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Das Hamburger N O 357

Straßenmagazin Nov.22
Seit 1993

2,20 Euro
Davon 1,10 Euro für

Tafeln
unsere Verkäufer:innen

vor dem
Kollaps
Schwerpunkt Ehrenamt

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Editorial
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Auf der Reeperbahn:


Hinz&Kunzt Autorin
Simone Deckner
mit Ronald Kelm
vom ehrenamtlichen
Team des
Gesundheitsmobils.

Liebe Leserin, lieber Leser,


während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Homeoffice. Ich habe diesen
Herbst schon lange in mehrere Kleidungsschichten gehüllt am Schreibtisch
gesessen, um Gas zu sparen. Nun musste ich doch meine Heizung an­stellen,
um die steifen Finger fürs Tippen aufzutauen. Ein echtes Luxusproblem!
Andere Menschen in Hamburg sind dankbar, dass sie seit dem 1. November
zumindest nachts wieder im Erfrierungsschutz der Stadt unterkommen.
Tagsüber müssen sie die Notunterkünfte verlassen – was allein angesichts
meiner Erfahrungen in der ungeheizten Altbauwohnung hart ist.
Das Winternotprogramm gibt es in Hamburg nun seit 30 Jahren.
Grund genug, hier von den diesjährigen Plänen der Sozialbehörde und über
Pro­bleme von Menschen in den Unterkünften zu berichten.
Im Magazinschwerpunkt befassen wir uns in diesem Monat mit dem
Thema Ehrenamt. Die Soziologin Silke van Dyk beklagt, dass der Staat
seine ureigensten Aufgaben auf das freiwillige Engagement von Menschen
abwälze. Ein Besuch bei der Hamburger Tafel zeigt, wie das Team der
Helfenden mit unglaublichem Einsatz versucht, immer mehr Bedürftige mit
Lebensmiteln zu versorgen. Ein paar interessante Zahlen zum Thema
FOTOS SEITE 2: MIGUEL FERRAZ (OBEN), MAURICIO BUSTAMANTE

haben wir auch für Sie zusammengetragen. Und wir haben erfahren, dass
gut gemeintes privates Engagement manchmal auch schaden kann.
Da der Monat November tendenziell grau und trist ist, wollen wir
Ihnen aber auch Gutes tun fürs Gemüt: Lassen Sie sich von unserem
Autor Frank Keil mitnehmen in die Welt der Antiquariate. Oder nutzen
Sie eine Regenpause, um eine Wanderung entlang der historischen
Stadtgrenze zwischen Hamburg und Altona zu unternehmen. Am besten
TITELFOTO: MAURICIO BUSTAMANTE

mit der Hinz&Kunzt in der Hand. Darin steht nämlich, wie das geht.

 Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Ihre Annette Woywode


Redaktion

Schreiben Sie uns an: briefe@hinzundkunzt.de

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10
Krank im
Winternot-

Inhalt November 2022


programm

Stadtgespräch
06 „Wir tun alles in unserer Macht Stehende“
Interview mit Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard
10 Wer mobil ist, muss raus
Kranke Obdachlose im Winternotprogramm
12 Corona verschärft Bewegungsarmut
50 Zahl des Monats: Kinder bewegen sich viel zu wenig.
Mit 3-D-Brille
Kino gucken 14 „Wir brauchen eine Chance!“
Aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatler:innen in Not
36 „Boah, geil, und wie das riecht!“
Unterwegs in Hamburger Antiquariaten

Schwerpunkt: Ehrenamt
24 „Dann machen wir das eben!“
Die Hamburger Tafel versorgt immer mehr Bedürftige.
28 Ehrenamt in Deutschland
Zahlen und Daten zum freiwilligen Engagement
30 „Helfen ist immer hierarchisch“
Soziologin Silke van Dyk übt Kritik am Ehrenamt.
32 Lückenfüller am Limit
Wo ehrenamtliche Arbeit an Grenzen stößt.

Freunde
42 „Jetzt geben wir etwas ab!“
Mareike Deggelmann spendet ein Preisgeld an Hinz&Kunzt.

Kunzt&Kult
46 Steinen auf der Spur
Entlang der historischen Grenze zwischen Hamburg und Altona
50 Abtauchen in Rockeys Zelt
„We live here“: 3-D-Film über eine Obdachlose
14 52 Tipps für den November
Vor dem Ukraine-
Krieg geflohen, 56 Literaturkolumne: Comic-Künstlerin Birgit Weyhe
hier unerwünscht 56 Momentaufnahme: Hinz&Künztler Lutz

36 Rubriken
Eintauchen in 04 Gut&Schön
die Welt der 11, 20 Meldungen
Antiquariate 44 Buh&Beifall
57 Rätsel, Impressum

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk

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Kunst im Leerstand
Hinz&Künztler Dennis (Foto) schlief 2019 noch auf der Straße. Damals war seine
„Platte“ Teil der Kunstaktion „Blaue Betten auf Beton“. Dabei tauchte der Licht­
künstler Michael Batz die Schlafplätze von obdachlosen Menschen in blaues Licht,
um so auf ihre Not auf der Straße aufmerksam zu machen. Die Bilder von Fotograf
Andreas Hornoff sind ab dem 10. November (Eröffnung: 19 Uhr) im alten Karstadt-
Sports-Gebäude in der Mönckebergstraße im „werkhaus 2.0 Kiosk“ zu sehen – einer
temporären Außenstelle des Tagesaufenthalts für junge Wohnungslose im Münzviertel.
Dennis hat übrigens mittlerweile ein eigenes Zimmer im Hinz&Kunzt-Haus. SIM •
Der werkhaus 2.0 Kiosk ist bis Mitte Dezember geöffnet, Mo–Sa von 12–18 Uhr, Eintritt frei.
Weitere Infos: www.werkhaus-muenzviertel.de

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FOTO: ANDREAS HORNOFF

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Stadtgespräch
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Sozialsenatorin
Melanie Leonhard (SPD)
im Gespräch in der
Hinz&Kunzt-Redaktion

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Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

„Wir tun alles in


unserer Macht
Stehende“
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD)
über das Winternotprogramm und die Abschaffung
von Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030.

INTERVIEW: ULRICH JONAS, LUKAS GILBERT


FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK

Hinz&Kunzt: Frau Leonhard, das Winter­ Das Hauptproblem dieser Menschen


notprogramm für Obdachlose geht ins können die aber nicht lösen: Es gibt
30. Jahr. Ein Grund zum Feiern? keine preiswerten Wohnungen.
Melanie Leonhard: Schöner wäre es, wir Das ist ein Thema, das wir im Winter­
bräuchten es nicht. Es erinnert uns notprogramm nicht abschließend lösen
schließlich jeden Winter daran, dass wir können, sondern durch den Bau von
Probleme haben, die noch nicht gelöst Wohnraum angehen müssen. Wir er­
sind: für die einzelnen Menschen und möglichen aber einen ersten Schritt
für die Stadt als Ganzes. Gleichwohl ist weg von der Straße. So ist es uns in den
das Hamburger Winternotprogramm letzten Jahren im Rahmen des Winter­
eine Institution geworden und hat einen notprogramms gelungen, mehr als 1000
viel höheren Anspruch als früher. Da­ Menschen aus der Obdachlosigkeit zu
rauf kann und sollte man auch positiv holen: in die öffentlich-rechtliche
blicken. Unterbringung oder in eine Therapie
beispielsweise.
Dennoch gibt es Kritik. So müssen
die Obdachlosen die Unterkunft jeden Gerade mal sechs Menschen konnten
Morgen verlassen und dürfen erst am aus dem letzten Winternotprogramm
Abend wiederkommen. Warum gönnen in Wohnungen vermittelt werden,
Sie den Menschen nicht die Möglich­ 116 weitere vor allem in Unterkünfte.
keit, zur Ruhe zu kommen? Angesichts von nahezu 2800 Nutzer:in­
Unser Ansatz ist, die Tagesstunden zu nen sind das erschreckende Zahlen.
nutzen, um Beratungsangebote zu er­ Die Zahlen zeigen, wie schwierig die
möglichen. Uns ist wichtig, dass das Beratungsarbeit ist. Je nach Winter ha­
Winternotprogramm der Anfang einer ben die Hälfte bis zu zwei Drittel der
neuen Entwicklung sein kann. Im Übri­ Menschen keine Rechtsansprüche in
gen: Geschwächte, Erkrankte und Mo­ Deutschland, also beispielsweise keinen
bilitätseingeschränkte dürfen tagsüber Zugang zu Jobcenter-Leistungen. Das
in den Unterkünften bleiben. Und bei ist ein ernstes Problem, weil wir dann
Eis, Schnee oder großer Kälte haben al­ nicht mit Sozialleistungen helfen dür­
le die Möglichkeit, tagsüber zu bleiben. fen. Deshalb wollen wir auch durch Be­
ratung verhindern, dass Menschen in
Sie sprechen von Beratungsangeboten, die Obdachlosigkeit nach Hamburg
die die Betroffenen aufsuchen sollen. einwandern. Das passiert zum Teil,

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Stadtgespräch
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

weil man ihnen eine falsche Hoffnung Lassen Sie uns über Visionen sprechen:
macht, hier schnell Fuß zu fassen, was Bundesregierung, Europäische Union Zur Person:
dann aber nicht gelingt – häufig deswe- und die Bundesländer wollen bis Melanie Leonhard (45) ist seit sieben
gen, weil es nun mal sehr schwierig ist, 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit Jahren Sozialsenatorin in Hamburg. Seit
hier ohne Deutschkenntnisse und ohne abschaffen. Wie wollen Sie dieses 2020 ist die Hamburger SPD-Vorsitzende
Schulabschluss Arbeit zu finden. Projekt in Hamburg umsetzen? auch für Gesundheit zuständig.
Hamburg hat sich bereits vor zwei Jah-
Ein Versprechen von Rot-Grün ist die ren eine Art Masterplan gegeben: das
„Pension für arbeitssuchende Zuge- Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe, in
wanderte“. Hier sollen Menschen aus dem wir uns Maßnahmen vornehmen, Auch vor dem Ukraine-Krieg waren
EU-Staaten Hilfe finden, die auf der die an unterschiedlichen Punkten anset- die Unterkünfte der Stadt rappelvoll.
Straße gelandet sind, etwa weil sie zen. Wir wollen, dass es gar nicht erst Immer mehr Menschen leben dort
Opfer von Arbeitsausbeutung wurden. dazu kommt, dass Menschen ihr Dach immer länger, weil es keinen Wohnraum
Wann kommt das dringend benötigte über dem Kopf verlieren, also Obdach- für sie gibt. Was muss geschehen?
Angebot? losigkeit gar nicht erst entstehen lassen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum
Wir wollen Anfang kommenden Jahres Da, wo es dennoch Probleme gibt, wol- und können dabei auf Neubau nicht
an den Start gehen. Die große Heraus- len wir gute Hilfen anbieten. Das ist verzichten. Das bedeutet auch, dass es
forderung ist es, prekäre Arbeitsverhält- eine große Herausforderung. Aber man nicht so sein darf, dass Bauprojekte am
nisse nicht zu verfestigen, sondern darf dieses Ziel deswegen nicht nicht Ende immer kleiner werden als geplant,
gemeinsam mit Akteuren aus der Wirt- erreichen wollen. weil Initiativen das fordern. Hier fehlt
schaft ein Sprungbrett in den Arbeits- mir ein gemeinsamer Konsens in der
markt zu bieten – und bei Bedarf auch Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Stadt.
Hilfe bei Klagen gegen Arbeit­g eber, Wohlfahrtspflege fordert konkrete,
die sich nicht richtig verhalten. messbare Zwischenschritte. Nur fünf Prozent der 2021 neu gebau-
Die haben Sie noch nicht definiert. ten Wohnungen sind für Menschen mit
Den Wohlfahrtsverbänden schweben Wie sollen wir die definieren in einer Si- Dringlichkeitsschein vom Wohnungs-
mindestens 40 Plätze vor. tuation, in der wir jeden Tag 100 Men- amt vorgesehen. Werden in Hamburg
Wir sind gerade dabei, die Planungen schen aus der Ukraine unterbringen, die falschen Wohnungen gebaut?
auf die Zielgerade zu bringen. Wir fan- die neu nach Hamburg kommen, aber Es werden jedenfalls nicht genug von
gen zunächst mit einigen Plätzen an, zunächst wohnungslos sind? Welches denen gebaut, die wir brauchen. Gera-
und dann ist diese Größe sicher nicht Ziel, das wir uns Anfang des Jahres als de beim Neubau für vordringlich Woh-
unerreichbar. Zwischenschritt gesetzt hätten, würde nungssuchende macht die Stadt viel,
heute noch gelten können? Die Situa­ gemeinsam mit Saga und Fördern &
Zurück zum Winternotprogramm: tion ist differenzierter, als sich Zahlen Wohnen. Da freuen wir uns über weitere
Kritisiert wird auch die Größe der zu geben, die man einzuhalten wünscht. Akteure – zumal ich überzeugt bin,
Unterkünfte. In der Friesenstraße dass es ein großer Gewinn für alle
bringt die Stadt bis zu 400 Menschen Wir haben dennoch das Gefühl, Beteiligten ist, Wohnraum für diese
in einem Haus unter, in der Halske­ dass Sie beim Projekt 2030 sehr Menschen in größeren Bauprojekten
straße bis zu 300. Viele Obdachlose verhalten auftreten. mit unterzubringen.
schreckt das ab. Warum gibt es nicht Wir tun alles in unserer Macht Stehen-
viel mehr kleinere, über die Stadt de, um das Ziel zu erreichen, gemein- Bislang praktiziert Hamburg ein Stufen-
verteilte Unterkünfte? sam mit vielen Akteuren wie etwa Stif- modell: Obdach- und Wohnungslose
Wir müssen mit den Immobilien arbei- tungen oder Ehrenamtlichen-Projekten. müssen nachweisen, dass sie in der
ten, die wir haben. Aber: Wir sprechen Aber wir erleben im Moment Krisen Lage sind, in einer Wohnung zu leben,
hier von Zwei- oder Dreibettzimmern, und Kriege. Und ich bin realistisch ge- bevor sie eine Chance auf Vermittlung
in der Halskestraße sogar mit eigenem nug zu sagen: Was nützt ein Verspre- bekommen. Was spricht dagegen,
Bad auf jedem Zimmer. Zudem sind chen, insbesondere wenn man nicht nur den Menschen erst eine Wohnung zu
Essensangebote und medizinische Ver- auf Obdach- sondern auch auf Woh- geben, in der sie dann andere Probleme
sorgung sowie Beratung und Betreuung nungslosigkeit schaut, wenn man weiß, angehen können?
an zentralen Standorten viel besser zu dass in einer Großstadt wie Hamburg Wir vermitteln auch direkt in Wohn-
gewährleisten – schon allein deswegen, öffentliche Unterbringung mutmaßlich raum. Aber oft kumulieren sich Pro­
weil wir das Personal und die häufig be- auch in sieben Jahren noch eine Rolle blemlagen und Menschen sind nicht
nötigten Sprachmittler überhaupt nur wird spielen müssen? Deshalb bin ich in der Lage, sich die Hilfe zu holen, die
so vorhalten können. verhaltener als andere. sie brauchen und die ihnen zusteht.

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Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Deshalb ist es für manche richtig, dass Probleme zu lösen haben. Unterschied- Dass unser Angebot nicht immer ange-
es erst mal um einen Therapieplatz liche Unterstützungsbedarfe brauchen nommen wird, ist ein Problem, an dem
geht, dass Rechtsansprüche geklärt also auch unterschiedliche Angebote. wir alle gemeinsam arbeiten müssen,
werden. Und deshalb haben wir Wohn- indem wir Vorbehalte abbauen.
modelle, die berücksichtigen, dass es Eigentlich müsste es jetzt schnell ge-
mehr Begleitung braucht als einen
Mietvertrag und einen Schlüssel.
hen: Die Verelendung unter Obdachlo-
sen nimmt zu. Allein vergangenes Jahr
Vielen Dank für das Gespräch!

sind mindestens 29 Menschen auf redaktion@hinzundkunzt.de
Finnland holt mit „Housing First“ seit Hamburgs Straßen gestorben. Was
Jahren erfolgreich Menschen von den muss geschehen? Die bisherigen
Straßen (siehe H&K, August 2022). Maßnahmen reichen offensichtlich
Warum brauchen wir in Hamburg nicht aus.
trotzdem erst ein Modellprojekt mit Ganz wichtig ist der Zugang zu medizi- Obdach- und
nur 30 Wohnungen? nischer Versorgung. Deshalb haben wir Wohnungs­losigkeit beenden
Zuletzt gab es eine Untersuchung, die die Schwerpunktpraxen für Obdachlo- Bis 2030 soll niemand mehr auf der
zu dem Schluss kommt, dass Housing se und das medizinische Angebot im Straße schlafen. Darauf haben sich
First ein Baustein im Hilfesystem sein Winternotprogramm. Deshalb wollen Deutschland und die weiteren
kann, aber niemals der einzige. Es gibt wir die Krankenstube ausbauen. Mit 26 EU-Mitgliedsstaaten in der Erklärung
nach unserer Erfahrung viele Men- dem Winternotprogramm bieten wir von Lissabon festgelegt. Wir nehmen
schen, denen es nicht allein am Dach außerdem jedem Menschen einen die Politik beim Wort, beobachten sie auf
über dem Kopf fehlt, sondern mit de- Schlafplatz an. Es gab keine Nacht, in ihrem Weg zu diesem Ziel und blicken
nen wir gemeinsam auch viele andere der es nicht ein freies Bett gegeben hätte. auf erfolgversprechende Projekte.

FREIWILLIG
HELFEN
Abendbrot für obdachlose
Menschen
Suppe kochen, Brote schmieren, Essen ausgeben –
machen Sie mit! Der Förderverein Winternot­
programm für Obdachlose e. V. sucht Freiwillige.

