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21 (2023-09-28 12:11)

Roland Brünken Pädagogische


Psychologie –
Stefan Münzer
Birgit Spinath

Lernen und
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Lehren
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Bachelorstudium
Psychologie
Pädagogische Psychologie – Lernen und Lehren
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Aus B. Brünken, S. Münzer und B. Spinath: Pädagogische Psychologie – Lernen und Lehren (9783840922145) © 2019 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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Bachelorstudium Psychologie

Pädagogische Psychologie – Lernen und Lehren


Prof. Dr. Roland Brünken, Prof. Dr. Stefan Münzer, Prof. Dr. Birgit Spinath

Herausgeber der Reihe:


Prof. Dr. Eva Bamberg, Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff,
Prof. Dr. Alexander Grob, Prof. Dr. Franz Petermann

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Roland Brünken
Stefan Münzer
Birgit Spinath

Pädagogische
Psychologie –
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Lernen und
Lehren

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Prof. Dr. Roland Brünken, geb. 1965. Studium der Psychologie, Philosophie und Germanistik in Trier, Düsseldorf und
Aachen. 1998 Promotion. 2003–2006 Professor für Psychologie des Lehrens und Unterrichtens an der Georg-August-
Universität Göttingen. Seit 2006 Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität des Saarlandes.

Prof. Dr. Stefan Münzer, geb. 1969. Studium der Psychologie und Musik in Frankfurt am Main, Wien und Saarbrücken.
2002 Promotion. Seit 2012 Professor für Bildungspsychologie an der Universität Mannheim.

Prof. Dr. Birgit Spinath, geb. 1969. Studium der Psychologie in Bielefeld. 1995–2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin
an den Universitäten Bielefeld, Hildesheim und Dortmund. 1999 Promotion. 2002–2004 Juniorprofessorin für Insti-
tutional Research an der Universität Dortmund. Seit 2004 Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universi-
tät Heidelberg.

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Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen
Format: PDF

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(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2214-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2214-6)
ISBN 978-3-8017-2214-2
http://doi.org/10.1026/02214-000

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Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11
1.1 Zielgruppe und Lehrziele des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12
1.2 Was ist Pädagogische Psychologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  14
1.3 Themen, Trends und Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  17
1.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  28
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  29
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  30
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2 Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie . . . . . 31


2.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33
2.1.1 Was ist eine wissenschaftliche Theorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  34
2.1.2 Von der Theorie zur Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37
2.2 Empirische Methoden in der ­Pädagogischen Psychologie . . . . . . . . . . .  39
2.2.1 Unterschiedliche Aspekte der Anlage ­pädagogisch-psychologischer
Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  40
2.2.2 Datengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  49
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  55
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  56

3 Lernen als Reaktionsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  59


3.1 Perspektiven auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  60
3.2 Lernen als Reaktionsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  61
3.2.1 Klassisches Konditionieren: Pawlow und der frühe Behaviorismus . .  63
3.2.2 Operantes Konditionieren: Skinner und die Wirkung von Verstärkung
und Bestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71
3.3 Lernen am Modell: ­Banduras ­sozial-kognitive Theorie . . . . . . . . . . . . . .  80
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  86
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  88

4 Lernen als Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  91


4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  92
4.2 Der Informationsverarbeitungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  93
4.2.1 Wahrnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  94
4.2.2 Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  96
4.2.3 Das Arbeitsgedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  98

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6 Inhaltsverzeichnis

4.2.4 Arbeitsgedächtnismodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  99
4.3 Unterteilungen des Langzeit­gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  104
4.3.1 Das deklarative Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  105
4.3.2 Das nicht-deklarative Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  107
4.4 Entwicklung von Kategorien, ­Konzepten und Schemata . . . . . . . . . . . . .  110
4.4.1 Kategoriale Unterscheidungen bei ­wahrnehmungsnahen
Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  111
4.4.2 Semantische Konzepte und Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  111
4.4.3 Propositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  113
4.4.4 Schemata und Skripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  115
4.5 Prozesse des Langzeitgedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  116
4.5.1 Speicherprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  117
4.5.2 Abrufprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  119
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4.6 Erwerb kognitiver Fertigkeiten:


Die ACT-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  120
4.6.1 Das Zusammenspiel von prozeduralem und deklarativem Wissen . . .  121
4.6.2 Steuerung des Verarbeitungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  123
4.6.3 Erwerb von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  124
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  127
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  130
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  130

5 Lernen als Expertiseerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  131


5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  132
5.2 Moderne Expertiseforschung: ­methodische Herausforderungen . . . . .  135
5.2.1 Problem der Reproduzierbarkeit der ­Expertenleistung . . . . . . . . . . . . . .  135
5.2.2 Problem der Selektion bzw. Selbst-Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  137
5.2.3 Problem des impliziten Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  137
5.3 Charakterisierung der Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  138
5.3.1 Lösungsstrategien von Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  139
5.3.2 Mentale Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  140
5.3.3 Perzeptuell-psychomotorische Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  143
5.4 Erwerb von Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  144
5.4.1 Investierte Zeit für Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  144
5.4.2 Qualität der Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  147
5.5 Welche Rolle spielt Begabung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  150
5.5.1 Expertiseforschung und Intelligenzforschung:
unvereinbare Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  150
5.5.2 Varianz in Intelligenz und Varianz in der ­Spielstärke im Schach . . . . . .  152
5.5.3 Die Frage domänenspezifischer Begabung („Talent“) . . . . . . . . . . . . . . .  155
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  159

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Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  160


Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  160

6 Intelligenz als Merkmal von Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  163


6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  164
6.2 Definition und Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  164
6.3 Intelligenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  167
6.4 Vorhersage von Bildungs-, ­Ausbildungs- und Berufserfolg . . . . . . . . . .  175
6.4.1 Intelligenz und Bildungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  176
6.4.2 Intelligenz und berufliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  178
6.5 Veränderbarkeit und Erblichkeit von ­Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  179
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  182
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  183
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Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  183

7 Motivation als Merkmal von Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  185


7.1 Bedeutung von Motivation für Lern- und Leistungsverhalten . . . . . . . .  186
7.2 Theorien und Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  186
7.2.1 Motivation als Abwägen von Erwartungen und Werten . . . . . . . . . . . . . .  187
7.2.2 Motivation als Zielverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  189
7.2.3 Motivation als Bedürfnisbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  192
7.2.4 Motivation als Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  192
7.2.5 Motivation als Resultat von ­Selbstbewertungsprozessen . . . . . . . . . . .  194
7.3 Motivationsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  196
7.3.1 Motivationsförderung durch Verwendung ­unterschiedlicher
Bezugsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  196
7.3.2 Kurzinterventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  200
7.3.3 Wirksamkeit von Ansätzen zur ­Motivationsförderung . . . . . . . . . . . . . . .  202
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  203
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  204
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  204

8 Selbstreguliertes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205


8.1 Das Lernen lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206
8.1.1 Eine andere Sicht auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  206
8.1.2 Übertragung auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  208
8.2 Modelle der Selbstregulation des ­Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  210
8.2.1 Strukturmodelle der Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  210
8.2.2 Prozessmodelle der Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  212
8.3 Lernstrategien und ihre Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216

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8 Inhaltsverzeichnis

8.4 Training selbstregulierten Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  220


Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  226
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  227
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  228

9 Wissenserwerb mit neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  229


9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  230
9.2 Die Theorie der kognitiven Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  232
9.2.1 Begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität für Lernprozesse . . . . . . . . . . .  232
9.2.2 Messung von Lernerfolg und ­kognitiver ­Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . .  234
9.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236
9.3.1 Lernen aus Text und Bild: Struktur und Verlauf der Informations-
verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  236
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9.3.2 Erklärung des „Multimedia-Effekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238


9.4 Designprinzipien für Multimedia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  238
9.5 Theoretische Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  243
9.5.1 Das integrative Modell des Text- und ­Bildverstehens . . . . . . . . . . . . . . .  243
9.5.2 Berücksichtigung affektiver Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  245
9.6 Wechselwirkungen zwischen Lerner­eigenschaften und
instruktionalen Maßnahmen beim Lernen mit ­Multimedia . . . . . . . . . .  248
9.6.1 Die ATI-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  248
9.6.2 Vorwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  249
9.6.3 Kognitiver Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  250
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  253
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  254
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  254

10 Instruktionspsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  257
10.1 Instruktionspsychologie: ein ­klassisches Thema der
Pädagogischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  258
10.1.1 Klassifikation von Instruktionstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  258
10.1.2 Theorie- und Modellbegriff der ­Instruktionspsychologie . . . . . . . . . . . .  260
10.2 Behavioristische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  261
10.2.1 Programmierter Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  262
10.2.2 Lehrzieltaxonomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  263
10.2.3 Kritik an behavioristischen ­Instruktionsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . .  266
10.3 Kognitive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  267
10.3.1 Lehrfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  267
10.3.2 Motivationsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  269
10.3.3 Instructional-Design-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  273
10.3.4 Kritik an kognitiven ID-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  274

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Inhaltsverzeichnis 9

10.4 Konstruktivistische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  275


10.4.1 Problembasiertes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  276
10.4.2 Beispiele PBL-orientierter ­Instruktionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  279
10.4.3 Kritik an PBL-basierten Instruktionsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  286
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  289
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  290
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  290

11 Bedingungen guten Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  293


11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  294
11.2 Qualitätsmerkmale des Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  295
11.2.1 Bestimmung von Qualitätsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  295
11.2.2 Klassenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  305
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11.2.3 Klarheit und Strukturiertheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  310


11.2.4 Kognitive Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  312
11.2.5 Lernförderliches Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  315
11.3 Lehrerprofessionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  320
11.3.1 Lehrerpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321
11.3.2 Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  324
11.3.3 Ein Strukturmodell von Lehrerkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  326
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  328
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  329
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330

12 Kognitives Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  331


12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  332
12.2 Konsistente und inkonsistente ­Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334
12.3 Effektstärke und Wirkungsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  335
12.4 Validität eines kognitiven Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  337
12.4.1 Konvergente Validität, Bereichsspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  337
12.4.2 Nicht intendierte Trainingswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  337
12.4.3 Drei-Gruppen-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338
12.4.4 Konstruktvalidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338
12.5 Trainingsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  340
12.6 Unterschiede der Wirkung von Trainings zwischen Personen . . . . . . . .  341
12.6.1 Wirkungen auf die Leistungsvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  341
12.6.2 Positive Status-Gewinn-Korrelation: Der „Matthäus-Effekt“ . . . . . . . .  342
12.7 Beispiel 1: Training des induktiven ­Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
12.7.1 Definition und Trainingskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  344
12.7.2 Metaanalyse zur Abschätzung des ­durchschnittlichen Effekts
des induktiven Denktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  347

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10 Inhaltsverzeichnis

12.8 Beispiel 2:
Förderung räumlicher ­Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348
12.8.1 Definition und Trainingskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348
12.8.2 Metaanalyse zur Abschätzung des durchschnittlichen Effekts
von Trainings ­räumlicher Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  349
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  352
Weiterführende ­Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  354
Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  354

Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  355
Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  357
Glossar  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  384
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  397
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Kapitel 1
Einführung
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Inhaltsübersicht
1.1 Zielgruppe und Lehrziele des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.2 Was ist Pädagogische Psychologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3 Themen, Trends und Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

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12 Kapitel 1

1.1 Zielgruppe und Lehrziele des Buches


Die Pädagogische Psychologie boomt. Im Rahmen der psychologischen
Anwendungsfächer hat sie in den letzten Jahren einen rasanten Zu-
wachs zu verzeichnen, sowohl hinsichtlich ihrer Forschungsindikato-
ren (Publikationen, Drittmitteleinwerbungen, Berufungen auf Profes-
suren) als auch ihrer praktischen Bedeutung, insbesondere im Diskurs
der Empirischen Bildungsforschung und – nicht zuletzt – der Anzahl ihrer
Lehrbücher und Nachschlagewerke (Hasselhorn & Gold, 2017; Klauer
& Leutner, 2012; Renkl, 2008; Rost, Sparfeldt & Buch, 2018; Seidel &
Krapp, 2014; Schnotz, 2011; Wild & Möller, 2015 etc.). Warum und mit
welchem Ziel also, so kann man berechtigt fragen, noch ein Lehrbuch
der Pädagogischen Psychologie?
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Mit der Umstellung der Psychologieausbildung an den deutschen Uni-


versitäten vom Diplom- auf ein Bachelor-Master-System (BSc/MSc)
ist auch für die Pädagogische Psychologie eine neue Situation entstan-
den. Das Rahmenmodell zur Ausgestaltung des BSc/MSc-Angebots
der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs, 20051) fasst die
Pädagogische Psychologie unter die „etablierten Anwendungsfächer
der Psychologie“ und sieht deren Einführung im Studienmodell schon
für das 3. und 4. Fachsemester im Bachelor-Studiengang vor. Dies be-
deutet, dass im Unterschied zur Diplomausbildung, in der die Pädago-
gische Psychologie zum Spektrum der Fächer des Hauptstudiums
­gehörte und damit auf einem breiten, allgemein ausbildenden Grund-
studium aufbauen konnte, die Vermittlung pädagogisch-psychologi-
scher Konzepte und Erkenntnisse im Rahmen des Bachelor sehr viel
voraussetzungsfreier erfolgen muss. Damit müssen zentrale Konzepte,
etwa der Lernpsychologie oder der Kognitiven Psychologie, mit in die
Darstellung der Pädagogischen Psychologie aufgenommen werden,
ohne selbst dort genuin verortet zu sein. Hierin sehen wir denn auch
die Hauptzielrichtung des hier vorgelegten Lehrbuchs: eine vorausset-
zungsarme Einführung in das Gebiet der Pädagogischen Psychologie
für Bachelor-Studierende zu liefern, die zentrale methodische und in-
haltliche Konzepte der Psychologie dort aufgreift und darstellt, wo sie
für die Pädagogische Psychologie relevant sind, ohne sie für das Fach
vereinnahmen zu wollen. Zugleich wird das Buch damit auch für sol-
che Studierende relevant, die sich mit den Gegenständen und Erkennt-
nissen der Pädagogischen Psychologie in thematisch benachbarten,
aber fachfremden Disziplinen befassen. Hier sehen wir in erster Linie
Lehramtsstudierende im Rahmen ihrer bildungswissenschaft­lichen

1 https://www.dgps.de/uploads/media/BMEmpfehlungDGPs-rev.pdf

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Einführung 13

Ausbildung, aber auch beispielsweise Betriebswirte oder ­Informatiker,


die sich unter anderem mit Lehr-, Lern- und Ausbildungsprozessen
oder der Gestaltung von computerunterstützten Lehr-Lernszenarien
befassen.
Mit der Definition der Zielgruppe ist schon eine pädagogisch-psycho-
logische Forderung an guten Unterricht erfüllt. Eine zweite, nicht min-
der wichtige, besteht in der Definition der Lehrziele, also dessen, von
dem die Autoren wünschen, dass es die Leserinnen und Leser lernen Zielgruppe und
mögen (Klauer, 1987; Klauer & Leutner, 2012). Auch wenn wir auf die ­Lehrziele
kognitive und motivationale Bedeutung von Lehrzielen im Rahmen
des Buches noch genauer eingehen werden, sei so viel bereits vorweg-
gesagt: Lehrziele sollten (1) konkret und (2) überprüfbar sein. Folgt
man der Argumentation von Vertretern behavioristischer Lehrzielde-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

finitionen, dann besteht ein Lehrziel in der Bewältigung einer Menge


von Aufgaben, die ihrerseits wiederum einen Gegenstandsbereich voll-
ständig oder repräsentativ abbilden (Klauer, 1987). Der Grad der Lehr-
zielerreichung wird dabei als eine bestimmte Menge von Aufgaben de-
finiert, die ein Lernender aus einer solchen Aufgabenmenge lösen
kann. Man sieht hier schon eine gewisse Neigung von Pädagogischen
Psychologen zur Formalisierung – schließlich sagt eine solche Defini-
tion immer noch nichts darüber aus, was denn ein Lerner nun konkret
können soll, wenn er mit diesem Lehrbuch gelernt und es verstanden
hat (was nicht dasselbe ist). Wir gehen diesem Problem gesondert im
Band zur pädagogisch-psychologischen Diagnostik (Spinath & Brün-
ken, 2016) nach. Dort sehen wir auch, dass Fähig­keiten im Umgang
mit diagnostischen Methoden zu den Kernkom­petenzen Pädagogi-
scher Psychologen gehören, die in vielfältigen Anwendungskontexten Diagnostische
von Bedeutung sind. Es wäre jedoch überfordernd, von einem einfüh- ­Kompetenzen
renden Lehrbuch für BSc-Studierende zu erwarten, alle für den Er-
werb solcher Kernkompetenzen notwendigen Informationen bieten
und anhand eingehender Beispiele illustrieren und üben zu können.
Ziel ist es vielmehr, die aus unserer Sicht relevanten Bereiche anzurei-
ßen und hinsichtlich ihrer zentralen theoretischen Konzepte und em-
pirischen Befunde schlaglichtartig zu beleuchten. Das Buch soll im
besten Fall neugierig machen, Fragen hervorrufen, Interesse wecken
und Hinweise geben, wo und wie es weitergehen soll und kann. Wir
gehen dabei davon aus, dass der Leser über gewisse grundlegende wis-
senschaftstheoretische und methodische Kenntnisse in Hinblick auf
die empirischen Humanwissenschaften verfügt, soweit diese nicht spe-
zifisch für den Bereich der Pädagogischen Psychologie sind – eben das,
was ein Psychologiestudierender in seinen ersten beiden Semestern
kennengelernt hat, etwa im Rahmen von Methodenlehrevorlesungen,
Empiriepraktika und einführenden Veranstaltungen. Spezielle statis-

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14 Kapitel 1

tische Kenntnisse erwarten wir nicht. Dort, wo wir sie benötigen und
nicht selbst erklären, werden wir auf entsprechende Referenzen ver-
weisen.

1.2 Was ist Pädagogische Psychologie?


Die Frage nach einer soliden Definition des Gegenstandsbereiches,
den man zu beschreiben beabsichtigt, steht vernünftigerweise am An-
fang jeder guten wissenschaftlichen Abhandlung. Sie zu beantworten
ist jedoch ungleich schwieriger, zumal wenn es sich um ein so komple-
xes Feld handelt, wie das unsrige. Man kann sich dieser Frage dabei
auf verschiedene Weisen nähern: historisch, indem man sich die An-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Pädagogische
fänge des Faches und seine Entwicklung ansieht; empirisch, indem
­Psychologie man schaut, was unter dem Label der Pädagogischen Psychologie ge-
macht, also beispielsweise publiziert wird, oder systematisch, indem
man versucht, den Gegenstandsbereich zu definieren und anschlie-
ßend in seine Komponenten zu zerlegen. Oder man schreibt bei denen
ab, die sich vorher schon darum Gedanken gemacht haben.
Versuchen wir es probehalber zunächst mit letzter Strategie und
schauen uns an, welche Themen in einer (nicht erschöpfenden) Reihe
derzeit aktueller nationaler und internationaler Lehrbücher bespro-
chen werden (vgl. Tab. 1).
Neben vielen Besonderheiten der einzelnen Bücher finden wir einige
bemerkenswerte Gemeinsamkeiten: Im Mittelpunkt aller Lehrbücher
stehen die Themen Lernen, Lehren und Diagnostizieren. Man kann
also wohl festhalten, dass weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass
es in der Pädagogischen Psychologie um die Frage geht, wie Menschen
lernen, wie man diese Lernprozesse systematisch unterstützen kann
(Lehren) und wie man feststellen kann, ob die Lehr- und Lernbemü-
hungen erfolgreich waren (Diagnostizieren). Zudem befassen sich die
Autorinnen und Autoren der Lehrbücher mit den Voraussetzungen er-
folgreicher Lernprozesse, ihren Rahmenbedingungen sowie – insbe-
sondere amerikanische Lehrbücher – mit interindividuellen Unter-
schieden zwischen verschiedenen Lernern und darauf bezogenen,
differenzierten Lehranforderungen.
Ein Thema, das interessanterweise in modernen Lehrbüchern der Pä-
dagogischen Psychologie im Vergleich zu älteren deutlich seltener auf-
taucht, ist das Thema Erziehung und Sozialisation. Dies bedeutet nicht,
dass das Thema in der Pädagogischen Psychologie keine Rolle spielt;
es hat eine lange Geschichte (Tausch & Tausch, 1998) und es gibt auch

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Tabelle 1: Themenschwerpunkte aktueller Lehrbücher zur Pädagogischen Psychologie

Hassel- Stern-
Seidel & Wild & Klauer & Nolting
Renkl Lukesch horn & Schnotz Slavin berg & Woolfork Ormrod Mayer
Krapp Möller Leutner & Paulus
(2008) (2001) Gold (2011) (2011) Williams (2014) (2013) (1999)
(2014) (2015) (2012) (2016)
(2017) (2009)

Einführung, Geschichte,
wissenschaftstheoreti-
X X X X X X X X
sche Grundlagen &
­Methoden

Erziehung & Sozialisation X X X X

Lernen, Expertiseerwerb,
X X X X X X X X X X X
Kompetenzerwerb

Lehren & Unterrichten X X X X X X X X X X

Persönlichkeit des
X X
­Lehrers/Erziehers

Pädagogische Inter­
X X X X X X
aktion, Lernumwelten

Medien X X X X
Einführung

Diagnostik & Evaluation,


X X X X X X X X X
Assessment

Beratung & Intervention X X X X


15

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Tabelle 1: Fortsetzung
16

Hassel- Stern-
Seidel & Wild & Klauer & Nolting
Renkl Lukesch horn & Schnotz Slavin berg & Woolfork Ormrod Mayer
Krapp Möller Leutner & Paulus
(2008) (2001) Gold (2011) (2011) Williams (2014) (2013) (1999)
(2014) (2015) (2012) (2016)
(2017) (2009)
Kapitel 1

Motivation & Emotion X X X X X X X

Lerner: Persönlichkeit &


X X X
Gender

Entwicklung X X X X X

Individuelle Unter-
schiede, ATI, special X X X X X
needs

Besonderheiten nur Leh- nur Leh- nur Leh-


ren und ren und ren und
Lernen Lernen Lernen:
domänen-
spezifisch

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Einführung 17

spezielle Lehrbücher dazu (z. B. Fuhrer, 2009), aber es zeigt doch, dass
der aktuelle Fokus der Pädagogischen Psychologie auf Bildungspro-
zesse generell und auf schulische Bildungsprozesse insbesondere ge-
richtet ist. Dies mag mit dem eingangs erwähnten internationalen
Boom der Empirischen Bildungsforschung insgesamt zu tun haben,
der das Interesse nicht nur, aber auch der Pädagogischen Psychologie
(aber auch der Erziehungswissenschaft) auf diesen Bereich gelenkt hat
– nicht zuletzt bedingt durch die Förderpolitik einschlägiger For-
schungsförderer, wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Versuchen wir vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eine erste
Definition unseres Gegenstandbereiches, dann könnte diese wie folgt
lauten:
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Begriffsklärung: Pädagogische Psychologie


Die Pädagogische Psychologie befasst sich mit psychologischen Kon-
Eine Definition
zepten in pädagogischen Kontexten, insbesondere in Lehr-Lernkontex- der Päda­gogischen
ten. Im Mittelpunkt stehen dabei die Analyse, Gestaltung und Diagnose ­Psychologie
von Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Prozessen erfolgrei-
chen Erwerbs kognitiver und sozialer Kompetenzen über die gesamte
Lebensspanne.

1.3 Themen, Trends und Traditionen


Ein bekannter Ausspruch des Psychologen Hermann Ebbinghaus be-
sagt, die Psychologie habe eine lange Vergangenheit, aber nur eine
kurze Geschichte. Üblicherweise wird die Geburtsstunde der akade-
mischen Psychologie mit der Gründung des ersten psychologischen
Laboratoriums durch Wilhelm Wundt 1879 in Leipzig verknüpft. Aber
die Tradition psychologischer Fragestellungen greift natürlich sehr viel
weiter zurück bis in die Anfänge europäischer Geistesgeschichte in der
griechischen Antike. Dies gilt natürlich auch für die Pädagogische Psy-
chologie, die zudem ihre Wurzeln nicht nur in der Psychologie, son-
dern auch in der Pädagogik hat. Andreas Krapp (2005a; Krapp, Pren- Hermann Ebbinghaus
zel & Weidenmann, 2006) weist in diesem Zusammenhang auf die (1850–1909)

enge Verknüpfung der Pädagogischen Psychologie mit der Entwick-


lung der (Gymnasial-)Lehrerbildung hin und datiert die Geburtsstunde Die Anfänge der Päda-
der Pädagogischen Psychologie auf das Jahr 1824: In diesem Jahr wurde gogischen Psychologie
ein Dekret des preußischen Schulministeriums erlassen, das festlegte,
dass Kandidaten für das höhere Lehramt neben fachlichen auch über
philosophische und psychologische Kenntnisse verfügen mussten. Dies

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18 Kapitel 1

führte zur Einrichtung von Professuren (für Philosophie), an denen


auch (Pädagogische) Psychologie unterrichtet wurde. Wilhelm Wundt
(1832–1920), der Begründer der Psychologie, hatte im Übrigen genau
einen solchen Lehrstuhl inne.
Bezeichnend für die Geschichte der Pädagogischen Psychologie ist wei-
terhin ihre enge Beziehung zur Pädagogik, die bereits in dieser Grün-
derzeit bestand und sich – nach auseinanderlaufenden Entwicklungen
Verbindung zur
­ äda­gogik und zur
P
im weiteren Verlauf – in jüngerer Zeit wieder aufeinander zubewegen.
­Lehramtsausbildung Dies zeigt sich schon in der verwendeten Begrifflichkeit, die keine klare
Unterscheidung zulässt. So tragen zwei der historisch bedeutendsten
Schriften der Pädagogischen Psychologie die Titel „Experimentelle Pä-
dagogik“: Ernst Meumanns „Vorlesungen zur Einführung in die expe-
rimentelle Pädagogik“ von 1907 und Wilhelm August Lays „Experi-
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mentelle Pädagogik“ von 1908. Beide versuchen eine Verbindung der


experimentellen Methodik der damals „neuen“ Wissenschaft der Psy-
chologie mit Fragestellungen der weitaus älteren, an geisteswissen-
schaftlichen Traditionen orientierten Pädagogik.
Die Debatte um den methodischen Zugang zu pädagogischen Gegen-
standsbereichen stellt auch im Folgenden und bis in die jüngste Zeit
eine zentrale Differenzierungsdimension zwischen einer eher pädago-
gischen und einer eher psychologischen Herangehensweise dar. Wäh-
rend die Pädagogische Psychologie in der Tradition der anglo-ameri-
kanischen Lernpsychologie einen streng empirischen, häufig
experimentellen Zugang wählt, ist die Methodenwahl in der Pädago-
Methodische Zugänge gik weit weniger eindeutig festgelegt. Während über einen langen Zeit-
raum hier eine eher geisteswissenschaftlich hermeneutische Herange-
hensweise bevorzugt wurde, gab es innerhalb der Pädagogik immer
auch – wenn auch oft nur von einer Minderheit vertreten – eine empi-
rische Tradition, häufig vertreten durch Lehrstuhlinhaber, die entwe-
der aus der Psychologie kamen, oder eine hohe Affinität dazu besaßen.
Bis heute finden sich viele Vertreter der Pädagogischen Psychologie
daher auf Lehrstühlen für Erziehungswissenschaft oder für Empirische
Pädagogik. Und lange vor Gründung der Fachgruppe Pädagogische
Psychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie im Jahr 1986
gründeten Pädagogische Psychologen und empirische Pädagogen die
Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF) im Jahr
1965, die heute ein Teil der Sektion Empirische Bildungsforschung der
Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft ist.

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Einführung 19

Tabelle 2: Historische Meilensteine der Pädagogischen Psychologie

Jahr Ereignis Kommentar

1824 Dekret des preußi- Einrichtung von Pro-


schen Schulministeri- fessuren für Philoso-
ums phie und Psychologie
an höheren Lehrer­
bildungsstätten

1879 Einrichtung des ersten Gründung der experi-


psychologischen mentellen Psychologie
­Laboratoriums durch
­Wilhelm Wundt

1899 Gründung der Zeit-


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schrift für Pädagogi-


sche Psychologie

1907 Ernst Meumann: „Vor-


lesungen zur Einfüh-
rung in die experimen-
telle Pädagogik“

1908 Wilhelm-August Ley:


„Experimentelle Päda-
gogik“

Beginn des Begründung des Beha- 1913: E. L. Thorndike


20. Jahrhunderts viorismus in den USA „Educational Psycho-
logy“

1941 Einführung einer


­allgemeinen Diplom-
prüfungsordnung
­Psychologie

1960er Jahre „kognitive Wende“ in


der Psychologie

1960er Jahre Erste „Bildungskata­ Gründung verschiede-


strophe” ner außeruniversitärer
Forschungseinrichtun-
gen:
1963: MPIB Berlin
1966: IPN Kiel
1967: DIFF Tübingen
(heute: IWM)

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20 Kapitel 1

Tabelle 2: Fortsetzung

Jahr Ereignis Kommentar

1965 Gründung der AEPF

1974 „Funk-Kolleg Pädago- Weinert, Graumann,


gische Psychologie“ Heckhausen & Hofer
(1974)

1986 Gründung der Fach-


gruppe Pädagogische
Psychologie in der
DGPs

Um 1996 Konstruktivismus-­ 1996: Anderson-


Debatte Greeno-Debatte (vgl.
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Kap. 10)

2000 „PISA-Schock“

Nach 2000 Bologna-Prozess Umstrukturierung der


Psychologieausbil-
dung, Einführung des
BSc/MSc-Systems

2012 Gründung der Gesell-


schaft für Empirische
Bildungsforschung
GEBF

Neben diesen bis heute vorhandenen strukturellen Verflechtungen der


Disziplinen sind es natürlich vor allem gemeinsame wissenschaftliche
Interessen und bearbeitete Fragestellungen, die die Pädagogische Psy-
chologie mit der empirischen Pädagogik verbinden und beide Diszi­
plinen unter dem Begriff der Bildungswissenschaften zusammenfü-
gen, zu denen darüber hinaus neben der Bildungssoziologie auch die
empirisch orientierten Fachdidaktiken zu zählen sind und die – spätes-
Pädagogische Psycho-
logie und die aktuelle
tens seit dem „PISA-Schock“ – im Mittelpunkt der aktuellen Reform-
Bildungsdebatte bemühungen im deutschen Bildungssystem stehen (Deutsches PISA-
Konsortium, 2001). Die gegenwärtige Bildungsdebatte ist im Übrigen
weder neu noch in ihren Auswirkungen innovativ. Bereits in den 1960er
Jahren machte das Wort von der „Bildungskatastrophe“ die Runde
(Picht, 1964) und führte zu vielfältigen politischen und wissenschaft-
lichen Aktivitäten (Krapp, 2005a), die nicht zuletzt zu einer Zunahme
der staatlichen Förderung der Bildungsforschung und zur Gründung
nationaler Forschungsinstitute, wie dem Max-Planck-Institut für Bil-
dungsforschung in Berlin, führte. 2012 schließlich hat sich infolge des

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Einführung 21

Booms der empirisch orientierten Bildungsforschung eine interdiszi-


plinäre Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) gegrün-
det, der neben Pädagogen und Psychologen auch Soziologen und Fach-
didaktiker angehören, die sich für die empirische Analyse von
Bildungsprozessen interessieren (vgl. auch Tab. 2).
Solche öffentlichen Debatten, und mehr noch, die dadurch ausgelöste
Bereitschaft zur vermehrten Förderung von Forschung und Entwick- Forschungsthemen und
lung in diesem Bereich, beeinflussen natürlich die Themenwahl der Förderschwerpunkte
Forschung, auch in der Pädagogischen Psychologie. Moderne For-
schung ist ohne sogenannte „Drittmittelförderung“ nicht denkbar, die
dafür verfügbaren Ressourcen sind begrenzt und die Gewinnchancen
im Wettbewerb um Mittel unterliegen nicht nur Kriterien der wissen-
schaftlichen Exzellenz, sondern eben auch den Moden gerade aktuel-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ler Fragestellungen. Dies gilt mit Blick auf die Pädagogische Psycholo-
gie im Übrigen nicht nur für den schulischen Bildungsbereich. Ein
weiteres besonders erfolgreiches Thema der internationalen For-
schung, das Lernen mit neuen Medien (Brünken & Leutner, 2008),
wäre ohne die wachsende gesellschaftliche Bedeutung der Informati-
onstechnologie in den letzten zwanzig Jahren sicher ebenso wenig
denkbar wie die intensiven Debatten um beispielsweise die Modellie-
rung von Bildungsstandards ohne PISA. In einem neueren Übersichts-
artikel für die Psychologische Rundschau beschreiben Spinath und Kol-
legen (Spinath, Hasselhorn, Artelt, Köller, Möller & Brünken, 2012) die
derzeitigen Schwerpunkte pädagogisch-psychologischer Forschungs-
interessen systematisiert vor dem Hintergrund einer prototypischen
lebenslangen Bildungskarriere. Auch hier wird die enge Verflechtung
der Pädagogischen Psychologie mit den übrigen Bildungswissenschaf-
ten ebenso wie mit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen deutlich.
Klar wird aber auch die Kontinuität einiger Kernfragestellungen, die
die Forschung bearbeitet.
Will man sich einen ersten Überblick über aktuelle Themen der päda-
gogisch-psychologischen Forschung verschaffen, tut man dies am ef-
fektivsten, indem man einen Blick in die aktuelle Literatur wirft. Nur
welche Literatur ist aktuell? Wo soll man suchen? Was ist relevant, was
nicht? Mit diesen und ähnlichen Fragen sehen sich insbesondere Stu-
dienanfänger in allen Teildisziplinen ihres Fachs konfrontiert: es gibt
Dutzende, vielleicht Hunderte von Fachzeitschriften, nationale, inter-
nationale, fachspezifische, themenspezifische, inter- und transdiszi­
plinäre etc. Dazu kommen wissenschaftsjournalistische Organe, Bü-
cher, Tagungsbände, Proceedings, Herausgeberwerke und – natürlich
– Lehrbücher. Wie soll man da einen Überblick erhalten?

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22 Kapitel 1

Exkurs: Publizieren in der (Pädagogischen) Psychologie


Wie alle psychologischen Teildisziplinen versteht sich die Pädagogische
Psychologie als international orientierte, empirisch arbeitende Human-
wissenschaft, die ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in einer mög-
lichst breiten Fachöffentlichkeit schnell und umfassend diskutieren will.
Dazu bedient sie sich in erster Linie zweier Kommunikationsformen:
(1) wissenschaftlicher Vorträge auf Fachkonferenzen und (2) Publika-
tion ihrer Forschungsergebnisse in Fachzeitschriften.

Obwohl die allgemeine Lingua franca der Psychologie Englisch ist, spielt
in der Pädagogischen Psychologie auch die jeweilige Nationalsprache
in der Wissenschaftskommunikation eine bedeutende Rolle (mehr als
beispielsweise in der Allgemeinen Psychologie; Schui & Krampen, 2007),
was nicht zuletzt an der beschriebenen Vernetzung mit anderen wis-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

senschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen liegt. Insofern sind


deutsche Pädagogische Psychologen in aller Regel bemüht, sowohl na-
tional als auch international Präsenz zu zeigen. Das dazu geeignetste
Verfahren ist die aktive Teilnahme an wichtigen Fachkongressen. Auf na-
tionaler Ebene gehören dazu die Tagung der Fachgruppe Pädagogische
Psychologie und der die gesamte Psychologie repräsentierende Kon-
gress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die im jährlichen
Wechsel stattfinden, sowie die Arbeitstagung der Arbeitsgruppe Empi-
rische Pädagogische Forschung (AEPF) und die Tagung der Gesellschaft
für Empirische Bildungsforschung (GEBF). International bedeutsam sind
vor allem der alle zwei Jahre stattfindende Kongress der European As-
sociation for Research on Learning and Instruction (EARLI2) sowie die
jährliche Tagung der American Educational Research Association
(AERA3).

Nicht ganz so aktuell, aber wesentlich nachhaltiger, ist die zweite Kom-
munikationsform: das Publizieren in Fachzeitschriften. In der Psycholo-
gie hat sich dazu insgesamt ein Qualitätssicherungsverfahren durchge-
setzt, das als (blind) Peer Review bezeichnet wird. Dazu sendet ein Autor
sein Manuskript an den oder die Herausgeber einer Zeitschrift, die ihm
als Publikationsorgan besonders geeignet erscheint. Dieser Herausge-
ber leitet das Manuskript zur Begutachtung an in der Regel zwei bis drei
Fachkollegen weiter, mit der Bitte um schriftliche Stellungnahme zur
Qualität des Manuskripts. Erfolgt diese Weitergabe anonymisiert, also
unter Weglassung des oder der Autorennamen des Manuskripts, spricht
man von „blind review“. Dieses international von vielen Zeitschriften an-
gewandte Verfahren soll dazu dienen, dass sich die Gutachter bei der
Beurteilung des Manuskripts nicht von sachfremden Erwägungen leiten
lassen – beispielsweise ob sie den Autor kennen oder nicht, ob sie

2 www.earli.org
3 www.aera.net

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Einführung 23

ihn mögen oder vielleicht auf seinen Erfolg neidisch sind. Der Heraus­
geber entscheidet dann auf der Basis der Begutachtung, ob ein Manu-
skript zur Veröffentlichung angenommen (accept) wird oder nicht (re-
ject). Oft erhalten die Autoren dabei noch einmal die Gelegenheit, auf
Kritikpunkte der (in der Regel dann ebenfall anonymisierten) Gutach-
ten einzugehen und das Manuskript entsprechend verändert erneut ein-
zureichen (revise and resubmit).
Je nachdem, wie attraktiv eine Zeitschrift für die Autoren erscheint, un-
terscheiden sich die Zeitschriften in der Menge an eingereichten Manu-
skripten. Da jede Zeitschrift nur ein begrenztes Platzangebot hat, führt
dies dazu, dass besonders beliebte Zeitschriften besonders kritisch bei
der Auswahl ihrer Artikel sein können und auch viele gute Beiträge ab-
lehnen. Autoren sind daher oft gezwungen, ihre Beiträge nach und nach
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

bei mehreren Zeitschriften einzureichen, bis sie akzeptiert werden. Dies


führt oft zu nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Ver-
öffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse. Selbst bei optimalem
­Verlauf dauert es oft etwa zwei Jahre von der Einreichung bis zur end-
gültigen Veröffentlichung. In den letzten Jahren haben daher viele re-
nommierte Zeitschriften internetbasierte Journal-Management-Sys-
teme eingeführt, in denen Artikel online eingereicht werden, der
Begutachtungsprozess durchgeführt wird und in dem angenommene
Artikel vorab veröffentlicht werden können.

Ein weiterer Indikator für die Qualität eines Publikationsorgans, der auch
für den Leser ersichtlich ist, ist der Journal Impact Factor (JIF). Hierbei
handelt es sich um eine auf bibliometrischen Analysen basierende Kenn-
zahl für die gesamte Zeitschrift (nicht für den einzelnen Artikel). Dabei
wird die Menge der von einer Zeitschrift in einem bestimmten Zeitraum
publizierten Artikel ins Verhältnis gesetzt zur Anzahl der Zitationen von
Artikeln dieser Zeitschrift in anderen Fachzeitschriften. Der JIF (veröf-
fentlicht in Journal Citation Reports, JCR) wird regelmäßig auf der Basis
einer internationalen Datenbank sozialwissenschaftlicher Zeitschrif-
ten, dem SSCI (Social Science Citation Index) vom Thomson Institut for
Science Information (Thomson ISI4) erstellt. Viele Zeitschriften, insbe-
sondere die renommierteren, veröffentlichen die betreffenden biblio-
metrischen Analysen beispielsweise auf ihrer Homepage. Neben dem
zeitschriftenbezogenen Impact Factor existieren weitere bibliometri-
sche Kennwerte, die publikations- oder autorenbezogene Auswertun-
gen erlauben. Zu den bekanntesten gehört der h-Index (Hirsch, 2005),
der anzeigt, wie häufig die Arbeiten einer Person in anderen wissen-
schaftlichen Veröffentlichungen aufgegriffen werden.

4 http://thomsonreuters.com

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24 Kapitel 1

Von geringerer Bedeutung für die wissenschaftliche Reputation, im Un-


terschied zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie zum Beispiel
der Informatik, sind sogenannte Proceedings. In diesen werden die Bei-
träge von Konferenzen gesammelt veröffentlicht. Sie haben oft ein un-
klares Review-Verfahren, besitzen dafür aber den Vorteil, häufig aktu-
eller zu sein als Zeitschriften. Ebenso von geringerer Bedeutung für die
Veröffentlichung aktueller Forschungsergebnisse sind in der Psycholo-
gie, auch dies im Unterschied etwa zur Pädagogik, Herausgeberwerke
und Buchpublikationen.

Wirft man einen Blick auf das Ranking einschlägiger Fachzeitschriften


und schränkt den Blick auf diejenigen Zeitschriften ein, die einen wei-
ten und mit Bezug auf Bildungsprozesse besonderen Verbreitungsraum
haben, könnte man zu der in Tabelle 3 dargestellten, wenn auch zuge-
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gebenermaßen recht subjektiven Liste wichtiger Zeitschriften gelangen.


Was aber sind nun inhaltlich aktuelle Schwerpunkte der Pädagogischen
Psychologie? Versuchen wir uns der Frage wiederum empirisch zu nä-
hern und analysieren exemplarisch die Publikationen der Zeitschrift
für Pädagogische Psychologie im Zeitraum von 2007 bis 2013. Insge-
samt sind in dieser Zeit 140 Originalarbeiten (ohne Editorials, Kom-
mentare und Buchbesprechungen) erschienen. Sieben Themenberei-
che wurden dabei in Schwerpunktheften durch Gastherausgeber mit
jeweils mehreren Artikeln besprochen: Motivation (Heft 3/4, 2007),
Aktiver Wissenserwerb (Heft 2, 2008), Promoting Self-Regulated Lear-
ning Through Prompts (Heft 2, 2009), Diagnostische Kompetenz von
Lehrkräften (Heft 3/4, 2009), Förderung selbstregulierten Lernens im
schulischen Kontext (Heft 3/4, 2010), The Modality effect: Boundary
Conditions and Constraints (Heft 4, 2011), Professionalisierung von
Lehrerinnen und Lehrern (Heft 4, 2012).
Einen weiteren Hinweis auf thematische Schwerpunkte findet man,
wenn man die Artikel nach der von der American Psychological Asso-
Aktuelle Themen und
Trends der Pädagogi-
ciation (APA) vorgeschlagenen thematischen Einteilung der Pädago-
schen Psychologie gischen Psychologie (vgl. Schui & Krampen, 2007) klassifiziert. Diese
sieht eine Einteilung in insgesamt sieben Themengebiete vor:
1. Bildungsorganisation und Pädagogisches Personal
2. Curricula, Bildungsprogramme und Unterrichtsmethoden
3. Lernen und Leistung in Bildungseinrichtungen
4. Interaktion im Klassenraum, Anpassung und Einstellungen von
Schülern und Studierenden
5. Sonderpädagogik und Förderunterricht
6. Hochbegabte und Talentierte
7. Schul- und Bildungsberatung

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Tabelle 3: Wichtige Zeitschriften in der Pädagogischen Psychologie

Peer
Impact Bemerkung/Webseite
Review

national

Zeitschrift für Pädagogi- X 5 Year ­Impact Factor: https://www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/zeitschrift-fuer-


sche Psychologie 1.093 paedagogische-psychologie

Zeitschrift für Entwick- X JCR: 0.667 http://www.hogrefe.de/zeitschriften/zeitschrift-fuer-entwicklungs-


lungspsychologie und psychologie-und-paedagogische-psychologie
Pädagogische Psycho­
logie

Psychologie in Erziehung X JCR: 0.362 http://www.reinhardt-verlag.de/de/zeitschrift/4440/Psychologie_


und Unterricht in_Erziehung_und_Unterricht

Unterrichtswissenschaft X https://link.springer.com/journal/42010

Diagnostica X Impact Factor: 1.059 http://www.hogrefe.de/zeitschriften/diagnostica

Zeitschrift für Pädagogik X JCR: 0.260 http://www.beltz.de/de/nc/paedagogik/zeitschriften/zeitschrift-


fuer-paedagogik.html
Einführung
25

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Tabelle 3: Fortsetzung
26

Peer
Impact Bemerkung/Webseite
Review

international
Kapitel 1

Journal of Educational X Impact Factor: 3.459 http://www.apa.org/pubs/journals/edu/index.aspx


Psychology

Educational Psycho­ X JCR: 3.289 http://www.tandfonline.com/toc/hedp20/current


logist

Educational Researcher X Impact Factor 2016: http://journals.sagepub.com/home/edr


3.827

Educational Psychology X Impact Factor 2016: https://www.springer.com/education+&+language/journal/10648


Review 4.333

Educational and Psycho- X Impact Factor 2016: http://journals.sagepub.com/home/epm


logical Measurement 1.548

Learning and Instruction X Impact Factor 2016: http://www.journals.elsevier.com/learning-and-instruction/


3.983

European Journal of X Impact Factor 2016: https://www.springer.com/education+&+language/journal/10212


Psychology of Education 1.556

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Tabelle 3: Fortsetzung

Peer
Impact Bemerkung/Webseite
Review

British Journal of Educa- X Impact Factor: 2.403 https://onlinelibrary.wiley.com/journal/20448279


tional Psychology

Instructional Science X Impact Factor 2016: https://www.springer.com/education+&+language/


1.690 learning+&+instruction/journal/11251

Applied Cognitive Psy- X Impact Factor: 1.633 https://onlinelibrary.wiley.com/journal/10990720


chology

Cognition and X JCR: 1.179 https://www.tandfonline.com/toc/hcgi20/current


­Instruction

Learning and Individual X Impact Factor 2016: http://www.journals.elsevier.com/learning-and-individual-differen-


Differences 1.650 ces

Journal of the Learning X JCR: 3.036 https://www.tandfonline.com/toc/hlns20/current


Sciences
Einführung
27

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28 Kapitel 1

Auch wenn die Klassifikationen nicht wirklich trennscharf sind, zeigt


sich doch schon hier ein Trend in der aktuellen pädagogisch-psycho-
logischen Forschung. Die Artikel über die sieben Kategorien sind kei-
nesfalls gleich verteilt, vielmehr überwiegen die Kategorien Curricula,
Bildungsprogramme und Unterrichtsmethoden (42 Artikel), Interak-
tion im Klassenraum, Anpassung und Einstellungen von Schülern und
Studierenden (38 Artikel), Bildungsorganisation und Pädagogisches
Personal (28 Artikel) sowie Lernen und Leistung in Bildungseinrich-
tungen (16 Artikel). Eine Analyse der Schlagworte der Beiträge kann
dies nochmals präzisieren. 420 analysierte Schlagworte der 140 Arti-
kel (jeweils die ersten drei) verteilen sich dabei wie folgt auf nur we-
nige zentrale Kategorien: Schülerkompetenzen (90), Unterricht (64),
Lehrerkompetenzen (58), Motivation (54), Lernen (42), Emotion (13),
Methoden (19), Rahmenbedingungen (19), Sonstige (61). Die häufigs-
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ten Einzelthemen, die dabei untersucht wurden, sind Lernstrategien


und Selbstregulation (28), Lesekompetenz (23), Multimediales Lernen
(20), diagnostische Kompetenz von Lehrern (16), Selbstwirksamkeit
und Selbstkonzept (13) sowie Ziele, Zielauswahl und Handlungspla-
nung (10).
Diese kleine Analyse zeigt schon, dass bei aller Breite des Fachs und
Individuumsbezogene
Perspektive der Päda-
der in ihm abgedeckten Themenfelder die Forschung immer wieder
gogischen Psychologie auf spezifische, oft sehr eng umgrenzte Themengebiete fokussiert. Im
Kontext der Empirischen Bildungsforschung ist dabei auffallend, dass
die Pädagogische Psychologie in der Regel eine individuumsbezogene
Perspektive vertritt. Systembezogene Faktoren, wie etwa der Einfluss
von Bildungssystemvariablen werden deutlich seltener thematisiert als
in anderen Bildungswissenschaften, wie der Erziehungswissenschaft
und der Soziologie. Hierin zeigt sich die – bei aller Interdisziplinarität
– deutliche Verwurzelung der Pädagogischen Psychologie in der Tra-
dition der psychologischen Forschung.

1.4 Ausblick
Man kann also präzisierend die Pädagogische Psychologie als die wis-
senschaftliche Disziplin der vorwiegend individuumsbezogenen Ana-
lyse und Förderung psychologischer Prozesse in Lehr-Lernkontexten
auffassen. Daran wird sich die Gliederung des Buches orientieren. Dazu
werden zunächst und in Rückgriff auf die allgemeinen Methoden der
Psychologie die für die pädagogisch-psychologische Forschung beson-
ders relevanten Methoden kurz skizziert. Ein erster Schwerpunkt wird
auf den lernpsychologischen Grundlagen liegen, die dann um indivi-

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Einführung 29

duelle Bedingungen erfolgreichen Lernens erweitert werden. Darauf


aufbauend werden Methoden der erfolgreichen Instruktionsgestaltung
thematisiert, die wiederum um individuelle Trainings- und Förder-
maßnahmen ergänzt werden. Der zweite Band des Lehrbuches (Spi-
nath & Brünken, 2016) widmet sich dem Thema Diagnostik, Evalu­
ation und Beratung, wobei auch hier wieder zunächst eine
individuumsbezogene Perspektive eingenommen wird, die abschlie-
ßend um Fragen der Systemdiagnostik ergänzt wird.

Zusammenfassung
Die Pädagogische Psychologie weist bereits eine lange Geschichte auf
und hat ihre Wurzeln in der Psychologie und der Pädagogik. Auch
heute besitzen die beiden Disziplinen eine enge Beziehung zueinan-
der. Sie verfolgen gemeinsame wissenschaftliche Interessen und be-
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arbeiten Fragestellungen, die die Pädagogische Psychologie mit der


empirischen Pädagogik verbinden und beide Disziplinen unter dem
Begriff der Bildungswissenschaften zusammenfügen, zu denen da­
rüber hinaus neben der Bildungssoziologie auch die empirisch orien-
tierten Fachdidaktiken zu zählen sind. Die Pädagogische Psychologie
vertritt dabei in der Regel eine individuumsbezogene Perspektive und
wählt in der Tradition der anglo-amerikanischen Lernpsychologie
einen streng empirischen, häufig experimentellen Zugang. System-
bezogene Faktoren, wie etwa der Einfluss von Bildungssystemvaria-
blen werden deutlich seltener thematisiert als in anderen Bildungs-
wissenschaften, wie der Erziehungswissenschaft und der Soziologie.
Somit lässt sich die Pädagogische Psychologie als die wissenschaftli-
che Disziplin der vorwiegend individuumsbezogenen Analyse und
Förderung psychologischer Prozesse in pädagogischen, insbesondere
Lehr-Lernkontexten auffassen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Ana-
lyse, Förderung und Diagnose von Voraussetzungen, Rahmenbedin-
gungen und Prozessen erfolgreichen Erwerbs kognitiver und sozialer
Kompetenzen über die gesamte Lebensspanne. Besonders in den letz-
ten Jahren hat sie hinsichtlich Forschungsindikatoren und praktischer
Bedeutung einen rasanten Zuwachs zu verzeichnen. Inhaltlich aktu-
elle Schwerpunkte der Pädagogischen Psychologie lassen sich zent-
ralen Kategorien, wie Schülerkompetenzen, Unterricht, Motivation,
Lehrerkompetenzen, Lernen und Emotion zuordnen. Häufige Ein-
zelthemen, die untersucht werden, sind dabei Lernstrategien und
Selbstregulation, diagnostische Kompetenz von Lehrern, Ziele, Ziel-
auswahl und Handlungsplanung, Lesekompetenz sowie Selbstwirk-
samkeit und Selbstkonzept.

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30 Kapitel 1

Hauptzielrichtung des hier vorgelegten Lehrbuchs ist es, eine vo­


raussetzungsarme Einführung in das Gebiet der Pädagogischen
­Psychologie für Bachelor-Studierende zu liefern, die zentrale me-
thodische und inhaltliche Konzepte der Psychologie dort aufgreift
und darstellt, wo sie für die Pädagogische Psychologie relevant sind,
ohne sie für das Fach vereinnahmen zu wollen. Dabei werden die
aus unserer Sicht relevanten Bereiche angerissen und hinsichtlich
ihrer zentralen theoretischen Konzepte und empirischen Befunde
schlaglichtartig beleuchtet. Das Buch wird damit ebenfalls für ­solche
Studierende relevant, die sich mit den Gegenständen und Erkennt-
nissen der Pädagogischen Psychologie in thematisch benachbarten,
aber fachfremden Disziplinen befassen, wie etwa Lehramtsstudie-
rende oder Studierende der Erziehungswissenschaften.
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Fragen
1. Womit befasst sich die Pädagogische Psychologie?
2. Mit welchen anderen Disziplinen steht die Pädagogische Psy-
chologie in Beziehung?
3. Worin unterscheidet sich die Pädagogische Psychologie von
ihren Nachbardisziplinen (wie Pädagogik, Entwicklungspsycho-
logie etc.)?
4. Auf welchen wichtigen Forschungskongressen werden aktuelle
Ergebnisse aus der Pädagogischen Psychologie vorgestellt und
diskutiert?
5. Was versteht man unter einen (blind) Peer Review?
6. Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden aktuell in der Päda-
gogischen Psychologie verfolgt?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Kapitel 2
Methodologische Grundlagen der
­Pädagogischen Psychologie
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Inhaltsübersicht
2.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.1.1 Was ist eine wissenschaftliche Theorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.1.2 Von der Theorie zur Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.2 Empirische Methoden in der Pädagogischen Psychologie . . . . . . . . . . . . 39
2.2.1 Unterschiedliche Aspekte der Anlage pädagogisch-psychologischer
Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.2.2 Datengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

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32 Kapitel 2

Die Pädagogische Psychologie steht ganz in der Tradition der psycho-


logischen Forschung insgesamt. Sie hat daher kein eigenständiges me-
thodologisches System entwickelt und auch keine exklusiven Metho-
den. Ebenso gibt es – im Unterschied zur Erziehungswissenschaft, in
Einführung der es beispielweise Lehrstühle für Methoden der Empirischen Bil-
dungsforschung gibt – keine eigenen universitären Lehrstühle für Me-
thoden der Pädagogischen Psychologie. Vielmehr gelten für sie die glei-
chen wissenschaftlichen Anforderungen und Restriktionen wie für alle
anderen Teilgebiete der Psychologie. Allerdings stellen sich für die Pä-
dagogische Psychologie als angewandtes Fach häufig Anforderungen
des Gegenstandsbereiches, die es notwendig machen, hinsichtlich der
Forschungsstrategien und des Methodeneinsatzes vielfältige Überle-
gungen anzustellen und gelegentlich auch Kompromisse einzugehen.
So spielen hier bestimmte Forschungsmethoden wie beispielsweise das
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Quasi-Experiment eine bedeutendere Rolle als in anderen Teildiszi­


plinen, einige diagnostische Methoden sind sogar speziell in diesem
Bereich entwickelt worden, wie das Kriteriumsorientierte Testen
(Klauer, 1987; vgl. Kap. 8 in Spinath & Brünken, 2016). Schließlich ma-
chen die Spezifika des Gegenstandsbereiches die Verwendung be-
stimmter Auswertungsverfahren notwendig, wie etwa die Verwendung
von mehrebenenanalytischen Verfahren im Rahmen schulischer Bil-
dungsforschung (Hochweber & Hartig, 2012). Viele sehen in der be-
sonderen Betonung der empirischen Forschungsmethodik eine spezi-
fische Stärke der Pädagogischen Psychologie im Rahmen der
empirischen Bildungswissenschaften. Die damit verbundenen Diskus-
sionen sind keineswegs neu und erscheinen aus der Sicht der Psycho-
logie gelegentlich erstaunlich: so veröffentlichte Karl Josef Klauer 1972
ein einflussreiches Buch mit dem Titel „Das Experiment in der päda-
gogisch-psychologischen Forschung“ (Reprint: Klauer, 2005), in dem
er für die „stärkere Verwendung experimenteller Methoden in der pä-
dagogischen Forschung“ (S. 9) plädiert. Nun muss man einem Psycho-
logen sicher nicht die besondere Bedeutung experimenteller Vorge-
hensweise für seine Wissenschaft erklären. Im Kontext der
Bildungswissenschaften ist dies jedoch keineswegs ein Gemeinplatz
und führte zu teils heftigen Debatten, die auch Rückwirkungen auf die
Psychologie haben. Insoweit erscheint es uns sinnvoll, an dieser Stelle
kurz die wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundla-
gen pädagogisch-psychologischer Forschung zu skizzieren, ohne hier-
bei die Details einzelner Verfahren darstellen zu wollen – hierfür gibt
es taugliche Spezialliteratur (z. B. Holling & Schmitz, 2010; Bierhoff &
Petermann, 2014) ebenso wie lesenswerte Zusammenfassungen (z. B.
Rost, 2007).

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 33

2.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen


Wie alle psychologischen Disziplinen ist die Pädagogische Psycholo-
gie wissenschaftstheoretisch einer positivistischen Position im Sinne
Poppers, dem „kritischen Rationalismus“ (Popper, 1976) verpflichtet.
Im Prinzip besagt diese, dass wissenschaftliche Aussagen so formu-
liert werden müssen, dass sie prinzipiell an der Wirklichkeit scheitern
können. Das heißt, eine wissenschaftliche Aussage muss so formuliert
werden, dass sie an Erfahrungen, die wir in der Wirklichkeit machen,
überprüft werden kann. Die so plausibel klingende Aussage ist aller-
dings in der Praxis nicht ganz so einfach und mit vielfältigen theoreti-
schen wie praktischen Problemen behaftet. Ein einfaches Beispiel mag
dies illustrieren. Der Satz „Alle Hunde bellen“ klingt plausibel und rich-
tig. Zudem könnte man problemlos in der Wirklichkeit feststellen, ob
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Hunde bellen, z. B. indem man dem Dackel der Nachbarin auf den
Schwanz treten würde (was man als teilnehmende Beobachtung be-
zeichnen könnte, auf die wir später noch eingehen werden). So weit –
so gut. Allerdings beinhaltet dieser Satz eine „All-Aussage“, d. h. er be-
ansprucht universelle Gültigkeit für alle Hunde – nun kann man aber
nicht alle Hunde der Welt beobachten, geschweige denn, ihnen auf den
Schwanz treten, d. h. die Aussage ist in ihrem Geltungsbereich (alle
Hunde bellen) nicht überprüfbar und daher auch keine wissenschaft-
liche Aussage (sondern ein Glaubenssatz).
Es existiert noch ein zweites Problem in Bezug auf das Verhältnis von
Aussagen und Beobachtungen, das man das Induktionsproblem nennt
und das man sehr anschaulich an einem Beispiel illustrieren kann, von
dem der Philosoph Bertrand Russel berichtet (zitiert nach Dürr, 1999, Wissenschaftliches
S. 71f.): Danach stellte ein Truthahn fest, dass er jeden Morgen um Schließen
9 Uhr gefüttert wurde. Als skeptischer Wissenschaftler wollte er die-
sem Satz nicht so recht Glauben schenken und sammelte über viele
Tage Beobachtungen, bei Sonne und Regen, in der Woche und am Wo-
chenende, bis er zu dem Schluss kam, dass er immer um 9 Uhr gefüt-
tert würde. Er schloss also aus einer Vielzahl von Beobachtungen in
der Wirklichkeit auf eine auch in Zukunft gültige Regel, einen Schluss,
den die Philosophie Induktionsschluss nennt und der zu den Grund-
formen unseres logischen Denkens gehört. Wie problematisch dieser
Schluss ist, erfuhr der arme Truthahn, als ihm am Weihnachtsmorgen
um 9 Uhr der Hals durchgeschnitten wurde.
Man sieht also, das Verhältnis wissenschaftlicher Aussagen zu Wirk-
lichkeitsbeobachtungen (und umgekehrt) ist nicht so einfach, wie es
auf den ersten Blick erscheint. Die Wissenschaftstheorie – die ein Teil-
gebiet der Philosophie ist, hat daher eine Vielzahl von teils überaus

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34 Kapitel 2

kontroversen Überlegungen angestellt, wie wissenschaftliche Aussa-


gen zu formulieren sind und wie und unter welchen Bedingungen diese
an der Wirklichkeit überprüft werden können (siehe hierzu z. B. Steg-
müller, 1980). Für die Psychologie bedeutsam sind in diesem Zusam-
menhang vor allem zwei Fragen: (1) wie wissenschaftliche Aussagen
formuliert sein müssen, um sie prinzipiell an der Wirklichkeit überprü-
fen zu können und (2) welche Methoden zur Verfügung stehen, um in
der Wirklichkeit Beobachtungen machen zu können, die zur Überprü-
fung wissenschaftlicher Aussagen genutzt werden können. Ersteres
betrifft die Frage danach, was eine wissenschaftliche Theorie ist, Zwei-
tes ist eine Frage nach der Empirie. Beides wollen wir in den folgen-
den Abschnitten kurz beleuchten.
Eine ganz andere Frage ist die nach dem Verhältnis unserer Wirklich-
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keitswahrnehmung zu einer vermeintlich oder tatsächlich vorhande-


nen Realität außerhalb unserer Erfahrung, also vereinfacht gesagt, die
Frage, ob es die Welt auch dann noch gibt, wenn wir sie nicht wahr-
nehmen können (die „Dinge an sich“). Diese erkenntnistheoretische
Frage hat im Rahmen der sogenannten Konstruktivismusdebatte (Gers-
tenmaier & Mandl, 1995) vor allem in den 1990er Jahren auch in der
Pädagogischen Psychologie eine Rolle gespielt. Wir werden sie an an-
derer Stelle (vgl. Kap. 10) noch beleuchten.

2.1.1 Was ist eine wissenschaftliche Theorie?


Schlägt man ein beliebiges Lexikon auf, wird man darin finden, dass
es sich bei einer (wissenschaftlichen) Theorie um einen Satz von Aus-
sagen zur Beschreibung eines bestimmten Gegenstandsbereichs han-
delt. Wichtig dabei ist, dass diese Aussagen
• in sich widerspruchsfrei (intern konsistent),
• explizit,
• empirisch überprüfbar und
• sparsam sind.
Theorien können dabei mehr oder minder große Gegenstandsberei-
che umfassen, sie können sich auf Strukturen oder Prozesse oder auch
auf beides beziehen. In der deutschsprachigen Literatur wird darüber
Theorien vs. Modelle hinaus häufig zwischen Theorien und Modellen unterschieden und
dabei wird häufig impliziert, dass Modelle so etwas wie schwächere
Vorformen von Theorien seien. Im englischen Sprachgebrauch ist die-
ser Unterschied so nicht zu finden, die Begriffe werden weitgehend sy-
nonym verwendet. So beschreiben etwa das „Working Memory Model“
von Alan Baddeley (Baddeley, 1986) oder die „Cognitive Theory of

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 35

Multimedia Learning“ von Richard Mayer (Mayer, 2001; vgl. Kap. 9),
zwei in der Pädagogischen Psychologie bedeutsame Theorien zu Struk-
tur- und Prozessaspekten menschlicher Informationsverarbeitung. Bei-
den gemeinsam ist, dass sie die geforderten Eigenschaften von Theo-
rien aufweisen.
Häufig finden sich in der Pädagogischen Psychologie Theorien mit sehr
unterschiedlichen Geltungsbereichen. Neben globalen Theorien wie
beispielsweise den erwähnten zur Informationsverarbeitung finden
sich auch teils sehr spezifische „Mikrotheorien“ zur Erklärung sehr eng
umgrenzter Gegenstandsbereiche, etwa zur Erklärung des Zusammen-
hangs von kognitiver Belastung und Leistung (siehe Kasten). Zudem
sind pädagogisch-psychologische Theorien häufig anwendungsbezo-
gen (sogenannte technologische Theorien) und zielen auf die Vorher-
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sage zukünftiger Variablenausprägungen (präskriptive Theorien).

Ein Beispiel für eine pädagogisch-psychologische


Theorie: die Cognitive Load Theory (Sweller, 1988;
Plass, Moreno & Brünken, 2010)
Nur wenige theoretische Konzepte haben in der Pädagogischen Psycho-
logie in den letzten Jahren eine ähnliche Verbreitung gefunden wie die
Cognitive Load Theory. Sie stellt die Grundlage für eine Vielzahl empiri-
scher Untersuchungen in verschiedenen Anwendungsdomänen, wie dem
Lernen mit Medien, dem Lernen aus Lösungsbeispielen und dem Exper-
tiseerwerb dar (für einen Überblick siehe Plass et al., 2010 und Sweller,
Ayres & Kalyuga, 2011). Während an anderer Stelle noch genauer auf
die Bedeutung der Cognitive Load Theory für einzelne Wissenschafts-
bereiche eingegangen wird (vgl. Kap. 9), wird sie an dieser Stelle darge-
stellt, weil sie einige Elemente pädagogisch-psychologischer Theorien
exemplarisch verkörpert: (1) Sie basiert auf psychologischer Grundla-
genforschung; (2) sie besteht nur aus wenigen Grundannahmen und ist
daher empirisch gut prüfbar; (3) sie ist bereichsspezifisch und daher in
ihrem Geltungsbereich klar umrissen; (4) sie ist (auch) eine präskriptive
Theorie und (5) sie ist dynamisch und entwickelt sich anhand empi­
rischer Forschungsergebnisse und wissenschaftlicher Kontroversen
­weiter.

Gegenstand der Cognitive Load Theory ist die Beziehung zwischen men-
taler Belastung und Leistung beim Lernen. Grundlage der Theorie (1) bil-
den einerseits Theorien des Arbeitsgedächtnisses, insbesondere das
Working Memory Model von Baddeley (1986), andererseits Theorien der
Informationsverarbeitung, insbesondere schematheoretische und ex-
pertisebezogene Modelle (z. B. Schneider & Shiffrin, 1977; Ericsson &
Kintsch, 1995). Aufbauend auf diesen kognitionspsychologischen Grund-
lagen formuliert die Theorie (2) eine zentrale Annahme: Das Ausmaß an

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36 Kapitel 2

Wissenserwerb hängt von den für den Lernprozess eingesetzten kogni-


tiven Ressourcen ab (vgl. Abb. 1). Der Ressourcenbedarf im Lernprozess
wird dabei determiniert von der Aufgabenschwierigkeit (intrinsic load),
der Art der Informationspräsentation (extraneous load) und den Wis-
senskonstruktionsprozessen (germane load). Diese Quellen kognitiver
Belastung können sich wechselseitig kompensieren. Da die Gesamt-
menge verfügbarer Ressourcen begrenzt ist, wird bei gleichem Lernin-
halt umso mehr gelernt, je ressourcenschonender die Informationsdar-
bietung erfolgt. Diese Annahme ist nun empirisch gut prüfbar, indem
man kognitive Belastung und Wissenserwerb misst und miteinander in
Beziehung setzt.

(1) Hoher intrinsic load, hoher extraneous load, notwendiger germane load überschrei-
tet verfügbare Kapazität: Cognitive Overload; kaum oder kein Wissenserwerb

intrinsic extraneous germane


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cognitive load cognitive load cognitive load

(2) Geringer extraneous load, hoher germane load: besserer Wissenserwerb

intrinsic extraneous germane


cognitive load cognitive load cognitive load

(3) Hoher extraneous load, geringer germane load: schlechterer Wissenserwerb


intrinsic extraneous germane
cognitive load cognitive load cognitive load

Arbeitsgedächtniskapazität

Abbildung 1: Basisannahmen der Cognitive Load Theory

Die Theorie ist dabei (3) als Modell der Wissenskonstruktion bereichs-
spezifisch und damit klar umrissen. Als Instruktionstheorie ermöglicht
sie darüber hinaus (4) eine Vorhersage der Lerneffizienz unterschiedli-
cher Formen der Informationsvermittlung und hat damit einen präskrip-
tiven Charakter. Die Theorie hat (5) in den letzten Jahren eine Vielzahl
empirischer Studien angeregt, die einerseits ihre Basisannahmen weit-
gehend bestätigt haben, andererseits zu einer kontinuierlichen Diskus-
sion über ihre Weiterentwicklung geführt haben (z. B. de Jong, 2009; Ka-
lyuga, 2011; Schnotz & Kirschner, 2007).

Neben der Bezeichnung „wissenschaftliche Theorien“ findet man in


Wissenschaftliche
­Theorien und subjektive
der Psychologie auch häufig die Begriffe „Alltagstheorien“ oder „sub-
Theorien jektive Theorien“. Gemeint ist damit, dass Menschen häufig in sich
mehr oder weniger konsistente Vorstellungen über Zusammenhänge
von Phänomenbereichen haben, die durchaus auf Erfahrungen basie-
ren können und zur Erklärung und Vorhersage von Ereignissen einge-
setzt werden, die aber nicht den Status einer wissenschaftlichen The-
orie besitzen. So zeigt die entwicklungspsychologische Forschung, dass

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 37

Kinder subjektive Theorien über naturwissenschaftliche Phänomene


bilden, die häufig unserer naturwissenschaftlichen Erklärung zuwider-
laufen, sodass sie im Laufe der Schulzeit umgelernt werden müssen –
die Forschung spricht hier von „conceptual change“ (Schnotz, 2001a).
Ebenso neigen etwa Lehrer bei der Leistungsbeurteilung von Schülern
zur Verwendung subjektiver Theorien (Spinath, 2005), oft auch, wenn
diese empirischen Beobachtungen zumindest in Teilen widersprechen.
Umso wichtiger ist es, bei der Formulierung solcher Theorien, die einen
wissenschaftlichen Anspruch erheben, ihre Qualität genau bestimmen
zu können.

2.1.2 Von der Theorie zur Empirie


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Eine interessante Debatte zum Stellenwert pädagogisch-psychologi-


scher Theoriebildung im Kontext praktischer Fragestellungen der Bil-
dungssystemgestaltung, die in Deutschland nicht zuletzt unter Betei-
ligung der Deutschen Forschungsgemeinschaft geführt wurde, hat sich
in den letzten Jahren entwickelt (Brüggemann & Bromme, 2006; Fi-
scher, Weibel & Wecker, 2005). Im Kern geht es bei dieser Debatte um
die Analyse der Kluft zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und pä- Verhältnis Theorie
dagogischer Praxis und Möglichkeiten ihrer Überwindung (Stark & und Praxis
Mandl, 2007). Ohne diese interessante Debatte im Einzelnen hier
nachzeichnen zu können, lässt sich festhalten, dass an ihr exempla-
risch ein gewisses Dilemma der Pädagogischen Psychologie deutlich
wird: Als psychologische Disziplin ist sie deren strengen theoretischen
und methodischen Anforderungen verpflichtet, die weitestgehend auf
wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ausgerichtet sind, als Disziplin
im pädagogischen Handlungsfeld ist sie gleichzeitig der Praxis, also
der Frage der Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnis in päda-
gogischem Handeln, etwa in der Schule, verpflichtet. Diese gleichzei-
tige „Bedienung“ einer erkenntnis- wie einer nutzenorientierten Per-
spektive bezeichnen Fischer, Waibel und Wecker (2005) in Anlehnung
an den Wissenschaftstheoretiker Stokes (1997) als „Pasteurs Quadran-
ten“ (vgl. Tab. 4).
Die Antwort darauf, wie pädagogisch-psychologische Forschung, die
eines solchen Anspruchs gerecht werden will, auszusehen hat, fällt
dabei durchaus unterschiedlich aus. Dies hat insbesondere im bildungs-
bezogenen Bereich damit zu tun, dass neben psychologischen For-
schern auch andere Wissenschaftsdisziplinen, die weit weniger allein
auf empirische Methoden fokussiert sind, am Diskurs beteiligt sind. In
der internationalen Debatte wird eine strenge empirisch-experimen-
telle Vorgehensweise von vielen einflussreichen Autoren als Grundvo-

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38 Kapitel 2

raussetzung für einen angemessenen Praxistransfer angesehen (vgl.


Shavelson & Towne, 2002; Slavin, 2002), schlagwortartig formuliert
im Konzept der „evidence based education“ (Slavin, 2002). Dies führte
in der Folge – auch durch die veränderte Forschungs-­Förderpolitik
staatlicher Förderorganisationen wie der NSF (National Science Foun-
dation) in den USA oder der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
– zu einer deutlichen Stärkung traditioneller psychologischer Metho-
den, insbesondere experimenteller Methoden in der Forschung. Gleich-
zeitig wurde aber auch die Frage diskutiert, wie Forschungsfragen for-
muliert werden müssen, damit die methodisch korrekt durchgeführten
Studien auch von praktischer Relevanz sind und wie ein Dialog von
Forschung und Praxis organisiert werden könnte. Hierbei werden vor
allem zwei Überlegungen thematisiert: Zum einen geht es darum, sys-
tematisch Fragen aus der pädagogischen Praxis für wissenschaftliche
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Analysen aufzugreifen und diese in (grundlagen-)wissenschaftlichen


Studien zu untersuchen (anwendungsorientierte Grundlagenfor-
schung; Brüggemann & Bromme, 2006), zum anderen werden Mög-
lichkeiten einer systematischen Verschränkung von Erkenntnisgewinn
und Praxisanwendung diskutiert, etwa im Bereich der „Design-For-
schung“ (Edelson, 2002).
Insgesamt kann man festhalten, dass die lebhafte Methodendebatte in
der pädagogisch-psychologischen Forschung der letzten Jahre zu einer
deutlichen Sensibilisierung für die methodische Qualität der Untersu-
chungen – etwa bei Peer Reviews einschlägiger Zeitschriften – aber
auch zu einem deutlichen Anstieg der Bedeutung methodischer Ex-
pertise in der pädagogisch-psychologischen Ausbildung geführt hat,
die wegen der Spezifität der Verfahren häufig über die allgemeine Me-
thodenausbildung der Psychologie, etwa im Bereich spezifischer Erhe-
bungs- und Auswertungsverfahren, hinausgeht.

Tabelle 4: Pasteurs Quadrant (nach Stokes, 1997, S. 73)

Forschung ist orientiert praktischem Nutzen


an … Ja Nein

Erkenntnis­ Ja Nutzeninspirierte Reine Grund­


gewinn Grundlagen­ lagenforschung
forschung (Louis (Niels Bohr)
Pasteur)

Nein Reine Anwen- ---


dungsforschung
(Thomas Edison)

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2.2 Empirische Methoden in der


­Pädagogischen Psychologie
Die in der Pädagogischen Psychologie verwendeten empirischen Me-
thoden sind ebenso vielfältig wie die zugrunde liegenden Forschungs-
fragen. Im Unterschied zu anderen Teildisziplinen der Psychologie gibt
es hier weder die leitende Untersuchungsmethode noch das vorherr-
schende Paradigma. Vielmehr orientiert sich das jeweils verwendete
Untersuchungsverfahren häufig an den Traditionen der psychologi-
schen Basismodelle, auf die in der Forschung Bezug genommen wird,
Wie kommt die Pädago-
oder an den spezifischen Bedingungen der Fragestellung. So findet gische Psychologie zu
man im Rahmen der pädagogisch-psychologischen Lehr-Lernfor- ihren Erkenntnissen?
schung ein deutliches Vorherrschen experimenteller Zugänge, wohin-
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gegen im Bereich der Diagnostik der Einsatz testpsychologischer Me-


thoden in korrelativen Studien dominiert. Andere Bereiche – etwa im
Rahmen motivationspsychologischer Modelle – verwenden oft auch
Fragebögen und Self-Assessments, etwa zur Erfassung von Lern- und
Leistungsmotivationsdaten (z. B. FAM; Rheinberg, Vollmeyer & Burns,
2001) oder zur Erhebung des Gebrauchs von Lernstrategien (z. B. LIST;
Wild, Schiefele & Winteler, 1992). Darüber hinaus spielt der Einsatz
ad hoc konstruierter Erhebungsinstrumente insbesondere zur Erfas-
sung des Lernerfolgs eine ebenso wichtige Rolle wie die Nutzung von
Verhaltensbeobachtungen und – in jüngster Zeit – die Verwendung neu-
rowissenschaftlicher Methoden.
Diese Methodenpluralität macht es oft nicht leicht, die Qualität ein-
zelner Studien richtig einschätzen zu können, setzen sie doch häufig
sehr spezifische Kompetenzen im Einsatz und in der Auswertung ver-
schiedenster Verfahren voraus. Dies würde eigentlich ein spezielles
Lehr- oder Handbuch für pädagogisch-psychologische Methodenlehre
nahelegen, das in dieser Form bislang jedoch nicht existiert. Einige der
gängigen Methoden der empirischen Forschung in der Pädagogischen
Psychologie sollen daher an dieser Stelle zumindest kurz vorgestellt
werden, auch um einen Bezug zu den über das Rahmencurriculum der
Psychologieausbildung (Deutsche Gesellschaft für Psychologie, 2005)
verstreuten relevanten Methodenbausteinen zu erleichtern. Dabei sind
vor allem zwei Bereiche von Bedeutung, (1) verschiedene Formen der
Untersuchungsanlage und (2) verschiedene Methoden der Datenge-
winnung. Beide Aspekte sind nicht gänzlich unabhängig voneinander,
sollen aber aus Gründen der Übersichtlichkeit nacheinander bespro-
chen werden. Wichtig ist vorab festzuhalten, dass bei aller Unterschied-
lichkeit im Einzelnen pädagogisch-psychologische Forschung grund-
sätzlich den Standards empirischer psychologischer Forschung und

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40 Kapitel 2

ihren Qualitätskriterien verpflichtet ist (Rost, 2007). Im Unterschied


zu den bildungswissenschaftlichen Nachbardisziplinen (Schlömerkem-
per, 2010) gibt es daher in der Pädagogischen Psychologie keine grund-
sätzliche Debatte über empirische versus nicht empirische Forschungs-
zugänge, wohl aber eine große Vielfalt in der Verwendung von
quantitativen und auch qualitativen Verfahren innerhalb der empiri-
schen Forschung (Mayring, 2002).

2.2.1 Unterschiedliche Aspekte der Anlage


­pädagogisch-psychologischer Studien

Querschnitt versus Längsschnitt


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Obwohl sich viele pädagogisch-psychologische Studien mit der Ent-


wicklung oder Veränderung von Variablen befassen – beispielsweise
der Entwicklung von Kompetenzen –, überwiegt deutlich die Anzahl
querschnittlich angelegter Studien im Vergleich zu längsschnittlichen
Untersuchungen. Dies mag in erster Linie forschungsökonomische
Gründe haben – längsschnittliche Studien sind zeitaufwendig und res-
sourcenintensiv, querschnittliche Studien bergen ebenfalls eine Reihe
von Nachteilen. So ist etwa in Lehr-Lernstudien häufig unklar, ob die
erworbenen Fähigkeiten über einen längeren Zeitraum nachhaltig ver-
fügbar sind. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Effekte unent-
deckt bleiben, die erst nach einer längeren Zeit sichtbar werden. In
querschnittlichen Studien behilft man sich häufig mit Prä-post-Designs,
um treatmentbedingte Veränderungen aufzuzeigen, zunehmend auch
rudimentär längsschnittlich angereichert um Follow-up-Erhebungen
einige Wochen oder Monate nach dem Treatment. Echte Längsschnitt-
studien mit mehreren Erhebungszeitpunkten über mehrere Jahre hin-
weg sind hingegen selten. Bekannt sind hier insbesondere die Studien
im Bereich der Hochbegabtenforschung, z. B. das Marburger Hochbe-
gabungsprojekt (Rost, 2000). In jüngerer Zeit finden sich solche Längs-
schnittstudien aber auch im Bereich der Bildungsforschung.

Verhaltensbeobachtung
Die direkte Verhaltensbeobachtung gehört traditionell zu den Unter-
suchungsverfahren der Pädagogischen Psychologie, die sich im Zuge
der aktuellen Bildungsforschung wachsender Beliebtheit erfreuen (Sei-
del & Prenzel, 2010). Ihr Hauptvorzug liegt darin, dass sie es ermög-
licht, komplexe, psychologisch interessierende Umweltsettings zu er-
fassen, die in kontrollierten Laborstudien kaum herstellbar wären. Ihre

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 41

Hauptanwendung finden sie entsprechend dort, wo der Einfluss situ-


ativer Rahmenbedingungen auf pädagogisch-psychologische Zielvari-
ablen erfasst werden soll (Dalehefte & Kobarg, 2012). Ein typisches
Beispiel dafür ist die Unterrichtsforschung, in welcher der Frage nach-
gegangen wird, welche Aspekte und Rahmenbedingungen schulischen
Unterrichts einen Einfluss auf den Wissenserwerb von Schülerinnen
und Schülern haben können. Theoretische Grundlage solcher Studien
sind häufig komplexe Modelle, wie beispielsweise das in Kapitel 11 er-
läuterte Angebots-Nutzungs-Modell des Unterrichts (Helmke, 2006;
vgl. Kap. 11), die vielfältige Variablen auf unterschiedlichen Ebenen be-
inhalten und in ihrer Gesamtheit nicht in kontrollierten experimentel-
len Studien testbar sind. Valide Informationen zu solchen Modellen
lassen sich am besten im Rahmen der Beobachtung realen Unterrichts
Beobachtungsverfahren
erhalten. Hierin liegt allerdings schon eine erste Gefahr von Beobach-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

in der Pädagogischen
tungsstudien. Häufig sind diese reaktiv, d. h. die Anwesenheit eines Be- Psychologie
obachters führt dazu, dass sich der Beobachtungsgegenstand ändert.
So wäre es beispielsweise denkbar, dass sich ein Lehrer besonders viel
Mühe gibt, weil er weiß, dass seine Unterrichtsstunde beobachtet wird,
ebenso könnten sich die Schüler durch die Anwesenheit eines Beob-
achters gestört fühlen. Häufig werden Beobachtungsstudien daher
nicht durch personale Beobachter, sondern anhand von Videoaufzeich-
nung durchgeführt. Dies hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Be-
obachtungen dauerhaft gespeichert, und damit für eine Auswertung
auch unabhängig vom teilnehmenden Beobachter zugänglich sind. Vi-
deobasierte Beobachtungsstudien haben aus methodischer Perspek-
tive aber noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Um von der
Beobachtung zur Datenerhebung zu kommen, muss zunächst festge-
legt werden, was beobachtet werden soll, und in welcher Form dies ge-
schehen soll. Dazu benötigt man mehr oder weniger standardisierte
Beobachtungsverfahren oder Klassifikationssysteme. Hierzu liegen
eine Reihe von Vorschlägen vor (vgl. Dalehefte & Kobarg, 2012). Zur
Sicherstellung psychometrischer Gütekriterien, wie Objektivität und
Reliabilität, ist es darüber hinaus in der Regel notwendig, eine Beob-
achtung durch mehrere geschulte Beobachter klassifizieren zu lassen,
was wiederum den Bearbeitungsaufwand erheblich steigert. Zur Un-
terstützung steht dabei spezielle Software zur Verfügung. Trotz ihres
erheblichen Aufwandes haben in den letzten Jahren Videostudien als
Methode der Unterrichtsforschung erheblich an Bedeutung gewonnen,
was nicht zuletzt an der Verwendung dieser Verfahren im Rahmen in-
ternationaler Bildungsstudien, etwa der TIMSS-Videostudie, liegt (vgl.
Pauli & Reusser, 2006).

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42 Kapitel 2

Korrelationsstudien
Zu den weit verbreiteten Untersuchungsanlagen der Pädagogischen
Psychologie gehören die Korrelationsstudien. Hierbei geht es in erster
Linie um die Analyse des Zusammenhangs mehrerer psychologisch in-
teressierender Variablen. Im einfachsten Fall werden dabei zwei Vari-
ablen in den Blick genommen, etwa der Zusammenhang von Motiva-
tion und Leistung oder von elterlichem Einkommen und Bildungserfolg
der Kinder. Korrelationsstudien sind immer dann angezeigt, wenn eine
oder mehrere der interessierenden Variablen nicht oder nur sehr
schwer beeinflussbar sind, was häufig bei vergleichsweise stabilen Per-
sonenvariablen wie beispielsweise Intelligenz oder dem sozioökono-
mischen Status des Elternhauses der Fall ist. Auch können Korrelati-
onsstudien genutzt werden, um nachzuweisen, dass vermutete
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Zusammenhänge überhaupt bestehen, bevor man sich daranmacht,


diese kausal zu erklären oder experimentell zu beeinflussen. Korrela-
tionsstudien sind daher extrem nützlich und die Empirische Bildungs-
Korrelation und
forschung wäre ohne sie nicht denkbar. Neben einfachen Modellen zur
­Kausalität Aufdeckung linearer, bivariater Beziehungen gibt es auch sehr viel
komplexere Methoden, die bei entsprechenden Designs eine Annähe-
rung an Kausalprüfungen darstellen. Regressionsanalysen prüfen ge-
richtete Zusammenhänge; mithilfe von Pfadanalysen und Strukturglei-
chungsmodellen kann man multiple Beziehungen und spezifizierende
Bedingungen für das Vorhandensein von Beziehungen überprüfen.
Zum Beispiel werden mit sogenannten Kreuzpfadmodellen wechsel-
seitige Beziehungen zwischen Variablen über mehrere Messzeitpunkte
hinweg überprüft, woraus – mit aller gebührenden Vorsicht – Schlüsse
über gegenseitige kausale Einflüsse gezogen werden können (z. B. Spi-
nath & Steinmayr, 2008; vgl. Kap. 7). Zu Recht weist Rost (2007) in
diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass es sich bei solchen
Analysen keinesfalls um direkte Kausalanalysen handelt. Vielmehr
können durch solche Analysen Vorbedingungen für Kausalzusammen-
hänge geprüft und ggf. auch Kausalzusammenhänge ausgeschlossen
werden. Es handelt sich bei diesen Analysen stets um die Anpassung
spezifischer mathematischer Modelle an einen gegebenen Datensatz.
Die verwendeten Fit-Indizes zeigen an, mit welcher Güte die Modell­
anpassung unter spezifischen Annahmen gelingt. Offen bleibt jedoch,
ob nicht ein anderes Modell die Daten ebenfalls angemessen repräsen-
tieren könnte. Die Güte solcher Studien steht und fällt also mit der the-
oretischen Plausibilität der verwendeten Modelle. In dem Maße, in
dem der Prüfung fundierte theoretische Überlegungen zugrunde lie-
gen, werden alternative Erklärungen unwahrscheinlicher.

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 43

Experimentelle Studien
Auch in der Pädagogischen Psychologie stellt das Experiment die Me-
thode der Wahl dar, wenn das Ziel der Untersuchung die Aufdeckung
von Kausalbeziehungen ist. Allerdings zeichnet sich die Pädagogische
Psychologie auch hier durch einige Besonderheiten aus. Neben dem
klassischen psychologischen Experiment, das vor allem im Rahmen
der lehr-lernpsychologischen Grundlagenforschung verbreitet ist, spielt
das Quasiexperiment eine wichtige Rolle. Hierbei handelt es sich um
Studien, deren Versuchspläne experimentell angelegt sind, die jedoch
in der Regel keine vollständig randomisierte Zuweisung von Versuchs-
personen zu den experimentellen Bedingungsfaktoren aufweisen. Die
Gründe hierfür sind häufig untersuchungstechnischer oder auch recht-
licher Natur und vielfach in Studien zu finden, in denen Schülerinnen
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und Schüler in Schulklassen untersucht werden. Hierbei ist es häufig Besondere Formen
­experimenteller Studien
notwendig, Schülerinnen und Schüler klassenweise zu untersuchen, in der Pädagogischen
d. h. eine Bedingungsvariation ist nur zwischen, aber nicht innerhalb Psychologie
von Klassen realisierbar. Daraus ergeben sich eine Reihe methodischer
Schwierigkeiten, da hier Effekte der Bedingungsvariation nicht ohne
weiteres von denen der Klassenzugehörigkeit getrennt werden kön-
nen. Hier ist es von entscheidender Bedeutung, möglichst viele effekt­
relevante Variablen in allen untersuchten Gruppen mitzuerheben (z. B.
Vorwissen, Intelligenz, Geschlechterverteilung etc.), um deren Einfluss
gegebenenfalls statistisch schätzen zu können (etwa im Rahmen ko-
varianzanalytischer Auswertungen). Ein weiteres, ebenfalls häufig zu
findendes Studiendesign stellen die Trainings- bzw. Interventionsstudien
dar. Hierbei werden im Rahmen meist „echter“ experimenteller Ver-
suchspläne Untersuchungsgruppen verglichen, von denen einige eine
spezifische Intervention, z. B. in Form eines Trainings, erhalten. Ziel
dieser Studien ist es weniger, kausale Beziehungen aufzuzeigen, als
vielmehr die Wirksamkeit eines Treatments im Vergleich zu einer Kon-
trollgruppe nachzuweisen. Solche Studien finden sich beispielweise im
Rahmen der Forschung zu kognitiven Trainings (Klauer, 2001a) sehr
häufig.

ATI-Studien
Zu den Besonderheiten pädagogisch-psychologischer Untersuchungs-
anlagen gehören die Aptitude-Treatment-Interaction-Studien (ATI-Stu-
dien; Brünken & Leutner, 2005; Hasebrook & Brünken, 2010; vgl. auch
Kap. 9). Diese Studien, deren Bezeichnung auf Cronbach (1967; Cron-
bach & Snow, 1977) zurückgeht, untersuchen den Zusammenhang von
Lernervoraussetzungen (Aptitudes) und instruktionalen Interventio-

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44 Kapitel 2

ATI-Studien prüfen den nen (Treatments). Sie gehen dabei der Frage nach, ob bestimmte Treat-
Zusammenhang von
Personenmerkmalen ments (zum Beispiel Trainings oder bestimmte Formen der Informa-
und Trainingsformen tionsdarstellung) für alle Personen in gleicher Weise wirksam sind,
oder ob sich systematische Unterschiede in der Treatment-Wirksam-
keit nachweisen lassen. Cronbach (1967) verstand solche Studien quasi
als differentialpsychologischen Zugang innerhalb der Pädagogischen
Psychologie. Während die Treatment-Variation häufig im Rahmen ex-
perimenteller Bedingungsvariation realisiert wird, werden Aptitude-
Variablen oft durch standardisierte Tests erhoben. Zur Analyse im Rah-
men varianzanalytischer Auswertungen werden diese dann ex post
klassifiziert – beispielsweise anhand eines Mediansplits. Spezifische
ATI-Effekte zeigen sich dann in den varianzanalytischen Interaktions-
termen. Die Reduktion der Aptitude-Variablen auf das Niveau einer
kategorialen Variable, wie sie für eine varianzanalytische Auswertung
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notwendig ist, birgt jedoch eine Vielzahl von Nachteilen, ­insbesondere


einen hohen Informationsverlust, weshalb in neueren Untersuchun-
gen komplexere Auswertungsverfahren auf regressionsanalytischer
Basis verwendet werden (Leutner & Rammsayer, 1995; Münzer, Seu-
fert & Brünken, 2009).

Eine ATI-Studie (Münzer, Seufert & Brünken, 2009)


In der Forschung zum Lernen mit neuen Medien gehen viele Studien der
Frage nach, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz von dyna-
mischen Visualisierungen im Vergleich zu statischen Bildern Vorteile
beim Wissenserwerb mit sich bringt (für eine Übersicht siehe Höffler &
Leutner, 2007; vgl. auch Kap. 9). Es hat sich dabei gezeigt, dass sich die
erwarteten Vorteile nicht unter allen Bedingungen einstellen und von
einer Reihe von Faktoren, etwa der Art der Aufgabenstellung und den
Charakteristika der Lerninhalte, abhängen. Weiterhin konnten For-
schungsarbeiten zum Lernen mit Texten und Bildern zeigen, dass das
individuelle räumliche Vorstellungsvermögen des Lernenden ebenfalls
einen Einfluss auf das Ausmaß des Wissenserwerbs haben kann (Mayer
& Sims, 1994).

In ihrer Studie interessierten sich Münzer und Kollegen nun für die Frage,
ob das räumliche Vorstellungsvermögen auch einen Einfluss auf die Ef-
fizienz des Lernens mit statischen versus dynamischen Repräsentati-
onen hat. Dazu untersuchten sie in einer experimentellen Studie 94 Stu-
dierende, denen sie computerbasierte Lehr-Lernmaterialien zu einem
biologischen Thema vorlegten. Dabei sollten die Lerner verstehen, wie
in einem biologischen Molekül Energie durch eine räumliche Konfigura-
tionsänderung gespeichert werden kann. Die Versuchspersonen wurden
per Zufall auf drei Gruppen verteilt; alle Gruppen erhielten die gleiche
Information in Form einer audiovisuellen Präsentation. Während die

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 45

narrative Information bei allen Gruppen identisch war, unterschied sich


die Form der visuellen Information: Gruppe 1 erhielt eine Serie von sta-
tischen Bildern, Gruppe 2 ein dynamisches Video. Gruppe 3 erhielt die
gleichen statischen Bilder wie Gruppe 1, die jedoch um Richtungsindi-
katoren in Form von Pfeilen und visuellen Hinweisen angereichert waren.
Bei allen Versuchspersonen wurde das räumliche Vorstellungsvermö-
gen mithilfe eines standardisierten Testverfahrens gemessen. Der Wis-
senserwerb wurde durch einen lehrzielorientierten Test gemessen, das
Vorwissen der Probanden durch einen Vortest kontrolliert. Die Daten-
auswertung erfolgte mithilfe eines regressionsanalytischen Modells.

Die Ergebnisse der Studie bestätigten die Befunde, dass nicht mit einem
einheitlichen Vorteil dynamischer Repräsentationen im Vergleich zu sta-
tischen Repräsentationen gerechnet werden kann. Vielmehr waren so-
wohl die dynamische (Gruppe 2) als auch die angereichert statische Be-
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dingung (Gruppe 3) der rein statischen Bedingung (Gruppe 1) mit Bezug


auf das relevante Wissen überlegen. Darüber hinaus zeigte sich ein in-
teressanter ATI-Effekt (vgl. Abb. 2):

angereicherte statische Bilder


Wissenserwerb
Wissenserwerb

Video-Animation
statische Bilder

Räumliches
RäumlichesVorstellungsvermögen
Vorstellungsvermögen

Abbildung 2: ATI-Effekt in der Studie von Münzer et al. (2009)

Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang von räumlichem Vorstellungs-


vermögen und Wissenserwerb getrennt für die drei Versuchsgruppen.
Wie zu sehen ist, unterscheiden sich die Steigungen (slopes) der Regres-
sionsgeraden voneinander. Nachfolgende statistische Analysen konn-
ten zeigen, dass sich die Steigung für Gruppe 3 signifikant von den
­beiden anderen Gruppen unterscheidet. Dies bedeutet, dass in dieser
Gruppe der Wissenserwerb deutlich stärker mit dem räumlichen
­Vorstellungsvermögen zusammenhängt als in den anderen Bedingun-
gen. Münzer und Kollegen interpretieren diesen Effekt so, dass Lerner
durchaus dazu in der Lage sind, mit angereicherten statischen Bildern

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46 Kapitel 2

genauso effizient zu lernen wie mit dynamischen Repräsentationen,


aber nur unter der Bedingung, dass sie über ein ausreichend ausgepräg-
tes räumliches Vorstellungsvermögen verfügen. In der dynamischen Prä-
sentationsbedingung profitieren hingegen auch die Lerner, die ein ge-
ringeres räumliches Vorstellungsvermögen aufweisen.

Damit konnte gezeigt werden, dass die Effizienz eines bestimmten Treat-
ments (Instruktion mit angereicherten statischen Bildern) von der Aus-
prägung einer Aptitude (räumliches Vorstellungsvermögen) abhängt.

Die Untersuchung von ATI-Effekten hat aus pädagogisch-psychologi-


scher Perspektive eine Reihe von Vorzügen, erlaubt sie doch einen me-
thodischen Zugang zu pädagogisch relevanten Fragen wie Binnendif-
ferenzierung und individueller Förderung (Glaser, 1977). Einen ersten
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Höhepunkt erfuhren ATI-Studien daher im Rahmen der Forschung zu


adaptiven Lehrmethoden (Leutner, 1992). Allerdings wurden auch
schnell Probleme der ATI-Forschung sichtbar (Corno & Snow, 1986).
Durch den ursprünglich gewählten varianzanalytischen Ansatz waren
die gesuchten Effekte per definitionem Interaktionsterme, häufig konn-
ten solche Effekte daher nur schwer repliziert werden. Zudem war da-
durch die Anzahl untersuchbarer Interaktionen begrenzt – schon Drei-
fachinteraktionen sind schwer zu interpretieren (und noch schwerer
zu finden). Insgesamt zeigt sich nach einer Zeit, in der solche Studien
eher selten zu finden waren, in den letzten Jahren jedoch eine deutli-
che Renaissance von ATI-Studien (Brünken & Leutner, 2005).

Metaanalysen
Die Vielzahl empirischer Untersuchungen zu bestimmten Themen der
Metaanalysen sind
Pädagogischen Psychologie macht es oft schwer, einen Überblick über
­Sekundäranalysen den jeweils aktuellen Stand der Forschung zu gewinnen. Dies ist ge-
­verschiedener Original-
arbeiten zum gleichen
rade für praktische Zwecke der Gestaltung von Lehr-Lernsituationen
Thema von großem Nachteil, zumal hier oft mit fach- oder auch wissenschafts-
fremden Personen zusammengearbeitet werden muss (z. B. mit Web-
designern, Lehrkräften oder Bildungspolitikern). In diesem Zusam-
menhang ist festzustellen, dass in den letzten Jahren Metaanalysen
(Glass, McGaw & Smith, 1981) in der pädagogisch-psychologischen
Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Bei dieser
Form der Studie handelt es sich um eine Sekundäranalyse, d. h. es
­werden keine Originaldaten an Versuchspersonen erhoben, sondern
bereits bestehende Datensätze werden weiter analysiert. Ziel der Me-
taanalyse ist es dabei eine Übersicht über einen bestimmten For-
schungsbereich zu erzielen, wobei im Unterschied zu Literaturüber-

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 47

sichten (reviews) die Originaldaten mithilfe statistischer Verfahren


weiter analysiert werden (Fricke & Treinies, 1985). Ausgangspunkt
einer Metaanalyse ist dabei zunächst eine sorgfältige und umfassende
Literaturrecherche zu einem bestimmten Thema. Behilflich dabei sind
die mittlerweile umfassend verfügbaren internationalen Literaturda-
tenbanken. Allerdings besteht hier bereits die erste Herausforderung:
Solche Datenbanken sind schlagwortbasiert und liefern nur Ergebnisse
zu den jeweils nachgefragten Begriffen. Wichtig ist daher in einem ers-
ten Schritt die Auswahl passender Schlagworte, die den interessieren-
den Gegenstandsbereich einerseits umfassend beschreiben, anderer-
seits trennscharf genug gegen andere Bereiche abgrenzen. Häufig
werden diese datenbankbasierten Anfragen ergänzt um informellere
Formen der Recherche, um auch Studien zu finden, die nicht in Zeit-
schriften veröffentlicht wurden (beispielsweise in Dissertationen oder
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Forschungsberichten). In einem zweiten Schritt werden nun die so ge-


fundenen Studien auf ihre Tauglichkeit hin geprüft. Neben der inhalt-
lichen Passung spielen hier insbesondere Qualitätskriterien der Studie
eine Rolle sowie das Vorhandensein relevanter statistischer Informa-
tionen wie Mittelwerte, Streuungen und Kennwerte von Prüfstatisti-
ken. Von besonderer Bedeutung sind dabei Effektstärkemaße, die über
die inferenzstatistische Zufallsabsicherung hinaus die zu erwartende
Größe des Effektes beschreiben (vgl. Rost, 2007). Sofern diese in den
Primärstudien nicht angegeben sind, werden sie in der Regel von den
Autoren der Metaanalyse nachberechnet. In einem dritten Schritt wer-
den nun die zusammengestellten Studien einer weiteren statistischen
Analyse unterzogen. Dabei fungieren die einzelnen Studien als Beob-
achtungseinheiten und ihre Kennwerte als Merkmale. Ermittelt ­werden
dann mittlere Effektstärken über alle Studien hinweg sowie Modera-
toren oder Mediatoren: das sind Variablen, die als Rahmenbedingun-
gen das Auftreten von Effekten beziehungsweise ihre Effektstärke
(siehe Kasten) beeinflussen können.

Effektstärken
Üblicherweise wird in der Psychologie als zentrales Kriterium für die Be-
lastbarkeit empirischer Befunde die statistische Signifikanz betrach-
tet. Diese macht Aussagen darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit –
unter bestimmten mathematischen Voraussetzungen – ein in den
empirischen Daten gefundener Effekt, zum Beispiel ein Mittelwertsun-
terschied zwischen zwei experimentellen Gruppen – zufällig zu erwar-
ten wäre. Die beiden Parameter, die in diesem Zusammenhang berich-
tet werden, sind das Signifikanzniveau α sowie der p-Wert, der die
Auftretenswahrscheinlichkeit unter einer bestimmten Verteilungsan-
nahme angibt.

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48 Kapitel 2

Die statistische Signifikanz sagt aber noch nichts darüber aus, ob der
Effekt, der in der Untersuchung gefunden wurde, auch praktisch bedeut-
sam ist, d. h. ob der Effekt so groß ist, dass es lohnenswert erscheint,
beispielsweise praktische pädagogische Empfehlungen aus den Ergeb-
nissen abzuleiten. Denn die statistische Signifikanz (oder Nicht-Signi-
fikanz) eines Effektes hängt nicht nur von der tatsächlichen Unter-
schiedlichkeit ab, sondern auch von vielen anderen Faktoren, wie dem
gewählten Untersuchungsdesign oder der Anzahl untersuchter Ver-
suchspersonen.
Mithilfe von Maßen der Effektstärke versucht man nun, die Größe des
Effektes einer experimentellen Variation zu quantifizieren, um damit
einen Eindruck davon zu erhalten, wie sich eine Maßnahme in der Pra-
xis auswirkt und damit der Frage der Relevanz näher zu kommen. Es
existieren verschiedene Effektstärkemaße (Wolf, 2010) – welches man
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verwenden kann, hängt vom Skalenniveau, dem Versuchsplan und der


statistischen Analysemethode ab. Besonders verbreitet in der Pädago-
gischen Psychologie ist das Maß d, auch – nach seinem Begründer – Co-
hens d genannt (Cohen, 1969), an dem man das Prinzip auch besonders
einfach deutlich machen kann: Im einfachsten Fall vergleicht man bei-
spielsweise in einem Zwei-Gruppen-Experiment eine Treatment- mit
einer Kontrollgruppe. Ein einfacher t-Test möge dabei einen signifikan-
ten Unterschied zwischen beiden Gruppen aufzeigen. Cohens d berech-
net sich nun als Differenz der beiden Gruppenmittelwerte (M) geteilt
durch die gemeinsame (gepoolte) Standardabweichung (SD) beider
Gruppen:
M1 – M2
d=
SD 1,2

Der Wert d gibt also den Mittelwertsunterschied in Einheiten der Stan-


dardabweichung an, ein d von 1 bedeutet demnach, dass sich die bei-
den Untersuchungsgruppen im Mittel um eine Standardabweichung
voneinander unterscheiden.
Neben der Berechnungsformel bietet Cohen auch einen Klassifikations-
vorschlag für die Bewertung dieser Effektstärken an: Er bezeichnet Ef-
fekte als klein, wenn das d zwischen 0.2 und 0.5 liegt. Mittlere Effekte
haben danach eine Größe zwischen 0.5 und 0.8 Standardabweichun-
gen, Effekte größer 0.8 werden als groß bezeichnet. Hierbei handelt es
sich aber wiederum um normative Setzungen, die jedoch in der Litera-
tur häufig zu finden sind. Wie erwähnt, gibt es neben Cohens d eine Reihe
anderer Effektstärkemaße, etwa für varianz- und regressionsanalytisch
ermittelte Effekte, die in der einschlägigen Literatur beschrieben sind
(vgl. auch Wolf, 2010). Heutzutage wird von vielen Zeitschriften bei der
Publikation von Artikeln gefordert, dass Effektstärkemaße berichtet wer-
den, und ihre Höhe spielt bei der Bewertung der Relevanz eines Treat-
ments eine entscheidende Rolle.

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 49

Metaanalysen erfreuen sich großer Beliebtheit, weil sie empirische Evi-


denz für die Wirksamkeit pädagogisch-psychologischer Interventio-
nen über singuläre Studien hinaus liefern und damit der eingangs dis-
kutierten Forderung von Slavin (2002) entgegenkommen. Andererseits
liefern sie auch für die Forschung interessante Erkenntnisse, da sie hel-
fen, Inkonsistenzen in der empirischen Befundlage zu bestimmten Fra-
gen (wie der oben diskutierten Frage nach der Wirksamkeit dynami-
scher Repräsentationen beim Lernen mit Medien, vgl. Höffler &
Leutner, 2007) aufzudecken und zu erklären. Eine in der Praxis kürz-
lich besonders intensiv diskutierte Metaanalyse stellt die sogenannte
Hattie-Studie (Hattie, 2009, 2012) dar. In dieser Studie, bei der es sich
eigentlich um eine Meta-Metaanalyse handelt, hat der neuseeländi-
sche Bildungsforscher John Hattie über 800 Metaanalysen anhand der
darin berichteten Effektstärken ausgewertet, die sich mit Schulleistung
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(achievement) befassten. Während wir uns an anderer Stelle mit den


inhaltlichen Befunden befassen werden (vgl. Kap. 11), soll hier nur da-
rauf hingewiesen werden, dass diese Studie trotz ihrer Komplexität
eine fast beispiellose öffentliche Resonanz gefunden hat, weil sie auf
komprimierte Weise zu einem großen und praktisch relevanten For-
schungsbereich einen riesigen Satz empirische Originalstudien
(ca. 50 000) zusammengefasst hat.

2.2.2 Datengewinnung

Grundlage
Eine Besonderheit der Pädagogischen Psychologie ist sicher die große In der Pädagogischen
Psychologie werden
Vielfalt der im Rahmen ihrer Forschung erhobenen Datenarten. Wäh- ­unterschiedlichste
rend sich viele andere psychologische Teildisziplinen auf die Analyse Daten verwendet
möglichst objektiver behavioraler Daten wie Reaktionszeiten oder
Blickbewegungen konzentrieren, findet man hier das gesamte Spek­
trum quantitativer und auch qualitativer empirisch-sozialwissenschaft-
licher Methoden vor. Zur Einordnung der Methodenvielfalt zeigt Ta-
belle 5 ein zweidimensionales Klassifikationsschema.

Subjektive Prozessdaten
Subjektive Prozessdaten dienen der Erfassung des pädagogisch-psy-
chologisch interessierenden Prozesses (häufig des Lernprozesses) aus
Sicht des Lernenden. Sie gehören damit zu den Introspektionsverfah-
ren (vgl. Mey & Mruck, 2010), mit allen Vor- und Nachteilen hinsicht-
lich Objektivität, Reliabilität und Validität, die für diese charakteris-

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50 Kapitel 2

Tabelle 5: Klassifikation von Datentypen

Quelle der Datengewinnung

Klassifikation pädagogisch- durch einen


durch die
psychologischer ­Dritten bzw.
­Versuchsperson
­Datengewinnung durch technische
selbst
Registrierung
­(„subjektiv“)
(„objektiv“)

Analyseebene Prozess Selbstbericht behaviorale


(z. B. Laut-Denken- Daten
Protokolle, Lern­ (z. B. Unterrichts-
tagebücher) beobachtungen,
Blickbewegungen
etc.)
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Produkt Selbst­ Tests


einschätzung (informelle,
(Ratingskalen, ­standardisierte,
Fragebogen etc.) ­lehrzielorientierte)

tisch sind (siehe z. B. Brünken, Plass & Leutner, 2003). Trotz ihrer oft
kritisierten methodischen Probleme gehören sie zu den weit verbrei-
teten Methoden insbesondere in der Lehr- Lernforschung. Zu den
dabei besonders häufig zu findenden Verfahren gehören die Methode
des Lauten Denkens (Ericsson & Simon, 1980) sowie Lerntagebücher
(Renkl, Nückles, Schwonke, Berthold & Hauser, 2004).
Beim Lauten Denken (thinking aloud) werden Versuchspersonen z. B.
während des Lernens aufgefordert, alles zu verbalisieren, was ihnen
durch den Kopf geht. Diese verbalen Äußerungen werden in der Regel
per Tonband- oder Videoaufzeichnung protokolliert und im Anschluss
ausgewertet. Dabei erhofft man sich Einblicke in interne kognitive Pro-
zesse, die einer anderweitigen Beobachtung nicht direkt zugänglich
sind. Laut-Denken-Verfahren werden daher oft in Forschungsfeldern
angewandt, in denen die Analyse solcher internen kognitiven Prozesse
im Mittelpunkt steht, etwa im Rahmen der Forschung zum Selbstregu-
lierten Lernen und zu Metakognitionen (z. B. Bannert, 2007; Schrei-
ber, 1998). Die Auswertung der erhobenen Laut-Denken-Protokolle
kann dabei auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen: quantitativ durch
Auszählen der Anzahl geäußerter Kognitionen oder auch qualitativ,
etwa durch die Bewertung der Qualität und Angemessenheit der be-
richteten Strategien. Je nachdem, ob die Auswertung mit mehr oder
weniger Interpretationsspielraum für den Auswerter verbunden ist,
spricht man von niedrig inferenten bzw. hoch inferenten Ratings.

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 51

Neben dem hohen Auswertungsaufwand, der mit diesen Verfahren


verbunden ist, stellt insbesondere die potenzielle Reaktivität des Ver-
fahrens ein Problem dar: Wenn Lernende instruiert werden, über ihren Vorteile und Probleme
bei der Verwendung
Lernprozess zu berichten, stellt sich die Frage, ob nicht erst durch die subjektiver Prozess­
Instruktion die Aufmerksamkeit des Lernenden auf seinen Lernpro- daten
zess gerichtet wird und er erst dadurch z. B. metakognitive Denkpro-
zesse berichtet, die er ohne die Anwendung des Verfahrens gar nicht
gehabt hätte.
Ein zweites, in der aktuellen Forschung der Pädagogischen Psycholo-
gie häufig zu findendes Verfahren zur subjektiven Prozessdatenerfas-
sung sind Lerntagebücher (Renkl et al., 2004; Wagner, Leidinger &
­Perels, 2013). Hierbei handelt es sich um meist vorstrukturierte Doku-
mente, bei denen Lernende regelmäßig ihren Lernprozess und ihre
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Lernergebnisse schriftlich niederlegen (z. B. nach jeder Unterrichts-


stunde oder am Ende der Woche). Aus diagnostischer Perspektive er-
lauben diese Selbstreflexionen einen Einblick in kognitive und meta-
kognitive Prozesse und ermöglichen damit insbesondere einen Zugang
zu lernstrategischen Verhaltensweisen der Lernenden. Da man davon
ausgeht, dass das Führen eines Lerntagebuchs selbst wieder reaktiv
den Einsatz von Lernstrategien fördern kann, wird es nicht nur als Di-
agnostikum, sondern auch – insbesondere im Bereich des Selbstregu-
lierten Lernens – als Förderinstrument eingesetzt. Weniger situations-
spezifisch sind Fragebogenverfahren zur Erfassung subjektiver
Prozessdaten, wie z. B. der in Deutschland weit verbreitete Fragebo-
gen LIST (Lernstrategien im Studium; Wild, 2000; Wild, Schiefele &
Winteler, 1992; vgl. auch Kap. 8 zu methodischen Problemen von Lern-
strategiefragebögen). Der Vorzug dieser Verfahren besteht in ihrer –
im Vergleich zu den vorgenannten Verfahren, weit höheren Durchfüh-
rungs- und Auswertungsökonomie. Zudem werden die Verfahren im
Nachhinein oder auch unabhängig von konkreten Lernsituationen ein-
gesetzt, was ihre Reaktivität reduziert.

Objektive Prozessdaten
Neben der subjektiven Erfassung von Prozessmerkmalen durch den
Lernenden selbst, kommt der Analyse objektiver Daten zunehmende
Bedeutung zu. Diese kann auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Auf
einer Mikroebene werden Verhaltenskorrelate untersucht, die in einem
vermuteten Zusammenhang zu kognitiven Prozesses stehen. Hierzu
gehören klassische behaviorale Maße wie Blickbewegungen, Fixatio-
nen, Reaktionszeiten (Brünken, Seufert & Paas, 2010; van Gog & Schei-
ter, 2010), aber auch Hautleitwiderstand oder Herzfrequenz sowie neu-

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52 Kapitel 2

erdings neuropsychologische Maße wie evozierte Potenziale,


Sauerstoffsättigung oder Energieverbrauch im Gehirn, die mittels EEG
oder bildgebender Verfahren erfasst werden können (z. B. de Jong et al.,
2009). Während Erstere mittlerweile zum Standardrepertoire päda-
gogisch-psychologischer Forschung gehören (siehe das Beispiel im Kas-
ten), werden insbesondere neuropsychologische Methoden hinsicht-
lich ihres Nutzens im Rahmen pädagogisch-psychologischer Forschung
derzeit immer noch kontrovers diskutiert (aktuell siehe z. B. Stern,
2015).

Eine Eye-Tracking-Studie (Park, Korbach & Brünken, 2015)


Eye-Tracking bietet die Möglichkeit, das Blickverhalten von Versuchs-
personen aufzuzeichnen und zu analysieren. Die Blickdaten werden fort-
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laufend aufgezeichnet und zeigen den aktuellen Fokus der Aufmerk-


samkeit an, also wann und welche Information die Versuchsperson wie
lange angeschaut hat. Die Grundlage für die Analyse von Blickdaten bil-
Die Eye-Mind-Hypo- det die Eye-Mind-Hypothese (Just & Carpenter, 1976) und die Annahme,
these ist die Grundlage dass eine visuell fixierte Information kognitiv verarbeitet wird. In der Stu-
für die Analyse von
Blickbewegungsdaten die von Park und Kollegen wurde Eye-Tracking eingesetzt, um den Ein-
fluss von Seductive Details auf den Informationsverarbeitungsprozess
genauer zu bestimmen und anhand der Blickdaten Aussagen in Bezug
auf die kognitive Belastung treffen zu können. Seductive Details beste-
hen aus zusätzlichen Informationen, die für den Lerner zwar sehr inte-
ressant, für das Erreichen des Lernziels jedoch gänzlich irrelevant sind.
Die Verwendung von Seductive Details soll dazu beitragen, den Lernin-
halt für den Lerner interessant und attraktiv zu gestalten und dadurch
günstige Lernvoraussetzungen zu schaffen (Park, Flowerday & Brünken,
2015). Die Befundlage zur Wirkung von Seductive Details ist allerdings
nicht eindeutig, da mehrere Studien einen negativen Effekt auf den Lern­
erfolg nachweisen konnten (z. B. Harp & Maslich, 2005).

In der vorliegenden Studie wurde das Blickverhalten von 50 Studieren-


den während der Bearbeitung eines multimedialen Lernprogramms zur
ATP-Synthase (beschreibt einen biochemischen Prozess) aufgezeich-
net. Die Versuchspersonen wurden per Zufall auf zwei Gruppen verteilt.
Beide Gruppen erhielten die gleichen lernzielrelevanten Informationen
in Form von Abbildungen und dazugehörigen Texten. Während einer
Gruppe nur die lernzielrelevanten Informationen präsentiert wurden,
bearbeitete die andere Gruppe eine mit Seductive Details angereicherte
Version desselben Lernprograms. Zur Auswertung des Blickverhaltens
wurden zunächst sogenannte Areas of Interest (AOIs) definiert. Hierbei
handelt es sich um räumlich abgegrenzte Segmente auf dem Bildschirm,
die jeweils bestimmte Text- und Bildinformationen enthalten (hier lehr-
zielrelevante Texte, lehrzielrelevante Bilder, Seductive Details). In einem
zweiten Schritt wurden nun die Anzahl und Dauer der Fixationen in den

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 53

einzelnen AOIs sowie die Blickwechsel (Transitions) zwischen den AOIs


gemessen. Die unterschiedliche Fokussierung einzelner Elemente lässt
sich dabei auch mittels sogenannter Heatmaps visualisieren – unter-
schiedliche Farben (hier in Graustufen) stehen für unterschiedliche In-
tensitäten (vgl. Abb. 3).
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Abbildung 3: Heatmaps zu den Blickdaten beim Lernen mit (rechts) und ohne
(links) Seductive Details (aus der Studie von Park, Korbach &
Brünken, 2015)

Die Ergebnisse der Studie bestätigen den negativen Effekt von Seduc-
tive Details auf den Lernerfolg. Die Analyse des Blickverhaltens zeigt,
dass sich sowohl die Anzahl der Fixationen als auch die Fixationsdauer
für die relevante Bildinformation in der Gruppe mit Seductive Details si-
gnifikant verringert. Darüber hinaus zeigt sich für diese Gruppe auch ein
signifikanter Rückgang in der Anzahl der Blickwechsel zwischen den re-
levanten Text- und Bild-AOIs. Das unterschiedliche Blickverhalten kor-
reliert mit verschiedenen Parametern der kognitiven Belastung und den
Lernergebnissen, sodass die Autoren die Blickdaten im Sinne einer durch
Seductive Details bedingten, oberflächlichen Informationsverarbeitung
interpretieren und daraus auf eine verringerte kognitive Aktivität bei der
Verarbeitung der lernzielrelevanten Informationen schließen, die zu
einer schlechteren Lernleistung führt.

Neben der Mikroanalyse kognitiver Prozesse mittels objektiver Daten


werden vermehrt auch – vor allem in der Unterrichtsforschung – Mak-
roprozesse mittels objektiver Verfahren analysiert. Exemplarisch hier-
für kann man auf die IPN-Videostudie Physik verweisen (Prenzel et al.,

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54 Kapitel 2

2002). Hierbei wurden zwei aufeinanderfolgende Unterrichtsstunden


zu einem physikalischen Thema mithilfe von Videokameras aufge-
zeichnet, transkribiert, kodiert und schließlich quantitativ und quali-
tativ ausgewertet. Alle Schritte erfolgten dabei zur Sicherung der psy-
chometrischen Gütekriterien auf der Basis hoch standardisierter
Verfahren (Seidel, Prenzel, Duit & Lehrke, 2003). Ziel der Analysen
war es, Unterrichtsmuster und deren Zusammenhang zu parallel erho-
benen Leistungsdaten zu erfassen. Die Studie zeigt beispielhaft die
Möglichkeiten, aber auch den enormen Aufwand, der mit der Nutzung
von Videodaten zur objektiven Prozessbeobachtung verbunden ist.
Eine relativ neue Entwicklung stellt schließlich die Verwendung virtu-
eller Szenarien zur Erfassung von Prozessdaten dar, wie beispielsweise
der Simulierte Klassenraum (Südkamp, Möller & Pohlmann, 2008).
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Hierbei agiert die Versuchsperson in einem vollständig virtualisierten


Szenario z. B. als Lehrkraft. Dabei müssen pädagogische oder diagnos-
tische Entscheidungen getroffen werden, die wiederum zur Analyse
professioneller Kompetenzen herangezogen werden können.

Produktdaten
Häufig stehen bei pädagogisch-psychologischen Studien neben den
Prozessen vor allem die Ergebnisse, insbesondere Leistungsdaten, im
Vordergrund, zumal dann, wenn es um die Abschätzung des Erfolgs
pädagogisch-psychologischer Interventionen geht (etwa unterschied-
licher Trainingsmaßnahmen). Auch hier lassen sich wiederum subjek-
tive und objektive Verfahren unterscheiden. Auch dazu ließen sich wie-
der eine Vielzahl von Beispielen finden. So sind beispielsweise im
Rahmen der Lehr-Lernforschung subjektive Verfahren zur Einschät-
zung der kognitiven Belastung und der Aufgabenschwierigkeit weit
verbreitet (z. B. Leppink, Paas, Van der Vleuten, Van Gog & Van Mer-
riënboer, 2013). Hierbei werden die Lernenden aufgefordert, meist
nach Abschluss einer Lernsequenz summarisch die interessierende Di-
mension (z. B. Aufgabenschwierigkeit) auf einer meist 7- oder 9-stufi-
gen Likertskala einzuschätzen. Diese Einschätzungen können dann zu
anderen Faktoren (etwa der Art der Aufgabendarbietung) in Beziehung
gesetzt werden. Solche Verfahren gelten als ökonomisch und leicht ein-
setzbar, haben aber mitunter Validitäts- und Reliabilitätsprobleme.
Ebenfalls häufig zu finden sind hier Fragebogenverfahren zur Selbst-
einschätzung des subjektiven Befindens, wie etwa der FAM zur Erfas-
sung aktueller Motivation in Lern- und Leistungssituationen (Rhein-
berg, Vollmeyer & Burns, 2001) oder der PANAVA-KS (Schallberger,
2005) zur Erfassung emotionalen Befindens.

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 55

Objektive Produktdaten werden in der Pädagogischen Psychologie vor


allem im Bereich der Leistungsmessung erhoben. Standardisierte Ver-
fahren existieren dabei im Bereich der Intelligenztests ebenso wie in
spezifischen Inhaltsdomänen (beispielsweise innerhalb der Reihe „Ho-
grefe Schultests“; siehe auch Spinath & Brünken, 2016). Daneben wer-
den Leistungsdaten jedoch auch häufig mithilfe ad hoc entwickelter
Tests erhoben. Der Grund hierfür ist, dass im Rahmen pädagogisch-
psychologischer Lehr-Lernforschung häufig Studien durchgeführt wer-
den, bei denen die Lehrinhalte nur von nachrangiger Bedeutung sind.
Geprüft werden soll dabei meist nur, ob und ggf. in welchem Ausmaß
die Probanden unter verschiedenen Instruktionsbedingungen gelernt
haben. Daher werden die Lerninhalte oft spezifisch für die jeweiligen
Studien erstellt und dazu jeweils individuelle Testverfahren entwickelt.
In aller Regel sind die psychometrischen Eigenschaften dieser Tests
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ungeprüft, allenfalls Konsistenzmaße (z. B. Cohens Kappa) werden be-


richtet. Dennoch wird häufig angegeben, dass die Tests kognitive Leis-
tungen auf verschiedenen Ebenen erfassen (Wissen, Verstehen, Trans-
fer), oft mit differenziellen Effekten, ohne dass die Trennung der
Dimensionen immer hinreichend empirisch geprüft wäre. Deutlich
besser geprüfte Test­verfahren finden sich hingegen im Kontext schu-
lischer Leistungs- und Kompetenzdiagnostik (vgl. Kap. 8 in Spinath &
Brünken, 2016). Zu den komplexen Produktdaten, die zunehmend zur
Diagnostik von Leistungsergebnissen, insbesondere im schulischen
und hochschulischen Bereich, Verwendung finden, gehören schließ-
lich Portfolios. Im Unterschied zu punktuellen Leistungsmessungen wie
Klausuren oder Test, handelt es sich hierbei um Sammlungen unter-
schiedlicher Lernergebnisse (Artefakte) über einen längeren Zeitraum.
Sie erlauben damit nicht nur die summative Einschätzung eines ein-
mal erreichten Lernstandes, sondern auch eine formative Betrachtung
des Lernprozesses. Gegenwärtig werden Portfolios insbesondere im
Rahmen technologiebasierter Lehr-Lern­ arrangements diskutiert.
Diese virtuellen Dokumentensammlungen werden als E-Portfolios be-
zeichnet (Stratmann, Preussler & Kerres, 2009).

Zusammenfassung
Als Teilgebiet der Psychologie ist die Pädagogische Psychologie
einem empirischen, theoriebasierten Zugang zur Beschreibung, Er-
klärung und Vorhersage psychologisch relevanter Phänomene in pä-
dagogisch-psychologischen Anwendungskontexten verpflichtet. Als
anwendungsorientiertes Fach ist sie dabei gleichermaßen einem er-
kenntnis- wie nutzenorientierten Wissenschaftsverständnis ver-
pflichtet, das Stokes (1997) als Pasteurs Quadranten bezeichnet. Sie

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56 Kapitel 2

nutzt dabei ebenso psychologisch-grundlagenwissenschaftliche


Theorien zur Erklärung der von ihr beobachteten Phänomene, ins-
besondere Theorien der Allgemeinen und Kognitiven Psychologie
sowie der Entwicklungspsychologie, wie sie auch eigenständige de-
skriptive und präskriptive Theorien, insbesondere des Lehrens und
Lernens, entwickelt und empirisch überprüft.
Innerhalb ihres grundsätzlichen empirischen Forschungsansatzes
zeichnet sich die Pädagogische Psychologie durch eine für eine psy-
chologische Disziplin große Breite an methodischen Zugangswei-
sen aus, sowohl hinsichtlich der Untersuchungsanlage als auch der
verwendeten Datenerhebungs- und Auswertungsmethoden. Bezüg-
lich der Untersuchungsanlage gehören neben experimentellen
­Studien insbesondere quasiexperimentelle Designs in vor allem
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

schulischen Lehr-Lernsettings zu den charakteristischen Untersu-


chungsanlagen. In Bezug auf die erhobenen Daten findet sich ein
deutlicher Trend zur Erhebung von Prozessdaten, sowohl mittels
objektiver behavioraler Verfahren als auch mittels subjektiver intro-
spektiver Methoden. Dies führt auf der Seite der Datenauswertung
zum vermehrten Einsatz von Mixed Methods (Mayring, Huber, Gürt-
ler & Kliegelmann, 2007), bei denen einerseits qualitative, auch
hoch inferente Verfahren, andererseits quantitative Analyseverfah-
ren verwendet werden.

