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Teil: Bewegungs-Automatisierung
Wintersemester 2023/24
Prof. Dr. Georg Sztefka, IEC61131-Einführung von Prof. Dr. Stefan May
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Inhaltsverzeichnis
3 Schrittketten 17
3.1 Verzweigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4 Analogwertverarbeitung 20
4.1 Analoge Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.2 Anschließen von Messgebern an Analogeingänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.3 Anschließen von Lasten an Analogausgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5 OPC-Kommunikation 26
5.1 Classic OPC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
5.1.1 DCOM Data Access . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
5.1.2 Beispiel: Excel als OPC-Client . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5.2 OPC Unified Architecture . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
5.2.1 Core Specification Parts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5.2.2 Access Type Specification Parts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5.2.3 Utility Specification Parts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
6 Feldbus 35
6.1 Topologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
6.2 Einige Feldbusse im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
6.3 Buszuteilung durch Bitarbitrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
6.4 Zufällige Buszuteilung durch Trägererkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
6.5 Master-Slave-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
6.6 Token-Passing-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
6.7 Vergleich der Bandbreiteneffizienz der Feldbusse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
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7 Prozessvisualisierung 47
8 Die Bewegungsautomation 49
8.1 Anforderung an die (Sensor-) Komponenten und erreichbare Qualität . . . . . . . . 51
8.2 Sensoren für die Bewegungsautomation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
8.3 Aktoren für die Bewegungsautomation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
8.3.1 Nockenschaltwerk mit statischen und dynamischen Nocken (CAM-shaft-gear). 58
8.4 Beispielmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
8.4.1 Bewegungsprofil der Beispielmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
8.5 Planung und Berechnung von Bewegungsprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
8.6 Die Bewegungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
8.7 Der Bewegungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
8.8 Die normierten Bewegungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
8.8.1 Definition der Bewegungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
8.9 Konzept der Überlagerten Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
8.9.1 An den Sektionsgrenzen: umrechnen der reale Randbedingungen in die nor-
mierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
8.9.2 Vorgabe von Maximalwerten der realen Folgeachse . . . . . . . . . . . . . . 84
8.10 Kurvenscheiben-Software (CAM-disk-software) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
8.10.1 Leitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
8.10.2 Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
8.10.3 Gleichlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
8.11 MotionControl nach PLCopen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
8.12 Robotik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
8.13 Technologiefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
8.13.1 Elektrische Welle (auch 1 21 Achser ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
8.13.2 Fliegende Säge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
8.13.3 Der Wickler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
8.13.4 Verlegewickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
8.13.5 Markenerkennung und deren Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
8.13.6 Hubantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.13.7 Pick and Place . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.13.8 Der Tänzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8.14 Aufsynchronisieren auf eine Leitachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
8.14.1 Aufsynchronisieren aus dem Stillstand auf eine laufende Bewegung . . . . . 96
8.14.2 Beispielhaft sind vT , t1 , sF (t1 ) = s1 , sF (t0 ) = s0 . Die Zeit t0 ist gesucht
zu der die Folgeachse mit einem geneigtem Sinus des Typs R-G gestartet
werden muss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
8.15 Synchronlauf mit Ausgleichsbewegung (zusätzliche ruckfreie Positionierung) der Fol-
geachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
8.15.1 Berechnen der Zeit t1 mit den oben gegebenen Werten. . . . . . . . . . . . 98
8.15.2 Ausgleichspositionierung s(φ(t)) für die Folgeachse mit dem Bewegungsge-
setzes geneigter Sinus und dem Bewegungstyp Rast in Rast. . . . . . . . . . 99
8.16 Synchronlauf mit Rückführbewegung der Folgeachse für die Bewegungsaufgaben flie-
gende Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
8.16.1 Die schnellere Ausgleichspositionierung sRückf ührung (t) für die Folgeachse
s(t) bei kürzeren Produktlängen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
8.17 Rotatives Aufsynchronisieren auf eine Leitachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
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Literaturverzeichnis 129
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 1.1: Schematischer Aufbau einer Speicherprogrammierbaren Steuerung (DI = Digitale Eingänge,
DO = Digitale Ausgänge, AI = Analoge Eingänge, AO = Analoge Ausgänge).
(a) (b)
Abbildung 1.2: Beispiele für Speicherprogrammierbare Steuerungen: (a) SIMATIC S7 Serie. (b) Siemens Logo!
Steuerung. (c) Modulares Konzept von WAGO. (d) Ethernet Feldbuscontroller von WAGO. (e) SI-
MATIC S7-1200 Serie.(f) SIMATIC S7-1500 Serie. (www.automation.siemens.com, www.wago.com)
Ein wesentliches Merkmal einer SPS ist die zyklische Abarbeitung des Anwenderprogramms.
Die Verknüpfungen werden in jedem Zyklus neu berechnet. Wichtig ist dabei zu beachten, dass eine
SPS ein internes Prozessabbild vorhält. Alle Sensoren werden zu einem Zeitpunkt, nämlich vor
der Bearbeitung des Programms, eingelesen. Das Setzen aller Ausgänge erfolgt nach Bearbeitung
des Programms ebenfalls zu einem definierten Zeitpunkt. Dies hat den Vorteil, dass Daten nicht
im Anwenderprogramm synchronisiert werden müssen.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die Norm IEC 61131 befasst sich mit den Grundlagen Speicherprogrammierbarer Steuerungen
und trägt damit zu einer Standardisierung in der Automatisierungstechnik bei. Sie ist in mehreren
Teilen aufgebaut:
• Teil 1: Allgemeine Informationen,
• Teil 2: Betriebsmittelanforderungen und Prüfungen,
• Teil 3: Programmiersprachen,
• Teil 5: Kommunikation,
• Teil 7: Fuzzy-Control-Programmierung.
Es wurden von der International Electrotechnical Commision (IEC) zwei weitere "Technical Re-
ports“ herausgegeben. Damit ist Teil 4 zum Thema „User Guidelines“ und Teil 8 zum Thema
„Guidelines for the application and implementation of programming languages“ abgedeckt. Teil 6
bezieht sich auf Funktionssicherheit und Teil 9 auf Kommunikationsschnittstellen kleiner Sensoren
und Aktuatoren. Beide Teile sind derzeit noch in Bearbeitung.
Das vorliegende Skript bezieht sich hauptsächlich auf Teil 3 der Norm, d. h. zum Thema Program-
miersprachen.
1.1.2 Programmiersprachen
Für die Programmierung sind in der IEC 61131-3 mehrere Sprachen definiert. Sie haben unter-
schiedliche Vor- und Nachteile und werden deshalb für unterschiedliche Anwendungsfälle eingesetzt.
Zur Veranschaulichung der Unterschiede wird ein kleines Beispiel in den folgenden Ausführungen in
diesen Sprachen umgesetzt. Es sollen drei digitale Signale x0 , x1 und x2 folgendermaßen verknüpft
werden:
y = (x0 & x1 ) ∨ x2
Diese Verknüpfung muss zuerst logischen Ein- und Ausgängen der SPS zugeordnet werden. Hierfür
werden die Symbole %IX0.0, %IX0.1, %IX0.2 für die drei Eingänge und %QX0.0 für den Ausgang
angenommen. Auf die Terminologie der Ein- und Ausgangsadressen wird in Kapitel 2 Bezug ge-
nommen. Nun können mit diesen Angaben die Verknüpfungen in der Syntax der jeweiligen Sprache
dargestellt werden.
Anweisungsliste: meist kurz AWL genannt, ist eine Programmiersprache in Textform. Sie ist
angelehnt an Assemblersprachen und bietet wenige Möglichkeiten zur Strukturierung. Hierfür sind
mitunter häufig Sprungbefehle notwendig. AWL zeichnet sich aber dadurch aus, dass sich bool’sche
Verknüpfungslogik sehr effizient und kompakt implementieren lässt.
LD % IX0.0
AND % IX0.1
ORN % IX0.2
ST % QX0.0
Syntax 1.1: Beispielverknüpfung in AWL-Syntax.
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Strukturierter Text (ST) ist eine Programmiersprache in Textform, die an die Hochsprache
Pascal angelehnt wurde. Sie bietet mehr Strukturierungsmöglichkeiten als AWL und ist insbe-
sondere für die Implementierung von mathematischen Algorithmen geeignet. Für die Umsetzung
der Regelungsalgorithmen eignet sich die Sprache sehr gut und wird deshalb im weiteren Verlauf
hauptsächlich eingesetzt. Kapitel 2 beschreibt die wichtigsten Elemente dieser Sprache genauer.
% QX0.0 := % IX0.0 AND % IX0.1 OR NOT % IX0.2 ;
Syntax 1.2: Beispielverknüpfung in ST-Syntax.
AND OR
%IX0.0 %QX0.0
%IX0.1 %IX0.2
Kontaktplan (KOP) ist eine weitere grafische Programmiersprache, welche sich an Stromlaufplä-
ne anlehnt. Schaltschränke lassen sich z. B. mit dieser Sprache sehr gut abbilden. Darstellungen in
FBS und KOP lassen sich mit den meisten Entwicklungsumgebungen direkt ineinander überführen,
d. h. es lässt sich zwischen beiden Darstellungsarten wahlweise hin- und herschalten. Im weiteren
Verlauf der Ausführungen wird diese Programmiersprache allerdings keine Rolle mehr spielen.
%IX0.2
Ablaufsprache (AS): Hierbei handelt es sich um die fünfte in der Norm IEC 61131-3 definierten
Sprache. Sie ist allerdings im Gegensatz zu den anderen Sprachen nicht für die allgemeine Umset-
zung von Verknüpfungen vorgesehen. Das obige Beispiel lässt sich ohne die zusätzliche Anwendung
einer der anderen Sprachen damit nicht sinnvoll darstellen. Vielmehr spezialisiert sich diese Spra-
che auf sequentiell ablaufende Strukturen. Sie ist deshalb insbesondere für die Abbildung von sog.
Schrittketten geeignet. Diese werden in Kapitel 3 behandelt.
1
In der Terminologie von Siemens heißt diese Sprache Funktionsplan (FUP).
4
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Hinweis
Trotz der Bezeichnung der verwendeten Geräte als „Speicherprogrammierbare Steue-
!
rung“ lassen sich regelungstechnische Aufgaben damit realisieren. Im englischen Sprach-
raum gibt es diese Verwirrung nicht. Dort heißen diese Geräte Programmable Lo-
gic Controller, kurz: PLC. Der Begriff „Control“ unterscheidet hierbei nicht zwi-
schen Steuern und Regeln. Erst durch einen Zusatz, Open-Loop Control (offene
Wirkungskette) und Closed-Loop Control (geschlossene Wirkungskette), wird der
Anwendungsfall klar.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Strukturierter Text ist neben AWL die zweite Programmiersprache in Textform. Bei STEP7 ent-
spricht die Programmiersprache Structured Control Language (SCL) dem strukturierten Text
in der IEC 61131-3. ST/SCL ist besonders geeignet für komplexe Algorithmen, insbesondere für
mathematische Funktionen. Die Ausführungen in diesem Kapitel zu Aufbau und Struktur der
Programmiersprache basieren auf (Wellenreuther Günter, 2008). Es werden nur die wichtigsten
Sprachelemente behandelt. Bei tiefer gehendem Interesse sei auf die Original-Literatur verwie-
sen.
Ein- und Ausgangssignale können über absolute Adressen eingelesen, bzw. ausgegeben werden.
Dabei werden Analogsignale quantisiert und in eine interne Repräsentation gebracht. Alle Ein-
und Ausgangssignle können auf unterschiedliche Weise adressiert werden. Dies ist in der Regel von
der Breite des einzulesenden oder auszugebenden Datums abhängig (vgl. Tabelle 2.1).
Hinweis !
Bausteine, die zur Wiederverwendung gedacht sind, sollten intern nicht auf absolute
Adressen zugreifen. Besser ist es Schnittstellen über Ein- und Ausgangsvariablen (sie-
he Kapitel 2.2) zu definieren und auf absolute Adressen nur auf oberster Ebene der
Programmarchitektur zuzugreifen. Sollte dann ein bereits bestehendes Programm von
einer Maschine auf eine andere portiert werden müssen, so ist die „Umverdrahtung“
nur an einer Stelle notwendig.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die IEC 61131-3 kennt eine Reihe von elementaren Datentypen. Tabelle 2.2 listet die gebräuch-
lichsten Datentypen auf. Die Schreibweise hat in den meisten Fällen ebenfalls für STEP7 Gültig-
keit.Die Größe des Datentyps ist im Gegensatz zu den Konventionen für Datentypen, welche man
von Hochsprachen wie C kennt, fest definiert. Dort sind einige Datentypen in der Regel von der
Zielplattform abhängig.
Tabelle 2.2: Elementare Datentypen der IEC 61131-3 (Unterschiede bei STEP7 in Klammern).
Wird bei der Variablendeklaration keine Zuweisung vorgenommen, so ist der Anfangswert stan-
dardmäßig 0 oder FALSE.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Bei der Deklaration von Variablen können zusätzlich folgende Attribute verwendet werden:
• RETAIN: Diese Variablen werden batteriegepuffert. Sie stehen auch nach Stromausfall, Neu-
start oder Wiederanlauf zur Verfügung. In STEP7 ist dies die Voreinstellung für sog. Daten-
bausteine (siehe Kapitel 2.4.5). Sollen Variablen nicht batteriegepuffert werden, muss diese
Funktion explizit deaktiviert werden.
• CONSTANT: Diese Variablen können nicht geändert werden. Sie repräsentieren einen konstanten
Wert. In STEP7 werden konstante Werte in einer CONST ... END_CONST Struktur eingebettet.
• AT: Diese Variablen besitzen eine feste Adresse im Speicherabbild. Hiermit können Eingang-
und Ausgangsvariablen mit einem „sprechenden“ Namen versehen werden. In STEP7 ist die-
ses Schlüsselwort nicht vorhanden. Namen können aber über die sog. Symboltabelle vergeben
werden.
Die ST-Operatoren sind in Tabelle 2.3 aufgelistet. Prioritäten bestimmen die Reihenfolge der
Verarbeitung und können, wie auch in anderen Programmiersprachen üblich, durch Klammerung
beeinflusst werden.
2.3 Sprachelemente
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IF <Bedingung> THEN
<Anweisung> ;
ELSIF <Bedingung> THEN
<Anweisung> ;
ELSE
<Anweisung> ;
END_IF ;
Syntax 2.1: Bedingte Ausführung.
CASE <VARIABLE> OF
<WERT>: <Anweisung> ;
<WERT>: <Anweisung> ;
...
ELSE
<Anweisung> ;
END_CASE ;
Syntax 2.2: Fallunterscheidung.
FOR i:=<MIN> TO <MAX> BY <SCHRITT> DO
<Anweisung> ;
END_FOR ;
Syntax 2.3: For-Schleife.
WHILE <Bedingung> DO
<Anweisung> ;
END_WHILE ;
Syntax 2.4: While-Schleife.
REPEAT
<Anweisung> ;
UNTIL <Bedingung>
END_REPEAT ;
Syntax 2.5: Repeat-Schleife.
Verständnisfrage ?
Was sind die Unterschiede in der Ausführung von FOR, WHILE und REPEAT?
Verständnisfrage ?
Wie oft werden die Anweisungen der Schleife FOR i := 1 TO 1 DO ausgeführt?
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
(**
* Continue-Befehl zum Weiterschalten in
* FOR-, WHILE- und REPEA T-Sch leifen .
*)
CONTINUE ;
(**
* R ü cksprung aus Funktionen und Funktionsbl ö cken
*)
RETURN ;
(**
* Programmabbruch
*)
EXIT ;
Syntax 2.6: Sprünge.
Programm
Funktionsbaustein Funktion
Das Programm ist in der IEC 61131-3 auf der höchsten Ebene der Programmorganisation an-
geordnet. Von hieraus kann sich der Programmablauf durch Aufruf von Funktionen und Funk-
tionsbausteinen verzweigen. Ein Funktionsbaustein kann im Gegensatz zu einer Funktion einen
Zustand speichern. Deshalb ist der Aufruf eines Funktionsbausteins aus einer Funktion heraus
wenig sinnvoll, unter Umständen aber durch den Compiler erlaubt1 .
Es können auch nebenläufige Programme implementiert werden. Hierfür sieht die Norm die Zu-
weisung sog. Tasks vor, d. h. es können mehrere Programme quasi gleichzeitig ausgeführt werden
oder bei gewissen Ereignissen den aktuellen Programmfluss unterbrechen . Nebenläufige Program-
me sind in der Regel schwer mit einem Debugger zu untersuchen.
1
In diesem Fall muss beachtet werden, dass sich ein Funktionsbaustein wie eine Funktion verhalten kann, d. h. den
Zustand aus einem vorherigem Aufruf wieder zurücksetzt. Dieses Verhalten ist in jedem Fall implementierungs-
abhängig. Deshalb ist von dieser Verwendung abzuraten!
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Bei STEP7 entspricht dem Programm der sog. Organisationsbaustein, kurz OB. Er wird, wie
das Programm, zyklisch oder bei definierten Ereignissen vom System aufgerufen.
2.4.1 Variablen-Deklaration
Die Deklaration und Verwendung von Variablen ist abhängig von der entsprechenden POE. Für
sie sind folgende Variablenarten definiert:
erlaubt in
Variablenart
PROGRAM FUNCTION_BLOCK FUNCTION
VAR ja ja ja
VAR_TEMP∗ ja ja nein
VAR_INPUT ja ja ja
VAR_OUTPUT ja ja nein
VAR_IN_OUT ja ja nein
VAR_GLOBAL∗ ja nein nein
VAR_EXTERNAL∗ ja ja nein
VAR_ACCESS∗ ja nein nein
∗ In SCL nicht vorhanden. Verwendung von sog. Datenbausteinen notwendig.
Das Schlüsselwort VAR hat unterschiedliche Bedeutungen in Abhängigkeit des Kontextes. Es be-
schreibt die Deklaration von statischen Variablen (in Funktionsbausteinen) oder temporären Va-
riablen (in Funktionen). Um temporäre Variablen in Funktionsbausteinen zu definieren benötigt
man das Schlüsselwort VAR_TEMP. Die Schlüsselwörter VAR_INPUT, VAR_OUTPUT und VAR_IN_OUT
werden verwendet zur Beschreibung der Schnittstelle eines Moduls. Sie beschreiben Eingangs-,
Ausgangs- und Durchgangsparameter. Zur Verwendung dieser Konstrukte sei auf die folgenden
Abschnitte verwiesen. Globale Variablen, d. h. Variablen, auf welche von jeder Stelle im gesamten
Programm aus zugegriffen werden darf, können mit dem Konstrukt VAR_GLOBAL deklariert werden.
Möchte man auf solche Variablen in einem Funktionsbaustein zugreifen, geschieht dies über die
Variablenart VAR_EXTERNAL.
Das Sprachkonstrukt VAR_ACCESS stellt eine Erweiterung von globalen Variablen zur Verfügung.
Hiermit können sogenannte Zugriffspfade zwischen Konfigurationen definiert werden und ist somit
für für verteilte Systeme interessant.
2.4.2 Programm
Ein wichtiger Unterschied zwischen Programmen und Organisationsbausteinen ist die Gültigkeit
von Variablendeklarationen. In Programmen ist es möglich statische Variablen zu verwenden. Dies
sind Variablen deren Wert auch nach der Abarbeitung des Programms erhalten bleibt. Diese Wer-
te stehen im nächsten Aufruf wieder zur Verfügung. In Organisationsbausteinen können dagegen
nur temporäre oder globale Variablen verwendet werden. Temporäre Variablen sind sinnvoll zur
Zwischenspeicherung von Ergebnissen von Funktionen oder Funktionsbausteinen und können zum
Datenaustausch zwischen ihnen verwendet werden. Ihr Wert ist nach der Abarbeitung des Organi-
sationsbausteins verloren. Sollen Daten in Organisationsbausteinen permanent gespeichert werden,
müssen sie global angelegt werden(bei STEP7 in sog. „globalen Datenbausteinen“). Die Syntax
zur Definition eines Programms, bzw. eines Organisationsbausteins sieht folgendermaßen aus:
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
PROGRAM PLC_PRG ( * xx entspricht einer Nummer * )
VAR_TEMP OR GA NI ZA TI ON _B LO CK OBxx
var_1 : <TYP> ; VAR_TEMP
END_VAR var_1 : <TYP> ;
; END_VAR
END_PROGRAM (**
* " BEGIN " ist optional.
Syntax 2.7: Programme in der IEC 61131-3.
*)
BEGIN
;
END_ORGANIZATION_BLOCK
Syntax 2.8: Organisationsbausteine in SCL.
2.4.3 Funktion
Funktionen (FUN) sind zustandslos, d. h. ihr Ergebnis basiert lediglich auf den Eingangsvariablen
und deren interner Verrechnung. Ein Funktionsaufruf mit den gleichen Werten führt damit immer
zum gleichen Resultat. Funktionen haben nur einen Funktionsrückgabewert, welcher unter dem Na-
men der Funktion zur Verfügung gestellt wird.In STEP7 können auch Ausgangsvariablen übergeben
werden. Auf sie besteht schreibender Zugriff. Ebenfalls ist es hier möglich Funktionsparameter als
Durchgangsvariablen zu definieren. Zu ihnen besteht sowohl lesender als auch schreibender Zugriff.
Die Norm IEC 61131-3 dagegen erlaubt diese beiden Variablentypen nur in Funktionsbausteinen
(vgl. Tabelle 2.4).
FUNCTION FCxx : <TYP>
VAR_INPUT ( * Eingangsvariable * )
var_i : <TYP> ;
END_VAR
VAR_TEMP ( * tempor ä re Variable * )
var_t : <TYP> ;
END_VAR
FCxx := var_t ; ( * Funktionsr ü ckgabewert * )
END_FUNCTION
Syntax 2.9: Funktionen in ST/SCL.
Das Schlüsselwort VAR hat bei STEP7 in Funktionen die gleiche Bedeutung wie VAR_TEMP, die
Deklaration temporärer Variablen.VAR_TEMP ist nach Norm in Funktionen nicht erlaubt (siehe
Tabelle 2.4).
Der Aufruf obiger Funktion in ST-Syntax hat folgende Gestalt:
var_1 := FCxx ( var_i := var_2 );
Syntax 2.10: Funktionsaufruf in ST/SCL.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
2.4.4 Funktionsbaustein
Funktionsbausteine (FB) sind Funktionen, welche einen Zustand speichern können. Dies geschieht
über die Definition statischer Variablen mit dem Schlüsselwort VAR (siehe im Gegensatz dazu den
Hinweis für die Bedeutung in Funktionen). D. h. diese Werte stehen bei jedem Aufruf des Funkti-
onsbausteins wieder zur Verfügung. Außerdem können Sie nach einem Wiederanlauf oder Neustart
erhalten werden (Batteriepufferung), sofern sie als „remanent“ gekennzeichnet sind (RETAIN At-
tributwerte bei der Definition von Variablen). Sie können im Deklarationsteil initialisiert werden,
d. h. man weist ihnen einen Anfangswert zu.
FUNCTION_BLOCK FBxx
VAR ( * Statische Variable * )
var_s : <TYP> := 0 ;
END_VAR
VAR_INPUT ( * Eingangsvariable * )
var_i : <TYP> ;
END_VAR
VAR_OUTPUT ( * Ausgangsvariable * )
var_o : <TYP> ;
END_VAR
VAR_IN_OUT ( * Du rc hg an gs va ri ab le * )
var_io : <TYP> ;
END_VAR
var_s := var_s + 1 ;
var_o := var_s ; ( * Setzen der Ausg angsva riable n * )
var_io := var_s ;
END_FUNCTI ON _B LO CK
Syntax 2.11: Funktionsbausteine in ST/SCL.
Darüber hinaus sind Ausgangs- und Durchgangsvariablen definiert, vgl. Syntax 2.11. Ein Aufruf
dieses Funktionsblocks erfolgt mit folgendem Befehl:
FBxx ( var_i := var_1 , var_io := var_2 );
Syntax 2.12: Funktionsblockaufruf in ST/SCL.
Die Versorgung von Eingangsparametern ist in STEP7 nicht zwingend erforderlich. Sie werden
dann mit sog. „Default“-Werten vorbelegt. Durchgangsparameter müssen angegeben werden und
Ausgangsparameter stehen nach Aufruf des Funktionsbausteins im Datenbereich des Bausteins zur
Verfügung, sofern es sich um eine Funktionsbausteins-Instanz handelt. Der Zugriff erfolgt mit:
var_3 := FBxx.var_o ;
Syntax 2.13: Zugriff auf Ausgangsparameter eines Funktionsblocks
Bei STEP7 muss für obige Aufrufe ein Datenbaustein zugewiesen werden (siehe nächsten Ab-
schnitt).
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
2.4.5 Datenbaustein
Eine Besonderheit des Programmiersystems STEP7 ist der Bausteintyp Datenbaustein. Er stellt
Bereiche zur Speicherung von Anwendungsdaten dar. Generell gibt es die Unterteilung in Global-
Datenbausteine und Instanz-Datenbausteine. Auf Global-Datenbausteine kann im ganzen
Programm zugegriffen werden. Die dort abgelegten Daten sind statisch und auch nach Neustart
oder Wiederanlauf verfügbar (falls remanent). Ein Global-Datenbaustein kann textuell beim Über-
setzen der Quell-Dateien angelegt werden. Die Syntax dazu sieht folgendermaßen aus:
DATA_BLOCK DBxx
STRUCT
var_1 : <TYP> ;
END_STRUCT
BEGIN
( * Initialisierung der Variablen * )
var1 := ... ;
END_DATA_BLOCK
Syntax 2.14: Datenbausteine in SCL.
Die Daten eines Funktionsbausteins können allerdings auch als „Lokalinstanz“ im Datenbereich
eines anderen Funktionsbaustein abgelegt werden. Bei STEP7 wird dadurch ein Datenbaustein
generiert, welcher die Daten des aufrufenden und aufzurufenden Funktionsbaustein vereint. Für
den aufgerufenen Baustein selbst wird kein Datenbaustein generiert.
14
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
FUNCTION_BLOCK FByy
VAR
instanz : FBxx ;
x : <TYP> ;
END_VAR
( * Aufruf des Bausteins * )
instanz ( ... );
( * Zugriff auf Daten ü ber Instanz * )
x := instanz.var_s ;
END_FUNCTI ON _B LO CK
Syntax 2.16: Instanziierungsbeispiel des Funktionsbausteins aus Syntax 2.11 als eingebettete Lokalinstanz.
Bei STEP7 besteht dadurch insbesondere der Vorteil, dass Datenbausteine nicht mehr manuell
zugeordnet werden müssen. Da Organisationsbausteine keine statischen Variablen ermöglichen,
kann diese Methode nur in Funktionsbausteinen genutzt werden. In CoDeSys können Sie Instanzen
schon auf Programmebene verwenden.
Die Möglichkeit eigene Datenstrukturen zu definieren erhöht die Übersichtlichkeit eines Program-
mes. Ein einfaches Beispiel repräsentiert den Datentyp einer komplexen Zahl mit Real- und Imagi-
närteil als Variablen vom Typ REAL.Das Schlüsselwort in STEP7 leitet sich vom englischen Begriff
User Defined Data Type ab und wird mit UDT abgekürzt. Es ist als Bezeichner, gefolgt von ei-
ner Nummer, zwingend erforderlich. Dies kann allerdings auch in der sog. Symboltabelle gepflegt
werden. Die Norm IEC 61131-3 erlaubt dagegen mit einigen Einschränkungen beliebige Namen.
TYPE <NAME> TYPE UDTxx
STRUCT STRUCT
re : REAL ; re : REAL ;
im : REAL ; im : REAL ;
END_STRUCT END_STRUCT
END_TYPE END_TYPE
Syntax 2.17: Strukturen in der IEC 61131-3. Syntax 2.18: Anwenderdefinierte Datentypen (UDT)
in SCL.
2.4.7 Datentypkonvertierung
Nicht alle Operatoren können auf alle Datentypen angewendet werden, z. B. arithmetische Opera-
toren nicht auf Bit-Datentypen oder logische Operatoren nicht auf Arithmetiktypen. Elementare
Datentypen lassen sich deshalb mittels Konvertierungsfunktionen in andere elementare Datentypen
überführen.
Die Konvertierungsfunktion hat dabei die Gestalt <DATA_TYPE>_TO_<DATA_TYPE>. Ein Beispiel ist
in folgender Syntax dargestellt:
15
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
VAR_INPUT
arr_i : ARRAY [ 1..4 ] OF INT ;
END_VAR
VAR_TEMP
i : INT ;
arr_b : ARRAY [ 1..4 ] OF BYTE ;
END_VAR
VAR_OUTPUT
retval : BYTE ;
END_VAR ;
BEGIN
( * Konvertierung von INT nach BYTE * )
FOR i := 1 TO 4 DO
arr_b [ i ] := INT_TO_BYTE ( arr_i [ i ]);
END_FOR ;
( * XOR-Verkn ü pfung nur f ü r Bit-Datentypen m ö glich ( STEP7 ) * )
retval := arr_b [ 1 ] XOR arr_b [ 2 ] XOR arr_b [ 3 ] XOR arr_b [ 4 ];
Syntax 2.19: Datentypkonvertierung in ST/SCL.
16
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
3 Schrittketten
„ Eine Ablaufsteuerung ist eine Steuerung mit einem zwangsläufig schrittweisen Ab-
lauf, bei der das Weiterschalten von einem Schritt auf den programmgemäß folgenden
abhängig von Weiterschaltbedingungen erfolgt.“ [DIN 19237]
Sie sind ebenfalls Bestandteil der Norm IEC 61131-3. Das Auffinden zutreffender Ablaufstruktu-
ren ist das Hauptproblem dieser Entwurfsmethode. Einige Anwendungen sind allerdings in dieser
Notation sehr gut und übersichtlich darstellbar. Zur Modellierung diskreter Systeme gibt es eine
Vielzahl von Methoden. Unter ihnen haben sich diejenigen in der Praxis bewährt, welche netzartige
Strukturen abbilden können. Die bekanntesten Vertreter in der Steuerungstechnik sind Zustands-
graphen und Petrinetze.