Das Abendbrot wird aus Lebensmittelspenden,


unter anderem von der Hamburger Tafel, zubereitet.
Geldspenden für Zukäufe an den Förderverein
sind willkommen: IBAN DE03 2005 0550 1208 1225 62

winternotprogramm.de

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Das ehemalige
Bürogebäude
in der Friesen-
straße, heute
Notunterkunft
für Obdachlose

Wer mobil ist, muss raus


Anfang 2021 brachte die Stadt besonders kranke
Obdachlose in einer eigenen Einrichtung unter. Künftig finden
sie wieder im Winternotprogramm ihren Platz.
TEXT: LUKAS GILBERT
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE

E
in kühler Morgen Anfang kunft mit 35 Einzelzimmern in der nicht ohne Weiteres zur Verfügung“, er­
Oktober. Von einem ehe­ Eiffe­s traße eröffnet. Im Unterschied klärt Sozialbehördensprecher Martin
maligen Bürogebäude in der zum Winternotprogramm durften die Helfrich.
Friesenstraße in Hammer­ Betroffenen tagsüber in ihren Zimmern Gegenüber Hinz&Kunzt klagten
brook schleppen sich einige Männer bleiben. Im Mai dieses Jahres zog das einige der kranken Obdachlosen zuletzt
und Frauen langsam in Richtung der Angebot mit nunmehr 80 Plätzen in darüber, dass sie die Unterkunft mor­
nahe gelegenen S-Bahn-Station. Man­ Einzel- und Doppelzimmern nach gens verlassen müssen. Eine Sprecherin
che sind zu Fuß unterwegs, manche auf Hammerbrook um – in die Unterkunft, des städtischen Betreibers Fördern &
Rollatoren gestützt, einige bewegen sich die seit Anfang November wieder als Wohnen (F&W) sagt dazu: „Wer wieder
im Rollstuhl fort. Gesund wirkt keine:r Winternotschlafstätte dient (siehe dazu mobil ist, soll tagsüber die regulären
von ihnen. Meldung rechts). Angebote für obdachlose Menschen
Sie alle kommen aus einer Unter­ Die Menschen, die hier bislang un­ aufsuchen.“ Wer in den frei gehaltenen
kunft für „besonders vulnerable“ Ob­ tergebracht waren, dürfen laut Sozial­ Zimmern für besonders vulnerable blei­
dachlose: Menschen, denen die Stadt behörde weiterhin bleiben. Im anderen ben darf und wer nicht, darüber ent­
ein Leben auf der Straße nicht zumu­ Standort des Winternotprogramms, ei­ scheidet laut F&W ein Team aus
ten möchte, weil sie „physisch und psy­ nem ehemaligen Hotel in der Halske­ Sozialarbei­ter:in­nen, Pflegekräften und
chisch so erkrankt sind, dass Gefahr für straße, seien außerdem bis zu 60 Plätze Ärzt:innen.
Leib und Leben droht, wenn sie auf der für besonders kranke Obdachlose vor­ Nachvollziehbar wirken diese Ent­
Straße leben müssten“, wie die Behörde gesehen. Dass das Angebot nicht mehr scheidungen für manche Betroffene
zuletzt im Sozialausschuss der Hambur­ in einem eigenen Gebäude, sondern im nicht. Einer von ihnen setzt an diesem
ger Bürgerschaft erklärte. Winternotprogramm untergebracht ist, Morgen seinen Weg Richtung S-Bahn
Ins Leben gerufen wurde das Ange­ hat auch damit zu tun, dass der Stadt langsam fort. Auf die Frage, warum
bot für besonders kranke Obdachlose keine räumlichen Alternativen zur Ver­ ­einige die Unterkunft verlassen müssen
im Februar 2021. Nachdem es zu einer fügung stehen – insbesondere, seitdem und andere bleiben dürfen, sagt er
dramatischen Häufung von Todesfällen
unter Obdachlosen gekommen war,
durch den Ukraine-Krieg wieder mehr
Geflüchtete nach Hamburg kommen.
schulterzuckend: „Keine Ahnung.“ •
hatte die Behörde zunächst eine Unter­ „Weitere Flächen stehen uns derzeit lukas.gilbert@hinzundkunzt.de

10

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Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Meldungen
30 Jahre Winternotprogramm für Obdachlose
800 zusätzliche Betten für die kalten Monate
Mit rund 800 Plätzen hat Anfang dieses Monats das Winternotprogramm für Obdachlose begonnen. Sozialsenatorin Melanie
Leonhard (SPD) versicherte: „Wer Hilfe braucht, bekommt ein Angebot.“ Wie gehabt, können Betroffene vor allem in zwei
Großunterkünften nachts Schutz vor der Kälte finden: in der Friesenstraße (400 Plätze) und in einem ehemaligen Hotel in
der Halskestraße (300 Plätze). Hinzu kommen rund 100 Plätze in Wohncontainern bei Kirchen und Hochschulen. Die sind
besonders begehrt, weil ihre Bewohner:innen sie tagsüber nicht verlassen müssen; anders als die Großunterkünfte – eine seit
vielen Jahren von Hinz&Kunzt und anderen Organisationen kritisierte städtische Praxis (siehe dazu auch das Interview mit der
Sozialsenatorin ab S. 6). Besonders kranke Obdachlose werden in Einzelzimmern untergebracht, in denen sie durchgängig bleiben
dürfen, erklärte die Sozialbehörde (siehe dazu Beitrag links). Alle anderen würden in Zwei- oder Dreibettzimmern schlafen,
die sie zwischen 9.30 und 17 Uhr verlassen müssen. Für Frauen gebe es separate, geschützte Bereiche, für den Schutz vor
einer Corona-Infektion „umfangreiche Hygienekonzepte“. Wie vergangenes Jahr auch, werde es zudem „bei Bedarf vor Ort
Impf- und Testangebote geben“. Hinzu komme umfangreiche Sozialberatung. Viele der nach letzter offizieller Zählung min-
destens 1910 Menschen auf Hamburgs Straßen nutzen das Notprogramm nicht, etwa wegen der Größe der Unterkünfte. UJO •
Modellprojekt ausgebaut Vorbild für Hamburg? Obdachlose mit Hunden
Berlin stärkt Housing First Berlin bietet 24/7-Unterkünfte Mehr Plätze nicht nötig?
Während Hamburg mit einem Auch in diesem Winter bietet Berlin Aus Sicht von Rot-Grün braucht es
Modellprojekt für 30 Obdachlose rund 150 Plätze in zwei Unterkünf- nicht mehr Notunterkünfte mit spe-
gerade erst gestartet ist, baut Berlin ten, die rund um die Uhr für Ob- ziellen Plätzen für obdachlose Men-
sein Housing-First-Angebot aus: dachlose geöffnet sind. Wie die Se- schen mit Hunden. Einen Antrag der
Bis Ende kommenden Jahres sollen natsverwaltung für Soziales mitteilte, Linken, das städtische Angebot ent-
235 Obdachlose in eigenen Wohn- stehen 65 Plätze davon in einer Un- sprechend auszubauen, lehnte eine
raum vermittelt worden sein, darunter terkunft nur für Frauen bereit. „Wenn Bürgerschaftsmehrheit im Oktober
115 Frauen. Dafür werden die der Stress des Lebens auf der Straße ab. Derzeit stehen nur in der Notun-
Mittel verdoppelt. Housing First ist wegfällt, erhalten die Menschen die terkunft Pik As 17 Plätze für Obdach-
ein etwa in Finnland seit Jahren Chance, neue Kraft und Mut zu fas- lose mit Hund bereit – genug aus
erfolgreich praktizierter Ansatz, der sen“, so Christian Ceconi, Direktor Sicht der Stadt, zumal die Plätze
davon ausgeht, dass Obdachlose vor der Berliner Stadtmission, beim Start nicht immer alle belegt seien. Die
allem eigene vier Wände brauchen, des Angebots vor einem Jahr. Bis Linke verweist auf „die mangelnde
in denen sie dann weitere Probleme Ende 2023 ist die Finanzierung der Akzeptanz des Pik As“ und fordert
erfolgreich angehen können. UJO • 24/7-Unterkünfte gesichert. UJO • deshalb neue Angebote. UJO •

Die
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Zahl des Monats
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Kinder

Corona verschärft
Bewegungsarmut

22
Prozent aller Kinder aus einkommensschwachen Haushalten bewegen sich
ausreichend. Das sind 5 Prozent weniger als vor der Coronapandemie, so
der „Präventionsradar“ der Krankenkasse DAK. Über alle Schichten
­hinweg betrachtet ist jedes dritte Kind (32 Prozent) hinreichend aktiv, vor
Corona waren es 35 Prozent. „Die Pandemie hat die Bewegungsarmut
nochmals verschärft“, sagt Studienleiter Reiner Hanewinkel vom Institut
für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT) in Kiel. „Es haben sich
besonders diejenigen Schulkinder weniger bewegt, die ohnehin schon früher
nicht aktiv genug waren.“

Warum Kinder aus einkommensschwachen Haushalten stärker als andere


unter den Folgen der Coronapandemie leiden, erklärt die Studie nicht.
Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass diese Kinder nach der pandemie­
bedingten Zwangspause seltener zum Vereinssport zurückgekehrt sind, auch
aufgrund von Geldmangel der Eltern infolge der Coronakrise.

Laut den „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungs­


förderung“ sollten sich Kinder und Jugendliche täglich mindestens
90 Minuten moderat bis intensiv bewegen. 60 Minuten davon könnten
Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen oder der Fußweg zur Schule sein,
die restlichen 30 Minuten sollten intensiven Sport darstellen, so der Rat der
Gesundheitsfachleute.
In der Befragung nannten die Kinder verschiedene Gründe für Bewegungs-
armut: Die meisten Jungen und Mädchen sagten, dass sie in ihrer Freizeit
lieber etwas anderes machen (73 Prozent) oder Sport und Schule sich
nicht gut vereinbaren lassen (72 Prozent). 63 Prozent gaben an, keine Lust
auf Sport zu haben, mehr als die Hälfte spielt lieber auf einer Spielkonsole
oder am Computer. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten gaben
häufiger als andere an, keine geeignete Sportausrüstung zu haben oder
niemanden, der mit ihnen Sport treiben will. •
TEXT: ULRICH JONAS
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA

Weitere Infos: www.huklink.de/praeventionsradar

13

13_HK357_IN 13 25.10.22 14:35


Angella studierte seit
fünf Jahren Pharmazie
in Charkiw.

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Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

„Wir brauchen
eine Chance, um
unser Leben
zurückzubekommen“
Nach Hamburg fliehen auch Studierende aus der Ukraine, die keinen
ukrainischen Pass haben. Ihren Schutz müssen sie sich erst erkämpfen,
ihnen drohen Obdachlosigkeit und Abschiebung. Autorin Anna-Elisa Jakob
und Fotograf Mauricio Bustamante haben fünf von ihnen getroffen.

I
brahim, Angella, Rachad und all die anderen hier
­ atten sich in der Ukraine ein Leben aufgebaut, und
h
­eigentlich noch ein ganzes vor sich. Es ist Zufall, dass
die meisten von ihnen aus Charkiw sind, der Stadt, die
nur etwa 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt
liegt; ein Zufall wie der, dass sie auf unterschiedlichen Wegen
nach Hamburg fanden.
Wer aus der Ukraine geflohen ist, bekommt eigentlich
ein vorläufiges Aufenthaltsrecht, mit dem man arbeiten und
studieren kann. Wer keinen ukrainischen Pass hat, für
den gilt das nicht. Laut Schätzungen des Bundesinnen-
ministeriums betrifft das rund drei Prozent der
Ukraineflüchtlinge; die meisten von ihnen sind
­Studierende, geboren in nichteuropäischen Staaten
wie Nigeria, Marokko oder dem Sudan. Sie flohen
vor dem russischen Angriff, gelten in Deutschland
aber nicht als Kriegsflüchtlinge.
Einige von ihnen treffen sich regelmäßig, wie an
diesem Oktoberabend in der Uni Hamburg. Sie diskutie-
ren über die Zukunft; aus verschiedenen Gründen wollen
sie nicht in ihr Herkunftsland zurück. Aus Angst vor Gewalt,
aufgrund fehlender Perspektiven oder der Hoffnung auf eine
Rückkehr in die Ukraine. Man merkt, sie kennen das Campus-
leben. Tragen Hoodies und Jeans, debattieren stundenlang.
Rachad ist mit 29 Jahren einer der ältesten. Er zog vor
mehr als vier Jahren aus Marokko in die Ukraine, studierte
internationale Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als
Banker. Er spricht Arabisch, Englisch, Französisch und
­Russisch. Deutschland kannte er nur aus den Nachrichten, Rachad musste eine
sagt er. Aber dass er hier als Flüchtling auf der Straße Nacht am Haupt-
­schlafen müsse, das habe er nicht erwartet. bahnhof schlafen.

15

15_HK357_IN 15 25.10.22 14:41


Ibrahim floh zusammen mit
anderen Studierenden
aus Charkiw.

16_HK357_IN 16 25.10.22 14:41


Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Dass Rachad als


„Als ich mich in Hamburg registrierte, saß mir eine Beamtin gegen-
über. Sie sah meine Dokumente an, ich hatte alles dabei: meine Flüchtling in Deutschland
­Abschlüsse, meine Aufenthaltserlaubnis für die Ukraine, alle Nachweise,
dass ich dort gelebt hatte und vor dem Krieg geflohen war. Sie sagte:
,Du bist illegal hier. Entweder stellst du einen Asylantrag oder du
auf der Straße schlafen
­verlässt Deutschland.‘ Ich war verwirrt, ich hatte das auf Hamburgs
offizieller Website gelesen: Für Geflüchtete aus der Ukraine gelte muss, hat er nicht erwartet.
­Paragraf 24, sie können damit studieren. Auf hamburg.de, das ist
doch eine seriöse Seite? Der Beamtin habe ich geantwortet, ich
kann das nicht sofort entscheiden. Sie behielt meine Dokumente und „Ich habe sofort Deutsch gelernt, Intensivkurse besucht, jetzt bin ich
schickte mich in ein Flüchtlingscamp. Dort war ich ohne Pass, ohne auf Niveau B1. Für Medizin braucht man C1, ich lerne also weiter.
Aufenthaltserlaubnis, ohne finanzielle Unterstützung. In der Ausländer- Ich habe mich an den Universitäten beworben und wurde angenommen
behörde fragte ich nach meinen Dokumenten. Beim zweiten Mal hieß für ein Programm der medizinischen Fakultät der Uni Hamburg.
es, wenn ich noch einmal käme, würden sie die Polizei rufen. Einen Einen Studienplatz habe ich also, aber am 25. Oktober läuft meine
Monat später wurde mein Antrag abgelehnt.“ Fiktion aus. Ich brauche ein Sperrkonto mit 10.000 Euro, das ist die
Voraussetzung für Studierende aus dem Ausland. Es ist, als würden sie
Viele der Studierenden erzählen, dass ihnen Pass und unmögliche Hürden für uns aufstellen. Erst schnell die Sprache lernen,
Aufenthaltserlaubnis abgenommen wurden, manchen
für mehrere Wochen. Das Amt für Migration schreibt auf
Anfrage, dies sei erlaubt, wenn ein Asylantrag gestellt werde
oder jemand Deutschland verlassen müsse. In solchen Fällen
werde aber immer ein Ersatzpapier ausgestellt, die Betroffe-
nen bestätigen das. Für sie ersetzte dieses Papier trotzdem
nicht das Gefühl, mit ihren Dokumenten die einzige
Sicherheit verloren zu haben, die ihnen in ihrer Situation
noch geblieben war. Und die für manche, wie für
Rachad, immer unsicherer wurde:
„Zwei Tage später, es war ein Freitagabend, warf man
mich aus dem Camp. Man gab mir eine Wegbeschreibung
zum ,Pik As‘, einer Übernachtungsstelle für Obdachlose.
Dort hieß es, dass ich ukrainische Dokumente habe und sie
mich nicht aufnehmen könnten. Es war Wochenende, alle
Hotels waren ausgebucht. Also schlief ich eine Nacht am
Hauptbahnhof. Erst danach habe ich Asmara getroffen. Sie
hat mir geholfen, nun wohne ich erst mal in einem Hotelzimmer.“

Asmara Habtezion gründete die Organisation


„Asmaras World“, die sich seit Beginn des Krieges für
Geflüchtete ohne ukrainischen Pass einsetzt. Ihr Team berät
Betroffene, um für sie eine klare Perspektive zu erkämpfen.
Sie organisiert auch Räume, wo sich die Gruppe treffen kann.
Im April entschied der Hamburger Senat, Studierenden
ohne ukrainischen Pass eine „Fiktionsbescheinigung“ auszu-
stellen. Mit der sie ein halbes Jahr lang arbeiten, Deutschkur-
se besuchen, Sozialhilfe erhalten und sich für ein Studium
bewerben können. Damit schöpfe Hamburg alle Möglichkei-
ten aus, die der Bund den Ländern gestattet.
Mehr als 800 Betroffene haben eine solche Fiktion erhal-
ten, bei den meisten läuft sie in diesen Tagen aus. Um in
Hamburg studieren zu können, müssen sie nun nachwei-
sen, dass sie Deutsch lernen und ihren Lebensunterhalt
sichern können. Pro Asyl fordert die Öffnung des
BaföG und den Zugang zu Stipen­dien, da vielen
sonst die Abschiebung droht. So wie Ahmed. Er ist Malika
22 Jahre alt, seit fünf Jahren studiert er Medizin. studiert seit
zwei Jahren
Medizin.

17_HK357_IN 17 25.10.22 14:41


Stadtgespräch
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

„Wir sind nicht kriminell, über mehrere Länder hinweg. Alle Geschichten erzählen aber
wir sind einem Krieg von monatelanger Unsicherheit nach der Flucht, so wie bei
Malika. Sie ist 21 Jahre alt und studiert Medizin.

entkommen.“ „Als ich mich im Mai registrieren wollte, hatten alle meine Freunde
schon eine Fiktionsbescheinigung bekommen. Nur ich nicht. Man sagte
ANGELLA
mir, ich müsse in eine andere Stadt, Nustrow, 200 Kilometer von
Hamburg entfernt. Dort sollte ich leben, obwohl ich in Hamburg
schon ein Zimmer ­g efunden hatte, an einem Deutschkurs und einem
dann 10.000 Euro? Als Student? Es interessiert niemanden, wie viel ich Vorbereitungskurs der Uni teilnahm. Sie nahmen meinen Pass und
mich anstrenge, wie viel ich mich bemühe, um in diese Gesellschaft zu sagten, in Nustrow könne ich ihn abholen.
finden. Man setzt mich nur immer weiter unter Druck.“ Zwei Monate lang versuchte ich, meine Dokumente wiederzube-
Die Berichte der Studierenden lassen sich für Hinz&Kunzt kommen, im Juni bekam ich einen Termin in der Ausländer­behörde.
nur teilweise überprüfen, ihre Fluchtwege ziehen sich meist Diesmal sprach ich mit einer Frau, die offenbar die Leiterin war und
sagte, dass ich Asyl beantragt hatte, obwohl ich das gar nicht müsse. Sie
ging zu dem Kollegen, bei dem ich mich registriert hatte und
fragte, warum er das gemacht habe. Ich glaube, viele in den
Behörden kennen ­unsere Situation nicht. Das Schlimme
ist, dass wir es sind, die darunter leiden. Bei diesem
Termin habe ich eine Fiktion bekommen, sie gilt
noch ein paar ­Monate. Meine Dokumente habe
ich erst einen Monat später zurückbekommen.“

Und dann gibt es noch diejenigen, die


bis heute keine Fiktion erhalten haben.
Asmara Habtezion schätzt, allein in Ham-
burg seien das noch mal mehrere Hundert.
Sie leben seit ihrer Ankunft in Duldung,
dürfen also nicht arbeiten, bekommen keine
Sozialhilfe und können jederzeit abgescho-
ben werden. So wie Angella, 23 Jahre alt,
die seit fünf Jahren Pharmazie studiert:
„Am 24. Februar bin ich aufgewacht
und hörte Explosionen. Zwei Nächte
schlief ich in einem Bunker unter unserem
Studentenwohnheim in Charkiw. Meine
Schwester Victoria war gerade erst aus Ni-
geria in die Ukraine gezogen, sie ist 17 Jahre
Achraf alt. Am 28. Februar gingen wir zum Bahn-
möchte Tier- hof, es gab S­ irenen, Explosionen, alle wollten in
arzt werden. den Zug. Die ­Menschen wurden aggressiv, einer
hatte ein Messer unter dem Hemd. Es war chao-
tisch und ich wollte nur nach Hause, aber meine
Schwester war stärker als ich und sagte, wir müssen
in den Zug kommen. Wir fuhren 26 Stunden in die
Westukraine, von dort nach Ungarn und nach Berlin.
Wir lebten bei einer Privatperson, Anna-Maria, und ich dachte:
Oh, wie nett sind die Deutschen. Meine Schwester und ich wachten
da noch jeden Morgen auf, weil wir von Explosionen träumten.
Als wir bei ­A nna-Maria ausziehen mussten, gingen wir nach
Hamburg und wollten uns registrieren. Ich war zuerst dran, zeigte
­meinen Pass und meine ukrainische Aufenthaltserlaubnis. Man sagte
mir, ich habe keinen Beweis, in der Ukraine studiert zu haben, deshalb
bekam ich keine ­Fiktion. Ich müsse für eine Befragung wiederkommen,
solange sollte ich meinen Pass abgeben und durfte in einem Flüchtlings-
camp bleiben.