Fragen
1. Was versteht man wissenschaftstheoretisch unter einer posi-
tivistischen Position?
2. Was versteht man unter einer wissenschaftlichen Theorie?
3. Worauf basiert die Cognitive Load Theory und was ist ihre zen-
trale Annahme?
4. Was bezeichnet man als „Pasteurs Quadranten“?
5. Welche Formen der Untersuchungsanlage werden im Kapitel
beschrieben?
6. Welche Vor- und Nachteile haben längsschnittliche gegenüber
querschnittlich angelegten Studien?
7. Wann ist es sinnvoll, Verhaltensbeobachtungen einzusetzen?
8. Welche Untersuchungsanlage eignet sich, um Kausalbeziehun-
gen aufzudecken?
9. Was versteht man unter ATI-Studien?
10. Nennen Sie je zwei Verfahren zur Erfassung von subjektiven
und objektiven Prozessdaten.

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Methodologische Grundlagen der ­Pädagogischen Psychologie 57

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 3
Lernen als Reaktionsverstärkung
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Inhaltsübersicht
3.1 Perspektiven auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.2 Lernen als Reaktionsverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.2.1 Klassisches Konditionieren: Pawlow und der frühe Behaviorismus . . . 63
3.2.2 Operantes Konditionieren: Skinner und die Wirkung von
Verstärkung und Bestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.3 Lernen am Modell: Banduras sozial-kognitive Lerntheorie . . . . . . . . . . . 80
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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60 Kapitel 3

3.1 Perspektiven auf Lernen


Lernen ist ohne Zweifel ein Prozess, der wie kein zweiter im Mittel-
punkt pädagogisch-psychologischer Forschungs- und Anwendungsfra-
gestellungen steht. Es ist daher wenig erstaunlich, dass Fragen der Kon-
zeptualisierung von Lernprozessen zu den klassischen Themen in der
Pädagogischen Psychologie gehören. Dabei gehört die wissenschaftli-
che Beschäftigung mit den Mechanismen des Lernens natürlich nicht
nur zum Gegenstandsbereich der Pädagogischen Psychologie, sondern
wird in vielen psychologischen Teildisziplinen unter verschiedenen
Perspektiven adressiert: in der Allgemeinen und Kognitiven Psycholo-
gie, der Biologischen und Neuropsychologie sowie der Entwicklungs-
psychologie, um nur die wichtigsten Disziplinen zu nennen. Daher las-
sen sich lerntheoretische Befunde und Modelle auch kaum einer
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

einzelnen Disziplin zuordnen, weshalb (dann auch unter Einbezug


fachspezifischer Disziplinen sowie der Computerwissenschaften) häu-
fig von den Learning Sciences die Rede ist.
Die Pädagogische Psychologie ist dabei sowohl Entwickler als auch
Nutzer der hier gewonnenen Erkenntnisse, weshalb in der Folge über
die Disziplingrenzen hinweg diejenigen Vorstellungen über Lernen
dargestellt werden sollen, die für die Beantwortung pädagogisch-psy-
chologischer Fragestellungen von Bedeutung sind, ohne dabei den An-
spruch zu erheben, dass es sich dabei in jedem Fall um genuin pädago-
gisch-psychologische Theorien handelt.

Es gibt mehr als


Im Kontext der Pädagogischen Psychologie werden dabei drei verschie-
eine Art zu lernen dene Perspektiven auf Lernen diskutiert, die eine wichtige Grundlage
von Handlungsentscheidungen darstellen. Der bekannte amerikani-
sche Psychologe Richard E. Mayer hat diese Perspektiven wiederholt
als „three metaphors of learning“ bezeichnet (z. B. Mayer, 1999): das
Lernen als Reaktionsverstärkung (response strengthening), Lernen als
Informationsverarbeitung (knowledge acquisition) und das Lernen als
sozialer Austauschprozess (knowledge construction).
These three views of learning represent three persistent metaphors that
have been developed over the history of psychology in education – meta-
phors that have been invented by psychologists and applied by educators.
(Mayer, 1999, S. 13)

Diese Sichtweisen schließen einander nicht aus, sie fokussieren viel-


mehr auf verschiedene Aspekte und Situationen von Lernen und the-
matisieren unterschiedliche Lernmechanismen. Gemeinsam ist ihnen
allen die grundlegende Definition von Lernen:

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Lernen als Reaktionsverstärkung 61

Begriffsklärung: Lernen
Lernen wird in der Psychologie definiert als Prozess des relativ dauer-
haften Aufbaus oder der Veränderung von Verhaltensdispositionen auf-
grund von Erfahrung.

Diese Definition umfasst jede Art von Verhaltensdispositionen, seien


es kognitive, affektive oder psychomotorische. Sie schließt aber all sol-
che Verhaltensänderungen aus, die nicht aufgrund von Erfahrung er-
folgen, sei es durch entwicklungsbedingte Änderungen oder durch phy-
siologische Prozesse, wie Müdigkeit, Krankheit oder auch Intoxikation.
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3.2 Lernen als Reaktionsverstärkung


Die erste der hier aufgeführten Perspektiven – das Lernen als Reakti-
onsverstärkung – gehört auch zu den historisch frühesten Konzeptua-
lisierungen von Lernprozessen. Üblicherweise wird als Geburtsjahr der
wissenschaftlichen Psychologie das Jahr 1879 genannt, das Jahr in dem
Wilhelm Wundt (1832–1920) an der Universität Leipzig das erste psy-
chologische Laboratorium begründete (vgl. Kap. 1). Schon Wundt be-
schäftigte sich dabei im weiteren Sinne mit Lernprozessen. Der eigent-
liche Beginn der Lernpsychologie wird jedoch zumeist mit den
bahnbrechenden Untersuchungen des russischen Physiologen Iwan
Petrowitsch Pawlow und dem amerikanischen Forscher John Broadus Iwan Petrowitsch
Watson (1878–1958) assoziiert. Ihnen gemeinsam war, dass sie im Un- Pawlow
(1849–1936)
terschied zu den damals weit verbreiteten Methoden der Introspek-
tion, wie sie etwa von Sigmund Freud oder William James verwendet
wurden, eine an naturwissenschaftlichen Methoden orientierte streng
objektivistische Herangehensweise zur Beschreibung der sie interes-
sierenden Phänomene wählten. Dabei kam der Verhaltensbeobach-
tung eine zentrale Bedeutung zu.
Um sich mit den Phänomenen von Reizen und den Reaktionen darauf
auseinanderzusetzen, war es zunächst notwendig, solche Reize zu ver-
wenden, die bei Tieren bzw. beim Menschen objektiv beobachtbare
Auswirkungen haben. So stehen bei vielen Experimenten dieser Zeit
klar wahrnehmbare Stimuli, d. h. Reize wie beispielsweise Lichtsignale
oder Geräusche, im Mittelpunkt. Die Frage der Untersuchungen be-
stand nun darin zu beschreiben, wie es zu bestimmten Reiz-Reaktions-
Verbindungen kommt und wie sie sich erklären lassen. Ausgangspunkt
war dabei die Beobachtung, dass unter bestimmten Bedingungen die
Präsentation eines spezifischen Reizes zuverlässig die Auslösung einer

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62 Kapitel 3

bestimmen Reaktion zur Folge hat. Edward L. Thorndike (1874–1949),


einer der Begründer der modernen Lernpsychologie, bezeichnete
­diesen Mechanismus als „Assoziationslernen“. Für ihn besteht jede
Lernsequenz aus einem spezifischen Umweltreiz (Stimulus, S), einer
spezifischen Reaktion (Response, R) und einer Verknüpfung (Connec-
Grundbegriffe des
tion) zwischen diesen beiden Elementen, weshalb seine Theorie auch
­Behaviorismus als Konnektionismus bezeichnet wird (vgl. z. B. Lefrançois, 2006). Er
formuliert dabei drei Gesetzmäßigkeiten, die das Entstehen und Auf-
rechterhalten solcher Verknüpfungen erklären können:
1. Das Gesetz der Übung (law of exercise) besagt, dass S-R-Verknüpfun-
gen durch wiederholtes Üben entstehen und gestärkt werden;
2. Das Gesetz der Wirkung (law of effect) besagt, dass das Aufrechter-
halten von S-R-Verknüpfungen weitgehend von den damit verbun-
denen Konsequenzen abhängt, und schließlich;
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3. Das Gesetz der Bereitschaft (law of readiness), das besagt, dass der
lernende Organismus (Thorndike selbst spricht hier von Leistungs-
einheit) in spezifischen Situationen in unterschiedlichem Ausmaß
dazu bereit ist, eine Handlung auszuführen. Abhängig vom Ausmaß
der Leistungsbereitschaft werden S-R-Einheiten unterschiedlich
schnell und intensiv erworben. Heute verbindet man das Gesetz der
Bereitschaft dabei in erster Linie mit motivationalen Aspekten des
Lernens.

Ein Vorteil der Auffassung von Lernen als S-R-Assoziation besteht nun
darin, dass Aussagen über Lernprozesse gemacht werden können, ohne
dass es notwendig ist, über intrapsychische Prozesse zu spekulieren.
Damit benötigte die Lernpsychologie auch keine „unwissenschaftli-
chen“ Methoden wie Introspektion oder Hypnose, wie sie von Vertre-
tern der psychoanalytischen Psychologie zur Aufdeckung intrapsychi-
scher Prozesse verwendet wurden, sondern konnte sich allein auf die
Beschreibung beobachtbarer Phänomene konzentrieren.

Um dies zu verdeutlichen, wurde für den Bereich des Intrapsychischen


der Begriff der Black Box verwendet, ein Bereich, dessen Existenz und
Relevanz durchaus nicht bestritten wurde, der aber mit den Mitteln der
Verhaltensbeobachtung nicht zugänglich war und über den daher keine
Aussagen getroffen werden konnten (vgl. Abb. 4). Umso größerer Wert
wurde hingegen auf die Exaktheit der Verhaltensbeobachtung gelegt,
weshalb das Experiment zur tragenden Methode des Behaviorismus
wurde.

Zu Beginn psychologischer Forschung war es also für die Forscher nicht


interessant zu wissen, welche geistigen Prozesse zwischen Reiz und
Reaktion liegen, vielmehr ging es ihnen darum, die Reiz-Reaktions-­

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Lernen als Reaktionsverstärkung 63

Stimulus Response
interne Prozesse
(Reiz) (Reaktion)

beobachtbar: R = f (S)

Abbildung 4: Das wissenschaftstheoretische Grundmodell des Behaviorismus:


das Black-Box-Modell

Verbindungen zu erkennen und gegebenenfalls Mittel zu finden, sie zu


verändern. Mit verschiedenen Forschungsansätzen entwickelten sich
zwei grundlegende Erklärungsmodelle für bestimmte Reiz-Reaktions-
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Verbindungen: das klassische Konditionieren und das operante Kon-


ditionieren. Das klassische Konditionieren wurde durch Iwan P. Pawlow
mit seinen bekannten Hundeexperimenten entdeckt und durch J. B.
Watson mit seinem berühmten Experiment „der kleine Albert“ in den
Fokus der Forschung genommen.
B. F. Skinner (1904–1990) gilt als Begründer des operanten Konditio-
nierens, welches er in einer Vielzahl von Rattenexperimenten be-
schrieb. Hier geht es nicht mehr nur um Reiz-Reaktions-Verbindungen
im Sinne von Thorndikes erstem Lerngesetz, sondern darüber hinaus
um Verstärkung dieser Verbindungen auf der Basis des Gesetzes der
Wirkung (law of effect) und um Techniken, welche erwünschte Reiz-
Reaktions-Verbindungen festigen und unerwünschte reduzieren.
Zum besseren Verständnis dieser Perspektive werden im Folgenden
das klassische und das operante Konditionieren anhand der berühm-
Burrhus F. Skinner
testen Experimente von Pawlow und Watson bzw. Skinner darge­ (1904–1990)
stellt. Fotograf: epa
© dpa – Bildarchiv

3.2.1 Klassisches Konditionieren:


Pawlow und der frühe Behaviorismus
Iwan Petrowitsch Pawlow, ein russischer Physiologe, der mit seiner
Forschung über die Verdauung im Jahre 1904 einen Nobelpreis erhielt,
hatte großen Einfluss auf die Entwicklung psychologischer Forschung.
Mit seinen Experimenten an Hunden erkannte er einen wesentlichen
psychologischen Mechanismus, der heute sogar schon in den Lehrbü-
chern allgemeinbildender Schulen erklärt wird: Die klassische Kondi-
tionierung. Bei der Untersuchung des Speichelflusses seiner Hunde
während der Fütterung stellte Pawlow fest, dass der Speichelfluss nicht

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64 Kapitel 3

nur bei der Präsentation von Futter ausgelöst wurde, sondern auch mit
jedem anderen Stimulus, wenn dieser oft genug gepaart mit dem Fut-
ter präsentiert wurde. Zu den Stimuli zählten zuerst der Pfleger, der
das Futter brachte und später nach einer Serie kontrollierter Experi-
mente auch andere Stimuli wie Licht oder das Erklingen einer Glocke.
Seine Versuchshunde reagierten schon mit Speichelfluss, wenn sie nur
den Pfleger sahen oder einen erkennbaren Stimulus wie Licht oder das
Erklingen eines Geräusches (Glocke etc.) wahrnahmen.
Wie klassisches Kondi- Pawlow gibt jeder dieser Komponenten bei der klassischen Konditio-
tionieren funktioniert
nierung einen Namen. So bezeichnet er das Futter als unkonditionier-
ten Stimulus (UCS), da es sich um einen Reiz handelt, der an sich au-
tomatisch zu einer Reaktion, dem Speichelfluss, führt. Den Speichelfluss
nannte er unkonditionierte Reaktion (UCR), da dieser die Reaktion auf
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den unkonditionierten Stimulus ist. Diese unkonditionierte Reaktion


ist eine automatische Reaktion, welche keine Lernprozesse voraus-
setzt. Die automatische Beziehung zwischen UCS und UCR wird als
Reflex bezeichnet und ist eine Voraussetzung für die klassische Kon-
ditionierung.
Bei der Assoziation zwischen einem UCS und einem UCR handelt es
sich noch nicht um einen Lernprozess. Vielmehr gehen wir davon aus,
dass solche Assoziationen angeborene Verhaltensmechanismen dar-
stellen. Die wichtige Entdeckung Pawlows war nun, dass bei mehrma-
ligem, gleichzeitigen Präsentieren des UCS (Futter) mit einem neutra-
len Stimulus (NS), z. B. Licht oder Geräusch, dieser Stimulus allein
schon die ursprünglich nur auf den UCS (das Futter) folgende Reak-
tion auslöst. Aus dem neutralen Stimulus ist also durch den Lernpro-
zess ein konditionierter Stimulus (CS) geworden. Die Reaktion, die
durch diesen ausgelöst wird, wird deshalb auch konditionierte Reak-
tion (CR) genannt. Die klassische Konditionierung besteht also aus drei
Phasen, wenn eine UCS-UCR-Assoziation schon gegeben ist (vgl.
Abb. 5).
Die klassische Konditionierung wird auch als Lernen durch Stimulus-
Substitution bezeichnet, weil der ursprüngliche Stimulus durch einen
neuen Stimulus ersetzt werden kann. Mit Pawlows Begriffen: Der un-
konditionierte Stimulus kann nach ausreichend häufiger Paarung mit
dem konditionierten Stimulus von diesem ersetzt werden. Noch ein-
facher ausgedrückt, handelt es sich hier um Signallernen. Denn der kon-
ditionierte Stimulus (Licht, Geräusch) dient in Pawlows Experimenten
als Signal für das Auftreten des unkonditionierten Stimulus (Futter).
Nicht unbedeutend ist allerdings, dass die Stärke des Signals bzw. die
Unterscheidbarkeit des Stimulus darüber mitentscheidet, ob ein Sti-

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Lernen als Reaktionsverstärkung 65

UCS UCR
(unkonditionierter Stimulus) (unkonditionierter Reaktion)

NS Orientierungsreaktion
(neutraler Stimulus)

UCS + CS UCR
(konditionierter Stimulus;
vorher NS)

CS CR
(konditionierter Reaktion)

Abbildung 5: Phasen des klassischen Konditionierens


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mulus dazu geeignet ist, eine konditionierte Reaktion, das Signaller-


nen, auszulösen bzw. ob der unkonditionierte Stimulus (z. B. Futter)
von diesem neuen Stimulus (z. B. Licht, Geräusch) abgelöst oder er-
setzt (substituiert) werden kann. Akustische Signale waren besonders
wirksam in den Experimenten von Pawlow.
Für die klassische Konditionierung ist dabei vor allem das Zusammen-
fallen zweier Reize relevant.
Jedesmal, wenn irgendein indifferenter Reiz zeitlich mit der Wirkung eines
Reizes zusammenfällt, der einen bestimmten Reflex hervorruft, kommt es
nach einem ein- oder mehrmaligen Zusammenfallen dieser Art so weit, daß
dieser indifferente Reiz denselben reflektorischen Effekt hervorruft.
(Pawlow, 1927/1972, S. 53)

Pawlow führt das Signallernen auf Reiz-Reaktions-Assoziationen zu-


rück, welche durch eine Variation von Kontiguität hervorgerufen wer-
den können. Von Kontiguität spricht man, wenn zwei Ereignisse zeit-
lich zusammenfallen, egal ob simultan oder beinahe zeitgleich. So
lassen sich vier Variationen von Kontiguität unterscheiden: Das Zu-
sammenfallen des unkonditionierten und des konditionierten Stimu-
lus (UCS + CS) kann verzögert, in Spuren, simultan oder auch rück-
wärts Signallernen auslösen. Das verzögerte Zusammenfallen der
Stimuli ist am wirksamsten, und die weiteren Variationen sind in der
genannten Reihenfolge immer weniger effektiv.
Diese vier Konditionierungsarten lassen sich am besten anhand eines Die zeitliche Abfolge
ist entscheidend für
Zeitstrahls erläutern (vgl. Abb. 6): Verzögerte Konditionierung bedeu- den Lernerfolg
tet, dass der UCS (Futter) nach längerem durchgehendem Auftreten
des CS (Licht/Geräusch) hinzukommt. Bei der Spurenkonditionierung
tritt der UCS (Futter) erst nach einem gewissen Zeitabstand nach dem

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66 Kapitel 3

CS
verzögert
UCS

CS
Spuren
UCS

CS
simultan
UCS

CS
rückwirkend
UCS
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Abbildung 6: Varianten der Konditionierung (nach Lefrançois, 2006, S. 37)

CS (Licht/Geräusch) auf. Dieser Zeitabstand sollte nicht größer als eine


halbe Sekunde sein, da sich die Konditionierung sonst nicht effektiv
bzw. weniger effektiv einstellt. Bei der simultanen Konditionierung tre-
ten der CS (Licht/Geräusch) und der UCS (Futter) zeitgleich und gleich
lange auf. Sie stellt die klassische Form der Konditionierung dar. Die
Rückwärtskonditionierung funktioniert ebenfalls, wenn also erst ein
Reiz einen bestimmten Reflex hervorruft, der UCS (Futter) die UCR
(Speichelfluss), und kurz darauf ein indifferenter Reiz, der CS (Licht/
Geräusch), auftritt.
Pawlow entdeckte bei seinen Experimenten weitere Effekte beim Er-
werb der Reiz-Reaktions-Assoziationen: Es sind unter anderem die
Möglichkeit zur Löschung (Extinktion), die Spontanerholung sowie die
Stimulusgeneralisierung und -diskrimination.
Zum Erwerb von Reiz-Reaktions-Assoziationen ist bemerkenswert für
die Psychologie und insbesondere für pädagogische Kontexte, dass die
Bildung einer Assoziation zwischen einem Reiz und einer Reaktion
mehrmaliges Zusammenfallen des CS und des UCS erfordert. Zudem
konnte schon Pawlow feststellen, dass es sich nicht um einen propor-
tionalen Zusammenhang handelt, d. h. je öfter CS und UCS gemein-
sam dargeboten werden, umso häufiger und stärker zeigt sich die kon-
ditionierte Reaktion (CR). Mit zunehmender Anzahl von CS-UCS-
Paarungen steigt die Anzahl und Stärke der konditionierten Reaktion
jedoch nur noch leicht an. Dieses Phänomen lässt sich in sogenannten
Lernkurven darstellen (vgl. Abb. 7 und Kap. 12).
Lassen sich einmal durch klassisches Konditionieren erworbene Asso-
ziationen wieder verlernen? Schon Pawlow konnte feststellen, dass das

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Lernen als Reaktionsverstärkung 67

Stärke der CR

Anzahl
Anzahlder
derCS-UCS-Paarungen
CS-UCS-Paarungen
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Abbildung 7: Lernkurve

Speicheln der Hunde nach Ertönen des Tons (CS) zuerst anhielt, aber
dennoch bei mehrmaligem Ertönen des Signals (CS) irgendwann von
selbst aufhörte. Diese Extinktion ist allerdings nicht zuverlässig, da Lernen, Verlernen
seine Hunde auch nach einer längeren Pause wieder auf das erneut und Vergessen

präsentierte Signal speichelten. Dieses Phänomen nannte er Spontan­


erholung. Eine klassisch konditionierte Reaktion ist demnach nicht sehr
einfach wieder zu löschen. Eine Löschung einer Reiz-Reaktions-Asso-
ziation herbeizuführen, ist dennoch möglich, wenn man nur den kon-
ditionierten Reiz (CS) wiederholt ohne den unkonditionierten Stimu-
lus präsentiert, sodass die ständig auftretenden Spontanerholungen
irgendwann abflachen.
Weiterhin konnte Pawlow feststellen, dass seine Hunde nicht nur auf
einen bestimmten Ton reagierten, sondern dass ebenso andere ähnli-
che Töne die konditionierte Reaktion auslösen konnten. Dieser Effekt
wird als Stimulusgeneralisierung bezeichnet. Umgekehrt konnten seine
Hunde allerdings auch zeigen, dass sie fähig waren, zwischen leicht
verschiedenen Stimuli zu unterscheiden. Bei der Konditionierung sei-
ner Hunde konnte Pawlow zeigen, dass diese auf einen Ton hin spei-
chelten und auf einen anderen sehr ähnlichen Ton jedoch nicht spei-
chelten. Diese Sensibilität in der Unterscheidung von Stimuli wird als
Stimulusdiskrimination bezeichnet.
Die Entdeckung der Konditionierung konnte noch nicht alle Reaktio- Konditionierung
nen erklären und führte zur Entdeckung der Konditionierung zweiter ­höherer Ordnung

bzw. höherer Ordnung (auch manchmal dritter Ordnung genannt).


Denn wenn ein Hund nicht nur auf den üblichen konditionierten

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68 Kapitel 3

­ timulus, beispielsweise auf den Ton speichelt, sondern ebenfalls auf


S
einen anderen neuen Stimulus wie z. B. Licht, dann liefert erst die so-
genannte Konditionierung zweiter Ordnung eine gute Erklärung. Wurde
der zuerst konditionierte Stimulus (Ton) mit einem nun neuen kondi-
tionierten Stimulus (Licht) wiederholt gemeinsam präsentiert, dann
löst auch dieser neue konditionierte Stimulus (Licht) alleine die kon-
ditionierte Reaktion, den Speichelfluss, aus. Interessant ist hierbei,
dass der nun neu auslösende konditionierte Stimulus (Licht) nie zuvor
mit dem ursprünglichen unkonditionierten Stimulus (Futter) gemein-
sam präsentiert wurde.
Lässt sich das Prinzip der klassischen Konditionierung aus Pawlows
Studien mit seinen Hunden auf den Menschen übertragen? Eine Über-
setzung der Experimentalreihe von Pawlow haben John Broadus Wat-
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son und Rosalie Rayner (1920) mit der vielleicht berühmtesten Ver-
suchsperson der Psychologiegeschichte, dem kleinen Albert, gewagt
(siehe Kasten).

Klassische Konditionierung menschlichen


­Verhaltens: Der kleine Albert
Der kleine Albert nahm an einer Untersuchung von Watson und Rayner
(1920) teil, während er sich als 11 Monate altes Baby zufällig im Kran-
kenhaus befand. Vorwegzunehmen ist, dass diese „Studie“ experimen-
tell eher auf niedrigem Niveau anzusiedeln ist, da es sich hier lediglich
um eine Fallstudie handelt, bei der zudem viele beeinflussende Fakto-
ren experimentell nicht kontrolliert wurden. So saß der kleine Albert am
liebsten mit seinem Daumen im Mund zufrieden auf der Untersuchungs-
matratze. Mancher Kritiker kann deshalb argumentieren, dass alle mit
dem kleinen Albert durchgeführten Demonstrationen lediglich mit hef-
tigen Reaktionen des kleinen Alberts geendet haben, da er während der
Untersuchungen dazu gezwungen wurde, von seinem Daumen Abschied
zu nehmen. Watson und Rayner führten jedoch das Wimmern oder Wei-
nen des kleinen Alberts darauf zurück, dass er eine konditionierte Re-
aktion auf eine weiße Ratte, welche ursprünglich als neutraler Reiz
diente, zeigte. Konditioniert wurde der kleine Albert, indem er mit der
Präsentation der Ratte (CS) vor sich gleichzeitig mit einem lauten Schlag
eines harten Gegenstandes auf eine Stahlstange hinter sich konfron-
tiert wurde. Dieses laute unangenehme Geräusch (UCS) löst bei den
meisten Babys Furcht (UCR) aus, nach Pawlow einen für die klassische
Konditionierung notwendigen Reflex. Die anfänglich bei dem kleinen
­Albert Interesse und Neugier auslösende weiße Ratte (NS) auf seiner
Matratze wurde mit mehrmaligem gleichzeitigen Auftreten des unan-
genehmen Geräusches zum Auslöser der Furcht, welche mit der nega-
tiven emotionalen Reaktion Wimmern oder Weinen (CR) endete. Damit

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Lernen als Reaktionsverstärkung 69

demonstrierten Watson und Rayner, dass sich negative emotionale Re-


aktionen konditionieren lassen und somit das von Pawlow eingeführte
Prinzip der klassischen Konditionierung auch für menschliches Verhal-
ten gültig ist. Die Stimulusgeneralisierung konnten die beiden Versuchs-
leiter ebenfalls nachweisen, da der kleine Albert bald auch auf der wei-
ßen Ratte ähnelnde Stimuli wie ein weißes Kaninchen oder einen weißen
Mantel aus Robbenfell mit Furcht und fluchtartigem Wegkrabbeln re-
agierte.

Für die Klinische Psychologie und auch für die Pädagogische Psycho-
logie ist die spätere Erkenntnis von Bedeutung, dass sich auch positive
Emotionen konditionieren lassen, wenn man sich z. B. Freude anstelle
der Furcht zunutze macht. Ein weiterer Meilenstein und vor allem ein
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Grundstein für die Verhaltenstherapie bedeutete schließlich die Er- Verhaltensänderung


kenntnis, dass Gegenkonditionierungen möglich sind. Kurz zusammen- durch Konditionierung

gefasst ist die Gegenkonditionierung das systematische Verlernen eines


zuvor erfolgreichen Signallernens. So könnte man den kleinen Albert
von seiner Furchtreaktion auf alle weißen und kuscheligen Gegen-
stände, die der weißen Ratte ähnlich sehen, befreien, indem man den
Reflex Freude mit diesen Gegenständen mehrmals gleichzeitig paart,
sodass der kleine Albert zu einer positiven emotionalen Reaktion ge-
genkonditioniert wird. Hierfür gibt es diverse Methoden, von denen
nur wenige genannt werden. Zum einen könnte man den kleinen Al-
bert so lange mit dem Furcht auslösenden Stimulus konfrontieren, bis
er vor Weinen ermüdet. Dies ist die sogenannte Ermüdungstechnik nach
Guthrie (1952). Mit der Ermüdung würde Albert zum ersten Mal mit
Ruhe reagieren und diese eine neue Reaktion müsste bei allen weite-
ren Begegnungen mit dem Stimulus Ratte wieder zu Ruhe führen, denn
Guthrie geht sogar vom klassischen Konditionieren durch ein einma-
liges Ereignis (Gesetz des One-Shot Learning) aus, wenn andere das Si-
gnallernen auslösende Reflexe gut kontrolliert werden. Diese Technik
nennt sich in verhaltenstherapeutischen Kontexten auch Flooding
(Überflutung; Reizüberflutung) und wird häufig für die Überwindung
von Höhenangst, Platzangst (Angst vor Plätzen; Agoraphobie) oder
Klaustrophobie (Angst vor engen Räumen) angewandt. Eine weitaus
sensiblere Methode wäre es, den kleinen Albert mit einer systemati-
schen Desensibilisierung (Wolpe, 1958) zu behandeln. Diese Methode
aus der Klinischen Psychologie macht sich das schrittweise Heranfüh-
ren des Angst auslösenden Stimulus an den Patienten zunutze. Dazu
ist es notwendig, den Stimulus in leichterer Form darzubieten, sodass
er nicht die konditionierte Reaktion Furcht auslöst. So könnte man den
Stimulus weiße Ratte in verschiedene Einheiten aufteilen, z. B. wei-

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70 Kapitel 3

ches kuscheliges braunes Fell, mit welchem Albert zu spielen lernt, wel-
ches dann irgendwann auch in weiß präsentiert wird. Dies wären erste
Schritte, um eine Gegenkonditionierung bei Albert zu erreichen. Eine
weitere Methode wäre es, den Stimulus dann zu präsentieren, wenn
der kleine Albert gar nicht mit Furcht und Wegkrabbeln reagieren kann.
Diese Methode nennt sich Methode der inkompatiblen Stimuli (Guthrie,
1952). Zusammenfassend handelt es sich beim Gegenkonditionieren
immer um das Durchbrechen von (unerwünschten) Gewohnheiten.

Anwendung Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim klassischen Konditionieren


in der Schule um eine allgemeine Lerntheorie, die in vielen Gegenstandsbereichen
Anwendung finden kann. Aus pädagogisch-psychologischer Sicht stellt
sich dabei die Frage, inwieweit diese Theorie geeignet ist, Phänomene
zu erklären, die in pädagogisch-psychologischen Anwendungskontex-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ten auftreten. Im Kontext Schule sind unerwünschte Gewohnheiten,


die das Lernen im Schulalltag erschweren, häufig zu finden. Gerade in
der Schule, welche ein Pflichtprogramm für Schülerinnen und Schüler
vorsieht und welche zumindest bisher nicht überwiegend individuell
und flexibel auf die Bedürfnisse der Kinder eingeht, ist es nicht ver-
wunderlich, wenn sich unerwünschtes Verhalten finden lässt, welches
eventuell auch durch unbeabsichtigtes Signallernen hervorgerufen
wurde. So ist oft zu beobachten, dass Lehrpersonen versuchen, die Sti-
muli des Lernalltags (Aufgaben, Themen, Räume, Schüler etc.) mit
dem angenehmen Reflex von Freude zu paaren und damit die Schüler
für das Lernen zu begeistern. Aber es gibt auch Phänomene wie die
Angst vor einem bestimmten Fach oder die Angst vor der Schule als
Ganzes. Schulangst muss eine längere Phase der klassischen Konditi-
onierung vorausgehen, da hier nicht nur ein Stimulus Angst auslöst,
sondern eine Stimulusgeneralisierung von ursprünglich neutralen Sti-
muli stattgefunden hat. So könnte es beispielsweise zu Beginn nur ein
Fach, ein Lehrer oder ein Mitschüler gewesen sein, der beim Schüler
zuerst nur in bestimmten Situationen in der Schule Angstreaktionen
ausgelöst hat. Wenn diese Angstreaktion jedoch viele Situationen mit
weiteren Stimuli prägt, so kann sich Stück für Stück eine Angstreak-
tion auf das komplette System Schule entwickeln. Systematische De-
sensibilisierung würde sich in diesem Fall sehr gut anbieten, da Schule
sich gut in verschiedene Stufen einteilen lässt, welche Schritt für Schritt
dem schulängstlichen Schüler wieder zur Gewohnheit ohne Angstre-
aktion nahegebracht werden können. Erste einfache Schritte könnten
die Teilnahme an AGs sein und weitere Schritte dann die Teilnahme
an bestimmten Fächern usw.
Wie wir schon gelernt haben, sind im Schulalltag auch schon präven-
tive Maßnahmen möglich, die unerwünschten Gewohnheiten vorbeu-

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Lernen als Reaktionsverstärkung 71

gen können. Präventionen, um der Angst vor einem bestimmten Fach


oder einem Lehrer beispielsweise vorzubeugen, sind die stete klassi-
sche Konditionierung positiver emotionaler Reaktionen auf Themen,
Fächer, Lehrer und Schüler, sodass der Stimulus Lernen mit der Reak-
tion Freude assoziiert wird. Präventive Maßnahmen zur Vorbeugung
von Konzentrationsstörungen stellen die Einführung von Ritualen dar,
welche häufig in Schulen zu beobachten sind, sei es nur das gemein-
same „Guten Morgen, Frau/Herr XY“, um ein Signal zu Beginn der
Stunde zu setzen, dass die Pause um ist und der Unterricht nun be-
ginnt. Das häufig in Grundschulen anzutreffende regelmäßige Blitz-
licht am Anfang der Woche „Was habe ich am Wochenende erlebt?“
ist ebenfalls ein Signal für die Lernenden, dass nun wieder Unterricht
angesagt ist. Alle diese Signale verhelfen dazu, den Lernenden einen
Rahmen zu geben, innerhalb dessen die Konzentration auf ein Signal
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hin schließlich aufrechterhalten werden kann.


Methoden der klassischen Konditionierung werden übrigens viel kon- Anwendung in
der ­Werbung
sequenter in der Produktvermarktung angewandt. So nutzen zum Bei-
spiel die Verkaufshäuser verschiedene Reflexe, die durch Stimuli über
unsere Sinne ausgelöst werden, um uns zur Kauffreude anzuregen. Sei
es der künstliche Frühlingsduft, die Weihnachtsmusik oder diverse
„eye-catcher“, die uns beim Bummel zum Kauf bestimmter Produkte
anregen. Diese grundlegenden Reflexe, die das Kaufverhalten steuern,
reichen nicht aus, das weitaus komplexere Verhalten Lernen im Lern­
alltag zu steuern. Vielmehr ist im Unterricht neben dem Einführen von
Ritualen das Vereinbaren von gemeinsamen Regeln oder gar das Erar-
beiten von Konsequenzen, wenn Regeln gebrochen werden, zu beob-
achten. Dies sind Rezepte, die unerwünschte Gewohnheiten im Schul-
alltag bekämpfen. Weitere weniger angenehme und auch weniger
geeignete Rezepte sind das Verteilen von Strafarbeiten, eine Lehrer-
standpauke oder gar der Ausschluss aus dem Unterricht. Alle diese Re-
zepte sind nicht mehr mit dem Konzept des klassischen Konditionierens
begründet, sondern basieren auf der Entdeckung des operanten Kon-
ditionierens durch Skinner (1951). Die Funktionsweise des operanten
Konditionierens wird im folgenden Abschnitt anhand der berühmten
Rattenexperimente von Skinner erläutert.

3.2.2 Operantes Konditionieren: Skinner und


die Wirkung von Verstärkung und Bestrafung
Operantes Konditionieren baut im Unterschied zu klassischem Kon­
ditionieren nicht auf dem Kontiguitätsprinzip, sondern auf dem Kon-
tingenzprinzip auf. Wie wir in Abschnitt 3.2.1 schon gelernt haben, be-

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72 Kapitel 3

deutet Kontiguität lediglich das zeitliche Zusammenfallen zweier


Ereignisse. Kontingenz bezeichnet dagegen die Abhängigkeit zweier
Ereignisse. Die klassische Konditionierung basiert auf der Annahme,
dass Kontiguität allein ausreichend für Verhaltensänderungen ist. Ope-
rante Konditionierung setzt dagegen Verstärkung für Verhaltensände-
rungen und somit Kontingenz voraus.
Der Unterschied zwischen klassischem Konditionieren und dem ope-
ranten Konditionieren wird besonders klar, wenn man sich die Expe-
rimente von Skinner mit Ratten vor Augen führt und sich dem Unter-
schied zu Pawlows Hundeexperimenten bewusst wird.
Skinner hatte in seinem Labor eine Experimentalkammer für Ratten,
die heute als Skinnerbox bezeichnet wird (vgl. Abb. 8). Sie war mit
einem Hebel, einem Licht, einem Futternapf, einem Wasserspender
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und einem Gitterfußboden ausgestattet, der auch unter Strom gesetzt


werden kann, um einen leichten Stromschlag an die Ratte weiterzuge-
ben. Setzt man nun eine Ratte ohne Vorerfahrung in diese Skinnerbox,
hat sie sehr viele Möglichkeiten zu reagieren. Irgendwann wird sie zu-
fällig herausfinden, dass ein Berühren des Hebels die Fütterung aus-
löst. Sie wird daraufhin immer wieder den Hebel bedienen, um an das
Futter zu kommen. Wenn die Ratte am nächsten Tag erneut in diese
Skinnerbox gesetzt wird, wird sie sehr wahrscheinlich zielstrebig zum
Hebel laufen, um direkt das Futter zu erhalten. Und nach einiger Zeit
wird sie immer sofort so handeln, wenn sie in eine Skinnerbox gesetzt
wird. Andere Ratten erhielten in den Versuchen von Skinner kein Fut-

Abbildung 8: Skinnerbox: schematischer Aufbau

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Lernen als Reaktionsverstärkung 73

ter, sondern konnten durch Betätigen des Hebels den Strom abschal-
ten, der durch den Gitterfußboden floss. Und wiederum andere Rat-
ten erhielten erst dann einen Stromschlag, wenn sie den Hebel
betätigten.
Skinner (1938, 1953) analysiert das Verhalten, indem er eine Analyse
der sogenannten Kontingenzen des Verhaltens durchführt. Zu diesen
Kontingenzen zählt er drei Dinge: Was tut ein Organismus? Unter wel-
chen Umständen? Und was sind die Konsequenzen der Handlung?
Nicht interessant für Skinners Analysen ist zunächst, ob der Organis-
mus irgendeine Motivation hat, so zu handeln. Dies erscheint ihm be-
reits zu spekulativ, da es nicht durch direkte Verhaltensbeobachtung
erschlossen werden kann. Deswegen wird Skinner auch gelegentlich
als radikaler Behaviorist und Antitheoretiker bezeichnet. Zur Analyse
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der drei Kontingenzen verwendet Skinner verschiedene Begriffe. Er


nennt die Reaktion eines Organismus auf einen Stimulus Respondent,
diese Reaktion wird durch den Stimulus ausgelöst. Dagegen nennt er
die Reaktion, die von einem Organismus ausgelöst wird, Operant. Ein
Respondent bzw. respondentes Verhalten ist demnach eine Reaktion
des Organismus, während ein Operant bzw. operantes Verhalten ein
Einwirken des Organismus auf die Umwelt bedeutet.
Klassisches Konditionieren, nach Skinner auch als Typ-S-(Stimulus)- Unterschiede zwischen
klassischem und ope-
Konditionierung bezeichnet, ist nur bei respondentem Verhalten, wie rantem Konditionieren
bei Pawlows Hunden, möglich. Dagegen kann operantes Verhalten,
welches als instrumentelles Handeln auftritt und willkürlich erscheint,
wie die Handlung der Ratte in einer Skinnerbox, nur durch operantes
oder instrumentelles Konditionieren, nach Skinner auch als Typ-R-
(Reaktion)-Konditionierung bezeichnet, erklärt werden.
Operante Konditionierung ist demnach in einfachen Worten ausge-
drückt die Wiederholung von Handlungen, welche zuvor verstärkt
wurden und deshalb das wahrscheinlichste Verhalten unter ähnlichen
Umständen darstellen. Man spricht hier auch von operantem Lernen,
wenn ein Verhalten aufgrund von Verstärkung erworben wurde.
Zudem spricht Skinner davon, dass die Umstände, unter denen eine
Verstärkung dargeboten wird, als sogenannter diskriminativer Stimu-
lus fungieren können. So kann ein diskriminativer Stimulus schließ-
lich die Kontrolle über das verstärkte Verhalten übernehmen. Den-
noch betont Skinner, dass es sich hier niemals um S-R-Lernen handelt.
Verstärkung wird immer über ihre Auswirkungen definiert und nicht
über Auslöser.

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74 Kapitel 3

Begriffsklärung: Verstärker und Verstärkung


Ein Verstärker ist ein Ereignis, das auf eine Reaktion folgt und das die
Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens dieser Reaktion ansteigen
lässt. Verstärkung ist die Wirkung eines Verstärkers.

Skinner unterscheidet zwei Arten von Verstärkung: positive und nega-


tive Verstärkung. Für Skinners Ratten ist das Futter die positive Ver-
stärkung. Das Verhalten, den Hebel zu drücken, wird verstärkt, d. h.
die Wahrscheinlichkeit, den Hebel zu drücken, steigt nach Erhalten
des Futters (positive Kontingenz) an. Positive Verstärkung stellt im all-
täglichen Umgang Belohnung dar. Ein Lob des Lehrers im Unterricht
wegen guten Verhaltens wird das erwünschte Verhalten verstärken.
Das Kind wird dieses Verhalten unter ähnlichen Umständen, z. B. im
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Unterricht dieses Lehrers, mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder zei-


gen. Negative Verstärkung dagegen ist nicht zu verwechseln mit Be-
Negative Verstärkung strafung. Negative Verstärkung drückt lediglich aus, dass etwas Unan-
ist etwas anderes
als Bestrafung
genehmes durch ein bestimmtes Verhalten aufhört bzw. beendet
werden kann. Skinners Ratte musste die Stromschläge des Bodengit-
ters in der Skinnerbox erleiden. Sobald sie den Hebel drückte, schal-
tete sich der Strom ab. Dies ist die Beseitigung einer negativen Kontin-
genz. Das Abschalten des Stroms ist der negative Verstärker. Es liegt
eine negative Verstärkung vor, da dieser negative Verstärker eine Er-
höhung der Wahrscheinlichkeit, dass die Ratte dieses Verhalten wie-
der zeigt, bewirkt. Negative Verstärkung wird im alltäglichen Umgang
Entlastung genannt. Entlastung gibt es beispielsweise im Unterricht
durch den Lehrer, wenn ein Schüler wegen Basteln und Werfen von
Papierfliegern ignoriert wird und zwar so lange, bis das unerwünschte
Verhalten aufhört. Konsequent keine positive Aufmerksamkeit zu
schenken und dem Schüler bewusst wieder Aufmerksamkeit zu schen-
ken, sobald erwünschtes Verhalten gezeigt wird, ist somit eine nega-
tive Verstärkung. Man nimmt dem Schüler die positive Aufmerksam-
keit des Lehrers und somit die Möglichkeit, sich am Unterricht zu
beteiligen, weg. Es geht hier also immer um die Wegnahme eines Ele-
mentes der Situation, mit der die Wahrscheinlichkeit ansteigt, dass
eine Reaktion wieder gezeigt wird. Wichtig beim Ignorieren ist es, dass
der Lehrer konsequent durchhält, denn schenkt er dem Schüler schon
vor dem Zeigen erwünschten Verhaltens wieder die Aufmerksamkeit,
wird die Aufmerksamkeit des Lehrers zur positiven Verstärkung des
unerwünschten Verhaltens des Schülers. Der Schüler wird dann gerne
weiterhin Flieger basteln und werfen. Eine weniger subtile Art und für
den Lehrer einfacher auszuführende negative Verstärkung in einer sol-
chen Situation wäre es, den Schüler von seinem Tischnachbarn weg-

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Lernen als Reaktionsverstärkung 75

zusetzen und ihn erst wieder an seinen Platz zurückzulassen, wenn das
erwünschte Verhalten gezeigt wird. Dieses Ereignis wird ebenfalls die
Wahrscheinlichkeit steigern, dass der Schüler in einer ähnlichen Situ-
ation keine Flieger mehr bastelt (für weitere Beispiele aus dem Schul-
alltag siehe auch den Kasten „Techniken der Verhaltenskontrolle“ in
Kap. 11).
Positive und negative Verstärker bewirken immer einen Anstieg der
Wahrscheinlichkeit, dass das durch den Verstärker bewirkte ausgeübte
Verhalten wieder gezeigt wird. Hierzu zählen übrigens primäre Verstär-
ker, die Primärbedürfnisse befriedigen wie Nahrung oder Wasser, aber
auch soziale Zuwendung. Davon zu unterscheiden sind sekundäre Ver-
stärker, welche alle Ereignisse beschreiben, die ursprünglich nicht ver-
stärkend wirkten, sondern sich erst durch Paarung mit entsprechen-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

den Verstärkungen als Verstärker entwickelt haben (z. B. Geld).

Tabelle 6: Formen von Verstärkung und Bestrafung

Das Ereignis ist für den


­Organismus …

positiv negativ

Als Reaktion auf hinzugefügt Positive Bestrafung


ein Verhalten ­Verstärkung Typ 1
wird ein Ereignis
entzogen Bestrafung Negative
der Situation
Typ 2 ­Verstärkung

Weiterhin gibt es verschiedene Arten von Bestrafung, die Skinner auch


über ihre Auswirkungen definiert. Bestrafung stärkt jedoch nicht das
Verhalten, sondern bewirkt die Unterdrückung von Verhalten. Auch
hier gibt es zwei Bestrafungstypen (vgl. Tab. 6). Die Bestrafung Typ 1 ist
der Bestrafungstyp, den wir auch im alltäglichen Umgang mit Bestra-
fung assoziieren. Die Ratte in der Skinnerbox musste durch leichte
Stromstöße als Folge des Hebeldrückens lernen, sich lieber von dem
Hebel fernzuhalten. Dies ist nichts anderes als Vermeidungslernen.
Eine Situation, die mit einer negativen Kontingenz assoziiert ist, wird
vermieden. Ebenso kann eine solche Situation zur Fluchtreaktion füh-
ren. Durch die Bestrafung Typ 1 wird also ein bestimmtes Verhalten
unterdrückt bzw. es sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhal-
ten wieder gezeigt wird. Das Ergebnis ist Vermeidungslernen oder das
Erlernen einer Fluchtreaktion. Es gibt viele Beispiele für Bestrafung
Typ 1 in der Schule früherer Zeiten, als es noch üblich war, den Unter-
richt mit körperlichen Bestrafungen der Schüler im Klassensaal zu

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76 Kapitel 3

­ eherrschen. Sogar noch bis in die 1980er Jahre war es durchaus üb-
b
lich, hier und da eine Ohrfeige zu verpassen oder die Ohren langzuzie-
hen, um erzieherisch durchzugreifen. Heutzutage sind solche erziehe-
rischen Maßnahmen gesetzlich verboten. Bestrafungen Typ 1 finden
wir dennoch in anderer Form in der modernen Schulzeit: z. B. Strafar-
beiten, eine Lehrerstandpauke oder mehrmaliges Abschreiben der
Hausordnung, der Gang zum Rektor oder gar der berühmte Brief an
die Eltern. Diese Bestrafungen gehören in das Repertoire einer Lehr-
person als Rezepte zum Management von Konfliktsituationen und Dis-
ziplinschwierigkeiten im Schulalltag. Von der Anwendung dieser Re-
zepte ist jedoch eher abzuraten, da negative Bestrafung immer
Vermeidungslernen auslöst, welches speziell in der Schule nicht ge-
rade von Vorteil ist. So wird häufige Bestrafung Typ 1 und die daraus
folgenden negativen emotionalen Zustände letztendlich eher mit dem
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Bestrafenden assoziiert und nicht mehr mit der Situation oder dem
Verhalten, welches es zu vermeiden gilt. Somit ist oft die Konsequenz
von negativer Bestrafung, dass nicht das bestrafte Verhalten vermie-
den wird, sondern die bestrafende Lehrperson gemieden wird.
Entzugsbestrafung oder Bestrafung Typ 2 bedeutet, dass ein bestimm-
tes unerwünschtes Verhalten damit bestraft wird, dass eine normaler-
weise erwartete positive Konsequenz entzogen wird. Die Ratte in der
Skinnerbox musste beispielsweise lernen, dass das Futter wieder weg-
genommen wird, wenn sie sich nicht schnell genug daran machte, es
zu verspeisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ratte sich Zeit lässt
nach Ergattern des Futters, es zu fressen, sinkt mit der Bestrafung
Typ 2, dem Entzug des Futters. Im alltäglichen Umgang wirkt das Ent-
ziehen einer normalerweise stattfindenden Belohnung, wie beispiels-
weise eine verlängerte Pause, das Sehen eines Filmausschnittes oder
Spiele nach erfolgreichem Unterricht, bestrafend.
Nicht jedes Auftreten Neben der Art und Wirkung verschiedener Verstärkertypen wurde im
des Verhaltens muss
Rahmen der operanten Konditionierung auch die Häufigkeit des Ver-
verstärkt werden
stärkereinsatzes und ihr Zusammenhang zum Aufbau und Erhalt von
Lernprozessen untersucht. Dabei unterscheidet man zunächst zwi-
schen kontinuierlicher und intermittierender Verstärkung. Während bei
kontinuierlicher Verstärkung die Verhaltenskonsequenz jedes Mal
­erfolgt, wenn das Zielverhalten gezeigt wird, erfolgt die Verhaltens-
konsequenz bei intermittierender Verstärkung nicht auf jede Verhal-
tensäußerung, sondern nur noch auf ausgewählte Ereignisse. Die Fest-
legung, welche Ereignisse dabei verstärkt (oder bestraft) werden,
erfolgt nach einer vorab festgelegten Sequenz: dem Verstärkerplan.
Dabei unterscheidet man einerseits Intervall- und Quotenpläne und an-
dererseits feste bzw. randomisierte Pläne. Bei Quotenplänen wird eine

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Lernen als Reaktionsverstärkung 77

Anzahl Verhaltensäußerungen festgelegt, nach der die Konsequenz er-


folgt (z. B. nach jeweils fünf oder zehn Ereignissen), bei Intervallplä-
nen bezieht sich die Konsequenz auf ein Zeitintervall, innerhalb des-
sen das Zielverhalten mindestens einmal gezeigt worden sein muss.
Beide Arten von Verstärkerplänen können nun entweder in einer fes-
ten Abfolge vorgenommen werden, sie können aber auch randomisiert
erfolgen, wobei über den gesamten Versuch im Mittel die vorab fest-
gelegten Quoten oder Intervalle erreicht werden müssen.
Ersichtlich wird es für den lernenden Organismus immer schwieriger,
die Kontingenz zwischen Verhalten und Konsequenz zu erkennen, je
komplexer der Verstärkerplan angelegt wird. Entsprechend kann man
zeigen, dass die Geschwindigkeit des Lernprozesses mit zunehmen-
der Komplexität abnimmt, anderseits aber auch die Löschungsresis-
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tenz steigt, d. h. bei komplexeren intermittierenden Plänen wird das


Verhalten auch bei ausbleibender Verstärkung noch länger gezeigt als
bei kontinuierlichen Verstärkerplänen. Ein weiteres Phänomen, das
man bei solchen Verstärkerplänen beobachten kann, ist das abergläu-
bische Verhalten. Hierbei zeigt der lernende Organismus eine konsis-
tente Zunahme bestimmter Verhaltensweisen, die gar nicht in Zusam-
menhang mit den Verstärkerplänen stehen, sondern die nur zufällig
kurz vor einer intermittierenden Intervallverstärkung gezeigt wurden:
der lernende Organismus glaubt hierbei eine S-R-Kontingenz gefun-
den zu haben, die aber in Wirklichkeit (also im vorab festgelegten Ver-
stärkerplan) nicht existiert.
Die systematische Anwendung der Prinzipien der Verstärkerkontrolle Anwendung in
erfreut sich im Kontext der Pädagogischen Psychologie, und hier ins- der ­Praxis

besondere im Zusammenhang mit der Gestaltung von (schulischem)


Unterricht unter dem Begriff des Kontingenzmanagements, großer Be-
liebtheit. Hierbei wird in der Regel genutzt, dass die Lehrkraft im Klas-
senraum über ein gewisses Maß an Verstärkerkontrolle verfügt, d. h.
sie kann Verstärkungen und Bestrafungen einsetzen, um erwünschtes
Verhalten zu fördern und unerwünschtes Verhalten (z. B. Unterrichts-
störungen) zu reduzieren. Neben den oben angesprochenen direkten
Verstärkungen oder Bestrafungen durch z. B. Lob und Tadel stehen ihr
dabei noch andere, elaboriertere Formen der Verhaltensbeeinflussung
zur Verfügung. Insbesondere bei jüngeren Kindern (etwa in der Grund-
schule) beliebt ist der Einsatz von Token-Ökonomien. Dabei werden se-
kundäre Verstärker etwa in Form von Spielchips (sogenannte Token)
verwendet, die durch regelkonformes Verhalten erworben und später
gegen attraktive Aktivitäten eingetauscht werden können. Wichtig
dabei ist, dass die Regeln, nach denen die Tokens erworben werden,
ebenso ihr Wert und die in Aussicht gestellten Konsequenzen, klar und

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78 Kapitel 3

transparent sind. Hierzu werden oft schriftliche Vereinbarungen zwi-


schen der Lehrkraft und der Klasse getroffen, die als Kontingenzver-
träge bezeichnet werden.

Pädagogische Anwendung von


­Verhaltenskonsequenzen: das Premack-Prinzip
Eines der bekanntesten Prinzipien der pädagogischen Verhaltensbeein-
flussung, das auf die operante Konditionierung zurückgeht, ist benannt
nach dem amerikanischen Psychologen David Premack (1925–2015). In
seinen frühen Studien zum operanten Konditionieren bei Ratten be-
fasste sich Premack mit der Wirksamkeit verschiedener Verhaltenskon-
sequenzen (z. B. Premack, 1962). Er konnte dabei zeigen, dass nicht so
sehr der Verstärker an sich von entscheidender Bedeutung für die Aus-
führung einer Handlung war, sondern vielmehr die grundsätzliche Be-
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reitschaft eines Organismus, ein bestimmtes Verhalten in einer Situa-


tion zu zeigen. So konnte er Ratten dadurch konditionieren, in ihrem
Käfig in einem Rad zu laufen, indem er ihnen als Verhaltenskonsequenz
(Reinforcement) anschließend Wasser anbot, er konnte sie aber genauso
dazu konditionieren Wasser zu trinken, wenn sie danach die Möglich-
keit erhielten, in dem Rad zu laufen.

Premack schlussfolgerte daraus, dass jedes Verhalten in einer bestimm-


ten Situation als Verstärker fungieren kann, wenn es in dieser Situation
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gezeigt würde, als das zu erler-
nende Zielverhalten. Der Wert eines Verstärkers ist demnach also rela-
tiv und situationsabhängig. Pädagogisch lässt sich dieses Prinzip nun
nutzbar machen, indem man in einer Unterrichtseinheit attraktivere Ak-
tivitäten wie Ballspiele, einen Film ansehen oder Medien nutzen als Ver-
stärker für weniger attraktive Lernaktivitäten wie Stillarbeit, Aufgaben
lösen oder Zirkeltraining einsetzt.

Nicht nur bei Ratten in der Skinnerbox, sondern auch beim Menschen
in einer hochkomplexen realen Umgebung werden einzelne Verstär-
ker bzw. Bestrafungen mal weniger und mal mehr zur erfolgreichen
operanten Konditionierung und dem entsprechend erwünschten Ver-
halten führen. Es wurden verschiedene Verstärkerpläne entwickelt, die
mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer operanten Konditionierung
führen. Die beiden für den Lernalltag wichtigsten Verstärkerpläne sind
das sogenannte Shaping (Verhaltensformung) und das Chaining (Ver-
kettung). Eine weitere wichtige Technik zum Lernen komplexer Ver-
haltensweisen ist das Fading (Ausblenden), wobei Diskrimination und
Generalisierung hier eine entscheidende Rolle spielen.
Methoden des Erwerbs Shaping ist eine Methode, mit der man bei Tieren nicht nur das von
komplexen Verhaltens
ihnen zufällig ausgeführte Verhalten, wie das Drücken eines Hebels,

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Lernen als Reaktionsverstärkung 79

in der Skinnerbox verstärken kann, sondern jegliches einem erwünsch-


ten Zielverhalten nahe kommendes Verhalten. So kann man auch Kat-
zen beibringen, die Pfote zu geben, wenn man Zwischenschritte des
Pfotegebens, z. B. still vor einem zu sitzen oder das Anheben der Pfote
alleine mit Futter positiv verstärkt. Das Shaping wurde von Skinner
deshalb auch Methode schrittweiser Annährung oder Methode diffe-
rentieller Verstärkung schrittweiser Annährung genannt (Skinner,
1951).
Chaining ist ebenso bedeutend, denn jede noch so einfach erschei-
nende Handlung ist in viele Zwischenschritte aufteilbar. Und so ist es
bei entsprechender Verkettung dieser Teilschritte, die jeweils als dis-
kriminative Stimuli wirken, möglich, die ganze Handlung zu erlernen.
Es werden also verschiedene Reaktionssequenzen aneinandergereiht
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erlernt. Und die letzte Reaktion ist schließlich das erwünschte Zielver-
halten. Sei es das Hebeldrücken bei der Ratte, das viele Teilschritte vo-
raussetzt oder sei es eine Verkettung von Reaktionen einer Katze, die
schließlich zur Verhaltensformung, dem Pfotegeben, führt. Das Erler-
nen des Pfotegebens bei einer Katze ist also durch Chaining beim Sha-
ping möglich, indem sie kontinuierlich bei Zwischenschritten des Pfo-
tegebens, z. B. (1) still vor einem zu sitzen und dann (2) dem Anheben
der Pfote alleine sowie (3) schließlich dem Auflegen der Pfote auf die
Hand, einen Verstärker (Futter) erhält. Nach längerem Training wird
die Katze auf die verbale Aufforderung „Pfote“ die Pfote direkt geben,
ohne dass ein Verstärker folgen muss, da der diskriminative Stimulus
der verbalen Aufforderung beim Training nun die Kontr­olle über die-
ses Verhalten übernehmen kann.
Im alltäglichen Umgang können wir beim Menschen viele Ketten bei
der Verhaltensformung ausmachen. So setzen viele automatisierte Pro-
zesse ein Lernen durch Chaining und Shaping voraus, sei es das Auto-
fahren, das Spielen eines Instruments, Lesen und Schreiben oder auch
Grundlegendes, wie der Vorgang Essen mit Besteck oder Trinken aus
einem Glas.
Fading (Ausblenden) ist eine weitere Technik, die für das alltägliche
Lernen von Bedeutung ist. Mit Ausblenden ist gemeint, dass ein Merk-
mal eines Stimulus, der das Zielverhalten auslöst, Stück für Stück aus-
geblendet wird und schließlich nicht mehr notwendig ist, um das Ziel-
verhalten auszulösen. Beispiele hierfür sind die Stützräder beim
Erlernen des Radfahrens oder die körperliche Unterstützung eines
Trainers beim Erlernen von Schwimmzügen (Stütze am Bauch) oder
bei Turnübungen, wie z. B. beim Flick-Flack (Stütze am Becken). So-
bald die ersten Schritte des Zielverhaltens erlernt wurden, lassen sich
die Unterstützungen wegnehmen (ausblenden), ohne den Lernprozess

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80 Kapitel 3

zu schwächen. Beim Fading handelt es sich also um das Ausblenden


von zuvor eingeführten Hilfen und Erleichterungen zum Erlernen eines
Verhaltens.
Der letzte Schritt beim Ausblenden ist das Generalisieren: Dass nicht
nur auf dem einen Fahrrad gefahren werden kann, sondern auf jedem
beliebigen Fahrrad, ist der Fähigkeit zur Generalisierung zu verdan-
ken, die auch als Transferleistung bezeichnet werden kann. Hierbei
wird einmal erlerntes Verhalten auf neue Situationen übertragen, die
der Ausgangssituation ähnlich sind. Die Effizienz der Generalisierung
hängt dabei einerseits von der Güte des gelernten Verhaltens ab, an-
dererseits vom Grad der Ähnlichkeit zwischen Ausgangs- und Zielsi-
tuation. Genauso wichtig und manchmal auch am Fading beteiligt ist
das Phänomen der Diskrimination. Hierbei handelt es sich um die Fä-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

higkeit zur differenzierten Verhaltensreaktion auf ähnliche Stimulus-


konstellationen. Die Phänomene der Generalisierung und der Diskri-
mination sind beim klassischen und operanten Konditionieren
beobachtbar. Generalisierung bzw. Diskrimination kann durch Stimuli
bei der klassischen Konditionierung nach Pawlow ausgelöst, (vgl. Ab-
schnitt 3.2.1) und bei der operanten Konditionierung nach Skinner
durch Verstärkerpläne erlernt werden. Lernen kann somit als auf den
beiden ­aufeinander aufbauenden Ansätzen von Pawlow und Skinner
basierende Reaktionsverstärkung betrachtet werden. Skinner ging
sogar so weit, dass er unser gesellschaftliches Leben als einen einzi-
gen komplexen Konditionierungsprozess ansah.

3.3 Lernen am Modell:


­Banduras ­sozial-kognitive Theorie
Eine weitere Lerntheorie aus der Familie der behavioristischen The-
orien, die für die Pädagogische Psychologie von großer Bedeutung
ist, ist die Theorie des Modelllernens von Albert Bandura (geb. 1925).
Bandura, der zu den bedeutendsten Psychologen des 20. Jahrhun-
derts zählt, hat in vielen Bereichen der Psychologie geforscht und
wird uns noch in anderen Zusammenhängen begegnen. Seine Theo-
rie des Modelllernens, die auch als sozial-kognitive Lerntheorie be-
zeichnet wird, ist dabei schon in der Frühphase seiner Forschung ent-
standen, gehört aber bis heute zu den einflussreichsten und meist
verwendeten Theorien der Lernpsychologie. Dies ist eigentlich umso
verwunderlicher, beruht sie doch in ihrem Kern auf einer einzigen
Experimentalserie, den sogenannten Bobo-Doll-Experimenten (siehe

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Lernen als Reaktionsverstärkung 81

Kasten; Bandura, Ross & Ross, 1961, 1963; Bandura, 1965), die zu-
grundeliegende Theorie wurde aber immer wieder aktualisiert und
weiterentwickelt.

Die Bobo-Doll-Experimente
In einer Serie experimenteller Studien gingen Bandura und Mitarbeiter
der Frage nach, ob aggressives Verhalten durch Beobachtung erworben
werden kann.

In einer der Studien (Bandura et al., 1963) sahen Kindergartenkinder


dazu zunächst einen Film, in dem eine erwachsene Person (Rocky) sich
aggressiv gegenüber einer großen Plastikpuppe (Bobo) verhält. Der Film
existierte dabei in drei Versionen, die sich jeweils durch ihren Schluss
unterschieden. Die Kinder wurden nun per Zufall einer der drei Filmbe-
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dingungen zugewiesen und sahen dabei folgende Endsequenzen: In Be-


dingung 1 erschien eine zweite erwachsene Person, die Rocky für ihr ag-
gressives Verhalten lobte; in Bedingung 2 wurde Rocky von der
erwachsenen Person für sein Verhalten getadelt; in Bedingung 3 erschien
keine weitere Person, die Kinder sahen also lediglich das aggressive Ver-
halten Rockys.

Im zweiten Teil des Experimentes wurden nun alle Kinder einzeln in einen
Untersuchungsraum geführt, der dem im Film entsprach und in dem
sich die dort gezeigten Gegenstände, u. a. die Puppe Bobo, befanden. Die
Kinder wurden dann für eine Zeit alleine gelassen und unbemerkt be-
obachtet. Die Versuchsleiter notierten dabei die Anzahl aggressiver und
nicht aggressiver Verhaltensweisen der Kinder. Es zeigte sich, dass alle
Kinder das aggressive Verhalten Rockys der Puppe Bobo gegenüber
nachahmten, allerdings in unterschiedlich starkem Ausmaß. Die Kinder,
die den Film unter Bedingung 1 gesehen hatten, in denen Rocky für seine
Aggressionen belohnt worden war, zeigten eine höhere Auftretenswahr-
scheinlichkeit aggressiver Verhaltensweisen als die Kinder der Gruppen
2 und 3.

Schließlich befragte der Versuchsleiter alle Kinder danach, an welche


aggressiven Verhaltensweisen sie sich im Film noch erinnern und wel-
che sie nachahmen konnten und bot ihnen dafür eine Belohnung an.
Hier zeigte sich, dass die Kinder aller drei Gruppen in gleich (hohem)
Ausmaß aggressives Verhalten zeigten. Mit Bandura kann man daraus
schließen, dass die Kinder in gleicher Weise durch die Beobachtung
­Rockys gelernt hatten, jedoch – abhängig von den erlebten Verhaltens-
konsequenzen – in unterschiedlichem Ausmaß selbst das Verhalten
zeigten.

Nach Banduras Theorie können Menschen durch Beobachten und Nach-


ahmen des Verhaltens anderer Personen lernen, weshalb synonym

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82 Kapitel 3

Beobachtung als dafür oft auch die Begriffe Beobachtungs- oder Nachahmungslernen
­Methode des Lernens verwandt werden. Obwohl die Theorie Banduras auf den Prinzipien
des operanten Konditionierens basiert, wird sie als sozial-kognitive
Theorie bezeichnet, da sie zur Erklärung des Phänomens des Modell-
lernens auch auf Annahmen zurückgreift, die allein mit behavioristi-
schen Vorstellungen nicht vereinbar sind. Banduras Theorie stellt damit
einen Zwischenschritt zwischen den rein auf Verhaltensbeobachtung
basierenden Konditionierungstheorien und den nachfolgenden kogni-
tiven Lerntheorien dar. Bandura wird daher auch zuweilen als Neo-­
Behaviorist bezeichnet.
Ein Grundsatz der Theorie Banduras wird als reziproker Determinismus
(Woolfolk, 2014) bezeichnet. Darunter versteht man eine wechselsei-
tige Beeinflussung von Person, Verhalten und Umwelt bei der Entste-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

hung neuen Verhaltens. Das Verhalten einer Person wird also nicht nur
– wie es der Behaviorismus annimmt – allein von der physischen und
sozialen Umwelt bestimmt, sondern auch von ihren Personenmerk-
malen (z. B. Einstellungen, Überzeugungen). Das Verhalten wiederum
kann eine Wirkung auf Umwelt und Person ausüben. Des Weiteren ist
eine Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt möglich (Gerrig,
2015).
Den Prozess des Modelllernens beschreibt Bandura dabei in einem
Vier-Phasen-Modell, bestehend aus den Phasen (1) Aufmerksamkeit,
(2) Behalten, (3) Reproduktion sowie (4) Motivation (vgl. Abb. 9).
Der Lernprozess beginnt damit, dass die Aufmerksamkeit des Beobach-
ters erregt wird. Dies kann durch bestimmte Merkmale des Modells
(s.u.), durch Eigenschaften des Beobachters sowie durch die wahrge-

Aufmerksamkeits- Behaltens- Reproduktions- Motivations-


phase phase phase phase

Modellierungs-
stimuli
• Deutlichkeit
• Affektive Valenz
• Verbreitung Symbolische Physische
• Funktionaler Kodierung Fähigkeiten Äußere
Wert Bekräftigung
Kognitive Verfügbarkeit der
Beobachtungs- Teilreaktionen
Modellierte merkmale Organisation Stellvertretende Nachbildungs-
Ereignisse • Wahrneh- Bekräftigung leistung
Symbolische Selbstbeob-
mungs- achtung bei der
kapazität Nachbildung Selbst-
Reproduktion bekräftigung
• Erregungs-
niveau Motorische
Nachbildung Feedback zur
• Wahrneh- Angemessenheit
mungs-
einstellung
• Frühere Be-
kräftigung

Abbildung 9: Banduras Phasenmodell (nach Bandura, 1979, S. 32)

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Lernen als Reaktionsverstärkung 83

nommene Relevanz des Verhaltens beeinflusst werden (Bandura, Die Phasen des
­Modelllernens
1979). Das beobachtete Verhalten muss dabei – wie schon im Bobo-
Doll-Experiment gezeigt – nicht unmittelbar selbst ausgeführt wer-
den, vielmehr kann zwischen Beobachtung und Handlungsausfüh-
rung ein durchaus längerer Zeitraum liegen. Das setzt aber voraus,
dass der Beobachter das Verhalten, das er später nachahmen wird, be-
halten hat, d. h. es muss eine mentale Repräsentation der Beobach-
tung existieren. Ob dies tatsächlich der Fall ist, zeigt sich aber erst
dann, wenn das Verhalten auch tatsächlich ausgeführt wird, was Ban-
dura als Reproduktionsphase bezeichnet. Gegebenenfalls muss der Be-
obachter das Verhalten auch mehrfach üben, bevor er es exakt be-
herrscht, d. h. die Reproduktionsphase kann selbst wieder einen
Prozess der sukzessiven Verhaltensformung beinhalten. Ob das ge-
lernte Verhalten schließlich auch dauerhaft in das Verhaltensreper-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

toire des Beobachters übernommen wird, hängt von der Situation und
von deren Einschätzung durch den Beobachter ab. Erwartet der Be-
obachter eine Verstärkung für das Verhalten, wird er deutlich moti-
vierter sein, das Verhalten zu zeigen, als wenn er keine Verstärkung
oder sogar eine Bestrafung erwartet (Woolfolk, 2014). Die Phase der
Motivation ist also, ganz in der Tradition der operanten Konditionie-
rung, der Verhaltensausführung nachgelagert und schließt als vierte
Phase den Modellzyklus ab.
Hinsichtlich der Verstärkung werden drei Formen unterschieden, die
alle die Häufigkeit des Verhaltens erhöhen können. Bei (a) der stellver-
tretenden Verstärkung erlebt der Beobachter, wie andere Personen für
das Verhalten belohnt werden. Dies kann ihn dazu motivieren, das Ver-
halten künftig selbst zu zeigen. Möglich ist aber auch, dass der Beob-
achter das Verhalten unabhängig von einer Verstärkung des Modells
imitiert. Erhält er infolgedessen (b) eine direkte Verstärkung (z. B. ma-
teriell: Bonbons, Geld; sozial: Lob, Zuwendung), kann ihn dies dazu
veranlassen, in ähnlichen Situationen mit dem gleichen Verhalten zu
reagieren. Ein pädagogisch wünschenswertes Ziel ist (c) die Selbstver-
stärkung, bei der der Beobachter sein Verhalten selbst bekräftigt und
bestärkt. Indem er sein Verhalten persönlich wertschätzt, kann er es
selbst steuern und wird unabhängig von äußeren Belohnungen (Ban-
dura, 1979).

Modelle und Modelleigenschaften


Natürliche Modelle können Mitmenschen sein, mit denen eine Person
in Kontakt steht (z. B. Eltern, Geschwister, Freunde, Lehrer). Das Ver-
halten einer Person kann aber auch von nicht real existierenden, sym-

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84 Kapitel 3

bolischen Modellen beeinflusst werden (z. B. Handpuppen, Zeichen-


trickfiguren, Fabelwesen). Des Weiteren können schrittweise An-
leitungen, die demonstriert oder sprachlich, schriftlich oder bildlich
vorgegeben werden, als Modell fungieren. Sie können dem B ­ eobachter/
Lernenden vermitteln, wie ein Problem zu lösen ist und worauf er dabei
achten sollte.
Obwohl im Alltag viele potenzielle Modelle präsent sind, werden längst
nicht alle nachgeahmt. Welche Modelle imitiert werden, hängt von den
Eigenschaften des Modells, des Beobachters sowie von den situativen
Bedingungen ab.
Was macht ein Modelle werden dabei mit höherer Wahrscheinlichkeit nachgeahmt,
gutes Modell aus?
wenn sie über folgende Eigenschaften verfügen:
• Modelle, die einen hohen sozialen Status aufweisen, die angesehen
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und akzeptiert sind,


• Modelle, zu denen der Beobachter eine emotionale Beziehung pflegt
oder empfindet (z. B. Eltern, Geschwister, freundliche Personen),
• Modelle, die hinsichtlich ihres Fachwissens oder ihren Fertigkeiten
als kompetent wahrgenommen werden,
• Modelle, die dem Beobachter in ihren Eigenschaften und Merkma-
len ähneln,
• Modelle, die soziale Macht ausüben,
• Modelle, die aggressives Verhalten vorleben.
Wahrscheinlichkeit und Effizienz von Modelllernprozessen hängen
aber auch von situativen Bedingungen ab. Dazu gehören:
• die Salienz des Modellverhaltens, d. h. das Verhalten des Modells ist
klar sichtbar und sticht hervor,
• die Verhaltenskonsequenz für das Modell (stellvertretende Verstär-
kung),
• die Konsequenzen für den Beobachter, etwa die Frage, ob der Be-
obachter dafür verstärkt wird, dem Modellverhalten Aufmerksam-
keit zu schenken (was z. B. im Kontext schulischen Lernens häufig
vorkommt).
Bandura selbst sieht in den unterschiedlichen Annahmen zur Wir-
kungsweise von Verstärkung einen zentralen Unterschied zwischen
einer behavioristischen und einer sozial-kognitiven Theorie des Mo-
delllernens (siehe Abb. 10):
Darüber, daß Bekräftigungen im Aneignungsprozeß eine Rolle spielen kön-
nen, herrscht Einigkeit. Wie das Schema … zeigt, ist strittig, ob die Verstär-
kung rückwirkend vorangehende Nachahmungsreaktionen und ihre Ver-
knüpfung mit den Stimuli fördert, oder ob sie das Lernen antizipatorisch
bahnt, indem sie die Aufmerksamkeits-, Organisations- und Wiederholungs-

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Lernen als Reaktionsverstärkung 85

SModellierungsreize R SBekräftigung

Symbolische
Kodierung
Kognitive
Antizipierte SBekr. Aufmerksamkeit SModellierungsreize Organisation
R
Wiederholung

Abbildung 10: Schematische Darstellung der Wirkung von Verstärkung (nach Ban-
dura, 1979, S. 47)

prozeße unterstützt. … In der sozial-kognitiven Lerntheorie gelten Bekräf-


tigungen als förderlicher Faktor, nicht als notwendige Bedingung. (Bandura,
1979, S. 46)
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Auch wenn der Unterschied zunächst marginal zu sein scheint, stellt


er doch einen fundamentalen Wandel in der Sichtweise auf Lernpro-
zesse dar. Zum einen nimmt Bandura damit Abschied vom strengen
„Black-Box-Modell“, das die wissenschaftstheoretische Grundlage des
klassischen Behaviorismus darstellt, indem er nicht nur die Existenz
mentaler Phänomene postuliert, sondern diesen auch funktionale
­Bedeutung bei der Entstehung des Modelllernens zuweist. Lernen be-
steht damit nicht mehr nur in der Auslösung angeborener Verhaltens-
weisen durch neue Stimuli (klassisches Konditionieren) und der
Veränderung der Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhaltenssequen-
zen in Abhängigkeit von ihren Konsequenzen (operante Konditionie-
rung), sondern auch in der aktiven Auseinandersetzung mit der ­sozialen
Umwelt und ihrer Anpassung an die eigenen Verhaltensbedingungen.
Das Modelllernen muss dabei nicht ausschließlich in der exakten Re-
produktion des beobachteten Verhaltens bestehen. Bandura und Wal-
ters (1963) unterschieden vielmehr drei verschiedene Wirkungen (Ef-
fekte) beim Modelllernen: den Modelleffekt, den Hemmungs- bzw.
Enthemmungseffekt und den Auslöseeffekt.
Nur der Modelleffekt beschreibt dabei im eigentlichen Sinn den Erwerb Wie wirkt Modelllernen?
neuer Verhaltensweisen durch die Beobachtung der Handlungsausfüh-
rung bei einer anderen Person. Voraussetzung hierfür ist, dass der Be-
obachter das Verhalten, das er beim Modell sieht, selbst noch nicht be-
herrscht bzw. noch nicht gezeigt hat. Ein klassisches Beispiel hierfür
wäre der Tanzunterricht, bei dem der Tanzschüler (Beobachter) den
Tanzlehrer (Modell) zunächst bei der Ausführung der Tanzschritte (Mo-
dellverhalten) beobachtet, bevor er dieses selbst auszuführen versucht.
Da der Tanzschüler die Tanzschule in der Regel bewusst besucht, um
das Tanzen zu erlernen, ist die Aufmerksamkeit für das Modellverhal-

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86 Kapitel 3

ten ebenso gesichert wie die Motivation. Der Tanzlehrer fungiert hier
im Übrigen nicht nur als Modell, sondern auch als Verstärker in der Re-
produktionsphase, in der das Zielverhalten in aller Regel nicht spon-
tan perfekt, sondern im Sinne einer sukzessiven Verhaltensformung
erworben wird. Wir können hier also sehen, wie Prozesse des Modell-
lernens und des operanten Konditionierens ineinandergreifen.
In anderen Modelllernsituationen muss das Verhalten selbst jedoch
nicht erst durch Beobachtung erworben werden. So verfügen Menschen
in der Regel über die Fähigkeit, aggressive Verhaltensweisen zu zei-
gen, ohne dass diese in spezifischen Situationen beobachtet wurden.
Wenn nun nach der Beobachtung eines aggressiven Modells, wie in
Banduras Bobo-Doll-Experimenten, die Auftretenswahrscheinlichkeit
aggressiver Verhaltensweisen beim Beobachter steigt, wird nicht das
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Verhalten selbst, sondern die Anwendung des Verhaltens in einer spe-


zifischen Situation gelernt. Bandura und Walters (1963) bezeichnen
dies als Hemmungs- bzw. Enthemmungseffekt und sehen die Ursache
darin, dass der Beobachter nicht nur das Modellverhalten, sondern
auch dessen Konsequenzen beobachtet. Hat das gezeigte Verhalten
positive (oder zumindest keine) Konsequenzen, steigt die Auftretens-
wahrscheinlichkeit (Enthemmung), führt das Verhalten zu Bestrafung,
sinkt die Auftretenswahrscheinlichkeit (Hemmung). Mit solchen Hem-
mungs- und Enthemmungseffekten lassen sich beispielsweise die
Nachahmung negativer Verhaltensweisen bei Kindern von ihren Peers
oder auch die Übernahme aggressiven Verhaltens etwa bei Fußballh-
ooligans oder gewaltbereiten Demonstranten erklären.
Schließlich gibt es nach Bandura und Walters (1963) noch einen drit-
ten Modelllerneffekt, den sie als Auslöseeffekt bezeichnen. Hierbei führt
die Beobachtung eines Modellverhaltens zur Ausführung eines funk-
tional ähnlichen Verhaltens beim Beobachter. Sieht der Beobachter
beispielsweise, wie sich ein Modell für seinen Erfolg selbst belohnt,
indem er sich ein Buch kauft, könnte er das Verhalten dadurch nach-
ahmen, dass er sich nach einem ähnlichen Erfolg mit einem Kinobe-
such belohnt. Die Verhaltensweisen sind zwar völlig verschieden, er-
füllen aber eine vergleichbare Funktion.

Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Lerntheorien steht in erster
Linie der Erwerb von Verhaltensweisen. Ein Hauptgrund für die Fo-
kussierung auf diesen Gegenstandsbereich liegt dabei in der wis-
senschaftstheoretischen Grundposition des Behaviorismus. In ihrem
Bemühen um eine streng naturwissenschaftliche, am Selbstver-
ständnis der Physik orientierte Psychologie, versuchten die Vertreter

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Lernen als Reaktionsverstärkung 87

des klassischen Behaviorismus nur solche Phänomene zur Erklä-


rung von Verhaltensweisen zuzulassen, die einer objektiven Beob-
achtung zugänglich waren und die in experimentellen Settings über-
prüft werden konnten. Intrapsychische Phänomene, die zur gleichen
Zeit im Rahmen tiefenpsychologischer Theorien diskutiert wurden,
entsprachen diesen Anforderungen nicht, weshalb sie zwar nicht
grundsätzlich geleugnet wurden, ihnen aber kein Erklärungspoten-
zial zugewiesen wurde; sie wurden quasi in der Black Box einge-
sperrt. Der damit einhergehenden Beschränkung des Gegenstands-
bereiches stand jedoch der Vorzug der wissenschaftlichen
Überprüfbarkeit der postulierten Lernmechanismen entgegen, ein
Vorzug, der für die Etablierung der damals noch jungen Wissen-
schaft Psychologie von immenser Bedeutung war, und eine Sicht-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

weise, die das wissenschaftliche Selbstverständnis der Psychologie


bis heute prägt.
Die klassische oder Typ-S-Konditionierung beschreibt einen Subs-
titutionsmechanismus, bei dem eine ursprünglich bestehende
­S -R-Kontingenz ersetzt wird, indem ein unkonditionierter Stimulus
durch raum-zeitlich kontingente Verbindung mit einem ursprüng-
lich neutralen Stimulus durch diesen ersetzt wird und ein bestimm-
tes Verhalten auslöst. Gelernt wird hier kein neues Verhalten, son-
dern eine neue S-R-Kontingenz, der ursprünglich neutrale, jetzt
konditionierte Stimulus erhält also für den Organismus eine neue
Bedeutung.
Im Unterschied dazu wird bei operanter oder Typ-R-Konditionie-
rung tatsächlich neues Verhalten etabliert. Ursprünglich zufällig auf-
getreten – beispielsweise als Explorationsverhalten der Ratte in der
für sie neuen Umgebung der Skinnerbox – verändert sich die Auf-
tretenswahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens in Abhän-
gigkeit von den ihm nachfolgenden Konsequenzen. Sind diese für
den Lernenden wünschenswert, steigt die Auftretenswahrschein-
lichkeit und das Verhalten wird etabliert, sind sie negativ, sinkt die
Auftretenswahrscheinlichkeit und das Verhalten verschwindet. Auch
hier wird wieder eine Kontingenz erlernt: diesmal zwischen einem
Verhalten und seinen nachfolgenden Konsequenzen.
Sowohl Typ-S- als auch Typ-R-Konditionierung beruhen auf der Eta-
blierung von Verhaltensweisen, die der Lernende selbst hervor-
bringt, sei es auf der Basis angeborenen oder zufälligen Verhaltens.
Demgegenüber beschäftigt sich das Modelllernen mit der Etablie-
rung von Verhaltensweisen, die ursprünglich nicht vom Lernenden
selbst, sondern von anderen gezeigt werden. Damit wird Lernen als

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88 Kapitel 3

sozialer Austauschprozess konzeptualisiert, eine Sichtweise, die im


Kontext moderner konstruktivistischer Instruktionstheorien (vgl.
Kap. 10) seit den 1990er Jahren neue Aktualität gewonnen hat. Aus
Sicht der historischen Entwicklung markiert Banduras Theorie des
Modelllernens den Übergang zwischen behavioristischen und kog-
nitiven Lerntheorien. Wie gezeigt, verließ Bandura zur Erklärung
der Phänomene des Modelllernens den eng gesteckten wissen-
schaftstheoretischen Rahmen des klassischen Behaviorismus, indem
er einerseits die strenge Bindung der Verhaltensmotivation an die
nachfolgende Verhaltenskonsequenz löste und andererseits explizit
den Aufbau interner mentaler Repräsentationen (Bandura spricht
von symbolischer Kodierung) als notwendiges Element des Modell-
lernprozesses postuliert. Dennoch kehrt auch Bandura nicht zurück
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zu den Methoden der Introspektion der Tiefenpsychologie, sondern


bleibt einem empirisch-experimentellen Zugang zur Analyse von
Lernprozessen verpflichtet, eine Sichtweise, die auch die moderne
kognitionspsychologische Lernpsychologie prägt.
Bandura verbindet in seiner Theorie also behavioristische mit sozi-
alen und kognitiven Aspekten des Lernens und bildet damit eine
wichtige Brücke zwischen den verschiedenen Sichtweisen auf Ler-
nen, die wir zu Beginn des Kapitels besprochen haben. Es ist daher
wenig verwunderlich, dass Banduras Ideen bis heute einen großen
Einfluss in verschiedenen Bereichen der (Pädagogischen) Psycho-
logie haben.

Fragen
1. Welche drei Perspektiven auf Lernen werden im Kontext der
Pädagogischen Psychologie diskutiert?
2. Wie wird Lernen definiert?
3. Was versteht man nach Thorndike unter „Assoziationslernen“?
4. Was ist mit dem Begriff „Black Box“ gemeint?
5. Beschreiben Sie das klassische Konditionieren anhand des Bei-
spiels vom kleinen Albert.
6. Was bedeutet Gegenkonditionierung und welche Techniken
existieren hierfür?
7. Was ist ein Verstärker und welche zwei Arten von Verstärkung
lassen sich unterscheiden?
8. Welche Arten von Bestrafung lassen sich unterscheiden? Nen-
nen Sie je ein Beispiel.
9. Was versteht man unter einem Verstärkerplan und welche las-
sen sich unterscheiden?

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Lernen als Reaktionsverstärkung 89

10. Was ist mit Shaping, Chaining, Fading, Generalisieren und Dis-
krimination innerhalb des operanten Konditionierens gemeint?
11. Warum bezeichnet man die Theorie des Modelllernens nach
Bandura als sozial-kognitive Theorie?
12. Skizzieren Sie den Prozess des Modelllernens.
13. Welche drei Formen der Verstärkung werden innerhalb der
Motivationsphase unterschieden?
14. Welche Modelle werden beim Modelllernen mit höherer Wahr-
scheinlichkeit nachgeahmt?
15. Welche drei Effekte lassen sich beim Modelllernen unterschei-
den?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 4
Lernen als Informationsverarbeitung
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Inhaltsübersicht
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4.2 Der Informationsverarbeitungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
4.2.1 Wahrnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
4.2.2 Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
4.2.3 Das Arbeitsgedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
4.2.4 Arbeitsgedächtnismodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4.3 Unterteilungen des Langzeitgedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
4.3.1 Das deklarative Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.3.2 Das nicht-deklarative Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.4 Entwicklung von Kategorien, Konzepten und Schemata . . . . . . . . . . . . . . 110
4.4.1 Kategoriale Unterscheidungen bei wahrnehmungsnahen Prozessen . . . 111
4.4.2 Semantische Konzepte und Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
4.4.3 Propositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4.4.4 Schemata und Skripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
4.5 Prozesse des Langzeitgedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.5.1 Speicherprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
4.5.2 Abrufprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.6 Erwerb kognitiver Fertigkeiten: Die ACT-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.6.1 Das Zusammenspiel von prozeduralem und deklarativem Wissen . . . . 121
4.6.2 Steuerung des Verarbeitungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.6.3 Erwerb von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

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92 Kapitel 4

4.1 Einleitung
Der Mensch ist ein Lebewesen, das Informationen verarbeitet, zusam-
menfasst und interpretiert. Wenn Lichtenergie auf die Netzhaut des
Auges trifft, wandeln spezialisierte Rezeptoren diese Energie in elek­
trochemische Impulse um und schicken sie durch Nervenbahnen in
die visuellen Areale der Großhirnrinde. Die Zusammenfassung, Ver-
rechnung und Auswertung dieser elektrochemischen Impulse durch
das Gehirn führt letztlich dazu, dass Objekte in der Umwelt erkannt
werden, eine Situation in der Umwelt interpretiert und bewertet wird
und Handlungsoptionen vorbereitet werden. Dafür spielt das Wissen,
das bereits im Langzeitgedächtnis gespeichert ist, die entscheidende
Erkennen als Wissen Rolle. Unsere Auffassung davon, was in der Außenwelt der Fall ist und
wie wir in dieser Welt handeln können, hängt davon ab, welche Be-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

griffe, Kategorien und Schemata im Langzeitgedächtnis verfügbar sind,


um die Informationen aus der Außenwelt zu interpretieren.

Kognitive Schemata: Eine Zeitungsmeldung


Ein Autofahrer ist am frühen Morgen nach einem Überholmanöver mit
seinem Wagen bei mindestens 140 Stundenkilometern verunglückt und
hat sich dabei tödliche Verletzungen zugezogen. Zum Zeitpunkt des Un-
falls hatte er einen Blutalkoholspiegel von 1,8 Promille.

Das Verständnis dieser Meldung erfordert Vorwissen. Dieses Vorwissen


kann man als „Schema“ für typische Unfallhergänge und ihre Gründe
beschreiben. Das Schema hilft uns, die unvollständigen Informationen
zu verstehen und die Kausalkette zu schließen – beispielsweise bezüg-
lich des Zusammenhangs zwischen Blutalkoholspiegel und Fahrtüch-
tigkeit. Diese Information ist in der Meldung nicht enthalten. Bei hoch
zugänglichen und oft gebrauchten Schemata geschieht das „Verständ-
nis“ „automatisch“ – also unmerklich, ohne Zuwendung von Aufmerk-
samkeit. Während wir lesen, wird das Schema aktiviert und wir setzen
die Information in das Schema ein. Leseverständnis setzt solche Sche-
mata voraus. Adressatengerechtes Schreiben bedeutet, die Schemata
der Leserinnen und Leser zu nutzen. Verfügen wir nicht über angemes-
sene Schemata zum „Einsetzen“ der aktuellen Informationen, müssen
wir lernen – und das bedeutet, neue Schemata zu bilden oder existie-
rende Schemata zu verändern.

Schemata nutzen Die Abhängigkeit unserer Weltinterpretation von unseren Kategorien


und Schemata gilt, wenn wir eine Zeitungsmeldung lesen, eine Stel-
lung auf einem Schachbrett betrachten oder versuchen, ein Diagramm
zu verstehen. Wenn Schemata im Langzeitgedächtnis geeignet sind,
die wahrgenommenen Informationen zu integrieren und begrifflich zu

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Lernen als Informationsverarbeitung 93

erkennen, dann „verstehen“ wir. Sind unsere Schemata im Langzeit-


gedächtnis jedoch nicht dazu geeignet, die Informationen aus der Au-
ßenwelt zu integrieren, dann müssen wir lernen. Wir müssen Begriffe, Schemata verändern
Zusammenhänge, Handlungsmuster und Schemata erwerben, anpas-
sen und verändern. Im Zentrum des Lernens steht folglich die Kons­
truktion von kognitiven Schemata.
Lernen durch Verarbeiten von Informationen umfasst Wahrnehmung
und Erkennen bereits bekannter Zusammenhänge, bewusste Verarbei-
tung von Informationen (z. B. Vergleich, Einordnung, Berechnung, Zu-
sammenfassung), Verknüpfung mit bereits vorhandenen Informatio-
nen im Langzeitgedächtnis sowie Konsolidierung, Wiederholung und
Etablierung von Abrufmöglichkeiten.
Ob das Lernen erfolgreich ist, hängt davon ab, wie wir neue Informa-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

tionen verarbeiten. Die Qualität der Informationsverarbeitungspro-


zesse hängt einerseits von bestimmten Voraussetzungen ab wie dem
verfügbaren Vorwissen oder der Arbeitsgedächtniskapazität. Die In- Lernen beeinflussen
formationsverarbeitung lässt sich andererseits mit geeignetem Lern-
verhalten positiv beeinflussen. Pressley, Borkowski und Schneider
(1989) haben ein umfassendes Modell der „guten Informationsverar-
beitung“ (GIV-Modell) entworfen. Gute Informationsverarbeiter pla-
nen, überwachen und reflektieren ihr Lernverhalten, sie wissen um
Lernstrategien, sie besitzen Vertrauen in ihre Lernfähigkeiten und
möchten gute Ergebnisse erzielen.
In diesem Kapitel geht es um die kognitiven Grundlagen, mit denen
sich Lernprozesse als Prozesse der Informationsverarbeitung verste-
hen lassen. Ziel der Darstellung ist, ein zusammenhängendes Bild der
menschlichen Informationsverarbeitung zu zeichnen. Mit den hier dar-
gestellten Grundlagen sollte auch die Wirkungsweise bestimmter (ko-
gnitiver) Lernstrategien einleuchten.

4.2 Der Informationsverarbeitungsprozess


Abbildung 11 zeigt eine integrierte Übersicht über den Informations-
verarbeitungsprozess, die zunächst kurz erläutert werden soll. Die von
den Sinnesorganen (1) aufgenommenen und umgewandelten Reize
können in den jeweiligen sensorischen Speichern (2) kurz zwischenge-
speichert werden. Beim Enkodieren werden Teile davon als Elemente
des Langzeitgedächtnisses „erkannt“ und dort aktiviert (3) (Beispiel:
Ein visuelles Objekt wird als Tasse erkannt, ein Schallereignis wird als
Phonem erkannt). Von aktivierten Elementen geht Aktivationsenergie

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94 Kapitel 4

Aufmerksamkeits-
steuerung
aktivierte Elemente 6 Fokus der
(Arbeitsgedächtnis) Aufmerksamkeit

5 7

1
Sinne
Außenwelt

Langzeit-
gedächtnis

sensorische
Speicher

2
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enkodiertes,
aktiviertes
Element 3
aktivierte 4
Assoziationsbahnen

Abbildung 11: Integrierte Übersicht über den Informationsverarbeitungsprozess

über Assoziationsbahnen (4) aus, die damit verbundene Elemente im


Gedächtnis aktivieren. Alle aktivierten Elemente des Langzeitgedächt-
nisses, die potenziell Eingang in einen laufenden Informationsverar-
beitungsprozess finden können, bilden das Arbeitsgedächtnis (5). Zu-
sätzlich kann die Aufmerksamkeit bewusst gesteuert werden (6). Im
Fokus der Aufmerksamkeit (7) befinden sich nur sehr wenige Elemente,
die dafür hoch aktiviert sind. Von diesen geht wiederum Aktivation
über Assoziationsbahnen zu den damit verknüpften Elementen aus.
Die Gesamtmenge der verfügbaren Aktivationsenergie ist begrenzt;
Aktivation zerfällt rasch wieder.

4.2.1 Wahrnehmen

Sensorische Speicher
Reiznah Reizeindrücke der Außenwelt, die von den Rezeptoren der Sinnesor-
gane in Informationen verwandelt wurden, werden zunächst in moda-
litätsspezifischen, sensorischen Speichern für kurze Zeit festgehalten.
Modalitätsspezifisch Modalitätsspezifisch bedeutet, dass es für die verschiedenen Sinnes-
modalitäten (Sehen, Hören etc.) eigene Speicher gibt. Sensorisch be-
deutet, dass die Information in diesen Speichern noch sehr reiznah ist.
Im auditiven sensorischen Speicher ist beispielsweise der Höreindruck,
der dadurch hervorgerufen wurde, dass der Gesprächspartner soeben

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Lernen als Informationsverarbeitung 95

das Wort „kalt“ ausgesprochen hat, mit allen sensorischen Attributen


präsent (Klang, Lautstärke, Frequenzen), aber noch nicht als Sprache
erkannt, noch nicht in einen sprachlichen (phonologischen) Code über-
führt (enkodiert).

Enkodieren
In der nächsten Verarbeitungsstufe wird die akustische Information Erkennen
enkodiert, d. h. in einen kategorialen Code überführt. Dies ist ein Pro-
zess des Erkennens und er impliziert, dass Elemente im Langzeitge- Zuordnung zu
dächtnis aktiviert werden, beispielsweise phonologische Einheiten einer ­Kategorie
(Laute einer Sprache werden erkannt bzw. voneinander unterschieden)
und semantische Konzepte (die Bedeutung einer Lauteinheit wird er-
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kannt). Die Informationsverarbeitung hat dabei aufgrund früherer


Lern­erfahrungen bereits eine „Erwartungshaltung“ aufgebaut, die nun
in die Interpretation der Reizkonstellation hineinspielt. Beim Enkodie-
ren finden aufgrund dessen sogenannte top-down-Prozesse statt. Diese Top-down-processing
„Erwartungshaltung“ kann man auf verschiedenen Ebenen beschrei-
ben.
Die Schalldruckveränderungen, die beispielsweise ein Gesprächspart-
ner durch Sprechen erzeugt, haben bestimmte sensorische Eigenschaf-
ten, etwa die Grundfrequenz der Stimme oder die Lautfolge einer Silbe.
Das Informationsverarbeitungssystem erwartet, dass sich bestimmte
akustische Eigenschaften nicht ändern oder zumindest bekannten Re-
gelmäßigkeiten folgen werden. Diese Erwartungen basieren einerseits
auf früheren, intensiven Lernerfahrungen (beispielsweise hinsichtlich
der Lautkategorien der deutschen Sprache), andererseits auf ad hoc
gebildeten Erwartungen und Gewöhnungen (beispielsweise hinsicht-
lich der Grundfrequenz der Stimme des Gesprächspartners). Das Sys-
tem wäre also „überrascht“, wenn der Gesprächspartner plötzlich die
Grundfrequenz seiner Stimme ändern (z. B. mit einer kieksenden
Stimme sprechen) oder Laute von sich geben würde, die in der deut-
schen Sprache nicht vorkommen. Eine solche Überraschung kann es
nur geben, wenn das System ständig Speicher- und Vergleichsprozesse
durchführt, mit denen Erwartungen über kommende Reizkonfigurati-
onen gebildet werden.
Auf der bedeutungshaltigen Ebene wird ebenfalls interpretierend „ge-
hört“, und zwar auf Basis von semantischer Vor-Information bzw. Inter-
pretation in einem bestimmten Kontext. Redet man auf einer Stehparty
über das Wetter und sagt der Gesprächspartner „Gestern war es be-
sonders …“, dann erwartet das Informationsverarbeitungssystem be-
reits das Wort „kalt“, bevor es gesprochen wurde (im November, we-

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96 Kapitel 4

niger im August). Reden zwei Kriminalbeamte über eine Leiche im


Nebenzimmer, dann könnte der Satzanfang „Die Tote war schon …“
ebenfalls mit „kalt“, aber ebenso mit „alt“ enden. Hier könnte das In-
formationsverarbeitungssystem in Schwierigkeiten geraten, denn die
tatsächlichen Schalldruckveränderungen sind durchsetzt mit Neben-
Sensorische und Störgeräuschen, sodass es zwischen „alt“ und „kalt“ allein auf
­Mehrdeutigkeit
Basis der akustisch-sensorischen Information möglicherweise nicht
unterscheiden kann (siehe auch Abschnitt 4.3.2: priming). Es mag uns
also so vorkommen, als hörten wir klar und deutlich „kalt“, aber dies
kann eine Folge davon sein, dass das Informationsverarbeitungssys-
tem bereits alle Nebengeräusche weggefiltert und sich für eine mögli-
che bzw. die „am besten passende“ Interpretation aufgrund von vor-
her aufgebauten Erwartungen entschieden hat.
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McGurk-Effekt
Ein klassisches Beispiel dafür, dass ein und dieselbe akustische Infor-
mation in Kombination mit weiteren Informationen aus einer anderen
Sinnesmodalität völlig anders „gehört“ werden kann, ist der sogenannte
Integration von McGurk-Effekt. Dieser Effekt zeigt, dass die Interpretation eines gehör-
­Sinnesmodalitäten ten Sprachlautes von der dazu gesehenen Lippenbewegung des Spre-
chers abhängt (McGurk & MacDonald, 1976). Bei der einen Lippenbe-
wegung „hört“ man also ein und denselben Laut anders als bei der
anderen Lippenbewegung. Das Informationsverarbeitungssystem ver-
rechnet hier beide „Eingänge“ miteinander (mit einer Priorität der visu-
ellen Information), um Mehrdeutigkeiten zu minimieren. Dies geschieht
vorbewusst, uns fällt dies nicht auf.

4.2.2 Aufmerksamkeit
Der Ausdruck „die Aufmerksamkeit auf etwas richten“ umschreibt eine
der wichtigsten Eigenschaften des Informationsverarbeitungssystems,
Fokussieren nämlich die Fähigkeit, bestimmte Informationen in der Außenwelt aus-
zuwählen und diesen eine besondere Priorität bei der Verarbeitung zu
geben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Informationsverar-
beitungssystem andere, derzeit nicht als relevant erachtete Informati-
Ausblenden onen ignorieren bzw. ausblenden kann. Die Steuerung der Aufmerk-
samkeit ist bei fast allen Informationsverarbeitungsprozessen und
Handlungsentscheidungen notwendig. Würden wir nicht zwischen
wichtigen und unwichtigen Informationen unterscheiden, würden wir
alles unterschiedslos als relevant erachten, dann wäre unsere Informa-
tionsverarbeitung sehr schnell hoffnungslos überladen. Wir könnten
keine sinnvollen Entscheidungen zwischen Handlungsalternativen tref-

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Lernen als Informationsverarbeitung 97

fen. Unsere Aufmerksamkeitskapazität für unterschiedliche, gleichzei-


tig bewusst zu verarbeitende Informationen ist stark begrenzt.

Wir möchten beispielsweise auf einer Stehparty einem Gesprächspart-


ner zuhören und uns nicht von dem Gespräch der Kleingruppe nebenan
ablenken lassen. Wie kann das Informationsverarbeitungssystem die
Aufmerksamkeit ganz unserem Gesprächspartner zuwenden und dabei
die Gespräche der Gruppe nebenan ausblenden, obwohl diese ja hör-
bar sind? Die Filtertheorie ging davon aus, dass das Informationsverar- Filtern aufgrund senso-
rischer Eigenschaften
beitungssystem die hereinkommenden Informationen aufgrund akus-
tisch-sensorischer Eigenschaften früh selektiert, beispielsweise die zu
beachtende Information aus konkurrierenden Quellen aufgrund des
Klangbildes und der Grundfrequenz auswählt (Broadbent, 1958). Wenn
sich die Quellen hinsichtlich der akustischen Eigenschaften klar un-
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terscheiden, dann funktioniert das gut. Es hat sich jedoch herausge-


stellt, dass die unbeachteten Informationen keineswegs direkt an
einem solchen „frühen Filter“ abgewiesen und dann gar nicht mehr
analysiert werden. Auf der Stehparty hat man die Möglichkeit festzu-
stellen, dass das undeutliche Geplapper der Gruppe nebenan vom In-
formationsverarbeitungssystem sehr wohl auch semantisch analysiert
wurde, nämlich dann, wenn man plötzlich bemerkt, dass der eigene
Name fällt. Das ist das sogenannte Cocktailparty-­Phänomen (Moray, Cocktailparty-­
Phänomen
1959; Wood & Cowan, 1995). Die Aufmerksamkeit scheint sich „un-
willkürlich“ auf eine Information aus einer bislang unbeachteten Quelle
zu richten, denn dort wurde eine wichtige Information entdeckt.

Solche Phänomene werden mit der Dämpfungstheorie der Aufmerk- Dämpfen


samkeit erklärt. Dieser Theorie zufolge wird die auszublendende In-
formation erst nach einer semantischen Analyse unterdrückt bzw. ge-
dämpft (Treisman, 1964; Deutsch & Deutsch, 1963). Um einen
Aufmerksamkeitswechsel zu bewirken, spielen die sensorischen Ei-
genschaften (z. B. plötzlicher Wechsel des Klangbildes, Lautstärke) und
die (permanente oder vorübergehende) Aktivierung semantischer Ka-
tegorien im Langzeitgedächtnis zusammen (Norman, 1968).

Die Mechanismen der selektiven Aufmerksamkeitssteuerung sind fle- Flexible Mechanismen


xibel und nicht ausschließlich einer Verarbeitungsstufe zuzuordnen.
Die Zuwendung der Aufmerksamkeit zu einer Quelle aufgrund einer
dort wahrgenommenen wichtigen Information hängt auch von der ei-
genen „Bereitschaft“ ab, diese Information zu erkennen. Diese „Be-
reitschaft“ kann man so beschreiben, dass im Langzeitgedächtnis die
entsprechenden semantischen Kategorien hoch aktiviert sind. Man
kann beispielsweise annehmen, dass der eigene Name im Langzeitge-
dächtnis ständig besonders gut zugänglich (hoch aktiviert) ist. Auf-

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98 Kapitel 4

grund dessen wird der eigene Name „leichter“ erkannt, d. h. er durch-


dringt die Dämpfung durch das Aufmerksamkeitssystem.
Unsere Alltagserfahrung sagt uns, dass wir unsere Aufmerksamkeit
willentlich und bewusst auf etwas richten und irrelevante Informatio-
nen ausblenden können. Ein Teil der Aufmerksamkeitssteuerung wird
dabei von unserem Informationsverarbeitungssystem ohne willentli-
ches Zutun erledigt. Das merken wir beispielsweise dann, wenn eine
„überraschende“ (nicht erwartungskonforme) Information aus der Au-
ßenwelt unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. In diesem Fall muss
das Informationsverarbeitungssystem die eigentlich nicht beachteten
Informationen dennoch bis zu einem gewissen Grade analysiert haben.
Dabei spielen verschiedene Ebenen der Analyse und auch die lang-
und kurzfristigen Vor-Aktivierungen in unserem Gedächtnis eine Rolle.
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4.2.3 Das Arbeitsgedächtnis


Nehmen wir an, das Informationsverarbeitungssystem hat nun im Zu-
sammenspiel von Reizverarbeitung, Aktivierung von Langzeitgedächt-
nisinhalten und selektiver Aufmerksamkeit das Wort „kalt“ enkodiert.
Im Laufe der mehrstufigen Verarbeitung sind mehrere Gedächtnisspu-
Gedächtnisspuren ren (mentale Repräsentationen) entstanden. Diese Spuren sind u. a.
die akustischen Attribute im auditiven sensorischen Speicher, Spuren
der sprachlichen Lautkategorien und die Repräsentation der Bedeu-
tung des Wortes „kalt“. Soweit diese Gedächtnisspuren (Elemente) ak-
tiviert und somit der aktuellen Verarbeitung zugänglich sind, sind sie
Bestandteil des Arbeitsgedächtnisses.
Diese Aktivation zerfällt jedoch in kurzer Zeit. Die zentrale Funktion
des Arbeitsgedächtnisses ist es nun, die Aktivation von Informationen
aufrechtzuerhalten, die in laufenden Informationsverarbeitungspro-
zessen benötigt werden. Wenn wir das Wort „kalt“ erkennen, dann
können wir z. B. den zuvor gehörten Satzanfang „Gestern war es be-
sonders …“ vervollständigen. Dazu mussten aber die entsprechenden
semantischen Kategorien aktiviert bleiben, d. h. Bestandteil des Ar-
beitsgedächtnisses sein.
Information Nach kurzer Zeit werden wir uns an den genauen Wortlaut der Äuße-
­aktiviert halten rung unseres Gegenübers nicht mehr erinnern können, die Aktivation
der entsprechenden oberflächlichen Repräsentationen zerfällt in kur-
zer Zeit, wenn nicht mehr damit gearbeitet wird. Jedoch bleiben die se-
mantischen Gedächtnisspuren länger aktiviert. Damit können wir den
Satz „Gestern war es besonders kalt“ in seinem Zusammenhang ver-
stehen.

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Lernen als Informationsverarbeitung 99

Im Arbeitsgedächtnis finden die entscheidenden, dem Bewusstsein zu-


gänglichen und willentlich steuerbaren Informationsverarbeitungs­
prozesse statt. Verarbeitungsprozesse vergleichen, verrechnen und be-
werten Informationen. Während der Satzanfang „Gestern war es
besonders …“ aufrechterhalten wurde, konnte mit dem Erkennen des
Wortes „kalt“ die semantische Bedeutung des gesamten Satzes „be-
rechnet“ und die Verarbeitung des Satzes damit abgeschlossen ­werden.
Im Arbeitsgedächtnis werden Informationen also nicht nur kurzfristig Speichern und
gespeichert, sondern gleichzeitig auch verarbeitet. Das Arbeitsgedächt- ­Verarbeiten

nis verfügt jedoch nur über eine begrenzte Kapazität. Metaphorisch


wird dies bisweilen mit einer begrenzten „Energiemenge“ beschrie-
ben, die für die Aktivation der Elemente zur Verfügung steht. Die Ener-
giemenge kann auf Speicher- und Verarbeitungsprozesse „verteilt“ wer-
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den.
Die „Energiemenge“ des Arbeitsgedächtnisses ist nicht als statischer
Wert zu verstehen, dem immer eine bestimmte Informationsmenge
gegenüberstünde. Vielmehr ist das Arbeitsgedächtnis in einem Ver-
bund mit dem Langzeitgedächtnis zu verstehen. Aktivation und Orga- Aktivation im
­Langzeitgedächtnis
nisationsgrad (Verknüpfungen) von Kategorien, Konzepten und Sche-
mata im Langzeitgedächtnis können variieren. Wenn hoch zugängliche,
ständig aktivierte Kategorien im Langzeitgedächtnis angesprochen
werden, dann wird weniger Arbeitsgedächtnis-„Energie“ gebraucht.
Hoch zugängliche und effizient verknüpfte Kategorien und Schemata
im Langzeitgedächtnis sind wiederum das Ergebnis von Lernprozes-
sen.
Der gesamte Informationsverarbeitungsprozess ist also ein Zusam-
menwirken von aktivierter Langzeitgedächtnis-Information und aktu-
ellem Aufrechterhalten und Bearbeiten dieser Elemente im Arbeitsge-
dächtnis. Informationen werden bewusst verarbeitet, indem die
Aufmerksamkeit auf eine begrenzte Auswahl von Elementen im Ar-
beitsgedächtnis gerichtet wird. Kontrollierte Aufmerksamkeit meint, dass
man sich bewusst einer sehr begrenzten Menge von Informationen zu-
wendet und diese verarbeitet und dabei andere ebenfalls aktivierte Ele-
mente im Arbeitsgedächtnis ignoriert. Im Bereich des Arbeitsgedächt-
nisses kann die Aufmerksamkeit wie ein Scheinwerfer gesteuert
werden. Die erfassten Elemente werden hoch aktiviert.

4.2.4 Arbeitsgedächtnismodelle
Die Leistung und Arbeitsweise des Arbeitsgedächtnisses kann man auf
unterschiedliche Weise beschreiben und erklären. In der vorangegan-

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100 Kapitel 4

genen Darstellung wurde hervorgehoben, dass das Arbeitsgedächtnis


ein aktivierter Teil des Langzeitgedächtnisses ist. Dieser Aspekt er-
klärt, warum Informationsverarbeitungsprozesse mit hoch aktivierten
Langzeitgedächtnisstrukturen leichter fallen als das Erfassen und Kon-
struieren von neuen Zusammenhängen. Dabei wurde das Arbeitsge-
dächtnis implizit als eine einheitliche, beschränkte Ressource vorge-
stellt, deren „Aktivations-“ bzw. „Prozessenergie“ sich flexibel auf das
kurzfristige Aufrechterhalten von Aktivation und/oder auf das Verar-
beiten von Information richtet.

Ein strukturelles Modell des Arbeitsgedächtnisses


Eine Reihe von Forschergruppen haben die Funktionen des Arbeitsge-
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dächtnisses weiter aufgegliedert und untersucht, ob sich Speicher- und


Verarbeitungsprozesse voneinander trennen lassen und ob es unter-
schiedliche Speicher- bzw. Verarbeitungsressourcen für unterschiedli-
che Arten von Information (z. B. verbal-serielle vs. bildlich-räumliche)
gibt (siehe z. B. Miyake & Shah, 1999).
Ein besonders prominentes und in der Pädagogischen Psychologie weit
verbreitetes Arbeitsgedächtnismodell stellt das Modell von Alan Bad-
deley dar (Baddeley & Hitch, 1974; Baddeley, 1986, 1990; vgl. Abb. 12).
Es trennt zwischen Speicher- und Verarbeitungsfunktionen und unter-
scheidet bei den Speicherfunktionen zwischen verbalen und bildlich-
Separate Subsysteme räumlichen Informationen. Dem Modell zufolge können zwei Subsys-
im Arbeitsgedächtnis
teme des Arbeitsgedächtnisses – ein verbales System und ein
visuell-räumliches System – eine begrenzte Menge von Informationen
getrennt voneinander speichern, ohne dass es zu wechselseitigen Stö-
rungen kommt. Auch kann gleichzeitig ein höherer Informationsver-
arbeitungsprozess stattfinden: Die beiden Subsysteme werden koordi-
niert von einer dritten, höheren Instanz, der „zentralen Exekutive“.
Diese ist „zuständig“ für aufmerksamkeitsfordernde Verarbeitungs-
prozesse.

Visuell-
Visuell-
Visuell- Zentrale
Zentrale
Zentrale Phonologische
Phonologische
Phonologische
räumlicher
räumlicher
räumlicher Schleife
Schleife
Notizblock
Notizblock
Notizblock
Exekutive
Exekutive
Exekutive Schleife
(visuell-
(visuell-
(visuell- (Aufmerksamkeit,
(Aufmerksamkeit,
(Aufmerksamkeit, (sprachlich-
(sprachlich-
(sprachlich-
räumliche
räumliche
räumliche Verarbeitung,
Verarbeitung,
Verarbeitung, phonologische
phonologische
phonologische
Information)
Information)
Information) Koordination)
Koordination)
Koordination) Information)
Information)
Information)

Abbildung 12: Baddeleys (1986, 1990) Konzeption des Arbeitsgedächtnisses

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Lernen als Informationsverarbeitung 101

Dieses Modell wurde zum großen Teil mithilfe des Doppelaufgabenpa-


radigmas entwickelt und experimentell geprüft. Bei Doppelaufgaben Unabhängige Leistun-
gen in Doppelaufgaben
sollen Versuchspersonen eine Primäraufgabe und gleichzeitig eine stö-
rende Sekundäraufgabe bearbeiten. Es soll etwa eine Denkaufgabe ge-
löst (z. B. die Beurteilung „B wird nicht von A gefolgt. – A B = wahr?“)
und gleichzeitig eine Anzahl Ziffern im Gedächtnis gehalten werden.
Im Gegensatz zur Annahme eines einheitlichen Arbeitsgedächtnisses,
in welchem beide Aufgaben sich wechselseitig beeinflussen sollten,
fand Baddeley (dargestellt in Baddeley, 1990) eine weitgehende Un-
abhängigkeit zwischen Verarbeiten und Speichern.
Requiring a subject to concurrently rehearse eight items, which in many
cases was more than could accurately be maintained, leads to an increase
in latency of only about 35 %. Even more strikingly, note that error rate re-
mains constant at around 5 %. It is not easy to account for this pattern of re-
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sults if one assumes that working memory involves a single unitary store
whose limited capacity is likely to be totally absorbed when the limit of me-
mory span is reached. On this assumption, a concurrent load of eight digits
should cause reasoning performance to break down completely. It clearly
does not. (Baddeley, 1990, S. 69)

Ähnlich zeigten Logie und Duff (1996), dass bei einer Zusammenstel-
lung von einer Verarbeitungs- und einer Speicheraufgabe (Überprü-
fung einfacher Additionsergebnisse; Behalten einer Liste unverbunde-
ner Wörter) eine Erhöhung der Menge entweder der Aufgaben oder
der Wörter in einer gegebenen Zeit praktisch keinen Effekt auf die je-
weils andere Aufgabe hatte. Auch das Kopfrechnen besteht aus dem
sprachlichen Speichern von Zwischenresultaten und dem Verarbeiten
des eigentlichen Rechenschritts (Logie, Gilhooly & Wynn, 1994).
Neben dieser Trennung von Verarbeiten und Speichern sowie der Tren-
nung der Subsysteme aufgrund spezifischer Interferenzeffekte (z. B.
Logie, 1995) gelten selektive Ausfälle und Beeinträchtigungen bei Hirn-
patienten (z. B. Della Sala & Logie, 1993) als stützende Hinweise für
die Kernannahme des Modells.
Es gibt eine Reihe von Studien zur Funktionsweise des verbalen Spei- Verbales Speicher-­
Subsystem für phonolo-
cher-Subsystems (der phonologischen Schleife). Dieses Subsystem ist gische Information
auf verbales Material in einem abstrahierten phonologischen Code spe-
zialisiert. Dieser Code ist nicht modalitätsgebunden, also nicht abhän-
gig davon, ob die sprachliche Information auditiv oder visuell wahrge-
nommen (gehört oder gelesen) wird. Ein wichtiger Effekt, der die
Funktionsweise erklärt, ist der sogenannte Wortlängeneffekt. Wenn die
Wörter, die aufrechterhalten werden sollen, länger sind (mehr Silben
enthalten), dann können weniger Wörter aufrechterhalten werden, als
wenn die Wörter kürzer sind. Die Speicherkapazität der phonologi-

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102 Kapitel 4

schen Schleife bezieht sich also nicht auf die Anzahl der semantischen
Elemente, sondern auf die Anzahl der Lauteinheiten. Es wurde außer-
dem gezeigt, dass Wörter im Englischen, die längere Zeit zum Aus-
sprechen benötigen, weil ihre Vokale länger sind (harpoon vs. bishop),
die Gedächtnisspanne verkürzen (Baddeley, Thomson & Buchanan,
1975). Daraus wird zweierlei geschlossen: (1) Die Information in der
phonologischen Schleife zerfällt als Funktion der Zeit (nicht als Funk-
tion der Anzahl der Lauteinheiten). (2) Die sprachliche Information
wird durch einen Mechanismus reaktiviert, der mit der Sprachproduk-
Inneres Sprechen tion (Artikulation) zu tun hat. Der „Auffrischungsmechanismus“ der
phonologischen Schleife hat mit einer Art „subvokalem Artikulieren“,
d. h. verborgenem, inneren, automatisierten „Sprechen“ zu tun: „The
presence of a word-length effect implies some form of subvocal rehear-
sal“ (Baddeley, 1990, S. 78).
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Funktion für Sprach­ Die Funktionsweise der phonologischen Schleife könnte daher wich-
erwerb und Lesen
tig sein für Spracherwerb und Lesen. Das Speicher-Subsystem hilft,
­gehörte oder gelesene Sprache in einem phonologischen Code im
­Arbeitsgedächtnis aufrechtzuerhalten, damit die Information weiter-
verarbeitet werden kann. Ist beispielsweise die Speicherleistung der
phonologischen Schleife aus bestimmten Gründen gestört oder ernied-
rigt, erschwert dies das Verständnis gehörter und gelesener Sprache.
Es erschwert auch das Lernen einer Sprache und das Erlernen des Le-
sens, da phonologische Information im Arbeitsgedächtnis zu schnell
verloren geht, „undeutlich“ wird und nicht weiterverarbeitet werden
kann. Konsistent mit dieser Überlegung enthalten Programme zur
Phonologische Lese-Rechtschreibförderung insbesondere Trainingsbausteine für die
­Bewusstheit phonologische Verarbeitung der Sprache (phonologische Bewusstheit;
z. B. Küspert & Schneider, 2008; siehe auch Kap. 4 in Spinath & Brün-
ken, 2016).

Arbeitsgedächtniskapazität
Ungeachtet der genaueren Betrachtungen der spezialisierten Speicher-
Subsysteme, wie sie durch das eben besprochene Strukturmodell des
Unterschiede Arbeitsgedächtnisses beschrieben werden, nimmt man an, dass für va-
­zwischen Personen
riable und bewusst auszuführende Informationsverarbeitungsprozesse
eine insgesamt begrenzte Kapazität zur Verfügung steht – welche sich
allerdings zwischen Personen unterscheiden kann. Durch geeignete
Tests kann diese Arbeitsgedächtniskapazität individuell gemessen wer-
den. Hierfür werden Aufgaben eingesetzt, die Speichern und Verarbei-
ten gleichzeitig fordern. Ein Beispiel hierfür ist der Lesespannentest (Da-
neman & Carpenter, 1980). Bei diesem Test müssen Versuchspersonen

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Lernen als Informationsverarbeitung 103

einen Satz laut lesen. Der semantische Gehalt des Satzes wird dabei
unweigerlich automatisch verarbeitet. Gleichzeitig müssen sie sich das
letzte Wort des Satzes merken. Nachdem einige Sätze in Folge gelesen
wurden, sollen die Versuchspersonen die gemerkten Wörter in der rich-
tigen Reihenfolge nennen. Die Anzahl der Wörter, die sie richtig erin- Aufgaben zum
nern, entspricht ihrer Lesespanne und gilt als der Indikator für die ­Speichern und
­Verarbeiten
­Arbeitsgedächtniskapazität. Inzwischen sind eine Reihe solcher Spei-
chern-und-Verarbeiten-Aufgaben entwickelt worden. Der Lesespan-
nentest ist insofern verändert worden, als die zu merkenden Wörter
nicht mehr aus dem Satz entnommen werden, also mit dem Satzinhalt
nicht zusammenhängen. Bei der Rechenspanne („Operation Span“)
tritt eine Rechenaufgabe anstelle des Satzes (z. B. „Ist 4/2 + 3 = 6 – ja
oder nein?“); auch hier sind zusätzlich unrelatierte Wörter zu merken.
Bei der Zählspanne („Counting Span“) müssen Versuchspersonen be-
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stimmte Objekte auf dem Bildschirm zählen und dabei andere Objekte
ignorieren (verarbeiten). Dann müssen sie sich jeweils die Anzahl der
gezählten Objekte pro Durchgang merken (speichern).
Die durch solche Tests ermittelte Arbeitsgedächtniskapazität steht mit Zusammenhänge mit
kognitiven Leistungen in Zusammenhang: Personen mit höherer Ar- komplexen kognitiven
Leistungen
beitsgedächtniskapazität erbringen höhere Leistungen in komplexen
und wissensintensiven kognitiven Aufgaben. Speichern-und-Verarbei-
ten-Kapazitätsmaße des Arbeitsgedächtnisses weisen u. a. positive Zu-
sammenhänge mit Leseverständnis, Vokabellernen, Wortflüssigkeit
(z. B. freier Abruf von Instanzen einer Kategorie aus dem Langzeitge-
dächtnis), schlussfolgerndem Denken, Notizen machen oder Lerner-
folg beim Erlernen einer Programmiersprache auf (Engle, 2002).
Um was genau handelt es sich bei der Arbeitsgedächtniskapazität?
Engle (2002) nimmt an, dass die Arbeitsgedächtniskapazität der Effi-
zienz entspricht, mit der Informationen in einem hoch zugänglichen
Zustand gehalten werden können, während gleichzeitig konkurrie-
rende Anforderungen verarbeitet bzw. blockiert werden. Damit wäre Arbeitsgedächtniskapa-
die Arbeitsgedächtniskapazität eine Form kontrollierter Aufmerksam- zität und kontrollierte
Aufmerksamkeit
keit. Zwei Aufgaben sollen dies illustrieren. In beiden Aufgaben wur-
den Personen mit niedriger Arbeitsgedächtniskapazität mit Personen
mit hoher Arbeitsgedächtniskapazität verglichen.
Die klassische Stroop-Aufgabe (Stroop, 1935) besteht aus einer Liste von
Farbnamen (blau, rot, grün, braun etc.), die farbig gedruckt sind. Die
Versuchsperson soll für jeden Listeneintrag die Druckfarbe nennen –
nicht den Farbnamen lesen. Bei kongruenten Listeneinträgen stimmen
Farbnamen und Druckfarbe überein („blau“ ist in der Farbe blau ge-
druckt). Bei inkongruenten Listeneinträgen ist das nicht der Fall. „Blau“
ist beispielsweise in roter Druckfarbe gedruckt, und die Versuchsper-

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104 Kapitel 4

son soll „rot“ aussprechen, obwohl dort „blau“ steht. Ein Unterschied
zwischen Personen mit hoher versus niedriger Arbeitsgedächtniskapa-
zität kann dann beobachtet werden, wenn die Anforderung, die Reak-
tionstendenz zu unterdrücken und das Verhaltensziel aufrechtzuerhal-
ten, „überraschend“ kommt. In Bedingungen, in denen entweder alle
oder die Hälfte der Listeneinträge inkongruent waren, wurde kein Un-
terschied zwischen hoher und niedriger Arbeitsgedächtniskapazität
festgestellt. Hier war die Anforderung offenbar so vorhersehbar, dass
sich das Arbeitsgedächtnis darauf „einstellen“ konnte. Galt es aber, in
nur 25 % der Fälle korrekt auf die inkongruenten Listeneinträge zu re-
agieren, machten Personen mit niedriger Arbeitsgedächtniskapazität
fast doppelt so viele Fehler wie Personen mit hoher Arbeitsgedächtnis-
kapazität (Kane & Engle, 2003).
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Arbeitsgedächtnis­ Das weiter oben schon beschriebene Cocktailparty-Phänomen lässt


kapazität
sich mit sogenannten dichotischen Höraufgaben im Labor experimen-
und ­Dämpfung
tell untersuchen. Die Versuchspersonen erhalten über Kopfhörer auf
jedes Ohr unterschiedliche gesprochene Informationen, beispielsweise
eine Reihe von Wörtern. Sie sollen dabei die Wörter des einen Kanals
wiedergeben (sprechen) und die Wörter des anderen Kanals ignorie-
ren. In dem zu ignorierenden Kanal wird einmal der Vorname der Ver-
suchsperson genannt. Am Ende dieser Aufgabe gaben 65 % der Ver-
suchspersonen mit niedriger Arbeitsgedächtniskapazität an, den
eigenen Namen gehört zu haben. Jedoch gaben nur 20 % der Versuchs-
personen mit hoher Arbeitsgedächtniskapazität an, den eigenen Namen
gehört zu haben. Die Autoren der Studie interpretieren dies so, dass es
Personen mit hoher Arbeitsgedächtniskapazität besser gelingt, die zu
ignorierende Information tatsächlich aus der Informationsverarbei-
tung auszuschließen (Conway, Cowan & Bunting, 2001).

