CLARA … meckert den ganzen Tag darüber, dass Papa nichts auf die Reihe bekommt, ist aber
selbst nur mit Bügeln und Staubputzen beschäftigt. Die Alte soll sich endlich mal 'nen
Job suchen und sich nicht darauf verlassen, dass ihr Mann ihre dringend notwendigen
Schönheits-OPs bezahlt…

Antonia nimmt ihr endlich das Tagebuch aus der Hand…

ANTONIA Ich hasse Dich so sehr!

SABINE [schreit sich die Kehle aus dem Leib] Jetzt reicht es mir! Sind denn alle in dieser
Familie bekloppt geworden? Ihr setzt euch jetzt sofort hin!

ANTONIA Warum sollten wir?

CLARA Genau.

SABINE Weil Du, meine liebe Antonia, unbedingt auf das Konzert von dieser komischen Heavy
Metal-Band „Shock at the Beach“ oder so willst…

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ANTONIA [genervt] „Panic at the Disco“! Und das ist kein Heavy Metal!

SABINE Und weil Du, meine liebe Clara, unbedingt die neuen Hollister-Schuhe willst…

CLARA Verdammt!

SABINE [rastet wieder aus] Und weil Du, mein liebster Ehemann, irgendwann in deinem Leben
bestimmt noch einmal körperliche Liebe erfahren möchtest!

REINHARD Erpresst du uns etwa?

SABINE Nein, ich verhandel' nur. Also, setzt Euch!

Alle setzen sich genervt.

SABINE Wie ihr wisst, kommt gleich meine Schwester, also eure Tante mit ihrem langweiligen
Mann und ihren achso reizenden und perfekten Kindern zu Besuch.

ALLE [genervt] Achja, oh nein, stimmt ja…

SABINE Ich möchte, dass ihr euch ausnahmsweise mal zusammenreißt und einen normalen,
freundlichen Eindruck macht.

ANTONIA Wir sollen einen auf glückliche Familie machen, damit du dich vor deiner dämlichen
Schwester nicht blamierst?

SABINE Das ist eine Sichtweise. Eine andere ist, dass ihr mir etwas entgegenkommt und ich
euch dafür im Gegenzug etwas entgegenkomme. Quasi: Eine Win-Win-Situation.
Andererseits: Konzert, Schuhe und Männerphantasien, adé! Also, haben wir einen Deal?

ALLE [genervt] Ja, okay, wenn's sein muss…

SABINE Gut, dann fangen wir sofort an, ein bisschen zu üben und uns wie eine normale Familie
zu verhalten. Wir verdrängen unsere eigentlichen Probleme und lenken uns stattdessen
ab.

ALLE Hä?

SABINE Na, ist doch klar! Wir schauen zusammen Fernsehen. Reinhard, mach' mal die
Leinwand herunter. [während sie herunterfährt] Reinhard, dauert das etwa immer
noch so lange? Du wolltest sie doch längst reparieren. Nichts kriegst du auf die Reihe!

2. Szene: Nachrichtensendung 1 (Videoeinspielung)

Moderatorin schminkt sich, spielt ein aktuelles Spiel am Handy oder schminkt sich und summt dabei.

STIMME IM HINTERGRUND Melly, du bist schon on Air.

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MODERATORIN Was? Ups, hehe. [schmeißt das Handy oder die Schminke weg] Herzlich Willkommen
zu einer brandneuen Ausgabe von „Mc News“ – dem Nachrichtenhaps für
zwischendurch. Bestimmt sitzen Sie gerade in Ihrem harmonischen Zuhause und
genießen den Feierabend in den Armen Ihrer Liebsten. Doch leider ging es in den letzten
Monaten nicht allen Familien so. Denn in unserer eigentlich so friedlichen, kleinen Stadt
trieben zwei gewissenlose Einbrecher ihr Unwesen. [Fotos von Gustav und Daniel
werden eingeblendet] Hierzu interview ich die beiden Polizeibeamten Bordeaux und
Jimmy O. und die Polizeipsychologin Frau Dr. Bergemann.

Die Polizisten und die Polizeipsychologin kommen dazu, Bordeaux schenkt gerade Wein ein und Jimmy
O. hat Kopfhörer im Ohr, sinkt im Geiste und spielt in der Luft Schlagzeug.

MODERATORIN [etwas irritiert] Herr Bordeaux, wie haben Sie die Einbrecher denn geschnappt?

BORDEAUX [betrunken] Wie? Äh. Ja, gute Frage… Wie haben wir die Einbrecher noch einmal
gefasst? Ich weiß das gar nicht mehr so genau…

FRAU DR. BERGEMANN Die Täter haben auf dem Weg vom Tatort nach Hause einen Großteil der Beute
verloren und so eine eindeutige Spur hinterlassen.

BORDEAUX [zur Moderatorin] Auch ein Schluck?

MODERATORIN Ähm, nein, danke! Frau Dr. Bergemann, soll das heißen, dass unsere beiden Diebe, wie
sagt man, etwas „dumm“ sind?

FRAU DR. BERGEMANN Naja, so leicht lässt sich das nicht beantworten. Einer von ihnen hat zumindest
eine hohe technische Kompetenz. So ist es ihm immer gelungen, Alarmanlagen
auszuschalten und Tresorcodes zu knacken. Allerdings sind beide ausgesprochen naiv.
Es fehlt ihnen einfach an gesundem Menschenverstand.

MODERATORIN Herr Bordeaux, vielleicht noch ein Versuch. Die Täter wurden zu sechs Monaten auf
Bewährung verurteilt. Was bedeutet das konkret?

BORDEAUX Hmm… Auf Bewährung? Was heißt das denn noch mal?

FRAU DR. BERGEMANN Auf Bewährung bedeutet, dass die Täter noch eine Chance erhalten. Doch sobald
sie noch einmal als Straftäter auffallen, wandern sie sofort ins Gefängnis.

MODERATORIN Jimmy O., wie können sich die Zuschauer in Zukunft vor Einbrechern schützen? Was
würden Sie der Bevölkerung raten? [Jimmy O. bemerkt sie gar nicht, ist weiter in
seinem Element.] Herr Jimmy O.?

JIMMY O. [wird von Bordeaux angestoßen, nimmt sich einen Stöpsel aus dem Ohr] Was?

MODERATORIN Was würden Sie der Bevölkerung raten?

JIMMY O. [nimmt den zweiten Stöpsel aus dem Ohr, spricht direkt in die Kamera] Also, ich würde
der Bevölkerung raten, unbedingt das neue Metallica-Album zu hören. Das ist der der
absolute Wahnsinn! [steckt die Stöpsel wieder rein und macht weiter]

MODERATORIN [irritiert] Ja, vielen Dank für den Tipp. Also, liebe Zuschauer, seien Sie wachsam und
passen Sie auf Ihr Zuhause auf! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und bis zur
nächsten Ausgabe von „Mc News“ – dem Nachrichtenhaps für Zwischendurch.“

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3. Szene: Besuch von Tante und Cousinen

Die Familie sitzt mit offenem Mund auf dem Sofa.

ANTONIA [ironisch] Super, jetzt fühle ich mich wirklich viel harmonischer.

Es klingelt.

SABINE [erschrocken] Sie kommen. Kann ich mich auf euch verlassen?

ALLE [genervt] Okay, wenn's sein muss, jaaa

SABINE Gut. Dann zeigt mal, was ihr schauspielerisch so draufhabt. Los geht's.

Sabine öffnet die Tür, die Körperhaltung der Familie ändert sich schlagartig.

SABINE Hallo, liebe Beatrix, schön dich zu sehen. Wow, eine schicke Bluse!

BEATRIX Hallo, liebste Schwester. Ach was, schau' dich doch mal an. Du siehst einfach fantastisch
aus. Oh, meine lieben Antonia und Clara, ihr seht ja ganz [etwas überfordert] reizend
aus. [drückt sie und kneift sie in die Wangen]

ANTONIA UND CLARA [gleichzeitig wie auswendig gelernt und übertrieben freundlich] Hallo liebe
Tante Beatrix.

Vieles von dem im Folgenden Beschriebenen läuft gleichzeitig ab, wichtig ist, dass alles sehr aufgesetzt
und schleimig stattfindet, als Vorschlag:

BEATRIX Hallo Reinhard, schickes Hemd hast du an.

REINHARD Beatrix, meine Liebe. Schön, dich zu sehen.

BEATRIX Und wer ist denn da? Margarethe, Henriette, Liliane und Rose-Marie. Entzückend seht
ihr aus!

REINHARD Aber wirklich, Kinder!

MARGARETHE Hallo liebe Tante Beatrix und lieber Onkel Reinhard.

HENRIETTE Vielen Dank für die freundliche Einladung.

LILIANE Hier haben wir ein kleines Präsent für Euch.

ROSE-MARIE [übergibt ihr eine schöne Blume] Diese Hyazinthe schafft eine angenehm blumige
Atmosphäre und muss nur einmal wöchentlich gegossen werden.