18_HK357_IN 18 25.10.22 14:41


Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Meine Schwester weigerte sich, ihren Pass abzugeben und musste die Es ist schon dunkel draußen, doch einige sind noch in der Uni
Unterkunft verlassen. Sie war obdachlos und fuhr erst mal zurück nach und reden. Immer wieder kommen neue Leute hinzu, gerade
Berlin. Deshalb sind wir jetzt getrennt. erst ein junger Typ mit Rollkoffer. Es geht in diesem Raum
Ich habe mit 18 Jahren Nigeria verlassen, um zu studieren. um Politik, sagen sie, es geht um Rassismus. Sie erzählen von
Ich wurde in der Ukraine erwachsen, ich bin zur Ukrainerin geworden. ihren Erfahrungen und erinnern sich an ihre Rechte.
Wir brauchen eine Chance, um unser Leben zurückzubekommen, so
wie alle anderen Ukrainer:innen sie hier auch bekommen. Wir sind
Sie wollen sie gemeinsam nicht vergessen. •
nicht kriminell, wir sind gemeinsam einem Krieg entkommen. Anna-Elisa Jakob unterhielt sich mit den
Wir sollten genauso als Kriegsflüchtlinge gelten.“ Studierenden auf Englisch. Bürokratische
Begriffe wie „Fiktionsbescheinigung“ kannten
Angella spricht schnell und bestimmt. Eine andere junge die meisten nur auf Deutsch.
Frau stellt sich daneben, nickt vehement, sagt: „Ja, erzähl annaelisa.jakob@hinzundkunzt.de
ihnen deine Geschichte!“ Andere sind stiller. So wie Achraf,
dessen Antrag auf Fiktion vor ein paar Stunden abgelehnt
wurde. Er ist 23 Jahre alt, geboren in Marokko, seit vier
Jahren studiert er Veterinärmedizin.
„Andere aus Marokko oder Algerien haben eine Fiktions­
bescheinigung bekommen, weil sie in der Ukraine studiert h­ aben.
Sie können arbeiten und bekommen etwas Sozialhilfe. Ich kann
gar nichts machen. Ich verstehe nicht, wie diese Entscheidun­
gen getroffen werden. Wer bekommt welche Rechte?
Wa­r um behandeln sie mich so? Ich möchte mich wieder
lebendig fühlen. Es ist, als hätte man mich schon umge­
bracht, nicht physisch, aber mental. Ich habe keine
Freude mehr daran, irgendetwas zu tun.“

Anders als bei anderen Ukraineflücht­


lingen muss die Ausländerbehörde bei Dritt­
staatsangehörigen erst prüfen, ob sie aus der
­Ukraine nach Deutschland geflohen sind.
Sei das nicht sicher, könne keine Fiktion
ausgestellt ­werden. Ibrahim, 22 Jahre alt,
unterschrieb einen Asyl­antrag, weil man
ihm gesagt hatte, eine andere Unter­
stützung werde er nicht bekommen.
Mittlerweile geht eine Anwältin ­dagegen
vor, er hat Zusagen von zwei Hochschulen.
Trotzdem lebt er in ständiger Angst vor der Ahmed lebte
Abschiebung: seit fünf Jahren
„Ich gehe nicht zurück nach Nigeria, dort in Charkiw.
ist kein Frieden, Menschen werden entführt
oder aus­g eraubt, Schulen angegriffen. Deshalb
bin ich ja in die Ukraine gegangen. Ich habe
erst Wirtschaftswissenschaften, dann Landwirt­
schaft studiert, arbeitete in der Produktion von
Cashew­nüssen.
Im ,Hamburg Welcome Center‘ sagten sie, ich bräuchte ein
Schreiben meiner Universität in Poltawa, um zu beweisen, dass ich
dort studiert habe. Aber meine Dekanin schrieb mir, das ginge nicht.
Dass ich mein Studium beenden und meine Studiengebühren zahlen
solle. Wie sollte ich dorthin zurück? Es ist Krieg! Ich zahlte die
Gebühren, im Juni wurde ich exmatrikuliert. Auch das genügte der
Ausländer­b ehörde nicht. Ich könne mich nur für Asyl bewerben.
Sie fragten mich, warum ich Deutschland gewählt habe. Ich sagte,
Deutschland lebt in Frieden.
Zum Schutz der Betroffenen wurden die Fotos anonymisiert und nur ihre
Vornamen verwendet. Der Name von Malika wurde auf ihren Wunsch hin geändert.

19_HK357_IN 19 25.10.22 14:41


Stadtgespräch
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Meldungen

Jubiläum bei der


„Kemenate“: Seit
30 Jahren finden
obdachlose Frauen
in der Tagesaufent-
haltsstätte Rat und
etwas Ruhe. Fürs Foto
machen es sich die
Mitarbeiterinnen
Davina Kronshage,
Vanessa Lorenzen
und Maren Meyer
(von links) gemütlich.

Nationale Armutskonferenz

Staat darf Verantwortung nicht an Tafeln abschieben


Die Nationale Armutskonferenz (nak) fordert angesichts der gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise eine sofortige
Erhöhung der Regelsätze für Hilfeempfänger:innen. „Das Leben wird für Haushalte mit geringem und auch mit mittlerem
Einkommen schlichtweg zu teuer“, erklärte das Bündnis aus Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für Armuts­
bekämpfung einsetzen. Der Staat müsse seiner Verantwortung für die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums
gerecht werden und dürfe diese nicht an Dritte abschieben, so die nak weiter: „Lebensmittelausgaben und Tafeln sind keine
Instrumente der Armutsbekämpfung.“ (Lesen Sie dazu auch unseren Schwerpunkt ab Seite 22.) Um die Regelsätze dauerhaft armuts­
fest zu machen, müssten diese anders berechnet und fortwährend an die Inflation angepasst werden. UJO •
Hanseatic Help Gemeinschaftsprojekt Kältebus startet Touren
Jacken und Schlafsäcke gesucht Sprechstunde für Obdachlose Schutz vorm Erfrieren
Der Hilfsverein Hanseatic Help ruft Die Obdachlosentagesstätte Mahlzeit Seit Anfang dieses Monats ist der
zu Spenden für den Winter auf. Ge­ und das Gesundheitsmobil machen Kältebus wieder in Hamburg unter­
sucht werden Winterjacken, wetter­ gemeinsame Sache: Seit Oktober gibt wegs. Das ehrenamtliche Projekt
feste Schuhe und Schlafsäcke, damit es in den Räumen der Billrothstr. 79 fährt nachts durch die Stadt, bietet
Obdachlose besser durch den Winter mittwochs von 14 bis 16 Uhr eine Obdachlosen Schlafsäcke, Isomatten
kommen. Derweil bezieht „Der Hafen hausärztliche Sprechstunde für Ob­ und Winterkleidung an und fährt sie
hilft“ in einem Gemeinschaftsprojekt dachlose. Damit bietet die rollende auf Wunsch in eine städtische Notun­
mit anderen Organisationen und Praxis erstmals medizinische Hilfe in terkunft. Der Bus wurde Anfang 2019
Fördern & Wohnen eine Lagerhalle Innenräumen an. Neben ärztlicher ins Leben gerufen – als Reaktion auf
FOTO: IMKE LASS

in der Schnackenburgallee, die Platz Grundversorgung stehen vor Ort mehrere Todesfälle auf Hamburgs
für Spenden schafft. BELA/UJO • auch Duschen, eine Kleiderkammer Straßen. Das Team besteht heute aus
Mehr Infos: www.hanseatic-help.org
und www.der-hafen-hilft.de
und ein Imbiss zur Verfügung. SIM •
Infos: www.gesundheitsmobil-hamburg.de
rund 60 Freiwilligen. UJO
Infos: www.cafeemitherz.de

20

20_HK357_IN 20 25.10.22 14:46


Stadtgespräch
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Bundesrat Bundes-Studie zu Obdachlosigkeit


Bremen fordert ein bundeswei-
tes Energiesperren-Moratorium So viele Menschen leben auf der Straße
Das Land Bremen hat eine Bundes- Erstmals gibt es eine amtliche Erhebung zur Zahl der Obdachlosen in Deutsch-
rats-Initiative gestartet, die Menschen land: 37.400 Menschen leben auf der Straße, so das Ergebnis einer Studie, die im
vor den Folgen explodierender Ener- Auftrag des Bundessozialministeriums angefertigt wurde. Zuvor gab es lediglich
giepreise schützen soll. „Wir müssen Schätzungen. Zu den Menschen, die auf der Straße schlafen, kommen 49.000 Be-
dringend verhindern, dass die akuten troffene, die in verdeckter Wohnungslosigkeit leben, etwa dauerhaft bei Bekannten
Kostensteigerungen zu Überschul- auf dem Sofa schlafen. Diese Menschen seien in der Regel jünger als jene, die auf
dung und Sperren der Strom- und der Straße oder in Behelfsunterkünften leben. Auffällig ist, dass unter den ver-
Gasanschlüsse führen“, sagte die deckt Wohnungslosen zwischen 18 und 21 Jahren ein Großteil Frauen sind; die
Bremer Verbraucherschutzsenatorin Studie geht von 80 Prozent aus. Außerdem sollen rund 1100 minderjährige Kin-
Claudia Bernhard (Linke). In dem der und Jugend­liche gemeinsam mit ihren Eltern auf der Straße leben, ungefähr
Antrag, der nach Redaktionsschluss
eingebracht werden sollte, wird die
5500 in verdeckter Wohnungslosigkeit. AEJ •
Bundesregierung aufgefordert, noch
im Herbst einen Vorschlag für ein Bündnis bezahlbarer Wohnraum
Energiesperren-Moratorium vorzu-
legen. Das zuständige Bundeswirt- Aufstocken, umbauen, beschleunigen
schaftsministerium erklärte auf Mehrfamilienhäuser aufstocken, leer stehende Büros umbauen, serielles Bauen
Anfrage: „Wir beobachten die Ent- fördern und Projekte schneller genehmigen: Mit diesen und weiteren – altbekann-
wicklung des Themas Energiesperren ten – Ideen will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) für mehr Wohnraum
genau.“ Der Hamburger Senat hat sorgen. Das von ihr einberufene „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ präsentierte
ein Hilfspaket angekündigt, Einzel- im Oktober 187 Maßnahmen, deren Umsetzung nun beginnen soll. Die SPD
heiten waren bei Redaktionsschluss hatte im Wahlkampf 400.000 neue Wohnungen jährlich versprochen, darunter
noch unklar. In Hamburg wurde 100.000 Sozialwohnungen. Fachleute wie
im September 498 Haushalten der Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten Mehr Infos und Nachrichten unter:
Strom abgeklemmt, Gassperren gab halten das für unrealistisch: „Wir sind www.hinzundkunzt.de
es laut Netzbetreiber keine. UJO • meilenweit vom Ziel entfernt.“ UJO•

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21_HK357_IN 21 25.10.22 14:46


Schwerpunkt:
Ehrenamt
Die Hamburger Tafel versorgt rund 40.000 Menschen mit Lebensmittelspenden.
Wie lange das noch funktioniert, ist unklar (S. 24). Zahlen zur ehrenamtlichen
Arbeit in Deutschland finden Sie ab S. 28. Wie sich der Staat auf
der Arbeit von Freiwilligen ausruht, erklärt Soziologin Silke van Dyk (S. 30).
Und dass das Engagegment von mehr als 1200 Menschen für Hamburgs
Obdachlose auch Probleme mit sich bringen kann, lesen Sie ab Seite 32.

22_HK357_IN 22 25.10.22 14:54


FOTO: MIGUEL FERRAZ

23_HK357_IN 23 25.10.22 14:54


Ehrenamtliche
im Lager der
Hamburger
Tafel

„Dann machen
wir das eben!“
Mit Teamgeist und Tatkraft kämpfen Ehrenamtliche der
Hamburger Tafel gegen die wachsende Armut an. Doch die
Krise trifft den Verein ins Mark. Die Mittel werden knapp.
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN
FOTOS: IMKE LASS

24

24_HK357_IN 24 25.10.22 15:06


Schwerpunkt
Ehrenamt

Die Hamburger Tafel


in Zahlen:
140 Ehrenamtliche
5 Festangestellte
15 Transportwagen
800 qm Lagerfläche
4 Kühlräume
31 Lebensmittelausgabestellen
40.000 angemeldete Nutzer:innen

aktion für geflüchtete Ukrainer:innen


mit anpackte. „Viele ältere Menschen,
viele Mütter mit kleinen Kindern. Das
habe ich nicht so einfach weggesteckt“,
sagt der 68-Jährige.
Hennig ist seit elf Jahren bei der
Tafel, angefangen hat er in einer Aus­
gabestelle. Später half er als Schlosser­
meister. Dann fand er eines Morgens
seinen Namen auf dem Tourenplan
wieder. Hennig lacht darüber. „Ich hät­
te ja auch ablehnen können.“ Er meint
aber, Ehrenamt gehört dazu. Bei der
Tafel übernimmt er inzwischen zwei
Schichten: Montags um 7.30 Uhr
bricht er mit dem Sprinter auf
Richtung Blankenese und Osdorf, von
Supermarkt zu Supermarkt, letzte
Station ist eine Ausgabestelle in Hamm,
da lädt er alles wieder aus, um halb eins
ist er fertig. Mittwochs ist Treffpunkt
um 5.30 Uhr am Großmarkt. Auch dort
hievt er Kiste um Kiste in den Trans­
porter. Hennig hat Glück. „Ich hab

W
ja die Montagstour, da kriegen wir
enn ihr irgendwelche 101 Europaletten: Um diese Menge den Wagen immer voll“, sagt er. Andere
Götter habt, dann be­ schrumpften die Vorräte an nur einem kämen oft mit nur einem Drittel La­
tet.“ Einen besseren Tag im September. dung zurück.
Rat kann Jan Henrik Dass die Hamburger Tafel über­ 140 Ehrenamtliche arbeiten regel­
Hellwege seinen Mitarbeitenden zur­ haupt so viel lagern kann, ist einerseits mäßig bei der Hamburger Tafel mit, im
zeit nicht geben. Das Team der ein Vorteil. Für Hellwege ist es auch Fahrdienst und im Lager etwa. Die
Hamburger Tafel arbeitet mit voller ­eine Bürde. Die Stromkosten für das Hamburger Tafel ist ein Logistikverein,
Kraft, 24 Supermärkte klappern die Lager und die vier Kühlhäuser: derzeit der andere Tafeln beliefert, aber keine
Kolleg:innen im Fahrdienst täglich ab. unberechenbar. Der Sprit für die eigenen Ausgabestellen betreibt. In der
„Mehr geht wirklich nicht an einem 15 Fahrzeuge: teuer wie nie zuvor. Geschäftsstelle arbeiten fünf Festan­
Vormittag“, sagt der Geschäftsführer. Gleichzeitig sind da immer mehr Kin­ gestellte, darunter der Geschäftsführer.
Doch es reicht nicht. der, Frauen und Männer, die hungern Seit zwei Jahren macht Hellwege
Inzwischen geht es auch an die müssen, wenn die Tafel ihnen nicht hilft. den Job, seit zweieinhalb Jahren ist
Reserven. Nur so ist an den insgesamt Wolfgang Hennig hat einige von Krise. Fast hätte Corona das Versor­
31 Ausgabestellen genug Essen da. ­ihnen getroffen, als er bei der Hilfs­ gungssystem kollabieren lassen. Hell­

25

25_HK357_IN 25 25.10.22 15:06


140 Ehrenamtliche
holen Lebensmittel
ab, packen und
sortieren für 40.000
Bedürftige – und
können doch nicht
allen helfen.

wege und seine Kolleg:innen sahen eine Hellwege will aber nicht klagen. Den
Ausgabestelle nach der anderen die Fehler im System zu ergründen, dafür Mithelfen:
weiße Fahne hissen. Unter Hochdruck habe er keine Zeit. „Jeder hat seine Am Donnerstag, 24. November, neh-
organisierte das Team Aushilfen, packte ­Aufgabe.“ Seine bestehe unter anderem men Ehrenamtliche der Hamburger
Kisten vor, um Handgriffe und Infekti- darin, die Ehrenamtlichen in dieser Tafel wieder Lebensmittelspenden
onswege zu reduzieren, und stampfte ­Lage nicht zu überlasten. Not, das ist von Bürger:innen an. Die Aktion läuft
ein Schutzkonzept aus dem Boden. kein Begriff, den Hellwege auf sich in der Europa Passage, im Alstertal-
„Wir dachten gerade: Jetzt kommen selbst anwenden würde. Die echte Not Einkaufszentrum und im Elbe-Ein-
wir endlich wieder in ruhigere Gewäs- ist da draußen. kaufszentrum.
ser“, sagt Hellwege. „Und genau in Vor Corona half die Hamburger Private Lebensmittelspenden für die
dem Moment fängt – Entschuldigung – Tafel wöchentlich etwa 30.000 Men- Hamburger Tafel können außerdem
dieser Scheiß-Krieg an.“ schen, heute sind es mehr als 40.000. beim Verein Hanseatic Help abge­
Hinzugekommen sind nicht nur die Ge- geben werden. Die Spendenannahme
flüchteten, die ein Anrecht auf Sozial- in der Großen Elbstraße 264 ist
„Wenn ihr Götter habt, dann betet.“: leistungen haben. Vor allem Inflation dienstags bis samstags jeweils von
Geschäftsführer Jan Henrik Hellwege
und Energiepreise treiben viele in 10 bis 18 Uhr geöffnet.
die Armut. Fast ein Drittel der Tafel-
Nutzer:innen sind Alleinerziehende,
fast jede:r Zwanzigste von ihnen ist auf
die Lebensmittelspenden angewiesen, sen auch viele beim Einkauf sparen.
ergab eine Studie des Wirtschafts­ Das zeigt sich bei verbilligter Ware.
forschungsinstituts DIW Ende Sep­ „Diese Angebote werden komplett aus-
tember. Ein weiteres knappes Drittel genutzt“, erklärt Hellwege. Vieles da-
ist schwerbehindert. Ein Viertel der Be- von wäre früher womöglich der Tafel
dürftigen an den Lebensmittelausgaben gespendet worden. Mit einer Aktion
sind ­Kinder und Jugendliche. Ende September machte der Verein
Während ihre Zahl steigt, sinkt die darauf aufmerksam: In drei Einkaufs-
Menge der Lebensmittelspenden. „Das zentren sammelten Tafel-Teams Le-
ist unser größtes Problem“, sagt Hell- bensmittelspenden von Hamburger
wege. Die Gründe seien teils erfreulich. Bürger:innen und riefen Firmen zur
Die Läden planten nachhaltiger, so Hilfe auf. Schon beim ersten Termin
bleibe weniger übrig. Aber zurzeit müs- wurden an jedem Standort zwei Trans-