4.3 Unterteilungen des Langzeit­


gedächtnisses
In unserer Darstellung des Informationsverarbeitungsprozesses hat
das Langzeitgedächtnis bereits eine zentrale Rolle eingenommen, weil
jegliches Erkennen voraussetzt, dass dabei bereits vorhandene Reprä-
sentationen im Langzeitgedächtnis aktiviert werden. Eine Lautfolge
wie „kalt“ wird als Lautfolge der deutschen Sprache erkannt. Dabei
werden phonologisch-kategoriale Elemente aktiviert. In einer weite-
ren Verarbeitungsstufe wird die Bedeutung des Wortes erkannt. Dabei
werden semantische Repräsentationen und assoziativ damit ver-
knüpfte Elemente aktiviert. Die aktivierten Elemente finden Eingang

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Lernen als Informationsverarbeitung 105

Mehrere Gedächtnis-
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis systeme

deklaratives
deklaratives
deklaratives
deklaratives
deklaratives
deklaratives nicht-deklaratives
nicht-deklaratives
nicht-deklaratives
nicht-deklaratives
nicht-deklaratives
nicht-deklaratives
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
Gedächtnis
(explizit)
(explizit)
(explizit)
(explizit)
(explizit)
(explizit) (implizit)
(implizit)
(implizit)
(implizit)
(implizit)
(implizit)

semantisch
semantisch
semantisch episodisch
episodisch
episodisch prozedural
prozedural Konditionierung
prozedural Konditionierung
Konditionierung Priming
Priming
Priming

Abbildung 13: Unterteilungen des Langzeitgedächtnisses im Überblick nach Squire


(1993)

in den laufenden Informationsverarbeitungsprozess, der mit aktivier-


ten Elementen des Langzeitgedächtnisses operiert.
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Aus der Sicht der Informationsverarbeitung ist alles, was unser Wis-
sen ausmacht, in unserem Langzeitgedächtnis gespeichert. Lernen be-
deutet also, organisierte und abrufbare Repräsentationen im Langzeit-
gedächtnis zu speichern. Wie ist unser Wissen nun in unserem
Langzeitgedächtnis repräsentiert? Das Langzeitgedächtnis ist kein ein-
heitliches System, das jegliches Wissen in einer einheitlichen Reprä-
sentation speichert. Vielmehr bestehen mehrere Gedächtnissysteme
nebeneinander (vgl. Abb. 13).

4.3.1 Das deklarative Gedächtnis


Das deklarative Gedächtnis ist das explizite Gedächtnis. Die Inhalte die- Bewusst zugänglich,
ses expliziten Gedächtnisses sind uns bewusst zugänglich. Wir können verbalisierbar

die Wissenselemente aus diesem Gedächtnis mit einer bewussten Ge-


dächtnissuche abrufen und können uns darüber klar werden, was wir
wissen und was wir nicht wissen. Das deklarative Gedächtnis wird wei-
ter unterteilt in das semantische Gedächtnis und das episodische Ge-
dächtnis.
Im semantischen Gedächtnis ist unser Weltwissen in Form von Konzep- Konzepte, Begriffe,
ten, Schemata und Fakten gespeichert und miteinander verknüpft. Schemata, Fakten

­Zusätzlich wird angenommen, dass auch unser Wissen, wie diese


­Konzepte, Schemata, Fakten und ihre Zusammenhänge sprachlich aus-
zudrücken sind, im semantischen Gedächtnis gespeichert ist. Im epi-
sodischen Gedächtnis sind hingegen Erinnerungen an konkrete Ereig-
nisse gespeichert. Das episodische Gedächtnis enthält unser konkretes
Leben, es bildet unser autobiografisches Gedächtnis. Wenn wir sagen, Autobiografisches
­Gedächtnis
„Ich erinnere mich daran, dass ich im letzten Jahr in Paris auf dem Eif-
felturm war – und dabei die Treppe benutzt habe“, dann ist unser epi-

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106 Kapitel 4

sodisches Gedächtnis angesprochen. Wenn wir sagen, „Ich weiß, dass


der Eiffelturm in Paris steht und Paris die Hauptstadt von Frankreich
ist“, dann ist das semantische Gedächtnis angesprochen.
Die mentalen Repräsentationen von Konzepten im deklarativen Ge-
dächtnis sind nicht einheitlich. Sie können verschiedene Formate (oder
Code Codes) haben. Bei sprachlich vermittelten Informationen unterschei-
den wir zwischen einer sprachlichen Oberflächenstruktur und einer se-
mantischen Tiefenstruktur. Die im semantischen Gedächtnis reprä-
sentierten und verknüpften Konzepte sind nicht gleichzusetzen mit
den sprachlichen Bezeichnungen. Eine sprachliche Bezeichnung für
ein Konzept ist eine separat repräsentierte „Wortmarke“, die mit dem
Konzept verknüpft ist. So können zu einem bestimmten Zeitpunkt die
Konzepte (Bedeutungen) aktiviert sein, die konkreten Wortmarken
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könnten jedoch wegen zu geringer Aktivierung oder Interferenz nicht


ansprechbar sein (das ist der Moment, wo uns „das Wort auf der Zunge
Sprachliche liegt“, aber das Langzeitgedächtnis kann die Wortmarke im Moment
­Oberflächenstruktur
nicht abrufen). Auch liefert die sprachliche Grammatik regelgeleitete
Kombinationsmöglichkeiten zwischen Wortmarken, und damit kön-
nen Zusammenhänge zwischen Konzepten beschrieben werden. Diese
sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten sind aber nicht gleichzusetzen
mit der Art und Weise, wie solche Relationen zwischen Konzepten im
semantischen Gedächtnis repräsentiert werden. Die sprachlichen
Wortmarken und die Regeln für die Kombination von Wörtern bilden
lediglich die Bausteine der „Oberflächenstruktur“.

Tiefenstruktur Die semantische Tiefenstruktur liegt „darunter“ und ist mit sogenann-
ten Propositionen darstellbar (siehe dazu Abschnitt 4.4.3). Ein und der-
selbe semantische Sachverhalt (beispielsweise die Feststellung, dass
Peter Maria liebt) wird in der Tiefenstruktur durch eine möglichst ein-
deutige Proposition dargestellt. In der sprachlichen Oberflächenstruk-
tur kann dies jedoch auf verschiedene Weise ausgedrückt werden (bei-
spielsweise indem man sagt, dass Maria von Peter geliebt wird).
Visuell-räumliche Ferner ist ein visuell-räumliches Repräsentationsformat anzunehmen.
­Repräsentation
Schließlich nehmen wir nicht alle Informationen aus unserer Umwelt
in sprachlicher Form auf. Ganz offensichtlich speichern wir visuelle
Eindrücke von Objekten und Szenen und können diese aus dem Ge-
dächtnis abrufen. Wir können mentale Karten aufbauen und diese Kar-
ten innerlich nach räumlichen Verhältnissen absuchen. Wir bilden auch
aus einer Textbeschreibung innere Bilder und Vorstellungen von
­Objekten, Personen, Räumen und Szenen. Wir generieren mentale
­Modelle – beispielsweise eines Stromkreises – und simulieren in unse-
rer Vorstellung bestimmte Vorgänge in diesen mentalen Modellen

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Lernen als Informationsverarbeitung 107

(Johnson-­Laird, 1980). Wir verarbeiten visuell-räumliche Informatio-


nen wie Fotos und Schemazeichnungen, Illustrationen, Karikaturen,
Karten, Diagramme und Ablaufpläne. Die Annahme ist somit, dass wir
die visuell-räumlichen Informationen auf eine „direktere“, „analoge“
Weise verarbeiten, speichern und abrufen – nicht sprachlich, und auch
nicht propositional.
Ein und dasselbe Konzept kann dabei im Gedächtnis mehrfach kodiert Mehrere Codes
und gespeichert werden. Ein konkretes Objekt (z. B. ein Tisch) kann
beispielsweise als das Wort „Tisch“ und als eine bildliche Vorstellung
von einem Tisch kodiert werden. Man kann dies als „duale Kodierung“
bezeichnen (Paivio, 1990). Die Folge davon ist, dass das Gedächtnis
für einen späteren Abruf nun zwei aktivierbare Elemente hat, das ver-
bale und das bildliche Element. Eine Vorstellungsbildung zusätzlich zu
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einer verbalen Enkodierung kann die Abrufleistung aus dem Langzeit-


gedächtnis (im Vergleich zur einfachen verbalen Enkodierung) tatsäch-
lich verbessern.
Moderne Theorien zum Lernen mit multiplen Repräsentationen (d. h.
Lernmaterial gezeigt als Bild und ergänzend sprachlich beschrieben)
nehmen an, dass visuell-räumlich dargestelltes Lernmaterial visuell-
räumlich enkodiert wird und verbales Material semantisch bzw.
­propositional enkodiert wird. Diese Repräsentationen existieren „ne-
beneinander“. Es kommt dann beim Lernen darauf an, die Repräsen-
tationen zu verstehen und – beispielsweise durch Anwendung ge­
eigneter Lernstrategien und durch optimale Präsentation des
Lernmaterials – Verbindungen zwischen diesen Repräsentationen her-
zustellen (vgl. auch Kap. 9).

4.3.2 Das nicht-deklarative Gedächtnis


Das nicht-deklarative Gedächtnis enthält Inhalte und Verknüpfungen, Implizit, nicht bewusst
zugänglich, nicht
die uns gewöhnlich nicht bewusst verfügbar sind. Man spricht deswe- ­verbalisierbar
gen auch vom impliziten Gedächtnis. Zum nicht-deklarativen Gedächt-
nis zählt das prozedurale Gedächtnis. Im prozeduralen Gedächtnis sind
unsere handlungsrelevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten gespeichert.
Dazu zählen beispielsweise erworbene, automatisierte motorische Fer-
tigkeiten wie Radfahren, Sprechen, Schreibmaschineschreiben, Auto-
fahren oder ein Musikinstrument spielen. Hierzu zählen jedoch auch
jegliche automatisierten Informationsverarbeitungsprozesse.
Wenn wir systematisch eine Kompetenz oder Fertigkeit erwerben, dann
erlernen wir Regeln, wie die im konkreten Fall vorliegenden Informa-
tionen schrittweise zu verknüpfen, zu verrechnen und zu neuen Infor-

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108 Kapitel 4

mationen zu transformieren sind. Diese Regeln werden durch Übung


gefestigt und automatisiert. Bei gut beherrschten, komplexen Fertig-
keiten wird der Informationsverarbeitungsprozess ganz durch die er-
worbenen Regeln gesteuert, ohne dass wir uns dessen noch bewusst
sind. Man benötigt keine Aufmerksamkeitszuwendung mehr, da die
Übung zu einer Automatisierung geführt hat (der Erwerb von Fertig-
keiten wird in Abschnitt 4.6 noch ausführlicher dargestellt).
Beispiel für implizites Ein gutes Beispiel für prozedurales Wissen ist unsere Kompetenz, in
Wissen: Gebrauch
grammatischer Regeln
unserer Muttersprache zu kommunizieren. Seit der Kindheit sprechen
wir unsere Muttersprache grammatikalisch (weitgehend) korrekt – wir
haben also prozedurales Wissen über die Regeln der Sprache, und zwar
ohne, dass wir die Grammatikregeln explizit aufsagen können oder un-
sere Sprachäußerungen bewusst anhand der Grammatikregeln planen.
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Das sprachliche Wissen über die Grammatikregeln ist prozedural und


implizit. Der Gebrauch der Regeln ist hoch automatisiert. Dieses pro-
zedurale Wissen ist uns nicht ohne weiteres zugänglich – wir könnten
ohne entsprechende linguistische Bildung nicht ohne weiteres sagen,
wie diese Regeln genau lauten, aber wir wenden sie seit der Kindheit
richtig an und können falschen und richtigen Gebrauch der Sprache
unterscheiden.
Konditionierung als Zum impliziten Gedächtnis zählen darüber hinaus die Kontiguitäten
­implizites Lernen
und Kontingenzen, die durch Konditionierung erworben werden (vgl.
Kap. 3). Bei der klassischen Konditionierung wird eine Reaktion auf einen
zuvor neutralen Reiz durch zeitliche Kontiguität mit einem die Reak-
tion zuverlässig auslösenden Reiz konditioniert. Besonders dann, wenn
es sich um eine unangenehme Reaktion (z. B. Furcht) handelt, welche
bisweilen auf eine ganze Klasse zuvor neutraler Reize generalisiert,
wird man sich über die auslösende Konditionierung nicht bewusst sein
(Beispiel: Schulangst). Bei der operanten Konditionierung wird eine Kon-
tingenz zwischen Verhalten und Konsequenz gelernt. Diese Kontin-
genz ist ebenfalls oftmals nicht bewusst erkennbar. Beispielsweise kann
man durch verbale Verstärkung (zustimmendes „Hm-hm“ bei be-
stimmten Äußerungen) das Sprachverhalten eines Gesprächspartners
beeinflussen, ohne dass der Gesprächspartner sich dessen bewusst
wird.
Priming als Ein wichtiger impliziter Prozess im Langzeitgedächtnis ist das priming
­Aktivationsausbreitung
(vgl. auch Abschnitt 4.5.2). Beim priming handelt es sich um eine nicht
bewusst kontrollierte Ausbreitung von Aktivation entlang der gelern-
ten Verknüpfungen zwischen Elementen des Langzeitgedächtnisses.
Diese Ausbreitung führt zu einer Vor-Aktivierung von Gedächtnisele-
menten, zu denen aufgrund von Lernerfahrung die Erwartung besteht,

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Lernen als Informationsverarbeitung 109

dass sie im gegenwärtigen Kontext relevant sind und möglicherweise


bald angesprochen werden. Dies erleichtert die Auswahl und das Ab-
rufen bzw. Aktivieren von Elementen im Langzeitgedächtnis, die zur
Informationsverarbeitung aktuell benötigt werden. Wir haben dies wei-
ter oben schon kennengelernt (Top-down-Prozesse, erwartungsgesteu-
erte Informationsverarbeitung, „Die Leiche war schon ...“ – „... kalt“).

Belege zu den Unterteilungen des Langzeit­


gedächtnisses: Muster von Gedächtnisausfällen
Zu den Unterteilungen des Langzeitgedächtnisses in verschiedene, von-
einander unabhängige Systeme haben ganz wesentlich Erkenntnisse
über partielle Gedächtnisausfälle beigetragen, die an Patienten beob-
achtet wurden. Zwei klassische Fälle sollen kurz beschrieben werden.
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Der Patient K. C. erlitt schwerwiegende Gehirnschädigungen infolge


eines Motorradunfalls, besonders in frontalen Bereichen des Gehirns.
K. C. zeigte eine Amnesie (einen Gedächtnisausfall) des episodischen Amnesie
Gedächtnisses: Er konnte sich an keinerlei Ereignis oder Person aus sei-
nem Leben vor dem Unfall erinnern (retrograde Amnesie); er konnte auch
keine weiteren Ereignisse oder Personen nach dem Unfall mehr spei-
chern (anterograde Amnesie). K. C. hatte also sein gesamtes autobiogra-
fisches Gedächtnis verloren. Die Amnesie war jedoch nicht vollständig.
Sie betraf nicht das semantische Gedächtnis. Das generelle Weltwissen
um Fakten und Zusammenhänge blieb K. C. erhalten (Tulving, 1989). Ein Dissoziation zwischen
solches Ausfallmuster – geschädigtes episodisches Gedächtnis bei in- semantischem und epi-
sodischem Gedächtnis
taktem semantischem Gedächtnis – ist ein Hinweis auf eine Dissozia-
tion (Trennung) zwischen dem episodischem und dem semantischen
System.
Einem anderen berühmten Patienten, H. M., wurden operativ Teile der
linken und rechten Temporallappen entfernt, die den Hippocampus
enthielten. Man hoffte mit dieser radikalen Operation, die Herde für die
schweren epileptischen Anfälle, unter denen H. M. litt, zu eliminieren.
Die Folge dieser Operation war leider eine dauerhafte anterograde Am-
nesie für das deklarative (explizite) Gedächtnis: H. M. konnte nichts
Neues mehr lernen. Die autobiografischen Ereignisse und Fakten vor
dem Eingriff waren zugänglich; ebenso blieben seine allgemeine Intel-
ligenz und sein Sprachverständnis erhalten. H. M. hatte also keine ret-
rograde Amnesie, aber er hatte die Fähigkeit verloren, neue Eindrücke,
Fakten, Personen und Ereignisse seinem deklarativen Gedächtnis hin-
zuzufügen. Sein deklaratives Gedächtnis war beschränkt auf die kurz-
fristige Speicherleistung des Arbeitsgedächtnisses. Hatte sich H. M. un-
gefähr zwei Minuten mit einem neuen Thema beschäftigt, hatte er alles
vergessen, was vor diesen zwei Minuten passiert war, und alles war ihm
neu.

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110 Kapitel 4

Interessanterweise betraf die anterograde Amnesie von H. M. nicht sein


Dissoziation zwischen implizites (prozedurales) Gedächtnis. Bei prozeduralen Aufgaben (bei-
deklarativem und pro- spielsweise dem Nachfahren einer Figur mit einem Stift, wobei man
zeduralem Gedächtnis
Figur und Stift nur in einem Spiegel sieht; oder dem Bearbeiten einer
Problemlöseaufgabe wie dem „Turm von Hanoi“) konnte man von Tag
zu Tag eine systematische Verbesserung beobachten. Gleichwohl er-
kannte H. M. die Aufgaben und die Materialien bei den wiederholten
Versuchen nicht explizit wieder und behauptete, dass diese ihm neu
seien. Das Ausfallmuster von H. M. weist einerseits auf die sinnvollen
Unterteilungen zwischen explizitem und implizitem Gedächtnis und
andererseits zwischen Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis hin.
Da auch das Langzeitgedächtnis per se nicht geschädigt war (Ereig-
nisse und Fakten vor dem Eingriff waren abrufbar), deutet das Ausfall-
muster darauf hin, dass die Hippocampus-Formation eine wichtige
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Rolle bei Konsolidierungsprozessen für die ­dauerhafte Etablierung von


Verknüpfungen und Aktivierungen im deklarativen Langzeitgedächtnis
spielt.

4.4 Entwicklung von Kategorien,


­Konzepten und Schemata
Eine der erstaunlichsten und grundlegendsten Fähigkeiten des Ge-
dächtnisses ist es, aus den verschiedenen konkreten Instanzen von
wahrgenommenen Objekten und Eindrücken aus der Außenwelt sinn-
Kategorienbildung volle Abstraktionen in Form von Kategorien und Konzepten zu bilden.
durch Abstraktion
Diese Prozesse laufen oft ohne unser willentliches Zutun ab. Wir ab­
strahieren von den besonderen Merkmalen der hunderten von Tischen
und Stühlen, die wir in unserem Leben gesehen haben. Wir erkennen
einen Tisch als Tisch und einen Stuhl als Stuhl, eine Katze als Katze
und einen Hund als Hund. Die Konzeptbildungen generalisieren dabei
auf sehr effiziente Weise. Gleichzeitig differenzieren sie zwischen den
Kategorien, sie ermöglichen also eine Unterscheidung. Die Kategorien
und Konzepte werden flexibel erlernt und verknüpft.
Die beim Lernen getroffene Unterscheidung zwischen Unterschiedli-
chem und Ähnlichem, die Abstraktion und Zusammenfassung von kon-
kreten Instanzen zu einer Kategorie und die Bildung von Erwartungen
aufgrund der mit einer Kategorie verknüpften Informationen sind wich-
tige Merkmale der Arbeitsweise unseres Gedächtnisses. Diese Arbeits-
weise scheint auf verschiedenen Ebenen vorhanden zu sein: bei wahr-
nehmungsnahen kategorialen Unterscheidungen, bei der Bildung von

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Lernen als Informationsverarbeitung 111

semantischen Konzepten und bei der Bildung übergeordneter Sche-


mata und Skripte.

4.4.1 Kategoriale Unterscheidungen bei


­wahrnehmungsnahen Prozessen
Wir können in unserer Muttersprache akustische Ereignisse als sprach-
liche Lautfolgen sehr effizient erkennen (kategorisieren). Eine be- Phonologische
stimmte Silbe wird erkannt, obwohl die konkrete akustische Klangfolge ­Kategorien

vielleicht verzerrt oder gestört ist – beispielsweise, wenn wir einen hus-
tenden und näselnden Gesprächspartner am Telefon haben. Es wer-
den also objektiv möglicherweise recht unähnliche akustische Ereig-
nisse in eine einzige sprachliche Lautkategorie eingeordnet. Ebenso
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effizient wird zwischen sprachlichen Lautkategorien unterschieden,


obwohl sie möglicherweise akustisch recht ähnlich sind. Wenn wir eine
Fremdsprache lernen, stellen wir fest, dass es am Anfang nicht einfach
ist, die relevanten Lautkategorien voneinander zu unterscheiden (bei-
spielsweise die Nasallaute im Französischen). Für uns sind sie erst ein-
mal sehr ähnlich.
Ein weiteres Beispiel für wahrnehmungsnahe, erlernte kategoriale Unter-
scheidungen ist das visuelle Erkennen von Buchstaben. Einerseits müs- Buchstaben
sen wir lernen, verschieden aussehende Instanzen eines Buchstabens
(beispielsweise ein „M“ oder ein „U“ in verschiedenen Schriftarten
und von verschiedenen Personen mit der Hand geschrieben) jeweils
einer Kategorie zuzuordnen, andererseits müssen wir auch feine Un-
terscheidungen treffen (ein „M“ von einem „W“ unterscheiden, ein
„U“ von einem „V“). Wenn Kinder schreiben lernen, kann man beob-
achten, dass sie manchmal Zahlen und Buchstaben spiegelverkehrt
schreiben – ohne es zu merken. Vielleicht liegt das daran, dass der rich-
tige und der spiegelverkehrte Buchstabe in der kindlichen visuellen
Gedächtnisrepräsentation derselben Kategorie angehören, also vom
Erkennensprozess nicht klar unterschieden werden.

4.4.2 Semantische Konzepte und Prototypen


Wie ist ein semantisches Konzept – die Bedeutung eines Begriffs bzw. Bedeutung von
­Begriffen
einer semantischen Kategorie wie z. B. „Hund“ – in unserem Gedächt-
nis repräsentiert? Wir wissen, welche Instanzen zum Konzept „Hund“
gehören. Beispielsweise kennen wir verschiedene Hunderassen und
können einen konkreten Hund einigermaßen zweifelsfrei als solchen
erkennen. Ein wesentlicher Teil unseres Wissens über Hunde besteht

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112 Kapitel 4

darin, dass wir eine Menge an Merkmalen und Attributen aufzählen


können, die alle „Hunde“ gemeinsam haben, z. B. „hat ein Fell“, „bellt“,
„ist ein Haustier“, „schnüffelt oft am Boden“. Die Merkmale und At-
tribute definieren in gewisser Weise das Konzept „Hund“, sie machen
seine Bedeutung aus.
Definierende Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass es für viele
­Merkmale?
Konzepte nicht einfach ist, eine Liste mit den definierenden Merkma-
len aufzustellen. Ebenso ist nicht immer einfach zu entscheiden, wel-
che konkreten Instanzen zu einem Konzept gehören und welche nicht.
Ist ein Schlitten ein Spielzeug oder ein Fortbewegungsmittel? Ist ein
geschälter Apfel – dem das Merkmal „hat eine Schale“ fehlt – immer
noch eine Frucht? Ist ein Mops ein „typischer“ Hund? Welche definie-
renden Merkmale kann man für das Konzept „Spiel“ aufzählen?
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Natürliche Kategorien, die in unserer natürlichen Erfahrung der Welt


vorkommen, sind nicht trennscharf. Die Frage, ob eine Instanz zu einer
Kategorie gehört, kann oft nicht klar mit „ja“ oder „nein“ beantwortet
werden. Entsprechend erhält man unterschiedliche Einschätzungen,
wenn man Personen eine Reihe von Instanzen (z. B. „Spatz“, „Rotkehl-
chen“, „Adler“, „Huhn“, „Pinguin“) mit der Aufforderung vorlegt, jede
Instanz zu beurteilen, inwieweit sie ein typisches Exemplar der Kate-
gorie „Vogel“ ist. Die Beurteilung, ob ein Spatz ein Vogel ist, gelingt
schneller als die Beurteilung, ob ein Pinguin ein Vogel ist. Dies ist der
Typikalität Typikalitätseffekt: Typische Exemplare einer Kategorie können schnel-
ler und sicherer beurteilt werden als untypische Exemplare einer Ka-
tegorie. Hinzu kommt, dass die Merkmale, die eine Kategorie beschrei-
ben, häufig korrelative Zusammenhänge aufweisen (das Merkmal „hat
Federn“ tritt häufig gemeinsam mit dem Merkmal „hat Schnabel“ auf).
Typische Exemplare teilen die typischerweise gemeinsam auftreten-
den Merkmale; weniger typische Exemplare teilen eine Reihe dieser
Merkmale, jedoch nicht alle, und haben möglicherweise zusätzliche,
alternative oder einem typischen Merkmal sogar widersprechende Ei-
genschaften (beispielsweise, dass die bevorzugte Fortbewegung der
Pinguine nicht das Fliegen, sondern das Schwimmen ist). Dennoch
zählen sie zur Kategorie. Zusammenhängende (gemeinsam auftre-
tende) Merkmale und Typikalität spielen bei der Bildung semantischer
Kategorien die entscheidende Rolle.
Die zentrale, typische „Kern-“Instanz einer semantischen Kategorie
Prototyp wird als Prototyp bezeichnet (Rosch, 1975). So gibt es einen besonders
typischen Hund, einen besonders typischen Vogel, einen besonders ty-
pischen Stuhl, Tisch usw., der die prototypischen Merkmale der Kate-
gorie in sich vereinigt. Dieser Prototyp repräsentiert das Konzept, und

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Lernen als Informationsverarbeitung 113

Abbildung 14: Prototyen in Kinderzeichnungen


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er stellt die Referenz dar, wenn es gilt, ein konkretes Exemplar zu klas-
sifizieren. Je ähnlicher das konkrete Exemplar dem Prototyp ist, desto
schneller gelingt die Klassifizierung. Die Zeichnungen eines fünfjähri-
gen Kindes in Abbildung 14 illustrieren zentrale prototypische Merk-
male eines „Katzengesichts“ und eines „Hundegesichts“: Die wahrge-
nommenen Merkmale der Katzen und Hunde, denen das Kind
begegnet ist, wurden im Konzeptbildungsprozess offensichtlich zu pro-
totypischen Exemplaren verdichtet.
Der Prototyp entsteht auch durch Differenzierung zu anderen Konzep-
ten. „Natürliche“ Konzepte, also solche, die durch beiläufiges Lernen
im alltäglichen Umgang mit Lebewesen und Objekten entstehen, zeich-
nen sich durch eine eigentümliche Unterscheidungsfähigkeit auf einer
bestimmten nützlichen Ebene aus. So werden Katzen von Hunden un-
terschieden, obwohl diese etwa im Vergleich zu Fischen oder Vögeln
einander durchaus ähnlich sind (und gleichzeitig Hunde einander
­äußerst unähnlich sein können). Es werden Stühle von Tischen, Schrän-
ken und Betten unterschieden (jedoch werden nicht unbedingt
­innerhalb der Stühle, Tische, Schränke und Betten prototypische Un-
terkonzepte unterschieden). Diese Ebene, auf der die Differenzierung
stattfindet, wird Basiskategorie genannt. Offensichtlich erweist sich hier Basiskategorie
die Zusammenfassung und Prototypisierung einerseits und die Diffe-
renzierung von anderen Konzepten andererseits für das kognitive Sys-
tem am nützlichsten.

4.4.3 Propositionen
Eine Proposition ist eine bedeutungstragende (semantische) Einheit. Bedeutung von
­Aussagen
Es ist eine Repräsentation der Bedeutung (eines sprachlichen Satzes,

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114 Kapitel 4

eines Sachverhaltes, eines Konzepts, das mit einem anderen Konzept


in Verbindung steht), die im Gedächtnis gespeichert ist und aus dem
Gedächtnis wieder abgerufen werden kann. Propositionen erlauben
die Darstellung beliebiger bedeutungshaltiger Zusammenhänge. Damit
ist es möglich, die Bedeutung von Sätzen (z. B. „Peter liebt Maria“) als
Beziehungen zwischen Konzepten zu beschreiben.
Verknüpfte Konzepte Wie kann man sich eine Proposition als Gedächtnisinhalt vorstellen?
Eine Proposition ist eine Menge von Elementen (Knoten), die über
bezeichnete (bedeutungshaltige) Verbindungen (Relationen) ver-
knüpft sind, wobei die gesamte Menge der Knoten und Relationen
die Bedeutung einer kohärenten sprachlichen Phrase oder eines voll-
ständigen Satzes repräsentiert. Mit Propositionen kann nicht nur die
Bedeutung einzelner, einfacher Sätze dargestellt werden, auch Ver-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

bindungen zwischen Sätzen, das Bedeutungsgefüge einer zusammen-


hängenden Geschichte oder die Verknüpfungen zwischen Konzepten
innerhalb eines komplexen Sachverhaltes können propositional dar-
gestellt werden. Propositionen als Repräsentationen der Bedeutung
sind von der sprachlichen Oberflächenform unabhängig. Man kann
daher sagen, dass die propositionale Darstellung die Tiefenstruktur
repräsentiert.

Propositionen als Tiefenstruktur

Sprachlich vermittelte Wir haben bereits in Abschnitt 4.2.3 festgestellt, dass die Oberflächen-
Bedeutung von struktur als wörtliche Erinnerung rasch an Aktivation verliert. Die Tie-
­komplexeren
­Zusammenhängen fenstruktur als Repräsentation der Bedeutung bleibt jedoch länger er-
halten. Man kann dies mit Experimenten nachweisen, in denen man
Personen eine Geschichte lesen lässt. Einige Zeit später legt man Sätze
vor, die dahingehend beurteilt werden sollen, ob sie in der Geschichte
genauso vorkamen. In diesen Testsätzen variiert man sowohl die Ober-
flächenform als auch die Bedeutung. Es gibt beispielsweise wörtlich
korrekte Sätze oder bedeutungsmäßig korrekte, aber bezüglich der
Oberflächenform inkorrekte Sätze sowie Sätze, die sowohl in Bedeutung
als auch Oberfläche nicht korrekt sind. Je mehr Zeit zwischen dem ers-
ten Lesen und dem Beurteilen vergangen ist, umso weniger können sich
Personen an die wörtlichen Formulierungen erinnern. Das ist daran er-
kennbar, dass sie zwischen den bedeutungsmäßig korrekten, aber in der
Oberfläche veränderten Sätzen und den auch in der Oberflächenform
korrekten Sätzen keinen Unterschied machen. Ihre Wiedererkennens-
leistung ist bei allen diesen Sätzen die gleiche. Wohl aber können sie
hinsichtlich der Bedeutung falsche Sätze zurückweisen (z. B. Sachs,
1967; Kintsch & Bates, 1977). Personen erinnern sich also an die seman-
tische Bedeutung (die Tiefenstruktur), nicht aber an die konkrete sprach-
liche Form. Sollen sie das Gelernte in freier, eigener Erzählung wieder-

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Lernen als Informationsverarbeitung 115

geben, dann erstellen sie die sprachliche Oberflächenstruktur bei der


Wiedergabe neu. Dadurch kommt es zu Abweichungen an der Oberflä-
che, auch wenn die Bedeutung erhalten bleibt.

4.4.4 Schemata und Skripte


Beim Verarbeiten von Bedeutung wird nicht nur eine semantische Re-
präsentation des konkret Wahrgenommenen erstellt. Die erwähnten
Konzepte werden zudem im Langzeitgedächtnis aufgerufen und die
konkret dargestellten Zusammenhänge werden mit vorhandenem Wis-
sen abgeglichen und verknüpft. Der Satz „Der Löwe fraß den Wärter“ Komplexe
erscheint uns daher plausibel, der Satz „Die Maus fraß den Wärter“ je- ­Wissensstrukturen
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doch nicht. Wir haben mit dem grundlegenden Hinweis begonnen,


dass Verarbeitung von bedeutungshaltiger Information stets mit Rück-
griff auf Vorwissen erfolgt und vor allem darin besteht, dass wir Kon-
zepte erkennen und die neuen Informationen in vorhandene Wissens-
strukturen integrieren.
Eine im Langzeitgedächtnis gespeicherte Wissensstruktur wird Schema
genannt. Wenn wir die Zeitungsmeldung in unserem ersten Beispiel
lesen, wird das „Verkehrsunfall-Schema“ aktiviert. Das Schema leitet
dann die weitere Informationsverarbeitung und die Beurteilung der
Plausibilität des Wahrgenommenen. Die Informationen werden in das
Schema eingefügt. Die Folge: Ein Leser wird möglicherweise einem
Freund die Neuigkeit so darstellen, dass der Unfall dadurch verursacht
wurde, dass der Fahrer Alkohol konsumiert hatte. Dieser kausale Zu-
sammenhang wurde in der Zeitungsmeldung aber nicht explizit her-
gestellt, er entstammt vielmehr dem Schema im Langzeitgedächtnis.
Schemabasierte Informationsverarbeitung führt unausweichlich dazu,
dass beim initialen Verständnis Konstruktionsprozesse ablaufen. Unter
Konstruktion versteht man, dass die verfügbaren Vorwissenselemente Konstruktion von
­Bedeutung
aufgerufen werden und die Interpretation des Gelesenen oder Gehör-
ten stark beeinflussen. Anstatt die Information wörtlich zu überneh-
men, wird die Bedeutung des Gelesenen oder Gehörten mithilfe der
verfügbaren Schemata konstruiert, die Repräsentation der Bedeutung
entsteht aus der Zusammenführung von Vorwissen und der konkret
wahrgenommenen Information. Darüber hinaus finden Prozesse der
Rekonstruktion statt: Wenn die Information wieder aus dem Gedächt- Erinnern als
nis abgerufen werden soll, dann werden typische oder geschlussfol- ­Rekonstruktion

gerte Zusammenhänge aus dem Schema einbezogen, die möglicher-


weise in der originalen Geschichte gar nicht vorkamen. Diese Prozesse

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sind unausweichlich, denn jede Kommunikation, die Bedeutung ent-


hält, bezieht sich auf Wissen, Konzepte, Zusammenhänge, Schemata,
die ein Sender beim Empfänger voraussetzt.
Schemata für Ein Skript ist ebenfalls ein Schema, jedoch wird der Begriff Skript vor
­Handlungsroutinen
und Episoden
allem für episodische, typische Abläufe gebraucht, in denen Akteure
Rollen mit vorhersagbaren Handlungen und koordinierten Interaktio-
nen übernehmen (wie in einem Drehbuch; Schank & Abelson, 2013).
Skripte sind generalisierte, erfahrungsbasierte Erwartungen über typi-
sche Abläufe alltäglicher Handlungen in alltäglichen Kontexten – bei-
spielsweise, wie ein Einkauf, ein Restaurantbesuch oder eine Flugreise
abläuft. Entsprechend wird das passende Skript aktiviert, wenn wir
eine solche Handlung oder Interaktion vollziehen oder wenn wir eine
entsprechende Geschichte lesen oder hören. Bezüglich der Vorwis-
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sensabhängigkeit, der Konstruktion und Rekonstruktion gilt für Skripte


das Gleiche wie für Schemata.

4.5 Prozesse des Langzeitgedächtnisses


Wir können nach dem bisher Beschriebenen modellhaft annehmen,
dass das Gedächtnis ein semantisches, assoziatives Netzwerk ist. In
diesem Netzwerk kann etwas gespeichert werden, indem ein Element
mit anderen Elementen verknüpft wird. Aus diesem Netzwerk kann
etwas abgerufen werden, indem die vorhandenen Verknüpfungen (As-
soziationsbahnen) von einem Konzept zu einem anderen Konzept ak-
tiviert werden. Damit werden die Konzepte bzw. Elemente im Lang-
zeitgedächtnis zugänglich. Liegt die Aktivation der Elemente über einer
Abruf durch Aktivation bestimmten Schwelle, dann werden diese Elemente Teil des Arbeits-
über Assoziations­
gedächtnisses. Sie können somit in den laufenden Informationsverar-
bahnen
beitungsprozess einbezogen werden: Der Abruf eines gesuchten Ele-
ments aus dem Langzeitgedächtnis war erfolgreich.
Die Aktivationsausbreitung kostet Zeit, sie wird diffuser, je weiter sie
sich ausbreitet, und Aktivation zerfällt rasch wieder. Durch Lernakti-
vitäten können wir jedoch auf die Aktivationsstärke der Assoziations-
bahnen Einfluss nehmen. Generell gilt: Je öfter eine Assoziationsbahn
gebraucht wurde, desto besser und schneller kann sich bei folgenden
Abrufversuchen die Aktivation über diese Assoziationsbahn ausbrei-
ten und somit verknüpfte Elemente aktivieren.

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Lernen als Informationsverarbeitung 117

4.5.1 Speicherprozesse
Jeder, der schon einmal etwas auswendig gelernt hat, hat sicherlich die
zu lernenden Inhalte in irgendeiner Form wiederholt. Die Wiederho-
lung von Gedächtnisinhalten als bewusst ausgeführtes lernstrategi-
sches Verhalten wird unter dem Stichwort Rehearsal erforscht. Damit Erhöhung von A
­ ktivation
ist gemeint, dass man die zu lernenden Inhalte bewusst im Arbeitsge- durch Wiederholung

dächtnis zirkulieren lässt. Dies soll den Effekt haben, dass die Elemente
im Arbeitsgedächtnis aktiviert bleiben und dass sie auch im Langzeit-
gedächtnis gestärkt würden, sodass später ein Erfolg von Abrufversu-
chen aus dem Langzeitgedächtnis wahrscheinlicher sei.
Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass oberflächliches und repetitives
Wiederholen im Sinne eines Zirkulierens im Arbeitsgedächtnis (Typ-
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I-Rehearsal) für das Verankern im Langzeitgedächtnis nur sehr be-


grenzte Wirkung hat. Repetitives Wiederholen im Arbeitsgedächtnis
nutzen wir selten bewusst – etwa dann, wenn wir uns kurzfristig eine
Telefonnummer merken wollen. Kaum haben wir sie eingetippt, kön-
nen wir uns auch schon nicht mehr an sie erinnern. Wenn wir etwas im
Langzeitgedächtnis behalten wollen, dann sollten wir Typ-II-Rehear-
sal durchführen (Craik & Lockhart, 1972). Damit ist eine tiefere, ela-
borierende Verarbeitung des Lernmaterials gemeint.

Das Lernen und Vergessen sinnloser Silben


Ebbinghaus (1885/1913) studierte das Lernen und Vergessen sinnloser
Silben. Dahinter steckte die Absicht, jegliches Vorwissen und jeglichen
Bezug zur Bedeutung auszuschalten und damit Lern- und Vergessens-
prozesse „rein“ zu erforschen. Bei der Betrachtung der Erkenntnisse von
Ebbinghaus muss man sich jedoch vergegenwärtigen, dass das Lernen
sinnloser Silben hier keine konstruierende, schemabasierte bzw. auf Ka-
tegorien basierende Informationsverarbeitung beinhaltet.

Ebbinghaus verwendete als Maß des Vergessens die „Lernersparnis“.


Bei jedem (Selbst-)Versuch lernte Ebbinghaus eine Liste sinnloser Sil-
ben, bis er sie ohne Zögern perfekt aufsagen konnte. Beim erstmaligen
Lernen benötigte er bei einer bestimmten Liste beispielsweise 10 Ver-
suche. Bei einem darauffolgenden Lernen derselben Liste zählte er, wie
viele Versuche er benötigte, um die Liste erneut perfekt aufsagen zu
können. Wenn er dazu beim zweiten Lerndurchgang 6 Versuche benö-
tigte, dann betrug die Ersparnis gegenüber dem Erstlernen also 4 Ver-
suche (40 %).

Berühmtheit hat die Vergessenskurve von Ebbinghaus erlangt: Mit zu- Zeitintervall zwischen
nehmendem Zeitintervall zwischen dem Erstlernversuch und dem zwei- Wiederholungen des
Lernens
ten Lernversuch nimmt die Lernersparnis ab, d. h. das Vergessen wird

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118 Kapitel 4

größer. Ebbinghaus nutzte Intervalle zwischen 20 Minuten und 31 Tagen.


Die Vergessenskurve zeigt, dass das Vergessen zu Beginn groß ist. Nach
20 Minuten waren 42 % des Lernmaterials vergessen, nach einer Stunde
waren es 56 %, nach neun Stunden 64 %. Mit zunehmendem Intervall
wird die Kurve flacher; nach 2, 6 oder 31 Tagen waren noch um die 20 %
der gelernten sinnlosen Silben erinnerbar, mit wenig Unterschied zwi-
schen diesen langen Intervallen im Vergleich zu den Unterschieden in
den kürzeren Intervallen.

Ebbinghaus demonstrierte empirisch grundlegende Mechanismen des


Lernens. Er zeigte beispielsweise, dass vermehrte Wiederholung zu
Anfang zu einer höheren Lernersparnis bei dem nächsten Lernversuch
führt. Längere Listen benötigten mehr initiale Versuche als kürzere
Listen, um perfekt reproduziert werden zu können, dafür war die Lern­
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ersparnis bei späteren erneuten Lernversuchen bei längeren Listen


höher als bei kürzeren Listen. Ebbinghaus hat somit darauf hingewie-
sen, dass Wiederholungshäufigkeit des Lernens (bzw. der Abrufversu-
che) ein wichtiger Einflussfaktor für Lernen und Vergessen ist. Eine
mögliche Erklärung hierfür ist, dass die Aktivation von nicht gebrauch-
ten Elementen im Langzeitgedächtnis stetig absinkt bzw. zerfällt. Dem
kann man durch rechtzeitigen Abruf entgegenwirken.

Das Lernen von bedeutsamem Lernmaterial


Wenn wir bedeutsames Lernmaterial lernen sollen, dann werden vor-
handene Wissensstrukturen genutzt, um neue Informationen einzuord-
nen und aus den Wissensstrukturen abzurufen. Wenn eine zunächst
­unsortierte Liste von Tieren vorgegeben wird, dann tendieren Versuchs-
personen, die die Liste lernen sollen, dazu, diese Tiere gemäß überge-
ordneter Kategorienzugehörigkeit sortiert wiederzugeben (Bousfield,
Lernen durch 1953). Diese Kategorien mussten im Vorwissen der Versuchspersonen
­Kategorisieren (in ihrem Langzeitgedächtnis) bereits vorhanden sein, denn in diesen
Experimenten werden Kategorien weder beim Präsentieren der Lern-
liste noch beim Abruf in irgendeiner Weise vorgegeben.

Wenn das Lernmaterial jedoch nicht vertraut ist – also beispielsweise


nicht aus bekannten Tieren, sondern aus unbekannten Mineralien be-
steht – dann ist es für das Lernen äußerst hilfreich, hierarchische Ka-
tegorien vorzugeben, in die diese Mineralien eingeordnet werden kön-
nen (z. B. Metalle vs. Steine). Probanden, die an einem solchen Experiment
von Bower et al. (1969) teilnahmen, hatten vier Versuche, um 112 Mine-
ralien zu lernen. Probanden, die in der Bedingung teilnahmen, in der
ihnen Kategorien vorgegeben worden waren, erreichten im dritten und
vierten Versuch eine korrekte Erinnerung von 100 %. Probanden ohne
gegebene Kategorisierung erreichten im dritten Versuch im Durchschnitt

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Lernen als Informationsverarbeitung 119

47 % korrekte Erinnerung und im vierten Versuch im Durchschnitt 63 %


korrekte Erinnerung. Es ist also äußerst hilfreich für das Langzeitge-
dächtnis, über Kategorien zur semantischen Sortierung und Strukturie-
rung von Lernmaterial zu verfügen.

Bedeutungshaltige Elemente und Konzepte werden mit dem Lernma-


terial im Langzeitgedächtnis verknüpft. Diese Form von Wiederholen Lernen durch
wird daher normalerweise mit bedeutungshaltigem Lernmaterial in ­Elaboration

Verbindung gebracht. Aber auch unzusammenhängende Vokabeln,


Länder, Flüsse und die Hauptstädte der Länder Afrikas lassen sich so
lernen: Viele Gedächtnistechniken empfehlen das Verknüpfen mit Hin-
weisreizen und Eselsbrücken, mit visuell-räumlichen Gedächtnisin-
halten oder auch mit absurden Bild- und Wortschöpfungen. All dies ist
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Typ-II-Rehearsal und erfordert eine elaborierende (anreichernde), ver-


knüpfende Verarbeitung. Über die geschaffenen Assoziationsbahnen
lassen sich die Lerninhalte dann besser abrufen als mit oberflächli-
chem Einprägen und Wiederholen. Ob das jeweils sinnvoll ist und ob
nicht die empfohlenen absurden Eselsbrücken eine bedeutungshaltige
Informationsverarbeitung im Anwendungsfall behindern können (d. h.
wenn das Wissen innerhalb einer komplexeren Aufgabe benötigt wird),
ist eine andere Frage.

4.5.2 Abrufprozesse
Abrufe aus dem Langzeitgedächtnis basieren auf Aktivation von einem
bereits im Arbeitsgedächtnis befindlichen Element zu weiteren im
Langzeitgedächtnis befindlichen, damit verknüpften Elementen. Wie
die Aktivationsausbreitung im semantischen Gedächtnis funktioniert,
kann man am priming (vgl. Abschnitt 4.3.2) erkennen. Wenn ein Ele- Vor-Aktivierung
ment im semantischen Gedächtnis aktiviert wird, dann werden damit ­erleichtert Abruf

in Zusammenhang stehende Elemente durch Aktivationsausbreitung


vor-aktiviert (d. h. solche, die über Assoziationsbahnen mit dem akti-
vierten Element verknüpft sind). Die Vor-Aktivierung ist daran erkenn-
bar, dass ein kurz darauf folgender Abrufversuch schneller und zuver-
lässiger gelingt als ohne priming.
Priming lässt sich experimentell zuverlässig evozieren. Als prime be-
zeichnet man das Konzept oder Element, von dem die Aktivationsaus-
breitung ausgehen soll. Der prime wird zuerst präsentiert. Im Anschluss
wird das sogenannte target (Zielwort) gezeigt. Die Aufgabe dabei ist
meist einfach gehalten. Personen sollen beispielsweise möglichst
schnell beurteilen, ob eine gezeigte Reihe von Buchstaben ein ihnen

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bekanntes Wort ihrer Muttersprache ist (z. B. „MANTY“ vs. „MOTOR“).


Wenn sie anschließend beurteilen sollen, ob ein einfacher Sachverhalt
wahr ist (z. B. „Ein Auto hat Bremsen“), dann kann man feststellen,
dass die Reaktionszeit für die geforderte Beurteilung bei vor-aktivier-
ten Elementen kürzer ist als die Reaktionszeit bei Beurteilungen nicht
vor-aktivierter Elemente.
Die Aktivationsausbreitung hängt mit der Stärke der Assoziationsbah-
nung durch Gebrauch und Lernerfahrung zusammen. Die Assoziati-
onsbahnung kann daher zwischen Personen variieren. Das Wort „Flü-
gel“ beispielsweise könnte bei einem Vogelkundler Wissensstrukturen
über den Vogelflug vor-aktivieren, einen Flugzeugmechaniker zunächst
an die Funktion von Landungsklappen denken lassen und bei einem
Pianisten die Überlegung anregen, sein Instrument endlich stimmen
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zu lassen.

Automatische Aktivationsausbreitung kann


­hinderlich sein
Priming (Aktivationsausbreitung) ist ein automatischer (d. h. nicht kon-
trollierbarer) und impliziter (d. h. nicht bewusst gesteuerter und unse-
rer Introspektion nicht zugänglicher) Prozess. Eine Demonstration der
automatischen Aktivierung stellt die klassische Stroop-Aufgabe dar
(Stroop, 1935; vgl. Abschnitt 4.2.4). Wenn man den Namen einer Farbe
nennen soll, in der ein Wort gedruckt ist, dieses Wort aber eine andere
Farbe bezeichnet, so wird diese Bezeichnung automatisch aktiviert und
interferiert dann mit der Absicht, nur die Druckfarbe zu nennen. Des-
halb ist die Performanz in dieser Aufgabe verglichen mit einer Kontroll-
bedingung (in der sich Druckfarbe und Farbbezeichnung gleichen) stark
Hoch automatisierte, verlangsamt und zuweilen fehlerhaft. Um diese Aufgabe zu bewältigen,
implizite Aktivations- müssen die konkurrierenden Aktivierungen im Arbeitsgedächtnis mit
ausbreitung
kontrollierter Aufmerksamkeit in Schach gehalten werden. Die automa-
tisch aktivierte Farbbezeichnung muss unterdrückt und die Nennung
der Druckfarbe muss in den Vordergrund gerückt werden und zur Aus-
führung gelangen.

4.6 Erwerb kognitiver Fertigkeiten:


Die ACT-Theorie
Wir haben beschrieben, wie Faktenwissen, Konzepte und Schemata
im deklarativen Gedächtnis organisiert sind und wie sie gespeichert
und abgerufen werden. Wie kann man sich nun Organisation, Erwerb

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Lernen als Informationsverarbeitung 121

und Nutzung von prozeduralem Wissen vorstellen? Prozedurales Wis- Prozedurales Wissen
sen wurde in Abschnitt 4.3.2 bereits als Teil des nicht-deklarativen (im-
pliziten) Gedächtnisses eingeführt und als Handlungswissen beschrie-
ben. Das Handlungswissen schließt gut eingeübte motorische Abläufe
(z. B. Laufen, Schreibmaschineschreiben) und die automatisierte
­Koordination von Wahrnehmung, kognitiver Interpretation und Hand-
lungsausführung (z. B. Autofahren, vom Blatt lesen beim Instrumen-
talspiel) ein, meint aber auch automatisierte Informationsverarbei-
tungsprozesse, die zum Ziel haben, Konzepte miteinander in
­Verbindung zu bringen, Schlussfolgerungen zu ziehen und neue Infor-
mationen durch Umformung zu erzeugen.
Als Beispiel für prozedurales Wissen wurde bereits in Abschnitt 4.3.2
die Beherrschung der Muttersprache genannt. Ein sechsjähriger kom-
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petenter Sprecher der Muttersprache wendet die grammatikalischen


Regeln an und kann falsche von richtigen Sätzen unterscheiden, er
muss die Regeln also kennen – sie sind jedoch Teil des prozeduralen
(impliziten) Gedächtnisses, nicht Teil des deklarativen (expliziten) Ge-
dächtnisses. Prozedurales Wissen ist nicht verbalisierbar.

4.6.1 Das Zusammenspiel von prozeduralem


und deklarativem Wissen
Das Sprechen einer Sprache kann man sich – wie jede kognitive Fertig-
keit – als ein Zusammenspiel von deklarativem und prozeduralem Wis-
sen vorstellen. Im deklarativen Gedächtnis sind Fakten und Konzepte
gespeichert (knowing what), im prozeduralen Gedächtnis ist gespei-
chert, wie wir uns dieser Fakten und Konzepte bedienen, um zu Schluss-
folgerungen zu gelangen, Konzepte zu verbinden und zu kommunizie-
ren (knowing how).
Um dieses Zusammenspiel zu erklären, werden wir im Folgenden auf
eine Beschreibung der ACT-Theorie fokussieren (ACT steht für ­Adaptive
Character of Thought; Anderson, 1996, sie wird in neueren Versionen
als ACT-R [„Rational“] bezeichet). Das deklarative Wissen besteht aus
Einheiten, die chunks genannt werden. Ein chunk ist eine Proposition.
Die deklarativen Wissenselemente sind in einem assoziativen seman-
tischen Netzwerk miteinander verbunden.
Das prozedurale Wissen besteht aus Einheiten, die man Produktionen Prozedurales Wissen
nennt. Diese Produktionen sind Regeln, welche einen Bedingungsteil als Sammlung von
­Regeln
und einen Ausführungsteil haben („Wenn …, dann …“). Im Bedingungs-
teil einer Produktion sind eine Reihe von Anforderungen aufgeführt,
die im deklarativen Wissen gegeben sein müssen. Der Ausführungs-

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122 Kapitel 4

teil der Produktion wird ausgeführt, wenn diese Anforderungen erfüllt


sind (siehe das Beispiel im Kasten).

Beispiel für eine Produktion


WENN

es das Ziel ist, das Ergebnis der Addition einer Zahl n1 und einer Zahl
n2 zu nennen,

und ein Chunk im Langzeitgedächtnis abgerufen werden kann,

demzufolge n1 + n2 = n3 ist,

DANN

verwende n3 als Ergebnis und spreche n3 aus.


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Die im Beispiel gezeigte Produktion könnte zur Anwendung kommen,


wenn man zwei Zahlen hat (n1 und n2) und nun mal eben schnell die
Prozesssteuerung Summe dieser Zahlen benötigt. Man hat also stets ein Ziel (oder Un-
durch Ziele
ter-Ziel) im aktuellen Informationsverarbeitungsprozess, und dieses
Ziel ist Bestandteil des Bedingungsteils, andernfalls kommt die Pro-
duktion gar nicht infrage („Wenn es das Ziel ist, …“). Eine weitere Be-
dingung der Anwendung dieser Produktion ist, dass das Ergebnis (die
Summe) als Faktenwissen im Langzeitgedächtnis abrufbar zur Verfü-
gung steht („und ein Chunk im Langzeitgedächtnis abgerufen werden
kann …“). Wenn man dieses Faktenwissen im deklarativen Gedächtnis
nicht zur Verfügung hätte, käme diese Produktion nicht zur Anwen-
dung, denn der Bedingungsteil wäre nicht erfüllbar.
Es existiert möglicherweise eine andere Produktion, die eine Vorge-
hensweise enthält, wie man bei dem Ziel, zwei Zahlen zu addieren, al-
ternativ zu einem Ergebnis kommt, beispielsweise durch Hochzählen
oder durch anderweitiges Ausrechnen. Für ein und dasselbe Ziel kön-
nen also durchaus mehrere Produktionen existieren. Unter diesen wird
eine Produktion ausgewählt. Wir werden in Abschnitt 4.6.2 noch sehen,
wie diese Auswahl funktioniert.
Eine Produktion ist hinsichtlich der Inhalte aus dem deklarativen Wis-
sen abstrakt formuliert. Sie enthält Platzhalter (Variablen). In einer
Produktion kommen also Variablen vor (n1, n2, n3). Es existiert somit
Abstrakte Regel nicht für jede beliebige Zahlenkombination eine eigene Regel. Es exis-
tiert stattdessen eine abstrakte Regel, die man auf all jene Propositio-
nen anwenden kann, in denen die „Additions-Relation“ dreier Zahlen
erfasst ist. (Die Proposition selbst stellt in ihrer Schematisierung ein
Konzept dar, das man als „Additionsfakt“ bezeichnen könnte. Man

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Lernen als Informationsverarbeitung 123

kann sich vorstellen, dass im Laufe der Zeit viele solcher „Additions-
fakten“ erworben und im Anwendungsfall abgerufen werden.) Im de-
klarativen Gedächtnis liegt also ein schematisiertes Wissen darüber
vor, dass die Addition von zwei bestimmten Zahlen eine dritte Zahl als
Summe zum Ergebnis hat. Die Produktion (Regel) kann nun dieses Fak-
tenwissen im deklarativen Gedächtnis abrufen und im Zusammenhang
mit einem Informationsverarbeitungsprozess nutzen.
Die Trennung des prozeduralen vom deklarativen Wissen und die da-
raus folgende Abstraktion der Produktionen machen die Regeln auf Kombinatorik durch
bisher noch nicht verwendete Fakten, Konzepte und Sachverhalte an- ­abstrakte Regeln

wendbar und erlauben eine regelgeleitete Kombination neuer Fakten.


Wenn im vorliegenden Beispiel der abzurufende Additionsfakt im de-
klarativen Gedächtnis nicht verfügbar gewesen wäre, wäre dieser Fakt
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dem Gedächtnis leicht hinzuzufügen; die Produktion und das konzep-


tuelle Schema für Additionsfakten wären im Langzeitgedächtnis be-
reits vorhanden und müssten nicht neu gelernt werden.
Die Annahme abstrakter Regeln macht plausibel, dass intelligente In-
formationsverarbeitung neue Kombinationen von Wissenselementen
erzeugen kann. Der kompetente Sprecher einer Sprache kann eine un-
endliche Anzahl grammatikalisch korrekter Sätze bilden, eben weil
diese regelgeleitet erzeugt werden. Diese Regeln sind nach der ACT-
Theorie als Produktionen im prozeduralen Wissen verfügbar, während
die Konzepte und Wörter, auf die sie angewendet werden, als Propo-
sitionen und Wortmarken im deklarativen Wissen verfügbar sind.
An der im Kasten dargestellten Produktion erkennt man weiterhin,
dass es für jeden Problemlöseschritt einerseits eine Produktion und
andererseits deklaratives Wissen geben muss. Intelligentes Verhalten
und komplexe Informationsverarbeitung entsteht der ACT-Theorie zu-
folge aus dem Zusammenspiel sehr vieler solcher deklarativer und pro-
zeduraler Wissenseinheiten:
All that there is to intelligence is the simple accrual and tuning of many
small units of knowledge that in total produce complex cognition. The whole
is no more than the sum of its parts, but it has a lot of parts. (Anderson, 1996,
S. 356)

4.6.2 Steuerung des Verarbeitungsprozesses


Wie wird der Informationsverarbeitungsprozess gesteuert? In ACT wird Eine Regel pro
­Ausführungszyklus
immer nur eine Regel pro Zeiteinheit ausgeführt. Jede Regel hat eine
Zielbeschreibung und beginnt mit einem Abgleich dieses Ziels. Die Ab-

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124 Kapitel 4

folge von Zielen und Unterzielen charakterisiert einen Problemlöse-


prozess. Diese Steuerung ist ebenfalls Bestandteil von Regeln. Es gibt
Regeln, die in ihrem Ausführungsteil neue Ziele oder Unterziele set-
zen. Dann können Regeln zum Zuge kommen, welche diesem Ziel ent-
sprechen. Ist ein Schritt erfolgreich ausgeführt, wird eine weitere Regel
das Ziel wieder entfernen. Über die Zielsteuerung wird somit die Auf-
merksamkeit in ACT modelliert. Ein gut eingeübter Problemlösepro-
zess enthält Regeln, die die Zielsteuerung in geordneter Form vorneh-
men.
Konkurrierende Regeln Innerhalb eines Ziels kann es konkurrierende Regeln geben. Man kann
sich beispielsweise, wie oben angedeutet, vorstellen, dass man auf un-
terschiedlichen Wegen zum Ergebnis einer Addition zweier Zahlen
kommt. Die konkurrierenden Regeln werden in ACT einem Auswahl-
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prozess unterworfen, wobei vereinfacht gesagt die „stärkste“ Regel ge-


winnt. Die stärkste Regel ist diejenige Regel, die in der Vergangenheit
am häufigsten gebraucht wurde und dabei erfolgreich und effizient zum
Ziel geführt hat.
Die Auswahl einer Regel hängt jedoch auch von der Verfügbarkeit der
deklarativen Wissenselemente ab, die im Bedingungsteil abgerufen
werden müssen. Auch ACT bedient sich der Aktivation von deklarati-
ven Wissenselementen im assoziativen Netzwerk, welche oben bereits
erläutert wurde (einschließlich Aktivationsausbreitung). Hoch akti-
vierte deklarative Wissenselemente werden leichter und schneller ge-
funden als niedrig aktivierte deklarative Wissenselemente. Die Akti-
vation deklarativer Wissenselemente hängt wiederum von ihrem
Gebrauch in der Vergangenheit, ihrer aktuellen Aktivation (z. B. durch
Aufmerksamkeitszuwendung, durch Wahrnehmung in der Außenwelt)
und der Aktivation des Kontexts (Aktivation, die über verknüpfte As-
soziationsbahnen zuströmt) ab. Welche Regel also aus einer Menge
konkurrierender Regeln im Auswahlprozess zum Zuge kommt und aus-
geführt wird, hängt von der Stärke der Regel selbst und von der Akti-
vation der deklarativen Wissenselemente ab, die diese Regel im Be-
dingungsteil benötigt.

4.6.3 Erwerb von Wissen


Wie funktioniert nun der Erwerb von deklarativen und prozeduralen
Wissenseinheiten? Es wurde bereits beschrieben, dass deklarative Wis-
senselemente intern erzeugt, verändert, verknüpft und neu kombiniert
werden können. Dies geschieht durch Produktionen, die diese Bear-
beitung von deklarativen Wissenselementen in ihrem Ausführungsteil
haben. Darüber hinaus können Fakten aus der Außenwelt in das de-

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Lernen als Informationsverarbeitung 125

klarative Wissen aufgenommen werden. Meist setzt dies ebenfalls Pro-


duktionen und deklaratives Vorwissen voraus. Beim Lesen einer Zei-
tungsmeldung sind dies beispielsweise Produktionen, die den
sprachbasierten Informationsverarbeitungsprozess beim Lesen steu-
ern. Dabei werden Worte als Konzepte erkannt und die konkreten In-
formationen in die Platzhalter eines existierenden deklarativen Sche-
mas eingesetzt – wir haben bereits erläutert, welches deklarative,
schematische Vorwissen beispielsweise bei einer Zeitungsmeldung
über einen Verkehrsunfall vorhanden sein muss.

Ein Beispiel für den Erwerb einer Produktion


Im folgenden Beispiel (Anderson, 1996, S. 359) setzt sich ein Schüler mit Transformationsschritte
folgender Transformation auseinander: nachvollziehen
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3x + 7 = 13
3x = 6
Um beispielsweise zu verstehen, wie die zweite Gleichung aus der ers-
ten Gleichung entstanden ist, wird zunächst das Gemeinsame in beiden
Gleichungen gesucht. Dies ist „3x“, und es wird angenommen, dass „3x“
in beiden Gleichungen das Gleiche bedeutet. (In die obere Gleichung
könnte also „6“ anstelle von „3x“ eingesetzt werden.) Dazu passt, dass
im deklarativen Gedächtnis ein Additionsfakt existiert, welcher die Zah-
len „6“, „7“ und „13“ in Beziehung zueinander setzt (6 + 7 = 13). Diese Er-
kenntnis könnte zu folgender Regel führen:
WENN
es das Ziel ist, eine Gleichung zu lösen der Form
Argument + n1 = n3
und n1 + n2 = n3,
DANN
setze als nächstes Ziel, eine Gleichung zu lösen der Form Argument = n2.
Man könnte bei der Betrachtung des Beispiels auch zu einer anderen
Transformation kommen, beispielsweise zu der Erkenntnis, dass auf
beiden Seiten der ersten Gleichung n1 subtrahiert wurde. Wichtig ist,
dass Lernende diese Transformationsschritte selbst nachvollziehen oder
imitieren, und zwar auf kleinschrittige Art und Weise, sodass daraus
kleine prozedurale Wissenseinheiten (Produktionen) werden können.
Eine direkte Instruktion (also ein direkter Hinweis auf die hier anzuwen-
dende Regel oder eine Anleitung bzw. Strategie, wie man vorgeht) kann
die Aufmerksamkeit unerfahrener Lernender führen und ihre „Imitation“
unterstützen. Ebenso können ausgearbeitete Lösungsbeispiele helfen,
Umformungsregeln zu erkennen und nachzuvollziehen.

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126 Kapitel 4

Neue Regeln bilden Der Erwerb prozeduralen Wissens erfordert, dass Regeln gebildet wer-
den, die die Transformation von deklarativen Wissenselementen zum
Gegenstand haben. Es wird angenommen, dass solche Transformati-
onen zumindest beim Erwerb kognitiver Fertigkeiten zunächst bewusst
aus Beispielen erkannt und nachvollzogen werden. Anschließend wird
eine Regel im prozeduralen Wissen gebildet und bei späteren Proble-
men der gleichen Form angewandt. Bei häufigem Gebrauch wird die
Regel automatisiert. Dann ist immer weniger Aufmerksamkeit nötig,
um die Regel zu aktivieren und auszuführen. Dies hat allerdings auch
zur Konsequenz, dass die Regel zu „implizitem“, nicht mehr bewusst
zugänglichem prozeduralem Wissen wird.
Im Kern besteht der Erwerb von Wissen in der ACT-Theorie aus dem
Enkodieren von deklarativen Wissenselementen aus der Umgebung
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und dem Inferieren kleinschrittiger Transformationsregeln, die die


Veränderung von deklarativen Wissenselementen erklären bzw. gene-
rieren können. „The theory implies that acquiring knowledge is very
much a labor-intensive business in which one must acquire one-by-one
all the knowledge components“ (Anderson, 1996, S. 359). Die Schät-
zungen für die Anzahl von Regeln, die für mathematische Kompeten-
zen erworben werden müssen, gehen in die Tausende, für linguistische
Kompetenzen in die Zehntausende.
Da man fortlaufend hinzulernt, werden bestimmte Regeln für das glei-
che Ziel neu erworben und eingeübt, während alte Regeln noch immer
existieren. Beispielsweise löst die zunehmende Nutzung von Additi-
onsfakten die Strategie des „Hochzählens“ ab oder die zunehmende
Kenntnis des Einmaleins als eine Sammlung von Multiplikationsfak-
ten erspart Rechenschritte. Bei einem solchen „Übergang“ (wie es ihn
beim kumulativen schulischen Lernen häufig gibt), treten erfahrungs-
Fehler durch „alte“, gemäß besonders viele Fehler auf, denn neue Regeln sind noch nicht
­automatisierte Regeln
ausreichend geübt, manchmal werden noch alte Regeln ausgeführt
usw. Unter anderem liegt das auch daran, dass alte Regeln, wenn sie
gut geübt sind, schon automatisiert ausgeführt wurden und ihre Un-
terdrückung eigener Aufmerksamkeit bedarf.

Regelübergänge
Bisweilen kann durch geeignete Instruktion dafür gesorgt werden, dass
typische Fehler bei einem Übergang erkannt und beseitigt werden. Wer-
den die fehlerhaften Regeln nicht erkannt, dann wird bei komplexeren
Aufgaben der Lösungsweg schnell so unübersichtlich, dass die Ursa-
chen für die dann entstehenden Fehler unklar bleiben. Ein Beispiel ist
der Übergang von natürlichen Zahlen zu Brüchen im schulischen
­Mathematikunterricht. Eine zuvor erlernte Regel der Multiplikation

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Lernen als Informationsverarbeitung 127

implizierte, dass beim Multiplizieren zweier Zahlen stets eine größere


Zahl resultiert. Beim Multiplizieren mit Brüchen können nun kleinere
Zahlen resultieren. Es kann angesichts der zuvor gut eingeübten Regeln
für Schülerinnen und Schüler sehr schwierig sein, neue Regeln zu ler-
nen, die den zuvor gelernten Regeln (die implizit noch wirksam sind) an-
scheinend zuwiderlaufen.

Neue Regeln werden durch Gebrauch „geübt“, d. h. ihre Ausführung


wird schneller und fehlerfreier und benötigt von Mal zu Mal weniger
Aufmerksamkeit. Bei stark geübten Regeln tritt Automatisierung ein:
Die Handlungen werden ausgeführt, ohne dass überhaupt noch Auf-
merksamkeit notwendig ist. Bei einfacheren Fertigkeiten wie dem Au-
tofahren kann man diese Entwicklung in einem relativ kurzen Zeit-
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raum beobachten. Bei komplexeren kognitiven Fertigkeiten, die


kumulativ (aufeinander aufbauend) gelernt werden – beispielsweise
beim sinnentnehmenden Lesen – dauert es sehr viel länger.
Man kann annehmen, dass dem Expertiseerwerb (vgl. auch Kap. 5)
Prinzipien zugrunde liegen, wie sie die ACT-Theorie beschreibt. Es
handelt sich dann um hoch komplexe, stark verknüpfte, hoch aktivierte
und teilautomatisierte prozedurale und deklarative Wissensbestände,
die in einem langen Prozess des Wissenserwerbs und des Übens ge-
lernt wurden.

Zusammenfassung
Unsere Auffassung davon, was in der Außenwelt passiert und wie
wir in dieser Welt handeln können, hängt davon ab, welche Begriffe,
Kategorien und Schemata im Langzeitgedächtnis verfügbar sind,
um die Informationen aus der Außenwelt zu interpretieren.
Nachdem Reizeindrücke der Außenwelt zunächst in sensorischen
Speichern für kurze Zeit festgehalten wurden, werden diese Infor-
mationen enkodiert, d. h. in einen kategorialen Code überführt. Dies
ist ein Prozess des Erkennens und er impliziert, dass existierende
Elemente im Langzeitgedächtnis aktiviert werden. Die zentrale
Funktion des Arbeitsgedächtnisses ist es, die Aktivation von Informa-
tionen aufrechtzuerhalten, die in laufenden Informationsverarbei-
tungsprozessen benötigt werden. Das Arbeitsgedächtnis besteht aus
aktivierten Elementen des Langzeitgedächtnisses. Im Arbeitsge-
dächtnis werden Informationen nicht nur kurzfristig gespeichert,
sondern gleichzeitig auch verarbeitet. Das Arbeitsgedächtnis ver-
fügt über eine begrenzte Kapazität.

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128 Kapitel 4

Eine im Langzeitgedächtnis gespeicherte Wissensstruktur wird


Schema genannt. Das Schema leitet die Informationsverarbeitung.
Aktuell wahrgenommene Informationen werden, soweit möglich,
in Schemata eingefügt. Die Repräsentation der Bedeutung entsteht
aus der Zusammenführung von Vorwissen und der konkret wahrge-
nommenen Information. Wenn die Information wieder aus dem
­Gedächtnis abgerufen werden soll, dann finden Prozesse der Rekon-
struktion statt: Es werden typische oder geschlussfolgerte Zusam-
menhänge aus dem Schema einbezogen bzw. „erinnert“.
Das Langzeitgedächtnis besteht aus mehreren Gedächtnissystemen.
Das deklarative Gedächtnis ist das explizite Gedächtnis. Die Inhalte
dieses expliziten Gedächtnisses sind uns bewusst zugänglich. Im se-
mantischen Gedächtnis ist unser Weltwissen in Form von Konzepten,
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Schemata und Fakten gespeichert und miteinander verknüpft. Im


episodischen Gedächtnis sind Erinnerungen an konkrete Ereignisse
gespeichert. Die mentalen Repräsentationen von Konzepten im de-
klarativen Gedächtnis können verschiedene Formate (Codes) haben
– sprachliche Oberflächenstruktur und semantische Tiefenstruktur
sowie analoge, visuell-räumliche Repräsentationen. Ein semanti-
sches Konzept kann als prototypische Vorstellung charakterisiert
werden. Die zentrale, typische „Kern-“Instanz einer semantischen
Kategorie wird als Prototyp bezeichnet. Eine Proposition ist eine be-
deutungstragende (semantische) Einheit. Es ist eine Repräsentation
der Bedeutung eines sprachlichen Satzes, eines Sachverhaltes oder
eines Konzepts, das mit einem anderen Konzept in Verbindung steht.
Wir können modellhaft annehmen, dass das deklarative Langzeit-
gedächtnis ein assoziatives Netzwerk ist. Informationen werden über
Verbindungen (Assoziationsbahnen) gespeichert und abgerufen. Ge-
nerell gilt: Je öfter eine Assoziationsbahn gebraucht wurde, desto
besser und schneller kann sich bei folgenden Abrufversuchen die
Aktivation über diese Assoziationsbahn ausbreiten und verknüpfte
Elemente aktivieren. Die Aktivationsausbreitung hängt also mit der
Stärke der Assoziationsbahnung durch Gebrauch und Lernerfah-
rung zusammen.
Erfolgreiche Speicherprozesse verknüpfen neue Informationen mit
bereits vorhandenen Informationen und legen die Assoziationsbah-
nen an, die später zum Abrufen der Information genutzt werden
können (Typ-II-Rehearsal; Elaborationsstrategien). Ein äußerst wich-
tiger und hilfreicher Verknüpfungsprozess dabei ist das Einordnen
der neuen Informationen in Kategorien. Möchte man Wissen lang-
fristig abrufbar halten, dann ist die beste Lernstrategie das zeitlich

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Lernen als Informationsverarbeitung 129

verteilte Testen. Durch diese Abrufversuche werden Assoziations-


bahnen gestärkt und Aktivierungen der Elemente längerfristig er-
höht.
Zum nicht-deklarativen Gedächtnis zählt das prozedurale Gedächtnis.
Im prozeduralen Gedächtnis sind unsere handlungsrelevanten Fä-
higkeiten und Fertigkeiten gespeichert. Außerdem zählen zum
nicht-deklarativen Gedächtnis die erlernten Konditionierungen und
das priming. Priming ist die Erleichterung des Abrufs von assoziier-
ter Information im Langzeitgedächtnis. Priming stelle eine „Vor-Ak-
tivierung“ im assoziativen Netzwerk dar, die die die Erwartung des
Gedächtnisses widerspiegelt, dass die verknüpften Informationen
im laufenden Informationsverarbeitungsprozess gebraucht werden.
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Eine kognitive Fertigkeit stellt ein Zusammenspiel von deklarativem


und prozeduralem Wissen dar. Im deklarativen Gedächtnis sind Fak-
ten und Konzepte gespeichert (knowing what), im prozeduralen Ge-
dächtnis ist gespeichert, wie wir uns dieser Fakten und Konzepte be-
dienen, um zu Schlussfolgerungen zu gelangen, Konzepte zu
verbinden und zu kommunizieren, zu handeln oder motorisch zu re-
agieren (knowing how). Dieses Zusammenspiel wird durch die ACT-
Theorie erklärt. Das prozedurale Wissen besteht in der ACT-Theo-
rie aus Einheiten, die man Produktionen nennt. Diese Produktionen
sind Regeln, welche einen Bedingungsteil und einen Ausführungs-
teil haben („Wenn …, dann …“). Im Bedingungsteil einer Produktion
sind mehrere Anforderungen aufgeführt, die im deklarativen Wis-
sen gegeben sein müssen.
Eine Produktion ist hinsichtlich der Inhalte aus dem deklarativen
Wissen abstrakt formuliert. Sie enthält Platzhalter (Variablen). Die
Trennung des prozeduralen vom deklarativen Wissen und die da­
raus folgende Abstraktion der Produktionen machen die Regeln auf
bisher noch nicht verwendete Fakten, Konzepte und Sachverhalte
anwendbar und erlauben eine regelgeleitete Kombination neuer Fak-
ten. Ob eine bestimmte Regel ausgeführt wird, hängt von ihrer
„Stärke“ ab (Nutzung in der Vergangenheit) sowie von der Aktiva-
tion der deklarativen Wissensbestandteile im Bedingungsteil. Es
kann konkurrierende, auch fehlerhafte Regeln geben. Regeln wer-
den der ACT-Theorie zufolge vor allem durch kleinschrittige Imita-
tion anhand von expliziten Instruktionen oder/und von Beispielen
erworben. Durch zunehmende Übung werden Regeln immer mehr
automatisiert.

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130 Kapitel 4

Weiterführende
­Literatur Anderson, J. R. (1996). ACT: A simple theory of complex cognition. American
Psychologist, 51 (4), 355–365.
Pressley, M., Borkowski, J. G. & Schneider, W. (1989). Good information pro-
cessing: What it is and how education can promote it. International Journal
of Educational Research, 13 (8), 857–867.

Fragen
1. Welches ist die zentrale Funktion des Arbeitsgedächtnisses?
2. Was ist ein kognitives Schema?
3. Warum wird Lernen im Wesentlichen als aktive Konstruktion
kognitiver Schemata betrachtet?
4. Welche Gedächtnissysteme lassen sich unterscheiden?
5. Welche kognitiven Lernstrategien bieten sich für das Lernen von
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deklarativem Wissen an, wenn man berücksichtigt, was wir über


das Gedächtnis und die Speicher- und Abrufprozesse wissen?
6. Wie ist prozedurales Wissen in der ACT-Theorie modelliert?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Kapitel 5
Lernen als Expertiseerwerb
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Inhaltsübersicht
5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
5.2 Moderne Expertiseforschung: methodische Herausforderungen . . . . . . 135
5.2.1 Problem der Reproduzierbarkeit der Expertenleistung . . . . . . . . . . . . . . . 135
5.2.2 Problem der Selektion bzw. Selbst-Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Problem des impliziten Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.3 Charakterisierung der Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
5.3.1 Lösungsstrategien von Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
5.3.2 Mentale Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
5.3.3 Perzeptuell-psychomotorische Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
5.4 Erwerb von Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
5.4.1 Investierte Zeit für Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
5.4.2 Qualität der Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
5.5 Welche Rolle spielt Begabung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5.5.1 Expertiseforschung und Intelligenzforschung:
unvereinbare Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5.5.2 Varianz in Intelligenz und Varianz in der Spielstärke im Schach . . . . . . . 152
5.5.3 Die Frage domänenspezifischer Begabung („Talent“) . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

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132 Kapitel 5

5.1 Einführung
Es gibt Menschen, die Außergewöhnliches leisten. Per Definitionem
bedeutet dies, dass einige Menschen mit ihrer Leistung das, was man
in einer Domäne bzw. einem Leistungsbereich als „Normalmaß“ an-
sieht, weit übertreffen. Beispiele sind Sportlerinnen und Sportler, die
Wettkämpfe auf höchstem Niveau gewinnen, Musikerinnen und Mu-
siker, die ein großes Repertoire an Werken beherrschen und virtuoser
und ausdrucksvoller spielen als andere, Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler, die produktiver und origineller als andere sind. Solche
Leistungen zeigen, wie anpassungsfähig und lernfähig Menschen sein
können, und wie weit sich körperliche und kognitive Leistungen von
dem entfernen können, was man gemeinhin für „menschenmöglich“
oder „normal“ hält. Wie kann man sich dies erklären? Wie gelangen
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Menschen zu dieser Leistungsfähigkeit?


Besondere Gabe? Naheliegend wäre es, besondere Begabungen anzunehmen, die einen
Menschen durch eine genetische Prädisposition dazu befähigen, in be-
stimmten Gebieten besonders schnell zu lernen und spezifische per-
zeptuelle, psychomotorische und kognitive Prozesse auszubilden. Da-
raus würde folgen, dass nicht in besonderem Maße begabte Menschen
niemals außergewöhnliche Leistungen erreichen würden, auch wenn
sie sich noch so sehr anstrengten und die Umweltbedingungen die bes-
ten wären. Darüber hinaus würde man im Kontext von Hoch- und
Höchstleistung vermuten, dass eine korrespondiere Begabung recht
spezifisch für die Leistung ist. Nach wie vor sind aber die Begriffe „Ta-
lent“ und „Begabung“ vieldeutig und die relative Bedeutsamkeit an-
geboren-genetischer vs. umweltgeprägter Einflüsse auf Hochleistung
umstritten. Wir werden später in diesem Kapitel darauf zurückkom-
men.
Lernen und Üben Den Hauptteil dieses Kapitels wird die Perspektive der modernen Ex-
pertiseforschung einnehmen, die in den vergangenen 25 Jahren gro-
ßen Einfluss gewonnen hat. Die moderne Expertiseforschung erklärt
die Anpassungsleistungen für Hochleistung im Wesentlichen durch do-
mänenspezifische Lern- und Übeprozesse (siehe die Übersicht im Kasten).
Sie betrachtet konsequenterweise eine besondere „Gabe“ oder Bega-
bung als Mythos. Nach Auffassung der modernen Expertiseforschung
verstellt dieser Mythos den Blick auf die tatsächlichen Entstehensbe-
dingungen von Hochleistung und verhindert, Hochleistung als durch
Lernen und Üben entstehende Anpassungsleistung des körperlichen
und kognitiven Apparats (insbesondere des Langzeitgedächtnisses) zu
beschreiben und zu erklären.

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Lernen als Expertiseerwerb 133

Hinweise auf die zentrale Rolle von L


­ ernen und
Übung für das Entstehen von Hochleistung
Übedauer I. Es ist eine lange Zeit an intensiver Beschäftigung mit der
Domäne notwendig. Höchstleistende Personen haben oft in sehr jungen
Jahren mit der domänenspezifischen Beschäftigung begonnen und
übten unter Anleitung mehrere Stunden pro Tag, und zwar länger als
zehn Jahre bzw. 10 000 Stunden.

Übedauer II. Die besten Personen in einer Domäne unterscheiden sich


von den sehr guten Personen durch eine beträchtlich höhere Zahl ak-
kumulierter Übestunden. Dies ist eine wichtige Beobachtung. Würden
den Höchstleistungen spezifische Begabungen („besondere Gabe“) zu-
grunde liegen, dann müssten die besten Personen auch dann besser
sein, wenn sie genauso viel oder weniger übten als die sehr guten Per-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

sonen.

Erhöhung der Standards. Menschen, die in ihrer Domäne etwas Außer-


gewöhnliches geleistet haben, haben neue Standards gesetzt. Diese
menschliche Kulturleistung bedeutet für nachfolgende Generationen,
dass zunächst die höheren Standards übertroffen werden müssen, bevor
eine Hochleistung sichtbar wird. Instrumentalisten in der Musik bei-
spielsweise müssen das Repertoire einer ganzen Reihe von Epochen
und Stilen studieren und einüben. Dabei war offenbar jede Epoche be-
strebt, die vorige in den technischen Schwierigkeiten zu überbieten. Mit
sichtbar höhergeschraubten Standards wachsen die Anforderungen an
die Fähigkeiten der Instrumentalisten, und zwar sehr schnell innerhalb
weniger Jahrzehnte.

Spezialisierung. Mit fortschreitender Entwicklung geht mit Hochleis-


tung Spezialisierung einher. In der Musik beispielsweise haben früher
die Komponisten ihre Werke selbst mit Orchestern einstudiert und als
Dirigenten oder Instrumentalisten aufgeführt. Sie haben außerdem jün-
gere Musikerinnen und Musiker unterrichtet. Heute entsprechen den
unterschiedlichen Funktionen unterschiedliche spezialisierte Studier-
wege und Berufszweige. Spezialisierung und das Aufkommen immer
neuer spezieller Domänen innerhalb weniger hundert Jahre machen es
unwahrscheinlich, dass für Hochleistung in diesen Gebieten jeweils ei-
gene besondere Begabungen infrage kommen.
Ausbildung. In jeder Domäne entwickelt sich Bildung: Lehrwerke ent-
stehen, Übungs- und Trainingsmethoden etablieren sich, Ausbildungs-
standards und Materialien werden verbreitet und verfügbar gemacht.
Lehrkräfte werden ausgebildet. Mehr junge Menschen können mit der
Domäne vertraut werden und sich das Wissen und Können aneignen.

Geschwindigkeit. Die Entwicklung der Domänen verläuft sehr schnell


– innerhalb weniger Jahrhunderte haben Wissenschaft und Mathe-

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134 Kapitel 5

matik, Sport oder Musik große Entwicklungsschritte vollzogen. Beispiele


aus dem Sport zeigen dies eindrucksvoll. Seit dem Beginn der Aufzeich-
nungen der olympischen Spiele 1896 wurde die Bestzeit für den Mara-
thon von knapp unter drei Stunden auf zwei Stunden und drei Minuten
reduziert. Die olympische Zeit für den Marathon aus dem Jahr 1896 ent-
spricht dabei ungefähr der Qualifikationszeit für Tausende von Amateu-
ren heute, die am Boston Marathon teilnehmen. Die Bestmarke für den
Hochsprung lag 1896 bei knapp über 1,80 m. Heute liegt sie ungefähr
bei 2,45 m. Das, was früher ganz offenbar nur wenigen Personen gelang,
definiert heute den Standard für eine große Zahl von Amateuren. Die-
selbe Leistung, die damals als Ausdruck einer besonderen Gabe erschie-
nen sein mag, kann heute als Ergebnis von gezieltem Training betrach-
tet werden.

Innovation. Entwicklungsschübe entstehen durch Innovationen, Verän-


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

derungen und Umstrukturierungen. Innovationen werden übernommen


und in Trainingsmethoden integriert. Der Fosbury-Flop (Hochsprung mit
dem Rücken zur Latte), anfangs belächelt, veränderte Ende der sechzi-
ger Jahre die Hochsprungtechnik, ermöglichte neue Höhen und ist heute
Bestandteil des Sportunterrichts in der Schule. Es zeigt sich hier, dass
das, was früher nur einzelnen oder wenigen Personen gelang, auf eine
spezifische Innovation zurückzuführen sein kann, die Eingang in allge-
meine Bildungsprogramme finden und die Leistung vieler Personen ver-
bessern kann.

Umgebungsbedingungen. Die individuelle Entwicklung von Hochleis-


tung hängt von investierten Ressourcen in Form von Trainingsmöglich-
keiten, Ausbildungsstandards, Wettbewerben usw. ab. Beim Tischten-
nissport kann man die flächendeckenden Ressourceninvestitionen des
Landes China in diese spezifische Domäne als ein Experiment für die
Auswirkungen solcher Investitionen in die Entwicklung von Hochleis-
tung betrachten. Das Ergebnis: China gewann zwischen 1975 und 2014
vierzehn der insgesamt neunzehn ausgetragenen Tischtennis-Weltmeis-
terschaften der Männer und sechzehn Weltmeisterschaften der Frauen.

Ausnahmeleistung Alle diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass es sich um außer-
wird „normal“
gewöhnliche Leistungen aufgrund von Lernen und Übung handeln
muss, die auf Errungenschaften früherer Leistungen, Innovationen
und Techniken aufbauen, welche erlernt und damit in das Verhaltens-
repertoire integriert werden konnten. Was einmal außergewöhnlich
erschien, kann durch Lernen und Übung in wenigen Jahrzehnten „nor-
mal“ werden. Dies weist darauf hin, dass etwas, was früher als außer-
gewöhnliche und kaum erklärliche Ausnahmeleistung betrachtet
wurde, später nicht mehr so außergewöhnlich erscheint und mögli-
cherweise von vielen Personen erlernt werden könnte.

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Lernen als Expertiseerwerb 135

5.2 Moderne Expertiseforschung:


­methodische Herausforderungen
Die moderne Expertiseforschung geht von der Annahme aus, dass
Hochleistung aus komplexen Fähigkeiten und physiologischen Anpas-
sungen erwächst, die prinzipiell durch Lernen erworben werden kön-
nen und die prinzipiell einer Analyse und Förderung zugänglich sind.
Den Leistungen liegen domänenspezifische Wissensstrukturen zu-
grunde, die durch Lernen und Übung gebildet werden.
Für die Gewinnung replizierbarer Erkenntnisse ist es erforderlich, die
Anpassungsleistung des kognitiven und physiologischen Apparats unter
kontrollierten Bedingungen zu studieren. Dies wirft allerdings eine
Reihe von methodischen Herausforderungen auf.
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5.2.1 Problem der Reproduzierbarkeit der


­Expertenleistung
Das erste Problem ist die Beschreibung der Expertenleistung. Dazu ist Bewertung der
­Expertenleistung
eine reproduzierbare Leistungsfeststellung unter objektiven Bedingun-
gen notwendig. Die Hochleistung muss wiederholt zuverlässig demons-
trierbar sein. In vielen Domänen ist dies in „natürlichen Umgebungen“
nicht möglich. In Kunst und Wissenschaft werden Leistungen indirekt
auf Basis von Produkten und deren Anerkennung durch die Disziplin
bzw. die Öffentlichkeit bewertet. In Domänen wie Wirtschaft oder
Recht dürfte es leichter sein, Personen zu finden, die als Experten gel-
ten, als Personen, die tatsächlich reproduzierbar und konsistent hohe
Leistungen erbringen. Die Aufgaben bzw. Problemstellungen, die diese
Experten in der realen Welt bearbeiten, können stark variieren. Es er-
weist sich also als nicht trivial, repräsentative Aufgaben zu finden, die
man Experten, Hochleistenden und ggf. auch Novizen vorlegen kann
und deren Lösungsgüte das Expertiseniveau zuverlässig und valide an-
zeigt.
Die Expertiseforschung greift deswegen auf Domänen zurück, in denen Repräsentative
­Aufgaben
das Expertiseniveau objektiv definierbar ist und in denen es möglich
ist, repräsentative Aufgaben zu stellen, deren Ausführung im Labor be-
obachtet werden kann. Diese Domänen waren bislang im Wesentli-
chen die sportlichen Disziplinen, das Schachspiel und das Spielen eines
Musikinstruments. Diese Domänen umfassen kognitive wie psycho-
motorische bzw. körperliche Anpassungsleistungen. Darüber hinaus
hat man weiter spezialisierte Leistungen wie z. B. Schnellschreiben auf
Schreibmaschinentastaturen oder außergewöhnliche Gedächtnisleis-

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136 Kapitel 5

tungen untersucht. Man untersucht allerdings parallel dazu auch Ex-


perten im Feld in verschiedenen beruflichen Domänen, wie z. B. der
Medizin oder in den Naturwissenschaften oder auch im Lehrberuf.
Sport • In den sportlichen Disziplinen existiert Wettbewerb, der auf objekti-
ven Messungen (z. B. beim Hochsprung) oder auf Überlegenheit ge-
genüber Gegnern in direkter Konfrontation (z. B. beim Tennis) be-
ruht. Die Teilnahmebedingungen bzw. die gestellten Aufgaben sind
für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich und sie sind für die
Domäne repräsentativ. Es existieren Ranglisten, für die Wettkampf­
ergebnisse zusammengeführt werden.
Schach • Für das Schachspiel existiert ein weltweit organisiertes Bewertungs-
system. Die Spielstärke wird dabei kumuliert über Turnierergeb-
nisse ermittelt und hängt u. a. von der Spielstärke der jeweiligen Geg-
nerinnen und Gegner ab, die geschlagen wurden oder denen man
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sich geschlagen geben musste. Dabei resultiert für jeden Spieler die
sogenannte ELO-Zahl. Amateure – Hobbyspieler bis sehr gute
­Vereinsspieler – haben ELO-Werte zwischen 1 200 und 1 999. Als
­Schachexperten werden Personen mit einem ELO-Wert von 2 000
bis 2 199 angesehen, als „Meister“ ab einem Wert von 2 200. Inter-
nationale Meister besitzen einen ELO-Wert von 2 400 bis 2 499;
Großmeister 2 500 bis 2 699. In einem konkreten Schachspiel hän-
gen die eigene Leistung und der Spielverlauf von den Aktionen und
Reaktionen des Gegners ab. Es existieren jedoch auch Schachprob-
leme, die man als Aufgabe einzelnen Personen vorlegen kann. Eine
im Labor beobachtbare repräsentative Aufgabe ist es, den nächsten
besten Zug für eine gegebene Spielstellung zu bestimmen (de Groot,
1946, 1978).
Musik • In der Musik greift man oft auf Bewertungen von Expertinnen und
Experten zurück (z. B. Professoren der Musikhochschulen, die ihre
Studierenden bewerten und Vorhersagen über ihren Karriereverlauf
machen). Eine im Labor beobachtbare repräsentative Aufgabe ist
die wiederholte Ausführung eines Stücks mit der Vorgabe, die Inter-
pretation immer so identisch wie möglich zu gestalten. Die Abwei-
chungen zwischen den Ausführungen (Geschwindigkeiten, Ge-
schwindigkeitsänderungen, Lautstärken etc.) können gemessen
werden – je geringer die Abweichungen, desto höher das Experti-
seniveau. Eine weitere repräsentative Aufgabe ist das Vom-Blatt-
Spielen unbekannter Stücke.

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Lernen als Expertiseerwerb 137

5.2.2 Problem der Selektion bzw. Selbst-Selektion


Der Erwerb von Expertise mit dem Ziel der Höchstleistung ist eine Randomisierung fehlt
Art natürliches Experiment, bei dem die Grenzen menschlicher Lern-
und Anpassungsfähigkeit erforscht werden. Allerdings wird dabei
eine wesentliche Voraussetzung von kontrollierten Experimenten
verletzt, nämlich die zufällige Zuordnung von Personen zu Trainings-
interventionen und Umgebungsbedingungen. Das Problem ist also
die Auswahl der Versuchspersonen. Personen mit Expertenstatus,
insbesondere die Höchstleistenden, haben eine jahrelange, inten-
sive, selbst- und fremdgesteuerte Lerngeschichte hinter sich, bevor
ihre außergewöhnliche Leistung erkannt wird. (Das gilt auch für früh-
leistende Kinder und „Savants“; vgl. Abschnitt 5.5.3.) Die Analyse des
Lernverlaufs und der förderlichen Bedingungen erfolgt nachträglich
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gerade bei jenen Personen, bei denen gute Voraussetzungen (z. B. In-
teresse, Motivation, förderliche Lernumgebung) offenkundig bereits
gegeben waren und die sich selbst der experimentellen Lernbedin-
gung zugeteilt haben. Es ist unglücklicherweise nur selten möglich,
eine zufällig ausgewählte Person davon zu überzeugen, sich einem
intensiven und sehr spezialisierten Lernprogramm zu unterwerfen,
um etwa demonstrieren zu können, dass besondere Fähigkeiten (z. B.
verblüffende Leistungen des Kurzzeitgedächtnisses) prinzipiell von
jedem durch Lernen erworben werden können. Es ist deswegen nicht
auszuschließen, dass die höchstleistenden Personen, die man vor-
findet, eine spezielle Gruppe mit gewissen Besonderheiten darstel-
len.

5.2.3 Problem des impliziten Wissens


Das dritte Problem ist der implizite Charakter des Expertenwissens. Automatisierung führt
Der Wissenserwerb ist ein intensiver, kumulativer Lernprozess, in des- zu implizitem Wissen

sen Verlauf hochorganisierte deklarative Wissensstrukturen (Sche-


mata) und prozedurale Regeln erworben werden. Ein kumulativer Wis-
sensaufbau bringt die Automatisierung von Teilfertigkeiten mit sich,
wodurch diese Teilfertigkeiten ohne Aufmerksamkeitszuwendung aus-
geübt werden können (vgl. Kap. 4).
Die Automatisierung erschwert nun aber den bewussten Zugriff des
Experten auf die Art und Weise, wie eine Aufgabe gelöst wird. Die Ex-
pertin „sieht“ förmlich die Lösung, ohne die Problemlöseschritte im
Einzelnen bewusst durchzuführen. Aus diesem Grund können Exper-
ten selbst oft nicht angeben, wie ihre Vorgehensweise bei einer Pro­
blemstellung eigentlich ist oder welche Wissenskomponenten sie dabei

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138 Kapitel 5

verwenden. Die Expertiseforschung versucht dieser Herausforderung


mit einer Reihe von Untersuchungsmöglichkeiten zu begegnen:
Wissenselemente • Eine explorative und hypothesenbildende Untersuchungsstrategie,
die gezielten Experimenten oft vorangeht, ist eine Aufgabenanalyse
und die Beobachtung und Befragung der Experten. Bei der Aufga-
benanalyse versucht man die Komponenten des deklarativen und
prozeduralen Wissens zu beschreiben, die zur Lösung der Aufgabe
offenkundig notwendig sind. Bei der Beobachtung der Experten wird
oft die Methode des „Lauten Denkens“ (Ericsson & Simon, 1993;
vgl. Kap. 2) verwendet. Während die Experten eine Aufgabe lösen,
sollen sie laut aussprechen, was gerade im Moment im Fokus ihrer
Aufmerksamkeit steht. Experten werden nicht aufgefordert, Denk-
oder Lösungsschritte zu erläutern, damit die Methode nicht reaktiv
wirkt (die Bearbeitung der Aufgabe nicht beeinflusst).
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Novize vs. Experte • Eine oft genutzte Möglichkeit ist der Vergleich zwischen Experten und
Novizen („Neulingen“). Dabei können die Leistungen von Experten
erkannt und analysiert werden. Dieser Vergleich erfordert, dass re-
präsentative Aufgaben existieren, die prinzipiell auch von den No-
vizen angegangen werden können. Beispielsweise können Schach-
novizen wie Schachexperten versuchen, sich die Platzierung von
Schachfiguren auf einem Spielbrett zu merken. Musikerinnen und
Musiker unterschiedlichen Expertiseniveaus können versuchen, ein
unbekanntes Stück vom Blatt zu spielen.
Rückschluss auf • Man kann die gestellte Aufgabe gezielt verändern, um herauszufin-
­kognitive Schemata
den, welche kognitiven Verarbeitungsmuster und Schemata von den
Experten genutzt werden. Bei der Schach-Erinnerungsaufgabe (vgl.
Abschnitt 5.3.2) kann man die Figuren so aufstellen, dass eine aus
einem möglichen Spielverlauf folgende „sinnvolle“ Stellung ent-
steht, man kann die Figuren jedoch auch zufällig aufstellen. Für die
Schachexperten macht dies einen Unterschied (de Groot, 1978;
Chase & Simon, 1973b). Bei Aufgaben, bei denen Musiker Stücke
vom Blatt spielen sollen, kann man die Musikstile variieren und Feh-
ler einbauen, um festzustellen, ob schematische Strukturen im Ge-
dächtnis der Experten (z. B. Funktionsharmonik der tonalen Musik)
die Leistung determinieren (für eine Zusammenfassung siehe Leh-
mann & Kopiez, 2009).

5.3 Charakterisierung der Expertise


Expertise ist durch bisweilen verblüffende Leistung gekennzeichnet.
Gedächtniskünstler sagen 100 Ziffern wieder auf, die ihnen einmal an-

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Lernen als Expertiseerwerb 139

gesagt wurden, Kopfrechner multiplizieren achtstellige Zahlen, Meis-


ter des simultanen Blindschach (alle Züge werden nur sprachlich an-
gesagt) spielen über 20 Partien gleichzeitig, ohne die Schachbretter
sehen zu können.
Im Zentrum solcher Leistungen stehen hochorganisierte, zuverlässig Spezialisierte mentale
und schnell zugängliche mentale Repräsentationen im Langzeitge- Strukturen

dächtnis. Diese Repräsentationen halten das spezialisierte Wissen be-


reit, das für die Verarbeitung von Informationen bei der Lösung von
typischen Problemen notwendig ist. Dabei wird jedoch nicht nur Wis-
sen gezielt gesucht und abgerufen. Die vielfältigen aktuellen Informa-
tionen des gerade vorliegenden Problems werden integriert verarbei-
tet. Das Wissen muss also flexibel nutzbar in Form von kognitiven
Schemata vorliegen. Die spezialisierten mentalen Repräsentationen
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führen zu zwei beobachtbaren Phänomenen: Experten gehen anders


vor als Novizen, wenn sie ein Problem lösen, und Experten können –
in ihrer Domäne – kurzzeitig eine Vielzahl von aktuellen Informatio-
nen aufnehmen, verarbeiten und zugänglich erhalten, weit mehr, als
dies Novizen möglich ist.
Darüber hinaus sind auch psychomotorische Leistungen (z. B. schnel- Psychomotorik
les Abschreiben von Texten mit Schreibmaschinentastaturen, Tennis-
spielen, Vom-Blatt-Spielen) auf schnell und zuverlässig funktionierende
mentale Repräsentationen zurückzuführen. Die psychomotorischen
Leistungen entstehen aus einem Zusammenspiel von mentalen Reprä-
sentationen, welche die Antizipation von kommenden Ereignissen er-
lauben, und der Überlappung mehrerer Tätigkeiten durch Automatisie-
rung.

5.3.1 Lösungsstrategien von Experten


Der Vergleich von Experten und weniger erfahrenen Personen bzw.
Novizen beim Lösen von domänenspezifischen Problemen erbringt
die Beobachtung, dass Experten quantitativ und qualitativ anders vor-
gehen:
• Beim Schachspiel unterscheiden sich Experten (ELO-Zahl um 2 000)
von guten Spielern (ELO-Zahl um 1 600) in der Breite (mehr Alter-
nativen) und Tiefe (mehr Züge in einer Alternative) des Problem-
suchraums, der für die Ermittlung des nächsten besten Zuges er-
stellt wird (Charness, 1981).
• Beim Lösen von Problemstellungen in der Physik denken Novizen „Vorwärts“ denken
„rückwärts“: Sie gehen von der erfragten Variable aus und rekonst-
ruieren dafür die Formeln zur Berechnung, um dann die bekannten

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140 Kapitel 5

Werte aus der Problemstellung in die Formel einzusetzen. Experten


erstellen schon während der Beschreibung des Problems eine in-
terne Repräsentation der Problemsituation und aktualisieren sie mit
den angegebenen Werten. Wenn sie auf die Frage nach der unbe-
kannten Variable stoßen, haben sie die Antwort bereits ermittelt; sie
denken „vorwärts“ (Larkin, McDermott, Simon & Simon, 1980).
• Ähnlich verhält es sich bei Experten und Novizen in der medizini-
schen Diagnostik. Experten integrieren die Informationen, die sie von
und über Patienten erhalten, während diese berichtet werden, in ein
Modell und kommen so „vorwärts“ zur Lösung. Novizen denken von
der Symptombeschreibung „rückwärts“ und konstruieren plausible
Arbeitshypothesen, um dann Belege oder Gegenbelege zu suchen
(Patel & Groen, 1991).
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5.3.2 Mentale Repräsentation


Chase und Simon (1973a, 1973b) prüften die kurzfristige Erinnerung
an kurzzeitig präsentierte Figurenkonstellationen auf einem Schach-
brett. Schachexperten konnten sinnvolle (d. h. aus Schachspielen ent-
nommene, in Bezug auf das Schachspiel bedeutsame) Stellungen gut
erinnern und waren darin den Novizen überlegen. Die Erinnerungs-
leistung konnte nicht mit generelleren Gedächtnisfähigkeiten – z. B. ei-
detisches bzw. „fotografisches“ Gedächtnis o. Ä. – und auch nicht mit
allgemeiner Vertrautheit mit dem Spielbrett und den Figuren erklärt
werden, denn zufällige Figurenkonstellationen konnten nicht so gut
erinnert werden.
Mustererkennung Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass Experten in der Lage sind,
aufgrund der hochorganisierten mentalen Repräsentationen die aktu-
ellen Informationen in der Außenwelt schnell und zuverlässig auf ihnen
bekannte (hier: im Schachspiel sinnvolle) Muster abzusuchen und mit
den mentalen Repräsentationen abzugleichen. Dabei werden die ak-
tuellen Informationen aufgenommen, bearbeitet und zugänglich ge-
halten. Von außen betrachtet hat es den Anschein, als besäßen Exper-
ten für diese Informationen ein Arbeitsgedächtnis mit etwa zehnfacher
Kapazität eines „normalen“ (nicht spezialisierten) Arbeitsgedächtnis-
ses (vgl. auch Kap. 4). Die Expertiseforschung nimmt heute an, dass
diese erhöhte Kapazität eine Leistung der domänenspezifischen men-
talen Strukturen im Langzeitgedächtnis ist („Long-Term Working Me-
mory“; Ericsson & Kintsch, 1995; siehe Kasten). Diese Strukturen ent-
stehen Hand in Hand mit der Expertiseentwicklung.

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Lernen als Expertiseerwerb 141

Arbeitsgedächtnis in
­Langzeitgedächtnisstrukturen
Das Arbeitsgedächtnis kann man als ein Bündel kognitiver Funktionen
betrachten, welche Teilinformationen mentaler Repräsentationen in
einem aktivierten Zustand halten, sodass diese im aktuellen Informa-
tionsverarbeitungsprozess verwendet werden können (vgl. auch Kap. 4).
Working memory refers “to the temporary storage of information that is being
processed in any range of cognitive tasks” (Baddeley, 1986, S. 34), that is, to
information maintained in readily accessible storage for only a short period
without rehearsal or reactivation. (Ericsson & Kintsch, 1995, S. 211)

Bei der Beschäftigung mit dem Arbeitsgedächtnis kann man gewöhn-


lich folgende Beobachtungen machen:
• Das Arbeitsgedächtnis ist stark kapazitätsbegrenzt. Die Anzahl der
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tatsächlich für Verarbeitungsprozesse nutzbaren unterschiedlichen


Elemente wird auf 3 bis 4 geschätzt (Cowan, 2016).
• Speicherung in und Abruf aus dem Arbeitsgedächtnis geschehen
schnell und zuverlässig.
• Aktivation der Elemente im Arbeitsgedächtnis zerfällt schnell und ist
anfällig für Interferenz.
• Arbeitsgedächtnisinhalte werden durch Störaufgaben bzw. nachfol-
gende Informationen überschrieben.
Solche Beobachtungen werden durch Laborexperimente gewonnen, bei
denen man das Vorwissen durch Verwendung unbekannten oder sinn-
freien Materials möglichst ausschaltet. Man untersucht also „reine“ Ar-
beitsgedächtnisfunktionen möglichst ohne Einfluss von Wissen, das im
Langzeitgedächtnis gespeichert ist.
Bei Expertinnen und Experten nun findet man kurzfristige Gedächtnis-
leistungen, die mit den oben angeführten Eigenschaften des Arbeitsge-
dächtnisses überhaupt nicht mehr vereinbar sind, obwohl es auch hier
um kurzfristige Nutzung der Informationen geht:
• Die Kapazitätsbegrenzung ist offensichtlich aufgehoben. Die kurz-
fristige Erinnerungsleistung von Experten für Material, für das sie
Vorwissen besitzen, ist erstaunlich und kann die Leistung von Novi-
zen um den Faktor 10 übertreffen.
• Die Erinnerungsleistung kann auch nach Störung (Überschreiben)
oder unerwarteter Abfrage nach Abschluss eines Tests abgerufen
werden (Charness, 1976).
• Speicherung und Abruf ist schnell und zuverlässig.
• Die Leistung ist offensichtlich durch lange Beschäftigung in einer Do-
mäne erworben. Denn diese Leistung gilt nur für die spezifische Do-
mäne, in der die Experten reichhaltige Erfahrung und Vorwissen be-
sitzen, d. h. es wird nur ein spezifisches Material so gut erinnert.
• Man kann auch Novizen für diese Erinnerungsleistungen gezielt trai-
nieren.

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142 Kapitel 5

The limited demands on working memory for many unfamiliar tasks used
in laboratory studies are mostly consistent with the traditional models that
assume a working memory of limited capacity. However, these models do
not appear to offer plausible accounts of the increased demand for availa-
ble information requried by skilled processing in more complex tasks. (Erics-
son & Kintsch, 1995, S. 213)

Langzeitgedächtnis- Die „Lösung“ für dieses Phänomen ist in Langzeitgedächtnisstruktu-


strukturen mit
Arbeitsgedächtnis­
ren zu suchen, welche genauso zuverlässig und effizient funktionieren
eigenschaften wie das Arbeitsgedächtnis. Diese Langzeitgedächtnisfunktionen wur-
den mit dem Expertiseerwerb aufgebaut und funktionieren nur für das
dabei vertraute Material („Long-Term Working Memory“; Ericsson &
Kintsch, 1995).
Gedächtniskünstler (auch Kopfrechner und Kalenderrechner) bauen
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umfangreiche Repräsentationen im Langzeitgedächtnis auf. Oft wer-


den unveränderliche Informationen gespeichert, wie z. B. Kalenderin-
formationen, Multiplikationstabellen oder die Zahl Pi. Es ist auch mög-
lich, eine große Anzahl aktueller und unrelatierter Informationen (z. B.
eine lange Reihe einmal angesagter Ziffern) kurzfristig zu speichern.
In jedem Fall verfügt das Langzeitgedächtnis über eine besondere Ab-
rufstruktur, welche auf das Material spezialisiert ist. Diese ist eine oft-
mals hierarchische Ordnung der Informationen, die mit intensivem
Üben aufgebaut wird. Damit ist es möglich, Einzelinformationen ziel-
gerichtet abzurufen, wenn ein geeigneter Abrufhinweis gegeben wird.
Außerdem wird verhindert, dass sich die einander ähnlichen Informa-
tionen gegenseitig stören.
Trainingsstudie für Eine Trainingsstudie zeigt, wie das funktionieren kann. Der Proband
die Gedächtnisspanne SF trainierte das kurzfristige Behalten von einmal angesagten Ziffern-
folgen (Chase & Ericsson, 1981, 1982; Ericsson, 1988; Staszewski,
1988). Da er zufällig Langstreckenläufer war, kam er auf die Idee, je-
weils drei Zahlen semantisch zu kodieren und mit einer Bedeutung zu
versehen, indem er sie als Langstreckenzeit interpretierte (z. B. ­„4-1-3“
– gute Zeit für eine Meile; „9-2-7“ – gute Zeit für zwei Meilen). Auf die-
ser Ebene gruppierte er die Ziffern in Dreierpaketen. Mit zunehmen-
dem Training baute er eine hierarchische, blockartige Struktur auf, in
welcher er mehrere Pakete in Gruppen zusammenfasste, auf höherer
Ebene dann Gruppen wiederum zusammenfasste usw. Proband SF hielt
das Training ein Jahr durch und erreichte dabei eine Spanne (serielle
Speicherkapazität) von 82 Ziffern, die er kurzfristig zugänglich halten
und wiedergeben konnte.
Diese Erinnerungsleistung ist ein Nebeneffekt der beim Expertiseer-
werb entstandenen mentalen Repräsentationen für das Lösen von do-
mänenspezifischen Problemen wie beispielsweise beim Schachspiel.

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Lernen als Expertiseerwerb 143

The acquisition of memory skill in a domain is integrated with the acquisi-


tion of skill in organizing acquired knowledge and refining of procedures
and strategies, and it allows experts to circumvent limits on working me-
mory. (Ericsson & Charness, 1994, S. 736)

Die Bildung von Abrufstrukturen im Langzeitgedächtnis ist ein an die Gedächtnistechniken:


Gegebenheiten der Domänen angepasster, z. T. idiosynkratischer Lern- Elaboration und
­Abrufstruktur
prozess, der jedoch auf prinzipiell bekannten Gedächtnistechniken ba-
siert. Diese Techniken sind insbesondere das semantisch bedeutungs-
volle Enkodieren von an sich sinnfreiem bzw. unzusammenhängenden
Material (Elaboration) und der Aufbau einer Art räumlichen Struktur,
mithilfe derer Informationen anhand ihrer Position abgerufen werden
können.
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5.3.3 Perzeptuell-psychomotorische Fähigkeiten


In vielen Domänen (Musik, Sport) kommt es auf die schnelle motori-
sche Ausführung kompliziertester Bewegungsabfolgen an und zwar
nicht in einer fixierten Folge, sondern reaktiv als Antwort auf eine je-
weils neue wahrgenommene Reizsituation (z. B. beim Tennis oder beim
Schnellschreiben, in der Musik beim Vom-Blatt-Spielen). Die schnelle
motorische Reaktion von Höchstleistenden basiert auf Antizipation
und Vorbereitung auf zukünftige Ereignisse.
• Noch bevor der gegnerische Spieler den Ball tatsächlich berührt und
schlägt, erkennen Tennisspieler an dessen Bewegungsmuster, wie der
gegnerische Spieler den Ball spielen wird und bereiten die entspre-
chende Reaktion vor (Abernethy, 1991).
• Schnelltipper fassen größere Einheiten zusammen und koordinieren Antizipation
die beiden Hände effizient. Der größte Geschwindigkeitsvorteil be-
steht für Einheiten, bei denen die Finger beider Hände aufeinan-
derfolgende Tastendrücke ausführen, mit extensiver Übung über-
lappen die Aktionen fast vollständig. Schnellschreiber lesen vor
allem weit „vor“, d. h. sie schreiben ein bestimmtes Teilstück, wäh-
rend sie bereits ein weiter vorn liegendes Teilstück lesen und kön-
nen so den Motorplan für die kommenden Einheiten vorbereiten. Überlappung
Wenn man die Schnellschreiber daran hindert, kommende Teilstü-
cke zu antizipieren, dann wird ihr Geschwindigkeitsvorteil elimi-
niert (Salthouse, 1991).
• Geübte Vom-Blatt-Spieler in der Musik lesen „vor“ dem Teilstück,
das sie gerade spielen. Sie erkennen dabei im Langzeitgedächtnis
gespeicherte Schemata und Muster, beispielsweise Akkorde und Ak-
kordfolgen der tonalen Musik. Die Tonfolge D-Fis-A-C beispiels-
weise entspricht dem D-Dominantseptakkord (D7) und stellt für ent-

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144 Kapitel 5

sprechend geübte Musikerinnen und Musiker einen chunk (vgl.


Abschnitt 4.6.1) dar, der als Einheit verfügbar und mit einem
Klangeindruck sowie mit einem motorischen Ausführungsmuster
verbunden ist. Je nach Musikstil wird auch antizipiert und vorberei-
tet, welche Töne und Akkorde im Umfeld dieses Akkordes „erlaubt“
bzw. wahrscheinlich sind. So ist es durchaus wahrscheinlich, dass
der nächste Akkord ein G-Dur-Akkord ist, nicht aber ein
­C -moll-Akkord. Gleiches gilt für Melodieführung und rhythmische
Top-down-processing Muster. Das schemabasierte Top-down-processing der geübten Vom-
Blatt-Spieler kann man auch daran erkennen, dass in die Notation
Unbewusstes eingebaute „falsche“ oder fehlende Töne unbewusst korrigiert wer-
­Korrigieren unpassender
den (Sloboda, 1976; für eine Zusammenfassung siehe Lehmann &
Information
Kopiez, 2009).
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5.4 Erwerb von Expertise


Kognitive und körperliche Anpassungsleistungen sind beim Experti-
seerwerb sehr spezialisiert und auf einen relativ eng umgrenzten, de-
finierbaren Bereich der Domäne beschränkt. Entsprechend speziali-
siert sind Lernanforderungen und Lernwege. Trotzdem lassen sich
über Domänen hinweg einige Beobachtungen zum Expertiseerwerb
generalisieren. Diese betreffen die Quantität und Qualität des Übens
und die typischen Bedingungen und Phasen für die Entwicklung von
Hochleistung.

5.4.1 Investierte Zeit für Übung


Die Komplexität der Anforderungen in einer Domäne führt dazu, dass
eine sehr lange Zeit intensiver Beschäftigung und Übung aufgewendet
werden muss, bis Hochleistung erreicht wird. Als eine Daumenregel
10-Jahres-Regel hat sich die „10-Jahres-Regel“ etabliert. Diese gilt über Domänen hin-
weg, auch für die erfolgreichsten Personen. Nur sehr wenige Personen
erreichen Höchstleistung in kürzerer Zeit. In diesen Jahren wird die
domänenspezifische Übung und Vorbereitung in Vollzeit betrieben;
dies entspricht tausenden Stunden Übung. Der erreichte Expertise-
grad ist danach eine Funktion der investierten (akkumulierten) Übe-
zeit, und zwar auch und gerade innerhalb der Gruppe der Hochleisten-
den.
Eine inzwischen klassische Untersuchung an Musikstudierenden der
Musikhochschule Berlin veranschaulicht dies (Ericsson, Krampe &

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Lernen als Expertiseerwerb 145

Tesch-Römer, 1993). Studierende des Instruments Violine, die Kon-


zertfach studierten (Vorbereitung auf eine Bühnen- bzw. Orchester-
karriere) wurden mit Studierenden des gleichen Instruments vergli-
chen, die Instrumentalpädagogik studierten (Vorbereitung auf eine
Lehrtätigkeit an Musikschulen und Konservatorien). Innerhalb der
Gruppe der Konzertfachstudierenden wurde zwischen „guten“ und
„besten“ Studierenden unterschieden. Diese Unterscheidung wurde
aufgrund von Bewertungen der Professorinnen und Professoren der
Studierenden getroffen. Den „besten“ Studierenden trauten die Pro-
fessoren eine künftige Bühnenkarriere zu. Außerdem wurden zum Ver-
gleich professionelle Instrumentalisten herangezogen, die ihr Studium
abgeschlossen hatten und im Konzertfach (auf der Bühne) erfolgreich
waren. Aus biografischen Befragungen rekonstruierten die Autoren der
Studie die summierten Übezeiten aller Studienteilnehmer über die Le-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

bensspanne vom Beginn der Beschäftigung mit dem Instrument an


und erhoben mittels Tagebuchaufzeichnungen auch die gegenwärti-
gen Übegewohnheiten.
Interessant ist die bis zum Alter von 18 Jahren – also etwa bis zum Ein- Expertiseniveau und
­akkumulierte Übezeit
tritt in ein Musikhochschulstudium – akkumulierte Übezeit (vgl.
Abb. 15): Die Studierenden der Instrumentalpädagogik hatten in die-
sem Alter eine Übezeit von insgesamt etwa 3 400 Stunden investiert,
die „guten“ Studierenden des Konzertfachs bereits 5 300 Stunden. Die
Studierenden allerdings, die von ihren Professoren später als die „bes-
ten“ nominiert worden waren, hatten im Alter von 18 Jahren bereits

11000

10000
Akkumulierte Übezeiten (in Stunden)

9000

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0
4 6 8 10 12 14 16 18 20
Alter der Violinisten (in Jahren)

Studierende der Instrumentalpädagogik gute Studierende Konzertfach


professionelle Konzertmusiker beste Studierende Konzertfach

Abbildung 15: Akkumulierte Übezeiten im Altersbereich von 5 bis 20 Jahren von drei
Studierendengruppen mit dem Hauptfach Violine sowie professio-
nell tätigen Konzertmusikern (nach Ericsson et al., 1993, S. 379)

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146 Kapitel 5

7 400 Stunden Übezeit akkumuliert. Dies entsprach auch der Übezeit


der Vergleichsgruppe der professionell tätigen Musikerinnen und Mu-
siker, als diese 18 Jahre alt waren. Die Unterschiede setzten sich im Stu-
dienverlauf fort. Im Alter von 20 Jahren summierten sich die Übezei-
ten auf etwa 10 500 Stunden bei den „besten“ Studierenden (gleichauf
mit den professionell tätigen Instrumentalisten, als diese 20 Jahre alt
waren), etwa 8 000 Stunden bei den „guten“ Studierenden und etwa
4 800 Übestunden bei den Instrumentalpädagogen. Diese Unter-
schiede korrespondieren mit Übezeiten in Kindheit und Jugend. Ab
einem Alter von 9 Jahren unterscheiden sich die Übezeiten bereits zwi-
schen den Gruppen. Im Alter von 14 Jahren haben die später „besten“
Studierenden bereits über 1 000 Stunden mehr geübt als die später
„guten“ Studierenden.
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Rekonstruktionen aus Tagebuchaufzeichnungen legen den Schluss


nahe, dass die „besten“ Studierenden die Gestaltung des täglichen Le-
bens am Üben ausrichten. Gezieltes Üben ist kognitiv sehr anstren-
gend und täglich nur für eine begrenzte Zeit von vier bis fünf Stunden
möglich. Die „besten“ Studierenden üben zu Zeiten, in denen sie sich
am besten konzentrieren können und sorgen für ausreichend Pausen
und Schlaf (Ericsson et al., 1993).
Früher Beginn des Hochleistende Personen haben gegenüber weniger hochleistenden
­gezielten Übens
zwei bis fünf Jahre früher mit gezieltem Üben begonnen (für einen
Überblick siehe Ericsson et al., 1993). Es ist evident, dass Hochleistung
umso wahrscheinlicher ist, je früher in Kindheit und Jugend mit einer
ernsthaften Auseinandersetzung in Form gezielten Übens begonnen
wurde und je besser die Umgebungsbedingungen und Trainingsgele-
genheiten bereits in frühen Phasen waren, um das gezielte Üben zu
unterstützen. Die erste Phase besteht aus kindlichen Spielformen, in
der das Kind Interesse an dieser Domäne zeigt. Der zweiten Phase liegt
bereits gezielte Übung zugrunde, hier sorgen Eltern dafür, dass Res-
sourcen in Form von Sportgeräten, Instrumenten, Trainingsgelegen-
heiten und Lehrerinnen und Lehrern bereitgestellt werden. Die Eltern
achten darauf, dass das Kind regelmäßige Trainings- oder Übegewohn-
Fördernde Umgebung heiten entwickelt. Oft korrespondieren die ersten beiden Phasen mit
entsprechenden Professionen und Interessen der Eltern (z. B. in „Mu-
sikerfamilien“). In der dritten Phase fällt die Entscheidung eines Voll-
zeitengagements in der Domäne. In dieser Phase haben praktisch alle
Personen, die ein internationales Niveau erreichten, mit Meistern ge-
arbeitet, die entweder selbst dieses Niveau erreicht hatten oder bereits
Individuelle Betreuung andere Personen bis zu diesem Niveau ausgebildet haben. Diese dritte
Phase führt entweder zu der Möglichkeit, mit der Expertise seinen Le-
bensunterhalt bestreiten zu können, oder das Vollzeitengagement wird

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Lernen als Expertiseerwerb 147

beendet. Eine vierte Phase schließt sich eventuell für Personen an, die
über den internationalen Experten-„Standard“ hinaus Dinge erreichen,
die auch ihren Meistern nicht möglich waren und die etwas Neues in
ihrer Domäne entwickeln (neue Techniken und Interpretationen, In-
novationen, einzigartige Weiterentwicklung der Domäne).

5.4.2 Qualität der Übung


Eine auf gemeinsamen Standards basierende Ausbildung mit etablier-
ten Übemethoden ist eine relativ neue Entwicklung in vielen Domä-
nen. Beispielsweise veröffentlichte Leopold Mozart, der Vater von
Wolfgang Amadeus Mozart, im Jahr 1756 eine der ersten systemati-
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schen Violinschulen in geschriebener Form, die erste in deutscher Spra-


che („Versuch einer gründlichen Violinschule“, 1. Auflage, erschienen
in Augsburg). Ausbildung und Übung in der Musik waren bis zu die- Dokumentierte
sem Zeitpunkt weitgehend informell und basierten auf Imitation sowie ­Übemethoden

Anleitung durch einen erwachsenen Spieler, meistens ein Elternteil.