BEATRIX Vielen Dank, das ist ja wirklich ausgesprochen lieb von Euch. Clara, Antonia, schaut
mal, was Eure Cousinen uns mitgebracht haben!

CLARA Wirklich ausgesprochen hübsch.

ANTONIA Passt perfekt zum Teppich.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

MARGARETHE Euch haben wir natürlich auch noch eine Kleinigkeit mitgebracht.

HENRIETTE Für dich, liebe Clara, haben wir eine Lern-CD-Rom für lernunwillige Kinder.

LILIANE Wir haben gehört, dass du in die Nachprüfung musst. Damit kannst du deine
Bildungslücken schließen.

CLARA [wütend] Was soll das denn bitte… [wird von Beatrix angestoßen] …ich meine, vielen
Dank, liebe Cousinen. Das ist wirklich sehr aufmerksam von euch.

ROSE-MARIE Und für dich, liebe Antonia, haben wir einen Gutschein für das neue, seriöse
Sonnenstudio in der Einkaufszone.

MARGARETHE Für eine dezente Bräune. Damit du nicht immer so blass herumlaufen musst.

ANTONIA [wütend] Damit ich so plastikmäßig aussehe wie ihr? [wird von Beatrix angestoßen.]
Entschuldigung, ich meine natürlich, ganz herzlichen Dank! Ich freue mich
außerordentlich.

BEATRIX Hach, wie ist das schön! Setzt euch doch bitte. Was möchtet ihr denn trinken?

HENRIETTE Wir hätten alle gerne eine Tasse grünen Tee.

LILIANE Ohne Zucker und ohne Milch.

ROSE-MARIE Am besten Aracha-Tee. Aus den Berggebieten Japans.

SABINE Aber selbstverständlich. [zu Reinhard] Guck schnell auf dem Dachboden, ob wir so
etwas haben.

BEATRIX Wir machen zur Zeit eine Entschlackungskur. Das ist gut für die Gesundheit und macht
gemeinsam viel mehr Spaß. Nicht wahr, meine Lieben?

DIE COUSINEN [durcheinander] Ja, das macht so viel Spaß. Das ist ganz toll. Und gemeinsam ist das
richtig toll.

BEATRIX Und was tut ihr so für eure Gesundheit?

SABINE Wir… ööhh… wir machen alle zusammen… ähm … Aqua-Sport und Sauna-Abende.

CLARA Hä? Das stimmt doch überhaupt nicht.

ANTONIA IIIIIhh… ich gehe doch nicht mit euch in die Sauna… [wird von Beatrix angestoßen] …
doch, natürlich, Fit vor Fun für Jedermann.

CLARA Genau, gemeinsam bewegen, den Körper gut pflegen.

REINHARD [kommt wieder herein] So, hier ist grüner Tee.

ROSE-MARIE [entsetzt] Aber das ist ja gar kein Aracha-Tee!

HENRIETTE Genau, das ist Tee einer Discounter-Eigenmarke.

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MARGARETHE Das ist ja schrecklich!

LILIANE Mama, du hast doch gesagt, dass so etwas nicht gut für uns ist.

BEATRIX Beruhigt euch, Kinder. Tante Beatrix und Onkel Reinhard haben leider keinen so
gesunden Lebensstil wie wir.

SABINE Also, das würde ich jetzt aber nicht behau…

REINHARD [unterbricht sie] Wie geht es euch denn so? Was macht die Schule?

BEATRIX [freut sich] Genau, Kinder, erzählt Onkel Reinhard und Tante Sabine doch mal von der
Schule.

MARGARETHE Wir haben beim Känguru-Wettbewerb gewonnen.

SABINE Bei bitte was? [die Familie guckt verwirrt]

HENRIETTE Entschuldigt bitte. Margarethe hat vergessen, dass ihr mit so etwas nicht vertraut seid.

LILIANE Es handelt sich um einen internationalen Mathematikwettbewerb der Klassen 3-13.

ROSE-MARIE Hinzu kommen erste Plätze bei Jugend forscht, Jugend musiziert und Jugend debattiert.

MARGARETHE Achja, und dass wir Jahrgangsbeste sind, müssen wir, glaube ich, nicht erwähnen.

BEATRIX Und wie läuft es bei euch so in der Schule?

SABINE [überfordert] Also, Clara hat beim Kakadu-Wettbewerb gewonnen.

CLARA Hä? [wird angestoßen]

HENRIETTE Beim was?

LILIANE Das hab' ich ja noch nie gehört.

SABINE [überlegt] Das ist ein Wettbewerb für…ööhh… das schönste Schülerlächeln.

Clara lächelt aufgesetzt.

ROSE-MARIE [aufgeregt] Mama, warum gibt es einen Wettbewerb, bei dem wir noch nicht gewonnen
haben?

HENRIETTE Wie kannst du das verantworten? Unser Lebenslauf!

BEATRIX Beruhigt euch, Kinder. Das wird schon nicht so prestigeträchtig sein. Und wie läuft es
bei Antonia?

SABINE Antonia … [schaut sie verzweifelt an] … Ohh… Antonia hat es zumindest ins Finale
geschafft.

BEATRIX Ja, das glaube ich. Du hast eigentlich ein solch reizendes Gesicht. Man müsste nur mehr
aus dir machen.

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SABINE [zustimmend] Oh ja, das sage ich schon immer.

BEATRIX [geht zu Antonia hin] Dein Make-Up zum Beispiel. Überhaupt nicht natürlich-blumig.
Außerdem solltest du deine hübschen Wangenknochen mehr betonen. [fummelt ihr im
Gesicht herum]

SABINE Ganz meine Meinung. Und ihre Haare! Viel zu zerzaust. Sie müssten mal ordentlich
geglättet und frisch frisiert werden. [fummelt ihr in den Haaren rum]

Die beiden Frauen fummeln so viel an ihr herum und reden damit in einem fort, bis Antonia
aufspringt.

ANTONIA [rastet aus] Es reicht! Ihr habt doch alle einen totalen Schaden! Glaubt ihr etwa, ihr seht
besser aus? Mit Stock im Arsch und eurem aufgesetzten, schleimigen Lächeln, das nur
überspielen soll, wie scheiße ihr euch alle findet?!

SABINE Aber Antonia, mein Schatz!

ANTONIA „Mein Schatz“! Dass ich nicht lache! Du machst doch nur einen auf perfekte Familie,
weil du vor diesen dämlichen Plastikpuppen hier vertuschen willst, dass wir die
kaputteste und abgefuckteste Familie ever sind. Aber weißt du was? Du hast mir echt die
Augen geöffnet. Wir sind gar nicht die kaputteste und abgefuckteste Familie. Ihr seid
die kaputteste und abgefuckteste Familie. [dreht sich zu den Verwandten! Nachäffend]
Känguru-Wettbewerb, Jugend debattiert, Jugend musiziert, [wieder sauer] Jugend
affektiert trifft wohl eher zu. Habt ihr überhaupt eine „Jugend“? Mit Träumen? Mit
Grenzüberschreitungen? Mit Visionen?

BEATRIX So, liebe Kinder, es war sehr schön, aber wenn es am Schönsten ist, soll man ja
bekanntlich gehen. [sie scheucht die Cousinen zusammen, die irritiert und erschrocken
sind]

SABINE Beatrix, warte doch. Antonia ist nur etwas verwirrt. [zischend zu Antonia] Das Konzert
kannst du vergessen.

ANTONIA Etwas verwirrt? Weil ich mich nicht von dir erpressen lasse?! Als ob ich deine Erlaubnis
oder dein verficktes Geld bräuchte, um auf ein Konzert zu gehen. Da scheiß ich doch
drauf! [zu den Cousinen] Scheißt ihr eigentlich auch auf irgendwas? Oder hat eure
angsterfüllte Mutter euch so manipuliert, dass eure Darmfunktion schon völlig hinüber
ist?!

BEATRIX Los Kinder, schnell weg hier!

Sie verschwinden.

ANTONIA Haut doch ab! In euer perfektes Eigenheim, in dem ihr euch versteckt, um ja nichts von
der echten, bösen Welt beschmutzt zu werden.

SABINE Hast du sie noch alle?

ANTONIA Du hast sie nicht mehr alle! Dass du wert auf die Meinung von solchen verklemmten
Spießern legst.

REINHARD Also, ich muss jetzt ganz dringend mal an die frische Luft. [nimmt seine Jacke]

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SABINE Glaub' ja nicht, dass du jetzt einfach verschwinden kannst!

REINHARD Oh doch, das kann ich… [er geht]

SABINE [läuft hinterher] Das ist alles deine Schuld! Die Gören sind nur so verzogen, weil du nie
da bist. Hey! Warte gefälligst auf mich!

Evtl. ist Autoquietschen zu hören.

CLARA Das hast Du ja toll gemacht. Wegen Dir kann ich die Hollister-Schuhe vergessen.

ANTONIA Ph, ist mir doch scheißegal.