Im folgenden Abschnitt wird sich auf Zustandsgraphen beschränkt. Sie lassen sich in den Spra-
chen der IEC 61131-3 abbilden. Im Programmiersystem STEP7 werden Zustandsgraphen in der
SIMATIC S7-Graph, bzw. -HiGraph Umgebung unterstützt.
Ein Zustandsgraph besteht aus Zuständen, hier auch als Schritte bezeichnet, und Transitionen,
welche von einem Schritt in den nächsten führen. Wichtig ist dabei, dass zu einem Zeitpunkt
lediglich einer von aufeinanderfolgenden Schritten aktiv ist (nicht so bei Simultanverzweigungen,
dazu aber später).
Schritte und Transitionen lassen sich grafisch gut darstellen. Dies wird von Werkzeugen wie S7-
Graph oder CoDeSys unterstützt. Die grafischen Notationselemente haben dabei folgende Bedeu-
tung:
• Jeder Schritt (hier S1 und S2) wird durch einen Block dargestellt und trägt eine eindeutige
Nummer. Sinnvollerweise sind Schritte mit aufsteigender Nummerierung zu versehen, wobei
für den Initialschritt immer die Nummer 1 zu wählen ist. Initialschritte werden mit doppelter
Umrahmung versehen.
17
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die möglichen Aktionen während der Schrittaktivierung sind in Tabelle 3.1 aufgelistet.
18
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
3.1 Verzweigungen
In der Norm IEC 61131 werden ebenfalls verzweigte Schrittketten definiert. Neben einem rein
sequentiellen Ablauf gibt es noch die Simultanverzweigung und die Alternativverzweigung.
Alternativverzweigung: Ist der Vorgängerschritt aktiv, schaltet eine Transition weiter, wenn min-
destens eine Transitionsbedingung erfüllt ist. Sind unmittelbar nach einer Alternativverzweigung
zwei oder mehr Transitionen gültig, dann schaltet diejenige der gültigen Transitionen, die am
weitesten links in der Schrittkette steht.
Eine Transition unmittelbar vor dem Ende einer Alternativzusammenführung schaltet, wenn der
Vorgängerschritt aktiv und die Transitionsbedingung erfüllt ist. Nach dem Schalten ist der Vor-
gängerschritt inaktiv und der Nachfolgeschritt aktiv.
Verständnisfrage ?
Warum können Schritte in einer Simultanverzweigung aus Sicht des Prozesses parallel
abgearbeitet werden, auch wenn die Steuerung nur eine CPU zur sequentiellen Abarbei-
tung hat?
19
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
4 Analogwertverarbeitung
Ein Sensor wandelt die physikalische Größe in einen elektrischen Strom, eine Spannung oder einen
Widerstandswert um (Seitz, 2008). Sie können über sog. Analogeingangsbaugruppen durch ei-
ne SPS eingelesen werden. Die analoge Eingangskarte führt dabei für jeden Kanal eine Analog-
/Digitalwandlung (A/D-Umsetzung) aus. Der analoge Messwert wird je nach Auflösung in einen
Digitalwert unterschiedlicher Bitbreite überführt.
Die Darstellung in Abbildung 4.1 zeigt den schematischen Aufbau einer 2-Kanal Analogeingangs-
klemme von Wago. Es stehen zwei Differenzeingänge zur Verfügung für Spannungen zwischen
±10V. Die Datenbreite beträgt 16 Bit. Die Klemme besitzt allerdings nur eine Auflösung von 12
Bit. Ein weiteres Bit repräsentiert das Vorzeichen. Die restlichen 3 Bit stehen nicht für die digitale
Darstellung des Analogwerts zur Verfügung, sondern repräsentieren Statusinformationen.
Die Wandlung verwendet eine digitale Repräsentation in linksbündiger Ausrichtung. Dadurch
hat man immer den gleichen Wertebereich bei verschiedenen Auflösungen, allerdings mit einer
unterschiedlichen Quantisierungsschrittweite.
Umwandlung von positiven Integern in negative Integer (Wikipedia):
1) Wandel die Zahl ohne Vorzeichen in die Binärdarstellung und beginne mit der ganz rechten
Stelle.
2) • Schreibe für eine vorhandene 0 eine 0 und gehe zu Schritt 3.
20
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Meßbereich Darstellung
±10V dezimal uint16 hex. binär
max 32767 32767 7FFF H 0111 1111 1111 1|111
>10,00 32761 32761 7FF9 H 0111 1111 1111 1|001
10,00 32760 32760 7FF8 H 0111 1111 1111 1|000
7,50 24576 24576 6000 H 0110 0000 0000 0|000
5,00 16384 16384 4000 H 0100 0000 0000 0|000
2,50 8192 8192 2000 H 0010 0000 0000 0|000
0,00 0 0 0000 H 0000 0000 0000 0|000
-2,50 -8192 57344 E000 H 1110 0000 0000 0|000
-5,00 -16384 49152 C000 H 1100 0000 0000 0|000
- 7,50 -24576 40960 A000 H 1010 0000 0000 0|000
-10,00 -32760 32776 8008 H 1000 0000 0000 1|000
<-10,00 -32761 32775 8007 H 1000 0000 0000 0|111
min -32768 32768 8000 H 1000 0000 0000 0|000
Die Messbereiche können bei Steuerungen unterschiedlicher Hersteller abweichen. Für SIMATIC-
Steuerungen der Fa. Siemens ist z. B. der Nennbereich so definiert, dass eine Über- bzw. Unter-
steuerung möglich ist. Der kleinste Wert, den ein Sensor liefert, ist damit größer als ein definierter
Minimalwert. Dadurch kann ein Drahtbruch eindeutig erkannt werden. Auch ein Signal, das durch
Rauschen um den Minimal- oder Maximalwert pendelt, kann damit noch offsetfrei gemittelt wer-
den.
21
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Meßbereich Darstellung
Bereich ±5V ±10V ±3,2mA ±20mA hexa-
dezimal
±10mA dezimal
Überlauf >5,8794 >11,7589 >3,7628 > 23,515 32767 7FFFH
5,8794 11,7589 3,7628 23,515 32511 7EFFH
Übersteuerungsbereich : : : : : :
5,0002 10,0004 3,2001 20,0007 27649 6C01H
5,00 10,00 3,200 20,000 27648 6C00H
3,75 7,50 2,400 14,998 20736 5100H
Nennbereich
: : : : : :
-3,75 - 7,50 -2,400 -14,998 -20736 AF00H
-5,00 -10,00 -3,200 -20,000 -27648 9400H
-5,0002 -10,0004 -3,2001 -20,0007 -27649 93FFH
Untersteuerungsbereich : : : : : :
-5,8796 -11,759 -3,7629 -23,516 -32512 8100H
Unterlauf <-5,8796 <-11,759 <-3,7629 <-23,516 -32768 8000H
Tabelle 4.2: Analog-Digital-Umwandlung für SIMATIC Steuerungen (Siemens AG, 2009, Kap. 4).
Der Nennbereich wird gleichmäßig auf die Quantisierungsstufen verteilt. Diese sind durch die Auf-
lösung bestimmt. In der SIMATIC-Umgebung werden beispielsweise die Messwerte auch immer
„linksbündig“ in 16-Bit Darstellung ausgerichtet.
Tabelle 4.3: Auflösung für die A/D-Wandlung von SIMATIC Steuerungen (Siemens AG, 2009, Kap. 5). Die mit x
gekennzeichneten Werte werden auf 0 gesetzt.
Die interne Verarbeitung kann direkt auf Basis der digitalen Repräsentation erfolgen, ist aber
auch in SI-Einheiten möglich. Die Normierung erfordert zwar zusätzlichen Rechenaufwand und
impliziert Rundungsfehler, macht aber die Weiterverarbeitung unabhängig von der Darstellung der
gerade verwendeten Steuerung.
Ein Winkelgeber, welcher als Potentiometer realisiert ist, wird über einen Analog-Eingang einer
SPS eingelesen. Der Nennbereich des Analogsignals beträgt zwischen −10V und 10V. Der gewan-
delte Digitalwert liegt in einem Bereich von −27648 bis 27648. Die Umrechnung in SI-Einheiten
22
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
erfolgt mittels:
U
φSI = · f + φSI0 ,
2764,8
wobei U den gewandelten Digitalwert der Spannung, f den Umrechnungsfaktor zwischen Span-
nungsgröße und Winkel (Einheit rad
V ) und φSI0 den Offsetwinkel zum Nullpunkt darstellt. Diese
beiden Parameter sind abhängig vom System, das über das Potentiometer angeschlossen ist, und
müssen zuvor bestimmt werden.
Bei Step 7 setzt sich die Wandlungszeit für die Widerstandsmessung aus einer Grundwandlungszeit
und einer zusätzlichen Bearbeitungszeit der Baugruppe zusammen(Siemens AG, 2009, Kap. 5.5).
Die Grundwandlungszeit ist direkt vom Wandlungsverfahren des Analogeingabekanals abhängig.
So geht z. B. bei integrierenden Verfahren die Integrationszeit in die Wandlungszeit mit ein. Für sie
kann eine Störfrequenzunterdrückung gewählt werden, welche die niedrigste Frequenz beschreibt,
die noch gefiltert wird.
Beim Anschließen von Peripherie an Analogausgängen muss die maximal zulässige Last berück-
sichtigt werden (oft auch als maximale Bürde bezeichnet). Dies ist z. B. bei Spannungssignalgebern
eine Last, die einen gewissen ohmschen Wert nicht unterschreiten darf. Die Umrechnung zwischen
digitaler und analoger Repräsentation geschieht wie auch bei den Analogeingangsbaugruppen.
23
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Meßbereich Darstellung
±10V dezimal hex. binär
10,00 32767 7FF8H 0111 1111 1111 1111
7,50 24576 6000H 0110 0000 0000 0000
5,00 16384 4000H 0100 0000 0000 0000
2,50 8192 2000H 0010 0000 0000 0000
0,00 0 0000H 0000 0000 0000 0000
-2,50 -8192 E000H 1110 0000 0000 0000
-5,00 -16384 C000H 1100 0000 0000 0000
- 7,50 -24576 A000H 1010 0000 0000 0000
-10,00 -32767 8000H 1000 0000 0000 0001
Hinweis !
Bei der Wago-Klemme 750-556 kann die volle Datenbreite von 16 Bit für die Analog-
wertausgabe genutzt werden. Die Umwandlung erfolgt aber trotzdem nur mit 12 Bit!
Ausgabe / V Darstellung
Bereich ±(10V) dezimal hexa-
dezimal
Überlauf 0,00 32767 7FFFH
11,76 32511 7EFFH
Übersteuerungsbereich : : :
: 27649 6C01H
10,00 27648 6C00H
7,50 20736 5100H
Nennbereich
: : :
-7,50 -20736 AF00H
-10,00 -27648 9400H
: -27649 93FFH
Untersteuerungsbereich : : :
-11,76 -32512 8100H
Unterlauf 0,00 -32768 8000H
Tabelle 4.5: Analog-Ausgabe bei Step 7 (Siemens AG, 2009, Kap. 5.2).
Übung 1
Geben Sie die Gleichungen zur Umrechnung der internen Repräsentation in die analogen Eingangs-
und Ausgangsspannungen der WAGO-Baugruppen 750-456 und 750-556 an.
Übung 2
Formulieren Sie diese Umrechnung in Strukturiertem Text.
24
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Übung 3
Formulieren Sie oben stehendes Normierungsbeispiel eines Winkelgebers in Strukturiertem Text.
25
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
5 OPC-Kommunikation
Entstehungsgeschichte
OPC (OLE for Process Control) ist ein Standard, welcher von einem Zusammenschluss verschie-
dener großer Firmen der Automatisierungsindustrie geschaffen wurde. Er wurde in der Version 1.0
im August 1996 veröffentlicht. OLE steht für „Object Linking and Embedding“. Dabei handelt es
sich um die von Microsoft in der Mitte der 90er Jahre entwickelte Technologie für die Realisierung
objekt-orientierter Systeme.
Nach und nach sind neuere Versionen erschienen. So ist z. B. 1998 die Version 2.0 der „Data Access“
Spezifikation veröffentlicht worden, auf welcher der erste Teil der folgenden Ausführungen basiert.
2003 wurde der Standard dann um einen Plattform-unabhängigen Teil erweitert, welcher auf Web-
Services beruht1 . Diese Arbeiten wurden auch deshalb voran getrieben, da sich die Konfiguration
von DCOM-Komponenten in der Praxis als schwierig erwiesen haben. Häufig haben unerfahrene
Anwender alle Sicherheitsmechanismen umgangen, um die Komponenten zu installieren.
Der zweite Teil dieses Kapitels befasst sich mit OPC Unified Architecture, kurz OPC UA. Dieser
Standard soll für die Zukunft die bisherigen Einschränkungen beheben. Allerdings unterscheidet
man nun nicht in „alte“ und „neue“ OPC-Version, sondern in Classic OPC und OPC UA,
damit der Eindruck nicht entsteht, der ältere Standard wäre von nun an obsolet. Der Grund liegt
unter anderem in einem Investitionsschutz bisheriger Entwicklungen. Der historische Bestandteil
„OLE“ ist für den OPC UA Standard nicht mehr zeitgemäß. Man findet für „OPC“ nun andere
Deutungen, wie Open Connectivity oder Openess, Productivity and Collaboration (Lange
u. a., 2010; OPC Foundation, 2010).
Einsatzgebiet
1
Geringfügige Änderungen flossen noch im Jahr 2004 ein.
26
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die folgende Auflistung umfasst die von OPC definierten Unterstandards (OPC Foundation, 2010).
Für verschiedene Anwendungsfälle können sie unabhängig voneinander implementiert werden.
Classic OPC Komponenten sind zu unterscheiden in DCOM Data Access, Alarms & Events
oder Historical Data Access Komponenten und Webservice-basierte XML-DA-Komponenten.
Das Ziel von DCOM Data Access ist es eine Schnittstelle zu definieren, die es erlaubt einheitlich
auf Prozessdaten von Automatisierungsgeräten zuzugreifen. Die Spezifikation basiert auf COM/D-
COM (Component Object Model/Distributed Component Object Model). COM ist eine von Micro-
soft entwickelte Technologie zur Interprozesskommunikation und Objekterzeugung. DCOM erwei-
tert sie und ermöglicht die Kommunikation über Netzwerke. Durch den Einsatz von COM/DCOM
ist der OPC Standard nicht plattformunabhängig. Diese Einschränkung soll allerdings mit der
Spezifikation OPC UA aufgelöst werden.
Automation Client
COM / DCOM
Abbildung 5.1: „Custom“ und „Automation“ Client im Zugriff auf einen OPC Server.
27
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Der Zugriff auf einen OPC-Server geschieht über eine sogenannte „wrapper“ DLL (siehe Abbildung
5.1). Diese kann man als Referenzversion von der OPC Foundation als sog. „OPC Foundation
member“ herunterladen. Bei dieser DLL handelt es sich explizit um ein Beispiel, welches ebenfalls
in einer Quellcodeversion veröffentlicht wurde. Laut Spezifikation können Hersteller diese DLL
direkt mit ihrem Produkt vertreiben oder aber ändern, wobei die Einhaltung gewisser Regeln
gefordert wird:
„Vendors that choose to modify the source code, or even just build the DLL from the
source code(unchanged) must do the following prior to including or shipping the DLL.
• The name of the OPC automation DLL must be changed from OPCDAAuto.dll
to a vendor specific unique name.
• The name of the OPC automation IDL(opcauto.idl) file should be changed to a
vendor specific unique name.
• The helpstring (”OPC Automation 2.0”) in the IDL file must be changed to reflect
your vendor specific OPC automation interface. This is the name that shows up
in the Automation Type Library. Visual Basic applications that use your vendor
build OPC automation interface DLL will include the DLL by using the type
library.
• All guid’s in the IDL file must be changed to new values that are generated by using
the Guidgen tool. This is required to prevent the vendor built automation interface
library from being confused with another vendors built automation library or the
OPC foundation provided automation library. The vendor is encouraged to not
change the existing automation interfaces. If additional functionality is desired, a
new object and interface should be added and should replicate all the functionality
of the existing object that is being added to.“ (OPC Foundation, 1999)
Im Internet lassen sich teilweise auch freie Versionen eines OPC Automation Wrappers finden,
z. B. der „Graybox OPC DA Auto Wrapper“ (http://gray-box.net/daawrapper.php). Um den Au-
tomation Wrapper zu verwenden muss er vorher registriert werden. Dies geschieht mit folgendem
Befehl:
Die Schnittstelle des Automation Wrappers ist in folgender Abbildung zu sehen. Als oberste Instanz
muss ein Objekt der Klasse OPCServer instanziiert werden. Dieses bietet Zugriff auf einen sog.
OPCBrowser, der für die Ermittlung der zur Verfügung stehenden Daten eingesetzt werden kann.
Weiterhin gibt der OPCServer Zugriff auf die Prozessdaten über sog. Groups und Items.
28
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
OPCServer
OPCGroups
OPCBrowser
(collection)
OPCGroup
OPCItems
(collection)
OPCItem
Objekt Beschreibung
OPCServer Instanz eines OPC-Servers. Es bildet die oberste Instanz der Objekthierarchie,
d. h. sie muss als erstes instanziiert werden.
OPCGroups „Collection“, welche alle OPCGroup-Objekte enthält, die der Client auf dem
verbundenen OPCServer erzeugt hat.
OPCGroup Ein OPCGroup-Objekt enthält Statusinformationen und ermöglicht den Zugriff
auf die OPCItems-Collection.
OPCItems „Collection“, welche alle OPCItem-Objekte enthält, die der Client auf dem ver-
bundenen OPCServer erzeugt hat.
OPCItem Instanz, welche Informationen des betreffenden Datums enthält: Aktueller
Wert, Statusinformationen, letzte Aktualisierungszeit.
OPCBrowser Ein Browser, der Zugriff auf die Namen der Elemente („items“) der derzeiti-
gen Serverkonfiguration ermöglicht. Damit können die zur Verfügung gestellten
Daten namentlich durchsucht werden.
Hinweis !
Sollten Sie mit CoDeSys arbeiten, ist zu beachten, dass im Simulationsmodus der OPC-
Server nicht mit Daten versorgt wird. Starten Sie deshalb die „Soft-SPS“, wenn Sie
keine reale SPS zur Verfügung haben.
29
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Das folgende Beispiel basiert auf Visual Basic for Applications (VBA) in einer Excel-Anwendung.
Sie können den verwendeten Automation Wrapper auch aus anderen Programmiersprachen heraus
verwenden.
Dadurch sollte auch der zugehörige OutProc-Server gestartet werden. Im Fall der Verwendung des
CoDeSysOPC-Servers erscheint ein kleines „Tray Icon“ unten links.
Am Ende jeder Sitzung sollte die Verbindung zum OPC-Server wieder abgebaut und die Referenz
auf das instanziierte Objekt wieder gelöst werden.
Ein OPC-Browser ermöglicht die Entwicklung von Anwendungen, welche die zur Verfügung ge-
stellten Daten und deren Struktur vom OPC-Server zur Laufzeit abfragen. Die Struktur kann
hierarchisch (OPCHierarchical) oder flach (OPCFlat) aufgebaut sein.
30
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Im Falle einer hierarchischen Struktur kann man mit verschiedenen Move-Befehlen durch die Hier-
archie navigieren. Bei dem hier verwendeten CoDeSys-OPC-Server handelt es sich um eine flache
Organisationsstruktur. Alle Daten sind auf einer Ebene angeordnet und alphabetisch sortiert.
’ oder
Dim name As Variant
For Each name In browser
Debug . Print name
Next name
Syntax 5.6: Datenstruktur durchsuchen.
Datenzugriff
Der Datenzugriff erfolgt über das Anlegen von Gruppen. Dies hat den Vorteil, dass Daten einer
Gruppe synchronisiert abgefragt werden können. Die hier angelegte Gruppe ist „privat“, d. h. es
kann kein zweiter OPC-Client auf diese Gruppe zugreifen. Sogenannte „Public Groups“ werden
nicht von jedem OPC-Server unterstützt.
Für das Lesen mit oben dargestellter Methode erfolgt ein sog. „blocking call“ (Funktion kehrt
erst zurück, wenn der Zugriff auf das Datum erfolgt ist). Es besteht die Möglichkeit aus dem
31
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Cache des OPC-Servers zu lesen oder direkt auf das Gerät zuzugreifen. Hierfür ist die Angabe der
Quelle notwendig: OPCCache oder OPCDevice.Der Lese-, bzw. Schreibzugriff auf einzelne Elemente
ist allerdings nicht sehr effizient. Der OPC-Standard stellt Methoden für das Lesen und Schreiben
ganzer Gruppen zur Verfügung. Dabei ist die Art der Lese-, bzw. Schreibanforderung zu beachten.
Gruppen können sowohl synchron als auch asynchron gelesen oder geschrieben werden.
Synchroner Zugriff: Der Aufruf erfolgt analog der obigen Leseanforderung mit einem „blocking
call“. Dies kann den Client stark ausbremsen, denn der Methodenaufruf kehrt erst zurück, wenn
der OPC-Server Antwort von der entsprechenden Quelle hat.
Asynchroner Zugriff: Die Methode kehrt sofort zurück. Aktuelle Daten stehen aber erst zur
Verfügung, wenn der OPC-Server die Messwertanforderung abgeschlossen hat.
Übung 4
Ändern Sie obiges Beispiel für den Zugriff auf eine Variable, indem Sie die AsyncRead-Methode
der OPCGroup-Instanz nutzen.
Benachrichtigung bei Wertänderung: Auch bei Zugriff auf ganze Gruppen ist es nicht immer
effizient synchrone oder asynchrone Aufrufe zu nutzen. Anstatt die Daten zu „pollen“, d. h. durch
den Client zyklisch abzufragen, besteht auch die Möglichkeit einer Benachrichtigung bei einem
„Event“. Die Data Access Spezifikation definiert das DataChange-Event für ein Objekt der Klasse
OPCGroup. Dabei ist der Gruppenname Bestandteil des Namens der Callback-Funktion.
Ein weiteres wichtiges Ereignis stellt das ServerShutDown-Event dar. Ein OPC-Client kann da-
durch benachrichtigt werden, wenn der Server heruntergefahren wird. Der Client sollte dann die
Verbindung zum Server trennen.
Ein vollständiges Beispiel zur Nutzung dieser Events ist in Syntax 5.8 zu finden.
32
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
End Sub
myOpc . Disconnect
End Sub
End Sub
End Sub
Syntax 5.8: Vollständiges Beispiel eines Datenzugriffs auf einen OPC-Server über OPCGroup-Events.
Die OPC UA Spezifikation wurde im Herbst 2006 in einer ersten Version veröffentlicht. Im Februar
2009 erfolgte eine Überarbeitung. Eine Veröffentlichung als IEC-Norm ist geplant.
33
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die Spezifikation untergliedert sich in drei zentrale Themenbereiche: Core Specification (Kern-
spezifikation), Access Type Specification (Zugriffstypspezifikation) und Utility Specification Parts
(Dienstespezifikation).
Part 1 - Overview & Concepts: Beschreibt das Gesamtkonzept und gibt einen Überblick über
die Spezifikation.
Part 2 - Security Model: Erläutert das Modell der Sicherheitsmaßnahmen bei der Kommunika-
tion zwischen OPC UA Clients und Servern.
Part 3 - Address Space Model: Beschreibt Inhalte und Struktur des Adressraums eines OPC
UA Servers.
Part 4 - Services: Spezifiziert Dienste, welche durch OPC UA Server bereitgestellt werden.
Part 6 - Service Mappings: Spezifiziert die Abbildung der OPC UA Transportmechanismen und
Datenkodierungen auf reale Technologien.
Part 7 - Profiles: Beschreibt die für Clients und Server verfügbaren Profile. Diese Profile be-
schreiben nützliche funktionale Gruppierungen und werden auch zur Zertifizierung benutzt.
Part 8 - Data Access: Spezifiziert die Verwendung von OPC UA für den Zugriff auf Prozessda-
ten.
Part 9 - Alarms & Conditions: Definiert, wie OPC UA den Zugriff auf Alarme und Bedingungen
unterstützt.
Part 10 - Programs: Definiert, wie OPC UA den Zugriff auf Programme unterstützt.
Part 11 - Historical Access: Spezifiziert die Verwendung von OPC UA für den historischen
Zugriff. Dies umfasst sowohl historische Daten, wie auch historische Events.
Part 12 - Discovery: Stellt das Konzept des Discovery Server vor und definiert, wie OPC UA
Clients und Server interagieren müssen, um eine OPC UA Kommunikationsverbindung herzustel-
len.
34
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
6 Feldbus
Neben der physikalischen Verbindung gehört zum Feldbus das Übertragungsprotokoll. Viele be-
kannte Feldbusse haben die gleiche physikalische Verbindungstechnik. Sehr verbreitet ist der EIA485
Standard (besser bekannt als RS485) mit sehr preiswerten und sehr robusten Leitungstreibern. Die
physikalische Verbindung kann asymmetrisch durch Signal und Masse, symmetrisch durch diffe-
rentielle Signale über zwei Leitungen oder optisch bzw. Funk realisiert werden. Zu jedem Feldbus
gehört fast immer auch eine Kabel- und Steckerfestlegung. Manchmal ist auch die Farbe des Ka-
bels ein Merkmal für den Feldbus (lila Kabel sind fast immer Profibus-Kabel und wenn sie einen
9-poligen SUB-D-Stecker am Ende haben dann mit Sicherheit). ASI erkennt man am gelben fla-
chen Kabel (ca 10 mm x 4 mm). Bei ethernet-basierten Feldbussen hat sich der RJ45-Stecker
durchgesetzt, aber den benutzen auch einige Hersteller für CAN.
Seit 1999 werden Feldbusse in der Norm IEC 61158 (Digital data communication for measure-
ment and control - Fieldbus for use in industrial control systems) weltweit standardisiert. Die
zweite Generation der Feldbustechnik basiert auf Echtzeit-Ethernet. Zunehmend sind die Aspekte
der Sicherheit von Mensch und Maschine Bestandteil der Feldbusse. Zuverlässigkeit und Redun-
danz sind deshalb wichtige Eigenschaften eines Feldbusses. Das kann durch erhöhen der Stör-
festigkeit der physikalischen Verbindung (symmetrische Signale über verdrillte Leitung, optische
Übertragung), durch die Bustopologie (redundante Verbindungen) und/oder durch zusätzlichen
Protokollbits (redundante Bits) erreicht werden. Jeder Feldbus hat daher unterschiedliche Anwen-
dungsschwerpunkte. Es gibt leider nicht den einen der alles am Besten kann! Kriterien für die
Busauswahl (falls man eine Wahl hat!):
• Zuverlässigkeit
• Sicherheit
• Menge der Nutzdaten
• Anzahl der Busteilnehmer
• Deterministik oder Echtzeitfähigkeit.
• Bandbreiteneffizienz (auch Protokolleffizienz, nicht jeder schnelle Feldbus überträgt die Nutz-
daten auch effizient! Optimal ist z.B. EtherCAT und Interbus bei vielen Teilnehmern mit
kleinen Datenmengen). Generell unterscheidet man Nachrichten orientierte Verfahren ( „re-
quest/respond“) und Summenrahmenverfahren (alle Teilnehmer erhalten das selbe Tele-
gramm) . Bei vielen Teilnehmern mit relativ kleinen Datenmengen wie z.B. verteilte E/A-
Klemmen in großen Anlagen wird das Summenrahmenverfahren effizienter (nur einmal Ver-
waltungsdaten pro Telegramm).
• Ausdehnung: Nur wenige sehr schnelle Systeme sind auch in der Lage bei großen Anlagen
die notwendigen langen Leitungen zu handhaben.
35
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
• Software-Tools
• Wartungskosten: kann das jeder Elektriker vor Ort (optimal bei ASI ), oder wird ein
Entwicklungsingenieur benötigt (häufig der Fall!)
• Schulungskosten für Hard- und Software.
6.1 Topologien
Bei der Verdrahtung der Feldbusteilnehmer unterscheidet man verschiedene grundsätzliche Topo-
logien, die aber bei einigen Systemen frei gemischt werden können.
Linien-Topologie Alle Teilnehmer sind hintereinander geschaltet TX von Slave 1 auf RX von
Slave 2 usw. (z.B. RS232, Interbus-S). Sehr einfaches System bei dem die Daten elektrisch rege-
neriert werden. Bei Ausfall eines Slaves stehen mindestens die nachfolgenden Slaves nicht mehr
zur Verfügung. Aber jeder Ausgang wird nur mit genau einem Eingang belastet. Im Prinzip sind
beliebig viele Teilnehmer in Reihe schaltbar.
RX TX RX TX RX TX RX TX
Bei dieser Linien-Topologie werden alle Teilnehmer parallel auf durchgehende Leitungen geschaltet
(z.B. EIA 485 (besser bekannt als RS485) CAN, Profibus, Modbus). Sehr einfaches System bei dem
der Ausfall von Slaves toleriert werden kann. Jeder Ausgang wird mit der Parallelschaltung aller
Eingänge belastet! Es gibt hier also relativ schnell eine maximal sinnvolle Teilnehmeranzahl.
RX TX RX TX RX TX RX TX
Ring-Topologie Schließt man die Linien-Topologie an den Enden entsteht der Ring. Der Aus-
fall eines Slaves kann toleriert werden da von beiden Seiten die restlichen Slaves erreicht werden
können.