Mit zunehmender Komplexität, Spezialisierung und Etablierung höhe-
rer Standards wurden auch Trainingsmethoden entwickelt und das
Wissen niedergeschrieben. Typischerweise erhält ein Lernender, der
Experte werden soll, individualisiertes Training mit ausgearbeiteten
Übungseinheiten und sehr regelmäßige Rückmeldung und Überwa-
chung durch einen Coach, Trainer oder Lehrer.
Im Zentrum des Expertiseerwerbs steht fokussiertes, konzentriertes Gezieltes Üben
Üben (deliberate practice; Ericsson & Charness, 1994). Dieses Üben ­(deliberate practice)

hat eine besondere Qualität. Es ist eine kognitiv anstrengende Tätig-


keit mit dem Ziel, bestimmte Aspekte der Tätigkeit bewusst und ge-
zielt zu verbessern. Die Verbesserung erfolgt vor allem durch Prob-
lemlösen und Reflexion angesichts neuer Herausforderungen, nicht
durch routinemäßiges Ausführen mit dem Ziel der Automatisierung.
Neuen Herausforderungen wird durch Probieren und Üben neuer,
noch unbekannter Lösungs- und Ausführungsmöglichkeiten begeg-
net. Diese Herausforderungen bestehen in der Musik etwa aus neuen,
stilistisch und technisch herausfordernden Stücken oder im Schach-
spiel aus Schachproblemen und dokumentierten Meisterpartien.
Dabei sind Auswahl der Herausforderungen, Hilfestellungen, Analy-
sen und Rückmeldungen durch erfahrenere Personen wichtig. Jedoch
muss die l­ ernende Person die entsprechende Lösung für das Problem
für sich adaptieren und in das eigene Repertoire bzw. in die mentalen
Repräsentationen integrieren. Höchstleistende Personen finden darü-

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148 Kapitel 5

ber hinaus „eigene“, gänzlich neue Lösungen für neue Herausforde-


rungen.
Reflexion, Analyse Am Beispiel des Schachspiels lässt sich gezieltes Üben gut demonstrie-
ren. Schachexperten verwenden ihre Übungszeit hauptsächlich darauf,
aufgezeichnete Partien von Schachmeistern zu reproduzieren, zu ana-
lysieren und zu vergleichen. Die effektive Komponente hierbei ist der
Versuch, den Zug eines Schachmeisters vorherzusagen, ohne die Auf-
zeichnung zu konsultieren. Bei falscher Vorhersage wird versucht zu
analysieren, warum der Schachmeister anders entschieden hat und wel-
che Konsequenzen die jeweiligen Alternativen hätten haben können.
Das gezielte Üben unterscheidet sich sowohl vom „Spielen“ (etwa im
Spiel von Amateuren, die Golf oder Tennis spielen) als auch von der
eigentlichen Performanz (Konzertvortrag, Wettkampf) sowie auch von
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einer routinierten Ausführung (wenn typische, wiederkehrende Pro­


bleme bearbeitet werden, etwa im Kontext von täglicher Arbeit). Keine
dieser Tätigkeiten führt zu einer Verbesserung des Expertiseniveaus.
Problemlösen, Wissen Gezieltes Üben basiert vielmehr aus Problemlösetätigkeiten, Reflexion
neu konfigurieren und Metakognition, es führt zu einer ständigen Um- und Neukonfigu-
ration des Wissens. Aus diesem Grund lässt sich die erreichte Leistung
auch nicht mit generellen Zeitmessungen der Beschäftigung oder Aus-
führung einer Tätigkeit in der Domäne vorhersagen.
Gezieltes Üben wirkt routinierter Ausführung und Automatisierung
entgegen. Beim Erlernen einer Fertigkeit lassen sich drei prototypische
Phasen beobachten. In der ersten, „kognitiven“ Phase werden Fertig-
keitskomponenten mit Aufmerksamkeitszuwendung bewusst erlernt
und ausgeführt. In der zweiten, „assoziativen“ Phase findet eine Au-
tomatisierung und Prozeduralisierung des Wissens statt. Die dritte,
„autonome“ Phase ist durch eine routinierte Ausführung gekennzeich-
net, Lernen findet nicht mehr statt. Während ein „normaler“ Lernver-
lauf für eine spezialisierte Tätigkeit mit der „autonomen“ Phase endet,
entsteht Hochleistung dadurch, dass das gezielte Üben niemals aufge-
Automatisierung geben wird. Dabei arbeiten die Expertinnen und Experten gegen die
­vermeiden Automatisierung an und restrukturieren ihre Lösungswege. Innovati-
onen geschehen manchmal zufällig, jedoch muss auch der Wert einer
zufällig gefundenen neuen Lösung erkannt werden. Dies geschieht
letztlich durch bewusste Reflexion und gezielte Weiterarbeit an neu er-
kannten Möglichkeiten. Der „normale“ Lernverlauf wird also aufge-
brochen; Leistung und Lösungswege werden ständig beobachtet, hin-
terfragt und verändert.
Expert performers counteract automaticity by developing increasingly com-
plex mental representations … and will therefore remain within the “cogni-
tive” and “associative” phases. (Ericsson, 2006, S. 687)

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Lernen als Expertiseerwerb 149

„Normale“ Experten
Die Beobachtung und Analyse von Höchstleistung führt zu Erkenntnis-
sen über Lernverläufe und Funktionsweisen des kognitiven Apparats,
die auch für den domänenspezifischen Kompetenzerwerb „normaler“
Personen Gültigkeit haben. Akademische Professionen erfordern eine Lernwege in akademi-
jahrelange vertiefte und spezialisierte Einarbeitung und Lernerfahrung, schen Professionen als
Expertiseerwerb
bis ein Leistungsniveau erreicht ist, das es erlaubt, selbstständig typi-
sche Probleme der Domäne zu bearbeiten, zu beurteilen und zu lösen.
Eine solche Spezialisierung entspricht unserem Alltagsverständnis von
einer Person, die als Experte oder Expertin für ein bestimmtes Gebiet
gilt.
Professionelle Berufsstände wie Ärzte, Psychotherapeuten oder Rechts-
anwälte regeln Bildungswege für ihre Mitglieder, die schon von außen
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betrachtet Charakteristika des Expertisewerbs zeigen. Psychothera­


peutinnen und Psychotherapeuten weisen hunderte von Behandlungs-
stunden in einem bestimmten Behandlungsverfahren (z. B. Verhal­
tenstherapie oder Psychoanalyse) unter Supervision von erfahrenen
Therapeuten nach, die von Selbsterfahrung (bzw. einer Lehranalyse von
mehreren hundert Stunden), Seminaren, geprüften Fallberichten und
Praktika ergänzt werden, bevor sie selbstständig eine Praxis eröffnen
dürfen. Rechtsanwälte erwerben fachliche Spezialisierungen (z. B. Fach­
anwälte für Familienrecht) durch den Nachweis entsprechend bearbei-
teter Fälle, Fortbildungen und Prüfungen. Fachärzte spezialisieren sich
durch eine jahrelange praktische Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht
erfahrener Chefärzte in den entsprechenden Spezialabteilungen der Kli-
niken. Typisch ist ganz offensichtlich das kumulative, langandauernde
Lernen an vielen unterschiedlichen, realen Fallbeispielen, das Lernen
unter Anleitung von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und das Ler-
nen anhand von Rückmeldung und Reflexion.
Die Anleitung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen kann allerdings Interaktionen zwischen
von unterschiedlicher Qualität sein, da diese selbst Experten sind, die Experten und Novizen
verbessern
bei ihren Problemlösungen ggf. auf automatisierte Fertigkeitskompo-
nenten und implizites Wissen zurückgreifen und dies unter Umständen
nicht artikulieren. Es gibt daher Instruktionsmethoden, die helfen, die
Interaktion und Kommunikation zwischen Expertin und lernender No-
vizin zu strukturieren und bewusst zu lenken (z. B. die „kognitive Meis-
terlehre“ bzw. Cognitive Apprenticeship; vgl. Kap. 10)
Professionell tätige Personen haben im Berufsalltag mit wiederkehren-
den Situationen und Problemen zu tun. Nach einigen Jahren im Beruf
werden sie für diese Situationen routiniert ablaufende Lösungswege
entwickelt haben. Sie werden dabei diagnostisch „vorwärts“ denken und
die mit dem aktuellen Problem verbundenen Informationen in ein hoch-
organisiertes kognitives Schema einordnen (welches ihnen nicht mehr
bewusst ist). Aus Sicht der Expertiseentwicklung besteht hierbei die

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150 Kapitel 5

Gefahr unreflektierten Gefahr, dass diese Personen in eine „autonome“ Phase kommen und ihre
Ausführens (stehenge- Leistung daher nicht mehr weiter verbessern. Eine Verbesserung kommt
bliebene Entwicklung)
nicht automatisch mit zunehmender Ausführung oder Erfahrung, son-
dern sie kommt mit gezielter Übung in besonderen Lernsituationen, in
denen man der Verbesserung seine ganze Konzentration widmet. Pro-
fessionen, die sich entwickeln und auf eine Sicherung der Qualität ach-
ten, bieten institutionelle Strukturen für die Reflexion der eigenen Tä-
tigkeit, z. B. bei Ärzten und Psychotherapeuten in Form von Supervision
durch dafür besonders qualifizierte Expertinnen und Experten. Andere
Professionen schreiben regelmäßige Fortbildungen vor, beispielsweise
für Lehrkräfte in Schulen.

Zusammengefasst zeigen diese Lernwege Kennzeichen des Expertise-


erwerbs, insbesondere für akademische Professionen, in denen Exper-
ten mit Klienten arbeiten. Dies schließt die Notwendigkeit der Reflexion
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

und Verbesserung in besonderen Lernsituationen auch während der


späteren Ausübung der Tätigkeit ein.

5.5 Welche Rolle spielt Begabung?

5.5.1 Expertiseforschung und Intelligenzforschung:


unvereinbare Ansichten
Sichtbare Leistungsunterschiede in spezifischen Domänen (z. B. Musik,
Kunst, Fremdsprachenlernen, Mathematik, Schach, Tanz etc.) werden
im Alltag von Lehrkräften, Eltern und auch den Betroffenen selbst oft
Begabung, Talent auf eine Begabung bzw. ein Talent zurückgeführt. Obwohl der Begriff
unscharf ist, können wir vorläufig darunter eine Art biologisch angeleg-
tes Potenzial verstehen mit der Annahme, dass die Begabung eine be-
sondere Eignung, ein Potenzial bedeutet, das sich unter förderlichen Um-
gebungsbedingungen entfalten kann und Hochleistung begünstigt.
Begabung kann sich dabei auf allgemeine Intelligenz bzw. Hochbega-
bung, auf spezifischere Intelligenzfacetten wie räumliche oder nume-
rische Intelligenzfaktoren (vgl. Kap. 6) oder auch auf Vorstellungen von
domänenspezifischem Talent (z. B. musikalisches Talent, künstlerisches
Talent, Kreativität) beziehen. Allerdings stehen für solche domänen-
spezifischen Talentfacetten keine zuverlässigen und validen Messver-
fahren zur Verfügung, die spätere Hochleistung vorhersagen könnten.
Die moderne Expertiseforschung lehnt, wie oben angedeutet, die Er-
klärung von Hochleistung durch Talent ab. Sie bezeichnet sie als „My-

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Lernen als Expertiseerwerb 151

thos“. Die Extremposition der Expertiseforschung lautet sogar, dass Mythos Talent
zehn Jahre andauernde intensive Beschäftigung mit den Anforderun-
gen der Domäne (bzw. 10 000 Stunden gezielten Übens in der Quali-
tät wie oben beschrieben) zu kognitiven und körperlichen Anpassun-
gen führen, die Hochleistung ermöglichen. Diese sehr spezifischen
­Anpassungen reflektieren eine qualitativ veränderte Informationsver-
arbeitung. Diese basiert vor allem auf einer sehr umfangreichen, hoch-
organisierten und auf spezifische Problemlösungen ausgerichteten
Wissensbasis. Konsequenterweise spielen Intelligenzunterschiede
dann keine Rolle mehr:
Individual differences in more “basic” cognitive processes (e.g., intelligence,
memory capacity, and perceptual functioning) have not, to date, been pre-
dictive of attained level of skilled performance. (Ericsson & Ward, 2007,
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

S. 348)

Die Intelligenzforschung hat dies nicht unwidersprochen hingenom-


men:
Those who study individual differences in cognition are in general disag-
reement with the suggestion that abilities do not influence the development
of expertise ... not everyone can do everything to the same high level of pro-
ficiency. People are limited in their abilities. (Detterman, 2014, S. 1 – 2)

Es ist nicht überraschend, dass Intelligenzforscherinnen und -forscher


die Frage „Is ability necessary?“ (Detterman, 2014) mit einem klaren
„Ja“ beantworten. Die Intelligenzforschung geht davon aus, dass bei
einer vergleichbaren Dosis an Training und Übung Unterschiede zwi- Leistungsunterschiede:
schen Personen bestehen bleiben würden, die nicht durch Expertise- Fähigkeit? Oder Übe­
bedingungen?
erwerb erklärbar wären (Ackerman, 2014). Schätzungen in den Domä-
nen Schach und Musik ergaben, dass zwischen 30 % und 45 % (Schach)
bzw. zwischen 26 % und 40 % (Musik) der Leistungsvariabilität durch
Übung erklärbar waren (abhängig von der Reliabilität der Schätzung
der Übeintensität; Hambrick et al., 2014). Damit bliebe ein erheblicher
Teil der Leistungsvarianz übrig, der nicht durch Unterschiede in der
Übeintensität erklärt würde.
Gewöhnlich sind Trainings- und Übebedingungen der Hochleisten-
den nicht stark standardisiert und ihre Lernwege sehr individuali-
siert. Das macht es schwierig, jene Trainings- und Übebedingungen
zu identifizieren, die vergleichbar wären und mit der eine jede Per-
son binnen 10 000 Stunden „unweigerlich“ zu Hochleistung gelan-
gen würde. Die Intelligenzforschung hält die Erklärung von Übung
und Training für problematisch, weil sie praktisch nicht falsifizier-
bar ist, wenn die notwendigen und hinreichenden (Trainings-)Be-
dingungen für Hochleistung nicht genauer spezifiziert werden. Übt

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152 Kapitel 5

eine Person beispielsweise die oft genannten 10 000 Stunden und


hat noch immer keine Hochleistung erreicht, würde ein Expertise-
forscher dies umgehend auf mangelnde Qualität der Übung (z. B.
mangelnde Reflexion, ungeeignete Trainingsmethoden, fehlende
Rückmeldung, fehlende Restrukturierung kognitiver Schemata usw.)
zurückführen.
Wäre es möglich, solche optimalen und für jede Person geeigneten
Trainingsbedingungen zu benennen, könnte man folglich die in Intel-
ligenztests messbaren Unterschiede in jeder Domäne nivellieren. Zu-
mindest im allgemeinen Bildungsbereich (z. B. Schule, Hochschule)
scheint das gewöhnlich nicht zu gelingen. Intelligentere Personen pro-
fitieren genauso von Instruktion wie weniger intelligente, oftmals sogar
stärker, und die Leistungsunterschiede persistieren oder vergrößern
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

sich.
Selektierte Stichproben Das Studium von Hochleistung findet praktisch immer mit selektier-
ten Stichproben statt, welche bereits Hochleistung zeigen, was eine
Reihe methodischer Probleme aufwirft. Detterman (2014, S. 4) illust-
riert eines der Probleme an Basketballspielern der NBA (National Bas-
ketball Association in den USA). Zwischen der individuellen Körper-
größe und der Leistung (in einer Saison erzielte Punkte der einzelnen
Spieler) besteht eine Korrelation nahe Null, was zu der Schlussfolge-
rung verleiten könnte, dass (angeborene) Unterschiede in der Körper-
größe für den Erfolg im Basketballspiel keine Rolle spielen. Allerdings
ist auf einen Blick festzustellen, dass alle NBA-Spieler eine gegenüber
der durchschnittlichen Körpergröße in der Population stark erhöhte
Körpergröße aufweisen und dass dieser Umstand ganz offensichtlich
ein Selektionskriterium für die Domäne darstellt.

5.5.2 Varianz in Intelligenz und Varianz in der


­Spielstärke im Schach
Intelligenz bei Ähnlich könnte es sich mit kognitiven Domänen verhalten, in denen
­Schachspielerinnen
man feststellt, dass innerhalb der Gruppe der Experten Intelligenztest-
und -spielern
werte keine Zusammenhänge mit Leistung aufweisen. Die in der Ex-
pertiseforschung oft untersuchte Domäne des Schachspiels bietet sich
für eine genauere Betrachtung an, denn die Domäne stellt fraglos hohe
kognitive Anforderungen. Außerdem existiert ein valides und reliab-
les, individuelles Leistungsmaß (die ELO-Zahl jedes Spielers, welche
die Spielstärke reflektiert; vgl. Abschnitt 5.2.1). Zur Frage, wie hoch die
Intelligenz von Schachspielerinnen und -spielern im Verhältnis zur Nor-
malpopulation ist, und ob Intelligenzausprägungen die Schachleis-

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Lernen als Expertiseerwerb 153

tungsausprägungen vorhersagen können, existieren widersprüchliche


Befunde (für eine Zusammenfassung siehe Grabner, 2014).
Nicht untypisch ist das Befundmuster der folgenden Studie: Doll und
Mayr (1987) ließen eine Stichprobe aus 27 hochleistenden Schachex-
perten und -expertinnen (ELO-Spielstärken zwischen 2 200 und 2 425)
einen Intelligenztest gemäß dem Berliner Intelligenz-Strukturmodell
(vgl. Kap. 6) bearbeiten. Die Personen dieser Stichprobe zeigten im Erhöhte Intelligenz,
Vergleich zur Normalpopulation höhere Intelligenztestwerte in den aber keine
­Hochbegabung
operationalen Dimensionen Verarbeitungsgeschwindigkeit (IQ = 115.3)
und Verarbeitungskapazität (IQ = 114.2) sowie in der Inhaltsdimension
„Zahl“ (IQ = 116.4), die im Bereich einer Standardabweichung über
dem Mittelwerts-IQ liegen. In der figuralen Inhaltsdimension wurde
kein auffällig höherer Wert festgestellt (IQ = 104.5). Korrelationen zwi-
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schen Intelligenztestwerten und ELO-Zahlen wurden nicht gefunden


(ein analoger Befund zur o. g. Illustration mit Körpergröße und Basket-
ball). Unterschiede in Intelligenztestwerten dieser Personen standen
also mit Unterschieden in ihren ELO-Zahlen (Hochleistung) nicht in
Zusammenhang. Das Phänomen der Nullkorrelation ist hier nach Auf-
fassung der Intelligenzforschung methodisch erklärbar (Ackerman,
2014). Es beruht auf den kleinen (Experten-)Stichproben und der Va- Kleine Stichproben,
­Varianzeinschränkung
rianzeinschränkung der Intelligenz, da diese gewöhnlich bei den Ex-
pertinnen und Experten hoch und untereinander ähnlich ist. Ist ein
Merkmal in der Varianz einschränkt, sinkt die ermittelbare Korrela-
tion. Allerdings zeigten die gemessenen Mittelwerte der hochleisten-
den Schachspieler keine Hochbegabung an. Hochbegabung (IQ > 130)
scheint also kein Eingangs-Selektionskriterium für die Domäne des
Schachspiels zu sein. Hier funktioniert der Vergleich mit den Basket-
ballspielern nicht mehr so gut.
Grundsätzlich sind unter der Annahme, dass Intelligenz eine Rolle
spielt, drei Modelle denkbar (Grabner, 2014; siehe Kasten).

Drei Modelle zum Zusammenhang


von Intelligenz und Expertiseerwerb
1. Das erste Modell sieht einen Schwellenwert der Intelligenz vor. Die Notwendiger
Ausprägung der Intelligenz in einer bestimmten Höhe wäre also not- ­Schwellenwert
wendige Bedingung, um zu Hochleistung gelangen zu können („Is abi-
lity necessary?“; Detterman, 2014).
2. Das zweite Modell sieht im Einklang mit Trainingsforschung und Fer- Intelligenz wirksam
tigkeitserwerb vor, dass Intelligenz bzw. kognitive Grundfunktionen in frühen Phasen
wie die Arbeitsgedächtniskapazität vor allem in der ersten Phase des
Lernens entscheidend sind (d. h. im ersten, steileren Teil der Power
Law of Practice-Lernkurve; vgl. Kap. 12).

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154 Kapitel 5

Fähigkeit und Übung 3. Das dritte Modell nimmt an, dass Intelligenz und fokussiertes Üben
wirken additiv beständig additiv wirken. Dies impliziert, dass intelligentere Perso-
nen auch noch als Experten bzw. Hochleister Nutzen aus einer höhe-
ren Intelligenz ziehen können und dass Intelligenz und Übung wech-
selseitig kompensierbar sind (intelligentere Personen würden
weniger Übezeit benötigen und umgekehrt).

Diese Modelle schließen sich bei näherem Hinsehen wechselseitig nicht


aus.

Grabner, Stern und Neubauer (2007) untersuchten eine Stichprobe


von 90 erwachsenen Schachspielerinnen und -spielern im Alter von
15 bis 65 Jahren und mit ELO-Spielstärken zwischen 1 311 (überdurch-
schnittliche Amateure) und 2 387 (internationale „Meister“) bzw. im
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Durchschnitt 1 869 (sehr gute Vereinsspieler). Dies ist die bezüglich


der Stichprobengröße und der Varianz in beiden Merkmalen noch
immer umfangreichste Studie, die zu dieser Frage durchgeführt wurde.
Verbale, numerische und figurale Intelligenz sowie der zusammenge-
setzte Intelligenztestwert aus diesen drei Faktoren wurden mit dem
Intelligenz-Struktur-Test 2000 R (I-S-T 2000 R; Amthauer, Brocke,
Liepmann & Beauducel, 2001) ermittelt. Die Intelligenztestwerte der
90 schachspielenden Personen betrugen im Durchschnitt für verbale
Intelligenz IQ = 108.4, für numerische Intelligenz IQ = 116.4, für figu-
rale Intelligenz IQ = 106.1 und für den zusammengesetzten Intelligenz-
testwert IQ = 113.5. Signifikante Korrelationen im niedrigen mittleren
Zusammenhänge Bereich wurden zwischen ELO-Zahl und verbaler Intelligenz (r = .38)
­zwischen IQ und
sowie zwischen ELO-Zahl und zusammengesetztem Intelligenztest-
­ pielstärke im Schach
S
wert (r = .35) gefunden; eine etwas höhere Korrelation gab es zwischen
ELO-Zahl und numerischer Intelligenz (r = .46). Hingegen bestand
zwischen ELO-Zahl und figuraler Intelligenz kein Zusammenhang
(r = .02). Grabner et al. (2007) weisen darauf hin, dass die Personen
mit den höchsten ELO-Zahlen nicht gleichzeitig die Personen mit den
höchsten Intelligenztestwerten waren.
Ernsthafte bzw. hochleistende Schachspielerinnen und -spieler haben
also eine – gemessen am durchschnittlichen Intelligenztestwert
(IQ = 100) – höhere Intelligenz. Allerdings liegt diese im Bereich einer
Standardabweichung über dem Durchschnitt und stellt keine Hochbe-
gabung dar. Die Intelligenztestwerte reflektierten in der Studie von
Grabner et al. (2007) das Bildungsniveau der Stichprobe (72 % der
Stichprobe hatten eine höhere Schule besucht, 61 % verfügten über
eine Hochschulzugangsberechtigung, 24 % hatten ein Hochschulstu-
dium abgeschlossen). Die Ergebnisse zeigen, dass bei ausreichender
Stichprobengröße und Varianz des Kriteriums substanzielle Korrelati-

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Lernen als Expertiseerwerb 155

onen zwischen Intelligenz und Leistung bestehen. Grabner et al.


(2007) schlussfolgerten aus ihren Daten, dass die mögliche „Schwelle“
(notwendige Intelligenz) für eine hohe mittlere Spielstärke (ELO =
2 000) bemerkenswert niedrig sei (IQ zwischen 85 und 90) und aner- Niedriger
kannte Expertenleistung (ELO größer 2 200) mit Intelligenztestwer- ­IQ-Schwellenwert

ten zwischen 110 und 115 möglich sei.


Ist also eine erhöhte kognitive Grundfähigkeit (Intelligenz) notwendig
für die Entwicklung von Expertise und Hochleistung in einer kognitiv
anspruchsvollen Domäne wie Schach? Darauf gibt die Studie differen-
zierte Antworten. Unter korrelativem Aspekt betrachtet, zeigte die (nu-
merische) Intelligenz einen substanziellen Zusammenhang mit der
Spielstärke. Es ist also wahrscheinlich, dass intelligentere Personen auch
eine höhere Spielstärke entwickeln. Es ist aber offenbar nicht unbe-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

dingt notwendig: Die Schwelle des Intelligenztestwerts für eine ELO-


Zahl, die Hochleistung anzeigt, war bemerkenswert niedrig. Die für
die Stichprobe charakterisierende Intelligenzhöhe lag etwa eine Stan-
dardabweichung über der Norm, wies also insgesamt keine Hochbe-
gabung aus. Das Alter, ab dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
der Stichprobe ernsthaft mit dem Schachspiel im Verein begonnen hat-
ten, war übrigens der beste Prädiktor für die ELO-Spielstärke, gefolgt Übung als ­stärkster
von der Anzahl der bestrittenen Wettkämpfe. Hier ist der Einfluss der Prädiktor

Übeaktivitäten zu erkennen, der von der Intelligenzforschung auch


nicht bestritten wird.

5.5.3 Die Frage domänenspezifischer Begabung


(„Talent“)
Die eher auf allgemeine Intelligenz zielende Frage „Is ability neces-
sary?“ (Detterman, 2014) ist genau betrachtet nicht die Frage, die mit
einem spezifischen „Talent“ (im Sinne einer zur Domäne „passenden“ Domänenspezifische
Begabung?
genetischen Prädisposition, also eines z. B. musikalischen, verbalen,
oder mathematischen Talents) verbunden ist. Um Hoch- und Höchst-
leistung zu erklären, kann man die Frage stellen, ob es domänenspezi-
fische bzw. besondere Begabungsfacetten gibt, die in einer Domäne ent-
scheidend zu Entwicklung und Lernen beitragen. Besonders
augenfällig ist der Rückgriff auf „Begabung“ und „Talent“ bei den fol-
genden Phänomenen und Erklärungsmodellen (siehe Kasten).

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156 Kapitel 5

Prodigies, Savants und die Theorie der


„multiplen Intelligenzen“
Prodigies • Es gibt vereinzelt Personen, die besondere Leistungen erbringen, of-
fenbar ohne dafür die oben beschriebenen 10 000 Stunden bzw. zehn
Jahre Übung investiert zu haben. Auffällige Beispiele dafür sind früh
hochleistende Kinder (Prodigies). Prodigies haben mutmaßlich nicht
die „Trainingsdosis“ gezielten Übens erhalten und bewältigt, die zur
Ausführung der gezeigten Leistung eigentlich notwendig wäre, und
sie zeigen die Leistung in einem Alter, in dem diese Leistung norma-
lerweise nicht erwartet wird.
Savants • Personen mit Ausnahmeleistungen hauptsächlich in Musik oder Ge-
dächtnis bei ansonsten reduzierter allgemeiner kognitiver Leistungs-
fähigkeit (Savants) scheinen domänenspezifische Begabungen und
Talente zu illustrieren, da ihre Leistungen insulär und unabhängig von
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

anderen Leistungen erbracht werden.


Multiple Intelligenzen • Eine Intelligenztheorie, die annimmt, dass Intelligenzkomponenten
voneinander unabhängig sind („multiple Intelligenzen“, Gardner, 2011),
liefert eine „Erklärung“ dafür, dass bestimmte (spezifische) Begabun-
gen mit bestimmten domänenspezifischen Hochleistungen in Zu-
sammenhang stehen. Eine Intelligenzkomponente ist nach dieser
Theorie für einen Inhalt spezifisch (Musik, Sprache, Raum, Körperbe-
herrschung, soziale Intelligenz usw.). Die Theorie der „multiplen Intel-
ligenzen“ hat auch die Einzelleistungen besonderer „Genies“ als Beleg
für diese Annahme herangezogen (vgl. Kap. 6 für eine kritische Be-
trachtung der Theorie der multiplen Intelligenzen).

Elemente einer Was ist im Kern Begabung? Howe, Davidson und Sloboda (1998)
­Definition von
­Begabung
schlagen folgende Elemente vor: (1) Begabung erklärt Leistung (be-
schreibt nicht nur das ohnehin Sichtbare), (2) Begabung ist wenigs-
tens zum Teil angeboren und vererbt, (3) es gibt frühe Anzeichen von
Begabung, die es erlauben, die Begabung zu erkennen und Leistung
vorherzusagen, auch wenn die Leistung noch nicht voll entfaltet ist,
(4) begabt sind nur wenige, und (5) Begabung ist relativ domänenspe-
zifisch.
Für die Begabungsforschung ist frühe Hochleistung (durch Prodigies)
ein Beleg dafür, dass Begabungen eine entscheidende Rolle spielen
müssen.
The extremely young age at which the prodigies demonstrate their remar-
kable abilities limits the extent to which their abilities can be solely the re-
sult of extreme dedication to practice. (Ruthsatz, Ruthsatz-Stephens & Ruth-
satz, 2014, S. 60)

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Lernen als Expertiseerwerb 157

Untersuchungen an hochleistenden Kindern weisen auf erhöhte Intel-


ligenz (bei acht gemessenen Kindern einer Studie von Ruthsatz & Ur-
bach, 2012) im Bereich von IQ = 108 bis 147, im Mittel IQ = 128, sehr
hohe Arbeitsgedächtniskapazität und erhöhte Aufmerksamkeit für De- Intelligenzprofil und
tailinformation (ein Anzeichen von Autismus) hin. Darüber hinaus wird ­domänenspezifische
Leistung?
behauptet, dass das Intelligenzprofil Vorhersagen darüber zulasse, in
welcher Domäne sich die Hochleistung entfalten wird. Dies bezieht
sich auf Subfaktoren der Intelligenz. Mathematisch und musisch hoch-
leistende Kinder wiesen stark erhöhte Werte auf dem visuell-räumli-
chen Intelligenzfaktor auf (Ruthsatz et al., 2014, S. 63). Eine Erklärung,
warum dieses Intelligenzprofil insbesondere mit jenen Domänen in
Zusammenhang steht, fehlt jedoch. Auch erweist sich die Messung do-
mänenspezifischer Indikatoren von Begabung (z. B. für Musik: absolu-
tes Gehör, Tonhöhen- oder Rhythmusdiskrimination, s. u.) als äußerst
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

schwierig, weil diese Indikatoren zum großen Teil auf Lernen und
Übung zurückgehen und gleichzeitig die Vorhersage von domänenspe-
zifischer Hochleistung nicht zulassen.
Expertiseforscher wenden ein, dass das Zustandekommen ungewöhn- Forschungsergebnisse
lich früher Hochleistung bei Kindern sehr schwierig nachzuvollziehen zu Prodigies

ist. Berichte über die entsprechenden Lernwege stammen von den El-
tern, sie sind retrospektiv und anekdotisch. Unabhängige Beobachter
kommen erst ins Spiel, wenn die Leistung bereits sichtbar erbracht
wird. Stets findet man ein förderndes, auch forderndes Umfeld (Feld-
man & Goldsmith, 1986), und dabei ist es hoch wahrscheinlich, dass
dieses Lernumfeld die Domäne, in der die Spezialisierung stattfindet,
determiniert (bekannt bei „Musikerfamilien“). Howe, Davidson und
Sloboda (1998) schließen, dass frühe Leistung der Verfügbarkeit einer
ungewöhnlichen Lernumgebung folgt, nicht dieser vorausgeht. Die
frühe Hochleistung steht insbesondere nicht in einem stabilen Zusam-
menhang mit späterer Höchstleistung. Prodigies erreichen selten Aus-
nahmeleistungen in ihren erwachsenen Jahren (Feldman & Goldsmith,
1986). Entsprechend waren später anerkannte erwachsene Höchstleis-
ter nur in den seltensten Fällen auch Prodigies (z. B. Sosniak, 1985).
Oft können „normale“ Personen die Leistungen der Prodigies errei-
chen oder übertreffen, nur eben einige Jahre später.
Die singulären, eng umgrenzten Ausnahmeleistungen von Savants er- Forschungsergebnisse
scheinen bedeutsam, weil gleichzeitig die allgemeine Intelligenz redu- zu Savants

ziert ist. Savants zeigen beispielsweise eng umgrenzte Fähigkeiten im


Bereich von Gedächtnisleistungen oder im Bereich der Musik (Bei-
spiele: den Wochentag zu einem gegebenen Datum nennen; Musik
nach einmaligem Hören nachspielen). Savants zeigen für den umgrenz-
ten Leistungsbereich ein z. T. obsessives Interesse und investieren viel

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158 Kapitel 5

Zeit in Beschäftigung und Übung mit dem Gegenstandsbereich. Er-


gebnisse kontrollierter Experimente legen die Schlussfolgerung nahe,
dass die Fähigkeit, Musik nach einmaligem Hören nachzuspielen, eine
Folge von Lernen musikalischer Schemata ist. Savants wurden mit
Musik mit tonaler Struktur (vertraut) vs. atonaler Musik (unvertraut)
getestet (Charness, Clifton & MacDonald, 1988; Sloboda, Hermelin &
O’Connor, 1985). Musische Savants benötigen Zugriff auf – erlernte –
gespeicherte Muster und Schemata im Langzeitgedächtnis, um gehörte
Musik dort kurzfristig zu speichern und abzurufen.
Optimale Umgebungs- Die Expertiseforschung erkennt die Beobachtungen bei Prodigies und
bedingungen, Übung, Savants nicht als Belege für angeborenes Talent an:
obsessives Interesse
In summary, the evidence from systematic laboratory research on prodigies
and savants provides no evidence for giftedness or innate talent but shows
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that exceptional abilites are acquired often under optimal environmental


conditions. (Ericsson & Charness, 1994, S. 729)

In der Definition von Howe et al. (1998) wurde vorsichtig ausgedrückt,


dass Begabung „relativ domänenspezifisch“ sei. Darin spiegelt sich das
Problem, dass Leistung in einer konkreten Domäne spezialisiert ist
und ganz offensichtlich die Koordination unterschiedlicher Fähigkeits-
bzw. Begabungskomponenten erfordert. Der Zusammenhang zwischen
Begabungskomponente(n) und den domänenspezifischen Anforderun-
gen ist meist nicht direkt herstellbar.
Schach, räumliche Für das Schachspiel nahm man beispielsweise an, dass hohe räumliche
­Fähigkeiten
Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Schach-
spiel seien. Es stellte sich jedoch heraus, dass Schachexpertinnen und
-experten keineswegs auffällig höhere räumliche Fähigkeiten besitzen
(z. B. Grabner et al., 2007). Unter den Intelligenzfaktoren scheint die
numerische Intelligenz eine größere Rolle zu spielen. Dies kann man
sich bisher nicht erklären.
Musik, absolutes Gehör Im Bereich der Musik ging man davon aus, dass das absolute Gehör (das
Erkennen der einzelnen Tonhöhe ohne Relation zu einem Bezugston)
ein frühes Zeichen von musikalischer Begabung sei. Allerdings kann
das absolute Gehör von jedem Menschen in einer bestimmten, frühen
Periode erworben werden. Die Nützlichkeit von absolutem Gehör für
die Ausübung von Musik ist umstritten. Das absolute Gehör ist auch
keine notwendige Bedingung für Höchstleistung.
Sport, physische Körperlich-physiologische Parameter sollten auch das erreichbare Leis-
­Eigenschaften
tungsniveau im Sport determinieren. Physische und anatomische Ei-
genschaften können sich durch intensives Training allerdings drama-
tisch ändern (Größe und Kapazität der Lunge, Stärke der Knochen,

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Lernen als Expertiseerwerb 159

Flexibilität der Sehnen, Anzahl der Blutkapillaren, Muskelfasereigen-


schaften; für eine Zusammenfassung siehe Ericsson & Charness, 1994).
Somit ist auch im Bereich des Sports der limitierende Faktor körperli-
cher Eigenschaften umstritten.
Expertiseforscher wenden sich somit explizit gegen die Annahme einer
besonderen Begabung bzw. eines besonderen Talents.
The commonly held but empirically unsupported notion that some uniquely
“talented” individuals can attain superior performance in a given domain
without much practice appears to be a destructive myth that could discou-
rage people from investing the necessary efforts to reach expert levels of
performance. (Ericsson & Ward, 2007, S. 349)

Zusammenfassung
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Expertise reflektiert extreme Anpassung an Anforderungen in wohl-


definierten und restringierten Domänen. Innerhalb eines Spezialge-
biets können Leistungen erbracht werden, die Informationsverarbei-
tungsprozesse, Gedächtnisrepräsentationen, perzeptuell-motorische
und körperliche Funktionen in einer dramatischen Weise ändern und
im Ergebnis so aussehen, als würden normale, „allgemeingültige“ Li-
mitierungen außer Kraft gesetzt. Dies demonstriert eine beeindru-
ckende Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Menschen. Es
zeigt andererseits auch, dass die Anpassungsfähigkeit an Grenzen
stößt: Transfer findet nicht statt. Schachspielexperten können gut
Schach spielen, aber deswegen können sie nicht besser andere Pro­
bleme lösen oder logischer denken als andere Personen. Gedächtnis-
künstler sind für ihre Leistungen auf das Material angewiesen, für das
sie semantische Enkodierungen und Abrufstrukturen aufgebaut
haben.
Expertise wird durch Restrukturierung und Aufbau immer komple-
xerer mentaler Repräsentationen im Gedächtnis erreicht und nicht
durch routinemäßiges Ausführen. Deshalb steht gezieltes Üben im
Zentrum des Lernens. Es umfasst genaue Beobachtung und Refle-
xion, Innovationen und Probieren neuer Lösungswege mit dem Ziel
ständiger Verbesserung, typischerweise mit Unterstützung von Coa-
ches, Trainern oder Supervisoren. Hochleistende Personen arbei-
ten ständig gegen eine routinemäßige Ausführung und zu starke Au-
tomatisierung an. Dieses Prinzip gilt auch für „normale“ Personen,
die in ihrem Beruf Experten sind.
Die moderne Expertiseforschung hält wenig von einer „Talent“-
oder Begabungsannahme zur Erklärung von Hochleistung. Gemäß
der modernen Expertiseforschung hängt Höchstleistung v. a. mit

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160 Kapitel 5

Lernen und Übung zusammen und ist prinzipiell der Erforschung


zugänglich. Spezifische Begabungsfaktoren (etwa für Musik, für be-
stimmte kognitive Domänen, bestimmte Sportarten usw.) können
bislang nicht zuverlässig und valide gemessen werden; eine frühe
Vorhersage einer domänenspezifischen Leistungsentwicklung ist
nicht möglich.
Intelligenzforscher bestreiten nicht den entscheidenden Einfluss
von Lernen und Übung. Die Frage des Einflusses angeborener Un-
terschiede in der Intelligenz auf die Möglichkeit, Hoch- und Höchst-
leistung zu erreichen, ist zwischen Expertiseforschung und Intelli-
genzforschung jedoch umstritten. Eine Antwort darauf scheint
davon abzuhängen, wie man die Frage stellt. (1) Ist es wahrscheinli-
cher, dass hochbegabte Personen Höchstleistungen in intellektuell
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anspruchsvollen Domänen erzielen? Die Antwort aus der Untersu-


chung von kognitiven Expertisebereichen wie dem Schach sowie aus
der Hochbegabtenforschung ist ein klares Ja. Diese Antwort basiert
auf korrelativen Zusammenhängen. (2) Ist eine außergewöhnlich
hohe Intelligenz bzw. angeborene Fähigkeit notwendig, um in einer
Domäne Hochleistung zu erzielen? Die Antwort aus der Untersu-
chung von Schachspielern lautet nein, denn höchstleistende Schach-
spielerinnen und -spieler haben im Mittel zwar einen überdurch-
schnittlichen IQ, weisen aber keine Hochbegabung auf, und die
IQ-„Schwelle“ für mögliche Hoch- und Höchstleistung liegt bemer-
kenswert niedrig.

Weiterführende
­Literatur Ericsson, K. A. & Charness, N. (1994). Expert performance: Its structure and
acquisition. American Psychologist, 49 (8), 725–747.
Ericsson, K. A. & Ward, P. (2007). Capturing the naturally occurring superior per-
formance of experts in the laboratory toward a science of expert and excep-
tional performance. Current Directions in Psychological Science, 16 (6), 346–350.
Howe, M. J. A., Davidson, J. W. & Sloboda, J. A. (1998). Innate talent: Reality or
myth? Behavioral and Brain Sciences, 21, 399–442.

Fragen
1. Welche methodischen Probleme sind bei der Erforschung von
Expertenleistung besonders herausfordernd?
2. Welche Elemente sind für das gezielte Üben (Deliberate
Practice) besonders charakteristisch?
3. Welche Argumente und Belege lassen sich für die Behauptung
der Expertiseforschung anführen, der zufolge für die Entwick-
lung von Hoch- und Höchstleistung in einer Domäne Begabung
letztlich keine Rolle spiele?

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Lernen als Expertiseerwerb 161

4. Welche Argumente sprechen für die Annahme, dass angeborene


Begabungsfacetten bei der Entwicklung von Hoch- und Höchst-
leistung eine Rolle spielen?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 6
Intelligenz als Merkmal von Lernenden
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Inhaltsübersicht
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
6.2 Definition und Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
6.3 Intelligenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
6.4 Vorhersage von Bildungs-, Ausbildungs- und Berufserfolg . . . . . . . . . . . 175
6.4.1 Intelligenz und Bildungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
6.4.2 Intelligenz und berufliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
6.5 Veränderbarkeit und Erblichkeit von Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

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164 Kapitel 6

6.1 Einführung
Wir haben in Kapitel 5 mit der Expertiseforschung einen Ansatz ken-
nengelernt, der Übung als zentral für den Erwerb von Wissen und Kom-
petenzen ansieht. Dieser Ansatz entspricht in besonderer Weise dem
Anliegen der Pädagogischen Psychologie, weil er die Formbarkeit
menschlicher Fähigkeiten ins Zentrum stellt. Die Expertiseforschung
lässt jedoch außer Acht oder stellt gar infrage, dass es bezüglich der
Lernfähigkeit interindividuelle Unterschiede gibt, welche die Wirk-
samkeit von Übung begrenzen können. In diesem Kapitel wird mit der
Intelligenzforschung ein Ansatz vorgestellt, der annimmt, dass Men-
schen sich in ihrer Fähigkeit zu lernen unterscheiden und dass dies eine
relativ stabile Eigenschaft ist. Individuen werden demnach aufgrund
dieser Eigenschaft unterschiedlich von Bildungseinflüssen und Lern-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

umgebungen profitieren. Mit Intelligenz ist dabei eine intellektuelle,


allgemeine Lernfähigkeit gemeint.
Im vorliegenden Kapitel wird beschrieben, wie Intelligenz definiert
und gemessen wird. Zur theoretischen Grundlegung werden einschlä-
gige Intelligenzmodelle vorgestellt und voneinander abgegrenzt.
Schließlich wird aufgezeigt, dass Intelligenz ein sehr vorhersagekräf-
tiges Konstrukt für verschiedene wichtige Kriterien, insbesondere im
Bereich der Bildung, aber auch darüber hinaus ist. Abschließend wird
beleuchtet, inwiefern Intelligenz durch gezielte Interventionen verän-
derbar ist und was das mit der Frage nach der Erblichkeit von Intelli-
genz zu tun hat.

6.2 Definition und Messung


Denken, neue Zwei bekannte Intelligenzdefinitionen lauten folgendermaßen:
­Beziehungen erfassen
„Intelligenz ist die Fähigkeit, sich in neuen Situationen aufgrund von Ein-
sicht zurechtzufinden, Aufgaben mithilfe des Denkens zu lösen, wobei nicht
auf eine bereits vorliegende Lösung zugrückgegriffen werden kann, son-
dern diese erst aus der Erfassung von Beziehungen abgeleitet werden muss.“
(Neubauer & Stern, 2007, S. 2)

„Intelligenz ist die zusammengesetzte oder globale Fähigkeit des Individu-


ums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Um-
gebung wirkungsvoll auseinanderzusetzen.“ (Wechsler, 1944, S.3)

Diese beiden Definitionen haben den Vorteil, dass sie leicht verständ-
lich sind und man ihnen intuitiv zustimmen kann. Sie entsprechen dem

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 165

Alltagsverständnis von Intelligenz gut. Andere Definitionen, wie etwa


Intelligenz sei das, was der Intelligenztest messe (Boring, 1961), sind
hingegen auf den ersten Blick nicht einsichtig. Der Vorteil an einer sol-
chen operationalen Definition ist jedoch, dass hier ein Konstrukt zu- Operationale Definition
nächst auf seine Erfassung (Operationalisierung) reduziert wird, so-
dass man im nächsten Schritt schauen kann, ob das so Gemessene für
irgendetwas nützlich ist. Wenn dem so ist, kann die theoretische
Grundlegung erfolgen. Der Erfolg des psychologischen Intelligenzkon-
strukts beruht vor allem darauf, dass Intelligenz zuverlässig gemessen Zuverlässige Messung
werden kann und dass das so Gemessene Vorhersagen vor allem für
zukünftige Leistungen, aber auch andere bedeutsame Kriterien erlaubt. Vorhersage
So ist die psychologische Auffassung von Intelligenz praktisch untrenn-
bar mit ihrer Messung verbunden.
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Für die Intelligenzmessung gilt es, geeignete Aufgaben auszuwählen,


d. h. solche, die psychometrisch erwünschte Eigenschaften besitzen
und mit deren Hilfe die Leistungen eines Individuums bewertet wer-
den können. Intelligenztests bestehen aus vielen einzelnen, unver-
bundenen Aufgaben, die eindeutig richtige (oder falsche) Antworten
haben. Um nicht Wissen, sondern kognitives Potenzial zu erfassen, Aufgaben in
bemüht man sich, möglichst voraussetzungsfreies Aufgabenmaterial ­Intelligenztests

zu nutzen. Letztlich müssen jedoch immer bestimmte Erfahrungen


vorausgesetzt werden, um hinreichend differenziertes Aufgabenma-
terial erzeugen zu können. So gibt es in vielen Intelligenztests Aufga-
ben, die wenigstens basales Wissen erfordern, beispielsweise ­Wissen
über sprachliche Konzepte, rechnerische Fähigkeiten, Alltagswissen
über Handlungen und Abläufe oder Wissen über das Aussehen von
Alltagsgegenständen. Praktisch immer werden Kurzzeitgedächtnis,
schlussfolgerndes Denken und Konzentration ge­testet.
Aufgaben in Intelligenztests werden einerseits auf Basis ihrer psycho-
metrischen Eigenschaften ausgewählt, andererseits theoriegeleitet
konstruiert. Da es verschiedene Intelligenzmodelle bzw. Intelligenz-
theorien gibt (vgl. Abschnitt 6.3), unterscheiden sich auch die Aufga- Zusammenfassung
ben bzw. Aufgabenbereiche in den Tests. Es gibt beispielsweise Tests, zu Faktoren

die versuchen, auf die Abfrage von Weltwissen und auf sprachlich ge-
fasstes Wissen zu verzichten. Die Aufgaben sind zu Aufgabengrup-
pen zusammengefasst, die den Intelligenzfaktoren entsprechen, die
wiederum das Intelligenzmodell vorsieht. Aus den Werten für die
Aufgabengruppen kann ein Intelligenzprofil erstellt werden. Allerdings Intelligenztestaufgaben
stellt man immer wieder fest, dass die Aufgaben untereinander po- sind positiv korreliert

sitiv korrelieren. Diese positiven Interkorrelationen verweisen auf


etwas Gemeinsames in allen unterschiedlichen Aufgaben – nämlich
die allgemeine Intelligenz (auch generelle Intelligenz, g-Faktor oder

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166 Kapitel 6

g-Faktor kurz g). Da dieser g-Faktor sehr erklärungsmächtig ist, wird häufig
weniger Gewicht auf ein Intelligenzprofil als vielmehr auf den Ge-
samttestwert gelegt.
Bei der Messung von Intelligenz wird jedem Individuum aufgrund sei-
nes Gesamttestwertes ein Rangplatz innerhalb seiner Bezugspopula-
tion zugewiesen. Dieser Rangplatz wird mit dem generellen Intelli-
genzwert ausgedrückt. Dieser Intelligenzwert wurde ursprünglich
Intelligenzwert, IQ Intelligenzquotient oder kurz IQ genannt, weil er aus einem Quotien-
ten gebildet wurde. Gemeint war damals eine Relation zwischen Intel-
ligenz und Alter (Quotient aus „Intelligenzalter“ und „Lebensalter“).
Das ist heute nicht mehr der Fall, obwohl der Begriff IQ noch häufig
verwendet wird, wenn man die generelle Intelligenz meint. Mit dem
Intelligenzwert wird in standardisierter und über Testverfahren hin-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

weg in vergleichbarer Weise beschrieben, „wie weit“ (um wie viele


Standardabweichungs-Einheiten) ein Individuum vom Mittelwert sei-
ner Bezugsgruppe „entfernt“ ist (siehe Kasten).

Der Intelligenzwert
Die Auswertung der von den Probandinnen und Probanden gegebenen
Antworten im Intelligenztest führt zu einem Testrohwert. Diese Testroh-
werte sind je nach benutztem Testverfahren unterschiedlich, werden je-
doch in ein standardisiertes Maß überführt, damit sie in gleicher Weise
interpretiert werden können. Der standardisierte Intelligenzwert setzt
den erzielten Testrohwert in einen Bezugsmaßstab. Dazu muss ein Test
geeicht werden. In einer repräsentativen Eichstichprobe werden bei-
spielsweise mehrere 1 000 Personen mit einem Intelligenztest getestet.
Es resultieren mehrere 1 000 Rohwerte dieses konkreten Tests. Daraus
werden der Mittelwert (M) und die Standardabweichung (SD) errechnet.
Die Standardabweichung ist die mittlere Abweichung vom Mittelwert.
Die Standardabweichung wird nun als neue Einheit verwendet, mit der
die Abstände vom Mittelwert eingeteilt werden. Die Testrohwerte wer-
den neu skaliert – sie erhalten einen Bezugspunkt (den Mittelwert) und
eine Einheit (die Standardabweichung).
Skalierung: Die heute gängigen Intelligenztests benutzen eine einheitliche Skalie-
M = 100, SD = 15 rung, die zur besseren Interpretierbarkeit so festgelegt wurde. Der Mit-
telwert von Intelligenztests beträgt stets 100, die Standardabweichung
typischerweise 15 (manchmal 10). Aufgrund der Kenntnis der Verteilung
der Intelligenzwerte in der Population bzw. Eichstichprobe kann ein in-
dividueller Testwert eingeordnet werden. Intelligenz ist, wie viele psy-
chologische Konstrukte, in der Population normalverteilt (vgl. Abb. 16).
Beträgt der gemessene individuelle Intelligenzwert 100 Punkte, so be-
deutet das, dass dieser Wert genau dem Durchschnitt (Mittelwert) der

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 167

Bezugsgruppe des Individuums entspricht. Beträgt er 115 Punkte, dann Normalverteilung


bedeutet das, dass der ermittelte Gesamttestwert genau eine Standard- der Intelligenz
abweichung über dem Mittelwert der Bezugsgruppe liegt. Hat ein Indi-
viduum in einem Intelligenztest 130 Intelligenzwert-Punkte, dann be-
deutet das, dass der ermittelte Gesamttestwert genau zwei
Standardabweichungen über dem Mittelwert der Bezugsgruppe liegt.
Unter der Annahme der Normalverteilung kann davon ausgegangen wer-
den, dass knapp 70 % der Personen in der Bezugsgruppe einen Intelli-
genzwert zwischen 85 und 115 (also zwischen −1/+1 Standardabwei-
chungen) haben. Einen Intelligenzwert von 130 oder darüber haben
hingegen nur 2 % der Personen. Bei einem Intelligenzwert von 130 und Hochbegabung: IQ ≥ 130
mehr spricht man von Hochbegabung (vgl. Kap. 3 in Spinath & Brünken,
2016).
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

2,1% 13,6% 34,1% 34,1% 13,6% 2,1%

50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Abbildung 16: Normalverteilung mit Mittelwert 100 und Standardabweichung


15 (typische Intelligenz-Skalierung) sowie prozentuale Häufig-
keiten für definierte Abschnitte

Sind solche Intelligenztests gültig – messen sie das, was wir unter In-
telligenz verstehen? Die Validität (Gültigkeit) von Intelligenztests und
ihr praktischer Wert wird vor allem hinsichtlich ihrer Übereinstimmung
mit einem bestimmten Intelligenzmodell (Konstruktvalidität) und ihrer
Eignung als Prädiktor von relevanten Außenkriterien (Kriteriumsvali-
dität) bestimmt. Um diese Fragen geht es in den folgenden Abschnit-
ten.

6.3 Intelligenzmodelle
Intelligenzmodelle bzw. Intelligenztheorien befassen sich mit der
Frage, welche Intelligenz- bzw. Konstruktbereiche sich sinnvoll vonei-
nander unterscheiden lassen. Um Intelligenzbereiche zu identifizie-
ren, kann man datengetrieben oder theoriegeleitet vorgehen. Beim
­datengetriebenen Ansatz wird zunächst eine große Anzahl von Einzel-

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168 Kapitel 6

aufgaben entworfen. Diese Aufgaben werden vielen, möglichst reprä-


sentativ ausgewählten Testpersonen vorgelegt. Aus den gewonnenen
Intelligenzkonstrukte Daten werden mit korrelativen Verfahren (Faktorenanalysen) die em-
aus Faktoren
pirischen Zusammenhänge zwischen den Aufgaben bestimmt. Die mit-
einander korrelierenden Einzelaufgaben ordnen sich dabei zu überge-
ordneten Faktoren. Diese Faktoren werden als Intelligenzkonstrukte
interpretiert. Die alternative Vorgehensweise ist theoriegeleitet: Man
geht von einer Intelligenztheorie aus und konstruiert Aufgaben für be-
stimmte Bereiche bzw. Konstrukte. Bei der anschließend folgenden
empirischen Prüfung muss sich erweisen, ob die theoretisch angenom-
menen Faktoren sowie deren Zusammenhänge nachgewiesen werden
können.
Thurstones Theorie In der Intelligenzforschung wurden zur Strukturierung der Intelligenz-
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­unabhängiger
konstrukte unterschiedliche Vorschläge gemacht. Beispielsweise nahm
­Primärfaktoren
Thurstone (1938) sieben Primärfaktoren der Intelligenz an, die vonei-
nander unabhängig seien (vgl. Abb. 17b). Diese sieben Primärfaktoren
waren Sprachverstehen, Wortflüssigkeit, schlussfolgerndes Denken,
räumliches Denken, Rechenfertigkeit, Wahrnehmungsgeschwindig-
keit und Gedächtnis. Jeder Faktor wurde durch eine Reihe von Aufga-
ben gemessen. Spearman (1904, 1923) hingegen glaubte, dass den ver-

a Test 1 s
Test 2 s
Test 3 s
Test 4
Test 5
Test 6
s
s
s
g
Test 7 s
Test 8 s
Test 9 s

b Sprachverstehen Wahrnehmungs-
geschwindigkeit
c
T1 T2 T3 figural-bildhaft
T1 T2 T3
Wortflüssigkeit verbal

Rechenfertigkeit
T1 T2 T3 numerisch

T1 T2 T3
Schlussfolgerndes
Denken Gedächtnis
Räumliches
Denken
T1 T2 T3 T1 T2 T3
T1 T2 T3

Abbildung 17: Unterschiedliche theoretische Intelligenzmodelle; a: Spearman,


Zwei-Faktoren-Theorie mit testspezifischen Anforderungen (s) und
einem Generalfaktor (g); b: Thurstones „primary abilities“ als unab-
hängige Intelligenzfaktoren; c: Berliner Intelligenzstrukturmodell
mit zwei Hauptdimensionen.

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 169

schiedenen Intelligenzaufgaben ein allgemeiner Faktor, g-Faktor, Spearmans


­Zwei-Faktoren-Theorie
zugrunde liege. Spearman zufolge testete jede Einzelaufgabe g sowie
eine testspezifische Anforderung (s) (vgl. Abb. 17a).
Inzwischen sind jedoch, insbesondere nach Metaanalysen großer Da-
tensätze (Carroll, 1993), die Auffassungen dahingehend konvergiert,
dass zwar auf einer mittleren Ebene Intelligenzkonstrukte (Faktoren)
voneinander unterschieden werden können, diese Faktoren jedoch mit-
einander korrelieren. Auf einer übergeordneten Ebene wird somit der
g-Faktor bestätigt, der das repräsentiert, was den Faktoren der mittle- g-Faktor breit bestätigt
ren Ebene gemeinsam ist. „Thurstones Studien haben nicht gezeigt,
dass g nicht existiert, sondern vielmehr, dass g auf Komponenten ver-
teilt ist, die wiederum miteinander positiv assoziiert sind“ (Brody &
Brody, 1976, zit. nach Amelang & Bartussek, 2001, S. 215). Integrie-
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rende, hierarchische Intelligenztheorien, die einen g-Faktor annehmen,


sind heute allgemein akzeptiert.
Das Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS, z. B. Jäger, Süß & Beaudu- Berliner Intelligenz-
cel, 1997) ist hierfür ein Beispiel. Es besitzt zwei Hauptdimensionen. strukturmodell

Diese zwei Hauptdimensionen sind (vier) Operationen einerseits und


(drei) Inhalte andererseits. Die Operationen umfassen Bearbeitungs-
geschwindigkeit („mental speed“, d. h. Schnelligkeit beim Lösen ein-
facher Aufgaben), Gedächtnis (Merkfähigkeit i. S. des Kurzzeitgedächt-
nisses), Einfallsreichtum (Menge unterschiedlicher Lösungen und
Einfälle) und Verarbeitungskapazität (mit Verarbeitungskapazität ist
schlussfolgerndes Denken, „reasoning“, gemeint). Die Inhalte unter-
scheiden zwischen figural-bildhaftem, verbalem und numerischem
Material. Jede Intelligenztestaufgabe lässt sich somit in eine von 12 Zel-
len (Aufgabenklassen) der aus der Kreuzung der Hauptdimensionen
entstehenden 4 × 3-Matrix einordnen (vgl. Abb. 17 c). Auch hier exis-
tiert g als übergeordneter Faktor über die 12 Aufgabenklassen, das Mo-
dell ist hierarchisch. An der Lösung von Aufgaben sind alle intellektu-
ellen Potenziale beteiligt, wenn auch mit verschiedener Gewichtung.
Das Berliner Intelligenzstrukturmodell wurde in verschiedenen Stu-
dien bestätigt (z. B. Süß & Beauducel, 2005; Brunner & Süß, 2005).
Eine sehr einflussreiche Theorie (Cattell, 1963; Horn & Cattell, 1966) Cattells fluide
­Intelligenz
unterscheidet zwischen zwei g-Faktoren: gf für „fluide“ und gc für „kris-
tallisierte“ Intelligenz. Die fluide Intelligenz wird mit figuralem, sprach-
freiem Material erfasst; die Aufgaben erfordern es, Regeln zu erken-
nen, Beziehungen herzustellen, neuartige Probleme zu lösen, also vor
allem induktives und deduktives Denken. Die fluide Intelligenz sollte
in der ursprünglichen Fassung der Theorie auch kulturunabhängig
messbar sein (Testaufgaben sollten „kultur-fair“ sein, d. h. die Leis-

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170 Kapitel 6

Cattells kristallisierte tung sollte nicht von bestimmten Kulturerfahrungen abhängen; dies
Intelligenz
hat sich jedoch als schwierig erwiesen). Die kristallisierte Intelligenz
ist hingegen das Produkt aus fluider Intelligenz einerseits und Wissen
bzw. Erfahrung andererseits. Sie nimmt mit Bildung und Kompetenz­
erwerb zu, wird mit numerischen und verbalen Aufgaben gemessen
und ist kulturabhängig.
Carrolls Three- Die vergleichsweise aktuelle Three-Stratum-Theorie von Carroll (1993)
Stratum-Theorie
wurde aus einer äußerst umfangreichen Reanalyse von hunderten Da-
tensätzen vorangegangener Intelligenzteststudien, die in verschiede-
nen Ländern mit über hunderttausend Personen durchgeführt worden
waren, entwickelt. Der Analyse zufolge kann ein zentraler, allgemei-
ner Intelligenzfaktor (g-Faktor) als bestätigt gelten. Auf der Ebene
­darunter (zweite Schicht) beschreibt Carroll (1993) acht spezifischere
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Faktoren, u. a. fluide Intelligenz, kristallisierte Intelligenz, Verarbei-


tungsschnelligkeit und Gedächtnis. Anders als im Berliner Intelligenz-
strukturmodell wird hier nicht zwischen Operationen und Inhalten un-
terschieden. Auf einer dritten Schicht darunter werden 68 noch
spezifischere Intelligenzkonstrukte unterschieden.
Zusammengefasst lässt sich einerseits eine sinnvolle Unterscheidungs-
möglichkeit zwischen Intelligenzkonstrukten feststellen. Andererseits
muss festgehalten werden, dass die gemessenen Leistungen in Intel-
ligenzbereichen stets positiv miteinander korrelieren (positive Man-
nigfaltigkeit der Intelligenz). Dies verweist auf die Existenz eines all-
gemeinen Faktors – g. Entsprechend werden als Maß für die Intelligenz
Testwerte verwendet, die auf g basieren, wenn Zusammenhänge mit
Außenkriterien ermittelt oder Personen hinsichtlich der Intelligenz di-
agnostiziert werden.
Unterhalb von g gibt es eine Reihe von Intelligenzkonstrukten (Fakto-
ren), die reliabel und valide gemessen werden können, die sinnvoll
voneinander separierbar sind (obwohl sie miteinander positiv korre-
lieren) und die jeweils einen Teilbereich intellektueller Fähigkeiten ab-
bilden. Solche Teilbereiche könnten genutzt werden, um spezifischere
intellektuelle Potenziale zu erkennen. Dies soll am Beispiel der räum-
lichen Fähigkeiten erläutert werden.
Die Fähigkeit, mental visuell-räumliche Repräsentationen zu bilden,
zu erinnern und zu transformieren, kann mit einer großen Anzahl
von Tests erfasst werden. Beim Hidden Patterns Test (Ekstrom, French,
Harman & Dermen, 1976) beispielsweise soll eine einfache Figur in
einem komplexeren Gebilde erkannt werden. Beim Paper Folding Test
(Ekstrom et al., 1976) soll zunächst das Falten eines Stück Papiers
nachvollzogen werden. Dann wird eine Stelle anzeigt, in der in das

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 171

gefaltete Papier ein Loch gestanzt wird. Man soll dann entscheiden,
wie das Papier aussehen würde, wenn man es wieder auseinander-
faltet. Beim Mental Rotation Test (Shepard & Metzler, 1971) soll fest-
gestellt werden, ob eine dreidimensionale Figur mit einer oder meh-
reren ggf. rotierten Vergleichsfiguren identisch ist. Um die Identität
zu beurteilen, müssen die Figuren mental z. T. um mehrere Achsen
gedreht werden.
Verschiedene Autoren haben versucht, die große Zahl an visuell-räum-
lichen Testverfahren mit faktorenanalytischen Verfahren zu ordnen
(z. B. Carroll, 1993; Lohman, 1988). In einer Übersicht dazu kommt
Souvignier (2000) zu dem Schluss, dass diese Ordnungsvorschläge Ordnungsversuche für
Faktoren räumlichen
regelmäßig einen übergeordneten Faktor „visualisation“ identifizie- Denkens
ren, der die mentale Manipulation und Transformation von visuell-
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räumlichen Repräsentationen beinhaltet. Der Paper Folding Test ist re-


präsentativ für diesen Faktor. Weiter wird von mehreren Autoren ein
Faktor identifiziert, der Leistungen misst, bei denen sich Personen
vorstellen sollen, eine Szene oder einen Gegenstand aus einer ande-
ren Perspektive zu betrachten. Eine jüngere Testentwicklung hierzu
stellt der Perspective Taking Test dar (Kozhevnikov & Hegarty, 2001;
Hegarty & Waller, 2004). Bei diesem Test betrachtet man eine Karte,
auf der verschiedene Objektive an unterschiedlichen Positionen zu
sehen sind. Nun soll man sich vorstellen, man stünde an einer be-
stimmten Position in der Karte (bei einem bestimmten Objekt) und
schaue in eine bestimmte Richtung (zu einem anderen Objekt). Von
dieser imaginierten Position und Ausrichtung aus soll man dann die
Richtung zu einem weiteren Objekt auf der Karte angeben. Es gibt da-
rüber hinaus weitere Vorschläge für Faktoren, beispielsweise das
schnelle „Herauslösen“ einer Figur aus einer komplexeren visuellen
Umgebung (vgl. Hidden Patterns Test), das schnelle Vergleichen der
Identität von einfachen visuellen Figuren oder das schnelle Erkennen
einer unvollständig abgebildeten „Gestalt“. Bei Carroll (1993) werden
diese Leistungen jeweils als eigenständige visuell-räumliche Fakto-
ren klassifiziert.
Menschen zeigen zuverlässig große Unterschiede in so gemessenen vi- Zusammenhänge mit
Bildungserfolg in
suell-räumlichen Fähigkeiten. Diese Unterschiede stehen auch mit Bil- „MINT“-Domänen
dungserfolgen speziell in mathematisch-naturwissenschaftlichen und
technischen Fächern in Zusammenhang. In den 60er Jahren fand in
den USA eine repräsentative Erhebung intellektueller Leistungen von
400 000 Schülerinnen und Schülern der 9. bis 12. Klassenstufe statt
(project talent; Flanagan et al., 1962). Dabei wurden unter anderem ma-
thematische, verbale und visuell-räumliche Leistungen getestet. Ein
Ziel dieses Projekts war die Bestimmung von Prädiktoren für intellek-

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172 Kapitel 6

tuelle Leistungen und Berufserfolg in den mathematisch-naturwissen-


schaftlichen und technischen Disziplinen. Aus diesem Grund wurde das
„project talent“ längsschnittlich angelegt. Die Stichprobe wird bis heute
untersucht. Wai, Lubinski und Benbow (2009) zeigten an der Stich-
probe des „project talent“, dass Personen, die später einen Bachelor-,
Master- oder Dissertationsgrad in naturwissenschaftlichen, mathema-
tischen oder technischen Fächern erreichten, nicht nur eine höhere all-
gemeine (oder spezifische mathematische) intellektuelle Leistungsfä-
higkeit aufwiesen, sondern auch auffällig höhere räumliche Fähigkeiten
besaßen als Personen, die entsprechende Abschlüsse in Erziehungswis-
senschaften, Sozialwissenschaften oder Geisteswissenschaften wähl-
ten. Die räumlichen Fähigkeiten besitzen inkrementelle Validität, d. h.
sie klärten Unterschiede im Bildungserfolg über sprachliche und ma-
thematische Leistungen hinaus auf (Wai et al., 2009). Man kann ver-
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muten, dass Personen, die sich mit naturwissenschaftlichen und tech-


nischen Inhalten auseinandersetzen, nicht nur mit den spezifischen
visuell-räumlichen Repräsentationen eines Fachgebiets arbeiten (mit
technischen Plänen, mit Atommodellen, mit geometrischen Darstel-
lungen etc.), sondern dass sie auch generell dazu neigen, visuell-räum-
liche mentale Repräsentationen zu bilden und „räumlich“ zu denken.
Im Kapitel 4 zur Informationsverarbeitung wurde dargestellt, dass
­Prozesse des Speicherns und Verarbeitens im Arbeitsgedächtnis statt-
finden. Es wurde auch schon ausgeführt, dass es eine begrenzte Kapa-
zität des Arbeitsgedächtnisses gibt, die mit Speichern-und-Verarbeiten-
Aufgaben gemessen werden kann. Menschen haben eine unterschiedlich
hohe Arbeitsgedächtniskapazität. Die Varianz in der Arbeitsgedächtnis-
kapazität weist Zusammenhänge mit der Varianz in höheren und kom-
plexen kognitiven Verarbeitungsprozessen (z. B. Leseverständnis, Ler-
nen) auf. Intelligenz ist ebenfalls ein Prädiktor von kognitiven Leistungen
bzw. von Lernfähigkeit. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Ar-
beitsgedächtniskapazität und Intelligenz?

Arbeitsgedächtniskapazität und
fluide Intelligenz
Den Kern des Arbeitsgedächtnisses bildet die kontrollierte Aufmerksam-
keit – die Funktion, Aufmerksamkeit auf ausgewählte Informationen zu
richten und andere, konkurrierende Informationen auszuschließen. Das
Arbeitsgedächtnis hält Informationen in einem aktivierten und zugäng-
lichen Zustand, auch wenn gleichzeitig Verarbeitungsprozesse laufen
oder irrelevante Informationen zu blockieren sind.

Den Kern der Intelligenz bildet die fluide Intelligenz bzw. das schluss-
folgernde Denken. In entsprechenden Aufgaben sollen Beziehungen

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 173

zwischen Elementen erkannt werden, Neuanordnungen bzw. Transfor-


mationen von Elementen sollen bestimmte Bedingungen erfüllen oder
logische Gesetzmäßigkeiten zwischen Elementen sollen erkannt wer-
den (z. B. Vervollständigen einer Reihe).

In mehreren Untersuchungen (Conway et al., 2002; Engle et al., 1999; Zusammenhänge


Kane et al., 2004; Süß et al., 2002) wurden – mit unterschiedlichen Tests ­zwischen Arbeits­
gedächtniskapazität
für Arbeitsgedächtniskapazität und fluider Intelligenz – übereinstim- und fluider Intelligenz
mend Korrelationen um r = .60 zwischen Arbeitsgedächtniskapazität
und fluider Intelligenz gefunden. Kontrollierte Aufmerksamkeit und
schlussfolgerndes Denken hängen also relativ eng zusammen, sind aber
nicht dasselbe. Schlussfolgerndes Denken und einfache Speicherfunk-
tionen des Arbeitsgedächtnisses weisen demgegenüber keine bedeut-
samen Zusammenhänge auf.
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Die populäre Theorie multipler Intelligenzen (Gardner, 1983, 2011) Gardners Theorie
­multipler (unabhängiger)
kann als eine Art Gegenentwurf zu den etablierten, psychometrisch Intelligenzen
abgesicherten Intelligenzmodellen aufgefasst werden. Die Theorie
möchte der Unterschiedlichkeit und Kulturbezogenheit von geistigen
Leistungen gerecht werden, einschließlich der Erklärung besonderer
Leistung durch spezifische Begabungen. Die zentrale Behauptung ist,
dass es mehrere voneinander unabhängige „Intelligenzen“ gäbe, die
biologisch angelegt seien:
• „Linguistische Intelligenz“ (Sprachlernbegabung, gewandter Um-
gang mit Sprache),
• „Logisch-mathematische Intelligenz“ (logisch-deduktives Denken,
Verstehen komplexer Zusammenhänge),
• „Visuell-räumliche Intelligenz“ (räumliche Orientierung, räumliche
Vorstellung),
• „Musikalische Intelligenz“ (Befähigung zur Musik),
• „Körperlich-kinästhetische Intelligenz“ (effektiver und koordinier-
ter Einsatz des Körpers),
• „Sozial-interpersonale Intelligenz“ (Empathie und Kooperation),
• „Sozial-intrapersonale Intelligenz“ (Selbsterkenntnis zu eigenen
Emotionen und Motivationen),
• „Naturalistische Intelligenz“ (Unterscheidungs- und Konzeptbil-
dungsfähigkeit für Phänomene aller Art).
Die angenommene Unabhängigkeit der multiplen Intelligenzen in die- Unvereinbarkeit mit
dem g-Faktor
ser Theorie steht der Auffassung eines g-Faktors ganz offenkundig dia-
metral entgegen.
Die Theorie multipler Intelligenzen ist verbunden mit einer Kritik an
der psychometrischen Erfassung von Intelligenz: Intelligentes Verhal-

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174 Kapitel 6

ten in Bezug auf eine kulturell wertgeschätzte Domäne müsse in au-


thentischen Problemsituationen erfasst werden. Zwar wird eingeräumt,
dass die psychometrische Forschungstradition einen g-Faktor der In-
telligenz ermittelt habe. Dieser Befund sei jedoch letztlich durch die
Messmethodik bedingt, da sich die Aufgaben untereinander in hohem
Maße ähnlich seien. Unter anderem würden über Inhaltsbereiche hin-
weg verbal formulierte Aufgaben dominieren, die Aufgaben seien von
Anforderungen und Art und Weise der Aufgabenstellung repräsenta-
tiv für die westliche Bildungskultur, und viele Aspekte intelligenten
Verhaltens würden gar nicht gemessen. Der g-Faktor sei also als Arte-
fakt zu verstehen (Gardner, 1999).
Die Theorie multipler Intelligenzen hat in pädagogischen Anwendungs-
feldern, bei Eltern, pädagogischem Personal und Lehrkräften großen
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Anklang gefunden. Aus ihr lässt sich folgern, dass Menschen über mehr
Intelligenzpotenziale verfügen als der psychometrischen Intelligenz-
messung zugänglich sind, dass die schulischen Bildungsprogramme
der westlichen Welt diese Intelligenzpotenziale verkümmern lassen,
und dass ein Kind, das in der Schule keine gute Leistungen zeigt, in
einer anderen der multiplen Intelligenzen begabt sein könne.
Fehlende Instrumente, Aus Sicht der etablierten Intelligenzforschung hat die Theorie „mul-
um multiple
­Intelligenzen zu messen
tiple Irritationen“ (Rost, 2008) erzeugt. Ein großes Problem ist, dass
noch immer keine Messinstrumente für die multiplen Intelligenzen
vorliegen, welche den Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und
Validität nachweisbar genügten. Messinstrumente für multiple In­
telligenzen sind „kontextualisierte“ Aufgabenstellungen (z. B. für
„Visuell-­räumliche Intelligenz“: „Zeichne ein Tier, einen Menschen
und ein Fantasietier“, „Erschaffe eine Skulptur“; für „Körperlich-ki-
nästhetische Intelligenz“: „Kreative Bewegungen – Stelle dir vor, du
bist ein Roboter; bewege dich wie ein Roboter“; für „Linguistische
Intelligenz“: „Erzähle eine Geschichte auf Basis einer gegebenen Sze-
nerie und einigen Charakteren“), die aufwendig und mehrdimensio-
nal bewertet werden sollen. Weiterhin existieren Selbsteinschätzungs-
bzw. Fremdeinschätzungsskalen, deren Reliabilität und prädiktiver
Wert weitgehend unbekannt sind. Ohne reliable Messinstrumente
aber kann die Theorie nicht überprüft und damit auch nicht falsifi-
ziert werden. Es liegen nur wenige empirische Studien zur Theorie
der „multiplen Intelligenzen“ vor, und diese sprechen nicht für die
Theorie.
Almeida et al. (2010) untersuchten 294 Kinder im Alter von fünf bis
sieben Jahren. Sie verwendeten einerseits eine traditionelle Intelligenz-
testbatterie und andererseits kontexualisierte Aufgaben für die multi-
plen Intelligenzen. Letztere erforderten eine komplexe Bewertung der

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 175

Produkte und Aktivitäten durch Lehrkräfte und Beobachter. Das ge-


fundene Muster der Zusammenhänge zwischen allen Aufgaben konnte
am besten mit einem Modell erklärt werden, das zwei g-Faktoren
enthielt: einen g-Faktor für die traditionelle Intelligenzmessung und
einen g-Faktor für die kontextualisierten Aufgaben. Letztere waren also
entgegen der Annahme der Theorie der „multiplen Intelligenzen“ auch
nicht voneinander unabhängig. Es bestand außerdem ein substanziel-
ler Zusammenhang zwischen den beiden g-Faktoren. Almeida et al.
(2010) schlussfolgerten, dass zentrale Annahmen der Theorie der mul-
tiplen Intelligenzen damit infrage gestellt seien: „Ein Generalfaktor
der Intelligenz ist unausweichliche Realität“ (S. 229). Visser et al.
(2006) versuchten, die multiplen Intelligenzen an 200 Erwachsenen
soweit möglich mit je zwei existierenden und bewährten Instrumen-
ten zu messen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Mehrzahl
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Widerlegung zentraler
der Tests der multiplen Intelligenzen interkorrelierten (mit Ausnahme Annahmen der Theorie
multipler Intelligenzen
der Tests für die körperlich-kinästhetischen und musikalischen Berei-
che). Eine Faktorenanalyse legte die Extraktion eines g-Faktors nahe.
Visser et al. (2006) werten ihre Ergebnisse als Widerlegung von Kern-
aussagen der Theorie der multiplen Intelligenzen, insbesondere hin-
sichtlich der Unabhängigkeit.

6.4 Vorhersage von Bildungs-,


­Ausbildungs- und Berufserfolg
Die prädiktive Validität (Vorhersagekraft) von psychometrischen Intel-
ligenztests ist beeindruckend. Intelligenztestwerte weisen zu einer
Reihe von Außenkriterien substanzielle Zusammenhänge auf und las-
sen eine Vorhersage interindividueller Unterschiede in diesen Krite-
rien zu. Zu den durch Intelligenz gut vorhersagbaren Kriterien zählen
Bildungserfolg, berufliche Qualifikationsstufe, Einkommen und Kom-
petenzentwicklung in spezifischen Arbeitsbereichen. Nach Rost (2013,
S. 310) belegen die vielfältigen Zusammenhänge, dass es sich bei dem Intelligenz als hoch
­relevantes Konstrukt
durch Intelligenztests ermittelten Intelligenzwert nicht um ein psycho-
metrisches Artefakt handelt, sondern um ein hoch relevantes, zentra-
les Konstrukt, das allgemein mit Lebenserfolg in den westlichen Ge-
sellschaften zusammenhängt.

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176 Kapitel 6

6.4.1 Intelligenz und Bildungserfolg


Unterschiede in Intelligenztestwerten gehen mit Unterschieden im Bil-
dungserfolg einher. In einer Metaanalyse fanden Roth et al. (2015)
einen populationsweit ermittelten mittleren Zusammenhang von ρ = .54
zwischen Intelligenz und Schulnoten. Des Weiteren zeigte sich, dass
der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Noten je nach Schulfach
Substanzielle unterschiedlich ausgeprägt war, wobei der Zusammenhang in Mathe-
­Zusammenhänge mit
matik und Naturwissenschaften am stärksten (ρ = .49) und in Sport am
Schulzensuren
schwächsten ausfiel (ρ = .09). Außerdem erwiesen sich Intelligenztests
mit verschiedenen Aufgabenformaten (verbal, numerisch etc.) als prä-
diktiver als solche mit nur einem Aufgabenformat. Keine Unterschiede
zeigten sich bei der Vorhersage der Schulleistungen von Jungen und
Mädchen.
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Einschränkend sei hinzugefügt, dass Intelligenztests über den Zusam-


menhang mit Schulerfolg validiert werden, was bedeutet, dass sie be-
reits in ihrer Entwicklung teilweise auf diesen Zusammenhang hin aus-
gerichtet werden. Intelligenztests können neben neuartigen Materialien
und Problemstellungen auch Bildungsinhalte, z. B. Weltwissen, nume-
rische Fähigkeiten und verbale Konzepte enthalten. Daher ist es nicht
verwunderlich, dass diese Zusammenhänge bestehen und dass Bil-
dungsanstrengungen auch in einem Wachstum von Intelligenzwerten
sichtbar werden. Dies schmälert die Bedeutung der Intelligenztests für
eine valide Vorhersage und Diagnostik von Lernleistungen nicht. Al-
lerdings mag man sich im Einzelfall fragen, inwieweit eine allgemeine
Lernfähigkeit im Sinne eines Potenzials gemessen oder ein Stück weit
bereits ein Bildungsergebnis bilanziert wird.
Dass die Zusammenhänge zwischen Intelligenz und Schulnoten nicht
noch höher ausfallen, liegt daran, dass Noten Schulleistungen zwar
sehr gut abbilden, dass jedoch neben der reinen Leistung auch andere
Faktoren in die Notengebung einfließen (z. B. das Leistungsverhalten
der Schülerinnen und Schüler sowie deren Leistungsentwicklung). Ent-
sprechend ist der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Schulleis-
tung stärker, wenn Schulleistungstests statt Noten als Kriterium her-
angezogen werden. Deary, Strand, Smith und Fernandes (2007)
verwendeten in einer Längsschnittstudie in Großbritannien Daten von
rund 70 000 Schülerinnen und Schülern, bei denen im Alter von 11 Jah-
ren die Intelligenz gemessen wurde. Fünf Jahre später (im Alter von
16 Jahren) wurden Ergebnisse aus landesweit standardisierten Ab-
schlussexamen – Schulleistungen in Fächern wie Geografie, Mathema-
tik, Englisch, Englische Literatur und Französisch – damit in Zusam-
menhang gebracht. Die Korrelation zwischen dem Generalfaktor der

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 177

Intelligenz (g) gemessen im Alter von 11 Jahren und einem aus den Test­ Hoher Zusammenhang
mit Schulleistungstests
ergebnissen gebildeten Faktor „Schulleistung“ gemessen im Alter von
16 Jahren war sehr hoch (r = .81). Dies belegt eindrücklich die hohe Be-
deutung der Intelligenz für Schulleistungen.
Es kann somit als breit bestätigt gelten, dass Intelligenz hohe Vorher-
sagekraft für schulischen Erfolg hat. Die enge Beziehung zwischen all-
gemeiner Intelligenz und Schulleistung gehört zu den am besten gesi-
cherten empirischen Befunden der psychologischen Forschung.

Intelligenz und Problemlösen


In den 80er Jahren entwickelte sich in Deutschland ein Forschungsfeld, Problemlösen mit
in dem der Umgang von Personen mit komplexen Problemsituationen ­komplexen Computer­
simulationen
erforscht wurde (z. B. Dörner, Kreuzig, Reither & Stäudel, 1983). Die Pro-
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blemsituationen wurden mit Computerprogrammen simuliert. Personen


sollten durch laufende Eingriffe in bestimmte Eingabevariablen über
einen längeren Zeitraum hinweg bestimmte Zielvariablen optimieren
und dabei Wissen über das System erwerben. Diese Art von Problem-
stellung versprach durch Vernetzung und Eigendynamik interner Varia-
blen eine hohe ökologische Validität. Als man feststellte, dass psycho-
metrische Intelligenztestmaße die Problemlösegüte nicht vorhersagten
(z. B. Kluwe, Misiak & Haider, 1991), stellte man die Validität der Intelli-
genzwerte infrage.

Die Zweifel an der Validität der Intelligenzwerte waren allerdings nicht


gerechtfertigt. Ein zentrales Problem bei den Simulationen war die Be-
stimmung der Problemlösegüte. Es war den Probandinnen und Proban-
den aufgrund der Komplexität und der Unvorhersagbarkeit des System-
verhaltens bisweilen gar nicht möglich, das Problem zielgerichtet zu
lösen. Die Erfassung der Problemlösegüte war daher stark messfehler-
behaftet und ließ keine valide Aussage über die Fähigkeit der problem-
lösenden Person zu. Bevor Aussagen zum Zusammenhang mit Intelli- Reliabilität der
genz getroffen werden können, musste zunächst die Reliabilität und ­Bestimmung der
­Problemlösegüte
Validität der Messung der Problemlösegüte gesichert werden.

Weiterentwickelte Problemlöseszenarien versprachen eine bessere


­Erfüllung der Gütekriterien. Süß (1999) berichtet eine Mannheimer Stu-
die, in der drei solcher weiterentwickelten Problemsimulationen über
drei Tage eingesetzt wurden, zwei davon wiederholt (Kraftwerkssimula-
tion, Handwerksbetrieb, Wirtschaftssimulation). Intellektuelle Fähig­
keiten (Berliner Intelligenzstrukturmodell, Test BIS-4; Jäger et al., 1997),
bereichsspezifisches Vorwissen und Arbeitsgedächtniskapazität
(Oberauer & Süß, 1996) der Versuchspersonen wurden getestet. Der
­Zusammenhang mit dem operativen Intelligenzkonstrukt „Verarbei-
tungskapazität“ des Berliner Intelligenzstrukturmodells (schlussfolgen-
des Denken) und einem über die drei Probleme aggregierten Maß der

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Intelligenz korreliert Problemlösegüte betrug r = .52. In vergleichbarer Höhe lag der Zusam-
mit Problemlösen menhang mit der Arbeitsgedächtniskapazität. Auch bereichsspezifi-
sches Wissen hatte einen Einfluss. Daraus kann geschlossen werden,
dass bereits existierende Intelligenzkonstrukte (v.a. schlussfolgerndes
Denken) und Arbeitsgedächtniskapazität mit der Fähigkeit, mit komple-
xen Problemen erfolgreich umzugehen, in einem substanziellen Zusam-
menhang stehen. Darüber hinaus erklärt domänenspezifisches Vorwis-
sen den Erfolg beim Lösen komplexer Probleme.

6.4.2 Intelligenz und berufliche Anforderungen


Schon in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde gezeigt, dass
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Zusammenhänge zwischen Intelligenzwert und ausgeübtem Beruf be-


stehen (Harrell & Harrell, 1945). Rost (2013, S. 331) stellt aus den Stu-
dien von Harrell und Harrell (1945) sowie Engelbrecht (1994, für Aus-
Unterschiedliche bildungsberufe) durchschnittliche Intelligenzwerte verschiedener
­Intelligenzwerte in
Berufsgruppen zusammen. Diese reichen von Bilanzbuchhaltern und
­unterschiedlichen
­Berufsgruppen Rechtsanwälten (Intelligenzwert = 121) über Kaufleute, Angestellte, Pro-
duktionsmanager ­(Intelligenzwert = 113 bis 114), Industriekaufleute, Uhr-
macher, Zahntechniker (Intelligenzwert = 108 bis 109), Autoverkäufer,
Werkzeugmacher, Monteure (Intelligenzwert = 103 bis 105), Fernfahrer
und Kranführer (Intelligenzwert = 97 bis 99) bis zu Malern/Lackierern,
Bäckern und Friseuren (Intelligenzwert = 90 bis 91). Auch wenn die kon-
kreten Zahlen heute vielleicht so nicht mehr stimmen, weil sich zum
Beispiel Berufe und die sie ausübenden Personen verändert haben, gilt,
dass höhere Intelligenzwerte bei Personen zu beobachten sind, die in
kognitiv anspruchsvolleren Berufen arbeiten. Zu beachten ist dabei, dass
es innerhalb jeder Berufsgruppe eine hohe Variabilität gibt. Allerdings
ist diese Variabilität in den hochqualifizierten Berufsgruppen geringer
als in den niedriger qualifizierten Berufsgruppen.
Wenn eine Person noch kein domänenspezifisches Wissen und Kön-
nen für einen bestimmten Beruf besitzt, sondern dieses Wissen erst
Vorhersage von Eignung erwerben soll, dann lässt sich mit allgemeiner Intelligenz voraussicht-
licher Erfolg genauso gut vorhersagen wie mit spezifisch konstruierten
Eignungstests, welche auf die Anforderungen in einer Domäne fokus-
sieren. Dies veranschaulicht die hohe Bedeutsamkeit der allgemeinen
Intelligenz für beruflichen Erfolg im Allgemeinen. Für einzelne Arbeits-
bereiche entwickelte, spezielle eignungsdiagnostische Verfahren füh-
ren typischerweise nicht zu der erhofften Validitätssteigerung (Verbes-
serung der Vorhersage). Auch weitere diagnostische Methoden, wie sie
in der Personalauswahl eingesetzt werden (z. B. Arbeitsproben, struk-

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 179

turiertes Interview, Leistungsbeurteilung durch Kolleginnen und Kol-


legen, Probezeit, Gewissenhaftigkeit, Referenzen, unstrukturiertes
Vorstellungsgespräch, Interessenstests, Graphologie) können die Güte
der Vorhersage des Berufserfolgs über einen Intelligenztest hinaus nur
in einem bescheidenen Umfang steigern (Zusammenstellung bei Rost,
2013, S. 339). Eine Metaanalyse auf Basis von 90 Studien zeigte, dass
Intelligenztests Erfolg in beruflichen Ausbildungsprogrammen vorher-
sagen (Hülsheger, Maier, Stumpp & Muck, 2006). Die Validitäten lagen
zwischen r = .48 und r = .54 abhängig von den eingesetzten Intelligenz-
testbatterien. Die Höhe des Zusammenhangs hing jedoch auch vom
Kriterium ab. Noten in den Ausbildungsprogrammen ließen sich bes-
ser vorhersagen als Beurteilungen durch Vorgesetzte. In einer US-ame-
rikanischen Metaanalyse konnte ebenfalls gezeigt werden, dass mit
Maßen für die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit verlässliche
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Vorhersagen für Studienerfolg (gemessen in Noten ρ = .58), Potenzi-


aleinschätzung durch Vorgesetzte in der Ausbildung (ρ = .49) und Be-
rufserfolg (ρ = .41) in verschiedenen Branchen möglich waren (Kuncel,
Hezlett & Ones, 2004).
Eine Herausforderung für die Bewertung des Zusammenhangs zwi- Kriterien für Berufs­
schen der Intelligenz und dem Berufserfolg stellt die Qualität des Kri- erfolg – oft subjektive
Einschätzungen
teriums dar. Viele Berufe haben keine objektiven Erfolgskriterien, und
die Feststellung beruflichen Erfolgs basiert oftmals auf Expertenbeur-
teilungen (z. B. Beurteilungen von Vorgesetzten, Beurteilungen von
Produkten). Aus diesem Grund (und weiteren Gründen wie z. B. Stich-
probenfehler, Selektionseffekte) stellen einfache Validitätskoeffizien-
ten zwischen Intelligenz und Berufserfolg, die im Bereich von r = .30
liegen (z. B. Salgado et al., 2003) vermutlich eine Unterschätzung des
Zusammenhangs dar. Hunter und Hunter (1984) schlugen eine Kor-
rektur des Validitätskoeffizienten vor. Sie ermittelten in Metaanalysen
korrigierte Werte um r = .50 und zeigten auch, dass der Zusammen-
hang mit der Intelligenz von den intellektuellen Anforderungen des
Arbeitsplatzes abhängt (von r = .23 für ungelernte Berufe bis r = .58 für
Führungspositionen).

6.5 Veränderbarkeit und Erblichkeit


von ­Intelligenz
Da Intelligenz eine so wichtige Voraussetzung für die individuelle Lern-
und Leistungsfähigkeit darstellt, ist es von besonderem Interesse, in-
wieweit Intelligenz durch gezielte Interventionen gesteigert werden
kann und inwiefern vorhandene Intelligenzunterschiede ausgeglichen

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180 Kapitel 6

werden können. Kapitel 12 in diesem Band ist dem Thema Kognitive


Trainings gewidmet und stellt unter anderem Evaluationsergebnisse
Training induktiven eines Trainings zur Steigerung des induktiven Denkens vor. Das induk-
Denkens tive Denken ist dabei ein Kernelement der Intelligenz. Metaanalysen
entsprechender Evaluationsstudien zeigen, dass sich durch diese Trai-
nings die Intelligenz im Durchschnitt um 7 bis 8 Intelligenzpunkte ver-
bessern ließ (Klauer & Phye, 2008). Darüber hinaus erzielten die so
Trainierten auch über die reine Testleistung hinaus bessere Ergebnisse,
Transfer zum Beispiel hinsichtlich schulischer Leistungen. Dies zeigt, dass die
erworbenen Fähigkeiten tatsächlich auf reale Situationen transferie-
ren.
Schulbesuch als Auch der Schulbesuch kann als eine großangelegte Intervention ange-
­intelligenzfördernde
­Intervention
sehen werden, die die Intelligenz verbessert. In der Schule werden über
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Jahre hinweg intellektuelle Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen


systematisch gefördert. Da man keine Experimente mit randomisier-
ten Stichproben (mit vs. ohne Schulbesuch; vgl. Kap. 2) anstellen kann,
die Intelligenzentwicklung auch außerhalb der Schule mit dem Lebens-
alter zusammenhängt und sich unterschiedliche Schulformen mit un-
terschiedlich langer Schulzeit (z. B. Haupt-/Realschule vs. Gymnasium)
auch in qualitativer Hinsicht (Anforderungen, Fächer, Anregung durch
das „Milieu“) unterscheiden und von unterschiedlich begabten Schü-
lerinnen und Schülern besucht werden, ist es nicht trivial, den Effekt
des Schulbesuchs auf die Intelligenz zu ermitteln. Beispielsweise kann
der Effekt der Schulbesuchsdauer von Schülerinnen und Schülern ver-
glichen werden, welche zu einem Startzeitpunkt des Vergleichs über
das gleiche Intelligenzniveau verfügten. Mehrere Studien kommen
übereinstimmend zu der Schlussfolgerung, dass ein Schuljahr eine Er-
höhung des Intelligenztestwertes um etwa 2 bis 4 IQ-Punkte bewirkt
(Hansen et al., 2004; Brinch & Galloway, 2012). Investitionen in Bil-
dung (z. B. in Form von Schuljahren) wirken sich demnach intelligenz-
fördernd aus.
Dass sich Intelligenzwerte nicht nur aufgrund gezielter Interventionen
verbessern können, sondern auch en passant durch anspruchsvollere
Umwelten und verbesserte gesundheitliche Bedingungen, führt der
sogenannte Flynn-Effekt vor Augen (siehe Kasten).

Flynn-Effekt

Allgemeine Steigerung Flynn (1987) publizierte eine Studie, der zufolge Intelligenztestwerte in
der Intelligenz verschiedenen Ländern um ca. 3 Intelligenzwert-Punkte pro Jahrzehnt
zunehmen, wobei diese Steigerungen insbesondere bei Aufgaben mit fi-
gural-räumlichem Material und induktiven Denkanforderungen (also

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 181

nicht bei den verbalen oder vorwissensintensiveren Aufgaben) gefun-


den wurden. Dieser Effekt ist auch in der Folge in verschiedenen Län-
dern bestätigt worden (Metaanalysen von Pietschnig & Voracek, 2015;
Trahan, Stuebing, Fletcher & Hiscock, 2014). Da beim Flynn-Effekt je-
doch nicht überprüft werden kann, ob sich die steigenden gemessenen
Intelligenzwerte auch in besseren Leistungen außerhalb der Testsitua-
tion niederschlagen, wird vorsichtig von gesteigerter gemessener Intel-
ligenz gesprochen statt von gesteigerter Intelligenz. Um dem Flynn-Ef-
fekt und anderen Einflüssen gerecht zu werden, müssen Intelligenztests
in regelmäßigen Abstanden neu normiert werden, um den Mittelwert
von 100 beizubehalten.

Es kann also festgehalten werden, dass sich Intelligenzwerte sowohl


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

durch gezieltes Training als auch langfristige Interventionen wie den


Schulbesuch verbessern lassen. Dennoch gilt Intelligenz als ein über Intelligenz als stabiles
Merkmal der Person
die Lebensspanne sehr stabiles Merkmal. Intelligenztestwerte in spä-
teren Jahren lassen sich durch Intelligenztestwerte in früheren Lebens-
jahren recht gut vorhersagen (z. B. Gow et al., 2011). Gemeint ist hier
die relative Stabilität im Vergleich von Personen untereinander (ge-
messen durch Korrelationen) in Abgrenzung zur absoluten Stabilität
der gemessenen Intelligenzwerte (als individuelle Messwerte über die
Zeit). Die relativ hohe Stabilität von Intelligenz über die Lebensspanne
zeigt an, dass die Unterschiede in der Intelligenz zwischen Personen
mehr oder weniger gleich bleiben, sofern keine massiven Veränderun-
gen der Umwelt erfolgen. Eine solche Veränderung der Umwelt könnte
etwa ein Training sein. Wenn einer Gruppe von Personen selektiv ein
Intelligenztraining verabreicht wird, einer anderen jedoch nicht, so
würden sich die relativen Unterschiede verändern. Beschulte Kinder
werden intelligenter als nicht beschulte Kinder. Durch schlechte Um-
weltbedingungen erworbene Rückstände in der kognitiven Entwick-
lung können durch gezielte Förderung in gewissem Maße ausgeglichen
werden.
Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass es hinsichtlich der
Steigerbarkeit von Intelligenz Grenzen gibt. Beispielsweise ist bis heute
unklar, wie lange Trainingseffekte anhalten. Für das Denktraining von
Klauer sind langfristige Effekte bis zu 15 Monaten nachgewiesen
(Klauer & Phye, 2008). Es fehlen jedoch Befunde, die über diesen Zeit-
raum hinausgehen. Ein Aspekt der Stabilität von Intelligenz lässt sich
mit dem Einfluss von Erbanlagen auf die Disposition zu intellektuel-
len Leistungen erklären. Intelligenz ist, wie nahezu jedes psychologi-
sche Merkmal, in gewissem Maße genetisch bedingt. Zwar steht die
Erblichkeit von Merkmalen nicht prinzipiell deren Veränderbarkeit im

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182 Kapitel 6

Wege, wie z. B. am Flynn-Effekt abzulesen ist. Jedoch sorgt die geneti-


sche Bedingtheit von Merkmalen dafür, dass Unterschiede zwischen
Personen auch durch massive Eingriffe in die Umweltbedingungen nur
schwer oder gar nicht auszugleichen sein werden. Bei einem Merkmal
von so großer Bedeutung wie der Intelligenz fällt es schwer, dies zu ak-
zeptieren.

Zusammenfassung
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich Menschen in ihrer
allgemeinen kognitiven Lern- und Leistungsfähigkeit unterschei-
den. Der Kern der vielfältig beobachtbaren Unterschiede in der ko-
gnitiven Leistungsfähigkeit ist in der allgemeinen Intelligenz zu
­suchen – einem unspezifischen intellektuellen Potenzial, das die all-
gemeine Lernfähigkeit einer Person zu einem substanziellen Teil
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

determiniert. Dieses intellektuelle Potenzial kann durch psychome-


trische Intelligenztests gemessen werden. Zwischen Intelligenz und
Bildungs-, Ausbildungs- sowie beruflichem Erfolg bestehen in un-
serer Gesellschaft enge Zusammenhänge. Systematische schulische
Bildung – bei der die Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen in
der Breite entwickelt werden – trägt umgekehrt zur Förderung der
messbaren Intelligenz bei. „Die allgemeine geistige Fähigkeit ist die
wichtigste singuläre Determinante der Fähigkeit einer Person, in
den verschiedenen sozialen Rollen in unserer Gesellschaft Erfolg zu
haben“ (Brody, 1999, S. 24). Allgemeine Intelligenz ist ein „fact of
nature“ (Jensen, 1987). Der Intelligenztestwert ist zudem der wich-
tigste Indikator für die Diagnostik von Hochbegabung (vgl. Kap. 3
in Spinath & Brünken, 2016). Hochbegabung führt wiederum mit
höherer Wahrscheinlichkeit zu außergewöhnlichen beruflichen, pro-
duktiven, wissenschaftlichen und kreativen Leistungen.
Als Beleg für die Annahme eines allgemeinen Potenzials gilt, dass in-
tellektuelle Leistungen aus verschiedenen Bereichen (z. B. verbale,
numerische oder räumliche Leistungen bzw. verbale, numerische
oder räumliche Intelligenz) miteinander positiv korrelieren (posi-
tive Mannigfaltigkeit der Intelligenz). Deshalb wird ein g-Faktor
­(general factor) der Intelligenz als erwiesen angesehen.
Für viele Menschen ist die psychometrische Intelligenzforschung
mit Unbehagen verbunden: Diese Auffassung von intellektuellem
Potenzial könne doch nicht alles sein, was wir unter Intelligenz ver-
stehen. Der g-Faktor scheint einer intuitiv plausiblen Annahme zur
Erklärung von Unterschieden, nämlich einer spezifischen Begabung,
die spezialisierte Leistung oder Mühelosigkeit des Lernens in einem
bestimmten Gebiet wie z. B. Mathematik, Sprachen oder Musik

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Intelligenz als Merkmal von Lernenden 183

determinieren würde, zu widersprechen. Verschiedene Versuche, die


Validität der psychometrisch erfassbaren Intelligenz in Zweifel zu zie-
hen, haben sich jedoch als Irrtum erwiesen. Bei den „multiplen Intel-
ligenzen“ – welche die Unabhängigkeit von Intelligenzen und damit
eine dem Alltagsverständnis nahestehende Begabungsannahme pro-
pagieren – fehlt es an Messinstrumenten, an überzeugenden Belegen
für die Unabhängigkeit der Intelligenzen und an Belegen für die va-
lide Vorhersage späterer spezifischer Leistungen. Auch beim komple-
xen Problemlösen zeigten sich substanzielle Zusammenhänge zwi-
schen Intelligenz und Problemlösen, sobald man die Reliabilität und
Validität des Kriteriums (Messung der Problemlösegüte) verbesserte.
Intelligenz kann durch gezielte Trainings und langfristige Interven-
tionen gefördert werden. Der Förderbarkeit der kognitiven Leis-
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tungsfähigkeit sind jedoch Grenzen gesetzt, sodass es ein unrealis-


tisches Ziel wäre, Intelligenzunterschiede nivellieren zu wollen.

Weiterführende
Plomin, R. & Spinath, F. M. (2004). Intelligence: genetics, genes, and genom- ­Literatur
ics. Journal of Personality and Social Psychology, 86, 112–129.
Rost, D. H. (2013). Handbuch Intelligenz. Weinheim: Beltz.
Stern, E. & Neubauer, A. (2013). Intelligenz – Große Unterschiede und ihre Fol-
gen. München: DVA.

Fragen
1. Wie lässt sich Intelligenz definieren?
2. Wie wird Intelligenz gemessen?
3. Welche Modellvorstellungen von Intelligenz gibt es?
4. Woher weiß man, dass Intelligenztests valide sind?
5. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Intelligenz und Bil-
dungs- bzw. Karriereerfolg?
6. Ist Intelligenz veränderbar?
7. Welche Argumente sprechen gegen die Theorie der multiplen
Intelligenzen von Gardner?
8. Warum hat man zunächst vermutet, dass komplexes Problem-
lösen nicht in einem Zusammenhang mit dem psychometrischen
IQ stünde? Durch welche Erkenntnis wurde diese Vermutung
korrigiert?
9. Ein Forscherteam möchte 150 Kinder mit Hochbegabung aus
einer zufällig gezogenen, repräsentativen Stichprobe identifizie-
ren. Eine Hochbegabung liegt vor, wenn der IQ den Wert von
130 übersteigt. Wie viele Kinder müssen getestet werden, um in
dieser Stichprobe 150 hochbegabte Kinder zu finden?

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184 Kapitel 6

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 7
Motivation als Merkmal von Lernenden
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Inhaltsübersicht
7.1 Bedeutung von Motivation für Lern- und Leistungsverhalten . . . . . . . . . 186
7.2 Theorien und Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
7.2.1 Motivation als Abwägen von Erwartungen und Werten . . . . . . . . . . . . . . . 187
7.2.2 Motivation als Zielverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
7.2.3 Motivation als Bedürfnisbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
7.2.4 Motivation als Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
7.2.5 Motivation als Resultat von Selbstbewertungsprozessen . . . . . . . . . . . . 194
7.3 Motivationsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
7.3.1 Motivationsförderung durch Verwendung unterschiedlicher
Bezugsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
7.3.2 Kurzinterventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
7.3.3 Wirksamkeit von Ansätzen zur Motivationsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 202
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

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186 Kapitel 7

7.1 Bedeutung von Motivation für


Lern- und Leistungsverhalten
Motivation ist die psychische Kraft, die dem Verhalten Intensität, Rich-
tung und Ausdauer gibt. Der Begriff geht auf das lateinische Verb „mo-
vere“, also „bewegen, antreiben“ zurück. Dass Motivation für Lern-
und Leistungsverhalten von hoher Bedeutung ist, hat jeder schon selbst
erlebt und bei anderen beobachtet. Insbesondere wenn die Motivation
zum Lernen fehlt, wird deutlich, dass ohne den inneren Antrieb nichts
geht. Deshalb gibt es in der Pädagogischen Psychologie zahlreiche Ar-
beiten zu der Frage, wie motivationale Merkmale Lern- und Leistungs-
Motivation in handeln beeinflussen. Dabei ist Motivation nicht nur eine unabding-
der ­Pädagogischen
bare Voraussetzung für Lernen und Leisten, sondern auch ein wichtiges
­Psychologie
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Ergebnis von Bildungsprozessen. Lernende sollen nicht nur Wissen,


Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, sondern auch Zutrauen in die
eigenen Fähigkeiten sowie Wertschätzung für das Gelernte. Nur wenn
diese motivationalen Eigenschaften erworben werden, können Ler-
nende der Anforderung des lebenslangen Lernens gerecht werden. Die
besondere Bedeutung der Motivation für das Lernen ergibt sich auch
daraus, dass Motivation als relativ leicht beeinflussbar gilt, z. B. durch
anregende Lehr-Lernmethoden. Motivation kann sich – im Gegensatz
zu Intelligenz (vgl. Kap. 6) oder Expertise (vgl. Kap. 5) – von einem Mo-
ment auf den anderen verändern. Das bedeutet zwar nicht, dass moti-
vationale Merkmale nicht auch über Zeit und Situationen hinweg sta-
bil sein können, wie z. B. Interessen oder Ziele. Allerdings besteht die
berechtigte Hoffnung, diese überdauernden motivationalen Merkmale
langfristig positiv beeinflussen zu können. Aus diesen Gründen ist Mo-
tivation ein wichtiges Forschungsfeld der Pädagogischen Psychologie.

7.2 Theorien und Konstrukte


Um zu beschreiben, warum sich Personen in Lern- und Leistungssitu-
ationen auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, können unter-
Viele unterschiedliche schiedliche Theorien und Konstrukte herangezogen werden. Viele der
Konstrukte
wissenschaftlichen Begriffe zur Beschreibung von Motivation werden
auch alltagssprachlich benutzt, wie z. B. Interesse, intrinsische und ex-
trinsische Motivation, Ziele, Motive. Im Folgenden werden diese und
weitere motivationale Konstrukte in die entsprechenden Theorien ein-
geordnet. Da es zahlreiche Motivationstheorien gibt, kann die Be-
schreibung nicht vollständig sein. Die Auswahl beschränkt sich auf
Theorien, die in der Pädagogischen Psychologie besonders intensiv be-

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Motivation als Merkmal von Lernenden 187

forscht werden und sich insbesondere zur Anwendung in schulischen


und hochschulischen Kontexten eignen.

7.2.1 Motivation als Abwägen von Erwartungen


und Werten
Sogenannte Erwartungs-Wert-Theorien sind im Zuge der kognitiven Erwartungs-Wert-­
Wende der Psychologie entwickelt worden (z. B. Atkinson, 1957) und Theorien

haben sich für die pädagogisch-psychologische Forschung als sehr


fruchtbar erwiesen (Eccles et al., 1983; Eccles & Wigfield, 2002). Sie
beschreiben Motivation als Resultat von Erwartungen über zukünftige
Erfolge und Misserfolge sowie Wertzuschreibungen für Tätigkeiten
oder Domänen. Im ursprünglich von Jacquelynne Eccles und anderen
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(1983) formulierten Modell der Lern- und Leistungsmotivation wer-


den zahlreiche Faktoren benannt, die Einfluss auf Erwartungen und
Werte nehmen (vgl. Abb. 18). Von zentraler Bedeutung sind Erwartun-
gen und Werte in diesem Modell, da sie am Ende verschiedener Wirk-
ketten proximal das Leistungsverhalten beeinflussen.
Erwartungen über zukünftige Erfolge werden sowohl theoretisch als Fähigkeits­
selbstkonzept
auch empirisch typischerweise als Fähigkeitsselbstkonzepte gefasst (Ec-
cles & Wigfield, 2002). Unter Fähigkeitsselbstkonzepten versteht man
kognitive Repräsentationen über die eigenen Fähigkeiten in verschie-
denen Bereichen. Im Schulkontext werden zum Beispiel fachspezifi-
sche Fähigkeitsselbstkonzepte erfasst, indem Schülerinnen und Schü-
ler angeben, wie sehr sie Aussagen zustimmen wie: „In Mathematik
fällt es mir leicht, neue Sachen zu lernen“. Zahlreiche Studien zeigen,
dass die so erfassten Fähigkeitsselbstkonzepte sehr gut aktuelle und
zukünftige Leistungen vorhersagen (r zwischen .40 und .60 in Meta-
analysen; Huang, 2012; Möller, Pohlmann, Köller & Marsh, 2009). Im
Vergleich verschiedener motivationaler Konstrukte erweisen sich Fä-
higkeitsselbstkonzepte als am stärksten für Leistungen prädiktiv (z. B.
Steinmayr & Spinath, 2009). Dabei sagen Fähigkeitsselbstkonzepte
schulische Leistung auch dann noch vorher, wenn die vorauslaufende
Schulleistung kontrolliert wird (z. B. Kriegbaum, Jansen & Spinath,
2015; Steinmayr & Spinath, 2009). Dieser Befund zeigt, dass Fähig-
keitsselbstkonzepte mehr sind als das Kennen des eigenen Leistungs-
standes, denn wenn dies so wäre, müsste der Zusammenhang zwischen
Fähigkeitsselbstkonzepten und Leistung verschwinden, wenn für vor-
auslaufende Leistungen kontrolliert wird. Diese Erkenntnis wird auch
durch längsschnittliche Studien bestätigt, die mittels sogenannter
Kreuzpfad-Modelle gegenseitige Wechselwirkungen zwischen zwei
mehrfach gemessenen Konstrukten untersuchen. In Studien mit sol-

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188 Kapitel 7

Kulturelles Milieu Wahrnehmung des


1. Geschlechtsrollen- Kindes von
stereotype 1. Überzeugungen, Ziele und
2. Fachbezogene Erwartungen von allgemeines
Stereotype und Sozialisations- Selbstkonzept Erfolgs-
Stereotype in Bezug personen 1. Selbstschemata erwartungen
auf Berufe 2. Geschlechtsrollen 2. Kurzfristige Ziele
3. Familiendemografie 3. Stereotype und 3. Langfristige Ziele
Anforderung 4. Ideales Ich
5. Fähigkeits-
selbstkonzept Leistungs-
Überzeugung und bezogenes
Verhaltensweisen von Verhalten
Sozialisationspersonen

Eigenschaften des
Kindes:
• Begabungen Affektive Reaktionen Subjektive
• Geschlecht und affektives Werte:
• Geburtsrang Interpretation der Gedächtnis des Kindes 1. Interesse/
Erlebnisse durch das Kind Intrinsisch
2. Wichtigkeit
Frühere leistungs- 3. Nützlichkeit
bezogene Erlebnisse 4. Kosten
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Abbildung 18: Erwartungs-Wert-Modell der Leistungsmotivation von Eccles und


anderen (nach Eccles & Wigfield, 2002)

chen Designs konnte gezeigt werden, dass Fähigkeitsselbstkonzepte


einerseits durch vorauslaufende Leistungen beeinflusst werden und
dass umgekehrt Fähigkeitsselbstkonzepte spätere Leistungen beein-
flussen (z. B. Guay, Marsh & Boivin, 2003; Weidinger, Steinmayr & Spi-
nath, 2017).
Subjektiver Wert Der subjektive Wert einer Aufgabe wird in dem Modell von Eccles und
von Aufgaben
anderen (1983) in drei Aspekte unterteilt: Intrinsische oder Interes-
sens-Werte („Die Aufgabe macht mir Spaß“), persönliche Wichtigkeit
(„Ich möchte hierbei gern gut sein, weil es ein wichtiger Bereich für
mich persönlich ist“) und wahrgenommene Nützlichkeit („Ich möchte
in der Schule gute Noten haben, damit ich ein Numerus-Clausus-Fach
studieren kann“). Neben diesen drei Wertekomponenten gibt es einen
weiteren, negativen Wert, nämlich die Kosten, die mit einer Aufgabe
verbunden sind. Über diesen Kosten-Aspekt gibt es bislang wenig For-
schung (siehe Gaspard, Häfner, Parrisius, Trautwein & Nagengast,
2017). Die drei anderen Wertkomponenten sind mittel bis stark posi-
tiv miteinander assoziiert und werden je nach Fragestellung entweder
einzeln betrachtet oder zu einem Gesamtwert zusammengefasst (z. B.
Steinmayr & Spinath, 2010). Gemäß dem Erwartungs-Wert-Modell
nach Eccles und anderen sollen Wertzuschreibungen ebenfalls nach-
folgende Leistungen vorhersagen, jedoch weniger stark als Erwartun-
gen. Stattdessen sollten Wertzuschreibungen vor allem für Wahlent-
scheidungen prädiktiv sein, z. B. für Leistungskurs- oder Studienwahlen.
Tatsächlich zeigt sich in Studien, dass fachspezifische Wertzuschrei-
bungen nur schwache bis mittlere Zusammenhänge mit Fachleistun-
gen aufweisen (r zwischen .20 und .30), wobei dieser Zusammenhang

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Motivation als Merkmal von Lernenden 189

auch nach Kontrolle vorausgegangener Leistung oder kognitiver Fä-


higkeit bestehen bleibt (z. B. Spinath, Spinath, Harlaar & Plomin,
2006). Wahlentscheidungen werden hingegen durch Wertzuschrei-
bungen sehr zuverlässig vorhergesagt (z. B. Dickhäuser, 2001; Stein-
mayr & Spinath, 2010).

7.2.2 Motivation als Zielverfolgung


In Zieltheorien wird Motivation als das Streben nach bestimmten Zie- Zieltheorien
len verstanden. Dabei thematisieren die theoretischen Ansätze ent-
weder formale Aspekte von Zielen, wie deren Anspruchsniveau und
Spezifität (z. B. Locke & Latham, 2002), oder die Inhalte der Ziele (z. B.
Senko & Tropiano, 2016). In der pädagogisch-psychologisch orientier-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ten Motivationsforschung haben sich insbesondere zwei Arten von


Zielen als bedeutsam für das Verständnis von Lern- und Leistungsver-
halten erwiesen. Dies ist auf der einen Seite das Ziel, die eigenen Fä-
higkeiten zu erweitern, und auf der anderen das Ziel, hohe Fähigkeit
demonstrieren bzw. niedrige Fähigkeit verbergen zu wollen (z. B.
Dweck, 1986; Nicholls, 1984). Für diese beiden Ziele haben sich im
Deutschen die Begriffe Lern- und Leistungsziele durchgesetzt. Nicholls Lern- und
(1984) wies darüber hinaus auf die Existenz von Arbeitsvermeidungs- ­Leistungsziele

zielen hin, bei denen im Gegensatz zu anderen Zielen nicht ein be-
stimmtes zu erreichendes Ergebnis im Vordergrund steht, sondern le-
diglich das Vermeiden von Arbeit. Aufbauend auf diesen
Pionierarbeiten sind weitere Differenzierungen von Zielen vorgenom-
men worden.
Früh ist erkannt worden, dass es sinnvoll ist, Leistungsziele in Annä- Annäherungs- und
herungs- und Vermeidungs-Leistungsziele zu unterscheiden, weil ­Vermeidungsziele

damit unterschiedliche Konsequenzen einhergehen (Elliot & Haracki-


ewicz, 1996). Annäherungs-Leistungsziele beschreiben die Tendenz,
hohe Fähigkeiten zeigen zu wollen, während Vermeidungs-Leistungs-
ziele darauf ausgerichtet sind, mangelnde Fähigkeiten nach Möglich-
keit zu verbergen. Zusammen mit Lernzielen bilden diese drei Zielar-
ten die sogenannte trichotome Zieltheorie. Darüber hinaus wurden
weitere Differenzierungen von Zielarten vorgeschlagen, wie z. B. die
Unterscheidung von Annäherungs- und Vermeidungs-Lernzielen im
sogenannten 2 × 2 zieltheoretischen Ansatz (Elliot & McGregor, 2001)
sowie das 3 × 2-Modell (Elliot, Murayama & Pekrun, 2011). Eine neue
Entwicklung ist es, auch die hinter den Zielen liegenden Gründe für
die Zielverfolgung zu differenzieren (Vansteenkiste, Lens, Elliot,
Soenens & Mouratidis, 2014; Sommet & Elliot, 2017). Bis heute beru-
hen die meisten Forschungsarbeiten auf dem trichotomen Zielansatz,

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190 Kapitel 7

der sich nicht nur in der Forschung, sondern auch für die Beratung etwa
im Schulkontext als sehr fruchtbar erwiesen hat.
Skalen zur Erfassung Im nachfolgenden Kasten ist mit den Skalen zur Erfassung der Lern- und
der Lern- und
Leistungsmotivation (SELLMO; Spinath, Stiensmeier-Pelster, Schöne &
­Leistungsmotivation
Dickhäuser, 2012) ein deutschsprachiges Instrument zur Diagnose von
Zielen dargestellt, das in Forschung und Praxis weite Verbreitung
­findet.

Die Skalen zur Erfassung der Lern- und


­Leistungsmotivation (SELLMO; Spinath et al., 2012)
Die SELLMO erfassen vier Zielarten, die in Lern- und Leistungskontex-
ten verfolgt werden können: Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele, Ver-
meidungs-Leistungsziele sowie die Tendenz zur Arbeitsvermeidung. Die
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Skalen bestehen aus jeweils 7 oder 8 Items (insgesamt 31 Items), die


auf einer fünfstufigen Skala durch Ankreuzen beantwortet werden
(„stimmt gar nicht“ bis „stimmt genau“). Es liegen Versionen für Schüle-
rinnen und Schüler sowie für Studierende vor.

Beispielitems aus den SELLMO:

In der Schule/Im Studium geht es mir darum, …

… zum Nachdenken angeregt zu werden. (Lernziele)

… das, was ich kann und weiß, auch zu zeigen. (Annäherungs-Leistungs-


ziele)

… dass niemand merkt, wenn ich etwas nicht verstehe. (Vermeidungs-


Leistungsziele)

… mit wenig Arbeit durch die Schule/durchs Studium zu kommen. (Ar-


beitsvermeidung)

Die SELLMO können zur Individualdiagnostik im Rahmen von Laufbahn-


und Einzelfallberatung eingesetzt werden. Normdaten liegen für die
Klassenstufen 3 bis 10 aller gängigen Grund- und weiterführenden
Schulformen vor. Die SELLMO wurden 2012 neu normiert. Die Norm-
stichprobe umfasst 3 348 Schülerinnen und Schüler aller Regelschulen
aus sieben Bundesländern.
Die Objektivität des Instruments ist durch exakte Anweisungen, detail-
lierte Auswertungshinweise inklusive einer Auswertungsschablone
sowie durch Interpretationshilfen mit einem Fallbeispiel sichergestellt.
Die Split-Half-Reliabilitäten liegen in der Gesamtstichprobe zwischen
r = .73 und r = .78, die Retest-Reliabilitäten (6-Monats-Intervall mit Zwi-
schenzeugnis) zwischen rtt = .54 und rtt = .63. Korrelationen mit Außen-
kriterien (u. a. Schulleistung) belegen die Kriteriumsvalidität des Verfah-
rens.

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Motivation als Merkmal von Lernenden 191

Während anfangs noch davon ausgegangen wurde, dass Personen ent-


weder lern- oder leistungszielorientiert seien (Dweck & Leggett, 1988),
so zeigte sich empirisch, dass sich die beiden Zielorientierungen kei-
neswegs ausschließen. Zum Beispiel gehen Lernziele und Annähe-
rungs-Leistungsziele häufig miteinander einher. Das gleiche gilt auch
für Annäherungs- und Vermeidungs-Leistungsziele (Spinath et al.,
2012), da das Demonstrieren-Wollen hoher Fähigkeiten und das Ver-
bergen-Wollen niedriger Fähigkeit häufig gemeinsam auftreten, jedoch
unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass die Art der verfolg- Zusammenhänge von
Zielen im Lernkontext
ten Ziele in Zusammenhang mit vorauslaufenden Bedingungen des
Lernens, mit Lernverhalten und anschließender Leistung steht (vgl.
Metaanalysen von Huang, 2011, 2012; Hulleman, Schrager, Bodmann
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& Harackiewicz, 2010; Payne, Youngcourt & Beaubien, 2007;


Wirthwein, Sparfeldt, Pinquart, Wegerer & Steinmayr, 2013). Lernziele
gehen von allen Zielorientierungen am stärksten mit positiven Emoti-
onen und Interesse in Lern- und Leistungssituationen einher. Auch
sind Lernziele und gute Leistungen positiv assoziiert, wobei der Zu-
sammenhang jedoch nur schwach ist. Während Lernziele typischer-
weise mit adaptiven Emotionen, Kognitionen und Leistungen in Lern-
und Leistungskontexten einhergehen, ist der Zusammenhang zwischen
Leistungszielen und diesen Größen komplizierter. Es erscheint intui-
tiv plausibel, dass in manchen Situationen ein Leistungsziel, also der
Wunsch vorhandene Fähigkeiten zu beweisen und gleichzeitig nicht
vorhandene Fähigkeiten zu verbergen, angemessen ist und zu guten
Leistungsergebnissen führt. Dies gilt beispielsweise für Wettbewerbs-
und Prüfungssituationen, in denen kurzfristig genau diese Strategien
der positiven Selbstdarstellung gefordert sind. Daher kann sicherlich
nicht angenommen werden, dass die Annahme von Leistungszielen in
jeder Situation schlechtere Leistungen nach sich zieht als die Annahme
von Lernzielen. Insbesondere für Annäherungs-Leistungsziele, also
das Streben, eigene Fähigkeiten zu demonstrieren, konnte in Metaana-
lysen sogar ein schwacher positiver Zusammenhang mit guten Leis-
tungen nachgewiesen werden. Unklar ist jedoch, ob Annäherungs-Leis-
tungsziele auch über längere Zeit eine Grundlage guter Leistungen sein
können. Wenn jedoch Vermeidungs-Leistungsziele verfolgt werden,
also der Wunsch im Vordergrund steht, vermeintlich geringe Fähigkei-
ten zu verbergen, gehen damit langfristig schlechte Leistungen einher.
So zeigen zahlreiche Studien, dass das Verfolgen von Vermeidungs-
Leistungszielen mit schlechteren Leistungen assoziiert ist. Gleiches
gilt für Arbeitsvermeidungsziele, die aus naheliegenden Gründen mit
schlechteren Leistungen einhergehen (z. B. Spinath et al., 2012).

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192 Kapitel 7

7.2.3 Motivation als Bedürfnisbefriedigung


Selbstbestim­ Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Ryan & Deci, 2000) geht
mungstheorie
davon aus, dass der Grad, in dem eine Tätigkeit die Befriedigung grund-
legender Bedürfnisse ermöglicht, Art und Ausmaß der Motivation
­beeinflusst. Die drei postulierten Grundbedürfnisse sind dabei Kom-
petenz-, Autonomie- und Zugehörigkeitserleben. Die Selbstbestim-
mungstheorie nimmt an, dass Tätigkeitsmerkmale, die in hohem Maße
Bedürfnisbefriedigung ermöglichen, die intrinsische Motivation för-
dern, während bei fehlender Bedürfnisbefriedigung extrinsische Mo-
tivation oder Amotivation überwiegen. Unter intrinsischer Motivation
wird dabei verstanden, dass die Gründe für die Beschäftigung mit der
Aufgabe in der Aufgabe selbst liegen und nicht in etwaigen Konsequen-
zen. Jemand ist intrinsisch motiviert, wenn die Ausübung der Tätigkeit
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Intrinsische und
­extrinsische Motivation
selbst als belohnend empfunden wird. Intrinsische Motivation gilt des-
halb als besonders wünschenswerte Art der Lernmotivation, weil sich
die Lernenden als selbstbestimmt erleben können und Freude beim
Lernen empfinden. Demgegenüber wird von extrinsischer Motivation
gesprochen, wenn die Gründe für die Beschäftigung mit einer Aufgabe
in den Konsequenzen liegen. Zum Beispiel könnte sich ein Schüler nur
deshalb mit seinen Mathematikaufgaben befassen, weil er gute Noten
haben oder sich vor anderen nicht blamieren möchte. Extrinsische Mo-
tivation wird im Allgemeinen als wenig wünschenswerte Motivation
angesehen, weil die Beschäftigung mit der Aufgabe nur Mittel zum
Zweck ist und bei Wegfall der antizipierten Konsequenzen auch keine
Beschäftigung mit der Sache mehr erfolgen wird. In der Realität sind
intrinsische und extrinsische Motivation selten in ihrer Reinform an-
zutreffen. Stattdessen wird von verschiedenen Zwischenformen aus-
gegangen, die auf einem Kontinuum zwischen intrinsischer und ex­
trinsischer Motivation liegen (Ryan & Deci, 2000).
Empirisch finden sich zwischen intrinsischer Motivation und Leistung
schwache bis mittlere Korrelationen, die typischerweise r = .30 nicht
überschreiten (z. B. De Naeghel, Van Keer, Vansteenkiste & Rosseel,
2012; Steinmayr & Spinath, 2009). Dies entspricht der mittleren Kor-
relation von Schulleistung mit Interesse, was aufgrund der engen Ver-
wandtschaft dieser beiden Konstrukte nicht anders zu erwarten ist
(Schiefele, Krapp & Schreyer, 1993).

7.2.4 Motivation als Interesse


Interesse Unter Interesse wird eine Person-Objekt-Beziehung verstanden, die
durch positive kognitive und affektive Bewertungen einer Person für

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Motivation als Merkmal von Lernenden 193

einen Gegenstand gekennzeichnet ist (z. B. Krapp, 2005b; Schiefele,


2012). Die positive affektive Bewertung drückt sich darin aus, dass die
Beschäftigung mit dem Gegenstand als belohnend empfunden wird.
Daher ist die intrinsische Motivation ein wesentlicher Bestandteil von
Interesse. Über die affektive Komponente hinaus gehört zum Interesse
auch die verstandesmäßige positive Bewertung des Gegenstands. Die-
ser kann z. B. als persönlich wichtig oder als nützlich für die eigenen
Ziele wahrgenommen werden, was im Erwartungs-Wert-Modell von
Eccles et al. (1983) den Wertkomponenten Wichtigkeit und Nützlich-
keit entspricht (vgl. Abschnitt 7.2.1).
Um zwischen kurzzeitigem und dauerhaftem Interesse zu unterschei-
den, wird von individuellem und situativem Interesse gesprochen (z. B.
Hidi & Renninger, 2006). Individuelles Interesse ist dabei ein relativ
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

überdauerndes Merkmal der Person, das sich in der Auseinanderset-


zung mit einem Gegenstand entwickelt und festigt. Situatives Interesse Individuelles und
wird hingegen durch äußere Umstände kurzfristig angeregt und flaut ­situatives Interesse

nach Wegfall der äußeren Reize wieder ab. Beispielsweise kann ein un-
terhaltender Redner für eine gewisse Zeit die Aufmerksamkeit, viel-
leicht sogar Begeisterung wecken. Wenn aber die Person bei der wei-
teren Beschäftigung dem Gegenstand nicht noch andere positiv
bewertete Aspekte abgewinnen kann, bleibt das situative Interesse ein
Strohfeuer.
Höheres Interesse sollte sich im Vergleich zu niedrigerem Interesse
vermittelt über qualitativ und quantitativ intensivere Beschäftigung
mit Inhalten in besseren Leistungen niederschlagen (Krapp, 2005b;
Schiefele, 2012; Hidi & Renninger, 2006). Laut einer Metaanalyse von
Schiefele, Krapp und Schreyer (1993) besteht zwischen Interesse und
schulischer Leistung eine schwache bis moderate Korrelation (r = .30).
Die gesichteten Studien wiesen jedoch eine große Schwankungsbreite
auf (r zwischen .09 und .67). In dieser Metaanalyse konnte nicht auf-
geklärt werden, warum der Zusammenhang zwischen Interesse und
Leistungen so stark schwankt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die
Rahmenbedingungen, unter denen gelernt wird, den Einfluss des In-
teresses mal stärken und mal schmälern. In vielen Lernkontexten
dürfte die Wirkung externer Anreize (z. B. Noten) so stark sein, dass
sie die Wirkung des Interesses überlagern. Je nachdem also, ob es sich
um starke externe Anreize oder aber eine sehr freie Lernsituation han-
delt, dürfte das Interesse ein schwächerer oder stärkerer Prädiktor für
die Lernleistung sein. Diese Vermutung ist jedoch bis heute nicht aus-
reichend durch Studien belegt.