CLARA Aha. Ist dir das hier auch scheiß egal? [Liest wieder aus dem Tagebuch vor, amüsiert
sich dabei.] Liebes Tagebuch, heute Morgen habe ich einen riesigen Pickel an meinem
Hals entdeckt. Er ist so riesig und eitrig, dass ich ihn fast schon als neuen
Himmelskörper bei der NASA gemeldet hätte. Ich habe versucht, ihn auszuquetschen.
Dabei ist er geplatzt und es ist eine grünliche Flüssigkeit herausgekommen. Voll ekelig.

ANTONIA Gib das her!

Sie laufen zankend aus dem Zimmer.

4. Szene: Gustav und Daniel brechen ein

Daniel und Gustav schleichen sich ins Wohnzimmer.

DANIEL Boah, geile Bude!

GUSTAV Bist du wirklich sicher, dass niemand hier ist?

DANIEL Klar, das Auto ist doch weg. [schaut sich ein Foto an]

GUSTAV Na und? Es kann doch trotzdem jemand hier sein.

DANIEL Boah, Gustav, jetzt entspann dich doch mal. So dämlich wie letztes Mal stellen wir uns
schon nicht an… [schaut auf ein Foto] Wow, heiße Mom. Ne richtige Milf.

GUSTAV Daniel, Du hormongesteuerter Hengst. Wir sind nicht hier, um dir deinen 10000. One-
Night-Stand zu besorgen, sondern um ordentlich was mitgehen zu lassen. [Gustav sucht
nach Beute]

DANIEL Peh, du bist doch nur neidisch, weil du nie zum Zug kommst.

GUSTAV [öffnet ein Geheimfach] Jackpot! Code geknackt!

DANIEL Hast du was gefunden?

GUSTAV [hebt Schmuck heraus] Die sind zusammen bestimmt 100.000 € wert.

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Die Schwestern kommen herein, Clara liest wieder aus dem Tagebuch vor.

CLARA Spencer von Panic at the Disco ist so süß. Nach dem Konzert werde ich im
Backstagebereich auf ihn warten und ihm mein Gedicht überreichen. Bestimmt verliebt
er sich dann in mich…

Clara und Antonia sehen Gustav und Daniel, die wie angewurzelt vor dem Schmuckkästchen stehen.

CLARA Wer seid ihr denn?!

GUSTAV Wir… wir sind vom Sicherheitsdienst. Wir hatten seltsame Geräusche gehört.

ANTONIA Ich kenne euch! Ihr seid die dummen Einbrecher aus den Nachrichten!

CLARA [läuft auf sie zu und nimmt den Schmuck weg] Und ihr versucht gerade, Mums
Schmuck zu klauen.

GUSTAV Scheiße, was machen wir denn jetzt?!

DANIEL Keine Ahnung, du bist doch der Schlaue von uns beiden.

GUSTAV Was Computer angeht, nicht was so etwas hier betrifft.

DANIEL Verdammt, die werden uns verraten. Wir sind schon wegen unseres letzten Einbruchs
auf Bewährung. Wir kommen ins Gefängnis.

GUSTAV Toll, so weit war ich auch schon.

DANIEL Es sei denn…

GUSTAV Es sei denn was?!

DANIEL Es sei denn, sie verraten nichts…

GUSTAV Willst du sie umbringen, oder was?

ANTONIA Okay, wir sind dann mal weg.

CLARA Byebye!

Antonia und Clara wollen weglaufen, doch Daniel und Gustav halten sie fest.

DANIEL Nein, natürlich nicht!

Ein Auto ist zu hören, Antonia und Clara wollen um Hilfe schreien, doch Daniel und Gustav halten
ihnen den Mund zu.

GUSTAV Scheiße, die Eltern kommen zurück. Was machen wir denn jetzt?

DANIEL Keine Ahnung. Erstmal weg hier.

GUSTAV Mit den Mädchen?

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DANIEL Natürlich mit den Mädchen oder willst du, dass sie sofort zur Polizei rennen?!

GUSTAV Nein, verdammt.

DANIEL Ja, dann los… [sie verschwinden mit den Mädchen]

5. Szene: Die Eltern kommen zurück

Reinhard kommt herein, Sabine schreiend hinterher…

SABINE Du bist so ein Weichei! Wenn die Scheidung nicht so teuer wäre, hätte ich sie schon
längst eingereicht… [sie sehen das Chaos] Was ist denn hier passiert?

REINHARD Ich habe keine Ahnung.

SABINE [ruft] Antonia?! Clara?!

REINHARD Ich suche sie mal. [geht aus dem Zimmer]

SABINE [schaut sich um, findet den Schmuck] Mein schöner Schmuck! [legt ihn sich an]

REINHARD [kommt zurück] Sie sind nirgendwo im Haus. Ich rufe sie mal an. [nimmt sein Handy
heraus und wählt Nummer]

SABINE Es fehlt nichts. Obwohl der Code geknackt wurde.

Ein Handy klingelt.

SABINE Das ist Claras Handy. Und Antonias liegt daneben. Sie würden nie ohne ihre Handys aus
dem Haus gehen.

REINHARD Ich rufe jetzt die Polizei.

SABINE [schreit] Das ist alles deine Schuld! Nur, weil du mal „kurz Luft schnappen musstest“.

REINHARD Guten Tag, bitte kommen Sie schnell zur Waldstraße 13. Unsere Töchter sind
verschwunden.

SABINE [schreit weiter] Ein richtiger Mann wäre hiergeblieben und hätte sich den Problemen
gestellt! Aber du musst mal wieder vor ihnen wegrennen! [Reinhard setzt sich.] Bleib
gefälligst stehen! Oder bist du mittlerweile so ein Schlaffi, dass du dich nicht mal auf
deinen eigenen Beinen halten kannst?! Schämst du dich denn überhaupt nicht? Ein 50-
Jähriger Mann, der nicht mal auf seine eigene Familie aufpassen kann. [man hört die
Polizeisirene] So, jetzt kommen endlich mal Männer, die etwas von ihrem Handwerk
verstehen und sich ernsthaft mit unseren Töchtern befassen. Also pass gut auf, du
kannst jetzt viel lernen.

Die Polizisten und die Polizeipsychologin kommen herein, Jimmy O hat wieder Knopf im Ohr, groovt
mit, schaut sich die im Wohnzimmer befindlichen Schallplatten an.

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SABINE Gut, dass sie da. Hier ist eingebrochen worden, obwohl nichts fehlt…

REINHARD [fällt ihr ins Wort] … außer unseren Töchtern, die sind weg. Und ihre Handys auch…

BORDEAUX [fällt ihnen ins Wort] Moment mal, nicht so schnell. Sind Sie denn gar nicht mit den
üblichen Höflichkeitskonventionen vertraut?

SABINE Entschuldigen Sie bitte vielmals. Mein Name ist Sabine von Schlesing und das ist mein
Mann Reinha…

BORDEAUX Das meine ich doch nicht! Ich meine Konventionen der Gastfreundschaft. [macht eine
trinkende Geste]

SABINE Oh, entschuldigen Sie vielmals! Haben Sie vielleicht Durst, darf ich Ihnen etwas zu
trinken bringen?

BORDEAUX Ja, ich merke, wir verstehen uns. Sehr gerne.

SABINE Reinhard, jetzt hol' doch endlich etwas!

REINHARD [ein Glas Wasser bringend] So, bitteschön.

BORDEAUX Ich will mich nicht waschen, ich habe Durst. [holt sich genervt eine Flasche aus seiner
oder ihrer Tasche]

FRAU DR. BERGEMANN [reagiert schnell] Entschuldigen Sie bitte, meine Kollegen haben manchmal
etwas merkwürdige Bedürfnisse. Ich bin die Polizeipsychologin Frau Dr. Bergemann.
Erzählen Sie doch erst einmal, was eigentlich passiert ist.

SABINE Okay, also, weil mein Mann mal wieder eine Szene machen musste, sind wir zu zweit
weggefahren und haben unsere beiden Töchter alleine gelassen. Sie sind in letzter Zeit
ein bisschen schwierig. Sie wissen schon, Pubertät und so. Auf jeden Fall war, als wir
wiedergekommen sind, alles durchwühlt und unsere Töchter sind verschwunden. Und
das ohne ihre Handys, ohne die sie niemals aus dem Haus gehen würden.

BORDEAUX Tja. In solchen Situationen hilft nur ein richtiger guter Schnaps. Darf ich Ihnen
einschenken? [Reinhard stimmt zu]

SABINE Sie spinnen ja wohl! Sie sollen nicht saufen, sondern unsere Töchter finden!

FRAU DR. BERGEMANN Beruhigen Sie sich erst einmal. Wichtig ist, dass wir jetzt alle Ruhe bewahren.

JIMMY O [springt nach vorne] Ruhe bewahren? So ein Schwachsinn! Sie müssen Ihre
Aggressionen herauslassen! Ich zeig' Ihnen mal, wie das geht!

Hier könnte ein rockiger Song kommen, bei dem das Publikum zum Mitmachen animiert wird.

SABINE [schreit] Stoopp! Aufhören!

