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PREUSSEN

Die «Tafelrunde» König Friedrichs 11. in Sanssouci mit Voltaire und den führenden Köpfen der Berliner Akademie
(Gemälde von Adolph von Menzel, 1850, ehern. Nationalgalerie, Berlin, 1945 im Flakturm Friedrichshain verbrannt).
Der Fürst von Ligne schrieb über Friedrichs Diskussionsabende: «Er bewies in der Unterhaltung seine umfassende Bildung;
die schönen Künste, Krieg, Medizin, Literatur, Religion, Philosophie, Moral, Geschichte und Justiz – alles wurde behandelt.»
Hans Dollinger

PREUßEN
Eine Kulturgeschichte in Bildern
und Dokumenten

Vorwort von
Marion Gräfin Dönhoff

Süddeutscher Verlag
Schutzumschlag Design Team, München, unter Verwendung einer Farbaufnahme (Foto Karl-Heinz Jürgens, Köln) des Königs-
wappens Friedrichs I. in Preußen, in Bernstein geschnitten, aus dem Bernsteinzimmer (Jantarnaja Komnata), das vermutlich noch
unter Mitarbeit von Andreas Schlüter in Berlin um 1710 entstanden war. 1717 wurde es von Friedrich Wilhelm I. in Preußen an
Zar Peter I. weitergeschenkt, der es 1755 bis 1760 – mit Spiegeln u.ä. vergrössert – im Schloss von Puschkin (Zarskoje Selo)
einbauen liess (1942 holten die Deutschen das Bernsteinzimmer nach Königsberg, seit 1944 gilt es als verschollen; heute wird es
im Jekateriniuskij-Palais in Puschkin bei Leningrad rekonstruiert und wieder aufgebaut).

Die Karten auf Seite 298/299 zeichnete Christi Aumann

ISBN 3-7991-6083-3

© 1980 Süddeutscher Verlag GmbH, München. Alle Rechte Vorbe-


halten. Printed in Germany. Druck: Karl Wenschow GmbH, Mün-
chen. Bindearbeit: Grimm + Bleicher, München.
Inhalt

Vorwort 7 VIII.
Preußen in der Zeit der Restaurationspolitik:
Landschaften in Preußen – gestern und heute 10 Demagogenverfolgung, Hegel und der Schinkel-Stil
in der Welt des Biedermeier
Von 1819 bis 1848 196
I.
Die Mark Brandenburg: «Streusandbüchse» des IX.
Reichs und Grenzgebiet zwischen West und Ost Preußens umstrittene Führungsrolle in
Von den Anfängen bis 1415 19 Deutschland: Die gescheiterte Revolution, die soziale
Frage, industrieller Aufschwung und Berlin vor der
II. Reichsgründung
Der Ordensstaat in Preußen: Von der geistlichen Re- Von 1848 bis 1871 218
publik zur Kultur- und Wirtschaftsmacht in Osteu-
ropa X.
Von 1225 bis 1525 33 Der Anfang vom Ende Preußens: Eigenstaatlicher
Niedergang und industrielle und kulturelle Blüte im
III. Kaiserreich
Von 1871 bis 1918 241
Das Kurfürstentum Brandenburg und das Herzog-
tum Preußen: Reformation und Gegenreformation XI.
Von 1415 bis 1618 47 Preußens Untergang: Letzte kulturelle Blüte in der
«Berliner Republik», letzter Ruhm im Widerstand ge-
IV. gen Hitler und das Ende
Auf dem Weg zur europäischen Grossmacht: Von 1919 bis 1947
Absolutismus, Barock und die Anfänge der
Aufklärung in Preußen Von 1618 bis 1713 Preußisches Erbe im geteilten Deutschland 291
68

V.
Das klassische Preußen: Preußens Gloria und Anhang 297
preußisches Rokoko im Zeitalter der Aufklä Karten zur preußischen Geschichte 298
rung Synchronoptische Zeittafel zur Geschichte und Kultur
Von 1713 bis 1786 98
Preußens 300
VI. Herrscher und Regierende in Brandenburg
Der Zusammenbruch des alten Preußens: Staatlicher und Preußen 371
Niedergang in einer Zeit kultureller
Die Hochmeister des Deutschen Ordens
Blüte im Klassizismus Von 1786 bis 1806 in Preußen 371
152
Auswahl von Quellen und Literatur zur Kultur
VII. geschichte Preußens 372
Ein neues Preußen: Hoffnung auf innere
Wandlung durch Reformen, Kunst und Kultur im Register 375
Geist der Romantik
Quellennachweis der veröffentlichten Bilder
Von 1806 bis 1819 170 und Dokumente 384

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Wie Gott will. Er wird wissen, wie lange Preußen bestehen soll. Aber leid ist mir sehr,
wenn es aufhört, das weiss Gott.
Otto von Bismarck
Vorwort
von Marion Gräfin Dönhoff

Preußen: Preußentum, preußisches Ethos, preußischer Un- fürsten (1640-1688), einem genialen Staatsmann und Ad-
tertanengeist, preußischer Militarismus und Drill... Kaum ministrator, dem es durch gescheite Reformen und Ent-
ein anderer Begriff erweckt so grundverschiedene Reakti- machtung der Stände in Brandenburg gelang, Sachsen, das
onen, ist so beladen mit teils hasserfüllten, teils liebevollen bis dahin die erste Rolle im deutschen Raum gespielt hatte,
Assoziationen. Wollte man eine Bilanz aufstellen, würden den Rang abzulaufen. Das folgende, das 18. Jahrhundert,
sich positive und negative Posten wohl so etwa die Waage stand für Preußen zwar im Zeichen des Krieges, hatte aber
halten. der Aufklärung und dem freien Geist breiten Raum gelas-
In mancher Hinsicht sind gerade die Eigenschaften, die sen. Preußen – ein armer Staat, zur Grossmacht wirklich
den preußischen Staat aus kargen, provinziellen Anfängen nicht prädestiniert – war genötigt gewesen, ständig über
langsam und stetig zu Glanz und Grösse in Europa aufstei- seine Kraft, sozusagen in permanenter Überanstrengung zu
gen liessen, diejenigen gewesen, die ihn schliesslich so un- leben.
beliebt gemacht haben. Loyalität dem Herrscher gegen- Friedrich der Grosse ist sich dessen sehr bewusst gewesen;
über, bescheidene Lebensansprüche, äusserste Disziplin er hatte einst gespottet, der preußische Staat solle statt des
und Opferbereitschaft waren das Kapital, mit dem eine Adlers lieber einen Affen im Wappen führen, weil er die
Reihe von genialen Regierungschefs diesem Staat zwi- wirklichen Grossmächte ja nur nachäffe, ohne selber eine
schen dem 17. und 19. Jahrhundert einen Aufstieg ohne- zu sein. Und der französische Politiker Graf Mirabeau, der
gleichen ermöglicht hatten. ein vierbändiges Werk mit dem Titel «De la Monarchie
Dieselben Eigenschaften aber wurden unter einem Spätge- Prussienne sous Frédéric le Grand» verfasst hatte, meinte:
borenen dieser Dynastie, unter Wilhelm II., dem es an geis- «Andere Staaten besitzen eine Armee, Preußen ist eine Ar-
tigem Mass, moralischem Sinn und politischem Einfüh- mee, die einen Staat besitzt.»
lungsvermögen mangelte, zum Schrecken Europas. Das In jener Zeit aber ist der geistige Fundus dessen gelegt wor-
Instrument einer autoritätsgläubigen und darum kritiklosen den, was oft als Preußentum bezeichnet wird. Jahrzehnte-
Beamtenschaft, eines an integre Führung gewöhnten und lang haben die Intellektuellen Europas, vor allem die fran-
darum gedankenlos gehorchenden Offizierskorps wurde zösischen Philosophen, Friedrich den Grossen als den auf-
im Zeichen dieser Grossmannssucht pervertiert, ohne dass geklärten Herrscher schlechthin bezeichnet und ihm ihre
jene es merkten. Referenz erwiesen. Voltaire schrieb 1750 aus Potsdam an
Preußens Geschichte hatte mit allerlei Erbschaften begon- Thieriot:
nen – nicht mit Krieg wie manche meinen. Der Kurfürst «Ich geniesse eine recht holde Musse, die Gunst und den
von Brandenburg erbte 1618 das Territorium des Deut- Umgang eines der grössten Könige, die je gelebt haben, ei-
schen Ritterordens, also in etwa das Gebiet, das man später nes Philosophen auf dem Throne, eines Helden, der selbst
Ostpreußen nannte. Im Jahr 1525 war dieser Ordensstaat das Heldentum gering schätzt und der in Potsdam wie Plato
in ein weltliches Herzogtum umgewandelt worden, und da mit seinen Freunden lebt. Die Unterhaltung mit ihm ist die
der letzte Hochmeister ein Hohenzoller war, nahm dieser grösste unter seinen Wohltaten. Noch nie hat man so viel
den Titel Herzog von Preußen an. Und weil er keine Kin- Grösse und so wenig Dünkel gesehen; noch nie war der
der hatte, vermachte er sein Land dem in Brandenburg re- klarste und solideste Verstand mit soviel Anmut ge-
gierenden Hohenzollern. Jener hatte schon kurz zuvor am schmückt. Das beständige Studium der schönen Literatur
Niederrhein die Grafschaften Kleve, Mark und Ravens- (seine Belesenheit ist unvorstellbar; er liest Französisch,
berg geerbt, und 1637 kam dann noch ein Teil Pommern Deutsch, Griechisch und Lateinisch) und Musik, bildet
dazu – ebenfalls durch Erbschaft. seine Beschäftigung.»
Der Aufstieg Preußens begann erst mit dem Grossen Kur- Als Voltaire diesen Brief schrieb, war Friedrich bereits

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ohne jeden Grund in Schlesien eingefallen und hatte die ser: «Mein Kopf steht Euer Majestät zur Verfügung, aber
Provinz annektiert. Aber das tat seinem Ruf als grosser nicht mein Gewissen.» Auch noch zu Beginn des 19. Jahr-
Geist und Protektor der Aufklärung keinen nachhaltigen hunderts ist die Sorge für den Staat und die Achtung für
Abbruch. In der Aussenpolitik galt Moral damals nicht den König das Gesetz jener Kaste. Als der General von
viel. Jeder überfiel jeden der gerade schwach wurde, Bünd- Yorck nach reiflichem Abwägen auf eigene Kappe mit
nisse wurden mitten im Krieg gewechselt, Verträge gebro- dem russischen General Diebitsch 1812 die Konvention
chen. Im Bereich der Landespolitik aber war der König von Tauroggen abgeschlossen hatte, die das mit Napoleon
nach heutigen Begriffen ausserordentlich fortschrittlich. verbündete preußische Heer zur Neutralität verpflichtete,
Preußen hatte die verfolgten Hugenotten aufgenommen so- schrieb Yorck dem König, der, so hiess es, «wie vom
wie die durch die Gegenreformation aus Böhmen und Schlag gerührt war» (denn Berlin war ja von den Franzosen
Mähren vertriebenen Glaubensflüchtlinge. Es hatte die besetzt), folgenden Brief:
Salzburger in Ostpreußen angesiedelt und als erstes Land «Ich erwarte den Ausspruch Euer Majestät, ob ich gegen
Europas die Folter abgeschafft. Schliesslich galt das allge- den wirklichen Feind vorrücke (gemeint war natürlich Na-
meine Landrecht Preußens als das fortschrittlichste Recht poleon) oder ob die politischen Verhältnisse erfordern,
der Zeit, und zum ersten Male sind hier auch Vorausset- dass Euer Majestät mich verurteilt. Beides werde ich mit
zungen für bessere Erziehung und Bildung geschaffen Hingebung erwarten. Ich schwöre Euer Majestät, dass ich
worden. Neben diesem Erbe der Aufklärung hatte man je- auf dem Sandhaufen ebenso ruhig wie auf dem Schlacht-
nen spezifischen Ehrbegriff entwickelt, der in den hierar- felde, auf dem ich grau geworden bin, die Kugel erwarten
chischen Gesellschaften des Ancien régimes von der Ober- werde. Ich bitte Euer Majestät daher um die Gnade, bei
schicht als Kompensation für deren Privilegien gefordert dem Urteil, das gefällt werden muss, auf meine Person
wurde. Denn es war ja nicht so, dass der Adel, aus dem sich keine Rücksicht nehmen zu lassen.»
die Offiziere und die hohe Beamtenschaft rekrutierten, Unter Napoleons Hammerschlägen war mit dem beginnen-
bessere Positionen und damit mehr Macht und Einfluss ge- den 19. Jahrhundert das Staatensystem Europas zusam-
nossen, ohne zur Gegenleistung verpflichtet zu sein. Viel- mengebrochen. Der Wiener Kongress, der 1815 tagte und
mehr wusste jeder, der dieser Gilde angehörte und der da- der Europa für viele Jahrzehnte eine neue stabile Ordnung
mit zum Monopol der Führungskader zugelassen war, dass gab, führte zur Vereinigung des protestantischen Hohen-
von ihm eine ganz bestimmte Verhaltensweise gefordert zollernstaates mit dem katholischen Rheinland. Dies eröff-
wurde. Wer sich daran nicht hielt, wer den Code of Con- nete Preußen die entscheidende Ausgangsposition für den
duct verletzte, der verlor seine Privilegien und wurde aus- Weg zur deutschen Einheit.
gestossen aus der Gesellschaft, die in mancher Weise ei- Jetzt wurde ein absolutistisch regierter Staat in einen mo-
nem Orden glich. dernen Verfassungsstaat umgewandelt, die Stein-Harden-
Zwar wurde nicht, wie in den mittelalterlichen Orden, Ge- bergschen Reformen führten die Bauernbefreiung ein und
horsam, Keuschheit und Armut verlangt, aber gewisse For- die Selbstverwaltung der Städte. Humboldt gründete die
derungen puristischer Art gab es doch; so war absolute Lo- Universität in Berlin, und in den Salons von Rahel Varn-
yalität dem König gegenüber selbstverständlich. Eheschei- hagen und von Dorothea Schlegel in Berlin diskutierten
dung galt für Offiziere und höhere Beamte als indiskutabel Dichter und Schriftsteller mit Politikern die Ideen und Re-
und zog den Verlust von Stellung und Renommée nach formen, in deren Zeichen die neue Zeit anbrach. Es war
sich. Und was die Armut anbetraf: Reichtümer konnten die eine geistig ungewöhnlich bewegte Zeit. Liberalität und
Privilegierten auch nicht sammeln. Sie waren zwar mehr Toleranz beherrschten alle Reformen. Das Konzept: Geist
geachtet als normale Sterbliche, aber das Ansehen, das sie und Staat, Macht und Intellekt sollten miteinander in Ein-
und ihre Gesellschaftsschicht genossen, musste ihnen Ent- klang gebracht, der Untertan zum Bürger erzogen werden.
gelt genug sein – die finanzielle Vergütung war höchst Nie zuvor hatten so viele illustre Geister an den konkreten
dürftig; daher denn auch das geflügelte Wort «travailler Problemen und praktischen Aufgaben des Staates mitge-
pour le roi de Prusse» – was soviel hiess wie «mit geringem wirkt. Im Zentrum stand dabei die Idee der individuellen
Lohn für hohe Ehre arbeiten». Freiheit, freilich in Verbindung mit dem Pflicht- und Ehr-
Und die Ehre verlangte viel: Als Friedrich der Grosse an begriff der Kantschen Philosophie. Preußen wandelte da-
den Justizminister von Münchhausen das Ansinnen stellte, mals wie schon einmal zuvor während der Aufklärung zur
er solle ein bereits gefälltes Urteil umstossen, schrieb die- Zeit Friedrichs II., auf den Höhen europäischer Geisteskul-

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tur. Alle diese Bemühungen aber fielen schon bald der In gewisser Weise gibt es Parallelen zwischen der wilhel-
Restauration Metternichs zum Opfer. minischen Mentalität und der Zeit Adolf Hitlers. Man ver-
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich dann gegenwärtige sich folgendes Zitat: «Pardon wird nicht ge-
die Umwertung aller bisherigen Werte angebahnt. Bis- geben. Gefangene werden nicht gemacht. Wie vor 1’000
marck vollendete, was Friedrich der Grosse begonnen Jahren die Hunnen sich unter König Etzel einen Namen ge-
hatte: den Aufbau eines deutschen Staates. Er tat dies in macht haben, der sie noch jetzt in Überlieferungen und
Rivalität zu Habsburg, denn nur wenn es einem deutschen Märchen gewaltig erscheinen lässt, so muss der Name
Partikularstaat gelang, sich als zweite Grossmacht neben ‚Deutschland’... in einer Weise bestätigt werden, dass nie-
Österreich zu etablieren, konnte dieses Ziel erreicht wer- mals wieder einer wagt, einen Deutschen auch nur scheel
den. Es wurde aber nur durch äusserste Konzentration anzublicken.»
möglich, nur, indem alles andere dem Politischen und Mi- Man möchte glauben, Hitlers Stimme am Vorabend des
litärisehen untergeordnet wurde. Zweiten Weltkrieges zu hören – aber es war eine Rede Kai-
So ergab sich denn die Überschätzung des Militärischen, ser Wilhelms II. im Jahr 1900. Schon damals also Auf-
dem der deutsche Staat ja in der Tat seine Existenz ver- bruch ins Grenzenlose; brutale, platte Realpolitik, keine
dankte. Solange Bismarck das Steuer in der Hand hielt, politische Phantasie, keine moralischen Maximen – nur
dessen Augenmerk ganz auf das europäische Gleichge- machtpolitische Ambitionen. Deutschland war ein Staat
wicht gerichtet war, kam dies nicht zum Ausdruck; aber ohne überwölbende Idee, ohne geistige Zielsetzung gewor-
als dann sein Augenmass und sein Sinn für das Mass fehl- den.
ten, führte jenes Denken zu einer totalen Sinnentleerung. Wo war der Geist der Yorcks und der Münchhausens ge-
Am Ende wusste niemand mehr, was eigentlich die Ziele blieben, denen jede Form von Masslosigkeit fremd war?
Wilhelms II. waren, wofür er denn seine schimmernde Preußen war längst tot, als der Alliierte Kontrollrat am 25.
Wehr aufbaute und die wachsende Flotte gebrauchen woll- Februar 1945 die Auflösung des preußischen Staates ver-
te. Man sah kein Konzept, nur wirtschaftlichen und militä- fügte. Er war schon 1871 gestorben, als Preußen in
rischen Ehrgeiz: Macht um der Macht willen, das schien Deutschland aufging und der Goldrausch der Gründerzeit
die Devise des geistlosen pseudopreußischen Wilhelminis- über die Menschen kam. Damals wurde das Geld zum
mus zu sein. Massstab aller Dinge.
Die Geistesverfassung der Deutschen an der Wende zum Nur einmal, kurz vor jenem behördlich verordneten Ende
20. Jahrhundert beschreibt Rudolf von Thadden sehr ein- durch den Kontrollrat, hat sich der preußische Geist noch
drucksvoll in seinem Aufsatz «Das schwierige Vaterland». einmal gemeldet, um endgültig Abschied zu nehmen – das
Es heisst da: «Ein Industrieller oder Wissenschaftler galt war am 20. Juli 1944. Danach starben von Henkershand
viel im Kaiserreich, zu höchstem Ansehen aber war er erst hohe Offiziere, ehemalige Minister, Staatssekretäre, Bot-
gelangt, wenn seinen Namen ein Adelsprädikat schmückte schafter, verantwortungsvolle Bürger, unter ihnen finden
oder ihn der Titel eines Geheimrats zierte. Von besonderer wir alle grossen Namen der preußischen Geschichte:
Anziehungskraft war die Position eines Reserveoffiziers. Yorck, Moltke, Schwerin, Schulenburg, Lehndorff. Die
Es gab Todesanzeigen von hochverdienten Professoren Ehre Deutschlands war verspielt, nicht mehr zu retten – die
aus der Kaiserzeit, die ihre Stellung als Leutnant der Re- Schande der Hitler-Zeit zu gross. Aber das Kreuz, das sie
serve noch vor ihrer Mitgliedschaft in hohen Akademien auf Preußens Grab gesetzt haben, leuchtet hell aus der
der Wissenschaft angaben. Dunkelheit jener Jahre.

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Landschaften in Preußen – gestern und heute

Luftaufnahme aus dem Jahr 1936 von Potsdam, der Residenzstadt der preußischen Herrscher ab 1660.

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Wer nicht die Landschaft begreift, in der ein Volk lebt,
der kann auch das Volk nicht begreifen, und wer das
Volk nicht begreift, der begreift auch nicht seine
Geschichte. So müssen wir, wenn wir die branden-
burgisch-preußisch-deutsche Geschichte in ihrem
folgerichtigen Werden verstehen wollen, von dem
Raum ausgehen, von der Landschaft und von der
Gesetzlichkeit, die in der Wechselwirkung von Ober-
flächengestaltung und Volk wirksam wird . . .
Walter von Etzdorf

Oben: Bewaldeter Hügel in einer Ebene bei Teschendorf in


Pommern.
Rechts: Die im 13. Jahrhundert erbaute Burg Havelberg über der
Havel in der Mark Brandenburg (Aufnahme von 1978).

Unten: Ostpeussische Fischer mit Keschern beim Sammeln von


Bernstein, dem «Glanzstein» aus der Ostsee, den bereits Ägypter, Ba-
bylonier, Griechen und Römer als Schmuck schätzten (Aufnahme
von 1920).

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Landschaft bei Angerburg (Wegorzewo) in Masuren (Aufnahme 1978).

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Die Landschaft ist unvergesslich schön. Echtes Masuren,
... so wenig Wald, viel Wasser, sandige Wege in einer un-
endlich weiten Hügellandschaft, rote Dächer und ein licht-
blauer, wolkenloser Himmel darüber Marion Gräfin Dönhoff

Oben: Landschaft am Niederrhein bei Kleve, das ab 1614 preußisch


war.

Links: Das Dorf Lehde heute im Spreewald: «Man kann nichts Lieb-
licheres sehen als dieses Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht,
als es Häuser hat» (Theodor Fontane).

Blaue Lupinen heute in der Rominter Heide bei Goldap (Goldap).

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Glocken- und Wartturm (14. Jh.) des 1944 durch Luftangriff zer-
störten Schlosses in Königsberg (Kaliningrad).

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Der Müggelsee Am Nordufer des Müggelsees, südöstlich von Berlin (Aufnahme
1936).
Glatt ist der See, stumm liegt die Flut,
So still als ob sie schliefe, Der Abend ruht wie dunkles
Blut Rings auf der finstern Tiefe; Die Binsen im Kreise
nur leise Flüstern verstohlener Weise.

Kloster Leubus (Lubiaz; 1695-1740 barock umgebaut) an der Oder


Schnezler (nach Fontane) in Niederschlesien.
Die Festung Küstrin (Kostrzyn) an der Oder um 1930; sie wurde um 1540 unter Markgraf Johann zur Sicherheit des Oderübergangs ausge-
baut.

Von den Türmen der Marienburg schweift der Blick über


das scheinbar Grenzenlose: das Haff schimmert in weites-
ter Ferne und näher der Drausen-See, die Weichsel wälzt
sich breit durch die Ebene, die geschaffen schien für das
ziellose Wandern und Kommen der Völker und die nun
überragt wird von der Burg. Reinhold Schneider

Rechte Seite: Gesamtansicht der Marienburg an der Nogat, die ab


1309 als Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens ausgebaut
wurde (Baubeginn 1272).

Hafenansicht von Danzig (Gdansk) mit dem Rathaus (Ende 16. Jh.),
Stadtmauer und Prenzlauer Tor (14. Jh.) in Templin in der Ucker- der Marienkirche (1502 vollendet) und dem Krantor (1411); ab 1949
mark (Aufnahme 1978). von der polnischen Denkmalspflege wieder aufgebaut bzw. reno-
viert.
So ging es viele Jahre, bis lobesam der von Ribbeck auf
Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. War Herbs-
teszeit, wieder lachten die Birnen weit und breit. Da sagte
von Ribbeck: «Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne
mit ins Grab.» ...

Und die Jahre gehen wohl auf und ab, längst wölbt sich
ein Birnbaum über dem Grab, und in der goldenen Herbs-
teszeit leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ über den Kirchhof her, so flüstert’s
im Baume: «Wiste ’ne Beer?» und kommt ein Mädel, so
flüstert’s: «Lütt Dirn, kumm man röwer, ick geb’ di ’ne
Birn.»
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein auf Ribbeck im Havelland.
Birnbaum in seinem Garten stand, und kam die Theodor Fontane
goldene Herbsteszeit, und die Birnen leuchteten
weit und breit, da stopfte, wenn’s Mittag vom
Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen Oben: Der Ortsausgang von Ribbeck im Havelland an der heutigen
voll, und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief Transitstrecke F 5 (Aufnahme 1979).
er: «Junge, wiste ’ne Beer?» und kam ein Mädel,
so rief er: «Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb’
’ne Birn.»
Baumgruppe am Teufelssee im Berliner Forst Grunewald (Auf-
nahme um 1930).
I. Die Mark Brandenburg:
«Streusandbüchse» des Reichs und Grenzgebiet zwischen
West und Ost

Von den Anfängen bis 1415

Die Gletscher der ersten Eiszeit im norddeutschen Tiefland gunder sassen im Raum östlich der Oder zwischen Posen
vor mehr als 600.000 Jahren vernichteten die bis dahin al- und Mittelpolen; im Gebiet der späteren Mark Branden-
les beherrschenden immergrünen subtropischen Wälder burg, zwischen Elbe und Oder, lebten Langobarden, Sem-
und bildeten so die heute noch im Tagebau gewonnene nonen und Rugier.
Braunkohle. Die ersten Spuren von Menschen, für die die Auch in den nachfolgenden Jahrhunderten mit ihren riesi-
Natur in mehreren Eiszeiten solche Energievorräte spei- gen Völkerwanderungen in ganz Europa blieb das Land an
cherte und dabei die Urlandschaft zur heutigen geologi- Elbe und Oder Grenzland zwischen West und Ost. Wäh-
schen Form umwandelte, finden sich aber erst aus der Zeit rend die Kelten den Westen bis zum Atlantik bevölkerten,
vor etwa 60.000 Jahren. Sie wurden im Berliner Raum vor und im Süden ihrem Vordringen von den Römern Einhalt
hundert Jahren ausgegraben, und noch heute stösst man auf
den Grossbaustellen Berlins, beim Ausschachten der U-
Bahnlinien und beim Ausbau der Schnellstrassen, immer Spandau, 1974: Archäologen legen die Reste einer frühgeschichtli-
wieder auf Zeugnisse aus der Ur- und Frühgeschichte des chen Siedlung frei; die Holzerde-Mauern lassen Spuren eines Bran-
des erkennen, der im Jahre 983 n. Chr. während eines Slawenauf-
Landes. standes gelegt worden war.

Grenzland zwischen den Kulturen in West und Ost

Eine anhaltende Siedlungskontinuität im Raum Berlins


können die Prähistoriker heute etwa ab 7000 v. Chr. (Ende
der Altsteinzeit) nachweisen. Die Siedlungsgewohnheiten
der frühgeschichtlichen Menschen wandelten sich mit dem
Ende der Eiszeit und den damit verbundenen klimatischen
Veränderungen: aus den steinzeitlichen nomadisierenden
Jäger- und Sammlerhorden wurden in der Bronzezeit all-
mählich sesshafte Ackerbauern. Flüsse und Ströme bilde-
ten die natürlichen Grenzen zwischen den sich entwickeln-
den Volks-Sippen und -Stämmen. Dabei war die Elbe in
der beginnenden Eisenzeit die Grenze zwischen den Kul-
turen der Kelten im Westen und der Germanen im Osten.
Diese waren aus dem südrussischen Raum nach Westen
vorgedrungen, ihrerseits gedrängt von den aus Innerasien
nachrückenden Völkerschaften. Wegen der Germanen
wanderten die Kelten immer weiter nach Westen ab, und
um das Jahr 1000 v. Chr. hatten sich germanische Völker
über ganz Nord- und Osteuropa verbreitet: Goten siedelten
an der Mündung der Weichsel (um die Zeitenwende be-
wohnten sie auch das spätere West- und Ostpreußen), Bur-

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Heweller, Redarier und Uckrer, in der späteren Oberlausitz
die Milzener, im südlichen Raum der späteren Mark die
Sorben und Lusitzer niedergelassen. Alle zwischen Elbe
und Oder lebenden Slawenstämme wurden später mit dem
Sammelnamen Wenden bezeichnet.
Vom 8. bis 11. Jahrhundert dauerten die Grenzstreitigkei-
ten und Kriege zwischen West und Ost um das Land zwi-
schen Elbe und Weichsel an. Unter Karl dem Grossen
geboten wurde, kam die Masse der aus dem Norden und (768-814) versuchte der Westen zum ersten Male, den Sla-
Osten nachrückenden Germanen-Stämme zwischen Rhein wen die einst von den germanischen Stämmen verlassenen
und Elbe allmählich zur Ruhe und bildete dort mit dem Gebiete östlich der Elbe wieder abzugewinnen. Angriffs-
Niedergang des Römischen Reiches nach und nach eine aktionen und Rachefeldzüge lösten einander in steter Folge
fränkisch-deutsche Kulturgemeinschaft heraus. Im Osten ab. Unter König Heinrich I. (919-936) wurden die Slawen
aber wanderten im 6. Jahrhundert sippenweise die Slawen an der Elbe teilweise tributpflichtig; im Grenzgebiet wur-
aus ihrer Urheimat im Weichsel-Raum in die von den Ger- den zur Sicherung befestigte Burgen – z.B. Meissen – ge-
manen weitgehend verlassenen Gebiete ein, suchten ertrag- baut. Dabei gelang 928 den Sachsen unter Heinrich I. die
reicheren Boden und bessere Weideflächen, drangen dabei Eroberung der Brennabor (später Brandenburg), der
zum Teil bis über die Elbe nach Westen vor und vermisch- Hauptburg der Heweller, und nach einem neuen Vorstoss
ten sich mit den Resten der germanischen Bevölkerung. der Slawen über die Elbe folgte derSiegderSachsen bei
Slawen siedelten nun fast überall östlich der Elbe: an der Lenzen im Jahre 929, derdie Unterwerfung derObotriten
Ostseeküste die Pomoranen zwischen Oder- und Weichsel- zur Folge hatte.
mündung in Pommern und die Obotriten zwischen Elbe-
und Odermündung in Mecklenburg; südlich von den
Pomoranen, zwischen Warthe und Weichsel, lebten die Christianisierung und deutsche Kolonisation zwischen
Masowier, und südlich der Obotriten, im späteren Vorpom- Elbe und Oder
mern und dem Land Brandenburg, hatten sich die Liutizen,
Auch einer Bekehrung zum Christentum widersetzten sich
die Slawen anfangs sehr hartnäckig. Erst Otto dem Grossen
(936-973) gelang die totale Unterwerfung der Slawen, ver-
knüpft mit gleichzeitiger Christianisierung, deutscher Be-
siedlung und schliesslicher Einbeziehung der eroberten
Gebiete in das Reich. Seine ersten Markgrafen Hermann
Billung (936-973), eingesetzt zur Grenzsicherung an der
unteren Elbe gegen die Obotriten, und Gero (937-965), ge-
gen die Slawen an der mittleren Elbe und der Saale, er-
reichten durch geschickten Einsatz politischer und militä-
rischer Mittel die Befriedung ihrer Gebiete und begründe-
ten die ersten Bistümer (Oldenburg, Havelberg und Bran-
denburg), von denen aus die Missionierung weiter vorge-
tragen wurde. Als dann 960 alles Land bis zur Oder für das
Christentum gesichert schien, wurde das ostfränkisch-
deutsche Reich durch die Gründung Polens mit einer neuen

Oben: Schwertscheidenbeschlag mit Filigran und Zellenverglasung


(germanisch, Bronzezeit); gefunden im Odermoor bei Stettin.

Links: Gesichtsurne aus der Urnenfelderzeit (späte Bronzezeit, Lau-


sitzer Kultur)); gefunden in Klein-Borkow in Pommern.

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Macht konfrontiert, die zwar die Oberhoheit des deutschen
Königs anerkennen musste, aber für die nächsten hundert-
fünfzig Jahre eine weitere Ausdehnung der Reichsgrenzen
nach Osten und auch eine nachhaltige Christianisierung
verhinderte. Links: Relief aus einem Grabmal in Hornhausen (Magdeburg), dar-
Im 11. Jahrhundert dehnte Polen unter Boleslaw I. Chrobry stellend einen germanischen Reiter (um 700 n. Chr.).
(992-1025) in mehreren Feldzügen gegen deutsche und
Rechts oben: Stab des Schulzen (Locator) des wendischen Fischer-
slawische Nachbarländer seinen Machtbereich – teilweise dorfes Tiefwerder bei Spandau aus der Zeit der deutschen Ostbesied-
mit deutscher Belehnung – nach Westen weit über die O- lung.
der hinaus aus. Dabei konnte es sich zwar weitgehend aus
der Abhängigkeit vom Deutschen Reich lösen, musste aber Unten: Kult-Bleifigur eines Wendengottes aus der Uckermark; zu-
sammen mit einem Skelett in einer Sandgrube gefunden.
die Oberhoheit des Kaisers anerkennen. Im Verlauf dieser
kriegerischen Auseinandersetzungen kam es 1017 zu ei-
nem ersten deutsch-russischen Bündnis gegen Polen – eine
politische Konstellation, die sich unter den verschiedens-
ten politischen Vorzeichen wiederholt und die Geschichte
Osteuropas bis in unsere Tage mitgeprägt hat.
Unter den Söhnen Boleslaws I. brach Polen wieder ausei-
nander. Innere Uneinigkeit schwächte den wohl gefähr-
lichsten Vasallen des Kaisers ebenso, wie dessen Stellung
im Reich durch die Gegnerschaft der Sachsen geschwächt
wurde. Der Gegensatz zwischen Deutschen und Slawen, ja
selbstjener zwischen Christen und Heiden verlor damit an
Bedeutung. Dennoch kam die deutsche Ostgrenze nicht
zur Ruhe. Die zahlreichen Konflikte wurden jedoch von
dynastischen und machtpolitischen Gegensätzen be-
stimmt, während religiöse und nationale Motive in den
Hintergrund traten. Als jedoch der Sachse Lothar von
Supplinburg 1125 zum deutschen König gewählt wurde,
änderte sich die Situation grundlegend.
Nach seiner Kaiserkrönung gelang es Lothar III. rasch, die
Fürstenopposition im Reich zu unterdrücken und die zahl-
reichen Fehden zwischen dessen Gliedern sowohl in den
deutschen Ländern als auch in den angrenzenden Vasal-

21
Links: Pferd-Figur aus Bernstein, um 3000 v. Chr.
(Jungsteinzeit), gefunden in Woldenberg, Ost-
pommern.

Unten: Inneres der spätromanischen Klosterkir-


che in Jerichow (Mark Brandenburg), zwischen
1150 und 1172 erbaut.

Rechts: Silberschmiede-Einband-Vorderdeckel
(mit aus Stanzen geschlagenen vergoldeten Figu-
ren benagelt) einer Handschrift aus Spandau (letz-
tes Viertel des 13. Jahrhunderts), einziges Über-
bleibsel aus einem grossen Fundus liturgischer
Bücher, die vor der Reformation in den Kirchen
Berlins und seiner Umgebung vorhanden waren
(während der Reformation in Privathand; heute
in der Handschriftenabteilung der Staats-
bibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin).

22
1134. Dieses Datum markiert gleichzeitig den Anfang der
Mark Brandenburg als Keimzelle und Ausgangsland der
späteren brandenburgisch-preußischen Staatsbildung. Die
ersten Hauptorte von Albrechts Nordmark waren Salzwe-
del, Stendal und die Festen Arneburg, Tangermünde und
Osterburg. Albrecht hatte zudem in der westlich der Elbe
gelegenen Altmark grossen Familienbesitz und konnte
aufgrund freundschaftlicher Beziehungen zu dem christli-
chen slawischen Hewellerfürsten Pribislaw-Heinrich wei-
teres Land hinzugewinnen, vor allem aber durch entspre-
chende Absprachen sich den Erbanspruch am Besitz des
Slawenfürsten sichern.
Als Pribislaw-Heinrich 1150 starb, setzte sich Albrecht ge-
gen seinen slawischen Rivalen im Erbanspruch, den Sla-
wenfürsten Jaxa von Köpenick, durch und eroberte 1157
die Brandenburg zurück, unterstützt von Erzbischof Wich-
mann von Magdeburg. Von nun an nannten sich Albrecht
und seine Nachkommen Markgrafen von Brandenburg.
Auch auf das Land soll beim Ständetag in Havelberg 1170
nach der zentral gelegenen Burg, die bei diesem Anlass als
Münz-Porträt des Slawenfüsten Jaxa von Köpenick, der sich um königliche Burg und kaiserliches Kammergut (regale cas-
1150 der Festung Brennabor (Brandenburg) bemächtigte, die aber trum, camera imperialis) ausgewiesen wurde, der Name
1157 Albrecht der Bär dann wieder zurückeroberte. Brandenburg offiziell übertragen worden sein.

lenstaaten zu schlichten. Mit ihm begann der Aufstieg des


deutschen Königtums zum übernationalen, durch die
Bande des Lehensrechts zusammengehaltenen christlichen
Kaisertum der Stauferzeit. Diese relativ friedliche Epoche
brachte eine günstige wirtschaftliche Entwicklung auch für Brandenburg unter den Askaniern
die unteren Stände und führte in Deutschland zu einer star-
ken Bevölkerungszunahme. Bäuerliche Landsuche und Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts waren deutsche Kolo-
kaufmännischer Unternehmungsgeist führten unter Kaiser nisten in grossen Gruppen in die Mark gekommen: vorwie-
Lothar und nach ihm unter den Staufern zu einem steten gend Sachsen, Schwaben und Westfalen, aber auch Thü-
und zunehmenden Strom deutscher Siedler in die sehr ringer und Friesen; Holländer und Flamen siedelten bevor-
dünn besiedelten slawischen Ostgebiete des Reiches. zugt in der Altmark. Der Landesfürst war neben der Kirche
Diese Ostsiedlung wurde weniger durch den Kaiser und der einzige Grundherr; seine landesfürstlichen Locatoren,
die deutschen Reichsfürsten als durch den slawischen Adel eine Art kapitalkräftiger Einwanderungsunternehmer, die
selbst gefördert, der sich schnell mit dem deutschen ver- später Dorf-Schulzen wurden, verteilten das ihnen zuge-
mischte und eine deutsche Besiedlung begrüsste, um durch wiesene Land an die bäuerlichen Neusiedler. Locatoren
Bevölkerungszuwachs und verbesserte landwirtschaftliche zahlten für ihren Landbesitz keinen Grundzins, dafür war
Methoden eine Steigerung seiner Einkünfte zu erreichen. der Locator zum Kriegsdienst mit Ross und Rüstung ge-
Die Verlockung zur Auswanderung nach Osten war auch genüber dem Landesfürsten verpflichtet. Der bäuerliche
deshalb sehr gross, weil den Siedlern grössere Landflächen Erbzins (census) floss ebenso wie der frühzeitig von der
als zu Hause in Aussicht gestellt wurden und weil sie im Kirche zum Ersatz für den Kostenaufwand bei Kirchen-
Osten statt Bauern-Hörigkeit persönliche Freiheit und erb- gründungen und zum Schutz gegen äussere Feinde abge-
licher Besitz zu Erbzinsrecht erwartete. tretene Zehnte (decem) dem Grundherren, also dem Mark-
Die Besiedlung unter Kaiser Lothar III. begann mit der Be- grafen, zu. Ähnlich, nur im grösseren Massstab, wurden
lehnung des Askaniers Albrecht des Bären von Ballenstedt die Städte verwaltet, nur dass dabei mehrere Locatoren tä-
mit der östlich der Elbe gelegenen Nordmark am 15. April tig waren, von denen einer zum Stadtvogt ernannt wurde.
Ausserdem zeichneten sich Städte gegenüber den Dörfern

24
Modell der Marienkirche (Kreuzkuppelkirche) auf dem Harlunger-
berg (heute Marienberg) in Brandenburg; die Kirche wurde 1140 un-
ter dem christlichen Hewellerfürsten Pribislaw-Heinrich, dem Nach-
barn Albrechts des Bären, vollendet (1722 abgebrochen).