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194 Kapitel 7

7.2.5 Motivation als Resultat von


­Selbstbewertungsprozessen
Für die Pädagogische Psychologie sind insbesondere solche Ansätze
bedeutsam, die Möglichkeiten für Interventionen zum Zweck der Ver-
besserung aufzeigen. Daher beschäftigt sich die pädagogisch-psycho-
logische Forschung selten mit Personenmerkmalen, die als feststehend
und nicht veränderbar gelten. Entsprechend erfährt eines der ältesten
Leistungsmotiv motivationspsychologischen Konstrukte, das Leistungsmotiv (Murray,
1938), in der Pädagogischen Psychologie wenig Aufmerksamkeit. In
Deutschland ist jedoch ein Ansatz entwickelt worden, der einzelne Be-
standteile des Leistungsmotivs identifiziert hat und auf dessen Basis
Interventionsmöglichkeiten entwickelt wurden. Das sogenannte Selbst-
bewertungsmodell von Heckhausen (1972) und dessen Nutzbarma-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

chung für Lern- und Lehrkontexte durch Rheinberg und andere (Rhein-
berg & Krug, 2017; dazu mehr im Abschnitt 7.3) haben sich in der
deutschsprachigen Pädagogischen Psychologie als sehr fruchtbar er-
wiesen.
In der Persönlichkeitstheorie von Murray (1938) ist das Leistungsmo-
tiv eines von mehreren grundlegenden menschlichen Bedürfnissen,
das sich im Streben nach Erfolg ausdrückt. Motive sind definiert als re-
lativ überdauernde Merkmale der Person, die Präferenzen für be-
stimmte Klassen von Reizen oder wiederkehrende Anliegen charakte-
risieren. Beim Leistungsmotiv ist das wiederkehrende Anliegen das
Bewältigen von herausfordernden Aufgaben oder, anders ausgedrückt,
die Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab (McClelland, Atkin-
son, Clark & Lowell, 1953). Im Kern des Leistungsmotivs stehen die
Affekte Stolz und Scham (Atkinson, 1957). Die antagonistischen Ten-
denzen Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg stehen sich in-
nerhalb des Leistungsmotivs gegenüber.
Heckhausen (1972) beschreibt in seinem Selbstbewertungsmodell drei
Prozesskomponenten, die zusammen das Leistungsmotiv ausmachen:
Selbstbewertungs­ Zielsetzung, Ursachenzuschreibungen (Attribution) und Selbstbewer-
modell
tung (vgl. Tab. 7). Je nachdem, ob bei Personen Hoffnung auf Erfolg
oder Furcht vor Misserfolg überwiegt, sind diese drei Prozesskompo-
nenten unterschiedlich ausgeprägt. Personen mit hoher Hoffnung auf
Erfolg bevorzugen mittelschwere Aufgaben und setzen sich realisti-
schere Ziele, während misserfolgsängstliche Personen zu leichte oder
zu schwere Aufgaben bevorzugen und sich unrealistische Ziele setzen.
Erzielte Erfolge werden von Hoffnungsmotivierten verstärkt auf eigene
Fähigkeit oder Anstrengung zurückgeführt, Misserfolg hingegen auf
veränderbare Faktoren. Misserfolgsmotivierte schreiben im Gegensatz

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Motivation als Merkmal von Lernenden 195

dazu eigene Erfolge Faktoren außerhalb der Person zu (z. B. Glück), je- Prozesse hinter
dem Leistungsmotiv
doch sehen sie Misserfolge als selbst verursacht und zeitlich stabil an.
Diese Attributionsmuster führen bei Erfolgsmotivierten zu Stolzerle-
ben bei Erfolg und ggf. Enttäuschung und Ärger bei Misserfolg, nicht
jedoch Hilfslosigkeit. Misserfolgsmotivierte hingegen stehen dem ei-
genen Erfolg häufig gleichgültig gegenüber, erleben aber umso mehr
Scham und Resignation bei Misserfolg. Nach Heckhausen (1972) bil-
den diese drei Komponenten ein sich selbst stabilisierendes System.
Um das Leistungsmotiv einer Person zu verändern, muss daher an allen
drei Prozessen gleichzeitig angesetzt werden.

Tabelle 7: Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation (nach Heckhausen,


1972)
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Motivausprägung
Teilprozesse der
­Selbstbewertung Erfolgszu­ Misserfolgs­
versichtlich ängstlich

Zielsetzung realistisch durch unrealistisch durch


Wahl mittel­ Wahl zu schwerer
schwerer Aufgaben oder zu leichter
Aufgaben

Attribution Erfolg internale Faktoren, externale Faktoren,


wie eigene Tüchtig- wie Glück, leichte
keit, Anstrengung, Aufgabe
Fähigkeit

Misserfolg variable Faktoren, stabile, nicht kont-


wie mangelnde An- rollierbare Fakto-
strengung, falsche ren, wie mangelnde
Strategie, Pech Begabung

Selbstbewertung Stolzerleben Scham/Resignation


­aufgrund positiver aufgrund negativer
­Bewertung des Bewertung des
Handelns und Handelns und
­seiner Ergebnisse ­seiner Ergebnisse

Gemäß der Leistungsmotivtheorie sollte sich das Verhalten in relativ


stark durch externe Anreize gesteuerten Kontexten wie der Schule über
explizite Motivmaße besser vorhersagen lassen als durch implizite Mo-
tive. Dies lässt sich auch empirisch so zeigen, wobei die Vorhersage-
kraft im schwachen bis mittleren Bereich liegt (Spangler, 1992). Expli-
zite Motive sind dem Bewusstsein zugänglich und werden per
Fragebogen erfasst, während implizite Motive, die dem Bewusstsein

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196 Kapitel 7

häufig nicht zugänglich sind, aus projektiven Verfahren erschlossen


werden. Korrelationen zwischen expliziten Leistungsmotiven und
Schulleistung liegen durchschnittlich im schwachen bis mittleren Be-
reich (r = .20 bis .30; Lounsbury, Sundstrom, Loveland & Gibson, 2003;
Robbins, Lauver, Le, Davis, Langley & Carlstrom, 2004).

7.3 Motivationsförderung
Alle oben vorgestellten Motivationstheorien haben intensive Forschung
zu Möglichkeiten der positiven Beeinflussung von Motivation und Leis-
tungsergebnissen hervorgebracht. In diesem Abschnitt werden einige
Fünf Ansätze zur Beispiele für Ansätze zur Motivationsförderung dargestellt. Tabelle 8
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

­Motivationsförderung
gibt einen Überblick darüber, was laut der fünf zuvor dargestellten Mo-
tivationstheorien gefördert werden sollte und benennt beispielhaft
dazu genutzte Methoden. Neben Ansätzen, die sich auf eine einzelne
Theorie fokussieren, gibt es auch Förderprogramme, die Herangehens-
weisen aus verschiedenen Theorien kombinieren (z. B. Martin, 2008;
Schober & Ziegler, 2001). Ein eigener Abschnitt wird jeweils der Mo-
tivationsförderung durch Nutzung unterschiedlicher Bezugsnormen
sowie Kurzinterventionen gewidmet. Abschließend wird durch einen
Blick auf Metaanalysen und systematische Reviews die Wirksamkeit
solcher Ansätze zusammenfassend bewertet.

7.3.1 Motivationsförderung durch Verwendung


­unterschiedlicher Bezugsnormen
Im Abschnitt 7.2.5 über das Selbstbewertungsmodell nach Heckhau-
sen (1972) wurde ausgeführt, dass durch das Zerlegen des Leistungs-
motivs in drei Teilkomponenten und das gleichzeitige Beeinflussen
aller drei Komponenten langfristig die Veränderung einer ansonsten
stabilen Persönlichkeitseigenschaft möglich werden soll. In Tabelle 8
werden grundsätzliche Herangehensweisen zur Förderung realistischer
Zielsetzungen, günstiger Attributionen und angemessener Selbstbe-
wertungen benannt, wie sie in Trainings eingesetzt werden (z. B. Krug
& Hanel, 1976). Mit solchen Trainings kann das Leistungsmotiv in die
wünschenswerte Richtung verändert werden, wobei mit Trainings auch
bestimmte Nachteile einhergehen. Zum Beispiel stellt deren Durch-
führung außerhalb des Unterrichts eine zusätzliche Belastung für Lehr-
personen und Trainierte dar. Auch könnte die Sonderbehandlung durch
das Training als befremdlich und im schlimmsten Fall stigmatisierend
wahrgenommen werden. Schließlich können Trainings nur schwerlich

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Motivation als Merkmal von Lernenden 197

Tabelle 8: Überblick über Motivationstheorien und deren Ansätze zur Förderung


der Lern- und Leistungsmotivation

Theorie Was wird gefördert? Methode


Erwartungs- • Positive Wertzuschrei- • Nützlichkeit sichtbar
Wert-­Theorie bungen für Tätigkeiten/ machen, z. B. aufzeigen,
Domänen in welchen Berufen Ma-
thematik warum wichtig
ist
• Angemessen hohe • Leistungserfahrungen
­Erfolgserwartungen machen, z. B. Erfolge
durch angemessene
Vergleichsmaßstäbe
sichtbar machen
Zieltheorien • Stärkung von Lernzie- • Bei Leistungsrückmel-
len, Verringerung von dungen Informationen
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Vermeidungs-Leis- über individuelle Ver-


tungs- sowie Arbeits- besserungen betonen
vermeidungszielen und soziale Vergleiche
vermeiden
Selbstbe- • Kompetenzerleben • Leistungserfahrungen
stimmungs- machen, z. B. Erfolge
theorie durch angemessene
­Vergleichsmaßstäbe
sichtbar machen
• Autonomieerleben • Wahlmöglichkeiten
geben, z. B. zwischen
verschiedenen Aufga-
ben wählen lassen
Interessen- • Positive kognitive und • Nützlichkeit sichtbar
theorien emotionale Bewertung machen, z. B. aufzeigen,
eines Gegenstandes in welchen Berufen Ma-
thematik wichtig ist
Selbstbe- • Realistische Zielsetzun- • Ziele setzen lassen
wertungs- gen und Rückmeldung über
modell Erreichen geben
• Günstige Attributionen • Durch Kommentare
­Erfolge auf Tüchtigkeit,
Misserfolge auf variable
Faktoren zurückführen
• Angemessene Selbstbe- • Erfolg: Anlässe für
wertungen Freude und Stolzerleben
identifizieren und Emo-
tionen bewusst erleben
• Misserfolg: nicht in ne-
gativen Emotionen ver-
harren, Bewertung von
Handlung und Person
trennen, Nutzen von An-
strengung wahrnehmen

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198 Kapitel 7

Wirkung entfalten, wenn im Unterricht gegenteilige Botschaften durch


Lehrkräfte vermittelt werden. Aus diesen und weiteren Überlegungen
heraus hat Rheinberg (für eine Zusammenfassung siehe Rheinberg,
2017) einen Ansatz entwickelt, durch den die Prinzipien von Leistungs-
motivationstrainings in den regulären Unterricht integriert werden.
Naturwüchsiges Rheinberg (2017) bezeichnet den Unterricht von Lehrpersonen, die
­Motivtraining
flexibel mit Bezugsnormen umgehen, als „naturwüchsiges Motivtrai-
ning“, da alle drei Prozesse des Heckhausen-Modells angesprochen
werden. Unter einer Bezugsnorm versteht man einen Standard, mit dem
ein Leistungsergebnis verglichen wird, um es zu bewerten. Die Aus-
sage „Schüler X hat 27 Punkte erreicht“ gibt für sich genommen noch
keinerlei Information über die Güte der Leistung, solange diese nicht
in ein Bezugssystem eingebettet ist (vgl. Kap. 6). Eine Leistung kann
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

mindestens anhand von drei unterschiedliche Bezugsnormen bewer-


tet werden (siehe Kasten; für eine Zusammenfassung siehe Rheinberg,
2017):

Drei Bezugsnormen Drei Arten von Bezugsnormen


• Soziale Bezugsnorm: Vergleich der Leistung von Schüler X mit Leis-
tungen anderer Schülerinnen und Schüler (interindividueller Ver-
gleich)
• Individuelle Bezugsnorm: Vergleich der Leistung von Schüler X mit
früheren Leistungen von Schüler X (intraindividueller, temporaler Ver-
gleich)
• Sachliche oder kriterienorientierte Bezugsnorm: Vergleich der Leis-
tung von Schüler X mit einem inhaltlich begründeten oder vorher fest-
gelegten Standard (z. B. Finden der Lösung einer Aufgabe)

Je nach verwendeter Norm kann ein und dasselbe Ergebnis ganz un-
terschiedlich bewertet werden. Es zeigt sich, dass Lehrpersonen sich
darin unterscheiden, welche Bezugsnorm sie bevorzugen und wie fle-
xibel sie zwischen Bezugsnormen wechseln.
Die Bevorzugung bestimmter Bezugsnormen durch Lehrpersonen
und ein darauf abgestimmter Unterricht sollen sich nach Rheinberg
(2017) in motivationaler Hinsicht auf die Schülerinnen und Schüler
auswirken. Die häufige Verwendung einer individuellen Bezugsnorm
soll bei Schülerinnen und Schülern die Wahrnehmung des Zusam-
menhangs zwischen Anstrengung und Leistung fördern sowie zu ver-
stärkten Anstrengungsattributionen, optimistischeren Einschätzun-
gen zukünftiger Leistungen und realistischeren Zielsetzungen führen.
Die Auswirkungen einer dominierenden sozialen Bezugsnorm der
Lehrperson sollten hingegen vom jeweiligen Leistungsstand der

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Motivation als Merkmal von Lernenden 199

Schülerinnen und Schüler abhängen. Besonders auf schwächere Schü-


lerinnen und Schüler dürfte sich die Verwendung sozialer Vergleiche
negativ auswirken, während die Leistungsstärkeren angespornt wer-
den dürften.
Dass in einem Unterricht nach individueller Bezugsnorm mehr reali- Korrelate der individu-
siert werden muss, als lediglich unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe ellen Bezugsnorm

anzulegen, verdeutlicht das Vorgehen einer Interventionsstudie von


Krug und Lecybyl (2017). Eine Lehrkraft wurde instruiert, über sechs
Wochen in einer Klasse primär nach der individuellen Bezugsnorm und
in der anderen nach der sozialen Bezugsnorm zu unterrichten. Unter-
richt nach einer dominierenden individuellen Bezugsnorm von Lehrper-
sonen war dabei gekennzeichnet durch
• Individualisierung der Anforderungen (z. B. Aufgabenschwierigkeit
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

auf einzelne Schülerinnen und Schüler anpassen, individuelle Hil-


fen geben),
• Zuschreiben von Erfolgen auf internale Schülerfaktoren (z. B. An-
strengung, Fähigkeit, Interesse), von Misserfolgen auf variable Fak-
toren (z. B. zu wenig Anstrengung, falsche Strategie); diese Attribu-
tion durch Kommentierungen den Schülerinnen und Schülern
modellhaft vermitteln,
• erfolgszuversichtliche Erwartungsäußerungen („Wenn du dich an-
strengst, kannst du dieses Ziel erreichen“),
• Leistung häufig auch anhand individueller Bezugsnorm bewerten,
• Lob und Missbilligung in Abhängigkeit von individueller Entwick-
lung der Schülerleistungen (für Fortschritte und Anstrengung
loben, bei ausbleibenden Fortschritten Wege zur Verbesserung auf-
zeigen).
Der Unterricht nach einer dominierenden sozialen Bezugsnorm von Korrelate der sozialen
Lehrpersonen zeichnete sich hingegen aus durch Bezugsnorm

• Angebotsgleichheit des Unterrichts (machen Leistungen im sozia-


len Vergleich bewertbar) sowie einheitliche Hilfestellung und Rück-
meldung für alle,
• Zuschreiben von Schülerleistungen auf stabile Personenfaktoren
(z. B. Fähigkeit, Intelligenz, Begabung),
• Erwartungsäußerungen werden auf stabile Schülerfaktoren gegrün-
det („Du bist eben begabt und wirst es daher schaffen“),
• Leistung häufig auch anhand sozialer Bezugsnorm bewerten,
• Lob und Missbilligung in Abhängigkeit von über- und unterdurch-
schnittlichen Leistungen.
Die Befunde der Intervention von Krug und Lecybyl (2017) deuten
wünschenswerte Effekte auf Schülerverhalten und -leistungen an, soll-

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200 Kapitel 7

ten jedoch aufgrund des Vergleichs von nur zwei Klassen nicht über-
bewertet werden. Der Wert dieser Studie liegt vor allem in der experi-
mentellen Herangehensweise, bei der Unterricht einer trainierten
Lehrkraft nach individueller und sozialer Bezugsnorm verglichen
wurde. Untersuchungen mit größeren Stichproben, jedoch nicht-expe-
rimentellen Designs konnten Effekte der Bezugsnormorientierung von
Lehrkräften auf motivationale Schülermerkmale wie Fähigkeitsselbst-
konzepte nachweisen (z. B. Lüdtke et al., 2005; für eine Zusammen-
fassung siehe Köller, 2005).
Abschließend soll das häufige Missverständnis angesprochen werden,
dass soziale Leistungsvergleiche grundsätzlich negativ zu beurteilen
seien und durch individuelle ersetzt werden sollten. Es ist weder sinn-
voll noch möglich, dass Lehrpersonen durchgängig individuelle Be-
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Flexibler Umgang zugsnormen verwenden. Die Regelungen zur Vergabe von Noten las-
mit Bezugsnormen
sen dies nicht zu und auch von Eltern, Arbeitgebern sowie den
Schülerinnen und Schülern selbst werden Bewertungen nach sozia-
len und sachimmanenten Maßstäben eingefordert. Auch sind Bewer-
tungen nach individueller Bezugsnorm aufwendig, was zu Problemen
bei der praktischen Umsetzung führt. Nur eine Leistungsbewertung,
die alle Bezugsnormen berücksichtigt, vermittelt ein umfassendes Bild
und erlaubt realistische Fähigkeitseinschätzungen. Dass soziale Ver-
gleiche motivierend sein können, zeigt sich an sportlichen Wettbe-
werben. Gerade leistungsstarke Schülerinnen und Schüler können
durch soziale Vergleiche zu Höchstleistungen motiviert werden. Da
soziale Vergleiche im Schulalltag jedoch dominieren, soll durch den
flexiblen Umgang mit Bezugsnormen ein Gegengewicht geschaffen
werden, sodass alle Schülerinnen und Schüler optimal motiviert wer-
den können.

7.3.2 Kurzinterventionen
Minimal Interventions In den letzten Jahren hat die Forschung zur Motivationsförderung in
den USA einen enormen Aufschwung genommen. Mit verblüffend
wenig aufwendigen Kurzinterventionen (auch Minimal Interventions
oder Wise Interventions; Yeager & Walton, 2011) werden zum Teil be-
merkenswerte und langfristige Effekte auf Motivation und wünschens-
werte Ergebnisse in Lern- und Leistungskontexten erzielt (z. B. Noten,
Bildungsjahre, Wahl von Bildungsangeboten). Als zentral für die Wir-
kung dieser Interventionen wird angesehen, dass sie auf sehr gut
­ausformulierten und empirisch belegten theoretischen Grundlagen be-
ruhen und dass die Kurzinterventionen ungünstige kognitive und emo-
tionale Prozesse so beeinflussen, dass neue, motivational günstige re-

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Motivation als Merkmal von Lernenden 201

kursive Prozesse entstehen. Um dies zu illustrieren, wird als Beispiel


eine typische Intervention zu impliziten Theorien über die Veränder-
barkeit von Intelligenz und Begabung herangezogen (siehe Kasten;
Dweck & Leggett, 1988).

Eine Kurzintervention zur Stärkung von Veränder- Growth Mindsets


barkeitsüberzeugungen („Growth Mindsets“)
Die Theorie geht davon aus, dass sich Menschen darin unterscheiden,
ob die eigenen Fähigkeiten als veränderbar oder feststehend wahrge-
nommen werden, und dass diese Überzeugungen insbesondere in An-
betracht von Schwierigkeiten und Misserfolgen zu entweder meistern-
dem oder resignierendem Erleben und Verhalten führen. Ziel der
Kurzinterventionen ist es, Veränderbarkeitsüberzeugungen zu stärken
(sog. Growth Mindsets; Dweck, 2006). Dies wird erreicht, indem in Inter-
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ventionen wissenschaftliche Erkenntnisse zur Plastizität des Gehirns


vermittelt werden und die Probandinnen und Probanden in einer an-
schließenden Schreibaufgabe auf der Grundlage dieses Wissens einer
anderen Person raten sollen, wie mit Misserfolgen umzugehen sei (z. B.
Paunesku et al., 2015). Wenn es gelingt, die grundlegende Überzeugung
durch die Kurzintervention zu verändern, wird in der Folge anders über
das eigene Leistungshandeln und dessen Ergebnisse nachgedacht wer-
den (statt „Ich kann es eben nicht und werde es nie lernen“ dann „Dies-
mal hatte ich noch keinen Erfolg, weil ich nicht die richtige Strategie ge-
wählt habe“).

Andere Kurzinterventionen zielen darauf ab, die wahrgenommene


Nützlichkeit von Tätigkeiten oder Domänen zu stärken (Value Inter-
ventions; z. B. Hulleman & Harackiewicz, 2009) oder das Zugehörig-
keitsgefühl zu einer sozialen Gruppe zu stärken (Belonging Interven-
tions; z. B. Walton & Cohen, 2011). Diese Kurzinterventionen sind nicht
allein aufgrund der sehr günstigen Relation von Aufwand und Ertrag
bemerkenswert, sondern auch, weil die Befunde in den weltweit füh-
renden wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden. Inwie-
fern sich diese Befunde zuverlässig replizieren lassen, ist bislang offen.
Erste Arbeiten, die Kurzinterventionen in Deutschland angewendet
haben, zeigen ermutigende Resultate (Brisson et al., 2017; Gaspard
et al., 2017).

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202 Kapitel 7

7.3.3 Wirksamkeit von Ansätzen zur


­Motivationsförderung
Metaanalyse In ihrer Metaanalyse identifizieren Lazowski und Hulleman (2016)
­Trainingsmotivation
73 Feldstudien, die die Wirksamkeit motivationaler Trainings experi-
mentell untersuchten. Über alle theoretischen Ansätze und untersuch-
ten Kriterien hinweg ergab sich eine Effektstärke von d = .49, was einer
moderaten Wirkung entspricht. Beim Vergleich der theoretischen An-
sätze ist insofern Vorsicht geboten, als für die meisten Ansätze nur sehr
wenige Studien vorliegen (im einstelligen Bereich). Am meisten Stu-
dien lagen vor für Trainings auf der Basis der Selbstbestimmungsthe-
orie (d = .70; 11 Studien) sowie attributionstheoretischer Ansätze
(d = .54; 13 Studien). Für Interessenförderung gingen hingegen nur zwei
Studien in die Analyse ein (d = .69), für Zielorientierungen vier (d = .38)
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und für Erwartungs-Wert-Ansätze sieben (d = .39) und für das Leis-


tungsmotiv nur eine (d = .36). Die Metaanalyse weist auch sechs Stu-
dien aus, die zum Ziel hatten, implizite Theorien über Intelligenz und
Begabung zu beeinflussen (d = .56) sowie fünf Studien, die das Zuge-
hörigkeitsgefühl adressierten (d = .35).
Interessanterweise geht aus den Ergebnissen nicht direkt hervor, wie
stark die Wirkung der Trainings auf Motivation als abhängige Variable
war (in den Studien wurden auch zahlreiche andere abhängige Varia-
blen betrachtet, z. B. Leistungsergebnisse). Die entsprechende Effekt-
stärke dürfte jedoch bei d = .54 liegen, was als Wert für die abhängige
Variable „Selbstbericht-Maße“ angegeben ist. Ebenfalls offen bleibt
bei dieser Metaanalyse, wie nachhaltig die Motivation durch die Trai-
nings verändert wurde. Es werden keinerlei Angaben zu den Untersu-
chungszeiträumen gemacht. Dies lässt vermuten, dass die überwie-
gende Mehrheit der Studien keine langfristige Prüfung der Effekte
vorgenommen hat. Insofern liefert diese Metaanalyse keine Evidenz
für die Frage, inwiefern Motivation langfristig durch Trainings verän-
derbar ist.
Überblick Interventio- Einen Überblick über Trainings zur Stärkung der Motivation für MINT-
nen MINT-Motivation
Fächer geben Rosenzweig und Wigfield (2016). Die 53 identifizierten
experimentellen und quasi-experimentellen Interventionen richteten
sich an Schülerinnen und Schüler ab der 6. Klasse bis hin zu Studieren-
den. Leider fasst das Autorenteam die Ergebnisse nicht quantitativ zu-
sammen, außer durch Aussagen wie, dass in 41 der 52 Studien mindes-
tens auf eine motivationale Variable positive Effekte erzielt wurden. Es
zeigte sich ein heterogenes Bild bezüglich der Wirksamkeit. Das Auto-
renteam vermutet, dass vielfach solchen Faktoren bei der Trainings-
konzeption zu wenig Beachtung geschenkt wird, die die Wirkung mo-

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Motivation als Merkmal von Lernenden 203

derieren können (z. B. Geschlecht, Alter, Kontext). Darüber hinaus


kommt das Autorenteam zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit der
Trainings stark in Abhängigkeit des Ausmaßes der theoretischen Fun-
dierung variiert. Für viele Trainings blieben die theoretischen Grund-
lagen und die vermuteten Wirkmechanismen vage. Die besten Wir-
kungen erzielten Trainings mit klar ausformulierten Annahmen über
die dahinterliegenden Mechanismen.
Über Kurzinterventionen, die an motivationalen Prozessen ansetzen,
gibt es bislang noch keine Überblicksarbeiten, die die Effekte quanti-
fizieren. Es liegen jedoch Reviews vor, die die verschiedenen Ansätze
zusammenstellen, systematisieren und deren Effekte auflisten (z. B.
Yeager & Walton, 2011; Walton, 2014). Diese Reviews kommen zu sehr
positiven Einschätzungen sowohl was den Nutzen der Interventionen
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im Vergleich zum Aufwand angeht als auch was die Skalierbarkeit der
Maßnahmen betrifft. Skalierbarkeit ist aktuell ein Modebegriff, der in Skalierbarkeit von
diesem Zusammenhang meint, dass eine Maßnahme dazu geeignet ­Kurzinterventionen?

ist, großflächig eingesetzt zu werden. Da die zugrundeliegenden Stu-


dien sowie die Reviews bislang auf einen relativ kleinen Kreis von Wis-
senschaftsteams zurückgehen und unabhängige Replikationen häufig
noch ausstehen, bleibt abzuwarten, inwiefern diese positiven Bewer-
tungen haltbar bleiben werden.
Zusammenfassend lässt sich zur gezielten Veränderbarkeit der Moti-
vation durch Trainings sagen, dass in verschiedenen Studien durchaus
gute Effekte erzielt wurden. Noch lassen sich jedoch keine zuverlässi-
gen Aussagen darüber treffen, ob bestimmte theoretische Ansätze an-
deren als Grundlage zur Trainingskonzeption überlegen sind, und in-
wiefern tatsächlich überdauernde Motivationsveränderungen erreicht
werden können.

Zusammenfassung
Motivation ist in der Pädagogischen Psychologie ein besonders in-
tensiv beforschtes Thema mit hoher Relevanz für die Optimierung
von Lehr- und Lernprozessen. Es gibt zahlreiche unterschiedliche
Theorien zur Beschreibung der Vorgänge, die Motivation ausma-
chen, und jeder Ansatz hat sich für bestimmte Phänomene und Ziel-
gruppen als nützlich erwiesen.
Auf der Grundlage dieser Theorien sind zahlreiche Ansätze zur Mo-
tivationsförderung entwickelt worden. Diese weisen zusammenge-
fasst moderate Wirkungen auf, wobei eine große Schwankungsbreite
besteht. Eine solide theoretische Fundierung ist dabei ein wesent-
licher Erfolgsfaktor für bessere Wirkungen.

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204 Kapitel 7

Bei dem Versuch, Motivation positiv zu beeinflussen, darf nicht


außer Acht gelassen werden, dass es neben der situativ entstehen-
den Motivation (States) überdauernde motivationale Eigenschaften
(Traits) gibt. Um solche motivationalen Eigenschaften dauerhaft zu
verändern, muss es gelingen, rekursive, sich selbst stabilisierende
Prozesse zu identifizieren und durch motivational günstige rekur-
sive Prozesse zu ersetzen.

Weiterführende
­Literatur Elliott, A., Dweck, C. S. & Yeager, D. S. (2017). Handbook of Competence and Mo-
tivation (2nd ed.). New York: Guilford.
Spinath, B., Dickhäuser, O. & Schöne, C. (Hrsg.). (2018). Psychologie der Moti-
vation und Emotion: Grundlagen und Anwendung in ausgewählten Lern- und
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Arbeitskontexten. Göttingen: Hogrefe.


Wentzel, K. R. & Miele, D. (2016). Handbook of Motivation at School (2nd ed.).
New York: Taylor Francis.

Fragen
1. Warum ist Motivation als Thema der Pädagogischen Psycholo-
gie so bedeutsam?
2. Welche Konstrukte zur Beschreibung von Motivation gibt es und
zu welchen Theorien gehören diese?
3. Welches sind die Elemente der Selbstbewertungstheorie der Mo-
tivation und wie greifen diese ineinander?
4. Welches sind die Kernannahmen der Selbstbestimmungstheo-
rie der Motivation?
5. Inwiefern sind Erkenntnisse über die Entwicklung im Kindesal-
ter wichtig, um interindividuelle Unterschiede in der Lern- und
Leistungsmotivation zu verstehen?
6. Welche Ansätze eignen sich dazu, Lern- und Leistungsmotiva-
tion zu fördern?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Kapitel 8
Selbstreguliertes Lernen
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Inhaltsübersicht
8.1 Das Lernen lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
8.1.1 Eine andere Sicht auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
8.1.2 Übertragung auf Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
8.2 Modelle der Selbstregulation des Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
8.2.1 Strukturmodelle der Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
8.2.2 Prozessmodelle der Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
8.3 Lernstrategien und ihre Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
8.4 Training selbstregulierten Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

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206 Kapitel 8

8.1 Das Lernen lernen

8.1.1 Eine andere Sicht auf Lernen


In den vorangegangenen Kapiteln haben wir Lernen unter verschiede-
nen Perspektiven betrachtet, als Reiz-Reaktions-Kontingenz (vgl.
Kap. 3), als Informationsverarbeitungsprozess (vgl. Kap. 4) und als Auf-
bau domänenspezifischer Expertise (vgl. Kap. 5). Im Mittelpunkt hier-
bei stand, wie in unserer Eingangsdefinition von Lernen (vgl. Kap. 3)
erwähnt, der Aufbau relativ dauerhafter, interner kognitiver Struktu-
ren auf der Basis von Erfahrungen.
Lernen ist auch Neben dieser Sichtweise hat der Begriff „Lernen“ aber auch noch eine
eine ­Tätigkeit
weitere Bedeutung, die sich insbesondere in seiner umgangssprachli-
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chen Verwendung widerspiegelt, etwa wenn sich ein leidgeplagter Vater


beschwert, sein Sohn sei einfach zu faul zum Lernen und produziere
deswegen fortwährend miserable schulische Leistungen. Lernen wird
hier in einem aktiven Sinne als Tätigkeit verstanden, deren Ziel darin
besteht, den oben beschriebenen internen Prozess zu initiieren, in
Gang zu halten und zu fördern. Als Synonym für diese Sichtweise auf
Lernen werden oftmals Begriffe wie üben, studieren oder pauken ver-
wendet. In welchem Zusammenhang stehen nun diese beiden Sicht-
weisen auf Lernen, die man auch als psychologische Sicht (Lernen als
mentale Konstruktion) und pädagogische Sicht (Lernen als Handlung)
bezeichnen kann?
Schon in den theoretischen Modellen, die wir in den grundlegenden
Kapiteln beschrieben haben, wird Lernen als ein aktiver und konstruk-
tiver Prozess beschrieben. Dieser setzt die aktive Verarbeitung des
Lernmaterials durch den Lerner voraus. Was aber bedeutet dies aus
Sicht des Lerners, wie kann er diesen Prozess aktiv beeinflussen und
welche Aktivitäten muss er dazu ergreifen? Wie kann man überhaupt
kognitive Prozesse planvoll steuern und regulieren?
Kybernetik ist die Zur Beantwortung dieser Frage wird in der Psychologie gern auf Mo-
­Wissenschaft der
delle der Kybernetik zurückgegriffen. Hierbei handelt es sich um eine
­Regulation
Wissenschaftsdisziplin, deren Begründung gemeinhin mit dem Namen
des amerikanischen Mathematikers Norbert Wiener (1894–1964) ver-
bunden ist, und die sich mit der Frage der Steuerung und Regelung von
Systemen befasst, gleich ob es sich um technische, biologische oder
kognitive Systeme handelt. So lautete der Titel von Wieners 1948 er-
schienenem Buch, das den Begriff Kybernetik begründete „Cyberne-
tics, or control and communication in the animal and the machine“.
Die Kybernetik war über viele Jahrzehnte eine sehr einflussreiche

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Selbstreguliertes Lernen 207

Vergleich
Ist-Zustand Soll-Zustand

Regulation

Abbildung 19: Modell der Selbstregulation


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Grundlagenwissenschaft, die die Theoriebildung in vielen Disziplinen


wie der Nachrichtentechnik, der Informatik, aber auch der Biologie
und der Psychologie endscheidend mitgeprägt hat.
Die Grundidee einer kybernetischen Betrachtungsweise besteht darin,
Systeme dynamisch zu betrachten, d. h. davon auszugehen, dass sich
jedes System zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Ist-Zu-
stand befindet, der sich durch spezifische Handlungen verändern (steu-
ern und regulieren) lässt. Eine Systemregulation liegt dann vor, wenn
der Ist-Zustand des Systems auf einen bestimmten, vorab definierten
Soll-Zustand hin verändert wird (vgl. Abb. 19). Ist das System nun dazu
in der Lage, diese Veränderung selbst vorzunehmen, spricht man von
Selbstregulation, findet die Steuerung von außen statt, handelt es sich
um Fremdregulation.
Das klassische Beispiel eines selbstregulierten Systems, das sich in na-
hezu jedem Lehrbuch zur Erklärung der Kybernetik finden lässt (Flecht-
ner, 1993), ist das der Heizung (siehe Kasten).

Beispiel eines selbstregulierten Systems


Die Aufgabe der Heizung ist es, die Wohnung oder das Auto zu erwär-
men. Dazu besteht sie vereinfacht ausgedrückt aus einem Effektor (dem
Heizelement) und einer Steuereinheit (dem Thermostat). Das Heizele-
ment kann nun ein- oder ausgeschaltet sein (Systemzustände). Soll die
Wohnung (oder das Auto) erwärmt werden, wählt man eine Temperatur,
die erreicht werden soll (Soll-Zustand). Dann misst das Thermostat die
tatsächliche Temperatur im Raum (Ist-Zustand) und vergleicht diese mit
dem Soll-Wert. Liegt die Temperatur unter dem Soll-Wert, wird die Hei-
zung eingeschaltet und zwar so lange, bis der Soll-Wert erreicht ist. Da-
nach schaltet die Heizung ab. Fällt der Ist-Wert (die Temperatur) wieder

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208 Kapitel 8

unter den Soll-Wert, schaltet sich die Heizung wieder ein. Das System
funktioniert also als dauernder Regelkreislauf aus Messung, Vergleich
und Handlungsentscheidung.

8.1.2 Übertragung auf Lernen


Ein wesentliches Merkmal selbstregulierten Lernens ist nach Weinert
(1982, S. 102), dass der Lernende „die wesentlichen Entscheidungen
darüber, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und
folgenreich beeinflussen kann“, er also aktiv seinen eigenen Lernpro-
zess beeinflusst. In schulischen (oder anderen extern gesteuerten)
Lernsituationen kann der Lernprozess durch eine gute instruktionale
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Gestaltung (vgl. Kap. 10) extern durch eine Lehrperson oder ein Lehr-
Lernen als kyber­ programm gesteuert und gefördert werden. Aber auch dort ist eine
netischer Prozess ­Eigenständigkeit des Lerners Voraussetzung (vgl. das Angebots-­
Nutzungs-Modell erfolgreichen Unterrichts; Helmke, 2012; siehe auch
Kap. 11). Begreift man darüber hinaus Lernen als einen lebenslangen
Prozess, in dem sich Wissen und Kompetenzen größtenteils selbst an-
geeignet werden müssen („Lebenslanges Lernen“), ist die selbständige
Steuerung und Gestaltung des Lernprozesses eine essenzielle Voraus-
setzung für effektives Lernen und eine erfolgreiche Teilhabe an der
Gesellschaft (vgl. z. B. Baumert et al., 2003; Brunstein & Spörer, 2001).
Somit ist nach Weinert (1996) selbstgesteuertes Lernen Ziel des Un-
terrichts, gleichzeitig aber auch seine Voraussetzung und sein Mittel.
Auch Pressley, Borkowski und Schneider (1989) gehen in ihrem Mo-
dell der guten Informationsverarbeitung (GIV-Modell; vgl. Kap. 4)
davon aus, dass planvolles und selbstgesteuertes Lernen und damit
strategisches und reflexives Verhalten des Lernenden die Grundlage
und Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen darstellt. Der „gute
Informationsverarbeiter“ verfügt über eine Auswahl an geeigneten
Strategien, mit denen er bestimmte Problemstellungen bewältigen
kann. Er ist sich im Weiteren darüber bewusst, wann welche Strategien
effektiv eingesetzt werden können. Darüber hinaus sind solche Perso-
nen in der Lage, ihren Lernprozess gut zu planen, zu überwachen und
anzupassen. Außerdem verfügen sie über förderliche Persönlichkeits-
eigenschaften wie z. B. geringe Ängstlichkeit und über hohe Selbstwirk-
samkeitsüberzeugungen.
Brunstein und Spörer (2001) fassen diese Aspekte in drei Funktions-
bereiche bzw. Komponenten zusammen, die dem selbstgesteuerten
Lernen zugrunde liegen. Dabei unterscheiden Sie zwischen (1) kogni-

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Selbstreguliertes Lernen 209

tiven Komponenten, (2) motivationalen Komponenten und (3) meta-


kognitiven Komponenten selbstregulierten Lernens:
1. Kognitive Komponenten: Hierzu zählt das Wissen über Lernstrategien Komponenten
und über ihre effektive Anwendung. In der Forschung zu Lernstilen ­selbstgesteuerten
­Lernens
(für einen Überblick siehe Wild, 2001) werden dabei Personen un-
terschieden, die unterschiedliche Präferenzen haben, mit dem Lern-
material umzugehen. Nach diesem Ansatz kann man z. B. zwischen
Lernern unterscheiden, die eher oberflächlich mit den Informatio-
nen umgehen und eher unzusammenhängende Fakten auswendig
lernen (surface-level approach bzw. reproducing orientation) und zwi-
schen Lernern, die ein tieferes Verständnis erlangen wollen und Ver-
bindungen zwischen den Lernmaterialien und der Umwelt bzw.
schon vorhandenem Wissen knüpfen (deep-level approach bzw. me-
aning orientation).
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2. Motivationale Komponenten: Selbstreguliertes Lernen ist sehr an-


spruchsvoll und kostet kognitive Ressourcen. Dementsprechend
sind motivierte Lerner eher in der Lage, den Lernprozess zu initiie-
ren und gegenüber anderen interessanten Aktivitäten abzugrenzen
und aufrechtzuerhalten (volitionale Kontrolle). Ein „guter Informa-
tionsverarbeiter“ verfügt weiterhin über ein hohes Selbstvertrauen
und hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, die bei einem erfolg-
reichen Lernprozess wiederum erhöht werden können (Schneider,
1996). Die Bewertung des eigenen Lernprozesses und die Attribu-
tion von Erfolg bzw. Misserfolg beeinflusst darüber hinaus die Mo-
tivation für zukünftige Lernprozesse, wie im Folgenden noch näher
erläutert wird (vgl. auch Kap. 7).
3. Metakognitive Komponenten: Die Fähigkeit, den Lernprozess zu pla-
nen, zu überwachen und zu steuern, gilt als wesentlich für erfolgrei-
ches selbstreguliertes Lernen. Nach Klauer (1985) gehören zu einem
erfolgreichen Lernprozess sieben Lehrfunktionen: Motivation, In-
formation, Informationsverarbeitung, Speichern und Abrufen,
Transfer sowie Regulation und Steuerung, wobei die letzte Lehr-
funktion als metakognitive Komponente zu verstehen ist. Aufbau-
end auf den Lehrfunktionen hat Klauer (1985) einen allgemeinen
Lehralgorithmus entwickelt, der gewissermaßen einen Plan zur
Überwachung der Ausführung der ersten sechs Lehrfunktionen dar-
stellt. Für jeden einzelnen Schritt werden dabei kontrollierende
Feedbackschleifen eingeführt und mögliche hilfreiche Strategien
zur Umsetzung der einzelnen Prozesse zur Verfügung gestellt. Zu
den metakognitiven Komponenten zählt weiterhin das Wissen über
die eigenen Fähigkeiten sowie über das eigene Lernverhalten (Brun-
stein & Spörer, 2001).

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210 Kapitel 8

8.2 Modelle der Selbstregulation


des ­Lernens
Zur Verdeutlichung der komplexen Zusammenhänge werden im Kon-
text der Selbstregulationsforschung vielfach Modelle der Selbstregu-
lation verwendet. Diese fokussieren dabei auf unterschiedliche Aspekte
selbstregulierten Lernens und werden in der Regel in Strukturmodelle
(auch Komponentenmodell genannt) und Prozessmodelle unterschie-
den (Winne & Perry, 2000). Während Strukturmodelle vor allem auf
die Beschreibung des „Was“ der Regulation fokussieren, setzen sich
Prozessmodelle in erster Linie mit dem „Wie“ der Regulation ausein-
ander. Beide Modelltypen stehen also nicht in direkter Konkurrenz zu-
einander, sondern ergänzen sich vielmehr.
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8.2.1 Strukturmodelle der Selbstregulation


Das bekannteste Strukturmodell der Selbstregulation stellt das Drei-
Schichten-Modell von Monique Boekaerts (z. B. Boekaerts, 1999) dar
(vgl. Abb. 20). Das Modell von Boekaerts basiert auf den Grundannah-
men des Lernens als Prozess der Informationsverarbeitung, wie wir
ihn in Kapitel 4 vorgestellt haben. Sie geht davon aus, dass die Effizi-
enz der Informationsverarbeitung gezielt durch Steuerungs- und Re-
gulationsmaßnahmen unterstützt werden kann. Diese können nach
ihrem Modell auf drei, miteinander interagierenden Ebenen (Schich-
ten) angesiedelt sein, die häufig wie in unserer Abbildung als drei über-
einanderliegende Ellipsen visualisiert werden.

nd
Regulatio es Selbst
o n d e s L e r n p ro z e s
u l a ti se s
Reg

Regulation des
Selbstreguliertes Lernen
Verarbeitungsmodus

Abbildung 20: Strukturmodell von Boekaerts (nach Boekaerts, 1999)

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Selbstreguliertes Lernen 211

Auf der inneren, ersten Ebene bezieht sich die Selbstregulation auf den Selbstregulation erfolgt
Prozess der Informationsverarbeitung selbst (Regulation des Verarbei- auf drei verschiedenen
Ebenen
tungsmodus). Hier sind all jene Prozesse und Strategien angesiedelt,
die direkt die einzelnen Schritte der Informationsverarbeitung tangie-
ren (Informationsauswahl, -organisation, -integration; aber auch Ak-
tivierung von Vorwissen usw.). Viele Lernstrategien und Lerntechni-
ken (vgl. Abschnitt 8.3) beziehen sich auf diese innere Ellipse.
Auf der zweiten, mittleren Ebene beziehen sich die Regulationsmecha-
nismen auf den Lernprozess insgesamt (Regulation des Lernprozesses).
Hier geht es vor allem um den Einsatz metakognitiver Strategien und
Kompetenzen. Regulationsgegenstand ist also nicht mehr der Lernin-
halt (also die Frage, ob man etwas richtig verstanden hat), sondern der
Lernprozess als solches, also etwa die Frage, ob genügend Ressourcen
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bereitgestellt wurden, die Lernstrategien richtig und effizient ange-


wendet wurden und das Lernziel erreicht wurde. Ersichtlich sind die
Ebenen nicht unabhängig voneinander, metakognitive Strategien set-
zen kognitive Aktivitäten voraus, deren Effizienzeinschätzungen wie-
derum metakognitive Überwachungsprozesse bedingen. Dennoch er-
scheint es nützlich, zwischen den beiden Ebenen zu unterscheiden, hat
man doch innerhalb einer Lernhandlung in der Regel eine Vielzahl ver-
schiedenere kognitiver Strategien zur Auswahl, die man zur Zielerrei-
chung anwenden kann und die sich möglicherweise hinsichtlich ihrer
Effizienz unterscheiden, aber durch die gleichen metakognitiven Pro-
zesse (Planung, Steuerung, Überwachung, Bewertung) kontrolliert
werden können.
Die dritte, äußere Schicht schließlich (Regulation des Selbst) befasst sich
mit der Auswahl und Bewertung von Zielen und Ressourcen. Hier sind
Mikroziele (Verstehen einzelner Lerninhalte) wie auch Makroziele
(Ausbildungs-, Bildungs- und Lebensziele) gemeint. Hierbei spielen
nicht nur kurz- sondern auch langfristige Überlegungen und Motive
eine Rolle bei der Handlungssteuerung. Das Modell zeichnet sich also
durch eine zunehmende Allgemeinheit der Schichten und eine stei-
gende Komplexität des Steuerungsprozesses aus.
Aufgrund seiner Einfachheit und Plausibilität, aber auch aufgrund der
enormen Produktivität der Forschergruppe um Boekaerts kann man
das Modell heute als ein Standardmodell des selbstregulierten Lernens
betrachten. Es hat eine Vielzahl von Forschungsarbeiten inspiriert und
ist insbesondere zu Klassifikationszwecken sehr gut geeignet.

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212 Kapitel 8

8.2.2 Prozessmodelle der Selbstregulation


Im Unterschied zu Strukturmodellen interessieren sich Prozessmodelle
weniger für die Regulationsebene, als vielmehr für den Vorgang der
Regulation. Nach Zimmerman (2000, S. 14) umfasst Selbstregulation
„alle geplanten selbsterzeugten Gedanken, Gefühle und Handlungen,
die über zyklische Anpassungsprozesse auf die Erreichung persönli-
cher Ziele ausgerichtet sind“ (zit. nach Pickl, 2004). Selbstregulation
wird also als ein periodischer Prozess verstanden, wobei die Rückmel-
dung über den Lernerfolg bzw. den Lernprozess zur Anpassung des zu-
künftigen Vorgehens genutzt wird. Zimmerman (2000) unterscheidet
drei Phasen des Selbstregulationsprozesses: (1) die Planungsphase,
(2) die Phase der Handlungs- bzw. Willensbezogenen Kontrolle und
(3) die Selbstreflexionsphase (vgl. Tab. 9).
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Tabelle 9: Phasenstruktur des Selbstregulationssystems (nach Zimmerman,


2000, S. 16)

Handlungs- und
Planungsphase ­Willensbezogene Selbstreflexion
Kontrolle

Aufgabenanalyse Selbstkontrolle Selbstbeurteilung

• Zielsetzung • Selbstinstruktion • Selbstevaluation


• Strategieplanung • Bildhafte • Attribution
­Vorstellungen
• Aufmerksamkeits-
lenkung
• Aufgaben­
strategien

Motivationale Selbstbeobachtung Selbstreaktion


­Überzeugung

• Selbstwirksamkeit • Selbst­ • Zufriedenheit


• Ergebnis­ aufzeichnung • Adaptive/defen-
erwartung • Selbst­ sive Reaktion
• Intrinsisches experimente
­Interesse
• Zielorientierung

Schmitz (2001) untergliedert in seinem auf Zimmerman basierenden


Prozessmodell der Selbstregulation in präaktionale, aktionale und
postaktionale Phase (vgl. Abb. 21):

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Selbstreguliertes Lernen 213

Präaktionale Phase Aktionale Phase

Situation Filter: Automatik Lernqualität:


• Lernstrategien
Filter: Ressourcen − Metakognitive Strategien
• Motivation − Ressourcenmanagement
• Selbstwirksamkeit − Kognitive Strategien
• Energie, Emotion • Self-Monitoring
• Volitionale Strategien

Aufgabe Ziele Lernquantität:


Planung • Zeit

Lernergebnis:
• Qualität
• Quantität
Selbstreflexion • Zufriedenheit
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Emotion
Reaktion

Postaktionale Phase

Abbildung 21: Prozessmodell von Schmitz (nach Schmitz & Schmidt, 2007, S. 12)

1. Präaktionale Phase (Planungsphase): In dieser, dem Lernen voraus- Zeitliche Phasen


gehenden Phase besteht die Aufgabe des Lerners darin, eine Ana- der Selbstregulation

lyse des zu bewältigenden Problems oder der Lernaufgabe vorzu-


nehmen. Diese Aufgabenanalyse wird dabei von motivationalen
Überzeugungen des Lerners beeinflusst. Sinnvolle Ziele zu setzen,
ist die Grundlage des selbstregulierten Lernens. Dabei sollten Ziele
möglichst konkret sein, die Erreichung in naher Zukunft möglich
sein und der Schwierigkeitsgrad eine Überprüfung der eigenen Fä-
higkeiten ermöglichen, sie sollten demnach nicht zu schwer und
nicht zu leicht sein (Schreiber, 1998). Motivationale Überzeugun-
gen des Lerners, wie die eigene Selbstwirksamkeit und die Zielori-
entierung, beeinflussen hierbei unter anderem die wahrgenommene
Schwierigkeit von Zielen. Auch ist die Relevanz, die der Zielerrei-
chung beigemessen wird, ein wichtiger Faktor, ob der Lernprozess
initiiert und durchgehalten wird (z. B. Friedrich & Mandl, 1997). Ein
weiterer wichtiger Schritt innerhalb dieser ersten Phase ist die Pla-
nung der Strategien, die zur Erreichung des Lernziels eingesetzt wer-
den. Dafür ist das Wissen um Strategien ebenso relevant wie das
Wissen, welche Strategien für welche Aufgabe und unter welchen
Bedingungen erfolgversprechend eingesetzt werden können (z. B.
Brunstein & Spörer, 2001).
2. Aktionale Phase (Phase der Handlungs- bzw. Willensbezogenen Kon­
trolle): In dieser Phase wird die eigentliche Lernhandlung ausge-

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214 Kapitel 8

führt, d. h. die ausgewählten Strategien kommen zum Einsatz. We-


sentliche Bedeutung wird darüber hinaus der permanenten
Überwachung der Lernhandlung beigemessen (Schmitz, 2001; Zim-
merman, 2000), wobei einerseits das Beobachten und die damit
verbundene Kontrolle der eigenen Handlung und der Zielerreichung
(vgl. z. B. Lehralgorithmus nach Klauer, 1985), andererseits auch die
Aufrechterhaltung des Lernprozesses und eine Abschirmung gegen-
über konkurrierenden Handlungstendenzen (volitionale Kontrolle)
ins Blickfeld rückt.
3. Postaktionale Phase (Selbstreflexionsphase): In dieser Phase werden
auf kognitiver Ebene sowohl Bewertungen hinsichtlich der Errei-
chung des angestrebten Ziels und der Durchführung des Lernpro-
zesses als auch Ursachenzuschreibungen vorgenommen. Das Ergeb-
nis wird dabei mit den zuvor gesteckten Zielen verglichen, dieser
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Vergleich ist umso einfacher möglich, je konkreter die Zielvorgabe


war. Eine Beurteilung der Effektivität der Vorgehensweise, der ein-
gesetzten Methoden und Strategien ist ebenfalls in dieser Phase not-
wendig. Darüber hinaus werden Erklärungen für das Zustandekom-
men von Ergebnissen gesucht, insbesondere, wenn das Ergebnis
nicht mit den Erwartungen übereinstimmt. Diese Attributionspro-
zesse beeinflussen wiederum die Motivation für zukünftige Lern-
prozesse, eine negative Beeinflussung liegt z. B. dann vor, wenn
Misserfolge auf mangelnde Fähigkeiten attribuiert werden, eine för-
derliche Attribution wäre die Ursachenzuschreibung auf die falsche
Strategie (z. B. Försterling, 1988; Weiner, 1979; vgl. auch Kap. 7). Auf
affektiver Ebene spielt die Zufriedenheit mit dem Ergebnis und dem
Lernprozess eine Rolle, deren Bewertung meist unwillkürlich und
automatisiert abläuft. Diese Bewertungsprozesse laufen bei Unzu-
friedenheit des Lerners mit dem Ergebnis bzw. dem Lernprozess in
eine erneute präaktionale Phase, in der z. B. neue Ziele gesetzt, wei-
tere Handlungsschritte initiiert oder Lernhandlungen angepasst
werden.
Das Modell von Schmitz ist insbesondere in der deutschsprachigen For-
schung weit verbreitet und hat eine Vielzahl empirischer Arbeiten, ins-
besondere zum Training von Selbstregulation, motiviert (z. B. Otto,
2007; Perels, 2003). Eine Besonderheit dieser Forschung besteht – ba-
sierend auf der (zeit-)phasenorientierten Konzeption des Modells – in
der Anwendung längsschnittlicher, zeitreihenanalytischer Analysever-
fahren, die ansonsten in der pädagogisch-psychologischen Forschung
nur selten anzutreffen sind.
Weitere Modelle Ein interessantes, wenn auch weit weniger verbreitetes Lernstrategie-
der Selbstregulation
modell hat die Essener Arbeitsgruppe um D. Leutner mit dem EPOS-

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Selbstreguliertes Lernen 215

Metakognitive Strategie

Ist-Zustand Ziel: kognitive Strategie Lernergebnis


Schritt 1 (?)
Schritt 2 (?)
Schritt 3 (?)

Abbildung 22: EPOS-Modell (nach den Elzen-Rump & Leutner, 2007, S. 253)

Modell (Essener prozess-orientiertes Selbstregulationsmodell; Leut-


ner & Leopold, 2006; den Elzen-Rump & Leutner, 2007) vorgelegt
(vgl. Abb. 22).
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Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Prozessmodell, das auf kog-


nitionspsychologischen Annahmen über den Prozess der Informati-
onsverarbeitung basiert. Grundlage des Modells ist das von Klauer
(1985; Klauer & Leutner, 2012) formulierte Lehrfunktionsmodell. Die-
ses geht davon aus, dass Lernen als ein quasi-algorithmischer Prozess
der Informationsverarbeitung aufgefasst werden kann, dessen Effizi-
enz durch die gezielte Unterstützung einzelner Prozessschritte ge­
fördert werden kann. Erfolgt nun diese Unterstützung nicht wie im
klassischen Unterricht durch den Lehrer (durch sogenannte Lehrfunk-
tionen), sondern durch den Lerner selbst, spricht Leutner von selbst-
gesteuertem Lernen, der Lerner wird also quasi zu seinem eigenen
Lehrer. Von besonderer Bedeutung ist dabei für ihn das Ausmaß, in
dem der Lerner dazu in der Lage ist, diese Selbstunterstützung durch
korrekte und zielgerichtete Anwendung von Lernstrategien zu leisten.
Im Mittelpunkt des EPOS-Modells steht daher Mikroregulation des
Strategieeinsatzes während der konkreten Lernhandlung, weniger die
Überwachung der Zielerreichung am Ende des Lernprozesses (den El-
zen-Rump & Leutner, 2007, S. 253 – 254).
Ein Vorzug des EPOS-Modells besteht darin, dass es den Blick auf die
praktische Ausführung der Regulationshandlung richtet. Nach diesem
Modell kommt es nicht in erster Linie darauf an, über möglichst viele
Strategien zur Selbstregulation zu verfügen, sondern darauf,
diejenige(n), die man im Lernprozess einsetzt, möglichst gut und effi-
zient zu verwenden. Erfolgreiches Lernen kann also durchaus auf dem
Einsatz von nur wenigen (oder vielleicht nur einer einzigen)
Lernstrategie(n) beruhen, vorausgesetzt, diese wird qualitativ hoch-
wertig eingesetzt. Damit rücken zwei Fragen in den Mittelpunkt, die
wir im Folgenden näher beleuchten wollen, nämlich die Frage nach Er-
fassung des Lernstrategieeinsatzes und der Trainierbarkeit von Lern-

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216 Kapitel 8

strategien. Zunächst wollen wir aber kurz die vielfältigen Klassifikati-


onsmodelle von Lernstrategien vorstellen.

8.3 Lernstrategien und ihre Klassifikation


Nach Pressley et al. (1989) können Lernstrategien als zielgerichtete,
potenziell bewusste und kontrollierbare Prozesse beschrieben werden.
Potenziell bewusst meint hierbei, dass sie meist zu Beginn bewusst ein-
geübt werden müssen, jedoch durch zunehmende Anwendung auto-
matisiert werden, und damit unbewusst ablaufen können. Lernstrate-
gien sind weiterhin nach Klauer (1996b, S. 138) „Pläne für eine
Handlungssequenz, die auf die Erreichung eines Lernziels ausgerich-
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tet sind“. Diese Definition steht sozusagen in der Mitte zweier differie-
render Positionen, bei denen der Bewusstheitsgrad für den Einsatz von
Lernstrategien (per se bewusstseinspflichtig vs. automatisiert ablau-
fende Prozesse) im Mittelpunkt der Diskussion steht (z. B. Baumert &
Köller, 1996).
Unterschiedliche Systematiken zur Kategorisierung von Lernstrategien finden sich in der
­Klassifikationsschemata Literatur recht viele. Dansereau (1985) unterteilt in Primär- und Stütz-
für Lernstrategien
strategien, wobei Primärstrategien alle Strategien umfassen, die den
Informationsverarbeitungsprozess direkt beeinflussen. Stützstrategien
haben die Aufgabe, motivationale und exekutive Funktionen zu steu-
ern, die den Lernprozess indirekt beeinflussen, wozu auch metakog-
nitive Strategien zählen. Eine weitere mögliche Einteilung nach Mikro-,
Meso- und Makrostrategien schlagen z. B. Derry und Murphy (1986) vor.
Dabei nehmen die Komplexität und die zeitliche Dauer der Informa-
tionsverarbeitungsprozesse zu. Zu Mikrostrategien zählen dabei z. B.
einfache Vergleiche, Finden von Oberbegriffen etc. In die Mesoebene
werden Strategien eingeordnet, die bei komplexeren Informationsver-
arbeitungsprozessen eingesetzt werden, z. B. für das Verstehen länge-
rer Texte. Makrostrategien sind für längerfristige Prozesse geeignet,
wie z. B. das längerfristige Arbeitsverhalten im Studium o. Ä. (Friedrich
& Mandl, 1992).
In Anlehnung an die Systematiken von Weinstein und Mayer (1986)
sowie der Arbeitsgruppe um Pintrich (z. B. VanderStoep & Pintrich,
2003) haben Friedrich und Mandl (2006) eine Systematisierung vor-
geschlagen, die die Umfassendste zu sein scheint und daher im Fol-
genden näher vorgestellt wird. Die Autoren unterscheiden in:
1. kognitive Lernstrategien,
2. Motivations- und Emotionsstrategien,

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Selbstreguliertes Lernen 217

3. Strategien für das kooperative Lernen und


4. Strategien zur Ressourcennutzung.
Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass die Unterschiede zwi-
schen den einzelnen Strategiegruppen nicht als absolut betrachtet wer-
den können, da die Strategien häufig „multifunktionalen Charakter“
besitzen (Friedrich & Mandl, ■1992, S. 2).
1. Kognitive Lernstrategien: Hierzu zählen alle Strategien, die für die Verschiedene Lernstra-
tegien zielen auf unter-
Verarbeitung von Informationen angewendet werden (Informati- schiedliche Effekte
onsaufnahme, Verarbeitung, Speicherung, Abruf, Transfer etc.)
sowie metakognitive Lernstrategien zur Steuerung und Kontrolle
des Lernprozesses. Etwas differenzierter können diese noch in Wie-
derholungs-, Elaborations- und Organisationsstrategien unterteilt
werden. Wiederholungsstrategien dienen dabei hauptsächlich der
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Aufrechterhaltung einer Information im Arbeitsgedächtnis und der


Überführung ins Langzeitgedächtnis – das wiederholte Aufsagen
einer Telefonnummer zählt z. B. dazu. Elaborationsstrategien, bei
denen neue Informationen in bestehende Wissensstrukturen inte-
griert werden (wie z. B. Fragen stellen, Analogien herstellen, Visua-
lisierungen, Notizen machen, Vorwissen aktivieren), und Organisa-
tionsstrategien, bei denen die Informationen in eine sinnvolle
Struktur gebracht werden (z. B. Zusammenfassungen von Texten er-
stellen, Überschriften bilden, Mind Maps erstellen) dienen eher der
tieferen Verarbeitung und dem dauerhaften Behalten von Informa-
tionen. Metakognitive Strategien werden zur Planung („Wie gehe
ich am besten vor?“), Überwachung („Habe ich das wirklich verstan-
den?“), Bewertung („Das habe ich noch nicht richtig gelöst“) und
Steuerung („Da muss ich jemanden fragen“) des Lernprozesses ein-
gesetzt. Des Weiteren nennen Friedrich und Mandl (1992) noch Stra-
tegien zur Wissensnutzung, die hauptsächlich eingesetzt werden
sollen, wenn Inhalte auch in anderen Bereichen eingesetzt und ge-
nutzt werden sollen (Anwendung und Transfer; z. B. Schreiben von
Texten, Argumentieren/Diskutieren im sozialen Kontext).
2. Motivations- und Emotionsstrategien dienen hauptsächlich zur Akti-
vierung und Aufrechterhaltung der Motivation zum Lernen (z. B. An-
reize setzen, realistische Zielsetzung, persönlichen Bezug zum Lern-
gegenstand herstellen). Motivationale Bedingungen des Lerners
beeinflussen den Lernprozess dabei indirekt z. B. durch das aufge-
wendete Maß an Anstrengung und Ausdauer oder die Auswahl der
Aufgaben und der Lernstrategien (Schiefele & Streblow, 2006;
Schreiber, 1998). Emotionale Lernprobleme, wie z. B. Prüfungsangst,
können mit eigenen Strategiemaßnahmen beeinflusst werden, wie
z. B. das Herbeiführen eines entspannten Zustandes, die positive

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218 Kapitel 8

Uminterpretation der Situation als kontrollierbar etc. (Mandl &


Friedrich, 2006; Pekrun & Götz, 2006).
3. Zu Strategien für kooperatives Lernen zählen z. B. Kooperationsskripts,
durch die Hilfestellungen für das Lernen in interaktive Lernformen
gegeben werden oder auch das sogenannte Academic Help Seeking
(Mandl & Friedrich, 2006). Kooperative Lernsituationen wirken
lern- und motivationsförderlich, wenn der soziale Austausch ad-
äquat gestaltet wird.
4. Strategien zum Ressourcenmanagement beziehen sich auf Aktivitäten,
die es dem Lerner ermöglichen, die zur Verfügung stehenden Res-
sourcen wie Zeit, Lernorte und -materialien usw. effektiv für den
Lernprozess zu nutzen. So sollten Lerner ihre Arbeitszeit effektiv
planen und einteilen, die Lernsituation oder den Arbeitsplatz ange-
nehm und lernförderlich gestalten oder auch die externen Wissens-
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speicher (Bücher, selbst erstellte Dokumente, Notizen, Datenban-


ken etc.) sinnvoll organisieren und strukturieren (Mandl & Friedrich,
2006). Strategien zur Gestaltung von Lernsituationen können wei-
terhin auch zur Aufrechterhaltung des Lernprozesses förderlich sein
(volitionale Strategien), wie sich typische Ablenkungen bewusst ma-
chen und fernhalten, Abwechslung schaffen usw.
Kann man den Um festzustellen, ob und inwieweit ein Lerner dazu in der Lage ist,
­Einsatz von
Lernstrategien zur Durchführung und Aufrechterhaltung von Selbst-
­ ernstrategien messen?
L
regulationsprozessen anzuwenden, ist es zunächst von entscheiden-
der Bedeutung, diese angemessen erfassen zu können. Grundsätzlich
lassen sich dabei zwei verschiedene Gruppen von Methoden zur Erfas-
sung selbstregulierter Lernaktivitäten unterscheiden: (1) Selbstbeur-
teilungen, d. h. solche, bei denen der Lerner selbst Auskunft über seine
Aktivitäten gibt und (2) Fremdbeurteilungen, d. h. solche, bei denen
das Lernerverhalten durch einen Dritten (z. B. einen Lehrer oder ein
technisches System) beobachtet und erfasst wird (vgl. auch Kap. 2).
Wie auch in anderen Bereichen der Lehr-Lernforschung diskutiert (vgl.
Ericsson & Simon, 1980; Brünken, Plass & Leutner, 2003) haben beide
Verfahrenstypen spezifische Vor- und Nachteile. So sind Selbstaus-
künfte eher mit Reliabilitäts- und Validitätsproblemen behaftet, Fremd-
beurteilungen haben häufig den Nachteil eines erhöhten Erfassungs-
aufwandes, zudem können sie nur beobachtbares Verhalten erfassen,
was gerade bei internen kognitiven Prozessen (z. B. der mentalen Ani-
mation von Vorstellungen; vgl. Park, Münzer, Seufert & Brünken, 2016)
nicht immer möglich ist.
In der Lernstrategieforschung überwiegen national wie international
eindeutig Selbstberichtsverfahren zur Erfassung des Lernstrategiege-
brauchs. Besonders beliebt sind dabei Fragebogenverfahren, wie z. B.

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Selbstreguliertes Lernen 219

im deutschsprachigen Raum das Kieler Lernstrategie-Inventar (Baumert,


Heyn & Köller, 1992) und das Inventar zur Erfassung von Lernstrategien
im Studium (LIST; Wild & Schiefele, 1994; Wild et al., 1992). Interna-
tional verbreitet sind das Learning and Study Strategies Inventory (LASSI; Vorzüge und Probleme
von Fragebögen zur
Weinstein, 1987) und der Motivated Strategies for Learning Questionnaire
­Erfassung von
(MSLQ; Pintrich & de Groot, 1990). Ein Überblick über und eine me- ­Lernstrategien
thodenkritische Bewertung verschiedener Verfahren findet sich z. B.
bei Artelt (2000a, b). Allerdings sind die Lernstrategiefragebögen mit
einigen methodischen Schwierigkeiten behaftet, die oft nur zu gerin-
ger prädiktiver Validität führen können (siehe Kasten).

Methodische Probleme von Lernstrategiefragebögen


• Retrospektivität: In Lernstrategiefragebögen werden die Lerner dazu
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

aufgefordert, sich daran zu erinnern, welche Strategien sie einset-


zen; hier stellt sich die Frage, wie gut Lernende dazu in der Lage sind,
dies zu listen und inwieweit die Antworten von gedächtnispsycholo-
gischen Effekten (z. B. primacy und recency-Effekte) beeinflusst wer-
den.
• Inhaltsunabhängigkeit: Lernstrategiefragebögen fragen allgemein
nach dem Strategieeinsatz und nicht in Bezug auf bestimmte Lern-
inhalte. Zumindest implizit wird hier also unterstellt, dass der Ein-
satz bestimmter Strategien für jede Form von Lerninhalten gleicher-
maßen angemessen ist.
• Bewusstheit und Reaktivität: Wie alle subjektiven Befragungsver-
fahren setzen auch Lernstrategiefragebögen voraus, dass sich die
Lerner der entsprechenden (kognitiven) Aktivitäten in hinreichendem
Ausmaß bewusst sind. Ist dies nicht oder nur unzureichend der Fall,
ist es durchaus vorstellbar, dass die Lernenden erst durch die Be-
schreibung der Lernstrategie im Fragebogen auf die entsprechende
Aktivität hingewiesen werden, das Verfahren also die Antwort erst
hervorruft (Reaktivität).
• Quantifizierung: Die Aufforderung zur Quantifizierung des Lernstra-
tegieeinsatzes in den Fragebögen geht von einer „je mehr umso
besser“-Hypothese aus, d. h. hier liegt die Annahme zugrunde, dass
Lernen umso effektiver erfolgt, je mehr Lernstrategien möglichst oft
eingesetzt werden. Dem steht, wie in Abschnitt 8.2.2 erwähnt, die An-
nahme entgegen, dass es nicht auf die Menge, sondern auf die Qua-
lität des Lernstrategieeinsatzes ankommt, wie etwa vom EPOS-Mo-
dell angenommen (Leutner & Leopold, 2005).

Neben den verschiedenen Lernstrategiefragebögen, die insbesondere


wegen ihrer ökonomischen Form in den meisten Forschungsarbeiten
eingesetzt werden, gibt es noch eine Reihe weiterer Verfahren zur Er-
fassung von Lernstrategien. Spörer und Brunstein (2006) führen hier

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220 Kapitel 8

in erster Linie Interviews zum Lernverhalten, Lautes Denken und Lern-


tagebücher auf (vgl. auch Kap. 2). In Studien, in denen gleichzeitig ver-
schiedene Erfassungsverfahren eingesetzt wurden, zeigen sich jedoch
nur geringe korrelative Zusammenhänge zwischen den Verfahren (Spö-
rer & Brunstein, 2006), was den Schluss nahelegt, dass verschiedene
Verfahren verschiedene Aspekte selbstregulierten Lernens erfassen,
sodass Spörer und Brunstein für eine multimethodale Erfassung von
Lernstrategien plädieren (siehe auch Otto, Perels & Schmitz, 2011). Al-
lerdings bleibt auch dann die gemeinsame Varianzaufklärung verschie-
dener Verfahren in Bezug auf den Lernerfolg als Maß prognostischer
Validität eher gering.

8.4 Training selbstregulierten Lernens


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Der Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen wird in der modernen


empirischen Bildungsforschung zentrale Bedeutung zugemessen
­
­(Baumert et al., 2003). Dies wird insbesondere mit den schnellen (tech-
nologischen) Veränderungsprozessen moderner postindustrieller Wis-
Lernstrategien als sensgesellschaften begründet, die (Stichwort „Lebenslanges Lernen“)
Schlüsselkompetenzen die individuelle Anpassung an sich schnell ändernde berufliche Anfor-
zum lebenslangen
­Lernen derungen notwendig machen. Selbstregulationsfähigkeiten werden
dabei zu Schlüsselkompetenzen, insbesondere dann, wenn schulische
Bildungsprozesse, in denen die Vermittlung zentraler Kompetenzen
von Lehrpersonen initiiert, überwacht und bewertet werden (vgl. Kap.
11), abgeschlossen sind (Schreiber, 1998; Schmitz & Schmidt, 2007).
Seit Langem wird in der Pädagogischen Psychologie daher die Frage
untersucht, ob und wie die Fähigkeit zur Selbstregulation gefördert
werden kann, ob man also „das Lernen lehren“ kann.
Neben unzähligen Primärstudien zur empirischen Überprüfung der
Wirkung einzelner Trainingsmaßnahmen, liegen dazu mittelweile
neben älteren (Hattie, Biggs & Purdie, 1996) auch neuere Metaanaly-
sen (Dignath & Büttner, 2008; Dignath, Büttner & Langfeldt, 2008;
Donker, de Boer, Kostons, Dignath van Ewijk & van der Werf, 2014;
Seidel & Shavelson, 2007), sowie die bekannte Meta-Metaanalyse von
Hattie (2009) vor.
Typischerweise erfolgt die empirische Prüfung der Wirkung von För-
dermaßnahmen im Rahmen von Trainingsstudien (vgl. auch Kap. 12).
Dabei wird meist in quasi-experimentellen Zwei-Gruppenstudien mit
(trainierter) Experimental- und (untrainierter) Kontrollgruppe die Wir-
kung eines spezifischen Trainingsprogramms auf (häufig artifizielle)
Lehrmaterialien untersucht, wobei man davon ausgeht, dass die trai-

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Selbstreguliertes Lernen 221

nierten Probanden einen höheren Lernerfolg (in einer Prä-Post-Mes-


sung) aufweisen, als untrainierte Probanden. Dieses, auch in anderen
Bereichen der Pädagogischen Psychologie (z. B. der Forschung zum
Lernen mit neuen Medien, vgl. Kap. 9) durchaus übliche Vorgehen, hat
zur Beurteilung der generellen Wirksamkeit selbstregulationsbezoge-
ner Trainingsmaßnahmen eine Reihe von Schwierigkeiten:
• In der Regel handelt es sich bei den untersuchten Trainingsprogram-
men um von den Autoren der Evaluationsstudien selbst konstruierte
Interventionen.
• Die experimentelle Überprüfung erfolgt meist an nur einer Trai-
ningsgruppe, häufig durch die Trainingsautoren selbst.
• Die Auswahl und Anwendung einzelner Trainingselemente basiert
auf verschiedenen theoretischen Modellen der Selbstregulation (vgl.
Abschnitt 8.2), die eine Vergleichbarkeit erschwert.
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

• Meist beziehen sich die Trainings auf spezifische Teilprozesse, so-


dass die Generalisierbarkeit der Trainings oft fraglich ist.
• Der Trainingserfolg wird durch verschiedene Selbst- und Fremdaus-
kunftsverfahren oder durch objektive Maße erhoben, bei denen es
sich meist (etwa in Bezug auf die Steigerung des Lernerfolgs) um
unstandardisierte, selbst konstruierte Lerntests handelt, die zudem
oft von ungeprüfter psychometrischer Güte sind.
In Metaanalysen versucht man, diesen Problemen zumindest teilweise
dadurch zu begegnen, dass man die verwendeten Trainings konzeptu-
ell zu Gruppen zusammenfasst, die Gruppengrößen, Inhaltsdomänen
und Messinstrumente bei der Effektschätzung berücksichtigt und die
Ergebnisse der Leistungsmaße standardisiert (Donker et al., 2014).
Letztendlich können aber auch Metaanalysen nur so gut sein, wie die
darin analysierten Primärstudien.
In ihrer Metaanalyse klassifizieren Donker et al. (2014) die zusammen- Welche Lernstrategien
sind effektiv?
gestellten Primärstudien zunächst nach verschiedenen Kriterien: (1)
der trainierten Strategie; (2) Eigenschaften der untersuchten Proban-
den; (3) den verwendeten Messinstrumenten und (4) den untersuchen
Schulfächern. Tabelle 10 zeigt die diesbezüglichen mittleren Effekt-
stärken (Hedges’ g). Bei diesem Vorgehen werden einzelne Primärstu-
dien natürlich mehrfach berücksichtigt. Insgesamt gingen in die Me-
taanalyse 58 Primärstudien mit 95 Trainingsinterventionen ein.

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222 Kapitel 8

Tabelle 10: Ergebnisse (Effektstärken) einer Metaanalyse zu Lernstrategietrai-


nings (nach Donker et al., 2014, S. 9)

Anzahl Effektstärke
Variablen
­Interventionen Hedges’ g

Strategien

Kognitive Strategien
• Wiederholung 10 1.39
• Elaboration 50 .75
• Organisation 32 .81

Metakognitive Strategien
• Planung 68 .80
• Monitoring 81 .71
• Evaluation 54 .75
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Management-Strategien
• Anstrengung 15 .77
• Gruppe 21 .83
• Umwelt 6 .59

Motivationale Aspekte
• Self-efficacy 13 .72
• Aufgabenwert 6 1.84
• Zielorientierung 6 .59

Metakognitives Wissen
• Allgemein 35 .97
• Personal 13 .94

Personencharakteristiken

• Normal 67 .61
• Geringer SÖS und ethni- 7 .72
sche Minderheit
• Besonderer Hilfebedarf 14 .89
• Hochbegabt und hoher SÖS 7 .72

Messinstrumente

• Selbst entwickelt 122 Effektstärken .78


• Interventionsunabhängig 50 Effektstärken .45
• Unbekannt 8 Effektstärken

Fachinhalt

• Lesen 23 .36
• Schreiben 16 1.25
• Mathematik 449 .66
• Naturwissenschaften 3 .73
• Andere .23
Anmerkungen: SÖS = sozioökonomischer Status

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Selbstreguliertes Lernen 223

In einem zweiten Schritt vergleichen die Autoren nun mittels Regres-


sionsanalysen gruppenweise, ob sich die gefundenen Effekte für ver-
schiedene Probandengruppen, in den verschiedenen Inhaltsdomänen
und unter Berücksichtigung verschiedener Messinstrumente unter-
scheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Lernstrategien grundsätz-
lich erfolgreich trainieren lassen. Es zeigen sich aber auch erhebliche
Unterschiede, sowohl hinsichtlich der trainierten Strategien als auch
der trainierten Domänen. So deuten die Ergebnisse darauf hin, dass
neben einfachen kognitiven Strategien (Rehearsal) insbesondere mo-
tivationale, aufgabenbezogene Strategien (Task value) besonders ef-
fektiv sind. Dies deckt sich auch mit Ergebnissen der Meta-Metaana-
lyse von Hattie (2009), bei der metakognitive Strategien ebenfalls
einen bedeutenderen Effekt (d = .69) als Lerntechniken aufwiesen
(d = .59). Allerdings zeigt die Studie von Donker et al. (2014) auch, dass
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der Effekt deutlich größer ist, wenn der Lernerfolg mit ad hoc konst-
ruierten Tests gemessen wurde, als mit standardisierten Verfahren,
was möglichweise für ein hohes Maß an Spezifität der Effekte spricht.
Schließlich scheint auch die trainierte schulische Domäne einen Ein-
fluss auf die Effektstärke zu haben.
Insgesamt sprechen die Studien also für eine Trainierbarkeit von Me- Strategien
sind ­erlernbar
thoden und Techniken des selbstregulierten Lernens, allerdings feh-
len insbesondere Studien zu weiten Transfereffekten, etwa auf den
Lern­erfolg im Studium und im Beruf.
Auch wenn die Bedeutung der Förderung selbstregulierten Lernens
mittlerweile in der Forschung anerkannt ist, ist die Vermittlung von
Techniken selbstregulierten Lernens nach wie vor keine Selbstver-
ständlichkeit im schulischen Alltag. Deshalb ist es nicht verwunder-
lich, dass Schülerinnen und Schüler nach wie vor große Defizite im
Wissen und im Gebrauch von Strategien aufweisen. Vor diesem Hin-
tergrund ist es interessant, der Frage nachzugehen, wie kognitive
Strategien generell erworben werden. Hier lohnt sich vor allem ein
Blick auf die entwicklungspsychologische Forschung zum Strategie-
erwerb (Flavell, 1970; Flavell, Miller & Miller, 2001; Hasselhorn,
1996).
Flavell (1970) und später Hasselhorn (1996) unterscheiden vier Stufen
des Strategieerwerbs, die typischerweise durchlaufen werden, wenn
Kinder eine neue Strategie erwerben. Diese sind dabei durch spezifi-
sche Charakteristika bzw. spezielle Defizite gekennzeichnet:
1. Mediationsdefizit: In dieser ersten Phase zeigen die Kinder noch kei-
nerlei Strategiegebrauch, auch dann nicht, wenn dieser von einem
kompetenten und vertrauten Modell vorgeführt wird. Als Erklärung

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224 Kapitel 8

hierfür nehmen die Autoren an, dass es den Kindern zu diesem Zeit-
punkt noch an den kognitiven Voraussetzungen (den Mediatoren)
zur Strategieausführung fehlt. Mediationsdefizite treten daher typi-
scherweise eher bei jungen Kindern auf.
2. Produktionsdefizit: Ein Produktionsdefizit liegt vor, wenn die Ler-
nenden zwar prinzipiell dazu in der Lage wären, eine Strategie aus-
zuführen, diese aber nicht spontan zeigen. Werden sie jedoch dazu
explizit angeleitet, zeigen sie diese Strategie durchaus mit Erfolg,
allerdings behalten sie die Strategie noch nicht längerfristig bei.
3. Nutzungsineffizienz: Das Stadium der Nutzungsineffizienz (Hassel-
horn, 1996) stellt die nächste Phase des Strategieerwerbs dar. Sie
ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lernenden eine Strategie
durchaus selbstständig und spontan anwenden, diese jedoch noch
nicht zu einer Leistungsverbesserung führt. Hierbei handelt es sich
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wohl um ein Zwischenstadium, das auf der noch ungewohnten und


kognitiv aufwendigen Anwendung einer neuen Strategie beruht.
Dies führt in der Praxis zu einem häufig zu beobachtenden Phäno-
men, das als mathematantischer Effekt bezeichnet wird (Clark,
1990): Typischerweise führt die Vermittlung einer neuen Lernstra-
tegie zunächst dazu, dass die Leistung der Lernenden sinkt, statt
wie erhofft zu steigen. Der Effekt lässt sich einfach mit der in Kapi-
tel 2 beschriebenen Cognitive Load Theory (Plass, Moreno & Brün-
ken, 2010) erklären: Da die neue Strategie für den Lernenden zu-
nächst noch ungewohnt und nicht eingeübt ist, erfordert ihre
Anwendung kognitive Ressourcen, die dann für den eigentlichen
Lernprozess nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Effekt ver-
schwindet mit zunehmender Automatisierung des Strategiege-
brauchs.
4. Kompetenter Strategiegebrauch: Schließlich erreicht der Lernende das
Stadium des kompetenten Strategiegebrauchs, bei dem er nicht nur
dazu in der Lage ist, eine Lernstrategie kompetent einzusetzen, son-
dern auch über entsprechende metakognitive Kompetenzen verfügt,
die es ihm ermöglichen, einzuschätzen, wann und unter welchen
Bedingungen der Einsatz einer bestimmten Strategie zielführend
ist.

Das Generieren von Bildern als Lernstrategie


In einer Studie zum Lernen mit selbst generierten Bildern haben Seu-
fert, Zander und Brünken (2007) zeigen können, dass das Phasenmo-
dell des Strategieerwerbs nicht nur zur Erklärung basaler kognitiver
Strategien bei Kindern geeignet ist, sondern sich auch beim Erwerb
neuer, komplexer Strategien bei Erwachsenen nachweisen lässt.

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Selbstreguliertes Lernen 225

In zwei experimentellen Studien gingen die Autoren dabei der Frage


nach, ob sich die Lernleistung beim Erwerb von Wissen aus komplexen
Texten dadurch verbessern lässt, dass die Lernenden die Textinhalte zu-
sätzlich grafisch visualisieren. Dazu wurden Texte verwendet, deren In-
halte eine Visualisierung nahelegten (z. B. in einem Text, der den Verlauf
einer Schulnotenentwicklung über mehrere Jahre zum Gegenstand
hatte).

In einer ersten Studie wurden zwei Gruppen miteinander verglichen, die


unterschiedlich instruiert wurden; während eine Gruppe aufgefordert
wurde, den Text in irgendeiner Form zu repräsentieren (neutrale Instruk-
tion), wurde die zweite Gruppe aufgefordert, dies in Form von Visualisie-
rungen zu tun (Bildinstruktion). Es zeigte sich, dass die Probanden der
Visualisierungsgruppe mehr Bilder anfertigten als die der neutralen
Gruppe und auch einen höheren Lernerfolg erzielten. In der zweiten Stu-
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die wurden zusätzlich Anzahl und Qualität der Visualisierungen erfasst


sowie das räumliche Vorstellungsvermögen der Lernenden erhoben(vgl.
Abb. 23).
6 2

5
1,5
4
Bildanzahl

Bildgüte

3 1

2
0,5
1

0 0
neutrale Instruktion Bildinstruktion neutrale Instruktion Bildinstruktion

geringere räumliche Fähigkeiten höhere räumliche Fähigkeiten

Abbildung 23: Ergebnisse der Studie 2: Bildanzahl und -güte in Abhängigkeit


von der Instruktion und dem räumlichen Vorstellungsvermögen
(aus Seufert et al., 2007)

Die Ergebnisse des zweiten Experimentes zeigten, dass durch die Inst-
ruktion zwar die Anzahl der Bilder erhöht werden konnte, nicht jedoch
deren Güte. Für die räumlichen Fähigkeiten zeigte sich ein Interaktions-
effekt: Lernende mit geringeren räumlichen Fähigkeiten verbessern den
funktionalen Bildeinsatz durch die Instruktion nicht, was im Sinne eines
Mediationsdefizits interpretiert werden kann, wohingegen Lernende mit
höheren räumlichen Fähigkeiten unabhängig von der Instruktion häufi-
gen Strategieeinsatz und gute Leistungswerte zeigten. Ihre ausgepräg-
teren Fähigkeiten wirken sich hier also kompensierend auf den fehlen-
den Strategieeinsatz aus, was für ein Produktionsdefizit spricht.

Insgesamt zeigt die Studie exemplarisch zweierlei: zum einen, dass der
Einsatz von Lernstrategien nicht bedingungslos erfolgreich ist, sondern
vor dem Hintergrund der individuellen Lernervoraussetzungen und der
Phase des Strategieerwerbs zu unterschiedlichen Effekten führen kann.

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226 Kapitel 8

Und zweitens, dass es weniger das quantitative Ausmaß des Strategie-


einsatzes ist, das über den Erfolg entscheidet, als vielmehr dessen Qua-
lität – ein Umstand, auf den auch Elzen-Rump und Leutner (2007) in
ihrem EPOS-Modell (vgl. Abschnitt 8.2.2) hinweisen.

Zusammenfassung
Dem selbstregulierten Lernen wird als Voraussetzung für die Bewäl-
tigung der Anforderungen moderner Wissensgesellschaften eine
Schlüsselrolle zugewiesen. Demensprechend vielfältig und umfang-
reich ist die pädagogisch-psychologische Forschung zu diesem
Thema. Diese befasst sich mit der Analyse der Struktur, des Prozes-
ses, der Förderung und den Voraussetzungen selbstregulierten Ler-
nens.
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Regulation wird dabei aus einer kybernetischen Perspektive als ein


Steuerungsprozess aufgefasst, der auf einem permanenten Vergleich
des aktuell erreichten Ist-Zustandes mit einem normativen Soll-Zu-
stand eines Systems beruht. Wird dieser Prozess external (z.B durch
Lehrer) durchgeführt, spricht man von Fremdregulation, erfolgt er
durch das System (den Lerner), handelt es sich um Selbstregulation.
Die Regulation kann dabei auf verschiedenen Ebenen erfolgen, die
durch Strukturmodelle der Selbstregulation beschrieben werden. Pro-
zessmodelle hingegen beschreiben die einzelnen Schritte im Regula-
tionskreislauf.
Selbstregulation erfordert den Einsatz von Strategien, d. h. planmä-
ßig eingesetzten Verhaltensmustern zur Erreichung der Regulati-
onsziele. Diese Strategien lassen sich, je nach Regulationsziel, in
verschiedene Kategorien einteilen. Verbreitet ist die Unterscheidung
in (lernprozessbezogene) kognitive Strategien, (lernzielbezogene)
metakognitive Strategien, ressourcenbezogene Strategien sowie mo-
tivationale und emotionale Strategien.
Selbstreguliertes Lernen erfolgt ebenso wie der Einsatz von Lern-
strategien nicht automatisch durch den Lerner, sondern ist selbst Er-
gebnis eines Lernprozesses. Das heißt einerseits, dass selbstregu-
liertes Lernen gelernt (und gelehrt) werden kann, andererseits, dass
die Ausführung selbstregulierten Lernens und der Einsatz von Lern-
strategien beim Lerner selbst einen Lernprozess durchläuft. Letzte-
res kann man anhand charakteristischer Defizite beim Strategiege-
brauch in Phasen einteilen (Mediationsdefizit, Produktionsdefizit,
Nutzungsineffizienz, kompetenter Strategiegebrauch). Dass Lern-
strategien grundsätzlich erfolgreich vermittelt werden können,

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Selbstreguliertes Lernen 227

belegen Metaanalysen, die aber auch zeigen, dass die Stärke des zu
erwartenden Effektes von vielen Rahmenbedingungen abhängt (Art
des trainierten Prozesses, Lernervoraussetzungen, Inhaltsdomäne,
Art des Messinstruments).
Eine derzeit noch kontrovers diskutierte Frage dreht sich um die Do-
mänenspezifität bzw. den zu erwartenden Transfer beim Training
von Lernstrategien. Aus einer pädagogisch-praktischen Perspektive
wäre es natürlich wünschenswert, wenn es gelänge, Lernstrategien
unabhängig von spezifischen Domänen generell zu trainieren (z. B.
in speziellen Unterrichtsstunden wie dem Seminarfach). Dies würde
aber nur dann Sinn machen, wenn zu erwarten wäre, dass die dort
trainierten Fähigkeiten auf den Einsatz in allen Schulfächern und
darüber hinaus im Sinne einer allgemeinen Kompetenz transferiert
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werden könnten. Forschungsergebnisse zum Transfer gemahnen


hier jedoch zur Vorsicht (Mähler & Stern, 2010). Ebenso sprechen
die vorliegenden Metaanalysen eher für eine domänenspezifische
Wirkung. Dies mag jedoch auch damit zusammenhängen, dass die
meisten Lernstrategietrainings im Kontext spezifischer Inhaltsdo-
mänen (z. B. Deutsch, Mathematik oder Naturwissenschaften; vgl.
Landmann & Schmitz, 2007) entwickelt und evaluiert wurden.
Schließlich stellt sich die Frage, wie domänenunabhängige Lern-
strategietrainings aussehen könnten und wie sich diese von allge-
meinen kognitiven Trainings (Klauer, 2001a) unterscheiden wür-
den (vgl. Kap. 12).
Ein deutlicher Schwerpunkt der Trainingsprogramme zu Aspekten
selbstregulierten Lernens der letzten Jahre lag auf der Vermittlung
kognitiver und metakognitiver Lernstrategien, die sich auch meist
als wirksam und effektiv herausgestellt haben. In jüngster Zeit kann
man – wie auch in anderen Bereichen der pädagogisch-psychologi-
schen Lehr-Lernforschung – ein zunehmendes Interesse zur Erwei-
terung dieses „kognitiven“ Fokus hin zur Berücksichtigung motiva-
tionaler und emotionaler Einflussfaktoren erkennen (z. B. Götz &
Nett, 2011). Hier besteht jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf.

Weiterführende
Landmann, M. & Schmitz, B. (Hrsg.). (2007). Selbstregulation erfolgreich fördern. ­Literatur
Stuttgart: Kohlhammer.
Mandl, H. & Friedrich, H. F. (Hrsg.). (2006). Handbuch Lernstrategien. Göttin-
gen: Hogrefe.
Schunk, D. H. & Greene, J. A. (2017). Handbook of Self-regulation of Learning and
Performance (2nd ed.). New York: Routledge.

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228 Kapitel 8

Fragen
1. Welche drei Komponenten liegen dem selbstgesteuerten Ler-
nen nach Brunstein und Spörer (2001) zugrunde?
2. Welche Modelle der Selbstregulation lassen sich grundlegend
unterscheiden? Wie sind diese gekennzeichnet?
3. Welche Phasen unterscheidet das Prozessmodell von Schmitz
(2001), welches auf Zimmerman basiert?
4. Wie lassen sich Lernstrategien klassifizieren?
5. Was versteht man unter kognitiven Strategien, Motivations- und
Emotionsstrategien, Strategien für das kooperative Lernen und
Strategien zur Ressourcennutzung?
6. Welche Verfahren bieten sich zur Erfassung selbstregulierten
Lernens an? Was sind Vor- und Nachteile?
7. Nach Hasselhorn (1996) werden typischerweise vier Stufen des
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Strategieerwerbs beim Erlernen einer neuen Strategie durchlau-


fen. Durch welche Charakteristika sind diese gekennzeichnet?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Kapitel 9
Wissenserwerb mit neuen Medien
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Inhaltsübersicht
9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
9.2 Die Theorie der kognitiven Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
9.2.1 Begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität für Lernprozesse . . . . . . . . . . . . 232
9.2.2 Messung von Lernerfolg und kognitiver Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
9.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
9.3.1 Lernen aus Text und Bild: Struktur und Verlauf der Informations-
verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
9.3.2 Erklärung des „Multimedia-Effekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
9.4 Designprinzipien für Multimedia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
9.5 Theoretische Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
9.5.1 Das integrative Modell des Text- und Bildverstehens . . . . . . . . . . . . . . . . 243
9.5.2 Berücksichtigung affektiver Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
9.6 Wechselwirkungen zwischen Lernereigenschaften und
instruktionalen Maßnahmen beim Lernen mit Multimedia . . . . . . . . . . . 248
9.6.1 Die ATI-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
9.6.2 Vorwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
9.6.3 Kognitiver Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

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230 Kapitel 9

9.1 Einführung
Computer bieten Computer und das Internet haben Lernumgebungen verändert. Die Ver-
viele Möglichkeiten änderungen reichen von flexibleren und erweiterten Präsentationsmög-
lichkeiten für Medien aller Art (Audiodateien, Filme, Karten, Grafiken,
Animationen, dreidimensionale und virtuelle Modelle) über die schnelle
Verfügbarkeit von Information jederzeit und überall (z. B. Online-Le-
xika, Datenbanken und Nachschlagewerke, Online-Mediatheken) bis
hin zu fachlich spezifischen Lernprogrammen und Simulationen. Com-
puter sind beim Lernen produktiv nutzbar, z. B. zum Rechnen, zum Er-
zeugen von eigenen Texten, Grafiken, Präsentationen, Musik, Podcasts
oder Videos und zum Programmieren. Das Internet bietet Kommunika-
tionswerkzeuge wie Blogs und Foren, Chats und virtuelle Klassenräume.
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Lernen als aktive All dies kann gezielt zur Unterstützung von Lernprozessen eingesetzt
­Konstruktion kognitiver
Schemata
werden, garantiert aber noch keinen besseren Lernerfolg. Um erfolg-
reich zu lernen, müssen Lernende aus den präsentierten Informatio-
nen nach wie vor Wissen aktiv konstruieren. Dabei werden die Infor-
mationen vor dem Hintergrund existierender Schemata interpretiert,
es werden Schemata modifiziert oder neu aufgebaut (vgl. auch Kap. 4).
Die Forschung zum Lernen mit neuen Medien hat aus der Perspektive
der aktiven Wissenskonstruktion Erkenntnisse zur gezielten Nutzung
der multimedialen Präsentationsmöglichkeiten erbracht. In diesem
Kapitel wird dargestellt, wie Informationen mit neuen Medien so auf-
bereitet und dargestellt werden können, dass ein verständiges Lernen
mit dem Ziel der kognitiven Schemakonstruktion unterstützt wird.
Dabei werden Designprinzipien für die Gestaltung multimedialer Prä-
sentationen erläutert.
Interaktivität Lernprogramme können Fragen und Übungen vorgeben, Eingaben von
Lernenden entgegennehmen, diese Antworten bewerten und Rück-
meldung bereitstellen. Lernprogramme können Eingaben oder Bear-
beitungsschritte in Bezug auf das mutmaßliche Wissen der Lernenden
analysieren und zielgerichtet Hinweise auf Lösungsschritte geben.
Computerbasierte Simulationen können durch Eingriffe der Lernen-
den fortlaufend in ihrem Zustand verändert werden, womit Lernende
Zusammenhänge selbst erschließen oder Handlungsschritte üben kön-
nen. Lernprogramme können den Lernverlauf dokumentieren und
selbstregulative und metakognitive Strategien unterstützen. Im Fol-
genden werden einige gebräuchliche Formen von Lernprogrammen
hinsichtlich ihrer Interaktivität voneinander unterschieden.

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Wissenserwerb mit neuen Medien 231

Formen von Interaktivität in computerbasierten


Lernprogrammen
Drill and Practice: Diese Lernprogramme bestehen aus einer Samm-
lung von Übungsaufgaben, die dazu dienen, bereits Gelerntes zu festi-
gen und zu wiederholen. Typischerweise sind die Übungsaufgaben klein-
schrittig und sehr spezifisch, Eingaben sind eindeutig (z. B. soll ein Wort
eingegeben werden oder eine Antwort soll aus mehreren Optionen aus- Üben
gewählt werden). Die Rückmeldung erfolgt unmittelbar und beschränkt
sich meist auf eine „richtig/falsch“-Bewertung, verbunden mit dem An-
zeigen der richtigen Lösung. Beispiele sind Vokabel- und Grammatik-
übungen in Fremdsprachenlernprogrammen oder Übungsaufgaben in
Mathematiklernprogrammen.

Tutorielle Programme: Diese Lernprogramme stellen Sachverhalte dar Sachverhalte und


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und erklären Zusammenhänge zu einem Thema. Es werden vielfältige ­Zusammenhänge


­verstehen
Teilthemen dargestellt; die Möglichkeiten der flexiblen Präsentation (z. B.
Text, Grafiken, Animationen, gesprochene Sprache, Video) werden ge-
nutzt. Lernprogramme für Fremdsprachen, die für das Selbststudium
von Erwachsenen gedacht sind, enthalten Teilthemen wie typische Kom-
munikationssituationen, Landeskunde, Grammatik, Vokabular sowie
Materialien und Übungen zum Lese- und Hörverstehen. Andere Beispiele
finden sich im Bereich der Naturwissenschaften.

Intelligente tutorielle Systeme bzw. kognitive Tutoren: Diese Lernpro- Prozedurale Regeln
gramme streben eine differenzierte Wissensdiagnose des Lernenden ­erwerben/korrigieren

an, um gezielt Informationen, Instruktionen und Übungen bereitzustel-


len. Dafür ist allerdings eine kognitive Modellierung des Wissensgebie-
tes erforderlich. Selbst in abgrenzbaren Gebieten – beispielsweise Al-
gebra, Grammatik, bei chemischen Formeln oder Programmiersprachen
– besteht das zu modellierende Wissen aus einer großen Anzahl von
prozeduralen Regeln und deklarativen Elementen, wobei sich diese im
Lernprozess durch Neuerwerb, Automatisierung, Strategiewechsel,
Fehlerkorrektur, Hinzufügen deklarativer Elemente etc. wandeln. Eines
von wenigen existierenden Beispielen für funktionierende adaptive
Lernprogramme ist der Cognitive Tutor (z. B. Ritter, Anderson, Koedin-
ger & Corbett, 2007), der auf Basis einer ACT-R-Modellierung (vgl. Kap.
4) Lernende beim Lösen algebraischer Umformungen adaptiv unter-
stützt.

Hypertext und Hypermedia: Hierbei handelt es sich nicht um Lernpro- Nachschlagen,


gramme, sondern um Datenbanken mit untereinander verknüpften In- ­Recherchieren

halten. Diese Inhalte können sich um ein Wissensgebiet zentrieren oder


ein allgemeines Nachschlagewerk darstellen (Wikipedia ist ein Beispiel
für eine solche Datenbank). Neben verknüpften Texten (Hypertext) kön-
nen beliebige Mediendateien (Hypermedia) enthalten sein.

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232 Kapitel 9

Situiertes Lernen Simulationen und Mikrowelten: Bei diesen Programmen wird ein Aus-
in komplexen schnitt der Realität durch ein virtuelles Modell simuliert. Einerseits die-
­Umgebungen
nen Simulationen für das Training (Automatisierung) von Handlungs-
schritten, z. B. für Piloten in Flugsimulatoren oder für Ingenieure in
simulierten Kernkraftwerk-Leitständen. Dabei können Situationen her-
gestellt werden, die in der Realität nicht geübt werden können (z. B. Not-
fallsituationen, Ausfall von Teilsystemen). Andererseits dienen Simula-
tionen als situierte Problemlöseumgebung. Handlungsschritte sind den
Lernenden hier zunächst nicht bekannt; Lernende handeln in einer „au-
thentischen“ Situation, sollen bestimmte Zielgrößen erreichen und ge-
winnen dabei Einsichten in das Problem. Solche Simulationen betref-
fen z. B. das Steuern eines Wirtschaftsunternehmens, das Agieren als
Fondsmanager einer Bank oder das Regieren einer Kleinstadt.
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Die meisten heute gebräuchlichen computerbasierten Lernprogramme


sind tutorielle Programme und/oder Drill-and-Practice-Programme.

9.2 Die Theorie der kognitiven Belastung

9.2.1 Begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität


für Lernprozesse
Beim Lernen werden neue Informationen in neuen Zusammenhängen
verarbeitet (d. h. sie werden neu verknüpft, organisiert, verglichen, be-
rechnet etc.). Wenn kognitive Schemata im Langzeitgedächtnis hier-
für nicht zur Verfügung stehen, findet die Informationsverarbeitung –
insbesondere die Erarbeitung der Bezüge zwischen den Informationen
– im Wesentlichen im Arbeitsgedächtnis statt. Hierfür steht nur eine
begrenzte Kapazität zur Verfügung. Daher spielt das Verhältnis zwi-
schen der Menge der neu dargebotenen Informationen bzw. ihrer
­Zusammenhänge und der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses eine zen-
trale Rolle für den Lernerfolg. Dies ist der Kern der Theorie der kogni-
tiven Belastung (Cognitive Load Theory, CLT; vgl. auch Kap. 2): „Jedes
Instruktionsdesign, das Arbeitsgedächtnisbeschränkungen ignoriert,
ist unzulänglich“ (Sweller, van Merriënboer & Paas, 1998). Übersteigt
die zu verarbeitende Information die Kapazität des Arbeitsgedächtnis-
ses, dann ist die kognitive Belastung zu hoch; das Lernen ist beein-
trächtigt. Dies kann aber vermieden werden. Die Theorie der kogniti-
ven Belastung unterscheidet verschiedene Arten der kognitiven
Belastung:

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Wissenserwerb mit neuen Medien 233

1. intrinsische kognitive Belastung, die auf die Komplexität des Lern- Lerninhalt
inhalts zurückgeht (intrinsic cognitive load, ICL),
2. irrelevante kognitive Belastung, die auf die äußerliche Gestaltung Gestaltung
des Instruktionsmaterials zurückgeht und das Lernen unnötiger-
weise behindert (extraneous cognitive load, ECL),
3. relevante, auf das Lernen bezogene kognitive Belastung, die vom Lernanstrengung
Lernenden zum Verständnis des Inhalts investiert wird (germane co-
gnitive load, GCL; das englische Wort germane bedeutet hier so viel
wie „relevant, wirklich, wahr“).
Die drei Arten von Belastungen müssen sich eine gegebene Arbeitsge-
dächtniskapazität teilen. Ist beispielsweise ECL hoch, dann steht we-
niger Kapazität für die Verarbeitung von Beziehungen zwischen Ele-
menten des Lernmaterials (ICL) und gleichfalls weniger Kapazität für
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lernförderliche Prozesse (GCL) zur Verfügung.

Intrinsische kognitive Belastung (ICL)


Die Komplexität ist zunächst eine dem zu lernenden Gegenstand in-
härente Eigenschaft. Unter Komplexität wird dabei nicht die Menge
an Informationen an sich verstanden, sondern die Menge an Bezügen
zwischen den Elementen, die mental konstruiert werden müssen, um Element-Interaktivität:
Bezüge zwischen
die Lernaufgabe erfolgreich bearbeiten zu können. Dies wird als „Ele- ­Elementen
ment-Interaktivität“ bezeichnet. Ein komplexer Text mit vielen (den
Lernenden neuen) aufeinander bezogenen Begriffen und Konzepten
besitzt eine hohe Interaktivität zwischen seinen Elementen. Denn um
den Text zu verstehen, muss stets ein Großteil von Informationen und
Bezügen gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis aktiviert gehalten werden.
Das Lernen einer langen Liste von Vokabeln mag ebenfalls umfang-
reich erscheinen, die Interaktivität der Elemente ist jedoch niedrig:
Hier muss immer nur ein fremdsprachliches Wort einem Wort der ei-
genen Sprache zugeordnet werden. Für das Arbeitsgedächtnis stellt
dies keine besondere Belastung dar. Wenn jedoch mehr Vorwissen vor-
handen ist, lassen sich Schemata im Langzeitgedächtnis aktivieren;
dadurch wird das Arbeitsgedächtnis entlastet. Lernende, die bereits Passendes Vorwissen
reduziert ICL
Konzepte kennen, die in einem Text vorkommen und diese leicht im
Langzeitgedächtnis aktivieren können, müssen diese Elemente nicht
im Arbeitsgedächtnis „ins Bewusstsein rufen“ und dort aktiviert hal-
ten. Intrinsische kognitive Belastung hängt also von der Element-In-
teraktivität des Lerngegenstandes und dem Vorwissen in Form exis-
tierender kognitiver Schemata ab, das in die Lernaufgabe eingebracht
werden kann.

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234 Kapitel 9

Irrelevante kognitive Belastung (ECL)


Ungünstige Gestaltung Diese Belastung des Arbeitsgedächtnisses kommt durch eine (ungüns-
belastet das
­Arbeitsgedächtnis
tige) Gestaltung des Lernmaterials zustande. Wenn beispielsweise auf-
einander bezogene Elemente im Lernmaterial schwierig aufzufinden
sind oder wenn es im Lernmaterial unnötige zusätzliche Informatio-
nen gibt, so binden diese einen Teil der Arbeitsgedächtniskapazität.
Das stellt eine kognitive Belastung dar, weil die damit gebundene Ar-
beitsgedächtniskapazität nicht für lernrelevante kognitive Aktivitäten
zur Verfügung steht. So können Lernende beispielsweise gezwungen
sein, unnötige Suchprozesse im Lernmaterial durchzuführen. Im Mo-
ment des Suchens verlieren wichtige Informationen im Arbeitsgedächt-
nis an Aktivität und können nicht mehr in die Verarbeitung einbezo-
gen werden. Die irrelevante kognitive Belastung soll so weit wie
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möglich vermieden werden. Eine ganze Reihe von Designprinzipien


für Multimedia sind entwickelt worden, um die irrelevante kognitive
Belastung zu reduzieren (vgl. Abschnitt 9.4).

Lernförderliche kognitive Belastung (GCL)


Anstrengung der Wenn sich Lernende anstrengen, Zusammenhänge zwischen Informa-
­Lernenden, Informatio-
nen lernförderlich zu
tionen zu verstehen (z. B. nachdenken, rechnen, vergleichen, ordnen,
verarbeiten erneut lesen, sich selbst erklären, elaborieren, zusammenfassen, wie-
derholen etc.), investieren sie kognitive Ressourcen in lernförderlicher
Weise. Aus Sicht der Theorie ist auch dies eine kognitive „Belastung“,
aber es ist eine positive und wünschenswerte. Somit ist es das Ziel von
Instruktionen und der Gestaltung von Lernmaterialien, lernförderli-
che Prozesse anzuregen und zu unterstützen. Dies kann beispielsweise
in Form von Hinweisen auf verständnisfördernde Aktivitäten gesche-
hen (z. B. „Versuche dir zu erklären, warum diese Umformung zu die-
sem Ergebnis geführt hat“ oder „Erstelle eine Zeichnung mit den we-
sentlichen Konzepten und ihren Relationen“).

9.2.2 Messung von Lernerfolg und


­kognitiver ­Belastung
In einem typischen Lernexperiment, das auf Prinzipien der Theorie
der kognitiven Belastung basiert, werden Instruktionsmaterialien zwi-
schen Lerngruppen variiert. Die Lerngruppen lernen die gleichen In-
halte und erhalten anschließend die gleichen Wissenstests. Eine Ex-
perimentalgruppe erhält jedoch beispielsweise Material, in dem eine
lernförderliche instruktionale Maßnahme umgesetzt wurde. Eine Kon-
trollgruppe erhält Lernmaterial, welches diesen Vorzug nicht aufweist.

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Wissenserwerb mit neuen Medien 235

Um den Lernerfolg zu messen, werden aufwendige Wissenstests kon­


struiert, die unterschiedliche Aspekte erfassen. Ein Aspekt ist die einfa-
che Wiedergabe des Gelernten. Von besonderem Interesse sind jedoch
Transferaufgaben. Hier soll das gelernte Wissen eingesetzt werden, um
ein noch unbekanntes Problem zu lösen, eine Vorhersage zu machen
oder ein im Material nicht erläutertes Phänomen zu erklären. Diese
Transferaufgaben können besser gelöst werden, wenn das zugrundelie- Transfer des Gelernten
gende kognitive Schema beim Lernen verstanden wurde. Wenn nun Ler-
nende der Experimentalgruppe den Lernenden der Kontrollgruppe be-
sonders in den Transferaufgaben überlegen sind, kann das als
(indirekter) Hinweis darauf gewertet werden, dass die Aufbereitung des
Instruktionsmaterials dazu beigetragen hat, das Arbeitsgedächtnis bes-
ser auszunutzen, um kognitive Konstruktionsprozesse zu fördern. Man
schließt also insbesondere von den Ergebnissen aus den Transferaufga-
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ben (im Vergleich Experimental- vs. Kontrollgruppe) auf den Lernerfolg


und die kognitive Belastung während des Lernens zurück.
Es wäre nun wünschenswert, die von der Theorie postulierten unter-
schiedlichen Arten kognitiver Belastung auch direkt messen zu kön-
nen. Die Messung bereitet allerdings Schwierigkeiten. Subjektive Ein- Subjektive
schätzungen, bei denen Lernende angeben sollen, wie stark sie sich ­Einschätzung kognitiver
Belastung
angestrengt haben und wie schwierig die Aufgabe für sie war, sind zwar
verbreitet. Allerdings korrelieren diese Angaben gewöhnlich substan-
ziell miteinander. Es fällt Lernenden möglicherweise schwer, in retro-
spektiv-subjektiver Weise die unterschiedlichen Arten der Belastung
auseinanderzuhalten. Oft wird daher auf ein globales, eindimensiona-
les Maß der kognitiven Belastung bzw. des mental effort zurückgegrif-
fen (Paas, Tuovinen, Tabbers & Van Gerven, 2003).
Eine Alternative zu subjektiven Einschätzungen stellt die Verwendung
von Zweitaufgaben dar. Während des Lernens mit dem Lernmaterial
erscheint dabei eine einfache Zweitaufgabe, auf die z. B. mit einem Tas-
tendruck zu reagieren ist (Brünken, Plass & Leutner, 2003), auch eine
kontinuierlich auszuführende motorische Zweitaufgabe wie das bestän-
dige Klopfen eines Rhythmus ist möglich (Park & Brünken, 2015). Ist Zweitaufgabe
die Leistung (Fehler, Reaktionszeiten) in der Zweitaufgabe in einer be-
stimmten Lernbedingung schlechter als in einer anderen Lernbedin-
gung, so muss es in dieser Lernbedingung eine höhere kognitive Belas-
tung gegeben haben, da es offenkundig weniger Kapazität für die
Bearbeitung der Zweitaufgabe gab. Der mögliche Nachteil dieser Me-
thode ist ihre Reaktivität. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Be-
arbeitung der eigentlichen Lernaufgabe durch die Zweitaufgabe ändert
bzw. dass sich die Variabilität erhöht, da Lernende entscheiden, ob sie
sich mehr der Lernaufgabe oder mehr der Zweitaufgabe widmen.

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236 Kapitel 9

9.3 Die kognitive Theorie multimedialen


Lernens

9.3.1 Lernen aus Text und Bild: Struktur und Verlauf


der Informationsverarbeitung
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Cognitive Theory of Mul-
timedia Learning, CTML; Mayer, 2005) beschreibt das Lernen aus Tex-
ten und Bildern. Auch hier spielt das Arbeitsgedächtnis die zentrale
Rolle. Die Theorie bezieht den Umstand ein, dass die Informations-
Codes (verbal, verarbeitung mit unterschiedlichen Codes und Modalitäten operiert.
­visuell-räumlich)
Informationen können über die visuelle Modalität (Sehen) oder über
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die auditive Modalität (Hören) aufgenommen werden. Informationen


Modalitäten können verbal (sprachlich) kodiert sein oder visuell-räumlich (z. B. in
(Sehen, Hören)
Bildern und Grafiken).
Die Theorie orientiert sich am Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley
(z. B. Baddeley, 1999; vgl. Kap. 4). Dieses Arbeitsgedächtnismodell un-
terscheidet zwischen einem phonologischen Kurzzeitspeicher und
einem visuell-räumlichen Kurzzeitspeicher. Diese beiden Speicher kön-
nen unabhängig voneinander sprachliche Informationen und visuell-
räumliche Informationen vor-verarbeiten und kurzfristig aktiviert hal-
ten. Aus Sicht der kognitiven Theorie multimedialen Lernens erscheint
es sinnvoll, die visuelle Modalität (Sehen) für räumlich und bildhaft
kodierte Inhalte zu nutzen, während die auditive Modalität (Hören)
für verbal kodierte Inhalte (Sprache) genutzt werden kann.
Abbildung 24 zeigt den angenommenen Verlauf der Informationsver-
arbeitung (von links nach rechts) gemäß der kognitiven Theorie mul-
timedialen Lernens.
Die Wörter und Bilder der Multimedia-Präsentation („Input“) sind
ganz links dargestellt. Bilder werden stets visuell wahrgenommen und

Multimedia- Sensorischer Langzeit-


Arbeitsgedächtnis gedächtnis
Präsentation Speicher

Auditiver Selektion von Akustische Organisation Verbales


Wörter Speicher Wörtern Abbilder von Wörtern Modell Integration

Vorwissen

Visueller Selektion von Visuelle Organisation Bildhaftes


Bilder
Speicher Bildern Abbilder von Bildern Modell

Abbildung 24: Verlauf der Informationsverarbeitung in der kognitiven Theorie mul-


timedialen Lernens

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Wissenserwerb mit neuen Medien 237

gelangen daher in den visuellen sensorischen Speicher. Gesprochene


Sprache erhält Eingang in den auditiven sensorischen Speicher, ge-
schriebene Sprache gelangt jedoch zunächst in den visuellen sensori-
schen Speicher. Nach Mayer (2005) kommen aus dem sensorischen
Speicher im Arbeitsgedächtnis mehr oder weniger unverarbeitete Ab-
bilder an (visuelle Abbilder von Bildern und akustische Abbilder von
gesprochenen Wörtern), und zwar nach einem Selektionsprozess, der
Aufmerksamkeit bedarf. Wie die Pfeile zwischen den visuellen und
akustischen Abbildern andeuten, können diese Abbilder ineinander
überführt werden: So kann beispielsweise das gesprochene Wort
„Pferd“ in ein mentales visuelles Abbild eines Pferdes konvertiert wer-
den. Im Kern geht die kognitive Theorie multimedialen Lernens von
drei Annahmen aus:
1. Zwei Kanäle. Die auditive Modalität kann für die Übermittlung von
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Verarbeitungskapazität
sprachlicher Information genutzt werden, und gleichzeitig kann die in zwei Kanälen

visuelle Modalität für die Übermittlung von visuell-räumlicher In-


formation genutzt werden. Damit existieren zwei Verarbeitungska-
näle, die sich bei bestimmten Verarbeitungsschritten wechselseitig
wenig stören. Die initialen Verarbeitungsschritte (Eingang in senso-
rische Speicher, Wahrnehmung, Erkennen) laufen unabhängig
­voneinander ab, und auch im Arbeitsgedächtnis existieren Speicher-
kapazitäten für Zwischenprodukte beider Kanäle. Damit korrespon-
dierend ist auch unser Langzeitgedächtnis nicht einheitlich: Infor-
mationen werden nicht nur in propositionaler Form in einem
semantischen Netzwerk gespeichert. Das Langzeitgedächtnis ent-
hält zusätzlich bildhafte und räumliche Informationen (dual coding; Zwei Codes
Paivio, 1990). Damit ist die Annahme eigener mentaler Modelle je
in einem sprachlichen Code und in einem visuell-räumlichen Code
plausibel. Grenzen findet die wechselseitige Unabhängigkeit bei
allen Prozessen, die Aufmerksamkeit erfordern (Selektion, Organi-
sation, Integration). Auch die Transformation der Information von
einem Kanal in den anderen („Pferd“) kostet Verarbeitungskapazi-
tät.
2. Kapazitätsbegrenzung. Sowohl die Menge an Information pro Kanal
als auch die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses als Ganzes sind be-
grenzt. Mentale Modelle im Arbeitsgedächtnis basieren daher auf
selektierten Informationen.
3. Aktive Verarbeitung. Aus einer Multimedia-Präsentation lernt man
nicht dadurch, dass die Information „aufgenommen“ wird, sondern
dadurch, dass man sie aktiv verarbeitet. Hierzu zählen die kogniti- Aktive Lernprozesse:
ven Prozesse des Auswählens (Selektion der wichtigen Begriffe und Selektion, Organisation,
Integration
Beschreibungen von Zusammenhängen), der Organisation der aus-
gewählten Informationen in mentale Repräsentationen (z. B. hin-

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238 Kapitel 9

sichtlich der kausalen Zusammenhänge) sowie die Integration die-


ser entstandenen mentalen Repräsentationen miteinander sowie
mit relevantem Vorwissen, welches im Langzeitgedächtnis aktiviert
werden muss.

9.3.2 Erklärung des „Multimedia-Effekts“


Es ist leicht demonstrierbar, dass bestimmte Inhalte besser verstanden
und gelernt werden, wenn sie „multimedial“ präsentiert werden. Dies
bedeutet, dass eine Präsentation, die aus visuell-räumlicher Informa-
tion zusammen mit darauf bezogener sprachlicher Information besteht,
ein vertiefteres Verständnis für Zusammenhänge ermöglicht als eine
Präsentation, die entweder nur aus Text oder nur aus Bildern besteht.
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Besseres Lernen Dieser „Multimedia-Effekt“ wird von der kognitiven Theorie multime-
mit Bild + Text
dialen Lernens wie folgt erklärt: Gesprochener oder geschriebener Text
resultiert in einem verbalen mentalen Modell. Bilder führen zu einem
visuell-räumlichen mentalen Modell. Wird mit Texten und Bildern ge-
lernt, so sollte sich dies folglich sowohl in einem verbalen mentalen als
auch in einem bildhaften mentalen Modell niederschlagen, die zu einem
integrierten mentalen Modell zusammengeführt werden können. Wird
hingegen nur mit Text gelernt, so resultiert zwar ein verbales mentales
Modell. Es ist aber weniger wahrscheinlich, dass zusätzlich ein (quali-
tativ gutes und vollständiges) bildhaftes mentales Modell erzeugt wird.
Folglich sollte daher auch das integrierte mentale Modell unvollstän-
dig bzw. qualitativ schlechter sein. Dies spiegelt letztlich ein schlechte-
res Verständnis des zu vermittelnden Sachverhalts wider.
Allerdings sollte hinzugefügt werden, dass die Theorie anhand von
Lernmaterialien entwickelt wurde, die bestimmte Eigenschaften
Typische Multimedia- haben. Die typischen Multimedia-Präsentationen sind kurz (zwei bis
Präsentationen
fünf Minuten, 200 bis 500 Wörter) und behandeln naturwissenschaft-
liche und technische Themen (z. B. Funktionsweise einer Luftpumpe,
Entstehung eines Vulkanausbruchs, Entstehung eines Gewitters, Funk-
tionsweise von Trommelbremsen). Die gezeigten Bilder haben eine
wichtige Lernfunktion und zeigen relevante räumliche Strukturen, Zu-
sammenhänge und Veränderungen am Lerngegenstand.

9.4 Designprinzipien für Multimedia


Die Theorie kognitiver Belastung (CLT) und die kognitive Theorie mul-
timedialen Lernens (CTML) haben bezüglich einer Reihe von Gestal-

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Wissenserwerb mit neuen Medien 239

tungsmöglichkeiten für Lernmaterialien ähnliche Befunde und Emp-


fehlungen erbracht. Aus Sicht der Theorie kognitiver Belastung geht
es dabei vornehmlich um die Reduzierung von irrelevanter kognitiver
Belastung. Die Argumentation der kognitiven Theorie multimedialen
Lernens ist in den meisten Fällen gleichlautend; die Gestaltungsmög-
lichkeiten beziehen sich hier vor allem auf die Kombination von Bild
und Text (für eine Zusammenfassung siehe Mayer, 2005).

Verteilte Aufmerksamkeit
Beim Lernen mit Bild und Sprache verfügen Lernende über mehrere Suchprozesse zwischen
Elementen reduzieren
Informationsquellen, deren Elemente aufeinander bezogen werden
müssen. Liegt die sprachliche Information beispielsweise schriftlich
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als Text vor und bezieht sie sich auf eine Abbildung (z. B. ein Diagramm
oder ein Schaubild), so müssen die zu verbindenden Informationen oft
in verschiedenen Teilen (Text, Bild) der Präsentation „zusammenge-
sucht“ werden. Diese Suchprozesse führen zu irrelevanter kognitiver
Belastung. Während des Suchens geraten lernrelevante, zuvor akti-
vierte Elemente in den Hintergrund.

Kontiguität
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens formuliert zum Pro­blem
der Aufmerksamkeitsverteilung ein räumliches sowie ein zeitliches
Kontiguitätsprinzip: Zusammen gehörende Informationen sollten so
nah beieinander wie möglich präsentiert werden. Es ist beispielsweise Integrierte Formate
möglich, in einer Bedienungsanleitung alle Beschriftungen im Schau-
bild räumlich direkt bei den Elementen zu zeigen (anstatt diese in der
Abbildung mit Nummern zu versehen und eine nummerierte Liste se-
parat zu präsentieren). Es ist möglich, Erläuterungen zu Abläufen in
einem Schaubild direkt an den relevanten Positionen zu platzieren, an-
statt die Abläufe separat in einem Text zu schildern. Auch ist es mög-
lich, Formeln, aus denen sich eine Grafik ergibt, direkt in die relevan-
ten Stellen der Grafik zu setzen. Solcherart „integrierte“ Formate
helfen dem Verständnis, da Suchprozesse vermieden werden. Das zeit-
liche Kontiguitätsprinzip bezieht sich auf die Synchronisation von ge- Synchronisation
sprochener Sprache zu Bildern oder Animationen in Multimedia-­
Präsentationen.

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240 Kapitel 9

Modalität
Verbale Information (Sprache) kann entweder gesprochen (auditive
Modalität) oder geschrieben (visuelle Modalität) präsentiert werden.
Beide Theorien behaupten, dass gesprochener Text besser sei als ge-
schriebener Text, wenn die Lerneinheit aus Bildern und Text besteht.
Die Theorien beziehen sich hierbei auf die partiell unabhängig funkti-
onierenden Kanäle bzw. Arbeitsgedächtnisressourcen für sprachliche
vs. für bildhafte Information (wie in Abschnitt 9.3.1 erläutert). Wird
Text gesprochen (Audio) Text nicht gesprochen, sondern geschrieben dargeboten, dann wird er
darbieten, wenn
zunächst im visuellen System verarbeitet; damit bleibt der auditive
mit Bild verknüpft
Kanal ungenutzt und die bildlichen und sprachlichen Informationen
müssen sich die visuellen Verarbeitungskapazitäten „teilen“. Bei ge-
sprochener Sprache kann man hingegen der verbalen Information fol-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

gen, während man gleichzeitig das Bild betrachtet. Das soll die Inte­
gration erleichtern.
Der Modalitätseffekt ist oft bestätigt worden. Es gibt jedoch Situatio-
nen, in denen er nicht auftritt. Ist geschriebener Text ins Bild integriert
(verwendet man also ein „integriertes“ Format), so verschwindet häu-
fig die Überlegenheit von gesprochenem gegenüber geschriebenem
Text. Außerdem tritt der Modalitätseffekt vor allem auf, wenn Ler-
nende keine Kontrollmöglichkeit über die multimediale Lernumge-
bung haben (d. h. wenn sie als Animation oder Film „durchläuft“, ohne
dass sie angehalten oder darin navigiert werden kann) und wenn es
sich um relativ kurze Texte handelt. Wenn Lernende Kontrollmöglich-
Einflüsse von Lernzeit, keiten haben und sich ausreichend viel Zeit zum Lernen nehmen kön-
Lernerkontrolle nen, verschwindet der Vorteil von gesprochenem gegenüber geschrie-
und Textlänge
benem Text und kehrt sich gegebenenfalls sogar um (z. B. Crooks,
Cheon, Inan, Ari & Flores, 2012; Schüler, Scheiter & Gerjets, 2013).
Ferner zeigt sich, dass ein geschriebener Text besser verarbeitet und
gelernt werden kann als ein gesprochener Text, wenn es sich um lange
Lerneinheiten handelt (wie es bspw. bei einem Lehrbuchkapitel der
Fall wäre; Tabbers, Martens & van Merriënboer, 2004). Dies liegt ver-
mutlich darin begründet, dass bei längeren, informationsreichen Tex-
ten andere Zugänge und Lernstrategien (Überblick verschaffen, die
konzeptuelle Struktur verstehen, Informationen reduzieren und zu-
sammenfassen, Informationen auf höherem Abstraktionsgrad organi-
sieren) im Vordergrund stehen als bei kürzeren Multimedia-Präsenta-
tionen, bei denen ein begrenzter Zusammenhang thematisiert wird.