JIMMY O. Was ist denn mit der los? [zu Reinhard] Ist die etwa immer so?! [Reinhard nickt, wird
von Sabine böse angeguckt und schüttelt danach brav den Kopf]

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

SABINE Es reicht mir! Ich will von ihnen nicht totgebrüllt werden, ich will, dass Sie unsere
Töchter finden! Reinhard, sag' du doch gefälligst auch mal was!

BORDEAUX Ich weiß gar nicht, was Sie haben. Ist doch super, wenn ihre Töchter weg sind. Dann
haben Sie viel mehr Zeit, den wahren Genüssen des Lebens zu frönen. Auch einen
Schluck?!

JIMMY O. Er hat recht. Wenn ich mir ihre Plattensammlung und ihre Pogofähigkeiten angucke, ist
bei ihnen zur Zeit absolut tote Hose. Nehmen Sie die neugewonnene Zeit, um mal
wieder richtig einen drauf zu machen.

SABINE Reinhard, tu doch was, die sind vollkommen irre. Der eine ist total betrunken.

REINHARD Ja, was soll ich denn machen?

FRAU DR. BERGEMANN Jetzt ist aber mal gut! Hier sind zwei Eltern in Sorge um Ihre vermissten Kinder.
Also machen Sie gefälligst Ihre Arbeit!

BORDEAUX UND JIMMY O. [mürrisch] Och Menno, so eine Spaßbremse, frigide Alte, machen Sie sich mal
locker.

JIMMY O. [genervt] Also gut, ich fasse zusammen, was wir bis jetzt über den Täter wissen. Er ist
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mensch, kommt aus Europa und ist zwischen 5 und 99
Jahren alt.

FRAU DR. BERGEMANN Haben Sie vielleicht ein Foto von Ihren Töchtern?

SABINE [holt ein Foto aus dem Regal] Natürlich, das sind sie. [zeigt es Jimmy O. und Bodeaux]

JIMMY O. UND BORDEAUX [verlegen, vorgespielt] Oh, ja, ganz reizende Töchter, wirklich entzückend…
Also, da kann ich aber verstehen, dass Sie traurig sind.

FRAU DR. BERGEMANN Gut. Wir werden die Fotos überall im Fernsehen und im Internet verbreiten und
ihre Töchter somit ganz schnell finden.

JIMMY O. Das glauben Sie doch selbst nicht. Wir haben eine Erfolgsquote von 0,1 Prozent. Aber
auch nur wegen dieser dummen Einbrecher.

FRAU DR. BERGEMANN [übertönt ihn] Und in der Zeit gehen wir jetzt mal nach draußen, schnappen ein
bisschen frische Luft und überlegen, wo ihre Töchter außerdem noch sein könnten.

ALLE [etwas genervt, gehen raus] Oh ja, endlich raus hier, gute Idee.

Zwischenspiel (z.B. der rockige Song) / Umbau

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6. Szene: Vorstellung der Kinderdetektive

Julia betätigt sich detektivisch (sucht z.B. Spuren), ihre Freundinnen liegen herum, feilen sich die
Nägel, tragen Lippenstift auf, lesen Zeitschriften

MARY [springt auf und freut sich tierisch] Ahhh… in der Bravo Girl ist ein neuer Psychotest.

CINDY Echt? Zeig her!

JULIA Nicht schon wieder! Der letzte „Psychotest“ hat mir schon gereicht. „Welcher
Handtaschentyp bin ich?“ Absolut überflüssig. Die könnten doch wenigstens mal Fragen
stellen, die kriminalistisch gesehen von Bedeutung sind.

ZOE Halt die Klappe, Julia.

JOSY Genau! Weil du dich nur für deine kindische Detektivbande interessierst, heißt das ja
nicht, dass wir alle so Freaks sein müssen wie du.

JULIA Kindische Detektivbande? Ich führe ein seriöses Detektivbüro!

ELLEN Ist doch auch egal. Sag schon, worum geht's in dem Test?

MARY Also… Haltet euch fest! Wie eifersüchtig bist du?

ALLE AUSSER JULIA UUUHHHHHH!

ZOE Schieß los!

MARY Ok, erste Frage: Stell dir vor, du siehst deinen Schwarm mit einem anderen Mädchen.

JULIA Deinen was?

STACIE Boah, Deinen Traumboy!

JULIA Hä?

JOSY Den Typen, in den du verknallt bist.

JENNY Vergiss es, als ob Julia auf irgendjemanden stehen würde. Mit Ausnahme von dem
Typen mit diesem furchtbaren Karoanzug und dieser scheußlichen Mütze.

JULIA Sherlock Holmes war ein stilvoll gekleideter Mann und ein hervorragender Detektiv.

ELLEN Scheißegal, wie geht es weiter?

MARY Also, noch einmal. Stell dir vor, du siehst deinen Schwarm mit einem anderen Mädchen.
Was tust du? a) Gar nichts. Dein Schwarm soll selbst entscheiden, welches Girl ihm
besser gefällt.

ALLE [gleichzeitig] Boah, wie langweilig, nee, auf keinen Fall.

MARY b) Du mischst Stärke in die Diät-Drinks des Mädchens, so dass sie innerhalb von einer
Woche drei Kilo zunimmt.

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ALLE [gleichzeitig] Ja, das ist gut, super Idee.

MARY Oder c): Haltet euch fest. Du tust so, als wärst du ihr best friend und wirst im
Sportunterricht ihre Partnerin. Wenn du sie beim Klettern sichern sollst, lässt du sie
versehentlich los, so dass sie drei Wochen lang ins Krankenhaus muss und außer
Gefecht gesetzt ist.

ALLE GLEICHZEITIG [noch freudiger] Das ist es! Kreuz das an! Wahnsinns Idee! Das mache ich das nächste
Mal…

JULIA Stopp! Das wäre viel zu auffällig. Man muss nur auf euer Motiv aufmerksam werden,
schon lassen sich die restlichen Beweise in Null-Komma-Nichts finden.

CINDY Boah, Julia, du bist so eine Spaßbremse.

ZOE Ich weiß überhaupt nicht, warum wir immer noch bei dir abhängen.

Mutter von Julia kommt übertrieben freundlich und gestylt herein.

FRAU STANZER Hallo meine Hübschen!

ALLE [im Chor] Hallo Frau Stanzer!

JULIA Hi, Mom!

JOSY Frau Stanzer, Sie haben ja heute wieder eine tolle Frisur.

FRAU STANZER Oh, Dankeschön! Ich kann euch gleich gerne ein paar Frisurentipps geben!

ALLE Jaaaaaaaa!!!!!

JULIA Nee, danke, Mum. Ist nicht nötig.

JENNY War ja mal wieder klar, dass du dagegen bist. Obwohl Du es am nötigsten von uns
hättest…

STACIE Es ist kaum zu fassen, wie unterschiedlich Mutter und Tochter sein können.

FRAU STANZER Tja, wir sind alle mit anderen Talenten gesegnet.

CINDY Ja, manche sind mit dem Talent „Nerven“ gesegnet, nicht wahr, Julia?!

ZOE Was haben Sie denn da, Frau Stanzer?

FRAU STANZER Ach, nur ein paar Zeitschriften, ein paar Schminkutensilien und jede Menge Cupcakes.

ALLE GLEICHZEITIG [außer Julia] Super, danke, voll lecker!

FRAU STANZER Oh nein! Ich habe den Glitzer-Puderzucker vergessen. Julia, wärst Du so lieb und
würdest ihn kurz holen?

JULIA Warum soll ich das denn machen? Ich find' Glitzer-Puderzucker total dämlich.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

FRAU STANZER Bitte, mein Schatz! Ich kaufe Dir auch ein neues Spielzeug für deinen Detektiv-
Baukasten.

JULIA [regt sich auf] Das sind keine Spielzeuge! Das ist hochprofessionelles Werkzeug bei der
wichtigen Arbeit eines…

FRAU STANZER [unterbricht sie, anderer Ton] Soll ich dir jetzt so ein blödes Ding kaufen oder nicht?

JULIA [genervt] Ist ja schon gut. Ich geh' ja schon.

FRAU STANZER [wieder aufgesetzt] Das ist ganz freundlich von Dir, mein liebster Schatz. [verteilt die
Cupcakes]

MARY Frau Stanzer, mal ganz ehrlich. Wie kommt es, dass Sie so cool sind und Ihre Tochter
nur rumnervt?

Alle zustimmend.

FRAU STANZER Ich weiß, dass meine Tochter nicht immer ganz einfach ist.

CINDY Nicht ganz einfach? Ihre Tochter stresst und uns alle mega.

JENNY Sie ist eine totale Spaßbremse und geht uns mit ihrem Detektiv-Kinderkram voll auf den
Geist.

ELLEN Wir sind ja wirklich gerne bei Ihnen, aber wir halten das echt nicht mehr aus. Sorry,
Frau Schanzer, aber ich glaube, wir kommen in Zukunft nicht mehr.

FRAU SCHANZER Nein, bitte nicht! Ihr müsst unbedingt weiterhin kommen!

ZOE Aber wieso?