26

26_HK357_IN 26 25.10.22 15:07


porter voll. Aber das grundsätzliche an die Arbeit. Nur der Moment, an Sozialbehörde keine Notfallförderung.
Problem ist damit nicht gelöst. In ganz dem alles geschafft ist, kommt nie. Die Tafeln seien ein Zusatzangebot, er-
Deutschland be­finden sich die Tafeln Stattdessen neue Probleme: „Ich klärt Behördensprecher Martin Helf-
in dieser Notlage. hab’s ausgerechnet. Im vergangenen rich. Wer den Lebensunterhalt nicht
Dabei suchen längst nicht alle, die Jahr: 16.000 Euro Stromkosten“, sagt selbst zahlen kann, sollte mit Hartz IV
in Armut leben müssen, die Tafel auf. Hellwege. Am 1. September hatte er oder Grundsicherung auskommen.
Nach Hellweges Erfahrung melden schon 18.000 Euro auf der Uhr, und Das haut sehr oft nicht hin, weiß
sich die meisten erst, wenn es nicht die Steigerungen kommen erst noch. Hellwege. Trotzdem hielte er es für kei-
mehr anders geht. Doch wer jetzt fragt, „Ich gehe davon aus, dass ich fast ver- ne gute Lösung, die Tafel mit Steuer-
kommt zu spät. dopple. Das heißt: fast 32.000 Euro bis geld am Laufen zu halten. „Wenn staat-
An 90 Prozent der Ausgabestellen Jahresende nur für Strom.“ Woher das liche Hilfen in die Tafel fließen, dann
in Hamburg ist Aufnahmestopp, trotz- Geld kommen soll, weiß er noch nicht. bezahlen sie das Pflaster, aber heilen
dem rufen immer wieder Menschen an. „Wir sind rein spendenfinanziert“, sagt nicht die Wunde“, sagt er. Zudem sei
„Sehr oft müssen wir sagen: ,Wir kön- er. Fördermitgliedschaften deckten die Unabhängigkeit der Tafel auch ein
nen dir nicht helfen.‘“ Das sind die ­bislang nur ein Sechstel der laufenden Wert. Viele, so vermutet Hellwege,
schwersten Momente, sagt Hellwege. Kosten. spenden und helfen gerade deshalb.
„Da wird geweint am Telefon, im Hinter- Dabei verlässt sich Hamburg auf „So entsteht dieses Gefühl: Dann ma-
grund hört man die Kinder. Das nimmt die Ehrenamtlichen: Wer Geld vom chen wir das eben. Darin steckt ne
uns alle hier sehr mit.“ Er habe schon
über psychologischen Beistand fürs
Jobcenter bekommt, erhält dazu den
Tipp, sich an die Tafel zu wenden,
Menge Power.“ •
Team nachgedacht, dann aber doch da- wenn es eng wird. Trotzdem plant die annabel.trautwein@hinzundkunzt.de
rauf verzichtet. Er wolle dem Problem
nicht zu viel Raum geben. Lieber lenkt
er den Blick auf die Erfolge.
Wenn Hellwege vom Job erzählt, Leichte Sprache:
kommt er fast ins Schwärmen: eine Es gibt den Text auch in Leichter Sprache. Scannen Sie
sinnstiftende Aufgabe, ein tolles Team. den QR-Code mit dem Handy. Dann klicken Sie auf den Link.
Seine Kolleg:innen sind Menschen mit Der Text in Leichter Sprache öffnet sich. Oder Sie gehen
Doktortitel, ehemalige Obdachlose, auf unsere Webseite www.hinzundkunzt.de und suchen
Schüler:innen, Männer und Frauen in dort nach „Leichte Sprache“.
Rente. Mittags wird gemeinsam geges- www.huklink.de/357-leichte-sprache
sen, danach geht es wieder mit Energie

27

27_HK357_IN 27 25.10.22 15:07


Schwerpunkt HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Ehrenamt

Engagement
in Zahlen
Wer hilft wem? So sieht Ehrenamt in Deutschland aus.
TEXT: LUKAS GILBERT
ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS.DE

Ehrenamt von Jung bis Alt


Jüngere Menschen sind häufiger ehrenamtlich engagiert
30–49-Jährige als ältere. Besonders aktiv ist die Altersgruppe der 30- bis
44,7 % 49-Jährigen. 44,7 Prozent von ihnen sind ehrenamtlich
engagiert, bei den über 65-Jährigen sind es lediglich
über 65-Jährige 31,2 Prozent. Allerdings engagieren sich ältere Menschen
31,2 % immer öfter: 1999 waren nur 18 Prozent der über
65-Jährigen ehrenamtlich tätig. In keiner anderen
Altersgruppe war die Veränderung so stark.

39,7
39,7

der Menschen in
Deutschland ab 14 Jahren
haben sich 2019
freiwillig engagiert.
Der Trend geht nach oben: 1999 waren es noch
30,9 Prozent. Hamburg liegt im Ländervergleich
auf dem vorletzten Platz: 36 Prozent der
Hamburger:innen waren 2019 freiwillig tätig.

28_HK357_IN 28 25.10.22 15:11


WWW.HINZUNDKUNZT.DE Schwerpunkt
Ehrenamt

Engagement kennt
kein Geschlecht (mehr)
39,2 Prozent der Frauen und 40 Prozent
der Männer in Deutschland waren
2019 ehrenamtlich im Einsatz. Damit
gibt es keinen signifikanten Unterschied
mehr zwischen den Geschlechtern.
Zuvor waren Männer deutlich häufiger
freiwillig tätig. Allerdings bevorzugen Männer und Frauen unterschiedliche Bereiche:
Während Männer häufiger im Sport, im Rettungsdienst, bei der freiwilligen Feuer-
wehr oder in der Politik aktiv sind, sind es Frauen häufiger im sozialen Umfeld.

Ehrenamt hängt vom Geldbeutel ab


Menschen mit hohem Einkommen engagieren sich deutlich häufiger als
Menschen mit wenig Geld. So sind nur 24 Prozent der Menschen mit
einem Nettoeinkommen von weniger als 1000 Euro ehrenamtlich tätig.
Bei Menschen, die netto ab 2000 Euro aufwärts verdienen, sind es mehr als
50 Prozent. Eine Rolle spielt auch die Art der Beschäftigung. So sind Teil-
zeitbeschäftigte häufiger ehrenamtlich engagiert als Vollzeitbeschäftigte.

Wem kommt ehrenamtliches


Engagement zugute?
Gut die Hälfte der Engagierten setzt sich für Kinder
und Jugendliche ein. 18,1 Prozent engagieren
sich für finanziell oder sozial schlechter gestellte
Menschen, 17,8 Prozent für Hilfe- oder Pflege­
bedürftige, 16,1 Prozent für Menschen mit
Migrationshintergrund.

Quellen: Die Daten beruhen auf dem deutschen Freiwilligensurvey bzw. dem Länderbericht zum deutschen
Freiwilligen­survey, die jeweils 2022 vorgestellt wurden. Die Untersuchung wird alle fünf Jahre vom Bundesfamilien­
ministerium in Auftrag geben. Die aktuellen Daten wurden im Jahr 2019 erhoben.

29

29_HK357_IN 29 25.10.22 15:12


Öffentliche Mittel für
soziale Aufgaben
fehlen nicht, „es ist eine
Frage der Verteilung“,
sagt Silke van Dyk.

„Helfen ist immer


hierarchisch“
Freiwilliges Engagement zu kritisieren, das ist fast so, als würde
man jemandem einen frisch gebackenen Apfelkuchen madig machen
wollen, sagt Silke van Dyk. Die Soziologin findet trotzdem, dass das
Ehrenamt sich einer kritischen Auseinandersetzung stellen muss.
INTERVIEW: SIMONE DECKNER
FOTO: ANNE GÜNTHER / UNIVERSITÄT JENA

Hinz&Kunzt: Ehrenamtliches Enga­ darauf hinzuweisen, dass Menschen, Das ist eine öffentliche Aufgabe, aber
gement hat einen sehr guten Ruf. die arbeiten, sozialen Schutz brauchen. die wird in vielen Kommunen ehren­
Sie sagen, Freiwillige würden fast Tatsächlich arbeiten viele Engagierte amtlich vom Kinderschutzbund organi­
religiös überhöht. Was ist schlecht unbezahlt in Bereichen, für die es Fach­ siert. Ohne Freiwillige läuft es in vielen
daran, Gutes zu tun? kräfte bräuchte. Bereichen nicht mehr, gravierend ist es
Silke van Dyk: Wir kritisieren ja nicht in der Geflüchtetenhilfe und der Pflege.
die Engagierten. Keine Gesellschaft Ihre Kritik: Der Staat nutzt Ehrenamt­ Aber es ist natürlich unproblematisch,
kann ohne sie leben. Problematisch ist liche aus. Aber die Menschen helfen wenn Nachbar:innen für Geflüchtete
aber, dass medial oft von Engeln oder doch freiwillig? ein Straßenfest organisieren. Oder eine
Helden die Rede ist, wenn es um Ehren­ Es lohnt sich, genau hinzugucken: Wo Klavierspielerin ein Mal pro Woche
amtliche geht. Das klingt erst einmal erfüllen Freiwillige Aufgaben, die der ­einen Musiknachmittag im Pflegeheim
toll, legt aber nahe, dass sie nicht auf Staat qua Rechtsauftrag zu erfüllen anbietet.
solche „profanen Dinge“ wie soziale ­hätte? Wo es etwa das Recht auf einen
Rechte und Bezahlung angewiesen sind Kindergartenplatz gibt, dann aber die Kann es sich der Staat leisten,
(siehe Meldung S. 29). Verdi hatte mal Ressourcen fehlen, diesen Rechtsan­ auf Freiwillige zu verzichten?
eine tolle Kampagne namens „Tarif­ spruch umzusetzen. Oder bei begleite­ Lebensnotwendige und teilhabesichern­
verträge fallen nicht vom Himmel“, um tem Umgang in Trennungsfamilien: de soziale Aufgaben sollten öffentlich

30

30_HK357_IN 30 25.10.22 15:25


Schwerpunkt
Ehrenamt
RATGEBER

ptatiunt at harupi
brauche nur ein „großes Herz“ und
Zur Person: dann klappe das schon. Niemand
Silke van Dyk (geb. 1972) ist Professorin würde hingegen eine nichtqualifizierte
für Politische Soziologie und Direktorin Person an einen OP-Tisch stellen. RATGEBER
des Instituts für Soziologie der Friedrich-
Schiller-Universität Jena. Sie forscht u. a. Auch pensionierte Ärzt:innen engagieren

Optatiunt at harupi
zur Sozialpolitik des Wohlfahrtsstaats. sich im medizinischen Bereich …
Ja, die Hilfe ist dann zwar nicht un­
ficie nduntia inus veles intistiscia quos ditate cus eniet aber
professionell, volupta tiatur rectatur,
sie funktioniert nicht et et pelitior mi, secea cum escimuscium ea
di untibust, venihit que earcia ento volorro beat. als Event
soziales Recht, cus as sondernet quam als eine ium dolo core conseque INNERE KRAFTisFÜR diDICHtem fuga. Occabo.
& ANDERE
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Optatiunt at harupi
UND ONLINE
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die Leute,
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minte praes re nihit modit optate lab il ipid ut dolor ex ea
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Hilfe
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alisinimusa velecesti
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minte praes re nihit modit optate lab il ipid ut dolor andamenimet cum as maximus
mentierte Grenzüberschreitungen: Der asperiatur sunt. Xerchit, aut mintotasin rem andae ad experfe ruptate
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Occum nos acea dolor aut eos adsinquati dolor as estiate reperes istruptatio. apicia Imus-quid esseni-
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expelesSchaden,
sofortigen accae.
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sie Dolum et
umzugehen. esti
viduscillant
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et im fuga. Cidus,
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ximinctiis com-re
das et etperes tiores si bea-
re et
nimus mo doluptio. Nemo eictur repereius es adi nis authat rem dunt ein­ti nat. Molorum
psus ariorer
doluptiis roremporio.
einen
a ipsus ariorerTororemporio.
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bei jemandem que
volor nes
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que sehr
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mi, benannt:
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et et laut „Wer
ulpa
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denn temis dit eum
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et facepre et dafür ausgebildet
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iligeniatiistiberitasnat ist.
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et volupta zu der
spitasp grantigen
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tiberitas recullu?officias Alten
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vellaute Pflegeheim,
estions-
apicia esseni- quid esseni- ad quid estrum
us et facepre vel iligeniatiis recullu? apiciadoluptamus,
quid eaquunt lis ut que
Wir wissen aber, dass es für equia solorunt estdie
die erfolg­ impor sit ad erst
einen ut earchil
malinus anschreit, wenn
mod esipsa-
utati-man
Hardcover, 106 Seiten mit
reiche Übermittlung von Sprachkom­ simin peditium fuga. Ficiliquas rem es mod
die Tür aufmacht? ante est,es
Das autich,
omniminis
bin exaut ex-ex
nicht
eritisex-
aruptam fugi- über 200 handgezeichneten

• peres tiores
Ratis que officil moluptio viduscillant ecturquas et im fuga.
as ellaborrovit antemperit Cidus, com- acerchi
moluptaturem lluptat aut sitec bea-
ulparum verate Karikaturen, Fadeneinbindung
ficil moluptiopetenzen viduscillant eben quasnicht reicht,
et Mutter­
imvolorpos
fuga. Cidus,
venia die fugitatur
quunt Ehrenamtlichen.“
com- as dolupta peres tionseq tiores si bea-expliti quae eatam,
uatur, officim
nimus mo doluptio.
sprach­ ler:in zuNemosein. eictur repereius es adi nis aut rem dunt
aximusamet aditass impora con natis.autemporum eliquis ciliquas
ti nat. Molorum conse n. <
oluptio. Nemo
volor magnia eicturcones repereius es adi
ped que destinumet alis nis
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exerest, ad tem quodiore,
simone.deckner@hinzundkunzt.de
quatusa ti nat.
perepra quiati
tiatiis Molorum
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a cones ut ped que


reseDiese destinumet spitaspet
„Deprofessionalisierung“
nat dolupta et officias
icipit laut la autad quodiore, quiati ad
tatibus, si que eos delestrum la prectem vent quae nonse nimiliq
que vellaute estions- is dit quideum estrum
uiasper sperum con porat erchiciam que et ad et idebis dit rem
schadet eher, als dass sie nützt? eaquunt lis ut que
doluptaequia solorunt
spitasp icipitestofficias
impor sitaut ad que
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vellaute
as quoinus doluptamus,
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d. Alit rerorat moluptatur ad
utati- quid
sincius ant eveligendi estrum
cum
Ja, gerade die sozialen Berufe faccumq haben Buchtipp:
uiandeb itentotatium eum conseque ex eaeritis plibus aruptam
atiusa- Erhältlich unter
simin peditium
unt est impor­keine sit ad fuga.
festen
Ficiliquas
ut Professionsgrenzen. rem
earchil inus doluptamus, es
mus reJe
ante est,
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eaquunt
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tector afrika2030@gmx.net
ectur asher ellaborrovit
Aufgaben antemperit moluptaturem acerchi lluptat aut di tec ulparum verate www.afrika2030.net
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volorpos venia quunt
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dolupta tionseq
porist maiorae eaquis re uatur,
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dolorum aut
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do-
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aditass Tätigkeiten
impora conheißt acerchi
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tiatiis voluptusae.
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Et arumquae ut explaboremeatam, (Inland), 12,50 € (Ausland)
t aditass impora
tatibus, si queconeos natis.autemporum
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nis entem ipsandae nonseque eturiorest voluptas renit erruptas ut
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n. <
uiasper sperum con
di occae exerest, tem quatusa perepra porat erchiciam queimetur,
tiatiis
lorestint eteliqui
ad et cup-
ipientint. idebis
Nem re dit sunt rem ulloritas aut ut que dolore
presto qui offic tentium ditatescitia vide ne nobitem velitatur, aute
facesci as quo d. Alit rerorat moluptatur sincius ant eveligendi cum
ue eos delestrum
31_HK357_IN 31 la prectem vent quae nonse nimiliq 25.10.22 15:25
Hunderte Men-
schen versorgt
die Initiative
„Bergedorfer
Engel“ sonntags
auf dem Kiez.

Lückenfüller am Limit
Mehr als 1200 Menschen kümmern sich ehrenamtlich um
Hamburgs Obdachlose. Manche Initiativen arbeiten inzwischen fast professionell.
Aber oft kommt das Ehrenamt auch an seine Grenzen.

TEXT: BENJAMIN BUCHHOLZ, SIMONE DECKNER


FOTOS: MIGUEL FERRAZ

D
ie Schlange auf der Ree­ Ärzt:innen und Pflegefachkräfte, die 2014 hat Bassenberg die Gruppe
perbahn ist lang: Junge und eigentlich heute ihren freien Tag hät­ „Bergedorfer Engel“ gegründet. Er
Alte, Menschen mit Krü­ ten, leisten medizinische Hilfe. All das wollte etwas tun, weil er den Anblick
cken, auch einige mit Hun­ wurde aus Spenden finanziert. von Obdachlosen nicht mehr ertrug,
den, warten darauf, dass ihnen die Rund 200 Menschen ohne Woh­ die offenbar sich selbst überlassen wa­
Frauen und Männer in den neongelben nung sind an diesem Sonntag Anfang ren. „Ich bin immer an derselben Stelle
Warnwesten Essen auffüllen. Es gibt Oktober hergekommen. In der Regel sei­ vorbeigefahren und habe die Leute da
Pasta Bolognese und vegetarisches en es mehr, sagt Organisator Thorsten in ihrem Elend liegen sehen“, erinnert
Chop Suey, 400 Portionen, alles frisch Bassenberg. Jedes zweite Wochenende er sich. „Ich habe mir gedacht: Es kann
gekocht und kostenlos. Daneben verteilt versorgen er und seine etwa 30 Mitstrei­ doch nicht sein, dass da jahrelang nichts
jemand aus einem Koffer heraus war­ ter:innen die Menschen auf der Straße passiert.“ Also fing er an, in seinem Kel­
me Socken, binnen Sekunden sind sie mit dem Nötigsten. Sie füllen eine Lücke: ler Sachspenden zu sammeln und sie
vergeben. Vor dem Discounter steht Die meisten Anlaufstellen für Obdach­ aus seinem Auto heraus auf der Straße
außerdem das „Gesundheitsmobil“. lose haben sonntags geschlossen. zu verteilen.