Siegel-Bild des Askanier-Markgrafen Albrechts


des Bären (1134-1170) und seiner Gemahlin;
er begründete nach seiner Belehnung durch Kai-
ser Lothar III. als erster Herrscher der Nord-
mark die Mark Brandenburg als Keimzelle des
späteren brandenburgisch-preußischen Staates.

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Links: Bei der Kolonisierung der Mark spielte die Kirche eine wich-
tige Rolle; das Relief zeigt Markgraf Otto I. (1170-1184) als Mönch
im Kloster Lehnin.

Unten: Ältestes Siegel der Burg und Stadt Berlin, die um 1230 nach
Magdeburger Stadtrecht von den Markgrafen Johann I. und Otto III.
von Brandenburg gegründet wurde.

Rechts: Die Westseite der Klosterkirche zu Chorin in der Uckermark


heute (1258 durch Johann I. von Brandenburg von Zisterziensermön-
chen begründet).

des niederen Adels, die deshalb von allen Abgaben freige-


stellt waren. „Dienstverpflichtet“ waren aber auch die
Bauern und Handwerker, wenn es um den Bau von Schutz-
befestigungen und um die Verteidigung gegen Angreifer
ging. Die slawische Bevölkerung stand im Ansehen natür-
lich den Neusiedlern erheblich nach: zwar wurde ihr alter
Besitz geschont, aber die in der Regel durch Rodung ge-
wonnenen Höfe der Kolonisten waren meist grösser und
wegen der besseren Anbaumethoden auch ertragreicher als
jene der Slawen. Ausserdem waren die deutschen Neusied-
ler freie Erbzinsbauern, die Slawen dagegen unfreie Hö-
rige. Die langsame Germanisierung der slawischen Bevöl-
kerung ebnete solche Unterschiede aber schon bald ein, zu-
mal der slawische Adel seine Aufstiegschancen im mark-
gräflichen Dienst suchte. Jedoch konnten sich slawische
Gruppen im Spreewald und in alten wendischen Fischer-
dörfern bis heute der Germanisierung widersetzen.
Markgraf Albrecht der Bär stand nach der Rückeroberung
der Brandenburg bei Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1150-
1190) in hohem Ansehen und wurde mit der erblichen Ver-

durch das Marktrecht und durch ihre Befestigung mit einer


Mauer aus.
Die Kirche, in Brandenburg neben den Bistümern Bran-
denburg und Havelberg vor allem von den beiden Orden
der Prämonstratenser und der Zisterzienser vertreten,
spielte bei der Kolonisation eine nicht unerhebliche Rolle.
Die Prämonstratenser waren durch die Erzbischöfe von
Magdeburg gefördert worden und hatten die Klöster Leitz-
kau (vor 1139) und Jerichow (1114) gegründet. Um die
Urbarmachung des Landes machten sich aber besonders
die Zisterzienserverdient, denen die Klöster Zinna (1171),
Lehnin (1183) und Chorin (1260) ihre Entstehung verdan-
ken.
Den Schutz des Landes übernahmen in direktem Zusam-
menwirken mit dem Markgrafen die in vielen Ortschaften
angesiedelten Ritter und Knappen, also die Angehörigen

26
Drei Jahre später aber unterwarf König Knut von Däne-
mark, dessen Land schwer unter pommerschen Seeräubern
zu leiden hatte, Herzog Bogislaw von Pommern-Stettin
und zwang diesen unter dänische Lehenshoheit. Damit war
Pommern trotz einiger kriegerischer Auseinandersetzun-
gen mit Dänemark für Brandenburg vorläufig verloren.
Den Anspruch auf Lehenshoheit konnten die Brandenbur-
ger erst 1618 nach dem Tod des letzten Nachkommens je-
ner ersten Bogislaws dauerhaft durchsetzen.
Erst im 13. Jahrhundert, in der dritten Geschlechterfolge
nach Albrecht dem Bären, erreichten die Markgrafen von
Brandenburg die angestrebte Erweiterung ihres Gebietes.
Albrecht II. (1205-1250) hatte im Jahr 1214 die Burg
Oderberg anlegen lassen, die heute nicht mehr vorhanden
ist, damals aber Flankenschutz gegen Pommern-Dänemark
bot, bis 1227 ein Bündnis aus norddeutschen Städten und
Fürsten – ohne Beteiligung Brandenburgs – in der Schlacht
bei Bornhöved die dänische Vorherrschaft in den deut-
schen Nord- und Ostgebieten beendete. Die Askanier pro-
fitierten von diesem Sieg, als ihnen Kaiser Friedrich II.
1231 Pommern als Lehen zusprach.
Die Söhne Albrechts II., das markgräfliche Brüderpaar Jo-
hann I. (1220-1266) und Otto III. (1220-1267), erwarb im
Jahre 1230 käuflich die Länder Barnim und Teltow, was
Brandenburg bis an die Oder ausdehnte; zwischen 1230
und 1250 wurde der südliche Teil der späteren Uckermark
Unter Markgraf Otto IV. (1267-1309) dehnten die Askanier ihre
gewonnen und vertraglich die nördliche Uckermark bis
Macht bis zur Weichsel und für wenige Jahrzehnte bis Danzig aus zum Haff als Abfindung für die anlässlich Markgraf Jo-
(im Bild Otto IV. mit seiner Gemahlin Hedwig von Holstein beim hanns Vermählung mit einer dänischen Prinzessin verein-
Schachspiel, Vorderseite von Blatt 13 des Manesse Codex, 14.
barten Ansprüche aufWolgast den markgräflichen Landen
Jahrh.).
hinzugefügt. Stargard, das spätere Mecklenburg-Strelitz,
gehörte ebenfalls kurze Zeit zu Brandenburg, fiel aber
leihung der Reichskämmererwürde ausgezeichnet, von der durch Heirat einer Tochter Ottos III. wieder an den Meck-
sich das spätere Kurrecht der Brandenburger Markgrafen lenburger Herzog.
herleitete. Durch dieses hohe Reichsamt wurde das Ge- In den neuerworbenen Gebieten wurden wieder neue
schlecht des brandenburgischen Markgrafen entscheidend Städte gegründet, so etwa Berlin, Frankfurt a. d. Oder,
aufgewertet. Nach seinem Tod 1170 erhielt Albrechts ältes- Landsberg an der Warthe, Friedeberg, Arnswalde, Straus-
ter Sohn, Otto I. (1170-1184), die Mark; seinen jüngeren berg, Stolp, Angermünde, Lychen u.a., die alle zum allge-
Brüdern fiel das askanische Familiengut im Schwabengau meinen Aufschwung des jungen brandenburgischen Staa-
zu: Hermann erhielt Orlamünde, Albrecht Ballenstedt, tes beitrugen und dessen Herrschaft bis nach Pommerellen
Dietrich Werben und Bernhard Aschersleben. (Dieser vorschoben, bis an die Warthe, Netze und Drage. Köpenick
Bernhard wurde nach der Ächtung Heinrichs des Löwen wurde 1245 hinzugewonnen, und im schlesischen Erbstreit
1180 Herzog von Sachsen, sein Sohn Heinrich I. war konnten die Askanier in Spandau-Brandenburg 1251 auch
Stammvater der bis 1918 herrschenden Linie in Anhalt.) die Landschaften Lebus und Sternberg, beiderseits der O-
Um Brandenburgs Gebiet zu vergrössern, bemühte sich der gelegen, an sich ziehen. Im Gebiet der unteren Spree
Otto I. um Pommern: dorthin unternahm er zusammen mit im Süden begann damals auch das Tauziehen zwischen
Heinrich dem Löwen sogar eine Heerfahrt und erstürmte Askaniern und Wettinern um die Ober- und Niederlausitz,
die pommersche Festung Demmin. DerKaiser erklärte das sich unter anderen Voraussetzungen in späteren Jahr-
Pommern zum Reichslehen, übertrug jedoch den Anspruch hunderten fortsetzte. Sogar bis zur Weichsel und nach
auf die Lehenshoheit an die Markgrafen von Brandenburg.

28
Danzig streckten die Brandenburger Herren im 13. Jahr-
hundert ihre Hände aus. 1271 gewannen sie unter Mark-
graf Otto IV. (1267-1369) für ein paar Jahrzehnte die Herr-
schaft über Danzig, verloren es aber wieder endgültig, als
sie durch den von Polen zu Hilfe gerufenen Deutschen Or-
den vertrieben wurden. In diese Zeit der ersten Expansion
Brandenburgs fallen auch viele neue Klostergründungen
der Franziskaner, Dominikaner, Prämonstratenser, Zister-
zienser und Benediktiner. Ihre Bedeutung für die kulturelle
Entwicklung, aber auch für den wirtschaftlichen Aufbau
im Lande, darf nicht übersehen werden.
Der letzte bedeutende brandenburgische Askanier, Mark-
graf Woldemar (1309-1319), zeichnete sich in seiner nur
zehn Jahre dauernden Regierungszeit durch grosses diplo-
matisches Geschick und auch durch Standhaftigkeit in Kri-
senzeiten aus. Zuerst verkaufte er dem Deutschen Orden
seine Ansprüche auf Danzig, Dirschau und Schwetz und
behielt an der pommerschen Küste vorerst nur einen klei-
nen Teil von Pommerellen, wo er die Stadt Stolp gründete.
Die bis dahin schwerste Bewährungsprobe für einen bran-
denburgischen Markgrafen kam dann auf Woldemar zu,
Kaiser Karl IV. (Thronsiegel mit den Wappen des Reichsadlers und
als er sich wegen der expansiven Politik der Askanier
des böhmischen Löwen) zwang Otto den Faulen, seinen Schwieger-
plötzlich einer grosser Koalition misstrauischer Nachbarn sohn, zur Abtretung Brandenburgs an Kaiser und Reich (1373).
gegenübersah: gegen Woldemar verbündeten sich fünf
Könige (Dänemark, Norwegen, Schweden, Polen und Un- Während der direkten Regierungszeit Kaiser Karls IV. in Branden-
burg wurde auf seine Anordnung das «Landbuch der Mark Branden-
garn), sechs Herzöge, drei Bischöfe und der Markgraf von burg», die älteste erhalten gebliebene urbariale Aufzeichnung des
Meissen. In dieser für das junge Brandenburg äusserst pre- Landes, ein Verzeichnis der Schlösser, Städte und Dörfer nach ihrem
Umfang, Besitzstand, ihren Abgaben und Leistungen, angefertigt (im
Bild ein Ausschnitt aus Blatt 3 der in Prag gefertigten Handschrift;
seit 1776 im Geheimen Staatsarchiv Berlin).

29
Um 1400 herrschte in dem von Kaiser Sigismund an Mähren ver- macht im Norden des Reichs aufgeschwungen hatte. Das
pfändeten Land Brandenburg das Faustrecht der adeligen Ritter, die nachfolgende Jahrhundert bis zum Auftreten der Hohen-
von ihren Burgen aus Kaufleute, Dörfer und Städte plünderten. Im
Bild ein Drohbrief ihres Anführers, Dietrich von Quitzow, an die zollern auf märkischem Boden war denn auch das dun-
Bauern zu Lichtenberg mit folgendem Text: «Wisset, Schulze und kelste Kapitel in der Geschichte des langsamen Werdens
Bauern zu Lichtenberg, wenn Ihr nicht sogleich mit Euren Wagen von Brandenburg-Preußen, bewies aber auch die erstaunli-
nach Bötzow kommt und mir Holz und 10 Schock gute böhmische
Groschen mitbringt für die Abgaben von Köpenick, welche Eure
che Stabilität, die dieses zusammeneroberte, – gekaufte
Herren, die Ratmannen von Berlin mir genommen haben, so werde und erheiratete Staatsgebilde auszeichnete. Die Wittelsba-
ich Euch alles nehmen, was Ihr habt. Darauf erwarte ich Eure Ant- cher – die Mutter des letzten As- kaniers stammte aus dem
wort!»
bayerischen Herrschergeschlecht – und später die Luxem-
burger, die sich von 1320 bis 1410 um die Mark und ihre
Bevölkerung mehr schlecht als recht kümmerten, verwal-
teten das Land nur wie ein fremdes Gut, aus dem man mög-
kären Situation behielt Woldemar aber ebenso die Nerven lichst viel Gewinn für die Durchsetzung ehrgeiziger Pläne
wie 350 Jahre später der brandenburgische Kurfürst Fried- im Reich herausholte. Zuerst blieb das Land drei Jahre her-
rich Wilhelm, genannt der Grosse, oder weitere hundert renlos, dann übertrug König Ludwig der Bayer (1314-
Jahre später der König Friedrich II. von Preußen. Zum Ab- 1347) des Heiligen Römischen Reiches «Streusand-
schluss der dreijährigen Kraftprobe, an deren Ende es nur büchse», wie das von schwermütiger Kargheit gezeichnete
noch um den Besitz von Stralsund ging, erreichte er mit märkische Land genannt wurde, 1323 als erledigtes
einem günstigen Frieden im Wesentlichen den status quo Reichslehen seinem Sohn Ludwig dem Älteren.
ante. Gegen Waffenhilfe trat Woldemar den Herzögen von Die Nachbarn Brandenburgs hatten inzwischen bereits
Pommern Stolp, Schlawe und Rügenwalde ab, kurz zuvor grosse Gebiete der Mark wieder an sich gerissen, die bran-
hatte er den Mecklenburger Herzog mit der Preisgabe von denburgische Lehenshoheit über Pommern war erloschen,
Stargard aus der gegnerischen Koalition gelöst. Vor sei- im Land unterstützten die Feinde der Wittelsbacher ab
nem plötzlichen Fiebertod 1319 liess er sich noch vom 1348 einen rebellierenden «falschen Waldemar». Ludwig
Liegnitzer Herzog gegen Abgabe von Sagan die Randge- der Ältere verlor die Lust an der Mark und trat sie an seine
biete Schwiebus und Züllichau übereignen, mit denen er jüngeren Brüder Ludwig und Otto ab, denen zwar die Aus-
Brandenburg rechts der Oder auch nach Süden absicherte. schaltung des «falschen Waldemar» gelang, die sich aber
dann untereinander zerstritten.
Unterdessen hatte der neue Kaiser Karl IV. (1346-1378)
Ein Lehrstück feudalistischer Heirats- und Machtpolitik: schon die Weichen zur Eingliederung der Mark in sein lu-
die Wittelsbacher und Luxemburger in Brandenburg xemburgisch-böhmisches Territorium gestellt, um dieses
nach Norden auszudehnen. Wie er dieses Ziel erreichte, ist
Da Waldemar kinderlos starb und ihm sein Vetter Heinrich ein Lehrstück feudalistischer Heirats- und Machtpolitik: in
von Landsberg ebenfalls nach einem Jahr ohne Nachkom- der «Goldenen Bulle» von 1356 liess er Brandenburg zum
men in den Tod folgte, war Brandenburg zu einem Zeit- Entsetzen der neidvollen Wittelsbacher Herzöge zur Kur-
punkt führerlos geworden, da es sich gerade zur Führungs-

30
Von 1390 bis 1399 wurde das «Berliner Stadtbuch», eine Sammlung
des alten Berliner Stadtrechts, angelegt, nachdem die Stadt gegen den
Adel das landesherrliche Stadtgericht erworben hatte (Seite mit Dar-
stellung der Maria als Fürbitterin für Berlin).

31
würde aufwerten, dann vermählte er den letzten Wittelsba- ten Schicht der Märker fort. Sigismund opferte sein Erbe
cher in der Mark, Otto V. (1365-73), mit seiner Tochter zugunsten der Thronfolge in Polen und Ungarn, später für
Katharina, deren vorangegangene zwölfjährige kinderlose seine deutsche Königswahl. Er verpfändete 1387 die Mark
Ehe mit Erzherzog Rudolf IV. von Österreich geschieden an seinen Vetter Jobst von Mähren und die 1396 nach sei-
worden war; zugleich kaufte Kaiser Karl IV., unter dessen nes Bruders Tod an ihn gefallene Neumark 1402 an den
«Schirmherrschaft» in der Mark übrigens Tangermünde Deutschen Orden. Jetzt fielen die Nachbarn, auf deren
zur Residenz ausgebaut wurde, zuerst die Ober-, dann die Kosten die Askanier ihre Gebiete erweitert hatten, noch
Niederlausitz (1367) von Brandenburg los. Als sich Otto ungehinderter über die Mark her, ganze Landstücke wur-
V., beraten von Klaus von Bismarck, unter dem Druck der den an fremde Fürsten und eigene Edelleute verpfändet.
brandenburgischen Stände, von der Bevormundung seines Der Adel, seit Langem unzufrieden mit dem Regime der
übermächtigen Schwiegervaters lösen wollte, marschierte Wittelsbacher und Luxemburger, dazu durch die Verar-
dieser in die Mark ein und zwang seinen Schwiegersohn mung der Bauern finanziell schwer geschädigt, übernahm
im Vertrag von Fürstenwalde (15.8.1373) zur Abtretung selbst die Initiative. Viele Ritter zogen von ihren festen
Brandenburgs an Kaiser und Reich. Otto V. liess sich den Burgen aus durchs Land, überfielen die Kaufleute und
Abschied aus der Mark allerdings sehr fürstlich gegen Zah- schlossen Ritterbünde gegen die ihnen besonders verhass-
lung eines Jahresgehaltes von angeblich 500.000 Goldgul- ten wohlhabenden Städte. Ein Zeitgenosse schrieb: «Rau-
den von seinem Schwiegervater honorieren (dieses Ge- ben und Stehlen ist in der Mark die grösste Kunst und das
schäft erklärt wohl den Beinamen «der Faule», den Otto beste Handwerk geworden.» Berühmte Namen finden sich
nach seinem R ückzug nach Bayern dort bekam, als er auf unter den damaligen «Raubrittern»: Schulenburg, Alvens-
Burg Wolfstein bei Landshut bis zu seinem Tode 1379 leben, Bismarck, Knesebeck, Putlitz, Rochow, Bredow,
seine hohe Abfindung genoss). Arnim und – die mächtigsten unter ihnen – Hans und Diet-
In der Mark regierte nun der Kaiser selbst bis zu seinem rich von Quitzow.
Tode 1378. Er brachte dem Land für wenige Jahrzehnte
zumindest wieder innere Ruhe. Allerdings hatte sich auch Als die Quitzows und ihre Anhänger Berlin, das sich die-
in diesem wirren 14. Jahrhundert für die Brandenburger sem Bund der Adligen widersetzte, mit neuerbauten Bur-
Bevölkerung vieles verschlechtert. Die Hoffnungen der gen schliesslich eingekreist hatten, erschien der erste Ho-
einstigen Kolonisten waren nicht erfüllt worden, von den henzoller in der Mark. Eine neue Epoche für Brandenburg
Rittern, Bauern und Bürgern, die ins Land gezogen waren, bahnte sich an, als der 1410 mit Hilfe des Burggrafen
konnten nur die letzteren in Freiheit ihre Lebenshaltung Friedrichs VI. von Nürnberg aus dem Geschlecht der Ho-
verbessern. Die Bauern dagegen mussten vom Ertrag ihrer henzollern zum deutschen König gewählte Sigismund den
Arbeit nicht nur die Herren, Ritter und Geistlichen miter- Nürnberger zum Statthalter in der Mark bestellte, wo die-
halten, sondern wurden von den Steuern der Fürsten bis ser 1412 eintraf. Zuerst brachte er in geschickten Unter-
zum Letzten ausgepresst – ein Schicksal, das sie freilich handlungen die Städte, die Geistlichkeit und einen Teil des
mit der ganzen europäischen Bauernschaft teilten. Denn Adels hinter sich, eroberte dann mit Hilfe Magdeburgs und
der Schwarze Tod, die Pest, hatte um die Jahrhundertmitte Kursachsens 1414 die Burgen der Quitzows und ihrer An-
fast die Hälfte der Bevölkerung dahingerafft, und die hänger und unterwarf sie. Mit seinem Landfriedensgesetz
Preise für landwirtschaftliche Produkte waren dadurch vom 20. März 1414 sicherte der Hohenzoller die Ruhe in
stark gesunken. Eine Redewendung der märkischen Bau- der Mark und reiste dann mit König Sigismund zum Konzil
ern lautete damals: «Der Herr schenke den Gäulen der Her- nach Konstanz, wo dieser seinem treuen Gefolgsmann am
ren ein langes Leben, sonst reiten sie noch auf uns.» Auch 30. April 1415 mit Brief und Siegel die Mark Brandenburg
unter Sigismund, dem sein Vater Karl IV. die Kurmark mit der Kur- und Erzkämmererwürde übertrug. Genau 503
hinterliess – sein Bruder Johann erhielt die Neumark und Jahre und sechs Monate sollte die Hohenzollernherrschaft
die Lausitz –, setzte sich das allgemeine Elend der unters- in Brandenburg und Preußen dauern.

32
II. Der Ordensstaat in Preußen:
Von der geistlichen Republik zur Kultur- und
Wirtschaftsmacht in Osteuropa

Von 1225 bis 1525

Als vor 280 Jahren in Königsberg das Königreich Preußen Unten: Ausschnitt aus den Bronzereliefs am Gnesener Dom aus dem
12. Jahrhundert, die den heiligen Adalbert von Prag (956-997) bei
aus der Taufe gehoben wurde, war der alte Ordensstaat der Bekehrung der heidnischen Pruzzen (im Bild) zeigen, ehe er den
Preußen bereits seit dreihundert Jahren zurpolitischen Be- Märtyrertod fand.
deutungslosigkeit abgesunken. Nur sein geistiges und
künstlerisches Erbe war in seinen über das Land verbreite-
ten Kulturdenkmälern noch lebendig. Aus den freien mön-
chischen Ordensrittern waren im Verlauf des Niedergangs
ihres Staates lehnsabhängige Landadelige geworden, die
sich vornehmlich nur noch um die Verwaltung ihres Besit-
zes kümmerten. Nichts hatten sie mehr gemein mit der
strengen Zucht des Ordens, dessen Mitglieder einst auf
Keuschheit, Gehorsam und Besitzlosigkeit eingeschworen
worden waren.
Der junge brandenburgisch-preußische Gesamtstaat, der
sich am 18. Januar 1701 in Königsberg seinen ersten König
gab, holte seine politische Kraft, die ihn später zur Füh-
rungsmacht im Reich aufsteigen liess, aus der geistigen
Potenz seines Kernlandes Brandenburg. «Preußentum als
politischer Begriff mit einer bestimmten Werthaltigkeit
wird . . . auf das Zentrum des preußischen Staates, die
Mark Brandenburg und Berlin, bezogen und ist von dem
Wirken der Hohenzollerndynastie nicht zu trennen» (Wal-
ther Hubatsch). Von dem alten Ordensstaat in Preußen
übernahm das Königreich neben dem Namen nur die
äusseren Wahrzeichen: die Wappenfarben Schwarz-weiss
vom schwarzen Kreuz auf dem weissen Mantel der Or-
densbrüder und den einköpfigen Kaiser-Adler aus dem
Reichssiegel Kaiser Friedrichs II. (1194-1250), der diesen
dem ersten Hochmeister des Deutschen Ordens 1226 ver-
liehen und in seinem Wappen mit auf den Weg zur Bekeh-
rung der Pruzzen in deren Land an der Ostsee mitgegeben
hatte.

Das Land der Pruzzen

Diese alten Pruzzen sind namentlich aus den Quellen etwa


seit 965 n. Chr. als Bruzi, Brus, lateinisch Pruteni oder
Borussi, später allgemein als Pruzzen bekannt, sie gehör-

33
II., stellte in seinen «Mémoires pour servir à l’Histoire de
la Maison de Brandenbourg» eine eigene Theorie auf:
«Der Name Borussia, woraus man Preußen gemacht hat,
heisst ,nahe bei der Russe’ (denn bo heisst nahe bei); die
Russe ist ein Arm des Njemen, den man jetzt Memel
nennt.» Andere vermuteten, nicht der Fluss Russe sei ge-
meint, sondern bo-russia bedeute «nahe bei den Russen».
Eine sichere Deutung gibt es nicht, wohl auch deshalb,
weil es keine schriftlichen Zeugnisse aus heidnischer Zeit
von den Pruzzen gibt Die pruzzische Sprache ging bereits
im 17. Jahrhundert unter, geblieben von ihr ist lediglich die
typisch ostpreußische Klangfärbung der nach der deut-
schen Besiedlung überwiegenden deutschen Sprache. Alle
übrigen Quellen über die heidnischen Pruzzen sind späte-
ren deutschen Ursprungs, sie sind erst während der Or-
denszeit oder später entstanden und deshalb einseitig.
Der Römer Tacitus hat einst seine Aestii als recht friedlie-
bende Menschen geschildert, die «fleissig Getreide und
andere Früchte anbauen» und mit ihrem Bernstein, den
«sie allein unter allen» beim «Durchspüren des Meeres
sammeln», Handel treiben. Die Pruzzen galten als militä-
risch tüchtig, verschlissen ihre Kräfte aber in ständigen
Stammesfehden und zeigten keinerlei Expansionsgelüste.
ten zur baltischen Gruppe der grossen indoeuropäischen So blieben sie über viele Jahrhunderte hinweg erstaunlich
Völkergemeinschaft, deren Herkunft und Geschichte noch sesshaft. Ebenso beharrlich hielten sie auch an ihren alten
heute umstritten ist, und sie waren mit den Litauern und heidnischen Natur-, Lebens- und Todes-Göttern fest und
Letten stamm- und sprachverwandt Die frühesten Zeugen trotzten lange Zeit den christlichen Bekehrungsversuchen
der Existenz der Pruzzen waren Tacitus (um 100 n. Chr.), sowohl einzelner Mönche als auch der seit 966 christiani-
der sie Aestii nannte, wohl soviel wie Ostleute, ausserdem sierten Polen. Laut den zeitgenössischen Chroniken waren
Ptolemäus (um 180 n. Chr.), der auf sie die Namen Galin- die ersten Märtyrer der Pruzzenmission die Bischöfe Adal-
der und Sudauer, die Namen kleinerer pruzzischer Stäm- bert von Prag und Bruno von Querfurt, die von den Pruz-
me, verwandte. Beide erwähnten sie vermutlich wegen ei- zen wohl vor allem deshalb erschlagen wurden, weil sie
nes schon damals begehrten Handelsobjektes, des Bern- sich auf die Hilfe der ihnen verhassten Polen stützten, die
steins. Die Römer kannten seine Herkunft vom Nordmeer zuerst damit begonnen hatten, den neuen Glauben mit
und auch seine angeblich kultisch-magische Bedeutung Feuer und Schwert zu verbreiten. Zwei Jahrhunderte später
(Grabbeigaben).
Die Pruzzen lebten bereits zur Bronzezeit im Gebiet etwa
zwischen Weichsel, Narew, mittlerer und unterer Memel,
also noch über die Grenzen des späteren Ostpreußen hin-
aus. Sie blieben in ihrem Land auch sesshaft, als die Völ-
kerwanderung ihre germanischen Nachbarn nach Westen
mitriss, slawische Stämme im Süden und Westen ihres
Siedlungsraumes auftauchten und später im Osten die rus-
sischen und litauischen Grossfürstentümer entstanden. Be-
droht wurden die Pruzzen lediglich im 9. und 12. Jahrhun-
dert von den Wikingern, deren Sturm sie aber gut über-
standen. Oben: Kopf des Kaisers Friedrich II., der 1226 in der Goldbulle von
Rimini das Kulmerland und alle Eroberungen im Pruzzenland (Preu-
Über die Herkunft des Namens Pruzzen gibt es viele Ver- ßen) dem Deutschen Orden übereignete.
mutungen, selbst der berühmteste Preußenkönig, Friedrich
Rechts: Eine der ersten Ordensburgen, die der Deutsche Orden gegen
den örtlichen Widerstand der Pruzzen errichtete, war 1233 Marien-
werder (heute Kwidzyn) in Westpreußen, vier Kilometer östlich der
Weichsel, die 1236 Kulmisches Stadtrecht erhielt (im Bild Dom und
Burg von Südwesten).

34
setzten die Ritter des Deutschen Ordens, erfüllt von der
päpstlichen Kreuzzugsidee wider die Heiden, dieses Werk
der gewaltsamen Bekehrung mit mehr Erfolg fort.

«Die Feinde des Glaubens mit starker Hand vertilgen»:


die Christianisierung der Pruzzen durch den Deutschen
Orden

Das Land der Pruzzen bestand damals aus den pruzzischen


Gauen Schalauen, Nadrauen, Samland, Natangen, War-
mien (Ermland), Pogesanien, Pomesanien, Sassen, Galin-
den, Barten und Sudauen. Das Unheil für die Pruzzen kam
von der Südgrenze her, aus dem seit 1138 selbständigen
polnischen Herzogtum Masowien. Die Masowier hatten
immer wieder versucht, die Pruzzen in Feldzügen zu un-
terwerfen, seitdem Papst Innozenz III. (1198-1216) deren
Missionierung gefordert hatte. Durchdrungen vom Kreuz-
zugsgedanken wünschte er auch die letzten Heiden Euro-
pas zwischen der Weichsel und dem Finnischen Meerbu-
sen in einem Ostseekirchenstaat für die römische Kirche
zu gewinnen. Bereits 1199 hatte der Papst den Bremer
Domherrn Albert zum Missionsbischof von Livland ein-
Hermann von Salza als Hochmeister des Deutschen Ordens (1209-
1239) mit der Ordensfahne (nach dem «Chronicon Terræ Prussiae»
von Peter von Dusburg, 1326).

35
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Links: Erste Farbaufnahme der «Goldbulle von Rimini» vom
März 1226, in der Kaiser Friedrich II. dem Deutschen Orden die
Landesherrschaft im Kulmerland und in Preußen genehmigte
(Geheimes Staatsarchiv, HA StA Königsberg).

Rechts: Zwei Beispiele aus der 1977 in der geologisch-


paläontologischen Sammlung der Universität Göttingen wieder-
entdeckten vorgeschichtlichen Bernstein-Schmucksammlung
aus Königsberg: drei an einer Schmuckkette getragene Bernstein-
klumpen (der mittlere ist 11,5 cm hoch) und eine Figur, die man
ebenfalls als Anhänger um den Hals trug (9,5 cm hoch).

Unten: Das von den Polen heute restaurierte Rathaus in Mohrun-


gen (Morag), südöstlich von Elbing, das zwischen 1360 und 1380
erbaut wurde und heute ein Museum zu Ehren des Philosophen
Johann Gottfried Herder beherbergt, der 1744 in Mohrungen ge-
boren wurde.
gesetzt und 1215 den Mönch Christian aus dem polni-
schen, jedoch mit deutschen Mönchen besetzten Kloster
Lekno zum Bischof im Pruzzenland erhoben.
Die ersten Kreuzzüge der Polen beantworteten die Pruzzen
mit wütenden Rachefeldzügen in Masowien, die wiederum
den Herzog Konrad I. von Masowien im Winter des Jahres
1225 auf Anraten von Bischof Christian bewogen, die Rit-
ter des Deutschen Ordens um Hilfe zu bitten und dem Or-
den das Kulmerland als Ausgangsbasis für seine Operatio-
nen gegen die Pruzzen anzubieten. Die Ordensbrüder, nach
ihrem Fehlschlag im Burzenland zu dieser Zeit ohnehin
«heimatlos», versprachen Hilfe.
Das Heilige Römische Reich verstand sich im Hohen und
Spät-Mittelalter als Universalstaat, der unter dem geistli-
chen Arm des Papstes und dem weltlichen des Kaisers die
Länder der Christenheit durch lehensrechtliche Bande um-
fassen, gleichzeitig die nicht christlichen Gebiete – wo nö-
tig, mit Gewalt – missionieren und dem Reichsverband
eingliedern sollte, wie es etwa mit Böhmen, Polen und Un-
garn geschehen war. Staatstragende Schicht war der waf-
fentragende Adel, die Ritterschaft, die durch einen gemein-
samen Ehrenkodex und gleichartige Lebensformen ein
starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte und dem
Kaiser durch das Lehensrecht entweder direkt oder indirekt
über den jeweiligen Landesherrn verpflichtet war.
Diesem Lebensgefühl entsprachen in idealer Weise die
abendländischen Ritterorden, die aus dem Kreuzzugsge-
danken entstanden und mönchische mit ritterlichen Le-
bensformen verbanden.
Ihre sittliche Rechtfertigung bezogen sie aus dem Bibel-
wort: «Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, son-
dern das Schwert» (Matth. 10, 34), aus dem sie in nach
heutiger theologischer Auslegung schwer verständlicher Meister des Ordens keine Gewalt hat, jemandem Urlaub
Interpretation die Pflicht zum militärischen Kampf gegen davon zu geben; wenn man eines davon zerbräche, dann
die Ungläubigen ableiteten. Entsprechend dem missgedeu- wäre wohl die ganze Regel zerbrochen.»
teten Bibelwort hiess es dann auch im Prolog zu den Or- Hochmeister Hermann von Salza (1209-1239) hatte nach
densregeln des um 1190 erst relativ spät gegründeten Deut- dem Hilferuf des Herzogs von Masowien sofort das Ziel
schen Ritterordens: «Denn sie sind Ritter und erwählte des Papstes, die Gründung eines Ostseekirchenstaates im
Streiter, die aus Liebe zum Gesetz und zum Vaterlande die Auge, er verstand darunter aber einen Ordensstaat, eine
Feinde des Glaubens mit starker Hand vertilgen.» Straff geistliche Republik, verwaltet und geführt nach den stren-
militärisch-hierarchisch vom Hochmeister über die Land- gen Prinzipien seines Deutschen Ordens. Dafür brauchte
meister, Ordensmarschälle, Komture und Vögte bis zu den er die Legitimation der beiden obersten Autoritäten der
um 1230 etwa 2’000 Ritterbrüdern hinunter organisiert, Christenheit, des Kaisers und des Papstes. Da er selbst zu
sind die Brüder wie jene der schon früher gegründeten Rit- den politischen Beratern Friedrichs II. gehörte, war die Le-
terorden zu Keuschheit, Gehorsam und Armut verpflichtet, gitimation des Kaisers wenig problematisch. Im März
denn «In diesen drei Dingen . . . liegt die Kraft der Ordens- 1226 stellte dieser in Rimini eine Urkunde aus, in der er
regeln, die so unbeweglich bleiben soll, dass selbst der das Kulmerland, gemäss dem Angebot des Masowierher-
zogs, darüber hinaus aber auch gleich alle Eroberungen des
Ordens im Pruzzenland (Preußen) von vornherein in sei-
nen kaiserlichen Schutz nahm (vgl. Abb. S. 36).

38
Die Legitimation des Papstes liess aber bis 1284 auf sich
warten: Papst Gregor IX. (1227-1241) stellte im August
dieses Jahres in der Bulle von Rieti, dem Gegenstück zur
Kaiserurkunde von Rimini, das Kulmerland und alle künf-
tigen Eroberungen des Ordens in Preußen «zu Recht und
Eigen S. Peters» unter päpstlichen Schutz und verlieh es
diesem «zu ewigem Besitz». Die Gründe für diese achtjäh-
rige Verzögerung lagen in den Planungen des Grossmeis-
ters selbst, die weit über das hinausgingen, was sowohl
Herzog Konrad von Masowien als auch der bereits 1215

Im Jahr 1242 stoppt der Nowgoroder Fürst Alexander Newskij (1238-


1263) das weitere Vordringen des Deutschen Ordens nach Russland
durch einen entscheidenden Sieg über die Ordensritter auf dem Eis
des Peipussees (Miniatur aus der Lizeroi Swod, 16. Jahrh.).

Linke Seite: Diese mittelalterliche Darstellung zeigt einen Kolonisten


mit einem gefangenen slawischen Landarbeiter in der Zeit der Be-
siedlung des Preußenlandes durch den Deutschen Orden.

Die Hermannsfeste in Narwa an der Narwa in Estland, die östlichste


aller Ordensburgen. Sie wurde 1250 gegründet und erhielt Lübisches
Stadtrecht, nach einem Zeitabschnitt dänischer Herrschaft kam es ab
1346 wieder zum Deutschen Orden (bis 1558).

39
vom Papst als Bischof im Pruzzenland eingesetzte Chris- (bis 1239) und diesen mit einigen Ordensrittern und zahl-
tian von Lekno beabsichtigt hatten. Ersterer fand sich erst reichen Kreuzfahrern über die Weichsel geschickt. Gegen
nach jahrelangen Verhandlungen bereit, dem Orden das nur örtlichen Widerstand der Pruzzen hatten die Ordens-
Kulmerland zu übereignen, letzterer fürchtete um seine brüder schon die ersten Burgen in Thorn (1231), Kulm
Missionsansprüche und intervenierte deshalb zunächst er- (1232), Marienwerder (1233), Rehden (1234) und Grau-
folgreich beim Papst. denz (1235) errichtet. Sie waren entlang der Nogat nach
Als Bischof Christian aber 1233 in die Gefangenschaft der Norden marschiert und hatten an der Stelle des altpruzzi-
pruzzischen Samländer geriet, war der Weg für die Legiti-
mation an Hermann von Salza frei. Der Bischof kam zwar Oben: Dieser Ausschnitt aus Reliefdarstellungen an den Kaminen
1238 aus seiner Gefangenschaft wieder frei, inzwischen der Marienburg zeigt Szenen aus Turnierfestspielen der Ordensritter.
waren aber die Weichen gestellt, und jeder Protest kam zu Blick auf den Nordflügel und den Innenhof mitdem «Blutgericht»
spät, denn der Hochmeister hatte bereits 1231, also noch des Schlosses in Königsberg aus dem 13./15. Jahrhundert (seit
ohne offizielle Rückendeckung des Papstes, Hermann 1944/45 Ruine). Die erste Ansiedlung des Ordens in Königsberg (so
genannt zu Ehren des Kreuzritters Ottokar II. von Böhmen) stammte
Balk zum Landesmeister des Ordens für Preußen ernannt aus dem Jahr 1255, war aber 1262 bereits wieder untergegangen.

40
Mit dem Umzug des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen
(1303-1311) im Jahre 1309 von Venedig nach Marienburg wurde die
Marienburg (Baubeginn 1272) zum Hochmeister-Sitz ausgebaut; im
Bild die Nordwestseite des 1320 erbauten Palastes des Hochmeisters
mit dem Fest- oder grossen Remter (mittelhochdeutsch reventer, Re-
fektorium der Ordensburgen).