MARY Wir essen Ihnen doch sowieso nur den Kühlschrank leer und verbrauchen Ihre
Schminke. Wieso möchten Sie unbedingt, dass wir weiterhin kommen?

FRAU SCHANZER Ich möchte ja nicht, dass Ihr wegen mir kommt. Auch wenn ich euch alle zuckersüß
finde. Es ist wegen Julia. Ihr seid ihre einzigen Freundinnen. Und wenn ihr nichts mehr
mit Ihr zusammen macht, ist sie ganz allein.

STACIE Aber das ist doch nicht unser Problem!

CINDY Wir können doch keine Babysitter spielen. Gucken Sie uns doch mal an. Wir sind doch
selbst noch halbe Babys mit etwas viel Lipgloss im Gesicht.

JOSY Tut uns echt leid, Frau Schanzer. Aber das können Sie nun wirklich nicht von uns
verlangen.

FRAU SCHANZER [stöhnt] Ja, wahrscheinlich habt Ihr Recht. Dabei habe ich noch fünf Karten für ein One
Direction-Konzert über, die ich euch eigentlich gerne geschenkt hätte.

ELLEN Sie haben bitte was?

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FRAU SCHANZER Fünf Karten für ein Exklusiv-Konzert von One Direction. Mit VIP-Ausweis und
Backstage-Pässen. Sagt bloß, ihr kennt diese Band?

MARY Haben Sie einen Knall? Wie lieben diese Band!

ELLEN Harry ist der Vater meiner zukünftigen Kinder.

FRAU SCHANZER Oh, das ist tut mir leid. Die Tickets sind leider nur für Freundinnen von Julia bestimmt.
Zu schade, dass Ihr nichts mehr mit ihr zu tun haben wollt!

JOSY Ach, Frau Schanzer, so haben wir das doch überhaupt nicht gemeint.

ZOE Eigentlich ist Julia echt nett.

CINDY Echt nett? Julia ist super! Eine echt tolle Freundin mit einem total spannenden Hobby!
Ich finde ihre Detektiv-Arbeit wirklich beeindruckend.

ALLE Ja, ganz toll, voll interessant, Julia ist echt der Hammer.

FRAU SCHANZER Ach so. Na, dann bin ich aber beruhigt. Wenn ihr weiterhin Julias Freundinnen seid und
bei ihrer Detektiv-Bande mitmacht, gebe ich euch selbstverständlich die Konzertkarten.

MARY Abgemacht. Wo sind sie, her damit?

FRAU SCHANZER Nanana, nicht so schnell. Ihr bekommt sie erst nächste Woche, wenn ihr die Gelegenheit
hattet, viel Zeit mit eurer Freundin Julia zu verbringen.

ALLE Ja, ok, wenn's sein muss, meinetwegen.

JULIA [kommt wieder] Hier, bescheuerter Prinzessinnen-Puderzucker mit echter Feen-Magie!

FRAU STANZER Danke, mein liebster Schatz! Ich lasse euch Mädchen mal wieder allein. Ruft, wenn ihr
etwas braucht. Tschüüüsss!

ALLE [außer Julia] Tscchhüüüss!

MARY Das ist so ungerecht! Ich will auch so eine coole Mum!

ALLE [zustimmend] Genau!

JULIA Du kannst sie gerne haben.

Das Telefon klingelt, Julia geht dran.

JULIA Detektivbüro Julia Stanzer, hallo? Ach, Frau von Schlesing. [Zu den anderen] Claras
Mutter ist dran. Nein, hier ist sie nicht. Wir haben uns auch schon gewundert, dass Clara
heute nicht gekommen ist. Was? Verschwunden? Kindesentführer? Verstehe. Ja, wir
passen auf uns auf. Ihnen auch. Tschüss.

JULIA Clara ist entführt worden.

ZOE Wie? Entführt?

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

JULIA Na, entführt eben. Zusammen mit ihrer Schwester.

JOSY Ey, das stimmt. Auf Facebook sind schon Fahndungsfotos.

MARY Zeig her! Haha, was hat Julia denn da für ein Top an? Das ist ja voll 2015!

ELLEN Wer bitte sollte freiwillig Clara und vor allen Dingen ihre Emo-Schwester entführen
wollen?

JULIA Keine Ahnung. Aber wir werden's rausfinden.

ZOE Wie bitte?

JULIA Na, wozu habe ich denn ein Detektivbüro?

CINDY Meinst du nicht eher, dass das Aufgabe der Polizei und außerdem viel zu gefährlich ist?

JULIA Papperlapapp. Meine jahrelange Arbeit hat mich auf ein sehr hohes,
kriminalpolizeiliches Niveau gebracht. Ich werde Clara und ihre Schwester befreien und
ihre Entführer hinter Gitter bringen. Und ihr werdet mir als meine Assistentinnen dabei
helfen!

MARY Peh, vergiss es!

JOSY Das kommt überhaupt nicht in Frage.

FRAU SCHANZER [steckt kurz ihre Nase in das Zimmer] Gibt es hier ein Problem?

STACIE Ja, Julia, will, dass wir die Entführer von…

FRAU SCHANZER [unterbricht sie] Oh, ich höre gerade den neuen Song von One Direction im Radio.
Entschuldigt mich bitte, aber den darf ich auf keinen Fall verpassen!

JENNY Ok, Julia. Wenn's sein muss, sind wir deine Assistenten.

JULIA Sehr gut! Wir müssen nur kurz unsere Ausrüstung zusammensuchen und dann kann es
losgehen. [Zum Publikum] Endlich wird sich meine langjährige Detektivarbeit auszahlen
und wir werden unseren ersten großen Fall lösen! Ich seh' schon die Schlagzeilen vor
mir: Neuer Sherlock Holmes ist ein 12-jähriges Mädchen. [Wieder zu den anderen] Aber
jetzt an die Arbeit, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Abgang mit Musik zum Thema „Aufbruch“ (z.B. „Leb' deine Träume von Luxuslärm) oder Detektiv-
Musik.

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7. Szene: Im Wald 1

Daniel will Clara wegschleppen, Gustav will Antonia wegschleppen, sie wehren sich, rufen „Lass mich
los“ usw. und beleidigen die jungen Männer.

GUSTAV Scheiße Mann, was sollen wir denn jetzt machen?

HILDEGARD Was ist denn das hier für ein unerträglicher Lärm?

Gustav und Daniel halten den Mädchen den Mund zu.

BRUNHILDE Das ist ja unerhört! Reicht es der Jugend von heute etwa nicht mehr, in der Disco
herumzuschreien?

GERTRUD Nein, Brunhilde, anscheinend müssen diese ungezogenen Bengel und Gören heutzutage
auch noch die Ruhe des Waldes stören!

WALTRAUD Keine Rücksicht auf alte Tannen, schöne Linden und sensible Seniorinnen!

INGEBORG Schämt euch gefälligst, ihr Rotzlöffel!

GUSTAV Genau, schämt euch gefälligst, ihr respektlosen Gören! Sie müssen entschuldigen,
unsere Schwestern sind schwer erziehbar.

DANIEL Unsere Schwestern?

Gustav tritt ihn.

GUSTAV Ihre Entwicklungsstörungen werden durch die Pubertät noch verschlimmert. Sie laufen
ständig von zu Hause weg, um wahllos herumzuschreien.

DANIEL [übergibt Clara Gustav] Aber zum Glück sind wir ja da, um die Natur und [macht einen
auf charmant] so reizende Damen wie Sie vor ihnen zu beschützen. [massiert die auf
einer Bank sitzenden Damen]

HILDEGARD So reizende Damen?

DANIEL Aber natürlich. So wunderschöne Geschöpfe wie Sie verdienen es nicht, von so frechen
Bälgern gestört zu werden.

GERTRUD Junger Mann, möchtest du uns etwa auf den Arm nehmen?

DANIEL Wenn sie es wünschen, meine Schöne. [nimmt sie auf den Arm]

CLARA [fängt an zu schreien] Er lügt! Die wollen uns entführen.

GUSTAV Clara, du sollst doch nicht lügen, nur um deine Ziele zu erreichen.

Die Seniorinnen kesseln Clara ein und hauen sie mit ihren Stöcken.

BRUNHILDE Genau, Clara, schäm' dich gefälligst.

WALTRAUD Hab' mal ein bisschen Respekt vor deinem großen Bruder!

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

INGEBORG Sei mal gefälligst ein bisschen dankbar dafür, dass er sich so liebevoll um dich kümmert.
Sonst gibt's was hinter die Löffel.

DANIEL Das ist sehr reizend von Ihnen. Aber es ist wirklich nicht nötig, dass Sie sich an diesen
Gören Ihre wunderschönen Finger schmutzig machen…

HILDEGARD Junger Mann, Sie sind ja ein richtiger Charmeur.

DANIEL [umgarnt die Seniorinnen, stiehlt ihnen dabei ihre Halstücher] Und dabei sind Sie auch
noch so stilvoll gekleidet! Diese wunderschönen, seidenen Tücher unterstreichen ihren
rosigen Teint ganz vorzüglich.