36
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Stern-Topologie Typisch für eine Sternverdrahtung ist bei Ethernet der Switch und/oder der
HUB, bei dem alle Slaves zentral verdrahtet sind. Zentral wird somit der Datenverkehr verdichtet
das führt zu einer hohen Datenbelastung im Sternpunkt. Beliebig viele Slaves dürfen ausfallen ohne
das Gesamtnetz zu blockieren.
Vermaschte-Topologie Jeder kann mit jedem verbunden sein. Das erhöht die Ausfallsicherheit,
da es fast immer einen alternativen Weg zum Ziel gibt egal wie viele Teilnehmer gerade blockieren.
Der Administrationsaufwand ist enorm (Ethernet mit seiner welt-weiten Vernetzung ).
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Name Multi- Max Electrical Cable type Max bitrate [kbit/s]/ Max length [m]/
drop nodes type Length bitrate
allgemeine Standards die vorallem die physikalische Verbindung betreffen
RS-232 N 2 Single ended 128 kbit/s/≈1.5 m 15 m/19.6 kbit/s
EIA-485 Y 256 EIA-485 Twisted pair 1000 kbit/s 1330 m/64 kbit/s
UART based
SCSI-1/2 Y 8 Open collector Ribbon cable 20 000 kbit/s/3 m 6 m/5 Mbit/s/ch
SCSI Ultra2 Y 16 EIA-485 Twisted pair 40 000 kbit/s/12 m
10Base-2 Y 30 Differential RG58 Coax 10 000 kbit/s/185 m 185 m
100Base-X Y 65535 Differential Twisted pair 100 Mbit/s/xxx m xxx m
120 Ω[2]
Feldbusse in Fahrzeugen
PSI5 Y Twisted pair 189 kbit/s ≈12 m
LIN Y 16 Single ended 19.2 kbit/s/40 m
FlexRay Y Differntial, 3,3 /5V Twisted pair 2 x 10 000 kbit/s
MOST Y optical fibre 24,8 Mbit/s
Feldbusse in der industriellen Automatisierung
Profibus-DP Y 32/126 EIA485 Twisted pair 12Mbit/s 1200m
and ground
Profibus-PA Y signal over power 2 wires 31,25kbit/s
ASI Y 31 / 62 signal over power 2 wires 167kHz 300m
INTERBUS-Fernbus Y 512 EIA485 2xTwisted pair 500kBit/s 13 km
with 24 V power
and ground
INTERBUS Loop 2 Y 512 EIA485 1 Twisted pair 500kBit/s
INTERBUS S-Line Y 512 EIA485 2xTwisted pair 500kBit/s
CAN Y 128 Open collector Twisted pair 1000 kbit/s/40 m 1000 m/40 kbit/s
differentiell
SERCOSII Y optical fibre
Modbus N EIA232,optical
Y 32/126 EIA485 Twisted pair 12Mbit/s
Y 32/126 100BaseT Twisted pair 100Mbit/s
Feldbusse Ethernet basiert in der industriellen Automatisierung
EtherCAT Y 65535 differentiell Twisted pair 100Mbit/s
PowerLink Y differentiell Twisted pair 100Mbit/s
ProfiNet Y differentiell Twisted pair 100Mbit/s
SERCOSIII Y differentiell Twisted pair 100Mbit/s
VARAN Y differentiell Twisted pair 100Mbit/s
Feldbusse in der sonstigen Automatisierung
I 2C Y 127 or Open collector 3400 kbit/s 7.6 m
1023
1-Wire Y 100 Open collector Single conductor 16.3 kbit/s 300 m
with ground
DMX512-A Y 512 EIA-485 Twisted pair 250 kbit/s/100 m 150 m/250 kbit/s[3]
PMBus Y 128 Open collector 400 kbit/s
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
(’Multipoint’).
Im Gegensatz zu anderen Bussen sind bei EIA-485 nur die elektrischen Schnittstellenbedingungen
definiert. Das Protokoll kann anwendungsspezifisch gewählt werden. Deshalb werden sich EIA-
485-Geräte unterschiedlicher Applikationen oder Hersteller i. Allg. nicht verstehen. Sollen Daten
transportiert werden, bedient man sich zur Zeichenübertragung oft des Universal Asynchronous
Receiver Transmitter-Protokolls (UART), bekannt von RS-232-Schnittstellen. Meist werden hier
acht gleichwertige Bits pro Rahmen übertragen.
Die beiden symmetrischen Leitungen der EIA-485-Schnittstelle arbeiten mit einem Differenz-
Spannungspegel von mindestens +/-200 mV. Der Sender eines typischen 485-Bausteins verwendet
eine Brückenschaltung, somit entspricht der Signalpegel beim Sender der Betriebsspannung des
Treibers, z. B. +/- 5 V. Im Gegensatz zur massebezogenen EIA-232-Schnittstelle oder zur alten
TTY-Stromschnittstelle der Fernschreiber ist durch den symmetrischen Aufbau der Signalleiter ein
485-Empfänger gegenüber Gleichtaktstörung weitgehend unempfindlich.
DMX Digital-MultipleX (DMX) wird in der Bühnen und Veranstaltungstechnik für die Ansteue-
rung der Lichttechnik verwandt.
LIN Das Local Interconnect Network (LIN) ist ein preiswertes Bussystem für die Master/Sla-
ve Kommunikation über ein Draht in Fahrzeugen. Eingesetzt wird es z.B. für Temperatur- und
Feuchtesensoren.
FlexRay Wird vorwiegend in Fahrzeugen eingesetzt und ist sehr viel leistungfähiger als CAN.
CAN-Netze können aber in FlexRay integriert werden. FlexRay benutzt ähnlich RS485 differentielle
Signale (BP, BM mit 0,6V bis 2V Differenz zu der mittleren Spannung von 2,5 V ) mit „push-
pull line driver“ für die physikalische Verbindung. Der „push-pull line driver“ verhindert eine
Bitarbitirierung wie bei CAN üblich. Ermöglicht aber deutlich höhere Leitungslängen und Bitraten
als bei CAN-Verbindungen. Um die Signale sauber ohne Überschwinger zu übertragen müssen die
Leitungen mit Widerständen abgeschlossen werden.
Es existieren zwei physikalische Kanäle (je ein verdrilltes Adernpaar im Kabel) die jeweils zwei
Übertragungsbereiche (statische und dynamische Zeitschlitze) aufweisen. Der zweite physikalische
Kanal kann die Daten des Teilnehmers redundant (die gleichen Bits) oder als Bandbreitenverdop-
pelung die nächsten Bits senden. Als Verbindungstechnik werden oft „twisted pair“ Kabel mit
9-poligen SUB-D Steckern und Buchsen eingesetzt. Die teuren Lemo-Stecker sind kompakter und
eventuell auch dichter als die SUB-D Technik, aber auch deutlich schwerer zu konfektionieren.
FlexRay benutzt zwei „time slot“ Bereiche innerhalb eines Übertragungstelegramms. Das erste
bietet statische Zeitschlitze (TDMA). Im zweiten Bereich sind dynamische Zeitschlitze (FTDMA)
eingerichtet für sporadische Teilnehmer oder Teilnehmer mit großem Datenvolumen. Durch einen
systemweiten Takt bieten die statischen Zeitschlitze kleine Latenzzeiten und hohe Verfügbarkeit
(wichtig für z.B. „stear by wire“ ). Die Abbildung Wiley (2012) unten zeigt die prinzipiellen
Pegelwechsel bei FlexRay.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
MOST Mit24,8 Mbit/s ein sehr leistungsfähiger Feldbus für die asynchrone und synchrone Über-
tragung in Fahrzeugen. Die physikalische Verbindung mit Lichtwellenleitern ist nicht EMV-anfällig
und sendet keine Störsignale aus.
Profibus-DP Profibus Dezentrale Peripherie mit Datenraten bis 12Mbit/s. Sehr verbreitetes Sys-
tem in der SPS-Welt.
Profibus-PA Profibus Prozess-Automation mit Datenraten bis 31,5kbit/s aber nur zwei Leitungen
für Versorgungsspannung, Masse und Signal notwendig. Die digitale Alternative zu sonst analogen
Übertragung. Die Geräteprofile sind herstellerübergreifend standardisiert.
Interbus Die Datenhin- und Rückleitung erfolgt in einem Kabel, so dass sich die Ring-Topologie
nach außen als Linien-Topologie darstellt. Der TX-Ausgang wird mit dem RX-Eingang des nächs-
ten Gerätes verbunden das letzte Gerät schließt den Ring über die Rückleitung. Die maximale Lei-
tungslänge zwischen zwei Teilnehmern beträgt 400m. Die Gesamtlänge des Feldbusses darf 13km
sein. Die Adressierung erfolgt automatisch über die physikalische Lage im Netz. Bei Interbus-Loop2
(2 Leiter) und Interbus-S (4 Leiter) darf die Polarität der Adern bei der Installation beliebig sein.
Die Energieversorgung und die Datenübertragung für die Teilnehmer wird in einem Kabel rea-
lisiert. Entweder in separaten Adern (Interbus-Fernbus) oder zusammen mit den Daten auf den
gleichen Adern.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Modbus [ Modicon (1979)] Das Modbus-Protokoll ist ein Kommunikationsprotokoll, das auf ei-
ner Master/Slave- bzw. Client/Server-Architektur basiert. Es wurde 1979 von Gould-Modicon für
die Kommunikation mit seinen speicherprogrammierbaren Steuerungen ins Leben gerufen. In der
Industrie hat sich der Modbus zu einem De-facto-Standard entwickelt, da es sich um ein offenes
Protokoll handelt. Seit 2007 ist die Version Modbus TCP Teil der Norm IEC 61158.
SercosII (SErial Realtime COmmunication System) [ ZVEI (1999)] sercos (SErial Realtime
COmmunication System), der Automatisierungsbus, ist eine weltweit genormte digitale Schnitt-
stelle zur Kommunikation zwischen Steuerungen und Feldbusteilnehmern (IEC 61491 und EN
61491). Mit dieser erfolgt hochgenau und in Echtzeit die Synchronisierung von Steuerungen, Ser-
voantrieben, Ein- und Ausgängen, Frequenzumrichtern, Gebern, Kameras, etc.
Als Übertragungsmedium wird bei sercos I und II ein Lichtwellenleiter-Ring eingesetzt, bei sercos
III erfolgt die Kommunikation über das physikalische Medium von Ethernet, später soll noch eine
Variante hinzukommen die wie bei sercos I und II über ein Lichtwellenleiter-Ring aufgebaut wird.
CAN basierte Feldbusse Controller-Area-Network (CAN). Alle CAN Knoten sind über CANH
und CANL angeschlossen (jeweils alle CANH - bzw. CANL -Anschlüsse parallel schalten). Beim
CAN Bus ist das Signal zwar differentiell aber mit Open-Kollektor-Ausgänge nicht so leistungsfähig
bei langen Leitungen. Große Leitungslänge gehen zu Lasten der Baudrate! Die Leitungen benötigen
Abschlusswiderstände (üblich sind 120Ω) an jedem Leitungsende. Bei Low-Speed CAN bis 125
kbit/s kann bei gemeinsamer Masse auf die Abschlusswiderstände und die zweite Datenleitung
verzichtet werden (sinnvoll im KFZ).
Jeder Knoten kann mit jedem anderen mittels des Multi-Master Prinzips kommunizieren. Das
besondere bei CAN ist die Arbitration, bei der sich der „Identifier“ (muß nicht zwangsläufig die
Adresse eines Gerätes sein) mit den meisten vorangestellten Nullen durchsetzt, egal wer sie verschi-
cken will. Dadurch kann man Telegramme verschicken, die sich mit höchster Priorität (Notsignale
bzw. Echtzeitdaten) durchsetzen. Durch die Vergabe der „Identifier“ wird automatisch die Rei-
henfolge der Prioritäten vergeben. Der Daten-Frame besteht wie üblich aus Identifier-, Daten- und
Trailer-bits.
CAN-Sync CAN-Sync ist eine Hardware-Erweiterung des CAN-Open. Durch zusätzliche zwei
Leitungen wird ein Taktsignal (RS485 Leitungstreiber) übertragen und synchronisiert dadurch die
Teilnehmer. Damit sollen Jitterwerte kleiner 1µs erreicht werden können. Wenn mit RJ45-Steckern
und den dazu gehörigen 4xtwisted pair Kabeln verdrahtet wird, entsteht kein Zusatzaufwand beim
Verkabeln, denn für CAN selbst reicht ein twisted pair und Masse bereits aus, so daß die freien
Adern für das zusätzliche Taktsignal (1x twisted pair) genutzt werden können.
DeviceNet CAN mit höherer Protokoll-Schicht vor allem durch Allen-Bradley in Nordamerika
verbreitet.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
ASI Aktor-Sensor-Interface mit minmalem Aufwand für die Installation und Wartung. Die Au-
tomatische Adressprogrammierung wird bei Adresse 0 (Auslieferungszustand) ausgelöst und er-
möglicht jedem Elektriker den einfachen und schnellen Tausch ohne Inbetriebnahmetools. Das
zweiadrige Flachbandkabel transportiert die Versorgungsspannung und das aufmodulierte Signal.
Die Busteilnehmer werden auf das Flachbandkabel gequetscht und mit Durchdringungskontakten
angeschlossen.
Ethernet basierte Feldbusse: (galvanische Trennung systembedingt!) Bei diesen Systemen wird
vor allem die etablierte Übertragungsphysik von Ethernet (z.B. 100Base-T (twisted pair) oder
100Base-FX (Gradientenfaser) genormt in IEEE 802.3) ausgenutzt. Die meisten System (z.B. Po-
werLink und ProfiNET) nutzen auch die höheren Schichten des OSI-Models. Wird darüberhinaus
noch das „polling“ (Frage- Antwort-Telegramme) benutzt wird deren Bandbreiteneffizienz (Nutz-
datenmenge zu Gesamtdatenmenge) bei der kleinen Nutzdatenmenge pro Slave im Automatisie-
rungsbereich sehr schlecht (im einstelligen Prozentbereich!). Ausser bei EtherCAT benötigen alle
anderen Systeme einen extra Prozessor pro Slave inklusive RAM, FLASH und Betriebssystem nur
für die Kommunikation. Bei den meisten Applikationen wird bei diesen Systemen in einem Slave
ein mehrfaches der Performance für den Feldbus verbraucht, die das gesamte Automatisierungs-
programm aller Slaves zusammen benötigt! Da jeder Ethernet-Leitungstreiber über eine RX- und
TX-Verbindung verfügt sind Vollduplex-Verbindungen möglich.
PowerLink
• Großer Hardwareaufwand beim Sender und Empfänger notwendig (CPU, RAM, FLASH,
OS)
• „request/respond“ auch „polling“ genannt
• Echtzeitfähigkeit durch „timeslice“ Verfahren
• Für die Vernetzung werden „HUB’s“ benötigt, die es nur noch bei speziellen Anbietern gibt
bzw. in die Netzwerkteilnehmer integriert werden müssen.
• Problem von langsamen oder sehr vielen Teilnehmern durch „multiplexing“ gemildert. Das
muß aber der Anwender konfigurieren und benötigt dazu tiefe Einblicke in die Performance
jedes Slaves, der Hubs und das abhängig von Datenmenge und Dynamik der Daten.
• Kollisionsverhütung durch ein „managing node“ notwendig, der die „controlled nodes“
steuert.
• sehr schlechte Bandbreiteneffizienz
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
• Kollisionsverhütung durch „switched ethernet“, welches zur Laufzeit entscheiden muss wel-
ches Ethernet-Telegramm wichtig ist und daher mit hoher Priorität weitergegeben wird. Das
muß jemand (z.B. der Anwender) konfigurieren, dazu benötigt er ein sehr detailiertes Wissen
über Ethernet und dem zeitverhalten von Slaves und Switches.
• Die notwendigen Ethernet-Switch werden in die Teilnehmer integriert. Erspart zwar den
Switch als externe Baugruppe (Platzbedarf, Verdrahtung, Konfiguration), aber erhöht die
Komplexität jedes Slaves zusätzlich, denn nicht nur der Slave sondern jeder Switch muß
konfiguriert werden.
• Es gibt nicht nur eine Technologie sondern mindestens zwei (Profinet und Profinet-IRT) die
nicht ohne weiteres in einem Netz koexistieren können.
EtherCat Die Verdrahtung ist eine doppelte Linien-Topologie (ähnlich dem Interbus). Jeder Slave
hat zwei RJ45 Buchsen an denen jeweils RX- und TX-Signale anstehen. Ein einfaches Patchkabel
verbindet zwei Slaves. Der letzte Slave (z.B. der ganz rechts) schließt intern an seinem offenen
Anschluß RX mit TX kurz. Links wird dann der Master angeschlossen. Man könnte es auch als
logische Ring-Topologie auffassen.
TX RX TX RX TX RX TX
RX TX RX TX RX TX RX
SercosIII (SErial Realtime COmmunication System) [ ZVEI (2005)] Eigenschaften von sercos
III sind:
• kollisionsfreie Übertragung mit Hilfe eines Zeitschlitzverfahrens
• hocheffizientes Kommunikationsprotokoll
• bis zu 511 Teilnehmer
• Synchronisation von beispielsweise 66 Achsen mit einer Zykluszeit von 1 ms und einem Jitter
kleiner 20 nsec.
sercos, the automation bus, wird von sercos International e.V. (SI) unterstützt. Im Rahmen dieses
Industrievereins erfolgen die Normung und die Nutzerunterstützung.
ModbusTCP
• keine besondere Hardware notwendig, Standard Ethernet-Hardware genügt inklusive (CPU,
RAM, FLASH, OS)
• normales TCP/IP Telegramm (kollisionsbehaftet!)
• sehr einfaches Kommunikationsprotokoll
Ethernet/IP (EIP, EtherNet Industrial Protocol) [ Allen-Bradley (2002)] Basierend auf standard
TCP und UDP unterstützt EtherNet/IP die Durchgängigkeit zwischen Officenetzwerk und der zu
steuernden Anlage. EtherNet/IP Endgeräte unterstützen DHCP und BootP bei der Vergabe der
IP-Adresse. Zur Inbetriebnahmeunterstützung (Diagnose) von EtherNet/IP-Netzen kann der im
Interfacemodul der Logix-Steuerung integrierten Webserver benutzt werden, oder die in anderen
EtherNet/IP-Geräten enthaltenen Webserver.
Wie jedes standardkonforme Ethernet eignet sich auch EtherNet/IP nicht für "harte"Realtime-
Anwendungen (<1 ms) wie die Steuerung von Servomotoren. Die typische Zykluszeit eines Ether-
Net/IP Netzwerkes liegt bei 10 ms und genügt somit Softwarerealtimeanforderungen für industrielle
I/O’s. Für harte Echtzeitanforderungen hat Allen Bradley jedoch CIPSync bzw. MotionSync vorge-
stellt, eine Protokollerweiterung für EtherNet/IP, die mittels präziser Zeitsynchronisaton gem. IE-
EE1588 den Jitter für die Ansteuerung von Servomotoren auf Werte im Sub-Mikrosekundenbereich
reduziert.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Ausgehend von DeviceNet hat Allen-Bradley mit EtherNet/IP hier einen modernen Feldbus ent-
wickelt, der die über EtherNet/IP vernetzten Geräte nahtlos integriert - automatisch per Mapping
in den I/O-Tree des RSLogix-Programmiertools, mit minimalem Konfigurationsaufwand. Optional
kann das von DeviceNet her bekannte Konfigurationssoftwaretool (RSNetworx) zur Integration
von weiteren Feldgeräten in das Netzwerk genutzt werden.
Das wird beim CAN eingesetzt und ermöglicht jedem Telegramm, auf Grund eines geeigneten
Identifiers, sich durch zu setzen. Der Identifier mit den meisten vorangestellten Nullen setzt sich
durch, egal von welchem Gerät es gesendet wurde. Damit können Echtzeitdaten mit relativ kleinen
Latenzzeiten ausgetauscht werden.
6.5 Master-Slave-Verfahren
Haupteigenschaften
• genau eine Station (Master) kontrolliert den Buszugriff
• Alle anderen Stationen (Slave) werden zyklisch abgefragt (Polling)
• Es erfolgt eine feste Buszuteilung durch den Master
• Anwortzeit ist exakt bestimmbar
• Master bestimmt wann und wie oft der Slaves abgefragt wird (Datenmenge)
• Harte Echtzeitanforderungen werden erfüllt
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
6.6 Token-Passing-Verfahren
Dezentrale Buszuteilung
• Kollisionsfreies Zugriffsverfahren
• Sendeberechtigung (Token) wird von Station zu Station weitergereicht
• Jede Station kennt die Adresse des Vorgängers und des Nachfolgers
• logischer Ring
• Physikalisch sind sowohl Token-Ring als auch Token-Bus möglich
Buszugriffskontrolle umfaßt:
• verteilte Initialisierung
• Time-out Tokenempfang
• Time-out Tokenbesitz
• Datenpufferung
• Adressdekodierung
• Nachrichtensynchronisation
• Fehlererkennung
• Einfügen neuer Teilnehmer
Die deutlichsten Unterschiede zeigen die verschiedenen Feldbusse bei der Bandbreiteneffizienz.
N utzdaten
η= (6.1)
Gesamtdaten
Bei den Systemen mit Frage/Antwort Verfahren ( „request/respond“ auch „polling“ genannt), wird
für jeden Teilnehmer ein Fragetelegramm und anschließend das Antworttelegramm über den Bus
gesendet. Jedes Telegram benötigt also Informationen für den Transport (mindestens Ziel- und Ab-
senderadresse) um eindeutig zu sein. Zu den Nutzdaten kommen also noch die Headerdaten dazu.
Einige Bussysteme benötigen zusätzlich eine Mindesttelegrammlänge sonst funktioniert die Kollisi-
onserkennung nicht (Ethernet). Die minimal zulässige Ethernet-Telegramm-Länge beträgt 84 Byte
inklusive Preambel und Inter-Packet-Gap. Abzüglich der Headerdaten müssen also mindestens 46
Byte Nutzdaten im Telegramm enthalten sein (auch wenn sie nicht gebraucht werden!). Dies führt
zu einer ungünstigen Gesamtdatenmenge im Verhältnis zu den bei Automatisierungsendgeräten
sehr wenigen Nutzdaten.
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7 Prozessvisualisierung
Die Visualisierung von Prozessen ist eine graphische Darstellung für den Benutzer. Sie findet
Anwendung in unterschiedlichen Ebenen einer Produktion, z. B. direkt an einer Anlage, im Quali-
tätsmanagement oder als betriebswirtschaftliche Abbildung im Management.
Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA): beinhaltet Überwachung, Steuerung, Da-
tenerfassung. Darunter wird ein Konzept zur Überwachung und Steuerung technischer Prozesse
verstanden. Die im Praktikum verwendete Software WinCC kann als solche bezeichnet werden.
Die Basisfunktionalität ist umfangreich und kann kurz durch folgende (nicht vollständige) Aufzäh-
lung charakterisiert werden:
• Prozessanbindung über SPS, Feldbusse, Datenerfassungskarten, usw.
• Unterstützung standardisierter Schnittstellen
• Grafische, textuelle Darstellung
• Unterstützung von Echtzeitdaten
• Alarmbehandlung
• Trend-Darstellung
• Anbindung externer Datenbanken
• Animation
• Rezepturverwaltung
• Mehrsprachigkeit
• Mehrplatzkonfiguration
Hinweis !
Einige der oben genannten Funktionen sollten Ihnen bekannt vorkommen. Zu welchem
Thema sind diese Punkte im Rahmen dieser Vorlesung schon einmal in Erscheinung
getreten?
Ein SCADA-System bezieht sich gewöhnlicherweise auf die Überwachung, Visualisierung, Steue-
rung und Regelung einer gesamten Installation.
Hinweis !
Webprozessvisualisierung siehe Projektarbeit von Nicolas Schmid und Christian Roß-
kopf.
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8 Die Bewegungsautomation
Folgende Literatur ist für dieses Kapitel empfehlenswert: [ Kümmel (1986a)], [ Kümmel (1986b)],
[ Kümmel (1998)], [ Urs (2006)] [ VDI2143B1 (1980); VDI2143B2 (1987)]
Die sequentielle Steuerung tastet im Rhythmus des SPS-Programms ihre Eingänge ab (siehe
Abbildung 8.1 ), verarbeitet diese Information intern und erzeugt Ausgangszustände. Die Verarbei-
tungszeit ist von den internen Zuständen und Verzweigungen im Programmablauf stark abhängig.
In den meisten SPS wird eine frei laufende Task für den Programmablauf gewählt. Das bedeutet,
das nach Ablauf des gesamten Programms die Abarbeitung sofort wieder von vorne beginnt. Die
sich daraus ergebende Zykluszeit ist sehr unregelmäßig und zu keinem Ereignis der Maschine syn-
chron. Solange die Maschinenzykluszeit sehr viel länger als die Programmzykluszeit ist, hat es kaum
Auswirkungen auf die Qualität des Endproduktes. Aber die Weiterentwicklung eines Programms
führt zu immer längeren Programmlaufzeiten mit größer werdenden Jitter (in unserem Kontext:
Differenz zwischen schnellster und langsamster Zykluszeit). Andererseits werden mit der Zeit die
Forderungen nach höherer Produktivität mit kürzeren Maschinenzyklen immer stärker, so dass die
Programmzykluszeit und vor allem deren Jitter steigt und die Qualität des Produktionsprozesses
sinkt.
Ein Gummireifenhersteller ermittelte für seinen Produktionsprozess, dass jede Millisekunde Pro-
grammzykluszeit weniger die Produktivität um 1% steigerte. Die Produktionszykluszeit betrug
dabei etwa 15 Sekunden (also nicht besonders schnell). Die Verkettung von sehr vielen Sensoren
und Aktoren, die auf Grund des sequentiellen Steuerungskonzeptes aufeinander warten müssen,
läßt die Programmzykluszeit, deren Jitter, und vor allem den Zeitversatz zwischen Ereigniszeit-
punkt und SPS-Eingangs-Abfrage bei den vielen Ereignissen kumulativ hohe Werte annehmen. Zu
der Programm-Laufzeit und deren Laufzeitschwankungen (Jitter) kommen noch die Reaktionszei-
ten und deren Schwankungen bei den notwendigen Sensoren und Aktoren. Es wird deutlich, das
ein Konzept, das Ereignisse des Produktionsprozesses in unregelmäßigen Abständen abfragt, bei
komplexen Prozessen nicht zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen führt.
Die Abbildung 8.1 zeigt das Schema einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS). Die Sen-
soren erfassen den Prozesszustand und sind an den Klemmen der SPS angeschlossen. Der Klem-
menzustand wird durch zyklisches Abfragen (Task 1) der Eingangsklemmen als Prozessabbild in
den Speicher der SPS kopiert. Während der Programmzyklus durchlaufen wird (Task 2), wird das
Eingangsprozessabbild nicht mehr verändert. Nach Beendigung des Programmzyklusses werden
die ermittelten Ausgangszustande auf die Ausgangsklemmen geschrieben (Task 3). Das Einlesen
der Eingänge (Pfeil E) in das Prozessabbild und das Schreiben der Ausgänge (Pfeil A) wird von
unterschiedlichen Hardwarebaugruppen durchgeführt. Die einzelnen Baugruppen haben ihre eigene
Taskzeit und sind i.d.R. nicht zueinander synchronisiert. Die Reaktionszeit TR auf ein Eingangser-
eigniss hängt also von den jeweiligen Taskphasen zueinander und zum eigentlichen Ereignis ab und
schwankt daher. Der Jitter ∆T = TR,max − TR,min wirkt störend, wenn die Sollwertvorgaben bei
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Sensor
Ereignis → t
E
∆TT ask1
Programmablauf Task 2
t
C
sehr dynamische Bewegungen in die Größenordnung des Jitters kommen. In der Praxis hat sich
gezeigt das für mittlere Ansprüche der Jitter ∆T ≤ 10µs und für anspruchsvolle ∆T ≤ 1µs sein
sollte.
Es werden daher Maßnahmen notwendig, die einen definierten Ablauf gewährleisten.
- feste Taskzykluszeit für das Steuerprogramm einführen
- I/O-Komponenten mit Steuertask synchronisieren (siehe 50)
- Taskablauf mit dem Prozess synchronisieren (siehe 50)
- Feldbus mit Steuertask synchronisieren
- Umrichter mit Steuertask synchronisieren
Wenn alle genannten Maßnahmen erfüllt sind, wird es geringere Probleme geben, einen definierten
Ablauf sicherzustellen. Da der Maschinen-Prozess i.d.R. von der Steuerung injiziert wird, kann
die Synchronizität von einem übergeordneten virtuellen Taktgeber (Master) abgeleitet werden.
Man startet also nicht den Prozess, sondern den virtuellen Master , von dem alle Aktionen für
den Prozess abgeleitet werden. Ein virtueller Master kann ohne großen Aufwand zeitlich sehr
50
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
stabil und genau werden. Für aus dem Prozeß abgeleitete Takte gilt das nicht, da die zu Grunde
liegenden physikalischen Ereignisse (meistens eine Drehzahl oder Position) und besonders deren
Auswertung allen möglichen Umwelteinflüssen unterliegen und damit zwangsläufig nicht so stabil
sein können. Mit einem zentralen virtuellen Taktgeber, von dem alle Aktionen und Bewegungen
abgeleitet werden, entsteht ein stabileres System.