41
Zahlreiche deutsche Fürsten folgten in der Hoffnung auf
den versprochenen päpstlichen Generalablass zeitweilig
seinem Ruf, darunter Herzöge von Schlesien, Pommerel-
len und Österreich, viele Markgrafen, darunter auch die
Askanier Johann I. und Otto III., Bischöfe und Ritter aus
Böhmen, Mähren, Österreich, Sachsen, Meissen, Thürin-
gen, Brandenburg und dem Rheinland. Auch König Otto-
kar II. von Böhmen war mehrfach auf Kreuzfahrt im Pruz-
zenland; nach ihm wurde die 1255 im Samland gegründete
Ordensfestung Königsberg benannt.
Der Orden musste bei seiner Eroberung auch Rückschläge
einstecken: erstmals 1242, als ein Ordensheer, das zur Un-
terstützung des 1237 mit dem Orden verschmolzenen liv-
ländischen Schwertbrüderordens, einer Gründung des Bi-
schofs Albert von Bremen, nach Livland gerufen worden
war und gegen Grossfürst Alexander Newskij von Nowgo-
rod (1236-1263) auf dem Eis des Peipussees eine schwere
Niederlage hinnehmen musste, die ein weiteres Ausgreifen
des Ordens über Livland hinaus verhindert hat
Daraufhin verstärkten die noch nicht unterworfenen Pruz-
zen ihren Widerstand, bereits unterworfene Stämme erho-
ben sich wieder gegen den Orden. Nach mehrjährigen
Kämpfen vermittelte ein päpstlicher Legat den Frieden zu
Christburg im Februar 1249, der den pomesanischen Pruz-
zen Gleichstellung mit den Deutschen, persönliche Freiheit
und Besitz zugestand gegen die Verpflichtung, sich zum
Christentum – unter das «sanfte Joch des Herrn» – zu be-
kennen und die Herrschaft des Ordens anzuerkennen.
1260 gab eine neue Niederlage des Ordens in Livland wie-
der das Zeichen zu einem grossen Aufstand, der sich über
Litauen und Kurland auch nach Preußen ausdehnte. Dieser
Elbing war sowohl schon zu pruzzischer Zeit (Truso) als auch dann hielt dreizehn Jahre an, in seinem Verlauf wurde der Orden
in der Ordenszeit und danach eine bedeutende und reiche Handels- zeitweise bis in das Kulmerland zurückgeworfen. Erst
stadt, die erst um 1370 von Danzig überflügelt wurde; im Bild eine
Miniatur aus dem Eibinger Wiesenbuch von 1421, dem Grundbuch nach Wiederauffrischung seiner Reihen durch Kreuzritter
der zu den Bürgerhäusern gehörenden Wiesen. und neuerlicher, gründlicher Wiedereroberung verlorener
Gebiete gelang dem Orden bis 1283 auch die Unterwer-
schen Hafens Truso Elbing gegründet (1237). Um die be- fung der Grenzgebiete Schalauen, Nadrauen und Sudauen
festigten Ordensburgen herum entwickelten sich sehr rasch – diesmal allerdings ohne Friedensvertrag. Der Orden for-
deutsche Stadtsiedlungen, die Ordnung und Gesetz in der derte die bedingungslose Unterwerfung der Aufständi-
Regel nach der 1233 vom Deutschen Orden für Kulm er- schen, die ihre vertraglich festgelegte Freiheit verspielt
lassenen «Kulmer Handfeste» erhielten, während adelige hatten. Gleichzeitig begann eine rücksichtslose Germani-
und bäuerliche Kolonisten durch ein besonders günstiges sierungspolitik, nach der die Pruzzen auf unterster Stufe
Lehens- und Siedlerrecht ins Land gelockt wurden. noch hinter den deutschen Bauern standen. Diese trug aber
Von der Burgenkette von Thorn bis Balga (1239 gegrün- andererseits dazu bei, dass sie als Volks- und Sprachgrup-
det) aus stiess der Orden ins Innere des Landes vor und si- pen noch jahrhundertelang weiterbestanden.
cherte die eroberten Räume immer wieder mit neuen Bur- Nach rund fünfzig Jahren Eroberungsfeldzügen war 1283
gen. Wegen der geringen Zahl der Brüder – zu Zeiten Her- das ganze Pruzzenland unterworfen, die Grenzen des neu-
manns von Salza nur etwa 600 – war er dabei auf die Hilfe
von Kreuzrittern angewiesen, die der im Reich tätige
Hochmeister des Ordens anwarb.

42
en Deutschordensstaates in Preußen abgesteckt. Im Jahre
1309 gewann der Orden noch Pommerellen als Landbrü-
cke zum Reich mit Danzig, 1402 kam die Neumark dazu,
Estland war seit 1346 im Besitz des Ordens, auch Gotland
war von 1398 bis 1408 Ordensland. In Livland konnte der
Orden seine Macht über Reval und Dorpat hinaus bis zur
alten Grenze zum Fürstentum Nowgorod wieder ausdeh-
nen.

Siegel der Hanse-Stadt Elbing an einer Urkunde aus dem Jahr 1399.

Die Niederlage des Ordens bei Tannenberg (Grünwald) im Jahre


1410 (im Bild eine Darstellung der Schlacht aus dem 15. Jahrhun-
dert) markierte das Ende der Alleinherrschaft des Deutschen Ordens
in Preußen, der sich künftig einer Allianz zwischen den preußischen
Städten und dem König von Polen erwehren musste.

43
Die Kulturleistung des Deutschen Ordens

Die ausserordentliche Kulturleistung des Deutschen Or-


dens ist heute noch unbestritten: sie dokumentiert sich in
einer hochentwickelten Verwaltungskunst, einer reich ent-
falteten Bau- und Bildkunst, in vielen Ordensburgen, in
zahlreichen Dichtungen und in einer vielseitigen Ge-
schichtsschreibung. Der Geist dieser Kultur ist von der
Aufgabe der Christianisierung nicht zu trennen, der sich
das mönchischritterliche Gemeinwesen des Ordens voll
und ganz geweiht hatte. Die wuchtigen und geschlossenen
Bauten der Ordensburgen atmen überall diesen Geist der
Ordensgemeinschaft. Der Backsteinbau, wie wir ihn etwa
aus Lübeck kennen, war einst zwar das Vorbild gewesen,
aber die Bauten im Ordensland fanden eine eigene Form,
kein individueller Zug trat hervor, gemäss der Regel eben,
dass der Einzelne hinter den Geboten der Gesamtaufgabe,
dem Gottesdienst der Ordensbrüder, zurückzustehen hatte.
Eine Glanzleistung der Baukunst ist zweifelsohne die Ma-
rienburg, an der Generationen von Künstlern gearbeitet ha-
Nach dem zweiten Thorner Frieden (1466) musste der Ordensstaat
ben. Sie wurde nach der Übersiedlung des Hochmeisters die polnische Lehenshoheit anerkennen, welche die nachfolgenden
von Venedig auf die Marienburg im Jahre 1309 zum Hoch- drei Jahrhunderte andauerte. Der letzte Ordensmeister, der Hohen-
meistersitz ausgebaut, erhielt 1320 das Mittelschloss (Pa- zoller Albrecht von Brandenburg (1511-1568), erreichte aber we-
nigstens noch die Erhaltung des dezimierten Landes als deutsches
last), später die Vorburg und andere Erweiterungsbauten. Gebiet durch die Umwandlung des Ordensstaates in ein reformiertes,
An ihr und vielen weiteren Kirchen und Domen wie auch weltliches Herzogtum Preußen (1525).
an zahllosen Stadttoren oder Bürgerhäusern lässt sich
heute noch der Charakter des wehrhaften Glaubens der Or-
densbrüder deutlich ablesen. Es entstand eine Architektur rücken, die sich in deutscher Sprache auf die lateinische
von seltener Geschlossenheit, wie sie in anderen Künsten «Chronicon Terrae Prussiae» von Peter von Dusburg stützt.
nicht erreicht wurde. Mit Ausnahme der monumentalen Die Sprache der Ordensliteratur gehörte übrigens dem Ost-
Wandmalerei in den Ordensburgen, die dem Architektur- mitteldeutschen an, der Grundlage des späteren Neuhoch-
stil noch am nächsten kam, spürt man in Malerei und Plas- deutschen. Und bereits damals, im 14. Jahrhundert, finden
tik der Ordenszeit überall auswärtige Einflüsse entspre- sich in diesen Texten der Ordenszeit schon Anklänge an die
chend der Herkunft der Künstler, dieaus Köln, Flandern, Sprache Luthers, vor allem spürbar in der Prophetenüber-
Hamburg, Lübeck, Böhmen und Italien kamen. Die Dich- setzung des Claus Crane, eines Franziskanermönchs, der
tung dagegen war natürlich wieder selbständig, ganz aus seine Arbeiten um 1350 geschrieben hat.
der Welt des Ordens erwachsen: ausnahmslos geistliche Auch die Leistung des Ordens in der Siedlungsarbeit muss
Dichtung findet sich hier – kein Minnesang, kein Liebese- als beispielhaft herausgestellt werden, allerdings von einer
pos wie zur selben Zeit im westlichen Europa. Die Prosa äusserst günstigen Situation ausgehend, denn es darf nicht
widmete sich nun der Geschichte des Ordens, wie die vergessen werden, dass der Orden und seine Neusiedler ein
Chroniken des Ordensritters Peter von Dusburg (1326) o- dünn besiedeltes Land mit einer in den Eroberungskriegen
der eines Johann von Posilge (um 1380) zeigen. Selbst Or- stark dezimierten und unterworfenen pruzzischen Urbevöl-
densmeister, wie Luther von Braunschweig (1331-1335) kerung weitgehend neu verplanen und verteilen konnten.
oder Dietrich von Altenburg (1335-1341), waren unter den Die Tatsache aber, dass bis Ende des 14. Jahrhunderts – die
Chronisten, die alle streng der Idee der Kreuzzüge verhaf- zweite Hälfte dieses Jahrhunderts brachte dem Ordensstaat
tet waren. In die Nähe der Dichtung eines Wolfram von unter Winrich von Kniprode (1351-1382) seine politisch-
Eschenbach könnte man allenfalls die gereimte «Chronik wirtschaftliche Hochblüte – insgesamt 94 Städte und etwa
von Prussenland» des Nikolaus von Jeroschin (um 1340) 1‘400 Dörfer vom Orden gegründet waren, ist zweifellos
«eine nicht nur für damalige Zeiten beachtliche Kulturleis-
tung» (Walther Hubatsch). Die zentrale Landesplanung lag

44
in den Händen der Komture, die sich dazu vereidigter Als schliesslich auch noch die Grundaufgabe des Deut-
Landmesser bedienten, deren Kunst in dem Buch «Geo- schen Ordens, «die Feinde des Glaubens mit starker Hand
metria Culmensis» aufgezeichnet worden ist. Die Planung zu vertilgen», als Hauptmotiv der politischen Triebkraft
in die Praxis umgesetzt haben dann in den Dörfern die Lo- des Ordensstaates gegen Ende des 14. Jahrhunderts weg-
catoren und die überlebenden pruzzischen Bauern zusam- fiel, war sein Niedergang längst programmiert.
men mit den vom Orden ins Land geholten Siedlern. Zu Die Katastrophe von Tannenberg am 15. Juli 1410, als das
Siedlungsunternehmern im Sinn moderner Gutsverwaltun- Ordensheer von einer doppelten Übermacht der polnisch-
gen entwickelten sich die ebenfalls ins Land gerufenen litauischen Union vernichtet wurde, war nur folgerichtig
weltlichen Ritter und deren Nachkommen, denen aller- und hätte eigentlich nie Anlass zu der später so üppigen
dings am Boden nur das Nutzungsrecht zugestanden Mythenbildung geben dürfen. Dieser militärischen Nieder-
wurde, während sich der Orden das Obereigentum vorbe- lage war folgende Entwicklung vorausgegangen: Die be-
hielt. Sie erhielten zu Kulmischem Recht ihr Land zu nachbarten Polen hatten verständlicherweise das Anwach-
Lehen gegen «schweren Ritterdienst mit Pferd und Waffen sen der politischen und wirtschaftlichen Macht des Or-
... zu allen Heerfahrten, wohin sie von uns oder von unse- densstaates mit grösstem Misstrauen beobachtet und schon
ren Brüdern geheissen werden» (Hochmeister von lange nach Wegen gesucht, diese Macht einzudämmen. In
Kniprode). So entstand ein über grosse Ländereien verfü- der Person des ehrgeizigen Litauerfürsten Jagiello fanden
gender Dienstadel, der aber dem Orden jederzeit Waffen- sie ihren Mann: sie erhoben ihn 1386 als Wladislaw II. (bis
dienst leisten musste, wenn diesem Gefahr drohte. Dieser 1434) nach seiner Bekehrung zum Christentum auf den
obersten Gemeinschaft aber, zunehmend nur mit Verwal- polnischen Königsthron und gingen mit den nun christli-
tungsaufgaben beschäftigt, wuchs damit ein finanzieller chen Litauern eine politische Union ein. Damit verlor der
Wohlstand und eine Macht zu, die den Orden zu einer der Orden gegenüber Litauen als dem letzten Heidenbollwerk
grössten Wirtschaftsmächte seiner Zeit mit europäischer nicht nur seine Missionsaufgabe, sondern sah sich auch
Geltung werden liessen. plötzlich von zwei Seiten umklammert.
Nach der Niederlage bei Tannenberg versuchte Hochmeis-
ter Heinrich von Plauen (1410-1413) durch Einberufung
Niedergang des Ordens und Umgestaltung zum einer Ständevertretung die Kluft zu Städten und Ständen
Herzogtum Preußen zu überbrücken. Aber er und seine Nachfolger scheiterten
an dieser Aufgabe, die Ordenstradition war stärker. So
Warum gerade zur Zeit der höchsten Blüte dieses vielbe- schlossen sich die Städte im Ordensland im Jahr 1440 zu
wunderten Ordensstaates bereits dessen Niedergang vorge- Marienwerder unter Danzigs Führung mit dem Adel gegen
zeichnet war, lässt sich unschwer aus dem System des Or- die Ordensherrschaft zum «Preußischen Bund» zusammen
dens erklären, dessen praktizierte Herrschaftsformen ja und verbündeten sich darüber hinaus noch mit den Polen,
noch ganz der Zeit der Kreuzfahrerpolitik verhaftet waren. nachdem dem Orden von Kaiser und Papst Unterstützung
Die Führung des Ordens lag allein in den Händen einer zugesagt worden war. Der ab 1453 beginnende dreizehn-
kleinen Oberschicht, die es versäumt hatte, ihren Kasten- jährige Bundeskrieg im Land, während dem Söldnerführer
geist nach unten weiter zu vermitteln. Sie öffnete nicht ein- mit später so berühmten Namen wie Dohna, Kanitz,
mal dem örtlichen Adel den Zugang zur Ordensgemein- Schlieben oder Eulenburg für den Orden kämpften und
schaft und gestand auch später den Ständen und preußi- sich dafür riesige Ländereien übereignen liessen, schwäch-
schen Hansestädten keine Beteiligung an ihrer Herrschaft te den durch interne Streitigkeiten zerrissenen Orden so
zu. So musste zwangsläufig zwischen der dünnen Ober- sehr, dass die Polen im zweiten Frieden von Thorn im
schicht und deren Untertanen eine Kluft entstehen. Vertieft Jahre 1466 harte Bedingungen stellen konnten: der Or-
wurde diese Kluft noch durch die Tatsache, dass der densstaat musste sich der polnischen Oberlehensherrschaft
frühere Glaubenseifer im Orden von Generation zu Gene- für die nachfolgenden drei Jahrhunderte unterwerfen und
ration mehr nachliess und der Orden in zunehmendem ausserdem noch die Trennung von Westpreußen – das mit
Masse von seinen Mitgliedern als eine Art Versorgungsan- dem Kulmerland, Marienburger Land und Frischem Haff,
stalt betrachtet wurde. Auch ging die anfängliche militäri- mit Ermland, Danzig und allen Gebieten links der Weich-
sche Überlegenheit des Ordens verloren, da das Or- sel als Polnisch-Preußen zur polnischen Krone kam – hin-
densheer an der veralteten Taktik des ritterlichen Reiter- nehmen. Der Orden verfügte somit nur noch über die Ge-
kampfes festhielt und sich den kriegstechnischen Fort-
schritten des 14. Jahrhunderts nicht rechtzeitig anpasste.

45
biete Samland, Schalauen, Nadrauen, Natangen, Sudauen, tie retten. Nach einem 1521 mit Polen erreichten Waffen-
Barten, Galinden, Sassen und die südlichen Teile von stillstand und seiner Bekehrung zum Luthertum verein-
Pomesanien und Pogesanien. Da Polen die Unterwerfung barte er im Vertrag zu Krakau am 8. April 1525 mit den
des Ordens nach den Bedingungen des traditionellen Le- Polen die Umwandlung des Ordensstaates in ein evangeli-
hensrechts akzeptierten, war die polnische Oberhoheit al- sches, weltliches Herzogtum unter Anerkennung der wei-
lerdings nie besonders drückend, sie war eher vergleichbar teren polnischen Lehenshoheit. Der Papst antwortete da-
einem Bündnis als einem Abhängigkeitsverhältnis. Polen rauf zwar mit dem Bann, der Kaiser verhängte über den
gestand dem Orden indirekt alle Souveränitätsrechte zu, Preußen-Herzog die Acht und auch vom Deutschmeister
einschliesslich der diplomatischen Beziehungen zum Aus- im Reich ist die Säkularisation des Ordens nie anerkannt
land. worden. Diese Gegenaktionen blieben aber angesichts der
Kaiser und Papst haben die Bedingungen des Thorner Frie- politischen Bedeutung der Vorgänge in Preußen bedeu-
dens nie anerkannt, waren aber auch nicht bereit, wirksame tungslos. Herzog Albrecht empfing die Belehnung vom
Hilfe zu leisten. Die beginnende Reformation band alle polnischen König für sich und seine Erben sowie auch für
Kräfte im Reich und blieb auch im Ordenselbst nichtohne seine Brüder in Brandenburg. Die Verbindung Branden-
Wirkung. So konntederletzte Ordenshochmeister, der Ho- burg und Preußen war damit vorgegeben, wenn auch noch
henzoller Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1511- nicht politisch wirksam. Im Herzogtum Preußen aber war
1568), nach einem letzten vergeblichen Versuch, die pol- eine Bewahrung der kulturellen Leistung des Ordens, die
nische Oberhoheit abzuschütteln, zwar nicht die Souverä- deutsche Kolonisierung des Landes, für kommende neue
nität des Ordens, aber dessen Staatsgebiet für seine Dynas- Aufgaben in der Zukunft gesichert.

Die Ruine des im 17./18. Jahrhundert ausgebauten Schlosses Schlo-


bitten (heute Slobity) in Preußisch Holland steht hier als Symbol für
die 1945 untergegangene preußische Provinz Ostpreußen; das Gut
Schlobitten war seit 1525 im Besitz der Familie Dohna, die durch
Jahrhunderte hindurch führende Diplomaten und Beamte im Dienst
preußischer Könige gestellt hatte.

46
III. Das Kurfürstentum Brandenburg und das Herzogtum
Preußen: Reformation und Gegenreformation

Von 1415 bis 1618

In der Mark herrschte zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein und konsolidieren, aber die Nachbarn witterten die Gefahr
politisches und wirtschaftliches Chaos. Erst mit der Beleh- eines für sie zu starken Brandenburgs und verbündeten sich
nung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg aus dem gegen den ehrgeizigen Nürnberger. Friedrich jedoch schlug
Haus Hohenzollern mit der Mark «brachte Kaiser Sigis- die Truppen der verbündeten Herzöge von Pommern und
mund Ordnung in das Chaos», schrieb später Preußens be- Mecklenburg am 26. März 1420 bei Angermünde, und die
rühmtester Geschichtsschreiber, König Friedrich II. Pommern mussten die Uckermark, die Mecklenburger die
Priegnitz an Branden-

«In jenen finsteren Zeiten. . .»: Die Mark unter den Stammbaum der Hohenzollern in Brandenburg von Kurfürst Fried-
Kurfüsten Friedrich I. bis Johann Cicero rich I. (1415-1440) bis zu Kurfürst Georg Wilhelm, der im Jahre
1619 starb und der zehnte Kurfürst der Hohenzollern in Brandenburg
war.
Nach dem Plan des Hohenzollern Friedrich I. und seines
königlichen Gönners und Schwagers Sigismund (1410-
1437) sollte die Mark Brandenburg – möglichst unter Ein-
beziehung Sachsens, Pommerns und Mecklenburgs – ein
kraftvoller, das Reich und die Krone nach Osten absichern-
der Staat werden. Leopold von Ranke schrieb dazu: «Ei-
nerseits war eine anerkannte Reichsgewalt und mit ihr die
Einheit der Christenheit wiederhergestellt: andererseits die
Mark Brandenburg beruhigt und im Besitz des Burggrafen
von Nürnberg befestigt, der durch seine Erhebung zur Kur-
würde zugleich einen gesetzlichen Anteil an der Reichs-
verwaltung erhielt. Mit dem Lande wurde eine Würde er-
worben, welche nach der königlichen die höchste im Rei-
che war; es war ein integrierender Moment der historischen
Entwicklung . . .»
Aber mit der «Beruhigung» und «Befestigung» des Landes
gab es von Anfang an Schwierigkeiten für Brandenburgs
ersten Kurfürsten: «Das Volk, das nur grausame Herren
kannte, unterwarf sich nur zögernd seiner milden und ge-
rechten Herrschaft», kommentierte Friedrich II. rund drei-
hundertfünfzig Jahre später. Freilich war es weniger das
Volk als der Adel, dessen Widerstand erst mühsam mit mi-
litärischen Mitteln gebrochen werden musste. Vollends als
Utopie erwies sich der Plan eines grossen und starken
Brandenburgs, wie ihn Kaiser und Kurfürst verwirklichen
wollten. Zwar konnte Kurfürst Friedrich I. (1415-1440) die
desolaten Verhältnisse in der Mark in den Griff bekommen

47
Privilegienbestätigung für Brandenburgs ersten Kurfürsten Friedrich
I. durch Kaiser Sigismund (Rom, 31. Mai 1433).

Das Kurfürstenpaar Friedrich 1. und Elisabeth von Brandenburg


nach Tafelbildern auf der Cadolzburg (Hohenzollernburg bei Fürth
in Franken), wo der Kurfürst am 20. September 1440 verstarb.

Rechts: Der Südgiebel der märkisch-backsteingotischen Katharinen-


kirche in der Neustadt von Brandenburg am Südufer der Havel; sie
wurde um 1400 von 11einrich Brunsberg gebaut.
satw
Links: Dieser
Holzschnitt aus
dem «Mittelalter-
lichen Hausbuch»
vermittelt einen
Eindruck vom All-
tag des bürgerli-
chen Lebens in
den mittelalterli-
chen Städten.

burg zurückgeben. Als aber Kurfürst Friedrich durch eine Deutschen Orden. Kurfürst Friedrich hatte schon 1426 re-
gezielte Heiratspolitik Brandenburg mit Sachsen-Witten- signiert, seinem Sohn Johann die Regentschaft in der Mark
berg verband und über ein Verlöbnis seines zweiten Soh- übertragen und sich nach Franken zurückgezogen. Der we-
nes Friedrich mit der polnischen Königstochter Hedwig gen seiner Experimentierfreudigkeit mit chemischen Stof-
eine Annäherung an Polen suchte, geriet er in Konflikt mit fen mit dem Spitznamen «der Alchimist» belegte Johann
den Interessen des Reichs und damit mit seinem kaiserli- verstrickte sich bald in nutzlosen Streit mit den branden-
chen Freund. Und als schliesslich der Reichstag 1422 den burgischen Städten Frankfurt a. d. Oder, Berlin-Cölln und
Kurfürsten von Brandenburg gegen den Willen des Königs Brandenburg, die sich unter dem Schutz der starken Hanse
zum Führer des Reichsheeres gegen die Hussiten berief, miteinander verbündeten. Es gelang ihm auch nicht, die
rächte sich Sigismund an dem früheren Freund und Kö- Mark wirksam gegen die Einfälle der Hussiten zu schüt-
nigsmacher: er sprach die Erbschaft an Sachsen-Witten- zen.
berg trotz der Verbindung von Friedrichs ältestem Sohn Ernüchterung über das Scheitern seiner ehrgeizigen Ziele
Johann mitderTochterdes Wittenbergers dem Hause Wet- und vermutlich auch die Sorge um die Präsenz seines Hau-
tin zu (1423), übergab 1424 die Uckermark an Pommern ses in den verstreuten hohenzollerschen Besitzungen ver-
und übereignete 1429 schliesslich noch die Neumark dem anlassten Friedrich I. 1437, seine Länder noch zu Lebzei-

50
ten unter seinen Söhnen aufzuteilen: Brandenburg mit der
Kurwürde fiel an den zweiten Sohn Friedrich, die Altmark
und Priegnitz ging an den jüngsten Sohn Friedrich «den
Fetten» – 1463 kamen sie nach dessen Tod wieder an die
Mark unter Friedrich II. zurück – das Fürstentum Bayreuth
erhielt Johann «der Alchimist», und Ansbach ging an Alb-
recht Achilles. Diese Trennung des Hohenzollern-Besitzes
der Nürnberger in eine brandenburgische und eine fränki-
sche Linie blieb bis zum Jahr 1791 bestehen.
Der zweite Hohenzoller in der Mark, Friedrich II. (1440-
1470), war für Brandenburg viel erfolgreicher als sein Va-
ter, wenn er auch – wie noch sein Nachfolger – die Mark
vor allem als Besitz und nicht als Heimat betrachtete. Er-
folgreich im zähen Ringen mit den partikularistischen
Ständen, den Vertretern des Adels und der Städte, die im-
mer noch und weiterhin Verfassungsänderungen beschlos-
sen, konnten er und seine direkten Nachfolger langsam und
schrittweise in dem unwirtlichen und kulturell noch auf
niedriger Stufe stehenden Lande Fuss fassen. Friedrich II.
zeigte vor allem den unbotmässigen Städten die Zähne,
weshalb ihn die Berliner «Eisenzahn» oder den «Eisernen»
nannten. 1442 zog er in Berlin ein, setzte die Stadtverwal-
tung ab und entzog der Stadt die Gerichtshoheit. Die 1432
beschlossene Verschmelzung Berlins mit Cölln wurde auf-
gehoben, und am 31. Juli 1443 legte der «Eiserne» den
Grundstein für eine Burg, das spätere Schloss auf der
Spreeinsel, die den beiden Städten seinen Willen aufzwin-
gen sollte. Als der Kurfürst den beiden Städten auch noch
die Hoheit über Länder entzog, die vielfach schon im Be-
sitz der kleinen Bürger waren, rebellierten die Berliner. Sie
stürmten 1448 das Rathaus, verbrannten die Verträge des
Kurfürsten mit der Stadt und setzten die Schlossbaustelle
auf der Spreeinsel unter Wasser. Da sie aber von den
Hanse-Städten Hamburg und Lübeck, deren Bund sie an-
gehörten, nicht die erhoffte Unterstützung bekamen,
konnte Friedrich II. von Spandau aus dem «Berliner Un-
willen», der ersten «48er»-Revolution, ein rasches Ende
bereiten. Nach einigen Tagen Gegenwehr mussten Berlin
und Cölln sich unterwerfen, der Berliner Bürgermeister
Bernd Ryke floh aus dem Land, wurde jedoch von kur-
fürstlichen Häschern bei Wittenberg an der Elbe gefasst
und ermordet. Der Kurfürst zwang Berlin zum Austritt aus
der Hanse und liess beide Städte mit einer Mauer an einer
Spree-Verengung trennen und den nachbarlichen Verkehr
von einem Torwächter kontrollieren. Noch im gleichen
Jahr erhielt Berlin ein neues Wappen: seinen berühmten
Bären, damals noch auf allen Vieren kriechend und dar-
über schwebend der markgräfliche Adler.
Blick auf das Altstädter Rathaus aus dem 15. Jahrhundert in der Alt-
stadt von Brandenburg an der Havel, zwischen Dominsel und dem
Marienberg gelegen; rechts vom Eingang eine Rolandsäule, wie sie
im Mittelalter an vielen Markt- oder Hauptplätzen Nord- und Mittel-
deutschlands, vermutlich als Wahrzeichen von Marktfreiheit und
Handelsprivilegien, aufgestellt wurden.

51
Aussenpolitisch erfolgreich war Friedrich II. durch den
Rückkauf der Neumark mit Driesen und Schivelbein im
Jahr 1455 vom Deutschen Orden, wobei er geschickt des-
sen schlechte finanzielle Situation ausnutzte. Und nach
dem für den Orden so schmachvollen Zweiten Frieden von
Thorn (1466), als auch das einst von den Askaniern dem
Orden überlassene westpreußische Gebiet mit Danzig und
der Marienburg an Polen fiel, legte Kurfürst Friedrich II.
in einem Dokument an seine Nachfolger das alleinige
Rückkaufsrecht für Brandenburg fest: es müsse unbedingt
darauf geachtet werden, «das sulch tant die Neumark by
deutschen landen und dem heiligen römischen Reich und
by dem wirdigen kurfürstentumb der Mark zu Branden-
burg, der es by ansetzung der kure ingeleibet ist, blibe und
nicht zu undeutsch gezunge gebracht würde. Das deucht
sin gnade göttlich, erlich und rechtlich. Item sin gnade hat
das lant zu der marke wider gebracht, will sinchs ymand
nach seinen tod wieder nehmen lassen, das stets zu ihm».
Der letzte Hochmeister des Ordens, der Hohenzoller Alb-
recht von Brandenburg (1511-1525), hat dann 1517 end-
gültig auf das von Friedrich II. festgelegte Rückkaufsrecht
verzichtet.

Dieses St. Georgs-Reliquiar(um 1480) aus der Stadt Elbing, die in


der Hanse eine führende Rolle spielte und 1466 unter polnische
Lehnshoheit fiel, wird dem pommerschen Bildschnitzer Bernt Notke
(1440-1509) zugeschrieben, der die Kunst im Ostseeraum der deut-
schen Hanse entscheidend beeinflusste.

Zeitgenössische Familientafel des brandenburgischen Kurfürsten


Albrecht Achilles (1470-1486), der 1473 mit seinem Hausgesetz
«Dispositio Achilles» die Erbregelung für Brandenburg festlegte.

Linke Seite: Stendal, um 1160 bereits von Albrecht dem Bären ge-
gründet, wurde zum Zentrum der Altmark und bedeutendste Handels-
stadt Brandenburgs. Im Bild ein Blick in ein Seitenschiff der im 15.
Jahrhundert gotisch umgebauten Marienkirche von Stendal.

53
Mit Kurfürst Johann Cicero (1486-1499) – hier sein Kopf am Grab-
mal im ehemaligen Berliner Dom von Hans Vischer 1530 modelliert
– verwuchsen die Hohenzollern endgültig mit ihrer neuen Heimat in
der Mark.

verbuchen konnte, dass Brandenburg im Prenzlauer Ver-


trag vom Mai 1472 die Lehenshoheit über die eroberten
pommerschen Gebiete zuerkannt wurde. Albrecht Achilles
war während seiner Regierungszeit nur dreimal in der
Mark, nämlich in den Jahren 1472/3, 1476 und 1478/9; die
übrige Zeit regierte sein Sohn Johann als Statthalter, bera-
ten von dem in Bologna vorgebildeten Kanzler Sesselmann
sowie von märkischen und fränkischen Adeligen.
Aus dem Statthalter wurde nach des Vaters Tod der vierte
Kurfürst von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern Jo-
hann Cicero (1486-1499), der seinen Beinamen dem Plan,
in Frankfurta. a.d. Oder eine Universität zu gründen, ver-
dankt. Er war der erste Hohenzoller, der ständig in der
Mark Brandenburg lebte und dort auch starb. Mit ihm erst
verwuchsen die Hohenzollern endgültig mit der neuen Hei-
mat, und aus den Franken wurden langsam Märker. Über
Johann Cicero berichtet der Preußenkönig Friedrich II.
später: «Er machte die ersten Anstrengungen, das Volk aus
seinem Stumpfsinn und seiner Unwissenheit wach zu rüt-
teln. In jenen finsteren Zeiten war es schon viel, seine Un-
wissenheit einzusehen. Zwar war dieser erste Aufschwung
eines neuen Geistes nur ein schwaches Dämmerlicht, doch
Unter Friedrich II. konnte die Mark in Konkurrenz mit den führte es zur Gründung der Universität Frankfurt a. d.
Wettinern in der Niederlausitz als böhmische Lehen die Oder.» Deren Gründung im Jahre 1506 fällt allerdings
Eingliederung von Cottbus, Peitz, Teupitz und Lübben er- schon nicht mehr in die Regierungszeit von Johann Cicero,
reichen, ebenso die Anwartschaft auf die Herrschaften der 1490 das kurmärkische Gebiet durch den Ankauf von
Beeskow und Storkow. Weniger glücklich war Friedrich Zossen erweiterte, die Landesverwaltung unter Einver-
II. im pommerschen Erbfolgestreit nach dem 1464 erfolg- nahme und Mitarbeit der Landstände neu regelte und im
ten Aussterben des Stettiner Herzoghauses. Seine Vorhal- Vertrag von Pyritz, am 26. März 1493, erreichte, dass der
tungen gegenüber Kaiser Friedrich III., wonach er sich als Pommernherzog gegen Erlassung des Lehenseides die
«Grenzwächter gegenüber dem Polenreich» (Johannes brandenburgische Erbfolge anerkannte. In seinem Testa-
Schultze) um die Erbfolge oder wenigstens um die Lehens- ment warnte er seinen Nachfolger: «Ich lasse Euch ein
hoheit kümmern müsse, stiessen beim Kaiser auf taube Oh- grosses Land. Allein, es ist kein deutsches Fürstentum, in
ren. Dieser erklärte kurzerhand Pommern-Stettin zum dem mehr Zank, Mord und Grausamkeit im Schwange als
Reichslehen. Friedrich sicherte sich mit Waffengewalt in unserer Mark.»
trotzdem seine Forderungen auf Schwedt, Gartz, Vierraden
und Löcknitz in der Uckermark. Danach übergab er aus
Gesundheitsgründen die Kurwürde an seinen Bruder Alb- Gegen das «gefärbte Gleissnerwerk»:
recht Achilles (1470-1486), dessen Regierungszeit 1473 Lutherische Reformation in Brandenburg und Preußen
mit der «Dispositio Achillea» eine bedeutsame Erbrege-
lung für Brandenburg brachte, wonach die Mark künftig Sein Sohn und Nachfolger, Joachim I. Nestor (1499-1535)
immer ungeteilt an den ältesten Sohn des jeweiligen Herr- nahm diese Warnung ernst. Als Mann der Wissenschaft
schers fallen sollte. In die Regierungszeit Albrecht Achil- verwirklichte er 1506 den Plan des Vaters: die Gründung
les’ fiel auch die Abtretung von Crossen und Züllichau aus der Universität Viadrina in Frankfurta. d. Oder. Rektor für
schlesischer Hand an Brandenburg (1482). Im Übrigen die ersten beiden Jahre war der Leipziger Professor Konrad
kümmerte er sich mehr um das Reich, wobei er als Erfolg

54
Wimpina (1460-1531), der 1518 als einer der Hauptgegner nicht zuletzt deshalb eine dauerhafte Hegemonie im Reich
Martin Luthers bekannt wurde und zusammen mit J. Eck, errichten. So aber stellten sich die beiden führenden Ver-
J. Cochläus und J. Faber 1530 die «Confutatio» gegen die treter der Hohenzollern, die kurfürstlichen Brüder Joachim
«Confessio Augustana» verfasste. I. in Brandenburg und Albrecht II. von Mainz und Magde-
Auch Kurfürst Joachim I. Nestor befürwortete die notwen- burg (1490-1545) gegen Luther und seine Lehre. Joachim
dige Reform der Kirche, aber diese sollte nicht von unten, I. erkannte den lutherischen Vetter als weltlichen Herzog
sondern durch ein allgemeines Konzil erfolgen. Joachim I. von Preußen nicht an. Er wollte zusammen mit seinem
Nestor gehörte also noch zu den Gegnern Luthers, und sein Bruder Albrecht II. von Mainz die Anhänger des alten
Bruder Albrecht, Erzbischof und Kardinal von Mainz und Glaubens Zusammenhalten. Aus diesem Grunde kam es
Magdeburg, war derjenige, der den Ablassverkäufer Tetzel 1525 zwischen diesen beiden Hohenzollern und den Her-
auf den Weg schickte, dessen Treiben den Mönch in Wit- zögen Georg von Sachsen sowie Erich und Heinrich von
tenberg am 31. Oktober 1517 zum Anschlägen seiner 95 Braunschweig zum Dessauer Bündnis. Joachim I. trat 1530
Thesen veranlasste. auf dem Reichstag zu Augsburg als eifriger Verfechter der
Zwei weitere Ereignisse während der Regierungszeit katholischen Sache auf, unterstützte 1531 die Wahl von
Joachims I. hoben das Haus Hohenzollern zu noch grösse- Karls Bruder Ferdinand I. zum römischen König und
rer politischer Bedeutung empor: erstens wurde 1511 der schloss 1533 einen dem Schmalkaldischen Bund der Pro-
fränkische Vetter Albrecht, ein Sohn Friedrichs von Ans- testanten entgegengesetzten Bund zu Halle mit seinen Ver-
bach und dessen polnischer Gemahlin, zum letzten Hoch- bündeten von Dessau. Seine Frau allerdings, Kurfürstin
meister des Deutschen Ordens gewählt; zweitens wurde Elisabeth (1485-1555), eine dänische Prinzessin, mit der er
1523 das schlesische Herzogtum Jägerndorf durch Georg seit 1502 in unglücklicher Ehe verheiratet war, wandte sich
von Ansbach, der sich zuvor den Königen Wladislaw und vom katholischen Glauben, «dem gefärbten Gleissner-
Ludwig von Ungarn und Böhmen unentbehrlich gemacht werk» (Luther) ab und folgte damit ihrem Bruder Chris-
hatte, käuflich erworben. Dieser Kauf sollte für die spätere tian, der schon 1521 für ganz Dänemark die Lehre Luthers
preußische Geschichte in Schlesien noch eine wichtige angenommen hatte. Joachim 1. legte in seinem zornigen
Rolle spielen, denn 1537 schloss der Herzog von Liegnitz, Eifer den Landesbischöfen und Prälaten sogar die Frage
Brieg und Wohlau mit Kurfürst Joachim 11. Hektor einen vor, ob er die Kurfürstin zum Tode verurteilen solle. Diese
Erbverbrüderungsvertrag, den Kaiser Ferdinand 1., der entzog sich dem drohenden Kerker im März 1528 durch
1526 mit dem Königreich Böhmen auch die Oberhoheit Flucht auf kursächsisches Gebiet, wo sie in Torgau unter
über Schlesien gewonnen hatte, jedoch nicht anerkannte. dem Schutz des Kurfürsten lebte, bis ihre Söhne Joachim
1546 zwang er den Herzog von Liegnitz zum Widerruf des und Johann 1539 auch in Brandenburg die Reformation
Erbabkommens – ein Schritt, der später als Vorwand für einführten. Nachzutragen bleibt nur noch, dass Joachim I.
die Schlesischen Kriege Friedrichs II. diente. 1524 Brandenburg um die Grafschaft Ruppin erweiterte,
Mit der Einführung der Reformation im Jahre 1524 in den die ihm nach dem Aussterben der Grafen von Lindow als
fränkischen Landen der Hohenzollern und 1525 im säkula- erledigtes Lehen zufiel. Mit den pommerschen Herzögen
risierten Herzogtum Preußen spaltete sich das im Reich schloss er am 26. August 1529 den Vertrag von Grimnitz,
einflussreiche Haus Hohenzollern in Anhänger und Gegner in welchem er der Lehenshoheit entsagte, sich dafür aber
der Reformation auf. Müssig, Spekulationen anzustellen, das Nachfolgerecht der Hohen zollern im Falle des Aus-
wie wohl die deutsche Geschichte verlaufen wäre, hätte
sich damals das gesamte Haus Hohenzollern auf die Seite
der Reformation gestellt. Tatsächlich bezog unter den gros-
sen Dynastien des Reiches nur das Haus Habsburg eine
einheitliche Stellung in der Religionsfrage und konnte

Darstellung der Ablieferung des «Zehnten», dem zehnten Teil der


Ernte- und Tiererzeugnisse der Bauern an ihren Grundherrn (Holz-
schnitt aus Rodericus Zamorensis, Spiegel des menschlichen Lebens,
1479).