BRUNHILDE Kaum zu glauben, dass ein so höflicher und attraktiver Mann wie Sie so ungezogene
Schwestern hat.

GERTRUD Wenn ich nur 50 Jahre jünger wäre, müssten Sie sich ganz schön vor mir in Acht
nehmen.

HILDEGARD Ach was, Gertrud, du hast den jungen Mann doch gehört, wir sind auch heute noch
richtige Sahneschnitten.

DANIEL Oh ja, das sind Sie. Und solche Prachtfrauen wie Sie sollten nicht Ihre Zeit damit
verschwenden, in der Nähe von solchen Biestern zu sein. Gehen Sie lieber nach Hause
und machen Sie sich einen leckeren Tee…

WALTRAUD Aber wir möchten noch gar nicht gehen.

INGEBORG Kommen Sie, verbringen Sie noch ein kleines bisschen Zeit mit uns.

DANIEL Meine Damen, so gerne ich das auch würde, muss ich mich leider um meine armen
Schwestern kümmern. Sie müssen um 5 Uhr zu Hause sein, um ihr Ritalin zu nehmen.
[steckt den Seniorinnen einen Zettel zu] Aber rufen Sie mich doch bei Gelegenheit mal
an. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Ihnen…

BRUNHILDE Ja, das machen wir bestimmt.

HILDEGARD Verlassen Sie sich drauf, Sie Süßer!

WALTRAUD Bis bald, Sie Casanova!

GERTRUD Vergessen Sie uns nicht!

INGEBORG Tschüüsss!

Die Seniorinnen gehen ab.

GUSTAV Scheiße Mann, was war das denn?!

DANIEL Was denn? Wir sind sie losgeworden und haben was, womit wir diese widerspenstigen
Schwestern hier fesseln und knebeln können.

Sie fesseln und knebeln sie und binden sie auf die Bank.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

GUSTAV Hast du ihnen etwa deine echte Nummer gegeben?

DANIEL Spinnst du? Als ob ich etwas mit verschrumpelten Gruftis anfangen würde!

GUSTAV Hätte mich auch nicht gewundert, wenn du deine Palette an Frauen um ein paar antike
Exemplare erweitern würdest.

DANIEL Und schon wieder spricht der Neid aus dir! Nur weil Du bei Frauen total erfolglos bist,
heißt das nicht, dass ich keine Ansprüche hätte!

GUSTAV Ach, ist jetzt auch egal. Was machen wir denn jetzt?!

DANIEL Keine Ahnung. Ich hab schon die Omis abgewimmelt. Jetzt bist Du mal dran, Du
superschlauer Nerd!

GUSTAV Ich weiß es doch auch nicht. Einfach freilassen können wir sie auf keinen Fall mehr.
Durch unsere Bewährungsstrafe würden wir Hals über Kopf in den Knast wandern.
Vielleicht können wir ihr Gedächtnis löschen.

DANIEL Du Nerd hast zu viel Star Trek geguckt.

GUSTAV Dann brauchen wir Geld. Ich hab' Kontakt zu Leuten, die Pässe fälschen können. Wir
fliegen einfach nach Brasilien oder so und schon sind wir aus dem Schneider.

DANIEL [schwärmt] Brasilien. Sommer. Strand. Frauen in Bikinis, die Salsa tanzen…

GUSTAV Die Familie ist doch so reich. Wir nehmen die beiden Mädels als Geiseln und verlangen
als Lösegeld eine Millionen Euro.

DANIEL Warum gerade eine Million? Warum nicht 1,1 Millionen? Oder 1,2 Millionen. Stell dir
mal vor, die Flucht von uns kostet 1,2 Millionen Euro und weil Du Trottel eine Millionen
Euro verlangt hast, bleiben wir in Deutschland stecken und wandern in den Knast.

GUSTAV OK, meinetwegen 1,2 Millionen. Du hast doch was zu schreiben, leg' los.

DANIEL [holt Blatt und Stift heraus, benutzt Gustavs Rücken als Unterlage] „Ok. Wir haben ihre
Töchter. Geben Sie uns 1,2 Millionen Euro und wir lassen sie frei.“ Wo sollen sie uns das
Geld denn geben?

GUSTAV Keine Ahnung. Auf der Lichtung des Falkenbergs. Da kommt sonst keiner hin.

DANIEL Und wann?

GUSTAV Was weiß ich, morgen oder so.

DANIEL Ok, morgen um 16 Uhr auf der Lichtung des Falkenbergs. Keine Polizei. Wenn Sie nicht
auf uns hören, sind Ihre Töchter tot.

GUSTAV Was? Willst du sie etwa wirklich umbringen?

DANIEL Nein, natürlich nicht. Aber sie müssen das glauben.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

EMMA [kommt mit dem Handy heraus] Das darf doch nicht wahr sein! Ihr seid die Entführer!
Das ganze Internet ist voll mit Fotos von diesen Tussen da. Und wo find' ich sie? In den
Armen meines Bruders.

GUSTAV Scheiße Mann, was macht denn deine Schwester hier?

DANIEL Keine Ahnung, verdammt. Emma, was machst Du hier? Geh gefälligst nach Hause!

EMMA Was ich hier mache? Ich sollte wohl eher fragen, was ihr hier macht! Ich bin jeden Tag
in diesem Wald hier. Das solltest du als mein Bruder eigentlich wissen.

DANIEL Keine Ahnung, was du den ganzen Tag machst. Ist nicht mein Problem, dass du keine
Freunde hast und deshalb den ganzen Tag alleine im Wald rumläufst. Und jetzt hau' ab!

EMMA Wieso sollte ich? Die Situation hier ist höchst interessant. Warum habt Ihr die beiden
denn dann entführt?

DANIEL Das geht dich überhaupt nichts an!

EMMA Ich kann's mir schon denken. Bestimmt wolltet Ihr wieder irgendetwas klauen, habt
euch von den beiden erwischen lassen und lauft jetzt überfordert mit ihnen durch den
Wald. [nimmt ihm den Zettel weg] Ahhh… ein Erpresserschreiben. Daniel, dass Du eine
Hohlbirne bist, weiß ich ja schon, seitdem ich auf der Welt bin. Aber von einem
Computernerd wie Dir, Gustav, hätte ich etwas mehr Intelligenz erwartet.

GUSTAV Was denn?

EMMA Na, Fingerabdrücke, Handschrift. Ihr seid bei der Polizei schon registriert. Man wird
Euch sofort identifizieren.

GUSTAV Na und? Wir hauen doch sowieso mit dem Geld nach Brasilien ab.

EMMA Wenn Ihr bis dahin nicht geschnappt werdet. Im Moment verhaltet Ihr euch nämlich so.

DANIEL Toll, und was schlägst du jetzt vor?

EMMA Ich werde Euch einen 1A-Erpresserbrief verfassen. Mit Zeitungsbuchstaben und ohne
Fingerabdrücke. Anschließend werde ich ihn bei den Eltern deponieren. Wo wohnen sie
noch gleich?

GUSTAV Waldesstraße 13.

EMMA Gut, dann mache mich an die Arbeit. Vorsichtshalber lege ich noch ein Foto von den
zwei Tussen dazu, damit es glaubwürdig wirkt. [macht ein Foto mit dem Handy]

DANIEL Wieso solltest du das bitte tun? Ich hab' dir noch nie in meinem Leben geholfen.

EMMA Also hör' mal. Ich bin deine Schwester. Mitgefühl. Nächstenliebe. Familienehre.
Außerdem kenne ich diese Zicken aus der Schule, die sind echt ätzend und verdienen es,
dass ihre Familie um 1,2 Millionen Euro ärmer ist.

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

GUSTAV Ich unterbreche eure Familienidylle nur ungerne. Aber ich glaube, da kommt jemand.
Dieser Wald ist ein einziges Passantenparadies. Wir sollten schleunigst hier
verschwinden. [nimmt Antonia]

DANIEL Ja, du hast recht. [nimmt Clara]

EMMA Alles klar. Ihr könnt euch auf mich verlassen. Ich beeil' mich.

Sie verschwinden, die Kinderdetektive tauchen auf.

MARY Boah, wie lange müssen wir denn noch laufen?!

ZOE Meine Füße tun weh!

STACIE Ich war doch gestern erst bei der Pediküre!

CINDY Clara wohnt echt am Arsch der Welt.

JENNY Du meinst wohl „Wohnte am Arsch der Welt“.

JULIA Hört auf zu jammern und haltet lieber mal die Augen offen. Die Täter können überall
sein. Vielleicht begegnen wir ihnen schon auf dem Weg zu Claras Eltern.

JOSY Damit sie uns gleich mit entführen?

JULIA So ein Quatsch. Wir sind zu sechst und haben Pfefferspray. Außerdem bin ich viel zu
clever und erfahren für sie.

ELLEN Ph, das beruhigt mich jetzt aber.

JULIA Im Ernst. Ich habe ein super Gefühl bei der Sache. Wir schnappen die Kerle und
übergeben sie der Polizei. Und dann muss die Welt endlich einsehen, dass ich, Julia
Stanzer, ein genialer Detektiv bin.