Bei intelligenten Sensoren muss die interne Zykluszeit schneller sein als die Abfragenintervalle der
Steuerung, ansonsten erhält die Steuerung mehrmals denselben Wert und leitet daraus eventuell
falsche Schlüsse ab. Ist der Sensor ein Drehgeber, der Positionsinformationen liefern soll, und die
Steuerung erhält hintereinander dieselbe Position, schließt sie unter Umständen und fälschlicher-
weise Stillstand der Maschine daraus. Bei der nächsten Abfrage wird dann wieder eine Positionsän-
derung ermittelt. Abbildung 8.2 zeigt den Einfluß der hilfsweisen Mittelung mehrerer Werte. Der
Ausreißer wird geglättet. Die Glättung verfälscht die reale Position, erzeugt eine Verzögerung und
reduziert die Dynamik der Sensor/Aktor-Regelstrecke. Faktisch wird ein PT1-Glied in die Strecke
eingefügt. Der Regler reagiert auf den verfälschten Istwertverlauf. Ohne Glättung und mit steifer
Reglereinstellung hört man den wiederholten Istwert. Der Antrieb macht Geräusche. Er „knistert“
als wenn sich Sand im Getriebe befände, denn der vermeintliche kurze Stillstand wiederholt sich
nach einigen Zyklen systematisch!
Abbildung 8.2: Durch ungleiche und nicht synchronisierte Zykluszeiten von Sensor und Steuerung erhält
die übergeordnete Steuerung zweimal hintereinander den selben Wert. Eine einfache glei-
tende Mittelung glättet zwar ein wenig, aber verzögert das Signal zusätzlich.
Ein ähnliches Verhalten zeigt ein digitaler Drehgeber mit ungenügender Auflösung im Betrieb bei
sehr langsamen Bewegungen. Eine geringe interne Drehgeber-Auflösung reicht bei langsamen Ge-
schwindigkeiten nicht, um beim nächsten SPS-Zyklus einen neuen Istwert zu ermitteln, denn die
Codierscheibe hat sich noch nicht weit genug gedreht, um die nächste Codierstufe zu erreichen.
Erhält die Steuerung hintereinander dieselbe Position wird sie dies als Regelabweichung (Position
soll sich ja ändern) einstufen und den Antrieb veranlassen zu beschleunigen, um beim nächsten
neuen Istwert einen Sprung auszumachen der zu hoch war und den Antrieb wieder bremsen. Der
Antrieb springt von Codierstufe zu Codierstufe. Hier könnte der Drehgeber oder die Steuerung
51
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Zwischenwerte interpolieren. Der Gleichlauf könnte so ruhiger gestaltet werden, aber die interpo-
lierten Werte haben unter Umständen keinen echten Bezug mehr mit der realen Bewegung des
sehr langsamen Antriebs. Die Auflösung bestimmt die minimale kontrollierbare Geschwindigkeit
und die maximal erreichbare Positioniergenauigkeit (Bestfall ±1 Auflösungsschritt des Sensors).
Ein Beispiel zur Positioniergenauigkeit wird auf Seite 107 gerechnet. Die erreichbare minimale
Geschwindigkeit wird auf Seite 55 bestimmt.
Die momentan besten Konzepte basieren auf einer Synchronisation der Drehgeberauswertung mit
der übergeordneten Steuerung. Der Synchron-Mechanismus startet die Programm-Task der Steue-
rung gleichzeitig mit der Drehgeber-Auswertungs-Task im Sensor. Dadurch kann insgesamt die
Zykluszeit des Gesamtsystems verkleinert werden, da keine Reserven mehr vorgehalten werden
müssen, um rechtzeitig genug (d.h. mit erlaubtem Jitter) ein Ereignis zu erkennen.
Die erreichbare Genauigkeit ist einerseits abhängig von der Mechanik, andererseits vom Steuerungs-
system. Wenn nur das Steuerungssystem betrachtet wird, kann aus der maximalen Geschwindigkeit
der entscheidenden Bewegung und dem Jitter △tJitter der Steuerung ein Maß für die erreichbare
Genauigkeit errechnet werden. Ein Beispiel wird auf Seite 107 gerechnet. Zu dieser Toleranz in der
Positioniergenauigkeit addiert sich die Toleranz des mechanischen Systems. Spielfreie Getriebe und
besondere Lager reduzieren die mechanischen Toleranzen und synchronisierte Echtzeit-Prozesse die
des Steuerungssystems.
Ausgangssignal digital/analog)
Eingangssignal
Wandler
Integrierter Sensor
Intelligenter Sensor
Abbildung 8.3: Integrationsschema von Sensoren. Der Umformer erzeugt aus einer physikalischen Größe
eine andere (z.B. Druckschwankungen an einer Membrane in Geschwindigkeit einer Spule).
Der Wandler erzeugt daraus ein elektrisches Zwischensignal (Spule im Magnetfeld), dieses
wird verstärkt, gefiltert und Impedanzangepaßt, um durch den Analog-Digital-Converter
dem Mikroprozessor zugeführt zu werden. Der Microprozessor bietet verschiedenen digitale
Schnittstellen (z.B. RS232, USB oder eine Feldbus-Schnittstellle wie CAN, Profibus oder
Modbus).
Die Abbildung 8.3 zeigt das prinzipielle Innenleben eines Sensors, der je nach Integrationsgrad
mehr oder weniger komplex aufgebaut ist. Es wird vereinfachend unterstellt, dass mit steigender
Komplexität das Sensorsignal zwar zuverlässiger und reproduzierbarer wird, aber auch die Ver-
zögerung des Sensor-Ausgangssignals – gemessen an dem auslösenden physikalischen Ereignis –
52
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
zunimmt. Den physikalischen Ereignissen schnell zu folgen und von den Umwelteinflüssen (Tem-
peratur, Druck, Alterung) unabhängig immer an der gleichen Schaltschwelle zu schalten ist eine
große Herausforderung. Einfache Sensoren zeigen daher eine von den Umwelteinflüssen abhängige
Schaltschwelle mit einen größeren Jitter.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen relativ und absolut messenden Systemen. Relativ mes-
sende Systeme sind meistens einfach und robust. Absolut arbeitende Systeme vermeiden die bei z.B.
inkrementellen Dregebern notwendige Referenzierung einer Maschine. Nach dem Einschalten
einer Maschine sind absolut arbeitende System sofort in der Lage, die Maschine in Bewegung zu
setzen, ohne in Endanschläge zu fahren. Bei relativ arbeitenden Systemen ist eine Referenzfahrt
nach dem Einschalten unabdingbar, um ein Maschinenschaden durch Fahren in den Anschlag zu
vermeiden. Nach einem Stromausfall oder einem manuellen Eingriff mit Verschieben der Po-
sition muß die Referenzierung wiederholt werden.
Drehgebersensoren
Bei Sensoren für die Bewegungsautomatisierung ist deren Auflösung, und Reaktionszeit und
besonders deren Jitter wichtig. Die Maßverkörperung (z.B. Strichzahl der Codierscheibe) ist in
Art und Ausführung bei einem Winkelgeber wichtig. Je nach Anwendungsfall kommen teure hoch-
auflösende Geber mit meistens geringerer Robustheit oder preiswertere einfachere mit moderater
Auflösung zum Einsatz. Motorfeedbacksysteme müssen möglichst verzögerungsfrei Winkellage und
Geschwindigkeit des Rotors an das Regelsystem leiten. Dabei dürfen hohe Temperaturen und Vi-
brationen keine Fehlfunktion auslösen. Bei Servosystemen ist die absolute Winkellage des Rotors
für die Kommutierung notwendig. Sensorlose Servosysteme leiten die absolute Lage des Rotors aus
den Strom- und Spannungsmessungen des Statorwickels ab. Für höchste Ansprüche kann aber auf
Lage-, Geschwindigkeits- und manchmal auch noch auf Beschleunigungsmesser (z.B. der Ferraris-
Sensor nach dem Wirbelstromprinzip (siehe [ Bernhard (2001)]) nicht verzichtet werden. Teils
aus Kostengründen leitet man oft aus Positionswerten die Geschwindigkeit und Beschleunigung
ab. Geschieht dies durch numerische Differentiation, vergrößern alle Rausch-, Quantisierungs- und
Jitter-Einflüsse des Positionsgebers den Fehler enorm. Mißt man die Beschleunigung direkt (z.B.
mit dem Ferrarissensor) reicht für die Vorsteuerung bereits eine Quantisierung von 12 Bit. Das
Geschwindigkeitssignal wird dabei durch Integration des Beschleunigungssignals und das Positi-
onssignal durch eine weitere Integration des Geschwindigkeitssignals ermittelt. Dabei sind die oft
notwendigen Auflösungen von 16 Bit für die Geschwindigkeit und über 20 Bit für die Position
durch die glättende und rauschbefreiende Wirkung des Integrierens des Beschleunigungssi-
gnals leichter erreichbar als durch Differenziation des Positionssignals. Manchmal wird ein
53
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
U1 U2 UE
Ue (t)
U1 (t)
cos(φ)
t
U2 (t)
sin(φ)
t
Abbildung 8.5: Der Resolver besteht im wesentlichen aus einer Ankerspule mit zwei feststehenden Messs-
pulen und einem einspeisenden Drehtransformator. Der Drehtransformator speist winkelun-
abhängig und berührungslos über den Luftspalt in die im Bild daneben liegende Ankerspule
ein. Die beiden feststehenden Messspulen sind um 90o versetzt angeordnet, so dass deren
Ausgangsspannungen winkelabhängig werden.
Inkrementalgeber Der Inkrementalgeber ist durch seine Strichzahl z pro Umdrehung (auch Auflö-
sung genannt) und seine Maximaldrehzahl im Sinne der Bewegungsautomatisierung charakterisiert.
Robustheit, Umwelteinflüsse, Lagerbelastbarkeit u. a. betrachten wir hier nicht. Die erreichbare
Positioniergenauigkeit ist auf Seite 107 an einem Beispiel berechnet.
54
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die kleinste gerade noch kontrollierbare Geschwindigkeit erfordert mindestens einen Flankenwech-
sel der Sensorsignale während einer Regelzykluszeit TA (in die rechte Formel wird TA in Mikrose-
kunden eingegeben). Bei einer Strichzahl z und einer Vierflankenauswertung der beiden Spursignale
(siehe Abbildung 8.6) ergibt sich die minimale Geschwindigkeit:
1 60 · 106
nmin = ⇒ nmin = [min−1 ] (8.1)
z · 4 · TA z · 4 · TA
Spur A
φ
Spur B
Spur N
Abbildung 8.6: Das Prinzip eines Inkrementalsensors mit zwei Gabellichtschranken für die beiden Spur-
signale A und B. Die um 90o versetzte räumliche Anordnung liefert bei Bewegung zeitlich
versetzte Signale. Aus der Phasenverschiebung lässt sich die Drehrichtung ermitteln. Die
Signale können wie im Bild dargestellt als digitale Rechtecksignale oder als analoge Sinus-
und Cosinus-Signale vorliegen. Das Rechtecksignal kann bequeme weiter verarbeitet wer-
den. Das analoge Sinus-/Cosinus-Signal lässt sich durch eine Arcustangens-Interpolation
sehr fein interpolieren und bietet dadurch eine vielfach höhere Auflösung als das digitale
Signal.
Übung 5
Wie muß ein nachgeschalteter Auf-/Abwärtszähler (positive Flanke triggert) mit den beiden Spur-
signalen A und B verdrahtet werden damit der Zählerstand auch bei Drehrichtungsumkehr stets die
richtige Position angibt.
Spur A Takt
Zähler
Spur B Auf/Ab
Übung 6
Geben Sie die logische Verknüpfung an, die aus den beiden Spursignalen A und B eine Verdoppelung
der Impulse liefert.
Übung 7
Geben Sie die logische Verknüpfung an, die für das verdoppelte Signal das zugehörige Richtungssi-
gnal ergibt. Das Richtungssignal wird benötigt um den nachgeschalteten Positionszähler aufwärts
bzw. abwärts zählen zu lassen, wenn die Drehrichtung sich umgekehrt.
55
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Spur A
Spur B
Verdoppeltes Signal
links
Drehrichtung rechts
Übung 8
Geben Sie die logische Schaltung an, die eine Vierflankenauswertung und das zugehörige Rich-
tungssignal ergibt.
Lösung: Hinweis: benutzen Sie einen Baustein (was auch immer drin sein mag) der die Flanke
erkennt.
Absolutgeber Das Prinzip des Absolutgebers in Abbildung 8.7 zeigt auf mehreren parallelen
Spuren ein besonderes Bitmuster, das durch entsprechend viele Sensoren parallel detektiert wird.
Bei diesem Code sind mehrere Bitwechsel gleichzeitig unmöglich, womit falsche Zwischencodes
vermieden werden. Häufig wird der Gray-Code X3 eingesetzt. Er läßt sich aus dem Binär-Code
X1 errechnen (Formel X3 (X1 ) = X1 XOR (X1 /2)). Die Wertigkeit einer 1 an der Position n im
0
Gray
0 0 0 0
Binär
0 0 0
Signalverarbeitung SSI, Feldbus
0 0 0 1 0 0 0 1
0 0 1 1 0 0 1 0
0 0 1 0 0 0 1 1
0 1 1 0 0 1 0 0
0 1 1 1 0 1 0 1
0 1 0 1 0 1 1 0 φ
0 1 0 0 0 1 1 1
1 1 0 0 1 0 0 0
1 1 0 1 1 0 0 1
1 1 1 1 1 0 1 0
1 1 1 0 1 0 1 1
1 0 1 0 1 1 0 0
1 0 1 1 1 1 0 1
1 0 0 1 1 1 1 0
1 0 0 0 1 1 1 1
Abbildung 8.7: Das Prinzip eines Absolutsensors. Zur eindeutigen Erkennung des Bitmusters ohne falsche
Zwischencodes eignet sich z.B. der Gray-Code. Er zeichnet sich durch nur einem Flanken-
wechsel pro Schritt aus.
Gray-Code Zahlensystem ist 2n −1 (wobei n ab 1 zählt, also ... 31, 15, 7, 3, 1). Die einzelnen Einsen
werden, im Gegensatz zum normalen Binärsystem, nicht addiert, sondern von rechts beginnend
subtrahiert (Quelle wikipedia). Beispiele sind auf Seite 104 gezeigt.
56
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Als Aktoren für die Bewegungsautomation werden zunehmend Servomotoren, aber auch Asyn-
chronmotoren mit entsprechender Umrichtertechnik eingesetzt. Schrittmotoren sind die preiswerte
Alternative, für nicht so anspruchsvolle Aufgaben. In der Abbildung 8.8 ist das Prinzip einer An-
triebsachse mit Servomotor und Resolverrückführung gezeigt. Der Resolver liefert die notwendige
Rotorlage für die Bestrommung der Statorwicklungen. Es gibt auch Verfahren, die die Rotorlage
aus Strom- und Spannungsmessungen der Statorwicklung ermitteln können und so mit Einschrän-
kungen ohne Drehgeber auskommen. Ein in FUP programmiertes Beispiel mit einem Sollwert-
L1 R U N
L2 V φ
L3 W S
T7
T1 T3 T5
vist Ist-Geschwindigkeit
sist Ist-Position
Abbildung 8.8: Prinzip eines Umrichters bestehend aus einem Dreiphasen-Netzgleichrichters, der einen
Zwischenkreis aus 2 Kondensatoren speist. Zwei Kondensatoren in Reihe zur Spannungs-
erhöhung und davon eventuell weitere parallel zur Kapazitätserhöhung. Ohne zusätzli-
che strombegrenzende Bauteile wird der Einschaltstrom extrem hoch! Am Ausgang rich-
ten die sechs Transistoren bei geeigneter Ansteuerung die Zwischenkreisspannung in ein
Dreiphasen-System U1 , U2 , U3 anderer Spannung und anderer Frequenz um. Ein Dreh-
strommotor wird an U , V , W angeschlossen. Meistens sind diese in Sternschaltung ohne
herausgeführten Sternpunkt gefertigt. Bei Motoren oder induktiven Lasten sorgen zusätz-
liche Freilaufdioden parallel zu jedem Transistor für den Rückfluss der generatorischen
Leistung beim Bremsen bzw. der induzierten Spannung (Bei höherer aber gleicher Span-
nungsrichtung kehrt sich der Stromfluss um und die Zwischekreiskondensatoren werden
geladen).
generator für zwei Achsen zeigt die Abbildung 8.9. Der Sollwertgenerator berechnet nicht nur
Positionssollwerte sondern auch Geschwindigkeitssollwerte zur Vorsteuerung.
57
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.9: Zwei Antriebsachsen mit einem gemeinsamen Sollwertgenerator in Funktionsblöcken pro-
grammiert. Der Funktionsblock _Endstufe representiert den Umrichter. Der Funktions-
block _Sensorauswertung liefert die aufaddierten Inkremente einer abgetasteten Codier-
scheibe und zeigt damit integrierendes Verhalten, so dass für die Positionsregelung ein
einfacher P-Regler genügt um die Regelabweichung in der Position zu eleminieren.
Der Name Nockenschaltwerk deutet auf den mechanischen Ursprung hin. Zu bestimmten Positionen
eines Antriebs müssen zusätzliche Aktuatoren aktiviert werden. Das können Kühlmitteleinsprit-
zungen, Klebstoffaufträge, Pneumatik- oder Hydraulik-Zylinder etc. sein. Es wird also ein Baustein
benötigt, der zu einer bestimmten Position einen Ausgang schaltet. Dieser Ausgang repräsentiert
die Nocke. Sie kann innerhalb eines Zykluses mehrfach geschaltet werden, was man dann Nocken-
bahn nennt. Mehrere solcher Nockenbahnen bilden ein Nockenschaltwerk. Eine statische Nocke
schaltet zu bestimmten festen Positionen. Eine dynamische Nocke verändert ihre Schaltposition in
Abhängigkeit von der Leitachsgeschwindigkeit und manchmal, bei besonders dynamischen Anwen-
dungen, auch in Abhängigkeit von der Beschleunigung.
φ1 φ(t)
∆t1 ∼ ∆φ1
φz1
Abbildung 8.10: Eine Nocke mit Winkel-Kompensation ∆φ1 der Aktuatorverzögerungszeit ∆t1 damit der
Aktuator im Ziel-Winkel φ(t1) = φz1 zum richtigen Zeitpunkt t1 wirken kann.
Die ursprüngliche Schaltposition der Nocke wird durch die Kompensation zu kleineren Winkeln
mit wachsender Geschwindigkeit und Verzögerungszeit geschoben, damit die konstante Verzöge-
rungszeit des Aktuators zu einer Aktion beim richtigen Winkel führt. Der Vorhalte-Winkel ∆φ1
58
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
6
N ocke4 H
L
N ocke3 H
L
N ocke2 H
L
∆φ1
N ocke1 H
L -
φ0 φ1 φ2 φz1 φz2 φ3 φ4 φ5 φ
berechnet sich aus der konstant angenommenen Geschwindigkeit ω bei einer Kreisbewegung bzw.
v und der Verzögerungszeit ∆t1 zu
Wird während der Kompensationsphase beschleunigt, kann/muß dies berücksichtigt werden. Bei
einer konstant angenommenen Beschleunigung a berechnet sich die Geschwindigkeit v durch inte-
grieren der Beschleunigung während der Verzögerungszeit ∆t1 .
v(t) = a · t + v0 (8.4)
1
Z ∆t1 ∆t1
∆s1 = v(τ )dτ = a · τ 2 + v0 · τ (8.5)
τ =0 2 0
Verallgemeinert man diese Betrachtung, kann natürlich auch der Ruck berücksichtigt werden und
die Nocken können berechnet werden. Ist das Bewegungsprofil vor dem Start der Bewegung be-
kannt, können sämtliche Nocken-Vorhalte-Winkel (bzw. Leitachspositionen) im voraus berechnet
werden. Die Nocke kann mehrmals während des Leitachszykluses ein- und ausgeschaltet werden
und es können mehrere parallele Nockenbahnen exisitieren um verschiedene Aktuatoren zu bedie-
nen. Jeder Nockenbahn wird ein digitaler Ausgang zugeordnet. Es ergibt sich ein Nockenschaltwerk
wie es in Abbildung 8.11 gezeigt ist. Es müssen ähnlich wie beim Bewegungsprofil (Sollposition der
Folgeachse) zu den berechneten Leitachspositionen die zugeordnete Ausgänge, gemäß der voraus-
berechneten Leitachsposition, die um die Verzögerungszeit kompensiert wurde, gesetzt werden.
Übung 9
Welchen Vorteil gewinnt man wenn man die Vorhaltewinkel und damit die Nockenpositionen vor
dem Start der Bewegung berechnet? Lösung: Trotz Verzögerungszeit wird die geplante Aktion zur
richtigen Position ausgeführt
59
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
8.4 Beispielmaschine
Als anschauliches Beispiel für die weiter unten sehr ausführlichen Herleitungen der Bewegungspro-
file soll eine Beutel-Maschine dienen wie sie die Abbildung 8.12 zeigt.
∆s
Aufwickler
Abwickler
sT änzer1 sT änzer2
Abbildung 8.12: Skizze eines Beutelautomaten mit intermittierendem Folientransport. Die Folie zwischen
den Tänzern führt eine Bewegung des Typs R-R durch, während die Foliengeschwindigkeit
ausserhalb der Tänzer konstant ist. Der Druckenmarkensensor registriert eventuelle Po-
sitionsabweichungen des Druckbildes. Der Schweissbalkenantrieb ist blau dargestellt. Die
roten Schweissbalken bewegen sich um jeweils ∆s, wofür der Kurbeltrieb die Winkelbe-
wegung ∆φ benötigt.
60
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
v4 (t) TP roduktzyklus
TBearbeitung
v3 (t) s3 (t)
v2 (t) s2 (t)
v1 (t)
t
Abbildung 8.13: Geschwindigkeitsprofile (blau) und Positionsprofile (grün) für mehrere Achsen einer Ma-
schine. Die konstante Abwickelgeschwindigkeit v1 (t) wird bei einer intermittierenden Ma-
schine durch eine geeignete Station (z.B. Tänzer) in eine periodische Bewegung s2 (t), v2 (t)
umgesetzt. Der kurze Stillstand wird benötigt um in der dritten Station die Bearbeitung
(z.B. Schweissbalken zusammenfahren mit s3 (t), v3 (t) und siegeln) durchzuführen. Das
Produkt wird anschließend wieder mit konstanter Umfangsgeschwindigkeit v4 (t) aufgewi-
ckelt.
61
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
In Abbildung 8.17 ist die allgemeine Vorgehensweise skizziert. Unser Fokus liegt in der Bestim-
mung des Bewegungsplans und der Herleitung aller Bewegungsprofile. Aus der technologischen
Aufgabe resultieren neben vielfältigen Aufgaben zum Ablauf des Prozesses die Bewegungsauf-
gaben. Oft werden diese mit mechanischen Kurvengetrieben realisiert, doch zunehmend werden
flexiblere Servo-Antriebssystem eingesetzt, die eine schnelle und einfache Umrüstung ermöglichen.
In diesem Kapitel wird erklärt, wie das Bewegungsprofil eines mechanischen Kurvengetriebes [
VDI2143B1 (1980); VDI2143B2 (1987)] durch ein äquivalentes elektronisches Bewegungsprofil er-
setzt wird. Die berechneten Bewegungsprofile lassen sich schnell an neue Maschineneinstellungen
(Produktabmessungen) anpassen. Angelehnt an eine mechanische Kurvenscheibe kann der Abstand
r(φ) zum Mittelpunkt als Funktion vom Drehwinkel angegeben werden. Abgewickelt und in einem
Diagramm dargestellt entsteht das Bewegungsprofil. In allgemeinerer Form wird der Drehwinkel
der Scheibe zur Masterposition und der Radius zur Slaveposition. Losgelöst von der mechanischen
Scheibe sind sowohl positive als auch negative Slavepositionen wie auch Masterpositionen beliebi-
ger Länge sinnvoll, die nicht mehr auf die 360o Grad einer Kurvenscheiben-Umdrehung beschränkt
sein müssen. Die eigentliche Bewegung des Werkstücks kann nun im Bewegungsdiagramm dar-
gestellt werden und im Gegensatz zu einer mechanischen Lösung fast unmittelbar durch einen
Servoantrieb erzeugt werden.
Die Abwicklung einer mechanischen Kurvenscheibe zeigt meistens nur einen kleineren Teil eines
Kurvengetriebes, das oft aus vielen Hebeln und Gelenken besteht. Für die gewünschte resultierende
Bewegung müssen unter Umständen einige komplexe Kurbel- und Gelenkhebel überlagert werden.
Veränderungen sind aufwendig.
Für die Erstellung der Bewegungsprofile werden in einem Bewegungsplan [ VDI2143B1 (1980);
VDI2143B2 (1987)] wichtige Positionen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen erfasst. Der
Plan enthält Sektionen (Drehwinkelbereiche der Kurvenscheibe) mit den Randwerten für Position,
Geschwindigkeit, Beschleunigung und einem Bewegungstyp. Der Bewegungstyp gibt an, welche
Randwerte verschwinden bzw. wie die Bewegung fortgeführt werden soll.
Die Koordination mehrerer Bewegungsabläufe geschieht am effizientesten mit einer Leitachse. Der
virtuelle Master kann sehr stabil und gleichmäßig durch quarzgesteuerte Echtzeittasks erzeugt
werden. Alle davon abgeleiteten Sollwerte für die Folgeachsen sind deshalb ebenfalls stabil und
beeinflussen sich nicht gegenseitig.
Zunächst sollen aber einfache Bewegungen die Unterschiede verdeutlichen. Die Tabelle 8.1 gibt
einen Überblick über die möglichen Sprünge und definiert den Ausdruck „ruckfrei“, der nicht bedeu-
tet, dass der Ruck verschwindet! Ruckfreie Bewegungen sind demnach im Weg-, Geschwindigkeits-
und Beschleunigungs-Verlauf stetig mit höchstens einem Knick im Beschleunigungs-Verlauf.
62
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Ruck-behaftete Positionierung
Die Ruck-behaftete Positionierung ergibt sich bereits durch Ein- und Ausschalten des Gleichstrom-
bzw. Servo-Motors. Bei diesen Motortypen ist i.d.R. die elektrische Zeitkonstante sehr viel klei-
ner als die mechanische, so dass der Motorstrom und damit die Beschleunigung beim Einschalten
praktisch sprungartig ansteigt. Auf Grund der relativ großen mechanischen Zeitkonstante bewegt
sich der Rotor nicht sprungartig, sondern unterliegt der Massenträgheit. Dies wird in der Drehmo-
mentbilanz berücksichtigt.
dω
MM otor = MLast + MBeschleunigung = MLast + Jgesamt · (8.6)
dt
MBeschleunigung = MM otor − MLast (8.7)
dω 1
= · (MM otor − MLast ) (8.8)
dt Jgesamt
Das Motormoment muß also sämtliche statischen und dynamischen Drehmomente aufbringen. Im
Stillstand oder bei konstanter Geschwindigkeit verschwindet das Beschleunigungsmoment. Es ist
also wichtig, den dynamischen Anteil zu kennen, um den richtigen Motor auszuwählen.
Unabhängig vom mechanischen System soll das dynamische Verhalten unterschiedlicher Positio-
nierprofile untersucht werden. Ziel ist es, ein geeignetes Positionierprofil als Sollwertvorgabe für
ein realen Antrieb zu finden, das von sich aus zu keinen unvorteilhaften Sollwertvorgaben (Stößen,
Ruck) führt.
Die Abbildung 8.14 zeigt eine symmetrische Beschleunigungs- und Verzögerungsphase. Die Abbil-
dung 8.15 dagegen zeigt ein unsymmetrisches Profil mit betragsmäßig unterschiedlicher Beschleu-
nigung und Verzögerung. Der Ruck ist nicht abgebildet, da er als Ableitung des rechteckförmigen
Beschleunigungsprofils nicht mehr sinnvoll darstellbar wäre. Das Bewegungsprofil ist also nicht
ruckfrei, obwohl das Positionierprofil „Glatt“ aussieht.
Ruckfreie Positionierung
Gibt man den Ruck als stückweise konstante Abschnitte vor, so entsteht durch Integration ein
stetiger Beschleunigungsverlauf. Ein stetiger Beschleunigungsverlauf ist die notwendige Bedingung
für eine ruckfreie Bewegung. Die Abbildung 8.16 zeigt eine ruckfreie Positionierung, die durch
sukzessive Integration von Ruck, Beschleunigung und Geschwindigkeit ermittelt wurde.
Die drei in den Abbildungen gezeigten Positionierungen 8.14, 8.15 und 8.16 erreichen die glei-
che Maximalgeschwindigkeit und überschreiten diese nicht. Nach gleicher Zeit erreicht dabei die
ruckfreie Positionierung trotz Ausnutzung der Maximalbeschleunigung nicht die große Wegände-
rung der Ruck-behafteten Positionierungen. Die ruckfreie Positionierung muss für kurze Momente
bezüglich Geschwindigkeit und Beschleunigung bis an die Grenzen des Antriebs gehen. Für die
Ruck-behafteten Positionierungen könnten kleinere Antriebe gewählt werden bei gleicher Endpo-
sition und Positionszeit auf Kosten eines höheren Verschleisses der Maschine.
Der Bewegungstyp (siehe Tabelle 8.2) muss bekannt sein, um die Bewegungsaufgabe, den -plan
und das -profil daraus herleiten zu können.
Die Bewegungstypen legen im Bewegungsplan für die markanten Positionen von Master- und
Slave-Positionen die Bewegungseigenschaften fest (Geschwindigkeit und Beschleunigung). Danach
63
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.14: Ruck-behaftete Positionierung bedingt durch die Beschleunigungssprünge. Das obere Dia-
gramm zeigt das Positionierprofil mit smax = 180cm , das mittlere die Geschwindigkeit
mit vmax = 60cm/s und das untere die Beschleunigung mit |amax | = 20cm/s2 .
werden geeignete Bewegungsgesetze (mathematische Funktionen) gewählt und es entsteht aus allen
(Slave-) Zwischenpositionen das Bewegungsprofil, das im Bewegungsdiagramm dargestellt werden
kann.