55
Die älteste Darstellung der Belehnung des hohenzollerschen Burg-
grafen Friedrich VI. von Nürnberg mit der Mark Brandenburg am 18.
April 1417 während des Konzils zu Konstanz durch Kaiser Sigis-
mund; nach der Chronik des Ulrich von Richenthal (Reichenthal),
der während des Konzils im städtischen Kanzleiwesen tätig war und
dessen Chronik nach Tagebuchnotizen und Akten nach Schluss des
Konzils, etwa in den Jahren 1418/19, entstanden ist (Universitätsbib-
liothek Prag).

In Tangermünde – im 14. Jahrhundert unter Kaiser Karl IV. branden-


burgische Residenz – wurde im 15. Jahrhundert (Ostflügel um 1430,
Südflügel um 1480) ein Rathaus gebaut, das als eines der bedeu-
tendsten Werke der märkischen Backsteingotik gilt (Aufnahme
1978).

56
Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Astronom aus dem deutschpolni-
schen Ermland, studierte in Krakau, Bologna, Rom, Padua und Fer-
rara, ehe er Sekretär des Bischofs von Ermland wurde (1506), als
Domherr in Frauenburg (ab 1512) diese Stadt gegen den Deutschen
Orden verteidigte (1521) und dann 1543 sein Hauptwerk «De revo-
lutionibus orbium coelestium» veröffentlichte (zeitgen. Kupferstich).

In diesem Dom in Frauenburg, der von 1329 bis 1388 erbaut wurde,
wirkte Nikolaus Kopernikus als Kanzler des Domkapitels von 1512
bis zu seinem Tod.

57
sterbens des Grafenhauses zuerkennen liess. Unter seine
beiden Söhne teilte er – entgegen dem Hausgesetz von
1473-1534 testamentarisch das Land auf: Joachim II. Hek-
tor (1535-1571) erhielt die Kurmark, Johann (Markgraf
von Küstrin) die Neumark.
Die lutherische Frömmigkeit der Mutter war den kurfürst-
lichen Söhnen natürlich weder verborgen noch trotz aller
Gegenmassnahmen bei ihnen ohne Wirkung geblieben.
Joachim II. sprach 1563 nach überstandener schwerer
Krankheit in einem Lebensrückblick von der Bedeutung
Luthers, den er 1519 kennengelernt hatte, für seine religi-
öse Entwicklung. Dabei stellte er fest, dass er der Kirche
zwar seinen Glauben verdanke, aber Luther die Erkennt-
nis, dass allein Gottes Sohn am Kreuze für die Menschheit
genug getan habe und «wir durch ihn und sonst nichts Sün-
denvergebung, ewiges Leben, Heiligkeit und Gerechtig-
keit empfangen» hätten. In Umkehrung der Verhältnisse
blieb allerdings seine polnische Gemahlin Hedwig der ka-

58
tholischen Kirche treu, ohne jedoch deshalb von ihm an-
gefeindet zu werden. Joachim II. erliess 1540 eine Kir-
chenordnung, die der lutherischen Rechtfertigungslehre
folgte und daher die Billigung des Reformators fand, wäh-
rend sie im äusserlichen Kult noch weitgehend auf dem
Boden des Katholizismus stand. Damit gelang es, die Ka-
tholiken mit der Neuordnung zu versöhnen. Selbst Kaiser
Karl V. (1516-1556) bestätigte 1541 diese Ordnung, wofür
der Kurfürst allerdings versprechen musste, um der Reli-
gion willen keine Bündnisse gegen den Kaiser einzugehen.
1542 war der brandenburgische reformierte Kurfürst sogar
Generalissimus der Kaiserlichen im Kriege gegen die Tür-
ken. Diplomatisch sehr geschickt bemühte er sich 1552
und 1555 zu Passau und Augsburg erfolgreich um eine
Vermittlung zwischen Katholiken und Protestanten.
Zu einer Gebietserweiterung ist es in der Kurmark unter
Joachim II. nicht gekommen, wohl aber hat er diese vor-
bereitet. Von der Erbverbrüderung mit dem schlesischen
Herzog Friedrich von Liegnitz war bereits die Rede. Wich-
tiger noch war der Erwerb des Anrechts an dem Herzog-
tum Preußen. Die Tatsache, dass er mit einer polnischen
Prinzessin verheiratet war, machten ihm die polnischen
Herrscher schon aus verwandtschaftlichen Gründen ge-
neigt, aber auch die Furcht vor Zar Iwan IV. spielte eine
Rolle, als am 19. Juli 1569 nach dem Tod Herzog Alb-
rechts (1568) Kurfürst Joachim II. durch den König von
Polen mit dem Herzogtum mitbelehnt wurde. Die wich-
tigsten politischen Berater Joachims II. waren die beiden biet echte Kinder ihrer Zeit. Nach dem Vorbild der italie-
Staatsmänner Eustachius von Schlieben aus Meissen und nischen Renaissance suchten sie in Lebensführung, Kunst
der Schneidersohn Lamprecht Distelmeyer (1522-1588) und Wissenschaft das Spätmittelalter zu überwinden, häu-
aus Kursachsen, dem namentlich die Mitbelehnung mit fig ohne Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten ih-
Preußen zu verdanken ist. rer Länder. König Friedrich II. hat später seine Vorfahren
Als Protestant viel entschiedener verhielt sich Joachims II. wegen ihrer Misswirtschaft getadelt: «Da aber die Fort-
Bruder Johann von Küstrin. Er erkannte das Interim des schritte Brandenburgs in Handel und Industrie nie im rech-
Reichstags zu Augsburg (1539) nicht an und geriet deshalb ten Verhältnis zu den Ausgaben standen, so blieb die Zu-
mit dem Kaiser in einen Gegensatz, der zur Reichsacht nahme und Quelle des Reichtums ein schwer zu lösendes
führte und Johann dazu bewog, Küstrin für alle Fälle mit Rätsel. Seit dem Jahr 1560 macht sich ein grosser Un-
Peitz zu starken Festungen auszubauen. Peitz als Enklave
in der Lausitz war, zusammen mit Cottbus, besonders be-
droht. Crossen schliesslich war für die spätere Geschichte
Preußens deshalb interessant, weil man von dort aus unter Kurfürst Joachim II. Hektor (1535-1571) – auf dem Gemälde aus der
Umgehung der kursächsischen Lausitz aus brandenburgi- Cranach-Schule als Prinz im 16. Lebensjahr dargestellt – führte in
schem Gebiet unmittelbar nach Schlesien kam. Brandenburg die Reformation ein.

Die Sitten der Zeit:


«eine Mischung von Wildheit und Prachtliebe» Links oben: Der Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim
I., Albrecht von Brandenburg, Erzbischof und Kardinal von Mainz
und Magdeburg (Kupferstich von Albrecht Dürer), war derjenige, der
den Ablassverkäufer Tetzel auf den Weg schickte, dessen Treiben
dann Martin Luther zum Anschlägen seiner 95 Thesen in Wittenberg
veranlasste.

Links unten: Eine Ablass-Urkunde, ausgestellt von 23 Kardinälen für


Die brandenburgischen Kurfürsten des 16. Jahrhunderts die Collegiatskirche St. Erasmi im Schloss zu Cölln an der Spree (aus
waren sowohl auf politischem als auch auf kulturellem Ge- dem Jahr 1512).

59
terschied in den Ausgaben der Kurfürsten bemerkbar. Als
Joachim II. sich zum Reichstag nach Frankfurt begab, hatte
er 68 Edelleute in seinem Gefolge und 452 Pferde in sei-
nem Tross. Als er von dieser Reise zurückkehrte, begann
man in Berlin hoch zu spielen. Vom Hofe drang diese
Mode in die Stadt, wo man sich genötigt sah, sie zu ver-
bieten, weil einige Bürger mehr als 1.000 Taler an einem
Spielabend verloren hatten». Und mit der ganzen Überheb-
lichkeit des aufgeklärten und kulturell überfeinerten 18.
Jahrhunderts fährt Friedrich II. fort: «Eine Mischung von
Wildheit und Prachtliebe beherrscht die Sitten jener Zeit.
Diese Eigentümlichkeiten erklären sich aus dem Drang des
Jahrhunderts, die Barbarei zu überwinden. In seiner Roheit
verwechselt es Zeremonien und Sittenfeinheit, Prunk mit
Würde, Ausschweifung mit Vergnügen, Schulgelehrsam-
keit mit Wissen und die groben Plattheiten der Possenreis-
ser mit geistreichem Witz.» Tatsächlich war schon im ers-
ten Jahrhundert der Regentschaft der Hohenzollern die-
selbe für das märkische Land eine steigende Belastung ge-
wesen. Die «ausserordentliche Rede», eine freilich nicht
allzu hohe regelmässige Vermögenssteuer des 13. bis 17.
Jahrhunderts, die als Grund-, Gebäude- oder Viehsteuer
praktisch nur Bürger und Bauern traf, der Tonnenzoll, das
Biergeld, der Weinzoll, die die Fürsten sich von den Land-
tagen bewilligen liessen, hatten alle nur dazu gedient, die

60
steigenden Schulden der Herrscher zu decken. Meist hat- hauptmanns, offiziell vor dem Volk zu seiner Konkubine
ten sie dazu nicht ausgereicht, nicht bei Joachim 1. und erst und verpflichtete schon zehn Jahre vor seinem Tod seinen
recht nicht bei Joachim II. Schon fünf Jahre nach seinem Sohn zu dem Eid, dass er «mit der Hand und mit dem
Regierungsantritt mussten die Stände eine Million Gulden Munde gelobe, die liebe und treue Anna Sydow in seinen
für ihn abzahlen, wofür sie sich grosse Teile der Steuerein- sonderlichen Schirm zu nehmen, falls Herr Joachim der-
nahmen als Gegenleistung sicherten. Bald hatten die einst verstorben sein würde». Solche Sitten waren ganz
Stände die ganze Finanzverwaltung in der Hand, und der und gar nicht im Sinne der neuen lutherischen Lehre, wes-
Kurfürst stand, was seine regelmässigen Einnahmen be- halb 1571 beim Tode von Kurfürst Joachim II. der Hofpre-
traf, völlig unter ihrer Kuratel. Die Deckung des fürstli- diger Andreas Muskulus in seiner Leichenrede betonte:
chen Aufwands durch Kredite und deren Übernahme durch «Dass wir aber solche Hoffnung von unserem Landesfürs-
die Stände bildete bis ins Barockzeitalter die übliche Form ten (dass er nämlich in den Himmel eingegangen sei) nicht
der Staatsfinanzierung, und dies nicht nur in Brandenburg. in einem blossen Wahn haben und nicht mit vermischtem
Die Herren machten weiterhin Schulden, immer seltsa- Zweifel, etwas und ungewiss, sondern in gewisser und un-
mere Blüten trieb der Luxus, und die Bürger in den aufblü- gezweifelter Hoffnung, müssen wir unsere Augen und Ge-
henden Städten taten es ihnen nach Kräften gleich. Kur- danken von ihrer kurfürstlichen Gnaden menschlicher
fürst Joachim II. erliess sogar 1551 eine Luxusordnung, Schwachheit und Gebrechlichkeit, von ihrer Gnaden Le-
die genau regelte, wieviel dem Bürger für seine Kleidung ben und Wandel, darin viel Sträfliches und Sündliches ge-
und seine Feste auszugeben erlaubt werde. Dazu kam ein wesen, abwenden und allein nach dem Worte des Lebens
Niedergang der Moral. Die Liebschaften sowohl Joachims uns richten, welches allein die Toten lebendig und die Sün-
Lais auch Joachims II. wurden in aller Öffentlichkeit be- der gerecht machen kann».
sprochen. Joachim I. liess seine Katharina Hornung auf ei- Was Friedrich II. später allgemein über die «Sitten jener
ner Reise nach Breslau 1527 noch in Männerkleidung mit- Zeit» notierte, war für den Hofprediger Muskulus in der
fahren, aber Joachim II. erhob Anna Sydow, die «schöne schon genannten Totenpredigt ein Anlass, mit handfesten
Giesserin», Witwe eines Kanonengiessers und Artillerie Worten gegen jene zu wettern, die das Evangelium «miss-
verstanden und missbrauchten», indem sie auf Erden lustig
drauflos sündigten: «Diese Säue müssen wir im Kot liegen
lassen, weil sie daraus nicht zu erheben, und nach ihren an-
geborenen Lüste und Begierden lieber im Kot und Unflat
sich beharrlich und ungehindert sudeln, wälzen und sich
baden, als im reinen Wasser, und lieber sitzen im Kot und
stinkenden Pfühlen als auf sammetnen und seidenen Kis-
sen. Und eben solche epikureische Säue sollen sich auch
dieser unserer Predigt nicht annehmen, noch anmassen.
Tun sie es aber, so sind wir entschuldigt. Sie aber sollen
ihre verdient Schwefel und Pech auf ihrem Kopf behalten
. . .»

Links oben: Titelblatt der von Kurfürst Joachim II. 1540 erlassenen
Kirchenordnung für Brandenburg, die vom ersten Berliner Buchdru-
cker, Johann Weiss, gedruckt wurde und die Billigung Luthers fand.

Links unten: Bisher unveröffentlicht ist dieser Brief der vier Refor-
matoren Luther, Bugenhagen, Camerarius und Melanchthon (im Bild
rechts die vier Unterschriften) an den Markgrafen Albrecht von Kur-
sachsen, datiert vom 8. Oktober 1543 (aus dem StA Königsberg, Geh.
Staatsarchiv Berlin).

Zeichnung von Lucas Cranach d. J. (1515-1586), die den branden-


burgischen Kurfürsten Joachim II. Hektor im Alter von 65 Jahren
zeigt, zwei Jahre nachdem er 1568 durch den König von Polen nach
dem Tode des Herzogs Albrecht in Preußen mit dessen Herzogtum
mitbelehnt wurde.

61
Dieser Einblattdruck aus Leopold Thurneyssers Offizin im Grauen Auch unter Kurfürst Johann Georg (1571-1598) sollte – so
Kloster zu Berlin zeigt die auf Befehl des Kurfürsten Johann Georg
schien es – zunächst das luxuriöse Hofleben munter wei-
(1571-1598) erfolgte Hinrichtung des jüdischen Hoffinanziers Lip-
pold am 28. Januar 1573 in Berlin, der der Zauberei und Hexerei und tergehen, denn er liess seinem Vater ein Staatsbegräbnis
des Mordes an Kurfürst Joachim II. beschuldigt worden war. Lip- von solchem Prunk und Pomp zuteil werden, wie es Bran-
polds Hinrichtung durch Vierteilung mit der Axt gab das Signal zu denburg bisher noch nie gesehen hatte. Dann aber brach
einer bis dahin in Brandenburg nicht gekannten Judenverfolgung.
der neue Kurfürst radikal mit den Bräuchen seiner Vorfah-
ren und fiel in das andere Extrem – das eines knauserigen
Moralisten. Entgegen seinem Eid gegenüber dem Vater
liess er dessen Konkubine Anna Sydow in Spandau ein-
sperren, wo sie 1577 nach mehrjähriger Haft starb. Gleich-
Medaillon-Bild des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg mit zeitig jagte er mit Ausnahme des Kanzlers Distelmeyer
seiner Gemahlin Elisabeth. alle Ratgeber Joachims II. mit Schimpf und Schande aus-
dem kurfürstlichen Dienst. Kaufleute, die diesen gegen
Wucherzinsen mit Geld versorgt hatten, liess er bis zum
Ruin gerichtlich verfolgen. Ganz besonders hatte er es auf
des Vaters Hauptratgeber, den jüdischen Finanzier Lip-
pold abgesehen. Als diesem keine geschäftlichen Unregel-
mässigkeiten nachzuweisen waren, liess er ihn wegen an-
geblicher Vergiftung des kurfürstlichen Vaters, wegen
Zauberei und Hexerei zum Tode durch Vierteilung mit der
Axt verurteilen und gab damit das Signal zu einer bis dahin
in Brandenburg nicht gekannten Judenverfolgung. Erst
hundert Jahre später wurden die Juden in der Mark wieder
heimisch. Darüber hinaus aber kümmerte er sich mit Er-
folg um die Sanierung der Staatsfinanzen, den Landfrieden
und den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, soweit
die einzelnen Massnahmen keine oder geringe Kosten ver-
ursachten. Trotzdem hatte noch sein Nachfolger an den
Schulden der Vorfahren zu tragen.

62
Die Residenzstadt Berlin:
«Grosse Gebäude, welche die Stadt sonderlich helfen
zieren»

Diese Zeit der radikalen Umkehr unter Johann Georg


nutzte Berlins damaliger Bürgermeister Johann Blanken-
felde zur Verwirklichung seines Projekts einer Wasserlei-
tung aus Holz für die Stadt (1572), um deren Lebensbedin-
gungen zu verbessern. Und Berlin lernte seinen ersten
Grossunternehmer kennen, das Universalgenie Leonhard
Thurneysser zum Thurn (1531-1596), den der Kurfürst aus
Basel nach Berlin kommen liess, um die schwerkranke
Kurfürstin zu heilen. Aber bald wurde er nicht nur als kur-
fürstlicher Leibarzt berühmt, sondern auch als Gold-
schmied, Kupferstecher und Drucker, zog von Berlin aus
durch fremde Länder (Spanien, Portugal, Marokko, Ägyp-
ten und Äthiopien), schrieb darüber Berichte, brachte Heil-
kräuter und Medikamente nach Brandenburg und liess un-
ter seiner Leitung Glashütten entstehen, die farbiges Glas
für Kirchenfenster und Trinkgläser herstellten. Seine
Schönheitspräparate waren an allen Fürstenhöfen Europas
bei den Damen sehr gefragt. Für das wachsende Ansehen
Berlins sind im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert noch
weitere Namen interessanter Zeitgenossen Thurneyssers
zu nennen: aus Wittenberg wanderte Berlins erster Dru-
cker, Hans Weiss, ein; der Landschaftsarchitekt Corbia-
Leonhard Thurneysser zum Thurn (um 1531-1596), ein Arzt und Al-
nus, der 1573 vom Kurfürsten beauftragt wurde, neben
chimist aus Basel, war Leibarzt des Kurfürsten Johann Georg von
dem Stadtschloss von Kaspar Theyss einen neuen Lustgar- Brandenburg und gründete in Berlin ein Laboratorium, einen Tier-
ten anzulegen, «daraus wir allerley unser küchen notturfft garten, Handelsunternehmungen und eine Druckerei (Holzschnitt
haben mugen»; der bereits genannte kurfürstliche Kanzler von Peter Hille nach einer Zeichnung von Franz Friedrich, 1578).
Lamprecht Distelmeyer war entscheidend am Bau von
Berlins erstem Gymnasium, dem «Grauen Kloster», betei-
ligt (1574); Thurneysser inspirierte mit seiner Druckerei Der zunehmende Wohlstand von Adel und Bürgertum liess
schliesslich den Postmeister Christoph Frischmann, im Kurfürst Joachim Friedrich (1598-1608) am 19. August
Jahre 1617 die erste Zeitung Berlins herauszugeben. 1600 ein Gesetz herausgeben, mit dem das Herausstellen
Überhaupt gewann Berlin Anfang des 17. Jahrhunderts übermässiger Pracht an «Perlen, güldenen Ketten, Arm-
auch städtebaulich an Profil. Zwischen dem Berliner Stadt- bändern, Ringen, Silbergeschirren, Sammet, Seidenge-
schloss und dem Cöllnischen Markt wurde die Breite wand, Gesticken, Zobel und Marder» eingeschränkt wer-
Strasse gebaut. An dieser Strasse entstanden die ersten den sollte. Aber dieses Gesetz hatte offenbar wenig Erfolg,
Bürgerhäuser, so auch das heute noch als Nr. 35 zu besich- denn 1604 notierte der Berliner Stadtrat dazu: «Seint übel
tigende älteste Haus Berlins, das Ribbeckhaus, vermutlich damit aufgelauffen, undt ist nichts ad effectum kommen».
von Balthasar Benzeitaus Dresden für Hans Georg von
Ribbeck und seine Frau Katharina Brösicke 1624 erbaut.
Weitere aufwendige Häuserfronten entstanden, wie ein
Besucher notierte: «sonderlichen die von Adel und des Personalunion Brandenburg-Preußen und die Jülich-
Kurfürsten Hofleute neben den vornehmsten von der Bür- Klevesche Erbfolge: das vorweggenommene Königreich
gerschaft und Richtern schöne Palatia und grosse Gebäude
besitzen, welche die Stadt sonderlich helfen zieren». Im Jahre 1618 zählte man in Berlin rund 20.000 Einwoh-
ner. Es war ein wichtiges Jahr für Berlin und Brandenburg,
denn es brachte durch Erbanfall die Personalunion zwi-
schen der Mark Brandenburg und dem Herzogtum Preu-
ßen. Unter Herzog Albrecht, einem der hervorragendsten

63
Fürsten zwischen Mittelalter und Neuzeit, hatte sich dieses Kirchspiele entstanden. Ohne Kriegseinwirkungen, jedoch
bis 1568 zu einem für das Reich und Polen bedeutsamen von der Misswirtschaft der Stände zeitweilig bedrückt, ent-
Staatsgebilde entwickelt Neue Kolonisations-Ansätze be- wickelte sich das Herzogtum bis zur Mitte des 17. Jahrhun-
schleunigten die Erschliessung des Landes: böhmische und derts in ruhigen Bahnen. Selbst die Personalunion mit
holländische Glaubensvertriebene fanden im westlichen Brandenburg beeinträchtigte das Leben der neuen und al-
Teil Preußens Zuflucht, und in die südlichen Teile wander- ten Siedler in Preußen wenig, und auch von den Stürmen
ten masowische Edelleute und Bauern ein, die dem Druck des Dreissigjährigen Krieges blieb das Herzogtum ver-
der polnischen Gegenreformation wichen. Aus den glei- schont. In dieser Epoche des Ständewesens entstand in
chen Gründen kamen im Nordosten Preußens litauische Preußen ein Staat, der sich in seinem Aufbau von anderen
Siedler ins Land, aber auch deutsche Bauern siedelten sich deutschen Staaten nur dadurch unterschied, dass der Ober-
neu an, vor allem in den Kreisen Insterburg und Anger- lehnsherr nicht der Kaiser, sondern der Polenkönig war.
burg. Sie gründeten mehrere Städte (z.B. Lyck und Tilsit), Von 1568 bis 1618 regierte nominell Herzog Albrecht
und um 1550 waren in Preußen zwanzig neue evangelische Friedrich, einziger Sohn Albrechts von Brandenburg.

64
v'rH'
Aber schon 1577 ernannte der polnische König, veranlasst
durch die Geisteskrankheit Albrecht Friedrichs, den frän-
kischen Vetter Georg Friedrich zum Regenten in Preußen.
Dieser Vetter hatte keine Söhne, also war als nächster Erbe
– durch die Mitbelehnung Joachims II. sowie seines Soh-
nes Johann Georg und dessen Nachfolger – Kurbranden-
burg an der Reihe. Um dieses Erbrecht noch besser abzu-
sichern, verlobte Kurfürst Johann Georg seinen Enkel Jo-
hann Sigismund im Jahre 1591 mit Anna, der Tochter des
geisteskranken Albrecht Friedrich und dessen Gemahlin,
Herzogin Marie Eleonore von Kleve. Die Brandenburger
schlugen damit zwei Fliegen mit einer Klappe, denn neben

Links: Der älteste Backsteinbau Ost- und Westpreußens ist die Kir-
che der Zisterzienserabtei von Oliva bei Danzig, die vom 13. bis zum
18. Jahrhundert mehrmals umgebaut wurde; im Bild das 1594 voll-
endete Sommerrefektorium der Abtei (Aufnahme um 1930).

Oben: Urkunde zur Stadtrecht-Verleihung nach kulmischem Recht


für die ostpreußische Stadt Angerburg vom 4. April 1571; in der
Mitte der Urkunde das Wappenbild der Stadt.

Rechts: Marie Eleonore von Kleve, als Gemahlin des später geistes-
kranken Herzogs Albrecht Friedrich Herzogin in Preußen (Kupfer-
stich um 1600), brachte das Erbrecht an Kleve nach Brandenburg;
ihre Tochter Anna wurde bereits 1594 mit dem späteren Kurfürsten
Johann Sigismund, einem Enkel von Kurfürst Johann Georg von
Brandenburg, in Königsberg verheiratet.

65
der Sicherung des Herzogtums Preußen für Brandenburg 1611 Johann Sigismund für den Fall des Todes seines
kam dadurch auch noch das mit Herzogin Marie Eleonore Schwiegervaters die Belehnung mit dem Herzogtum be-
verbundene Erbrecht auf die Jülich-Kleveschen Lande am kam. Erst 1618 war es dann endgültig soweit: der geistes-
Niederrhein und Westfalen ins Haus. 1594 wurde Johann kranke Herzog Albrecht Friedrich starb in Königsberg,
Sigismund in Königsberg mit Anna von Preußen verheira- problemlos ging das bereits seit dreizehn Jahren von den
tet, und 1599 schloss Kurfürst Joachim Friedrich mit dem Brandenburgern regierte Preußen an das Kurfürstentum
Regenten Georg Friedrich in Preußen den «Geraischen Brandenburg über – allerdings immer noch unter polni-
Vergleich». Dieser legte die Unteilbarkeit des Kurfürsten- scher Lehenshoheit.
tums und den Zufall des Herzogtums Preußens sowie des Die Landerwerbung im Westen, am Niederrhein und in
Fürstentums Jägerndorf in Schlesien an den jeweils regie- Westfalen, war 1609 mit dem Tod des letzten Herzogs von
renden Kurfürsten erneut fest. Kaiser Rudolf II. jedoch Kleve bereits eingeleitet und 1614 nach langwierigem Erb-
verweigerte seine lehensherrliche Zustimmung. Er zog so- streit zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg entschie-
gar später im Dreissigjährigen Krieg dem als Gegner ge- den worden: den Brandenburgern wurden die Landschaf-
ächteten Kurfürsten das Fürstentum Jägerndorf einfach ten Kleve, Mark und Ravensberg im Xantener Vergleich
ein. Damit legte er den Grundstein für das spätere Vorge- zugesprochen. Im Zuge der Jülich-Kleveschen Erbfolge
hen des Preußenkönigs Friedrich II. gegen Österreich. erfolgte auch der Übertritt des Kurfürsten Johann Sigis-
Als der fränkische Regent Georg Friedrich 1603 starb, ge- mund zum Calvinismus. Damit brachte er sich in Gegen-
wann Kurfürst Joachim Friedrich im Jahre 1605 nach län- satz zu den Lutheranern in Brandenburg und Preußen.
geren Verhandlungen und einer Barzahlung von 300.000 Diese geistig-religiöse Auseinandersetzung hielt noch
Gulden an den Polenkönig als «Administrator» die Regent- lange Jahrzehnte an.
schaft in Preußen, was die unmittelbare Verwaltung Preu- Nach diesen beiden für das spätere Preußen so bedeutsa-
ßens durch die Brandenburger bedeutete. 1609 starb Kur- men Landerwerbungen durch Erbschaft erstreckte sich der
fürst Joachim Friedrich, und nun fiel seinem Sohn Johann Herrschaftsbereich des Kurfürsten Johann Sigismund von
Sigismund (1608-1619), dem Gemahl der Tochter des Brandenburg vom Rhein bis zur Memel. Allerdings war
Preußenherzogs, die Vormundschaft über Preußen für den sein Staatsgebiet – im Unterschied zu anderen deutschen
kranken Herzog zu. In den folgenden zwei Jahren gab es Staaten – nicht an einen einheitlichen Volksstamm gebun-
erneut grosse Widerstände in Polen zu überwinden, bis den. Es war eigentlich schon ein vorweggenommenes
Klein-Deutschland und liess bereits 1618 das spätere Kö-
nigreich Preußen ahnen.

Oben: Dieser Fries mit Darstellungen des bürgerlichen Lebens im 16. Philipp II. von Pommern (1573-1618) hergestellt wurde, dann durch
Jahrhundert findet sich noch heute an einem alten Bürgerhaus in Vermächtnis ab 1681 an die Kurfürstin Dorothea von Brandenburg
Danzig (Gdansk). nach Berlin kam. Von dem architektonisch aufgebauten und reich mit
Silber verzierten Kabinettschrank, darstellend den «Triumph der
Rechts oben: Der Holzschnitt aus dem Jahr 1617 zeigt den Langen Kultur», eine der glanzvollsten Schöpfungen des deutschen Kunst-
Markt, den ältesten Stadtkern von Danzig; in der Mitte des Bildes der handwerks, wurde 1945 nur noch der Inhalt gerettet, das Gehäuse
Rathausturm, rechts daneben der Artushof, im Hintergrund das Lang- (Ebenholz mit Ahorn, Palisander und Rosenholz) verbrannte. Im Bild
gasser Tor und der Gefangenenturm. ein Tafelbild aus dem Schrank, das dessen Übergabe 1617 in Stettin
an den Pommern-Herzog zeigt.
Rechts unten: Im Berliner Kunstgewerbemusum befand sich seit
1876 der Pommersche Kunstschrank, der um 1600 unter Leitung des
Augsburger Patriziers Philipp Hainhofer (1578-1647) für Herzog

66
IV. Auf dem Weg zur europäischen Grossmacht: Absolutis-
mus, Barock und die Anfänge der Aufklärung in Preußen

Von 1618 bis 1713

Die Ausweitung des kurfürstlich-brandenburgischen Herr- Brandenburg im Dreissigjährigen Krieg


schaftbereiches vom Rhein bis zur Memel im Jahre 1618,
eine Folge der Heiratspolitik seiner Kurfürsten im 16. Jahr- Im preußischen Osten und in den niederrheinischen Her-
hundert, war für die Herrscher in der Mark keineswegs zogtümern hatten die Brandenburger noch nicht einmal die
gleichbedeutend mit einem gesicherten Machtzuwachs; Grundlagen für ihre kurfürstliche Herrschaft schaffen kön-
wie das etwa bei einer reinen Arrondierung des Herr- nen, als der grosse Glaubenskrieg losbrach. Die katholi-
schaftsgebiets der Fall gewesen wäre. Im Gegenteil:-die schen Räte in Wien hatten schon 1609 in einem Gutachten
Erbschaften am Rhein und in Westfalen sowie die Nach- zum Ausdruck gebracht, wie sie zur damals noch nicht
folge im Herzogtum Preußen brachte das junge branden- pölitisch wirksam gewordenen Vergrösserung Branden-
burgisch-preußische Staatsgebilde schon in seinen Anfän- burgs standen: «Alles ketzerische Geschmeiss in- und aus-
gen in grösste Gefahr, denn der durch grosse Entfernungen serhalb dem Reiche warte nur auf die neuen Vergrösserun-
getrennte Streubesitz war militärisch kaum zu verteidigen. gen des Hauses Brandenburg, um dann unter seinen Schutz
Auch wurde Brandenburg dadurch sofort in die europäi- gegen den Kaiser zu gehen. Man müsse es niederwerfen,
schen und weltpolitischen Spannungen hineingezogen, die solange seine Vergrösserung noch ein ungefasstes Werk
zum bis dahin verheerendsten Krieg der Geschichte führ- und angehende Sach sei». Schneller als die Kaiserlichen
ten. ohnehin befürchtet hatten, war die Vergrösserung gekom-

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Kurfürst Georg Wilhelm (1619-1640) suchte Brandenburg und Preu-
ßen durch unparteiische Haltung aus dem Geschehen des Dreissig-
jährigen Krieges herauszuhalten, was ihm aber nicht gelang.
Links: Karikatur auf den Dreissigjährigen Krieg in Deutschland:
«Die Völker sind eine Geige, auf der die Fürsten jeden Tag eine an-
dere Melodie spielen» (zeitgenöss. Holzstich).

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Nach dem Treffen von Steinau nahm Wallenstein im Jahre 1633 Rechts oben: Auch das Land Preußen, seit 1618 in Personalunion zu
Frankfurt a. d. Oder (Kupferstich von M. Merian vom selben Jahr Brandenburg gehörend, litt unter den Kriegsfolgen der schwedischen
aus «Theatrum Europaeum») in Besitz. Brandenburg wurde von al- Einfälle; im Bild ein Kupferstich Merians von Preußens Hauptstadt
len kriegführenden Parteien gebrandschatzt und ausgeplündert und Königsberg aus dem Jahr 1652.
war am Ende des Krieges verödet und verarmt.

Unten: Schliesslich verband sich Kurfürst Georg Wilhelm 1631


mit seinem Schwager, dem Schwedenkönig Gustav VI. Adolf und Rechts unten: Der Stadtplan von Berlin und Cölln an der Spree
dem Kurfürsten von Sachsen zum «Schwedischen Bund» (zeit- aus dem Jahr 1652 (aus Merians «Topographia Germaniae Bran-
genöss. Flugblatt). denburg-Pommern»),

men, und offenbar fühlte Kurfürst Johann Sigismund,


krank und übergewichtig, dass er nicht mehr die Kraft
hatte, dem drohenden Sturm zu widerstehen, als er 1619
die Regierung Brandenburgs in die Hände seines Sohnes
Georg Wilhelm legte.
Auch Kurfürst Georg Wilhelm (1619-1640) war nicht der
Herrscher, den Brandenburg in diesem Glaubenskrieg ge-
braucht hätte. Kränklich und immer bemüht, Konflikten
auszuweichen, erwies er sich als eines der schwächsten
Glieder des Hauses Hohenzollern.
Zuerst versuchte er, das Land durch Neutralität aus dem
Kriegsgeschehen herauszuhalten, musste sich dann aber
bald gezwungenermassen mal auf schwedischer Seite ge-
gen den Kaiser, dann mit den Kaiserlichen gegen die
Schweden wenden, was das Land und seine Bevölkerung
immer tiefer in den mörderischen Strudel des Dreissigjäh-
rigen Krieges zog. Elend, Not und Tod kamen über die
brandenburgischen Lande.
Der Wahlspruch, nach dem Georg Wilhelm handelte, lau-

70
71
tete: «Was geht mich die gemeine Sache (der Reformier- staaten. Denn im Dreissigjährigen Krieg wurden die
ten) an, wenn ich all meine Ehre und zeitliche Wohlfahrt Grundlagen geschaffen für den späteren Militärstaat Preu-
verlieren soll?» Doch angesichts der geographischen Lage ßen. Aus dem völligen Versagen der Truppen Georg Wil-
Brandenburgs und der militärischen Ohnmacht seines Kur- helms entstand nach schwedischem Vorbild die neue kur-
fürsten machte die konzeptionslose Schaukelpolitik Georg fürstlich-brandenburgische Armee, das erste stehende
Wilhelms das Land zu einem Spielball der Grossmächte. Heer Deutschlands, ein Instrument des fürstlichen Absolu-
Von den Kaiserlichen gebrandschatzt, von den Schweden tismus, das sich bis zum Auftreten der französischen Re-
ausgeplündert, hatte die Mark Brandenburg wie kein ande- volutionstruppen jeder europäischen Armee überlegen
res deutsches Land unter dem Dreissigjährigen Krieg zu zeigte.
leiden. Am Ende des Ringens glich sie einer Wüste, verö-
det und verarmt. Dörfer und Städte waren entvölkert, Ber-
lin zerstört, das Gewerbe lag darnieder, die Einwohnerzahl «Die Karre ist so tief in den Kot geschoben . . ,»:
der Mark war von 600.000 auf 210.000 Menschen gesun- Berlin um 1650
ken. Nach dem Zeugnis des schwedischen Kanzlers
Oxenstjerna, der nach dem Tod des Schwedenkönigs bei Aus den schlechten Erfahrungen mit den angeworbenen
Lützen (1632) dessen Politik in Deutschland fortführte, Landsknechtshaufen klug geworden, entwickelte man eine
war Brandenburg-Preußen «so leergegessen, dass, wenn ir- Armee von langdienenden Söldnern, geführt von Berufs-
gendeine Heeresmacht sich dort sammeln sollte, sie keines offizieren, dessen Führung in der Kunst bestand, «mög-
anderen Feindes bedürfte als des Hungers». lichst viel Futter für Pulver möglichst sicher an die Fahne
Aber auch das habsburgische Kaisertum war in dieser Aus- zu fesseln» (Franz Mehring). Das neue brandenburgische
einandersetzung an dem Versuch, wieder zu vereinigen, Heer entstand in der Endphase des Dreissigjährigen Krie-
was die politische, religiöse und ökonomische Entwick- ges, um Brandenburg, offiziell noch auf Seiten des Kaisers
lung in Deutschland zerrissen hatte, gescheitert. Ausge- kriegführend, tatsächlich aber seit dem Waffenstillstand
rechnet in dem kleinen brandenburg-preußischen Staat er-
wuchs den Habsburgern in der Folgezeit ein Gegner, der
ihnen bald gefährlicher wurde als Frankreich und Schwe-
den – die ausländischen Verbündeten der deutschen Klein-
Stich von der Stadt Magdeburg um das Jahr 1650 (von G. Boden),
neunzehn Jahre nach der Eroberung durch die Kaiserlichen unter
Tilly, als die Stadt in Flammen aufgegangen war.

72
von Stührndorf neutral, in den bevorstehenden Friedens-
verhandlungen mehr diplomatisches Gewicht zu verleihen.
Da die Schweden wesentliche Stützpunkte in Brandenburg
besetzt hielten, konzentrierten sich die ersten Rekrutierun-
gen 1644 auf die niederrheinischen Besitzungen. Die Trup-
pen wurden in einzelne Regimenter aufgeteilt, die zur
Mannschaftsergänzung und Verpflegung an die Landkrei-
se, die «Kantone», überwiesen wurden. Die Soldaten lagen
bei Bauern und Bürgern im Quartier und unterlagen einer
eisernen Disziplin, die von einem geschulten, nur dem
Kurfürsten verantwortlichen Offizierskorps aufrechterhal-
ten wurde. Letzteres sollte sich aus dem einheimischen
Adel rekrutieren. Zur Heranbildung eines zuverlässigen
Offiziersnachwuchses richtete der Kurfürst nach französi-
schem Vorbild eine Kadettenanstalt ein. Regelmässige Be-
sprechungen mit den ranghöchsten Offizieren wurden zur
festen Einrichtung und bildeten die Grundlage des späteren
preußischen Generalstabs. Durch diese Massnahmen
machte sich Friedrich Wilhelm in seiner Militärpolitik von
den Ständen unabhängig, war jedoch auf ausländische
Subsidiengelder angewiesen.