Umbaumusik, z.B. wie nach Szene 6

8. Szene: Erpresserbrief wird gefunden

Emma schleicht sich ins Haus der Schlesings, legt den Erpresserbrief auf den Tisch und schleicht sich
wieder heraus. Kurz darauf kommen die Kinderdetektive herein, schauen sich um.

JENNY Julia, glaubst du ernsthaft, es in Ordnung ist, dass wir einfach in das Haus von Claras
Eltern reinmarschieren?

JULIA Natürlich. Das hier ist jetzt ein Tatort. Ein Ort von öffentlichem Interesse. Außerdem
war die Terrassentür offen…

ZOE Wenn du meinst…

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

CINDY [findet den Erpresserbrief] Guck mal, Julia, das hier interessiert dich bestimmt…

JULIA Ich fasse es nicht, ein Erpresserbrief!

Sabine und Reinhard kommen mit Polizisten und Polizeipsychologin herein

BORDEAUX Also, der trockene Riesling ist zwar nicht so originell wie der trockene Kerner, dafür ist
er im Geschmack…

JULIA [unterbricht ihn] Hallo Frau von Schlesing. Hallo Herr Schlesing…

SABINE Was macht ihr denn hier? [zu den Polizisten] Das sind Claras Freundinnen. Habt Ihr
etwas von Clara gehört?

JULIA Nein. Dafür haben wir diesen Erpresserbrief hier gefunden.

SABINE Bitte, was?

Alle gehen auf den Brief zu und schauen ihn sich an.

JULIA Entschuldigen Sie. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. [streckt die Hand aus] Ich
bin Julia Stanzer, eine Kollegin von Ihnen.

BORDEAUX Hä?

DR. BERGEMANN Eine Kollegin?

JULIA Richtig, ich bin die Leiterin und Eigentümerin eines seriösen Detektivbüros und das
sind meine Assistentinnen.

SABINE Julia, ich finde es ja wirklich nett, dass du helfen möchtest, aber ich schlage vor, ihr geht
jetzt nach Hause und überlasst das hier den Profis.

DR. BERGEMANN Genau. Oder glaubst du wirklich, du könntest unsere Arbeit machen?

BORDEAUX Ab ins Bett mit Dir. [belustigt]

JIMMY O. Enter Sandman!

JOSY Sie haben Recht, Julia, lass uns gehen…

JULIA Wenn das so ist, dann beginnen wir gleich mit der Befragung der Verdächtigen. Wo
waren Sie heute zwischen 9 und 18 Uhr? [alle sind irritiert und entrüstet]

ELLEN Spinnst du jetzt etwa total?

STACIE Das sind doch keine Verdächtigen!

JULIA Wie würdest Du denn erklären, dass sie nicht mit mir kooperieren, sondern meine
Ermittlungen behindern? Das macht sie höchstverdächtig!

MARY Du hast ja wohl einen Schaden! Wieso sollte zum Beispiel Herr von Schlesing seine
Töchter entführen und sich selbst um 1,2 Millionen Euro erpressen. [alle zustimmend]

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

JULIA Gut kombiniert, Herr von Schlesing hat in der Tat kein Motiv. Aber was ist mit Frau von
Schlesing?

SABINE Bitte?!

JULIA Clara hat erzählt, wie unglücklich Sie in Ihrer Ehe sind. Bei einer Scheidung würden Sie
aufgrund Ihres Ehevertrags leer ausgehen. Vielleicht versuchen Sie ja so, sich Ihren Teil
des Kuchens zu sichern…

SABINE Das ist ja unerhört…

JULIA [zu den Polizisten] Und auch Sie beide haben ein ganz eindeutiges Motiv. Alkohol und
Musik sind teure Hobbies. Da könnte man 1,2 Millionen Euro gut gebrauchen. [Zur
Polizeipsychologin] Und was haben Sie so für Träume, junge Frau?

FRAU DR. BERGEMANN Das ist absurd! Wir können es überhaupt nicht gewesen sein. Wir waren alle
draußen, als der Erpresserbrief hinterlegt wurde…

JULIA Vielleicht war es ja eine Gemeinschaftstat. Oder einer von Ihnen hat noch einen
Komplizen.

SABINE Du verlässt jetzt auf der Stelle mein Haus!

JULIA Wieso? Ich ermittle doch nur. Haben Sie etwa etwas zu verbergen?

MARY [zieht sie raus] Julia, es reicht jetzt endgültig. Entschuldigen Sie bitte, Frau von
Schlesing.

JULIA [während sie herausgezogen wird] Das ist höchstverdächtiges ein Verhalten, das Sie da
an den Tag legen… Aber ich bin ihnen ganz dicht auf den Fersen, verlassen Sie sich
drauf…

Die Kinderdetektive gehen ab.

SABINE Was machen wir denn jetzt?!

JOHNNY O. Haben Sie 1,2 Millonen Euro?

REINHARD Naja, wenn man all unser Vermögen zusammenzählt, auf jeden Fall. Aber
wahrscheinlich müssen wir dann unser Haus verkaufen, weil wir die laufenden Kosten
nicht mehr zahlen können.

JOHNNY O. Dann schlage ich vor, dass Sie das Geld einfach übergeben. [Bordeaux stimmt zu]

FRAU DR. BERGEMANN Da muss ich meinen Kollegen ausnahmsweise mal Recht geben. Ich würde nicht
das Risiko eingehen, die beiden hier mit irgendeiner Art von Rettungsaktion zu
beauftragen.

SABINE Sie haben Recht. Auf gar keinen Fall sollten wir das Leben unserer Töchter auf's Spiel
setzen. In diesem Sinne: Luxus-Leben, ade! Ich werde Dich vermissen.

Umbau, dabei zum Beispiel die Musik vom Anfang.

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9. Szene: In der Musicalschule

Daniel und Gustav betreten zusammen mit den geknebelten Schwestern eine heruntergekommene
Halle.

DANIEL Puh, endlich sind wir aus diesem furchtbaren Wald raus.

GUSTAV Das kannst du laut sagen! Aber glaubst du, dass es in dieser Halle hier besser ist?

DANIEL Sieht auf jeden Fall ganz schön heruntergekommen aus. Hier kommt bestimmt niemand
hin.

GUSTAV Glaubst du, deine Schwester kriegt das mit dem Erpresserbrief hin?

DANIEL Keine Ahnung. Sie ist zwar mega uncool und total nervig, aber blöd ist sie nun wirklich
nicht. Ich bin trotzdem froh, dass wir sie los sind. Hier findet uns bestimmt niemand.

EMMA [kommt herein] Hi Bruderherz, hi Gustav!

DANIEL Was machst du denn hier?

GUSTAV Woher wusstest du, dass wir hier sind?

EMMA Ihr hinterlasst mehr Spuren als eine Elefanten- und eine Auerochsenherde zusammen.
Aber keine Angst, die Luft ist rein. Und mit dem Erpresserschreiben hat auch alles
geklappt.

Schwestern machen auf sich Geräusche auf sich aufmerksam.

DANIEL Was ist denn mit denen los?

EMMA Dreimal darfst du raten, du Intelligenzbestie. Glaubst du, es ist angenehm, die ganze
Zeit so Omatücher am Mund zu haben?

GUSTAV Nein, natürlich nicht.

EMMA Dann nimm sie ihnen doch für ein paar Minuten ab. Hier hört sie doch sowieso
niemand.

GUSTAV Na gut. Wir sind ja keine Unmenschen. Aber sobald ihr schreit, mach' ich sie euch sofort
wieder um. Habt ihr das verstanden? [sie nicken] Also gut. [nimmt ihnen die Tücher ab]

ANTONIA Oh Mann, ihr zwei habt echt 'nen Schaden.

CLARA Ihr spinnt doch wohl total. Zwei junge Mädchen zu entführen. Schämt euch gefälligst.

GUSTAV Es war ja keine Absicht. Warum musstet ihr auch ausgerechnet in dem Moment ins
Wohnzimmer kommen, als wir eure Eltern beklauen wollten?

ANTONIA Entschuldige vielmals, dass wir unser eigenes Wohnzimmer betreten haben.

CLARA Warum wolltet Ihr überhaupt unsere Eltern bestehlen?

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ANTONIA Ziemlich dämlich, oder? Ihr habt doch gerade erst 'ne Bewährungsstrafe bekommen.

DANIEL Drei Mal darfst du raten. Weil wir Kohle brauchen natürlich.

ANTONIA Mir ist schon klar, dass ihr wegen Kohle da wart. Ich hätte auch gerne mehr Geld. Aber
deswegen brech' ich doch nicht einfach irgendwo ein. Ihr geht doch noch zur Schule und
wohnt doch bestimmt auch noch bei Euren Eltern, da kann man doch wohl mal ein
bisschen sparsamer leben.

GUSTAV Danke für diese hilfreiche Moralpredigt. Das sagt meine Mama auch immer.

CLARA Super, und warum hörst du nicht auf sie?