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Wissenserwerb mit neuen Medien 241

Redundanz
Wenn in Lernmaterialien die gleiche Information mehrfach (z. B. so-
wohl im Bild als auch im Text) vorkommt, führt dies nicht zu einer Ver-
besserung, sondern zu einer Verschlechterung für das vertiefte Ver-
ständnis. Die Theorie der kognitiven Belastung betrachtet Redundanz Redundanz vermeiden
als irrelevante Belastung, denn die Kapazität des Arbeitsgedächtnis-
ses wird mit redundanter Information unnötig verringert. Mehrfach
dieselbe Information zu erfassen, führt nicht zu einer Verbesserung
des Lernens von Zusammenhängen.
Der lernhinderliche Effekt von redundanter Information tritt vor allem
dann auf, wenn sich diese kaum ignorieren lässt. Wenn „integrierte“
Formate gewählt werden und hier Redundanz vorliegt, wirkt diese lern-
hinderlich. Wenn Informationsquellen getrennt voneinander sind,
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wirkt Redundanz weniger lernhinderlich – möglicherweise kann re­


dundante Information (wenn sie als solche erkannt wird) hier besser
ignoriert werden. Die kognitive Theorie multimedialen Lernens hat
sich mit Redundanz hauptsächlich in Bezug auf geschriebene und ge-
sprochene Sprache in den typischen (vergleichsweise kurzen) Multi-
media-Lerneinheiten befasst. Hier tritt lernhinderliche Redundanz auf, Text nicht ­geschrieben
und gesprochen
wenn zum gesprochenen Text gleichzeitig der identische Text in ge- ­darbieten
schriebener Form präsentiert wird. Einerseits kann man dies mit der
Überlastung des visuellen Verarbeitungskanals erklären; andererseits
mit ­zusätzlichen Abgleichprozessen zwischen gesprochenem und ge-
schriebenem Text.
Auch das Redundanzprinzip gilt nicht in jeder Situation. Lernförderlich
ist es beispielsweise, wenn zu gesprochenem Text und zu Bildern die
wichtigsten Stichwörter auch schriftlich erscheinen (z. B. Mayer & John- Stichwörter
son, 2008). Das Redundanzprinzip gilt auch nicht im Kontext des Ler-
nens von Fremdsprachen. Bei filmischen Spielszenen kann die gespro-
chene Sprache mit Untertiteln ergänzt werden. Hier zeigt sich, dass
Untertitel in der Fremdsprache besser sind als keine Untertitel und au- Untertitel
ßerdem besser als Untertitel in der Muttersprache (z. B. Adesope &
Nesbit, 2012).

Kohärenz als relevante Darbietung


Nicht nur redundante, auch gänzlich irrelevante Information soll ver-
mieden werden, selbst wenn diese „interessant“ oder „motivierend“
wirken soll. Aus den kognitiven Theorien lässt sich ableiten, dass die
Verarbeitung ggf. interessanter, aber irrelevanter Information im ka-
pazitätsbegrenzten Arbeitsgedächtnis mit lernrelevanten Prozessen

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242 Kapitel 9

Auf interessante, aber konkurriert. Lernhinderlich wird die irrelevante Information, wenn sie
unwichtige Information
verzichten
von den relevanten Informationen ablenkt, die tiefere Verarbeitung
der relevanten Informationen behindert und Prozesse der Selektion,
Organisation und Integration stört. Mit Kohärenz ist hier also die in sich
geschlossene Darbietung der relevanten Informationen gemeint.

Kohärenz zwischen Bild und Text


Der Begriff der Kohärenz tritt noch in einer weiteren Bedeutung auf.
Hierbei wird unter Kohärenz die sinnstiftende Verbindung zwischen
Informationen aus unterschiedlichen Repräsentationen (Text, Bild)
verstanden (Brünken, Seufert & Zander, 2005). Da Lernende mögli-
cherweise solche Zusammenhänge übersehen oder eigene Suchpro-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

zesse dafür eingesetzt werden müssten, können Kohärenzbildungshil-


fen die Zusammenhänge explizit machen, beispielsweise durch
Signalisierungsmaßnahmen.

Signalisierung
Beziehungen zwischen Mit „Signalisierungen“ (z. B. durch Hervorhebung, räumliche Gliede-
Elementen hervorheben rung, Einsatz von Farben zur Markierung von Zusammengehörigkeit)
können kognitive Prozesse unterstützt werden. Die kognitive Theorie
multimedialen Lernens beschreibt Prozesse der Selektion, Organisa-
tion und Integration. Die Selektion kann beispielsweise durch Hervor-
heben relevanter Bereiche in Bildern und durch Fettdruck von Schlüs-
selwörtern erleichtert werden. Die Organisation kann beispielsweise
durch die Markierung von Reihenfolgen und von kausalen Zusammen-
hängen (z. B. durch Pfeile) in Bildern erleichtert werden. Die Integra-
tion kann durch Zeigen von Zusammenhängen zwischen Elementen
in Bild und Text (z. B. durch Farben, durch „integrierte“ Formate) er-
leichtert werden. Diese Erleichterungen entlasten das Arbeitsgedächt-
nis und ermöglichen dadurch mehr freie Kapazität für konstruktive
Lernprozesse.

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Wissenserwerb mit neuen Medien 243

9.5 Theoretische Ergänzungen

9.5.1 Das integrative Modell des Text- und


­Bildverstehens
Die kognitive Theorie des Lernens mit Multimedia beschreibt relativ
„frühe“ Verarbeitungsprozesse, Repräsentationsmöglichkeiten im Ar-
beitsgedächtnis und dessen Limitierung recht detailliert. Wie aber die
konstruktiven und integrativen Prozesse für Text- und Bildinformation
ablaufen, wird in dieser Theorie kaum thematisiert. Das integrative
Modell von Schnotz (2001b, 2005) betont hingegen die verständnisstif-
tenden, aktiven Verarbeitungsprozesse, die bei Texten, Bildern und
Diagrammen ausgeführt werden.
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Textverstehen bedeutet, den Sinnzusammenhang aus den dargebote- Semantische Text-­


nen Symbolen mithilfe von syntaktischen Regeln und der semantischen Repräsentation
­(Propositionen)
Zusammenhänge zu konstruieren und die sprachliche Oberfläche in
eine mentale Repräsentation zu überführen. Diese besteht aus Propo-
sitionen (bedeutungstragende semantische Einheiten; vgl. Kap. 4). Auf
der Ebene des Textes muss sowohl eine lokale Kohärenz (syntaktisches
und semantisches Verständnis von Sätzen) als auch eine globale Ko-
härenz (Erkennen von Zusammenhängen, Unter- und Überordnun-
gen, Bedeutungen, kausalen Wirkungen etc. in größeren Abschnitten)
aufgebaut und aktiviert gehalten werden. Das fällt umso leichter, je
mehr Vorwissen zu den relevanten Schemata im Langzeitgedächtnis
aktiviert werden kann. Die Wissenskonstruktion besteht aus sich er-
gänzenden Top-down- und Bottom-up-Prozessen (vgl. Kap. 4).
Bei den Bildern unterscheidet Schnotz (2001b) zwischen „realisti- Abbilder von realen
schen“ Bildern (hier Abbilder genannt) und Diagrammen. Die Abbil- ­Gegenständen

der weisen mit dem abgebildeten Gegenstand Ähnlichkeit auf. Der Ler-
nende kann den abgebildeten Lerngegenstand als solchen „auf einen
Blick erkennen“. Ein Abbild kann allerdings auch tiefergehend seman-
tisch analysiert werden. Bewusste, sequenzielle Verarbeitungsprozesse
entnehmen dem Abbild bedeutsame Informationen und überführen
sie in eine propositionale Form (z. B. Erkenntnisse zu räumlichen Ver-
hältnissen, Konstruktionsmerkmalen, mögliche Veränderungen durch
kausale Wirkungen etc.). Diagramme hingegen zeigen keine Gegen-
stände, sondern Verhältnisse, die mit einem Sachverhalt in einer Ana-
logierelation stehen. Diagramme erlauben das Erfassen von Verhält- Diagramme für
nissen, Unterschieden, Zusammenhängen zwischen visualisierten ­Beziehungen in Daten

Elementen (Daten, Mittelwerten etc.) durch räumliche Verhältnisse


(z. B. größer als, übergeordnet – untergeordnet).

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244 Kapitel 9

Abbilder wie Diagramme unterliegen einer präattentiven, „automati-


schen“ (und schnellen) Verarbeitung der visuell-räumlichen Informa-
tionen. Um ein Abbild oder ein Diagramm jedoch wirklich zu verste-
Lese- und hen, ist eine zielgerichtete, aufmerksame Verarbeitung notwendig. An
Verarbeitungs­prozesse
bei ­Diagrammen
einem Diagramm können verschiedene Attribute abgelesen werden,
beispielsweise Einzelinformationen (z. B. Wert von Y an einer bestimm-
ten Stelle von X), vor allem aber die durch räumliche Bezüge visuali-
sierten Zusammenhänge zwischen Elementen (z. B. zunehmender
Trend vs. abnehmender Trend, Größenunterschiede von Balken). Hilf-
reich können dabei grafische Hervorhebungen sein sowie eine Gestal-
tung, bei der die frühen Wahrnehmungsprozesse nicht im Widerspruch
zu semantischen Analyseprozessen stehen. Ergebnis der Verarbeitung
sowohl von Abbildern als auch von Diagrammen sind mentale Modelle,
die in einer räumlich-visuellen Kodierung repräsentiert sind.
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Das integrative Modell sieht zwei Verarbeitungsstufen jeweils für ver-


bale Information und für Bilder (Abbilder bzw. Diagramme) vor (vgl.
Abb. 25). In der ersten Verarbeitungsstufe entsteht für Text eine sprach-
liche Oberflächenrepräsentation, in der zweiten die daraus konstru-
ierte (und fortlaufend ergänzte) propositionale Repräsentation. Für Bil-

konzeptuelle
Organisation

Modell-
konstruktion
propositionale mentales
Repräsentation Modell- Modell
inspektion
Verarbeitung
semantische

thematische

Abbildung analoger Strukturen


Analyse von Symbolstrukturen

Selektion

visuelle
Textoberflächen-
Wahrnehmung/
repräsentation
Vorstellung
subsemantische

Wahrnehmung
Verarbeitung

verbale piktoriale
Organisation Organisation

Text Bild/Diagramm

Abbildung 25: Das integrative Modell zum multimedialen Lernen von Schnotz
(2001b)

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Wissenserwerb mit neuen Medien 245

der entsteht auf der ersten Stufe eine visuelle Wahrnehmung und auf
der zweiten Stufe das daraus konstruierte mentale Modell.
Aus den ursprünglich aus einem Text konstruierten Propositionen kön- Transformationen
nen mentale Modelle abgeleitet werden, sie können also in den visuell-­ ­zwischen mentalen
­Modellen
räumlichen Code überführt werden. Umgekehrt können die visuell-
räumlichen mentalen Modelle „inspiziert“ und ggf. „mental animiert“
werden. Dabei entstehen wiederum Propositionen. Aus diesen Prozes-
sen ergibt sich die Integration zwischen Text und Bild.
In einer späteren Fassung (Schnotz, 2005) ist das Modell entlang
(1) sensorischer Repräsentationen, (2) Repräsentationen im Arbeits-
gedächtnis und (3) Repräsentationen im Langzeitgedächtnis struktu-
riert worden. Außerdem wurde es um detailliertere Annahmen zu Pro-
zessen und Zwischenrepräsentationen (sensorische Repräsentationen,
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spezielle Kodierungen im Arbeitsgedächtnis) ergänzt, u.a. um die Pro-


zesswege für visuell vs. auditiv dargebotenen Text aufzuschlüsseln. Es
ist damit der kognitiven Theorie multimedialen Lernens ähnlicher ge-
worden.

9.5.2 Berücksichtigung affektiver Prozesse


Es ist intuitiv gut vorstellbar, dass der Lernerfolg bei der aktiven Wis-
senskonstruktion auch von affektiven (emotionalen, motivationalen)
Zuständen der Lernenden abhängt. Auf der einen Seite könnte eine
emotional positive Gestimmtheit das Lernen generell erleichtern. Auch
die Gestaltung des multimedialen Lernmaterials könnte auf der affek-
tiven Ebene wirken und dadurch die Lernbereitschaft beeinflussen.
Ein freundlich wirkendes, „emotionales“ Design von Multimedia Einflüsse von Emotionen
könnte beispielsweise die Bereitschaft, sich den Lerngegenständen zu- auf Lernprozesse

zuwenden, steigern (Plass, Homer & Hayward, 2009) und daher den
Lernerfolg erhöhen. Lebendig gestaltete Zusatzbilder oder Zusatzin-
formationen könnten situationales Interesse erwecken, Langeweile
entgegenwirken und damit positiv auf die Motivation Einfluss nehmen
(Efklides, Kourkoulou, Mitsiou & Ziliaskopoulou, 2006). Auf der an-
deren Seite könnten sogar unangenehme Zustände, wie sie z. B. einen
kognitiven Konflikt bei der Verarbeitung widersprüchlicher Informa-
tionen begleiten, dazu motivieren, aktive lernförderliche Anstrengun-
gen zu unternehmen (D’Mello, Lehman, Pekrun & Graesser, 2014).
Um ein vollständiges Bild des Lernens mit Multimedia zu zeichnen,
hat Moreno (2006) die bisherigen kognitiv orientierten Modelle um
weitere Einflussgrößen ergänzt. Demnach können motivationale Fak-
toren das aktive (letztlich kognitive) Engagement abschwächen oder

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246 Kapitel 9

erhöhen (vgl. Kap. 7). Darüber hinaus können selbstregulative Prozesse


eingreifen, um kognitive und affektive Prozesse willentlich zu beein-
flussen (vgl. Kap. 8). Schließlich bestehen Unterschiede zwischen Ler-
nenden, die auf verschiedenen Ebenen (Vorwissen, Fähigkeiten, Lern-
stile) wirken und dadurch das Lernen effizienter oder weniger effizient
machen. Das resultierende Modell ist eine umfassende Theorie des
Lernens mit Multimedia (Cognitive-Affective Theory of Learning with
Media, CATLM; z. B. Moreno, 2006).
Mit Blick auf die bisher dargestellten kognitiven Theorien steht eine
solche umfassende Theorie vor der Herausforderung, widersprüchli-
che Annahmen zu integrieren. Die Annahme der begrenzten Arbeits-
gedächtniskapazität führte beispielsweise zu der Gestaltungsempfeh-
lung, jedwede dekorative (irrelevante) Zusatzinformation zu vermeiden.
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Wirkung von Demgegenüber steht die Vermutung eines affektiv positiven Einflus-
­ estaltungsfaktoren
G
auf Arbeitsgedächtnis-
ses von Zusatzbildern und Zusatzinformation. Eine Studie zeigte, dass
kapazität und eine positive Wirkung von dekorativen zusätzlichen Bildern auf den
­Motivation Lernerfolg nur bei jenen Lernenden beobachtet werden konnte, die
über ein hohes Vorwissen verfügten (Magner, Schwonke, Aleven, Po-
pescu & Renkl, 2014). Dies bestätigt einerseits einen möglichen Ein-
fluss eines motivationalen Faktors (situationales Interesse), die Erklä-
rung des Befundmusters basiert andererseits auf den kognitiven
Theorien: Lernende mit hohem Vorwissen verfügten vermutlich über
genügend Kapazität zur Verarbeitung dieser Zusatzinformation. Nur
wenn das der Fall ist, ist die „Ablenkung“ vertretbar und potenziell
auch motivierend und lernförderlich.
Emotionen könnten generell eine Quelle irrelevanter kognitiver Belas-
tung (ECL; vgl. Abschnitt 9.2.1) im Sinne der Theorie der kognitiven
Belastung darstellen. Die Verarbeitung von Emotionen beansprucht
kognitive Ressourcen, die nicht mehr für Lernprozesse zur Verfügung
stehen. Im Einklang damit zeigten Seibert und Ellis (1991), dass posi-
Irrelevante Gedanken tive Emotionen irrelevante Gedanken förderten. Andere Studien de-
durch Emotionen
monstrierten einen lernhinderlichen Effekt positiver Emotionen auf
fokussierte Aufmerksamkeit (Norman, 2004) und auf schlussfolgern-
des Denken (Oaksford, Morris, Grainger & Williams, 1996).
Emotionen sind komplexe, multidimensionale Phänomene, welche af-
fektive, kognitive, expressive und physiologische Facetten haben. Emo-
tionen können unterschiedlich andauern und als unterschiedlich in-
tensiv empfunden werden. Um Emotionen und ihre Wirkung
untersuchen zu können, müssen zunächst Intensität, Dauer und Va-
lenz (positive oder negative Richtung der „Gestimmtheit“) sowie Be-
gleitkognitionen eingegrenzt werden. Die Kombination von Valenz und

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Wissenserwerb mit neuen Medien 247

Aktivierung könnte zu differenzierten Hypothesen der Wirkung von Valenz und Aktivierung
Emotionen auf Verarbeitungsprozesse im Zusammenhang mit der Art
der Aufgabe führen: Positiv-aktivierende Emotionen, wie z. B. Freude,
könnten beispielsweise eine holistisch-relationale („ganzheitliche“)
Verarbeitung anregen. Aufgaben, die dieser Art der Bearbeitung ent-
gegenkommen (kreative Aufgaben, Aufgaben, bei denen Ideen gene-
riert werden sollen, bei denen Assoziationen hilfreich sind), könnten
hiervon profitieren. Andere Arten von Aufgaben, bei denen Sorgfalt
und tiefere Verarbeitung gefragt sind, würden demgegenüber nicht
profitieren. Vorhersagen darüber, welche Art von Emotion welche Wir-
kung auf Lernerfolg haben wird, erscheinen derzeit noch schwierig,
wie die folgenden Beispiele illustrieren.

Widersprüchliche Studienergebnisse: Wie ­wirken


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

sich Emotionen auf den Lernerfolg aus?


Um, Plass, Hayward und Homer (2012) induzierten durch eine Kombi-
nation von „emotionalem“ Design (warme Farben, rundliche Formen im
visuellen Lernmaterial) und einer zusätzlichen Stimmungsinduktion Stimmungs­
(Lesen und Wiedergeben emotionaler Aussagen) einen positiven emo- beeinflussung durch
„emotional design“
tionalen Zustand und verglichen die Wirkung mit einem neutralen Zu-
stand. Als Überprüfung der emotionalen Wirkung wurden Aktivierung
und Valenz gemessen: die Stimmungsinduktion hatte wie gewünscht
funktioniert. Die multimediale Lerneinheit beschäftigte sich mit dem
biologischen Thema der Immunisierung. Ergebnisse zeigten, dass die
Gruppe, die mit dem emotional gestalteten Lernmaterial gelernt hatte,
eine bessere Verständnis- und Transferleistung aufwies als die Gruppe
mit dem neutralen Lernmaterial.

Knörzer, Brünken und Park (2016) induzierten in drei Versuchsgruppen


unterschiedliche emotionale Zustände (positiv – Freude, neutral, nega-
tiv – Trauer). Die Induktion erfolgte durch entsprechend emotional wir-
kende Musik in Kombination mit der Aufgabe, ein freudvolles oder ein
trauriges autobiografisches Ereignis in der Erinnerung möglichst leben-
dig werden zu lassen. Emotionale Aktivierung und Valenz wurden mit
einem Fragebogen gemessen und zeigten das erwartete Muster. Als
Lernprogramm diente eine etablierte Multimedia-Präsentation aus dem Regulation negativer
Bereich der Molekularbiologie. Überraschend wies hier die Gruppe mit Stimmung durch
­konzentriertes Lernen?
negativer Emotion die besten Lernerfolgswerte im Verständnis- und
Transfertest auf, die Gruppe mit positiver Emotion die schlechtesten
Werte. Beobachtungen aus Prozessmaßen (Blickbewegungen) deuteten
bei der Gruppe mit negativen Emotionen auf eine stärker fokussierte
Aufmerksamkeit und auf eine detailliertere Informationsverarbeitung.

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248 Kapitel 9

9.6 Wechselwirkungen zwischen Lerner­


eigenschaften und instruktionalen
Maßnahmen beim Lernen mit
­Multimedia

9.6.1 Die ATI-Hypothese


Wenn man wichtige Unterschiede zwischen Lernenden bezüglich ihrer
Eigenschaften (Aptitudes) kennt, dann könnte man auf diese Unter-
schiede mit angepassten Instruktionen (Treatments) eingehen. Dahin-
ter steht die Vermutung, dass eine Wechselwirkung (Interaktion) zwi-
schen Eigenschaften der Lernenden und der Instruktion besteht: Eine
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

instruktionale Maßnahme würde dann bei einer bestimmten Aus­


prägung einer Eigenschaft von Lernenden eine andere Wirkung ent-
falten als bei einer anderen Ausprägung dieser Eigenschaft. Solche
Wechselwirkungen werden unter der Bezeichnung Aptitude-Treatment-
Interaction (ATI) erforscht. Abbildung 26 zeigt theoretisch denkbare
Möglichkeiten, wie instruktionale Maßnahmen (Treatments) und Ei-
genschaften (Aptitudes) in Wechselwirkung treten können.
„Ability as enhancer“: Wenn Lernende höhere Fähigkeiten besitzen, dann kann das im Un-
Lernende mit höheren terschied zu den Lernenden mit niedrigeren Fähigkeiten dazu führen,
Fähigkeiten profitieren
besonders dass instruktionale Maßnahmen ihre Wirksamkeit erst entfalten. Die
höhere Fähigkeit steigert die Wirkung der Maßnahme (ability-as-­
enhancer). Ein Beispiel hierzu wäre, dass es Lernende mit höheren

niedrige niedrige
Fähigkeit Fähigkeit
hohe hohe
Fähigkeit Fähigkeit

Kontrolle Treatment Kontrolle Treatment

a) Fähigkeit steigert die Wirkung des Treatments b) Fähigkeit kompensiert das Fehlen des Treatments
(ability-as-enhancer) (Kontrolle) (ability-as-compensator)

Abbildung 26: Theoretisch angenommene Wechselwirkungen (Interaktionen) zwi-


schen Lernereigenschaft (hier: Fähigkeit) und Instruktion (Treat-
ment = optimale Instruktion vs. Kontrolle = weniger optimale Inst-
ruktion). Im ersten Fall steigert die höhere Fähigkeit die Wirkung der
optimalen Instruktion (ability-as-enhancer, a). Im zweiten Fall kom-
pensiert die höhere Fähigkeit die weniger optimale Instruktion (abi-
lity-as-compensator, b).

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Wissenserwerb mit neuen Medien 249

räumlichen Fähigkeiten sind, die besonders von als lernförderlich ge-


dachten Multimedia-Gestaltungen profitieren, Lernende mit niedrige-
ren räumlichen Fähigkeiten jedoch nicht (Mayer & Sims, 1994).
Eine andere Möglichkeit der Interaktion besteht darin, dass Lernende „Ability as compensator“:
mit niedrigeren Fähigkeiten von der instruktionalen Maßnahme pro- Lernende mit ­höheren
Fähigkeiten lernen
fitieren, Lernende mit höheren Fähigkeiten jedoch sowohl mit weni- auch bei ­ungünstiger
ger guten als auch mit optimierten Instruktionen gleichermaßen gut ­Instruktion

lernen. Die höhere Fähigkeit kompensiert in diesem Fall auch die we-
niger optimale Instruktion (ability-as-compensator). Alternativ könnte
man auch davon sprechen, dass die instruktionale Maßnahme spezi-
ell bei den Personen mit niedrigeren Fähigkeiten hilfreich ist. Ein Bei-
spiel wäre, dass eine Animation Lernenden mit niedrigeren räumli-
chen Fähigkeiten dazu verhilft, eine räumliche Transformation besser
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zu verstehen, welche sie aus einem statischen Bild nicht gut erschlie-
ßen könnten (Münzer, 2012, 2015). Für Lernende mit höheren räum-
lichen Fähigkeiten ergibt sich dieser Vorteil nicht in gleicher Weise,
weil sie auch mit dem statischen Bild gut zurechtkommen.
Welche Eigenschaften von Lernenden sind relevant für die Wirksam-
keit von Instruktionen und könnten eine ATI-Hypothese rechtfertigen?
Für die Gestaltung von multimedialem Lernmaterial werden im fol-
genden Vorwissen und Lernstile näher betrachtet.

9.6.2 Vorwissen
Unterstützende, gliedernde und anleitende instruktionale Maßnah- Vorwissen interagiert
mit Gestaltung
men, die für Novizen in einer Domäne lernwirksam sind, sind unter
von ­Instruktionen
Umständen nicht mehr wirksam, wenn Lernende bereits Vorwissen in
die Lernsituation mitbringen. Nicht nur das: Relative Lernzuwächse
verschwinden oder sind sogar kleiner, wenn Lernende mit Vorwissen
Lernmaterialien mit Unterstützungsfunktionen erhalten, als wenn sie
mit reduziertem Material lernen. Dieser Effekt wird Expertise-Reversal-
Effekt genannt, wobei mit „Expertise“ nicht ein bestimmtes (hohes)
Kompetenzniveau gemeint ist, sondern ein (erhebliches) spezifisches
Vorwissen, das in die aktuelle Lernsituation eingebracht wird.
Kalyuga (2007) bietet einen Überblick über die Befunde zu diesem
­Effekt. Für Studien wurden unter anderem sorgfältig geplante Trai-
ningsdesigns verwendet, in denen kontrolliert wurde, wie Lernende
domänenspezifisches Wissen (beispielsweise in der Elektrotechnik)
erwarben. Regelmäßig waren nun die von einschlägigen Theorien
empfohlenen Gestaltungsprinzipien für Lernende zu Beginn wirksam
und nach dem Erwerb von domänenspezifischem Wissen und Kön-

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250 Kapitel 9

nen unwirksam oder sogar kontraproduktiv. Eine instruktionale Ge-


staltungsmaßnahme ist beispielsweise die integrierte Informations-
präsentation, hier Schaubilder von elektrischen Schaltkreisen mit
oder ohne integrierte Textinformation. Eine integrierte Darstellung
von erläuterndem Text und einem Diagramm ist für Lernende ohne
Vorwissen hilfreich; für Lernende mit Vorwissen erwies es sich hin-
gegen als besser, die Schaltkreis-Zeichnungen ohne Text zur Ver­
fügung zu stellen (für eine Übersicht siehe Kalyuga, 2006). Ein
­weiteres Beispiel findet sich beim Lernen mit ausgearbeiteten Lö-
sungsbeispielen. Lernende ohne Vorwissen, die Beispielprobleme
lösen sollen, erfahren eine zu hohe Belastung des Arbeitsgedächtnis-
ses, weil sie noch nicht über teil­automatisierte Problemlöseprozedu-
ren verfügen. Für sie ist es besser, sich mit ausgearbeiteten Lösungs-
beispielen auseinanderzusetzen. Bei Lernenden, die bereits über
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Vorwissen verfügen, verschwindet dieser Effekt (Kalyuga et al., 2001).


Für Lernende mit Vorwissen ist es demnach besser, Beispielprobleme
selbst zu lösen.

Schemata im Vorwissen Vorwissen steuert Aufmerksamkeitslenkung, Informationsaufnahme,


steuern die Informati- Ausführung von Problemlöseschritten, das Zwischenspeichern von
onsverarbeitung
Resultaten, das Verknüpfen neuer Informationen mit Wissensele-
menten im Langzeitgedächtnis und den späteren Abruf aus dem
Langzeitgedächtnis. Die vorhandenen Schemata übernehmen damit
steuernde Funktionen, wie sie ansonsten instruktionale Gestaltungs-
maßnahmen haben. Die instruktionalen Maßnahmen sind für Ler-
nende ohne Vorwissen hilfreich, für Lernende mit Vorwissen jedoch
redundant: Zusatzinformationen und Anleitungen sind für sie irrele-
vant und können die eigentlichen Lernprozesse stören. Der Exper-
tise-Reversal-Effekt wird somit mit dem oben erläuterten Redundanz-
prinzip erklärt.

9.6.3 Kognitiver Stil


Lernpräferenzen Hartnäckig hält sich im pädagogischen Alltag die Auffassung, dass es
Lernende gibt, welche bevorzugt mit Texten lernten (verbalizer) und
andere Lernende, welche bevorzugt mit Bildern lernten (visualizer).
Daraus folge, dass man diesen Lernenden mit einer entsprechenden
Aufbereitung des Lernmaterials entgegenkommen sollte. Diese Über-
legung stellt eine ATI-Hypothese dar: Verbalizer würden mit verbalem
Lernmaterial bessere Resultate erzielen, während Visualizer mit visu-
ellem Lernmaterial bessere Resultate erzielten. Die Bevorzugung be-
stimmter Darstellungsweisen durch die Lernenden hat hierbei weni-
ger mit psychometrisch messbaren kognitiven Fähigkeiten zu tun,

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Wissenserwerb mit neuen Medien 251

sondern geht eher auf stabile Vorlieben, strategische Herangehenswei-


sen und auf Gewöhnung zurück. Dies kann man als Lernpräferenz oder
als „kognitiven Stil“ bezeichnen.

Kognitive Stile
Ein kognitiver Stil charakterisiert die Art und Weise, wie eine Person
wahrnimmt, denkt, Probleme löst, lernt und sich zu anderen Personen
verhält (nach Witkin, Moore, Goodenough & Cox, 1977). Grundlage des
kognitiven Stils sind weniger kognitive Fähigkeiten, sondern vielmehr
stabile Einstellungen, Präferenzen oder Strategien (Messick, 1976). Ein
gutes Beispiel ist die Dimension der „Feldabhängigkeit“ (Witkin et al.,
1954). Eine Person wird als „feldabhängig“ beschrieben, wenn sie über
verschiedene Aufgaben hinweg die Tendenz zeigt, den Kontext (das um-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

gebende „Feld“) in ein Wahrnehmungsurteil oder einen Problemlösever-


such einzubeziehen. Eine Person wird als „feldunabhängig“ beschrie-
ben, wenn sie unabhängig vom umgebenden Kontext urteilt und
Informationen aus diesem Kontext herauslösen, also analytisch vorge-
hen kann. Dies betrifft Aufgaben der räumlichen Wahrnehmung (Urteile
darüber, ob ein Element „gerade“ ist, auch wenn der Kontext „schief“ er-
scheint) oder auch Urteile in mehrdeutigen Situationen, in denen man
sich mehr oder weniger an den Urteilen anderer Personen orientiert. Ein
kognitiver Stil repräsentiert relativ stabile Präferenzen einer Person, In-
formationen auf einer höheren Ebene zu organisieren und zu verarbei-
ten (für eine Übersicht siehe Kozhevnikov, 2007).

Es sind eine ganze Reihe von kognitiven Stilen vorgeschlagen worden,


die auch angewandte Bereiche (z. B. Stile der Entscheidungsfindung;
z. B. Kirton, 1989) sowie persönlichkeitspsychologische Bereiche (z. B.
locus of control; Rotter, 1966) und explizit den Bereich des Lernens (z. B.
Kombinationen der Dimensionen konkret-abstrakt und konvergent-­
divergent; Kolb, 1984) betreffen. In einem Übersichtsartikel kommen Ri-
ding und Cheema (1991) allerdings zu dem Schluss, dass sich die vie-
len vorgeschlagenen kognitiven Stile zu zwei wesentlichen Dimensionen Ganzheitlich vs.
ordnen lassen: zu einer Dimension, die eine Neigung zu einer ganzheit- ­analytisch

lichen vs. zu einer analytischen Informationsverarbeitung beschreibt


und zu einer weiteren Dimension, die eine Neigung zur verbalen vs. zur
visuell-räumlichen Informationsverarbeitung beschreibt.

Zur Messung des kognitiven Stils einer Person sind Messinstrumente Messung
entwickelt worden, die meistens auf Selbstauskünften beruhen. Es hat
sich zunächst als problematisch erwiesen, kognitive Stile jenseits von
Selbstauskünften zuverlässig und valide zu messen, etwa mit Reakti-
onszeiten: Für die Verbalizer-Visualizer-Dimension wird für eine Person Verbal vs.
beispielsweise ermittelt, ob sie konzeptuell-verbale Vergleiche schnel- ­visuell-räumlich
ler als visuelle Vergleiche anstellen kann. Für diese Dimension liegt

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252 Kapitel 9

inzwischen ein Reaktionszeitinstrument vor, welches befriedigende Kon-


sistenz und zeitliche Stabilität aufweist (VICS als Abkürzung für Verbal-
Imagery Cognitive Style; Peterson et al., 2005a). Validitätsnachweise
werden meist diskriminant geführt, d. h. es wird gezeigt, dass der Ver-
balizer-Visualizer-Stil nicht bedeutsam mit kognitiven Fähigkeiten oder
Persönlichkeitseigenschaften korreliert (z. B. Mayer & Massa, 2003; Pe-
terson et al., 2005b). Überzeugende Nachweise der prädiktiven Validi-
tät stehen jedoch aus. Eine positive Ausnahme stellt die Untersuchung
von Massa und Mayer (2006) dar (vgl. Text). Hier wurde zwar kein ATI-Ef-
fekt belegt. Jedoch konnte gezeigt werden, dass die Selbsteinschätzun-
gen der Untersuchungsteilnehmer Zusammenhänge mit ihrem Lernver-
halten aufwiesen. In Experiment 3, in dem den Teilnehmern freigestellt
war, welche Hilfstexte oder -illustrationen sie anfordern wollten, verhiel-
ten sich die Teilnehmer vorhersagbar entsprechend ihren Selbstaus-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

künften entlang der Visualizer-Verbalizer-­Dimension: Je stärker die


selbstberichtete Tendenz und Präferenz war, Bilder zu nutzen, desto
mehr wurden Illustrationen statt Texte angefordert.

Massa und Mayer (2006) untersuchten die ATI-Hypothese im Kontext


des Lernens mit Multimedia. Das ist naheliegend, denn hier wird an
Lernende die Anforderung gestellt, Informationen aus Texten und aus
Bildern zu verarbeiten. In den Experimenten von Massa und Mayer
(2006) diente eine Einführung in Elektronik als Grundlage, die aus 31
Textseiten von je 120 bis 250 Wörtern bestand. Jede Textseite besaß
Verbale vs. visuell- zwei bis sieben Schlüsselwörter, zu denen Lernende Zusatzinformati-
räumliche Lernpräfe- onen anfordern konnten. In der Textbedingung bestanden diese Zu-
renz ohne Wirkung auf
den Lernerfolg beim satzinformationen aus verbalen Erläuterungen und Definitionen. In
Lernen mit Multimedia der Bildbedingung bestanden die Zusatzinformationen aus Illustrati-
onen bzw. Diagrammen. Um Lernende bezüglich der Verbalizer-Visu-
alizer-Unterscheidung richtig einordnen zu können, wendeten Massa
und Mayer (2006) 14 verschiedene Tests und z. T. eigens entwickelte
Fragebögen an, die sich vier verschiedenen Faktoren zuordnen lassen
– unter anderem Lernpräferenz und kognitivem Stil. Weder für den ko-
gnitiven Stil noch für die anderen Maße der Verbalizer-Visualizer-­
Unterscheidung wurde die vermutete Aptitude-Treatment-Interaction
gefunden; dies galt auch für ein Replikationsexperiment. Beide Perso-
nengruppen lernten besser, wenn das Lernmaterial auch visuelle Re-
präsentationen enthielt (Bedingung „Bild“), als wenn es ausschließ-
lich textbasiert war (Bedingung „Text“).
Aus diesem Ergebnis kann durchaus der Schluss gezogen werden, dass
es wichtiger ist, das Lernmaterial gemäß den domänenspezifischen
Anforderungen aufzubereiten als auf den kognitiven Stil der Lernen-
den Rücksicht zu nehmen. Bezüglich der Unterscheidung zwischen

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Wissenserwerb mit neuen Medien 253

Verbalizern und Visualizern hat die Forschung denn auch kaum über-
zeugende Belege für Aptitude-Treatment-Interactions erbracht.
Schließlich lassen sich Lernpräferenzen und Strategien auch ändern.
Es erscheint sinnvoller, einen Verbalizer mit Strategien zur Verarbei-
tung von visuell-räumlichen Darstellungen vertraut zu machen, anstatt
für ihn Informationen in Textform aufzubereiten, die angemessener
in visuell-räumlicher Form präsentiert würden.

Zusammenfassung
Die Theorie kognitiver Belastung unterscheidet drei Belastungsar-
ten im kapazitätsbegrenzten Arbeitsgedächtnis: (1) Die intrinsische
kognitive Belastung (ICL) ist abhängig von der Element-Interakti-
vität des Lerngegenstandes sowie vom Vorwissen des Lernenden.
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(2) Die irrelevante kognitive Belastung (ECL) wird als vermeidbare


und lernhinderliche Belastung betrachtet, die aus einem suboptimal
gestalteten Lernmaterial herrührt. (3) Die relevante, lernförderliche
kognitive Belastung (GCL) ist die vom Lernenden investierte ko­
gnitive Anstrengung in konstruktive Lernaktivitäten. Damit rele-
vante, lernförderliche kognitive Anstrengung investiert wird, sollte
irrelevante Belastung möglichst vermieden werden. Das ist vor allem
dann wichtig, wenn das Lernmaterial komplex und das Vorwissen
gering ist. Eine Überforderung von Lernenden durch zu hohe intrin-
sische Belastung ist allerdings auch durch das beste Lernmaterial
nicht kompensierbar. In diesem Fall muss auch die intrinsische Be-
lastung reduziert werden (Aufbau von Vorwissen).
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens ist mit der Theorie
ko­gnitiver Belastung eng verwandt. Sie basiert auf drei Annahmen:
(1) Zum effizienten Lernen aus Multimedia-Präsentationen können
zwei partiell unabhängig funktionierende Verarbeitungskanäle ge-
nutzt werden (der auditiv-verbale Kanal und der visuell-räumliche
Kanal). (2) Beide Kanäle, zentrale Aufmerksamkeitsprozesse und
das Arbeitsgedächtnis sind kapazitätsbegrenzt. (3) Informationen
werden aktiv verarbeitet. Diese aktiven Verarbeitungsschritte be-
ziehen sich auf die Selektion von Wörtern und Bildteilen, Organisa-
tion von Wörtern bzw. Bildern zu je einem verbalen und einem vi-
suell-räumlichen mentalen Modell und Integration der mentalen
Modelle miteinander und mit dem Vorwissen.
Es sind eine Reihe von Gestaltungsempfehlungen für das Design
multimedialer Lernumgebungen formuliert worden. Diese Empfeh-
lungen laufen darauf hinaus, die Kapazität des Arbeitsgedächtnis-
ses für konstruktive Lernprozesse möglichst effizient nutzbar zu

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254 Kapitel 9

machen. Hierzu dienen insbesondere das integrierte Format, die


Vermeidung von Redundanz, die Vermeidung irrelevanter und de-
korativer Elemente und das Signalisieren von Bezügen zwischen In-
formationen. Das integrative Modell zum Text-Bild-Verstehen be-
tont darüber hinaus die Anforderungen der semantischen Analyse,
die Texte, Bilder und Diagramme an Lernende stellen. Ferner wen-
det sich die Forschung vermehrt motivationalen und emotionalen
Prozessen beim Lernen mit Multimedia zu.
Das Vorwissen erweist sich als ein Faktor, der angepasste Instrukti-
onen im Sinne einer Aptitude-Treatment-Interaction (ATI) recht­fertigt.
Instruktionen, die sich an Novizen in einem Lernbereich wenden,
sollten umfangreichere Unterstützungs- und Strukturierungsmaß-
nahmen enthalten. Instruktionen, die sich an fortgeschrittene Ler-
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nende mit Vorwissen richten, sollten weniger Unterstützung und


Strukturierung vorgeben. Für den Faktor Lernstil (z. B. Visualizer vs.
Verbalizer) ist hingegen zwar gezeigt worden, dass Lernende ein ihrer
Präferenz entsprechendes Lernmaterial verwenden, wenn man ihnen
die Wahl lässt. Damit erhöht sich jedoch nicht ihr Lernerfolg. Viel-
mehr ist eher davon auszugehen, dass es für ein bestimmtes Lern-
material eine optimale Darstellungsform gibt, die sowohl verbale als
auch visuell-räumliche Repräsentationen enthalten dürfte.

Weiterführende
­Literatur Mayer, R. E. (2014). Principles for reducing extraneous processing in multime-
dia learning: Coherence, signaling, redundancy, spatial contiguity, and tem-
poral contiguity principles. In R. Mayer & L. Fiorella (Eds.), The Cambridge
handbook of multimedia learning (pp. 279 – 315). Cambridge: Cambridge Uni-
versity Press.
Plass, J. L., Moreno, R. & Brünken, R. (2010). Cognitive load theory. Cambridge:
Cambridge University Press.
Zheng, R. Z. (Ed.). (2018). Cognitive load measurement and application. New
York: Routledge.

Fragen
1. Welche Form des Lernens soll mit gut gestalteten Multimedia-
Präsentationen unterstützt werden?
2. Von welchen Faktoren ist die resultierende intrinsische kogni-
tive Belastung bei einem individuellen Lerner abhängig?
3. Wie können vorhandene Kapazitäten und Verarbeitungswege
für Informationen im Arbeitsgedächtnis in verschiedenen Codes
und Modalitäten bestmöglich genutzt werden?
4. Durch welche Gestaltungsmaßnahmen kann man die Aufmerk-
samkeitsverteilung optimieren?

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Aus B. Brünken, S. Münzer und B. Spinath: Pädagogische Psychologie – Lernen und Lehren (9783840922145) © 2019 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Wissenserwerb mit neuen Medien 255

5. Wie kann man erklären, dass eine besonders lernförderlich ge-


staltete Multimedia-Präsentation bei Lernenden mit hohem Vor-
wissen gegenüber einer nicht besonders lernförderlich gestalte-
ten Präsentation unwirksam oder sogar kontraproduktiv ist?
6. Warum sind interessante Zusatzinformationen in Lernmateria-
lien oftmals schädlich für konstruktive Lernprozesse?
7. Was versteht man unter einer Aptitude-Treatment-Interaction
(ATI) und welche Formen könnte sie annehmen?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 10
Instruktionspsychologie
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Inhaltsübersicht
10.1 Instruktionspsychologie: ein klassisches Thema der
­Pädagogischen ­Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.1.1 Klassifikation von Instruktionstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.1.2 Theorie- und Modellbegriff der Instruktionspsychologie . . . . . . . . . . . . . 260
10.2 Behavioristische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
10.2.1 Programmierter Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
10.2.2 Lehrzieltaxonomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
10.2.3 Kritik an behavioristischen Instruktionsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
10.3 Kognitive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10.3.1 Lehrfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10.3.2 Motivationsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
10.3.3 Instructional-Design-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
10.3.4 Kritik an kognitiven ID-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
10.4 Konstruktivistische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.4.1 Problembasiertes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
10.4.2 Beispiele PBL-orientierter Instruktionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
10.4.3 Kritik an PBL-basierten Instruktionsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

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258 Kapitel 10

10.1 Instruktionspsychologie:
ein ­klassisches Thema der
­Pädagogischen Psychologie
In den Kapiteln 3 bis 5 haben wir verschiedene Auffassungen von Ler-
nen als Reaktionsverstärkung (vgl. Kap. 3), als Informationsverarbei-
tung (vgl. Kap. 4) und als Expertiseerwerb (vgl. Kap. 5) kennengelernt.
In jedem dieser Kapitel wird Lernen als ein individuumsinterner Pro-
zess aufgefasst, der im und durch den Lerner selbst abläuft (done by the
learner; Reigeluth & Carr-Chellmann, 2009a). Von Beginn der päda-
gogisch-psychologischen Forschung an wurde diese Sichtweise ergänzt
um die Frage, ob und wie man diesen Prozess durch lernerexterne Ak-
tivitäten beeinflussen kann (done to the learner; Reigeluth & Carr-Chell-
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mann, 2009b). Mit anderen Worten, die Frage des Lernens war stets
begleitet von der Frage des Lehrens, verstanden als einer gezielten Tä-
tigkeit zur Herbeiführung, Aufrechterhaltung und Förderung von Lern-
prozessen (Klauer, 1985). Die Auffassungen über Lehren hängen dabei
ebenso wie die Schwerpunkte der diesbezüglichen Forschung von den
jeweiligen Vorstellungen über das Lernen ab. Betrachtet man Lernen
aus einer behavioristischen Perspektive, spielen Fragen der Operatio-
nalisierung der Lehrziele (welches Verhalten soll verstärkt werden?)
eine zentrale Rolle. Aus einer kognitionspsychologischen Perspektive
werden eher Fragen im Kontext des Informationsverarbeitungsprozes-
ses adressiert (z. B. in welcher Form soll Information präsentiert wer-
den?). Aus konstruktivistischer Perspektive schließlich stehen Aspekte
wie die ökologische Validität (Situiertheit) der Lernaktivität im Mittel-
punkt.
Auch hier gilt wieder wie bei den Lerntheorien, dass es nicht die „eine“
richtige Lehrtheorie gibt (auch wenn es immer wieder Beispiele für
Kontroversen um die richtige Art der Wissensvermittlung gibt),
­sondern, dass eine Vielzahl von Ansätzen und Modellen existieren,
deren Nützlichkeit jeweils von der Art des Lehrziels abhängt (zusam-
menfassend Reigeluth, 1983, 1999; Reigeluth & Carr-Chellmann,
2009a).

10.1.1 Klassifikation von Instruktionstheorien


Verschiedene Eine Reihe von Autoren haben versucht, die Vielzahl vorliegender Be-
­Instruktionstheorien
funde zu systematisieren. Richard Mayer (z. B. Mayer, 1999, 2004) un-
basieren auf unter-
schiedlichen Metaphern terscheidet drei Klassen von Instruktionstheorien (er spricht dabei von
des Lernens zugrundeliegenden metaphors of learning): response strengthening, know-

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Instruktionspsychologie 259

ledge acquisition und knowledge construction (vgl. Kap. 3). Hasselhorn


und Gold (2017) differenzieren vier Auffassungen von Lehren und Ler-
nen und unterscheiden dabei verhaltensorientiert-empiristische,
­kognitiv-rationalistische, kognitiv-konstruktivistische und sozio-kon-
struktivistische Traditionen. Während sich die ersten beiden recht ein-
deutig bestimmten Lerntheorien zuordnen lassen (Behaviorismus bzw.
Kognitivismus) und den beiden von Mayer (1999) als „learning as re-
sponse strengthening“ und „learning as knowledge acquisition“ be-
zeichneten Metaphern entsprechen, ist dies bei den letzten beiden
Klassen nicht so eindeutig. Mayer fasst beide unter der Metapher des
„learning as knowledge construction“ zusammen, wobei er selbst hier
eine dezidiert kognitivistische Position bezieht und auch seine eigene,
medienbezogene Instruktionstheorie (Cognitive Theory of Multimedia
Learning; vgl. Kap. 9) hier verortet. Hasselhorn und Gold (2017) und
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mit ihnen die meisten deutschsprachigen Autoren (vgl. z. B. Reinmann


& Mandl, 2006) fassen hierunter eher konstruktivistische Lehrtheo-
rien zusammen, die häufig in dezidiertem Gegensatz zu kognitivisti-
schen Auffassungen stehen (vgl. die Anderson-Greeno-Debatte im
Educational Researcher: Anderson, Reder & Simon, 1996, 1997;
Greeno, 1997).

Interessanter als die reine Klassifikation nach lerntheoretischer Orien- Thematische


­Schwerpunkte
tierung scheint daher die hier ebenfalls angesprochene Fokussierung
auf bestimmte Themen bzw. Lehrtätigkeiten zu sein:
• Als behavioristische Lehrtheorien befassen sich verhaltensorien-
tiert-empiristische Ansätze vor allem mit der Frage der Lehrzielde-
finition und der Analyse und Sequenzierung von Teilzielen sowie
der Rolle der direkten Instruktion. Zu den bedeutendsten Vertre-
tern dieser Richtung gehören B. F. Skinner und B. S. Bloom (vgl. Ab-
schnitt 10.2).
• Kognitive-rationalistisch orientierte Lehrtheorien fokussieren auf die
Unterstützung des Informationsverarbeitungsprozesses durch di-
rekte Instruktion. Bedeutende Vertreter hier sind u. a. Merrill, Gagné
und (in Deutschland) K. J. Klauer (vgl. Abschnitt 10.3).
• Bei kognitiv-konstruktivistischen Auffassungen wird sehr viel stärker
die Eigenaktivität des Lerners fokussiert; Lehrarrangements sollen
hier eher Lerngelegenheiten darstellen, die sich möglichst den Be-
dingungen eines aktiven, Wissen konstruierenden Lerners anpas-
sen sollen. Hier sind kognitive Vertreter (z. B. Cognitive Theory of
Multimedia Learning, Four Component Instructional Design
Model) ebenso zu verorten wie konstruktivistisch orientierte Mo-
delle (z. B. Cognitive Apprenticeship, Anchored Instruction; vgl. Ab-
schnitt 10.4).

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260 Kapitel 10

• Sozio-konstruktivistische Ansätze schließlich betonen in der Tradi-


tion Wygotzkis (1964) die Bedeutung sozialer Ko-Konstruktionspro-
zesse beim Wissenserwerb und fokussieren dabei auf kollaborative
Prozesse und Szenarien (vgl. Abschnitt 10.4).

10.1.2 Theorie- und Modellbegriff der


­Instruktionspsychologie
Was ist Instruktion? Bevor wir einige zentrale Instruktionsmodelle vorstellen werden, er-
scheint es sinnvoll, noch einige Bemerkungen zur verwendeten Begriff-
lichkeit voranzustellen. Die Instruktionspsychologie hat ihre Wurzeln
in der US-amerikanischen Tradition der Psychologie. Der Begriff „In-
struktionspsychologie“ wird im deutschen Sprachraum nur selten ver-
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wendet, hier finden sich häufiger Bezeichnungen wie „Psychologie des


Lehrens und Lernens“ oder „Psychologie des Lehrens und Unterrich-
tens“. Der Begriff „Instruktion“ hat dabei in Deutschland eine Kon­
notation von „Unterweisung“ und „direkter Instruktion“, die gele­
gentlich auch durchaus (negativ) wertende Aspekte enthält. Diese
Verengung ist im englischen Sprachraum nicht zu finden, hier wird der
Begriff sehr viel neutraler verwendet und meint jede Form von Aktivi-
tät, die darauf ausgerichtet ist, Lernprozesse zu fördern. Instruktion
wird schlicht als all das definiert, was unternommen wird, um Lernen
zu erleichtern (Reigeluth & Carr-Chellmann, 2009b).
In diesem Sinne versteht sich die Instruktionspsychologie als eine prä-
skriptive Wissenschaft, also als Disziplin, deren Ziel wissenschaftli-
cher Arbeit nicht (nur) in der Erklärung (Deskription), sondern vor
allem der Vorhersage (und Optimierung) zukünftigen Verhaltens (Prä-
skription) liegt. In diesem Sinn hat die Instruktionspsychologie ein
durchaus technologisches Wissenschaftsverständnis, das dem der In-
genieurwissenschaften manchmal näher ist als dem der Naturwissen-
schaften. Vor diesem Hintergrund muss auch die häufig zu findende
Funktionaler Verwendung von Begriffen wie „Modell“ und „Theorie“ gesehen wer-
­ harakter von
C
Instruktions­theorien
den, die oft einen stark funktionalen Charakter haben und eher eine
Sequenz von Handlungsschritten als einen Satz in sich geschlossener,
widerspruchsfreier und falsifizierbarer Aussagen bezeichnen, wie dies
der deutschsprachigen Tradition des Theoriebegriffs entspricht. Häu-
fig werden die Begriffe „Theorie“ und „Modell“ dabei synonym ver-
wendet. Leitendes Ziel ist die Bereitstellung von Handlungswissen, um
daraus pädagogische Entscheidungen ableiten zu können. Die Instruk-
tionspsychologie stellt also im Kontext der pädagogisch-psychologi-
schen Teildisziplinen einen dezidiert anwendungsorientierten Ansatz
dar.

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Instruktionspsychologie 261

Instruktionspsychologische Modelle und Erkenntnisse finden ihre An- Anwendungsbeispiele


wendung in verschiedensten Feldern, in denen es um die Gestaltung
von Lehr-Lernprozessen geht (Gagné & Dick, 1983). Neben der Gestal-
tung schulischen Unterrichts, den wir in Kapitel 11 näher beleuchten
werden, sind hier Anwendungsfelder wie z. B. betriebliche Trainings,
berufliche Unterweisungen, Fortbildungen, militärisches Training,
aber auch die Konzeption und Gestaltung von Lehrmaterialen und Un-
terrichtsmedien zu nennen. Gerade letzteres hat sich im Laufe der Ent-
wicklung zu einem zentralen Betätigungsfeld der Instruktionspsycho-
logie entwickelt. Die sich wandelnden technologischen Möglichkeiten
haben zu immer neuen Fragen an die Gestaltung von Materialen zu
Lehr-Lernzwecken geführt, von der Konzeption Programmierten Un-
terrichts in den 1950er Jahren, über adaptive Systeme, (intelligente)
tutorielle Systeme, Hypertexte und Hypermedien in den 1980er bis
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2000er Jahren, bis hin zu aktuellen Entwicklungen wie MOOCs („Mas-


sive Open Online Course“) und Webinaren (für einen Überblick siehe
z. B. Niegemann et al., 2008; vgl. auch Kap. 9).

10.2 Behavioristische Ansätze


Besonders deutlich wird der Charakter der Instruktionspsychologie bei
seinem vielleicht prominentesten behavioristischen Vertreter: Burrhus
Frederic Skinner (1904–1990), der explizit von „the science of learning
and the technology of teaching“ spricht (Skinner, 1968). Im Mittelpunkt
seiner Überlegungen steht dabei der Begriff des Reinforcement.
E. L. Thorndike hatte schon 1898 das „law of effect“ formuliert (vgl.
Kap. 3), nach dem die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens
durch die Konsequenzen, die es hervorruft, verändert wird. Für Skin-
ner stellt diese Funktion der Verstärkung („reinforcement“) des Verhal-
tens durch die Umwelt die Basis seiner Theorie dar. Gelingt es, ange-
messene Verstärkung für ein Verhalten zur Verfügung zu stellen, lässt
sich dessen Auftretenswahrscheinlichkeit erhöhen – damit kann der
Lernprozess systematisch beeinflusst werden (Prinzip der Verstärker-
kontrolle). Um auf diese Art zu lernen, sind nach Skinner (1968) zwei
Prinzipien ausschlaggebend: (1) eine sorgfältige und systematische Ver-
haltensanalyse und (2) unmittelbare und zielgerichtete Verstärkung
durch direkte Anleitung.

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262 Kapitel 10

10.2.1 Programmierter Unterricht


Am deutlichsten wird das Lehrverständnis Skinners bei der Betrach-
tung des sogenannten Programmierten Unterrichts (Morris, 2003): Bei
diesem – durchaus technisch zu verstehenden – Begriff handelt es sich
um eine Form von Lernprogrammen, die häufig zum Erwerb umfang-
reichen Faktenwissens verwendet wird. Dabei wird zunächst der zu
vermittelnde Gegenstandbereich in eine Sequenz von aufeinander auf-
bauenden Lehreinheiten zerlegt. Hierzu notwendig sind Annahmen
über die interne Struktur des Lehrstoffes und seine Über- und Unter-
ordnungsbeziehungen. Diese erfolgt mittels rationaler Aufgabenana-
lyse, die aus behavioristischer Perspektive immer verhaltensbezogen
ist. Die (theoretische) Sequenz von Lehrinhalten wird dem Lerner nun
sukzessive präsentiert, wobei jeweils erst dann zum nächsten Lernin-
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halt weitergegangen wird, wenn der vorherige „verstanden“ worden


ist, d. h. wenn die diesbezüglichen Aufgaben korrekt gelöst wurden.
Lehren wird dadurch ein quasi ­algorithmisches Programm, das leicht
auch durch entsprechende technologische Hilfsmittel wie Karteikäs-
ten, Lehrbücher oder Computerprogramme durchgeführt werden kann
und nicht notwendigerweise die Anwesenheit einer Lehrkraft voraus-
setzt. Programmierter Unterricht ist daher vor allem auch für das
Selbstlernen geeignet.
Von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Gestaltung Programmier-
ten Unterrichts ist dabei kontinuierliche Verstärkung durch das Pro-
gramm. Dies geschieht in der Regel durch eine Sequenz von Informati-
onspräsentation, Aufgabenstellung und Lösungsrückmeldung. Morris
(2003) weist darauf hin, dass es hierbei um eine frühe empirische Be-
stätigung der Bedeutung von Feedback handelt, wie wir es auch in ak-
tuellen Analysen effektiver Unterrichtsmethoden finden (Hattie, 2009).
Programmiertes Programmierter Unterricht war in den 1960er und 1970er Jahren au-
­Unterrichten war eine ßerordentlich beliebt, noch vor Einführung computerbasierter Sys-
Erfolgsgeschichte
teme. Morris (2003) spricht von einem regelrechten „programmed in-
struction movement“. Als Vorteile des Programmierten Unterrichts
werden dabei insbesondere gesehen, dass die Lerngeschwindigkeit an
die individuellen Bedürfnisse des Lerners angepasst werden kann,
womit Langeweile ebenso wie Überforderung vermieden werden kön-
nen, und dass die Lehrzielerreichung sichergestellt werden kann, da
ein objektives und überprüfbares Lehrziel vorgegeben werden kann.
Meist wird dabei im Sinne des Mastery Learning (Bloom et al., 1956)
ein Lehrziel von 95 % richtiger Antworten vorgegeben.
In seinem Buch „The Technology of Teaching“ stellt Skinner
(1968/2003) eine Reihe von Beispielen für Programmierten Unterricht

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Instruktionspsychologie 263

vor. Typische Anwendungsfelder sind dabei Mathematik (Arithmetik) Anwendungsbeispiele


und Spracherwerb (Rechtschreibung); Programmierter Unterricht fin- Programmierten
­Unterrichtens
det sich aber auch in anderen Anwendungsbereichen, insbesondere
dort, wo große Mengen Faktenwissen zu erwerben sind (Medizin, Fahr-
ausbildung). Skinner beschreibt dabei „guten“ Programmierten Unter-
richt anhand von fünf Charakteristika:
1. Es besteht ein kontinuierlicher Austausch zwischen dem Programm
und dem Lernenden, durch den der Lernende aufmerksam und be-
schäftigt bleibt.
2. Das Programm stellt sicher, dass der Lernende einen bestimmten
Inhalt vollständig gelernt und verstanden hat, bevor er zum nächs-
ten Thema übergeht.
3. Das Programm stellt nur die Information zur Verfügung, die der Ler-
nende zu einem bestimmten Zeitpunkt wirklich benötigt.
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

4. Das Programm stellt Hilfen zur Verfügung, die den Lerner zu einer
korrekten Aufgabenlösung hinführen.
5. Das Programm liefert dem Lernenden unmittelbare und kontinu-
ierliche Rückmeldung über seinen erreichten Leistungsstand (Skin-
ner, 1953).
Die Idee des Programmierten Unterrichts basiert also fundamental auf
der Analyse und Sequenzierung der Lehrinhalte und der Konzeption
und Operationalisierung angemessener Testaufgaben. Da zu dieser
Zeit die Möglichkeiten der maschinellen Testauswertung noch recht
begrenzt waren, wurde überwiegend mit verschiedenen Formen ge-
schlossener Aufgabenformate gearbeitet (Multiple-Choice-Aufgaben,
Richtig/Falsch-Aufgaben, Einsetzaufgaben u. a.). Auch heute noch fin-
den sich vielfältige (heute computerbasierte) Anwendungen, die nach
den Prinzipien des Programmierten Unterrichts konzipiert worden sind
(z. B. Vokabeltrainer, Rechentrainer, Trainingsprogramme zur theore-
tischen Führerscheinprüfung u. Ä.).

10.2.2 Lehrzieltaxonomien
Die zentrale Funktion der Messung von Lernerfolg als Indikator für die
Planung von Unterricht und Instruktion wurde nicht nur von Skinner
gesehen, sondern stellt ein generelles Charakteristikum behavioristi-
scher Instruktionspsychologie dar. Insbesondere der Klassifikation von
Lehrzielen wurde dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ein For-
scher, dessen Name heute quasi synonym dafür steht, war Benjamin
S. Bloom (1913–1999). Seit Beginn der 1950er Jahre entwickelte er
Lehrzieltaxonomien kognitiver, affektiver und psychomotorischer
Lehrziele, die mit einigen Weiterentwicklungen (Krathwohl, 2002) bis

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264 Kapitel 10

heute weite Verbreitung finden. Daneben existieren Taxonomien an-


derer Autoren wie Gagné (1962) bzw. Gagné, Briggs und Wagner
(2004) und Merrill (1983). So unterscheiden etwa Gagné et al. (1992)
zwischen fünf verschiedenen Arten von Lehrinhalten: (1) sprachlich
repräsentiertem Wissen, (2) kognitiven Fähigkeiten, (3) kognitiven
Strategien, (4) Einstellungen und (5) motorischen Fähigkeiten. Merrill
(1983) unterscheidet in seiner Component Display Theory zwischen In-
halten (contents) und Leistungen (performance). In Bezug auf die Con-
tents unterscheidet er weiter zwischen Fakten (facts), Konzepten (con-
cepts), Prozeduren (procedures) und Prinzipien (principles), in Hinblick
auf die Leistungen zwischen Erinnern (remembering), Nutzen (using)
und Finden (finding). Im Zuge der zunehmenden Verbreitung kogniti-
onspsychologischer Konzepte im „Instructional Design“ erweitert Mer-
rill (1999) sein Modell zur Instructional Transaction Theory (vgl. Ab-
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schnitt 10.3.3), die sich vor allem mit den kognitiven Aktivitäten
beschäftigt, die ein Lerner beim Erwerb von Fähigkeiten und Fertig-
keiten ausführt.
Exemplarisch für die Lehrzieltaxonomien sollen hier kurz die von der
Arbeitsgruppe um B. S. Bloom entwickelten und wohl am weitesten
verbreiteten Lehrzieltaxonomien dargestellt werden (siehe Kasten).

Lehrzieltaxonomien zur Instruktionsplanung


Zunächst unterscheidet Bloom dabei verschiedene Klassen von Lehr-
zielen in kognitive, affektive und psychomotorische Lehrziele. Ausge-
hend von der behavioristischen Annahme des sukzessiven Aufbaus
­komplexen Verhaltens unterteilt er jede dieser Gruppen weiter in ver-
schiedene, aufeinander aufbauende (taxonomische) Lehrziele.
Kognitive Lehrziele lassen sich danach (Bloom, Engelhart, Furst, Hill &
Krathwohl, 1956) unterscheiden in:
• Wissen: Wissen bezieht sich auf die Fähigkeit, gelernte Wissensin-
halte korrekt erinnern zu können, z. B. Fakten wiederzugeben, Termi-
nologien zu beherrschen, aber auch Regeln und Prinzipien wiederge-
ben zu können.
• Verstehen: Aufbauend auf dem Wissen um gelernte Sachverhalte be-
zieht sich Verstehen auf die korrekte Beschreibung der Inhalte an-
hand von Beispielen und das Erkennen des Sachverhaltes in neuen
Kontexten.
• Anwenden: Die Anwendung von Wissen bezieht sich auf die korrekte
und passende Verwendung erworbener Kenntnisse in entsprechen-
den Anwendungskontexten, beispielsweise das korrekte Verwenden
einer mathematischen Gleichung oder einer grammatikalischen Kon-
struktion.

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Instruktionspsychologie 265

• Analyse: Die Analyse von Wissen bezieht sich auf deren Zerlegung in
elementarere Bestandteile und das Erkennen zugrundeliegender Re-
lationen (etwa die Zerlegung des Satz des Pythagoras in die Relatio-
nen der Flächenverhältnisse der Quadrate).
• Synthese: Quasi als komplementärer Prozess zur Analyse von Wis-
senseinheiten ist die Synthese konzipiert. Hierbei geht es um das Zu-
sammenfügen elementarer Wissensbestandteile zu komplexeren
Wissenseinheiten.
• Bewertung (Evaluation): Hier geht es schließlich um die Einnahme
einer Metaperspektive, bei der das erworbene Wissen von einem
übergeordneten Standpunkt aus auf Konsistenz und Sinnhaftigkeit
hin eingeordnet werden soll.

Nach dem gleichen Muster, wenn auch weniger verbreitet, hat die Ar-
beitsgruppe um Bloom auch Lehrziele im affektiven Bereich entwickelt
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(Krathwohl, Bloom & Masia, 1964). Diese unterscheiden sich in:


• Aufnehmen,
• Reagieren,
• Werten,
• Wertordnungen und
• Bestimmt sein durch Werte.
Psychomotorische Lehrziele schließlich werden unterteilt in:
• Imitation,
• Manipulation,
• Präzision,
• Handlungsgliederung und
• Naturalisierung.

Ersichtlich stellen die Stufen der kognitiven Lehrziele immer höhere


Anforderungen an den Lerner, ob es sich hierbei allerdings – wie von
Bloom intendiert – um eine taxonomische Ordnungsrelation im stren-
gen Sinne handelt (in der übergeordnete Lehrziele erst dann vermit-
telt werden können, wenn untergeordnete erreicht wurden), bleibt um-
stritten. Eine empirische Prüfung der taxonomischen Ordnung erweist
sich meist als schwierig. Insoweit werden die Bloom‘schen Lehrziele
häufig sehr viel pragmatischer als heuristisches Klassifikationsschema
zur Strukturierung kognitiver Wissensdomänen verwendet. Dabei wer-
den Lehrinhalte oft zur Komplexitätsreduktion selbst nochmals in Teil-
ziele zerlegt (z. B. verschiedene Epochen im Geschichtsunterricht oder
verschiedene Spezies im Biologieunterricht).
Kreuzt man die Dimension der Lehrinhalte mit der Dimension der Tyler-Matrix
kognitiven Lehrziele, erhält man eine zweidimensionale Ordnung,
die als Tyler-Matrix bezeichnet wird (Tyler, 1950), und die sich sehr

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266 Kapitel 10

gut zur Strukturierung von Unterrichtseinheiten nutzen lässt (vgl.


Tab. 11).

Tabelle 11: Beispiel einer Tyler-Matrix

Wissen Verstehen Anwenden …

Lehrinhalt 1                

Lehrinhalt 2                

…                

10.2.3 Kritik an behavioristischen


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

­Instruktionsmodellen
Mechanistische Skinners Idee des Lernens durch Verstärkung wurde ebenso wie der
­Vorstellungen von darauf basierende Programmierte Unterricht und die teaching machi-
­Lernen
nes der 1960er und 1970er Jahre wegen ihrer mechanistischen und li-
nearen Vorstellungen von Lernen oft und heftig kritisiert (Morris, 2003;
Gagné & Dick, 1983). Umso mehr mag es verwundern, dass zentrale
Ideen behavioristischen Unterrichtens auch heute noch – ebenso wie
die Grundprinzipien des Programmierten Unterrichts – häufig vorzu-
finden sind. Auch wenn sich die Vorstellungen von Lernen mittlerweile
stark ausdifferenziert haben und kognitive und konstruktivistische Mo-
delle heute überwiegen, werden bei der Konzeption und Realisation
von Unterrichtsmodellen und Lehr-Lernprogrammen viele behavio-
ristische Grundprinzipien nach wie vor berücksichtigt.
Zu den wichtigsten dieser Prinzipien gehören dabei die kontinuierli-
che Diagnostik des Lernprozesses durch Aufgaben und die Anpassung
Adaptivität von Parametern der Informationspräsentation (Schwierigkeit, Ge-
schwindigkeit) an die individuelle Leistungsfähigkeit des Lerners (Ad-
aptivität; Leutner, 1992) auf der Basis dieser Lernprozessdiagnostik.
Auch wenn heute die Prüfung der Ordnung und des Zusammenhangs
von Aufgaben meist empirisch erfolgt (durch Modelle der probabilis-
tischen Testtheorie; vgl. Kap. 8 in Spinath & Brünken, 2016), basiert
deren Konzeption nach wie vor auf den hier vorgeschlagenen Taxono-
mien. Insoweit sind behavioristische Instruktionsmodelle nach wie vor
präsent und einflussreich.

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Instruktionspsychologie 267

10.3 Kognitive Ansätze


Mit dem zunehmenden Erfolg kognitionspsychologischer Theorien der Ein neues Verständnis
Informationsverarbeitung zur Erklärung von Lernprozessen spätestens von Lernen

seit Ende der 1960er Jahre (z. B. Neisser, 1967) änderte sich auch der
Fokus der Instruktionspsychologie. Wurde Lehren in behavioristischer
Tradition noch als Bereitstellung von Lehrinhalten, Verhaltensgele-
genheiten und Reinforcement verstanden, besteht Lehren in kogniti-
onspsychologischer Hinsicht in erster Linie in Aktivitäten, die der
­Förderung und Aufrechterhaltung des Informationsverarbeitungspro-
zesses dienen. Instruktion wird definiert als Abfolge von Handlungen,
die die internen Prozesse des Lernens unterstützen sollen (Gagné &
Dick, 1983).
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10.3.1 Lehrfunktionen
Ein bekanntes Modell zur Sequenzierung von Instruktion stellen die
Principles of Instructional Design von Gagné, Briggs und Wager (2004)
dar. Gagné und Kollegen unterscheiden dabei neun „events of inst-
ruction“, die sequenziell durchlaufen werden sollten, um Lernpro-
zesse erfolgreich anzuleiten (siehe auch Ertmer, Driscoll & Wager,
2003):
1. Aufmerksamkeit gewinnen,
2. den Lerner über den Gegenstandsbereich informieren,
3. Vorwissen aktivieren,
4. Information präsentieren,
5. Lernerunterstützung anbieten,
6. Leistung fördern,
7. informative Rückmeldung geben,
8. Leistung bewerten,
9. Wiedergabe und Transfer fördern.
Schon an der Wahl der Begrifflichkeit erkennt man, dass Gagné einer
behavioristischen Tradition entstammt, allerdings in seinen Vorschlä-
gen für effektive instruktionale Maßnahmen über behavioristische An-
sätze hinausgeht und kognitive Aspekte (Vorwissen aktivieren, Leis-
tung und Transfer fördern) mitberücksichtigt. Das Modell bezieht sich
dabei in erster Linie auf Formen der direkten Instruktion (z. B. durch
einen Lehrenden), lässt sich aber ohne weiteres auch auf technologisch
unterstützte Lehrprozesse übertragen.
Ein in Deutschland entwickeltes und verbreitetes Modell, das viele Ge-
meinsamkeiten mit Gagnés „instructional events“ aufweist, ist das

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268 Kapitel 10

Lehrfunktionsmodell von Klauer (Klauer, 1985; Klauer & Leutner, 2012).


Klauers Modell unterscheidet dabei sechs Lehrfunktionen:
1. Steuerung und Kontrolle,
2. Motivation,
3. Information,
4. Informationsverarbeitung,
5. Speichern und Abrufen,
6. Transfer.
Durch Instruktion Klauer orientiert sich noch enger an kognitionspsychologischen Mo-
den Lernprozess
dellen der Informationsverarbeitung als Gagné. Unter Lehrfunktionen
­unterstützen
versteht er dabei „Funktionen, die die Lehre bewirken soll, um ein
Lehrziel zu erreichen“ (Klauer & Leutner, 2012, S. 45). Klauer bezieht
sich hierbei in erster Linie auf (im Bloom’schen Sinne) kognitive Lehr-
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ziele. Bemerkenswert ist, dass Klauer noch einen Schritt weitergeht


und – wiederum ganz in der Tradition der Informationsverarbeitungs-
modelle – von einem Lehralgorithmus spricht, also einer festgelegten
Sequenz von Schritten, die aufeinander folgen müssen und von deren
Erfüllung jeweils die Einführung des nächsten Instruktionsschrittes
abhängt. Man könnte dies auch als Fortführung der Tradition des Pro-
grammierten Unterrichts mit den Mitteln der Kognitionspsychologie
verstehen.
Was kennzeichnet das Klauer’sche Lehrfunktionsmodell nun als dezi-
diert kognitionspsychologisch? Zunächst ist die veränderte Rolle der
Motivation herauszustellen. Sie wird nicht mehr wie in den behavio-
ristischen Modellen als Verstärkung konzeptualisiert, sondern stellt eine
eigenständige Lernvoraussetzung dar, ohne die der Lernprozess gar nicht
erst in Gang kommt. Die Aufgabe des Lehrenden besteht nun darin, beim
Lerner Motivation hervorzurufen, aufrechtzuerhalten und zu fördern.
Klauer hat dabei einen weiten Motivationsbegriff, bezieht sich aber in
erster Linie auf die Förderung intrinsischer Motive (Interesse, Neugier,
Lern- und Leistungsmotiv etc.; vgl. Kap. 7). Bemerkenswert ist weiter-
hin, dass Klauer dem Prozess der Informationsverarbeitung gleich drei
Lehrfunktionen widmet, wobei er Informationsaufnahme (Lehrfunk-
tion Information), Informationsverarbeitung (Lehrfunktion Informati-
onsverarbeitung) und Informationsspeicherung (Lehrfunktion Speichern
und Abrufen) trennt. Hier folgt er im Prinzip dem kognitionspsycholo-
gischen Drei-Speicher-Modell der Informationsverarbeitung (Atkinson
& Shiffrin, 1968), das auch in der Pädagogischen Psychologie weite Ver-
breitung gefunden hat. Eine besondere Bedeutung weist Klauer schließ-
lich dem Transfer (Klauer, 2011) zu, dem er eine eigene Lehrfunktion
widmet. Neben diesen fünf Lehrfunktionen, die sich direkt auf die Un-
terstützung der aktuellen Informationsverarbeitung beziehen, formu-

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Instruktionspsychologie 269

liert Klauer als sechste Lehrfunktion die der Steuerung und Kontrolle. Ähnlichkeiten zum
Selbstregulierten
Diese Lehrfunktion liegt gleichsam orthogonal zu den anderen fünf ­Lernen
Lehrfunktionen (vgl. Schreiber, 1998) und dient auf jeder Ebene der
Lehrfunktionen der Überwachung und Entscheidung darüber, ob die
jeweilige Lehrfunktion ihr jeweiliges Ziel in ausreichendem Maß er-
reicht hat. Damit geht Klauer über das sequenzielle Modell Gagnés
­hinaus und fasst den Lehrprozess als Regulationsmechanismus auf.
­Dieser hat damit strukturelle Ähnlichkeiten zu den in Kapitel 8 beschrie-
benen Modellen selbstregulierten Lernens, nur dass hier eben die Steu-
erungsfunktion nicht durch den Lernenden selbst, sondern durch den
Lehrenden (oder das Lehrsystem) erfolgt. Eine direkte Übertragung des
Klauer’schen Lehrfunktionsmodells auf das selbstregulierte Lernen fin-
det sich bei Schreiber (1998).
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Neben diesen auf die kognitiven Aspekte der Informationsverarbei-


tung fokussierenden Ansätzen existieren vereinzelt auch Lehrfunkti-
onsmodelle, die die Förderung motivationaler und emotionaler As-
pekte beim Lernen in den Blick nehmen.

10.3.2 Motivationsdesign
Ein Modell, das explizit als motivational design-Modell firmiert, hat Kel-
ler mit dem ARCS-Modell vorgestellt (Keller & Kopp, 1987). Das
­Akronym ARCS steht dabei für die vier Hauptstrategien der Motivati-
onsförderung: Attention (Aufmerksamkeit), Relevance (Bedeutung),
Confidence (Zuversicht) und Satisfaction (Befriedigung). Jede der vier
Basiskategorien wird dabei nochmals in drei Subkategorien unterteilt
(vgl. Tab. 12), welche präziser die einzelnen angestrebten Motivations-
komponenten beschreiben (Keller & Kopp, 1987).
Das Modell basiert dabei nicht auf einer einzelnen Motivationstheorie Wie fördert man
­Motivation durch
(vgl. Kap. 7), sondern verbindet Elemente verschiedener motivationa- ­instruktionales Design?
ler Konstrukte, wie Attribution, Selbstwirksamkeit, Leistungsmotiva-
tion usw. Das Modell ist, ähnlich wie die vorher vorgestellten kogniti-
ven Modelle von Klauer und Gagné, nicht auf einen spezifischen
Anwendungskontext beschränkt, bezieht sich aber ursprünglich eben-
falls auf das Lehrerhandeln. Interessanterweise findet das Modell heute
aber überwiegend Verwendung im Bereich des technologiebasierten
Lernens (Niegemann et al., 2008; Astleitner & Leutner, 2000; Astleit-
ner, Brünken & Leutner, 2003).
Astleitner, der auch Forschung zum ARCS-Modell beim Einsatz tech-
nologiebasierter Lehrmaterialien durchgeführt hat (Astleitner & Huf-
nagl, 2003), hat ebenfalls ein nicht-kognitives Instruktionsmodell vor-

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Tabelle 12: Das ARCS-Modell (nach Keller & Kopp, 1987, S. 292 f.)
270

Kategorie Strategie Beispiel

Aufmerksamkeit A.1 Wahrnehmung … durch die Verwendung von neuen, überraschenden, unerwarteten oder inkongruen-
anregen ten Ereignissen in der Instruktion.
Kapitel 10

A.2 Handlungen … durch Anregung der Informationssuche mithilfe von vorgegebenen oder zu erstel-
­anregen lenden Fragen oder Problemlöseaufgaben.

A.3 Variabilität … zur Aufrechterhaltung des Lernerinteresses durch variierende Elemente in der Ins-
­fördern truktion.

Bedeutung R.1 Vertrautheit … durch die Verwendung konkreter Sprache und die Verwendung von Beispielen und
­erzeugen Konzepten aus dem Erfahrungs- und Interessenbereich des Lernenden.

R.2 Zielorientierung … durch die Verwendung von Aussagen und Beispielen, die die Anwendbarkeit des
fördern Lehrstoffes darstellen, und durch die Vermittlung von Zielen, die der Lernende erfül-
len soll.

R.3 Übereinstim- … durch die Verwendung von Lehrstrategien, die für den Lernenden motivationale An-
mung der Motive reize darstellen.
­herstellen

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Tabelle 12: Fortsetzung

Kategorie Strategie Beispiel

Zuversicht C.1 Erfolgserwartung … durch die Offenlegung von Anforderungen und Bewertungskriterien der Leistungs-
fördern beurteilung.

C.2 Herausforderun- … durch multiple Anforderungsniveaus, die es dem Lernenden erlauben, sich indivi-
gen setzen duelle Leistungsstandards zu setzen, und durch die Schaffung von Gelegenheiten, die
Leistung zu zeigen, um Erfolg zu erfahren.

C.3 Attributions­ … durch die Vermittlung von Feedback, das eine Attribution auf Fähigkeiten und An-
muster fördern strengung als Erfolgsfaktoren ermöglicht.

Befriedigung S.1 Natürliche … durch die Schaffung von Anwendungsmöglichkeiten für die neu erworbenen Fähig-
­Konsequenzen keiten und Fertigkeiten.
anregen

S.2 Positive Konse- … durch die Vermittlung von Rückmeldungen, die das erwartete Verhalten verstetigen
quenzen anregen helfen.

S.3 Gleichheit för- … durch die Verwendung konsistenter Standards und Bewertungskriterien bei der
dern Bewertung der Zielerreichung.
Instruktionspsychologie
271

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272 Kapitel 10

gelegt, den FEASP-Ansatz zur Gestaltung emotional ansprechender


Instruktion. Auch das Akronym FEASP steht für die mit dem Modell
hauptsächlich adressierten Komponenten, die durch angemessenes in-
struktionales Design entweder reduziert (Fear, Envy und Anger) oder
Emotionale gefördert (Sympathy, Pleasure) werden sollen (Astleitner, 2000). Auch
­Unterstützung wenn das Modell mit der Rolle emotionaler Faktoren beim Lernen
einen überaus relevanten Aspekt erfolgreicher Informationsverarbei-
tung aufgreift (vgl. auch das INVO-Modell von Hasselhorn & Gold,
2017, in Abschnitt 8.1.2), der ansonsten kaum thematisiert wird, hat
sich das Modell bislang kaum durchgesetzt. Ebenfalls mit der Berück-
sichtigung emotionaler Aspekte beim Lehren befasst sich der ECOLE-
Ansatz (Emotional and Cognitive Aspects of Learning) von Gläser-Zikuda
und Kollegen (2005). In diesem, auch empirisch untersuchten Ansatz,
schlagen sie fünf „educational guidelines“ vor, an denen sich Lehrstra-
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tegien orientieren sollten (Selbstregulation, Kompetenzorientierung,


soziale Interaktion, Strukturiertheit und Wertorientierung).
Allen hier vorgestellten Lehrfunktionsmodellen (Gagné, Klauer, Kel-
ler, Astleitner, Gläser-Zikuda) gemeinsam ist, dass es sich bei ihnen im
Instruktionale eigentlichen Sinne um instruktionale Metamodelle handelt, das heißt,
­Metamodelle die Modelle beschreiben nicht direkte Lehrstrategien oder Lehrhand-
lungen, sondern klassifizieren Gruppen von instruktionalen Aktivitä-
ten zu erwarteten (oder erhofften) Lehrzielen. Insoweit sind die Mo-
delle nicht nur offen in Hinblick auf ihre konkrete Einbettung (im
Unterricht, bei der Konzeption von Lehrgängen oder beim Design von
Unterrichtsmaterialien), sondern auch in Hinblick auf die Frage, durch
welche konkreten Aktivitäten oder Design-Features die angestrebten
Ziele erreicht werden sollen. Sie ähneln damit in struktureller Hinsicht
den in Kapitel 8 vorgestellten Modellen des selbstregulierten Lernens.
Entsprechend schwierig (und selten) sind denn auch Studien zur em-
pirischen Prüfung der vorgeschlagenen Modelle, die in der Regel zu
komplex und zu heterogen sind, um als Ganzes oder auch nur in we-
sentlichen Teilen einer kontrollierten experimentellen Überprüfung
zugänglich zu sein. Neben dem Einsatz von Evaluationsstudien bietet
es sich daher hier eher an, im Rahmen der Modelle nur solche Lehr-
strategien zu verwenden bzw. zur Verwendung zu empfehlen, die sich
bei isolierter Prüfung als belastbar erwiesen haben. Eine solche Stra-
tegie verfolgen beispielsweise Klauer und Leutner (2012) in ihrer an
den Klauer‘schen Lehrfunktionen orientierten Einführung in die In­
struktionspsychologie, aber auch Niegemann et al. (2008) in ihrem
Kompendium zum multimedialen Lernen.

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Instruktionspsychologie 273

10.3.3 Instructional-Design-Theorien
Instructional-Design-Theorien (ID-Theorien) umfassen nicht nur den Instruktionstheorien
Aspekt der Lehrfunktionen, sondern versuchen – mit unterschiedli- formalisieren den
­Gesamtprozess der
chem Fokus – den gesamten Prozess der Instruktion zu formalisieren. ­Instruktion
Die Vielzahl der hier existierenden Theorien und Modelle ist unüber-
sichtlich und wächst ständig. In seinem mittlerweile dreibändigen He-
rausgeberwerk „Instructional Design Theories and Models“ (Reige-
luth, 1983, 1999; Reigeluth & Carr-Chellmann, 2009a) geben Reigeluth
und Kollegen einen Überblick. Beim Versuch der Systematisierung un-
terscheiden sie dabei sechs Hauptrichtungen von ID-Modellen, die den
gesamten ID-Prozess mit jeweils unterschiedlichem Fokus beleuch-
ten, in event, analysis, planning, building, implementation und evalua-
tion. Zur Verdeutlichung dieser Einteilung verwenden sie die Analogie
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des Hausbaus. Basierend auf grundlegenden Architekturtheorien


(Event Theory) und Planungstheorien (Analysis Theory) erstellt der
Architekt Baupläne (Planning Theory), die dann von den entsprechen-
den Handwerkern umgesetzt werden (Building Theory). Der Hausbe-
sitzer wiederum nutzt das so entstandene Haus (Implementation The-
ory), und auf dessen Erfahrungen kann schließlich die Funktionalität
bewertet werden (Evaluation Theory; Reigeluth & Carr-Chellmann,
2009b). Sie weisen dabei darauf hin, dass Instruktionstheorien nicht
mit Curriculumstheorien verwechselt werden dürfen: Während ers-
tere Aussagen darüber machen, wie unterrichtet werden soll, beziehen
sich letztere darauf, was unterrichtet werden soll. Curriculumstheorien Instruktionstheorien
sind keine Curriculums-
haben damit einen normativen Charakter, der Instruktionstheorien theorien
fehlt.
Eine zentrale Frage, der sich viele ID Theorien widmen, und die auch
schon im Fokus behavioristischer ID-Modelle stand, ist die (Lehrstoff-)
Sequenzierung. Um von einem Sachverhalt (dem, was gelehrt werden
soll) zu einer Unterrichtseinheit zu gelangen, sind eine Vielzahl von
Entscheidungen darüber notwendig, welche Information, wie, wann
und in welcher Reihenfolge präsentiert und bearbeitet werden soll. Die four S’s der
Reigeluth bezeichnet dies als die „four S’s: selection, sequencing, syn- ­ID-Theorien

thesizing, and summarizing of subject-matter content“ (Reigeluth &


Stein, 1983, S. 338). Verschiedene ID-Theorien geben hierzu spezifi-
sche Antworten, je nachdem welche Art von Lehrziel erreicht werden
soll. Bekannte Beispiele dafür sind die Elaboration Theory of Instruc-
tion (Reigeluth, 1999)oder die Instructional Transaction Theory von
Merrill (1999). Eine moderne bereichsspezifische ID-Theorie der Se-
quenzierung hat die Arbeitsgruppe um van Merriënboer (aktuell: van
Merriënboer & Kirschner, 2007) mit dem Four-Component Instructio-
nal Design Modell (kurz 4C/ID) vorgestellt.

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274 Kapitel 10

10.3.4 Kritik an kognitiven ID-Modellen


In kognitionspsychologisch basierten Instructional-Design-Modellen
wird Wissenserwerb als ein quasi-algorithmischer Prozess angesehen,
der basierend auf einer rationalen Aufgabenanalyse durch systemati-
sche Unterweisung zum Aufbau kognitiver Strukturen (mentaler Re-
präsentationen, kognitiver Schemata, Skripten; vgl. Kap. 4) führt. Das
so aufgebaute Wissen ist demnach allgemein und situationsunspezi-
fisch repräsentiert. Die Rolle des Lerners ist wesentlich eine rezipie-
rende, wogegen der Lehrende (oder das Lehrprogramm) in erster Linie
unterweisende und diagnostizierende Aufgaben erfüllt.
Diese Sichtweise auf Lehr-Lernprozesse ist in den 1980er und 1990er
Jahren kritisiert und kontrovers diskutiert worden. Ausgangspunkt war
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Träges Wissen dabei das Phänomen des „trägen Wissens“ (Renkl, 1996). Damit ge-
meint ist die Beobachtung, dass Schülerinnen und Schüler (aber auch
Studierende und professionell Tätige) oft nicht dazu in der Lage sind,
einmal erworbenes Wissen auf neue Situationen zu transferieren und
dort angemessen zu verwenden. Klassische Transfertheorien (für eine
Zusammenfassung siehe Klauer, 2011) gehen davon aus, dass Wissen
beim Lernen dekontextualisiert wird und dann aufgrund struktureller
Ähnlichkeiten auf neue Situationen angewendet werden kann. Dies
scheint jedoch zumindest nicht immer der Fall zu sein, was die grund-
sätzliche Frage aufwirft, welche Rolle der Lernkontext (die Situation)
beim Wissenserwerb spielt.
Gleichzeitig begann Ende der 1980er Jahre die Verbreitung von Er-
kenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung in der Psycholo-
gie, ausgehend von den populärwissenschaftlichen Arbeiten z. B. von
Maturana und Varela (1987), die ebenfalls Zweifel an der Existenz ob-
jektiven, situationsunabhängigen Wissens aufkommen ließen.
Neben der grundlegenden konzeptuell-theoretischen Debatte, die
unter dem Schlagwort „situiertes Lernen“ in den 1990er Jahren (auch
als Anderson-Greeno-Debatte bekannt; vgl. Abschnitt 10.1.1) geführt
wurde und bis heute geführt wird, führte die Kontroverse auch zur Ent-
wicklung neuer Instruktionsansätze, die sehr viel stärker als die klas-
sischen kognitionspsychologischen Modelle die Lernsituation und die
aktive Rolle des Lerners im Lehr-Lernprozess in den Blick nehmen und
die unter der Sammelbezeichnung „konstruktivistische Ansätze“ sub-
summiert werden (siehe auch Reinmann & Mandl, 2006).

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Instruktionspsychologie 275

10.4 Konstruktivistische Ansätze


Die Hauptkritik von Vertretern konstruktivistischer Ansätze an den ko-
gnitionspsychologischen Instruktionsmethoden richtete sich gegen die
Metapher vom „Wissenstransport“. Danach stellt die Vorstellung, dass
nach Abschluss des Lernprozesses eine genaue „Kopie“ des Lehrerwis-
sens im Lernenden existiert, ein Fehlkonzept dar und die Idee, dass
Lernende selbstständig einzelne Wissenselemente zu sinnvollen Ein-
heiten integrieren und eine vernetzte Wissensbasis aufbauen (wie sie
die klassischen Transfertheorien vertreten), eine Überforderung. Ver-
treter konstruktivistischer (situierter) Ansätze fordern daher die Im-
plementation neuer Instruktionsmethoden, welche den Erwerb an-
wendbaren Wissens fördern und der Kontextgebundenheit und Pro-
zesshaftigkeit der Wissenskonstruktion Rechnung tragen.
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Vertreter des Konstruktivismus berufen sich dabei häufig auf die Ar- Situiertes Lernen
beiten von Wygotski (1964) und Piaget (1969). Danach entsteht Wis-
sen durch soziale Interaktion und Handlung. Insoweit ist die entste-
hende Wissensstruktur subjektiv und individuell, objektives Wissen
gibt es nicht, nur intersubjektiv geteiltes Wissen. Dabei ist das Wissen
immer in sinnvolle Handlungskontexte eingebettet (situiert), abstrak-
ter Transfer findet nicht statt. Lernen erfolgt durch individuelle oder
soziale Auseinandersetzung mit sinnvollen Problemstellungen (Greeno,
1989; Hmelo-Silver, 2004). So sieht auch Schnotz (2011) Situiertheit,
sozialen Kontext und die Auffassung von Lernen als konstruktivem
Prozess als die drei grundlegenden Annahmen, die die konstruktivis-
tische Auffassung von Lernen von kognitiven Ansätzen unterscheiden,
und die die verschiedenen daraus entstandenen Instruktionsmodelle
miteinander verbinden.
Konstruktivistische Instruktionsmodelle befassen sich nun insbeson-
dere mit zwei Aspekten des Lehr-Lernprozesses: (1) dem Umgang mit
(Problem-)Komplexität und (2) der Gestaltung der Lehrer-Schüler-In-
teraktion. Komplexitätsreduktion ist dabei nicht das Ziel der Vermitt-
lung, vielmehr steht die Authentizität der Lehrsituation, also die mög-
lichst enge Anlehnung an tatsächliche, praktische Probleme im Authentische
Vordergrund (Reinmann & Mandl, 2006). Argumentiert wird dabei, ­Lernsituationen

dass viele „reale“ Probleme komplex sind, und eine „didaktische Re-
duktion“ zu keiner adäquaten Problemlösung führen würde, zumal
dann, wenn es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch
um den Erwerb praktischer Fertigkeiten geht. Auch die Rolle von Leh-
renden und Lernenden wird in diesen Ansätzen neu bestimmt. Leh-
rende werden häufig als Domänenexperten konzeptualisiert, deren
wesentliche Aufgabe darin besteht, die Lernenden zu unterstützen und

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276 Kapitel 10

an eine Expertenlösung eines Problems heranzuführen. Die reine Wis-


sensvermittlung im Sinne direkter Instruktion tritt dabei eher in den
Hintergrund. Daraus folgt eine sehr viel aktivere Rolle des Lerners, der
schon in einem sehr frühen Stadium der Problemlösung eigenständig
Aktivitäten übernimmt und sich sehr viel weniger in der passiven Rolle
des Wissensrezipienten befindet. Damit kommt insbesondere der Ge-
staltung der Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernendem
zentrale Bedeutung zu.

10.4.1 Problembasiertes Lernen


In der seit nunmehr über 30 Jahre andauernden Diskussion seit Ende
der 1980er Jahre hat es eine Vielzahl von Ideen, Varianten und Spiel-
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weisen konstruktivistischer Ansätze gegeben, die diese Ideen auf die


ein oder andere Weise aufgegriffen und in instruktionale Ansätze über-
führt haben (Phillips, 1995). Diese werden unter verschiedenen Bezeich-
nungen wie Konstruktivistisches Lernen, Entdeckendes Lernen (Disco-
very Learning), Problemorientiertes oder -basiertes Lernen (PBL),
Fallbasiertes Lernen, Erfahrungsorientiertes Lernen, Forschungsorien-
tiertes Lernen (Inquiry learning) oder Projektbasiertes Lernen diskutiert.
Problem Based Besonders verbreitet haben sich dabei die Konzepte des Problem Based
­Learning und Inquiry Learning (PBL) und des Inquiry Learning (IL; Hmelo-Silver, 2004;
Learning
Hmelo-Silver, Duncan & Chinn, 2007). Beiden Ansätzen gemeinsam
ist, dass sie von realen, komplexen Problemsituationen ausgehen: Beim
PBL erwerben Lernende Inhalte, Strategien und Problemlösekompe-
tenzen durch kollaboratives Problemlösen, bei dem sie ihre Erfahrun-
gen reflektieren und in Übungen engagiert sind. Beim IL erwerben Ler-
nende Inhalte und disziplinspezifische Lösungsfähigkeiten und
-fertigkeiten (oftmals in wissenschaftlichen Domänen) durch die ge-
meinschaftliche Bearbeitung von Aufgaben. Sowohl PBL als auch IL
sind um authentische, relevante Aufgaben und Problemstellungen
herum konzipiert. Bei beiden wird besonderer Wert auf kollaborative
Aufgabenbearbeitung gelegt. In beiden sind Lernende kognitiv enga-
giert in der Entwicklung evidenzbasierter Erklärungen, und sie kom-
munizieren über ihre Ideen. Der Lehrende spielt eine Schlüsselrolle,
indem er Lernprozesse ermöglicht und Inhalte dann zur Verfügung
stellt, wenn sie im Problemlöseprozess benötigt werden (Hmelo-Sil-
ver, Duncan & Chinn, 2007).
Auch wenn beide Ansätze vergleichbare Ziele verfolgen, sind sie doch
unterschiedlichen Ursprungs. Während PBL aus dem Bereich der Me-
dizinerausbildung stammt (Barrows, 2000; Hmelo-Silver, 2004), hat

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Instruktionspsychologie 277

Problem- Probleme
situation analysieren und
formulieren
Fakten
identifizieren
Selbstreguliertes
Hypothesen
Lernen
generieren

Wissensdefizite
erkennen

Neues Wissen
anwenden

Abstrahieren
Evaluieren

Abbildung 27: Der problembasierte Lernzyklus (nach Hmelo-Silver, 2004, S. 237)


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das IL seine Wurzeln in der naturwissenschaftlich-technischen Ausbil-


dung (Kuhn, Black, Kesselmann & Kaplan, 2000). Ein typisches Pro-
blem im Kontext des problembasierten Lernens (PBL) ist das Erstellen
einer medizinischen Diagnose. Solche Probleme sind komplex, schlecht
strukturiert und haben in der Regel keine eindeutige Lösung. Sie sind
realistisch und erfordern die Integration einer Vielzahl oft divergieren-
der Informationen. Die Aufgaben des Lernens sind vielfältig, sie um-
fassen das Auffinden relevanter Informationen, die Bildung plausibler
Hypothesen, das Erkennen von Wissensdefiziten etc. Hmelo-Silver
(2004) visualisiert diese Anforderungen in Form eines „problem based
learning cycles“ (vgl. Abb. 27).
Inquiry Learning hingegen hat seine Wurzeln in der Vermittlung natur-
wissenschaftlichen Denkens. Im Mittelpunkt des IL steht dabei der
Prozess der (natur-)wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, den die
Lernenden durch eigene Aktivtäten ausführen, verstehen und anwen-
den lernen sollen (Kuhn et al., 2000). Ein typisches Beispiel für Inquiry Lernen durch
­Experimentieren
Learning stellt das schulische Lernen durch Experimentieren dar (sci-
entific discovery learning; Klahr & Dunbar, 1988; van Joolingen & de
Jong, 1997). Hier sollen Schülerinnen und Schüler – im Unterschied zu
den Demonstrationsexperimenten, bei denen das Experiment durch
den Lehrer durchgeführt wird und die Schüler lediglich passive Beob-
achter sind – durch die selbständige Durchführung wissenschaftlicher
Experimente erlernen, wie auf der Basis empirischer Beobachtungen
kausale Schlussfolgerungen gezogen werden können. Typischerweise
finden solche Übungen in Gruppen statt, wobei der gemeinsamen Ak-
tivität und der Kommunikation der Gruppenmitglieder besondere Be-
deutung zukommt. Hmelo-Silver et al. (2007) weisen darauf hin, dass
der Lehrende hierbei keineswegs untätig ist, es sich also nicht um an-

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278 Kapitel 10

leitungsfreies entdeckendes Lernen handelt. Allerdings ist die Rolle


des Lehrenden eine andere als in klassischen und kognitiven Instruk-
tionsansätzen: Statt um Wissensvermittlung geht es hier um die Un-
terstützung der Lernaktivitäten (Savery, 2009).■
Es existieren eine Vielzahl instruktionaler Konzepte und Modelle, die
Vorschläge machen, wie die Anforderungen solcher situierter Lehr-
Lernsituationen in konkrete Instruktionsszenarien umgesetzt werden
können. Mandl, Gruber und Renkl (1997) sehen dabei zwischen den
verschiedenen Ansätzen eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die sie als
grundlegende Prinzipien für die Gestaltung situierter Lernumgebun-
gen wie folgt zusammenfassen (Mandl et al., 1997, S. 171).

Prinzipien für die Gestaltung situierter Lernumgebungen


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• Komplexe Anwendungsprobleme: Typisch ist die Verwendung „ech-


ter“ und damit komplexer, didaktisch nicht reduzierter Problemstel-
lungen. Dies dient in erster Linie der Motivation der Lernenden, die
durch die Komplexität und Interessantheit dazu angeregt werden sol-
len, das Problem lösen zu wollen und damit intrinsisch motiviert an
die Problemlösung herangehen sollen.
• Authentizität und Situiertheit: Motivation und Anstrengungsbereit-
schaft werden auch dadurch gefördert, dass die Problemstellungen
in lebenswirklichen, authentischen Kontexten dargeboten werden
und damit die praktische Relevanz der Problemlösung verdeutlicht
wird. Dies kann beispielweise durch die Verwendung multimedialer
Lernumgebungen erreicht werden, in denen komplexe Lernszenarien
und multiple Informationsressourcen zur Verfügung gestellt werden
(vgl. Kap. 9). Oft werden hierbei, wie beispielweise bei sogenannten
Goal-Based Scenarios (Schank, 1994), reale Kontexte und realitäts-
nahe Materialien verwendet.
• Multiple Perspektiven: Aus Sicht situierter Modelle ist Lernen immer
kontextgebunden; mithin geht man davon aus, dass Dekontextuali-
sierung beim Lernen im Sinne formaler Abstraktion nicht stattfindet.
Dennoch ist es natürlich auch hier das Ziel, einmal erworbene Fähig-
keiten und Fertigkeiten flexibel auf neue Anwendungskontexte an-
wenden zu können. Um dies sicherzustellen, muss diese Übertragung
beim Lernen selbst geübt werden. Dies geschieht durch die Bereit-
stellung multipler Perspektiven (zum Beispiel durch Handelnde mit
verschiedenen Rollen) und mehrerer, ähnlicher Problemstellungen
(Paare verwandter Abenteuer beim Anchored-Instruction-Ansatz; vgl.
Abschnitt 10.4.2). Dadurch soll die Fähigkeit gefördert werden, Pro-
bleme und Aufgaben aus unterschiedlichen Sichtweisen und unter
verschiedenen Standpunkten zu betrachten, um damit die Flexibili-
tät der Wissensanwendung zu erhöhen.

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Instruktionspsychologie 279

• Artikulation und Reflexion: Eine besondere Bedeutung kommt der


Reflexion der Handlung zu; sie soll einerseits dazu dienen, reinen Ak-
tionismus (trial and error) zu vermeiden und andererseits den Ler-
nenden helfen, ihre eigene Handlung selbstregulativ zu steuern. Dazu
sollen immer wieder Möglichkeiten der Artikulation und der Diskus-
sion geschaffen werden.
• Lernen im sozialen Austausch: Kommunikative Aspekte beim Ler-
nen lassen sich natürlich besonders gut fördern, wenn der Lernpro-
zess nicht allein in der Interaktion Lehrer-Schüler stattfindet, son-
dern kollaborativ, also in Gruppen abläuft. Durch das gemeinsame
Lernen und Arbeiten sollen insbesondere das wissenschaftliche Ar-
gumentieren und der Austausch von Problemlöseansätzen gefördert
werden. Allerdings zeigt sich, dass der Prozess des argumentativen
Wissensaustauschs oft nicht von alleine funktioniert, weshalb sich
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die aktuelle Forschung mit der Frage befasst, wie man diesen Argu-
mentationsprozess durch angemessene instruktionale Unterstüt-
zung (sog. Kollaborations-Skripte) fördern kann (Fischer et al., 2013;
Kollar, Fischer & Slotta, 2007; Weinberger, Stegmann & Fischer, 2010).

Einen weiteren, von Mandl, Gruber und Renkl (1997) nicht adressier-
ten Aspekt problembasierter Lernumgebungen, der aber vor allem bei
der Beurteilung der Lerneffizienz solcher Modelle von großer Bedeu-
tung ist, führt Savery (2009) an:
Authentisches Lern-Assessment: Die angenommenen Vorzüge PBL-­ Erfassung von
basierter Instruktionsansätze zeigen sich dann besonders deutlich, ­Lernergebnissen

wenn die Aufgaben, die zur Überprüfung des Lernerfolgs verwendet


werden, ebenfalls hinreichend komplex und realitätsnah (authentisch)
sind. Im Unterschied zu den bei kognitiven Instruktionsansätzen häu-
fig verwendeten Lerntests, die oft einseitig kognitive Wissensfacetten
abprüfen, kommt es bei PBL-basierten Problemstellungen darauf an,
auch Problemlösefähigkeiten und metakognitive Fähigkeiten mit zu
erfassen. Statt summativer Lerntests am Ende einer Lerneinheit wer-
den hier häufig Methoden der formativen Evaluation und qualitative
Methoden der Erfassung von Lernergebnissen verwendet (vgl. Kap. 2).

10.4.2 Beispiele PBL-orientierter


­Instruktionsansätze
Seit den 1990er Jahren wurden eine Reihe von Instruktionsansätzen
zur konkreten Umsetzung PBL-basierter Instruktionsprinzipien in Un-
terrichtseinheiten und Lehr-Lernsequenzen entwickelt. Besondere Be-
deutung kam dabei – bedingt wohl auch durch den zeitgleichen Boom

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280 Kapitel 10

bei der Entwicklung digitaler Lerntechnologien (vgl. Kap. 9) – dem Ein-


satz neuer Medien bei der Umsetzung, zu. Zu den bekanntesten die-
PBL-Ansätze beim ser Ansätze gehören das Cognitive Apprenticeship (Collins, Brown &
­ ernen mit Medien
L ­Newman, 1989), der Anchored-Instruction-Ansatz (Cognition and Tech-
nology Group at Vanderbilt, 1992, 1997) sowie die Goal-Based Scena-
rios (Schank, 1994).

Cognitive Apprenticeship
Im Mittelpunkt des Cognitive Apprenticeship-Ansatzes steht die Gestal-
tung des Verhältnisses zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und
Schülern und die Anregung des Problemlöseprozesses bei Schülerinnen
und Schülern. Als Modell einer idealen Lehrer-Schüler-Beziehung sehen
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die Autoren dabei – sicher idealisiert – das Verhältnis von Meister und
Die Handwerks­ Lehrling in der klassischen Handwerkslehre (Collins, Brown & New-
ausbildung als Vorbild
man, 1989). Durch die Beobachtung und sukzessive, angeleitete Über-
nahme von Aktivitäten des Meisters wächst der Lehrling, so die Idee,
zunehmend in eine „community of experts“ hinein. Die Aufgabe des
Experten (des Meisters) besteht dabei nicht nur darin, angemessen kom-
plexe Aufgabenstellungen bereitzustellen, sondern auch, den Lehrling
jeweils so differenziert zu unterstützen, dass er ihn dazu befähigt, neue,
bislang noch nicht verfügbare Fähigkeiten zu entwickeln. Gleichzeitig
muss er dafür Sorge tragen, dass der Lehrling die Kompetenzen nicht
nur zeigt, sondern sich dieser Fähigkeiten auch bewusst wird, damit er
zunehmend von der Anwesenheit des Meisters unabhängig wird.
Die Autoren übertragen nun diese Idee auf die Entwicklung kognitiver
Fähigkeiten, insbesondere auf kognitive Basiskompetenzen wie Lesen,
Schreiben und den Umgang mit Mathematik. Sie unterteilen den Pro-
zess der Meister-Schüler-Interaktion dabei in sechs aufeinander auf-
bauende Schritte der zunehmenden Autonomiegewährung:
1. Modeling: Der Lehrende macht sein Vorgehen vor und verbalisiert
dabei, was er genau macht und denkt. Dadurch werden die intern
ablaufenden kognitiven Prozesse für den Lernenden beobachtbar.
2. Coaching: Nach der Modellierung befasst sich der Lernende selbst
mit einem Problem; bei Bedarf erhält er Betreuung und Unterstüt-
zung durch den Lehrenden.
3. Scaffolding und Fading: Kann der Lernende Aufgaben nicht allein be-
wältigen, hilft ihm der Lehrende durch Tipps und Hinweise. Im Ver-
lauf des Lernens gewinnt der Lernende dadurch an Selbstvertrauen
und Kontrolle. Der Lehrende blendet seine Hilfestellung allmählich
aus, bis der Lernende schließlich allein und ohne Unterstützung das
Problem lösen kann.

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Instruktionspsychologie 281

4. Articulation: Wichtig ist, dass die Lehrperson den Lernenden kon-


tinuierlich zur Artikulation von Denkprozessen und Problemlöse-
strategien auffordert, um ihm selbst seine Problemlösefähigkeiten
und -schwierigkeiten bewusst zu machen.
5. Reflection: Damit einher geht die Aufforderung zur Diskussion und
Reflexion der ablaufenden Prozesse beim Lernen mit anderen, z. B.
den Vergleich eigener Strategien mit dem Vorgehen anderer Ler-
nender oder dem des Experten.
6. Exploration: Mit zunehmendem Ausblenden der Unterstützung
durch den Lehrenden wechselt dieser die Rolle hin zur Ermutigung
des Lernenden, selbst durch aktives Explorieren und selbstständi-
ges Problemlösen neue Aufgaben zu bewältigen.
Die Autoren führen in ihrem paradigmatischen Artikel einige Beispiele
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an, wie man einen solchen Ansatz im schulischen Unterricht umset-


zen kann. Reinmann und Mandl (2006) weisen hier aber zu Recht da-
rauf hin, dass sich dieser Ansatz, obwohl zu den prominentesten The-
orien situierten Lernens zählend, sehr gut auch mit herkömmlichen
Theorien der Instruktion (z. B. dem Modelllernen; vgl. Kap. 3) in Über-
einstimmung bringen lässt.

Anchored Instruction
Einen stark technologieorientierten Fokus hat das an der Vanderbilt
University entwickelte Modell der Anchored Instruction, das in seinen
konzeptionellen Grundlagen bereits in den 1990er Jahren entwickelt
wurde (Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1992, 1997),
aber dort bis heute weiterentwickelt und auch kommerziell vermark-
tet wird (über das Vanderbilt Center for Technology Transfer and Com-
mercialization).
Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Frage, wie man durch geeig- Lernen durch instrukti-
nete instruktionale Unterstützung dem Problem des mangelnden onale Geschichten

Transfers und dem des damit einhergehenden trägen Wissens (Renkl,


1996) begegnen kann. Durch den Einsatz technologiebasierter Medien
wie Computern oder Videos hoffen die Autoren, die Lernenden einer-
seits motivational und durch die damit einhergehenden Möglichkei-
ten der Präsentation komplexer Problemstellungen andererseits kog-
nitiv stimulieren zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sie
sowohl eine Reihe von Gestaltungsempfehlungen als auch konkrete
instruktionale Materialien (die Jasper Woodbury-Abenteuer) entwickelt,
die die Prinzipien der Anchored Instruction exemplarisch darstellen.
Inhaltlich geht es bei den Materialien um den Erwerb mathematischer
Kompetenzen in verschiedenen Inhaltsbereichen des schulischen

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282 Kapitel 10

­ athematikunterrichts (u.a. Statistik, Geometrie und Algebra). Alle


M
Materialien haben dabei das Format von Detektivgeschichten, bei
Die Abenteuer des denen der Held (Jasper Woodbury) verschiedene Abenteuer zu beste-
­Jasper Woodbury
hen hat, für deren Lösung er verschiedene mathematische Kompeten-
zen anwenden muss. Die Abenteuer (insgesamt 12) liegen dabei in
Form multimedialer, videobasierter CD-ROMs vor, die für den Einsatz
im Klassenraum konzipiert sind und durch entsprechende Lehrerma-
terialien ergänzt werden.
Im Rahmen dieser Abenteuergeschichten werden insgesamt sechs Ge-
staltungsprinzipien der Anchored Instruction realisiert, die für erfolg-
reiches situiertes Lernen bedeutsam sind:
1. Videobasiertes Format: Die Präsentation der Lehrmaterialien erfolgt
in Form authentischer Problemsituationen in einem videobasierten
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Format. Dadurch soll der Aufbau mentaler Situationsmodelle beim


Lerner ebenso gefördert werden wie seine Motivation, sich mit dem
Lehrstoff zu befassen.
2. Narratives Format: Von großer Bedeutung ist die Präsentation des
Lehrstoffes in Form einer Geschichte. Dadurch werden die (mathe-
matischen) Probleme in einen bedeutungsvollen und unterhalten-
den Kontext eingebettet. Dies hilft dem Lerner, die Zweckmäßig-
keit der erlernten Fertigkeiten zu erkennen und sein Vorwissen zu
aktivieren.
3. Generatives Lernformat: Die Geschichten sind dabei so konstruiert,
dass Kompetenzen zum Definieren von Problemen gefördert wer-
den. Aufgaben werden nicht einfach vorgegeben, sondern müssen
aus den situationalen Anforderungen erschlossen werden.
4. Prinzip der eingebetteten Daten: Alle Daten, die zur Lösung des Pro-
blems notwendig sind, sind vorhanden, liegen aber nicht in einem
offensichtlich verfügbaren Format vor, sondern sind in die Ge-
schichte eingebaut, müssen also vom Lerner gesucht, erkannt und
eingesetzt werden.
5. Problemkomplexität: Die Problemsituation ist an der Komplexität re-
aler Situationen orientiert und nicht didaktisch vereinfacht. Sie dient
der Förderung der Kompetenz, mit Komplexität umzugehen.
6. Paare verwandter Abenteuer: Die zu erlernenden Kompetenzen wer-
den jeweils in zwei Geschichten präsentiert. Dadurch lernt der Schü-
ler unter verschiedenen Perspektiven eine flexible Anwendung sei-
ner erworbenen Kenntnisse, was wiederum das Problem des trägen
Wissens reduzieren soll.
Die Jasper Woodbury-Serie war außerordentlich erfolgreich und ge-
hört heute schon zu den Klassikern der Instruktionspsychologie. Sie
hat exemplarisch die Möglichkeiten des Einsatzes moderner Bildungs-

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Instruktionspsychologie 283

technologien im Klassenraum schon zu einem Zeitpunkt gezeigt, als


deren Verbreitung und technologische Qualität bei weitem noch nicht
auf dem heutigen Niveau waren, allerdings ist – wie bei den meisten
Ansätzen situierten Lernens – die empirische Basis für den Nachweis
der Lernwirksamkeit noch eher schmal.

Goal-Based Scenarios
Ein drittes, verwandtes Beispiel für einen PBL-basierten Instruktions- Rollenspiele als
ansatz stellen die von Roger Schank (1994) entwickelten Goal-Based ­Lernwelten

Scenarios (GBS) dar. Schanks Instruktionsansatz basiert auf zwei fun-


damentalen Annahmen. Er geht davon aus,
1. dass Menschen üblicherweise handeln, um Ziele zu erreichen und
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dass diese Annahme auch auf Lernprozesse zutrifft und


2. dass Menschen beim Lösen neuer Probleme auf ihr Wissen in Form
ähnlicher, vergleichbarer Situationen („Fälle“) zurückgreifen, was
er als „case-based reasoning“ bezeichnet (Schank, Berman & Mac-
pherson, 1999).
Schank geht nun weiter davon aus, dass sich diese Methode des alltäg-
lichen Problemlösens übertragen lässt auf die Vermittlung von Kom-
petenzen beim schulischen Lernen:
GBS stellen Probleme in Bereichen dar, die den Lernenden interessieren,
die definierte Ziele präsentieren und Lernprozesse anregen, die der Zieler-
reichung dienen. GBS stellen typischerweise learning-by-doing-Aufgaben
dar, in denen ganz bestimmte Gegenstandsbereiche unterrichtet werden,
in denen Schülerinnen und Schüler spezifische Ziele verfolgen, in konkre-
ten Kontexten arbeiten, bestimmte Aufgaben erledigen und definierte Res-
sourcen zur Aufgabenlösung zur Verfügung stehen. (Schank, Fano, Bell &
Jona, 1993, S. 305, Übers. v. Verf.)

Wie bei anderen Ansätzen des situierten Lernens auch, verspricht sich
Schank dabei einerseits motivationale Vorteile, andererseits die Ver-
meidung trägen Wissens (Schank, Berman & Macpherson, 1999). Um
dieses Ziel zu erreichen, werden in GBS komplexe, realitätsnahe An-
wendungsszenarien entwickelt, innerhalb derer die Lerner bestimmte
Rollen einnehmen und definierte Arbeitsziele erreichen müssen. Im
Unterschied zu den Lehr-Lernszenarien, die im Kontext der Anchored
Instruction verwendet werden, wird der Lerner hier also direkt in die
Szenario-Handlung eingebunden, nicht vermittelt über einen fiktiven
„Helden“. Oft wird dazu eine Arbeitsplatzmetapher verwendet, bei der Arbeitsplatzmetapher
der Lerner in die Rolle eines bestimmten Arbeitnehmers schlüpft (z. B.
die eines Zeitschriftenredakteurs bei Zumbach & Reimann, 2003), der

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284 Kapitel 10

eine entsprechende Tätigkeit ausführen soll (einen Artikel schreiben).


Dazu werden ihm möglichst realitätsnahe Tools und Materialien zur
Verfügung gestellt (etwa eine Recherchebibliothek, ein Archiv etc.).
Häufig werden dabei zur Realisierung solcher Szenarien komplexe mul-
timediale Lehr-Lernsysteme verwendet.
Es ist jedoch von Bedeutung, dass die realitätsnahe Gestaltung der
Lernsituation die intendierten Lehrziele, also die zu vermittelnden
Kompetenzen, nicht überdeckt. Schank, Berman und Macpherson
(1999) formulieren daher sieben „essential components“, die in einem
GBS realisiert werden müssen:
Gestaltungsprinzipien 1. Die Lernziele: Lernziele ergeben sich dabei entweder aus curricula-
für GBS
ren Vorgaben oder aus den Strukturen der zu vermittelnden Kom-
petenz. Wichtig ist dabei, dass es nicht allein um die Vermittlung
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von Wissen (content knowledge), sondern immer auch um die An-


wendung in konkreten, realitätsnahen Anwendungskontexten geht
(process knowledge).
2. Die Aufgabe: Der Lernende erhält eine Aufgabe, die er im Rahmen
des GBS zu erfüllen hat. Diese soll einerseits motivierende Funk-
tion haben, andererseits so strukturiert sein, dass zu ihrer Bewälti-
gung der Einsatz der zu vermittelnden Kompetenzen auch tatsäch-
lich benötigt wird. Typische Aufgaben sind beispielsweise die
Erstellung einer Differenzialdiagnose im medizinischen Kontext
oder die Bearbeitung eines Kreditantrags im Kontext einer Bank-
ausbildung.
3. Die Rahmenhandlung: Dazu wird die Aufgabe in einen situierten Kon-
text eingebettet, der die Aufgabe plausibel, glaubwürdig und moti-
vierend erscheinen lässt. Im Mittelpunkt bei der Wahl der Rahmen-
handlung steht hier wieder die Berücksichtigung der Lernziele, d. h.
die Story muss komplex genug sein, um die Anwendung möglichst
vieler der angestrebten Fähigkeiten zu erlauben. Im Beispiel der
Bank könnte solch eine Rahmenhandlung etwa darin bestehen, dass
eine junge Familie eine Anfrage zur Hausfinanzierung stellt, die es
zu bearbeiten gilt.
4. Die Rolle des Lerners: Um die Aufgabe zu erfüllen, müssen die Hand-
lungsoptionen, die der Lernende im System hat, klar sein (welche
Informationen kann er erhalten, welche Rechte hat er etc.). Dies
wird erreicht, indem ihm im Rahmen des Szenarios eine definierte
Rolle zugewiesen wird (z. B. die eines Kredit-Sachbearbeiters). Wich-
tig ist, dass die Rolle eindeutig definiert ist und die Aufgabenlösung
auch tatsächlich in den Kompetenzbereich der Rolle fällt.
5. Die Szenario-Handlungen: Aus den vorgenannten Elementen ergibt
sich ein Szenario, in dem der Lerner nun versuchen soll, seine Auf-

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Instruktionspsychologie 285

gabe zu lösen. Er muss bestimmte Handlungen ausführen können


(z. B. Akten einsehen, mit jemandem telefonieren, Formulare anle-
gen etc.). Dazu muss natürlich auch – da wir uns ja in einem virtuel-
len Szenario befinden – vorab festgelegt sein, welche Handlungsop-
tionen in dem Szenario überhaupt zur Verfügung stehen.
6. Die Ressourcen: Damit verbunden ist die Frage, auf welche Ressour-
cen der Lernende im Szenario zurückgreifen kann. Auch dies muss
vorab festgelegt sein. Ressourcen können dabei sowohl sächlich (Do-
kumente, Formulare, Röntgenbilder etc.), als auch personal (Bera-
ter, Coach, Vorgesetzter) oder funktional (Internetzugriff, Fax, Tele-
fon) sein.
7. Rückmeldung: Eine besondere Bedeutung im Rahmen der GBS
kommt dem Feedback zu. Da es sich beim Lernen um eine Form des
learning-by-doing handelt, besteht die wesentliche Aktivität des Ler-
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ners im Handeln, also der Ausführung verschiedener Aktionen, die


der Zielerreichung dienen sollen. Diese müssen naturgemäß nicht
unbedingt richtig sein, oder – wenn sie richtig sind – nicht zwingend
bewusst ausgewählt worden sein. Um sicherzustellen, dass der Ler-
nende nicht nur Aufgaben löst, sondern auch versteht, was er tut,
ist es daher notwendig, ihm informatives Feedback über seine Hand-
lungen und ihre Konsequenzen zu geben.
Dieses Feedback kann auf unterschiedliche Art implementiert sein. Die Bedeutung
Schank et al. (1999) unterscheiden hierbei drei Arten von Feedback: von Feedback

• Feedback durch die Handlungskonsequenzen,


• Feedback durch (virtuelle) Coaches,
• Feedback durch (virtuelle) Domänenexperten.
Das Feedback durch die Handlungskonsequenzen ergibt sich unmittelbar
aus der Reaktion des GBS auf eine bestimmte Aktion des Lernenden
im System. Interessant ist hierbei insbesondere, wie das System auf
Fehler des Lerners reagiert – z. B. die Wahl falscher Ressourcen oder
das Treffen falscher Entscheidungen. Je differenzierter die Reaktion
des Systems hier sein soll, umso anspruchsvoller sind auch die Anfor-
derungen an das Systemdesign. Coaches und Domänenexperten hin-
gegen stellen Personen dar, die dem Lerner Rückmeldungen geben.
Während der Coach dabei immer den Lerner selbst im Blick hat und
seine Handlungsweise kommentiert, beziehen sich die Domänenexper-
ten immer auf die Aufgabe und stellen mögliche Aufgabenlösungen aus
ihrer Sicht dar (z. B. die Interpretation eines Röntgenbildes durch einen
erfahrenen Radiologen).

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286 Kapitel 10

10.4.3 Kritik an PBL-basierten Instruktionsmodellen


PBL-basierte Instruktionsmodelle wie die hier vorgestellten erfreuen
sich seit den 1990er Jahren in verschiedenen Domänen zunehmender
Beliebtheit (für eine Übersicht siehe z. B. Mair, Brezowar, Olsowski &
Zumbach, 2012). Dazu gehören die Medizinerausbildung ebenso wie
die Hochschuldidaktik, aber auch die berufliche Ausbildung, insbeson-
dere im kaufmännischen Bereich. Zu Letzterem beigetragen haben auch
die Ergebnisse des DFG-Schwerpunktprogramms „Lehr-Lernprozesse
in der kaufmännischen Erstausbildung“ (Beck, 2000), in dem verschie-
dene PBL-basierte Instruktionsmodelle untersucht wurden. Sie werden
insbesondere bei der Entwicklung multimedialer Lehr-Lernszenarien
als mögliche ID-Modelle (vgl. Abschnitt 10.3.3) diskutiert, da sie für die
hier vorhandenen Möglichkeiten der Integration hybrider Lehr- und In-
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formationsmedien in besonderer Weise geeignet erscheinen.


Empirische Befunde Eine ganz andere Frage ist die der empirischen Evidenz für die Lern-
zu PBL
wirksamkeit PBL-basierter Instruktion. Zu ihrer Beantwortung wird
gern auf die Ergebnisse von Metaanalysen zurückgegriffen. Im Bereich
des PBL existieren dazu einige ältere Analysen, die aus der Domäne
Medizin stammen (Albanese & Mitchell, 1993; Vernon & Blake, 1993),
sowie eine aktuellere Metaanalyse von Dochy, Segers, van den Bos-
sche und Gijbels (2003). In dieser wurden 43 empirische Feldstudien
zum Vergleich PBL-basierter vs. konventioneller Lernumgebungen auf-
genommen. Die Lernaufgaben reichten von einfacher Reproduktion
bis zu komplexer Fallbearbeitung, es wurde dabei sowohl Wissen als
auch Anwendung erfasst. Insgesamt zeigen die Ergebnisse moderate
positive Effekte von PBL auf Anwendung, wobei der Vorteil von PBL
umso deutlicher war, je anwendungsorientierter die Operationalisie-
rung war. Ein geringer negativer Effekt von PBL zeigte sich auf dekla-
ratives Wissen, wobei die negativen Effekte auf deklaratives Wissen
umso kleiner wurden, je besser die Qualität der Studien war.
In eine ähnliche Richtung deuten frühere Ergebnisse von Patel und
Groen (1991), die die medizinische Ausbildung an zwei verschiedenen
kanadischen Universitäten verglichen, von denen eine ein PBL-basier-
tes Curriculum, die andere ein konventionelles Curriculum verwen-
dete. Untersucht wurden Studenten auf drei verschiedenen Expertise-
Stufen (beginners, intermediates und seniors). Anhand der Analyse von
Falldiagnosen konnten die Autoren zeigen, dass die PBL-Studierenden
andere Lösungsstrategien verwendeten als die Studierenden der kon-
ventionellen Gruppe. Dies korrespondierte einerseits mit elaborierte-
ren, genaueren diagnostischen Erklärungen in der PBL-Gruppe, ande-
rerseits aber auch mit einer größeren Anzahl von Fehlern als in der

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Instruktionspsychologie 287

konventionellen Gruppe. PBL scheint also die frühe Anwendung von


Wissen zu unterstützen, setzt zur Fehlervermeidung jedoch ein gewis-
ses Maß an Domänenexpertise voraus. Insgesamt ist die empirische
Basis für den Nachweis der Wirksamkeit konstruktivistischer Instruk-
tionsmodelle nach wie vor eher schmal, was sicher auch an dem im
Vergleich zu den laborexperimentellen Analysen kognitionspsycholo-
gischer ID-Modelle sehr viel aufwendigeren Evaluationsverfahren
liegt. So gibt es nach wie vor massive Kritik (Mayer, 2004; Kirschner,
Sweller & Clark, 2006), die sich insbesondere gegen das geringe Aus-
maß an Anleitung beim PBL richtet, das gerade für Domänen-Novizen
zu Problemen führen kann (siehe Kasten).