Als Kurfürst Georg Wilhelm am 1. Dezember 1640 im Al-


ter von 46 Jahren im fernen Königsberg an der Wasser-
sucht starb und der zwanzigjährige Nachfolger Friedrich
Wilhelm (1640-1688) sein Erbe antrat, herrschte sowohl in
der Mark als auch in den Erblanden im Westen und Osten
das absolute Chaos: in der Mark hausten immer noch die
Schweden, die Länder der klevischen Erbschaft waren von
Spaniern und Holländern besetzt und geplündert. Preußen
litt noch unter den Kriegsfolgen der schwedischen Ein-
fälle. In Berlin war der neue Statthalter des jungen Kur-
fürsten, Markgraf Ernst, der Situation, die er dort antraf,
nicht gewachsen. Bevor er in geistige Umnachtung fiel –
Das Bistum Halberstadt – im Bild der 1230 spätromanisch begon-
im leeren, zerschossenen Cöllner Stadtschloss, von den
nene und dann gotisch weitergeführte Stefansdom in Halberstadt –
Dienern verlassen, die er nicht bezahlen und verpflegen kam durch den Westfälischen Frieden 1648 mit seinem Territorium
konnte – schrieb er nach Königsberg an Friedrich Wil- an Brandenburg-Preußen.
helm: «Die Karre ist in Berlin so tief in den Kot geschoben,
dass sie ohne sonderbaren Beistand des Allerhöchsten bald zum Handeln, um sein Erbe zu retten und zu bewah-
nicht leichtlich werde herausgeschleppt werden.» Dies al- ren. «Es wäre um Brandenburg geschehen gewesen, wenn
les liess keineswegs erwarten, dass der neue Kurfürst, der Friedrich Wilhelm nicht den festen Entschluss gehabt
1643 zum ersten Mal nach Berlin kam und 1650 in das hätte, es wiederherzustellen», schrieb hundert Jahre später
Schloss an der Spree einzog, einmal mit dem Beinamen König Friedrich II.
«der Grosse» geschmückt werden sollte. Er selbst beur-
teilte später die Lage bei seinem Amtsantritt so: «Auf der
einen Seite hatte ich den Schweden, auf der anderen den Das Mögliche in unmöglichen Situationen tun: Kurfürst
Kaiser. Ich sitze zwischen ihnen und warte, was sie mit mir Friedrich Wilhelm
anfangen: ob sie mir das Meinige lassen oder nehmen wol-
len.» Diese traurige politische Situation zwang ihn jedoch Am Missverhältnis zwischen Wollen und Können, an der
Ratlosigkeit, die sich daraus ergab, war Kurfürst Georg
Wilhelm, sein Vater, gescheitert. Auch die Politik Fried-
rich Wilhelms und selbst die seines Sohnes, des ersten Kö-
nigs in Preußen, war noch zu einem guten Teil von diesem

73
Kurfürst Friedrich Wilhelm mit seiner Gemahlin Luise Henriette
und ihren drei Söhnen Karl Emil, Friedrich und Ludwig; Gemäl-
de von Jan Mijitens (Ausschnitt).

Wesel am Niederrhein – hier das von Jean de Bodt zwischen


1718 und 1722 erbaute Berliner Tor – kam 1673 zu Brandenburg-
Preußen.

Rechts: Die Stadt Magdeburg – im Bild das Mittelschiff des Mag-


deburger Doms aus dem 13. Jahrhundert, der 1631 von den Flam-
men verschont blieb – musste 1666 dem Kurfürsten Friedrich
Wilhelm von Brandenburg huldigen und wurde dann zwischen
1679 und 1740 zur stärksten preußischen Festung ausgebaut.

74
Missverhältnis geprägt. Doch Tatkraft und ein gesunder Voraussetzung für seine politische Beweglichkeit war der
politischer Instinkt für das Mögliche in unmöglichen Situ- bereits geschilderte Ausbau der kurfürstlich-brandenburgi-
ationen liessen Friedrich Wilhelm mit den Widrigkeiten schen Armee zum ersten stehenden Heer Deutschlands, das
der politischen Lage in seiner Regierungszeit so gutfertig- er auf sich vereidigte. Das Geld dazu holte er sich aus Steu-
werden, dass er nach achtundvierzig Jahren das kleine ern und vor allem aus reichlichen französischen Subsidien.
Wunder vollbrachte, den brandenburg-preußischen Staat Um 1656 hatte er 18.000 gut ausgebildete Soldaten ständig
nicht nur vollständig wiederherzustellen, sondern auch unter Waffen. Mit diesem mächtigen Druckmittel im Rü-
nach allen Richtungen abzusichern und auszubauen. Wenn cken gelang ihm eine allgemeine Steuerreform, durch die
seine Politik anfangs auch verzweifelt und abenteuerlich Unterschiede in den Besteuerungssystemen der Länder
erschien und man an den Fürstenhöfen Europas über das Brandenburg-Preußens weitgehend beseitigt wurden und
«politische Wechselfieber» des Brandenburgers spottete, die ihn von den Steuerbewilligungen der Stände nahezu
so hielt Kurfürst Friedrich Wilhelm sich doch an die poli-
tische Weisheit des Staatsmannes Richelieu (1585-1642):
«Für die kleinen Fürsten gibt es nichts Gewöhnlicheres, als
Drei Jahre nach dem Frieden von Oliva, mit dem Preußen volle Sou-
im Zuge der Welthändel ihrem Vorteil zu folgen, nach Ge- veränität erlangte, fand am 18. Oktober 1663 in Preußens Residenz
legenheit der Zeit Partei zu ergreifen, ihre Allianzen zu Königsberg für Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg als sou-
wechseln, wenn sie wenig Glück bringen.» Neben Frank- veränem Herrscher vor dem Schloss die Erbhuldigung statt (zeitge-
nöss. Kupferstich aus «Altes und neues Preußen», hrsg. v. Christoph
reich, Österreich und Schweden war Friedrich Wilhelm da- Hartknoch).
mals noch ein «kleiner Fürst» und er «ergriff nach Gele-
genheit der Zeit» die Partei, die ihm und Brandenburg Vor- Rechts: Schloss Oranienburg (früher Burg Bötzow) bei Potsdam, das
Kurfürst Friedrich Wilhelm 1651 für seine Gemahlin Henriette von
teile brachte. Oranien erbauen liess und das in stark veränderter Gestalt erhalten
blieb (Kupferstich von Matthäus Merian, um 1650).

76
unabhängig machte. Die eingetriebenen Gelder dienten Friedrich Wilhelm die Voraussetzungen für einen militäri-
überwiegend zur Erhaltung der Armee und wurden des- schen und gesellschaftlichen Staatsapparat, der König
halb vom «Kriegskommissariat» erhoben und verwaltet. Friedrich II. zu seinen militärischen Aktionen gegen halb
Auf diese Weise errichtete er gegen die Opposition der Europa befähigte.
Stände, also des Adels und der Städte, ein absolutistisches
Regiment nach dem Vorbild Ludwigs XIV. Den Adel ver-
söhnte er, indem er ihn von der direkten Besteuerung aus- Souveränität nach aussen, wirtschaftlicher Aufbau im
nahm. Er verlangte jedoch von den Söhnen des Adels den Innern
Dienst als «Junker» in der Kadettenanstalt, dessen Zög-
linge das zum grossen Teil noch aus den Söldnern des Friedrich Wilhelm war kein grosser Feldherr, und sein
Dreissigjährigen Kriegs bestehende Offizierskorps ergän- vielgelobtes Heer brachte ihm aussenpolitisch wenig ein.
zen sollten. Seine «Kadetten» leisteten diesen Dienst an- An Frankreich war er durch laufende Subsidiengelder ge-
fangs sehr unwillig, aber bald entschädigte sie die glän- bunden. Dessen König Ludwig XIV., der nie an einer
zende Uniform und die exponierte gesellschaftliche Stel- neuen Grossmacht der Hohenzollern interessiert war,
lung des Offiziers in der brandenburg-preußischen Gesell- setzte geschickt Brandenburg-Preußen als Kräftegleichge-
schaft. Der Kurfürst sorgte für eine in jeder Hinsicht vor- wicht in Nordeuropa ein. Aus diesem Grund sicherte
zügliche Ausbildung und förderte die Entwicklung eines Frankreich im Westfälischen Frieden die Existenz Bran-
elitären Korpsgeistes, der bald an die Stelle der Lehensge- denburgs ab und setzte sich dafür ein, dass Ostpommern,
folgschaft des ritterlichen Kriegers der Feudalzeit trat und die Bistümer Minden und Halberstadt sowie das Nachfol-
bewirkte, dass sich der Offizier und mit ihm das Heer nun gerecht im Erzbistum Magdeburg (1666 besetzt, 1680 An-
nicht mehr dem jeweiligen Grundherren, sondern der Re- fall an Brandenburg) hinzukamen. Frankreich war aber
gierung zum Gehorsam verpflichtet fühlte. Damit schuf auch der Drahtzieher, als Brandenburg zweimal (zuletzt
1679) das eroberte Pommern an Schweden zurückgeben

77
Dieser Gobelin von Mercier (bunte Seide, heute im Schloss Charlot-
tenburg, Berlin) zeigt die Belagerung der pommerschen Stadt Stettin
Ende des Jahres 1677; die Stadt wurde von Kurfürst Friedrich Wil-
helm am 6. Januar 1678 erobert.

78
Der Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke (1602-1686)
wurde als Staatsmann und Physiker berühmt; 1654 führte er auf dem
Reichstag in Regensburg den Versuch mit den beiden luftleeren
Halbkugeln (Vakuum) vor, von dem dieser zeitgenössische Kupfer-
stich berichtet

musste – trotz des Sieges von Fehrbellin 1675 über die in


Brandenburg einbrechenden Schweden, wo Friedrich Wil-
helms Armee zeigte, was sie konnte. Auch diese berühmte
Schlacht ist also, wie so viele in der Weltgeschichte, letzt-
lich umsonst geschlagen worden. Nur ein aussenpolitischer
Erfolg von Dauer war Kurfürst Friedrich Wilhelm ver-
gönnt: die Loslösung Preußens aus der polnischen Lehens-
hoheit durch den Friedensvertrag von Oliva (1660). Mit
ihm wurde Brandenburg die volle Souveränität in Ost- und
Westpreußen bestätigt, die der Deutsche Orden anno 1466 methoden zur Steigerung ihrer Ernteerträge gebracht. Al-
im zweiten Frieden von Thorn an Polen verloren hatte. lerdings kann Friedrich Wilhelm deshalb nicht als Bauern-
Im Innern waren Friedrich Wilhelms grundlegende Wirt- freund eingestuft werden, denn er milderte ihre Lage stets
schafts- und Verwaltungsmassnahmen viel entscheidender zum Vorteil der gutsherrlichen Obrigkeit und «dachte nur
für die Entwicklung des späteren Preußen. Er schuf die Vo- daran, die paar Mauselöcher, durch die ein Bauer in beson-
raussetzungen für die innere Struktur und die geistige Hal- deren Glücksfällen sich trotzdem noch einem allzu wüteri-
tung dessen, was noch heute als «Phänomen Preußen» gilt. schen Junker oder gar dem Dienstverhältnis überhaupt
An erster Stelle muss hier die neue Besiedlung der Mark hätte entziehen können, sorgfältig zu verstopfen» (Franz
und Preußens genannt werden. Vor allem die Mark war Mehring). Die im Landtags-Vertrag von 1653 fixierten
nach dem Dreissigjährigen Krieg ein menschenhungriges Vorrechte der später als «Junker» bezeichneten adeligen
Land geworden, hatte es doch weit mehr als die Hälfte sei- Grundherrn wurden erst mit den Reformen von 1808,1848
ner Bevölkerung verloren. Als Reaktion auf die Aufhebung und die Reste mit der Landgemeindeordnung Ende des 19.
des Ediktes von Nantes erliess Friedrich Wilhelm, der in- Jahrhunderts abgetragen.
zwischen Ludwig XIV. gegenüber auf Distanz gegangen Unermüdlich arbeitete Friedrich Wilhelm an der Verbes-
war, im November 1685 das «Edikt von Potsdam», mit serung der Staatsverwaltung und gab damit seinen Nach-
dem er zwanzigtausend aus Frankreich geflohenen Huge- folgern und anderen aufgeklärten Fürsten des 18. Jahrhun-
notten die Ansiedlung und Ausübung ihrer Gewerbe in derts ein vielfach nachgeahmtes Beispiel. Er handelte da-
Brandenburg-Preußen gewährte. Diese brachten die da- bei auch erstmals nach dem Grundsatz, dass der Herrscher
mals überlegene Technologie Frankreichs ins Land und der erste Diener seines Staates zu sein habe, was sein Ur-
legten damit den Grundstein für die spätere Industrialisie- enkel dann zum Dogma des aufgeklärten Absolutismus er-
rung und stellten nebenbei der Armee noch fünf neue Re- hob. Friedrich Wilhelm gab den späteren Generationen
gimenter. Der Kurfürst begann mit Hilfe der Hugenotten auch ein Beispiel an religiöser Toleranz. Als calvinisti-
eine Seidenindustrie aufzubauen, er plante und finanzierte scher Regent über ein überwiegend lutherisches Volk ge-
den Bau des Friedrich-Wilhelm-Kanals zwischen Oder und
Spree (1669 fertiggestellt) und machtejedem Bauern zur
Pflicht, vorseinerHochzeit zwölf Bäume zu pflanzen, um
das Land vor Entwaldung und Rodung zu schützen. Die
Bauern wurden auch durch Verbesserung der Ackerbau-

Fortschritt in der Medizin: Erste Versuche der intravenösen Injektion


von Medikamenten an Soldaten der Leibgarde des Kurfürsten von
Brandenburg durch den Berliner Leibarzt Johann Sigismund Elsholtz
(Illustration aus dessen «Clymatica nova», Cölln an der Spree, 1667).

79
währte er Religionsfreiheit auch für Katholiken, Unitarier nie gegründet. 1683 kaufte Mynheer Raule die kleine Ko-
und Juden. Nur im Fall des Kirchenlieddichters Paul Ger- lonie «Gross-Friedrichsburg» und liess sie von einem
hardt (1607-1676), der die Calvinisten als Nicht-Christen preußischen Major und dessen Besatzung befestigen. Es
beschimpfte («Wer nicht lutherisch ist, der sei ver- folgten noch die Besitzungen Fort Sophie-Louise (1684),
flucht!»), hatte des Kurfürsten Toleranz ein Ende, und er die Dorotheenschanz (1684), Taccaray (1685) und die In-
enthob den halsstarrigen Pfarrer der Berliner Nikolaikirche sel Arguin nördlich des Senegal (1685). Doch dreissig
seines Amtes. Jahre später machte die politisch uninteressant gewordene
Aus bevölkerungs- und steuerpolitischen Motiven begüns- Brandenburgisch-Afrikanische Handelskompanie bank-
tigte Friedrich Wilhelm auch die Ansiedlung von Juden in rott, und Friedrich Wilhelms Enkel verkaufte die unwirt-
Kleve-Mark, Ravensberg, in Ostpreußen und in seinen schaftlichen Besitzungen zwischen 1717 und 1721 an die
neuen Provinzen Magdeburg, Halberstadt, Minden und Holländer.
Hinterpommern. In Brandenburg selbst nahm er fünfzig
aus Österreich vertriebene Juden auf, denen er in einem
Edikt vom 21. Mai 1671 «den Aufenthalt in allen Orten Der Ausbau Berlins und Potsdams, die Künste und
und Städten der Mark, die Miete und den Kauf von Häu- Wissenschaften unter Friedrich Wilhelm
sern, den Kauf und Verkauf in offenen Läden und Buden
und den Besuch von Jahrmärkten und Messen» gestattete. Mehr Soldat als Landesvater, mehr Staatsarchitekt als
Der Kurfürst hoffte, mit diesen Massnahmen die Wirt- Kunstfreund, hatte Friedrich Wilhelm für die Künste und
schaftskraft der Juden in seinem Kampf gegen Stände und die Wissenschaften wenig Ambitionen. Immerhin liess er
Zünfte als politisches Werkzeug zu nutzen und hielt sich – ab 1651 bei Berlin auf einer Insel in der Havelniederung
ähnlich war es auch an anderen Fürstenhöfen seiner Zeit – für seine erste Kurfürstin Luise Henriette (1627-1667),
sogenannte Hof- und Münzjuden (Israel Aaron, Bernd eine Tochter des Statthalters der Niederlande, des kunst-
Wulff, Jost Liebmann und die Gompertz), denen er die verständigen Prinzen Friedrich Heinrich von Nassau-Ora-
Versorgung des Heeres mit Munition und Proviant, dazu nien, das Schloss Oranienburg bauen. Die Pläne dafür
die Belieferung des kurfürstlichen Hof-Haushalts anver- stammten von dem österreichischen Architekten Johann
traute. Gregor Memhardt, der von 1658 bis 1683 in Berlin eine
Ein niederländischer jüdischer Reeder namens Mynheer Befestigungsanlage mit 13 Bastionen erbaute, die westlich
Benjamin Raule (1634-1704) war es auch, der dem Kur- und südlich der Spreeinsel auch die Vorstädte Neu-Cölln
fürsten Friedrich Wilhelm zu brandenburgischen Schiffen und Friedrichswerder (seit 1662) mit Wällen und Gräben
und zum Erwerb von Kolonien an der westafrikanischen einschloss. Memhardt entwarf dazu die Pläne für die Lin-
Goldküste verhalf. Im Jahre 1682/ 83 wurden deshalb Gar- denallee (1647) aus der Stadt hinaus zum Tiergarten, die
nisonen in Ostfriesland (Greetsiel und Emden) angelegt später als «Unter den Linden» berühmt geworden ist. Und
und eine Brandenburgisch-Afrikanische Handelskompag- er skizzierte für Luise Henriette den barocken Lustgarten
neben dem Berliner Schloss, in dessen Kräutergarten

80
Deutschlands erste Kartoffeln (damals «Tartuffeln») ange-
baut wurden. Im Schloss Oranienburg, ihrem Sommersitz,
liess die Kurfürstin nach dem Vorbild ihrer niederländi-
schen Heimat Baumschulen, Gemüseplantagen und Blu-
menzüchtereien (Rosen, Tulpen) anlegen. Auf ihre Initia-
tive hin begannen die Berliner schon sehr früh mit der Be-
grünung ihrer Stadt durch Gärten und Parks.
Als Residenzen bevorzugte Friedrich Wilhelm zuerst
Kleve, dann Berlin und vor allem Potsdam. Architekten
und Künstler holte er sich vornehmlich aus den Niederlan-
den, ebenso Maler und Bildhauer, verstärkt erst in den spä-

Links: Entscheidend für Preußens spätere Entwicklung waren die


grundlegenden Wirtschaftsmassnahmen unter Kurfürst Friedrich
Wilhelm, darunter auch die Aufnahme der in Frankreich verfolgten
Hugenotten in Brandenburg-Preußen ab 1685, die dieses Relief an
der Kapelle der Französischen Gemeinde in Berlin zeigt.

Rechts: So sah das Magazingebäude der kurbrandenburgischen Flotte


des Kurfürsten Friedrich Wilhelm in Emden/Ostfriesland aus, wo
1682/83 für die Kolonien-Unternehmungen an der westafrikanischen
Goldküste brandenburgische Garnisonen eingerichtet wurden (Auf-
nahme um 1900).

Diese Karte (nach einem zeitgenöss. Kupferstich) zeigt die branden-


burgischen Kolonien an der Küste von Guinea, die dreissig Jahre spä-
ter wegen Unwirtschaftlichkeit von Friedrich Wilhelm I. zwischen
1717 und 1721 an die Holländer verkauft wurden.

81
Gottfried Christian Leygebe (1630-1683) aus Nürnberg, der 1668 als
kurfürstlicher Münzschneider und Bildhauer nach Berlin berufen
wurde, ist der Schöpfer dieser Reiterstatuette Friedrich Wilhelms von
Brandenburg, die ihn als Drachentöter in antiker Rüstung, mit dem
Medaillon des Hosenbandordens am Brustband, darstellt (Eisenguss,
um 1680).

82
nissen zur Abwertung der Lehre vom Gottesgnadentum der
Könige bei» (W. Durant). Dies war wohl auch der Grund,
weshalb gerade König Friedrich II. hundert Jahre später
Pufendorf zusammen mit Christoph Hartknoch (1644-
1687) als Geschichtsschreiber so abqualifizierte: «Sie wa-
ren gewiss sehr fleissige Schriftsteller und Sammler, doch
sind ihre Werke eher historische Wörterbücher als wirklich
geschichtliche Darstellungen».

Barockfürst Friedrich, Kurfürst von Brandenburg-


Preußen und erster König in Preußen

Kurfürst Friedrich Wilhelm war – entsprechend dem Vor-


bild seines langjährigen «Mäzens» Luwig XIV. – ein typi-
scher Barockfürst, der viel plante, einige berühmte

Oben: Bildnismedaillon (Elfenbein) von Kurfürstin Sophie Charlotte


ten Friedensjahren seiner Regierungszeit. Berlins grösster von Brandenburg, seit 1684 mit dem brandenburgischen Kurprinzen
Baumeister dieser Zeit war Johann Arnold Nering (1659- Friedrich, dem späteren Kurfürsten Friedrich III. (ab 1701 König
1695), der als Oberbaudirektor in Brandenburg-Preußen Friedrich I. in Preußen) verheiratet; Schnitzer des Medaillons war
Reimond Faltz, geboren in Stockholm, der ab 1688 als brandenbur-
auch noch unter Kurfürst Friedrich III. wirkte und als ein
gischer Hofmedailleur in Berlin gewirkt hat.
Meister des märkischen Barock (Schlosskapelle Köpenick,
Stadtschloss Potsdam) gilt. Die künstlerisch anspruchs- Unten: Das Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716),
vollste Aufgabe für Friedrich Wilhelms Baumeister war mit dem die ungewöhnlich gebildete Kurfürstin und spätere Königin
Sophie Charlotte 1696 die Akademie der Künste und 1700 die Socie-
der Ausbau des Stadtschlosses in Berlin; ein weiterer tät der Wissenschaften in Berlin gründete.
Schlossbau von Rutger van Langervelt (1635-1695) ent-
stand seit 1667 in Köpenick für den Kurprinzen Friedrich.
Auch die Anfänge seiner Kunstsammlungen und die Be-
gründung der Staatsbibliothek verdankt Berlin dem Kur-
fürsten Friedrich Wilhelm.
Für die Wissenschaften zeigte Friedrich Wilhelm erst in
seinen späten Jahren nachhaltigeres Interesse. Noch 1666
hatte er dem erfindungsreichen Magdeburger Bürgermeis-
ter Otto von Guericke (1602-1686), der dem neuen Herrn
von Magdeburg stolz seinen von ihm angelegten Breiten
Weg zeigen wollte, gereizt und polternd erwidert: «Zuerst
die Bollwerke!» Doch als ihm 1687 der damals in Schwe-
den wirkende deutsche Philosoph und Historiograph Sa-
muel von Pufendorf (1632-1694) als Anerkennung für
seine religiöse Toleranz eine Abhandlung über das Ver-
hältnis der christlichen Religion zum staatsbürgerlichen
Leben (De Habitu christianae Religionis ad Vitam civilem)
widmete, berief Friedrich Wilhelm ihn nach Berlin als
Hofgeschichtsschreiber. Ein halbes Jahrhundert lang blie-
ben seine Schriften die wichtigsten über Staatsund Völker-
recht im protestantischen Europa, «ihre realistische Dar-
stellung der Gesellschaft trug zusammen mit den Zeitereig-

83
Der Rechtsgelehrte und Philosoph Christian Thomasius (1655-1728) Der evangelische Theologe Philipp Jacob Spener (1635-1705) war
war einer der geistigen Mitbegründer der 1694 errichteten Universi- der Programmatiker des lutherischen Pietismus, dessen Lehre an der
tät Halle und entwickelte nach 1700 eine aufgeklärte Naturrechts- Universität Halle besonders von seinem Schüler A. H. Francke wei-
lehre, was ihn zu einem der Führer der deutschen Aufklärung werden tergeführt wurde.
liess.

Schlachten schlug, aber politisch nicht übermässig viel be- ner zahlreichen Schwächen, trotz seiner übersteigerten
wirkte – obwohl er nie aufgab, so oft er auch scheiterte. Er Vorstellungen vom fürstlichen Absolutismus zu einem
war auch nicht der Mann, der den Staat Brandenburg-Preu- Herrscher mit ganz persönlichem Profil. Nach seinem Re-
ßen geschaffen hat. Im Gegenteil hinterliess er einen letz- gierungsantritt 1688 führte er das Erstgeburtsrecht ein und
ten Willen, in dem er, entgegen dem Hausgesetz von Kur- erhielt so dem Staat die Einheit. Dann gewann er sich die
fürst Albrecht Achilles von 1473, seine Lande unter seine Gunst Kaiser Leopolds I., indem er sich diesem gegen das
sechs Söhne aufteilte. Nur der Diplomatie und Überre- übermächtige Frankreich in jenem Krieg anschloss, der
dungskunst seines Nachfolgers Friedrich III. (1688-1701) über den Aufstieg Englands zum mitbestimmenden Faktor
verdankt das spätere Preußen, dass dieser letzte Wille nicht in der europäischen Politik entschied. Brandenburg
erfüllt wurde. Gottfried Wilhelm Leibniz schrieb kurz nach kämpfte bis 1714 mit den Österreichern an der Seite der
dem Tode des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, dass die Tat- neuen niederländisch-englischen Seemacht unter Wilhelm
sache dieses unglaublichen Testaments vor der Geschichte III. vonOranien (1689-1702) im Pfälzischen und Spani-
genügen werde, dem toten Kurfürsten den Beinamen «der schen Erbfolgekrieg gegen Frankreich und dessen Verbün-
Grosse» wieder zu entziehen. dete. Für die Waffenhilfe mit achttausend brandenburgi-
Eigentlicher Schöpfer Preußens war erst der Enkel des schen Soldaten verlieh der Kaiser dem Kurfürsten den Ti-
Grossen Kurfürsten, der «Soldatenkönig». Die entschei-
denden Vorbereitungen dafür traf jedoch dessen Vater,
Kurfürst Friedrich III., der ab 1701 König Friedrich I. in
Preußen wurde – von Habsburgs Gnaden. Dieser kleine
und verwachsene Sanguiniker, ein geltungssüchtiger, eitler Rechts: Die Schlosskapelle in Köpenick, die 1684/5 nach Entwürfen
und verschwenderischer Fürst, entwickelte sich trotz sei- von Johann Arnold Nering (1659-1695), der ab 1691 als Oberbaudi-
rektor des staatlichen Bauwesens in Brandenburg-Preußen wirkte,
gebaut wurde; Nering begründete die massvolle, abgewogene Bau-
weise des märkischen Barocks.

84
wurf geht auf Johann Arnold Nering zurück, Bauge Finanz-
politik an, die sein Enkel später noch schärfer kritisierte:
«Die Freigebigkeit, die Friedrich I. liebte, war Vergeudung,
wie ein eitler und verschwenderischer Fürst sie übt... Er be-
drückte die Armen, um die Reichen zu mästen. Seine
Günstlinge erhielten hohe Gnadengehälter, während sein
Volk im Elend schmachtete ...» Dass Friedrich II. dabei
nicht übertrieb, bezeugt ein Brief von Friedrichs Gemahlin,
der Königin Sophie Charlotte, vom September 1709, nach-
dem auch noch die Pest in Ostpreußen gewütet hatte, an ih-
ren königlichen Gemahl: «Man spricht nur von dem Elend
des Landes. Zwanzig bis dreissig Bauern haben ihr Dorf
verlassen, da sie nichts mehr zu leben haben. Sie sind ge-
kommen, um sich beim König über die Leute zu beklagen,
die sie solche Steuern zahlen lassen. Sie sind so arm, dass
es zum Erbarmen ist. Sie sagen, sie wollten vor den Augen
des Königs sterben, denn sie stürben vor Hunger. Ich habe
ihnen Geld geben lassen, damit sie sich Brot kaufen können
. . .» Und in dem Bericht des Königsberger Sanitäts-Kolle-
giums vom November 1709 stand über die Folgen der Pest
zu lesen: «Die Leute fallen dahin wie das Laub von den
Bäumen, wie Fliegen beim herannahenden Froste vor Hun-
ger und Schrecken . . . Auch tun die Geistlichen diesen Be-
richt, dass schon jetzt manchen der Strick oder das Messer
nur mit Gewalt den Händen entwunden werden kann». In
Epitaph für den brandenburgischen Feldmarschall Graf Otto von Potsdam und Berlin aber feierte der preußische Hof weiter
Sparr (1605-1668), das der Holländer Artus Quellinus 1662/63 für seine barocken Feste.
die Marienkirche in Berlin arbeitete.

tel «König in Preußen» (ab Friedrich II. dann König von Königin Sophie Charlotte und Leibniz, «eine ganze
Preußen). Akademie für sich allein»
Im Dezember des Jahres 1700 brach Friedrich III. mit sei-
nem Berliner Hof in einem prunkvollen Zug nach Königs- Zur Ehre gereicht Friedrich I. dagegen, dass er 1694 die
berg auf, um sich dort selbst die Königskrone aufzusetzen. Universität zu Halle gründete, an der vierunddreissig Jahre
Oberhofzeremonienmeister Johann von Besser schilderte lang Christian Thomasius (1655-1728) lehrte, der Halle in
das Geschehen: «Der ganze Hof, die Königin, der Kron- dieser Zeit zum geistigen Mittelpunkt Deutschlands mach-
prinz, die beiden königlichen jüngeren Herren Gebrüder te. Mit Thomasius begann in Deutschland die Aufklärung,
nebst den drei Kompanien der Garde du Corps und den jene Geistesbewegung, die später von Christian Wolff und
hundert Schweizern geleiteten Seine Majestät auf dieser vor allem von Gotthold Ephraim Lessing vertreten wurde
Reise; wegen ihres zu grossen Gefolges in vier unterschie- und bis ins 19. Jahrhundert hineingewirkt hat. Immanuel
denen Haufen verteilet; alle zusammen aber sich an Mann- Kant hat sie als «Ausgang des Menschen aus seiner selbst-
schaft so stark befanden, dass sie ausser ihren eigenen und verschuldeten Unmündigkeit» definiert, als Bewegung, in
den königlichen Pferden noch bis auf 30.000 Vorspann- der die Vernunft das Wesen des Menschen bestimmen
pferde gebrauchten und also nicht anders denn wie vier un- sollte.
terschiedene Kriegsheere daher zogen...» Bis zu König Ein Glücksfall für den ersten Preußenkönig, für das Land
Wilhelm I., also 160 Jahre später, blieb dies durch fünf Ge- und vor allem für das Aufblühen der Stadt Berlin war Fried-
nerationen hindurch die einzige Krönungsfeier für einen richs I. zweite Gemahlin Sophie Charlotte (1688-1705),
preußischen König. Enkelin Jakobs I. von England, Tochter der berühmten
In Berlin mahnte der dortige Propst in seiner Predigt zur Kurfürstin Sophie von der Pfalz und des Kurfürsten Ernst
Königskrönung den neuen König unverblümt, «dass die
Regenten wissen sollten, dass sie um der Untertanen, nicht
die Untertanen um ihretwillen in der … (?)

86
August von Hannover. Ihr liess Friedrich in vielen guten Das noch von Kurfürst Friedrich Wilhelm projektierte Gebäude der
Königlichen Bibliothek in Berlin nach einer Darstellung aus dem
Unternehmungen freie Hand. So förderte sie das geistige
Jahr 1696 (aus L. Beger, «Thesaurus Brandenburgicus»).
Leben Berlins und kümmerte sich um die Baukunst und
Wissenschaft. Ihre Verdienste machten das negative Image Die erste Seite aus dem politischen Testament, genannt «Väterliche
des Königs erträglicher. Sie galt als die hübscheste und ge- Ermahnung», des Kurfürsten Friedrich Wilhelm vom 19. Mai 1667,
scheiteste Frau an deutschen Fürstenhöfen und brachte von in dem er seinem Nachfolger über die Führung des Staates Richtli-
nien gab und hoffte, «dass mein Sohn solches gebührend beobachten
einem langen Aufenthalt in Paris eine offenbar sehr anzie- werde».
hende Mischung von Kultur und Charme an den Berliner
Hof mit. Sophie Charlotte ist auch zu verdanken, dass aus
Hannover das Universalgenie der deutschen Geschichte je-
ner Epoche, der Philosoph, Mathematiker, Naturforscher,
Historiker und Diplomat Gottfried Wilhelm Leibniz
(1646-1716) nach Berlin kam, wo er dann zusammen mit
seiner königlichen Gönnerin den erste Preußenkönig zur
Gründung der Berliner Akademie der Künste (1696) und
der Akademie der Wissenschaften (1700, zuerst «Societät
der Wissenschaften») drängte. Leibniz war der gelehrteste
aller Philosophen; Friedrich II. nannte ihn «eine ganze
Akademie für sich allein» und stellte fest: «Von allen, die
Deutschland berühmt gemacht haben, haben Thomasius
und Leibniz dem Menschengeist den grössten Dienst er-
wiesen». Seine naturwissenschaftlichen und philosophi-
schen Leistungen waren in ganz Europa anerkannt und ga-
ben Deutschland einen «hohen Rang in der Entwicklung
der westlichen Kultur» (Durant). Umso mehr muss das
Verdienst der preußischen Königin Sophie Charlotte her-
vorgehoben werden, dieses Universalgenie erkannt und in
Preußen zur Wirksamkeit gebracht zu haben.
Für die Königin liess Friedrich I. zwischen 1695 und 1699
das Lustschloss Lietzenburg (nach dem in der Nähe gele-
genen Dorf Lietzow benannt) bauen. Der Entwurf geht auf

87
Johann Arnold Nering zurück, Baumeister Martin Grün-
berg hat den Bau vollendet Als die Königin im Jahre 1705
starb, wurde das Schloss in Charlottenburg umbenannt.
Heute ist es, nach dem Abriss der Ruinen des Berliner
Stadtschlosses und des Schlosses Monbijou, das einzige
noch erhaltene grössere Hohenzollernschloss Berlins. Von
1699 bis 1705 empfing die Königin im Salon dieses
Schlosses Gelehrte, Philosophen, Freidenker, Jesuiten und
lutherische Theologen, mit denen sie oft ganze Nächte hin-
durch theologische Streitgespräche führte. Auf ihrem Ster-
bebett, so schrieb ihr Enkel Friedrich II. später, soll sie den
Beistand sowohl der katholischen als auch der protestanti-
schen Geistlichen zurückgewiesen haben. Sie sagte den
Theologen, sie sterbe in Frieden und empfinde mehr Neu-
gier als Furcht; sie hoffe nun, ihren Wissensdurst nach dem
Ursprung der Dinge, «den selbst Leibniz mir nie erklären
konnte», zu stillen. Ihren Gatten tröstete sie mit dem spöt-
tischen Hinweis, er habe durch ihren Tod nun «Gelegenheit
zu prachtvollen Beisetzungsfeierlichkeiten». Eine wahr-
haft bemerkenswerte Frau!
Tatsächlich waren dann auch die Beisetzungsfeierlichkei-
Andreas Roth modellierte dieses Bildnismedaillon aus Wachs von ten für Sophie Charlotte ein Paradebeispiel für den «Pompe
dem 1688 die Regierung in Brandenburg-Preußen antretenden Kur- funèbre» des Barockzeitalters. Carl Hinrichs hat sie so be-
fürsten Friedrich III. (später König Friedrich I.). schrieben: «Die von Eosander entworfene Trauerdekora-
tion des ganz in Schwarz und Silber ausgeschlagenen, von
Das sogenannte «Geburtszimmer» mit der Kaminseite im Schloss zu
Königsberg, wo Friedrich I. 1657 geboren wurde (Aufnahme um Pylonen und tausendfältigen Kerzen erstrahlenden Berliner
1930). Doms, auf dessen Gewölbedecken echte Mumien und Ske-
lette mit Zypressenzweigen und weissen Leichenmänteln
hockten, königliche Adler mit fledermausgeflügelten To-
tenköpfen, abwechselten, aus dessen Bogenöffnungen ge-
waltige Festons und Transparente niederhingen – diese
ganze Dekoration einer überirdisch strahlenden Farben-,
Formen- und Lichtharmonie mit einem grausigen, modri-
gen und unbarmherzigen Todesrealismus, durch deren
mystisches Ineinander gewissermassen als übersinnliche
Deutung die goldenen Buchstaben der Schriftworte schim-
merten: ,Der Tod ist verschlungen in den Sieg’. ..»

Andreas Schlüter, der «Römer in Deutschland»

Auch der grosszügige Ausbau des Berliner Stadtschlosses


sowie die neuerrichteten Staatsbauten und Kirchen dienten
in erster Linie der Selbstdarstellung der königlichen Macht
Friedrichs I. Als Architekten, Baumeister und Bildhauer
gewann der König Andreas Schlüter, um 1660 in Danzig
geboren und 1714 in Russland gestorben. Er wirkte ab
1696 in Berlin und sorgte mit seiner vielseitigen und geni-
alen Begabung dafür, dass sich diese Stadt zum ersten Mal
«In Betrachtung, dass die Künste einen Staat zieren», verordnete nach Gattamelata und Colleoni gewaltigste Reiterstand-
seine «Kurfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg, Friedrich der bild der Kunstgeschichte, das Standbild des Kurfürsten
Dritte» mit diesem Dokument (Ausschnitt aus einer Abschrift der Ti-
telseite des Originals) im Jahre 1696 auf Drängen seiner Gemahlin Friedrich Wilhelm. Schlüter hat auch ein Denkmal Fried-
Sophie Charlotte die Errichtung «einer Akademie der Mal-, Bild- und richs I. für Königsberg geschaffen, und er modellierte die
Baukunst» in Berlin, der späteren Akademie der Künste. berühmten Kriegermasken am Berliner Zeughaus.
«Schlüter war ein Römer in Deutschland; sein deutsches
Römertum war eine preußische Wahlverwandtschaft, die
freilich zu einem preußischen Stil erst später führen sollte,
in ihrer Geschichte vom Ruf der Kulturprovinz befreien als es gelang, das Römische wieder vom Barocken zurück-
und mit künstlerischen Spitzenleistungen glänzen konnte. zuführen und eine preußisch-antikische Kunst nicht aus
Andreas Schlüter war von 1702 bis 1704 Direktor der Aka- dem dekorativen Ende, sondern aus dem momumentalen,
demie der Künste, er leitete ab 1699 den Berliner Schloss- tektonischen, statischen Anfänge aller Kunst, die Kunst
bau und das gesamte Kunstwesen. Ihm verdankte Berlin überhaupt aus Natur, und die Form aus Gesetzlichkeit zu
«die einmalige Schöpfung der gesamten deutschen entwickeln ... Davon wusste Schlüter nichts: der blieb ein
Schlossarchitektur des Barock» (Margarete Kühn): das Barocker, malte in Räumen, baute in die Luft, schuf Form
1950 als Ruine gesprengte Stadtschloss. Aber auch die aus Eingebungen. Und darin war er ganz Deutscher – nicht
schönsten Säle im Charlottenburger Schloss hat er entwor- Preuße.» (Moeller van den Bruck).
fen. Darüber hinaus baute er mehrere kleinere Baudenkmä- Die heutige Kunstgeschichte macht Andreas Schlüter ver-
ler wie das Palais für den Kanzler Wartenberg und das antwortlich für einen preußischen Barock-Stil, «in dem die
Sommerhaus des Herrn von Kamecke. Von ihm stammt barock-emotionale Dynamik (eines Bernini etwa) in der
auch das heute im Schlosshof Charlottenburg stehende, Durchdringung mit der klassisch-rationalen Monumentali-

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Obere Reihe: Sechs Masken sterbender
Krieger von insgesamt 22 Masken, die
Andreas Schlüter (1660-1714) in den
Jahren 1689 bis 1699 für die Bauorna-
mentik des Innenhofs am ehemaligen
Zeughaus in Berlin geschaffen hat.