Der Bewegungsplan in Abbildung 8.18 ist der Ausgangspunkt unserer Herleitung. Um diesen zu
erstellen muß die technologische Aufgabe verstanden und in die markanten Abschnitte zerlegt wer-
den. Auf der Abszisse sind die markanten Positionen der Leitachse (auch Masterachse). Auf der
Ordinate sind die Positionen der Folgeachse (auch Slaveachse) aufgetragen. Die Leitachse wird bei
einer mechanischen Kurvenscheibe naturgemäß von 0 bis 360 Grad reichen und stellt damit eine
Umdrehung der Leitachse dar. Sie beginnt nach einer Umdrehung von 360 Grad wieder bei 0 Grad.
Die Slavepositionen können bei einer einfachen mechanischen Kurvenscheibe, da es die Radien an
bestimmten Leitachs-Winkeln sind, nie negativ sein. Bei der elektronischen Kurvenscheibe ist man
frei von solchen Beschränkungen und man kann die Leitachse beliebig oder eben direkt in Längen-
einheiten angeben. Die Slavepositionen können ebenfalls in Längeneinheiten angegeben werden.
Leit- und Folgeachspositionen können sogar negativ werden.
Jeder Abschnitt beginnt mit einem Bewegungstyp an einer bestimmten Master- und Slaveposition
64
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
und endet an einer anderen Master- und Slaveposition bzw. mit einem anderen Bewegungstyp.
Damit können Abschnitt für Abschnitt geeignete mathematische Funktionen gewählt werden, die
genau den Bewegungstypen an den Abschnittsgrenzen entsprechen. Die genaue Berechnung be-
rücksichtigt dabei Anfangs- und End-Positionen, -Geschwindigkeiten und -Beschleunigungen und
ergibt die Parameter für die gewählte Bewegungsfunktion. Das Bewegungsprofil ergibt sich durch
die Aneinanderreihung aller Abschnitte (bzw. aller Bewegungsfunktionen mit den berechneten Pa-
rametern).
Tabelle 8.3 zeigt alle möglichen Kombinationen für die Übergänge von Bewegungstypen:
Die Bewegungsgesetze sind analytische Funktionen, die die Relativbewegung zweier Getriebeglie-
der beschreiben. Bei einem mechanischen Getriebe ist dies z.B. die Relativbewegung zwischen
Antriebs- und Abtriebsachse. In unserem Fall ist die Relativbewegung zwischen der Leit- und der
Folgeachse gemeint. Die Bewegung der Leitachse wird durch die zeitabhängige Leitachsposition
φ(t) gekennzeichnet. Die Position der Folgeachse wird durch s(φ(t)) beschrieben.
65
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Wird mit ′ (Strich) die Ableitung nach dem Drehwinkel φ und · (Punkt) die Ableitung nach der
Zeit t bezeichnet, so erhält man durch Ableitung des Bewegungsgesetzes nach der Zeit folgende
Bewegungsgleichungen für Geschwindigkeit und Beschleunigung der Folgeachse:
Ist φ(t) eine Funktion von der Zeit und s(φ(t)) folgt
ṡ =s′ φ̇ (8.9)
s̈ =s′′ φ̇2 + s′ φ̈ (8.10)
Das bedeutet, dass die Folgeachse eine zusätzliche Beschleunigung erfährt, wenn die Leitachse Ge-
schwindigkeitsänderungen aufweist. Dieser Fall tritt z.B. beim Anfahren oder Runterfahren einer
Maschine ein und kann bei entsprechend dynamischen Leitachsänderungen die Folgeachse leicht
in die Strom- oder Drehzahlgrenze fahren und damit Fehler im Umrichter auslösen. Sind dyna-
mische Leitachsänderungen gewünscht, muß der Antrieb entsprechend der Formeln 8.10 ausgelegt
werden. Für den Fall einer konstanten Leitachsgeschwindigkeit (typischerweise ist dies der normale
Produktionsfall der Maschine) gilt:
φ̇ =ωa = konstant (8.11)
φ̈ =αa = 0 (8.12)
′
ṡ =s ωa (8.13)
s̈ =s′′ ωa2 (8.14)
66
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
? ? ?
übrige Teilfunktion 1 Bewegungsaufgabe übrige Teilfunktion 2
?
? ?
Antriebe auswählen Maschinenarbeitsplan (Zyklogramm)
? ?
Auswahl der Getriebe (nach z.B. VDI 2727)
? ? ?
Gelenkgetriebe elektrische Kurven sonstige Getriebe
r
? ? ?
Bewegungsplan 1 Bewegungsplan 2 Bewegungsplan n
? ? ?
Bewegungsgesetze (nach z.B. VDI 2143 Blatt 1)
? ? ? ? ?
Bewegungs-
Bewegungs- Bewegungs- Bewegungs- Bewegungs-
Diagramme
Diagramm 1 Diagramm 2 Diagramm n Diagramme
? ? ? ? ?
Funktionsdiagramm
Abbildung 8.17: Die technologische Aufgabe wird systematisch zerlegt. Die Abbildung ist angelehnt an
VDI 2143 (siehe [ VDI2143B1 (1980); VDI2143B2 (1987)]). In diesem Skript werden nur
die grün unterlegten Blöcke, die im wesentlichen auf elektrische Kurvenscheiben führen,
behandelt.
67
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
s(φ)
Rast Überg. Überg. Rast Übergang Rast Übergang Übergang Übergang
s5 ,s6 R R
∆s45
s3 ,s4 R R
∆s23 ∆s67
s2 ,s8 G U
∆s78
s7 ∆s12
U ∆s89
s0 ,s1 ,s9 R R
∆φ01 ∆φ12 ∆φ23 ∆φ34 ∆φ45 ∆φ56 ∆φ67 ∆φ78 ∆φ89
φ
φ1 φ2 φ3 φ4 φ5 φ6 φ7 φ8 φ9
Abbildung 8.18: Der Bewegungsplan teilt die Bewegungsaufgabe in verschiedene Abschnitte. An den
Abschnittsgrenzen werden die Bewegungstypen Rast, Geschwindigkeit, Umkehr und
Beschleunigung definiert. In der Abbildung sind 9 Abschnitte mit insgesamt 10 Abschnitts-
grenzen (0 bis 9) gezeigt. Später werden geeignete Bewegungsgesetze (Seite 71) in jeden
Abschnitt eingefügt und es entsteht so Abschnitt für Abschnitt das Bewegungsdiagramm
(Seite 69)
Übung 10
Die Leitachse wird beschleunigt bewegt φ(t) = v·t+ a2 ·t2 . Die Position der Folgeachse sei s(φ) = c·φ.
Berechnen Sie die Geschwindigkeit ṡ(t) und Beschleunigung s̈(t) der Folgeachse?
Lösung: ṡ(t) = c · (v + a · t)
Lösung: s̈(t) = c · a
Übung 11
Die Leitachse wird beschleunigt bewegt φ(t) = v · t + a2 · t2 . Die Position der Folgeachse sei s(φ) =
c · sin(φ). Berechnen Sie die Geschwindigkeit ṡ(t) und Beschleunigung s̈(t) der Folgeachse?
Lösung: ṡ(t) = c · cos(v · t + a2 · t2 ) · (v + a · t)
Lösung: s̈(t) = −c · sin(v · t + a2 · t2 ) · (v + a · t)2 + c · a · cos(v · t + a2 · t2 )
68
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
s(φ) R R
5
R R
4
G U
3
U
2
R R R
1
φ
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Abbildung 8.19: Durch geeignete Wahl von Bewegungsgesetzen (Seite 71) bzw. -funktionen entsteht aus
dem Bewegungsplan (Seite 68) das Bewegungsdiagramm. Achtung: die roten Teilstücke
sind zwar mathematisch richtig (es gibt mehrere Lösungen), aber meistens erwartet man
hier eine Bewegung ohne Unter- bzw. Überschwinger! Siehe dazu auch 9.10.3
konst.
Übergang Rast Umkehr Bewegung
Geschw.
R-R siehe 8.8.1 R-G siehe 8.8.1 R-U siehe 8.8.1 R-B siehe 8.8.1
Rast vi = 0 vk = 0 vi = 0 vk ̸= 0 vi = 0 vk = 0 vi = 0 vk ̸= 0
ai = 0 ak = 0 ai = 0 ak = 0 ai = 0 ak ̸= 0 ai = 0 ak ̸= 0
G-R siehe 8.8.1 G-G siehe 8.8.1 G-U siehe 8.8.1 G-B siehe 8.8.1
konst.
vi ̸= 0 vk = 0 vi ̸= 0 vk ̸= 0 vi ̸= 0 vk = 0 vi ̸= 0 vk ̸= 0
Geschw.
ai = 0 ak = 0 ai = 0 ak = 0 ai = 0 ak ̸= 0 ai = 0 ak ̸= 0
U-R siehe 8.8.1 U-G siehe 8.8.1 U-U siehe 8.8.1 U-B siehe 8.8.1
Umkehr vi = 0 vk = 0 vi = 0 vk ̸= 0 vi = 0 vk = 0 vi = 0 vk ̸= 0
ai ̸= 0 ak = 0 ai ̸= 0 ak = 0 ai ̸= 0 ak ̸= 0 ai ̸= 0 ak ̸= 0
B-R siehe 8.8.1 B-G siehe 8.8.1 B-U siehe 8.8.1 B-B siehe 8.8.1
Bewegung vi ̸= 0 vk = 0 vi ̸= 0 vk ̸= 0 vi ̸= 0 vk = 0 vi ̸= 0 vk ̸= 0
ai ̸= 0 ak = 0 ai ̸= 0 ak = 0 ai ̸= 0 ak ̸= 0 ai ̸= 0 ak ̸= 0
Tabelle 8.3: Die Kombinationsmöglichkeiten beim Übergang von Bewegungstypen. Der Index i gibt die
Randbedingungen zu Beginn und der Index k am Ende des Abschnittes an. Mit der Bezeichnung
ak = f ′′ (z = zk ) wird die normierte Beschleunigung und mit vk = f ′ (z = zk ) die normierte
Geschwindigkeit am Rand z = zk des Abschnittes k beschrieben
Potenzgesetz
f (z) = p0 + p1 z + p2 z 2 +. . . . pi z i
Trigonometrische Gesetze
f (z) = A · cos(νz) + B · sin(νz)
69
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
dfik ′
=fik (8.18)
dzik
d2 fik ′′
dzik2 =fik (8.19)
d3 fik ′′′
dzik3 =fik (8.20)
Aus den normierten Bewegungsgesetzen erhält man die wirklichen Bewegungen und deren Ablei-
tungen mit:
Übung 12
Berechnen Sie für den einfachen Fall einer konstanten nicht beschleunigten Leitachse φ(t) = v · t
die reale Geschwindigkeit und Beschleunigung der Folgeachse s(t). Während die Leitachse den Weg
∆φ macht, führt die Folgeachse den Hub ∆s aus. Die Folgeachse folgt nach dem Bewegungsgesetz
f (z) = d · z. Wie nennt man diese Bewegung zwischen Leit- und Folgeachse?
elektrisches Getriebe bzw. Synchronfahrt
fik (z) = d · z fik′ (z) = d fik′′ (z) = 0
Übung 13
Berechnen Sie für den Fall einer beschleunigten Leitachse φ(t) = v · t + 12 at2 die reale Geschwin-
digkeit und Beschleunigung der Folgeachse s(t). Während die Leitachse den Weg ∆φ macht, führt
die Folgeachse den Hub ∆s aus. Die Folgeachse folgt nach dem Bewegungsgesetz f (z) = d · z
Lösung: an der Tafel
70
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Übung 14
∆φ, ∆s und Leitachse φ(t) wie vorher, aber die Folgeachse folgt nach dem Bewegungsgesetz f (z) =
d · z + e · z2
Lösung: an der Tafel
∆sik
fik (zik (t))
sik
fi = 0
si i zik
zi = 0 zik (t) zk = 1
s(φ)
∆φik
φ
φi φ(t) φk
φ(t)
φ(t) = v · t + b
2 · t2
t φ(t) = vm · t
Abbildung 8.20: Das Bewegungsdiagramm (Seite 69) entsteht in dem man Abschnitt für Abschnitt des
Bewegungsplans (Seite 68) durch geeignete genormte Bewegungsgesetz f (z) ausdrückt.
Ihr relatives Koordinatensystem fik (zik ) fügt sich in das absolute Koordinatensystem s,φ
der Gesamtbewegung ein, in dem man die normierten Bewegungsgesetze um φi und si
koordinatenverschiebt und mit ∆φik streckt bzw. ∆sik skaliert. Die Koordinate φ kann
wiederum eine beliebige Funktion von z.B. t sein. Das untere Diagramm zeigt zwei Bei-
spiele in blauer Farbe.
Für die absolute Koordinate der Folgeachse gilt:
Ruck-behaftete Bewegungsgesetze
Die folgenden Bewegungsgesetze zeigen einen unstetigen oder unendlichen Verlauf der Ableitungen.
Ausserhalb des Bereichs 0 ≤ z ≤ 1 sind die Funktionen f (z) = 0 zu setzen.
71
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Gerade
An den Grenzen z = 0 und z = 1 des Bereichs ist die erste Ableitung unstetig und die zweite
Ableitung unendlich!
Quadratische Parabel
Für das Argument z = 0,5 ist z.B. die zweite Ableitung unstetig!
Einfache Sinuslinie
1
0≤z≤1 f (z) = [1 − cos(πz)] (8.36)
2
π
f ′ (z) = [sin(πz)] (8.37)
2
π 2
f ′′ (z) = [cos(πz)] (8.38)
2
An den Grenzen z = 0 und z = 1 des Bereichs ist die zweite Ableitung unstetig!
Die Koeffizienten gewinnt man, wenn man in die weiter unten hergeleitete Matrixgleichung 8.92
die Randbedingungen für die Bewegungstypen Rast nach Rast vk = ak = 0 einsetzt.
72
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Geneigte Sinuslinie
1
0≤z≤1 f (z) = z − sin(2πz) (8.44)
2π
f ′ (z) = 1 − cos(2πz) (8.45)
′′
f (z) = 2πsin(2πz) (8.46)
′
fmax =2 (8.47)
′′
fmax = 2π (8.48)
Übung 15
Berechnen Sie die absoluten Koordinaten (Sollwerte) s(t) der Folgeachse im Abschnitt φ4 bis φ5
des Bewegungsdiagramms auf Seite 69. Beachten Sie die Offsetwerte φ4 und s4 in Ihrer Formel
(siehe Ausschnitt davon auf Seite 71). Das normierte Bewegungsgesetz in diesem Abschnitt soll der
geneigter Sinus sein und die Leitachse φ(t) bewegt sich unbeschleunigt mit konstanter Geschwin-
digkeit vm .
sin(π(t−4))
Lösung: s(t) = 4 + t−4
2 − 2π .
Modifizierter Sinus
1 π 1
0≤z≤ f1 (z) = z− sin(4πz) (8.49)
8 π+4 4π
π
f1′ (z) = [1 − cos(4πz)] (8.50)
π+4
4π 2
f1′′ (z) = sin(4πz)] (8.51)
π+4
1 7 π 2 9 π
≤z≤ f2 (z) = +z− sin( (1 + 4z)) (8.52)
8 8 π+4 π 4π 3
π π
f2′ (z) = 1 − 3cos( (1 + 4z)) (8.53)
π+4 3
4π 2 π
f2′′ (z) = sin( (1 + 4z)) (8.54)
π+4 3
7 π 4 1
≤z≤1 f3 (z) = +z− sin(4πz) (8.55)
8 π+4 π 4π
π
f3′ (z) = [1 − cos(4πz)] (8.56)
π+4
4π 2
f3′′ (z) = sin(4πz)] (8.57)
π+4
′
fmax = 4π/(4 + π) (8.58)
′′
fmax = 4π /(4 + π)
2
(8.59)
73
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Modifiziertes Beschleunigungstrapez
1 2 1
0≤z≤ f1 (z) = z− sin(4πz) (8.60)
8 π+2 4π
2
f1′ (z) = [1 − cos(4πz)] (8.61)
π+2
8π
f1′′ (z) = sin(4πz)] (8.62)
π+2"
1 3 1 π2 − 8
#
≤z≤ f2 (z) = 4πz + (2 − π)z +
2
(8.63)
8 8 π+2 16π
1
f2′ (z) = [8πz + 2 − π] (8.64)
π+2
8π
f2′′ (z) = (8.65)
π+2
3 2 1 1 π
≤ z ≤ 0,5 f3 (z) = (π + 1)z − sin(4π(z − )) − (8.66)
8 π+2 4π 4 4
2 1
f3′ (z) = (π + 1) − cos(4π(z − )) (8.67)
π+2 4
8π 1
f3′′ (z) = sin(4π(z − )) (8.68)
π+2 4
5
0,5 ≤ z ≤ f4 (z) = 1 − f3 (1 − z) (8.69)
8
f4′ (z) = f3′ (1 − z) (8.70)
f4′′ (z) = −f3′′ (1 − z) (8.71)
5 7
≤z≤ f5 (z) = 1 − f2 (1 − z) (8.72)
8 8
f5′ (z) = f2′ (1 − z) (8.73)
f5′′ (z) = −f2′′ (1 − z) (8.74)
7
≤z≤1 f6 (z) = 1 − f1 (1 − z) (8.75)
8
f6′ (z) = f1′ (1 − z) (8.76)
f6′′ (z) = −f1′′ (1 − z) (8.77)
′
fmax =2 (8.78)
′′
fmax = 8π/(2 + π) (8.79)
Es bedeutet f (1 − z): f an der Stelle (1-z), und f ′ (1 − z) Ableitung nach z an der Stelle (1-z) usw.
Für die anderen Übergänge G-G, B-B und deren Mischformen müssen jeweils die Randbedingungen
nach Tabelle 8.3 erfüllt werden.
In Abbildung 8.21 zeigt der Vergleich verschiedener normierter Bewegungsgesetze für den Bewe-
gungstyp „Rast in Rast“ deutlich die Unterschiede für den Geschwindigkeits-, Beschleunigungs-
und Ruck-Verlauf. Die Verläufe für die Position sind bis auf das Bewegungsgesetz „Gerade“ sehr
ähnlich und ihre scheinbaren glatten Verläufe zeigen erst bei deren Ableitungen welche Konsequen-
zen der jeweilige Verlauf für die Bewegung hat. Die Unterschiede im Geschwindigkeits- und erst
recht im Beschleunigungs- bzw. Ruckverlauf sind groß. Beschleunigungssprünge bedeuten Ruck
und regen Schwingungen der Maschine an und führen zu erhöhtem Verschleiß. Bei sehr langsamen
Bewegungen kann man dies in Kauf nehmen. Dadurch wird z.B. durch Wahl des Bewegungsgeset-
zes „Einfacher Sinus“ die Maximalgeschwindigkeit und die Maximalbeschleunigung deutlich kleiner
als bei den anderen Bewegungsgesetzen. Damit ist unter Umständen ein kleinerer Motor und Um-
richter einsetzbar, mit geringeren Kosten, aber mit einem erhöhten Verschleiß bzw. geringerer
Lebensdauer der gesamten Maschine.
74
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.21: Vergleich verschiedener normierter Bewegungsgesetze für den Bewegungstyp „Rast in
Rast“. „Geneigter Sinus“ und „Polynom 5. Grades“ sind ruckfrei. Alle anderen weisen
mindestens einen Beschleunigungssprung auf. Z.B. bei der „quadratischen Parabel“ tritt
je ein Beschleunigungssprung am Anfang, in der Mitte und am Ende des Abschnittes
auf. Beim „Einfachen Sinus“ treten Beschleunigungssprünge am Anfang und Ende des
Abschnittes auf. Die „Gerade“ weist bereits im Geschwindigkeitsverlauf Sprünge zu Beginn
und am Ende des Abschnittes auf.
in der Abbildung ebenfalls gezeigt. Der geneigte Sinus verhält sich sehr ähnlich zum Polynom
5. Grades mit vk = 2, ist aber nicht varierbar. Die folgende Herleitung für einen Polynom 5.
75
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.22: Der Bewegungstyp „Rast in Geschwindigkeit“ mit Polynomen 5. Grades und einem ge-
neigten Sinus bei verschiedenen Geschwindigkeit vk am Rand des Abschnittes.
Grades mit keinen speziellen Randbedingungen ist zunächst für jeden Bewegungstyp geeignet.
Systematisch können damit die Koeffizienten pn des Polynoms bestimmt werden:
f (zi ) = p0 +p1 zi +p2 zi2 +p3 zi3 +p4 zi4 +p5 zi5 = fi
f (zi ) =
′ p1 +2p2 zi +3p3 zi +4p4 zi
2 3 +5p5 zi4 = vi
f ′′ (zi ) = +2p2 +6p3 zi +12p4 zi2 +20p5 zi3 = ai
(8.84)
f (zk ) = p0 +p1 zk +p2 zk +p3 zk3
2 +p4 zk4 +p5 zk5 = fk
f (zk ) =
′ +p1 +2p2 zk +3p3 zk +4p4 zk +5p5 zk4 = vk
2 3
Da wir mit normierten Bewegungsgesetzen rechnen wollen, wird mit zi = 0 und zk = 1 das
Gleichungssystem zu
p0 = fi
p1 = vi
+2p2 = ai
(8.85)
p0 +p1 +p2 +p3 +p4 +p5 = fk
+p1 +2p2 +3p3 +4p4 +5p5 = vk
+2p2 +6p3 +12p4 +20p5 = ak
76
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
+1 0 0 0 0 0
p0 fi
0 +1 0 0 0 0
p1
vi
0 0 +2 0 0 0 p2 ai
= (8.86)
+1 +1 +1 +1 +1 +1 p3 fk
0 +1 +2 +3 +4 +5
p4 vk
0 0 +2 +6 +12 +20 p5 ak
| {z } | {z } | {z }
A p q
A·p=q (8.87)
Mit den Randbedingungen für die Übergangstyp R-R, R-G, R-U und R-B fi = vi = ai = 0, fk = 1
kann sofort p0 = p1 = p2 = 0 festgestellt werden. Aus den restlichen Bedingungen bleiben drei
Gleichungen übrig, um die noch unbestimmten Koeffizienten zu bestimmen:
p3 +p4 +p5 =1
3p3 +4p4 +5p5 = vk (8.88)
6p3 +12p4 +20p5 = ak
1 +1 +1 1
p3
3 +4 +5 p4 = vk (8.89)
6 +12 +20 p5 ak
| {z } | {z } | {z }
A p q
A·p=q (8.90)
Durch Inversion der 3x3 Matrix A gewinnt man den Vektor p für die zu bestimmenden Koeffizi-
enten:
q = vk (8.91)
ak
ein und löst auf nach
10 − 4vk + ak /2
p3
p = p4 = −15 + 7vk − ak (8.92)
p5 6 − 3vk + ak /2
kann man für verschiedene normierte Randgeschwindigkeiten vk und Randbeschleunigungen ak
die Polynomkoeffizienten berechnen. In Abbildung 8.23 entartet das Polynom für die Kombination
vk = 1, ak = −6 zu einem Polynom 4.Grades; und für vk = 3, ak = +6 zu einem 3.Grades. Im
letzten Fall verschwinden alle Koeffizienten bis auf p3 = 1 und f (z) = z 3 reduziert sich auf eine
rein kubische Funktion von z (dritte Ableitung ist eine Konstante).
77
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.23: Der Bewegungstyp „Rast in Bewegung“ mit Polynomen 5. Grades bei verschiedenen
Geschwindigkeiten vk Beschleunigungen ak am Rand des Abschnittes.
für beliebige normierte Geschwindigkeiten vk am Rand des Abschnittes. Mit vk = 1 wird daraus
das Polynom:
f (z) = 6z 3 − 8z 4 + 3z 5 (8.94)
Für vk = 2 erhält man den interessanten Fall ohne Nullstelle im Beschleunigungsverlauf, der auch
die kleinste Maximalbeschleunigung zeigt (siehe Abbildung 8.22):
f (z) = 2z 3 − z 4 (8.95)
Damit ist der Übergang von Rast auf Geschwindigkeit ohne Ruck bestimmt und in Abbildung 8.22
für verschiedene Geschwindigkeiten vk dargestellt. Alle anderen Übergänge der Bewegungstypen
lassen sich nach dem selben Schema mit den jeweiligen Randbedingungen (siehe Tabelle 8.3 )
und für verschiedene Bewegungsgesetze (z.B. modifiziertes Beschleunigungstrapez, modifizierte
Sinuslinie ...) ebenfalls ruckfrei beschreiben.
78
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
q= 0 (8.96)
ak
für den Übergangstyp R-U und löst die Matrixgleichung 8.92 auf nach
10 + ak /2
p3
p = p4 = −15 − ak (8.97)
p5 6 + ak /2
Abbildung 8.24: Der Bewegungstyp „Rast in Umkehr“ mit Polynomen 5. Grades bei verschiedenen Be-
schleunigungen ak am Rand des Abschnittes.
79
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
0
vi
0
q= (8.98)
1
0
ak
0
vi
ai
q= (8.100)
1
vk
ak
Abbildung 8.25: Der Bewegungstyp „Geschwindigkeit auf Umkehr“ mit Polynomen 5. Grades bei verschie-
denen Beschleunigungen ak und Geschwindigkeiten vi am Rand des Abschnittes.
f (z) = z + 4z 3 − 7z 4 + 3z 5 (8.103)
Und mit vi = 2 entfällt der höchste Koeffizient und das Positionsprofil enthält noch keinen Über-
schwinger.
f (z) = 2z − 2z 3 + z 4 (8.104)
81
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.26: Der Bewegungstyp „Geschwindigkeit auf Geschwindigkeit“ mit Polynomen 5. Grades bei
verschiedenen Geschwindigkeiten vi und vk am Rand des Abschnittes.
vi = 2,5 ist die größte Geschwindigkeit bei der nur bremsend (Beschleunigung wechselt nicht das
Vorzeichen) und ohne Überschwinger im Positionsprofil, ins Ziel gefahren werden kann.
Bewegungsgesetze für die verschiedenen Bewegungstypen Tabelle 8.4 zeigt ruckfreie Bewe-
gungen und einige mögliche Bewegungsgesetze beim Übergang von Bewegungstypen.
82
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.27: Der Bewegungstyp „Geschwindigkeit auf Rast“ mit Polynomen 5. Grades bei verschiede-
nen Geschwindigkeiten vi am Rand des Abschnittes. Die Geschwindigkeit vi = 2,5 ist die
höchste Geschwindigkeit mit der nur bremsend ins Ziel gefahren wird. Das Positionsprofil
zeigt gerade noch keinen Überschwinger und die Geschwindigkeit und die Beschleunigung
keinen Vorzeichenwechsel.
duktes. Das sollte nicht mit dem Produkt Cv · Ca verwechselt werden, da diese Maximalwerte in
der Regel an unterschiedlichen Abszissenwerten z liegen (siehe Abbildung 8.21).
Viele Bewegungen in der industriellen Automatisierung sehen zunächst kompliziert aus, lassen
sich aber durch Überlagerung von relativ einfachen normierten Bewegungsgesetzen herstellen. Die-
ses Konzept bietet höchste Flexibilität bei leichter Überschaubarkeit der Bewegungsprofile und
83
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
konst.
Rast Umkehr Bewegung
Geschw.
Ü
be
rg
an
g
R-R
R-G
siehe Seite 72 R-U R-B
siehe Seite 78
Rast f (z) = 10z 3 − 15z 4 + 6z 5 siehe Seite 79 siehe Seite 77
f (z) = 2z 3 − z 4
1
f (z) = z − 2π sin(2πz) f (z) = 4z 3 − 3z 4 f (z) = z 3
f (z) = z − π1 sin(πz)
mod.B.Trapez
G-U
G-R G-G G-B
konst. siehe Seite 80
siehe Seite 81 siehe Seite 80 siehe Seite 80
Geschw. f (z) = −0. 5z 3 + 3z/2
2,5z − 5z 3 + 5z 4 − 1,5z 5
Harmon. Kombination
U-R U-G U-U U-B
Umkehr siehe Seite 80 siehe Seite 80 siehe Seite 80 siehe Seite 80
Tabelle 8.4: Für ruckfreie Bewegungen einige mögliche Bewegungsgesetze beim Übergang von Bewegungs-
typen.
Der einfachste und gleichzeitig der häufigste Fall ist die Positionsänderung φ(t) der Leitachse mit
konstanter Geschwindigkeit vm und Vorgabe von Maximalwerten. Dazu wird der Zusammenhang
84
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.28: Der Vergleich des Verlaufs des dynamischen Momentenkennwertes (Verlauf des Produktes
v(z) · a(z)) für den Bewegungstyp „Rast in Rast“ zeigt, dass ein Polynom 5. Grades zu
einer kleineren maximalen dynamischen Belastung führt als der geneigte Sinus.
maximale Geschwindigkeit
Die Vorgabe der maximalen realen Geschwindigkeit vmax der Folgeachse v(t) und der Fragestellung
wie lange die Bewegung dauert, läßt sich aus dem Ansatz mit normierten Bewegungsgesetzen in
allgemeiner Form berechnen.
′ 1
v(tmax ) = vmax = ∆s · fmax · (8.120)
tk − ti
′ 1
tk − ti = ∆s · fmax · (8.121)
vmax
∆s · fmax
′ ·
tk = + ti (8.122)
vmax
85
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
maximale Beschleunigung
′′ 1
a(tmax ) = amax = ∆s · fmax · (8.123)
(tk − ti )2
s
1
tk − ti = ∆s · fmax
′′ · (8.124)
amax
s
∆s · fmax
′′ ·
tk = + ti (8.125)
amax
Nachdem die grundsätzlichen Formeln 8.122 und 8.125 hergeleitet wurden, werden nur noch die
Maximalwerte fmax′ und fmax
′′ der normierten Bewegungsgesetze benötigt. Diese Werte sind cha-
rakteristisch und unveränderlich für das jeweilige normierte Bewegungsgesetz.