32

32_HK357_IN 32 25.10.22 15:36


Im Gesund-
heitsmobil
versorgen
Ärzt:innen
ehrenamtlich
Obdachlose.

Inzwischen fährt er in einem weißen dizinisch, schneiden Haare oder sorgen Hinzu kommt das finanzielle Engage-
Transporter mit dem Schriftzug „Ber- dafür, dass sich auch Menschen ohne ment: Rund eine Million Euro sind in
gedorfer Engel“ durch Hamburg, finan- eigenes Bad in Würde waschen können. den vergangenen zehn Jahren allein
ziert aus Spenden und Geld von einer Hunderte helfen bei etablierten Einrich- über das „Spendenparlament“ an Ini­
Stiftung. Seine Initiative verteilt mittler- tungen wie der Bahnhofsmission oder tia­tiven aus der Obdachlosenhilfe ver-
weile nicht mehr nur Sachspenden: dem städtischen Winternotprogramm – geben worden. Neben dem städtischen
Als 2019 die Pandemie kam, sammelten und bei Hinz&Kunzt. Die Liste der Hilfesystem hat sich also längst ein
er und seine „Engel“ Geld, um 19 Ob- Initiativen ist viel zu lang, um sie hier zweites etabliert, getragen von der Soli-
dachlose in Hotelzimmern unterzu- alle zu nennen. darität der Hamburger:innen.
bringen. Im vergangenen Winter waren
es immerhin noch zehn. Für all das
könnte der Staat sich durchaus mal er-
kenntlich zeigen, meint Bassenberg. So Schlange
stehen für
ein Nachmittag auf der Reeperbahn
ein warmes
koste schließlich rund 1000 Euro: „Das Essen auf
müssen wir ja jeden Monat irgendwie der Reeper-
aufbringen.“ bahn
Wo der Staat Lücken lässt, springen
seine Bürger:innen ein: In Hamburg ist
eine bemerkenswert große Szene von
Ehrenamtlichen entstanden, die sich
für Obdachlose engagiert. Mehr als
1200 Menschen gehören dazu, ergab
eine Hinz&Kunzt-Abfrage unter Orga-
nisationen und Einrichtungen der
Wohnungslosenhilfe.
Sie fahren mit dem Kältebus durch
die Stadt, verteilen Lebensmittel und
Schlafsäcke, versorgen Obdachlose me-

33

33_HK357_IN 33 25.10.22 15:37


Schwerpunkt HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Ehrenamt

Ehrenamt bei Hinz&Kunzt:


Bei Hinz&Kunzt engagieren sich
18 Menschen als freiwillige Mitar­bei­
ter:innen: Sie stellen das Projekt an
Info- und Verkaufsständen vor, sie unter­
stützen uns auf vielen Veranstal­tungen
oder beraten unsere Verkäufer:innen
juristisch.
Für das teils langjährige Engagement
bedanken wir uns herzlich!

Thorsten Bassenberg
hat am Anfang Sach-
spenden aus seinem
Privatauto verteilt.

„Wir haben klärt Corinna Walter aus dem Hansea-


tic-Help-Vorstand. Zu schnell war das
Hürden nicht kennen, resignieren die
Menschen.“ Mühsam aufgebautes Ver-
gemerkt, dass wir Projekt gewachsen, zu groß war der
Aufwand für den ehrenamtlichen Vor-
trauen könne so schnell zerstört werden.
Und auch manch Ehrenamtliche könn-
an unsere Gren- stand. Deswegen entstanden 2018 mit ten nicht damit umgehen, wenn ein
Geld von der Stadt die ersten haupt- Obdachloser dann nicht die erwartete
zen kommen.“ amtlichen Stellen, unter anderem für Dankbarkeit zeigt (siehe auch S. 30).
Geschäftsführung und Buchhaltung. Oder noch schlimmer: Für eine
CORINNA WALTER, HANSEATIC HELP
Denn Projekte, die sich allein aufs Eh- EU-Bürgerin blauäugig Leistungen
renamt stützen, haben ihre Grenzen: beim Jobcenter zu beantragen, kann
Viele Initiativen unterstützen sich auch „Wir wollten auch sicherstellen, dass am Ende ihre Abschiebung bedeuten.
gegenseitig. So fahren regelmäßig unsere Arbeit nicht von heute auf mor- Einen Alkoholkranken zu einem kalten
Transporter in der Großen Elbstraße gen wegbricht“, sagt Walter. Entzug zu überreden, kann sogar le-
am Hafen vor, um Sachspenden abzu- Aus der Wohnungslosenhilfe sind bensgefährlich werden. „Es gibt einige
holen. Das Lager von „Hanseatic Help“ Ehrenamtliche nicht mehr wegzuden- Herausforderungen, aber dennoch
ist das logistische Rückgrat der Ham- ken. Doch ihre Mühen und die Hilfsbe- brauchen wir die Ehrenamtlichen”, sagt
burger Ehrenamtsszene. 2015 als Initia- reitschaft haben auch Schattenseiten. Julien Peters, der das Engagement
tive der Flüchtlingshilfe entstanden, Wer mit Fachleuten spricht, hört geteilte grundsätzlich begrüßt. „Den Menschen
kümmert sich der Verein längst auch Meinungen zu den vielen Engagierten. auf der Straße würde es wesentlich
um obdachlose Menschen. 120 Ehren- Die Laien könnten die Folgen ihres Han- schlechter gehen, wenn es diese Ange-
amtliche helfen beim Sortieren von delns manchmal nicht abschätzen, heißt bote nicht geben würde.“
Altkleidern und anderen Spenden. In es da. „Das größte Risiko besteht darin, Aber es ist eben auch Fachwissen
der einstigen Freiwilligeninitiative sind den Menschen falsche Hoffnungen zu gefragt. Der Mitternachtsbus, eines der
aber inzwischen auch 31 Menschen machen, etwa auf eine Wohnung“, sagt dienstältesten Freiwilligenprojekte in
hauptamtlich beschäftigt, darunter zum Beispiel Julien Peters, Straßen­ der Hamburger Wohnungslosenhilfe,
mehrere Langzeitarbeitslose. sozialarbeiter bei der Caritas. „Wenn es organisiert deshalb regelmäßig Fortbil-
„Wir haben einfach gemerkt, dass dann mit der Wohnung nicht klappt, dungen für seine 140 Ehrenamtlichen.
wir an unsere Grenzen kommen“, er- weil die Ehrenamtlichen bestimmte Sie sollen in der Lage sein, die Obdach-

34

34_HK357_IN 34 25.10.22 15:34


Schwerpunkt
Ehrenamt
Unser Rat
zählt.
losen bei ihren Begegnungen am Bus an die passen­ Fan werden
den Einrichtungen zu verweisen. „Wir wollen nicht
0
einfach nur Sachen verteilen, sondern nachhaltige
879 79-
Hilfe leisten und dabei helfen, dass die Leute einen
Weg runter von der Straße finden“, sagt die haupt­ Mieterverein zu Hamburg
amtliche Projektleiterin Sonja Norgall. Das funktio­ im Deutschen Mieterbund
niert auch deshalb verlässlich, weil der Mitternachts­ Beim Strohhause 20 20097 Hamburg mieterverein-hamburg.de
bus kein „Graswurzelprojekt“ mehr ist, sondern
angebunden an das Wohnungslosenzentrum der
­D iakonie. Nach wie vor ist das Projekt aber rein
spendenfinanziert.
Ganz wichtig sei es, die unterschiedlichen Initia­
tiven und hauptamtlichen Helfer:innen untereinan­
der zu vernetzen, damit die nicht versehentlich ge­ trostwerk.de
geneinander arbeiten. „Das passiert leider viel zu 040 43 27 44 11
wenig“, sagt Norgall. Die Arbeitsgemeinschaft der andere
bestattungen
freien Wohlfahrtspflege (AGFW), ein Zusammen­
schluss von Trägern wie Caritas und Arbeiter­
wohlfahrt, wollte das ändern. Engagierte und
Mensch
Sozialarbeiter:innen erarbeiteten dort 2019 gemein­ bleiben.
sam Standards für den Umgang mit den Menschen
auf der Straße. „Wir respektieren die physischen und
psychischen Grenzen aller Beteiligten“, heißt es etwa
in den „Goldenen Regeln für Aktive in der Woh­
nungslosenhilfe“. Und: „Unser Handeln soll nicht
entmündigen und/oder erziehen.“ Viele Ehrenamtli­
che halten sich daran, aber nicht alle wissen über­

DEIN TAG
haupt davon. Regelmäßige Treffen zwischen Profis
und Laien bei der AGFW gab es zuletzt vor zwei
Jahren. Immerhin findet Vernetzung inzwischen

WAR HART?
verstärkt auf anderen Wegen statt: über WhatsApp-
Gruppen und Zoom-Meetings zum Beispiel.
Thorsten Bassenberg ist sich dieser Problematik
bewusst. Die „Bergedorfer Engel“ würden sich auf
die Versorgung mit Essen und Sachspenden be­ DER BETON
IST HÄRTER.
schränken, sagt er: „Wir versuchen auch immer, eine
Grenze zu ziehen, wir sind ja keine Sozialarbeiter.“
Dafür, wie das Zusammenspiel von Ehrenamtlichen
und Hauptamtlichen klappen kann, liefert er aber
ein gutes Beispiel: Als seine Initiative Hotelzimmer
für Obdachlose angemietet hatte, übernahmen
Diakonie und Caritas die Sozialarbeit. In Hamburg frieren jeden Tag
Noch besser wäre es freilich, wenn all das Enga­ obdachlose Menschen. Du kannst
gement gar nicht nötig wäre. „In den letzten drei, vier helfen. Mit einer Spende oder
Jahren sind so viele Suppenküchen neu entstanden, deinem Schlafsack.
so viele Vereine gegründet worden …“, sagt Bassen­
berg. „Aber das eigentliche Ziel, dass die Leute in die
hanseatic-help.org/waermegeben
Wohnungen kommen, das wird vernachlässigt.“ •
Benjamin Buchholz kann mit seinem
Ehrenamt im Kleingartenverein nicht viel
ä rm e g e ben
falsch machen. Vor Menschen, die für andere
Opfer bringen, hat er großen Respekt.
#w
benjamin.buchholz@hinzundkunzt.de

35
Hanseatic Help_Poster A1_2022_fuer_Karte.indd 1 11.10.22 10:35

35_HK357_IN 35 25.10.22 15:34


„Boah, geil, und
wie das riecht!“
Sie sind ein Quell der Nachhaltigkeit und Inspiration:
Antiquariate. Doch die Branche kämpft ums Überleben.
Autor Frank Keil hat sich umgeschaut.
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK

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Viele alte Bücher bringen


nicht so viel Geld, wie man
denkt. Die „Metamorfosi“
von Ovid (Foto unten) im
Originaleinband dagegen
kosten 600 Euro.

B
ücher. Bücher und noch mehr Buchhändlerlehre. Führt das Haus seit regennass und erwartungsvoll: „Wir
Bücher. In Regalen, auf Ti- 1991: das Hauptgeschäft gegenüber haben eine alte Bibel!“, sagt einer der
schen, in Schränken, manche vom Michel, ideal für Laufkundschaft, beiden stolz. Sie zücken ein Handy,
hinter Glas. Gelesen, nicht die runter zum Hafen unterwegs ist. Pankow wischt von Bild zu Bild: „Aha
mehr neu, stehen sie hier im „Antiqua- Dazu eine Filiale in den ehemaligen … ah ja … schön, schön“, murmelt er
riat Reinhold Pabel“ und warten auf Krameramtsstuben, fast nebenan. Mit dazu. Dann holt er tief Luft: „Jahrhun-
ein nächstes Leben. Dass sie jemand seiner Frau, dazu zwei Mitarbeiter. dertwende. Vielleicht klingt es wunder-
mitnimmt, nach Hause. Sie liest oder Gerade absolviert eine Schülerin ein lich, aber diese Bibel ist nicht so wert-
sie einfach nur haben will. Praktikum. voll, wie man denkt.“ Die Bibel sei
„Mein Großvater hatte viele Bü- Wie ist es überhaupt mit den jun- damals das Buch der Bücher gewesen
cher. Wenn wir Kinder ihn besuchten, gen Leuten? Pankow lächelt: „Manch- und in jedem Haushalt hätte es zwei
durften wir die Prachtbände aufblät- mal kommen junge Leute rein, unvor- gegeben: eine kleine für den Alltag, eine
tern“, erzählt Gottwalt Pankow, Jahr- bereitet, sie wollen vielleicht nicht große für den Sonntag. „Wenn die hier
gang 1947, der Inhaber des Antiquari- drüben in die Kirche gehen, haben sich farbig illustriert wäre, es gibt welche mit
ats. „Es gab etwa ein Zoo-Buch mit abgesetzt. Dann rufen sie: ‚Boah, geil, Stahlstichen, dann wäre das eine ande-
Schwarz-Weiß-Bildern über Tiere: über und wie das riecht!‘“ Die kauften jetzt re Sache“, setzt er hinzu. Also kein Inte-
den Molukkenkakadu oder den Scha­ nicht gleich ein altes Buch mit Holzde- resse? Pankow schüttelt den Kopf. Also
brackentapir – das müssen Sie als Kind ckel und Metallbeschlägen, sie kauften Ebay? Das könnten sie probieren. „Das
erst mal lesen können!“ Auch Pankows manchmal gar nichts. „Aber sie haben Leder vom Umschlag ist ein wenig an-
Vater besaß viele Bücher, und über- eine Urerfahrung gemacht, darauf gekratzt, cremen Sie es mit Vaseline
haupt hätten die Großeltern, die Onkel kommt es an: diese Begegnung zu schaf- ein, dann kann man optisch noch was
und Tanten und auch seine Eltern ihm fen.“ Der Antiquar schaut zufrieden. rausholen. Nicht mit Schuhcreme,
immer wenigstens ein Buch geschenkt, Seine Kund:innen suchen Erstaus- dann wird es brüchig“, rät er. Er blickt
wenn es etwas zu schenken gab. gaben oder vergriffene Bücher. Sie inte­ die beiden lange an: „Wissen Sie, als
Aber erst mal: Studium der Theo- ressieren sich für spezielle Editionen, diese Bibel gedruckt wurde, konnte
logie. „Abgebrochen, rausgewunden in für Sonderdrucke. Stehen vor dem Re- man ganz leicht und schnell viele
die Literaturwissenschaft, und als ich gal, das ausschließlich mit signierten Bibeln drucken – sie ist nicht so selten.“
Nägel mit Köpfen machen wollte, was Büchern bestückt ist. „Eine schöne Die beiden bedanken sich, packen ihr
denkt man da?“, fragt er. Man denkt: Ausgabe von Goethes ,Werther‘ wird Handy wieder weg.
Lehramt! „Denkt: Da kannst du was immer Liebhaber finden, aber eine
machen mit deinem Deutsch und dei- Werkausgabe von Goethe kauft kaum
nen künstlerischen Interessen.“ Aber
damals will in Hamburg niemand
noch jemand“, sagt Pankow. Enttäu-
schung gibt es daher für den, der hofft, „Eine Werkaus-
Deutschlehrer einstellen. Auf abseh­ Pankow könnte ein ererbtes Buch ver-
bare Zeit nicht und danach auch nicht.
Also steigt er ins Antiquariat seines
golden: „Früher standen die Bücher bei
den Leuten, heute sind sie auf dem
gabe von Goethe
Schwiegervaters Reinhold Pabel ein, in
dem er während seines Studiums zu-
Markt.“ Der Markt ist entsprechend
gesättigt, die Preise also niedrig. kauft kaum noch
sammen mit seiner Frau immer mal Und als sei es abgesprochen, betre-
wieder gejobbt hat. Macht noch eine ten zwei junge Männer den Laden, jemand.“ GOTTWALT PANKOW

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Blickfang im Antiquariat Reinhold Pabel:
ein altes englisches Kassenhäuschen

Pankow gibt sich einen Ruck: „Ich die Superhelden, Fix & Foxi, aber auch geschäfte für Bücher und Hefte gege-
zeige mal einen Schatz.“ Er nimmt Werbecomics wie „Lurchis Abenteuer“ ben habe. „Ich hatte mit 50 Pfennig
einen Tritt, stellt sich drauf, reckt sich, über einen Salamander der gleichna- pro Woche nicht so viel Taschengeld,
holt aus dem obersten Regalfach ein migen Schuhfirma. Oder ganz Spezi- dass ich neu kaufen konnte“, erzählt er.
kleines, aber kompaktes Buch: Die elles wie „Familie Redlich in der neuen Etwa die Hefte der Comicreihe „Illus­
„Metamorphosen“. Von Ovid. 600 Euro Heimat“, ein Comic-Heft, gedruckt trierte Klassiker – Die spannendsten
soll es kosten. „Es ist nicht das schönste 1956 in Argentinien, damals gedacht Geschichten der Weltliteratur“, die er
Exemplar, aber es hat einen Origi- als Integrationshilfe für deutsche Ein- sehr schätzte und die pro Heft eine
naleinband“, sagt er. Er zeigt einen wanderer. Dazu noch Romanhefte, Mark kosteten: Die Ilias, Die Nibelun-
eingefügten Stich, zeigt die Metalldru- rund 20.000 bis 30.000 Filmprogram- gen, Macbeth oder Die Schatzinsel. Er-
cke. Eine Ausgabe aus dem Jahr 1610. me wie den „Film-Kurier“ und Musik- schienen von 1956 bis 1972, am Ende
Und Pankow schaut nach draußen in zeitschriften: „Wir haben etwa die 204 Bände – von denen es nun viele bei
Richtung des mächtigen Michel, neben ,Bravo‘ von 1956 bis hoch in die ihm zu erwerben gibt.
dem ein Reisebus parkt: „Ich versuche 1980er-Jahre.“ Wir – das sind er, sein
den Menschen klarzumachen: Dieses Bruder Joachim und Tochter Laila. Das Antiquariat
Buch ist das Dokument einer vergange- Wie Gottwalt Pankow hat er manch- als Treffpunkt
nen Zeit und es ist noch da. Als es ent- mal seine Mühe mit denen, die ihm Natalie Banakh kocht erst mal einen
stand, waren da drüben noch Wiesen.“ etwas verkaufen wollen: „Ich sag Kaffee. Stellt ein Tablett mit Kuchen-
am Telefon ‚Nur Comics 1960er- bis stücken dazu. Die „Buchhandlung Lutz
Comics als 1970er-Jahre‘, dann kommen die, ich Heimhalt“ in Fuhlsbüttel, gegründet
antiquarisches Kulturgut sehe gleich: 90er. Und die wieder: 1975, ist ein Buchladen, wie es ihn nur
Zeitlich nicht ganz so weit zurück geht ‚Aber das sind doch so schöne Hefte!‘“ noch selten gibt: Die vordere Hälfte
es bei Werner Knüppel, der sein Anti- Er verdreht die Augen. bietet Neuerscheinungen, die hintere
quariat „Comicladen-Kollektiv“ an der Eigentlich ist er Speditionskauf- Hälfte ist Antiquariat. Was so anfangs
vierspurigen Fruchtallee in Eimsbüttel mann, Jahrgang 1957. Aufgewachsen in nicht geplant war: „Doch irgendwann
führt. Sein Spezialgebiet: Comics von der Neustadt, Hafenarbeiterviertel. Wo fingen die Kunden an, uns ihrerseits
ungefähr 1860 bis 1975. Mickey Mouse, es allein vier bis fünf An- und Verkaufs- Bücher anzubieten, ich habe erst mal