Das Hauptportal des ehemaligen Zeug-


hauses Unter den Linden in Berlin (heute
Museum für Deutsche Geschichte), dem
grössten aus der Epoche Friedrichs I.
noch erhaltenen Berliner Bau (1944/45
schwer beschädigt, 1948-65 wiederher-
gestellt), der von Nering begonnen, von
Martin Grünberg und Andreas Schlüter
fortgeführt und von Jean de Bodt vollen-
det worden ist.

90
Das berühmte Reiterdenkmal des
Kurfürsten Friedrich Wilhelm, das
Andreas Schlüter von 1669 bis 1700
geschaffen hat und das 1703 auf der
Langen Brücke (jetzt Rathausbrücke)
aufgestellt wurde und seit 1952 im
Ehrenhof von Schloss Charlottenburg
steht (Detailaufnahme des Abgusses
im Treppenhaus der Skulpturen-
Sammlung im Erdgeschoss des Bode-
Museums in Ost-Berlin).

91
tät Perraults und Hardouin Mansarts zu einer synthetisch
ausgewogenen, gebändigt herben, edlen Form gesteigert
worden ist» (Ekhart Berckenhagen).

Friedrich I., «gross im Kleinen und klein im Grossen»

Im Zeitalter des Barocks waren die Schlösser der Fürsten


Träger der staatlichen Repräsentation. Ihr Glanz und ihre
Pracht symbolisierten den Reichtum des Herrscherhauses
und damit das Wohlergehen des Landes. Dementspre-
chend trafen sich an den bedeutenden europäischen Höfen
die Spitzenkräfte der einheimischen und internationalen
Kunst, Architektur und des Kunsthandwerkes. Die Haupt-
aufgabe der Preußischen Akademie der Künste war es des-
halb auch, Talente nach Berlin zu ziehen und junge Künst-
ler im eigenen Land auszubilden. Der schweizerische Mi-
niaturenmaler Joseph Werner (1637-1710) war ihr erster
Direktor. Neben ihm wirkten der holländische Deckenma-
Als sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg an der Seite des ler Augustin Terwesten, der französische Kunstmaler An-
Kaisers Leopold I. gegen das übermächtige Frankreich stellte, si- toine Pesne (1683-1757) sowie der Kunsthistoriker und
cherte er sich die Gunst des Kaisers, die ihm 1701 das Königtum ein-
brachte; im Bild das Staatssiegel König Friedrichs I. in Preußen, an-
Historienmaler Paul Carl Leygebe (1664-1727) als erste
gefertigt zur Krönung am 18. Januar 1701 von Samuel Stall. Lehrer. Diese Künstler waren auch für die ersten Entwürfe
der Preußischen Staatsmanufakturen massgebend, die
nach französischem Vorbild für die Herstellung von Gobe-
lins, Fayencegerät und Gläsern im ausgehenden 17. Jahr-
hundert in Brandenburg-Preußen begründet worden wa-
ren. Auch die Bereicherung der kurfürstlich-königlichen
«Auswerffung der Königlichen Preußischen Krönungsmüntzen» bei
der Krönung Friedrichs I. in Königsberg (zeitgenöss. Kupferstich).

92
Kunstkammer, der Urzelle der späteren Berliner Museen, hing, inden letzten Jahren seiner Regierung bereits eine
mit Beispielen aus allen europäischen Malerschulen, durch starke Mitwirkung an den Staatsgeschäften erlaubte. «Al-
Skulpturen und ostasiatische Manufakturerzeugnisse, ge- les in allem», schrieb Friedrich II. über seinen Grossvater,
hört noch in die Zeit des ersten preußischen Königs. «er war gross im Kleinen und klein im Grossen, und sein
Als Friedrich I. anlässlich seiner Krönung 1701 den Orden Unglück wollte es, dass er in der Geschichte seinen Platz
vom «Schwarzen Adler» stiftete, stellte er diesen unter den zwischen einem Vater und einem Sohn fand, die ihn durch
lateinischen Wahlspruch: Suum cuique (Jedem das Seine, überlegene Begabung verdunkeln.»
um der Gerechtigkeit willen). Friedrich I. selbst ist diesem
Motto nur selten gerecht geworden, und es wirkt wie
Hohn, wenn man bedenkt, dass er beispielsweise seinen
langjährigen ersten Oberpräsidenten und hervorragenden
Staatslenker Eberhard Danckelmann (1643-1722) wegen
dessen Sparsamkeit zehn Jahre im Kerker schmachten
liess, während er seinen grössten Schuldenmacher, den
Kanzler von Wartenberg, bei dessen Abschied mit einem
Ring im Wert von 20.000 Talern beschenkte. Trotzdem
sind die Worte ‚Suum cuique’ «für die Zukunft in Preußen
bestimmend geblieben» (Walther Hubatsch). Versöhnend
mit den grossen Schwächen des ersten Preußenkönigs
wirkt die Tatsache, dass er seinem Sohn, der auf nicht we-
niger extreme Weise völlig entgegengesetzten Idealen an- Eines der unter Friedrich I. in Preußen erbauten Schlösser und Her-
renhäuser im ostpreußischen Siedlungsraum: das um 1710 nach Ent-
würfen von Jean de Bodt erbaute Herrenhaus Friedrichstein der Fa-
milie Dönhoff, südöstlich von Königsberg im Pregel-Tal gelegen.

93
Oben: Das Schloss Charlottenburg – ehemals Lietzenburg, nach
dem Tode der Königin Charlottenburg genannt – entstand in
seiner Kernanlage zwischen 1695 und 1699 als Lustschloss der
Kurfürstin nach einem Entwurf von Arnold Nering, von Martin
Grünberg erbaut (zeitgen. Prospekt, von der Gartenseite, um
1750).

Links: Schreibsekretär der preußischen Königin Sophie Char-


lotte, mit Nachahmung chinesischer Lackmalerei im Stil der Zeit,
aus dem Schreibzimmer der Königin (Ende des 17. Jahrhunderts,
Schloss Charlottenburg, Berlin).

Rechts: Das Gemälde von S. T. Gericke (Museum Schwerin)


zeigt den ersten König in Preußen vermutlich in der Uniform
des Regiments zu Fuss Nummer 16 auf seinem Thronsessel;
auf der linken Brustseite ist der Schwarze-Adler-Orden zu er-
kennen, den der König anlässlich seiner Krönung 1701 als höch-
sten Orden des Königreiches stiftete (durch dessen Verleihung
wurden Bürgerliche in den erblichen Adelsstand erhoben).

94
Mit diesem Erlass König Friedrichs I. in Preußen
wurden die Städte Berlin und Cölln an der Spree
1707 zur künftigen einheitlichen Residenzstadt Ber-
lin zusammengelegt.

Vexierpokal, der zur Feier der Verbrüderung der Städte Berlin und
Cölln 1690 angefertigt wurde; die obere Inschrift lautet: «Wenn Ad-
ler und der Bär am Thomas-Fest sich letzen, denkt mancher sich auch
gern in höheren Stand zu setzen» (Märkisches Museum).

96
Die Sarkophage, von Andreas Schlüter 1705 angefertigt – für Köni-
gin Sophie Charlotte (oben) und für König Friedrich I. (unten) im
Berliner Dom aufgestellt.

97
V. Das klassische Preußen:
Preußens Gloria und preußisches Rokoko im Zeitalter der
Aufklärung

Von 1713 bis 1786

Preußen unter «dem Vater» Friedrich Wilhelm I. (1713-


1740) und dessen schwierigem Sohn Friedrich II. (1740-
1786), das Preußen des 18. Jahrhunderts, ist das klassische
Preußen. Der «Vater» war der eigentliche Begründer des
neuen Staates, er schuf aus dem durch Erbschaften seiner
Vorgänger mehr oder weniger zufällig entstandenen
Staatsgebilde aus Länderansammlungen vom Rhein bis zur
Memel den bestmöglichen Staat seiner Zeit und wurde des-
halb mit Recht später von Theodor von Schön (1773-
1856), dem liberalsten Staatsmann, den Preußen je hatte,
«Preußens grösster innerer König» genannt. Der Sohn, der
«grosse» Friedrich II. (1740-1786), hat diesen neuen Staat
in der nächsten Generation dann gleich zur europäischen
Grossmacht emporgehoben; er wollte dabei «nicht bloss
Cäsar, sondern auch Marc Aurel nachstreben: er wollte
nicht bloss Feldherr, sondern zugleich humanitärer Philo-
soph von Sanssouci sein. Die Schwierigkeit, das eine mit
dem andern zu vereinigen, macht die Problematik und das
innerste Geheimnis seines Lebens aus» (Gerhard Ritter,
1948). Diese klassische Epoche Preußens war aber nicht Goldene Tabaksdose Friedrichs II. mit seinem Bildnis aus dem Jahr
nur allein das Werk zweier bedeutender Könige. Auch der 1745.
Zeitgeist der Aufklärung, das Staatsprinzip der Vernunft,
das ganz Europa im 18. Jahrhundert beherrschte, war an
dieser in der deutschen Geschichte wohl einmaligen, wenn dung durch die Vorgänger abzubauen. Und Sparsamkeit
auch sehr problematischen Staatsbildung entscheidend be- war damals das Gebot der Stunde, um die Zukunft des Kö-
teiligt. nigreichs Preußen zu sichern. Die spätere Geschichtsschrei-
bung hat Friedrich Wilhelm I. diesen Charakterzug oft und
gern spöttisch vorgehalten und ihm dabei den berühmtem
«Lieben sollt ihr mich, nicht fürchten!» Vierzeiler in den Mund gelegt, den der zweite Preußenkö-
Friedrich Wilhelm I. nig auf das Gesuch einer Witwe um eine Gnadenrente ge-
dichtet haben soll:
Königin Sophie Charlotte, die Mutter Friedrich Wilhelms Eure Bitte kann ich Euch nicht gewähren,
I., soll über ihren vierzehnjährigen Sohn erschrocken ge- Ich habe hunderttausend Mann zu ernähren,
urteilt haben: «Mein Gott! Geizig schon in einem so zarten Geld kann ich nicht scheissen,
Alter! Andere Laster kann man verringern, dieses aber Friedrich Wilhelm, König in Preußen.
wächst und wächst.» Der Geiz, besser gesagt, die Sparsam- Selbst wenn dieser Reim nicht authentisch ist, passt er doch
keit ihres Sohnes, wurde jedoch eine Charaktereigenschaft, sehr gut zu dem strengen Vater und unnachsichtigen Erzie-
die Friedrich Wilhelm I. in die Lage versetzte, die Finan- her von vier Söhnen und sechs Töchtern aus der Ehe mit
zen des Staatshaushaltes zu ordnen und dessen Verschul- Sophie Dorothea (1687-1757), einer Tochter Georg Lud-

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wigs von Hannover, des späteren englischen Königs Georg te sich nicht der Festungskommandant, Generalmajor von
I. Er passt auch zu dem Herrscher, der zu den am meisten der Mosel, dazwischengeworfen, urteilte über seinen Va-
verketzerten Königen der Weltgeschichte gehört, weil er so ter: «Die Politik des Königs war untrennbar von seiner Ge-
ungeschlacht, so eigensinnig und despotisch, so sparta- rechtigkeit. Er war weniger auf Mehrung seines Besitzes
nisch streng und auch so ungebildet war, weil er die Zote bedacht als auf dessen gute Verwaltung, stets zu seiner
liebte und zu Scherzen neigte, die mit Entsetzen Spott trie- Verteidigung gerüstet, aber niemals zum Unheil Europas...
ben. Er war bedachtsam im Eingehen von Verbindlichkeiten,
Aber dieser König, vor dem seine Untertanen aus Angst treu in seinen Versprechungen, streng von Sitten, streng
davonrannten, wenn er in den Strassen Berlins und Pots- auch gegen die Sitten der anderen... Von der Menschheit
dams auftauchte, der einmal einen Ausreisser wütend mit hatte er eine so hohe Meinung, dass er von seinen Unterta-
den Fäusten traktierte und dabei brüllte: «Lieben, lieben nen den gleichen Stoizismus verlangte wie von sich
sollt ihr mich, nicht fürchten!» – dieser König nannte sich selbst.» Leopold von Ranke resümiert dazu: «Wenn Bürger
selbst «erster Diener des Königs in Preußen» und wollte und Bauern in den brandenburgischen Landen mehr als an-
die Pflicht des Gehorsams, des Sicheinordnens unter die derswo zur Kultur des menschlichen Geschlechts herange-
übergeordnete Macht des Staates auch in seiner Person ver-
wirklichen. Er, der sich so sehr dem Amte verpflichtet
fühlte, war der eigentliche Begründer des preußischen Be-
amtentums. Neben seiner Sparsamkeit war er auch äusserst
korrekt, vor allem wenn er die staatlichen Etats überprüfte. Das sogenannte Schlüter-Portal am ehemaligen Stadtschloss in Ber-
Seinen Lebensstil, der sich am besten mit seinen Lieblings- lin, benannt nach Andreas Schlüter, der ab 1698 diesem Bauwerk sein
worten «Einfachheit» und «Festigkeit» umschreiben lässt, endgültiges imponierendes Erscheinungsbild gab, ehe dann in der
pflegte er in bewusstem Gegensatz zu den bekannten Bei- Mitte des 19. Jahrhunderts die Schlosskapelle ihre beherrschende
Kuppel bekam; das 1944/45 schwer beschädigte Schloss wurde
spielen von Verfallserscheinungen in Sitte und Moral an 1950/51 gesprengt (heute ist der Schlossplatz mit dem Gelände des
anderen Fürstenhöfen Europas dieser Zeit. ehemaligen Lustgartens und der Schlossfreiheit zum Marx-Engels-
Sein Sohn, den er in Küstrin nach dessen Fluchtversuch in Platz zusammengelegt).
einem Wutanfall fast mit dem Degen durchbohrt hätte, hät-
Sophie Dorothea von Hannover, Königin in Preußen, Gemahlin des
«Soldatenkönigs» Friedrich Wilhelm I. und Mutter des späteren Kö-
nigs Friedrich II. (Gemälde von Antoine Pesne).

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zogen worden sind, so hat Friedrich Wilhelm I. den Grund Haar von der Welt gehabt, von einem ins aschfarbene ge-
dazu gelegt» Und Theodor Fontane schrieb in seinem Ro- henden Blond, aber er hatte es abschneiden lassen und
man «Stechlin»: «Friedrich Wilhelm hat nicht bloss das lange Zeit braune Zopfperücken getragen; in den letzten
Königtum stabilisiert, er hat auch, was viel wichtiger ist, Jahren seines Lebens trug er kleine, fast weisse Perücken,
die Fundamente für eine neue Zeit geschaffen und an die die zwar schlecht gemacht waren, die aber, wie einem
Stelle der Zerfahrenheit, selbstischer Vielherrschaft und schönen Gesicht alles gut steht, ihn gut kleideten.»
Willkür Ordnung und Gerechtigkeit gesetzt. Gerechtigkeit Das Porträt der Frau, die diesem Mann mit dem «schönen
war sein rocher de bronce». Gesicht» und den schlechten Manieren insgesamt 14 Kin-
Wie sah dieser eigenwillige König aus, der die barocke Al- der (vier davon starben als Kleinkinder) geboren hat, ist
longeperücke zugunsten des steifen Zopfes aus seiner Weit weniger von historischem, als menschlichem Interesse.
verbannte, der seiner Zeit erstmals vorlebte, was man da- Die Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss be-
mals und später als typisch preußisch einstufte? Sein Kam- richtete über Königin Sophie Dorothea: «Sie war nie schön
merherr Freiherr von Pöllnitz porträtierte ihn so: «Fried- gewesen, aber sah sehr stattlich und vornehm aus, und ihre
rich Wilhelm war von mittelmässiger Grösse; seine Stirn Haltung blieb dieselbe bis in ihr Alter. Vielleicht hatte sie
war erhaben; seine Augen gross, voll Feuer und Leben, für mehr esprit acquis als esprit inné; aber sie war sehr unter-
gewöhnlich düster und ernst, doch auch lachend, wenn er richtet und sehr gut erzogen, wusste mit allen Menschen
wollte. Er hatte eine schöne und dem Gesichte, dessen Um- zu reden und machte eine sehr angenehme Conversation.
riss ganz den Regeln der Schönheit entsprach, angemes- Pracht und Geselligkeit liebte sie ungemein, sah alle Mit-
sene Nase. In seiner Jugend, und noch lange nachdem er tage und alle Abend Menschen bei sich und sass besonders
verheiratet war, hatte er die schönste Haut von der Welt; gern lang bei Tische, was uns Hofdamen zuweilen sehr
er hatte alles getan, um sie zu verderben, und doch war es langweilte.» Die auf den ersten Blick einzige Übereinstim-
ihm nicht geglückt. Ehe sein Leib zu dick wurde, war er mung mit ihrem Gemahl war anscheinend die Neigung zur
vorzüglich gewachsen: seine Hände waren weiss und gut Geselligkeit, die am preußischen Hof allerdings streng
gebildet; die Finger lang und dünn. Er hatte runde Knie, nach Geschlechtern getrennt gepflegt wurde. Friedrich
Bein und Fuss waren wohlgestaltet. Er hatte das schönste Wilhelm I. hatte ja eine Vorliebe für seine Tabakskolle-
gien, für die Jagd und für «Offiziersbälle» bzw. Männer-

100
gesellschaften am Abend, bei denen keine Frauen anwe- pfeife mit Amsterdamer Knaster trank man Köpenicker
send waren, Männer mit Männern tanzten, sich betranken Bier aus Steinkrügen.
und wohl auch die ersten «Kasinowitze» rissen.
Solcherlei Zerstreuungen fanden aber immer in einem sehr Gesunder Staatshaushalt und gestraffte Verwaltung
einfachen, ja billigen Rahmen statt, denn die Sparsamkeit zum Wohle grosszügiger Kolonisation und des Heeres
des Königs liess keine unnötigen Ausgaben zu. Die Räum-
lichkeiten für das Tabakskollegium in Wusterhausen wa- Das Prinzip, dass sich die Ausgaben immer nach den Ein-
ren bescheiden, man ass von den feinen Porzellantellern nahmen zu richten haben, vertrat Friedrich Wilhelm I.
Friedrichs I. Schweinefleisch und Sauerkohl, und zur Ton- nicht nur in seinem persönlichen Leben, sondern auch
beim Staatshaushalt – eine absolut bürgerliche Vorstel-
lung, mit der er im aristokratischen Zeitalter des Barock
ziemlich allein stand. So hat denn auch Preußen unter sei-
ner Regierung nie einen Wechsel auf die Zukunft gezogen,
Staat und Hof hatten mit den vorhandenen Mitteln auszu-
kommen, ohne nach Lust und Laune an der Steuerschraube
zu drehen.
Links: Schloss Monbijou in Berlin (Gemälde von Johann Friedrich Seit Friedrich Wilhelms I. Regierung sind auch die Steu-
Meyer, um 1740), 1703 von Eosander für den Kanzler Graf von War- ersätze-sowohl der Grundsteuer wie der indirekten Ver-
tenberg als Lusthaus errichtet, ging nach dessen Sturz 1710 in den brauchssteuern – in Preußen bis zur Regierung Friedrich
Besitz der Kronprinzessin Sophie Dorothea, der späteren Königin,
über (nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Ruinen des Schlosses Wilhelms II. grundsätzlich nicht erhöht worden. Bereits
abgetragen und 1960 auf dem Gelände eine Grünanlage geschaffen). 1717 erliess der König eine Neuordnung der Besteuerung,
nach der auch den Rittergütern als Ausgleich für die ge-
genstandslos gewordene lehensrechtliche Gefolgschafts-
Szene am Jägertor in Potsdam zur Zeit König Friedrich Wilhelms I.,
unter dessen Regierung dort eine rege Bautätigkeit entfaltet wurde
(Gemälde von Johann Christian Mock).

101
Aus dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin stammt diese sogenannte
«General-Tabelle historischer Nachricht» von der Residenz- und
Hauptstadt Königsberg in Preußen aus dem Jahre 1719. Diese «Ge-
neral-Tabelle» gibt Auskunft über Einwohner und Häuser in der
Stadt und den Vorstädten und über wirtschaftliche und Handels-
Aktivitäten in Königsberg.

Innerhalb eines grosszügigen Siedlungswerks nach den Pestjahren in


Ostpreußen wurden 1732 auch 17.000 aus Salzburg vertriebene Pro-
testanten aufgenommen (der zeitgenössische Stich zeigt, wie sie ihre
Häuser bauen und die Felder bestellen).

pflicht im Kriege, eine Abgabe auferlegt wurde. Er straffte preußen hingewiesen werden, das zentral vom Staat ge-
auch die Verwaltung, setzte 1723 das General-Direkto- lenkt wurde' Dabei liess der König Siedlungswillige aus
rium als oberste Finanzbehörde ein und unter diesem die der Pfalz und Nassau, 2’000 Schweizer und 17’000 wegen
Provinzialregierungen als Kriegs- und Domänenkammern. ihres Glaubens aus Salzburg vertriebene Protestanten
Durch diese Rationalisierung des Staatsverwaltungsappa- (1732) in Ostpreußen einwandern. Dadurch wuchs die ost-
rates sparte er Geld und erhöhte somit die Staatseinnah- preußische Bevölkerung zwischen 1713 und 1740 um
men, um seine Kolonisationspolitik, die Intensivierung der 160.000 Menschen auf rund 600’000 Einwohner an. Kö-
landwirtschaftlichen Bodennutzung, die Förderung von nigsberg erreichte fast dieselbe Einwohnerzahl wie Berlin
Handel und Gewerbe voranzutreiben. An dieser Stelle ver- und galt als eine der grössten deutschen Städte. Die Bevöl-
dienen seine 1719 und 1739 erlassenen Gesetze zum kerung Ostpreußens wuchs nicht zuletzt aufgrund der per-
Schutze der Bauern vor der Willkür der Beamten und sönlichen Bindung an ihren fürstlichen Gönner aus Deut-
Gutsherrn Beachtung. Ganz besonders muss aber auf sein schen verschiedener Stämme und Ausländern, auch Litau-
grosszügiges Siedlungswerk nach den Pestjahren in Ost- ern, zu einer Staatsgemeinschaft zusammen.

102
Von den durch Rationalisierung erhöhten Staatseinnahmen die grössten Geldinvestitionen für die ständige Verstär-
profitierten Künste und Wissenschaften am wenigsten. kung des preußischen Heeres bereitgestellt wurden. In sei-
Friedrich Wilhelm I. hatte eine denkbar dürftige Schulbil- nem Heer, dem er sich leidenschaftlich verschrieben hatte,
dung erhalten und gewann nie ein enges Verhältnis zu sah der von der Geschichtsschreibung als «Soldatenkönig»
schöngeistigen Dingen. Er bewilligte zum Beispiel der apostrophierte Herrscher das einzige Mittel, die Sicherheit
Berliner Bibliothek im Jahre 1734 ganze vier und im Jahr seines Staates zu garantieren. Jedoch: «Die Aufstellung ei-
1735 ganze fünf Taler für neue Bücher; die Besoldung der nes Heeres, wie gross auch immer, bedeutete noch nichts,
Bibliotheksbeamten strich er ganz. Den Philosophen Chris- wenn man nicht ohne fremde Hilfe die Mittel besass, es
tian Wolff (1679-1754), einen der ersten Aufklärer an der jeden Augenblick ins Feld zu führen. Der vornehmste Er-
Universität Halle, liess er kurzfristig ausweisen, weil man folg der sparsamen Verwaltung Friedrich Wilhelms I. lag
ihm eingeredet hatte, dass dessen Gedanken und Ideen darin, dass seine Streitmacht allein auf die eigenen Erträge
seine berühmtem «langen Kerls» zur Desertion veranlassen des Landes begründet ward.» (Carl Hinrichs).
könnten. Aus dieser Geisteshaltung wird verständlich, dass

103
Im Jahre 1721 sandte Johann Sebastian Bach (1685-1750) an den Heer, Erziehung und Schulwesen
Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg seine berühmten
unter dem «Soldatenkönig»
sechs «Brandenburgischen Konzerte» (Faksimile der ersten Seite).

Die mehr oder weniger gewaltsame Anwerbung für die


Truppen des «Soldatenkönigs» führte zu zahllosen Zwi-
Von seinem Grossvater, dem Kurfürsten Friedrich Wil- schenfällen und ärgerlichen diplomatischen Verwicklun-
helm hatte der König den Hang zum Militär geerbt und da- gen, vor allem mit Mecklenburg und Hannover. Im eigenen
mit den preußischen Staat zur bestfunktionierenden Mili- Land hatte der König bereits 1714 die gewaltsame «Anwer-
tärmacht seines Jahrhunderts verwandelt, aber er schaffte bung» der jungen Männer durch sog. «Presskommandos»
dies – im Gegensatz zu seinem Grossvater – ohne fremde verbieten lassen, weil er einen Rückschlag für seine bevöl-
Subsidiengelder. Auch bei der Organisation seines Heeres kerungspolitischen Massnahmen fürchtete, nachdem viele
brach Friedrich Wilhelm I. radikal mit der Vergangenheit, waffenfähige junge Leute ins Ausland geflohen waren. So
indem er den «gewissermassen bürgerlichen Geist purita- flüchtete 1724 auch ein Student namens Johann Christoph
nischer Disziplin und Arbeitsethik» (Carl Hinrichs) auch Gottsched, der, spätere Dichter, aus Königsberg nach
auf das Offizierskorps übertrug. Persönliche Pflichterfül- Leipzig, weil er wegen seiner Körpergrösse befürchten
lung und Verantwortlichkeit, die er seinen Beamten abver- musste, von den Werbern zu den «langen Kerls» gepresst
langte, forderte er in gleichem Masse von den Offizieren, zu werden, jener legendären Potsdamer Leibgarde des Kö-
die ihm für Ausrüstung und Ausbildung der ihnen unter- nigs, um deren Zucht und Ordnung dieser sich höchst per-
stellten Soldaten hafteten. Für jeden Mangel, den der Kö- sönlich kümmerte. Damit sich die Offiziere bei ihren An-
nig bei seinen zahlreichen strengen Kontrollen feststellte, werbungen und Aushebungen nicht gegenseitig ins Gehege
wurde der zuständige Vorgesetzte gemassregelt. Auf Be- kamen, wurden am 1. Mai und 25. September 1733 zwei
förderung konnte nur der Offizier hoffen, dessen Soldaten Edikte erlassen, die als «Kantonreglements» bekannt wur-
bis auf den letzten Uniformknopf den Vorschriften ent- den und den einzelnen Regimentern bestimmte Bezirke o-
sprachen. Die Massnahmen Friedrich Wilhelms hatten zur der Kantone zur Rekrutierung zuwiesen. Jeder Soldat er-
Folge, dass der «Dienst in des Königs Rock» eine grundle- hielt vom Staat Uniform und Bewaffnung gestellt, seine
gende Neuorientierung und gleichzeitige Aufwertung er- Verpflegung musste er sich vom Sold selbst kaufen. Kaser-
fuhr. Damit verbunden steigerte sich die Qualität des mili- nen gab es nur in den Städten Berlin und Potsdam, für Ein-
tärischen Personals quer durch alle Ränge, vom General quartierungen in anderen Städten und Dörfern bezahlte der
bis zum einfachen Soldaten.

104
Staat «Servisgelder». Der Soldat bekam bei den Bürgern Die Vorderseite des zwischen 1664 und 1670 von Philipp de Chieze
erbauten Stadtschlosses von Potsdam, das zwischen 1745 und 1775
Quartier, die sich dazu anboten. Natürlich war das Heer für
von G. W. von Knobelsdorff umgestaltet wurde (die Ruine wurde
die Garnisonsorte ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die nach 1945 abgerissen).
Reiterei wurde deshalb vom Lande in die Städte verlegt,
wofür die von der Einquartierung befreiten Bauern Kaval-
leriegelder entrichten mussten. Dabei wurde 1721 in Ins- Bei den anderen Fürsten in Deutschland und Europa galt
terburg erstmals eine zwei Schwadronen starke Husaren- König Friedrich Wilhelm I. als Original, das man teils mit
einheit aus ungarischen und rumänischen Freiwilligen auf- Abscheu, teils mit Amüsement betrachtete. Doch war ge-
gestellt. Bald liess Friedrich Wilhelm I., der schnell Gefal- rade dieser Sonderling seinen fürstlichen Kollegen auf ei-
len an dieser Sondereinheit fand, in Berlin ebenfalls eine nem noch wichtigeren Gebiet als dem Militärwesen um
Gardeschwadron von Husaren aufstellen, aus denen später Längen voraus, nämlich in der Erziehungs- und Bildungs-
die berühmten Zieten-Husaren unter ihrem Rittmeister politik. Friedrich Wilhelm selbst war von einem hugenot-
Hans Joachim von Zieten (1699-1786) hervorgingen, de- tischen Pädagogen, dem puritanischen Jean Philippe Re-
ren Bedeutung sich in der Schlacht von Mollwitz 1741 her- beur, streng und mit der ganzen Unerbittlichkeit der calvi-
ausstellte. nistischen Prädestinationslehre erzogen worden. Zeit sei-
Als Friedrich Wilhelm I. von seinem Vater die Armee nes Lebens plagte ihn eine geradezu panische Angst vor
übernahm, war sie etwa 40’000 Mann stark. Beim Tode ewiger Verdammnis wegen seines störrischen jähzornigen
des «Soldatenkönigs» verfügte Preußen über ein Heer von Wesens, denn dieser Erzieher sorgte in drastischer Weise
rund 80’000 Mann, das viertgrösste Heer in Europa. Schon dafür, dass der König schon in frühen Jugendjahren die
1713 – in der Anfangsphase des Aufbaus – hatte sich Fried- Schattenseiten seines Charakters kennenlernte. Hier lagen
rich Wilhelm I. in den Nordischen Krieg (seit 1701) einge- aber auch die Wurzeln für seine tiefe und demütige Fröm-
schaltet und konnte im Frieden von Stockholm (1720) ge- migkeit, die ihn seine Königswürde als von Gott verliehe-
gen eine Zahlung von drei Millionen Talern Vorpommern nes Amt empfinden liess, als eine ihm auferlegte Pflicht,
links der Oder bis zur Peene mit Stettin, Damm, Gollnow, über deren Erfüllung er dem Höchsten Rechenschaft schul-
Gartz, Pasewalk, Anklam, Demmin, dazu die Inseln Use- dete. Ungeachtet seiner engen Verbundenheit mit der Leh-
dom und Wollin mit dem Haff und den beiden östlichen re Calvins war Friedrich Wilhelm kein religiöser Eiferer.
Odermündungen für Preußen hinzugewinnen. Höher als konfessionelle Unterschiede stand ihm die ge-
meinsame Pflicht zu tätiger Nächstenliebe. Darum verfüg-

105
te er auch für alle Pfarramtskandidaten ein zweijähriges «Der Kerl hat Geld, muss bauen!»: Ausbau von Pots-
Studium an der Universität Halle, wo der milde Geist Au- dam und Berlin unter Friedrich Wilhelm
gust Hermann Franckes (1663-1727) herrschte, der dort
seine Stiftungen zum Wohle der Armen ins Leben gerufen Verhältnismässig wenig hatte Friedrich Wilhelm I., wie
hatte und sich um die Unterrichtung und Erziehung der schon erwähnt, für die Künste übrig. Bei seinem Regie-
Waisen kümmerte. Im protestantischen Berlin gab es ka- rungsantritt waren die meisten im Dienst des Hofes stehen-
tholischen Gottesdienst, und die Juden genossen persönli- den Künstler entlassen worden: «Meine Herren! Unser gu-
che Privilegien. ter Herr ist tot, und der neue König schickt euch zum Teu-
Auf der Grundlage dieser Toleranz wollte Friedrich Wil- fel», überlieferte ein Augenzeuge die sarkastischen Worte
helm I. auch seine Landeskinder erzogen wissen, weshalb des Königs. Was unter seinem Regiment in Berlin an Bau-
ihm auch das Schulwesen sehr am Herzen lag. Mit dem ten entstand, war alles von der Nüchternheit und Frömmig-
Edikt vom 23. Oktober 1717 verfügte er als erster Herr- keit seines spartanischen Charakters geprägt. Seine Bauten
scher in Deutschland für Preußen die allgemeine Schul- in Berlin und Potsdam waren deshalb auch überwiegend
pflicht und liess in den folgenden zwanzig Jahren über Kirchen. Von 1730 bis 1735 entstand in Potsdam die be-
siebzehnhundert neue Schulen gründen, überwiegend in rühmte Garnisonskirche; in Berlin wurden erbaut die Fran-
Ostpreußen. Der Unterricht ging während der Zeit seiner zösische Kirche in der Klosterstrasse (1721), eine weitere
Regierung mehr und mehr von den Pfarrern auf Laien über. Garnisonskirche (1720-22), der Turm der Sophienkirche
Auf Disziplin und Fleiss wurde – entsprechend dem mili- (1734), die Böhmische Kirche (1735) und die Dreifaltig-
tärischen Vorbild – grössten Wert gelegt, der Stock und die keitskirche (1737-1739); ausserdem wurden einige Kir-
Prügelstrafe waren eine Selbstverständlichkeit, vergleich- chen umgebaut, so die Jerusalemer Kirche, die Gertrau-
bar der Folter und dem Rutenlaufen bei der Armee (bis denkirche und die Petrikirche. Gegen Ende seiner Regie-
1814). rungszeit liess Friedrich Wilhelm Potsdam und Berlin mit
Staatsbauten und Bürgerhäusern weiter ausbauen, wobei
er an reiche Bürger Grundstücke mit dem Befehl ver-
schenkte: «Der Kerl hat Geld, muss bauen!» Friedrich Wil-
helm bevorzugte als Architekten Philipp Gerlach (1679-

106
Links: Anwerbung von Soldaten in und ausserhalb Preußens durch 1748), den Schlüter-Schüler Martin Heinrich Böh-me so-
die Werber des «Soldatenkönigs» Friedrich Wilhelm I. am Anfang wie dessen Schüler Friedrich Wilhelm Diterichs und Jo-
des 18. Jahrhunderts; der Stich aus Flemings «Der vollkommene
deutsche Soldat» (1724) zeigt, wie die Kandidaten zuerst betrunken hann Grael.
gemacht und zur Unterschrift «gepresst» wurden. Neben der Architektur verfiel auch die bildende Kunst, le-
diglich Antoine Pesne glänzte mit Porträtdarstellungen von
Bildnis eines «langen Kerls» der Leibgarde des Königs mit Namen Offizieren, und einige Hofmaler widmeten sich der mehr
Heinrich Wilhelm Wagenführer aus der Grafschaft Wiet.
oder weniger eindrucksvollen Darstellung des Jagdgesche-
hens, das der König so liebte. In Potsdam entstanden lange
Reihen schlichter Bürgerhäuser, gleichförmig und
schmucklos, sichtbarer Ausdruck des bescheidenen Haus-
halts einer preußischen Bürgers- oder Beamtenfamilie. In
den letzten Regierungsjahren des «Soldatenkönigs» wur-
den im gleichen Stil in Potsdam die Neustadt (von 1725-
1733) und von 1732 bis 1740 das Holländische Viertel ge-
baut «Potsdam blieb eine Landstadt. . . ihren Stil gab ihr
der Zopf» (Moeller van den Bruck). Lediglich im Rokoko-
schlösschen Monbijou in Berlin (im Zweiten Weltkrieg
zerstört), das von 1703 bis 1710 von Eosander von Göthe
(1669-1728) für den Kanzler Friedrichs I., von Warten-
berg, als Lusthaus erbaut worden war und in dem seit 1713
Königin Sophie Dorothea Hof hielt, war noch ein Rest von
der künstlerischen Freizügigkeit früherer Zeiten zu spüren.
Mehr zur Verhinderung von Desertionen und zur besseren
Steuerkontrolle als zu Verteidigungszwecken, liess König
Friedrich Wilhelm I. schliesslich zwischen 1732 und 1734
in Berlin am Pariser Platz («Quarré»), am Leipziger Platz
(Achteck) und am Belle-Alliance-Platz (heute Mehring-
platz, «Rondeel»), Stadttore und eine hohe, Berlin in wei-
tem Umkreis umgebende Stadtmauer errichten, die der Kö-
nig selbst skizziert hatte.

Der «Querpfeifer und Poet»: Kronprinz Friedrich

Vor den Toren Berlins, in Köpenick, frönte der «Soldaten-


könig» häufig seinerJagdpassion und brachte so neues Le-
ben in das dortige Schloss, nachdem fünfzig Jahre lang
Charlottenburg Mittelpunkt des Hofes gewesen war. Bis zu
einem Jagdunfall des Königs 1729, der ihn fast das Leben
gekostet hätte, lärmten die Jäger in den umliegenden Wäl-
dern. Dann, am 28. Oktober 1730, wurde das Schloss
Schauplatz einer der «interessantesten Episoden unserer
Geschichte» (Theodor Fontane): an diesem Tag trat dort
jenes Kriegsgericht zusammen, das über den Leutnant
Katte vom Garderegiment Gensdarmes sowie über den
«desertierten Obristlieutnant Fritz» Urteil sprechen sollte.
Der zweitgenannte Delinquent war niemand anderes als
des «Soldatenkönigs» ältester Sohn und Kronprinz Fried-
rich, der spätere König Friedrich II.