Kurvenscheiben (englisch CAM-disk) kurz CAM genannt ist in unserem Kontext nicht mit “Com-
puter Aided Manufacturing“ zu verwechseln. Der Bedarf an elektronischen Bewegungsprofilen ist
sehr groß, so daß nahezu jeder Steuerungs und/oder Antriebshersteller ein Softwareprodukt entwi-
ckelt hat diese möglichst komfortabel für den Benutzer und möglichst optimal für die verwendete
Hardware bereitstellt. Je nach Automatisierungskonzept und Rechenleistung der einzelnen Kom-
ponenten sind dabei verschiedene Ausprägungen entstanden. Aus den Anfangszeiten stammen die
Stützpunkttabellen, die einmal manuell oder rechnergestützt ausgerechnet, auf die Steuerung oder
direkt in den Umrichter geladen werden. Die Stützpunkte müssen dicht genug liegen um nicht
zusätzliche Unruhe in den Antrieb zu bringen, andererseits soll Arbeitsspeicher eingespart wer-
den. Mit aktuellen Steuerungen und Umrichtern hat man bezüglich Speicher weniger Probleme.
Bei geeigneter Software-Implementierung der notwendigen mathematischen Funktionen und einem
klaren Konzept ist selbst ein 16 Bit-Processor mit 20 MHz Taktrate in der Lage 4 Achsen pro Milli-
sekunde in Echtzeit mathematisch zu berechnen (LD100 und GEL 8230 der Firma Lenord+Bauer
(1997)). Bei den aktuell eingesetzten Prozessoren in Steuerungen und Umrichtern sollte der Vorteil,
mathematische Funktionen direkt zu berechnen, unbedingt ausgenutzt werden. Das Bewegungs-
profil online gerechneter mathematischer Funktionen kann beliebig langsam durchfahren werden.
Im Gegensatz zu Stützpunkttabellen, die immer zwischen zwei Stützpunkten interpoliert werden
müssen. Wird zur scheinbaren Verbesserung statt einer linearen Interpolation eine quadratische
gewählt ist der Aufwand bereits so groß das ein Polynom höherer Ordnung für eine ganze Sektion
kaum mehr Aufwand bedeutet. Selbst winzige (8 Bit) Microprozessoren verfügen heute bereits über
einen MAC-Befehl (gleichzeitige Multiplikation und Addition in einem Maschinenzyklus). der die
Grundlage für eine schnelle Polynomberechnung ist. Selbst für die Berechnung von Sinus-Fuktionen
gibt es sehr effiziente Algorithmen um schnell genug zu sein.
Unabhängig ob die Kurvenprofile zur Echtzeit gerechnet oder aus Stützpunkttabellen interpoliert
werden, ist eine Software die einem die Kurvenprofile konfortabel erstellen läßt, sehr nützlich. Eine
willkürliche Auswahl für etablierte Software bieten folgende Quellen: Lenze (2012),Elau (2012),Rex-
roth (2012),Pilz (2012),Lenord+Bauer (2012), Baumüller (2012) und natürlich auch Siemens u.a.
).
Mehr oder weniger gemeinsam ist ihnen das Grundkonzept bei denen die Kurvenprofile in einzel-
nen Sektionen unterteilt werden. Jede Sektion erhält eine eigenen mathematische Funktion. An
den Sektionsgrenzen wird der gewünschte Übergang gewählt bzw. berechnet. Für ruckfreie Profile
müssen die Übergänge und deren Ableitungen stetig sein, woraus sich automatisch Bedingungen
86
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
ableiten lassen, die Parameter der jeweiligen mathematischen Bewegungsgesetze zu berechnen. Bei
einigen Kurvenscheiben-Editoren kann auch sektionsweise eine Stützpunkttabelle importiert und
mit den anderen Sektionen kombiniert werden. Der Export in die Echtzeitbearbeitung ist sehr
herstellerspezifisch. Oft werden noch Stützpunkttabellen in die Zielsteuerung geladen, die dann in
Echtzeit interpoliert werden müssen.
87
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
8.10.1 Leitgeber
Häufig wird noch der reale Leitgeber in Maschinenprozessen eingesetzt. Das scheint zunächst auch
plausibel zu sein, denn eine tonnenschwere Presse in Bewegung gilt als maßgebend, da sie auf Grund
der gewaltigen Trägheit vermeintlich kaum zu dynamischen Veränderungen der Position neigt. Das
ist aber nicht richtig, denn bei der Aufwärtsbewegung muß das Werkzeug gegen die Schwerkraft
angehoben werden, um bei der Abwärtsbewegung von dieser zusätzlich beschleunigt zu werden.
Es entsteht real ein negativer Schleppfehler bei der Aufwärtsbewegung und ein positiver bei der
Abwärtsbewegung. Von diesem systematisch schwankenden Leitwert leitet man häufig alle anderen
Bewegungen ab (Material-Zuführung, -Auswurf, etc. ), zu deren eigenen Regelungsschwankungen
sich die der Leitwerte im besten Fall lediglich addieren. Im schlimmsten Fall regen sie Schwingun-
gen an! Die Sollwerte werden dann hilfsweise geglättet und/oder die Steifheit (Verstärkung) der
untergeordneten Regler wird zurückgenommen. Die Verzögerungszeiten werden durch jeden Glät-
tungsalgorithmus größer (siehe Seite 51). Die Maschine wird „weicher“ und „atmet“ im Rhythmus
des schwankenden Leitgebers und kann reale Störungen nur noch unzureichend ausregeln.
Dabei ist der Mittelwert der Drehzahl gerade bei diesem Beispiel sehr konstant und könnte durch
einen virtuellen Master sehr wohl vorgegeben werden. Von dem würden dann nicht nur alle unter-
geordneten Antriebe abgeleitet werden, sondern auch der Pressenantrieb selbst. Selbstverständlich
muss ein solcher virtueller Master die Dynamik der tonnenschweren Presse berücksichtigen und
sich entsprechend langsam auf neue Drehzahlen einstellen lassen. Das ist durch ein entsprechendes
mathematisches Modell sehr einfach realisierbar. Wird jede Antriebsachse inklusive der Mechanik
mit einem adäquaten mathematischen Modell beschrieben, werden keine Sollwertänderungen mög-
lich, die unrealistisch sind (z.B. Sprünge in der Position). Sollwertänderungen, die die reale Physik
ignorieren, erzeugen zwangsläufig Regelabweichungen und Schwingungen der Mechanik, die ver-
meidbar sind. Selbst wenn die Presse dem Leitwert nicht in jedem Zeitpunkt folgen kann, kann sie
es aber exakt im Mittel und das gilt für jeden Antrieb. Der individuelle Schleppfehler ist natürlich
und kann toleriert werden, muss aber auf Überschreitung überwacht werden. Bei Überschreitung
kann zunächst mit Reduzierung der virtuellen Mastergeschwindigkeit reagiert werden und erst bei
extremen Schleppfehlern (Blockaden) müssen Notfallstrategien eingeleitet werden. Jeder Regler
ist durch den virtuellen Master relativ stark entkoppelt von den anderen. Die einzelnen Antriebe
schwingen sich also nicht gegenseitig – über voneinander abgeleitete Sollwerte – auf und folgen
einem ruhigen übergeordneten virtuellen Master. Jede Regler kann daher individuell optimiert
werden und sehr „steif“ eingestellt werden.
Bei Anlagen aus mehreren Maschinen-Modulen muss der Leitwert jedem Modul zur Verfügung
stehen. Der zentrale Takt wird dabei oft wie ein reales Drehgebersignal mit Spur A- und Spur
B- an das nachfolgende Modul weitergereicht. Das Drehgebersignal wird meistens mit einer eigens
dafür entwickelten Baugruppe emuliert. Viele Umrichter (Antriebsverstärker) haben einen entspre-
chenden Leitgebereingang mit Spur A- und Spur B- Signalen, so dass mit einigem Aufwand eine
Synchronisierung anlagenweit erreicht werden kann. Der Aufwand, einen im Prozessor erzeugten
Takt mit einer Baugruppe so aufzubereiten, das ein Drehgebersignal entsteht und beim Empfän-
ger eine entsprechende Drehgebereingangsbaugruppe vorhanden sein muss, ist vermeidbar. Einige
Feldbussysteme sind so leistungsfähig, das auf die Drehgeberbaugruppen verzichtet werden kann.
Wird eine Anlage mit solch einem leistungsfähigen Feldbussystem ausgestattet, kann der zentrale
Takt über das Feldbussystem verteilt werden. Hardwareaufwand und Verzögerungszeiten können
reduziert werden.
8.10.2 Positionierung
Die Endposition (die sogenannte Sollposition) wird vorgegeben und soll möglichst schnell und
überschwingungsarm erreicht werden. Im einfachsten Fall wird der Motor kontrolliert ein- und
88
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
ausgeschaltet. Für höhere Ansprüche muss der Motor geregelt in die Zielposition gesteuert werden.
Je nach geforderter Positionsgenauigkeit sind dafür Endschalter, Näherungsschalter oder Positi-
onssensoren (i.d.R. digitale Drehgeber) einzusetzen. Die Sensoren müssen bezüglich Reaktionszeit,
Schaltpunktstabilität und/oder Auflösung entsprechend der Bearbeitungsgeschwindigkeit und ge-
forderten Positionsgenauigkeit ausgewählt werden. Bei einfachen Ansteuerungen des Motors ist
eine ruckfreie Positionierung nicht möglich. Die Mechanik solch einer Maschine wird dadurch in
ihren Schwingungen besonders angeregt. Insgesamt erhöht sich der Verschleiß an allen Maschinen-
teilen. Die Tabelle 8.1 gibt einen Überblick über die möglichen Sprünge und definiert den Ausdruck
„ruckfrei“, der nicht bedeutet, dass der Ruck verschwindet! Ruckfreie Bewegungen sind demnach
im Weg-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungs-Verlauf stetig mit höchstens einem Knick im
Beschleunigungs-Verlauf.
Ruckfreie Positionierung
Gibt man den Ruck als stückweise konstante Abschnitte vor, so entsteht durch Integration ein
stetiger Beschleunigungsverlauf. Ein stetiger Beschleunigungsverlauf ist die notwendige Bedingung
für eine ruckfreie Bewegung. Die Abbildung 8.16 zeigt eine ruckfreie Positionierung, die durch
sukzessive Integration von Ruck, Beschleunigung und Geschwindigkeit ermittelt wurde.
8.10.3 Gleichlauf
Zwei Achsen sollen zueinander eine bestimmte Geschwindigkeit halten. Dabei kann die Geschwin-
digkeit des Folgeantriebs relativ zur Leitachse oder absolut dazu sein. Bei wenigen Anwendun-
gen ist nicht nur die richtige Geschwindigkeit sondern auch die richtige Winkellage des Folgean-
triebs wichtig. Die meisten Servoumrichter bieten einen Eingang für die Leitachsposition bzw.
-geschwindigkeit, so dass mit wenigen Parametern ein Gleichlauf eingestellt werden kann. Diese
Eigenschaft nennt man manchmal „Eineinhalb-Achser“ wegen des zweiten Gebereinganges ohne
zweiter Endstufe. Hochwertige Umrichter bieten nicht nur einen Gleichlauffaktor an, sondern bil-
den diesen aus Zähler und Nenner. Damit kann verhindert werden, dass sich Rundungsfehler im
Gleichlauffaktor (im Prinzip der Getriebefaktor) bei jeder Umdrehung akummulieren.
89
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abbildung 8.29: Motion-Control Zustandsmachine bzw. Zustandsgraph einer Antriebsachse nach PLCopen. Quelle
PLCopen organization (1993)
Die Gruppe PLCopen (PLCopen organization (1993)1 ) wurde von Steuerungsherstellern gegrün-
det und standartisiert die Programmierung oft vorkommenden Bewegungen einzelner Achsen. Es
entstanden einige grundlegende Funktionsbaustein mit definierten Eingangs- und Ausgangsvaria-
blen. Ziel dieser Standardbausteine ist es, das der Anwender seine Bewegungsaufgabe herstellerun-
abhängig programmieren kann. Dieses Ziel ist mit zertifizierten Motion-Control Bausteinen der
PLCopen-Gruppe am ehesten erreichbar.
Die Bausteine sind oft in einer Bibliothek zusammen gefasst und können konform zur Norm IEC
61131-3 eingesetzt werden. Die Bausteine enthalten die hersteller- und antriebs-spezifische Pro-
grammierung um dem Anwender die nach PLCopen standartisierten Schnittstellen zu bieten. Der
Quellcode der Bausteine wird von dem jeweiligen Hersteller gepflegt und ist meistens für den
Anwender nicht einsehbar. Wir werden hier die Bausteine kennenlernen und exemplarisch einen
Baustein entwerfen, der die PLCopen-Spezifikation erfüllt und der NORM IEC 61131-3 entspre-
chend programmiert wird.
1
www.plcopen.org Association is vendor and product independent. Offering the worldwide community related to
control programming especially IEC 61131-3. Its mission is to be the leading association resolving topics related
to control programming to support the use of international standards in this field. For this PLCopen has several
technical and promotional committees.
90
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Dem Konzept folgend wird die Antriebsachse mit einer Zustandsgraphen beschrieben. Die Motion-
Control Bausteine sorgen im wesentlichen für die Zustandsübergänge eines Antriebs, der somit in
einem Zustandsgraphen abgebildet werden kann. Das Bild 8.29
8.12 Robotik
Dieses Thema wird hier nur gestreift. Zur Plannung von Ort und Geschwindigkeit des Zielpunktes
der vorhergehenden Kapitel, kommt bei den verschiedenen Robotersystemen die sehr komplexe
Mechanik hinzu. Wenn die Bewegung des Aktionspunktes der Mechanik vorgegeben wird (Raum-
kurve) dann muß der Einfluß der Mechanik herausgerechnet werden, um die notwendige Bewe-
gungen der einzelnen Motoren zu bestimmen. Bei kartesischen Mechaniken ist dieser Aufwand
gering, bei SCARA-Robotern 2 (das sind Gelenk- bzw. Knick-armroboter, wie z.B. vier- fünf oder
gar sechsachsige Montage-Roboter) und Delta-Robotern (Hexapods, Spinnenarm) ist die Bestim-
mung der inversen Mechanikfunktion nicht nur sehr komplex sondern auch mehrdeutig. Die selbe
Werzeug-Positionn kann z.B. bei Gelenkarmrobotern sowohl mit nach innen geknicktem Elbogen,
als auch mit nach aussen geknicktem erreicht werden. Und u.U. führt eine der beiden Lösung zur
Kollision mit der Umgebung. Bei mehr Freiheitsgraden (entspricht der Anzahl Gelenke) gibt es
entsprechend viele Mehrdeutigkeiten, der einen Auswahlalgorithmus erfordert der Kollisionen mit
Werkstück und Umgebung verhindert. Die dazu notwendige Software und Steuerung wird daher
von den Herstellern bereitgestellt.
8.13 Technologiefunktionen
Mit einer elektrischen Welle bezeichnet man in der Automatisierungstechnik eine Leitgeschwin-
digkeit die über elektrische Signale (Feldbus oder 6 adriges Kabel mit Spur A, Spur B und Refe-
renzsignalen) einen oder mehrere elektronisch geregelte Antrieb synchron zu zu dieser Leitachse
bewegen. Neben dem reinen Gleichlauf lassen sich durch ein einstellbares Übersetzungsverhältnis
Getriebefunktionen oder durch elektrische Kurvenscheiben komplexere Bewegungsprofile realisie-
ren.
Bei kontinuierlich arbeitende Fertigungsprozessen, in denen das Produkt zur weiteren Bearbeitung
nicht angehalten werden kann, wird das Werkzeug während eines Bearbeitungszyklus in synchroner
Geschwindigkeit zum Produkt mitgeführt und danach in die Ausgangsposition zurückbewegt.
Typische Einsatzfälle der „Fliegenden Säge“ sind:
Mitlaufende Säge, Schere, Messer, Anlagen zum Schweißen, Prägen, Perforieren, Anlagen zum
Drucken, Beschriften, Beschichten
2
Wikipedia: Der SCARA-Roboter (Abkürzung für engl. Selective Compliance Assembly Robot Arm) ist ein be-
sonderer Typ Industrieroboter, dessen Aufbau einem menschlichen Arm ähnelt und daher auch als „horizontaler
Gelenkarmroboter“ bezeichnet wird.Ein SCARA-Roboter besitzt in der Regel vier Achsen und vier Freiheitsgra-
de. Sämtliche Achsen sind als serielle Kinematik ausgeführt, d.h. der Koordinatenursprung der folgenden Achse
ist abhängig von der Position der vorhergehenden.
91
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Es gibt verschiedene Verfahren die hier grob in tänzergeregelt, nicht tänzergeregelt und sensorlos
unterteil werden sollen. Ausserdem unterscheidet man gerne in Ab- und Aufwickler und dort in
Zentrums- und Umfangswickler.
Die typische Aufgabe ist von einer Rolle das Material mit konstanter Geschwindigkeit abzuziehen.
Dabei muß auf eine möglichst konstante Zugkraft geachtet werden, um ein Materialabriss mit
Produktionsstillstand zu verhindern.
Es wird dabei über eine Tänzerrolle geleitet und die Stellung der Rolle über einen Wegsensor
gemessen. Ein PI-Regler regelt durch Verstellung der Wickelgeschwindigkeit die Tänzerstellung
auf einen gewünschten Wert. Dadurch wird die Umfangsgeschwindigkeit der Wickelspule auf die
Liefergeschwindigkeit des Wickelgutes geregelt. Bei bekannter Liefergeschwindigkeit kann aus dem
I-Anteil die Wickelhöhe berechnet werden. Wenn die Zugkraft bei entsprechender Kennlinie der
Tänzerfeder direkt der Stellung des Tänzers proportional ist, kann über den Sollwert Tänzerstellung
gleichzeitig die Zugkraft gesteuert werden. Im anderen Fall muss über ein weiteres Stellglied eine
Kraft auf den Tänzerarm aufgeprägt werden. Der Tänzer wird weiter unten behandelt.
Die Abbildung 8.30 zeigt das Prinzip eines einfachen Auf- bzw. Ab-Wicklers. Der Abwickler bzw.
Aufwickler ist für sich schon sehr komplex, da das Trägheitsmoment mit der vierten Potenz des
Wickelradius steigt! Das Trägheitsmomenten eines leeren Wickels im Verhältnis zu einem vollen
Wickel kann leicht 1/10000 erreichen. Die Formel für das Trägheitsmoment eines Zylinders zeigt
zwar zunächst nur ein quadratisches Ansteigen mit dem Radius, aber bei einem Wickel steigt auch
die Masse des Wickels ebenfalls mit dem Quadrat des Radius.
Man unterscheidet zwischen Zentrumswickler und Umfangswickler. Beim Zentrumswickler wird
das Drehmoment auf die zentrale Wickelwelle mit einer eventuellen Hülse gebracht. Von dort wird
das Drehmoment über die gewickelten auf die äußersten Lagen übertragen. Sehr weiche und elas-
tische Materialien sind dafür nicht geeignet. Beim Umfangswickler wird eine Antriebswalze auf
die äußerste Lage gedrückt (Kontaktwickler). Durch den konstanten Durchmesser der Antriebs-
walze wird für konstante Materialgeschwindigkeit die Drehzahl dieses Antriebs einfach konstant
gehalten. Je nach Material wird die eine oder andere Antriebsart bevorzug. In besonderen Fällen
wird sowohl im Zentrum als auch am Umfang angetrieben.
Das Bremsmoment MAbwickler ist je nach Anspruch an die Fertigungsqualität durch eine einfache
Reibungsbremse, eine leichter automatisierbare magnetisch arbeitende Bremse (z.B. Magnetpul-
verbremse) oder einem Motor mit entsprechender Leistungselektronik realisierbar. Mit einem geeig-
neten Umrichter (Leistungselektronik) kann die Zugkraft in der Folie leichter eingehalten werden.
Durch geeignete Prozessmodelle (Foliendicke -> Foliengeschwindigkeit -> Wickeldurchmesser ->
Wickeldrehzahl) kann auf die richtige Drehzahl des Wickelmotors geschlossen werden. Die Zugkraft
ergibt über den Wickeldurchmesser das notwendige Motormoment das über den Strom eingestellt
wird. Dadurch kann Strom und Drehzahl vorgesteuert werden und nur noch die Abweichungen
müssen ausgeregelt werden.
Bei Magnetpulverkupplungen bzw. Magnetpulverbremsen lässt sich in Abhängigkeit vom
Erregerstrom das Drehmoment stufenlos variieren. Zur Übertragung des Drehmoments vom Außen-
auf den Innenrotor dient ein in den Magnetpulverkupplungen enthaltenes Eisenpulver. Dieses fein-
körnige Eisenpulver bildet in den Pulverkupplungen und Pulverbremsen magnetische Ketten und
überträgt so das Drehmoment. Die Steifigkeit der Pulverketten sowie Höhe des übertragenen Dreh-
moments der Magnetkupplungen und Pulverbremsen werden durch den Grad der elektromagneti-
schen Erregung bestimmt Magneta (2013).
92
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Ein einfacher Wickler soll gesteuert aufgebaut werden (also kein Regler!). Einschalt - bzw. Anfahr-
probleme sollen nicht betrachtet werden (es droht Bahnabriß bzw. Materialüberdehnung!). Motor
1 soll eine konstante Zugspannung sicher stellen und Motor 2 eine konstante Materialgeschwin-
digkeit. Das Material ist ideal und hat die Dicke d. Der volle Wickel, den der Motor 1 antreibt,
hat zu Beginn den Durchmesser D10 , der andere leere Wickel zu Beginn D20 . Die leeren Wickel
haben beide den Durchmesser D20 . Die Zugkraft Fz soll konstant sein. Wir benötigen daher eine
Funktion für das Motormoment M1 (φ1 ) in Abhängigkeit des Drehwinkels φ1 . Die Zugkraft spannt
die Folie und verhindert dadurch unbeabsichtigtes Abrollen, andererseits muß sie begrenzt bleiben
um Folienriß zu vermeiden. Für konstante Zugspannung muß das notwendige Bremsmoment M1
zusammen mit dem Wickeldurchmesser abnehmen.
D10 d · φ1
M (φ1 ) = Fz · ( − ) (8.126)
2 2π
Die Umfangsgeschwindigkeit des Wickels 2 soll kontant bleiben, dazu muß die Drehzahl n2 mit
wachsendem Wickeldurchmesser entsprechend abnehmen. Der Wickeldurchmesser ist durch die
Materialdicke d und der bereits aufgewickelten Materiallänge bestimmt.
v
n2 (φ2 ) = d·φ2
(8.127)
2π( D220 + 2π )
Die Drehwinkel φ1 und φ2 werden mit mathematisch positiven Sinn gerechnet. Auf Grund der
Zugkraft und der gezeigten Materialführung muss das Drehmoment von Motor 1 und die Um-
fangsgeschwindigkeit von Wickel 2 positiv sein. Vergleiche dazu die Materialführung (Linie von
Wickel 1 zu Wickel 2) in Abbildung 8.30.
Motor 2 dreht sich wegen der geforderten positiven Umfangsgeschwindigkeit gegen den Uhrzei-
gersinn. Die Folie wird also unten am Wickel 2 anliegen. Der Motor 1 soll mit seinem positiven
Drehmoment die Zugkraft auf die Folie bringen. Motor 1 bremst also Motor 2. Das geforderte
93
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
M1
φ1 φ2
v2
positive Dremoment M1 von Wickel 1 erfordert die Materialführung oben damit die von Motor 2
geforderte konstante Foliengeschwindigkeit zu einer Zugspannung in der Folie führt.
8.13.4 Verlegewickeln
ω2
v2 (t)
ω1
Der Verlegewickler, wie beispielhaft in Abbildung 8.31 gezeigt, ist ein Wickler der Material auf-
wickelt das schmaler als der Wickel selbst ist. Dabei soll das Material auf die Breite des Wickels
verteilt werden. Ein einfaches Beispiel ist eine Seiltrommel bei der das Seil sich nicht zufällig ver-
teilt sondern geführt aufwickeln soll. Bei Drahtseilen wird z.B. seitlich genau um eine Seildicke pro
Umdrehung verschoben aufgewickelt, womit glatte Wickel ohne schwächende Kreuzungsstellen des
Drahtseils entstehen. Es gibt aber auch genau gegenteilige Wickelaufgaben, bei dem im Zick-Zack
verlegt wird. Wenn z.B. selbst tragende Spulen entstehen sollen dienen die Überkreuzung zum ge-
genseiten Halten der Lagen. Darüber hinaus verhindert die Überkreuzung das die oben liegenden
Windungen durch erhöhte Zugspannung in Zwischenräume rutschen und so Verklemmungen beim
Abwickeln verursachen (zu lose aufgewickelte Kabeltrommel). Die Bewegungsaufgabe Verlegewick-
ler liegt auch beim kontinuierlichen Materialeintrag auf ein Fliessband vor, denn der Materialein-
trag wird z.B. durch ein Schlauchsystem mit einer seitlichen Hin- und Her-Bewegung auf das sich
bewegende Förderband "verlegt"(Gipseintrag bei der Rigips-Platten-Herstellung, Schaumfüllung
bei Sandwich-Platten).
Zur ständigen Offset- bzw. zur Streckungskorrektur ist oft eine Positionskorrektur notwendig um
bestimmte Bearbeitungen registergenau (damit ist die Phasenlage bei periodisch widerkehrenden
Vorgängen gemeint) zu halten. Dabei ist je nach Streckfähigkeit des Materials bzw. nach Pro-
duktart zu unterscheiden. Papier und Folienverarbeitende Maschinen müssen in der Regel die
Streckfähigkeit des Materials berücksichtigen und über mehrere Zyklen die Korrektur allmählich
durchführen (Beispiel: Druckmaschine). Bei Stückgut kann die Korrektur meistens in den Lücken
94
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
zwischen zwei Objekten durchgeführt werden. Jedes Objekt kann so individuell erfasst und regis-
tergenau bearbeitet werden (Beispiel: Bedruckung von Fliesen). Nach Erfassen der Korrekturlänge
wird eine entsprechende Ausgleichsbewegung dem Antrieb hinzuaddiert (siehe z.B. 8.15).
Druckmarkensteuerung
s2
Druckmarken-Sensor Druckbild
D.walze
v1
s1
Abbildung 8.32: Skizze einer Druckmarkensteuerung. Die Strecke s1 ist durch den Einbau festgelegt. Im
Idealfall triggert der Druckmarkensensor den Druckwalzenantrieb, so dass die verbleiben-
de Strecke s2 bis zum Druckpunkt (unten) in einem Speicher festgehalten wird. Dazu
wird die aktuelle Istposition mit einem am Umrichter befindlichen sehr schnellen Refe-
renziereingang direkt im Umrichter zwischengespeichert. Genauer geht es nicht und selbst
Verzögerungen und Jitter während der Übertragung spielen keine Rolle mehr. Die Dif-
ferenz der beiden Strecken muß durch eine Ausgleichsfahrt (überlagerte R-R-Bewegung)
korrigiert werden. Wird der Druckmarkensensor von einer SPS ausgewertet, wird der Ist-
wert über eine Schnittstelle etwas verspätet vom Umrichter festgestellt und übertragen,
wobei diverse Verzögerungen und der Jitter die Genauigkeit extrem beeinflussen!
Die Differenz ∆s = s1 − s2 ist durch eine geeignete Ausgleichsbewegung des Typs R-R (siehe
z.B. 8.15) durch den Druckwalzenantrieb auszugleichen. Dabei wird nach der Methode „virtuel-
le Leitachse mit überlagerten Kurven“ die berechnete Rast in Rast Bewegung zu den normalen
Sollwertvorgaben addiert. Am Ende der Ausgleichsbewegung (noch vor dem eigentlichen Druck)
hat die Druckwalze die positive oder negative Differenz ausgeglichen und ist wieder synchron zur
Produktbewegung, so dass das Druckbild exakt auf dem Produkt plaziert wird.
8.13.6 Hubantrieb
Der Tänzer ist eine Einheit die einen kontinuierlichen Materialtransport in einen intermittieren-
den wandeln bzw. eine schwankende Folienspannung (vergleiche dazu den Wickler 92) beruhigen
kann. Erreicht wird dies durch einen Satz feststehender und einem Satz auf und ab beweglicher
Rollen. Das Material wird immer abwechseln um eine feststehend und bewegliche Rolle geführt. Es
entsteht eine Art Flaschenzug (vergleiche dazu Abbildung 8.33). In der Abbildung 8.12 ist der ein-
fachste Fall mit nur einer bewegten Rolle gezeigt. Wenn ausgangsseitig kein Material entnommen
wird wandert der Tänzer (das sind die beweglichen Rollen) nach unten, um auf der Eingangssei-
te weiterhin Material mit konstanter Geschwindigkeit aufzunehmen. Wird am Ausgang Material
abgenommen, bewegt sich der Tänzer wieder nach oben. Um im Mittel den Tänzer in der Mitte
zu halten, muss eine entsprechende Regelung aufgebaut werden, mit der die Eingangsmaterial-
geschwindigkeit so geregelt wird, das sie gerade ausreicht um den Tänzer bei intermittierendem
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
vEin vAus
vEin (t) = 1
vAus (t)dt vAus (t)
R
T
t sT änzer t
Abbildung 8.33: Skizze eines Tänzers, der einen kontinuierlichen Bahntransport in einen intermitierenden
wandeln kann. Er puffert dazu eine bestimmte Menge Material in seiner flaschenzugarti-
gen Rollenanordnung. Bewegen sich die unteren Rollen gemeinsam nach unten kann trotz
Stillstand am Ausgang das Material am Eingang mit konstanter Geschwindigkeit aufge-
nommen werden. Mit mehreren Rollen läßt sich die Bauhöhe auf Kosten der Baubreite
reduzieren bzw. bei gleicher Bauhöhe mehr Materiallänge speichern.