40

40_HK357_IN 40 25.10.22 15:21


Stadtgespräch

Der
Kunzt-
Hinz& nder
Kale
2023 Wasser.
Wolken.
uro
6,80 E0 Euro für
3,4
Davon rkäufer:innen
Ve

Wünsche.
unsere

Foto: Doro; Gestaltung: grafikdeerns.de


Traumbilder von
Hinz&Künztler:innen

Antiquariate – gewusst wo:


Antiquariat Reinhold Pabel: Englische Planke 6,
gegenüber dem Michel, www.antiquariat-pabel.de
Comicladen-Kollektiv: Fruchtallee 130, 01_HK_Kalender_39L 1 12.09.22 14:16

www.comicladen-kollektiv.de
Buchhandlung Lutz Heimhalt: Erdkampsweg 18,
Dürfen wir Sie begleiten?
www.buchhandlung-lutz-heimhalt.de Fünf Hinz&Künztler:innen waren mit Fotografin
Lena Maja Wöhler in Hamburg auf Safari.
Zu Fuß und per Boot, bei Sonnenschein und in
der Nacht haben sie die Schönheit und Flüchtigkeit
für mich gekauft“, erzählt ihr Mann Lutz Heimhalt. von Wasser eingefangen. Ihre schönsten Bilder
Bis er so viel aufgekauft hatte, dass er nicht mehr zeigen wir in unserem Jahreskalender 2023.
Erhältlich auf Hamburgs Straßen oder in unserem
wusste, wohin damit. Also verkaufte er sie wieder.
Shop unter www.hinzundkunzt.de.
Heute landet so manche Bibliothek bei ihnen, wenn
ein Haushalt aufgelöst werden muss. „Erst gestern
kam ein älteres Paar, das schon lange bei uns Kunde Für 6,80 Euro
ist. Es muss sich räumlich verkleinern, und sie haben Davon 3,40 Euro für
uns mindestens 30 Bildbände einfach so geschenkt“, unsere Verkäufer:innen
erzählt seine Frau und muss erst mal den nächsten
Kunden bedienen.
Denn es herrscht reger Betrieb: Eine Frau holt
ihren bestellten Reiseführer ab, ein Mann sucht nach
einem Buchtitel und erzählt von den Nachwirkungen
seiner OP, eine andere Frau kommt rein und fragt,
ob sie sich einen der Äpfel nehmen kann, die in einer
Wanne unter der Kasse liegen: alte Sorten, unge-
spritzt, aus dem Garten der beiden. Darf sie, na klar.
So geht Nachbarschaft.
„Unsere Tür steht offen“, sagt Natalie Banakh,
„es kommt auch mal einer und fragt: ‚Können Sie
das Buch gebrauchen? Kann ich dafür ein bisschen
Geld bekommen? Vielleicht für einen Kaffee?‘“ Ihr
Mann ergänzt: „Manche verkaufen schon aus einer
gewissen Not heraus.“ Und seien dabei erfinderisch:
„Sie kaufen gut erhaltene Bücher bei irgendwelchen
Kirchenbasaren für fast nichts und bieten sie dann
uns an.“
„Man darf es gar nicht sagen“, fügt er noch an,
„aber wir entsorgen heute tatsächlich Bücher im
Altpapier.“ Sie stünden dann neben dem Container,
nehmen jedes noch mal in die Hand, fragten sich:
Kann man es nicht doch behalten? Und er greift sich
eines vom Stapel neben sich und sagt: „Es ist schon
schön, ein Buch zu besitzen.“ •
Frank Keil lebte als Student zeitweise
im Hamburger Antiquariat „Café Libresso“. SCHÖNER SCHWITZEN
600944

Da gab es Kaffee und Bücher im Überfluss Indoor-Sauna im Stecksystem von WERKHAUS.


und für fast nix. Holen Sie sich den Bausatz für Ihre kleine
redaktion@hinzundkunzt.de Wellness-Oase zu Hause! Mehr Informationen
gibt es auf www.werkhaus.de/shop.
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41_HK357_IN 41 25.10.22 15:21


Freunde
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Spenderin Mareike Deggelmann

„ Jetzt geben wir


etwas ab!“
Mareike Deggelmann hat für ihre Masterarbeit ein Preisgeld erhalten.
Einen Teil davon spendete sie an Hinz&Kunzt.
TEXT: MISHA LEUSCHEN
FOTO: MIGUEL FERRAZ

W
ie schnell es gehen kann, nung über ihr raus. Ihre Kleidung und der ehemaligen Nachbarin geworden
dass ein Mensch auf der persönlichen Gegenstände lagen unter ist, weiß sie nicht, doch das Gefühl der
Straße landet, hat Mareike der Haustreppe, bis Anwohner:innen Hilflosigkeit hat sie nicht vergessen.
Deggelmann vor Jahren hautnah miter- die Polizei riefen. Eine Weile hielt Diese Erfahrung war einer der
lebt. „Damals habe ich zur Untermiete ­Mareike Deggelmann noch Kontakt zu Gründe, warum sie an Hinz&Kunzt
in einer Wohnung auf St. Pauli ge- der Frau, ließ sie Bad und Toilette be- ­g edacht hat, als sie für ihre Master­
wohnt“, erzählt die 30-Jährige. Der nutzen und suchte ihr Anlaufstellen für arbeit ein Preisgeld erhielt. „Natürlich
Vermieter setzte die Frau in der Woh- wohnungslose Menschen raus. Was aus hätte ich mir davon was Schönes kaufen

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42_HK357_IN 42 25.10.22 15:12


JA,
Freunde
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

ich werde Mitglied


im Hinz&Kunzt-
Freundeskreis.
können“, sagt Mareike Deggelmann – wir uns so viel Gutes getan, jetzt geben Damit unterstütze ich die
zum Beispiel ein Faltkanu, mit dem sie wir etwas ab.‘ – in Form einer Spende. Arbeit von Hinz&Kunzt.
und ihr Mann schon öfter geliebäugelt Das hat mich sehr beeindruckt.“
hatten. „Aber am Ende fährt man doch Soziales Engagement, aber auch Meine Jahresspende beträgt:
nur zwei, drei Mal im Jahr, da kann Nachhaltigkeit und Achtsamkeit sind 60 Euro (Mindestbeitrag für
man es sich auch einfach leihen.“ Also Themen, die Mareike Deggelmann be­ Schüler:innen/Student:innen/
Senior:innen)
nutzte sie das Geld für den Sommer­ schäftigen. Den Nachwuchspreis der
100 Euro
urlaub, „und das, was übrig war, habe Heinrich-Stockmeyer-Stiftung bekam Euro
ich an Hinz&Kunzt gespendet. Da weiß die Ernährungswissenschaftlerin für
ich, für wen das Geld verwendet wird, ­ihre Masterarbeit, die sich mit der Datum, Unterschrift
und ich kann eine Arbeit unterstützen, DNA-Identifizierung von Krustentieren
die ich sehr schätze.“ beschäftigt. Dass die überzeugte Vege­ Ich möchte eine Bestätigung
für meine Jahresspende erhalten.
Dabei hätte die junge Familie – sie tarierin dafür Krustentiere einkaufen (Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)
haben zwei kleine Jungs – das Geld und zerteilen musste, gefiel ihr nicht
­sicher auch anderweitig gut gebrauchen sonderlich. Doch mit dem Ergebnis ih­
Meine Adresse:
können. „Aber für eine Masterarbeit rer Arbeit ist sie zufrieden und hofft,
bekommt man normalerweise ja kein dass die von ihr entwickelte Methode ir­ Name, Vorname
Geld, so war es eine schöne Wertschät­ gendwann zum Einsatz kommen wird.
zung und ein unerwarteter Bonus“, er­ Für Fleischtiere werde ein vergleichba­ Straße, Nr.
klärt Mareike Deggelmann. res Verfahren bereits angeboten. „Dann
Etwas abzugeben, wenn es einem kann man bald auch bei Krustentieren PLZ, Ort

selbst gut geht, das hat sie bei ihrer Tante schneller und einfacher falsch deklarier­
Telefon
gelernt. „Nach dem Abitur habe ich sie in te Ware erkennen, Lebensmittelbetrug
Honduras besucht, wo sie für die Gesell­ verhindern und Verbraucher:innen E-Mail
schaft für technische Zusammenarbeit schützen“, erklärt die Preisträgerin und
gearbeitet hat“, erinnert sie sich. „Wir
hatten eine tolle Zeit, haben viel gesehen
wirkt zu Recht ein bisschen stolz. • Einzugsermächtigung:
und meine Tante hat gesagt: ,Nun haben redaktion@hinzundkunzt.de Ich erteile eine Ermächtigung zum
Bankeinzug meiner Jahresspende.
Ich zahle: halbjährlich jährlich

IBAN

Dankeschön BIC

Wir danken allen, die uns im Oktober 2022 • die Hamburger Tafel • Obstmonster GmbH Bankinstitut

unterstützt haben, sowie allen Mitgliedern im • Hanseatic Help • Der Hafen hilft
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in
Freundeskreis von Hinz&Kunzt! Ausdrücklich • die Hildegard und Horst Röder-Stiftung der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des
danken wir allen Spender:innen – wir freuen • Axel Ruepp Rätselservice Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:

uns über kleine und große Beträge! • die Hamburger Kunsthalle Ja Nein

Auch unseren Unterstützer:innen • die Mitarbeitenden von Tchibo und


Peter Hagemann für Kaffeespenden Wir garantieren einen absolut vertraulichen
auf Facebook: ein großes Dankeschön! Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.
Die übermittelten Daten werden nur zu internen
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung
DANKESCHÖN EBENFALLS AN: NEUE FREUNDE: genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist
• wk-it-consultants jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen
• Heiko Busse • Eduardo Garcia mehr von uns bekommen möchten, können
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Hinz&Kunzt-Freundeskreis
Minenstraße 9, 20099 Hamburg

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk

HK 357

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43_HK357_IN 43 25.10.22 15:12


Buh&Beifall
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

Was unsere Leser:innen meinen


„Unfassbare Überheblichkeit“
Vorwurf Verschwörungstheorie Inhaltlich ansprechend mit meinem Garten verbunden zu
H&K 356: Schwerpunkt Verschwörungen Ich habe am Bahnhof Dammtor Ihr sein und immer wieder neue Wege
In euren Artikeln zu „Verschwörun- Magazin gekauft. Ich muss dazu leider zu entdecken, die Natur für mich
gen“ fehlt leider etwas: Der Vorwurf eingestehen, dass ich erstmal achtlos vor- arbeiten zu lassen. Und nebenher
„Verschwörungstheorie“ wird gern bei gelaufen bin. Da ich noch genügend andere Gärtner kennenzulernen und
von der etablierten Politik benutzt, Zeit bis zur Abfahrt meines Zuges hatte, Erfahrungen, Saatgut, Überschüsse und
um im Kampf um Meinungshoheit kam ich dann doch ins Grübeln, bin auf Jungpflanzen zu tauschen … LORE OTTO

Kritik zu delegitimieren und andere Ihren wirklich sehr netten Verkäufer zu-
Meinungen zu unterdrücken. Schade, gegangen und habe Ihr Magazin gekauft Leser:innenbriefe geben die Meinung der
dass ihr darauf nicht hingewiesen habt. – und das war gut so! Inhaltlich ist Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.
 GÜNTER BUSSE Hinz&Kunzt sehr ansprechend. Ich Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen. Über Post
wünsche Ihnen viel Verkaufserfolg, aber an briefe@hinzundkunzt.de freuen wir uns.
   Welch unfassbare Überheblich- auch, dass Ihr Einsatz und der Ihrer Ma-
keit, wie hier Menschen, die eine ande- gazin-Verkäufer:innen eines Tages nicht
re Meinung vertreten, als unmündige mehr notwendig sein wird. CHRISTEL RICKEN
Wir trauern um
Kinder dargestellt werden, die behutsam
von der „Wahrheit“ überzeugt werden Gutes Gartengefühl Rychard Redes
15. Mai 1961 – 29. September 2022
müssen. Dabei besteht natürlich in H&K 356: Gartenkolumne
  
keinster Weise die Möglichkeit, dass es Selbst wenn ich (Nicht-Bio-) Gemüse Nach einem langen Kampf hat Rychard gegen
eine andere Wahrheit gibt, als die, die weiterhin für übersichtliches Geld den Krebs verloren. Er war seit 1999 bei uns.
Sie, die Autorin des Artikels, vertreten. kaufen kann, kann doch kein Geld Die Verkäufer:innen und das Hinz&Kunzt-Team
 BRITTA KRUSE der Welt mir das Gefühl nehmen,

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE

Der etwas andere


Stadtrundgang           



Wollen Sie
Hamburgs City
einmal mit
anderen Augen
sehen? Abseits
der glänzenden
Fassaden zeigen wir
Orte, die in keinem
Reiseführer stehen:
Bahnhofsmission
statt Rathaus und
Tagesaufenthalts-
stätte statt Alster.
Sie können mit
unserem Stadtführer
Chris zu Fuß auf
Tour gehen, einzeln
oder als Gruppe mit
bis zu 25 Personen.
Auch ein digitaler
Rundgang ist
möglich. Das ist fast
genauso spannend.
Offener Rundgang am Sonntag, 13.11. und 20.11.22, jeweils 15 Uhr.
Reguläre Rundgänge bequem selbst buchen unter:
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Digitale Rundgänge bei friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder
Telefon: 040/32 10 84 04
Kostenbeitrag: 5 Euro/10 Euro
pro Person

44_HK357_IN 44 25.10.22 14:47


Kunzt&Kult
Grenzerfahrung: Unterwegs zwischen Altona und Hamburg (S. 46).
Virtuelle Erfahrung: Mit einer VR-Brille in die Welt einer Obdachlosen eintauchen (S. 50).
Drogenerfahrung: Hinz&Künztler Lutz hat viel Mist gebaut – aber seine Eltern halten zu ihm (S. 58).

Codes finden wir überall – aber ohne


Schlüssel kann man sie nicht entschlüsseln
und eigentlich gleich vergessen. Diesem
Phänomen widmet sich die Videoinstallation
des Hamburger Künstlerduos IRIS-A-MAZ,
die vom 4. bis 13.11. im Westwerk gezeigt wird.
Admiralitätstraße 74, Di–Fr, 15–18 Uhr,
Sa+So, 12–15 Uhr, Eintritt frei
FOTO: IRIS-A-MAZ

45_HK357_IN 45 25.10.22 14:48


Früher war in der
Brigittenstraße die
Grenze zwischen
Hamburg und Altona.
Heute ist hier die Be-
zirksgrenze zwischen
Altona und Mitte.

46_HK357_IN 46 25.10.22 14:53


Kunzt&Kult
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Steinen auf
der Spur
Von Blicken auf den Boden, einem
wieder aufgetauchten Sockel und
König Christian dem Siebten: ein Spaziergang
entlang der Hamburger Grenzsteine
und Fragen an Herrn Wendt.
TEXT: FRANK KEIL
FOTOS: ANDREAS HORNOFF

I
rgendwo hier muss er doch sein! gelaunt in seinem Haus in Poppenbüttel:
Vielleicht sollten wir der Trom- „Was wollen Sie wissen?“ Wie alles an-
melstraße folgen, rauf bis zum fing, vielleicht? „Ich habe mich schon
Hein-Köllisch-Platz? Mitten in immer für Geschichte interessiert und
St. Pauli-Süd werden wir fündig: An der immer ein offenes Auge gehabt.“ Dann
Trommelstraße, Ecke Finkenstraße, liegt half sein Beruf: „Ich war bei der Ham-
die gesuchte Gehwegplatte. Sie ist klei- burger Stadtentwässerung als Vermes-
ner als die anderen, hat die Buchstaben sungsingenieur tätig, war im Außen-
„A“ und „H“ eingeritzt, dazwischen ein dienst in der ganzen Stadt unterwegs
Strich. „A“ steht für Altona und „H“ für und hatte immer meine Kamera dabei,
Hamburg. Wir stehen vor einem histori- um meine Arbeit zu dokumentieren“,
schen Grenzstein und damit auf der erzählt er.
einstigen Grenze zwischen Altona und Als ihm die ersten Grenzsteine auf-
Hamburg. Von 1640 an markierte sie die fallen, ist sein Interesse geweckt: Akten-
Gebiete zweier Städte, die lange heftig ordner füllen sich mit Fotos und Unter­
miteinander konkurrierten. Etwa 270 lagen, er erstellt ein Kataster. Aber
Grenzsteine und Grenzmarkierungen soll er das nur für sich selbst machen?
sind erhalten, um die 1000 soll es auf „Ich bin beim Denkmalschutzamt vor-
dem heutigen Hamburger Stadtgebiet stellig geworden, und man hat mich mit
gegeben haben: zwischen Hamburg und
Altona, zwischen Hamburg und Preu-
ßen, zwischen Hamburg und Holstein.
Dass die meisten Standorte verzeich-
net, dokumentiert und kartografiert
sind, liegt entscheidend an Wolf-Rüdiger
Wendt. Mit ihm wollten wir eigentlich
vom Fischmarkt aus von Grenzstein zu
Grenzstein durch die Stadt wandern.
Denn wen man auch fragt, das Denk-
malschutzamt der Kulturbehörde oder
den Denkmalschutzverein, stets heißt es:
„Am besten, Sie fragen Herrn Wendt.“
Herr Wendt, mittlerweile 80 Jahre alt,
lässt sich in Sachen Grenzsteine einfach
durch niemanden ersetzen.
Aber Herrn Wendts Knie mag grad
nicht. Neulich erst operiert, will es lieber Historischer Grenzstein, neu gerahmt: Das
Ruhe. Stattdessen empfängt er uns gut „A“ steht für Altona, das „H“ für Hamburg.