Angeleitetes oder entdeckendes Lernen:


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eine endlose Debatte


Gelegentlich finden in der Wissenschaft öffentliche Kontroversen zu be-
stimmten strittigen Fragestellungen statt, die sich über einen längeren
Zeitraum erstrecken und sich in Form von Zeitschriftenartikeln, Erwide-
rungen und Kommentaren nachvollziehen lassen. Auch in der Pädagogi-
schen Psychologie haben einige solcher Kontroversen stattgefunden, wie
die schon erwähnte Kontroverse zwischen John Anderson und James
Greeno zum situierten Lernen (vgl. Abschnitt 10.1.1) oder die zwischen
Klauer sowie Hager und Hasselhorn zur Wirkungsweise induktiven
Denktrainings (z. B. Hager & Hasselhorn, 1993; Klauer, 1999). Keine jedoch
erstreckt sich über einen so langen Zeitraum und wird von immer wieder
neuen Protagonisten mit solcher Hartnäckigkeit geführt, wie die um an-
geleitetes vs. entdeckendes Lernen (für eine aktuelle Übersicht siehe Lee
& Anderson, 2013).

Worum geht es? Unzählige empirische Studien zeigen, dass Lerner, ins-
besondere Novizen, oft nicht dazu in der Lage sind, von sich aus Pro­
bleme zu lösen und daher ein hohes Maß an Anleitung beim Lernen be-
nötigen. Andererseits zeigen ebenso viele Studien, dass Lerner von der
aktiven, selbst durchgeführten Bearbeitung und Lösung von Problemen
profitieren, ja dass ein Zuviel an Anleitung unter Umständen sogar den
Lernerfolg reduzieren kann (der sogenannte expertise reversal effect;
Kalyuga, Ayres, Chandler & Sweller, 2003). Koedinger und Aleven (2007)
bezeichnen dieses Phänomen als Assistance Dilemma.

Seinen Ausgang nahm die Debatte in den 1960er Jahren in einer Ausei-
nandersetzung zwischen Jerome Bruner (1961) und David Ausubel
(1968). Ausgehend von seiner Beschäftigung mit der Theorie Piagets und
seinen Arbeiten zum Konzepterwerb plädierte Bruner dafür, dass Ler-
nende Lehrmaterialien frei explorieren können sollten, um Strukturen
und Beziehungen zu erfassen und ihr Wissen erweitern zu können. In
der freien Auseinandersetzung mit dem Lehrmaterial (zum Beispiel dem

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288 Kapitel 10

freien Experimentieren im Naturwissenschaftsunterricht) sieht er ei-


nerseits motivationale Vorteile, andererseits aber auch eine kognitive
Aktivierung, die zu einer Verbesserung der Leistung führen sollte. In un-
serer modernen Terminologie könnte man Bruner mit seiner Auffassung
vom Lerner als aktivem, Wissen in der Auseinandersetzung mit der Um-
welt generierendem System, als frühen Konstruktivisten bezeichnen.
David Ausubel (1968) richtet sich in erster Linie mit empirischen Argu-
menten gegen diese Sicht, indem er zeigt, dass es (zu seiner Zeit) keine
empirischen Evidenzen für diese Annahme gibt. Er plädiert daher aus
einer kognitionspsychologischen Sicht des Lernens als Informations-
verarbeitung für ein hohes Maß an Anleitung durch den Lehrer, um si-
cherzustellen, dass dem Lernenden stets die zur Problemlösung not-
wendige Information korrekt zur Verfügung steht.

Diese antagonistische Position von „Konstruktivisten“ und „Kognitivis-


Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ten“ findet sich seitdem immer wieder in der Auseinandersetzung um


das richtige Ausmaß an Lernerunterstützung. Interessant ist, dass dabei
aus kognitiver Perspektive (Mayer, 2004; Kirschner, Sweller & Clark,
2006) immer wieder angeleitetes Lernen mit reinem entdeckendem
­Lernen ohne oder mit nur minimaler Unterstützung verglichen wird, wo-
hingegen aus konstruktivistischer Sichtweise immer auf komplexe
­Lehr-Lernsituationen und gestufte Unterstützung abgehoben wird
(Hmelo-Silver, Duncan & Chinn, 2007). So kommen erstere Autoren zu-
verlässig zu dem Schluss, dass Lerner (zumal Novizen) mit reinem ent-
deckendem Lernen überfordert sind und sich diese Lehrmethode nicht
eigne, während Letztere stets betonen, dass es immer auf das situa-
tions- und lernerangepasste rechte Maß an Unterstützung ankomme,
und dass solchermaßen gestaltete Lehrmethoden sehr wohl zu einer
Verbesserung des Wissenserwerbs führen.

Aus einer neutraleren Perspektive kann man den Eindruck gewinnen,


dass die Protagonisten der Kontroverse bewusst aneinander vorbei ar-
gumentieren, um ihre Standpunkte mit größerer Klarheit verdeutlichen
zu können. Während dies in den 1990er Jahren auf einer grundsätzli-
cheren Ebene im Rahmen der Konstruktivismusdebatte geführt wurde
(die erwähnte Anderson-Greeno-Debatte), ist sie in den 2000er Jahren,
insbesondere durch Vertreter einer eher kognitionspsychologischen
Sichtweise wie Richard Mayer (Mayer, 2004) und Paul Kirschner (Kirsch-
ner, Sweller & Clark, 2006; Kirschner & van Merriënboer 2013), wieder
konkreter innerhalb der Instruktionspsychologie geführt worden.

In ihrer aktuellen Übersicht über die Kontroverse weisen Lee und An-
derson (2013) darauf hin, dass die Kontroverse um widerstrebende
­Evidenzen und unterschiedliche Auffassungen der Rolle des Lerners
möglichweise darauf hindeutet, dass noch nicht alle Mechanismen ver-
standen sind, die dazu führen, dass „Lernende ihre Erfahrungen in Wis-

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Instruktionspsychologie 289

sen verwandeln“ (Lee & Anderson, 2013, S. 463). Auffallend sei hierbei,
dass es bei der Kontroverse in der Regel um höhere kognitive Prozesse,
insbesondere um die Fähigkeit geht, Probleme zu lösen, weniger darum,
reines Faktenwissen zu erwerben. In diesem Feld komme es kaum vor,
dass Lerner einfach gelerntes Wissen anwenden könnten, um es 1:1 auf
eine neue Situation zu übertragen. Daher komme es hier auf Problem-
verständnis und die Verfügbarkeit von Lösungsbeispielen an:
… wir vermuten, dass das Lernen in Problemlösedomänen fundamental bei-
spielbasiert ist und dass beides, Instruktion und Entdecken, ihren Effekt
darin haben, dass sie Lernenden helfen, Beispiele zu verstehen. (Lee & An-
derson, 2013, S. 463, Übers. v. Verf.)

Beide Formen des Lehrens haben, so ihr weiteres Argument, unter die-
ser Annahme spezifische Vor- und Nachteile, die wiederum das hohe
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Maß an Heterogenität in der Befundlage zumindest mit erklären könn-


ten. Es bleibt abzuwarten, ob diese vermittelnde Sichtweise zu einem
Ende der Debatte führt – angesichts der Hartnäckigkeit, mit der sie ge-
führt wird, und der Bekanntheit, die sie den beteiligten Protagonisten
einbringt, erscheint dies jedoch eher unwahrscheinlich.

Zusammenfassung
Die Instruktionspsychologie stellt eine angewandte Teildisziplin der
Pädagogischen Psychologie dar. Sie befasst sich mit Fragen der In-
gangsetzung und Optimierung von Lehr-Lernprozessen auf ver-
schiedenen Abstraktionsebenen. Ausgangspunkt aller instruktions-
psychologischen Überlegungen sind dabei immer grundsätzliche
Vorstellungen darüber, wie menschliche Lernprozesse am besten
beschrieben werden können. Analog zu den Veränderungen der
Lerntheorien (vgl. Kap. 3 bis 5) lassen sich auch in Bezug auf inst-
ruktionspsychologische Ansätze behavioristische, kognitive und
konstruktivistische (situierte) Modelle unterscheiden.
Instruktionspsychologische Theorien sind technologische Theorien,
das heißt, sie werden nicht nach einem Wahrheits-, sondern nach
einem Nützlichkeitskriterium bewertet: Solche Theorien sind nütz-
lich, die empirisch evident Lerner unterstützen, Lehr-Lernprozesse
befördern und zum Kompetenzerwerb beitragen. Man könnte daher
mit einiger Berechtigung Effizienz als ein zentrales Bewertungsmaß
für Instruktionstheorien und -modelle auffassen. Auch wenn es ei-
nige diesbezügliche Überlegungen gibt (z. B. Paas & van Merriën-
boer, 1993), ist dieser Ansatz bislang in der Instruktionspsychologie
weit weniger vertreten als beispielsweise im Kontext schulischen
Lernens (Hattie, 2009).

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290 Kapitel 10

Die Instruktionspsychologie stand schon immer in enger Beziehung


zu den jeweils verfügbaren Technologien und Medien zur Umset-
zung von Instruktionsprinzipien in konkretes Unterrichtsmaterial.
Waren die Lehrmaschinen der 1950er Jahre noch einfache Register
oder Karteikartensysteme, setzten sich seit den 1960er Jahren zu-
nehmende Massenmedien (Radio, Fernsehen) als Träger zur Um-
setzung durch. Sie wurden spätestens Ende der 1980er Jahre durch
digitale Medien ergänzt und zunehmend ersetzt. Heute sind die
technologischen Möglichkeiten dieser Systeme so weit fortgeschrit-
ten, dass sich wieder neue Fragen an ihren Einsatz zu Lehr-Lern-
zwecken stellen, wie etwa bei Augmented-Reality- und Virtual-Re-
ality-Anwendungen oder bei komplexen Simulationen. Bei allen
technologischen Möglichkeiten stellt sich jedoch immer wieder die
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Frage, wie diese effizient zu Instruktionszwecken genutzt werden


können – was keine technologische, sondern eine instruktionspsy-
chologische Fragestellung darstellt.

Weiterführende
­Literatur Klauer, K. J. & Leutner, D. (2012). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruk-
tionspsychologie (2. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Niegemann, H. M., Domagk, S., Hessel, S., Hein, A., Hupfer, M. & Zobel, A.
(2008). Kompendium multimediales Lernen. Berlin: Springer.

Fragen
1. Was versteht man unter Instruktionspsychologie?
2. Welche Arten von Lehrtheorien lassen sich mit Fokus auf Lehr-
tätigkeiten unterscheiden?
3. Was versteht man unter dem Begriff „Instruktion“?
4. Was versteht man unter Programmiertem Unterricht?
5. Welche Arten von Lehrzieltaxonomien lassen sich grundlegend
unterscheiden?
6. Skizzieren Sie die Lehrzieltaxonomie der kognitiven Lehrziele
nach Bloom.
7. Das Lehrfunktionsmodell von Klauer (1985) unterscheidet
sechs Lehrfunktionen. Welche sind das? Was kennzeichnet die-
ses Modell als kognitionspsychologisch?
8. Wie unterscheiden sich Instruktionstheorien von Curriculums-
theorien?
9. Welche grundlegenden Annahmen unterscheiden die konstruk-
tivistische Auffassung von Lernen von kognitiven Ansätzen?
10. Welche grundlegenden Prinzipien für die Gestaltung situier-
ter Lernumgebungen lassen sich nach Mandl, Gruber und
Renkl (1997) zusammenfassen?

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Instruktionspsychologie 291

11. Nennen Sie drei PBL-orientierte Instruktionsansätze. Welche


sieben „essential components“ müssen laut Schank, Berman
und Macpherson (1999) realisiert werden?
12. Welche empirische Evidenz gibt es für die Lernwirksamkeit
PBL-basierter Instruktion?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus
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Kapitel 11
Bedingungen guten Unterrichts
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Inhaltsübersicht
11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
11.2 Qualitätsmerkmale des Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
11.2.1 Bestimmung von Qualitätsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
11.2.2 Klassenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
11.2.3 Klarheit und Strukturiertheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
11.2.4 Kognitive Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
11.2.5 Lernförderliches Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
11.3 Lehrerprofessionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
11.3.1 Lehrerpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
11.3.2 Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
11.3.3 Ein Strukturmodell von Lehrerkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330

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294 Kapitel 11

11.1 Einführung
Eine Schulklasse zu unterrichten, ist eine komplexe Herausforderung.
Eine Vielzahl von Merkmalen haben Einfluss auf den Unterrichtspro-
zess und die Lernergebnisse, beispielsweise die fachdidaktisch geplan-
Viele Faktoren im ten Inhalte und die Instruktionsmethode (z. B. aktivieren Inhalte und
­Unterrichtsprozess
Methode die Schüler zum Mitdenken, Problemlösen, Üben?), die Mo-
tivation der Schülerinnen und Schüler (z. B. sind die Schüler interes-
siert am Lerninhalt, sind sie bereit, sich anzustrengen?), die kogniti-
ven Lernvoraussetzungen (z. B. verfügen die Schüler über das Wissen,
auf dem neue Inhalte aufbauen werden?), die Klassenführung (z. B.
verläuft der Unterricht störungsfrei und ohne Zeitverschwendung?),
die Qualität der Lehreräußerungen (z. B. sind die Erläuterungen der
Lehrkraft klar verständlich und gut strukturiert?) und die Lernatmo-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

sphäre (z. B. fühlen sich Lehrkraft und Schüler wohl? Ist das Lernklima
angstfrei?).
Organisation Darüber hinaus wird der Unterricht in einer Art und Weise organisiert,
von ­Unterricht
die wir selten hinterfragen. Klassen werden in einer Größe von rund
30 Schülerinnen und Schülern eines Jahrgangs zusammengestellt.
Fachunterricht wird typischerweise in zwei bis fünf Einheiten pro
Woche zu je 45 Minuten erteilt, ohne dass inhaltliche Zusammenhänge
zwischen Fächern bestehen. Im Gegensatz zur Qualität des Unterrichts
kann diese Organisationsform von der einzelnen Lehrkraft nicht be-
einflusst werden.
Qualitätsmerkmale Wie kann guter Unterricht angesichts der Komplexität und der gege-
von Unterricht benen Rahmenbedingungen gelingen? Welche Faktoren sind die rele-
vantesten? Wie kann man sie beobachten und bewerten und wie kann
man sie günstig beeinflussen? Dieses Kapitel führt vor allem in solche
Qualitätsmerkmale des Unterrichts ein, die sich mit Blick auf Lerner-
folge der Schülerinnen und Schüler als relevant erwiesen haben. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf jenen Merkmalen, die von der Lehrkraft
beeinflussbar sind. Zwischen der Gestaltung jener Merkmale und den
professionellen Kompetenzen der Lehrkraft besteht ein Zusammen-
hang. Guter Unterricht hängt – vermittelt über die beobachtbaren Qua-
litätsmerkmale – vom Wissen, Können und den Einstellungen der Lehr-
kraft ab.

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Bedingungen guten Unterrichts 295

11.2 Qualitätsmerkmale des Unterrichts

11.2.1 Bestimmung von Qualitätsmerkmalen

Unterricht als multiperspektivisch betrachteter Prozess


Eingeordnet in ein Rahmenmodell der Effektivitätsforschung schuli-
schen Unterrichts (z. B. skizziert bei Klieme & Rakoczy, 2008, S. 225)
wird die Unterrichtsqualität als Prozessmerkmal verstanden. Der Pro-
zess des Unterrichtens steht zwischen Eingangsvariablen (z. B. Klas- Eingangsvariablen
sengröße, Elternmitarbeit, kognitive Grundfähigkeiten der Schüler,
Vorwissen) und erzielten Ergebnissen (z. B. erworbene Kompetenzen
der Schüler). Der Unterrichtsprozess wird beispielsweise durch die Art Prozessvariablen
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der Klassenführung, die Art der kognitiven Aktivierung der Schülerin-


nen und Schüler und die Art des Lernklimas charakterisiert. In man-
cher Hinsicht erscheinen Trennungen zwischen Eingangsbedingun-
gen, Prozess und Ergebnis allerdings vereinfachend. So können
fachliches Interesse und grundsätzliche Anstrengungsbereitschaft der
Schülerinnen und Schüler Eingangsvariablen sein. Sie sind aber auch
Prozessfaktoren, die mit darüber entscheiden, ob Schülerinnen und
Schüler das Unterrichtsangebot effektiv nutzen. Schließlich könnten
fachliches Interesse und Anstrengungsbereitschaft auch Ergebnisse Ergebnisvariablen
sein – die auf den Unterricht im nächsten Schuljahr wiederum als Ein-
gangsvariablen wirken können.
Unterricht bildet kein deterministisches Bedingungsgefüge, sondern eine
Gelegenheitsstruktur, deren Angebote von Schüler/innen unterschiedlich
wahrgenommen, verarbeitet und im eigenen Handeln genutzt werden müs-
sen, um wirksam zu werden. (Klieme & Rakoczy, 2008, S. 226)

Die dabei erzielten (Zwischen-)Ergebnisse wirken auf den Unterricht


in einem ständigen Kreislauf zurück. Diese Zusammenhänge werden Kreislauf
in einem Angebots-Nutzungs-Modell des Unterrichts verdeutlicht (vgl.
Abb. 28; Fend, 2006; Helmke, 2009).
Unterrichtsprozesse können aus unterschiedlichen Blickwinkeln be-
trachtet werden. Man kann beispielsweise die fachliche und didakti-
sche Qualität der Präsentationen und der gestellten Aufgaben analy-
sieren und die Angemessenheit der Anforderungen an die Schülerinnen
und Schüler beurteilen. Dies wäre die fachdidaktische Perspektive. In Fachdidaktische
Fachdidaktik interessiert man sich dafür, welche Erklärungen, Reprä- ­Perspektive

sentationen und Aufgaben in welcher sachlogischen Anordnung am


besten geeignet sind, einen Lerngegenstand zu vermitteln. Man kann
auch abgelöst von den Inhalten den Unterricht in Bezug auf Charakte-

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296 Kapitel 11

Lehrkraft Unterricht Schülerinnen und Schüler Wirkungen


Fachliches Struktur Lernvoraussetzungen
Wissen Klassenführung Vorwissen, Lernstrategien,
Transparenz der überfachliche Kompetenzen
Fachdidaktisches Lernziele
Wissen Strukturiertheit
der Inhalte
Kompetenzen Fachliche
Diagnostik Passung Vermittelnde Lerneffekte
Prozesse Lernaktivitäten
Lernvoraus-
Didaktisches setzungen Überfachliche
Motivation, Aktive Lernzeit Lerneffekte
Wissen adaptive/
Emotion, im Unterricht
individuelle
Wahrnehmung Effekte auf
Kompetenzen Unterstützung Außer-
und Motivation,
Klassenführung schulische
Interpretation Interesse,
Lernatmosphäre Lernaktivitäten Persönlichkeit,
des Unterrichts
Einstellungen, Lernförderliches Klasse
Werte und Ziele Klima
Umgang mit Fehlern
Selbstregulation
Kognitive
Aktivierung
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Herausfordernde
Reflexion
Aufgaben

Abbildung 28: Ein Angebots-Nutzungs-Modell des Unterrichts. Die vielfältigen Wir-


kungen des Unterrichts wirken beständig auf Lernvoraussetzungen
der Schülerinnen und Schüler, auf Unterrichtsprozesse und auch
auf Merkmale der Lehrkraft (z. B. auf Reflexionsprozesse, Einstel-
lungen, fachdidaktisches Wissen) zurück (Abbildung nach Helmke,
2009, S. 73).

ristika der Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schülern beschrei-


Perspektive auf Lehrer- ben. Diese Perspektive wird von der Interaktionsforschung eingenom-
Schüler-Interaktionen
men. Sie analysiert Funktionen, Dauer und Häufigkeit von Lehrer- und
Schüleräußerungen im Unterricht und beschreibt Interaktionssequen-
zen und -stile (siehe das Beispiel im Kasten). Diese Blickwinkel und
Analyseebenen illustrieren die Vielschichtigkeit einer Beschreibung
von Unterricht.

Analyse der Lehrer-Schüler-Interaktion


im Unterricht
Flanders (1970) entwickelte ein Beobachtungssystem für die Interakti-
onen zwischen Lehrkräften und Schülern im Klassenunterricht (Flan-
Kategoriensystem ders Interaction Analysis Categories, FIAC). Das System besitzt zehn Ka-
für Äußerungen im tegorien für unterschiedliche Interaktionen. Sieben davon sind für die
­Unterricht
Lehrkraft vorgesehen (z. B. Kategorie 3: „akzeptiert/verwendet Schüler-
idee“, Kategorie 4: „stellt Frage“, Kategorie 5: „erklärt“, Kategorie 7: „recht-
fertigt Autorität“). Schüleräußerungen werden einer von zwei Interakti-
onskategorien zugeordnet (Kategorie 8: „antwortet“, Kategorie 9: „äußert
sich spontan/stellt Frage“). Die zehnte Kategorie steht für „Stille/Kon-
fusion“. Beobachterinnen und Beobachter des Unterrichts sollen alle
drei Sekunden einen Strich in die gerade zutreffende Kategorie setzen.

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Bedingungen guten Unterrichts 297

Mit dem Fokus auf zehn Kategorien hat das System den Vorzug, leicht
erlernbar zu sein. Es handelt sich um ein „niedrig inferentes“ System –
den Beobachtern werden keine weitreichenden Schlussfolgerungen ab-
verlangt, um ein Merkmal zu beurteilen.

Am Ende einer Lehreinheit erhält man eine quantitative Darstellung da-


rüber, welche Interaktionskategorien häufiger und welche weniger häu- Interaktionsstil
fig beobachtet werden konnten. Daraus lässt sich beispielsweise ein der Lehrkraft
„Nicht-Direktivitätsindex“ des Interaktionsstils berechnen. Dieser be-
schreibt das Verhältnis der reagierenden zu den initiierenden Interak-
tionen einer Lehrkraft. Auch Sequenzen lassen sich analysieren. So deu-
ten bestimmte Interaktionssequenzen (z. B. 4-8-4-8-4 ...) auf einen stark
lehrergeleiteten Unterricht hin, während andere (9-3-9-3-9-3 ...) einen
weniger direktiven, Schülerideen akzeptierenden Unterrichtsstil anzei-
gen.
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Flanders ging davon aus, dass sich der Unterricht grundsätzlich in einer
Art gelenktem Unterrichtsgespräch vollzieht und dass die Kategorien
seines Systems dazu beitragen könnten, den Interaktionsstil dieses Ge-
sprächs bewusst zu machen und zu verbessern. Die Verbesserung der
Interaktion sollte darin bestehen, die Initiative der Schülerinnen und
Schüler zu erhöhen, ihre Ideen und Fragen zu akzeptieren und zu ver-
wenden und den Unterricht damit in einem weniger direkten Stil zu ge-
stalten.

Ditton (2002) beschreibt unterscheidbare Forschungstraditionen zur


Beurteilung von Unterrichtsqualität. Die didaktische Tradition setzt sich
mit Zielen, Inhalten, Methoden und Kommunikationsformen des Un-
terrichts auseinander. Die Schul- und Unterrichtsklimaforschung stützt
sich auf subjektive Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler.
Dabei werden Dimensionen wie die Qualität der Lehrer-Schüler-Be-
ziehungen, das Lerntempo, die Regelklarheit oder die Einstellungen
und Lernhaltungen der Schüler erfragt. In der Lehr-Lernforschung
herrscht das sogenannte Prozess-Produkt-Paradigma vor, welches be- Prozess-Produkt-­
Paradigma der Lehr-
obachtete Merkmale des Unterrichtsprozesses (z. B. Strukturiertheit) Lernforschung
in Beziehung mit Ergebnissen (z. B. Lernzuwächse) setzt.
In jüngeren Studien zur Qualität von Unterricht wird versucht, meh-
rere dieser Analyseebenen zu integrieren. Ein Beispiel hierfür stellt
eine Untersuchung mit 40 deutschen und schweizerischen Mathema-
tikklassen dar (Klieme, Lipowsky, Rakoczy & Ratzka, 2006). In allen
untersuchten Klassen ging es um die Einführung in die Satzgruppe des
Pythagoras. Unterrichtsmerkmale (Effizienz der Klassenführung,
Strukturiertheit, Unterstützung durch die Lehrkraft, kognitive Aktivie-
rung) wurden durch Schülerbefragungen einerseits und andererseits

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298 Kapitel 11

durch Experteneinschätzungen beurteilt. Fachdidaktik-Expertinnen


und -Experten beurteilten die Qualität der mathematischen Inhalte
(siehe Kasten in Abschnitt 11.2.4 für einen ähnlichen Ansatz).

Wahl von Qualitätsmerkmalen


Orientierung an Zielen des Unterrichts. Wie gelangt man zu Merkmalen
des Unterrichts, die beobachtbar sind und eine Beurteilung der Qua-
lität des Unterrichtsprozesses zulassen? Dazu muss man sich zunächst
mit den Zielen des Unterrichts befassen. Die Effektivitätsforschung
benennt als Zielkriterium vor allem die resultierende Schulleistung.
Schulleistung, Diese Fokussierung auf das Leistungskriterium ist nicht ohne Wider-
­ ernklima und
L spruch geblieben (z. B. Oser, Dick & Patry, 1992; Einsiedler, 2000).
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­Motivation als eigen-


ständige Zielgrößen Motivationale und emotionale Kriterien werden inzwischen als eigene
Zielgrößen einbezogen (z. B. Helmke & Schrader, 1998). Beispielsweise
ist das Lernklima mit der Schulleistung nicht konsistent und bedeut-
sam verknüpft. Ein gutes Lernklima stellt jedoch ein Qualitätskrite-
rium guten Unterrichts und eine eigene Zielgröße dar. Auch Schulleis-
tung und Motivation der Schülerinnen und Schüler können als
Ergebnis des Unterrichts unkorreliert sein, wie beispielsweise in der
„Pythagoras“-Studie gefunden wurde (Rakoczy et al., 2007). Das be-
deutet, dass sich die Leistung von Schülerinnen und Schülern auch un-
abhängig von einer Erhöhung der Motivation verbessern kann. Leis-
tung und Motivation werden zu voneinander unabhängigen Zielgrößen
des Unterrichts. In der Konsequenz müssen Motivation und Schulleis-
tung unterschiedlich – mit Rückgriff auf unterschiedliche Qualitäts-
merkmale und Vorbedingungen – erklärt werden. Ganz ohne norma-
tive Auseinandersetzung über wünschenswerte Ziele für Unterricht
wird man daher bei der Bestimmung von Qualitätsmerkmalen nicht
auskommen.
Basisdimensionen der Theoriegeleitete Überlegungen. Klieme und Rakoczy (2008) schlagen drei
Unterrichtsqualität:
Struktur, Unterstützung,
Basisdimensionen des Unterrichts vor: (1) Struktur, (2) unterstützen-
kognitive Aktivierung des, schülerorientiertes Sozialklima und (3) kognitive Aktivierung, die
je nach fachlichem Kontext unterschiedliche Formen annehmen kann.
Diese drei Dimensionen ergeben sich aus Annahmen zu zentralen Be-
stimmungsstücken von Unterricht, die u.a. aus der Schulpädagogik
stammen. Solche zentralen Bestimmungsstücke sind beispielsweise
Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden mit klar verteilten
Rollen, vorgegebene Themen, gemeinsame Aufgaben und Ziele be-
züglich zu erwerbender Kompetenzen und das Erbringen und Beurtei-
len von Leistung. Unterricht erfordert das Einhalten gemeinsamer Re-
geln. Die oben genannten Basisdimensionen sollen dies ermöglichen:

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Bedingungen guten Unterrichts 299

Die Struktur (Regelklarheit, Klassenführung) fördert Disziplin und er-


höht die genutzte Lernzeit. Kognitive Aktivierung (bedeutsames, ver-
tieftes Lernen, Aufbau kognitiver Schemata) und Struktur tragen ge-
meinsam zur Entwicklung von Leistung bei. Struktur und
unterstützendes Unterrichtsklima fördern darüber hinaus das Erleben
von Autonomie, von Kompetenz und sozialer Eingebundenheit (Klieme
& Rakoczy, 2008, S. 228).

Einsiedler (1997) strukturiert Unterricht nach Makromethoden, Mik- Unterschiedliche


­Ordnungsversuche
romethoden (detaillierte Verhaltensweisen zur Lernersteuerung), Klas-
senmanagement, Sozialformen (z. B. Klassenunterricht vs. Gruppen-
arbeit) und dem Sozialklima. Wang, Haertel und Walberg (1990)
untergliedern Unterrichtsqualität in die Schaffung von Rahmenbedin-
gungen, Unterrichtsquantität, Leistungs- und Lernzielkontrolle, Ins­
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

truktionsformen, Klassenmanagement, unterrichtsbezogene Interak-


tionen zwischen Lehrern und Schülern, sozialbezogene Interaktionen
zwischen Lehrern und Schülern sowie Unterrichtsklima. Helmke
(2009) schlägt zehn Merkmale vor: Klassenführung, Klarheit und
Strukturiertheit, Konsolidierung und Sicherung, Aktivierung, Motivie-
rung, lernförderliches Klima, Schülerorientierung, Kompetenzorien-
tierung, Umgang mit Heterogenität, Angebotsvariation.

In mancher Hinsicht sind solche Ordnungen willkürlich – so könnten


zum Zweck der Übersichtlichkeit einander nahe stehende Merkmale
zu höheren Konzepten zusammengefasst werden oder zum Zweck der
differenzierten Betrachtung einzelne Aspekte von Merkmalen weiter
untergliedert werden. Die Merkmale reflektieren einen Strukturie-
rungs- und Rekonstruktionsversuch für die Charakterisierung und Be-
urteilung von Unterricht, keine in sich geschlossene Theorie (Helmke,
2009, S. 170).
Implizite Konzeptualisierung von Expertinnen und Experten. Ein weite-
rer möglicher Zugang zur Strukturierung von Qualitätsmerkmalen be-
steht darin, die (implizite) Konzeptualisierung von Experten zu unter-
suchen. In einer derartigen Studie wurden 22 Expertinnen und „Mentales Modell“
von Expertinnen und
Experten gebeten, insgesamt 87 beschreibende Merkmale von Unter- ­Experten über Unter-
richt in einem Sortierverfahren zu gruppieren (Clausen, Schnabel & richtsdimensionen
Schröder, 2002). Die 87 Merkmale waren existierenden Instrumen-
ten zur Unterrichtsbeobachtung entnommen worden. Die Sortierer-
gebnisse der Expertinnen und Experten wurden mit zwei Methoden
ausgewertet. Eine multidimensionale Skalierung ergab eine Art „Ko-
ordinatensystem“, in welchem sich die Merkmale bezüglich zweier
Achsen einordnen ließen: eine Achse der Aufgaben- vs. Sozialorien-
tierung und eine Achse der Subjekt-Objektfunktionen von Interakti-

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300 Kapitel 11

onen (z. B. Schülerengagement als Schülerverhalten gegenüber dem


Unterrichtsangebot, Monitoring als Lehrerverhalten gegenüber den
Schülern). Die zweite Auswertung mittels Clusteranalyse ordnete die
Sortierergebnisse der Experten zu hierarchisch gebildeten höheren
Konzepten (vgl. Tab. 13).

Tabelle 13: Ergebnis einer Clusteranalyse zu übergeordneten Unterrichtsmerk­


malen gemäß Expertenurteil (Clausen et al., 2002)

Sozialorientierung des Thematisierung nicht-fachlicher


­Unterrichts Ziele, Wertschätzung, Wärme und
Zuwendung, Akzeptanz

Sozialklima in der Klasse Kooperationsverhalten, Hilfsbereit-


schaft von Mitschülern, Konformität,
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Cliquenbildung, Diskriminierung

Einstellungen und Lern­ Leistungsbereitschaft, Wettbewerb,


haltungen der Schüler Mitarbeit, Konkurrenz, Apathie

Didaktische Qualität Verständnis, Strukturiertheit,


­Zusammenfassungen, Prägnanz,
Klarheit, Variabilität von Unterrichts-
formen, Üben

Effizienz der Klassenführung Ordnung, Organisation, Regelklarheit,


Kontrolle, Disziplin, Behandlung von
Störungen

Zeitnutzung Lerntempo, zügiges Voranschreiten,


Aufgabenorientierung, Schwierigkeit,
Überforderung, Leistungsdruck

Motivationsunterstützung Individualisierung, Differenzierung,


gezielte Lernhilfen, voraussetzungs-
bezogene Anforderungen, Reaktionen
auf Misserfolg, Bezugsnorm

Lehrerzentriertheit vs. Autoritärer Führungsstil, Demokratie,


­Schülerbestimmung Abwechslung, Mitwirkung der
­Schüler, kooperativer Unterricht,
­Autonomie

Rückschluss aus Optimalklassen. Schließlich liegt ein weiterer Zugang


darin, existierenden Unterricht zu beobachten und zunächst besonde-
ren Erfolg hinsichtlich bestimmter Zielkriterien festzustellen. Aus den
Beobachtungen wird dann empirisch ermittelt, welche Unterrichts-
merkmale mit den besonderen Erfolgen in Zusammenhang stehen.

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Bedingungen guten Unterrichts 301

Dieser Weg wurde beispielsweise im Rahmen der SCHOLASTIK-­


Studie (Schulorganisierte Lernangebote und Sozialisation von Talen-
ten, Interessen und Kompetenzen) beschritten (Weinert & Helmke, Welche Eigenschaften
findet man in Klassen
1996). In dieser Studie wurden 47 Grundschulklassen im Fach Mathe- mit überdurchschnitt­
matik untersucht. Als Zielkriterien („Produkte“) des Unterrichts wurden lichen Lernzuwächsen?
Leistungszuwächse in arithmetischen Fertigkeiten und im mathemati-
schen Problemlösen, aber auch die Verringerung von Leistungsunter-
schieden zwischen Schülerinnen und Schülern einer Klasse sowie die
Veränderung von Lernfreude und des Selbstkonzepts eigener mathema-
tischer Fähigkeiten gemessen. Die Erfolgskriterien von Unterricht um-
fassten demnach sowohl Schulleistungen (Lernzuwächse) als auch Klas-
senmerkmale (Leistungsheterogenität) und motivationale Variablen
(Lernfreude). Bemerkenswert ist nun zunächst, dass es Klassen gab, die
in allen Zielkriterien besser abschnitten als andere Klassen. In diesen 13
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

„Optimalklassen“ war nicht nur die Leistungsentwicklung in Arithme-


tik und Problemlösen überdurchschnittlich, es gelang auch, Leistungs-
unterschiede stärker zu egalisieren und das Fähigkeitsselbstkonzept und
die Lernfreude der Schülerinnen und Schüler überdurchschnittlich zu
steigern. Weitere 23 Klassen waren durchschnittlich. In 11 Klassen war
die Entwicklung unterdurchschnittlich.
Beobachtungen des Unterrichts zeigten nun, dass diese Erfolge im Zu-
sammenhang mit der Qualität von Unterrichtsprozessen standen. Be-
obachtet wurden die Merkmale Klarheit/Strukturiertheit, Klassenfüh-
rung, Aktivitätsniveau der Klasse, individuelle Unterstützung,
Adaptivität (Eingehen auf situativ veränderte Bedingungen), soziales
Klassenklima und Variabilität der Unterrichtsformen. Mit Ausnahme
der Adaptivität und des sozialen Klassenklimas waren in den Optimal-
klassen überdurchschnittliche Ausprägungen dieser Unterrichtsmerk-
male zu finden. Unterricht mit einer hohen Klarheit und Strukturiert-
heit, einer effektiven Klassenführung, mit einem hohen Aktivitätsniveau
der Klasse, mit überdurchschnittlicher individueller Unterstützung und
mit überdurchschnittlichem Abwechslungsreichtum der Unterrichts-
formen erwies sich als erfolgreicher Unterricht in Bezug auf die mul-
tiplen Zielkriterien.

Lernen sichtbar machen


Der Bildungsforscher und Statistiker John Hattie hat die zu Beginn des
21. Jahrhunderts verfügbare empirische Evidenz zu Faktoren, die Schul-
leistung beeinflussen, gesichtet und zusammengefasst. In sogenann-
ten Metaanalysen (vgl. Kap. 2) werden durchschnittliche Effekte eines
Faktors, der Lernleistungen beeinflusst, aus vielen Einzelstudien be-
rechnet.

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302 Kapitel 11

Als ein Beispiel können wir den „Effekt von Hausaufgaben“ als einen
Faktor betrachten, der die Schulleistung beeinflussen kann. Eine mög-
liche Intervention, um den Effekt von Hausaufgaben auf die Schulleis-
tung zu ermitteln, könnte der Vergleich einer Kontrollgruppe (mehrere
Klassen erhalten beispielsweise ein Schuljahr lang in einem Fach keine
Hausaufgaben) mit einer Interventionsgruppe (mehrere andere, ansons-
ten vergleichbare Klassen erhalten ein Schuljahr lang im gleichen Fach
Hausaufgaben) sein. Vorher und nachher kann der Leistungsstand mit
einem objektiven Schulleistungstest erhoben werden. Der Unterschied
im Leistungszuwachs zwischen Interventions- und Kontrollgruppe wird
Effektstärke von im Maß der Effektstärke d ausgedrückt. Die Effektstärke beschreibt den
­Interventionen zur Unterschied zwischen den beiden Gruppen in Standardabweichungs-
­Steigerung von
­Lernerfolg einheiten. Eine Effektstärke von d = 0.5 zugunsten der Interventions-
gruppe würde bedeuten, dass ein durchschnittlicher Schüler der Inter-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ventionsgruppe (mit Hausaufgaben) im Leistungstest eine halbe


Standardabweichung besser abschnitt als der durchschnittliche Schü-
ler der Kontrollgruppe (ohne Hausaufgaben). Da es sich um ein standar-
disiertes Maß handelt, kann man die Bedeutsamkeit von Unterschieden
zwischen Einzelstudien miteinander vergleichen.
Durchschnittliche Metaanalysen berechnen eine durchschnittliche Effektstärke über alle
­Effektstärke aus vielen Studien hinweg, die diesen Unterschied untersucht haben. Diese durch-
Einzelstudien
­(Metaanalyse) schnittliche Effektstärke gibt einen ersten Anhaltspunkt zu der Frage,
welchen Effekt man von der Intervention in etwa erwarten kann. Mit der
Berechnung des durchschnittlichen Effekts gelangt man zu einem Wert,
der die jeweiligen Spezifika und Zusatzeinflüsse in den Studien außer
Acht lässt – diese „mitteln sich aus“ bzw. heben sich gegenseitig auf. Je
mehr Einzelstudien in eine Metaanalyse eingehen, umso näher kommt
man einem „wahren Wert“. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig,
alle Studien – auch solche, die nur kleine Effektstärken erzielt haben
bzw. auch solche, die u.U. nicht veröffentlicht worden sind – in eine Me-
taanalyse einzubeziehen. In Metaanalysen wird daher viel Wert auf die
Suche nach allen verfügbaren Studien und deren Dokumentation ge-
legt.

Hattie (2009; dt. Übersetzung 2015) hat für sein Buch „Lernen sichtbar
machen“ über 800 bereits existierende Metaanalysen zu verschiedenen
Bereichen gesichtet, in neuen Berechnungen synthetisiert, beschrieben
und zusammengefasst. In diesen Metaanalysen „stecken“ 52 637 ein-
zelne Studien mit 146 142 einzelnen Effektstärken. Die Zahl der unter-
suchten Lernenden über alle Studien hinweg betrug rund 240 Millionen.
Für das nachfolgende Buch „Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen“
(Hattie, 2012; dt. Übersetzung 2014) wurden weitere 7 518 Studien und
darin 13 428 Effektstärken und 5 Millionen Lernende ergänzt. Die Aus-
sagen zu den Faktoren, die Lernleistungen beeinflussen, ruhen also auf
einer umfassenden empirischen Basis. Die meisten Studien haben sich
mit dem Unterrichten befasst (beispielsweise: Effekt von Hausaufga-

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Bedingungen guten Unterrichts 303

ben, Effekt von direkter Instruktion, Effekt von kooperativen Lehr-Lern-


methoden, Effekt von Rückmeldung etc.). Aber auch andere Bereiche
(Eigenschaften von Lernenden, Elternhaus, Schule, Lehrperson und Cur-
riculum) wurden einbezogen. Gemeinsam ist allen Bereichen die zen­
trale abhängige Variable: Stets wird der Effekt auf die Lernleistung der
Schülerinnen und Schüler betrachtet.

Die breite Basis an Daten hat Hattie zunächst genutzt, um einen Richt- Richtwert für bedeut-
wert für bedeutsame Effekte zu finden. Dazu hat er die Höhe und Häu- same Effekte: d = 0.40
figkeit aller gefundenen Effektstärken betrachtet und Folgendes fest-
gestellt: Die meisten Studien zeigen Effektstärken um d = 0.40. Die
Häufigkeit der Effektstärken ist normalverteilt (wie eine regelmäßig ge-
formte „Glocke“ mit der Häufigkeitsspitze bei d = 0.40). Das bedeutet,
dass die Verteilung symmetrisch ist (die eine Hälfte der Effektstärken
liegt oberhalb von d = 0.40, die andere Hälfte findet sich unterhalb von
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0.40), wobei Effektstärken umso seltener zu finden sind, je stärker sie


von 0.40 abweichen. Besonderen Wert legt Hattie auf die Feststellung,
dass alle Effektstärken mit ganz wenigen Ausnahmen positiv sind. Dies
bedeutet, dass praktisch jede Intervention im Vergleich zu ihrer Unter-
lassung (Kontrollgruppe) positiv wirkt. Orientiert man sich am häufigs-
ten Wert, d = 0.40, dann kann man Interventionen, die anscheinend bes-
ser funktionieren, von Interventionen, die weniger gut funktionieren,
unterscheiden. Hattie nennt dies den „Umschlagpunkt“: Die Häufigkeits-
verteilung zeigt ja an, dass gut die Hälfte der Interventionen Effektstär-
ken erreicht, die größer sind als d = 0.40. Nach Hattie ist diese Größen-
ordnung erreichbar und erstrebenswert. Auf der Basis dieser Überlegung
hat Hattie ein „Barometer“ (vgl. Abb. 29) entworfen, das die Effektstärke
von Interventionen (Lernen) sichtbar macht.

Abbildung 29 zeigt als Beispiel die durchschnittliche Effektstärke, die


für das Aufgeben von Hausaufgaben auf die Lernleistung ermittelt
wurde. Um die durchschnittliche Effektstärke zu berechnen, gingen

mittel

0.4 0.5 0.6


g 0.3 0.7
rin
0.2
ho
ge

0.8
ch

1 Schulbesuchs-
0.

effekte
0.

Erwünschte
KENNWERTE
9
.0

Effekte
–0

Entwicklungs-
1.0
tiv

effekte Standardfehler (gering) 0,027


neg a

Rang 88
–0.1

1.1

Umkehrende Anzahl der Meta-Analysen 5


Effekte
Anzahl der Studien 161
–0.2

1.2

Anzahl der Effekte 295


Hausaufgaben d = 0,29
Anzahl der Personen (4) 105 382

Abbildung 29: Visualisierung des Effekts von Hausaufgaben nach Hattie (aus
Hattie, 2015, S. 24) (© Schneider Verlag Hohengehren, Balt-
mannsweiler. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.)

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304 Kapitel 11

Daten aus fünf Metaanalysen ein, die 161 Einzelstudien, 295 einzelne
Effektstärken und über 100 000 Lernende umfassten. Die Effektstärke
ist im Barometer angegeben und zusätzlich mit dem Zeiger visualisiert.
Sie beträgt d = 0.29, bleibt also deutlich unterhalb der Zone der er-
wünschten Effekte. Die Aussage ist, dass der Effekt von Hausaufgaben
in der Realität im Durchschnitt geringer ist als möglicherweise ange-
nommen. Mit Blick auf den Umschlagpunkt ist der Effekt nicht so groß,
dass Hausaufgaben in wünschenswerter Weise funktionieren. Man sollte
diese Aussage zum Anlass nehmen zu überlegen, was getan werden
könnte, um Hausaufgaben für das Lernen effektiver (den Effekt stärker)
zu machen.

Die Hattie-Studie hat bei ihrem Erscheinen für Aufsehen und Diskus-
sionen gesorgt, weil die empirische Evidenz zu bestimmten Faktoren
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

kontra-intuitiv erschien. Insbesondere schulische Rahmenbedingun-


gen wie die Klassengröße oder die finanzielle Ausstattung der Schule
zeigten über die verfügbaren Studien hinweg betrachtet wenig Einfluss
auf die Lernleistung. Beispielsweise hatte eine erhebliche Reduzierung
der Klassengröße (von 25 bis 30 Schülern pro Klasse auf 15 bis 20 Schü-
ler) einen durchschnittlichen Effekt auf die Lernleistung von lediglich
d = 0.21. Eine bessere finanzielle Ausstattung der Schule wirkte mit le-
diglich d = 0.23 positiv auf die Lernleistung (vgl. Hattie, 2012, 2014,
Anhänge C und D).
Solche Befunde sind zunächst einmal als Tatsachen zu würdigen, die
eine breite empirische Basis haben. Sie geben allerdings keinen Auf-
schluss darüber, warum die Effektstärken im Durchschnitt so niedrig
ausfallen. Sie provozieren vielmehr Fragen und genauere Hypothesen,
denen man nachgehen sollte. Identifiziert man die uneffektiven Fak-
toren und wendet effektive Interventionen und Veränderungen an,
könnten die Effektstärken in Zukunft anders ausfallen. Die Hattie-Stu-
die dokumentiert gerade mit den kontra-intuitiven, erklärungsbedürf-
tigen Befunden den Beginn eines Lern- und Veränderungsprozesses.
Durchschnittliche mittlere Effektstärken auf die Lernleistung (etwa
d = 0.30 bis d = 0.59) zeigten beispielsweise das häusliche Anregungs-
niveau (Bereich Elternhaus), hohe Erwartungen seitens der Lehrkraft
an die Schülerinnen und Schüler, gute Klassenführung, Reduktion von
Unterrichtsstörungen, computergestütztes Lernen und einige Metho-
den wie direkte Instruktion und kooperatives Lernen. Hohe Effektstär-
Hohe Effektstärken für ken wurden beispielsweise für Lernstrategien, metakognitive Strate-
formative Evaluation
gien und Leseverständnisförderung festgestellt. Vergleichsweise sehr
und Anpassung des
­Unterrichts hohe Effektstärken (unter den ersten zehn der nach Effektstärken ge-
ordneten 150 Faktoren) erzielten Faktoren des Unterrichts, die mit

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Bedingungen guten Unterrichts 305

Rückmeldung, formativer Evaluation und der Reflexion vorgenomme-


ner Interventionen zu tun haben (Feedback d = 0.75; formative Evalu-
ation des Unterrichts d = 0.90; Reaktion auf Interventionen d = 1.07).
Ein fortlaufend beobachteter, evaluierter und angepasster Unterricht,
der ständige Rückmeldeprozesse zwischen Schülern und Lehrkräften
etabliert, ist demzufolge für die Lernleistung der Schülerinnen und
Schüler besonders förderlich. Solche Prozesse „machen Lernen sicht-
bar“.
In den folgenden Abschnitten werden nun einige der in den vorangegan-
genen Ausführungen häufiger aufgetretenen Unterrichtsmerkmale näher
erläutert. Die Auswahl und Darstellung hat jeweils beispielhaften Cha-
rakter und beansprucht keine Vollständigkeit.
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11.2.2 Klassenführung
Die Klassenführung stellt einen bewusst gestalteten Rahmen für Un- Rahmen für
terrichtsprozesse im Klassenraum dar. Dieser Rahmen umfasst die Art ­Unterrichtsprozesse

und Weise, wie die Akteurinnen und Akteure des Unterrichtsprozes-


ses grundsätzlich miteinander umgehen (respektvoll, kooperativ, stö-
rungsfrei), wie wiederkehrende Verwaltungsroutinen gelöst werden
(z. B. in Bezug auf Pünktlichkeit, Verlassen des Klassenraums, Mitbrin-
gen und Benutzen von Materialien, Kontrolle und Verwaltung von nicht
erledigten Hausaufgaben) und wie mit Unterrichtsstörungen umge-
gangen wird (präventiv, vorausschauend, undramatisch).
Zwischen einer effektiven Klassenführung und dem Lernerfolg der Zusammenhang
mit Lernerfolg
Schülerinnen und Schüler besteht ein bedeutsamer Zusammenhang
(Wang, Haertel & Walberg, 1993; Kunter et al., 2006 PISA – vgl. auch
Helmke, 2009). Diese Wirkung wird dadurch vermittelt, dass die ver-
fügbare Lernzeit zum Lehren und Lernen genutzt werden kann. In den
weniger effektiv geführten Klassen wird Zeit und Energie darauf ver-
wendet, auf Unterrichtsstörungen und „unvorhergesehene“ Vorkomm-
nisse immer neu zu reagieren.
Die Forschung zur Lehrergesundheit zeigt, dass Probleme mit der Klas- Zusammenhang mit
Lehrergesundheit
senführung bei den als belastend empfundenen Faktoren des Lehrbe-
rufs weit oben stehen (Schaarschmidt, Arold & Kieschke, 2000). Die
Auseinandersetzung mit effektiver Klassenführung lohnt sich für Lehr-
kräfte also ganz besonders.
Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es, um eine effektive Klassen-
führung zu erreichen? Im Folgenden werden zwei Aspekte näher be-
sprochen: Etablierung von Regeln und Verfahrensweisen sowie Um-
gang mit Störungen.

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306 Kapitel 11

Etablierung von Regeln und Verfahrensweisen

Regeln für die Regeln. Ein Miteinander im Unterrichtprozess gelingt besser, wenn alle
­Zusammenarbeit Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewisse Grundregeln einhalten. Diese
Regeln betreffen beispielsweise die Interaktion (Freundlichkeit, Res-
pekt, Ausreden lassen, Melden) und die Zusammenarbeit (kooperative
Einstellung, Hilfsbereitschaft, Vermeiden von Störungen) in der Klasse.
Auch das individuelle Engagement (Beteiligung am Unterricht, Anstren-
gungsbereitschaft) könnte thematisiert werden. Regeln können gemein-
sam formuliert werden; sie sollten in einer einfachen Sprache abgefasst
sein; ihre Anzahl sollte übersichtlich bleiben. Vereinbarungen über Re-
geln sollten zu Beginn der Zusammenarbeit (z. B. am Anfang eines Un-
terrichtsjahres) getroffen werden. Ein späteres Verhandeln, nachdem
bereits auf Vorkommnisse reagiert werden musste, ist schwieriger.
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Routinen für Routinen. Routinen sind konkrete, ständig wiederkehrende Situatio-


­administrative Prozesse
nen, für die bestimmte Verfahrensweisen und Zeichen vereinbart wer-
den. Solche Routinen betreffen z. B. Beginn und Ende einer Unterrichts-
stunde, das Feststellen von Fehlzeiten und Unpünktlichkeit, die
Kontrolle und Verwaltung von (nicht erledigten) Hausaufgaben, das
Verlassen des Unterrichtsraums, Fragen während einer Stillarbeit, Ver-
halten bei frühzeitiger Fertigstellung einer individuellen Übung, zu-
lässige Interaktionen zwischen Schülern in bestimmten Unterrichts-
phasen, Verhaltensweisen während Gruppenarbeiten etc. Alle diese
Situationen sind wiederkehrend und vorhersehbar.
Rituale mit symboli- Rituale. Rituale sind wiederkehrende Handlungen mit symbolischem
schem Charakter
Charakter, die eine Bedeutung für die Selbstwahrnehmung der Lern-
gruppe und ihren Zusammenhalt haben. Dazu kann die morgendliche
Begrüßung zählen, ein Erzähl- oder „Morgenkreis“, Entspannungs-
und Stilleübungen, Singen von Liedern, Schulversammlungen, in man-
chen Ländern auch Appelle („Antreten“ auf dem Schulhof, Durchfüh-
ren eines gemeinsamen Rituals, Singen einer Hymne o. Ä.), gemeinsame
Gymnastik.

Techniken der Verhaltenskontrolle


Techniken der Verhaltenskontrolle auf der Basis des operanten Kon­
ditionierens (vgl. Kap. 3) legen nahe, erwünschtes Verhalten zu ver­
stärken. Die Lehrkraft besitzt Verstärker, die sie gegenüber den Schü­
lerinnen und Schülern einsetzen kann. Dazu zählen insbesondere
Aufmerksamkeit, verbales Lob und andere Zeichen von freundlicher Zu-
wendung. Um die Häufigkeit des gewünschten Verhaltens zu erhöhen,
sollten der Theorie zufolge Verstärker zeitlich unmittelbar nach Auftre-
ten des gewünschten Verhaltens gegeben werden. Benennung und Lob

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Bedingungen guten Unterrichts 307

verdeutlichen auch, dass die Lehrkraft das Verhalten bemerkt und es Verhaltenskontrolle
nicht für selbstverständlich hält. Wird das gewünschte Verhalten nicht durch Verstärkung
im Rahmen von
gezeigt, so können Schülerinnen und Schüler dazu angehalten werden, ­Klassenführung
das Verhalten in gewünschter Form zu wiederholen (Beispiele: Melden
und warten, bis man drangenommen wird, Umstellen von Tischen und
Stühlen für eine Gruppenarbeit ohne Lärm und Unruhe). Anschließend
wird die gelungene Durchführung durch Lob verstärkt.
Verstärker können auch „negativ“ sein: Das Beenden eines als unange-
nehm empfundenen Zustands kann verstärkend für das gewünschte Ver-
halten sein. (Beispiel: Befreundeten Schülern, die Tischnachbarn sind,
werden nach Unterrichtsstörung getrennte Plätze zugewiesen. Dies wird
vermutlich als unangenehm empfunden. Bei regelkonformem Verhalten
wird dieser Zustand aufgehoben und sie dürfen wieder beieinander sit-
zen. Dabei sollte verdeutlicht werden, dass sie nicht für den Regelver-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

stoß bestraft, sondern für regelkonformes Verhalten „belohnt“ wurden.)


Beobachtungen in Klassenräumen und bei Rollenspielen zum Thema
Klassenführung in Seminaren mit Lehramtsstudierenden zeigen, dass
sich viele Lehrkräfte intuitiv anders verhalten. Viele Lehrkräfte gehen Intuitives Verhalten
davon aus, dass die Regeln bekannt sind und ihr Befolgen selbstver- ­oftmals mit Fokus auf
Bestrafung
ständlich ist; sie zeigen nicht, dass sie erwünschtes Verhalten bemer-
ken, und sie verstärken es nicht. Sie haben auch nicht die Geduld, Ver-
halten in gewünschter Weise wiederholen zu lassen. Die Aufmerksamkeit
liegt stattdessen auf den Regelverstößen. Bei Regelverstößen reagiert
die Lehrkraft (abgesehen von kleineren Hinweisen und Ermahnungen)
häufig mit Handlungen, die für Schülerinnen und Schüler unangenehm
sind. In den Begriffen des operanten Konditionierens sind dies Straf-
reize. Die Palette reicht von negativ gefärbten Ermahnungen (auch mit
erhobener Stimme bis hin zum Schreien), über Androhung und Vergabe
von Strafarbeiten, Bloßstellung und Beschämung (z. B. Aufrufen und Be-
fragen eines störenden Schülers, obwohl er sicher keine Antwort weiß),
Eintrag ins Klassenbuch bis zum zeitweiligen Verweis von Schülerinnen
und Schülern aus dem Klassenzimmer.
Aus Sicht der Theorie des operanten Konditionierens führen Strafreize
zwar zu einer kurzfristigen Unterdrückung des nicht gewünschten Ver-
haltens, nicht aber zur Löschung. Außerdem wird Aufmerksamkeit auf das
unerwünschte Verhalten gelenkt. Daraus geht jedoch nicht hervor, wie das
erwünschte Verhalten gestaltet sein soll. Für Schülerinnen und Schüler
kann unter Umständen jede Zuwendung und Aufmerksamkeit, die ihnen
die Lehrkraft schenkt – auch wenn diese negativ gefärbt ist – ein Verstär-
ker sein, beispielsweise dadurch, dass der Unterricht erfolgreich unter- Verstärker heraus­
brochen wurde, sich ein Schüler in seiner Rolle als Rebell bestärkt sieht finden
oder sich die Lehrkraft in eine zermürbende Diskussion hat verwickeln
lassen. Von der Lehrkraft sollte hinterfragt werden, ob ihre „Strafreize“
wirksam sein können. Tatsächlich könnten sie Verstärker sein und damit
definitionsgemäß die Verhaltenshäufigkeit erhöhen.

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308 Kapitel 11

Lehrkraft und Schüler Nicht nur die Lehrkraft verfügt über Verstärker und Strafreize, auch die
in einem Kreislauf Schülerinnen und Schüler können gegenüber der Lehrkraft Sympathie,
wechselseitiger
­Verhaltenskontrolle Verständnis für bzw. Zustimmung zu ihren Entscheidungen, Interesse
und Aufmerksamkeit signalisieren (Verstärker) oder aber Antipathie,
Verweigerung und Desinteresse zum Ausdruck bringen und damit das
Verhalten der Lehrkraft sanktionieren. Insofern befinden sich Lehrkraft
und Schüler in einem Kreislauf wechselseitiger Vergabe von Verstärkern
oder Strafreizen. Lehrkräfte, die sich das nicht bewusst machen, kön-
nen sich von einer geschickt agierenden Klasse unter Druck setzen und
steuern lassen. In einem solchen Fall beherrscht die Klasse die Technik
der Verhaltenskontrolle besser als die Lehrkraft.
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Störungen des Unterrichts


Unterrichtsplanung Unterrichtsplanung. Störungen des Unterrichts und der Abläufe kann
­vermeidet Störungen
es aus verschiedenen Gründen geben. Vielfältige Quellen für Störun-
gen können in der Unterrichtsplanung liegen. Unruhe kann aufkom-
men, wenn Schüler Instruktionen für eine Gruppen- oder Stillarbeit
nicht verstehen, beispielsweise wenn die Instruktionen unklar oder
bruchstückhaft gegeben werden. Unruhe kann aufkommen, wenn
Schüler fachlich überfordert oder unterfordert sind. Unruhe kommt
regelmäßig auf, wenn nicht geregelt ist, was Schüler tun sollen, wenn
sie mit individuellen Übungen früher fertig geworden sind als andere.
Gelegenheiten für Unruhe werden geboten, wenn der Klassenraum für
Gruppenarbeiten vorbereitet werden muss oder wenn der Medienein-
satz technisch nicht funktioniert. Diese Unruhequellen können durch
die Unterrichtsvorbereitung abgestellt werden.
Schülerverhalten (Pünktlichkeit, Hausaufgaben, Arbeitsmaterialien). Stö-
rungen sind zu erwarten, wenn Schüler unpünktlich zum Unterricht er-
scheinen, ihre Arbeitsmaterialien nicht dabeihaben, ihre Hausaufgaben
nicht erledigt haben etc. Diese zwar unerwünschten, aber vorhersehba-
Routinen vermeiden ren Situationen können durch Routinen abgefangen werden. Eine Rou-
Störungen tine für Unpünktlichkeit könnte beispielsweise darin bestehen, die Ver-
spätung lediglich zu protokollieren, ohne sie anzusprechen. Gründe und
mögliche Konsequenzen werden bei einer anderen Gelegenheit mit dem
Schüler unter vier Augen besprochen. Wenn diese Routine bekannt ist
und (dem Fall angemessene) Konsequenzen folgen, entsteht auch nicht
der Eindruck, dass Unpünktlichkeit toleriert wird.
Schülerverhalten (Verhalten in der Klasse). In den seltensten Fällen ist es
in einer Klasse zu jeder Zeit still. Oft sind unaufgeforderte Interaktio-
nen zwischen Schülerinnen und Schülern unterrichtsbezogen, d. h.

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Bedingungen guten Unterrichts 309

Schüler fragen und erklären sich gegenseitig etwas oder tauschen Ma-
terialien aus. Schüler entfalten jedoch auch unterrichtsferne Aktivitä-
ten, zeichnen und malen, führen Privatgespräche, benutzen ihr Smart-
phone, erledigen Hausaufgaben für andere Fächer oder lesen in
fachfremden Büchern. Für die Behandlung derartiger Ablenkungen
und Störungen gilt ebenfalls der Grundsatz, die Lernzeit für die ge-
samte Klasse zu maximieren. Dies bedeutet, möglichst keine große
Sache aus den Störungen zu machen, nicht darüber zu diskutieren und
nicht die Aufmerksamkeit der übrigen Schülerinnen und Schüler da­
rauf zu lenken. Solche Störungen sollten im Keim erstickt und mög-
lichst „nebenbei“ beendet werden, ohne den Unterrichtsfluss zu un-
terbrechen. Dafür ist es notwendig, die Klasse beständig „im Blick“ zu
behalten, Störungen früh zu erkennen und ihre Entwicklung zu antizi- Antizipierendes, non-
pieren. Bleibt die Störung insgesamt unter einer gewissen Schwelle und verbales und undrama-
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tisches Handeln
wird antizipiert, dass sie sich umgehend erledigt haben wird, ist es u. U. ­vermeidet Störungen
angemessen, die Störung nicht aufzugreifen. Wird ein Verhalten je-
doch als störend bewertet und wird antizipiert, dass sich die Störung
nicht von selbst legen wird, ist ein frühzeitiges, bestimmtes, undrama-
tisches und möglichst nonverbales Eingreifen angezeigt. Ein solches
Eingreifen kann beispielsweise darin bestehen, dass sich die Lehrkraft
dem Tisch der störenden Schüler nähert, während der Unterricht fort-
gesetzt wird. In der Nähe können wirkungsvoll nonverbale Zeichen ge-
sendet werden, die den Schülern signalisieren, dass die Störung be-
merkt wurde und zu unterbleiben hat. Auch Bücher und Smartphones
können auf diese Weise ohne Worte entfernt werden. Darüber hinaus
können Verfahren eingeführt werden, um wiederholte Störungen von
Schülerinnen und Schülern zu protokollieren, ohne den Unterrichts-
fluss zu unterbrechen.

Weitere Funktionen und Wirkungen effektiver Klassenführung


Es ist deutlich geworden, dass viele Gründe für Unruhe, Störungen und
Zeitverschwendung durch die Lehrkraft vorhergesehen und beeinflusst
werden können. Die präventive Investition, zu Beginn Regeln und Rou-
tinen zu etablieren, zahlt sich aus und erspart viel von der als belastend
empfundenen Anstrengung. Klassenführung ist nicht die magische Verantwortung
der Lehrkraft
Wirkung persönlicher Autorität und effektvoller Reaktion auf Diszip-
linprobleme. Vielmehr ist dieser Eindruck das Resultat sorgfältiger Vor-
bereitung und Antizipation. Effektive Klassenführung ist auch eine
Sache der Einstellung: Lehrkräfte übernehmen Verantwortung für die
Etablierung und Durchsetzung des „Rahmens“, in dem Unterricht
stattfindet. Das hat eine Reihe positiver Funktionen und Wirkungen,
die über das störungsfreie Unterrichten hinausgehen.

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310 Kapitel 11

Eine effektive Klassenführung mag bisweilen „streng“ wirken, wenn


Regeln etabliert und durchgesetzt werden, vermeidet aber tatsächlich
viele emotional negativ gefärbte Situationen. Die negativen Emotio-
nen, die bei Schülerinnen und Schülern entstehen, wenn sie sich bei
einer „intuitiven“ Reaktion auf Störungen unangemessen „bestraft“
oder gar beschämt fühlen, werden nach der Theorie des klassischen
Konditionierens (vgl. Kap. 3) mit der Lehrkraft assoziiert. Umgekehrt
assoziiert auch die Lehrkraft negative Eindrücke wie Verweigerung,
Ablehnung, Desinteresse und Unkontrollierbarkeit mit der Klasse. Das
trägt nicht zu einem guten Lernklima bei. Effektive Klassenführung
vermeidet diese Situationen.
Etablierung von Darüber hinaus etabliert eine effektive Klassenführung eine transpa-
­Struktur (Vorherseh­
barkeit, Fairness,
rente Struktur. Dies bedeutet, dass grundsätzlich vorhersehbare Dinge
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­Verlässlichkeit) passieren und dass es jemanden gibt, der (oder die) dafür sichtbar Ver-
antwortung übernimmt. Wenn die Verantwortung für eine solche
Struktur diffus bleibt, entsteht eine Lücke, die von den Schülerinnen
und Schülern nicht gefüllt werden kann. Klassenführung bedeutet also
auch, Verantwortung für die Etablierung der Struktur zu übernehmen
und als eine Art „Gewissen“ oder „Über-Ich“ zu fungieren. Die dadurch
vermittelte Sicherheit bildet Vertrauen und wirkt sich positiv auf die
Lernatmosphäre aus. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass die Lehr-
kraft sich ihrer Verantwortung und Vorbildrolle bewusst ist. Kommt
die Lehrkraft beispielsweise selbst des Öfteren unpünktlich in den Un-
terricht, ist sie nicht gut vorbereitet, vergisst sie Medien und Materia-
lien und werden Schüler regelmäßig erst einmal zum Kopieren von Ar-
beitsblättern geschickt, entstehen sichtbare Widersprüche.
Dies zeigt, dass sich die beschriebenen Elemente effektiver Klassen-
führung in einem Geflecht von Wirkfaktoren befinden. Effektive Klas-
senführung, Unterrichtsvorbereitung und Lernatmosphäre stehen in
einem Zusammenhang.

11.2.3 Klarheit und Strukturiertheit


Die Merkmale Klarheit und Verständlichkeit beziehen sich auf Äuße-
rungen der Lehrkraft. Das Merkmal der Strukturiertheit beschreibt den
logischen und für Schülerinnen und Schüler durchschaubaren inhalt-
lichen Aufbau einer Unterrichtsstunde.
Lehrersprache und Merkmale der Lehrersprache lassen sich vergleichsweise einfach fest-
­Verständlichkeit
stellen. Idealerweise spricht die Lehrkraft in grammatisch einfachen
und korrekten Sätzen und bedient sich üblicher Wörter bzw. eines be-
kannten und definierten Fachwortschatzes. Dabei vermeidet sie Füll-

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Bedingungen guten Unterrichts 311

wörter („okay?, halt, vielleicht, sag ich mal, quasi, undsoweiterundso-


fort, sozusagen, also, etc.“), und Marotten (z. B. Sprechverzögerungen,
zu hohes Tempo, Atemlosigkeit). Wenn die Lehrersprache bezüglich
dieser Merkmale nicht verständlich ist, sinkt die Lernleistung. Audio-
und Videoaufzeichnungen können helfen, unbemerkte Probleme und
Marotten bewusst zu machen und zu beheben.
Um die Strukturiertheit zu erhöhen und den Aufbau der Stunde sicht- Mittel der
bar zu machen, kann sich die Lehrkraft einiger klar erkennbarer Mit- ­Strukturiertheit

tel bedienen. Beispielsweise kann die Lehrkraft zu Beginn das Lern-


ziel der Stunde bekanntgeben und erläutern, welche Inhalte und
Arbeitsschritte in welcher Form geplant sind, um das Ziel zu erreichen.
Auch zu einer ganzen Unterrichtseinheit kann ein strukturierender
Überblick veranschaulichen, wie verschiedene Inhalte, Übungen und
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Methoden zur Erreichung der Lernziele beitragen. Für Schülerinnen


und Schüler ist oft nicht durchschaubar, warum ein bestimmter Inhalt
„durchgenommen“ wird oder warum eine bestimmte Übung bearbei-
tet werden soll – oftmals gerade dann, wenn die Lehrkraft versucht,
die Schüler in einem „gelenkten Unterrichtsgespräch“ zu einem be-
stimmten Ziel zu führen, ohne dieses Ziel vorher benannt zu haben. Transparenz
Zusammenfassungen, Merksätze und Wiederholungen dienen eben- der ­Lehrziele

falls der Strukturiertheit, besonders dann, wenn sie wiederkehrend an


erwartbaren Stellen im Unterrichtsablauf erscheinen.
Einschübe, Exkurse und Abschweifungen, die der Lehrkraft spontan
einfallen, lenken potenziell vom Thema ab. Ihr Stellenwert als Exkurs
kann von den Schülerinnen und Schülern oft nicht richtig erkannt wer-
den. Auch motivierend gemeinte Zusatzinformationen haben das Po-
tenzial, den Lernerfolg zu mindern.
Der sachlogische Aufbau einer Unterrichtsstunde basiert letztlich auf
fachdidaktischen Entscheidungen bei der Unterrichtsplanung. Den-
noch lassen sich die bereits genannten Elemente der Strukturiertheit Strukturiertheit
und Lernerfolg
auch abgelöst von den fachdidaktisch motivierten Inhalten beobach-
ten. Regelmäßig erweisen sich dabei Unterrichtsformen mit hoher
Strukturiertheit den Unterrichtsformen mit niedriger Strukturiertheit
in Bezug auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler als überle-
gen. Instruktionen, die dem Konzept der „direkten Instruktion“ (vgl.
Kap. 10) folgen, weisen eine hohe Strukturiertheit auf.
Den synthetisierten Erkenntnissen aus Metaanalysen zufolge ver-
spricht außerdem gerade die Einsicht und die Reflexion über Lernziele
und Lernprozesse sowohl bei Lehrkräften als auch bei Schülern Erfolg
(Hattie, 2015). Transparenz der Ziele und der Vorgehensweise kann
ebenfalls als ein Element der Strukturiertheit verstanden werden.

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312 Kapitel 11

11.2.4 Kognitive Aktivierung


Unter kognitiver Aktivierung können jene Anregungsbedingungen (In-
struktionen, Aufgaben, Herausforderungen) für Lernen verstanden
werden, die zu einer vertieften, bedeutungsvollen Auseinandersetzung
mit den Lerninhalten führen.
Unterricht, in dem Lernende bei der Erarbeitung neuer Inhalte und
neuer Lösungswege nicht aktiv mitarbeiten, der auf Wiederholen von
Fakten und auf das Üben bekannter Routinen angelegt ist, der keine
Begründungszusammenhänge herstellt und wenig Bezug zu lebens-
weltlichen Kontexten besitzt, der selbstständiges und selbstregulier-
tes Lernen (vgl. Kap. 8) nicht fördert und keine Lernstrategien vermit-
telt, ist kein kognitiv aktivierender Unterricht.
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Formen aktivierenden Kognitiv aktivierender Unterricht kann unterschiedliche Formen auf-


Lehrens und Lernens
weisen, beispielsweise
• Lernende vor neue, herausfordernde Probleme zu stellen und selbst-
ständig Lösungen suchen zu lassen,
• (mild) konstruktivistische, situierte Lehr-Lernarrangements zu ge-
stalten (z. B. Anchored Instruction; vgl. Kap. 10),
• Lernstrategien mit dem Ziel selbstregulierten Lernens einzuführen
und zu fördern (z. B. Strategien zur selbstständigen Erarbeitung von
Texten, Strategien zur Lernplanung und -überwachung),
• Kooperative Lernstrategien einzuführen und zu fördern,
• Lernende größere Projekte über einen längeren Zeitraum bearbei-
ten zu lassen,
• Variable Formen der Mitarbeit im Unterricht zu etablieren, um die
Qualität und Breite der Aktivierung zu erhöhen (z. B. Kurzpräsenta-
tionen von Schülern, Verwenden von Kartenabfragen, Erstellen von
Postern).
Keiner dieser Ansätze garantiert für sich genommen kognitive Akti-
vierung und vertiefte Einsichten in die fachlichen Inhalte. Die kog-
nitive Aktivierung entfaltet sich in der Auseinandersetzung mit einer
interessanten, für Schüler potenziell lösbaren Aufgabe, die fachliche
Einsichten ermöglicht. Beim Lösen dieser Aufgabe müssen Schüle-
rinnen und Schüler adaptiv unterstützt werden. Voraussetzung ist
Fachdidaktische eine zutreffende Antizipation der Lehrkraft, welche Möglichkeiten
­Kompetenz in einer Lernaufgabe stecken, für welche Schüler welche Aufgabe
angemessen ist, welche Schwierigkeiten auftreten werden und wie
man diese Schwierigkeiten lösen kann. In der Planung und Durch-
führung solcher Aufgaben im Unterricht zeigt sich die fachdi­
daktische Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern. Wie in der
­COACTIV-Studie (siehe Kasten) gezeigt wurde, verwenden Mathe-

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Bedingungen guten Unterrichts 313

Unterricht

Kognitive
Herausforderung

Fachdidaktisches Leistungszuwachs
Adaptive
Wissen der Lehrkraft der Schüler
Unterstützung

Effektive
Klassenführung

Abbildung 30: Wirkungszusammenhang zwischen fachdidaktischem Wissen, Un-


terrichtsmerkmalen (insbesondere kognitive Aktivierung und indi-
viduelle, adaptive Unterstützung) und dem Leistungszuwachs von
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Schülerinnen und Schülern, Modellannahmen aus der COACTIV-­


Studie

matik-Lehrkräfte mit einem höheren fachdidaktischen Wissen stär-


ker kognitiv anregende Lernaufgaben im Unterricht und erzielen
damit auch einen höheren Leistungszuwachs ihrer Schülerinnen und
Schüler (vgl. Abb. 30).

Kognitive Aktivierung und fachdidaktische


Kompetenz der Lehrkraft: Die COACTIV-
Studie
Ein vollständiges Bild der Qualität von Unterricht lässt sich nur zeich-
nen, wenn man berücksichtigt, dass für erfolgreichen Unterricht meh-
rere Ebenen ineinandergreifen. Einige Qualitätsmerkmale erfordern
fachdidaktisch angemessene Entscheidungen. Eine umfassende Stu- Kognitive Aktivierung
die für das Fach Mathematik hat diese fachdidaktische Ebene in die Be- im Mittelpunkt erfolg-
reichen Unterrichts
trachtung einbezogen. Die sogenannte COACTIV-Studie (für Cognitive
Activation in the Classroom) stellt die kognitive Aktivierung der Schüler
im Mathematikunterricht in den Mittelpunkt. „Wenn, wie bei COACTIV,
die kognitive Aktivierung von Schülerinnen und Schülern und die Gestal-
tung fachlich gehaltvoller Lernumgebungen der zentrale Fokus ist, dann
muss man das fachdidaktische Wissen als entscheidend ansehen und
davon ausgehen, dass Fachwissen eine Voraussetzung dafür ist“ (Krauss
et al., 2008, S. 227).

Woraus besteht das fachdidaktische Wissen von Lehrkräften, und wie


lässt es sich messen? Fachdidaktisches Wissen ist das Wissen darüber, Fachdidaktisches
wie die fachlichen Gegenstände für Schülerinnen und Schüler verständ- ­Wissen
lich gemacht werden können. Dazu zählt auf der einen Seite ein um-

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314 Kapitel 11

fangreiches Wissen über angemessene fachliche Repräsentationen, in-


struktionale Methoden, fachliche Beispiele, Analogien, Illustrationen
und Demonstrationen. Auf der anderen Seite benötigen Lehrkräfte Wis-
sen darüber, wie Schüler das fachliche Wissen erlernen, welche typi-
schen Verständnisschwierigkeiten und Fehler auftreten können und wie
man ihnen begegnen kann. In einem aufwendigen Verfahren wurden (aus
Test des fachdidakti- 80 ursprünglich gesammelten Aufgaben) 22 Testaufgaben für das fach-
schen Wissens von didaktische Wissen der Mathematiklehrerinnen und -lehrer entwickelt
­ athematiklehrkräften
M
und vorgetestet. (Beispiel: Den Flächeninhalt eines Trapezes kann man
mit unterschiedlichen Formeln berechnen. Die Lehrkräfte sollten be-
gründen, welchen didaktischen Nutzen es haben könnte, diese unter-
schiedlichen Formeln im Unterricht zu betrachten.) Die Angemes­senheit
der fachdidaktischen Begründungen wurde durch mehrere Beurteiler
mit Punkten bewertet. Der Test hatte keine vorher festgelegte maximale
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Punktzahl, sondern ein „empirisches Maximum“: Eine besonders


­kompetente Lehrkraft erreichte über die 22 Aufgaben hinweg eine ma-
ximale Punktzahl von 37 Punkten, während der Durchschnittswert bei
19.9 Punkten (SD = 6.2) lag.

Den Lehrkräften wurde darüber hinaus ein fachwissenschaftlicher Test


vorgelegt. Hier wurde mathematisches Wissen abgefragt, das vom
Schwierigkeitsgrad her zwar nicht universitäres Niveau betraf, aber
deutlich „oberhalb“ dessen angesiedelt war, was täglich in der Schule
vermittelt wird (Beispiel: „Gilt 0,999999.... = 1? Begründen Sie!“). In die-
sem Test konnten in 13 Aufgaben maximal 13 Punkte erreicht werden.

Die COACTIV-Studie untersuchte insgesamt 198 Mathematikklassen,


die im Rahmen der PISA-Studie im Jahr 2003 repräsentativ gezogen
wurden. Die Lehrkräfte dieser Klassen waren im Durchschnitt 47 Jahre
alt (zwischen 28 und 65 Jahren). Ihr Wissen wurde mit dem fachlichen
und dem fachdidaktischen Test untersucht. Die Ergebnisse wurden in
zwei Gruppen zusammengefasst. Die eine Gruppe umfasste die Gym-
nasiallehrkräfte, die andere Gruppe die Lehrkräfte der anderen Schul-
typen (Realschulen, Hauptschulen und Gesamtschulen).

Zusammenhänge Sowohl im Fachwissen als auch im fachdidaktischen Wissen schnitten


z­ wischen Fachwissen die 85 Gymnasiallehrkräfte erheblich besser ab als die Lehrkräfte der
und fachdidaktischem
Wissen bei Lehrkräften anderen Schultypen. Besonders bei den Lehrkräften des Gymnasiums
zeigte sich, dass zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen
ein substanzieller Zusammenhang bestand: Lehrkräfte, die über höhe-
res Fachwissen verfügten, verfügten auch über höheres fachdidakti-
sches Wissen. Jene Lehrkraft, die im fachdidaktischen Test das empiri-
sche Maximum von 37 Punkten gezeigt hatte, hatte beispielsweise auch
die Maximalpunktzahl im Fachwissenstest. Etwas differenzierter fielen
die Ergebnisse bei den Lehrkräften aus, die nicht am Gymnasium un-
terrichteten. Hier bestand kein so eindeutiger Zusammenhang zwischen
Fachwissen und fachdidaktischem Wissen. Auch mit erstaunlich nied-

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Bedingungen guten Unterrichts 315

rigem Fachwissen konnten hohe Werte in fachdidaktischem Wissen be-


obachtet werden. Die Lehrkräfte aber, die im Fachwissen 8 oder mehr
Punkte erreichten, hatten alle auch mindestens 19 Punkte im fachdi-
daktischen Wissen. Hohes Fachwissen ging also auch in dieser Gruppe
mit hohem fachdidaktischen Wissen einher. Die Autorinnen und Auto-
ren der Studie sehen daher ihre Annahme bestätigt, dass hohes Fach-
wissen mit hohem fachdidaktischen Wissen in einem positiven Zusam-
menhang steht.

Das fachdidaktische Wissen, das mit dem Test erfasst wurde, erwies Je höher das fachdidak-
sich in der COACTIV-Studie auch tatsächlich als wirksam für den Lern- tische Wissen der
­Lehrkraft, desto höher
zuwachs der Schülerinnen und Schüler. In den 181 Klassen, die ein Jahr der Lernzuwachs ihrer
nach PISA 2003 noch vorhanden waren, wurde die PISA-Testung im Jahr Schüler
2004 wiederholt. Damit verfügte man über ein objektives Maß der Schü-
lerleistung nach einem Lernjahr. Bei dieser Leistungsmessung wurden
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Eingangsmerkmale der Schülerinnen und Schüler (insbesondere die


Leistung im PISA-Test 2003, aber auch andere Merkmale wie der sozio-
ökonomische Status) statistisch kontrolliert, sodass die zweite Leis-
tungsmessung auf den Einfluss des Klassenunterrichts in diesem Jahr
(und nicht auf die anderen Variablen) zurückgeführt werden kann. Lehr-
kräfte, deren Schüler eine hohe Leistung im zweiten Test zeigten, ver-
fügten über höheres fachdidaktisches Wissen als die Lehrkräfte, deren
Schüler niedrigere Leistungszuwächse zeigten. Sie setzten dieses Wis-
sen im Unterricht auch sichtbar ein. Dazu wurde der Unterricht beob-
achtet und die den Schülerinnen und Schülern gestellten Aufgaben aus
fachdidaktischer Perspektive analysiert. Die Lehrkräfte mit höherem Unterstützung
fachdidaktischen Wissen stellten kognitiv anregende Aufgaben und und Struktur
passten ihre Erklärungen individuell dem Wissen und den Verständnis-
schwierigkeiten von Schülern an. Darüber hinaus war die Klassenfüh-
rung in Klassen mit hoher Testleistung besonders effektiv (vgl. Abb. 30).

11.2.5 Lernförderliches Klima


Das „Klima“ in einer Klasse lässt sich mit Elementen wie Angstfrei- Klima als überdauernde
heit, Entspannung, Kooperation, Vertrauen und Wohlbefinden be- Ausprägung von Koope-
ration, Vertrauen und
schreiben. Auch wenn einige Merkmale situativ veränderlich sind (bei- Wohlbefinden
spielsweise mag vor einer wichtigen Prüfung Ängstlichkeit und
Anspannung vorhanden sein, oder gelegentlich gibt es Wettbewerb
statt Kooperation unter den Schülerinnen und Schülern), ist mit dem
Klima – analog zum Wetter – eine „durchschnittliche“ und überdau-
ernde Ausprägung dieser Merkmale gemeint. Ein Klima, in dem sich
Lehrkraft und Schüler grundsätzlich wohlfühlen, wird als günstige Be-
dingung für kognitive Lernprozesse und für die Entwicklung von Lern-
und Leistungsbereitschaft (Motivation) angesehen.

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316 Kapitel 11

Das Klima hängt von vielen Faktoren ab, die sich wechselseitig beein-
flussen. Die oben erwähnte Ordnung von Unterrichtsmerkmalen aus
Expertensicht (vgl. Tab. 13) enthielt beispielsweise in den ersten drei
Kategorien eine Reihe von Merkmalen, die zum Unterrichtsklima bei-
tragen: (1) Sozialorientierung des Unterrichts (z. B. Thematisierung
nicht-fachlicher Ziele, Wertschätzung, Wärme und Zuwendung, Akzep-
tanz), (2) Sozialklima in der Klasse (Kooperationsverhalten, Hilfsbereit-
schaft von Mitschülern) und (3) Einstellungen und Lernhaltungen der
Schüler (z. B. Leistungsbereitschaft, Mitarbeit, Konkurrenz). Direkt und
indirekt hängen wiederum viele (wenn auch nicht alle) Merkmale des
Klimas von den Verhaltensweisen und Äußerungen der Lehrkraft ab.
Aspekte von der Von der Lehrkraft beeinflussbare Aspekte des lernförderlichen Klimas
­Lehrkraft beeinflussbar
sind beispielsweise der Umgang mit Fehlern, angemessene Wartezei-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

ten und Abbau von Angst (Helmke, 2009). Anhand dieser Aspekte wird
präzisiert, was unter einem insgesamt lernförderlichen Klima verstan-
den werden kann und welche Voraussetzungen dafür geschaffen wer-
den müssen.

Umgang mit Fehlern


Funktion im Lernprozess. Fehler können in einem Lernprozess wertvoll
sein: Fehler können ermöglichen zu verstehen, was – im Gegensatz zum
Fehler – korrekterweise der Fall ist und wie dies von fehlerhaftem Ver-
ständnis abzugrenzen ist („negatives Wissen“ bzw. „Abgrenzungswis-
sen“; Oser & Spychiger, 2005). Die Auffassung von Fehlern als „wert-
volle“ Erkenntnisquelle basiert auf einer (gemäßigt) konstruktivistischen
Theorie des Lernens (vgl. Kap. 10), der zufolge Lernen aus dem akti-
ven Aufbau kognitiver Schemata besteht, die im Austauschprozess mit
der Umwelt fortlaufend angepasst (bzw. basierend auf Erfahrung und
Unterschiedliche Rückmeldung korrigiert) werden. Ein kognitiv aktivierender Unter-
­Sichtweisen auf Fehler
richt müsste theoretisch auch ein Fehler produktiv nutzender Unter-
richt sein.
Im Gegensatz dazu sind der behavioristischen Lerntheorie zufolge Feh-
ler Verhaltensweisen, die vermieden bzw. abgestellt werden sollen.
Nach dieser Theorie würde eine Beschäftigung mit den Fehlern die
damit zusammenhängenden Verhaltensweisen salient machen und
ggf. verstärken. Damit würde die Auftretenswahrscheinlichkeit von
Fehlern erhöht. Der entsprechende instruktionale Ansatz (vgl. Kap. 10)
sieht vor, das Lernen in kleine Einheiten zu zerlegen und die Einhei-
ten so aufeinander aufzubauen, dass Lernende praktisch keine Fehler
machen werden. Abweichende Verhaltensweisen (Fehler) werden ig-
noriert, korrekte Verhaltensweisen werden verstärkt.

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Bedingungen guten Unterrichts 317

Fehlervermeidung im Unterricht. In einigen Studien, die die Fehlerkul- Fehlervermeidung im


Mathematikunterricht
tur im Mathematikunterricht mithilfe von Videoanalysen untersuch-
ten, wurde festgestellt, dass überhaupt nur wenige Fehler auftraten
(z. B. Heinze, 2004). Als Kennzeichen deutschen (Mathematik-)Unter-
richts gilt, dass fast ausschließlich positive – fehlerfreie – fachliche Bei-
spiele im Unterricht behandelt werden (also keine „Fehlschläge“ und
deren Ursachen besprochen werden). Zusätzlich zeigt sich, dass feh-
lerhafte oder unerwünschte Schülerbeiträge von den Lehrkräften über-
gangen werden (Meyer, Seidel & Prenzel, 2006). Solche Befunde deu-
ten auf „Fehlervermeidung“ im Unterricht. Sie scheinen zu implizieren,
dass in Bezug auf Fehler Mathematiklehrkräfte einer „behavioristi-
schen“ Lerntheorie folgen.
Einstellung der Lehrkräfte. Befragt man Mathematiklehrkräfte nach Diskrepanz zur Einstel-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

lung der Lehrkräfte


ihren Einstellungen zur Wichtigkeit und Nützlichkeit von Fehlern, so
zeigt sich jedoch eine positive Einstellung. In einer Untersuchung von
Kuntze, Heinze und Reiss (2008) befürworteten die befragten Lehr-
kräfte das Lernen an Fehlern im Mathematikunterricht und lehnten
knappe und fehlerübergehende Reaktionen eher ab. Tendenziell hin-
gen diese Einstellungen auch mit eher konstruktivistischen Lernauf-
fassungen der Lehrkräfte zusammen. Die Autoren betrachten dieses
Ergebnis im Licht der Befunde zur Fehlervermeidung als „überra-
schend“. Das Verhältnis zwischen der Einstellung zu einer Fehlerkul-
tur und dem tatsächlichen Verhalten im Unterricht bedarf möglicher-
weise weiterer Aufklärung.
Zusätzlich könnten kulturelle Wertvorstellungen beim Umgang mit
Schülerfehlern eine Rolle spielen. US-amerikanische Lehrkräfte schei-
nen (etwa im Vergleich mit französischen und japanischen Lehrkräf-
ten) das Besprechen von Schülerfehlern in der Klasse auch deswegen
zu vermeiden, weil sie negative emotionale Situationen und negative
Wirkungen für das Fähigkeitsselbstbild der Schülerinnen und Schüler
vermeiden wollen (z. B. Stevenson & Stigler, 1992).
Unterscheidung zwischen Lern- und Leistungssituationen. Fehler sind in Lernsituationen und
Leistungssituationen
bestimmten Phasen des Unterrichts wertvoll, nämlich dann, wenn es
im Unterricht nicht klar
um das vertiefte, erarbeitende Lernen von neuen Wissensbausteinen getrennt
und neuen Zusammenhängen geht. Soll das Wissen gesichert sein und
angewendet werden und befindet man sich in einer Prüfungssituation,
dann gilt es hingegen Fehler zu vermeiden. In Klassenarbeiten sind
Fehler Rückmeldungen über Misserfolg und werden negativ bewertet.
Im realen Unterricht sind Lern- und Leistungssituationen aus Sicht der
Schülerinnen und Schüler allerdings oft nicht klar voneinander zu tren-
nen. Werden aus Sicht der Schüler Fehler im Unterricht negativ sank-

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318 Kapitel 11

tioniert (z. B. weil sie den Eindruck haben, dass fehlerhafte Beiträge
entsprechend vermerkt werden und in die mündliche Mitarbeitsbe-
wertung negativ eingehen oder weil sie sich bloß gestellt oder ignoriert
fühlen), dann entwickeln sie eine fehlervermeidende Haltung und „ver-
bergen“ fehlerhaftes Wissen vor der Lehrkraft. Eine Vermischung von
Lern- und Leistungssituationen geht mit einem ungünstigen, negati-
ven Lernklima einher (Hascher, 2004; Götz, Zirngibl & Pekrun, 2004).
Wenn sich zudem nur jene Schülerinnen und Schüler am Unterricht
beteiligen, die keine Fehler machen, hat die Lehrkraft höchstwahr-
scheinlich ein unzutreffendes Bild vom Wissensstand der Klasse.

Unterrichtstempo
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Das Tempo, in dem der Unterricht voranschreitet, kann Einfluss auf


das Lernklima haben. Ist das Tempo zu hoch, können eine Reihe von
Schülerinnen und Schülern möglicherweise nicht folgen und empfin-
den unangemessene Anspannung und Angst, Wichtiges schon verpasst
zu haben, langsamer zu sein als andere Schüler und den Stoff nicht zu
Wirkungen von lang­ verstehen. Ist das Tempo zu langsam, wird der Unterricht zäh und für
samem vs. schnellem
­Unterrichtstempo
eine Reihe von Schülern langweilig. Das Unterrichtstempo kann sich
in unterschiedlichen Aspekten niederschlagen. Bei hohem Tempo
bleibt zum Nachdenken wenig Zeit, daher könnten Schülerantworten
knapp und wenig elaboriert ausfallen. Die Lehrkraft kann für Schüler
wichtige Punkte nur oberflächlich anschneiden oder überspringen, das
Sprechtempo ist möglicherweise zu hoch, Erklärungen werden zu
schnell vorgetragen, und bei Arbeitsblättern ist für einige Schüler nicht
genügend Bearbeitungszeit vorgesehen. All das erzeugt Anspannung
und Stress bei jenen, die bei dem Tempo nicht mitkommen. Bei lang-
samem Tempo überwiegen Wiederholungen und lähmende Pausen,
es geht nicht voran.
Wartezeit nach Lehrerfragen. Ein gut zu beobachtender Aspekt des Un-
terrichtstempos sind die Wartezeiten nach Lehrerfragen im Unter-
richtsgespräch. Hier sind zwei Arten von Wartezeiten zu unterschei-
Wartezeit 1 den (Borich, 2010). Die Wartezeit 1 beschreibt die Zeit, die verstreicht,
bis die Lehrkraft nach einer Frage eine Schülerin oder einen Schüler
für die Antwort aufruft. Hier wird empfohlen, für einfache Fragen 3 bis
4 Sekunden und für komplexere Fragen 15 Sekunden zu warten (Gage
& Berliner, 1998). Tatsächlich wird in der Unterrichtspraxis nur rund
eine Sekunde gewartet (Bromme, 1997). Die Wartezeit 2 beschreibt die
Wartezeit 2 Zeit, bis die Lehrkraft mit dem Unterricht fortfährt, nachdem eine
Schülerin oder ein Schüler eine Antwort gegeben hat, die jedoch ver-
besserungsbedürftig gewesen wäre (z. B. bruchstückhafte, zaghafte

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Bedingungen guten Unterrichts 319

Antwort). Eine bewusste Erhöhung beider Zeiten kann auf Dauer po-
sitive Effekte haben, u.a. längere und überlegtere Schülerantworten,
mehr freiwillige Meldungen, weniger unbeantwortete Fragen und auch
mehr Fragen von Schülerinnen und Schülern (Borich, 2013). Eine län-
gere Wartezeit 1 interpretieren Schüler als Hinweis darauf, dass die
Antwort überlegt sein sollte. Eine längere Wartezeit 2 kommuniziert Wirkungen längerer
an die Schüler, dass eigentlich eine bessere (elaboriertere, gramma- Wartezeiten

tisch korrekte, differenziertere) Antwort erwartet wurde und auch, dass


die Lehrkraft glaubt, dass der/die Betreffende dazu fähig ist.

Abbau von Angst


Angst im Kontext schulischen Unterrichts kann Lernprozesse behin-
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dern und in Leistungssituationen den Abruf von Wissen hemmen und


die Konzentration stören. Lehrkräfte können aber dazu beitragen, Leis-
tungsangst zu reduzieren. Ein wichtiger Aspekt ist die Sicherheit und
Vorhersehbarkeit in Bezug auf Leistungssituationen (Prüfungen). Transparente Erwartun-
gen für Prüfungen
Hierzu gehört, dass die Leistungsbewertung fair (objektiv) und trans-
parent ist. Leistungssituationen sollten vorhersehbar sein (in Bezug auf
Inhalt, Form und Zeitpunkt). Damit können Leistungssituationen vor-
bereitet werden. Lehrkräfte, die unangekündigte Tests schreiben (mit
dem Argument, dass man „eben immer damit rechnen muss“), die das
„pädagogische Ermessen“ so weit strapazieren, dass man nicht nach-
vollziehen kann, wie eine Zeugnisnote aus den Einzelleistungen ermit-
telt wurde, deren mündliche Mitarbeitsnoten offenbar durch Würfeln
zustande kommen und die keine vorbereitbare Gelegenheit geben,
schlechte Bewertungen auszugleichen, sorgen nicht für Sicherheit, Vor-
hersehbarkeit und Transparenz, sondern schaffen ein Klima von Angst
(bisweilen ohne es zu bemerken).
Darüber hinaus kann im Unterricht auch über Leistungsangst gespro-
chen werden. Dies sollte mit dem Ziel der Enttabuisierung geschehen,
dabei sollte weder bagatellisiert noch dramatisiert werden. Ein indivi-
duelles Feedback, das nicht an der Note und den Fehlern, sondern an
den bereits gezeigten Fähigkeiten und der individuellen Leistungsent-
wicklung orientiert ist, kann ebenfalls zur Milderung von Leistungs-
ängstlichkeit beitragen. In der Klasse trägt ein kooperatives Klima Kooperatives Klima
(nicht Wettbewerb und Konkurrenz zwischen Schülerinnen und Schü-
lern) zum Abbau von Leistungsangst bei.

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320 Kapitel 11

11.3 Lehrerprofessionalität
Lehrkräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Frage, wie erfolgreich
der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten bei Schülerinnen und
Schülern verläuft (Kunter & Pohlmann, 2009). Dementsprechend groß
ist auch das Forschungsinteresse an der Frage, was „gute“ Lehrkräfte
ausmacht und was erfolgreiche Lehrkräfte von weniger erfolgreichen
unterscheidet. Die diesbezügliche Forschung wird heute unter dem
Lehrerprofessionalität Titel „Lehrerprofessionalität“ subsummiert und ist keineswegs nur Ge-
genstand der Pädagogischen Psychologie, sondern stellt ein Feld inter-
disziplinärer Bildungsforschung dar, in dem sich verschiedene Wissen-
schaftsdisziplinen, wie die Pädagogik und die Psychologie, aber auch
die Soziologe und die Fachdidaktiken finden (Tillmann, 2014). Ent-
sprechend heterogen sind daher auch die theoretischen und empirisch-
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methodischen Zugänge, die in diesem Forschungsfeld existieren. Bau-


mert und Kunter (2006) fassen daher zusammen:
Die Diskussion über die professionellen Handlungskompetenzen von Lehr-
kräften – ihre Dimensionen, Struktur und Genese – verläuft in Deutschland
in sehr unterschiedlichen, sich praktisch nicht berührenden Bahnen. Ent-
sprechend divergent sind die Ergebnisse, aber auch die Folgerungen, die
daraus für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften gezogen werden.
(S. 469)

Der Bedarf an professionswissenschaftlicher Forschung im Bereich der


Lehrerbildung ist umso größer, da der praktische Bedarf an evidenz-
gestützter Lehrerbildung schon seit den 1980er Jahren intensiv disku-
tiert wird (z. B. Shulman, 1986; Bromme, 1992). Ausgangspunkt der
Überlegungen ist dabei eine Diskussion um die Rolle bzw. die Aufga-
ben der Lehrenden aus einer normativen Perspektive. Dabei ist ein zu-
nehmender Wandel des Lehrerbildes vom Erziehenden zum Lernpro-
zessbegleitenden festzustellen, eine Sichtweise, die sich spätestens mit
der bildungspolitischen Diskussion nach PISA 2000 und deren Folgen
in der Lehrerbildung weitgehend durchgesetzt hat:
Der Abschied von generalisierten Erziehungserwartungen erlaubt es, die
didaktische Vorbereitung und Inszenierung von Unterricht als zentrale An-
forderung für den Lehrerberuf und das professionelle Kompetenzprofil von
Lehrkräften zu identifizieren. (Baumert & Kunter, 2006, S. 473)

Im Kontext der bildungswissenschaftlichen Forschung zur Lehrerbil-


dung zeichnen sich psychologische Ansätze durch zwei grundlegende
Merkmale aus: ihre methodische Orientierung an quantitativen Ver-
fahren und ihren Bezug zu psychologischen Basistheorien (Tillmann,
2014; Baumert & Kunter, 2006). Hierbei lassen sich zwei komplemen-

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Bedingungen guten Unterrichts 321

täre Forschungsansätze unterscheiden: persönlichkeitspsychologische


Ansätze und Expertiseansätze.

11.3.1 Lehrerpersönlichkeit
Forschung zur Lehrerpersönlichkeit (für eine Zusammenfassung siehe
Mayr, 2014) basiert dabei in der Regel auf dem Fünf-Faktoren-Modell Big-Five-Modell
der Persönlichkeit (auch Big-Five-Modell) als Standardmodell der Per-
sönlichkeitsforschung (vgl. Neyer & Asendorpf, 2018; Rammsayer &
Weber, 2016). Dieses Modell beschreibt die Persönlichkeit eines Men-
schen anhand der Ausprägungen auf fünf Eigenschaftsdimensionen:
Extraversion, Neurotizismus, Offenheit für Erfahrungen, Verträglich-
keit und Gewissenhaftigkeit. Positive Zusammenhänge zum Lehrer-
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beruf werden dabei in der Regel für Gewissenhaftigkeit und Offenheit


gefunden, negative für Neurotizismus. Insgesamt zeigt sich in der For-
schung jedoch ein recht heterogenes Befundmuster. Zu beachten ist
hierbei allerdings, dass in den diesbezüglichen Studien der Zusam­
menhang von Persönlichkeitseigenschaften zu verschiedenen, oft
­heterogenen Kriterien untersucht wird, zu kognitiven (Studienerfolg,
Praxisleistungen) ebenso wie motivationalen und affektiven (Belas-
tungserleben, Zufriedenheit). Ein in diesem Zusammenhang ebenfalls
häufig genannter Kritikpunkt ist, dass viele Studien sowohl Prädikto-
ren als auch Kriterien über Selbsteinschätzungen erfassen. Trotzdem
werden auch in der modernen Bildungsforschung zur Lehrerprofessi-
onalität Persönlichkeitsmerkmale als Prädiktoren in der Regel mitbe-
rücksichtigt. Eine Übersicht zu den diesbezüglichen Forschungsergeb-
nissen findet sich bei Mayr (2014).
Ein häufig untersuchtes Persönlichkeitsmerkmal stellt das (Berufs-)In- Berufswahlinteresse
teresse dar. Diesbezügliche Forschung geht davon aus, dass sich Men-
schen hinsichtlich ihrer motivationalen Präferenz für verschiedene
Arten beruflicher Tätigkeiten stabil unterscheiden. Als theoretisches
Rahmenmodell zur Beschreibung von Interessenprofilen wird dabei in
der Regel das RIASEC-Modell von Holland (1997; Bergmann & Eder,
2005) verwendet, das die berufliche Orientierung in einem sechsdi-
mensionalen Hexagonmodell beschreibt (vgl. Abb. 31). Dabei lassen
sich berufliche Orientierungen auf den Dimensionen Realistic, Inves-
tigative, Artistic, Social, Enterprising und Conventional beschreiben,
wobei jede Person eine individuelle Merkmalsausprägung auf jeder Di-
mension besitzt. Die Merkmale selbst sind wiederum nicht unabhän-
gig, sondern stehen in einem Ordnungsverhältnis zueinander, das sich
in dem Hexagonalmodell widerspiegelt: benachbarte Dimensionen
sind einander verwandter (d. h. Personen haben in der Regel ähnlich

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322 Kapitel 11

Realistic Investigative

Conventional Artistic

Enterprising Social

Abbildung 31: RIASEC-Modell (nach Holland, 1997)


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hohe Ausprägungen auf verwandten Dimensionen), einander gegen-


überliegende Dimensionen sind antagonistisch.
Fragebogen zu Das Modell ist empirisch gut validiert und lässt sich mithilfe eines Fra-
­Berufsinteressen
gebogeninstruments erfassen (deutsch: AIST-R von Bergmann & Eder,
2005). Das individuelle Interessenprofil wird dabei auf allen sechs Di-
mensionen erfasst, wobei die drei am höchsten ausgeprägten Dimen-
sionen in einem Personencode (z. B. SIC oder IAS) beschrieben wer-
den. Ebenso lassen sich die diesbezüglichen Anforderungen einer
bestimmen beruflichen Tätigkeitskategorie (z. B. Handwerker, Unter-
nehmer, Verwaltungsberufe oder eben auch Lehrer) beschreiben.
Hierzu werden verschiedene Methoden verwendet (Rolfs & Schuler,
2002; Kaub, Stoll, Biermann, Spinath & Brünken, 2014). Im Anschluss
daran lassen sich nun Übereinstimmungskoeffizienten zwischen Inte-
ressen und Umweltanforderungen bilden (Person-Environment-Fit), die
wiederum mit Leistungs- und Belastungsindikatoren in Zusammen-
hang stehen (Kaub et al., 2016). Dabei zeigen sich auch Unterschiede
im Interessenprofil zwischen verschiedenen Lehramtsstudiengängen
und verschiedenen Fächern (Kaub et al., 2012).
Neben diesen allgemeinen, aus der beruflichen Eignungsdiagnostik
stammenden Ansätzen, gibt es auch lehramtsspezifische Ansätze, die
sich mit den Motiven zur Wahl des Lehrerberufs befassen. Hierzu
haben Pohlmann und Möller (2010) mit dem FEMOLA (Fragebogen zur
Berufswahlmotivation Erfassung der Motivation für die Wahl des Lehramtsstudiums) einen
­Fragebogen entwickelt, der häufig eingesetzt wird. Dieser erfasst die
Studienwahlmotivation auf sechs Dimensionen (pädagogisches und
fachliches Interesse, Fähigkeitsüberzeugungen, Nützlichkeitsaspekte,
soziale Einflüsse und Schwierigkeit des Studiums).

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Bedingungen guten Unterrichts 323

Weitere Persönlichkeitsfaktoren, die im Rahmen der persönlichkeitsori-


entierten Lehrerbildungsforschung untersucht werden, sind darüber
­hinaus Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sensu Bandura (Tschannen-­
Moran & Hoy, 2001), zu denen ebenfalls spezifische Erfassungs­
instrumente vorliegen (z. B. Skala zur Lehrer-Selbstwirksamkeit; Schwar-
zer & Schmitz, 1999) sowie Zielorientierungen (Nitsche et al., 2017).
Große Beachtung gefunden haben Arbeiten von Schaarschmidt und
Kollegen zur emotionalen Belastung von Lehrerinnen und Lehrern
(Schaarschmidt, 2004; Schaarschmidt & Fischer, 2013; Schaarschmidt
& Kieschke, 2007). Gegenstand dieser „Potsdamer Lehrerstudie“ war Potsdamer Lehrerstudie
die Untersuchung des Zusammenhangs von Belastungserleben und
Lehrergesundheit. Dazu haben Schaarschmidt und Kollegen zunächst
ein fragebogenbasiertes Diagnoseinstrument (AVEM: Arbeitsbezoge-
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nes Verhaltens- und Erlebensmuster; Schaarschmidt & Fischer, 2008)


entwickelt, welches (nicht nur auf den Lehrerberuf bezogen) das ar-
beitsbezogene Verhalten und Erleben auf insgesamt 11 Dimensionen
erfasst. Diese lassen sich zu drei inhaltlichen Bereichen zusammen-
fassen:
• Arbeitsengagement (subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit, beruflicher
Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben und Dis-
tanzierungsfähigkeit),
• Widerstandskraft (Resignationstendenz bei Misserfolg, offensive
Problembewältigung, innere Ruhe und Ausgeglichenheit) und
• Emotionen (Erfolgserleben im Beruf, Lebenszufriedenheit und Erle-
ben sozialer Unterstützung).
Mittels Faktorenanalyse konnte die Forschergruppe vier stabile Profil-
muster identifizieren, die sich hinsichtlich des Umgangs mit berufli-
chen Anforderungen unterscheiden, und denen Personen jeweils mit
einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden können (vgl.
Tab. 14).
Interessant ist nun, dass sich die verschiedenen Muster einerseits hin-
sichtlich ihrer Prävalenz für das Auftreten berufsbezogener Beschwer-
den und Erkrankungen unterscheiden, sich andererseits aber auch
­verschiedene Berufsgruppen hinsichtlich der Verteilung der Belas-
tungstypen unterscheiden. Hierbei zeigt die Berufsgruppe der Lehre-
rinnen und Lehrer auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mit
hohem sozialem Engagement (Polizisten, Justizvollzugsbeamte) einen
erhöhten Anteil von Personen mit Risikomustern. Dies lässt sich be-
reits für Lehramtsstudierende nachweisen (Kaub, Stoll, Biermann, Spi-
nath & Brünken, 2014; Künsting, Billich-Knapp & Lipowsky, 2012; Kün-
sting & Lipowsky, 2011).

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324 Kapitel 11

Insgesamt zeigen die Arbeiten im Rahmen des persönlichkeitsorien-


tierten Ansatzes in der Lehrerbildungsforschung stabile Zusammen-
Persönlichkeitseigen- hänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften, motivationalen Orien-
schaften, Motivation
tierungen und Bewältigungsmustern einerseits, sowie Faktoren des
und Belastungserleben
Berufserfolgs und der psychischen und körperlichen Belastung ande-
rerseits. Aus der Perspektive der Kompetenzentwicklung (etwa im Rah-
men der universitären Lehrerbildung) ist die Bedeutung von Persön-
lichkeitsfaktoren jedoch nicht ganz unproblematisch. Aufgrund ihrer
relativen Stabilität eignen sie sich zwar für Fragen der Auswahl und Be-
ratung etwa von Studieninteressenten, jedoch weniger für Interven-
tions- und Trainingsaspekte. Allerdings muss hier einschränkend hin-
zugefügt werden, dass die Effekte zwar stabil sind, jedoch nur einen
begrenzten Teil der Varianz aufklären können: Mit anderen Worten,
neben den stabilen Persönlichkeitsfaktoren gibt es weitere relevante
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Variablen, die die Entwicklung von Lehrerkompetenzen beeinflussen.


Hier setzt der zweite Strang psychologischer Forschung zu Lehrerkom-
petenzen an: die Expertiseforschung.

Tabelle 14: Belastungstypen (nach Schaarschmidt, 2004, S. 29)

Muster G hohes berufliches Engagement, ausgeprägte


­Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen,
positives Lebensgefühl („Gesundheitsideal“)

Muster S ausgeprägte Schonungstendenz gegenüber


­beruflichen Anforderungen

Risikomuster A überhöhtes Engagement (Selbstüberforderung),


das keine gleichermaßen hohe Entsprechung im
Lebensgefühl findet; verminderte Widerstands­
fähigkeit gegenüber Belastungen

Risikomuster B reduziertes Arbeitsengagement, das mit vermin-


derter Belastbarkeit und negativem Lebensgefühl
einhergeht

11.3.2 Expertise
Die Entstehung von Expertise gehört zu den klassischen Forschungs-
fragen der (Pädagogischen) Psychologie (vgl. Kap. 5). Allerdings be-
zieht sich die traditionelle Expertiseforschung auf Bereiche besonde-
rer Hochleistung (z. B. im Sport, beim Schachspielen, beim Musizieren).
Hierbei zeigte sich, dass besondere Hochleistungen nicht allein durch
überragende allgemeine Intelligenz oder herausragende Begabung,

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Bedingungen guten Unterrichts 325

sondern vielmehr durch besonders elaboriertes bereichsspezifisches


Wissen gekennzeichnet sind (für eine Übersicht siehe Gruber, 1994).
Dies lässt sich empirisch gut beim Vergleich zwischen erfahrenen und
unerfahrenen Lernenden untersuchen (Experten-Novizen-Paradigma).
Mit den Untersuchungen zur Erlernbarkeit von Expertise insbesondere
durch die Gruppe um Ericsson (z. B. Ericsson & Smith, 1991) wurde die
Expertiseforschung auch interessant für die Frage der Entwicklung
professioneller Kompetenzen. Der Begriff „Experte“ wird dabei nicht Der Lehrer als Experte
mehr zur Bezeichnung absoluter Höchstleister, sondern „als Bezeich-
nung für Personen gebraucht, die berufliche Aufgaben zu bewältigen
haben, für die man eine lange Ausbildung und praktische Erfahrung
benötigt, und die diese Aufgaben erfolgreich lösen“ (Bromme, 1992,
S. 7f.). Im Bereich der Lehrerbildungsforschung gelten hier insbeson-
dere die Arbeiten von Shulman (1986), Berliner (1994, 2001) und (im
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deutschsprachigen Raum) von Bromme (1992) als wegweisend.


Insgesamt hat sich die Lehrerexpertiseforschung vor allem mit dem
Unterschied zwischen Experten- und Novizen-Lehrenden in Bezug auf
ihre Wissensstrukturen und Handlungsmuster sowie mit der Konzep-
tualisierung des Entwicklungsverlaufs vom Novizen zum Experten be-
fasst. König (2010) fasst die Entwicklung vom Novizen zum Experten
dabei wie folgt zusammen:
• zunehmende Vernetzung des Wissens mit vielfachen relationalen
Verknüpfungen,
• Veränderung der kategorialen Wahrnehmung von Unterrichtssitu-
ationen und eine zunehmende Interpretation dieser Situationen in
Hinblick auf mögliche Handlungen, die Ausdruck einer zunehmen-
den kognitiven Integration der einzelnen Dimensionen professio-
nellen Wissens sind sowie
• zunehmende Automatisierung von Basisprozeduren, Steigerung der
Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Ausübung zentraler beruf-
licher Tätigkeiten (König, 2010, S. 55).
Die Entwicklung vom Novizen zum Experten wird dabei häufig als Stu-
fenmodell beschrieben. Oftmals findet dabei das Expertisemodell von
Dreyfus und Dreyfus (1987) Anwendung, das Berliner (1994) auf den
Kontext der Lehrerexpertise adaptiert hat und das fünf Stufen umfasst
(vgl. Abb. 32).
Die Ergebnisse der Expertiseforschung sind vor allem aus zwei Grün-
den heute noch aktuell: Zum einen zeigen sie, dass professionelle Ex-
pertise von Lehrkräften erlernbar ist. Sie bilden damit einen Rahmen
für die Frage einer evidenzbasierten Lehrerbildung, wie sie auch den
KMK-Standards zugrunde liegt. Zum anderen hat sich die Expertise-
forschung mit der Frage der Struktur des Expertenwissens von Lehr-

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326 Kapitel 11

Experten

Professionals

Fachkräfte

Fortgeschrittene

Novizen

Abbildung 32: Stufenmodell der Expertiseentwicklung (nach Dreyfus & Dreyfus,


1987)
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kräften auseinandergesetzt und damit eine konzeptionelle Basis für


die Entwicklung von Lehrstoffen und Curricula in der Lehrerbildung
gelegt. Standardsetzend waren hierbei vor allem die Arbeiten von Lee
Shulman (1986), dessen Klassifikation von Typen professionellen Leh-
rerwissens sich weitgehend durchgesetzt hat und auf den heute in prak-
tisch allen diesbezüglichen Arbeiten Bezug genommen wird (Baumert
& Kunter, 2006; Blömeke, Kaiser & Lehmann, 2010; König, 2010).
Professionswissen Shulman (1986) unterscheidet dabei das Professionswissen in sieben
von Lehrkräften
Kategorien:
• Fachwissen,
• (allgemeines) pädagogisches Wissen,
• fachdidaktisches Wissen (im Englischen als „pedagogical content
knowledge“ bezeichnet),
• Curriculumswissen,
• Wissen über Lerner und ihre Eigenschaften,
• Wissen über Erziehungskontexte,
• Wissen über Erziehungsziele und ihre philosophischen und histori-
schen Ursprünge.
Insbesondere die ersten drei der von Shulman vorgeschlagenen Wis-
sensarten sind heute praktisch unbestritten, wobei man heute eher von
pädagogisch-psychologischem oder bildungswissenschaftlichem Wis-
sen statt von pädagogischem Wissen redet.

11.3.3 Ein Strukturmodell von Lehrerkompetenzen


Ein integratives Lehrerkompetenzmodell, das Aspekte sowohl des Ex-
pertise- als auch des Persönlichkeitsansatzes miteinander verschränkt
und das sich insbesondere in der deutschen Diskussion großer Verbrei-

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Bedingungen guten Unterrichts 327

tung erfreut, stellt das von Baumert und Kunter im Rahmen der
­COACTIV-Studie vorgeschlagene Kompetenzmodell (Baumert & Kun- COACTIV-Modell
ter, 2006, 2011) dar (vgl. Abb. 33).
Neben dem expertisebezogenen Professionswissen stellen dabei mo-
tivationale Orientierungen, Überzeugungen und Werthaltungen sowie
Selbstregulationsfähigkeiten zentrale Aspekte professioneller Kompe-
tenzen von Lehrkräften dar. Das Professionswissen selbst ist wiede-
rum in Anlehnung an Shulman (1986) in fünf Facetten unterteilt, wobei
die Autoren die drei zentralen Kategorien von Shulman (Fachwissen,
fachdidaktisches Wissen und pädagogisch-psychologisches Wissen)
um die Facetten Organisationswissen und Beratungswissen ergänzen.
Insbesondere die Facetten des fachdidaktischen und pädagogisch-psy-
chologischen Wissens werden dabei noch weiter ausdifferenziert. Das
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Modell hat zahlreiche Forschungsarbeiten, nicht nur innerhalb der For-


schungsgruppe um Baumert, inspiriert und kann heute als eine Art
Standardmodell angesehen werden. Zu beachten ist dabei, dass das
Modell keine empirisch überprüfte Theorie darstellt, sondern eine heu-
ristische Synthese konzeptioneller, theoretischer und empirischer
Überlegungen und Befunde.
Eine zentrale Frage, die sich mit der Entwicklung solcher komplexen
Modelle von Lehrerkompetenzen stellt, ist die der empirischen Er­
fassung der einzelnen Elemente dieser Theorie (vgl. Kap. 2). Die bil-
dungswissenschaftliche Forschung der letzten Jahre hat sich dabei
­insbesondere mit der Frage der Messung der fachlichen sowie der pä-

Motivationale
Orientierungen

Überzeugungen/
Aspekte professioneller Werthaltungen/ Selbstregulation
Kompetenz Ziele

Professionswissen

Fach- Pädagogisch-
Fach- Organisations- psycholo- Beratungs-
Kompetenz- didaktisches
wissen wissen wissen
bereiche Wissen gisches
Wissen

Tiefes Wissen über Wissen Wissen über


Kompetenz- Erklärungs- das mathe- über Wissen um
Verständnis Wissen über effektive
facetten wissen matische mathe- Leistungs-
der Schul- Lernprozesse Klassen-
Denken von matische beurteilung
mathematik Aufgaben führung
Schülern

Abbildung 33: Modell der Lehrerkompetenz (nach Baumert & Kunter, 2011, S. 32)

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328 Kapitel 11

dagogisch-psychologischen bzw. bildungswissenschaftlichen Kompe-


tenzen befasst. Dies ist insofern von besonderem Interesse, da im
­R ahmen der zweiphasigen Lehramtsausbildung (Studium plus Refe-
rendariat) die Vermittlung professionsbezogener Wissenskomponen-
ten zu den Kernaufgaben des universitären Ausbildungsteils gehört
und die Messung diesbezüglicher Kompetenzentwicklung auch in Hin-
blick auf die Wirksamkeit der Lehrerbildung von großer Bedeutung
ist.

Zusammenfassung
Unterricht ist ein komplexer, interaktiver Prozess, der aus verschie-
denen Blickwinkeln betrachtet werden kann (z. B. Interaktionsana-
lyse, Qualitätsmerkmale, Fachdidaktik). In unterschiedlichen Be-
schreibungen von Unterricht, die theoriegeleitet und empirisch
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untermauert werden können, finden sich einige Qualitätsmerkmale


immer wieder. Dazu gehören (1) eine gute Strukturierung, (2) die
kognitive Anregung der Schülerinnen und Schüler und (3) eine ad-
aptive, z. T. auch individuelle Unterstützung in einem guten Lern-
klima. Zur Strukturierung gehört nicht nur der „rote Faden“ bzw.
die innere Logik der Unterrichtsgegenstände, sondern auch eine ef-
fektive Klassenführung. Zur adaptiven Unterstützung gehören ver-
schiedene Merkmale eines lernförderlichen Klimas wie die Fehler-
kultur, die Trennung zwischen Lern- und Leistungssituationen und
die Vermeidung von Angst. Zur kognitiven Anregung gehört die be-
wusste fachdidaktische Auswahl von Aufgaben mit Blick auf ihren
Anregungsgehalt und mit Blick auf die antizipierten Schwierigkei-
ten, die Schülerinnen und Schüler beim Verständnis haben können.
Die COACTIV-Studie weist darauf hin, dass die Unterrichtsmerk-
male letztlich auf Kompetenzen von Lehrkräften zurückführbar sind.
Hinter kognitiver Aktivierung steht hohes fachdidaktisches Wissen.
Hinter gelingender Klassenführung stehen vielfältige präventive
Maßnahmen und eine dafür Verantwortung übernehmende Einstel-
lung der Lehrkraft.
Mehrere Ansätze weisen deutlich auf die Form eines Kreislaufs hin.
Das Angebots-Nutzungs-Modell sieht eine Rückkopplung vor, bei der
die erzielten Wirkungen und Lerneffekte auf die Schülervorausset-
zungen, aber auch auf den Unterricht und die Kompetenzentwick-
lung der Lehrkraft einwirken. Die Hattie-Studie zeigt auf, dass die
Qualität dieser Rückkopplung unterschiedlich ausfallen kann. Wenn
es offene, transparente Rückkopplungsmechanismen gibt und In-
terventionen evaluiert und reflektiert werden („Lernen sichtbar ma-
chen“), steigt der Lernerfolg.

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Lehrkräfte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer professionellen Kom-


petenzen. Dabei spielen Persönlichkeitsfaktoren und Expertisegrad
ebenso eine Rolle wie motivationale Faktoren und der Umgang mit
Belastungen. Eine möglichst angemessene Passung zwischen Per-
son und Umwelt ist für eine erfolgreiche Berufsausübung dabei
ebenso bedeutend wie die systematische Vermittlung professionel-
ler Kompetenzen. Neben fachlichem und fachdidaktischem Wissen
kommen dabei bildungswissenschaftlichen und pädagogisch-psy-
chologischen Kompetenzen besondere Bedeutung zu.
Die Kompetenzentwicklung von Lehrkräften, insbesondere hinsicht-
lich ihrer professionellen, also überfachlichen Kompetenzen stellt
ein virulentes Forschungsfeld bildungswissenschaftlicher Forschung
dar, an dem die Pädagogische Psychologie maßgeblich beteiligt ist.
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Im Anschluss an eine Phase der Entwicklung komplexer theoreti-


scher Modelle, die Persönlichkeitsfaktoren ebenso wie Expertise-
entwicklung in den Blick genommen haben, befasst sich die For-
schung zurzeit vor allem mit der Entwicklung valider und reliabler
Instrumente zur Erfassung professioneller Kompetenzen, insbeson-
dere zur Erfassung des Professionswissens (König & Blömeke, 2009;
Kunter et al., 2017).
Trotz der in den letzten Jahren zu beobachtenden deutlichen Fort-
schritte in der empirischen Lehrerbildungsforschung bleibt eine
Reihe an Forschungsfragen zu bearbeiten: So findet sich derzeit noch
eine starke Fokussierung auf kognitive Komponenten des Kompe-
tenzerwerbs, die Integration motivationaler und affektiver Faktoren
steht empirisch wie theoretisch noch am Anfang. Ebenso stellt das
Zusammenspiel von individuellen Voraussetzungen und Instrukti-
onsmethoden im Sinne von Aptitude-Treatment-Interactions noch ein
weitgehend unbearbeitetes Feld dar, das jedoch für Auswahl und
Beratung von am Lehrerberuf interessierten Kandidatinnen und
Kandidaten wichtig wäre.

Weiterführende
Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenzen von Literatur
­
Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), 469 – 520.
Hattie, J. (2015). Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe
von „Visible Learning“ (3. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Ho-
hengehren.
Helmke, A. (2012). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Eval-
uation und Verbesserung des Unterrichts (4. Aufl.). Seelze-Velber: Klett-Kall-
mayer.

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Aus B. Brünken, S. Münzer und B. Spinath: Pädagogische Psychologie – Lernen und Lehren (9783840922145) © 2019 Hogrefe Verlag, Göttingen.
330 Kapitel 11

Fragen
1. Wie beurteilen Sie die Beobachtung des Unterrichts aus Sicht
des Interaktionsanalysesystems von Flanders? Welche Vor- und
Nachteile hat dieses System?
2. Welche Bedeutung hat in den Metaanalysen von Hattie die Ef-
fektstärke d = 0.40? Wie ist Hattie darauf gekommen?
3. Bitte beschreiben Sie die Hauptergebnisse der COACTIV-Stu-
die. Wie wurde vorgegangen, um das fachliche und das fachdi-
daktische Wissen der Lehrkräfte zu ermitteln?
4. Welche Faktoren und Maßnahmen tragen dazu bei, eine effek-
tive Klassenführung zu erreichen?
5. Welche Faktoren können Lehrkräfte auf welche Weise beein-
flussen, um das Unterrichtsklima lernförderlicher zu machen?
6. Welche Facetten professioneller Kompetenzen von Lehrkräften
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unterscheiden Baumert und Kunter (2006) in Anlehnung an


Shulman (1986)?
7. Welche Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsfaktoren im
Sinne der Big Five und Lehrerkompetenzen finden sich in der
Forschung?
8. Welche Belastungstypen unterscheidet das AVEM und welche
sind dabei besonders risikobehaftet hinsichtlich des Umgangs
mit Belastungsanforderungen im Lehrerberuf?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Kapitel 12
Kognitives Training
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Inhaltsübersicht
12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
12.2 Konsistente und inkonsistente Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
12.3 Effektstärke und Wirkungsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
12.4 Validität eines kognitiven Trainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
12.4.1 Konvergente Validität, Bereichsspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
12.4.2 Nicht intendierte Trainingswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
12.4.3 Drei-Gruppen-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
12.4.4 Konstruktvalidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
12.5 Trainingsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
12.6 Unterschiede der Wirkung von Trainings zwischen Personen . . . . . . . . . 341
12.6.1 Wirkungen auf die Leistungsvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
12.6.2 Positive Status-Gewinn-Korrelation: Der „Matthäus-Effekt“ . . . . . . . . . 342
12.7 Beispiel 1: Training induktiven Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
12.7.1 Definition und Trainingskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
12.7.2 Metaanalyse zur Abschätzung des durchschnittlichen Effekts
des induktiven Denktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
12.8 Beispiel 2: Förderung räumlicher Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
12.8.1 Definition und Trainingskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
12.8.2 Metaanalyse zur Abschätzung des durchschnittlichen Effekts von
Trainings räumlicher Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

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332 Kapitel 12

12.1 Einführung
Lassen sich intellektuelle Fähigkeiten und kognitive Funktionen – bei-
spielsweise schlussfolgerndes Denken, räumliche Fähigkeiten – durch
Training gezielt verbessern? Bei einem kognitiven Training werden
Prozedurales Wissen prozedurale Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt und durch wieder-
holte Ausübung trainiert. Diese Fähigkeiten können komplex sein. Bei-
spielsweise können Lese- oder Denkstrategien trainiert werden, die
dazu dienen, prinzipiell unendlich viele neuartige Aufgaben bearbei-
ten zu können. Die trainierten Fertigkeiten können aber auch ver-
Komplexität gleichsweise einfach und spezifisch sein. Sie können dazu dienen, die
Leistung in nur einer Art von Aufgabe (beispielsweise in einer bestimm-
ten Art von Konzentrationstest oder in einer psychomotorischen Fä-
higkeit wie dem schnellen Schreiben auf einer Tastatur) zu verbessern.
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Abhängig von der Komplexität der trainierten Fähigkeit und von der
angezielten Wirkungsbreite des Trainings stellt sich die Frage, inwie-
Transfer weit Transfer auf andere Aufgaben erwartet werden kann. Man könnte
beispielsweise hoffen, dass ein Training räumlicher Fähigkeiten nicht
nur Leistungen in Aufgabentypen verbessert, die den trainierten Auf-
gaben ähneln, sondern dass es auf angewandte Probleme transferiert,
von denen man weiß, dass räumliche Fähigkeiten darin eine Rolle spie-
len (z. B. geometrische Probleme in der Mathematik, technisches Ver-
ständnis). Oftmals gelingt dies nicht. So stellte der Bericht des U.S. Na-
tional Research Council (NRC) aus dem Jahr 2006, „Learning to Think
Spatially“, fest, dass es mit der Generalisierbarkeit von Trainings räum-
licher Fähigkeiten auf Lernerfolge in naturwissenschaftlichen, techni-
schen und mathematischen Domänen nicht weit her sei und dass man
nach Wegen suchen müsse, Trainingsprogramme für räumliche Fähig-
keiten so zu gestalten, dass tatsächlich ein Transfer auf Lernleistun-
gen in fachlichen Domänen nachweisbar sei.
Spezifität Um Transfer wahrscheinlich zu machen, darf ein Training weder zu
spezifisch noch zu generell gestaltet sein. Damit dies gelingt, bedarf es
einiger theoretischer und methodischer Vorüberlegungen, beispiels-
weise bezüglich der zu trainierenden kognitiven Prozesskomponenten
und dazu, wie die Wirkung und der Transfer des Trainings nachgewie-
sen werden sollen.
In diesem Kapitel wird zunächst allgemein dargestellt, welche Ansätze
es gibt, um kognitive Trainings zu erstellen und zu prüfen. Dann wer-
den beispielhaft zwei kognitive Trainingsbereiche etwas genauer an-
gesprochen, die aus unterschiedlichen Kontexten stammen und unter-
schiedliche Trainingsansätze verfolgen: Training des induktiven
Denkens und Training räumlicher Fähigkeiten.