Materialabgang nicht in die Anschläge wandern zu lassen. Wieviel Material die Tänzereinheit auf-
nehmen muss hängt von der Produktionsgeschwindigkeit und der geforderten Stillstandszeit ab.
Dabei sind die Beschleunigungs- und Verzögerungszeiten des Transportvorgangs nicht vernachläs-
sigbar.
Die Leitachsposition und/oder die Leitachsgeschwindigkeit sind notwendig um die Folgeachse aus
z.B. dem Stillstand auf die Geschwindigkeit der Leitachse zu beschleunigen. Das Bewegungsgesetz
in diesem Fall wird vom Bewegungstyp Rast in Geschwindigkeit sein und kann z.B. eine geneigte
Sinus-Funktion sein. Die maximal erlaubte Beschleunigung der Folgeachse und die momentane Lei-
tachsgeschwindigkeit bestimmen die Parameter der gewählten Funktion. Bei Servoantrieben werden
meistens die vorhandenen Sensorsysteme des Servomotors benutzt. Dabei sind einige mechanische
Parameter zu berücksichtigen, wie z.B. Antriebsrollendurchmesser und die Getriebeübersetzung.
Hochwertige Steuerungssystem bieten dabei an, den Getriebeübersetzungsfaktor als gebrochen ra-
tionale Funktion einzugeben. Also mit Zähler und Nenner getrennt und vermeiden so den sich
allmählich kumulierenden Rundungsfehler eines gerundeten Getriebefaktors. Ein anderes Problem
liefert der endliche Zahlenbereich der Variablen innerhalb der digitalen Steuerung.
Besonders bei absolut synchronen Folgeachsen muß das Problem des Überlaufs des Zahlenbereichs
gelöst werden. Bei absolut synchronen Folgeachsen ist neben der Geschwindigkeit auch die tat-
sächliche Position synchron zur der Leitachse, damit wird die absolute Leitachsposition benötigt.
Bei Leitachsen die sich ständig in eine Richtung bewegen wird früher oder später die Variable der
Leitachsposition an ihre Zahlenbereichsgrenze gelangen. Je nach Variablentyp und ohne besondere
Maßnahmen springt der Variablenwert, da das notwendige höhere Bit nicht zur Verfügung steht.
Die Folgeachse wird dann ebenfalls springen und unter Umständen einen großen Schaden anrich-
ten. Bei den heute möglichen Datentypen, bei denen viele Bits zur Verfügung stehen, kann dies
eventuell erst sehr spät auftreten und damit während der Entwicklungsphase unentdeckt bleiben.
Ein anschauliches Beispiel aus dem Alltag soll die grundsätzliche Vorgehensweise beim Ermitteln
der richtigen Zeit- und Wegdifferenzen verdeutlichen. Auf der Autobahn bewegt sich eine Kolonne
96
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
von mehreren Fahrzeugen mit gleicher Geschwindigkeit. Ihr Fahrzeug steht weit voraus auf dem
Parkplatz. Ihr Ziel ist es an der Spitze dieser Kolonne zu fahren. Sie behindern die konstante
Geschwindigkeit der Kolonne nicht, wenn sie aus dem Stillstand zum richtigen Zeitpunkt den
Beschleunigungsvorgang starten und sich mit der Kolonnengeschwindigkeit vor die Kolonne setzen.
Dazu müssen sie zur Startzeit ihrer Bewegung, die Geschwindigkeit der Kolonne kennen.
Die äquivalente Aufgabe bei Maschinen lautet wie folgt: Die Bewegung der Folgeachse soll ruckfrei
auf die Bewegung der Transportachse absolut in Position und Geschwindigkeit aufsynchronisieren.
Die Transportgeschwindigkeit s˙T = vT = 2m/s = const ist gegeben. Die Folgeachse startet bei t0
aus dem Stillstand die Bewegung. Zum Zeitpunkt t1 ist die Folgeachse synchron zur Transportachse.
Gelöst wird dies durch eine ruckfreie Bewegung des Typs Rast auf Geschwindigkeit (z.B. mit
geneigtem Sinus des Typs R-G, Seite 78 ).
sF (t),sT (t)
3 sF (t)
0 t
t0 t1
−1
sT (t)
Abbildung 8.34: Jeder Antrieb muß irgendwann eingeschaltet werden. Hier geschieht dies mit einer ruck-
freien Bewegung aus dem Stillstand in die gewünschte Geschwindigkkeit.
8.14.2 Beispielhaft sind vT , t1 , sF (t1 ) = s1 , sF (t0 ) = s0 . Die Zeit t0 ist gesucht zu der
die Folgeachse mit einem geneigtem Sinus des Typs R-G gestartet werden
muss.
97
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
1
f (z) =z − sin(πz) ( geneigter Sinus vom Typ R-G)
π
t − t0
z=
t1 − t0
sF (z) =(s1 − s0 )f (z)
t − t0 1 t − t0
sF (t) =(s1 − s0 ) − sin(π )
t1 − t0 π t1 − t0
1 t − t0
vF (t) =(s1 − s0 ) 1 − cos(π )
t1 − t0 t1 − t0
1
vF (t1 ) =(s1 − s0 ) (1 − cos(π)) = vT
t1 − t0
2
vF (t1 ) =(s1 − s0 ) = vT
t1 − t0
2
(s1 − s0 ) =t1 − t0
vT
2(s1 − s0 ) 2(3m − 0m)s
t0 =t1 − = 4s − = 4s − 3s = 1s
vT 2m
Auch hier soll ein anschauliches Beispiel aus dem Alltag die grundsätzliche Vorgehensweise beim
Ermitteln der richtigen Zeit- und Wegdifferenzen dienen. Auf der Landstraße bewegt sich eine
Kolonne von mehreren Fahrzeugen mit gleicher Geschwindigkeit. Ihr Fahrzeug bildet das Kolon-
nenende. Ihr Ziel ist es an der Spitze dieser Kolonne zu fahren. Bevor sie überholen benötigen sie
die Wegdifferenz bis zur Kolonnenspitze. Ausserdem benötigen sie die Zeitspanne für diese Auf-
holfahrt, um rechtzeitig vor dem Gegenverkehr an der Spitze anzukommen. Sie müssen also zum
Zeitpunkt t0 (bevor sie überholen), den Aufholweg φ0 − s0 und die Überholzeit t1 − t0 kennen,
um den Überholvorgang zum Zeitpunkt t1 erfolgreich abzuschliessen.
Übertragen auf den Automatisierungsbereich lautet die Antriebsaufgabe: Die Bewegung der Fol-
geachse soll ruckfrei auf die Bewegung der Masterachse absolut in Position und Geschwindigkeit
aufsynchronisieren. Die Mastergeschwindigkeit φ̇ = vm = 0,4m/s = const ist gegeben. Bis zu
der Masterposition φ(t0 ) = φ0 = 0,4m hat die Folgeachse die gleiche Geschwindigkeit wie der
Master und die Position s(t0 ) = s0 = −1,6m. Nach einer Zeit t1 hat der Master die Positi-
on φ(t1 ) = φ1 = 1,6m erreicht. Die Folgeachse soll zu diesem Zeitpunkt die gleiche Position
s(t1 ) = s1 = 1,6m ruckfrei einnehmen und anschließend synchron zur Masterachse weiter verfah-
ren. Die Differenz in der Position (φ0 − s0 ) soll ab dem Zeitpunkt t0 verringert und zum Zeitpunkt
t1 vollständig kopmpensiert werden. Gelöst wird dies durch Überlagerung einer zusätzlichen ruck-
freien Positionierung (z.B. R-R mit geneigtem Sinus, Seite (Seite 72) ) zur linearen und synchronen
Bewegung der Folgeachse.
98
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
φ(t),s(t)
sAusgleich (t)
2 s(t) = sAusgleich (t) + φ2 (t)
φ1 ,s1
1
φ0
φ1 (t) t
t0 t1
−1
s0
φ2 (t)
Abbildung 8.35: Ein relativer Synchronlauf wird durch eine überlagerte Ausgleichsbewegung des Typs R-
R (Seite 72) zum absoluten Gleichlauf in Position und Geschwindigkeit. Das wird z.B.
benötigt um nach einer Markenerkennung den Folgeantrieb um den ermittelten Offset zu
korrigieren.
sec
t0 =φ0 /vm = 0,4m · = 1sec
0,4m
sec
t1 =(φ1 − φ0 )/vm = t0 + (1,6m − 0,4m) = 4sec
0,4m
Normiertes Bewegungsgesetz mit den realen Wegen skalieren und die Koordinate z strecken
φ(t) =vm · t
1
f (z) =z − sin(2πz) (geneigter Sinus vom Typ R-R)
2π
t − t0
z=
t1 − t0
sAusgleich (z) =(φ0 − s0 ) · f (z)
t − t0 1 t − t0
sAusgleich (t) =(φ0 − s0 ) − sin(2π ) t0 <= t <= t1
t1 − t0 2π t1 − t0
s(t) =φ2 (t) + sAusgleich (t) t0 <= t <= t1
t − t0 1 t − t0
s(t) =φ2 (t) + (φ0 − s0 ) − sin(2π ) t0 <= t <= t1
t1 − t0 2π t1 − t0
s(t) =φ2 (t) t < t0 und t > t1
Auch hier soll wieder die Kolonnenfahrt auf der Landstraße die Aufgabe anschaulich erklären. Das
Beispiel ist verkehrsrechtlich problematisch und eignet sich nicht zum nachahmen! Ihr Fahrzeug
99
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
führt eine Kolonne von Urlaubsfahrern an. Sie wollen nicht mehr aufmerksam vorne fahren und
planen nun von der Kolonnenspitze ans Ende der Kolonne zu fahren. Die Kolonne soll mit gleich-
bleibender Geschwindigkeit weiterfahren während sie ausscheren und kontrolliert bremsend (sie
werden langsamer) die Kolonne an sich vorbeifahren lassen. Um nahtlos am Kolonnenende wieder
mitzufahren zu können müssen sie rechtzeitig beschleunigen um wieder ihre Geschwindigkeit auf
die Kolonnengeschwindigkeit anzuheben.
Im Automatisierungsbereich lautet die äquivalente Aufgabe so: Die Bewegung der Folgeachse soll
ruckfrei vom absoluten Gleichlauf mit der Produktposition φ1 (t0 ) auf die Bewegung der nachfol-
genden Produktposition φ2 (t1 ) absolut in Position und Geschwindigkeit aufsynchronisieren. Dazu
muss die Folgeachse im Zeitpunkt t0 absynchronisieren, zurückfahren und erneut auf das nach-
folgende Produkt aufsynchronisieren um zum Zeitpunkt t1 wieder synchron zur Position und Ge-
schwindigkeit des nachfolgenden Produktes sein. Während der kurzen Synchronphase kann die
fliegende Bearbeitung erfolgen. Die additiv überlagerte Rückführbewegung vom Typ Rast in Rast
(z.B. geneigter Sinus oder Polynom höherer Ordnung, Seite 72) sorgt für den Rücklauf der Fol-
geachse in die Ausgangslage mit anschließender Beschleunigung in die synchrone Bewegung des
nachfolgenden Produktes.
Die Transportgeschwindigkeit φ˙1 = vm = 1m/s = const ist gegeben. Bis zu der Transportpo-
sition φ1 (t0 ) = s0 = 0,5m hat die Folgeachse die gleiche Geschwindigkeit und Position wie die
Transportachse. Durch die überlagerte Rückführbewegung wird das aktuelle Produkt zum Zeit-
punkt t0 verlassen und auf das nachfolgende Produkt aufsynchronisiert. Zum Zeitpunkt t1 ist die
Rückführbewegung auf das nachfolgenden Produkt φ2 (t) synchronisiert.
φi (t),s(t)
3
2
s0
1
s(t) = si,Rückf ührung (t) + φi (t)
s1
0 t
t−1 t0 t1
−1
φ0
φ1 (t) −2
Abbildung 8.36: Grundbewegung für die fliegende Bearbeitung mit minimalen Verschleiß (kein Stillstand
der Folgeachse). Die lineare Bewegung der einzelnen Produkte wird durch die Funktionen
φi (t) gezeigt. Die Bewegung der Folgeachse durch s(t), die sich durch die Überlagerung
mit einer Bewegung Rast in Rast (Seite 72) ergibt. Die Folgeachse fährt also zwischen
zwei Wendepunkten hin und her, wobei zwischen den Positionen (s1 ,t−1 ) und (s0 ,t0 ) die
Synchronfahrt zur Bearbeitung des Produktes gewährleistet wird.
8.16.1 Die schnellere Ausgleichspositionierung sRückf ührung (t) für die Folgeachse s(t)
bei kürzeren Produktlängen.
100
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Die Gleichungen sind identisch zu denen vom vorherigen Beispiel (siehe vorheriges Beispiel auf
Seite 99). Der Skalierungsfaktor ist auch hier wegen der Rückfahrt der Achse negativ. Ansonsten
wie vorher das normierte Bewegungsgesetz mit der realen Wegdifferenz (negativ!) skalieren und
mit der realen Zeitskala strecken.
φ(t) =vm · t
1
f (z) =z − sin(2πz) (geneigter Sinus vom Typ R-R)
2π
t − t0
z=
t1 − t0
sRückf ührung (z) =(φ0 − s0 ) · f (z)
t − t0 1 t − t0
sRückf ührung (t) =(φ0 − s0 ) − sin(2π ) t0 <= t <= t1
t1 − t0 2π t1 − t0
s(t) =φ(t) + sRückf ührung (t) t0 <= t <= t1
t − t0 1 t − t0
s(t) =φ(t) + (φ0 − s0 ) − sin(2π ) t0 <= t <= t1
t1 − t0 2π t1 − t0
s(t) =φ(t) t < t0 und t > t1
φi (t),s(t)
3
2
s0
1
s1 s(t) = φi (t) + si,Rückf ührung (t)
0 t
t−1 t0 t1
−1
φ0 s2,Rückf ührung (t)
φ1 (t) −2
s1,Rückf ührung (t)
φ2 (t) −3
φ3 (t) φ4 (t) φ5 (t)
Abbildung 8.37: Bei diesem Beispiel der fliegenden Bearbeitung ist die Rückführ-Bewegung der Folgeachse
s(t) schneller als beim vorherigen Beispiel. Bei gleichbleibender Transportgeschwindigkeit
vm und Bearbeitungszeit t0 − t−1 wird der Abstand zwischen zwei Bearbeitungen kürzer.
Wenn die fliegende Bearbeitung ein Sägeschnitt ist, werden die Stücke (Produkte) bei
diesem Beispiel kürzer.
Übung 16
Wie lang ist der Weg zwischen zwei Produkten bei den Beispielen in Abbildung 8.36 und 8.37 ?
Antwort: Das Produkt bewegt sich während der Synchronphase und der Rückführbewegung gleich-
mässig mit der Geschwindigkeit vm weiter. Die Zeit zwischen zwei Bearbeitungen ist demnach
TZ = t1 − t−1 und der Weg zwischen zwei Bearbeitungen ∆s = vm TZ . (3m und 1,5m)
101
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
relativ (Papierbahnantriebe ..., siehe 8.14.1), absolut (rotierendes Messer, Druckwalzen ..., siehe
8.15)
102
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Gemäß des Diagramms 8.17 wird eine Übersicht angefertigt, die z.B. ausgeht von der Bewe-
gungsaufgabe, der Last, dem Getriebe, des Motortyps, des Sensortyps, der Leistungseinheit, der
Bewegungs-Steuerung, der Energieversorgung und dabei die Umweltbedingungen (Feuchtigkeit,
Temperatur, Vibration, Strahlung und andere äußere Einflüsse) berücksichtigt.
Die Bewegungs-Aufgabe kann unterschiedlich anspruchsvoll sein und die folgenden Aspekte sind
dabei zu bedenken:
- Bewegungsanspruch
- Stop/Start-Bewegung z.B. Förderband
- Bewegung auf Endposition z.B. Anschlagpositionierung
- geführte Bewegung mit zyklischen Sollwerten z.B. Pick & Place
103
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
104
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
- Regelkonzept
- Istwertgeber und Stellgröße mit genügender Genauigkeit
- Schnittstellen zu den Sensoren, Aktoren und der übergeordneten Steuerung, Strom-,
Drehzahl, Positionsregler, interne Kurvenprofile, Brems-Chopper
- Regelalgorithmus
- Sollwertausgang
- Eilgang/Schleichgang, Analog +/- 10 V, Feldbus
- Diagnosekonzept
- bis zur welcher Tiefe müssen die Komponenten Informationen über ihren Zustand liefern
können? Es gibt Systeme die von der Leitebenen über Steuerungen und IO-Klemmen
bis zum Sensor Informationen über den Zustand eines Sensors geben können. Z.B. lie-
fert das Konzept “IO-Link“ nicht nur den Schaltzustand eines Näherungsschalters son-
dern auch Informationen über Verschmutzung des Sensorbereichs, Umgebungstempera-
tur und Spannungsversorgung des Sensors selbst. Bei diesem Konzept wird die übliche
Drei-Draht-Leitung des Sensors für die Übertragung der Serviceinformationen genutzt.
Dieses Konzept benötigt Hardware-Erweiterungen auf der Klemmen- und Sensorseite,
ist aber kompatibel zu Standardsensoren, die nicht über diese Kommunikationsmöglich-
keit verfügen.
- Kraft- bzw. Drehmomentmessung mit Federwaage, über Strommessung am Motor M =
kM · I oder mit Kraftsensoren an der Motorbefestigung
- Momente, die von der Geschwindigkeit bzw. der Beschleunigung unabhängig sind. Die Rei-
bung kann abgeschätzt werden, indem man tabellierte Reibungszahlen µR in die entspre-
chenden Formeln für z.B. Kugel- bzw. Sinterlager einsetzt: MR = 0,5 · µR · F · d. Konstante
Lastmomente wie beim Seilzug müssen ohne Kompensation vom Motor aufgebracht werden,
unabhängig von der eigentlichen Bewegungsaufgabe. Kompensiert man das Hubgewicht durch
ein entsprechendes Gegengewicht, steigt das Gesamtträgheitsmoment. Es ist also abzuwägen,
was für die Anwendung geeigneter ist.
105
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
- Die Schwerkraft ist bei Hubbewegungen wichtig und addiert sich zur Last-Beschleunigung
bei einer Aufwärtsbewegung und subtrahiert sich von dieser bei einer Abwärtsbewegung. Das
ist eine besondere Herausforderung für den Regelalgorithmus.
- Beschleunigungsmomente bei Drehbewegungen Ma = J · a (z.B. Schwungscheibe JL =
2 m · r ), für jede mechanische Anordnung kann ein resultierendes Trägheitsmoment
1 2
für die Motorachse errechnet werden (reduziertes Trägheitsmoment Jr = Ji2L ), auch die Träg-
heitsmomente von Linearbewegungen lassen sich auf die Drehachse umrechnen (z.B. Seilzug
JL = m · r2 ).
- Aus allen Drehmomentanteilen läßt sich ein effektives Drehmoment errechnen, das der
Motor dauerhaft aufbringen muß. Damit läßt sich die Motorgröße im ersten Schritt festlegen,
wenn die Nennleistung des Motors mindestens dieses effektive Drehmoment liefert.
s
1
Z T
Mef f = [M (t)]2 dt (9.10)
T t=0
106
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Umrichter bei 810V aktiv, so dass maximal die Energie 21 Cges U 2 mit Cges = 3 C2 aufgenom-
men werden kann. Die Bremsenergie ist aber nur ein Teil davon, da der Zwischenkreis durch
die Netzeinspeisung bereits geladen ist, wenn der Bremsfall eintritt (siehe Beispiel auf Sei-
te 110). Liefert der Gleichrichter des Umrichters entsprechende Ströme bzw. begrenzt eine
Ladeeinrichtung den Ladestrom des Zwischenkreises, können mehrere solcher Kondensatorer-
weiterungen parallel an den Zwischenkreis angeschlossen werden. Die Abbildung 8.8 zeigt das
Prinzip eines Umrichters bestehend aus einem Dreiphasen-Netzgleichrichters, der einen Zwi-
schenkreis aus 2 Kondensatoren speist. Zwei Kondensatoren in Reihe zur Spannungserhöhung
und davon eventuell mehrere parallel zur Kapazitätserhöhung. Ohne zusätzliche strombegren-
zende Bauteile (Netzdrossel) wird der Einschaltstrom extrem hoch! Am Ausgang richten die
sechs Transistoren bei geeigneter Ansteuerung die Zwischenkreisspannung in ein Dreiphasen-
System U1 , U2 , U3 anderer Spannung und anderer Frequenz um. Ein Drehstrommotor wird
an U1 , U2 , U3 angeschlossen. Bei Motoren oder induktiven Lasten sorgen zusätzliche Frei-
laufdioden parallel zu jedem Transistor für den Rückfluss der generatorischen Leistung beim
Bremsen bzw. der induzierten Spannung (Bei höherer aber gleicher Spannungsrichtung kehrt
sich der Stromfluss um, die Zwischenkreiskondensatoren werden geladen).
- Getriebestufe, Zahnriemen, Trapez- oder Kugelgewindespindel. Je nach Anwen-
dung ist eine sinnvolle Wahl zu treffen, die Dynamik, Genauigkeit und Energieaufwand be-
rücksichtigen sollte. Generell wandelt ein Getriebe ein kleines Eingangsmoment in ein großes
Ausgangsmoment zu Lasten der Drehzahl, so dass das Produkt aus Drehzahl und Drehmo-
ment bis auf die Verluste η konstant bleibt (Mr · nr = MLη·nL ). Den herausragenden Eigen-
schaften einer Kugelgewindespindel stehen deren hohe Anschaffungskosten entgegen. Manche
Lösungen profitieren z.B. von der Selbsthemmung einer einfacheren Trapezgewindespindel
und sparen sich damit die Haltebremse. Gute Zahnriemensysteme sind sehr wirtschaftlich,
bieten eine hohe Wiederholgenauigkeit, bei minimalen Trägheitsmoment und minimaler Rei-
bung. Besonders bei großen linearen Verfahrwegen ist die Zahnriemenlösung sehr wirtschaft-
lich. Bei sehr dynamischen Anwendungen trägt das Trägheitsmoment der Gewindespindel
und die Reibung erheblich zum effektiven Drehmoment bei. Das bedeutet, dass der Motor
hauptsächlich die Spindel bewegen muss und das eigentliche Werkstück nur einen Bruchteil
des Motormoments benötigt!
- Eine Sonderstellung nimmt der Linerantrieb ein, der seine Stärken meistens nur zeigen
kann – und damit die hohen Kosten rechtfertigt – wenn er tief in das Maschinenkonzept
integriert wird.
- Die Positioniergenauigkeit △φM otor = △φLast · i an der Motorwelle bestimmt das erfor-
derliche Motorfeedback-Sensorsystem (Resolver, Standard-Encoder oder besondere Präzisi-
onsgeber). Neben der Sensorauflösung ist auch die Bauart des Motors zu berücksichtigen.
Je nach Motorbauart entstehen durch die mehr oder weniger ausgeprägten Nuten im Stator
und/oder Rotor Drehmomentschwankungen innerhalb einer Umdrehung (auch Drehmo-
mentrippel genannt). Entweder werden diese durch besondere Konstruktionen (z.B. schräge
Nuten, eisenlose Ausführungen, etc. ) verringert oder sie müssen durch die Leistungselektro-
nik ausgeregelt werden. Im Falle der elektronischen Ausregelung belastet dies zusätzlich den
Regelalgorithmus und führt meistens zu schlechterem Führungsverhalten.
Beispiel: Folientransport mit einer Geschwindigkeit von v = 3,1415m/sec, einer geforderten
Positioniergenauigkeit von △s = 0. 1mm, einem Antriebswalzenduchmesser von d = 0,1m
und einer Getriebeübersetzung von i = 10. Der zeitliche Jitter sei △tJitter = 10µs. Zu der Po-
sitioniergenauigkeit im Stillstand des Antriebs (vorallem beeinflußt durch die Auflösung des
Senors) kommt noch die Unsicherheit in der Positionsbestimmung während der Antrieb sich
bewegt. Hier verschlechtert der zeitliche Jitter die genaue Positionsbestimmung zusätzlich
zur endlichen Auflösung des Sensors. Nimmt man vereinfachend an, dass die beiden Effekte
107
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
2
ωw =v
d
2π100U
ωmot =ωw · i =
sec
tolerierbare Winkelungenauigkeit
△s
△φmot,Anf orderung =i · 360o · = 1,15o
π·d
360o
I= = 459
△φmot
108
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
φ1 φ(t)
∆t1 ∼ ∆φ1
φz1
Abbildung 9.1: Eine Nocke mit Winkel-Kompensation ∆φ1 der Aktuatorverzögerungszeit ∆t1 damit der
Aktuator im Ziel-Winkel φ(t1) = φz1 zum richtigen Zeitpunkt t1 wirken kann.
9.2 Nockenschaltwerk
Ein Excenter treibt eine Presse an und bei einem bestimmten Winkel muß ein Aktuator Material
zuführen. Die Drehzahl n der Excenterachse beträgt 60 U/min. Wie schnell müßte der Aktuator
reagieren damit der Winkelfehler auf Grund der endlichen Reaktionszeit kleiner 1 Grad bleibt?
2π
T = Pressenzykluszeit
ω
∆φ
∆t = ·T
360o
1o
∆t = · 1sec = 2,78ms notw. Reaktionszeit
360o
Der Aktuator hat eine bauartbedingte Einschaltverzögerung von 100ms. Wie groß muß der Vorhalte-
Winkel sein, um den früher eingeschaltet werden muß, damit der Aktuator trotz seiner Verzöge-
rungszeit zum richtigen Winkel das Material zuführt? Geschwindigkeit von Aufgabe 9.2
ω
∆φ =360o · · ∆t
2π
∆φ =360o · 1s−1 · 0. 1s = 36o Vorhaltewinkel
109
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Nach dem der Aktuator eingeschaltet wurde (z.B. Druckluftzylinder zum Auswerfen des Stanzteils)
beschleunigt er konstant bis zur Zielposition (Anschlag nach 2,5mm). Die Masse von 1 kg muß
beschleunigt werden. Welche Kraft ist notwendig um dies in 50ms zu erledigen?
2∆s
ak =
∆t2
2∆s
F =m · ak = m ·
∆t2
2 · 0,0025m kgm
F =1kg · =2 2
0,05 s
2 2 s
Die Bremsenergie eines Servomotors kann vom Zwischenkenkreiskondensator des Umrichters (sie-
he Abbildung 8.8 ) aufgenommen werden. Dabei erhöht sich die Zwischenkreisspannung. Die Zwi-
schenkreiskondensatoren waren aber bereits auf das Netzspannungsniveau UZ0 durch den Netz-
gleichrichter aufgeladen, so dass die Bremsenergie WBr aus der Differenz der Quadrate von Zwi-
schenkreisspannung und Netzspannungsniveau berechnet werden muss.
√
UZ0 = UN · 2 (9.11)
1
WZ0 = · Cges UZ0
2
(9.12)
2
1
WBr = · Cges (UZ2 − UZ0
2
) (9.13)
2
Welche Bremsenergie kann mit einer Zwischenkreiskapazität von insgesamt Cges = 6750µF bei
einer zulässigen Maximalspannung von 810V (dann wird der Bremschopper aktiv) und einer Ein-
speisung von 3x400V gespeichert werden?
√
UZ0 = 400V · 2 = 566V
1
WBr = · 6750 · 10−6 As/V (8102 − 5662 )V 2 = 1133W s
2
Diese Energie könnte eine Person von 75 Kg Gewicht ungefähr 1,5 m hoch befördern.
Während eines Produktionszyklusses von insgesamt 8 Sekunden beschleunigt ein Motor aus dem
Stillstand während 2 Sekunde mit einem Drehmoment von 4 Nm, hält für 3 Sekunden die Drehzahl
mit 2 Nm und bremst danach mit -3 Nm bis zum Stillstand.
110
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
M (t)
4Nm
t/s
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
-3Nm
s
1
Z T
Mef f = [M (t)]2 dt
T t=0
s
1
Z 2s Z 5s Z 8s
Mef f = (+4N m)2 dt + (+2N m)2 dt + (−3N m)2 dt
8s t=0 t=2 t=5
1
r
Mef f = [32N 2 m2 s + 12N 2 m2 s + 27N 2 m2 s]
8s
Mef f =2,98N m
und robust aufgebaut werden. Die Siegelbacken öffnen und schließen sich senkrecht zur Folien-
Transportrichtung. Das Material wird aber durch die dauernden Beschleunigungen und Verzöge-
rungen periodisch gereckt und gestaucht. Ein geeignetes Bewegungsprofil des Typs R-R wird auf
Seite 72 vorgestellt.
Eine kontinuierlich arbeitende Maschine bewegt den Querschweißautomaten relativ zum Foli-
entransport, der für eine konstante Foliengeschwindigkeit sorgt. Mindestens die Schweißbalken des
Querschweißautomaten müssen also für die Schweißzeit die gleiche Geschwindigkeit wie die Folie
aufweisen. Um das sicherzustellen sind unterschiedliche mechanische Konzepte bekannt. Zu der
Schweißbalkenbewegung auf/zu (senkrecht zum Folientransport) kommt also noch eine Kompo-
nente dazu, die parallel zum Folientransport die Schweisbalken vor und zurück bewegt. Während
der Balkenspalt offen ist fährt man in die Ausgangsposition zurück um während der synchronen
Vorwärtsfahrt die Schweißung mit geschlossen Siegelbacken durchzuführen. Um einen Antrieb ein-
zusparen werden meistens komplexe Mechaniken eingesetzt. Ein Beispiel ist der D-Antrieb (siehe
Abbildung 9.2), der beide senkrecht zu einander stehenden Bewegungen mit einem Antrieb sicher-
stellt. Weit flexibler und natürlich auch teurer ist eine Lösung mit einer zusätzlichen Linearachse,
die besonders teuer durch einen extrem dynamischen Linearmotor wird. Diese Art der Bearbeitung
wird oft als "fliegende Bearbeitung"bezeichnet, da die Bearbeitung in der Bewegung erfolgt. Ein
für diese Bewegung geeignetes Bewegungsprofile wird auf Seite 100 behandelt.