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47_HK357_IN 47 25.10.22 14:53


Kennt sich mit Kunzt&Kult
Hamburger
Grenzsteinen aus
wie kein Zweiter:
Wolf-Rüdiger Wendt.

aus dem Fenster kippten, auch ihre …


Sie wissen schon“, sagt Herr Wendt.
An genau dieser Grenzgangecke
fand man bei Straßenarbeiten den ver-
zierten Sockel des damaligen Landes-
schildes auf der Grenze zwischen Ham-
burg und Altona, buddelte ihn aber
einfach wieder ein. Als Jahre später hier
neue Kabel verlegt wurden, kümmerte
sich die ausführende Firma um das
Fundstück im Boden, rief das Denk-
malschutzamt an. Der Sockel wurde
abtransportiert und lagert seitdem im
Depot des Museum für Hamburgische
Geschichte. „Nützt momentan keinem,
aber ist gerettet“, sagt Herr Wendt.
„So richtig große Geheimnisse um
offenen Armen empfangen.“ Dass die hinzugefügt. Zwei bis drei Stunden sitzt die Grenzsteine gibt es nicht mehr“,
Grenzsteine heute denkmalgeschützt er dafür am Rechner. Also pro Tag! meint er, der per se kein Grenzsteinfun-
sind, ist auch sein Verdienst. Denn noch immer kommen Grenzstei- damentalist ist. Wenn Straßen also ver-
Jeder bisher entdeckte Stein ist ne hinzu, findet er in Archiven Hinwei- breitert werden, etwa für eine Fahrrad-
genau erfasst: Größe, Umfang und Ort, se. Im Dezember eines jeden Jahres ko- spur, wie gerade in der Walddörfer-
wo er liegt; oft sind auch historische piert er dann alles auf einen USB-Stick straße, dann müsse manchmal eben ein
Karten und Auszüge aus Amtsblättern und bringt die Daten zum Amt. Herr Grenzstein versetzt werden und stehe
Wendt sagt: „Ich lebe ja nicht ewig, und nun nicht mehr an seinem Ursprungs-
es wäre doch schade, wenn die Arbeit ort. Wichtig sei, dass das Wissen be-
nicht in die richtigen Hände kommt.“ wahrt und verfügbar bleibe.
Geschichten kann er zudem auch Tatsächlich soll es in der Eimsbütte-
jede Menge erzählen. Über die Zunft- ler Chaussee, Hausnummer 45, laut
steine der Zimmermänner oder die der Onlineverzeichnis (siehe Kasten S. 49) im
Reeper auf der Reeperbahn, die damit Innenhof einen Grenzstein geben. Und
ihr Gebiet absteckten. Feuerwehrsteine zwar am Isebekkanal gelegen, der hier
markierten früher den Verlauf der un- zum Teil unterirdisch durch Eimsbüttel
terirdischen, feuerwehreigenen Fern- führt. Doch mittlerweile ist der Innen-
meldeleitungen, sehr nützlich bei der hof mit schicken Stadthäusern bebaut.
Großen Sturmflut von 1963, als das öf- Kein Grenzstein ist zu entdecken, der
fentliche Telefonnetz zusammenbrach. hier aber garantiert irgendwo liegt.
Dann sind da noch die Grenzgänge. Nun nehmen wir den Bus Richtung
Denn links und rechts von den Grenz- UKE. Denn an der Ecke Hoheluft­
steinen musste ein Streifen von Bebau- chaussee/Troplowitzstraße befindet
ung freigehalten werden. Davon übrig sich ein Grenzstein, den uns Herr
geblieben ist zum Beispiel ein Gang Wendt ans Herz gelegt hat. Diesmal
am Ende der Paul-Roosen-Straße auf müssten wir nicht suchend auf den Bo-
St. Pauli, Ecke Talstraße. Mindestens den schauen. Er steht vor uns: fast einen
vier Hamburger Fuß breit musste bis Meter hoch, aus Granit, aus dem Jahr
Anfang des 20. Jahrhunderts so ein 1789, verziert mit dem Wappen Chris­
Streifen zwischen den Häusern sein, tian VII., König von Dänemark. „Da
umgerechnet etwa 1,15 Meter. „Es pinkelt der Hund gegen, aber man steht
Grenzsäule Reeperbahn: Früher war hier durften damals keine Fenster zum stramm“, hat Herr Wendt gesagt und
das Tor zwischen Altona und Hamburg. Grenzgang führen, weil die Leute alles gelacht.

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48_HK357_IN 48 25.10.22 14:53


Kunzt&Kult

01.11.22 – Laeiszhalle, kl. Saal


NACHT DER GITARREN
02.11.22 – Nochtwache
JESCA HOOP
03.11.22 – Mojo Club
BLXST
03.11.22 – headCRASH
BLACK MIRRORS
04.11.22 – Mojo Club
Da wir gerade beim dänischen König sind, lässt sich auch aufklären, ob ANAÏS MITCHELL
Altona damals wirklich dänisch war, wie viele meinen. „Tatsächlich war 07.11.22 – Gruenspan
der damalige dänische König zugleich Herzog von Holstein –
und so gehörte ihm als Herzog Altona“, sagt Herr Wendt. Ent­sprechend
FINNTROLL
08.11.22 – JazzHall
war Altona nie Teil des dänischen Königreichs, es gab dort kein däni-
sches Geld, Amtssprache war nicht Dänisch, sondern Deutsch; Um-
HAROLD LÓPEZ-NUSSA
09.11.22 – Nochtwache
gangssprache war sowieso Plattdeutsch.
Was dagegen stimmt: Altona war für damalige Zeiten eine
AMI
10.11.22 – Uebel & Gefährlich
erstaunlich liberale Stadt. Juden durften sich nicht nur ansiedeln und
Gewerbe treiben, sie waren auch im Rat der Stadt vertreten; ebenso wie IBEYI
11.11.22 – Logo
Mennoniten und Katholiken, die es im benachbarten protestantischen
Hamburg lange schwer hatten. Deshalb galt Altona neben Glückstadt PETROL GIRLS
13.11.22 – Fabrik
und Friedrichstadt zu Recht als eine der norddeutschen Toleranzstädte.
Dänemark dagegen war ein nach innen wie außen autoritärer Staat. Es HEATHER NOVA
13.11.22 – Häkken
herrschte zum Beispiel Pressezensur, religiöse Freizügigkeit gab es nicht.
In diesem Sinne ist die Beschäftigung mit den Grenzsteinen eben JOYWAVE
14.11.22 – Laeiszhalle
mehr als eine hübsche Hamburgensie. Sie ist Gelegenheit, sich auch
mit politischen Brüchen und Konflikten durch die Jahrhunderte hin- RON CARTER
weg vertraut zu machen. Weshalb Herr Wendt abschließend sagt: „Sich FOURSIGHT QUARTET
mit Geschichte zu beschäftigen, macht einen immer wieder schlau – 14.11.22 – Uebel & Gefährlich

und das kann ja nie schaden.“ • SUDAN ARCHIVES


15.11.22 – Uebel & Gefährlich

redaktion@hinzundkunzt.de ANIMAL COLLECTIVE


19.11.22 – Mojo Club
TOMMY CASH
Grenzstein-Wanderung: 21.11.22 – Nochtspeicher

Am besten startet man am Fischmarkt: Dort liegt mit Blick auf die Elbe der SOFIA PORTANET
erste Grenzstein. Den Pepermölenbek hochgehen: An der Brücke prangen 22.11.22 – Knust

die Wappen von Hamburg und Altona. Über die Trommelstraße sowie GILLA BAND
Lange Straße geht es weiter bis zur Reeperbahn, Hausnummer 170. 23.11.22 – Fabrik

Hier steht ein schön restaurierter Grenzpfeiler. Nun die Talstraße entlang bis MAGGIE ROGERS
Ecke Paul-Roosen-Straße. Vor der Hausnummer 5 liegt ein Stein. 26.11.22 – KENT Club

In der nahen Brigittenstraße finden sich drei weitere, auf der Grenzlinie SUKI WATERHOUSE
befindet sich heute das Kommunale Kino „B-Movie“. Hier verläuft übrigens 01.12.22 – Barclays Arena

die Bezirksgrenze zwischen Altona und Mitte. PHILIPP POISEL


Von der Thadenstraße geht es weiter über das Schulterblatt zum 03.12.22 – Zeltphilharmonie

Doormannsweg, wo sich gegenüber der Hausnummer 43 ein Stein auf KAY ONE
dem Grünstreifen versteckt. Von hier aus folgt man den Grenzsteinen: 08.12.22 – Fabrik

über den Eimsbütteler Marktplatz durch Eimsbüttel, Langenfelde und WLADIMIR KAMINER
Lokstedt und dann im Bogen nach Eppendorf. Auch auf dem 11.12.22 – Hebebühne

UKE-Gelände befinden sich zwei Grenzsteine. Weiter nordwärts führt TIGERMILCH


der Weg dann nach Fuhlsbüttel und Langenhorn sowie Ochsenzoll. 13.12.22 – Barclays Arena

Grenzsteine und -markierungen finden sich auch in Wandsbek, Berne, STATUS QUO / MANFRED
Bergstedt und in Volksdorf. Hamburgs nördlichste Grenzsteine liegen im MANN'S EARTHBAND
Duvenstedter Brook; die südlichsten in Harburg am Ende der Schwarzen 16.12.22 – Sporthalle
Berge. Hilfreich ist die Webseite www.geoportal-hamburg.de. Einfach in TORFROCK
die Suchmaske „Grenzsteine“ eingeben. Grüne Punkte markieren die Orte. 18.12.22 – Sporthalle
Zu jedem Punkt werden der Straßenname, die Hausnummer sowie das DEINE FREUNDE
Baujahr des Grenzsteins angezeigt. 19.12.22 – Fabrik
POPPY

49 TICKETS: →(0 40) 4 13 22 60 → KJ.DE

49_HK357_IN 49 25.10.22 14:53


Autor Jan Paersch
in der 3-D-Welt,
Organisator Holger
Kraus in der Realität

Abtauchen in
Rockeys Zelt
Die Kino-Reihe „Flexibles Flimmern“ kommt
zu Hinz&Kunzt und zeigt den 3-D-Film „We Live Here“ –
eine berührende virtuelle Erfahrung.
TEXT: JAN PAERSCH; FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK

50

50_HK357_IN 50 25.10.22 14:10


Kunzt&Kult
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

M
ein letztes Erlebnis mit Virtual Reality (VR)
war ein grässliches. Für ein paar Minuten
war es amüsant, mit einem virtuellen Rover
über den Mond zu rasen. Doch schon
­Sekunden nach der Fahrt plagte mich eine intensive Übelkeit,
die Stunden anhalten sollte. Die Lust auf computergenerierte
Parallelwelten war mir für lange Zeit vergangen.
Doch nun, Jahre später, ist alles anders. Ich setze die 3-D-
Brille ab und fühle mich gut, von leichter Desorientierung
abgesehen. Holger Kraus lacht mich an. Ich lächele zurück,
obwohl mir nicht danach zumute ist. Ich bin tief berührt und
sprachlos. Soeben habe ich buchstäblich am eigenen Leib
­gespürt, was es heißt, seine Lebensgrundlage zu verlieren.
Obdachlos zu werden.
Holger Kraus ist schon immer Kinofreak gewesen; ­Filme
sammelt er, seitdem er 14 Jahre alt ist. Der Bergedorfer arbei-
tete als Eventkaufmann, doch zunehmend kam in ihm der
Wunsch auf, sich selbst zu verwirklichen: seine Filmleiden-
schaft, sein technisches Wissen und sein, wie er selbst sagt,
„didaktisches Sendungsbewusstsein“ zu verbinden. 2006 gab
es die erste Veranstaltung seiner Reihe „Flexibles Flimmern“:
Kino an ungewöhnlichen Orten, immer passend zur Thema-
tik des jeweiligen Films. Es gab schon Screenings auf dem
Ohlsdorfer Friedhof und im Spielcasino. Doch ein exotisches Kleiner Vorgeschmack: Filmemacherin Rose Troche
Setting allein hat Kraus nie gereicht. Sein Lieblings-Hashtag mit Rockey (oben), das Zelt von innen.
auf Instagram ist #kinomitdrumrum, oft gibt es eine stimmige
kulinarische Begleitung, fast immer wird diskutiert.
Wer den Film „We Live Here“ gesehen hat, wird Rede- eine Box, in der sich alte Fotos befinden. Sobald ich eines be-
bedarf haben – es ist ein vielschichtiges, bewegendes, auf­ rühre, beginnt Rockey Geschichten zu erzählen: von ihrer
rüttelndes Kunstwerk, das mit einem galoppierenden Pferd Schulzeit, ihrer Heirat auf einem Motorrad, ihren Jahren als
beginnt. Eine englische Stimme kommt aus dem Off: Stell dir Cowgirl. Ihre Erinnerung an die Ranch mit den Hengsten
vor, du hast deinen Traumjob und kümmerst dich um wilde wird brutal von einer Sirene unterbrochen – und einem
Hengste. Doch dann stirbt dein Chef, du verlierst deinen Job, Polizisten, der Rockeys Habseligkeiten durchwühlt.
du hast keine soziale Absicherung und du wirst obdachlos. Das Filmerlebnis „We Live Here“ dauert zwischen 15
Dieses Schicksal hat Rockey getroffen. Die Filmemacherin und 18 Minuten, eine nur scheinbar kurze Zeitspanne, in der
Rose Troche hat die Frau im Alter von 59 Jahren in einem man in abwechselnd quietschbunte, minimalistische und
Park in Los Angeles kennengelernt und zu ihrer Protagonistin fotorealistische Bilderwelten eintaucht – in das Leben einer
gemacht. „We Live Here“ ist frei auf Youtube verfügbar, doch ganz normalen Frau, die einfach Pech hatte. Um alle
wer den Film wirklich erleben will, braucht dazu technisches Nuancen des Films zu erfassen, braucht es gute Englisch-
Equipment: eine Oculus Quest 2 Brille mit Headset. Längst kenntnisse; den Kern des Werks versteht man auch ohne.
sind als Inhalte für die VR-Sets nicht nur Sportspiele oder Der Film wird nie sentimental und berührt doch. Holger
Pornos verfügbar, auch anspruchsvolle Unterhaltung ist Kraus, der eher zufällig darauf stieß, hat nach dem ersten
möglich. So lässt sich mit „Anne Frank House“ per VR
das Hinterhaus-Versteck der berühmten Autorin in 3-D
Ansehen Tränen vergossen. •
erkunden. Und nun: das Leben von Rockey. redaktion@hinzundkunzt.de
Ich sitze auf einem Hocker in einem Büro in den
Hinz&Kunzt-Redaktionsräumen, die Brille am Kopf fest­
geschnallt, in den Händen zwei Controller, die meine 3-D-Film „We Live Here“:
Bewegungen direkt in die virtuelle Realität übertragen. Der Film von Rose Troche läuft exklusiv
Der Film beginnt mit realen 360-Grad-Filmaufnahmen: für unsere Leser:innen am Di, 15.11.,
Rockey packt ihren Rucksack und verlässt ihr Zelt im Park. Minenstr. 9, halbstündlich von 11 bis
Dann ist es an mir, mich in einer animierten 3-D-Umgebung 20 Uhr, Eintritt frei, Spende erbeten.
zurechtzufinden. Ich drehe mich um die eigene Achse: In Organi­sation: flexiblesflimmern.de,
dem gepflegten Igluzelt gibt es eine Schlafpritsche, einen Anmeldung erforderlich unter
Stuhl, Tische und ein Radio, das ich später anstellen darf. www.huklink.de/we-live-here oder
In der Luft vor mir schweben zwei transparente Hände, über den QR-Code.
per Controller kann ich damit Gegenstände greifen. Ich öffne

51

51_HK357_IN 51 25.10.22 14:10


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FOTOS: TEATRO TRONO/KINDERKULTURKARAWANE (S. 52),

Lachen hat keine Sprache: Die „Kinder-


SILVANO BALLONE (S. 53 OBEN), MAREEYA

Kinder KulturKarawane“ überwindet Grenzen.