107
Johann Andreas Rüdiger (1683-1751), dessen Vater bereits 1704 das
Privileg zum Druck eines «wöchentlichen Diariums» erhalten hatte,
liess 1721 die ersten Ausgaben seiner «Berlinischen privilegierten
Zeitung» dreimal wöchentlich (in Kleinoktav zu vier Blättern) er-
scheinen – Berlins erste periodisch erscheinende Zeitung.

und anders sprechen». Auf der Rückseite der Bemerkung


verwies er auf passende Bibelstellen, die eine schärfere
Verurteilung rechtfertigen sollten. Doch das Kriegsgericht,
dem Angehörige so bekannter preußischer Adelsfamilien
wie von der Schulenburg, von Schwerin, von Dönhoff, von
Einsiedel, von Lüderitz und von Itzenplitz zugeordnet wa-
ren, blieb bei seinem Spruch. Da stiess nun der König
höchstpersönlich den Rechtsspruch um und forderte in ei-
ner Kabinettsorder an das Kriegsgericht kategorisch Kattes
Hinrichtung mit dem Hinweis, dass es besser wäre, «er
stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme».
Der «Querpfeifer und Poet», wie er seinen Sohn in Anspie-
lung auf dessen musikalische und literarische Ambitionen
nannte, musste weiterhin in Küstrin in Haft bleiben und zu-
sehen, wie sein Freund am 6. November 1730 vor seinem
Fenster enthauptet wurde. Diese und andere bedrückende
Erinnerungen aus seiner Jugendzeit verfolgten den späteren
König Friedrich 11. sein ganzes Leben. Zu seinem schwei-
zerischen Vorleser Henri A. de Catt (1725-1795) sagte
Friedrich einmal: «Mein Vater hielt mich ... für eine Art
menschlichen Teig, aus dem man formen könnte, was ei-
nem beliebte». Nach väterlicher Order wurde er «erzogen»,
unter Zwang arbeitete er sich in die Staatsverwaltung ein,
unter Zwang heiratete er 1732 die ungeliebte Prinzessin Eli-
sabeth von Braunschweig-Bevern (1715-1797), obwohl er
Dieser hatte einige Wochen zuvor wegen der jahrelang er- – sicher glaubhaft – versicherte, dass er «ein schlechter
littenen häuslichen Unterdrückung und ständigen Be- Gatte» sei. Einige Wochen nach der Hochzeit in Salzdah-
schimpfungen und Prügel in der Öffentlichkeit durch den lum im Hannoverschen und den Feierlichkeiten in Berlin
despotischen Vater zusammen mit seinem Freund ins Aus- kehrte der vierundzwanzigjährige Ehemann allein nach
land fliehen wollen, «weil Dero Herr Vater immer ungnä- Ruppin zurück, wo er ab 1736 in dem zwanzig Kilometer
diger auf ihn geworden». Aber der Plan wurde entdeckt entfernten Schloss Rheinsberg, das ihm der Vater gekauft
und beide Freunde verhaftet. Der König sah in dem Sohn hatte und das er von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff
einen feigen Deserteur; ausserdem fehlte ihm auch jedes (1699-1753) ausbauen liess, höfische Geselligkeit mit sei-
Verständnis für die intime Freundschaft zweier junger nem Freundeskreis nach zeitgenössischen Vorbildern
Männer, ja dieser Leutnant Katte war Für ihn sogar ein pflegte. (Später, von 1763 bis 1802, lebte Friedrichs Bruder
«Sodomiter», über den er schon vor dem Kriegsgerichts- Heinrich in Rheinsberg und liess den Landschaftspark in
spruch den Stab gebrochen hatte. Als dann das aus sech- der heutigen Gestalt anlegen.) Knobelsdorff legte in
zehn Offizieren bestehende Kriegsgericht im Wappensaal Rheinsberg erste Proben seines Könnens ab, die ihn später
von Schloss Köpenick einen Rechtsspruch über den im zum Schöpfer jenes friderizianischen Stils werden liessen,
Küstriner Schloss einsitzenden Kronprinzen ablehnte und der klassische Linien mit dem Schwung und dem ornamen-
nur den Leutnant Katte zu lebenslänglicher Festungshaft talen Reichtum des Rokoko vereinte. Das Geld für diese
verurteilte, gab der in Schloss Wusterhausen wartende Kö-
nig das Urteil mit der Bemerkung zurück: «Sie sollen
Recht sprechen und nicht mit dem Flederwisch darüber ge-
hen. Das Kriegsgericht soll wieder zusammenkommen

108
Die Turmfront der Sophienkirche (heute Ost-Berlin) nach ihrer Res-
taurierung 1976; sie ist eine Stiftung der dritten Gemahlin Friedrichs
I., Sophie Luises, und wurde 1712 erbaut; der von Johann Friedrich
Wilhelm I. von 1732-34 errichtete Turm variiert die Idee des Schlü-
terschen Münzturmes und des Turmes der Potsdamer Garnisonskir-
che.

Bautätigkeit dürfte zum Teil aus heimlichen Schmiergel-


dern vom österreichischen Hof aus Wien gekommen sein,
wo man die Schwierigkeiten des Prinzen in eine Geneigt-
heit des künftigen Preußenkönigs «ummünzen» wollte.
Doch diese damals übliche Unterstützung hat Friedrich
dem Wiener Hof später schlecht gedankt.
Zwei Jahre lang liess der Vater den Prinzen in Rheinsberg
fast ganz in Ruhe, in der Hoffnung auf einen Erben, den es
freilich nie geben sollte. Friedrich war zu seiner Frau, die
ihn bewunderte, korrekt und freundlich. Viel lieber aber be-
schäftigte er sich mit seiner Flöte, gab Konzerte, interes-
sierte sich für die Künste und – was der Vater sehr gern sah
– lebte häufig auf Reisen nach Berlin und Potsdam unter
den Soldaten in der Garnison seines Regiments oder inspi-
zierte mit zunehmendem Interesse die Domänen und deren
Verwaltung. Des Vaters Bemühungen, ihn zu «formen»,
trugen also in diesen Jahren wachsendergegenseitiger Ach-
tung zwischen Sohn und Vater doch noch Früchte. Es gab
dazwischen auch Rückfälle des Vaters, so im Januar 1739,
als sich Friedrich gegenüber seiner Lieblingsschwester
Wilhelmine, die häufig gemeinsam mit Friedrich vom Va-
ter traktiert und in ähnlicher Weise zur Heirat mit dem Erb-
prinzen Friedrich von Bayreuth gezwungen worden war,
mit folgenden Worten beschwerte: «Sechs Wochen lang
war ich die Zielscheibe der bitteren Spötteleien des Königs schrieb Friedrich an seine Schwester Wilhelmine nach
und Prügelknabe seines Zornes. Es ist recht unmenschlich, Bayreuth. Der unmittelbar miterlebte Tod des Vaters mag
seinen Zorn auszulassen an Leuten, die sich aus Furcht und die Erinnerung an seine Haft in Küstrin verdrängt haben,
Ehrerbietung nicht verteidigen oder beschweren können». wo er laut Zeugnis der Schwester oftmals in einsamen
Aber im Sommer 1739, nachdem er mit dem König dessen Nächten auf Französisch gebetet hatte: «Herrgott, wenn du
letzte Reise nach Ostpreußen gemacht hatte, war er begeis- bist, lass diesen roten Bullen zerplatzen!» An Voltaire
tert von des Vaters Kolonisationswerk und lobte ihn in ei- schrieb der Thronfolger nach des Vaters Tod: «Lieber
nem Brief an Voltaire, mit dem er seit einem Jahr korres- Freund, mein Schicksal hat sich geändert, und ich habe den
pondierte: «Alles, was ich Ihnen hier aufzähle, hat man letzten Augenblicken eines Königs beigewohnt, seinem
ganz allein dem Könige zu verdanken... Er hat den Plan ge- Todeskampf, seinem Tode. Sicherlich bedurfte ich, bevor
fasst und ihn allein ausgeführt. Weder Sorge noch Mühe, ich auf den Thron gelangte, noch dieser ernsten Lektion,
noch ungeheure Summen, noch Versprechungen, noch Be- um von der Eitelkeit menschlicher Grösse überzeugt zu
lohnungen hat er gespart, um Glück und Leben einer halben werden».
Million denkender Wesen zu sichern, die nun ihm allein
ihre Wohlfahrt, ja ihre Existenz verdanken».
Zwei Jahre später starb Friedrich Wilhelm an der Wasser- Preußen nach den Schlesischen Kriegen, nach dem
sucht. «Er starb mit einer engelsgleichen Festigkeit», Siebenjährigen Krieg und nach der ersten polnischen
Teilung 1772

Die menschliche Seite des historischen Vater-Sohn-Kon-


flikts der beiden bedeutendsten preußischen Könige wird

109
Links:.So sah die von Philipp Gerlach (1679-1748) zwischen 1730
und 1735 erbaute Potsdamer Garnisonskirche aus, deren Schiff im
Zweiten Weltkrieg zerstört und deren Turm 1968 gesprengt und ab-
getragen wurde.

Unten: Die zwischen 1732 und 1740 erbaute Bürgerhäuser-Siedlung


des Holländischen Viertels in Potsdam (Aufnahme 1978).

Rechts: Zur Verhinderung von Desertionen und zur besseren Steuer-


kontrolle liess Friedrich Wilhelm I. in Berlin am Pariser Platz, am
Leipziger Platz und am «Rondeel» des Belle-Alliance-Platzes (heute
Mehringplatz), deren Grundformen der König selbst skizziert hatte,
Stadttore errichten. Im Bild auf dem Gemälde eines unbekannten
Künstlers die perspektivische Darstellung des Entwurfs für den
Belle-Alliance-Platz (um 1730).

110
hier mit Absicht ausführlicher als andere Herrscherbiogra-
phien der Preußischen Historie dargestellt, weil ohne
Kenntnis dieses Konflikts und seiner Ursachen und Aus-
wirkungen die Epoche des klassischen Preußens, dem
beide in ihrer unverwechselbaren Art den Stempel aufge-
drückt haben, nicht voll verständlich wird. Die Dynamik,
mit der unter dem Vater der Staat innerlich begründet und
gefestigt wird, der sich unter dem Sohn zur europäischen
Grossmacht entwickelte, hat ihre Ursache auch in der Dy-
namik und der Spannung zwischen diesen beiden gegen-
sätzlichen starken Naturen und ihrer Psyche. Der Vater,
Schöpfer der berühmtesten Armee seines Jahrhunderts,
war nicht der ihm oft angedichtete Militarist, sondern «ei-
ner der friedfertigsten Fürsten» (Th. B. Macaulay). Ausser
seiner Beteiligung an der Belagerung von Stralsund 1715
hat er keinen weiteren Krieg geführt, und der Spruch von
den Preußen, die so schnell nicht schiessen, stammt aus sei-
ner Zeit «Der grösste Feldwebel der preußischen Nation»
(Carlyle) hinterliess jedoch seinem Sohn eine Armee, die
fähig war zur Durchsetzung aller alter preußischer Gebiets-
ansprüche, die der Sohn auch sofort in Angriff nahm, als er
1740 Österreich gegenüber, einem Land noch dazu unter
Führung einer Frau, eine Chance sah. Im Unterschied zum
Vater liess also der Sohn ausgiebig «schiessen». Voltaire
kommentierte dazu: «Mit diesem Heer als drohender
Waffe in der Hand musste sein ehrgeiziger Sohn geradezu
Unfug anrichten». Allerdings unterschätzte Friedrich II.
seine Gegnerin Maria Theresia (1740-1780) und deren Tat-
kraft.
Die politische Geschichte der friderizianischen Eroberun-
gen in den beiden Schlesischen Kriegen (1740/42 und
1744/45) und im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) in-
teressiert in einer Kulturgeschichte nur am Rande. Sie soll

Oben: Zeitgenössisches Gemälde eines unbekannten Künstlers, das


den Freund des Kronprinzen Friedrich, Hermann von Katte (1704-
1730), in der Uniform der Gens d’armée mit dem Johanniterkreuz,
darstellt.

Links: Letzte Seite des Todesurteils gegen Katte, handgeschrieben


von König Friedrich Wilhelm I. am 1. November 1730, mit dem
Schlusssatz: «aber besser dass er stürbe, als dass die Justiz aus der
Welt käme».

Rechts: In den ersten Wochen der Gefangenschaft des Kronprinzen


in der Festung Küstrin beschäftigte sich dieser mit der Überprüfung
von Rechnungen; an die hier abgebildete Rechnung (Geheimes
Staatsarchiv Berlin) vom 27. November 1730 schrieb der Kronprinz
die Randbemerkung: «Ist so deuer bezahlet wegen des vie sterbens
und daher entstandenen raritet der buter.»

112
Links: «Soldatenkönig» Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) in der
Uniform der Grenadiergarde in Potsdam Nr. 6 (Gemälde von Harper,
um 1722). Sein Kammerherr von Pöllnitz porträtierte ihn so: «Fried-
rich Wilhelm war von mittelmässiger Grösse; seine Stirn war erha-
ben; seine Augen gross, voller Feuer und Leben, für gewöhnlich düs-
ter und ernst, doch auch lachend, wenn er wollte».

Die Fahne des preußischen Infanterie-Regiments Nr. 17 aus Pom-


mern aus der Zeit Friedrichs II. (Heeresgesch. Museum, Wien).

Schloss Rheinsberg mit dem See nach einem Kupferstich von F. C.


Krüger aus dem 18. Jahrhundert; das in der Mark bei Neuruppin lie-
gende Rheinsberg erwarb Friedrich Wilhelm I. 1734 von den Herren
von Bredow, es war 1736-40 Wohnsitz des Kronprinzen Friedrich,
später (1763-1802) seines Bruders Heinrich, der den Land-
schaftspark in seiner heutigen Gestalt anlegen liess.

115
hier auch nicht vertieft, sondern nur in ihren Ergebnissen Die grösste Ausdehnung erhielt Preußen aber durch die ter-
und den sich danach ergebenden territorialen Veränderun- ritorialen Zugewinne nach der ersten polnischen Teilung
gen in Preußen vorgestellt werden: Nach den Schlesischen (1772). Friedrich hatte dabei die Absicherung Preußens an
Kriegen kam es 1742 zum Erwerb von Ober- und Nieder- dessen Ostflanke gegen eventuelle Hegemoniebestrebun-
schlesien mit Schwiebus und der Grafschaft Glatz. Bestä- gen Russlands im Auge: zu Preußen kam im Vertrag von
tigt wurden diese Eroberungen 1763 im Frieden von Hu- Petersburg (25.7./5.8.1772) Pommerellen ohne Danzig,
bertusburg nach dem Siebenjährigen Krieg, in dem Maria das Kulmerland ohne Thorn, die Gebiete um Marienburg
Theresia als Königin von Ungarn und Böhmen auf alle und Elbing (letzteres bereits seit 1704 in Pfandbesitz) und
böhmischen Lehnsrechte an Crossen, Cottbus, Peitz, Teu- das Bistum Ermland. Damit waren alle im Mittelalter zum
pitz, Beeskow, Storkow und Zossen verzichten musste. Ordensstaat gehörenden Gebiete wieder bei Preußen und
Auch zwei Erbschaften fielen Preußen nach dem bewähr- eine Landverbindung zwischen Pommern und Ostpreußen
ten Muster früherer Zeiten zu: 1774 konnte Friedrich II. hergestellt. Aus den im Süden an Preußen grenzenden Ge-
durch Vermittlung der Stadt Emden, die bereits unter Kur- bieten – die seit dem Spätmittelalter als Kujawien polnisch
fürst Friedrich Wilhelm preußische Garnisonsstadt war, gewesen waren – kamen in der ersten Teilung 1772 auch
nach dem Tode des letzten Fürsten Carl Edzard aus dem noch Teile der
Haus Cirksena das Nachfolgerecht von 1694 an Ostfries-
land geltend machen und damit für Preußen den Zugang
zur Nordsee sichern; im Jahre 1780 wurde schliesslich
noch der Kreis Mansfeld nach dem Erlöschen der dortigen Oben: Kronprinz Friedrich besucht den französischen Maler Antoine
gräflichen Linie zwischen Preußen und Kursachsen aufge- Pesne auf dem Malgerüst in Schloss Rheinsberg (Gemälde von
teilt. Adolph von Menzel, 1861).

Rechts: Kronprinz Friedrich in der Uniform der königlichen Leib-


garde (Gemälde eines unbekannten Künstlers um 1729).

116
Die Lieblingsschwester Friedrichs II., Wilhelmine (1709-1758), die
spätere Markgräfin von Bayreuth, deren Memoiren «Denkwürdig-
keiten» ein von verständlichem Hass gegen den diktatorisch strengen
Vater geprägtes Bild vom Hof des «Soldatenkönigs» gaben (Ge-
mälde eines unbekannten Künstlers).

Anmut. Sein Kopf ist etwas nach links geneigt, sei es von
Natur oder aus Ziererei. Er ist leutselig und entgegenkom-
mend, wenn er will. Seine Stimme ist sanft und rührend,
so dass sie auf grosse Bescheidenheit schliessen lässt, ja
sogar auf etwas Schüchternheit, zumal wenn er zu spre-
chen beginnt oder mit jemandem zum ersten Male spricht;
das trägt nicht wenig dazu bei, ihm die Herzen zu gewin-
nen, wenn er bestricken will. Sieht man jedoch schärfer zu,
so gewahrt man an ihm bald eine spöttische, verächtliche
Miene, die unter dem Anschein von Sanftmut und Güte
verborgen ist». Vieles spricht dafür, dass dieser Preußen-
könig, den wir heute als typischen Vertreter des aufgeklär-
ten Absolutismus ansehen und der oft als «Philosoph auf
dem Thron» apostrophiert wurde, mehr nach seiner Mutter
als nach seinem Vater schlug, also – wie Franz Mehring
schrieb – «mehr Welfe als Hohenzoller» war, auch einge-
denk der Tatsache, dass unter den Welfen literarische Nei-
gungen häufig zum Vorschein kamen. Folgerichtig fügt
Bezirke Posen, Gnesen und Inowrazlaw an Preußen, wel- Mehring hinzu, dass Friedrichs Ehrgeiz als Mensch «in
che ab 1776 mit den Kreisen Deutsch-Krone, Kamin und erster Reihe nach dem Lorbeer des Dichters und Schrift-
Bromberg zum Netzedistrikt erweitert wurden. Für diese stellers strebte... lieber wollte er Racines Athalie gedichtet,
durch die erste polnische Teilung neuerworbenen Gebiete als den Siebenjährigen Krieg geführt haben». Von Voltaire
liess der König Ende 1772 die neue Kriegs- und Domänen- ermutigt, hatte Friedrich schon ein Jahr vor seinem Regie-
kammer Marienwerder als Verwaltungszentrum einrichten rungsantritt eine respektable Probe seiner «welfischen»
(ausser Ermland) und das ganze neugeordnete Gebiet ab Begabung abgelegt, sein erstes Buch «Réfutation du Prin-
31. Januar 1773 in «Westpreußen» umtaufen, während ce de Machiavel» (Zurückweisung des Fürsten von Machi-
Königsberg und Gumbinnen mit deren Hinterlanden zu avelli), das Voltaire anonym veröffentlichen liess. Darin
«Ostpreußen» zusammengefasst wurden. griff Friedrich alle Könige an, die «den verhängnisvollen
Ruhm von Eroberern dem vorzogen, den Güte, Gerechtig-
keit und Nachsicht einbringen und fragte sich, was einen
Friedrich, der «Philosoph auf dem Thron» Menschen dazu veranlassen könne, «seine Grösse im
Elend und der Vernichtung anderer Menschen zu sehen».
Im Dezember 1740, ein halbes Jahr nach dem Regierungs- Es darf nicht übersehen werden, dass er sich zumindest zu
antritt Friedrich II, gab der Marquis Louis Charles Antoine Beginn seiner Regierung auch selbst noch von diesen Ide-
de Beauvau eine recht genaue und schonungslose Schilde- alen leiten liess: am zweiten Tag nach der Thronbestei-
rung von dessen Aussehen und Wesen: «Der König ist et- gung befahl er, die öffentlichen Kornkammern zu öffnen
was unter Mittelgrösse. Er hat ein ziemlich edles und offe- und den Armen Korn zu vernünftigen Preisen zu verkau-
nes Wesen, braunes, nachlässig erhaltenes Lockenhaar, fen, weil ein kalter Frühling eine schlechte Ernte voraus-
blaue grosse und etwas dicke Augen von äusserster Leben- ahnen liess; am dritten Tag schaffte er in Preußen den Ge-
digkeit; dabei ist er sehr kurzsichtig. Er neigt ziemlich zum brauch der Folter bei Kriminalfällen ab. Voltaires Einfluss
Starkwerden. Obwohl er sehr schlecht auf den Beinen ist, auf Friedrich verdankte Preußen in diesen ersten Monaten
die dick und hässlich sind, ist sein Gang nicht ganz ohne

118
Zwei weitere Schwestern Friedrichs II.: Luise UIrike (1720-1782),
die nach ihrer Heirat mit Prinz Friedrich Adolf von Holstein-
Gottorp 1751 schwedische Königin wurde (rechts oben), und
Amalie (1723-1782), die jüngste Schwester, bekannt geworden
wegen ihrer Beziehung zu dem Freiherrn von der Trenck, nach
deren Entdeckung König Friedrich II. sie zur Äbtissin von Qued-
linburg machte (rechts; beide Bildnisse nach Gemälden von
Antoine Pesne).

noch weitere erstaunliche Entscheidungen. So gab er am


22. Juni 1740 den Befehl heraus, dass «alle Religionen
geduldet werden müssen, und die Regierung muss darauf
achten, dass sich keine Religion Übergriffe auf eine ande-
re zuschulden kommen lässt, denn in diesem Lande
soll ein jeder nach seiner Façon selig werden». Fried-
rich gewährte ohne finanzielle Verlautbarung auch
wieder Pressefreiheit im Lande: «Meine Untertanen
dürfen sagen, was ihnen passt, und ich darf tun, was mir
passt». Er liess die Berliner Akademie der Wissen-
schaften wieder aufleben, holte den vom Vater vertrie-
benen Philosophen Christian Wolff aus der Verban-
nung zurück und berief auf Voltaires Vorschlag den
«esprit fort» (Freidenker) Pierre-Louis Moreau de
Maupertuis (1698-1759) zum Akademie-Präsidenten
in Berlin.
Aber nach einem Zitat des Grafen Otto von Schwerin,
dem Ratgeber des Kurfürsten Friedrich Wilhelm,
nach dem «Macht vor Recht geht», musste Friedrich
II. bald erkennen, dass er als König nicht mehr nur
nach idealen Maximen handeln konnte. Als er im De-
zember 1740 seine Truppen in Schlesien einmarschie-
ren liess, wusste er, dass die Realpolitik ihn eingeholt
hatte, dass ihm die schwierige geographische Lage
Brandenburg-Preußens nur die Alternative liess zwi-
schen Machtlosigkeit bei ständiger Bedrohung oder
einer rücksichtslosen Eroberungspolitik, die danach
trachten musste, jede erkennbare Schwäche der Nach-
barstaaten zur Arrondierung des eigenen Territo-
riums zu nützen. Fragwürdige Rechtstitel mochten
nach Möglichkeit dazu dienen, die brutale Gewaltpo-
litik mit einem Schein von Rechtmässigkeit zu umge-
ben. So hatte «gemäss der preußischen Verfassung je-
der preußische König unweigerlich den alten Kurs zu
segeln.» (Franz Mehring). Hatte nicht sein Vater der
Pragmatischen Sanktion unter der Bedingung zu-
gestimmt, den preußischen Schutz für des Kaisers
Tochter Maria Theresia und deren Erbe nur zuzusa-
gen, wenn Österreich die preußischen Ansprüche auf
Jülich und Berg unterstütze? Dies war aber nicht ge-
schehen, und so wurde aus dem «Anti-Machiavell»
Friedrich sehr schnell ein neuer Machiavelli. Er
schrieb an seinen Minister, Graf von Podewils (1695-

119
1760): «Ich habe den Rubikon überschritten mit fliegenden Königswürde, «eine glorreiche Sklaverei»
Fahnen und unter dem Schlag der Trommeln.» Voltaire,
den er drei Monate vorher in Schloss Moyland bei Kleve Friedrich II. führte sein Leben lang ein Doppelleben als
bei einer königlichen Inspektion zum ersten Mal gesehen König und Mensch: als König blieb er-gemäss seiner Zeit-
und für den nächsten Sommer nach Berlin eingeladen ein absoluter Monarch, als Mensch versuchte er, seine
hatte, warnte er am Todestag des Kaisers und Vaters seiner Massnahmen als König mit dem Gesetz in Einklang zu
Kontrahentin, am 20. Oktober 1740: «Der Tod des Kaisers bringen. Folgerichtig dazu wurde er charakterlich immer
verändert alle meine pazifistischen Ideen, und ich glaube, kälter und härter, und liess mit steigender Macht und Ver-
dass es sich im Juni mehr um Kanonen und Pulver, Solda- antwortung auch keine öffentliche Kritik mehr an seinen
ten und Gräben als um Schauspielerinnen, Bälle und Büh- militärischen Aktionen oder an seinen Gesetzen zu. Les-
nen handeln wird, so dass ich gezwungen bin, das Abkom- sing fällte über dieses Doppelleben Friedrichs II. ein tref-
men, das wir schliessen wollten, zu streichen». fendes Urteil: «Wenn ich mich recht untersuche, so be-
neide ich alle heute regierenden Könige in Europa, den Kö-
nig von Preußen ausgenommen, der es einzig mit der Tat
beweist, Königswürde sei eine glorreiche Sklaverei.» Der
Links: Die letzte Seite des Politischen Testaments von König Fried-
rich Wilhelm I., in welchem er am 17. Februar 1722 in Potsdam unter Ruhm der Königswürde führte durch Friedrich II. zu Preu-
anderem schrieb: man müsse «die von adell und grafen in die armée ßens Gloria, verkörpert durch seine Siege bei Mollwitz,
amplogieren und die Kinder unter die Kadets» geben, damit «der Hohenfriedberg, Lobositz, Rossbach, Leuthen, Horndorf,
gantze adell... von Jugent auf darinnen erzogen werden und Keinen
herren kenntals Gott und den König in Preußen» (Geheimes Staatsar- Liegnitz und Torgau, aber auch durch seine «heroischen»
chiv Berlin). Niederlagen bei Kolin, Hochkirch und Kunersdorf. Die
«Sklaverei der Königswürde» wird durch die Tatsache un-
«Kriegsspiel» in einer preußischen Militär-Schule des 18. Jahrhun- terstrichen, dass er dem Schatten seiner Vorgänger nicht
derts, bei dem die Offiziere an Karten in strategischen und taktischen
Fragen unterrichtet wurden (nach einem Stich von Hans Friedrich
von Fleming).

121
entfliehen konnte, dass er den Staat seines Vaters mit den Als Friedrich II. nach seinem zweiten Krieg 1745 für elf
von diesem geschaffenen Einrichtungen nur in Grenzen Friedensjahre nach Berlin zurückkehrte, schwor er sich
verändern konnte, dass der preußische Staat «so bestehen «Frieden von diesem Tag bis an mein Lebensende.»
musste, wie er bestand, oder überhaupt nicht bestehen Gleichzeitig fragte er in seiner Rechtfertigungsschrift
konnte» (Franz Mehring). «Histoire de mon temps» (Geschichte meiner Zeit) nicht
Als alter Mann versuchte er seine Kriege mit dem Hinweis ohne Heuchelei: «An welchen Gerichtshof kann sich der
zu entschuldigen, dass ein Staatsmann die Zehn Gebote Herrscher wenden, wenn ein anderer Fürst die mit ihm ge-
verletzen könne, wenn es die Lebensinteressen seines Lan- schlossenen Verträge verletzt?» Er übernahm La Roche-
des erforderten, «deshalb ist es besser, wenn der Herrscher foucaulds Meinung, die menschliche Natur sei egoistisch,
sein Wort bricht, als wenn das Volk zugrunde geht.» Und und fügte hinzu, der Mensch habe deshalb keine Hemmun-
aus der Geschichte leitete er die «Eigenschaft des mensch- gen bei der Verfolgung seiner eigenen Interessen, es sei
lichen Geistes ab», wonach «Beispiele keinen bessern. Die denn aus Angst vor der Polizei. Da aber der Staat eine Viel-
Torheiten der Väter sind für ihre Kinder verloren; jede Ge- falt von Individuen sei und sein «Kollektivegoismus» von
neration muss ihre eigenen machen.» keiner internationalen Polizei in Schranken gehalten wer-

122
Als «Soldatenkönig» apostrophiert, war Friedrich Wilhelm I. jedoch
nicht nur der Schöpfer der berühmtesten Armee seines Jahrhunderts,
sondern auch der Begründer des preußischen Staates und «Preußens
grösster innerer König» (Theodor von Schön) und «einer der fried-
fertigsten Fürsten» (Th. B. Macaulay) seiner Zeit. Sein Sohn Fried-
rich II. liess, im Gegensatz zum Vater, in den Schlesischen Kriegen
und vor allem im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) ausgiebig
«schiessen». Voltaires Ahnung sollte sich bewahrheiten: «Mit diesem
Heer als drohender Waffe in der Hand musste sein ehrgeiziger Sohn
geradezu Unfug anrichten.» Im Bild die Übergabe von Breslau an die
Preußen im Jahre 1742 am Ende des ersten Schlesischen Krieges
(1740-42), nach dem Gemälde eines unbekannten Künstlers.

de, könne ihn nur die Furcht vor der Macht anderer Staaten
zurückhalten, weshalb es seine – Friedrichs – Pflicht als
«erster Diener des Staates» sei, die nationalen Kräfte zur
Verteidigung zu mobilisieren und Präventivkriege zu füh-
ren, also anderen das anzutun, was sie ihm anzutun beab-
sichtigten. Die Armee war also auch für Friedrich II. die
Grundlage des Staates, und ebenso hatte es sein Vater ge-
sehen. Friedrich machte sich nun auch Machiavellis An-
sicht zu eigen, wonach die Staatsräson höher als private
moralische Bedenken stehe. Im Unterschied zu seinem Va-
ter hielt er allerdings die Religion nicht für eine notwen-
dige Stütze der Ordnung. Auf die Frage des Prinzen Wil- Oben: Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1698-1747) diente als
helm von Braunschweig, ob die Religion für die königliche preußischer Feldmarschall sowohl dem Vater Friedrich Wilhelm I.
wie dem Sohn Friedrich II.; der «alte Dessauer» führte 1698 in der
Autorität nicht sehr bedeutsam sei, antwortete Friedrich preußischen Armee den Gleichschritt ein und gilt als Erfinder des Pa-
radeschritts.

123
Titelblatt der «Magdeburgischen privilegierten Zeitung» vom 17.
November 1757 mit der Meldung einer «authentique Relation»
vom Sieg der Preußen bei Rossbach in Sachsen über Franzosen,
Österreicher und Reichs-Truppen.

Eine der sogenannten Iserlohner Tabaksdosen, angefertigt von


Johann Heinrich Giesen (1716-1761); sie zeigt die Siege des
«Friderici Maximi» von Mollwitz (1741) bis Torgau (1760).
Friedrich II. hat 1755 die Iserlohner «Dosen- und Kessel-
fabrique» gegründet und der Stadt für 6 Jahre das Privileg zur
alleinigen Herstellung von Tabaksdosen aus Messing und Kupfer
erteilt.

124
II.: «Ich finde Ordnung und Gesetz ausreichend ... Länder zipation in Preußen und Deutschland auf alte Vorurteile
wurden schon ausgezeichnet regiert, als eure Religion und Sonderrechte verzichtet werden musste. Mendelssohn
noch nicht existierte.» Voltaire, der bis 1753 zweimal in war es auch, der den Berliner Juden die deutsche Sprache
Berlin bei Friedrich II. war, notierte über die religiöse To- beibrachte und ihnen riet, sich der deutschen Kultur anzu-
leranz in Preußen: «Die Juden dürfen öffentlich beweisen, nehmen.
dass der Messias noch zu erwarten ist; die Katholiken, dass Mit seinen Attacken auf die deutsche Literatur, die er im
der Papst der Lehnsherr aller Fürsten; die Protestanten, Vergleich zur höfischen französischen Sprache als rauh
dass er das apokalyptische Tier und das Weib zu Babylon und plump empfand, konnte Friedrich II. freilich die Bele-
ist; die Griechen, dass es keine Dreifaltigkeit gibt; die Tür- bung der deutschen Literatur durch die Aufklärung nicht
ken, dass Mohammed ein grösserer Prophet war als Moses verhindern. Aus dem englischen Deismus hervorgegangen,
und Christus, und die ganz Ungläubigen, dass es überhaupt mit dem französischen Freidenkertum vermischt, vorberei-
nie einen Propheten gegeben hat. Die Polizei sorgt nur da- tet vom Rationalismus eines Christian Wolff, fand die Auf-
für, dass es bei theoretischen Beweisen bleibt, und der klärung in Deutschland bald viele Anhänger. Eine ihrer
Priester, Rabbiner oder Kadi, der ein Autodafé veranstal- Ausdrucksformen war die Freimaurerei, zu der sich Fried-
ten wollte, würde gewiss zuerst auf seinem Scheiterhaufen rich II. sowie Lessing und Herder, später Goethe und
sitzen.» Wie der König persönlich über Gott und den De- Kleist, bekannten. Selbst der Klerus wurde von der Auf-
ismus seiner Zeit, die Religion der Aufklärung, dachte, klärung angesteckt, wie etwa Johann Salomo Semler
schrieb er an seine Schwester Amalie, die er zur Äbtissin (1725-1791), Professor für Theologie in Halle, der schär-
von Quedlinburg gemacht hatte: «Ich empfinde für das fere Methoden der Kritik auf die Bibel anwandte, später
göttliche Wesen die tiefste Verehrung und hüte mich des- jedoch wieder zur Orthodoxie zurückkehrte. Die Aufklä-
halb sehr, ihm ein ungerechtes, wankelmütiges Verhalten rung nahm in Deutschland allerdings nicht die extremen
zuzuschreiben, das man beim geringsten Sterblichen ver- Formen an wie in England und Frankreich. Die deutschen
urteilen würde. Aus diesem Grund, liebe Schwester, und preußischen Rationalisten wussten um die feste Ver-
glaube ich lieber nicht, dass das allmächtige, gütige Wesen wurzelung der Religion in breitesten Kreisen der deutschen
sich im mindesten um die menschlichen Angelegenheiten Bevölkerung. Als dann der Adel in Deutschland die Reli-
kümmert. Vielmehr schreibe ich alles, was geschieht, den gion zur Unterstützung der Regierungsgewalt und zur
Geschöpfen und notwendigen Wirkungen unberechenba- Wahrung der guten Sitten heranzog, entwickelte sich lang-
rer Ursachen zu und beuge mich schweigend vor diesem sam eine Gegenbewegung, die dem kritischen Rationalis-
anbetungswürdigen Wesen, indem ich meine Unwissen- mus eines Lessing und anderer Vertreter der Aufklärung
heit über seine Wege eingestehe, die mir zu offenbaren sei- entgegenwirkte. Trotzdem blieb Lessing mit seinem Werk
ner göttlichen Weisheit nicht gefallen hat. ..» der Herold eines gewaltigen Aufschwungs der Literatur in
Deutschland. Als er 1781 starb, beklagte Goethe ihn als
Vater der deutschen Aufklärung und schrieb an Frau von
Stein: «Wir verlieren viel, viel an ihm, mehr, als wir glau-
ben.» Über hundert Jahre danach stellte Hugo von Hof-
mannsthal fest, dass Lessing eine Möglichkeit deutschen
«Wesens gezeigt habe, die ohne Nachfolge geblieben ist».
Die Aufklärer in Preußen: Im Todesjahr Lessings erschien ein anderes epochema-
Nicolai, Lessing, Mendelssohn, Kant chendes Buch in Preußen: Immanuel Kants «Kritik der rei-
nen Vernunft», ein Buch, das ohne Friedrichs II. Skeptizis-
Daniel Friedrich Nicolai (1733-1811), Buchhändler und mus und Toleranz kaum möglich gewesen wäre. Der seit
Kämpfer gegen Aberglauben und Unvernunft, erster 1770 als Professor in Königsberg tätige Kant hatte jedoch
Hauptvertreter der Aufklärung in Berlin, begann 1759 mit zu seinem König in Sanssouci keine persönliche Bezie-
der Herausgabe der «Briefe die neueste Literatur betref- hung, und man darf annehmen, dass dieser nicht einmal
fend», die bis 1765 das literarische Sprachrohr der Aufklä- den Namen des Königsberger Philosophen gekannt hat.
rung blieben und gegen Zügellosigkeit in der Literatur und Kants Leben war im Wesentlichen von seiner wissen-
den Autoritätsanspruch der Religion ankämpften. In den schaftlichen und akademischen Tätigkeit erfüllt, und deren
«Briefen» schrieben Gotthold Ephraim Lessing (1729- Höhepunkt lag erst im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhun-
1781), Johann Gottfried Herder (1744-1803) und Moses derts.
Mendelssohn (1729-1786), der als erster seine jüdischen
Glaubensbrüder mit dem Geist der Aufklärung bekannt-
machte und sie darin belehrte, dass für ihre eigene Eman-

125
Einblattdruck mit der Abbildung der Ehrenpforte, die in Breslau am
Friedensfest, dem 10. März, wie auch beim Einzug des preußischen
Königs am 24. März 1763 vor dem Rathaus in Breslau aufgerichtet
war.

126
Die Gegenaufklärung: Klopstock, Hamann, Jacobi

Die deutsche Literatur in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-


hunderts, die in Preußen eines ihrer Zentren hatte, war frei-
lich keineswegs einheitlich aufklärerisch. Aus der Kritik an
der Vernunftgläubigkeit und dem übersteigerten Zukunfts-
optimismus der radikalen Aufklärer entstand bald eine Ge-
genbewegung in einer Literatur, die dem aufklärerischen
Rationalismus die Werte der Seele, des Gefühls und der
Religion entgegenstellte. Friedrich Gottlob Klopstock
(1724-1803) setzte mit seinem epischen Gedicht über das
Leben Christi, dem Versepos «Messias» (1748-1773), ein
Signal, das vor allem von christlichen Kreisen begeistert
aufgenommen wurde. Aus seinen Versen sprach eine tiefe
Frömmigkeit, sein «Messias» erinnert in mancher Weise
an barocke Vorbilder. Klopstock und seine Nachfolger lös-
ten einen wahren Kult der Empfindsamkeit aus. Gefühl
und Seele zu zeigen wurde zur Mode, die mitunter seltsame
Blüten trieb. Zu welchem Überschwang der Empfindungen
man damals fähig war, zeigt dieses Zitat aus einem Brief
des Konsuls Schönborn an Klopstock vom 25. Oktober
1774: «O geliebter, bester Klopstock! Dank! Dank Ihnen
für den innigen herzlichen Seelenbesuch! Da waren Sie
einmal wieder von Angesicht zu Angesicht bei mir! Ihr ho-
her Genius und das edle freundschaftliche Herz umstrahlen
mit umwandelnden Himmelflammen mich, dass hinge-
schwunden ich aus dieser freudenlosen Einöde ganz! ganz
in den Strahlenkreis lebenvollen Elysium wandelte mit Dir,
herzlicher Mann, nichts sähe wie Dich in der hellen Zau-
berwelt der Entwicklung! Die entflohenen Wonnestunden
des vorigen Körperschauens und die geheimen Seelenge-
lispel der vorigen Freundschaftsgespräche hallten wie
Geisterstimmen. Versunken warst im Sonnenmeer der Ent-
zückung, menschenlose Raubküste, Du!» Johann Georg
Hamann (1730-1788), in Königsberg geboren, war der
Trommler dieser Revolte gegen die aufklärerische Ver-
nunft. Er deutete die Sprache nicht als ein Produkt der Ver-

Oben: König Friedrichs Hauptgegner, Österreich und Russland, wur-


den zu seinerzeit von Frauen regiert: Österreich von Kaiserin Maria
Theresia (Kupferstich von Ph. Kilian nach einem Gemälde von Mar-
tin von Meijtens), Russland von Zarin Elisabeth Petrowna. Beim
Tode Maria Theresias 1780 sagte Friedrich II.: «Ich habe mit ihr
Kriege geführt, aber ich war nie ihr Feind».

Unten: Im Schicksalsjahr Preußens, 1762, als Friedrich II. und seine


Armeen am Ende schienen, starb Zarin Elisabeth, und nach kurzem
Zwischenspiel Peters III. rief die neue Zarin Katharina II. (bis 1796)
ihre Truppen aus Deutschland zurück – Preußen war gerettet. Im Bild
Katharina II. als junge Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst nach ei-
nem Gemälde von Antoine Pesne, ehe sie 1744 nach Moskau ging.

127
nunft, sondern als ein Geschenk Gottes zum Ausdruck des
Gefühls: «Poesie ist grösser als Prosa.» Die blosse Tatsa-
che der Sprache widerlege, so Hamann, die Thesen Kants,
weil die Vernunft in der Sprache sinnliche Existenz er-
halte. Auch Hamanns Düsseldorfer Freund Friedrich Hein-
rich Jacobi (1743-1819), der dem nachkantischen Idealis-
mus eine Entwicklung zum «Nihilismus» voraussagte und
dieses Wort als erster gebrauchte, gehörte zu dieser litera-
rischen Bewegung, die dann in ganz Deutschland in die Pe-
riode des «Sturm-und-Drang» umschlug, deren einziger
namhafter preußischer Vertreter, der Livländer Jakob Mi-
chael Reinhold Lenz (1751-1792) war, ein kraftvolles dra-
matisches Talent, das im Wahnsinn endete und dessen Stü-
cke «Der Hofmeister» (1774) und vor allem «Die Solda-
ten» (1776) erst in unserem Jahrhundert wieder neu ent-
deckt wurden.