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Kognitives Training 333

Ein frühes Beispiel für kognitives Training


Ein häufig in Intelligenztests verwendeter Aufgabentyp besteht aus Zah-
lenreihen. Eine Lösungszahl soll die Reihe richtig fortführen, wobei die
Gesetzmäßigkeit zu entdecken ist, mit der die Zahlenreihe gebildet
wurde. In einem 60-seitigen Beitrag für die „Zeitschrift für Psychologie“
berichtete Otto Selz bereits 1935 über „Versuche zur Hebung des Intel-
ligenzniveaus“ (Selz, 1935). Die Versuche wurden von Georg Sand, Anna Training zur
Körber und Jakob Andrae u. a. mit Förderschülerinnen und -schülern der ­Intelligenzsteigerung
vierten Klassenstufe in einer Schule in Ludwigshafen durchgeführt. In
einer der Studien wurde das Intelligenzniveau mit einem Zahlenreihen-
test gemessen (Vortest). Dann gab es eine Phase, in der durch Arbeit mit
der Klasse Gesetzmäßigkeiten in Zahlenreihen gefunden und benannt
wurden und die auftretenden Fehler analysiert wurden. Im Nachtest mit
Zahlenreihen nach gleichen, aber auch komplizierteren Konstruktions-
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verfahren fand man eine erstaunliche „Hebung des Intelligenzniveaus“.


Otto Selz folgerte aus diesem Ergebnis:
Intelligenz ist kein aus dem unbewußten personalen Untergrunde des Men-
schen entspringendes geheimnisvolles Vermögen, Denkakte an richtiger Stelle
und in geeigneter Weise einzusetzen, keine unanalysierbare Fähigkeit oder
„Potenz“. Wir können sie vielmehr definieren als ein System von spezifischen
psychischen Verhaltungsweisen mit der Funktion, Einsichten, d. h. das Be-
wusstsein von Sachzusammenhängen, zu gewinnen und handeln als Mittel
zu verwerten. (Selz, 1935, S. 236)

Aufgaben, mit denen Intelligenz gemessen wird, haben eine sachlogi-


sche Struktur und können mit materialspezifischen (hier: numerischen)
Verarbeitungsschritten gelöst werden. Die Leistung in solchen Aufga-
ben ist durch ein darauf ausgerichtetes kognitives Training stark ver-
besserbar.

Einen weiteren Aufgabentyp stellen Lückentexte dar. Bei diesem Aufga-


bentyp sind in einem fortlaufenden Text einzelne Wörter ausgelassen,
die ergänzt werden müssen. Ein Lösungswort muss semantisch zum
Sinn der ganzen Geschichte passen, es muss ggf. zwei Satzteile koordi- Strategien
nieren und es muss die anderen Satzglieder grammatisch richtig ergän-
zen (z. B. hinsichtlich der Genus-Übereinstimmung). In der von Selz
(1935) im gleichen Artikel beschriebenen Studie verwendete man ein
Design mit Treatment- und Kontrollgruppe. Die Fehler der Kinder, die Fehleranalyse
falsche Worte einfügten, wurden detailliert beschrieben. Beispielsweise
wurden von den Kindern Lösungswörter vorgeschlagen, die zum voran-
gegangenen Wort passten, aber andere Bedingungen (z. B. Passung zum
Sinnzusammenhang, grammatische Passung zu anderen Satzgliedern)
nicht erfüllten. Gleichzeitig wurde das methodische Vorgehen der Kin-
der beobachtet, die selten Fehler machten. Dabei stellte man fest, dass
diese Kinder metakognitive Strategien anwendeten (z. B. Nutzen der
Überschrift, zunächst Lesen des ganzen Textes mit den Lücken zum

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334 Kapitel 12

Erfassen des Sinnzusammenhangs, mehrfaches Kontrollieren nach dem


Einsetzen der Wörter). Durch die Instruktion wurden die Kinder auf häu-
fig auftretende Fehler hingewiesen. Sie wurden darauf aufmerksam ge-
macht, welche Aufgabenmerkmale und Beziehungen zwischen den Ele-
menten zu beachten waren. Ferner wurden metakognitive Strategien
vermittelt. Auch hier konnte im Nachtest bei der trainierten Gruppe eine
erhebliche Steigerung des „Intelligenzniveaus“ beobachtet werden.
Aufgabenspezifisches Diese Trainingsversuche zeigen eindeutig, dass sich die Leistung in für
Training Intelligenztests typischen Aufgaben erhöhen lässt. Die Leistungsver-
besserung wurde einerseits durch ein vertieftes, spezifisches Aufga-
benverständnis erreicht und andererseits durch metakognitive Strate-
gien. Ob die erworbenen Fähigkeiten auch auf andere Aufgaben mit
anderen Materialien transferieren, wurde hier allerdings nicht geprüft.
Somit blieb nach diesen Untersuchungen die Frage unbeantwortet, ob
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sich tatsächlich die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit verbessert


hatte.

12.2 Konsistente und inkonsistente


­Aufgaben
Wegen des prozeduralen Charakters lassen sich kognitive Trainings
unter dem Blickwinkel des Fertigkeitserwerbs betrachten (vgl. Kap. 4).
Fertigkeitserwerb Der Erwerb einer Fertigkeit verläuft typischerweise in drei Phasen, in
denen ein zunächst (1) deklaratives Wissen kontrolliert umgesetzt, (2)
geübt und (3) prozeduralisiert und zunehmend automatisiert ausge-
führt wird (Schneider & Shiffrin, 1977). Korrespondierend dazu sollte
man eine charakteristische Lernkurve mit einer exponentiellen Form
finden. Diese Lernkurve zeigt an, dass der Lernfortschritt zu Beginn
enorm ist, beispielsweise wenn eine neue spezifische Fertigkeit einge-
übt wird und Bearbeitungszeiten und Fehler daraufhin sinken (z. B.
wenn Kinder lernen, laut zu lesen oder Zahlen zu addieren, oder wenn
man lernt, mit dem Zehnfingersystem auf einer Tastatur zu schreiben).
Die Verbesserungen werden im Verlauf des Fertigkeitserwerbs immer
kleiner und die Lernkurve nähert sich einer Asymptote. Um noch bes-
sere Leistungen zu erzielen, sind immer höhere Trainingsinvestitionen
notwendig. Dies bezeichnet man als das Gesetz der Übung („power law
Power law of practice of practice“; Fitts, 1964).
Nicht bei allen Trainings findet man jedoch eine exponentielle Lern-
kurve. Es erscheint an dieser Stelle sinnvoll, die spezifischen, automa-
tisierbaren Fertigkeiten von komplexeren, nicht vollständig automati-

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Kognitives Training 335

sierbaren kognitiven Fähigkeiten zu unterscheiden. Klauer (2001b)


spricht von psychologisch „finiten“ vs. „infiniten“ Aufgaben. Ackerman
(1988) unterscheidet zwischen „konsistenten“ und „inkonsistenten“
Aufgaben. Gemeint ist dasselbe: Finite bzw. konsistente Aufgaben sind Finite Aufgaben
begrenzt, beispielsweise das Einmaleins, die Zahlen von 1 bis 100 auf
Französisch, das Schreiben auf einer Tastatur oder ein bestimmter Typ
von Intelligenztestaufgaben. Infinite bzw. inkonsistente Aufgaben sind Infinite Aufgaben
hingegen dadurch charakterisiert, dass immer noch etwas hinzugelernt
werden kann und dass eine unendliche Vielfalt von Aufgabenstellun-
gen und Problemen existiert. Dies betrifft z. B. Leseverständnis, induk-
tives Denken im Allgemeinen, Mathematik oder Fremdsprachenler-
nen. Die automatisierbaren konsistenten (finiten) Aufgaben zeigen eine
exponentielle Lernkurve gemäß dem Gesetz der Übung. Bei inkonsis-
tenten (infiniten) Aufgabenbereichen ist hingegen ein linearer Zuwachs
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denkbar, da nicht bloß die Automatisierung des bereits prozedurali-


sierten „fertigen“ Wissens voranschreitet, sondern das Wissen stän-
dig neu konfiguriert wird (vgl. Kap. 5).
Bei konsistenten Aufgaben ist es zudem möglich, dass ein Test vor dem
Training etwas anderes misst als nach dem Training, weil vor dem Er-
werb der Fähigkeit und der Automatisierung andere Fähigkeitskom- Automatisierung
ponenten beteiligt sind als danach. In der ersten („deklarativen“ bzw.
„bewussten“) Phase des Fertigkeitserwerbs wird zunächst mit hoher
Aufmerksamkeitszuwendung gelernt; Fehler und Bearbeitungszeiten
sinken infolge der Einsicht in neue Lösungsverfahren und ihrer kon-
zentrierten Umsetzung. Allgemeine Intelligenzkomponenten (Auf-
merksamkeit, Arbeitsgedächtnis) sind daher am initialen Fortschritt
stark beteiligt. Werden dann spezifische Fertigkeitskomponenten pro-
zeduralisiert und sind diese ohne Aufmerksamkeitszuwendung aus-
führbar, tritt der Anteil allgemeiner Intelligenz zurück. Bei inkonsis-
tenten Aufgaben ist das nicht in diesem Maße der Fall.

12.3 Effektstärke und Wirkungsbreite


Die Unterscheidung zwischen konsistenten und inkonsistenten Auf-
gaben hilft, die Wirkungsbreite und die Effektstärke eines Trainings
abzuschätzen. Konsistente Aufgaben sind spezifisch: Die Wirkung eines
Trainings sollte sich auf die spezifische trainierte Fertigkeit beschrän-
ken (geringe Breite). Gleichzeitig kann erwartet werden, dass sich die
Leistung hier stark verbessert (hohe Effektstärke). Ein Beispiel hier- Hohe Effektstärke bei
für wäre ein Training speziell für Zahlenreihenaufgaben, wie sie in spezifischen Aufgaben

Intelligenztests vorkommen (siehe Kasten „Ein frühes Beispiel für

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336 Kapitel 12

kognitives Training“). In diesem Beispiel wurde trainiert, algebrai-


sche Umformungsregeln zwischen den Zahlen zu ermitteln, wie sie
bei diesem Aufgabentyp häufig vorkommen. Damit werden spezifi-
sche Lösungsverfahren für diesen Typ von Aufgaben mit numeri-
schem Material trainiert. Trainierte Personen können auch neue al-
gebraische Umformungsregeln in weiteren Zahlenreihen ermitteln.
Diese für den Aufgabentyp spezifischen numerischen Strategien wer-
den aber voraussichtlich nicht auf andere Materialien, z. B. Reihen
mit visuell-räumlichem Material transferieren. (Im Beispiel wurde
dies auch nicht geprüft.) Noch weniger kann erwartet werden, dass
Anwendungsfälle gelöst werden können, bei denen allgemeine Stra-
tegien des induktiven Denkens einsetzbar wären (hohe Transferdis-
tanz).
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Geringere Effektstärke, Bei inkonsistenten Aufgaben wird eine größere Wirkungsbreite ange-
aber höhere
­Wirkungsbreite bei
zielt. Auch unbekannte Aufgaben mit neuen Materialien sollen nach
­infiniten Aufgaben dem Training kompetenter angegangen und besser gelöst werden.
Demzufolge sollte das Training bezüglich der Materialien und der ver-
mittelten Strategien allgemeiner gestaltet sein. Damit werden die Wir-
kungen in spezifischen Aufgaben schwächer (kleinere Effektstärke),
die Wirkungsbreite aber größer. Das Training des induktiven Denkens
von Klauer, das in Abschnitt 12.7 erläutert wird, ist ein Beispiel hier-
für. Im Training werden Strategien vermittelt, systematisch Gemein-
samkeiten, Unterschiede und Beziehungen in gegebenen Elementen
zu ermitteln. Dabei werden unterschiedliche Materialien eingesetzt,
die Aufmerksamkeit auf das Identifizieren unterschiedlicher Typen
von Aufgaben gerichtet und Kontrollstrategien eingeübt. Das Training
ist – bei mittleren Effektstärken – wirksam, wenn man die Wirkung
mit einer Batterie von induktiven Intelligenztestaufgaben prüft. Dar-
über hinaus kann man eine Verbesserung in schulischen Leistungen
feststellen (hohe Transferdistanz). Typische Anwendungsaufgaben
im schulischen Unterricht erfordern oftmals induktives Denken (d. h.
aus Beispielen und Phänomenen auf zugrundeliegende Regeln schlie-
ßen).
Power-generality Die hier beschriebene negative Beziehung zwischen Effektstärke und
t­ rade-off
Wirkungsbreite wird als power-generality trade-off bezeichnet (Salo-
mon & Perkins, 1989; Klauer, 2001b). Eine allgemeine Methode hat
eine hohe Anwendungsbreite (z. B. „allgemeine Problemlösestrate-
gien“ oder „reflexives Denken“), ist jedoch im konkreten Fall schwach.
Eine spezifische Methode ist stark und oftmals entscheidend für ein
bereichsspezifisches Problem. Experten besitzen für ihre Domäne die
starken, bereichsspezifischen Methoden. Bereichsspezifisches Wis-
sen kann durch allgemeine Methoden nicht ersetzt werden.

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Kognitives Training 337

Klauer (2001b) schließt aus dem Zusammenhang zwischen Effekt-


stärke und Wirkungsbreite, dass der Nutzen eines Trainings dann am Mittlere Effektstärke
und Wirkungsbreite
größten ist, wenn Effektstärke und Wirkungsbreite mittlere Werte zei-
gen. Um eine messbare Wirkung zu haben, darf es nicht zu allgemein
sein. Um eine gewisse Breite zu haben und Transfer zu ermöglichen,
darf es nicht zu spezifisch sein.

12.4 Validität eines kognitiven Trainings

12.4.1 Konvergente Validität, Bereichsspezifität


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Eine gewisse Bereichsspezifität ist Voraussetzung für den Nachweis


der Validität eines Trainings. Die Validität eines Trainings nachzuwei-
sen, bedeutet zu zeigen, dass es tatsächlich jene Leistungen fördert,
die es fördern soll. In einem engeren Sinne entspricht dies der konver- Spezifische Wirkung im
genten Validität, und diese lässt sich mit Leistungsverbesserungen in angezielten Bereich

dem angezielten Bereich zeigen. Jedoch ist auch der Nachweis diskri-
minanter Validität relevant. Wenn ein Training Leistungsbereiche ver-
bessert, die von der trainierten Fertigkeit gar nicht abhängen sollten,
dann liegt die Vermutung nahe, dass das Training zusätzliche oder all-
gemeinere Fähigkeiten beeinflusste. Das Training induktiven Denkens
sollte die Leistung in Aufgaben verbessern, bei denen induktives Den-
ken erforderlich ist, aber beispielsweise nicht die Leistung im schrift-
lichen Multiplizieren.

12.4.2 Nicht intendierte Trainingswirkungen


Man kann sich eine Reihe von Einflüssen vorstellen, die dazu führen
können, dass sich Leistungen nach einem Training verbessern, ohne
dass es sich um den intendierten Effekt des Trainings handelt. Wenn
vor und nach dem Training identische oder parallele Tests verwendet
werden, um die Leistungsverbesserung zu messen, ist ein Testwieder- Leistungsverbesserung
holungseffekt zu erwarten, d. h. eine beträchtliche Leistungsverbesse- durch Testwiederholung

rung bei der zweiten Testung allein durch die Wiederholung des Tests
(auch Retest-Effekt genannt).
Weitere Einflüsse ergeben sich aus Veränderungen der Situation in der
Wahrnehmung der Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Die
Leistung kann sich allein deshalb verbessern, weil sie bemerken, dass
sie an einem Training teilnehmen (Hawthorne-Effekt), auch wenn es

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338 Kapitel 12

sich tatsächlich um ein Placebo handelt. Die Leistung kann sich ver-
bessern, weil Trainerinnen und Trainer erwarten, dass sich die Leis-
Nicht intendierte tung verbessert (Pygmalion-Effekt) oder weil eine neue Lernsituation
Gründe für
(z. B. mit neuen Medien) hergestellt wird, die interessant erscheint,
­Verbesserung
weil sie sich vom Üblichen abhebt (Novitätseffekt). Die Leistung kann
sich auch verbessern, weil Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer
wahrnehmen, dass ihnen als hervorgehobene Gruppe eine besondere
Aufmerksamkeit gewidmet wird (Zuwendungseffekt). Es ist daher nicht
überraschend, dass die Wirksamkeit eines Trainings stark von der Per-
son des Trainers oder der Trainerin abhängt.

12.4.3 Drei-Gruppen-Plan
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Trainingsgruppe Um von einer sichtbaren Verbesserung nicht fälschlich auf die Wirk-
samkeit des Trainings zu schließen, ist es notwendig, nicht trainings-
Kontrollgruppe bedingte Einflüsse zu kontrollieren. Mit einer Kontrollgruppe, die die
Vor- und Nachtests erhält, mit der jedoch kein Training durchgeführt
wird, kann der Wiederholungseffekt abgeschätzt werden. Mit einer
weiteren Gruppe, die ein ähnliches Programm wie die Trainingsgruppe
durchläuft, jedoch nicht das spezielle Training erhält, sondern etwas
Dummy-Treatment- anderes macht (Dummy-Treatment), können Placebo-Effekte der Trai-
Gruppe
ningssituation (Erwartung, Zuwendung, Novität etc.) kontrolliert wer-
den. Mit einem solchen Drei-Gruppen-Plan kann festgestellt werden,
ob ein Treatment überhaupt wirksam ist und über den Wiederholungs-
effekt hinausgeht (Vergleich zwischen Kontrollgruppe mit Trainings-
gruppe und Dummy-Treatment-Gruppe). Ferner kann festgestellt wer-
den, ob spezifische Trainingselemente wirksam waren oder ein
Placebo-Effekt vorherrschte (Vergleich zwischen Training und Dummy-
Treatment).

12.4.4 Konstruktvalidität
Über die konvergente und diskriminante Validität hinaus wäre es wün-
schenswert, wenn der Nachweis der Konstruktvalidität eines Trainings
geführt werden könnte. Damit ist gemeint, dass ein Training tatsäch-
lich die der Leistung zugrundeliegende Fähigkeit fördert. Möchte man
beispielsweise die Fähigkeit der mentalen Rotation fördern, genügt es
nicht zu zeigen, dass typische Aufgaben der mentalen Rotation nach
dem Training besser gelöst werden als vorher. Trainingsteilnehmerin-
nen und -teilnehmer könnten die Aufgaben mit unterschiedlichen Stra-
tegien angegangen haben (z. B. verbale Strategien, analytische Strate-
gien) und diese Strategien in Bezug auf das in den Aufgaben gezeigte

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Kognitives Training 339

Material verbessert haben. Dann wurde nicht mentale Rotation trai-


niert, sondern eine alternative Strategie, die ebenfalls zur Leistungs-
verbesserung führt.
Einen Beitrag zur Konstruktvalidierung kann die Vorhersage auf künf- Zusammenhänge mit
Leistungsbereichen,
tige Leistungsverbesserungen leisten (prädiktive Validität). Würde in denen die trainierte
mentale Rotation erfolgreich trainiert, sollten Aufgaben lösbar sein, Fähigkeit benötigt wird
die mentale Rotation erfordern, auch wenn es sich um anderes Ma- (Transfer)

terial handelt. Denkbar wäre z. B., dass Personen, die tatsächlich in


mentaler Rotation leistungsstärker geworden sind, weniger Probleme
beim Kartenlesen haben sollten, wenn die Ausrichtung der Karte
nicht ihrer eigenen aktuellen Orientierung in der Umgebung ent-
spricht. Ein anderes Beispiel ist das Training der phonologischen Be-
wusstheit. Phonologische Bewusstheit stellt eine Vorläuferkompetenz
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für das Erlernen der Schriftsprache (Lesen, Schreiben) dar. Eine durch
Training verbesserte phonologische Bewusstheit sollte dazu führen,
dass weniger Probleme beim Lesen lernen auftreten werden. Das ist
der Fall. Sowohl durch ein Screening diagnostizierte Risikokinder als
auch durchschnittliche Kinder profitierten vom „Würzburger Trai-
ningsprogramm zur phonologischen Bewusstheit“ (Küspert & Schnei-
der, 2008), wenn das Programm konsistent durchgeführt wurde
(Schneider, Roth, Küspert & Ennemoser, 1998; Schneider, Roth &
Küspert, 1999).

Prüfschritte zur Evaluation von kognitiven


Trainings
Um zu zeigen, dass ein Training tatsächlich eine Kompetenzsteigerung
bewirkt, schlägt Klauer (2001b) eine Evaluationsstrategie vor. Diese Stra-
tegie korrespondiert mit den beschriebenen Aspekten der Validität eines
Trainings. Sie besteht aus folgenden Komponenten:
• Prüfung der Leistungssteigerung. Im Sinne der konvergenten Validi-
tät ist zu prüfen, ob das Training eine Leistungssteigerung im ange-
zielten Leistungsbereich erbringt. Trainingssituation und Testsitua-
tion sollten sich hierbei bereits deutlich (Testaufgaben, Kontext)
unterscheiden. Über mehrere Versuche hinweg sollte sich ein Trai-
ningseffekt konsistent (mehr als 50 % der Versuche) und mit einer
substanziellen Effektstärke (im Mittel mindestens 0.30 Standardab-
weichungen) zeigen.
• Prüfung des Transfers. Beim Transfer geht es darum zu prüfen, ob
sich Verbesserungen in weiter „entfernten“, ggf. komplexeren oder an-
wendungsnahen Leistungen zeigen. Für ein Training, das einen be-
reichsspezifischen Fokus auf ein theoretisch fundiertes Konstrukt
setzt, wird man auch Transferbereiche beschreiben können. Diese
Bereiche sollten geprüft werden.

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340 Kapitel 12

• Prüfung diskriminanter Validität. Um die Konstruktvalidität des Trai-


nings zu sichern, muss geprüft werden, ob das Training nicht auch
Effekte auf Leistungen hat, die mit dem trainierten Konstrukt augen-
scheinlich nichts zu tun haben. Würde beispielsweise ein Training in-
duktiven Denkens die Fähigkeit zur schriftlichen Subtraktion verbes-
sern, müsste man sich die Frage stellen, welche Fähigkeiten beim
Training eigentlich verbessert wurden.
• Ausschluss nicht trainingsbedingter Effekte (Alternativerklärun-
gen). Mit einer geeigneten Versuchsanordnung muss geprüft werden,
ob sich eine Leistungsverbesserung nicht auf andere Erklärungen zu-
rückführen lässt. Der Vergleich einer Trainingsgruppe mit einer un-
trainierten Kontrollgruppe gibt Aufschluss über die Höhe des Effekts
der Testwiederholung. Der Vergleich mit einem Dummy-Treatment
dient dazu, Erwartungs-, Zuwendungs-, und Novitätseffekte abzu-
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schätzen.
• Nachweis einer mittelfristigen Wirksamkeit (Effektdauer). Dass ein
Trainingseffekt nicht nur unmittelbar nach dem Training festgestellt
werden kann, sondern auch drei bis sechs Monate später, ist nicht
nur praktisch bedeutsam, sondern auch ein Hinweis darauf, dass eine
Kompetenz trainiert wurde. Unter anderem sollten kurzfristige Ef-
fekte der Trainingssituation (z. B. Motivation durch freundliche Lern­
atmosphäre, Novität u. Ä.) dann nicht mehr wirksam sein und der Test-
wiederholungseffekt keine große Rolle mehr spielen.

Klauer (2001b) fügt diesen fünf Prüfpunkten der Evaluationsstrategie


noch hinzu, dass auch eine mögliche Änderung der Testvalidität ausge-
schlossen werden sollte. Die Validität eines Nachtests kann sich ändern,
wenn das Training dazu führt, dass sich die Fähigkeitszusammenset-
zung ändert. Personen könnten beispielsweise solcherart zu Experten
werden, dass sie sich sehr spezifische, schnelle und erfolgreiche, aber
auf alternativen Strategien basierende Lösungsmethoden aneignen.

12.5 Trainingsansätze

Testaufgaben trainieren
Testaufgaben als Ob eine Validierung des Trainings hinsichtlich des zugrundeliegenden
­ raining in finiten
T
Konstrukts überhaupt möglich sein wird, hängt auch vom Trainings-
­ eistungsbereichen
L
ansatz ab. Ein Trainingsansatz besteht beispielsweise schlicht darin,
testanaloge Aufgaben zu verabreichen. Hierbei lautet das Prinzip, dass
Aufgaben, die zum Testen einer Fähigkeit geeignet sind, auch zum Trai-
nieren einer Fähigkeit geeignet sein sollten. Allerdings werden die Ef-
fekte recht spezifisch bleiben (nicht transferieren). Darüber hinaus wird

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Kognitives Training 341

man nicht wissen, welche Lösungsstrategien tatsächlich eingesetzt und


verbessert wurden. Bei einfacheren konsistenten bzw. finiten Aufga-
ben können damit allerdings Erfolge erzielt werden.
Bei komplexeren (inkonsistenten/infiniten) Aufgabentypen ist der
Testaufgaben-Ansatz weniger erfolgreich, weil Teilnehmerinnen und
-teilnehmer ohne die explizite Vermittlung von Teilfähigkeiten und
Strategien von selbst nicht zur Lösung gelangen können. Eine Konst-
ruktvalidierung des Trainings ist mit dem Testaufgaben-Ansatz eigent-
lich nicht möglich, da das Konstrukt – die zugrundeliegende Fähigkeit
– nicht aufgeschlüsselt wird. Das Training ist nur insoweit theoretisch
fundiert, wie die Testaufgaben theoretisch fundiert und validiert sind.
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Kognitive Prozesse analysieren


Demgegenüber strebt eine Prozessanalyse an, die bei einer kognitiven Prozesskomponenten
Leistung ablaufenden Prozesselemente zu analysieren. Dazu können identifizieren für infinite
Leistungsbereiche
theoretische Überlegungen und die Vorgehensweisen erfolgreicher
Problemlöser dienen (soweit man deren Prozesse beobachten und ex-
plizit machen kann). Aus der Prozessanalyse werden Elemente und
Komponenten abgeleitet, die mit dafür entwickelten Aufgaben trai-
niert werden können. Eine Vervollständigung der Prozessanalyse stellt
nach Klauer (2001b) der instruktionspsychologische Trainingsansatz
dar. Hierbei werden die Lernvoraussetzungen der Trainingsteilneh-
merinnen und -teilnehmer in Bezug auf die zu beherrschenden Pro-
zesse festgestellt und ein Curriculum (Teilziele, Lehrplan) aufgestellt,
d. h. eine sinnvolle Abfolge der zu trainierenden Prozesselemente im
Hinblick auf das Trainingsziel.

12.6 Unterschiede der Wirkung von Trainings


zwischen Personen

12.6.1 Wirkungen auf die Leistungsvarianz


Gewöhnlich wird ein in seinen Elementen und seiner Reihenfolge fest-
gelegtes Training mit einer Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilneh-
mern durchgeführt. Wenn sich innerhalb der Gruppe die Teilnehmen-
den in ihren Lernvoraussetzungen (z. B. Vorwissen, Teilfertigkeiten,
allgemeine Intelligenz) unterscheiden, dann liegt es nahe, dass das
Training auf unterschiedliche Personen unterschiedlich wirken wird.

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342 Kapitel 12

Das Training wirkt daher voraussichtlich nicht nur auf den Mittelwert
der Gruppe ein, sondern hat auch eine Wirkung auf die Leistungsvari-
anz der Gruppe. Zwei mögliche Wirkungen sind denkbar:
Reduktion der 1. Das Training führt dazu, dass die Leistungen insbesondere der
H
­ eterogenität
schwächeren Teilnehmenden steigen, während sich die Leistungen
der stärkeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht weiter verbes-
sern. Das Training kompensiert also zu Beginn bestehende Leis-
tungsunterschiede. Dies zeigt sich in einer verminderten Varianz der
Leistungen im Nachtest.
Erhöhung der 2. Das Training führt dazu, dass sich die Leistungen der stärkeren Teil-
H
­ eterogenität nehmerinnen und Teilnehmer schneller und weiter verbessern als
die der zu Beginn schwächeren Teilnehmenden. Dies zeigt sich in
einer nach dem Training erhöhten Varianz der Leistungen.
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Eine Zeit lang nahm man an, dass man aus der Varianzveränderung
auf Anlage- oder Umwelteinflüsse zurückschließen könne: Aus einer
Verminderung der Varianz wollte man schließen, dass umweltbedingte
Einflüsse (Training) wirksam seien, aus einer Erhöhung der Varianz
wollte man schließen, dass angeborene (erbliche) Faktoren wirksam
seien. Solche Rückschlüsse sind allerdings unzulässig. Welche der bei-
den Wirkungen eintreten wird, hängt vielmehr von einer ganzen Reihe
von Faktoren ab. Eine kompensatorische Wirkung ist beispielsweise
wahrscheinlicher, wenn die Varianz in der abhängigen Variablen (Nach-
test) eingeschränkt ist. Das kann bei konsistenten (finiten) Aufgaben
oftmals der Fall sein, die spezifisch sind und im Nachtest keinen Trans-
fer vorsehen. Wenn sich die Leistung aller Trainingsteilnehmerinnen
und -teilnehmer der Asymptote nähert, wird die Varianz kleiner sein
als vor dem Training (es kommt zu einem Deckeneffekt). Die bereits
zuvor leistungsstärkeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitieren
dann allerdings wenig vom Training (langweilen sich).

12.6.2 Positive Status-Gewinn-Korrelation:


Der „Matthäus-Effekt“
Zusammenhang Man könnte auch die Korrelation zwischen Status (Fähigkeit vor dem
z­ wischen Lernvoraus-
Training) und Gewinn (Fähigkeitszuwachs durch das Training) betrach-
setzungen und
T
­ rainingserfolg ten. Eine negative Korrelation zwischen Status und Gewinn würde
einen kompensatorischen Effekt des Trainings anzeigen: Je höher die
Fähigkeiten sind, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in das Trai-
ning bereits mitbringen, desto geringer ist ihr Fähigkeitszuwachs. Die
einfache Korrelation zwischen Status und Gewinn kann aber aus
­technischen Gründen nicht verwendet werden. Wie Klauer (2001b)
­beispielhaft zeigt, kann die einfache Korrelation fälschlich einen ne-

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Kognitives Training 343

gativen Zusammenhang zeigen, der sich mit einer (aufwendigen) Kor-


rektur tatsächlich als positiver Zusammenhang entpuppt.
Eine positive Status-Gewinn-Korrelation zeigt die zweite Möglichkeit,
den Matthäus-Effekt („wer hat, dem wird gegeben“): Je leistungsstär-
ker Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor dem Training sind, desto
mehr profitieren sie; und die Varianz der abhängigen Variablen erhöht
sich nach dem Training. Diese Möglichkeit ist in zweierlei Hinsicht
plausibel. Beim Fertigkeitserwerb zeigt gemäß dem Gesetz der Übung
besonders die erste Phase die größten Lerngewinne. Ein Training wird Kognitive Voraus­
man gewöhnlich in dieser ersten Phase platzieren. Für den individuel- setzungen besonders
­wirksam zu Beginn des
len Lerngewinn spielen in dieser Phase individuelle kognitive Voraus- Fertigkeitserwerbs
setzungen (allgemeine Intelligenz, Aufmerksamkeitssteuerung, Ein-
sicht in den Nutzen neu zu erwerbender Strategien etc.) eine große
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Rolle, sodass Personen mit höheren kognitiven Fähigkeiten besonders


schnell vom Training profitieren. Darüber hinaus werden bei inkonsis-
tenten (infiniten) Aufgaben leistungsstärkere Personen ihren Vorteil Infinite Aufgaben
mit beständigem
halten und ausbauen können, denn bei inkonsistenten Aufgaben mit ­Hinzulernen
weiter Transferdistanz wird weniger automatisiert und ständig hinzu-
gelernt. Die Leistungssteigerung folgt, wie in Abschnitt 12.2 beschrie-
ben, dabei nicht exponentiell dem Gesetz der Übung, sondern bleibt
tendenziell linear. Den leistungsschwächeren Personen wird es bei sol-
chen Aufgaben schwerfallen, die leistungsstärkeren jemals „einzuho-
len“, da es keine Asymptote gibt.
Es ist daher nicht überraschend, dass man in groß angelegten, kumu-
lativen instruktionalen Trainingsprogrammen (schulischer Unterricht,
Ausbildungsgänge etc.) regelmäßig den „Matthäus-Effekt“ erwarten
darf: Leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler bzw. Teilnehmerin-
nen und Teilnehmer profitieren schneller und stärker. Je anspruchsvol-
ler die Bildungsprogramme sind, umso stärker sind sie auf inkonsis-
tente Aufgaben und Transfer ausgerichtet (Kompetenzorientierung).
Dort lernen die leistungsstärkeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer
beständig mehr.
Gewöhnlich ist ein Bildungsprogramm ungefähr für die durchschnitt-
liche Leistungsfähigkeit bzw. den durchschnittlichen Vorwissensstand
einer Lerngruppe (Klasse) ausgelegt und geht nicht auf heterogene Umgang mit
­Heterogenität
Leistungsstände ein. Für die leistungsschwächeren Teilnehmerinnen
und Teilnehmer ergibt sich das Problem, Rückstände nicht mehr auf-
holen zu können. Die Gruppe schreitet voran, und für sie steht nicht
genügend Zeit zum Üben und Automatisieren basalerer Fähigkeits-
komponenten zur Verfügung (z. B. Leseflüssigkeit als Vorläufer des
Leseverständnisses). Hier könnten zielgruppenspezifische Programme

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344 Kapitel 12

für die Kompensation von Rückständen hilfreich sein. Diese Pro-


gramme sind allerdings aufwendig an die tatsächlichen Lernrückstände
anzupassen (wozu eine valide Diagnostik Voraussetzung ist). Für die
leistungsstärkeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer fehlen auf der
anderen Seite herausfordernde Aufgaben. Hier wird eine mögliche
Leistungsvarianz dadurch eingedämmt, dass gar keine weiterführen-
den Aufgaben und Tests zur Verfügung stehen.

12.7 Beispiel 1:
Training des induktiven Denkens
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

12.7.1 Definition und Trainingskonzeption


Induktives Denken bedeutet das Entdecken und Ableiten von Regelmä-
ßigkeiten bzw. Gesetzmäßigkeiten aus einer Menge von (miteinander
verknüpften bzw. ähnlichen) Elementen, Beispielen oder Fällen. Sol-
che Aufgaben nehmen in Intelligenztests eine zentrale Rolle ein („Re-
Induktives Denken asoning“, „Analogien“, „Klassifizieren“, „Folgen“ etc.). In schulischen
in der Schule
Bildungsprogrammen kommt es in praktisch allen Domänen darauf
an, Regelmäßigkeiten zu erkennen und diese Regeln auf ähnliche Fälle
anzuwenden, ob es sich nun um algebraische Umformungen, gramma-
tische Regeln, um den Wort- und Sprachgebrauch in der eigenen oder
in einer fremden Sprache oder um naturwissenschaftliche Gesetzmä-
ßigkeiten handelt. Unterrichtsformen, die Regeln erkennen und erar-
beiten lassen, fordern das induktive Denken der Schülerinnen und
Schüler.
Nach einer an den Informationsverarbeitungsprozessen orientierten
Definition von Klauer (2001c) handelt es sich beim ­induktiven Den-
Prozesskomponenten ken um das Feststellen von Gleichheit oder/und Verschiedenheit von
des induktiven Denkens Merkmalen oder/und Relationen in verschiedenen (verbalen, bildhaf-
ten, figuralen, numerischen) Materialien. Die Kernvarianten des in-
duktiven Denkens bestehen aus der Generalisierung (hierbei wird die
Gleichheit von Merkmalen festgestellt), der Diskrimination (hierbei
wird die Verschiedenheit von Merkmalen festgestellt), der Kreuzklas-
sifikation (hierbei werden Gleichheit und Verschiedenheit von Merk-
malen festgestellt), der Beziehungserfassung (hierbei wird die Gleich-
heit von Relationen festgestellt, z. B. beim Ergänzen von Folgen und
beim Bilden einfacher Analogien), der Beziehungsunterscheidung (hier-
bei wird die Verschiedenheit von Relationen festgestellt, z. B. bei ge-
störten Folgen) und der Systembildung (hierbei werden komplexe Ana-

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Kognitives Training 345

logien gebildet, die sowohl gleiche als auch verschiedene Relationen


berücksichtigen).
Das induktive Denken besteht also aus Vergleichsprozessen. Eine in-
duktive Denkaufgabe sollte gelöst werden können, wenn die relevan-
ten Merkmale und Relationen erkannt und verglichen werden. Hierzu
kann man analytisch (systematisch) vorgehen, indem man ein Merk-
mal (bzw. eine Relation) bei den zu vergleichenden Objekten auswählt
und hinsichtlich ihrer Gleichheit oder Verschiedenheit bewertet. Damit
wird so lange fortgefahren, bis entweder die Regel entdeckt oder alle
Vergleiche durchgeführt wurden (Klauer, 2001c).
Menschen gehen beim induktiven Denken allerdings häufig nicht so
systematisch vor. Sie inspizieren die zu vergleichenden Objekte eher
global und stellen eine Hypothese über die Regel auf. Dann wird die
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

Heuristiken
Hypothese überprüft. Wenn dies nach mehrfachen Versuchen nicht
zum Erfolg führt, wird auf eine systematischere Vorgehensweise um-
geschaltet oder die Aufgabenbearbeitung wird abgebrochen.

Das Trainingsprogramm zur Förderung


induktiven Denkens
Das Training des induktiven Denkens hat zum Ziel, ein Problemschema
zu vermitteln, das bei verschiedenen konkreten Pro­blemen angewen-
det werden kann. Das konkrete Problem soll als Abwandlung einiger Aufgabentypen des
weniger Grundstrukturen (entsprechend den sechs Kernvarianten) er- ­induktiven Denkens
­erkennen
kannt werden. Sogenannte paradigmatische Aufgaben zeigen eine der
sechs Kernvarianten besonders eindeutig und helfen, die adäquate Lö-
sungs- und Kontrollstrategie zu erwerben. Generalisierungsaufgaben
werden beispielsweise dadurch gelöst, dass die Merkmale der einzel-
nen Objekte systematisch auf Gleichheit geprüft werden. Der korres-
pondierende Kontrollprozess besteht darin zu prüfen, ob sich Objekte,
die hinsichtlich eines Merkmals zusammengefasst wurden, nicht doch
hinsichtlich des Merkmals unterscheiden. Der Erwerb eines Problem-
schemas wird dadurch erreicht, dass der Problemtyp in vielen unter-
schiedlichen Oberflächenformaten dargeboten und trainiert wird. Explizite Vermittlung
Gleichzeitig werden die Lösungs- und Prüfstrategien explizit gemacht, von Lösungs- und
­Kontrollstrategien
voneinander unterschieden, sprachlich bezeichnet und einzeln trai-
niert.

Das Trainingsprogramm besteht aus 120 Aufgaben, aufgeteilt auf 10


Lektionen zu je 12 Aufgaben. Eine Hälfte der Aufgaben basiert auf Merk-
malen, die andere Hälfte basiert auf Relationen.
• 1. Lektion: Naives Problemlösen. Diese Lektion dient dazu, mit dem
Material vertraut zu werden; Aufgaben werden gelöst, ohne dass die
Lösungsstrategie thematisiert wird.

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346 Kapitel 12

Trainingsprogramm • 2. Lektion: Merkmale und Relationen werden eingeführt und vonein-


ander unterschieden. Die bisher bearbeiteten Aufgaben werden sor-
tiert.
• 3. Lektion: Einführung und Unterscheidung der drei Aufgabenklassen
für Merkmale (Generalisierung, Diskrimination, Kreuzklassifikation).
Aufgaben sortieren.
• 4. Lektion: Einführung und Unterscheidung der drei Aufgabenklassen
für Relationen (Beziehungserfassung, Beziehungsunterscheidung,
Systembildung). Aufgaben sortieren.
• 5. Lektion: Lösungs- und Kontrollprozess bei Gleichheit (von Merk-
malen, von Relationen).
• 6. Lektion: Lösungs- und Kontrollprozess bei Verschiedenheit (von
Merkmalen, von Relationen).
• 7. Lektion: Lösungs- und Kontrollprozess bei Gleichheit und Verschie-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

denheit (von Merkmalen, von Relationen).


• 8. Lektion: Aufgaben für Merkmale wiederholen, Prozesse automati-
sieren.
• 9. Lektion: Aufgaben für Relationen wiederholen, Prozesse automa-
tisieren.
• 10. Lektion: Gemischte Wiederholung zur Automatisierung der Pro-
zesse.

Am Ende des Trainings sollten gestellte Aufgaben richtig klassifiziert


werden können, die der erkannten Grundstruktur adäquate Lösungs-
strategie sollte eingesetzt und die korrespondierende Kontrollstrategie
durchgeführt werden können.

Varianten des Trainings Durch die Vielzahl der Aufgaben, der unterschiedlichen Einkleidungen
der Probleme sowie einer zunehmenden „Entfernung“ der gestellten Auf-
gaben von der einfach erkennbaren Grundstruktur ist nach Klauer
(2001c) ein Transferproblem nicht zu befürchten. Das Denktraining exis-
tiert als Denktraining für Kinder I (Klauer, 1989) für den Altersbereich
von 5 bis 7 Jahren (hier dominiert sprachfreies, konkretes Material, z. B.
Würfel und Klötze sowie Abbildungen realer Objekte), als Denktraining
für Kinder II (Klauer, 1991) für den Altersbereich von 10 bis 13 Jahren
und als Denktraining für (lernschwache) Jugendliche (Klauer, 1993) im
Altersbereich von 14 bis 16 Jahren. Darüber hinaus liegt eine Compu-
terspielvariante des Denktrainings für Kinder zwischen 5 und 10 Jah-
ren vor (Lenhard, Lenhard & Klauer, 2011).

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Kognitives Training 347

12.7.2 Metaanalyse zur Abschätzung des


­durchschnittlichen Effekts des induktiven
Denktrainings
Das Training des induktiven Denkens ist in einer ganzen Reihe von Prüfung mit Intelligenz-
Studien geprüft worden. Klauer und Phye (2008) bezogen 74 experi- testaufgaben für
schlussfolgerndes
mentelle Studien in eine umfassende Metaanalyse zur Schätzung der ­Denken
Effekte des Trainings ein. Bei den meisten Studien wurde der Trai-
ningseffekt mittels induktiver Aufgaben aus Intelligenztests (oft dem
Culture Fair Intelligence Test von Cattell oder Ravens Matrizen) ge-
messen.
Die durchschnittliche Effektstärke des Trainings auf Intelligenztest-
aufgaben betrug d = 0.52 (79 Effektstärken, insgesamt 3 595 Versuchs-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

personen, Klauer & Phye, 2008, Tab. 4). Beim Programm Denktrai-
ning für Kinder I war die Effektstärke etwas höher (d = 0.57, Mittelwert
aus 42 Effektstärken) als bei Denktraining II (d = 0.43, Mittelwert aus
24 Effektstärken) und Denktraining III (d = 0.50, Mittelwert aus 13 Ef-
fektstärken). Klauer (2001c) erwog, dass besonders geeignete Traine-
rinnen und Trainer einige der Trainings in den Kindergärten (Denktrai-
ning I) durchgeführt haben könnten, was zu besonders hohen
Effektstärken geführt habe.
Ein Effekt des Trainings auf induktives Denken, wie es mit Intelligenz-
testaufgaben gemessen wird, kann somit als nachgewiesen gelten.
Dabei wird Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Intelligenztest-
aufgaben bereits Transfer darstellen (Klauer, 2001c, S. 185). Die Auf-
gaben des Denktrainings enthalten sinnvolles Material, während die
Aufgaben der Intelligenztests abstrakt-figurales, sinnfreies Material
enthalten.
Einige Studien (22 Effektstärken, 1 094 Versuchspersonen) wiederhol-
ten die Posttests (Intelligenztestaufgaben) nach einem Zeitraum von
wenigstens drei Monaten (zwischen drei und zwölf Monaten, im Wiederholte Prüfung
nach mehreren
Schnitt nach knapp sechs Monaten). Die Effektstärken blieben dabei ­Monaten
stabil. Daraus kann geschlossen werden, dass die Effekte in dem Zeit-
raum konstant blieben und nicht nur kurzfristiger bzw. temporärer
Natur waren. Dies wird als Hinweis darauf diskutiert, dass die trai-
nierten Personen die erworbenen Strategien auch nach dem Training
bei anderen Lernmaterialien anwandten (Klauer, 2001c). Möglicher-
weise sind die längerfristigen Effekte auf selbstreguliertes Lernen bzw.
die erworbenen metakognitiven Strategien zurückzuführen (Klauer &
Phye, 2008, S. 106). Hierzu fehlen allerdings noch aussagekräftige
Studien.

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348 Kapitel 12

Prüfung des Transfers Eine Reihe der Experimente (38 Effektstärken, insgesamt 1 723 Ver-
auf schulische suchspersonen) prüfte die Auswirkungen des Denktrainings auf schu-
­Lerninhalte
lisches Lernen. Die Gestaltung der Lernsituationen und die Inhalte
waren dabei unterschiedlich. Es kamen kontrollierte Lernmaterialien
mit eigens erstellten Tests zur Anwendung, es wurden Problemlöse-
aufgaben, fachliche Lernfähigkeitstests und Klassifizierungsaufgaben
gestellt, oder es wurden Unterrichtsstunden durchgeführt und der
Lern­erfolg für die vermittelten Inhalte geprüft. Fachlich wurden un-
terschiedliche Gebiete ausgewählt, u. a. Mathematik, Physik, Biologie,
Geografie und Deutsch. Alle Experimente zusammengenommen,
wurde eine mittlere Effektstärke von d = 0.69 berechnet (Klauer & Phye,
2008, Tab. 5). Es kann demnach festgehalten werden, dass das induk-
tive Denktraining bei schulischen Lerninhalten wirksam ist – und die-
ser Effekt ist deutlich höher als bei der Wirkung auf Intelligenztestauf-
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

gaben.

12.8 Beispiel 2:
Förderung räumlicher ­Fähigkeiten

12.8.1 Definition und Trainingskonzeption


Räumliche Fähigkeiten beziehen sich auf das Verstehen, Bilden, Erin-
nern und mentale Transformieren visuell-räumlicher Gegenstände.
Typischerweise geht es um Objekte oder räumliche Anordnungen, die
auf einem Blatt Papier abgebildet sind. Räumliche Fähigkeiten sind
auch beim Verstehen komplizierter räumlicher Szenen und räumlicher
Bewegung (z. B. gezeigt in Animationen oder erschlossen aus verbalen
Beschreibungen) involviert sowie beim Gebrauch „virtueller Werk-
zeuge“ (z. B. in Computersimulationen).
Relevanz räumlicher Räumliche Fähigkeiten spielen offenbar eine wichtige Rolle in Domä-
Fähigkeiten für Lernen
in technischen und
nen, die visuelle Repräsentationen nutzen und für Problemlösungen
naturwissen­ verwenden. Die (Hoch-)Begabungsforschung zeigt, dass räumliche Fä-
schaftlichen Domänen higkeiten einen wichtigen Prädiktor für (Lern-)Leistungen in mathe-
matischen, technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen dar-
stellen (z. B. Wai, Lubinski & Benbow, 2009).
Zur Messung räumlicher Fähigkeiten stehen eine Reihe etablierter
Tests zur Verfügung, die in einer psychometrischen Tradition entwi-
ckelt wurden. Diese Tests erfordern z. B. das mentale Drehen von zwei-
oder dreidimensionalen Figuren, das mentale Falten und Entfalten von

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Kognitives Training 349

Papier oder das Erkennen von „versteckten“ Figuren in größeren Ge-


bilden (vgl. Kap. 6). Aus der psychometrischen Perspektive geht es um
die objektive, zuverlässige und valide Feststellung von Unterschieden
zwischen Personen bei der Lösungsgüte für solche Aufgaben. Viele
räumliche Testaufgaben lassen sich allerdings auf unterschiedliche
Weise lösen. Versuchspersonen wenden bei der Bearbeitung unter-
schiedliche Strategien an (z. B. holistische vs. analytische Strategien,
verbalisierende Strategien). So kann man viele Rotationsaufgaben auch
durch Identifizieren, Verbalisieren und Abzählen von Teilelementen
und Verfolgen eines analytischen Ausschlussprinzips lösen.
Für die Konzeption eines Trainings zur Förderung räumlicher Fähig-
keiten entsteht damit die Frage, ob spezifische räumliche Teilprozesse
(z. B. mentale Rotation) gefördert werden können (und wie man dies –
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

insbesondere inklusive Transfer auf „entfernte“ Aufgaben, die men-


tale Rotation erfordern – genau nachweist) oder ob ein breiter Ansatz
gewählt wird, bei dem die Zerlegung in einzelne Prozesse gar nicht an-
gestrebt wird. Der breite Ansatz, so die Überlegung, könnte außerdem Breiter Förderansatz
eher geeignet sein, auf andere Domänen zu generalisieren, in denen
räumliche Fähigkeiten angewendet werden. Ein solcher unspezifischer
Förderansatz soll beispielhaft vorgestellt werden.
Eine entsprechende Trainingskonzeption besteht beispielsweise aus Training durch
dem Einsatz von Computerspielen wie Tetris, in denen räumliche Auf- ­Computerspiele

gaben gelöst werden (Souvignier, 2000). Dabei weist das Material, mit
dem trainiert wird, zu den Aufgaben, mit denen die räumlichen Fähig-
keiten getestet werden und der Trainingserfolg überprüft wird, bereits
eine gewisse Transferdistanz auf. Computerspiele lassen eine Steige-
rung der Schwierigkeit zu (z. B. über Schnelligkeit oder Anzahl von zu
lösenden Aufgaben pro Zeiteinheit), sie sind interaktiv (Ergebnisse von
Eingriffen sind direkt sichtbar) und bieten Rückmeldung über Erfolg
und Misserfolg. Untersuchungen mit einem breiten Förderansatz fin-
den oftmals im Kontext von Schule und Unterricht statt und sind mit
der Hoffnung verbunden, dass die mittels Training gesteigerten räum-
lichen Fähigkeiten später auch das Lernen in bestimmten Domänen
erleichtern (z. B. in Physik).

12.8.2 Metaanalyse zur Abschätzung des


­durchschnittlichen Effekts von Trainings
r­ äumlicher Fähigkeiten
Auch die umfassende Metaanalyse von Uttal et al. (2013) zur Trainier-
barkeit räumlicher Fähigkeiten entstand vor dem Hintergrund des Zu-

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350 Kapitel 12

sammenhangs dieser Fähigkeiten mit (Lern-)Leistungen in naturwis-


senschaftlichen, technischen und mathematischen Fächern. Die
Metaanalyse sollte die Frage klären, ob räumliche Fähigkeiten trainier-
bar sind, ob Effekte des Trainings von Dauer sind und ob ein Potenzial
für den Transfer erkennbar ist. Diese Fragen konnten bislang aufgrund
widersprüchlicher Befunde für räumliche Fähigkeiten nicht klar beant-
wortet werden.
Räumliche Fähigkeiten In die Metaanalyse wurden 206 Studien der letzten 25 Jahre aufgenom-
sind trainierbar men (Stand 2012). Im Mittel lag die Effektstärke der Trainingsinter-
ventionen bei 0.47, d. h. etwa einer halben Standardabweichung. Man
kann also von einer Trainingsintervention zur Förderung räumlicher
Fähigkeiten im Schnitt eine mittelgroße bzw. moderate Wirkung er-
hoffen.
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Nicht alle Studien dieser Metaanalyse genügten allerdings den in Ab-


schnitt 12.4.3 dargestellten Ansprüchen an ein kontrolliertes Design.
Eine Minderheit der Studien (31) berichtete lediglich den Effekt eines
Trainings bei einer einzigen Gruppe als Differenz zwischen Prä- und
Posttest. Weitere 55 Studien berichteten den Unterschied zwischen
einer Kontroll- und einer trainierten Gruppe in einem Posttest, aller-
dings ohne Feststellung möglicher Unterschiede in einem Prätest. Die
Mehrzahl der Studien (123) verglich eine Trainings- mit einer Kontroll-
gruppe und zog dazu die Differenzen zwischen Prä- und Posttest heran.
Designs ohne Kontroll- Erwartungsgemäß liegen bei einem Design ohne Kontrollgruppe die
gruppen mit irreführend Effektstärken höher, denn hier wird, wie in Abschnitt 12.4.2 dargestellt,
hohen Effektstärken
bei Prä- und Posttest-Messung ein Retest-Effekt mitproduziert, der
nicht kontrolliert wird und der erheblich sein kann: Studien ohne Kon-
trollgruppe zeigten eine Effektstärke von 0.75. Die Studien mit dem
am besten kontrollierten Design hatten hingegen eine durchschnittli-
che Effektstärke von 0.40.
Da bei den kontrollierten Designs die Effektstärke aus der Differenz
zwischen trainierter Gruppe und Kontrollgruppe besteht, ist ironi-
scherweise bei den vermutlich informativsten Studien die Effektstärke
am kleinsten. Die auf der Differenz basierende Effektstärke hängt ent-
scheidend davon ab, welche Aufgabe (filler task) die Kontrollgruppe
erhält. Die Metaanalyse zeigte eine hohe Variabilität der Leistung der
Kon­trollgruppen. Kontrollgruppen, die ebenfalls räumliche Aufgaben
erhielten (beispielsweise, weil die Autoren einer Trainingsstudie einen
valide eingegrenzten Effekt ihrer Intervention prüfen wollten), redu-
zierten die Effektstärke einer Intervention, weil diese Kontrollgrup-
pen ebenfalls ihre Leistung verbesserten. Dies kann zu falschen
Schlüssen bezüglich der Effektivität eines Trainings führen: „Die grö-
ßere Leistungsverbesserung in den Kontrollgruppen, die räumliche

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Kognitives Training 351

filler tasks bekamen, reduzierte die Effektstärke zwischen Experimen-


tal- und Kontrollgruppen – dies führt zu dem (falschen) Eindruck, dass
das Training weniger effektiv war“ (Uttal et al., 2013, S. 363, Übers. v.
Verf.).
Die Metaanalyse zeigte für die in den Studien getesteten Zeiträume
(von unmittelbarem Posttest bis zu Posttests einen Monat nach der In-
tervention) keine Effekte des Zeitintervalls, woraus die Autorinnen und
Autoren folgerten, dass die Effekte zumindest in diesen Zeiträumen
als von Dauer anzusehen seien. Die Art des Trainings wurde bezüglich Keine Unterschiede in
dreier relativ grober Kategorien untersucht: Training durch Video- der Art des Trainings

spiele, Trainingswirkungen durch fachliches Studium (z. B. technisches


Zeichnen, Kurse im Medizinstudium) und Training durch spezifische
räumliche Aufgabenstellungen. Diese drei Kategorien zeichneten sich
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nicht durch unterschiedliche Effektstärken aus.


Für Studien, welche angaben, Transfer getestet zu haben (170 Studien)
wurde eine Effektstärke von 0.48 ermittelt. Die Frage, wie dieser Trans-
fer einzuordnen ist, wurde vor dem Hintergrund eines theoretischen Mo-
dells zur Klassifizierung räumlicher Prozesse untersucht. Dieses Modell
besteht aus einem Vierfelderschema, welches auf der einen Seite intrin-
sische vs. extrinsische visuell-räumliche Eigenschaften unterscheidet und
auf der anderen Seite statische vs. dynamische. Intrinsisch sind visuelle
und räumliche Eigenschaften eines einzigen Objekts, z. B. Form und
Farbe. Extrinsisch sind räumliche Beziehungen und Verhältnisse, z. B. der
Ort eines Objekts im Verhältnis zu einem anderen Objekt. Statische Ei-
genschaften verändern sich nicht, dynamische Faktoren beschreiben
Transformationen von Ansichten und räumlichen Verhältnissen. Typi-
sche Transformationen, wie sie in räumlichen Aufgaben gefordert wer- Transfer auf andere
den, sind intrinsisch-dynamisch, beispielsweise die mentale Rotation räumliche Prozesse

eines einzelnen Objekts oder das Falten und Entfalten eines Stücks Pa-
pier. Extrinsisch-statisch sind Aufgaben, bei denen es um das Verständ-
nis von Objekten im Verhältnis zu einem räumlichen Kontext geht. Ex-
trinsisch-dynamisch sind Veränderungen der räumlichen Perspektive
(beispielsweise zu imaginieren, eine andere Position im Raum einzu-
nehmen und den Raum von dort aus zu betrachten). Alle Trainings- und
Testaufgaben wurden bezüglich des Vierfelderschemas von den Auto-
ren der Metaanalyse klassifiziert. Wenn Trainings- und Testaufgaben im
selben Feld zu finden waren, handelte es sich um ähnliche Aufgaben
(naher Transfer). Wenn Trainings- und Testaufgaben in unterschiedli-
chen Feldern des Schemas zu finden waren, unterstellten die Autoren
unterschiedliche Repräsentationen und Prozesse und somit substanziel-
len Transfer. Für diese „weiten“ Trainingswirkungen wurde eine Effekt-
stärke von 0.55 ermittelt (51 Studien).

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Insgesamt beantworteten die Autoren die eingangs gestellten Fragen


positiv. Räumliche Fähigkeiten sind durch Training verbesserbar, das
Training ist nicht nur kurzfristig wirksam, und auch Transfer auf an-
dere räumliche Prozesse kann demonstriert werden. Zudem sind die
Trainingsmöglichkeiten reichhaltig, Videospiele und Einbettung in
fachliches Lernen kommen dafür infrage. Kaum diskutiert wurde al-
lerdings die Validität der Trainingsinterventionen im Vergleich zu al-
ternativen Interventionsmöglichkeiten.
Noch keine Erkennt- Auch diese Metaanalyse zeigte noch keine gesicherten Hinweise da­
nisse zu Transfer in
technische und
rauf, dass gezieltes Training räumlicher Fähigkeiten (Lern-)Leistun-
­naturwissenschaftliche gen in naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen Fä-
D
­ omänen chern (engl. Science, Technology, Engineering, Mathematics, kurz STEM)
erhöhen könnte: „Das Nicht-Vorhandensein von Studien, die Effekte
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von Trainings auf Leistungen in einer STEM-Domäne direkt messen,


ist enttäuschend“ (Uttal et al., 2013, S. 356, Übers. v. Verf.).
Im Kontext des Ziels von Bildung, die Anzahl fähiger Studierender in
den STEM-Disziplinen zu erhöhen, stellten Uttal et al. (2013) folgende
Modellrechnung an: Wenn durch breite Trainingsprogramme die Fä-
higkeit der Population um 0.40 Standardabweichungen erhöht würde
– was offenkundig möglich wäre –, gäbe es am „oberen Rand“ der Po-
pulation doppelt so viele Schülerinnen und Schüler sowie Studierende
mit räumlichen Fähigkeiten, wie sie typische Absolventen von STEM-
Fächern aufweisen. Ein realer Niederschlag eines solchen Vorgehens
basiert allerdings auf der noch unbewiesenen Annahme, dass tatsäch-
lich zwischen räumlichen Fähigkeiten und Erfolg in mathematischen,
naturwissenschaftlichen und technischen Fächern eine kausale Bezie-
hung besteht, nicht nur eine korrelative (vgl. Kap. 2). Uttal et al. (2013,
S. 369) forderten daher experimentelle Studien mit randomisierten
Stichproben zur Prüfung der Frage, ob Training in räumlichen Fähig-
keiten den Erfolg in STEM-Domänen tatsächlich erhöht. Solche Stu-
dien fehlen bislang.

Zusammenfassung
Bei einem kognitiven Training werden prozedurale Fertigkeiten und
Fähigkeiten vermittelt und durch wiederholte Ausübung trainiert.
Daher weist ein Training Bezüge zum Fertigkeitserwerb auf, vor
allem, wenn es sich um konsistente (begrenzte) Aufgaben handelt.
Bei konsistenten Aufgaben kann der Verlauf der Lernkurve gemäß
dem Gesetz der Übung erwartet werden. Daraus folgt eine hohe Ef-
fektstärke, aber auch eine geringe Wirkungsbreite. Auf diese Weise
kann man praktisch jede Aufgabe trainieren, u. a. indem man sehr

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Kognitives Training 353

ähnliche Aufgaben zum Trainieren einsetzt, wie sie auch im Test


eingesetzt werden.
Allerdings wünscht man bei einem Training oft einen Transfer auf
andere Aufgaben, von denen man annimmt, dass trainierte Prozess-
komponenten bei ihrer Bewältigung eine Rolle spielen. Herausfor-
dernd hierfür sind inkonsistente, komplexe kognitive Anforderun-
gen in Bereichen, in denen ständig hinzugelernt werden kann. Hier
müssen Vorüberlegungen angestellt werden, welche Prozesse trai-
niert werden sollen und welche Wirkungen davon zu erwarten sind.
Dies sichert die Konstruktvalidität und die Überprüfbarkeit. Um
wirksam und valide zu sein, muss das Training eine gewisse Spezi-
fität aufweisen. Um Transfer zu ermöglichen, darf es aber nicht zu
spezifisch sein. Eine mittlere Wirkungsbreite (für Validität und
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Transfer) und eine mittlere Effektstärke (für die Wirksamkeit) zeich-


nen daher ein gutes Training aus.
Die Validität und Wirksamkeit eines Trainings sollte mit einer Reihe
von Prüfschritten nachgewiesen werden. Dazu zählen der Nachweis
der Wirksamkeit, der Nachweis diskriminanter Validität, der Aus-
schluss nicht intendierter Wirkungen und der Nachweis einer ge-
wissen Dauer der Trainingseffekte.
Das Training induktiven Denkens von Klauer (1996a, 2001c) basiert
auf einer Theorie der bei einer induktiven Problemlösung beteilig-
ten Prozesse. Diese Prozesse werden explizit gemacht und mit ver-
schiedenen Materialien und Einkleidungen trainiert. Begleitet wird
das Training vom Erwerb von Kontrollstrategien. In einer Reihe von
Studien wurde der Nachweis der Validität und des weiten Transfers
auf schulische Leistungen erbracht. Insgesamt zeigt das Training
eine mittlere Effektstärke.
Die Förderung räumlicher Fähigkeiten erfolgt oft mit einem bezüglich
der kognitiven Prozesse unspezifischen Ansatz, beispielsweise durch
Computerspiele. Eine Metaanalyse (Uttal et al., 2013) zeigte zwar,
dass räumliche Fähigkeiten grundsätzlich trainierbar sind. Aller-
dings fehlen hier nach wie vor überzeugende Nachweise für weiten
Transfer, nämlich für die Vermutung, dass ein Training räumlicher
Fähigkeiten auch die (Lern-)Leistung in naturwissenschaftlichen,
technischen und mathematischen Domänen erhöht.

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354 Kapitel 12

Weiterführende
­Literatur Klauer, K. J. (Hrsg.). (2001). Handbuch Kognitives Training (2. Aufl.). Göttingen:
Hogrefe.

Fragen
1. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Effektstärke und
Wirkungsbreite eines Trainings?
2. Wie unterscheiden sich konsistente von inkonsistenten Aufga-
benbereichen, insbesondere hinsichtlich des Lernverlaufs und
der Wirkung von Training auf fähigere und weniger fähige Trai-
ningsteilnehmerinnen und -teilnehmer?
3. Was versteht man unter dem „Drei-Gruppen-Plan“ zur Trai-
ningsevaluation und welche Vergleiche kann man mit diesem
Plan anstellen?
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4. Welche Merkmale hat das Training induktiven Denkens von


Klauer?
5. „Gehirnjogging“-Programme versprechen Verbesserungen des
Gedächtnisses, der Aufmerksamkeitssteuerung und der Intel­
ligenz. Eine umfassende Trainingsstudie in einem realen Sze-
nario zeigte, dass „Gehirnjogging“-Programme weitgehend
­wirkungslos bleiben, wenn die Wirkungen mit Intelligenztest-
batterien geprüft werden (Owen et al., 2010). Woran könnte das
liegen?
6. Ein forschungsmethodisch skrupelloser Trainer möchte seinen
Trainingsansatz so evaluieren, dass eine möglichst hohe Effekt-
stärke dabei erzielt wird. Diese möchte er seinem forschungs-
methodisch naiven Auftraggeber als Wirkung des Trainings ver-
kaufen. Wie müsste er dabei vorgehen?
7. Ein Training in einem komplexeren Kompetenzbereich soll ge-
plant werden. Worauf ist bei Konzeption/Trainingsgestaltung
und Evaluation zu achten?

Lösungshinweise finden Sie unter


www.hogrefe.de/buecher/lehrbuecher/psychlehrbuchplus

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Glossar

Anderson-Greeno- Wissenschaftliche Debatte zwischen einer eher kognitionspsycholo-


Debatte gischen und einer eher konstruktivistischen Sichtweise auf Lehr-Lern-
prozesse, die sich im Kern mit dem Problem des Transfers befasst.

Anchored Instruktionspsychologisches Modell aus der Gruppe der Theorien


­Instruction situierten Lernens, das auf dem Prinzip der narrativen Verankerung
der zu vermittelnden Lehrinhalte basiert. Bekannt geworden sind
insbesondere die Jasper Woodbury-Abenteuer der Cognition and
Technology Group at Vanderbilt (1992).

Angebots-Nut- Auf den Bildungsforscher A. Helmke zurückgehendes, verbreitetes


zungs-Modell Rahmenmodell der Unterrichtswirksamkeit, das die Effizienz des
Universitätsbibliothek Mannheim / 134.155.194.21 (2023-09-28 12:11)

schulischen Unterrichts als ein komplexes Zusammenwirken von


Unterrichtsangeboten, Lerneraktivitäten und kontextuellen Rah-
menbedingungen modelliert.

Anterograde Gedächtnisausfall für jene Ereignisse, die zeitlich nach der Gehirn-
­Amnesie schädigung liegen (vgl. Retrograde Amnesie).

Aptitude-Treatment- Wechselwirkung zwischen Fähigkeit bzw. Eigenschaft (Aptitude)


Interaction (ATI) von Lernenden und Lernbedingung (Treatment). Eine Wechselwir-
kung bedeutet, dass eine Lernbedingung abhängig von den Fähig-
keiten bzw. Eigenschaften der Lernenden eine unterschiedliche Wir-
kung entfalten kann.

Arbeitsgedächtnis Kognitive Funktionen und Prozesse, die Informationen im laufen-


den Informationsverarbeitungsprozess aktiviert halten. Im Arbeits-
gedächtnis werden Informationen kurzzeitig gespeichert und verar-
beitet.

Attribution Ursachenzuschreibung. Unter Attribution wird in der Psychologie


ein kognitiver Prozess verstanden, bei dem wahrgenommenen Er-
eignissen mögliche Ursachen zugewiesen werden. Grundlage hier-
für ist die systematische Analyse des gemeinsamen Auftretens ver-
schiedener Ereignisse (Kovariationsprinzip). In der Pädagogischen
Psychologie wird insbesondere die Attribution von Erfolg und Miss-
erfolg in (schulischen) Leistungssituationen untersucht.

Attributionsstil Typische Art und Weise, in der Personen Erfolge und Misserfolge
durch unterschiedliche Ursachen erklären (z. B. Fähigkeit, Anstren-
gung, Glück).

Aufgabenanalyse Beschreibung deklarativer und prozeduraler Wissenskomponenten,


die zum Lösen einer Aufgabe erforderlich sind.

Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit auf etwas zu richten bedeutet, Informationen aus-


zuwählen und diesen Informationen Priorität bei der Verarbeitung
zu geben, dafür werden andere Informationen ausgeblendet.

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Glossar 385

Automatisierung Mit fortschreitender Übung wird immer weniger Aufmerksamkeits-


zuwendung nötig, um ein Verhalten (z. B. eine Fertigkeit) auszufüh-
ren.

Begabung Ausmaß, in dem eine Person Fähigkeiten besitzt, die es ihr ermög-
lichen, im Vergleich zu anderen besonders gute Ergebnisse zu erzie-
len. Dabei liegt der Ursprung der Begabung in einer Veranlagung
und geht nicht (allein) auf Förderung oder Übung zurück.

Bezugsnorm Standard, mit dem ein Leistungsergebnis verglichen wird, um es zu


bewerten.

Bildungswissen- Sammelbezeichnung für eine Vielzahl wissenschaftlicher Diszipli-


schaften nen, die sich mit der wissenschaftlichen Analyse von Bildungsfra-
gen befassen. Zu ihren Hauptbezugsdisziplinen gehören Erziehungs-
wissenschaft, Psychologie, Soziologie, aber auch die Philosophie und
die Wirtschaftswissenschaft.
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Black-Box-Modell Wissenschaftstheoretische Grundposition des Behaviorismus, nach


dem alle intrapsychischen Prozesse nicht der (wissenschaftlichen)
Beobachtung zugänglich sind und daher auch nicht zur Erklärung
von Verhalten herangezogen werden können.

Bobo-Doll-­ Grundlegende Experimente von A. Bandura zur Begründung der


Experimente Theorie des Modelllernens, bei denen das Verhalten von Kindern in
Abhängigkeit der Beobachtung des (experimentell variierten) Um-
gangs eines Versuchsleiters mit einer Spielzeugpuppe variierte.

Chunk Ein Chunk ist das Ergebnis der Bündelung von aktuell verarbeiteten
Informationen durch Langzeitgedächtnisstrukturen, sodass das Ar-
beitsgedächtnis entlastet wird.

Cognitive Instruktionspsychologisches Modell aus der Gruppe der Theorien


­Apprenticeship situierten Lernens, das auf einer Analogie der (idealisierten) Meister-
­(Kognitive Lehrlingsbeziehung in der Handwerksausbildung basiert. Beinhal-
­Meisterlehre) tet Elemente des Modelllernens und des situierten Lernens und eig-
net sich u. a. zur Strukturierung von Unterrichtssequenzen.
Instruktionsmethode für Coaching-Situationen zwischen Experten
und Novizen, um komplexe prozedurale Wissensbestände offenzu-
legen und zu vermitteln. Dazu wird die Interaktion und Kommuni-
kation zwischen Expertin und lernender Novizin strukturiert. Wich-
tige Elemente sind das Vormachen durch den Experten, das
Selbst-Versuchen einer Lösung durch den Novizen und das gemein-
same Reflektieren der Lösungsversuche.

Deklaratives Explizites (bewusst zugängliches) Gedächtnis für verbalisierbare


­Gedächtnis Fakten, Zusammenhänge, Konzepte, Ereignisse.

Deliberate Practice Kognitiv anstrengende, gezielte Übetätigkeit mit dem Ziel, Aspekte
der Tätigkeit bewusst zu verbessern. Problemlösende Herangehens-
weise, Fehleranalyse und Reflexion spielen eine große Rolle, nicht
aber das repetierende Ausführen zur Automatisierung.

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386 Glossar

Diskriminante Aspekt der Gültigkeit eines theoretischen Konstrukts: Ein Konstrukt


­Validität sollte empirisch nicht mit einem anderen Konstrukt (Kriterium) zu-
sammenhängen, mit dem es auch theoretisch nicht zusammenhän-
gen sollte.

Doppelaufgaben­ Aus dem Ergebnis der gleichzeitigen Bearbeitung von zwei unter-
paradigma schiedlichen Aufgaben wird versucht zu schließen, ob diese beiden
Aufgaben unterschiedliche oder gemeinsame kognitive Ressourcen
beansprucht haben.

Drei-Speicher-­ Modell von Atkinson und Shiffrin (1968) zur Erklärung von Gedächt-
Modell nisstrukturen und -prozessen. Stellt eine der grundlegenden Rah-
mentheorien der Kognitiven Psychologie dar, deren Grundideen sich
bis heute in theoretischen Modellen der Lehr-Lernforschung finden.

Drill and Practice Typ von computerbasierten Lernprogrammen, bei denen klein-
schrittiges Üben auf Basis vieler Aufgaben mit jeweils einfachster
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Interaktion und einfacher (Richtig-/Falsch-)Rückmeldung im Vor-


dergrund steht.

Dummy-Treatment Eine Bedingung, in der eine trainingsähnliche Aktivität (jedoch nicht


(Placebo) das geplante Training) umgesetzt wird, um nicht intendierte Trai-
ningseffekte (z. B. durch Zuwendung, Novität) abzuschätzen.

Effektstärke Statistisches Maß zur Abschätzung der Größe eines statistisch sig-
nifikanten Effektes. Wird vielfach verwendet zur Einschätzung der
praktischen Bedeutsamkeit empirisch nachweisbarer Effekte. Es gibt
eine Vielzahl von Maßen der Effektstärke, zu deren bekanntesten
Cohens d gehört.

Episodisches Explizites (bewusst zugängliches) Gedächtnis für konkrete Ereig-


­Gedächtnis nisse.

Erwartungs-Wert- Theorien, die Motivation als Resultat der Abwägung von Erwartun-
Theorien gen über zukünftige Erfolge und Misserfolge sowie Wertzuschrei-
bungen für Tätigkeiten oder Domänen beschreiben.

Evidence based Wissenschafts- und bildungspolitische Position, die die Rechtferti-


­education gung pädagogischer Interventionen an den empirischen Nachweis
ihrer Wirksamkeit knüpft.

Expertise Bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Person über bestimmte pro-
fessionelle Kompetenzen verfügt. Kennzeichnend ist, dass Exper-
tise als domänenspezifisch und erlernbar gilt.

Expertise reversal Instruktionale Hilfen, die sich bei Novizen als lernförderlich erwei-
effect sen, können bei Domänenexperten zu negativen Effekten führen.

Extrinsische Eine Aufgabe wird primär wegen ihrer Konsequenzen und nicht um
­Motivation ihrer selbst willen durchgeführt (vgl. Intrinsische Motivation).

Fähigkeits­ Kognitive Repräsentationen über die eigenen Fähigkeiten in ver-


selbstkonzepte schiedenen Bereichen.

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Glossar 387

Faktorenanalyse Korrelatives Verfahren, mit dem bestimmt werden kann, welche


Struktur (d. h. welche Faktoren) einer Menge von Items zugrunde
liegt. Faktorenanalysen werden beispielsweise zur Bestimmung der
Konstruktvalidität eingesetzt.

Fluide Intelligenz Sprachfreie und von Bildungseinflüssen weitgehend unabhängige


Intelligenzkomponente, die v. a. induktives und deduktives Denken
mit visuell-räumlichen Materialien erfasst.

Fünf-Faktoren-­ Bekanntes Modell der Persönlichkeitspsychologie, das die Struktur


Modell der Persön- der menschlichen Persönlichkeit anhand der Merkmalsausprägung
lichkeit (Big Five) auf fünf Dimensionen (Extraversion, Neurotizismus, Verträglich-
keit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen) beschreibt.
Die Erfassung erfolgt mithilfe standardisierter Fragebogenverfah-
ren.

Flynn-Effekt Anstieg der gemessenen durchschnittlichen Intelligenz von jeweils


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ca. 3 IQ-Punkten in 10 Jahren.

g-Faktor der Genereller, übergeordneter Faktor der Intelligenz.


­Intelligenz

Gesetz der Übung Exponentielle Lernkurve beim Erwerb von prozeduralem Wissen
(Fertigkeitserwerb). Zu Beginn ist der Lernfortschritt enorm. Die
Verbesserungen werden im Verlauf des Fertigkeitserwerbs immer
kleiner und die Lernkurve nähert sich einer Asymptote. Um noch
bessere Leistungen zu erzielen, sind dann immer höhere Trainings-
investitionen notwendig.

Goal-Based Instruktionspsychologisches Modell aus der Gruppe der Theorien


­Scenarios situierten Lernens, das sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass
dem Lernenden im Rahmen komplexer Lernszenarien eine be-
stimmte Rolle zugewiesen wird, die bestimmte Aufgaben lösen und
definierte Ziele erreichen muss.

Handlungs­ Volitionspsychologisches Konzept, das die Fähigkeit einer Person


abschirmung beschreibt, eine einmal begonnene Handlung trotz alternativer, at-
traktiver Handlungsalternativen aufrechtzuerhalten.

Hattie-Studie Eine auch in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Studie, bei der
der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie 2008 mehr als
800 Metaanalysen zu Determinanten schulischer Leistung reanaly-
siert und auf der Basis einer gemeinsamen Metrik hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit bewertet hat.

Hawthorne-Effekt Verhaltensänderung bzw. Leistungsverbesserung durch ein Trai-


ning, die darauf zurückgeht, dass die Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer wahrnehmen, dass sie an einer Trainingsmaßnahme teilhaben.

Hedges’ g (Effekt- Effektstärkemaß zur Abschätzung von (statistisch signifikanten)


stärkemaß) Gruppenunterschieden. Das Maß ist dem bekannten Cohens d ähn-
lich, wird insbesondere zur Effektstärkenberechnung bei kleinen
Gruppengrößen (< 20) empfohlen.

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388 Glossar

Implizite Theorien Menschen unterscheiden sich darin, inwiefern sie eigene Fähigkei-
über die Veränder- ten als veränderbar oder feststehend wahrnehmen. Diese Wahrneh-
barkeit von Intelli- mung beeinflusst, wie Personen Schwierigkeiten und Misserfolge
genz erleben und sich in Anbetracht dieser verhalten.

Induktionsproblem Eines der klassischen Probleme der Erkenntnistheorie, bei dem es


um die Gültigkeit der Schlussfolgerung vom Einzelfall auf allge-
meine Gesetzmäßigkeiten (Induktionsschluss) geht.

Induktives Induktives Denken bedeutet das Entdecken und Ableiten von Re-
­Denktraining gelmäßigkeiten bzw. Gesetzmäßigkeiten aus einer Menge von (mit-
einander verknüpften bzw. ähnlichen) Elementen, Beispielen oder
Fällen. Im induktiven Denktraining werden diese Informationsver-
arbeitungsprozesse gezielt und systematisch herausgearbeitet und
trainiert. Zusätzlich werden Kontrollstrategien eingeübt.
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Inquiry Learning Sammelbezeichnung für Instruktionsmethoden, bei denen Ler-


nende insbesondere in naturwissenschaftlich-technischen Domä-
nen Inhalte und Problemlösekompetenzen durch gemeinsame Pro-
blemlöseaktivitäten in authentischen Lernszenarien erwerben.

Instructional-­ Modelle zur Gestaltung von Lehr-Lernprozessen auf unterschiedli-


Design-Theorien cher Granularitätsebene. Es existieren eine Vielzahl von bereichs-
spezifischen und bereichsübergreifenden ID-Theorien, die in der
Regel auf bestimmten, beispielsweise behavioristischen, kognitiven
oder konstruktivistischen Auffassungen von Lernen basieren.

Intelligenz Allgemeines intellektuelles Potenzial, neue Sachverhalte zu erfassen,


Informationen zu verarbeiten, richtige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Intelligenzwert Einem Individuum wird aufgrund seines Gesamttestwertes in einem


(„IQ“) Intelligenztest ein Rangplatz innerhalb seiner Bezugspopulation zu-
gewiesen und mit dem Intelligenzwert ausgedrückt. Mit dem Intel-
ligenzwert wird in standardisierter Weise beschrieben, „wie weit“
(um wie viele Standardabweichungseinheiten) ein Individuum vom
Mittelwert seiner Bezugsgruppe „entfernt“ ist. Der „IQ“ hat einen
Mittelwert von 100 und seine Standardabweichung beträgt 15. Ein
Individuum mit einem IQ = 115 hat also einen Intelligenzwert, der
eine Standardabweichung oberhalb des Mittelwerts liegt.

Interesse Bezeichnung für eine Person-Objekt-Beziehung, die sich durch po-


sitive kognitive und affektive Bewertungen einer Person für einen
Gegenstand kennzeichnen lässt.

Intrinsische Die Ausübung einer Tätigkeit selbst wird als belohnend empfunden.
­Motivation Die Gründe für die Beschäftigung mit einer Aufgabe liegen in die-
ser selbst (vgl. Extrinsische Motivation).

Introspektion Form der Erhebung psychischer Prozesse durch Selbstbeobachtung.


Gilt gemeinhin als wenig zuverlässig, stellt allerdings für viele nicht
objektiv beobachtbare psychische Prozesse die einzige Form des
Phänomenzugangs dar.

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Glossar 389

Klassenführung Von der Lehrkraft bewusst gestalteter Rahmen für Unterrichtspro-


zesse im Klassenverband. Regelt z. B. Formen des sozialen Mitein-
ander, Verwaltungsroutinen und Verhalten beim Auftreten von Un-
terrichtsstörungen.

KMK-Standards für Von der Kultusministerkonferenz 2004 (Revision 2014) veröffent-


die Lehrerbildung liche, bundeseinheitliche Empfehlungen zur Ausgestaltung der bil-
dungswissenschaftlichen Ausbildungsinhalte von Lehramtsstudien-
gängen.

Kognitive Anregungsbedingungen (Instruktionen, Aufgaben, Herausforderun-


­Aktivierung gen) für das Lernen, die zu einer vertieften, bedeutungsvollen Aus-
einandersetzung mit den Lerninhalten führen.

Kognitive Belastung Generell sollen Anforderungen beim Lernen das Arbeitsgedächtnis


nicht überlasten (z. B. beim Verarbeiten, Zwischenspeichern und
Verknüpfen von neuer Information), da sonst das Lernen beeinträch-
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tigt wird. Intrinsische kognitive Belastung bezieht sich auf die Kom-
plexität des Lernmaterials (im Verhältnis zum Vorwissen des Ler-
nenden), irrelevante („extraneous“) kognitive Belastung bezieht sich
auf Gestaltungsfaktoren des Lernmaterials und lernförderliche Be-
lastung bezieht sich auf strategische Verhaltensweisen des Lernen-
den beim aktiven Verarbeiten der Informationen.

Kognitiver Stil Ein kognitiver Stil charakterisiert die Art und Weise, wie eine Per-
son wahrnimmt, denkt, Probleme löst, lernt und sich zu anderen
Personen verhält. Grundlage sind nicht kognitive Fähigkeiten, son-
dern stabile Einstellungen, Präferenzen und Strategien.

Kognitives Schema Übergeordnete Bezeichnung für eine mentale Wissensstruktur, die


die Einordnung und das Erkennen von Zusammenhängen von In-
formationen der Außenwelt erlaubt. Kognitive Schemata werden
konstruiert und leiten Wahrnehmung und Informationsverarbeitung
(Top-down-processing) sowie Gedächtnisabruf (Rekonstruktion).

Kognitive Tutoren Typ von computerbasierten Lernprogrammen, die eine differen-


zierte Wissensdiagnose des Lernenden anstreben und dabei dessen
prozedurales und deklaratives Wissen modellieren. Aufgrund des-
sen werden dem Lernenden komplexe Lernaufgaben vorgelegt und
es werden individuelle Lösungshinweise gegeben, die auf Fehler
beim Lösen der Aufgaben eingehen.

Komplexes Personen gehen mit computerbasierten Simulationen von Szenarien


­Problemlösen um (z. B. Steuerung eines Kraftwerks, eines Wirtschaftsunterneh-
mens etc.), in denen über einen Zeitverlauf bestimmte Zielgrößen
erreicht werden sollen. Dazu können bestimmte Eingangsgrößen
ein- und nachgestellt werden. Die interne Dynamik des Systems ist
den Personen nicht bekannt.

Konsistente Begrenzte Aufgaben, bei denen irgendwann nichts mehr hinzuge-


­Aufgaben lernt werden kann und die bei entsprechender Trainingsinvestition
hoch automatisierbar sind.

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390 Glossar

Konstruktvalidität Unterform des Gütekriteriums Validität. Bezeichnet die Gültigkeit


theoretischer Überlegungen zur Zusammensetzung eines Konstrukts
und der inneren Zusammenhänge seiner Komponenten. Sie gibt an,
inwieweit verschiedene Annahmen über das Konstrukt durch die
empirisch gemessene Größe gestützt werden. Beispiel: In einer hi-
erarchischen Intelligenztheorie weisen die Zusammenhänge zwi-
schen verschiedenen Intelligenzfaktoren auf den übergeordneten
­g-Faktor hin.

Kristallisierte Das Produkt aus fluider Intelligenz einerseits und Wissen bzw. Erfah-
­Intelligenz rung (Bildung) andererseits. Sie nimmt mit Bildung und Kompetenz­
erwerb zu, wird mit numerischen und verbalen Aufgaben gemessen
und ist kulturabhängig.

Kriteriumsvalidität Unterform des Gütekriteriums Validität. Gibt an, wie gut ein empi-
risches Maß (z. B. Noten) mit anderen Maßen für dasselbe Konst-
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rukt (z. B. Schulleistung) übereinstimmt.

Kritischer Auf K. Popper (1902–1994) zurückgehende wissenschaftstheoreti-


­Rationalismus sche Grundposition zur Erklärung und Begründung des Gültigkeits-
anspruchs wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Kurzinterventionen Interventionen zur Motivationsförderung, die mit wenig Aufwand


durchgeführt werden und langfristige positive Effekte auf Motiva-
tion und andere wünschenswerte Ergebnisse im Lern- und Leis-
tungskontext bewirken sollen (englisch: Minimal oder Wise Inter-
ventions).

Kybernetik Wissenschaftsdisziplin, die sich mit der Beschreibung und Erklä-


rung von Steuerungs- und Regelprozessen in technischen, biologi-
schen und sozialen Systemen befasst. In der Pädagogischen Psycho-
logie finden sich kybernetische Modellvorstellungen unter anderem
in den Modellen des selbstregulierten Lernens.

Lautes Denken Methode der Datengewinnung, bei der Personen gebeten werden,
entweder simultan oder retrospektiv zur Ausführung kognitiver Pro-
zesse ihre dabei ablaufenden Gedanken laut auszusprechen.

Lehren Systematische Tätigkeit, die auf die Initiierung, Aufrechterhaltung


und/oder Unterstützung von Lernprozessen abzielt.

Lehrfunktionen Beschreiben die von einer Lehrperson zu erbringenden Leistungen


zur Realisierung wirksamer Lehre. Oft in Form theoretischer Mo-
delle mit Bezug zu Lerntheorien formuliert.

Lehrziele Beschreiben die erwarteten Ergebnisse von Lernprozessen, z. B. in


Form von Verhaltenserwartungen oder Kompetenzanforderungen.

Lehrzieltaxonomien Stellen systematische, oft hierarchisch strukturierte Zusammenstel-


lungen von Lehrzielen in verschiedenen Bereichen (kognitiv, affek-
tiv, psychomotorisch) dar. Dienen der Operationalisierung der Ver-
haltenserwartungen an den Lerner.

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Glossar 391

Leistungsmotiv Grundlegendes menschliches Bedürfnis, das sich im Streben nach


Erfolg bei der Bewältigung herausfordernder Aufgaben ausdrückt.
Es setzt sich aus den antagonistischen Tendenzen Hoffnung auf Er-
folg und Furcht vor Misserfolg zusammen.

Lernen Bezeichnet den mehr oder weniger dauerhaften Aufbau oder die
Veränderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Lernstrategien Bezeichnen systematische, auf das Lernen bezogene Aktivitäten des


Lerners mit dem Ziel, die Effizienz von Lernprozessen positiv zu be-
einflussen.

Lerntagebuch Empirisch gut erforschtes Instrument zur Förderung selbstregulier-


ter Lernaktivitäten durch die systematische und standardisierte
schriftliche Protokollierung von Lernanforderungen, -handlungen
und Ergebnissen in Tagebuchform.

Long-Term Working Durch Übung entstandene, für eine Domäne/für ein Material spe-
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Memory zifische Speicher- und Abrufstrukturen im Langzeitgedächtnis, die


Arbeitsgedächtniseigenschaften aufweisen.

Mastery Learning Bezeichnet einen Unterrichtsansatz, dessen Ziel darin besteht, dass
alle Lernenden das gesetzte Lehrziel vollständig erreichen, unab-
hängig von der dafür benötigten Instruktionszeit.

Mathematantischer Bezeichnet den in instruktions- und trainingspsychologischen Un-


Effekt tersuchungen gelegentlich zu findenden Effekt, dass die Leistung
trainierter Probanden im Vergleich zu untrainierten Probanden zu-
nächst absinkt. Wird in der Regel mit Interferenz- oder Cognitive-
Load-Effekten erklärt.

Metaanalyse Statistische Analyse von mehreren einzelnen Studien zu einer Fra-


gestellung, die eine zusammenfassende Aussage zu der Fragestel-
lung zum Ergebnis hat.

Modalitätseffekt Multimedia-Lernen funktioniert effizienter, wenn die sprachliche


Information, die gemeinsam mit bildlicher Information gezeigt wird,
gesprochen dargeboten wird (auditive Modalität), als wenn sie ge-
schrieben dargeboten wird (visuelle Modalität).

Motivation Psychische Kraft, die dem Verhalten Intensität, Richtung und Aus-
dauer gibt.

Multimedia-Effekt Lernen funktioniert effizienter, wenn sprachliche und bildliche In-


formationen zum Lerngegenstand (gemeinsam) dargeboten wer-
den, als wenn Informationen entweder nur in sprachlicher oder nur
in bildlicher Form dargeboten werden.

Multiple Eine empirisch nicht gestützte Intelligenztheorie, die behauptet,


­Intelligenzen dass es mehrere voneinander unabhängige, biologisch angelegte
„Intelligenzen“ gäbe. Hochleistung wird von der Theorie durch spe-
zifische Begabung erklärt. Die konventionelle Messung der Intelligenz
durch Intelligenztests wird als Artefakt kritisiert, andererseits hat
die Theorie selbst noch keine Messverfahren hervorgebracht, die
den Gütekriterien genügen.

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392 Glossar

Mixed Methods-­ In der Unterrichtsforschung verbreiteter methodologischer Ansatz,


Ansatz der den Einsatz qualitativer und quantitativer Verfahren systema-
tisch miteinander verbindet.

Multiple Lerngegenstände werden in unterschiedlichen Codes (sprachlich,


­Repräsentationen bildlich) und für verschiedene (Sinnes-)Modalitäten (visuell, audi-
tiv) in verschiedener Form (dynamisch, statisch etc.) repräsentiert.

Nicht-deklaratives Implizites (nicht bewusst zugängliches und nicht verbalisierbares)


Gedächtnis Gedächtnis für Fertigkeiten, automatisierte Informationsverarbei-
tungsprozesse, konditioniertes Verhalten und Priming.

Niedrig vs. hoch Bezeichnet das Ausmaß, in dem die Klassifikation beobachteten Ver-
­inferente Ratings haltens von der Einschätzung (Interpretation) des Beobachters ab-
hängt. Je inferenter ein Rating, umso mehr hängt die Urteilsgüte von
Erfahrung und Schulung des Beobachters ab.
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Novitätseffekt Verhaltensänderung bzw. Leistungsverbesserung durch ein Trai-


ning, weil dieses neu und interessant erscheint.

Optimalklassen Klassen, in denen Schülerinnen und Schüler hinsichtlich mehrerer


Zielkriterien (z. B. Zuwachs an Leistung und Motivation, Verringe-
rung der Leistungsstreuung) im Vergleich zu anderen Klassen über-
durchschnittliche (optimale) Ergebnisse erreichen.

Person-­ Bezeichnet das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den Vor-


Environment-Fit aussetzungen, die eine Person mitbringt, und den Bewältigungsan-
forderungen der Umwelt. Wird quantifiziert über Fit-Indizes und ist
verbreitet z. B. im Bereich der Forschung zu Berufsinteressen und
zur Arbeitsbelastung.

Phonologische Verbales Speicher-Subsystem des Arbeitsgedächtnisses. Speichert


Schleife sprachliche Information in einem phonologischen Code und reak-
tiviert die Information durch subvokales Artikulieren.

Portfolio Im Bereich der Pädagogischen Psychologie wird der Begriff verwen-


det als Bezeichnung einer Sammlung von Leistungsartefakten zur
Abschätzung von Lernergebnissen.

Power-generality Beschreibt das Verhältnis zwischen Effektstärke und Bereichsspezi-


trade-off fität eines Trainings: Je „breiter“ (weniger spezifisch) ein Training
angelegt ist, desto geringer die Effektstärke. Je spezifischer ein Trai-
ning, desto höher die Effektstärke. Sehr spezifische Trainings haben
gewöhnlich die höchsten Effektstärken, ein Transfer auf andere Be-
reiche ist dann aber eingeschränkt.

Premack-Prinzip Bezeichnet die Verstärkerwirksamkeit von Attraktivitätsunterschie-


den zwischen Handlungsalternativen. Danach kann das Inaussicht-
stellen einer Handlung dann verhaltensverstärkend wirken, wenn
die in Aussicht gestellte Handlung für den Lerner attraktiver ist als
die aktuell geforderte Handlung. Findet häufig Anwendung in der
Unterrichtsplanung.

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Glossar 393

Primärfaktoren Einer theoretischen Annahme von Thurstone (1938) zufolge gibt es


der Intelligenz sieben voneinander unabhängige Primärfaktoren der Intelligenz
(Sprachverstehen, Wortflüssigkeit, schlussfolgerndes Denken, räum-
liches Denken, Rechenfertigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit
und Gedächtnis). Die Unabhängigkeit der Primärfaktoren hat sich
jedoch nicht bestätigen lassen.

Priming Automatische Aktivationsausbreitung („Vor-Aktivierung“) im Lang-


zeitgedächtnis aufgrund von Erwartungen darüber, welche Gedächt-
niselemente in den laufenden Informationsverarbeitungsprozess
Eingang finden werden. Erleichtert den Abruf derart vor-aktivierter
Elemente aus dem Gedächtnis.

Problem Based Sammelbegriff für Methoden des situierten Lernens, bei denen die zu
Learning erwerbenden Kompetenzen in Form komplexer, authentischer Pro-
bleme vermittelt werden, verbreitet u.a. in der Ausbildung von Me-
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dizinstudenten.

Programmierter Sammelbegriff für behavioristische Instruktionsmodelle, bei denen


­Unterricht das Erreichen eines Lehrziels durch die systematische Anwendung
von Prinzipien des operanten Konditionierens angestrebt wird.

Proposition Eine Repräsentation der Bedeutung (eines sprachlichen Satzes, eines


Sachverhaltes, eines Konzepts, das mit einem anderen Konzept in
Verbindung steht), die im Gedächtnis gespeichert ist.

Prototypen Theorie der Repräsentation von Kategorien (Konzepten, Begriffen),


die davon ausgeht, dass ein besonders typisches Exemplar (der „Pro-
totyp“) die Kategorie repräsentiert und als Referenz für Klassifizie-
rungsprozesse dient.

Prozedurales Wissen Implizites (nicht bewusst zugängliches) Wissen über Handlungen


und Fertigkeiten („knowing how“).

Pygmalion-Effekt Verhaltensänderung bzw. Leistungsverbesserung durch ein Trai-


ning, die auf Erwartungen des Trainers oder der Trainerin zurück-
geht.

Qualitätsmerkmale Prozessmerkmale des Unterrichts, die nachweislich Zielgrößen (ins-


des Unterrichts besondere Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler) positiv beein-
flussen, wenn sie ihrerseits positiv gestaltet werden. Beispiele für
Qualitätsmerkmale sind Klassenführung, Klarheit und Strukturiert-
heit, Kognitive Aktivierung und Lernklima.

Quasi-Experiment Empirische Forschungsmethode, die den Bedingungen eines Expe-


rimentes (systematische Bedingungsvariation, Kontrolle von Stör-
variablen) entspricht, mit Ausnahme der randomisierten Versuchs-
personenzuweisung zu den experimentellen Gruppen. Wird aus
rechtlichen und Opportunitätsgründen häufig in der schulischen
Lehr-Lernforschung verwendet.

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394 Glossar

Redundanz Wenn in einer Multimedia-Darbietung die gleiche Information


mehrfach vorkommt (z. B. der gleiche Text gesprochen und auch ge-
schrieben), dann führt das zu einer Verminderung der Lerneffizienz.

Rehearsal (Typ I) Stärkung von Gedächtnisaktivation durch Wiederholen.

Rehearsal (Typ II) Stärkung von Gedächtnisaktivation durch Verknüpfen, Anreichern


und Einordnen in Kategorien und Schemata.

Reinforcement Grundprinzip des operanten Konditionierens, nach dem die Auftre-


tenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens variiert in Abhängigkeit von
den mit dem Verhalten verbundenen Konsequenzen („law of ef-
fect“). Von entscheidender Bedeutung ist dabei nicht die Art der Ver-
stärkung, sondern ihre Bewertung durch den Lernenden.

Reliabilität Neben Validität und Objektivität eines der drei wichtigen Gütekrite-
rien einer Messung. Weist aus, inwiefern eine Messung zuverlässig,
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also genau ist. Dies lässt sich beispielsweise darüber erfassen, wie
sehr sich die Messungen über mehrere Messzeitpunkte gleichen.

Retrograde Amnesie Gedächtnisausfall für jene Ereignisse, die zeitlich vor der Gehirn-
schädigung liegen (vgl. Anterograde Amnesie).

Reziproker Grundlegendes Konzept aus dem Bereich des Modelllernens, nach


­Determinismus dem Verhalten durch die wechselseitige Beeinflussung einer Person
und ihrer Umwelt bestimmt wird.

Selbstbestim- Theorie, die Art und Ausmaß der Motivation dadurch erklärt, inwie-
mungstheorie fern äußere Bedingungen die Befriedigung grundlegender Bedürf-
nisse ermöglichen. Postuliert werden die drei Grundbedürfnisse
Kompetenz-, Autonomie- und Zugehörigkeitserleben.

Selbstbewertungs- Theorie, die das Leistungsmotiv in die drei Prozesskomponenten Ziel-


modell setzung, Ursachenzuschreibung und Selbstbewertung zerlegt und
so beinflussbare Teilkomponenten einer ansonsten relativ stabilen
Persönlichkeitseigenschaft identifiziert.

Selbstregulation Fähigkeit (von technischen, biologischen oder sozialen Systemen)


zur eigenständigen Regulation von Handlungen und Systemzustän-
den. In der Pädagogischen Psychologie insbesondere im Rahmen
von Modellen des selbstregulierten Lernens thematisiert.

Selbstwirksamkeit Motivationspsychologisches Konzept, das sich auf die Überzeugung


einer Person bezieht, ein angestrebtes Ziel durch eigene Aktivitäten
erreichen zu können.

SELLMO Die Skalen zur Erfassung der Lern- und Leistungsmotivation sind
ein deutschsprachiges Instrument zur Diagnose von vier Zielarten:
Lernziele, Annäherungs-Leistungsziele, Vermeidungs-Leistungs-
ziele und Arbeitsvermeidung.

Semantisches Gedächtnis unseres Weltwissens in Form von Konzepten, Schemata


­Gedächtnis und Fakten und deren Verknüpfungen. Außerdem das Wissen da­
rüber, wie diese Elemente sprachlich ausgedrückt werden.

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Glossar 395

Sensorischer Für jede Sinnesmodalität (Sehen, Hören etc.) existieren Zwischen-


S
­ peicher speicher von kurzer Haltedauer, die Reizeindrücke der Außenwelt
von den Rezeptoren enthalten, die dann weiterverarbeitet werden.

Simulation Typ von computerbasierten Lernprogrammen, die einen Ausschnitt


der Realität dynamisch in einem virtuellen Modell nachbilden und
dabei auf Eingaben reagieren.

Situiertes Lernen Sammelbezeichnung für eine Gruppe moderner Lehr-Lerntheorien,


deren Hauptanliegen in der Lösung des Transferproblems durch die
Einbettung von Lerninhalten in authentische, lebensnahe Problem-
löseszenarien besteht.

Skript Generalisierte, erfahrungsbasierte Erwartungen über typische Ab-


läufe alltäglicher Handlungen – beispielsweise, wie ein Einkauf oder
ein Restaurantbesuch abläuft.
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Status-Gewinn-­ Korrelation zwischen dem Status (Fähigkeit vor dem Training) und dem
Korrelation Gewinn (Fähigkeitszuwachs durch das Training). Eine positive Korre-
lation entspricht dem Matthäus-Effekt („wer hat, dem wird gegeben“).

Subjektive Theorien Bezeichnen individuelle Erklärungsmuster in Hinblick auf die kau-


sale Erklärung von Phänomenen, die mit wissenschaftlichen Theo-
rien kompatibel sein können, aber nicht müssen. Subjekte Theorien
sind erfahrungsbasiert, veränderbar und beeinflussen Informations-
auswahl und Verhalten der Person. Beispiele für subjektive Theo-
rien sind die Überzeugungen von Lehrkräften über die Effizienz ver-
schiedener von ihnen verwendeter Lehrmethoden.

Subjektiver Wert Kognitive und/oder emotionale Wertzuschreibung für Tätigkeiten


einer Aufgabe oder Domänen, die sich in vier Aspekte unterteilen lässt: Intrinsi-
sche oder Interessens-Werte, persönliche Wichtigkeit, wahrgenom-
mene Nützlichkeit und Kosten.

Testwiederholungs- Gemessene Leistungsverbesserung, die allein darauf zurückgeht,


effekt dass bei zwei Messungen der gleiche Test verwendet wurde.

Top-down-­ Erwartungsgesteuerte Informationsverarbeitung, bei der existieren-


processing des Wissen in kognitiven Schemata des Langzeitgedächtnisses die In-
terpretation der aktuellen Wahrnehmung steuert.

Transfer Übertragung von Leistungsverbesserungen auf „entferntere“, aber


mit dem trainierten Bereich zusammenhängende Bereiche (Beispiel:
Ein Training induktiven Denkens verbessert die Leistung in einem
induktiven Intelligenztest, aber auch Lernleistungen in der Schule).

Träges Wissen Bezeichnet ein häufig zu beobachtendes Transferproblem, bei dem


Lernende zwar grundsätzlich über spezifisches Wissen verfügen, je-
doch nicht dazu in der Lage sind, dieses in konkreten Problemlöse-
situationen auch angemessen zu verwenden.

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396 Glossar

Tutorielle Typ von computerbasierten Lernprogrammen, die ein Wissensge-


­Programme biet durch multimediale Darbietungen erschließen und dabei Sach-
verhalte und Zusammenhänge erklären. Diese Programme können
auch komplexere Übungen und Aufgaben enthalten.

Validität Neben Objektivität und Reliabilität eines der drei wichtigen Gütekri-
terien einer Messung. Gibt an, inwiefern das gemessen wird, was
gemessen werden soll.

Verbalizer Person, die es bevorzugt, mit verbalem Lernmaterial zu lernen.

Visualizer Person, die es bevorzugt, mit visuellem Lernmaterial zu lernen.

Zieltheorien Theorien, die Motivation als Streben nach Zielen ansehen und ent-
weder formale Aspekte oder Inhalte von Zielen fokussieren.

Zuwendungseffekt Verhaltensänderung bzw. Leistungsverbesserung durch ein Trai-


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ning, die darauf zurückgeht, dass die Teilnehmerinnen und Teilneh-


mer wahrnehmen, dass man ihnen besondere Aufmerksamkeit wid-
met.

Zwei-Faktoren-­ Spearman (1923) zufolge liegt verschiedenen Intelligenzaufgaben


Theorie der ein allgemeiner Faktor (g-Faktor) zugrunde. Jede Einzelaufgabe ent-
­Intelligenz hält g sowie eine testspezifische Anforderung.

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Sachregister

10-Jahres-Regel 144 ATI-Hypothese 248, 250


Attention 269
A Attribute 112
Abbilder 243 Attribution 194
abergläubisches Verhalten 77 Aufgaben
ability-as-compensator 249 −− finite bzw. konsistente 335
ability-as-enhancer 248
−− infinite bzw. inkonsistente 335, 336, 343
absolutes Gehör 158
Aufgabenanalyse 138
ACT-R 231
Aufmerksamkeit 82, 96
ACT-Theorie 121
ausgearbeitete Lösungsbeispiele 250
adaptive Lehrmethoden 46
Auslöseeffekt 85, 86
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Adaptivität 266
Authentisches Lern-Assessment 279
AIST-R 322
Authentizität der Lehrsituation 275
akkumulierte Übezeit 145
Automatisierung 126, 127, 137
aktionale Phase 213
Aktivation 98, 124 B
Aktivationsausbreitung 116 Basiskategorie 113
Alltagstheorien 36 Begabung 156
Amnesie behaviorale Maße 51
−− anterograde 109 behavioristische Lerntheorie 316
−− retrograde 109 Belastungstypen 323
Analyse und Sequenzierung von Teilzielen Belonging Interventions 201
259 Beobachten 81
Analysis Theory 273 Berliner Intelligenzstrukturmodell 169, 177
Anchored-Instruction-Ansatz 278, 280, 281 Berufs-Interesse 321
Angebots-Nutzungs-Modell des Unterrichts Bestrafung 75
295 Bestrafung Typ 2 76
Angst 319 Bewältigungsmuster 324
Annäherungs-Leistungsziele 189 Bewertungen 214
Anwendung 286 Bewertungsprozesse 214
Aptitude-Treatment-Interaction (ATI) 43, Bezugsnorm 198
248, 252 bibliometrische Kennwerte 23
Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Bildungsprozesse 17
Erlebensmuster (AVEM) 323 bildungswissenschaftliche Forschung 320
Arbeitsgedächtnis 98, 232 Black Box 62
Arbeitsgedächtniskapazität 102, 172 blind review 22
Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley 236 Bobo-Doll-Experimente 80
Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Bottom-up-Prozesse 243
Forschung (AEPF) 18 Building Theory 273
Arbeitsvermeidungsziele 189
ARCS-Modell 269 C
Areas of Interest (AOIs) 52 Chaining (Verkettung) 78, 79
Articulation 281 chunk 144
Assoziationslernen 62 Clusteranalyse 300
ATI-Effekte 46 Coaching 280

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398 Sachregister

COACTIV-Studie 312, 313, 327 ELO-Spielstärken 153, 154


Cocktailparty-Phänomen 97, 104 emotionales Design 245, 247
Codes 236 Emotionen 246
Cognitive-Affective Theory of Learning with empirische Humanwissenschaften 13
Media (CATLM) 246 empirische Pädagogik 20
Cognitive Apprenticeship 149, 280 empirischer, häufig experimenteller Zugang
Cognitive Load Theory 35, 232 18
Cognitive Theory of Multimedia Learning enkodieren 95
(CTML) 236 Entdeckendes Lernen 276
Cognitive Tutor 231 Entzugsbestrafung 76
community of experts 280 E-Portfolios 55
Component Display Theory 264 EPOS-Modell 214
Confidence 269 erkenntnis- wie einer nutzenorientierten
Curriculumstheorien 273 Perspektive 37
Ermüdungstechnik 69
D
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Erwartungs-Wert-Theorien 187
Dämpfungstheorie 97
Erziehung und Sozialisation 14
Deckeneffekt 342
essential components 284
deep-level approach 209
Evaluationsstudien 272
deklaratives Wissen 286
Evaluationsverfahren 287
deliberate practice 147
Evaluation Theory 273
Deutsche Gesellschaft für Psychologie 12
events of instruction 267
diagnostizieren 14
Event Theory 273
Diagramme 243
evidenzbasierte Lehrerbildung 325
dichotische Höraufgaben 104
Experiment 43
direkte Instruktion 259, 311
direkte Verhaltensbeobachtung 40 experimentelle Zugänge 39
diskriminante Validität 337, 340 Experte 325
Diskrimination 80 Experten-Novizen-Paradigma 325
diskriminativer Stimulus 73 Expertiseforschung 324
Domänenexperten 285 Expertisemodell von Dreyfus und Dreyfus
done by the learner 258 325
Doppelaufgabenparadigma 101 Expertise-reversal-Effekt 249
Drei-Gruppen-Plan 338 Exploration 281
Drei-Schichten-Modell 210 Extinktion 67
Drittmittelförderung 21 extraneous cognitive load (ECL) 233
dual coding 237 Eye-Mind-Hypothese 52
duale Kodierung 107
F
Dummy-Treatment 338
Fachdidaktik 295
Durchführungs- und Auswertungsökonomie
Fachdidaktisches Wissen 313
51
Fachgruppe Pädagogische Psychologie 18
E Fachkongresse 22
ECOLE-Ansatz 272 Fachzeitschriften 22
Effektivitätsforschung 295, 298 Fading (Ausblenden) 78, 79
Effektstärke 47, 221, 302, 335, 339, 347, 348, Fähigkeitsselbstbild 317
350 Fähigkeitsselbstkonzepte 187
Eigenaktivität des Lerners 259 Faktorenanalysen 168
Eignungstests 178 FEASP-Ansatz 272
Elaborationsstrategien 217 Fehlervermeidung 287

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Sachregister 399

Feldabhängigkeit 251 Growth Mindsets 201


FEMOLA 322 Gütekriterien 174, 177
Fertigkeitserwerb 335
Filtertheorie 97 H
Flanders Interaction Analysis Categories Handlung 275
(FIAC) 296 Hattie-Studie 304
Flooding 69 Hawthorne-Effekt 337
Fluchtreaktion 75 Heatmaps 53
Flynn-Effekt 180 Hemmungs- bzw. Enthemmungseffekt 85, 86
Förderung selbstregulierten Lernens 223 Heterogenität in der Befundlage 289
formative Evaluation 305 heuristisches Klassifikationsschema 265
Forschungsstrategie 32 Hidden Patterns Test 170
Four-Component Instructional Design Modell h-Index 23
273 Hippocampus-Formation 110
Fragebögen und Self-Assessments 39 Hochbegabung 167
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Fragebogenverfahren 218
Fremdbeurteilungen 218 I
Fremdregulation 207 Implementation Theory 273
Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit 321 implizite Theorien über die Veränderbarkeit
von Intelligenz und Begabung 201
G
individuumsbezogene Perspektive 28
Geburtsstunde der Pädagogischen
Induktionsproblem 33
Psychologie 17
Gedächtnis induktives Denken 180, 344
−− deklaratives 105 Informationsaufnahme 268
−− episodisches 105 Informationsspeicherung 268
−− nicht-deklaratives 107 Informationsverarbeitung 268
−− prozedurales 107 inkrementelle Validität 172
−− semantisches 105 Inquiry Learning (IL) 276, 277
Gedächtniskünstler 142 Instructional-Design-Theorien 273
Gedächtnisspanne 102 instructional events 267
Gedächtnistechniken 143 Instructional Transaction Theory 264
Gegenkonditionierung 69 instruktionale Gestaltung 208
geisteswissenschaftlich hermeneutische instruktionale Interventionen (Treatments)
Herangehensweise 18 43
Generalisieren 80 Instruktionsgestaltung 29
Generatives Lernformat 282
Instruktionsmethode 294
germane cognitive load (GCL) 233
Instruktionspsychologie 260
Gesellschaft für Empirische
Integration 242
Bildungsforschung (GEBF) 21
integratives Modell 243
Gesetz der Bereitschaft 62
Gesetz der Übung (power law of practice) 62, integratives Modell des Text- und
334, 343 Bildverstehens 243
Gesetz der Wirkung 62 Intelligenz 333
Gestaltung schulischen Unterrichts 261 −− fluide 169, 173
Gestaltung von Materialen 261 −− kristallisierte 170
gezieltes Üben 146, 148, 150 Intelligenzprofil 157, 165
g-Faktor 166, 169 Intelligenztestwerte 153, 154, 175
Goal-Based Scenarios (GBS) 278, 280, 283 Intelligenztheorien 167

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400 Sachregister

Interesse 192 Kontiguität 65


−− individuelles 193 Kontiguitätsprinzip 239
−− situatives 193 Kontingenzmanagement 77
Intervallpläne 77 Kontingenzprinzip 71
Interviews 220 Kontingenzverträge 78
intrinsic cognitive load (ICL) 233 kontinuierlicher Austausch 263
Intrinsische kognitive Belastung (ICL) 233 kontinuierliche Verstärkung 262
Introspektion 61 kontrollierende Feedbackschleifen 209
Introspektionsverfahren 49 kontrollierte Aufmerksamkeit 99
Irrelevante kognitive Belastung (ECL) 234 konvergente Validität 337
Korrelationsstudien 42
J korrelative Studien 39
Journal Impact Factor (JIF) 23 Kriteriumsorientiertes Testen 32
K kritischer Rationalismus 33
kategorialer Code 95 Kurzinterventionen 200
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Kategorien 118 Kybernetik 206


Klassenführung 305 L
Klassifikationssysteme 41 Langzeitgedächtnis 92, 104
Klassifikation von Lehrzielen 263 Lautes Denken 138, 220
klassisches Konditionieren 63, 310 law of effect 261
knowledge acquisition 60 Learning Sciences 60
knowledge construction 60 Lebenslanges Lernen 220
kognitive Aktivierung 312 Lehralgorithmus 268
kognitive Komponenten 209 Lehrerexpertiseforschung 325
kognitive Lernstrategien 217 Lehrerkompetenzmodell 326
Kognitive Psychologie 12 Lehrerpersönlichkeit 321
kognitive Schemata 92, 316 Lehrerprofessionalität 320
kognitive Theorie multimedialen Lernens Lehrfunktionen 268
236 Lehrfunktionsmodell 215, 268
kognitiver Konflikt 245 Lehr-Lernforschung 297
kognitiver Stil 250 Lehr-Lernkontexte 28
kollaboratives Problemlösen 276 Lehrzieldefinition 259
Kommunikation zwischen Lehrendem und Lehrziele 13
Lernendem 276 −− affektive 264
kompetenter Strategiegebrauch 224 −− kognitive 264
Kompetenzen −− psychomotorische 264
−− bildungswissenschaftliche 328 Lehrzieltaxonomien 263
−− fachliche 327 Leistungsangst 319
−− pädagogisch-psychologische 327 Leistungsdaten 54
konditionierte Reaktion (CR) 64 Leistungsmotiv 194
konditionierter Stimulus (CS) 64 Lernen
Konditionierung 108 −− als Handlung 206
Konnektionismus 62 −− als mentale Konstruktion 206
Konsistenzmaße 55 −− durch Experimentieren 277
Konstruktion 115 Lernervoraussetzungen (Aptitudes) 43
Konstruktivismusdebatte 34 lernförderliche kognitive Belastung (GCL)
konstruktivistische Ansätze 274, 275 234
Konstruktvalidität 338 lernförderliches Klima 315

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Sachregister 401

Lernkurven 66 Motive
Lernprozessdiagnostik 266 −− explizite 195
Lernprozesse 14 −− implizite 195
lernpsychologische Grundlage 28 Multimedia-Effekt 238
Lerntagebücher 50, 51, 220 Multimedia-Präsentationen 238
Lern- und Leistungsziele 189 multiple Intelligenzen 156
Lesespannentest 102
N
Long-Term Working Memory 140, 142
Nachahmen 81
Löschung (Extinktion) 66, 307
narratives Format 282
M natürliche Modelle 83
Makrostrategien 216 negative Verstärkung 74
Mastery Learning 262 Neo-Behaviorist 82
mathematantischer Effekt 224 neutraler Stimulus (NS) 64
Matthäus-Effekt 342, 343 Novitätseffekt 338
Nutzungsineffizienz 224
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McGurk-Effekt 96
Mediationsdefizit 223
O
mehrebenenanalytische Verfahren 32
Oberflächenstruktur 114
mental effort 235
Objektivität 41, 49
mentale Modelle 106
Operant 73
mentale Rotation 339, 349
operantes Konditionieren 63, 306
Mental Rotation Test 171
Optimalklassen 301
Metaanalysen 46, 179, 220, 221, 286, 301,
Organisation 242
302, 347, 349
Organisationsstrategien 217
Metakognitionen 50
metakognitive Komponenten 209 P
Meta-Metaanalyse von Hattie 220 Paare verwandter Abenteuer 282
Methode der inkompatiblen Stimuli 70 Pädagogik 18
Methode des Lauten Denkens 50 Pädagogische Psychologie 12, 20
Methodendebatte 38 Paper Folding Test 170
Methoden der formativen Evaluation 279 Person-Environment-Fit 322
Mikroregulation des Strategieeinsatzes 215 persönlichkeitspsychologische Ansätze 321
Mikrostrategien 216 Perspective Taking Test 171
Minimal Interventions 200 Perspektive
Modalitäten 236 −− behavioristische 258
Modalitätseffekt 240 −− kognitionspsychologische 258
Modeling 280 −− konstruktivistische 258
Modell der guten Informationsverarbeitung Pfadanalysen 42
(GIV-Modell) 93, 208 Phase
Modelle 34 −− assoziative 148
Modelleffekt 85 −− autonome 148, 150
Modelllernen 80 −− kognitive 148
Motivation 83, 186, 268, 294 Phase der Handlungs- bzw. Willensbezogenen
−− extrinsische 192 Kontrolle 212
−− intrinsische 192 phonologische Bewusstheit 102, 339
motivational design-Modell 269 phonologische Schleife 101
motivationale Komponenten 209 PISA-Schock 20
Motivations- und Emotionsstrategien 217 Planning Theory 273

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402 Sachregister

Planung der Strategien 213 räumliche Fähigkeiten 158, 348, 352


Planungsphase 212 Reaktivität des Verfahrens 51
Portfolios 55 Rechenspanne 103
positive Verstärkung 74 Redundanzprinzip 241
postaktionale Phase 214 Reflection 281
Potsdamer Lehrerstudie 323 Reflex 64
power-generality trade-off 336 Regressionsanalysen 42
präaktionale Phase 213 Regulation des Lernprozesses 211
präattentiv 244 Regulation des Selbst 211
prädiktive Validität 175, 339 Regulation des Verarbeitungsmodus 211
präskriptive Wissenschaft 260 Rehearsal 117
Primärfaktoren der Intelligenz 168 Reinforcement 261
Primärstrategien 216 Reiz-Reaktions-Verbindungen 61
Primärstudien 47, 220 Rekonstruktion 115
priming 108, 120 Relevance 269
Principles of Instructional Design 267
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Reliabilität 41, 49
Prinzip der eingebetteten Daten 282 Reproduktionsphase 83
Prinzip der Verstärkerkontrolle 261 Respondent 73
Problem Based Learning (PBL) 276 response strengthening 60
Problemkomplexität 282 Retest-Effekt 337, 350
Problemlösegüte 177 reziproker Determinismus 82
Problemorientiertes oder -basiertes Lernen RIASEC-Modell von Holland 321
276 Rituale 71
Proceeding 24 Rückmeldung 263
Prodigies 156, 157 Rückwärtskonditionierung 66
Produktionen 121
Produktionsdefizit 224 S
Produktvermarktung 71 Satisfaction 269
Professionswissen 326 Savants 137, 156, 157
programmed instruction movement 262 Scaffolding und Fading 280
Programmierter Unterricht 262 Schema 115
project talent 171 Schemata 230
Propositionen 106, 113 SCHOLASTIK-Studie 301
Prototyp 112 Schulleistungstests 176
prozedurale Fertigkeiten 332 Schwerpunkte pädagogisch-psychologischer
Prozessmodelle 210, 212 Forschungsinteressen 21
Prozess-Produkt-Paradigma 297 Seductive Details 52
Pygmalion-Effekt 338 Sekundäranalyse 46
Selbstbestimmungstheorie 192
Q
Selbstbeurteilungen 218
qualitative Methoden 279
Selbstbewertung 194
Quasiexperiment 43
Selbstbewertungsmodell 194
Quotenpläne 76
Selbstreflexionsphase 212
R Selbstregulation 207
radikaler Behaviorist 73 Selbstverstärkung 83
Rahmenhandlung 284 Selbstwirksamkeitsüberzeugungen 323
Ratings Selektion 242
−− hoch inferente 50 semantisches Konzept 111
−− niedrig inferente 50 sensorische Speicher 94

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Sachregister 403

Shaping (Verhaltensformung) 78 −− subjektive 36


Signalisierung 242 −− technologische 35
Simulierter Klassenraum 54 Three-Stratum-Theorie 170
simultane Konditionierung 66 Tiefenstruktur 114
situiert 275 Token-Ökonomie 77
situiertes Lernen 274 top-down-Prozesse 95, 243
Skalen zur Erfassung der Lern- und Traditionen
Leistungsmotivation (SELLMO) 190 −− kognitiv-konstruktivistische 259
Skalierbarkeit 203 −− kognitiv-rationalistische 259
Skript 116 −− sozio-konstruktivistische 259
soziale Interaktion 275 −− verhaltensorientiert-empiristische 259
soziale Ko-Konstruktionsprozesse 260 träges Wissen 274, 281
sozial-kognitive Lerntheorie 80 Trainierbarkeit von Methoden und Techniken
Speicherprozesse 117
223
Spontanerholung 66, 67
Training 196
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Spurenkonditionierung 65
Trainings- bzw. Interventionsstudien 43
standardisierte Beobachtungsverfahren 41
Transfer 268, 281, 332, 339, 349, 351
stellvertretende Verstärkung 83
Transitions 53
Steuerung und Kontrolle 269
Tyler-Matrix 265
Stimulusdiskrimination 66, 67
Typikalitätseffekt 112
Stimulusgeneralisierung 66, 67
Typ-R-(Reaktion)-Konditionierung 73
Stimulus-Substitution 64
Strategien für kooperatives Lernen 218 Typ-S-(Stimulus)-Konditionierung 73
Strategien zum Ressourcenmanagement 218 U
Stroop-Aufgabe 103, 120 Überwachung 214
strukturelles Modell des Arbeitsgedächtnisses unkonditionierten Stimulus (UCS) 64
100
unkonditionierte Reaktion (UCR) 64
Strukturgleichungsmodelle 42
Unterrichtsplanung 308
Strukturmodelle 210
Unterstützung des
Stützstrategien 216
Informationsverarbeitungsprozesses 259
Subfaktoren der Intelligenz 157
Untersuchungen
subjektive Prozessdaten 49
−− längsschnittliche 40
subjektiver Wert einer Aufgabe 188
−− querschnittliche 40
subvokales Artikulieren 102
Ursachenzuschreibungen 194, 214
surface-level approach 209
symbolische Modelle 83 V
systematische Desensibilisierung 69 Validität 49, 167
Systemdiagnostik 29 Value Interventions 201
Systemregulation 207 verbalizer 250, 252
Szenario 284 Vergessenskurve 117
T Verhaltensbeobachtungen 39, 61
Talent 150, 155 Verhaltenskorrelate 51
target 119 Vermeidungs-Leistungsziele 189
Testwiederholungseffekt 337 Vermeidungslernen 75
thematische Schwerpunkte 24 Verstärker 306
Theorie multipler Intelligenzen 173 −− primärer 75
Theorien 34 −− sekundärer 75
−− präskriptive 35 Verstärkerplan 76

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404 Sachregister

Verstärkung 63, 72 wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn 37


−− intermittierende 76 Wortlängeneffekt 101
−− kontinuierliche 76 Wortmarke 106
verzögerte Konditionierung 65
videobasierte Beobachtungsstudien 41 Z
videobasiertes Format 282 zeitreihenanalytische Analyseverfahren 214
visualisation 171 zentrale Exekutive 100
visualizer 250, 252 Zielsetzung 194
volitionale Kontrolle 209 Zieltheorien 189
Vom-Blatt-Spielen 136 zunehmende Autonomiegewährung 280
Zuwendungseffekt 338
W Zweitaufgabe 235
Wiederholungsstrategien 217
Wise Interventions 200
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