Die Welt zu Gast auf einer Bühne


Staunen, lernen, Freundschaft schließen: nen zu zeigen und Workshops zu geben. mit Traditionen und In­s­ta­gram und
Die „KinderKulturKarawane“ bringt Nun gastieren drei Ensembles zum Fina­ das Tanztheater-Projekt M.U.K.A aus
seit mehr als 20 Jahren junge Bühnen­ le in Winterhude: Die Tanz- und Thea­ Südafrika erzählt eine Geschichte über
künst­ler:innen weltweit mitei­n­ander
in Kontakt. Gruppen aus Afrika, Asien
tergruppe Iyasa aus Simbabwe zeigt ein
Stück über Mitsprache und Zukunfts­
Not und Hoffnung. •
Goldbekhaus, Moorfuhrtweg 9, Sa, 5.11.,
und Lateinamerika sind auch in Ham­ visionen, die Nablus Circus School aus 19 Uhr, Eintritt 8 Euro, für Kinder 4 Euro,
burg regelmäßig zu Gast, um ihr Kön­ Palästina behandelt das Aufwachsen www.kinderkulturkarawane.de

52

52_HK357_IN 52 25.10.22 14:13


Kunzt&Kult
WWW.HINZUNDKUNZT.DE

Ausstellung
Haltung zeigen: Die
Nachwuchstalente
Kunst aus der Dose
wollen hoch hinaus. Sachbeschädigung? Nein, Kunst!
Anfang der 1980er-Jahre hielt die
Hip-Hop-Kultur Einzug in Hamburg
und hinterließ ihre Spuren an Häuser-
fassaden, Mauern und Zügen. Das
Museum für Hamburgische Geschichte
würdigt die Pionier:innen der Graffiti-
kunst mit der Ausstellung „Eine Stadt
wird bunt“. •
Museum für Hamburgische Geschichte,
Holstenwall 24, ab 2.11., Mo, Mi+Fr,
10 –17 Uhr, Do, 10–21 Uhr, Sa+So, 10 –18
Uhr, Eintritt 9,50/6 Euro, www.shmh.de

Bühne

Ballettstars von morgen Tanz-Performance


Perfektionierte Körpersprache
Tanzbar ist, was sie daraus machen: Das Bundesjugendballett zeigt im Ernst- Menschen, die feinste Gefühlsregungen
Deutsch-Theater eine Werkschau mit Choreografien zu Beethoven, Imogen kommunizieren und empathisch
Heap, Tracy Chapman und weiteren Popstars. Los geht „Im Aufschwung XIV“ darauf reagieren können: So stellt
mit einem Stück von John Neumeier, das der Hamburger Ballettmeister schon sich Choreografin Yolanda Morales
2012 zusammen mit Musiktalenten des Young Euro Classics-Festivals in Berlin in ihrem Stück „Nerven“ eine post-
kreierte und das nun nach langer Zeit wieder in Hamburg zu sehen ist. Im zweiten
Teil zeigt die junge Compagnie ihr „BJB Songbook – What We Call Growing
apokalyptische Gesellschaft vor. •
Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15,
Up“, das verschiedene Musik- und Tanzstile vereint. Choreografiert wurde Do–Sa, 10. –12.11., jeweils 20.15 Uhr,
die Collage zum Teil von ehemaligen Tänzer:innen des Bundesjugendballetts.
Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Mo+Di, 14.+15.11., Do+Fr,
• Eintritt 8–24 Euro, www.lichthof-theater.de

17. +18.11., jeweils 19.30 Uhr, Eintritt 22–42 Euro, www.ernst-deutsch-theater.de


Kinder
Geteiltes Leid, doppelte Stärke
Festival
Hänsel und Gretl müssen ganz schön
Flur-Funk mal anders was verkraften: Die Not der Eltern,
die zu ihrer eigenen wird – und
Beschwingte Melodien, funky Bassläufe und glockenheller Gesang: Stimmen wie plötzlich stehen sie ganz allein da.
die von Mareeya hört man selten in der Geschäftszentrale des Wirtschaftsprüfers Wie schaffen sie es, sich zu behaupten?
„PricewaterhouseCoopers“ am Alsterufer. Beim Festival „Musik in den Häusern Vom Teilen in Familien handelt das
der Stadt“ geht es genau darum: Bands, Solokünstler:innen, Duos oder Chöre Theaterstück „Auf mich gestellt –
treten auf Einladung Hänsel und Gretl auf der Spur“.
ihrer Gastgeber in un-
gewöhnlichen Lokalitä-
Für Kinder ab 8 Jahren. •
Fundus Theater, Sievekingdamm 3,
ten auf. So entstehen
FOTOS: TEATRO TRONO/KINDERKULTURKARAWANE (S. 52),

Fr, 4.11., 18 Uhr, Sa+So, 5.+6.11., 16 Uhr,


in Wohnzimmern, Eintritt 8–13 Euro, www.fundus-theater.de
Büroräumen oder
Arztpraxen besondere
Diskussion
SILVANO BALLONE (S. 53 OBEN), MAREEYA

Momente, die Musi­


ker:innen, Publikum Zeitalter des Aufbruchs
und Gast­ge­bende viel Das 20. Jahrhundert war nicht nur das
persön­licher zusammen­ der Menschheitsverbrechen, sondern
bringen als im üblichen auch eine Ära der Utopien und des
Konzert­setting. • Aufbruchs. Um diese Energie geht es
Musik in den Häusern
der Stadt, diverse Orte,
im Philosophischen Café. •
Literaturhaus, Schwanenwik 38, Di, 15.11.,
1.–6 .11., Eintritt 25/15 Klingt viel schöner als Geschäftsberichte: Sängerin 19 Uhr, Eintritt 14/10 Euro, Streaming­ticket
Euro, www.kunstsalon.de Mareeya tritt am 2.11. bei „PricewaterhouseCoopers“ auf. 6 Euro, www.literaturhaus-hamburg.de

53

53_HK357_IN 53 25.10.22 14:13


Fernweh? Die Multivisions-Show „Terra“ zeigt
die vielen Gesichter unseres Heimatplaneten.
FOTOS: MICHAEL MARTIN/KNESEBECK VERLAG (S. 54),

Vortrag
Fotografische Weltreise
Es gibt keinen Planeten B – aber wa­rum Publikum mit auf die Reise: von den Martin, wie die Erde zu dem einzig­-
eigentlich nicht? Von der Einzigartig- Vulkanen des pazifischen Feuerrings ar­tigen Lebensraum wurde, der sie heute
keit und Schönheit der Erde erzählt der und den Korallenriffs Polynesiens durch ist, und wie die Entwicklung unseres
MEGAN COURTIS (OBEN), PRIVAT

Geologe und Naturfotograf Michael die Wüsten der Arabischen Halbinsel, Heimatplaneten weitergehen könnte.
Martin bei seiner Multivisions-Show in die Anden, den Regenwald am Ama­ Denn der Wendepunkt ist jetzt: Welche
„Terra“. Fünf Jahre lang bereiste er zonas, die Taiga und Tundra Sibiriens Zukunft das Leben auf der Erde hat,
mit der Kamera die Welt und studierte
die Erdgeschichte, um ein umfassendes
und die mongolische Steppe. Er erläu-
tert, wie der Himalaya entstand und
liegt heute in unserer Hand. •
Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz,
Porträt des Planeten zu schaffen. wie die Kontinente ihre heutige Form Fr, 11.11. + Sa, 26.11., jeweils 19 Uhr,
In Worten und Bildern nimmt er sein fanden. Vor allem aber zeigt Michael Eintritt 29/14 Euro, www.michael-martin.de

54

54_HK357_IN 54 25.10.22 14:13


Kunzt&Kult
Kinofilm des Monats

Augen auf
für Afrika
Ach ja, Afrika ... Die Kli­
schees über diesen Kontinent
sind so vielfältig wie seine
Diversität: Nirgendwo gibt es
derart viele Kulturen, soziale
Gefüge, Konflikte, Religio­
nen und Mentalitäten wie in
Afrika. So tut es gut, dass
auch 2022 wieder – im mitt­
lerweile zehnten Jahr – die
Macher:innen des Filmfes­
tivals „Augen Blicke Afrika“
authentische Bilder zeigen.
Zu sehen sind aktuelle
Spielfilme, Dokumentatio­
nen oder Kurzfilme aus mehr
Von der Außenseiterin zum als 20 afrikanischen Län­
Konzert Superstar: Zoe Wees dern. Viele drehen sich um
Starke Stimme die schwierigen Lebensbe­
dingungen der Menschen,
Ein Superstar vom Dulsberg gibt sich die Ehre: Zoe Wees, 20, begann ihre Karriere ihren Kampf gegen Armut,
im Musikraum der Stadtteilschule Alter Teichweg, heute zählt sie zu den erfolg­ gesellschaftliche Konven­
reichsten deutschen Musiker:innen weltweit. In mehr als elf Ländern erlangte tionen, Unterdrückung und
ihre Debütsingle „Control“ Gold- oder gar Platinstatus. Die Sängerin dankt darin Willkür. Dabei stehen oft
einer Lehrerin, die ihr beistand, als sie wegen ihrer Epilepsie zur Außenseiterin Frauen im Mittelpunkt – et­
wurde. Auf ihrer Europatournee gibt sie auch ein Konzert in ihrer Heimatstadt.
Fabrik, Barnerstraße 36, Mi, 30.11., 19 Uhr, Eintritt 40,55 Euro (VVK), www.fabrik.de
• wa als Mütter von unehe­
lichen Kindern oder als Op­
fer von Zwangsprostitution.
Gleichzeitig wird die schwie­
Film Theater rige Rolle der Männer in ei­
Die AfD entlarvt sich selbst Tragisch aktuell ner patriarchalisch organi­
Geschrei im Bundestag, gezielte 1933, Hitler lässt sich zum Reichs­ sierten Gesellschaft gezeigt –
Provokation in Talkshows – so tritt kanzler machen, die Nazis terrorisie­ mal humorvoll und ironisch,
die AfD üblicherweise in Erscheinung, ren Jüdinnen und Juden – aber Pro­ mal schonungslos brutal oder
wenn Kameras auf sie gerichtet sind. fessor Mamlock, jüdischer Arzt und nüchtern dokumentiert.
Der Film „Eine deutsche Partei“ zeigt Koryphäe seines Fachs, glaubt stur an Wer tiefer eintauchen
leisere Momente aus Hinterzimmern die Vernunft und das Gute im Men­ möchte, kann die Virtual-
und geschlossenen Runden, die umso schen. Gustav Peter Wöhler spielt die Reality-Brille aufsetzen und
gewaltiger wirken, je mehr sich die Hauptfigur in dem Stück, das nach eine 360-Grad-Dokumenta­
Parteigänger:innen unter sich wähnen. dem gleichnamigen Exilroman von tion über die Arbeitsbedin­
In der Tradition des Direct Cinema Friedrich Wolf entstand. Die Bühnen­ gungen in einer Coltan-Mine
FOTOS: MICHAEL MARTIN/KNESEBECK VERLAG (S. 54),

enthält sich die Dokumentation jeden fassung im Hamburger Sprechwerk im Kongo erleben. Das Festi­
Kommentars, die Kamera läuft rückt den Stoff bedrückend nah an val läuft vom 3. bis 13.11. im
einfach mit. Mehr braucht es nicht:
Das Publikum sieht eine AfD, die
unsere heutige Gesellschaft. •
Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23,
Studio-Kino, die VR-Filme
am 1. und 2.11. im Ham­
sich selbst demaskiert und entlarvt. Mit Mi, 23.11., 20 Uhr, Eintritt 23,80/13,90 burg-Haus und 8. und 9.11.
maximaler Zurückhaltung und doch Euro, www.hamburgersprechwerk.de in der Zentralbibliothek. •
MEGAN COURTIS (OBEN), PRIVAT

verstörenden, teils skurrilen Szenen


gelingt Regisseur Simon Brückner André Schmidt
das Porträt einer immer weiter nach Über Tipps für Dezember freut sich geht seit
extrem rechts abdriftenden Partei. •
B-Movie, Brigittenstraße 5, Di, 22.11.,
Annabel Trautwein.
Bitte bis zum 10.11. schicken an:
Jahren für uns
ins Kino.
20 Uhr, Eintritt frei, Spenden willkommen, kult@hinzundkunzt.de Er arbeitet in der
www.b-movie.de PR-Branche.

55

55_HK357_IN 55 25.10.22 14:14


Lese- Kunzt&Kult
lounge HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

#9

Kolumnistin
Nefeli Kavouras
(rechts) und
Comic-Künstlerin
Birgit Weyhe

Auf ein Getränk mit …


Es machte mich neugierig, die Men-
schen um mich herum zu beobachten
und selbst die Leerstellen zu füllen“,

Birgit Weyhe erzählt sie mir. Es wundert mich also


nicht, dass Birgit Weyhe mit dem Zeich-
nen begonnen hat, schließlich ist es ein
Die Comic-Künstlerin erzählt unserer Kolumnistin von Medium, das ohne Sprachverständnis
ihrer Kindheit in Ostafrika und ihrer Liebe zu Rooibostee. auskommt. Allerdings erzählt sie mir,
dass sie – anders als viele andere
FOTOS: IMKE LASS Comiczeichner:innen – erst den Text
schreibt und im Nachhinein (immer
mit Tusche!) die Bilder zeichnet.
Ich treffe mich mit der Comic-Künstle- wurde für mich direkt zum Trosttee. Ich Ob sie denn eigentlich derzeit
rin Birgit Weyhe auf ein Getränk, von trinke den, wenn ich Heimweh nach Rooibos als Trosttee bräuchte, frage ich
dem ich dachte, dass ich es nicht mag: Ostafrika habe“, erzählt mir Birgit sie noch. „Nein, trostbedürftig bin ich
Rooibostee. Mir ist schon der Klang des Weyhe. Ich nehme einen Schluck, der gerade nicht. Aber Heimweh habe ich
Getränks suspekt, und ich muss jedes Tee ist nicht mehr zu heiß, und es blit- dennoch nach den Kindheitsorten, die
Mal aufs Neue nachschauen, wie dieser zen Kindheitserinnerungsbilder bei mir es so gar nicht mehr gibt.“
rote Tee überhaupt geschrieben wird. auf: die Küchenschürze meiner Oma Nach dem Gespräch laufe ich an
Ich sitze also Birgit Weyhe gegenüber, in und mein aufgeschürftes Knie, nach- einem Teeladen vorbei. Auch ich denke
der „cantina fux & ganz“ unweit ihres dem ich den größeren Kindern hinter- über mein Heimwehgefühl nach Kind-
Ateliers, und ich möchte natürlich wis- hergerannt war. Ich fange an, Rooibos- heitsorten nach und gehe hinein. Zum
sen, warum wir Rooibostee trinken. tee zu verstehen. ersten Mal in meinem Leben kaufe ich
Die in München geborene Comic-
Künstlerin erzählt mir von ihrer Kind-
An Birgit Weyhes Werken mag ich,
wie sie es schafft, Einzelschicksale oder
Rooibostee. •
heit in Ostafrika, wo sie aufgewachsen auch Milieus kommentierend zu erzäh- redaktion@hinzundkunzt.de
ist. Bis sie 19 Jahre alt war, kannte sie len, ohne sie zu bewerten. Sie bewegt
gar keine Schneekälte. Als sie schließ- sich nicht nur an der Schnittstelle zwi-
lich zurück nach Deutschland zog, schen Literatur und Bildkunst, sondern Lesetipp von Birgit Weyhe:
konnte sie sich nicht ans Frieren gewöh- auch an der Grenze zum Journalismus. „Über Tyrannei: Zwanzig Lektionen für
nen. Eines Tages blieb sie vor einem Ich frage sie, woher er kommt, dieser den Widerstand“ von Timothy Snyder:
Teeladen stehen und entdeckte im beobachtende Blick. „Durchs Zugu- „Das Buch zeigt, wie wichtig Sprache
Schaufenster einen Tee, dessen Verpa- cken. Ich war als Kind oft an Orten, an ist, und wie wichtig es ist, Romane
ckungsbild eine afrikanische Wüste denen ich die Sprache nicht konnte. zu lesen. Weil wir durch Geschichten
zeigte. „Das war der Rooibostee. Ich Und dann bist du gezwungenermaßen Empathie erlernen.“
kannte den vorher gar nicht, aber er immer in einer Beobachtungsposition.

56

56_HK357_IN 56 25.10.22 14:15


Rätsel
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7 6 9 5 3 von 1 bis 9 nur je einmal vom 15.3.2021 für das Jahr 2019 nach § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschafts-
steuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach § 3 Nr. 6
in jeder Reihe, in jeder
2 9 Spalte und in jedem
des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig.
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obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.
gerahmte, unterste Das Magazin wird von Journalist:innen geschrieben, Wohnungslose und
9 5 ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter:innen
Zahlenreihe. unterstützen die Verkäufer:innen.
5 9 7 2 1 Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.

6 7
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per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.
Einsendeschluss: 29. November 2022. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden – dieses Mal wirklich
neuen – Rätsel einsendet, kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle
gewinnen oder einen von zwei Ratgebern „Energiesparen leicht gemacht“
von Maximilian Gege (Oekom Verlag). Danke an alle aufmerksamen Tüftler!
Durchschnittliche monatliche
Das Lösungswort des Oktober-Kreuzwort­rätsels war: Jahreszeit. Druckauflage 3. Quartal 2022:
Die Sudoku-Zahlenreihe lautete: 871 539 642. 48.333 Exemplare

57

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Momentaufnahme
HINZ&KUNZT N°357/NOVEMBER 2022

er mit dem Verkauf von Hinz&Kunzt.


Heute lebt Lutz wieder in einer eigenen
Wohnung.
Immer wieder fand er Arbeit, zu-
letzt eine Teilzeitstelle in einem Hotel –
das musste in Pandemiezeiten aller-
dings schließen, seitdem ist er wieder
auf der Suche. Zum Glück, meint Lutz,
habe er seine vielen Hinz&Kunzt-
Stammkund:innen in der Innenstadt; in
den Restaurants kenne man ihn, da be-
käme er auch mal ein Abendessen.
Heroin nehme er nicht mehr, sagt
Lutz. Es hätte eine Beziehung gegeben,
da sei „die Liebe stärker gewesen“,
­zumindest haben sie gemeinsam den
Entzug geschafft. Sie zogen zusammen,
holten sich einen Hund. Der blieb bei
Lutz, als sie sich mehrere Jahre später
trennten. An Weihnachten 2009 ist sein
Hund gestorben.
Einmal im Monat geht Lutz mit
seinen Eltern frühstücken, immer
zu „Schweinske“. Dann würden sie ihn
einladen, auch „wenn das vielleicht

„Trotz der ganzen Scheiße, nicht mehr so sein sollte, in meinem


­Alter“. Doch dafür sei er sehr dank-
bar, sagt er: „Trotz der ganzen Scheiße,
die ich gebaut habe, halten die ich gebaut habe, halten sie noch
immer zu mir.“
meine Eltern noch zu mir“ Lutz wurde vor ein paar Jahren am
Herzen behandelt, auch heute hat er
damit noch Probleme. Ihm wurde
Lutz, 50, hat seinen Stammplatz in der schon geraten, in Frührente zu gehen,
Große Bleichen vor der Kaufmannshaus-Passage. das mit dem Arbeiten gar nicht mehr
TEXT: ANNA-ELISA JAKOB zu versuchen. Aber ne, sagt er, das will
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE
er nicht. Er will arbeiten.
Und einen Hund hätte er gerne
wieder, sagt Lutz, um den er sich
Wenn Lutz etwas macht, so wie er nun ihm „alles geboten, was sie konnten“. kümmern, den er erziehen, mit dem er
dieses Interview gibt, muss es auch Nach der 10. Klasse begann er eine „gemeinsam noch ein schönes Leben
korrekt sein: Dann muss er das passen-
de ­T-Shirt auf dem Foto tragen, dann
Ausbildung bei einer Versicherung und
arbeitete anschließend dort für zwei
verbringen kann“. •
muss er all seine Daten sofort parat Jahre in der Kundenabteilung. annaelisa.jakob@hinzundkunzt.de
h a b e n . Vo r d e m G e s p r ä ch m i t Zur selben Zeit, als Lutz ungefähr
Lutz und alle anderen
Hinz&Kunzt hat sich Lutz die Ausgaben 18 Jahre alt war, nahm er aber auch das Hinz&Künztler:innen erkennt man
der vergangenen Monate durchgelesen. erste Mal Heroin. Ein Freund hatte es am Verkaufsausweis.
Deswegen ist er jetzt bestens vorbereitet, ihm gegeben, er wurde abhängig und
aber unschlüssig: Die große Überschrift sein Leben entglitt ihm nach und nach.

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seines Lebens, die fehlt doch noch. „Länger als fünf Jahre konnte ich meine
Also beginnen wir mit der Suche, Sucht in der Arbeit nicht geheim hal-
einmal zurück in die Schulzeit von ten“, sagt er. Lutz wurde gekündigt, er
Lutz, geboren 1972, aufgewachsen in verschuldete sich, zog bei seinen Eltern
Hamburg-Bramfeld. Irgendwo hat er aus. Danach war er obdachlos, schlief
immer gearbeitet, viel Geld hätten sie teilweise auf der Straße, teilweise in
nicht gehabt, doch seine Eltern hätten Notunterkünften. Im Jahr 1999 begann 02/2026

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D er

Kunzt-
H i n z& K
unz
O n l i ne - t
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Kollektion
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