GUSTAV Weil wir die Schule abbrechen, du Schlaumeier. Wir müssen morgen in die Nachprüfung
und gehen da bestimmt nicht hin.

CLARA [begeistert] Ich müsste morgen eigentlich auch in die Nachprüfung! Das hat sich hiermit
ja wohl erledigt. Yes!

ANTONIA Wieso gehst Du denn nicht zur Nachprüfung? Bei dem Schleimer da kann ich das ja
noch verstehen, aber du hast den Ruf als totaler Computer-Nerd. Du schaffst das Abi
doch bestimmt mit links.

GUSTAV Ja, Mathe, Physik und Informatik. Aber wieso sollte ich meinen genialen Geist für so
Laberfächer wie Deutsch, Pädagogik oder Sozialwissenschaften verschwenden? Nenee,
dafür ist mir mein Verstand zu schade. Mit dem habe ich ganz andere Sachen vor…

CLARA Aha, und was soll das bitte sein?!

GUSTAV Ok, passt auf. [holt sein Handy heraus] Was seht ihr?

CLARA Ein Handy. Und?

GUSTAV Richtig, es sieht aus wie ein ganz normales Handy. Aber es kann viel mehr. In diesem
kleinen Gerät sind die DNA-Codes von einer Millionen Menschen gespeichert.

ANTONIA Arbeitest Du für die NSA, oder was?

GUSTAV Nein. Wir sind ein eigenständiges Unternehmen.

CLARA [ironisch] Toll, und was macht ihr dann damit?

GUSTAV Wonach sehnen sich alle Menschen auf der Welt?

CLARA Nach neuen Schuhen?

ANTONIA Clara, du Dampfnudel! Du möchtest bestimmt „nach Liebe“ hören.

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GUSTAV Richtig. Nach einem Partner, der zu einem passt. Doch leider hat heutzutage kaum
jemand Zeit, den richtigen Partner zu finden. Aber jetzt kommt unser neues Smartphone
ins Spiel. Damit kannst du nicht nur telefonieren und ganz konventionell im Internet
surfen, du kannst auch ein Haar auf das Display legen und so deine DNA entschlüsseln
lassen. Das Smartphone sucht dann anhand des DNA-Codes auf der ganzen Welt nach
einem Partner, der zu 100 % zu Dir passt. Genial, oder?

CLARA Mach' mal vor.

GUSTAV Ok, also, ich lege hier ein Haar drauf. Meine DNA wird analysiert und es wird ein
passender Partner aus der Datenbank für mich gesucht. Ach, sieh mal einer an: Megan
Fox.

ANTONIA Moment mal, woher hast Du die DNA von Megan Fox?

EMMA Ich probiere es auch mal. [legt ein Haar hinein] Moment mal, bei mir kommt auch
Megan Fox raus.

GUSTAV Und jetzt kommen wir zu den Problemen. Unsere Idee ist genial, aber das Konzept ist
noch nicht ganz ausgereift. Das Smartphone ist so noch nicht industriell herstellbar und
außerdem ist unsere Datenbank viel zu klein. Wir brauchen auf jeden Fall Geld für neue
Rohstoffe und jede Menge Werbung.

DANIEL Außerdem drehen unsere Eltern uns den Geldhahn zu, wenn sie erfahren, dass wir die
Schule abbrechen!

CLARA Warum verkauft ihr eure Idee nicht einfach an Facebook oder so?

GUSTAV Soweit kommt es noch. Damit wir als naive Start-Ups mit einem Hungerlohn abgespeist
werden und Facebook Millionen mit unserem Gerät macht.

ANTONIA Mit unserem Gerät? Das hört sich alles so an, als hättest du das Ding alleine erfunden.

GUSTAV Von der technischen Seite her betrachtet stimmt das auch.

DANIEL Aber ich hatte die Idee. Außerdem bin ich der Marketing-Chef und das Gesicht der
Kampagne. Durch einen Computer-Nerd alleine lässt sich kein Produkt verkaufen.

CLARA Ok, das ist ja alles mega interessant. [ironisch] Aber immer noch kein Grund, unsere
Eltern zu beklauen.

ANTONIA Also, ich find' das eigentlich ganz O.K. Ihr habt gute Ideen und kein Geld, unsere Eltern
haben viel Geld, aber keine Ideen. Da kann man ruhig mal einen auf modernen Robin-
Hood machen und mal was mitgehen lassen.

GUSTAV Ist das das Ernst?

ANTONIA Japp. Wir sind voll auf eurer Seite. Deswegen könnt ihr uns auch einfach gehen lassen.

GUSTAV Willst du uns für dumm verkaufen? Das ist viel zu riskant! Wer sagt, dass du nicht
bluffst?

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DANIEL Das könnt ihr euch abschminken. Unser Plan steht, Wir kriegen 1,2 Millionen von Euren
Eltern und verwirklichen unsere Ideen in Brasilien weiter.

EMMA [holt Perücken und Brillen aus einer Truhe] Und damit das auch klappt, benutzt Ihr in
Zukunft die hier.

DANIEL Was ist das?

EMMA Kostüme. Das hier scheint eine Art altes Theater oder so zu sein. Wenn ihr noch einmal
mit den beiden Tussis nach draußen geht, wird man sie sofort erkennen. Es sei denn, ihr
stylt sie ein bisschen um.

GUSTAV [kleidet Antonia ein, Daniel kleidet Clara ein] Keine schlechte Idee.

DANIEL Könnte funktionieren.

CLARA [zu Emma] Was hast du denn eigentlich mit der ganzen Sache zu tun, Du hässliche
Streberin? Hast du nichts Besseres zu tun, als deinen kriminellen Brüdern zu helfen?
Ach nein, ich habe vergessen. Du hast ja keine Freunde und musst deshalb den ganzen
Tag alleine im Wald herumlaufen.

ANTONIA Jetzt mach' mal 'nen Punkt, Clara. Aber wirklich, Emma. Du gehst nicht nach Brasilien.
Wir könnten dich sofort verraten, wenn wir wieder frei sind.

EMMA Tja, ich bin aber erst 12 und somit noch nicht strafmündig. Außerdem macht es mir zu
viel Spaß, so eingebildete Tussis wie euch, die in der Schule immer einen auf cool
machen, so armselig zu sehen.

Hally und Sally kommen herein.

SALLY Ich habe schon neue Kandidaten für unser Musical gefunden…

HALLY Hoffentlich können sie dieses Mal wenigstens schauspielern!

SALLY [sieht Gustav, Daniel und die Mädchen] Oh, da sind ja schon welche. Einen
wunderschönen guten Tag und herzlich willkommen in unserem Studio.

GUSTAV Wer seid ihr denn? [Antonia und Clara versuchen, auf sich aufmerksam zu machen,
doch Gustav und Daniel halten ihnen den Mund zu]

SALLY [belustigt] Wer wir sind…

HALLY [belustigt] Guter Witz…

SALLY [belustig] Als ob ihr nicht wüsstet, wer wir sind…

HALLY Es weiß doch wohl jeder wer wir sind…

SALLY Genau, wir sind schließlich echte Stars!!

HALLY Genau…

SALLY [realisierend] Oh, ich glaube, die wissen wirklich nicht, wer wir sind…

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Astrid Hoffmann Entführung auf Umwegen

HALLY [arrogant] Ich bin die international bekannte Regisseurin und Starchoreografin Hally
und das hier ist Assistentinnen Sally.

SALLY Hi!

HALLY Wir sind auf der Suche nach Darstellern für unser neues Erfolgsmusical „Haarlight
Express“.

SALLY Und wer seid Ihr? Irgendwie seht ihr beiden Mädchen so aus, als würdet ihr von den
beiden Typen gegen euren Willen festgehalten werden.

HALLY Ja, und als würdet Ihr wollen, dass wir euch helfen.

EMMA Ganz genau. So soll es auch aussehen. Denn wir möchten uns als Darsteller für euer
Musical bewerben und haben eine Entführungsszene einstudiert.

SALLY Aaahhh… interessant. Ich liebe Entführungskomödien. Dann legt mal los.

Hally und Sally setzen sich und machen sich Notizen.

EMMA Okay, Männer, wir müssen sie beseitigen, bevor die Bullen unseren Plan durchschauen

DANIEL UND GUSTAV Hä?

EMMA Jetzt spielt schon mit!

GUSTAV Hast du das Geld?

EMMA Scheiße, das Geld! Es muss noch im Tresor liegen!

DANIEL Scheiß auf das Geld, wir müssen unseren Arsch retten.

SALLY [klatscht] Fantastisch! Diese Emotionen! Diese Authentizität! Das Schauspiel ist
gekauft.

HALLY Aber wie sieht es mit Tanzen aus?

GUSTAV, EMMA UND DANIEL Och, naja, also… tanzen… hmm.

HALLY Da ich ein überaus großzügiger und verständnisvoller Coach bin, gebe ich euch die
Gelegenheit, einer meiner genialen Choreografien einzustudieren. Also, passt gut auf
und macht mit.

Ende der Leseprobe

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