Das Ergebnis des Längs- und Quer-Siegelns bzw. Schweißens ist oft wieder aufwickelbar (z.B. Ge-
müsebeutel an der Gemüsetheke eines Supermarktes). Durch weitere Stationen können die Beutel,
bevor sie ganz versiegelt werden, mit Produkten gefüllt werden (z.B. Kettenbeutel mit Süßig-
keiten), oder es wird durch eine Stanzstation vereinzelt, um hochwertigere „Plastiktüten“ (Ein-
kaufstaschen) zu gewinnen.
112
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
r(t) w(t)
t−1
t2
Abbildung 9.2: Der „D-Antrieb“ für Schließen und Schweißzeitverlängerung mit einem Antrieb. Es werden
vier Stellungen des Excenters gezeigt. Oben beginnt das Werkzeug zu schließen, während
der Synchronfahrt wirkt der Schweißdruck und die Schweißtemperatur. Nach dem Öffnen
beginnt die Rückfahrt. Während die Schweissbalken geschlossen sind (sie federn ein!) muß
vBalken (t) exakt der Foliengeschwindigkeit entsprechen (Synchronfahrt). Die Geschwindig-
keit ω(t) der Achse muß sich beim Einfedern der Werkzeuge dazu vergrößern, da der Radius
kleiner wird. Dies muß aus der Kinematik der Anordnung berechnet werden (→ Quadra-
tische Gleichung). Durch das Einfedern wird die Dauer ∆t des Folienkontaktes verlängert
(→ Schweißzeitverlängerung).
φ2 ,t2
φ1 ,t1
φ(t)
R1
φ3 ,t3
R0
vBalken = v1 (t) = const
−φ1 ,−t1
−φ2 ,−t2
Übung 17
Welche Produktlänge wird in Abbildung 9.3 geschweißt?
Lösung: Zykluszeit Tz = 2t3 = 0,565s, Produktlänge L = Tz v1 = 0,565m
113
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
dω(t)
r(t) φ(t) ω(t) α(t) = dt
t=0 R0 0 v1
R0 0
−t·v13
q
0 ≤ t ≤ t1 R02 + (v1 · t)2 atan( Rv10 · t) v1
r(t)
√
(R02 +t2 ·v12 )3
−t1 ·v13
q
t = t1 R02 + (v1 · t1 )2 atan( Rv10 · t1 ) v1
R1
√
(R02 +t21 ·v12 )3
t1 ≤ t ≤ t2 R1 ∆φ · f (z) ∆φ
∆t · f (z)
′ ∆φ
(∆t)2
· f ′′ (z)
t = t2 R1 φ1 + ∆φ · f (z = 1) ∆φ
∆t · f (z = 1)
′ 0
t2 ≤ t ≤ t3 R1 φ2 + ω(t2 ) · t ω(t2 ) 0
t = t3 R1 180o ω(t2 ) 0
Zur Bestimmung von f(z) wird die konstante Materialgeschwindigkeit v1 (umgerechnet in die
Kreisfrequenz) zunächst abgezogen, damit werden die normierten Randbedingungen (Typ U-G):
vi = 0 ai ̸= 0 vk ̸= 0 ak = 0
2
ai = α(t1 ) (tφ22−t1)
−φ1 − (t2 − t1 )ω(t1 ) mit p5 = 0 folgt vk = 2 − a6i
mit v1 = 1 m
s R1 = 0,1m R0 = 0,05m t2 = t1 · 1,6 φ2 = φ1 · 1,5 siehe Abb.9.3
Abbildung 9.3: Links das normierte Bewegungsgesetz für das Interval t1 bis t2 und rechts die reale Ge-
samtbewegung für eine volle Umdrehung
114
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
v(t)
M (t) s(t)
+Mm s(t)
tb
∆s v(t)
sb
t
−Mm
∆t TS ∆t
Abbildung 9.4: Das vereinfachte Bewegungsprofil eines Schweißzyklusses TZ = 2∆t + TS . Bei gleichblei-
bender Schweißzeit TS wird die verbleibende Zeit für die Beschleunigung tb immer kürzer,
wenn die Produktivität (=Taktrate Z) gesteigert wird. Das Bewegungsprofil zeigt den Be-
wegungstypen R-R. Die Bewegung beschleunigt aus dem Stillstand, muß aber nach der hal-
ben Strecke und der halben Zeit wieder in den Stillstand bremsen. Der Beschleunigungsweg
sb = ∆s/2 und die Beschleunigungszeit tb = ∆t/2 sind nur die Hälfte des Hubweges und
der Hubzeit!
9.5.2 Schweißbalkenantrieb
In der Abbildung 8.12 ist eine Beutelschweißmaschine abgebildet, deren Hauptaufgabe das Foli-
enschweißen ist. Das Bewegungsprofil der Schweißbalken wird für die Motorauslegung vereinfacht
(abschnittsweise konstante Beschleunigung). Die Schweißzeit muss für gleichbleibende Qualität
der Schweißnaht konstant gehalten werden. Bei steigender Taktrate (Produktivität) der Maschine
bleibt so immer weniger Zeit für die Beschleunigung. Rein mechanische Lösungen, z.B. durch einen
Kurbeltrieb, werden sehr aufwendig, wenn eine sogenannte Schweißzeitverlängerung bei höheren
Geschwindigkeit des Kurbeltriebs mechanisch gelöst werden soll. Mit Servomotoren können nahezu
beliebige Bewegungsprofile ermöglicht werden. Je nach Antriebskonzept führt das zu verschiede-
nen Motoren mit sehr unterschiedlichen Drehzahl und Drehmomentbedarf. Bei dieser Aufgabe ist
zu berücksichtigen, dass der Hubweg und die Hubzeit nicht der Beschleunigungsweg und die Be-
schleunigungszeit sind. In der Abbildung 9.4 wird dies deutlicher. Der Bewegungstyp R-R erfordert
innerhalb des Hubweges sowohl Beschleunigung als auch wieder Verzögerung damit am Ende des
Hubwegs wieder Stillstand einkehrt!
115
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Taktrate Z = 300/min
Zykluszeit TZ = 1/Z = 200ms
Schweißzeit TS = 100ms
Hubzeit ∆t = (TZ − TS )/2 = 2 · ∆tb = 50ms
Hubweg eines Balkens ∆s = 2 · ∆sb = 5mm
Hebellänge r = 75mm
Gesamtmasse der Balken m = 90kg
Maschinenwiderstandsmoment Mw = 0N m (z.B. Anpressdruck)
Motorträgheitsmoment Jm = 0,14kgm2 (DST135)
Motor-Nennmoment Mm = 158N m (DST135)
Getriebeübersetzung u=1
Getriebeträgheitsmoment Jg = 0kgm2
Wellenträgheitsmoment Ja = 0,79kgm2 (Stahl 150x2000mm)
Maschinenträgheitsmoment Jw = 0,50625kgm2
∆s 4∆s
Beschleunigung der Balken a= = = 8m/s2
∆tb2 ∆t2
∆t ∆t
Geschwindigkeit maximal vmax = v( ) = a = a∆tb = 0,2m/s
2 2
Trägheitsmomentenverhältnis Jges /Jm = 9,259
Kraft F = ma = 720N
Drehzahländerung Maschinenwelle ∆n = 25,465U/min (entspricht der Servoachse)
Beschleunigungsmoment an Maschinenwelle Mbw = 54N m
Beschleunigungsmoment Rotor Mbm = 14,933N m
Beschleunigungsmoment Getriebe Mbg = 0,000N m
Beschleunigungsmoment der Welle selbst Mba = 84,267N m
notwendiges Spitzenmoment des Motors Mm = 153,2N m
116
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
9.5.4 Wie groß ist das effektive Drehmoment des Motors bei einer Taktrate von 400
Stück pro Minute und gleichbleibender Schweißzeit?
Bei gleichbleibender Schweißzeit verkürzt sich die Zeit für die Beschleunigung. Der Beschleu-
nigungsweg bleibt aber gleich. Bei einer angenommenen konstanten Beschleunigung ist der Zu-
sammenhang von Weg, Beschleunigung und Zeit quadratisch. Halbiert sich tb wie bei dieser Fra-
gestellung vervierfacht sich die notwendige Beschleunigung um trotzdem den selben Weg ∆sb zu
erreichen.
∆sb ∆s
a =2 2 =4
∆tb ∆t2
s
1
Z TZ
Mef f = [Mm (t)]2 dt
TZ t=0
s
4
Z 0,0125s
Mef f = (612,8N m)2 dt
0,15s t=0
s
4
Mef f = 375523,8N 2 m2 s · 0,0125s
0,15s
Mef f =353,8N m
Die Kräfte sind entsprechend hoch und erfordern unter Umständen andere Konzepte bzw. Be-
wegungsprofile! Bei hohen Transportgeschwindigkeiten führen kleinere Balkenhübe nicht zum Ver-
brennen der Folie. Ein kleinerer Balkenhub reduziert die auftretenden Kräfte linear. Die Reduzie-
rung der Schweißzeit hat einen größeren Effekt auf die Kräfte. Durch erhöhen der Schweißtempe-
ratur und des Schweißdrucks kann die Schweiszeit verringert werden.
Alternativer Schweißbalkenantrieb mit Getriebe und Servomotor
Die extremen Beschleunigungen bei der Bewegungsumkehr mit der eventuellen Lose in der Mecha-
nik und vorallem in dem Getriebe führt zu extremen Bauteilbelastungen. Der Vorteil ist aber eine
relativ kleine und damit kostengünstige Antriebseinheit.
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Motorseite Maschinenseite
Taktrate Z= 300/min
Zykluszeit TZ = 1/Z = 200ms
Schweißzeit TS = 100ms
Hubzeit ∆t = (TZ − TS )/2 = 2 · ∆tb = 50ms
Beschleunigungszeit ∆tb = 25ms
Hubweg ∆s = 2 · ∆sb = 5mm
Durchmesser Ritzel r= 64mm (= 16 Zähne mal Modul 4)
Gesamtmasse der Balken m= 90kg
Maschinenwiderstandsmoment Mw = 0N m (z.B. Anpressdruck)
Motorträgheitsmoment Jm = 0,000139kgm2 (DSD045S64U30-5)
Motor-Nennmoment Mm = 2N m (DSD045S64U30-5)
Getriebeübersetzung u= 8 1
Getriebeträgheitsmoment Jg = 0,000012kgm2
Wellenträgheitsmoment Ja = 0,0kgm2 0,0kgm2
Maschinenträgheitsmoment Jw = 0,00144kgm2 0,09216kgm2
Beschleunigung der Balken a= ∆s
∆t2
= 4∆s
∆t2
= 8m/s2
b
Geschwindigkeit maximal vmax = 2 ) = a 2 = 0,2m/s
v( ∆t ∆t
Aufgrund des gleichen Bewegungsprofils wie beim Direktantrieb ist der effektive Drehmoment-
bedarf etwa 70% des Spitzenmomentes und kann von dem gewählten Motor gerade nicht mehr
aufgebracht werden. Bei einer Motorauslegung würde man selten an die Grenzen gehen und entwe-
der den nächst größere Servomotor wählen oder das Ritzel kleiner wählen. Ein Ritzelzahn weniger
(Hebel kleiner) führt zu einem Spitzenmoment von nur noch 3 Nm. Das Drehzahlpotential des
Servomotors wird auch in diesem Fall nicht ausgenützt. Der Hauptvorteil liegt in der gewonnenen
Flexibilität! Die Technologieaufgabe kann nun ganz anders gelöst werden, denn der Hubweg kann
bei höheren Taktraten kleiner gewählt werden, weil bei hohen Geschwindigkeiten die hohen Tem-
peraturen des Schweißbalkens keinen Schaden anrichten können. Bei niedrigen Geschwindigkeiten
kann diese Gefahr durch Vergrößeren des Hubweges verhindert werden. Im Stillstand bzw. War-
tungsfall können die Zahnstangen voll ausgefahren werden und so ein Verbrennen des Materials
und Verletzungen des Personals verhindern. Die Halbierung des Hubwegs führt zu einem halbier-
ten Drehmoment, so dass dieser Motor selbst bei noch höheren Taktraten immer noch eingesetzt
werden kann. Bei einem Hubweg von ∆s = 2,5mm erreicht man das Spitzenmoment 2. 91N m erst
bei einer Taktrate von 345 Takten pro Minute.
Eine Bremse, die zu spät löst, leidet unter hohem Verschleiß. Eine Bremse, die zu früh öffnet,
läßt die Last „durchrutschen“. Die Bremsenansteuerung erfordert also bei Hubantrieben besondere
Aufmerksamkeit. Bei Antrieben mit einem zum Motorstrom proportionalen Drehmoment kann die
Aufgabe über eine Messung des Motorstroms im Moment des Stillstandes, noch bevor die Bremse
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eingefallen ist, gelöst werden. Soll der Antrieb wieder in Bewegung gesetzt werden, wird zuerst
der Motorstrom eingestellt, der zuvor gemessen wurde, um die Last im Stillstand zu halten. Wenn
der Strom erreicht ist, kann die Bremse ohne durchrutschende Last und ohne schleifende Bremsen
gelöst werden. Die Last schwebt und wird wieder vom „Strom“ gehalten. Ab diesem Moment kann
der Strom verändert werden und die Last damit angehoben oder abgesenkt werden.
(a) Welchen Strom muss man einstellen, um mit einer Gleichstrommaschine des Typs „GNA100-
SN273 O“ 10 Kg Gewicht mit einer Seiltrommel von 50cm Durchmesser zu halten? Die
Seiltrommel soll direkt mit der Motorachse gekoppelt sein.
(b) Wieviel (Nenn-) Drehmoment steht noch zur Verfügung um die Last zu beschleunigen?
(c) Wieviel Zeit benötigt der belastete Antrieb, um auf Nenndrehzahl des Motors zu beschleu-
nigen?
Nennspannung UN = 400 [V ]
Nennstrom IN = 31 [A]
Nenndrehzahl nN = 3520 [U/min]
Nennmoment Mn = 29,3 [N m]
abgegebene Leistung Pab = 10000 [W ]
Widerstand im Ankerkreis Ra = 0,78 [V /A]
Induktivität im Ankerkreis La = 0,0063 [V s/A]
Motorkonstante c · ϕe = 1,085 [V s]
Wirkungsgrad Ankerkreis ηa = 0,86 [%]
Wirkungsgrad gesamt η = 0,835 [%]
Leerlaufstrom IaL = 0,775 [A]
Reibungskonstante KR = 0,00228 [V As2 ]
Trägheitsmoment JM = 0,017 [kgm2 ]
Kurzzeitbetr. S2, ED=10 min Pmax = Pab /0. 6 [W ]
Kurzzeitbetr. S2, ED=30 min Pmax = Pab /0. 73 [W ]
Tabelle 9.1: Motordaten GNA100-SN273 O
K = mg = 10Kg · 9,80665m/s2
0,5
MW = Kr = K m =24,52N m
2
IN 10Kg · 9,80665m/s2 0,25m · 31A
I = MW · = =25,94A
MN 29,3N m
MB = MN − MW = 29,3N m − 24,52N m =4,78N m
Jg = JM + JGewicht = JM + mr2 = 0,017 + 10(0,5/2)2 =0,642kgm2
2π 3520 · 2 · π
∆ω = nM = =368,61/s
60 60
Jg ∆ω
∆t = =49,5s
Mb
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Ein Greifbagger wird für Schüttgut eingesetzt und gräbt sich im geöffneten Zustand durch sein
Eigengewicht in das Fördergut. Beim Anheben schließt sich der Greifbagger. Dafür werden zwei
Seile benötigt mit zwei unabhängigen Seiltrommeln. Das Problem liegt darin zu verhindern das
Seillose entsteht ohne den Greifer zu öffnen. Eine Seiltrommel schließt den Greifer und hebt ihn
bei weiterem Zug an. Die zweite Seiltrommel darf dabei nur die Lose aus dem zweiten Seil nehmen,
denn wenn dieses Seil das Gewicht übernimmt öffnet sich der Greifer. Wenn das Seil aber zu lose
gefahren wird, kann es sich verhaken und der Greifer kann nicht mehr geöffnet werden.
9.8 Kranantriebe
Das Problem besteht darin die 4 Antriebsmotoren dynamisch anzusteuern ohne den Kran zu ver-
kanten. Der Kran hat zwei oder mehr Portalfüße, an denen je ein Antriebsmotor für den Vortrieb
sorgt. Alle Motoren sollen den Kran gleichmäßig beschleunigen, ohne dass er sich verkantet und
womöglich aus der Schiene springt. Ungleichmäßige Traktion durch verschmuzte Schienen oder
Winddruck von einer Seite müssen berücksichtigt werden. Ein absoluter Winkelgleichlauf aller
Motoren berücksichtigt nicht einen ungleichmäßigen Schlupf der Räder! In der Regel werden bei
vier Antrieben zwei Master- und zwei Slave-Achsen über Kreuz eingesetzt.
Zunehmend wird bei Eisenbahnen die elektrische Antriebsleistung auf mehrere Achsen aufgeteilt.
Durch geeignete Mess- und Regeltechnik wird die Zugkraft aller Antriebe koordinierbar und ins-
gesamt größer als bei einem zentralen Antrieb. Durchdrehen einzelner Antriebe vermindert die
Zugkraft und erhöht den Verschleiß. Die Gefahr des Durchdrehens ist besonders beim Beschleu-
nigen aus dem Stillstand gegeben, da die Zugkraft voll ausgeschöpft werden soll bzw. muß. Die
Erkennung des Durchdrehens kann durch Vergleich der absoluten Achswinkel erfolgen. Bei zu
großer Abweichung ist Schlupf die Ursache und der Antrieb mit der größten Abweichung muß
korrigiert werden z.B. durch leichtes Reduzieren der Zugkraft dieses Antriebs. Der theoretische
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Fall, dass alle Achsen gleichmäßig schlüpfen ist sehr unwahrscheinlich, kann aber durch eine un-
abhängige Geschwindigkeitsmessung (also nicht über die angetriebenen Achsen gemessen) erkannt
und vermieden werden. Die Sensoren für die Achswinkelmessung müssen auf Grund der sehr ge-
ringen Geschwindigkeit beim Anfahren eine hohe Auflösung aufweisen bei gleichzeitiger enormer
Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen und vor allem der Stöße, die so eine Bahnachse während
der Fahrt erleidet. Optische Sensoren sind bisher nicht robust genug für diesen Einsatz. Bei diesen
rauhen Bedingungen haben sich Sensoren mit magnetischem Konzept bewährt.
Oft erfordert die Prozeßführung eine manuelle Vorgabe der Positionswerte, die dann möglichst
ruckfrei zu Bewegungsprofilen umgerechnet (interpoliert) werden sollen. Diese scheinbare triviale
Aufgabe führt zu mathematischen Lösungen die oft nicht den gewünschten Sollwertverlauf zeigen.
Häufig zeigen diese unnötige Brems- und Beschleunigungsphasen (Schlangenbewegungen im Positi-
onsprofil) in Bereichen, die man als Mensch mit einem schwungvollen Strich verbinden würde. Eine
nahe liegende Lösung ist der Ansatz mit Polynomen 5.Ordnung. Zur Bestimmung der Koeffizienten
müssen an den Sektionsgrenzen der Positions-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverlauf ste-
tig sein. Da nur Positionswerte und Zeitpunkte vorgegeben wurden, müssen die Geschwindigkeiten
und Beschleunigungen an den Sektionsgrenzen angemessen „geschätzt“ werden.
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Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
9.10.1 Lösung mit Geschwindigkeiten aus den Mittelwerten der Steigungen der
Verbindungslinien
s Abschnitt ti si vi ai
Die Geschwindigkeit vi am Rand zwi- 2
1 0 0 0 0
schen zwei Sektionen soll bei diesem 2 2 0 0.5 0.3
Versuch der Mittelwert der beiden Stei- s0 s1 3 3 1 4.5 4.7
v1
gungen der Verbindungslinie zu den 4 3.5 5 4.0 -8.0
5 4 5 -1.0 -1.3
Nachbarpunkten sein. Die Beschleuni- si − si−1 si+1 − si 1 6 5 3 -1.0 1.0
v =( + )
gung ai am Rand ist aus dem Unter- i ti − ti−1 ti+1 − ti 2 7 6 3 -1.0 -1.0
schied der beiden Steigungen bestimmt si+1 −si
ti+1 −ti
s −si−1
− tii −ti−1 8 7 1 0 2.0
mit dem freien Beschleunigungsfaktor i a = C
ti+1 − ti−1
9 8 3 -0.5 -2.5
10 9 0 -1.5 1.5
C = 1. 11 10 0 0 0
Abbildung 9.6: Die Kreuze markieren die manuell vorgegebenen Werte, die zur Verdeutlichung mit geraden blauen
Linien verbunden sind. Jedes Kreuz markiert den Übergang zum nächsten Abschnitt. An den
Grenzen müssen die Funktionswerte selbst, sowie die der ersten und zweiten Ableitung gleich
sein. Eine erste mathematische Lösung zeigt der geschwungenen Verlauf, der durch Polynome 5.
Ordnung abschnittsweise berechnet wird. Man erkennt hier deutlich Schlangenlinien zwischen den
Kreuzen, die besonders ausgeprägt rot dargestellt sind.
122
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abschnitt ti si vi ai
Bei diesem Versuch wird die Geschwin- s2
1 0 0 0 0
digkeit vi an der Grenze zwischen 2 2 0 0.3 0.3
v1 s1
zwei Sektionen aus der Positionsände- s0 3 3 1 3.3 4.7
rung der zwei benachbarten Sektionen 4 3.5 5 4.0 -8.0
5 4 5 -1.3 -1.3
bestimmt. Die Beschleunigung ai am si+1 − si−1
vi = 6 5 3 -1.0 1.0
Rand ist aus dem Unterschied der bei- ti+1 − ti−1 7 6 3 -1.0 -1.0
den Steigungen der Verbindungsgera- si+1 −si
−
si −si−1 8 7 1 0 2.0
ti+1 −ti ti −ti−1
den bestimmt mit dem freien Beschleu- ai = C
ti+1 − ti−1
9 8 3 -0.5 -2.5
10 9 0 -1.5 1.5
nigungsfaktor C = 1.
11 10 0 0 0
Abbildung 9.7: Die Tendenz zu „Schlangenlinien“ ist deutlich kleiner, aber nicht verschwunden.
123
Skriptum Automatisierung und Regelungstechnik 2, Version 25.01.2023
Abschnitt ti si vi ai Typ
Bei diesem Versuch wird in jeder Sektion der Be- 1 0 0 0 0 R
wegungstyp festgelegt und ein passendes Bewe- 2 2 0 0 0 R
gungsgesetz gewählt. Beim Typ R muß z.B vi = 0 3 3 1 3.3 18.7 B
und ai = 0 gesetzt werden. Beim Typ B werden 4 3.5 5 0 0 R
5 4 5 0 0 R
z.B. vi und ai wie im Beispiel (Kapitel 9.10.2)
6 5 3 0 0 R
oben festgelegt, allerdings mit dem freien Be- 7 6 3 0 0 R
schleunigungsfaktor C = 4. Die Abbildung 9.8 8 7 1 0 8.0 U
zeigt das Ergebnis. Die entsprechenden Werte an 9 8 3 0 -10 U
10 9 0 0 0 R
den Sektionsgrenzen zeigt die Tabelle neben an.
11 10 0 0 0 R
Abbildung 9.8: Durch passende Bewegungstypen mit geeigneter Wahl von Bewegungsgesetzen werden alle vorge-
gebenen Positionen exakt getroffen ohne überflüssige „Schlangenlinien“ dazwischen.
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9.11 Fragen
125
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- Welche zeitlichen Auflösungen einer digitalen Eingangsklemme sind mit dem „timestamp“
Verfahren möglich?
- Nennen Sie die Hauptkomponenten (was muss auf dem Bestellschein stehen) für eine Servo-
Antriebsachse.
- Was muss bei der Auswahl der Komponenten, neben der reinen Automatisierungsaufgabe,
noch berücksichtigt werden?
- Wozu benötigt man ein Diagnosekonzept?
- Einfache (im Sinne von kostengünstige) Bewegungsaufgaben erfordern einfache Sollwertaus-
gänge. Nennen Sie einige.
- Wenn man bei einem Hubantrieb das Lastgewicht kompensiert was wird dann insgesamt
erhöht und benötigt zusäztliches Antriebsmoment?
- Was gewinnt man bei einer Lastkompensation?
- Wozu benötigt man den Wert „effektives Drehmoment“ und welchen Wert im Datenblatt
eines Motors muss man damit vergleichen?
- Wozu benötigt man den Wert „maximales Drehmoment“ und welchen Wert im Datenblatt
eines Motors muss man damit vergleichen?
- Welche Maßnahmen verringern die Drehmomente?
- Was verhindern spielfreie bzw. spielarme Getriebe?
- Welche Probleme bringen Bremsvorgänge bei einem elektrischen Antriebssystem?
- Wie kann mit der Bremsenergie umgegangen werden?
- Wie kann eine Linearbewegung realisiert werden?
- Welche Vor-und Nachteile können Sie bei den unterschiedlichen Linearsystemen nennen?
- Wodurch ist der Drehmomentrippel bei elektrischen Maschinen erklärbar?
- Welchen Einfluß haben andere Umweltbedingungen (Einsatz z.B. bei 1000m Höhe) auf die
Daten eines Antriebs (Umrichter+Motor)?
- Wie hoch sollte das Massenträgheitsverhältnis an der Motorachse zwischen Maschine und
Motor maximal sein für dynamische Bewegungen?
- Beschreiben Sie die Unterschiede bei relativen und absoluten Messsystemen. Wann sind wel-
che System wichtig bzw. nennen Sie Vor- und Nachteile?
- Beschreiben Sie wie ein inkrementaler Positionssensor grundsätzlich aufgebaut ist.
- Was muss nach dem Einschalt beim Einsatz von Inkrementalem Sensoren zunächst an der
Maschine durchgeführt werden?
- Zu verschiedenen Positionen der Leitaches müssen Aktoren eingeschaltet werden. Wie heißt
diese Baugruppe?
- Wie kann man die Totzeit der Aktoren kompensieren?
- Was versteht man unter dynamischen Nocken?
- Wie kompensiert man eine Totzeit bei einer konstanten Geschwindigkeit der Leitachse?
- Wie kompensiert man eine Totzeit bei einer relativ langsam veränderlichen Geschwindigkeit
der Leitachse?
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- Wie kompensiert man eine Totzeit bei einer schnell veränderlichen Geschwindigkeit der Lei-
tachse?
- Was versteht man unter einer Nockenbahn?
- Was versteht man unter einem Nockenschaltwerk?
- Welche Eigenschaften sollte ein Kommunikationsbus für eine dynamische Bewegungsaufgabe
besitzen?
- Welche Zykluszeiten sollte eine Positionsvorgabe für dynamische Bewegungen höchstens ha-
ben?
- Wie ermittelt man ein effektives Drehmoment?
- Was versteht man in der Bewegungsautomatisierung unter „Stufe“?
- Was versteht man in der Bewegungsautomatisierung unter „Stoß“?
- Was versteht man in der Bewegungsautomatisierung unter „Ruck“?
- Was versteht man in der Bewegungsautomatisierung unter „Ruckfreiheit“?
- Geben Sie Beispiele für ruckbehaftete Bewegungsgesetze?
- Was zeigt ein Bewegungsplan?
- Was ist eine Trajektorie?
- Was ist ein Bewegungstyp?
- Nennen sie die Bewegungstypen?
- Was ist das charakteristische dieser Bewegungstypen?
- Was ist mit Kombinationen von Bewegungstypen gemeint?
- Was ist ein Bewegungsprofil?
- Geben Sie für den geneigten Sinus geeignete Parameter an, damit der normierte Bewegungs-
typ R-R entsteht.
- Geben Sie für den geneigten Sinus geeignete Parameter an, damit der normierte Bewegungs-
typ R-G entsteht.
- Wie sieht das Bewegungsprofil im Falle des Gleichlaufs aus?
- Welche Vorteile bietet die elektronische Kurvenscheibe?
- Welche Beschränkungen weist eine mechanische Kurvenscheibe gegenüber einer elektroni-
schen auf?
- Gibt es negative Positionen bei elektronischen Kurvenscheiben?
- Was versteht man unter einer Sektion im Bewegungsprofil?
- Geben Sie Beispiele für ruckfreie Bewegungsgesetze.
- Welche Konsequenzen ergeben sich für die Folgeachse, wenn die Leitachse Beschleunigt wird?
- Warum sind die Bewegungsgesetze normiert auf Argumente und Funktionswerte zwischen 0
und 1?
- Wie erkennt man in den Diagrammen eine ruckfreie Bewegung?
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Literaturverzeichnis
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Index
Absolutgeber-Prinzip, 56 Sensorwert-doppelt, 51
Abwickler, 92, 93 SPS-Achse, 58
Aufsynchronisieren, 96 SPS-Schema, 50
Aufwickler, 92, 93 synchronisieren, 50
Inkrementalgeber-Prinzip, 55
intermitierende Maschine, 111
Jitter, 49
Magnetpulverbremse, 92
Magnetpulverkupplung, 92
Nockenschaltwerk, 58
Nockenschaltwerk Totzeitkompensation, 58
Nockenschaltwerk Totzeitkompensation bei be-
schleunigter Leitachse, 59
reale Leitgeber, 88