Büste Voltaires aus Schloss Sanssouci bei Potsdam.

Vignette zur Epistel Friedrichs II. von Preußen an den Baron de la


Motte Fouqué (Berlin, 18.1.1750); Holzschnitt von Otto Vogel nach
einem Entwurf Menzels, der einen Kavalier aus der Zeit Friedrichs
zeigt, welcher den lagernden Flussgott «Kephissos» aus dem Par-
thenon mit der Marmorgruppe «Kleopatra» von Adam (1750) ver-
gleicht.

128
Die Urkunde vom 22. Juni
1740, auf der Friedrich II.
seine berühmte Randbemer-
kung machte: «... die Religio-
nen mögen alle toleriret wer-
den und muss der Fiscal auch
das Auge darauf haben, dass
keine der andern Abbruch
tuhe, da hieraus ein jeder nach
seiner Fasson selich werde».

129
Friderizianische Rokoko-Architektur: Knobelsdorff, Johann Boumann d. Ä. mit seinem Palais des Prinzen
Boumann, Gontard Heinrich nacheiferte. Mit dem Charlottenburger Schloss,
vor allem mit der dortigen «Goldenen Galerie», gelang
Im Reich der Architektur und bildenden Kunstorientierte dann Knobelsdorff ein erster Höhepunkt unter seinen Bau-
sich das Preußen Friedrichs II. ebenso an Frankreich wie werken im friderizianischen Rokoko-Stil. Weitere Meis-
in der Philosophie und Literatur. Mit dem Erscheinen der terwerke, vor allem auf dem Gebiet der Ornamentik, der
«Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke Bildhauerei und der Dekorationsmalerei, gelangen ihm mit
in der Malerei und Bildhauerkunst» im Jahre 1755 von Jo- dem Potsdamer Stadtschloss (1744-1751), dem Neuen Pa-
hann Joachim Winckelmann (1717-1768) rückte dann die lais (ab 1755) und vor allem mit der königlichen Sommer-
Antike und Italien als Vorbild für das friderizianische Ro- residenz Sanssouci (1745-1747), einem Hauptwerk des
koko ins Blickfeld. Bereits während der Kronprinzenzeit deutschen Rokoko, zu dem der König selbst die Entwurf-
Friedrichs gab Knobelsdorff mit Schloss Rheinsberg einen skizze gemacht hatte und das mit Versailles wetteifern
entscheidenden Anstoss zu dieser Entwicklung. Damals sollte. Von der Havel aus führt der Weg durch die Terras-
schon sammelte der Kronprinz mit Leidenschaft die Bilder sen des Parks noch heute hinauf zum Schloss «Sorgen-
Watteaus und seiner Nachfolger, und der Maler Antoine frei», dessen Zentralkuppelbau an den Dresdner Zwinger
Pesne, der mit Friedrich II. schon dem dritten Preußenkö- erinnert. Das Schloss enthielt eine Kunstgalerie mit Meis-
nig diente, fand mit Rheinsberg zu einer neuen Stilphase, tern der Renaissance und des Barock sowie eine vom Kö-
in der neben Porträts auch Landschaften, Genrestücke, my- nig selbst wohlsortierte Bibliothek. Sanssouci wurde aber
thologische Szenen und Deckenmalereien mit Allegorien nicht nur berühmt durch des Königs Tafelrunden und als
entstanden. Der Rheinsberg-Stil entwickelte sich ab 1740 Stätte seiner Begegnung mit Voltaire, das Schloss ist bis
auch in Berlin und Potsdam. Knobelsdorff hatte inzwi- heute der vollkommenste künstlerische Ausdruck des
schen eine Italienreise gemacht und baute von 1740 bis Geistes eines Königs, «der es vermochte, ein Land zu re-
1743 das frühklassizistische Opernhaus, dem dann ab 1748 gieren, der Kirche die Stirn zu bieten, ein Gebäude zu ent-

130
werfen, ein Porträt zu skizzieren, mittelmässige Gedichte
und ausgezeichnete Geschichte zu schreiben, einen Krieg
gegen halb Europa zu gewinnen, Musik zu komponieren,
ein Orchester zu dirigieren und Flöte zu blasen» (W.
Durant).
Knobelsdorffs Tod 1753 hinterliess eine nicht zu schlies-
sende Lücke, und Friedrichs «schöpferischer Kern als Bau-
herr» schien «verkümmert zu sein» (Eberhard Cyran). Der
Holländer Johann Boumann d. Ä. (1706-1776)wurde zum
Nachfolger als Oberbaudirektor besteh. Er baute in Berlin
das Prinz-Heinrich-Palais (1748-53), das Akademiege-
bäude, den Alten Dom am Lustgarten (1747-50, später
durch Neubau ersetzt), die Alte Münze, die Militärakade-
mie und viele Bürgerhäuser. In Potsdam stammen von ihm
das Holländische Viertel (begonnen unter Friedrich Wil-
helm I.), das Berliner Tor und das Rathaus (1753); ausser-
dem überwachte er den Erweiterungsbau des Breslauer
Schlosses in der Hauptstadt der neuen preußischen Provinz
Schlesien. Und Boumann d. Ä. vollendete schliesslich
nach Plänen Johann Gottried Bürings die katholische Hed-
wigskirche anstelle des Franzosen Jean Laurent Legeay.
Der bedeutendste Architekt der spätfriderizianischen Epo-
che mit einem letzten Hang zum Spätbarock war Carl
Oben:Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781; Ölbild vermutl. von
Gontard (1731-1791), der 1774 in Berlin die Kolonnaden
Johann Heinrich Tischbein d. Ä., um 1766) gilt als Wegbereiter der am Spittelmarkt und die Königskolonnaden (1777-1780)
deutschen Literatur und führender Vertreter der deutschen Aufklä- baute. Neben ihm wirkten noch Georg Friedrich Boumann,
rung; von 1748 bis 1755 und zwischen 1758 und 1760 war Lessing
in Berlin als Kritiker, Dichter und Philosoph tätig.

Rechts: Seit 1754 war Lessing mit Moses Mendelssohn (1729-1786; Ge-
mälde von Johann Christoph Frisch, 1786), dem bedeutendsten Philoso-
phen der Aufklärung und dem ersten jüdischen Philosophen der Neuzeit
befreundet, der die jüdische Emanzipation in Deutschland einleitete.

Links: Erster Hauptvertreter der Aufklärung in Berlin war der


Buchhändler Daniel Friedrich Nicolai (1733-1811), der hier mit
seiner Familie auf einem Gemälde von Daniel Chodowiecki
dargestellt ist. In den von ihm herausgegebenen «Briefen die
neueste Literatur betreffend» schrieben Lessing, Herder und
Moses Mendelssohn.

131
der die Bibliothek am Opernplatz in Berlin errichtete, dann
Philipp Daniel Boumann, der zwischen 1775 und 1780
Schloss Bellevue (den heutigen ständigen Sitz des Bundes-
präsidenten in Westberlin) erbaute; ausserdem sind noch
Georg Christian Unger und Heinrich Ludwig Manger als
königliche Baudirektoren unter Friedrich II. zu nennen.
Unger lieferte die Pläne für die Bibliothek, baute das römi-
sche Belvedere auf dem Klausberg nahe dem Palais in
Potsdam und betreute den Erweiterungsbau von Schloss
Monbijou; Manger entwarf auf königlichen Befehl einen
Plan zum Neuen Palais «in korinthischer Ordnung».

Daniel Chodowiecki, der «Petit maitre»

Der bedeutendste Maler nach Pesne im friderizianischen


Königsreich war der in Danzig geborene Pole Daniel Cho-
dowiecki, der von 1743 bis 1801 in Berlin wirkte und mit
dem Aufklärer Friedrich Nicolai befreundet war. Dieser Il-
lustrator vieler wichtiger literarischer Werke und akribisch
genaue Chronist seiner Zeit mit Zeichenstift und Radierna-
del, neben dem nur noch der unbedeutendere Johann Wil-
helm Meil zu nennen ist, wurde von seinem König ver-
nachlässigt, wohl weil dieser bürgerliche Künstler in sei-
nen vielen Bilddarstellungen an dessen Gestalt nichts be-
schönigte und idealisierte. Hinzu kam, dass Chodowiecki

Oben: 1781 erschien in Riga das Hauptwerk des Königsberger Auf-


klärers Immanuel Kant (1724-1804); es war das Todesjahr Lessings,
über dessen Tod Goethe damals an Frau von Stein schrieb: «Wir ver-
lieren viel, viel an ihm, mehr, als wir glauben».

Rechts: «Der gestirnte Himmel über mir, das moralische Gesetz in


mir», hiess die sehr preußische Maxime Immanuel Kants, die seine
philosophische Welt erklärt. Obwohl Kant und Friedrich II. keine
persönlichen Beziehungen zueinander hatten, war das Werk Kants
ohne den Skeptizismus und die Toleranz Friedrichs II. kaum denk-
bar.

Rechte Seite: Für die Gegenaufklärung, einer irrationalistischen, ge-


fühlsbetonten, religiösen und frühromantischen Gegenbewegung ge-
gen die rationalistischen Aufklärer, setzte Friedrich Gottlob Klop-
stock (1724-1803) mit seinen Gesängen des «Messias», der von 1749
bis 1773 erschien, ein erstes Signal (Titelblatt der ersten Einzelaus-
gabe der ersten drei Gesänge von 1749).

132
Friedrich 11. und die Musik

In der Musik war Friedrich II. selbst als Komponist und So-
list aktiv. Das erklärt, weshalb er über lange Zeit deutsche
Musiker schätzte und förderte, während er die deutschen
Maler seiner Zeitverachtete, die deutschen Dichter kaum
zur Kenntnis nahm und seine Baumeister ständig mit An-
ordnungen bevormundete. In Friedenszeiten soll Friedrich
II. täglich zwei bis drei Stunden mit bescheidenem Erfolg
gedichtet und deklamiert, dagegen mit grosser Meister-
schaft auf seiner Flöte gespielt haben – bis ins hohe Alter.
Auf der Flöte spielte er nur Werke seines Lehrers Johann
Joachim Quantz (1697-1773), dem er bis zu dessen Tod als
Schüler treu blieb. Quantz komponierte für seinen königli-
chen Schüler rund 300 Flötenkonzerte und 200 Kammer-
musikwerke für Flöte. An seinem Opernhaus liess Friedrich
II. nur Werke der Komponisten Johann Gottlieb Graun
(1703-1771), des Johann-Sebastian-Bach-Schülers Johann
Friedrich Agricola (1720-1774) und Johann Adolf Hasse
(1699-1783) zu, und gesungen wurden sie ausschliesslich
von italienischen Sängern. «Ein deutscher Sänger! Da
möchte ich lieber mein Pferd wiehern hören», war seine
Meinung.
Die Kirchenmusik verspottete der König als «altmodisch»
und «minderwertig». Den Meister dieses Fachs, Johann Se-
bastian Bach (1685-1750), empfing er jedoch im Mai 1747
in Berlin, gab ihm das Thema b-a-c-h vor, und er führte es
zur Verwunderung der Zuhörer und des Königs zu einer
improvisierten Fuge aus. Bach bearbeitete das Thema in
Leipzig zu der Suite «Das musikalische Opfer» und schick-
te es, in Kupfer gestochen, dem König, so wie er sechsund-
zwanzig Jahre zuvor dem Markgrafen Christian Ludwig
von Brandenburg seine berühmten sechs «Brandenburgi-
schen Konzerte» geschickt hatte. Der Markgraf war jedoch
wegen des wechselnden Schicksals seiner Heimatstadt ein dankbarerer Abnehmer gewesen als Friedrich II., denn
Danzig – mal unter preußischer, mal unter polnischer Herr- im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen an anderen Fürsten-
schaft – und wegen der Vorliebe des Königs für französi- höfen stand der König Händel, Gluck, Haydn und Mozart
sche Künstler auf Friedrich II. nicht gut zu sprechen war. verständnislos gegenüber. «Auf die moderne Musik schalt
Erst im Todesjahr Friedrichs II. wurde Chodowiecki, seit er», erinnerte sich sein Kammerherr Girolamo Luccherini.
1764 Mitglied der Königlichen Akademie der Künste, dort Den Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel (1714-1788) be-
zum Rektor berufen und konnte als Direktor von 1797 bis schäftigte Friedrich II. von 1740 bis 1767 als Cembalist in
1801 nachhaltig zur Wiederbelebung der Kunstakademie seinem Orchester, obwohl es diesem überlegenen Musiker
beitragen. Er bereitete den Weg für das spätere rege Kunst- schwer fiel, Friedrichs Flötenspiel zu begleiten und dessen
leben in Berlin von Schadow bis Menzel. Dieser Künstler Autorität in Fragen der Musik anzuerkennen. Mit seinem
war bei den Berlinern populär wie kein anderer, und auch Werk «Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen»
die zeitgenössischen Kollegen erkannten sein geniales Ge- (1753) erntete der junge Bach über die Grenzen seines Wir-
samtwerk an. Nur in den Augen Friedrichs II. blieb Cho- kungsbereichs hinaus grosse Beachtung. Haydn entwi-
dowiecki immer ein «petit maitre». «Unbeantwortet bleibt ckelte seine Virtuosität auf dem Klavier nach diesem
die Frage, welche Grösse er hätte erreichen können, wären
ihm das Verständnis und die Gunst seines Königs zuteil
geworden» (Paul Dehnert).

133
Das Konzertzimmer in Schloss Sanssouci heute, einst Schauplatz
des Geschehens von Menzels Gemälde «Das Flötenkonzert» (Auf-
nahme 1978).

134
Rechts: Preußische Kavallerieoffiziere vor der Berliner Oper im
Jahre 1788; Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff hat die Pläne für
die von 1741 bis 1743 unter Leitung von Johann Georg Fünck errich-
tete Oper entworfen (Deckfarbenbild von Niegelssohn).

Oben: Figurenplastik «Bacchantin mit Putto» der Königlichen Por-


zellan-Manufaktur zu Berlin (um 1775).
Zwischen 1745 und 1747 liess Friedrich 11. auf einem Weinberg bei
Potsdam nach eigener Skizze durch G.W. von Knobelsdorff das
Sommerschloss Sanssouci erbauen.

136
1755 entstanden im Sanssouci-Park auch die von J. G. Büring erbaute
Bildergalerie (im Bild, Aufnahme 1978) und schliesslich von 1771
bis 1773 durch G. Chr. Unger die Neuen Kammern (Umbau der Kno-
belsdorffschen Orangerie).

137
Handbuch, und Mozart sagte über den «Berliner Bach»: von nun an hatte die Königliche Porzellan-Manufaktur
«Er ist der Vater, wir sind seine Buben; die etwas Orden- (KPM) das Monopol in Brandenburg-Preußen und produ-
tliches können, haben es von ihm gelernt, und jeder, der zierte eine Reihe von Glanzleistungen der Porzellankunst.
dies nicht zugibt, ist ein Lump.» 24 Tafel-Service entstanden unter Friedrich II., darunter
das «künstlerisch vollendetste deutsche Rokokoservice»
(Köllmann), nämlich das «1. Potsdamsche», das 1765 für
Die Königliche Porzellan-Manufaktur, Wirtschaft, das Neue Palais geschaffen wurde und vermutlich auf Ent-
Handel und friderizianische Kolonisation würfe von Friedrich Elias Meyer zurückgeht. Mit Meyers
jüngerem Bruder Wilhelm Christian als neuem Modell-
Auf dem Gebiet des Kunstgewerbes in der frideriziani- künstler kam in Stil und Dekor ab 1766 der nahtlose Über-
schen Epoche ist vor allem der Aufstieg der Königlichen gang vom Rokoko zum Klassizismus. Die königlichen In-
Porzellan-Manufaktur bemerkenswert. Sie wurde 1763 ge- teressen im Zusammenhang mit der Porzellan-Manufaktur
gründet, geht aber auf frühere Anfänge zurück. Eine grös- galten eigentlich weniger dem künstlerischen Produkt als
sere Versuchsreihe zur Herstellung von Hartporzellan in dem wirtschaftlichen Erfolg. Die KPM war Teil eines um-
Preußen hatte schon mit Friedrichs Regierungsantritt be- fangreichen Aufbau-Programms auf dem Gebiet von
gonnen. Aber erst 1751 begann eine eigene Berliner Por- Handwerk, Handel und den Anfängen der Industrie in
zellan-Manufaktur zu arbeiten, als der Fabrikant Kaspar Preußen vornehmlich nach dem Ende des Siebenjährigen
Wegely dem König versprach, er werde damit «viele Men- Krieges. Mit diesem Aufbau-Programm hat Friedrich II.
schen ins Land ziehen und solchen Nahrung und Brot ver- eine kulturelle Leistung erbracht, die viel zu wenig bekannt
schaffen.» 1752 begann Wegely mit der Produktion, 1755 ist und hinter seinen staatspolitischen und militärischen
wurden die ersten Porzellane mit dem blauen «W» unter Leistungen keineswegs zurücksteht. Er bewilligte Darle-
der Glasur verkauft, aber das grosse Vorbild Meissen er- hen an Wirtschaftsunternehmer zu günstigen Bedingun-
reichten die Wegely-Porzellane nicht. Dies gelang erst gen, liess zeitlich begrenzte Monopole zu, holte Arbeiter
nach der Neugründung unter Johann Ernst Gotzkowski aus dem Ausland, eröffnete technische Schulen und be-
zwischen 1761 und 1763 und mit Hilfe hervorragender mühte sich mit grossem Engagement um die Entwicklung
Künstler. Der König kaufte 1763 das Unternehmen, und

138
einer preußischen Seidenindustrie – wenn auch ohne Er- Dieser Kupferstich von Johann David Schienen aus dem Jahre 1760
zeigt die Gesamtansicht der Gebäude des neuen Königlichen Palais
folg, da die Maulbeerbäume im Norden nicht gedeihen
bei Potsdam «so wie sich selbige ausserhalb des Canals gerade vor
wollten. Gleichzeitig förderte er den Bergbau in Schlesien, der Brücke präsentieren»: links im Bild neben den Baumalleen die
schaffte die Binnenzölle ab, um den Handel anzukurbeln, beiden Flügel der Hauptfassade, rechts im Bild die beiden Communs,
vergrösserte Häfen, liess Kanäle graben und baute insge- Haus des Kastellans, Stallung und Remisen.
samt 40.000 Kilometer Strassen. Berlin wuchs von 60.000
Einwohnern im Jahre 1721 auf 140.000 im Jahre 1777.
In Schlesien liess der König das vom Krieg verwüstete
Land für sechs Monate von allen Steuern befreien, 8.000
neue Häuser bauen und 17.000 Pferde, die das Heer erüb-
rigen konnte, an die Bauern verteilen. In Oberschlesien
liess er 213 neue Dörfer bauen und in Niederschlesien sie-
delte er 13.000 neue Familien an. Eine neue Landwirt-
schaftsbank lieh den schlesischen Bauern Geld zu günsti-
gen Bedingungen, und zum Zwecke der Förderung der
Landwirtschaft wurden mehrere Kreditgesellschaften ge-
gründet. Das Sumpfgebiet entlang der unteren Oder, den
sogenannten Oderbruch, liess Friedrich trockenlegen und
auf dem neugewonnenen Anbauland 50.000 Menschen an-
siedeln. Auf die gleiche Weise trug er Sorge, dass von 1772
bis 1783 der Netze-Warthe-Bruch urbar gemacht und im
Havelländischen Luch eine 4.000 Morgen grosse Staatsdo-
mäne (Königshorst) mit Weideland auf ehemaligem
Sumpfgebiet aufgebaut wurde. Dort installierte er eine für

139
-T:
Das Königliche Prinz-Heinrich-Palais gegenüber dem Opernhaus in Gesetze und Steuern:
Berlin, von Johann Boumann von 1748 bis 1766 erbaut (Kupferstich
«Die Zuneigung des Volkes getötet»
von J. D. Schleuen um 1760); ab 1809 wurde hier die neu gegründete
Universität untergebracht (ab 1945 Humboldt-Universität, von 1949
bis 1967 restauriert). Um die uneinheitliche, widersprüchliche Gesetzgebung in
den verschiedenen Provinzen zu vereinheitlichen, liess
Linke Seite oben: Der Schlossplatz mit dem Königlichen Schloss in Friedrich II. seine Juristen ein neues allgemein gültiges
Berlin um 1780 (Kupferstich von Johann Georg Rosenberg).
Rechtssystem entwickeln. Es entstand das «Preußische
Linke Seite unten: Die katholische Hedwigskirche (heute am Bebel- Allgemeine Landrecht», wohl eine der herausragenden
platz in Ost-Berlin) ist neben dem Dom der einzige Kirchenbau, den kulturellen Leistungen jener Zeit. Diese gewaltige Arbeit,
Friedrich II. in Berlin veranlasst hatte; begonnen 1747 von Johann
von Grosskanzler Samuel von Cocceji (1679-1755) begon-
Boumann, kam er erst 1773 zum Abschluss.
nen, dann durch den Krieg unterbrochen und von Gross-
kanzler Johann von Carmer (1720-1801) und dem Gehei-
men Rat Carl Gottlieb Svarez (1746-1798) wiederaufge-
nommen, wurde allerdings erst 1791, fünf Jahre nach
Friedrichs Tod, vollendet. Auch dieser Kodex entstand
die Versorgung der königlichen Hoftafel zuständige «But- noch auf der Grundlage der Feudalgesellschaft, von Le-
ter-Akademie», wo holländische Fachleute den Bauern- hensrecht und Leibeigenschaft, zeigte aber doch Ansätze
mädchen die Zubereitung hochwertiger Tafelbutter bei- zum Schutz des Einzelnen gegen private oder öffentliche
brachten, denn Butter war damals ein teurer Einfuhrartikel, Unterdrückung und Ungerechtigkeit, wobei überflüssige
der viele Devisen kostete. Friedrichs Aufbauwerk in West- Gerichtshöfe abgeschafft, die Prozessverfahren verein-
preußen ist dem Retablissement-Werk seines Vaters in facht und beschleunigt, die Strafen gemildert und das Aus-
Ostpreußen gleichzustellen. Bis zu seinem Tod liess der bildungsniveau der Gerichtsbeamten erhöht wurden. To-
König dort 12.000 Menschen neu ansiedeln und stärkte desurteile musste in jedem Fall der König bestätigen, und
durch die Kolonisation, durch Aufbau neuer Städte (z.B. jedermann konnte sich zwecks Berufung direkt an diesen
Bromberg), durch Reorganisation der Wirtschaft und Ver- wenden. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der
besserung der Verkehrsverhältnisse die Leistungsfähigkeit amerikanische Staatsmann und Aufklärer Benjamin Fran-
dieser und auf ähnliche Weise auch der anderen neuen klin (1706-1790) sich in Potsdam in staats- und rechtspoli-
preußischen Provinzen.

141
tischen Fragen von Friedrich II. beraten liess, und dass Staatskasse mit 51 Millionen Talern gefüllt; diese Summe
John Adams (1735-1826), der zweite Präsident der USA, entsprach dem Zweieinhalbfachen der jährlichen Staats-
in Schlesien an Ort und Stelle die friderizianische Aufbau- einkünfte.
arbeit studierte und darüber in seinen «Letters of Silesia»
lobend berichtete.
Um alle diese Aufbauarbeiten finanzieren zu können, griff «Alles ist düster, niemand traurig. . .»:
Friedrich II. freilich auf die bewährten Massnahmen seiner Der Tod Friedrichs II.
Vorfahren zurück, d.h. erpresste rücksichtslos jene Sum-
men aus seinem Volk heraus, die er diesem an sozialen In seinen letzten Lebensjahren sorgte sich Friedrich II. um
Einrichtungen, durch Investitionen und öffentliche Arbei- sein Erbe. An den vorgesehenen Nachfolger, den Neffen
ten wieder zukommen liess. Er besteuerte buchstäblich al- Friedrich Wilhelm, schrieb er: «Ich arbeite für Dich, aber
les, sogar Strassensänger. Er holte Claude Adrien Hel- Du musst Dich bemühen, das, was ich schaffe, auch zu er-
vétius (1715-1771) ins Land, der ihm das beste Steuersys- halten, und wenn Du müssig und faul bist, wird, was ich
tem entwerfen sollte. Der englische Botschafter stellte mit so viel Mühe angesammelt habe, Dir in Deinen Händen
dazu fest: «Das neue Besteuerungsverfahren hat die Zu- zerrinnen.» Im Jahr 1782 fügte er hinzu: «Wenn nach mei-
neigung des Volkes zu seinem Herrscher richtiggehend ge- nem Tode mein Neffe ganz verweichlicht... dann sage ich
tötet.» Der König, dem dies wohl bewusst war, tröstete ihm voraus, dass Monsieur Joseph ihn zu Fall bringen und
sich selbst: «Ich habe meinem Volk nichts als Gutes erwie- es in zehn Jahren weder ein Preußen noch ein Haus Bran-
sen, und doch glaubt es, ich wollte ihm das Messer an die denburg mehr geben wird.» Im Jahr 1806 war es dann mit
Kehle setzen, sobald es sich um eine zweckmässige Re- Preußen soweit, aber nicht, weil «Monsieur Joseph ihn zu
form oder eine notwendige Änderung handelt. In solchen Fall» gebracht hatte, und auch nicht, weil sein Nachfolger
Fällen bin ich meinen ehrlichen Absichten, der Stimme Friedrich Wilhelm II. «verweichlichte», sondern weil Na-
meines Gewissens und meiner langen Erfahrung gefolgt poleon 1806 für Preußen und Österreich gleichermassen zu
und ruhig meinen Weg gegangen» (Testament von 1768) hart war.
Zumindest für die preußischen Finanzen hat sich dieser Nachdem Friedrich II. am 17. August 1786, morgens um 2
Weg bezahlt gemacht. Beim Tod des Königs war die Uhr 20, im Alter von 77 Jahren an Wassersucht und einer

142
Lungenentzündung in den Armen seines Kammerhusaren
Strützky gestorben war, notierte Graf Mirabeau, der zu die-
ser Zeit als Geheimagent in Berlin war und drei Jahre spä-
ter selbst im grellen Rampenlicht der Weltgeschichte
stand: «Alles ist düster, niemand traurig, alles ist geschäf-
tig, niemand betrübt. Kein Gesicht, das nicht Aufatmen
und Hoffnung verrät; nicht ein Bedauern, nicht ein Seuf-
zer, nicht ein Wort des Lobes. Damit also enden so viele
gewonnene Schlachten, so viel Ruhm, eine Regierung von
fast einem halben Jahrhundert, erfüllt von so vielen Gross-
taten!»

Links: Eines der ersten Hauptwerke des ab 1788 zum Direktor des
Oberhofbauamtes in Berlin ernannten Carl Gotthard Langhans
(1732-1808) aus Schlesien war der Bau des Palais Hatzfeld in Bres-
lau (Kupferstich von Georg Balthasar Probst).

Rechts: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) kannte


J. J. Winckelmann persönlich, übertrug dessen Entdeckung der klas-
sischen Antike in seine Bauten und gab sie an seine Schüler, darunter
Friedrich Gilly, weiter (Gemälde von J. H. W. Tischbein).

Unten: Zwischen 1769 und 1775 baute Erdmannsdorff sein Haupt-


werk, Schloss Wörlitz (Anhalt-Dessau); in dem von 1765 bis 1808
nach Plänen von Erdmannsdorff und Eyserbeck angelegten Park wur-
den das Gotische Haus (im Bild), ein Pantheon, ein Flora- und ein
Venus-Tempel errichtet.

143
Daniel Chodowiecki (1726-1801), ein Pole aus Danzig, kam als Ein Beispiel aus dem im Stil William Hogarths von Chodowiecki
Siebzehnjähriger nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod blieb; von geschaffenen Radierungen-Zyklus über den menschlichen Lebens-
Friedrich II. nur geringschätzig als «petit maitre» tituliert, hinterliess weg: «Praktische Kenntnis der Welt» (1773).
er ein geniales malerisches und zeichnerisches Gesamtwerk (Kup- Unten: Handzeichnung mit Graphit, Feder und Tusche von Daniel
ferstich von C. T. Riedel). Chodowiecki aus dem Jahr 1772: «Die Augenoperation».

144
Diese Auszüge aus dem «Capell-Etat» mit den Besoldungen für
die königlichen Musiker und italienischen Sänger und Sängerin-
nen zeigen deutlich die eklatanten Unterschiede, mit denen Fried-
rich II. nach Laune seine Musik-Künstler entlohnte: Graun und
Quantz waren mit je 2’000, C. Ph. E. Bach (nicht in diesem Auszug)
dagegen nur mit 300 eingestuft, während der Astrua und die
Carrectini mit der Höchstgage von je 4‘725 Talern veranschlagt
wurden (1752/53, aus dem Handexemplar des königlichen Kam-
merherrn, Geheimes Staatsarchiv Berlin).

Carl Philipp Emanuel (1714-1788), der begabte Sohn des grossen


Johann Sebastian Bach, war von 1740 bis 1767 als Cembalist im
königlichen Orchester beschäftigt, obwohl es dem jungen Bach
schwerfiel, die Autorität des Königs auch in der Musik anzu-
erkennen (Kupferstich von J. C. Krüger).

145
Rechts oben: In diesem Schaufenster der ehemaligen Königlichen Porzellan-
Manufaktur (KPM) sind einige Beispiele von Service-Teilen, Porzellankörben,
figürlicher Plastik und Uhren aus dem Modell-Angebot der KPM im Rokoko-
Stil, der Glanzzeit des Porzellans, ausgestellt.

Rechts unten: Das wirtschaftliche Aufbau-Programm Friedrichs II. steht als


kulturelle Leistung gleichwertig neben seinen staatspolitischen Leistungen. Im
Bild der Salzsiede-Betrieb in Halle, auf einem Kupferstich-Blatt aus dem Jahre
1760 im Detail dargestellt.

Selbstbildnis von Antoine Pesne


(1683-1757), der ab 1710am
preußischen Königshof als Hof-
maler unter drei Königen wirkte.

Von 1744 bis 1748 tanzte die itali-


enische Ballerina Barberina am
königlichen Hof in Berlin; ihren
grössten Triumph feierte sie in
dem Ballett «Pygmalion und Psy-
che» 1745 (Gemälde von Antoine
Pesne, um 1745); nachdem sie
beim König in Ungnade gefallen
war, heiratete sie den Sohn des
preußischen Grosskanzlers Coc-
ceji, 1789 erhob sie Friedrich Wil-
helm II. zur Gräfin von Campa-
nini.

146
Samuel Freiherr von Cocceji (1679-1755) stieg unter Friedrich
Wilhelm I. vom Kammergerichts-Präsidenten (1723) zum Chef
der preußischen Justiz auf (1738) und wurde unter Friedrich II.
Grosskanzler, wobei er sich um eine umfassende Justizreform
verdient machte und eine neue Prozessordnung schuf.

Rechts: Ein Flugblatt mit Zitaten aus einer Rede von Friedrich II.
vom 11. Dezember 1779, gehalten in Küstrin vor den Kammerge-
richtsräten, in der er über die Gleichheit vor dem Gesetz seine Mei-
nung sagte und deshalb als «Nordischer Salomo» gefeiert wurde.

148
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feie gröffen epi$bubeu ;bie in ber Sßctt finb."
Titelblatt zu dem von Friedrich II. 1751 veröffentlichten ersten Teil
seiner Brandenburgischen Geschichte: «Mémoires pour Servir a
l’Histoire de Brandebourg, avec quelques autres Pieces intéressan-
tes».

Rechte Seite: Die Totenmaske König Friedrichs II., abgenommen


von Johann Eckstein am 17. August 1786 (Wachsausguss der origi-
nalen Form, durch Anstückung zum Kopf ergänzt), wie sie im Ho-
henzollern-Museum im ehemaligen Schloss Monbijou aufbewahrt
wurde.

Besuch König Friedrichs II. in Berlin in Begleitung seines Bruders,


Prinz Heinrich, in seinem «Phaeton»-Reisewagen, bespannt mit 8
Pferden, eine Parade abnehmend (im Hintergrund rechts der Turm
der Sophien-Kirche, im Vordergrund der Lustgarten mit dem Lager-
haus; Kupferstich von Johann Michael Probst).

150
VI. Der Zusammenbruch des alten Preußen: Staatlicher
Niedergang in einer Zeit kultureller Blüte im Klassizismus

Von 1786 bis 1806

«Die preußische Monarchie ist näher, als eine andere, eine Friedrich Wilhelm II. war, wie von seinem grossen Vor-
schöne Ernte zu sammeln. Alles darin ist reif für eine gänger vorhergesehen, kein tatkräftiger Fürst. Sein an
grosse Revolution...», spottete Mirabeau 1788 in «De la amourösen Ausschweifungen reiches Privatleben interes-
monarchie prussienne» und prophezeite dem frideriziani- sierte ihn mehr als die täglichen Regierungsgeschäfte. An-
schen Staat einen raschen Niedergang. Er starb zu früh statt die Bürokratie zu lenken oder wenigstens zu kontrol-
(1790), als dass er selbst die Radikalisierung der Französi- lieren, liess er zu, dass sich diese verselbständigte und
schen Revolution hätte verhindern können, wozu er als Nachlässigkeit in manche Bereiche der Verwaltung ein-
einziger ihrer Führer fähig gewesen wäre. Diese Radikali- zog. Eben diese Bürokratie entwickelte sich freilich unter
sierung in Frankreich nach 1791 spülte aber letztlich dann seiner Regierung zu einem Machtinstrument, das fähig
jenen Mann nach oben, der den staatlichen Niedergang war, in den Befreiungskriegen den Wiederaufstieg der
Preußens mit seiner europäischen «Neuordnung» schliess- preußischen Monarchie fast ohne Zutun des Herrschers
lich besiegelte: Napoleon Bonaparte. einzuleiten.
Trotz seiner persönlichen Schwächen war Friedrich Wil-
helm II. nicht unbeliebt. Unter seiner Regierung entwi-
ckelte sich Preußen zunächst zu einem der freiesten Staa-
ten Europas. Seine spätere Hinwendung zu Reaktion und
Die Gegenaufklärung und ihr prominentes Opfer: Repression hatte ihre Ursachen zum einen in dem alle eu-
Immanuel Kant ropäischen Fürstenhäuser erschütternden Schock der Fran-
zösischen Revolution, mehr noch aber in der geistigen Ab-
Die Frage, wie es kommen konnte, dass noch nicht ein hängigkeit des Königs von seinen engsten Ratgebern Jo-
Menschenalter nach dem Tod Friedrichs II. sein Staat zu- hann Rudolf von Bischoffwerder (1741-1803) und Johann
sammenbrach, hat die Geschichtsschreibung bis in die Ge- Christoph Wöllner (1732-1800), die beide dem Orden der
genwart hinein überwiegend mit dem Hinweis auf die Un- Rosenkreuzer angehörten, einer logenähnlichen Vereini-
fähigkeit seiner Nachfolger beantwortet. Diese Erklärung gung obskurer Herkunft, die im Kampf gegen Aufklärung
ist zwar richtig, trifft aber nicht den Kern der Sache. Die und Freimaurerei ihr Ziel sah. Durch ihren Einfluss gelang-
tiefere Ursache des preußischen Niedergangs lag in der ten die mystisch-christlichen Ideale der Rosenkreuzer zu
von Mirabeau mit dem Begriff «Fäulnis vor der Reife» politischer Wirksamkeit. Ihr wichtigster Erfolg war das im
umschriebenen Situation des aufgeklärten Absolutismus Jahr 1788 erlassene Religions- und Zensuredikt, das sich
im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Dieser selbst gegen alle in die Kirchen eingedrungenen Aufklärungsten-
hatte mit dem Begriff des «Gottesgnadentums» die jahr- denzen wandte und das Erscheinen aller «unchristlichen»
hundertelang gültige Legitimation der Fürstenherrschaft Schriften unter Strafe stellte.
beseitigt. Friedrich II. und Kaiser Joseph II. bezeichneten Das Edikt bedeutete den Beginn der Gegenaufklärung. Ihm
sich selbst als «erste Diener» ihrer Staaten und regierten fiel Königsbergs berühmtester «aufgeklärter» Sohn Imma-
als aufgeklärte Despoten mit Hilfe einer Bürokratie, die nuel Kant (1724-1804) regelrecht zum Opfer. Der Bann-
sich zunehmend aus dem Bürgertum ergänzte, den Maxi- strahl traf ihn 1794 nach Erscheinen seiner Schrift «Reli-
men des feudalen Ständestaates entfremdete und damit von gion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft». Es
der Person des Fürsten abhängig wurde. Die Staatsform erging an ihn eine königliche Kabinettsorder, in der es
des aufgeklärten Absolutismus war damit, wiederum nach hiess: «Unsre Person hat schon seit geraumer Zeit mit gros-
Mirabeau, so stark oder so schwach wie ihr absoluter Mo- sem Missfallen ersehen, wie Ihr Eure Philosophie zu Ent-
narch.

152
Friedrich II. sagte über seinen Nachfolger Friedrich Wilhelm II.
(1786-1797) voraus: «Mein Neffe wird den Staatsschatz verschwen-
den, die Armee ausarten lassen, die Weiber werden regieren, der
Staat wird zugrunde gehen.» Den letzten Punkt ausgenommen war
die Vorhersage richtig (Lithographie von Valentin Schertle nach ei-
nem Gemälde von K. E. Döpler).

nungen gezeichneten lutherischen Kirche gerichtet. Es


brachte jedoch gleichzeitig Einschränkungen für Presse
und Publizistik, die bis dahin von staatlicher Zensur weit-
gehend unbehelligt waren. Die preußische Regierung
wollte Zeichen setzen gegen jedes Übergreifen revolutio-
närer Ideen aus Frankreich, man sprach auch in Preußen in
einem Atemzug von «Aufklärern, Revolutionären und Ja-
kobinern», bekämpfte die «Anhänglichkeit an verkehrte
Ideen von Freiheit» und relegierte unbotmässige Studenten
an den Universitäten. Obwohl die Bevölkerung mit den
Idealen der Revolution sympathisierte, gab es wenig Wi-
derstand. Nur an der Universität Jena zwangen 1792 die
Studenten die Beschützer einer obrigkeitlichen Untersu-
chungskommission zum Abzug, und 1793 forderte Johann
Gottlieb Fichte (1762-1814) in Jena rhetorisch die «Denk-
freiheit von den Fürsten Europas» zurück. Die Reaktion
überwachten künftig Schüler und Studenten, Kandidaten
und Prediger, Lehrer und Professoren. Themen der «Abi-
turaufsätze» der Jahre 1793 und 1794 waren z.B.: «Worin
besteht das Schädliche demokratischer Regierungsverfas-
sungen?» oder «Welche Vorzüge hat der preußische Staat,
die ihn vor jeder Revolution schützen?» Natürlich blühte
auch das Geschäft der Gesinnungsschnüffelei, orthodoxe
Lutheraner wurden bei Stellenvergaben u. ä. favorisiert,
aufklärerischer Tendenzen verdächtige Kandidaten gingen
leer aus.
stellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grund-
lehren der Heiligen Schrift und des Christentums miss-
braucht.» Kant habe sich, so heisst es weiter, «fernerhin Das «Preußische Allgemeine Landrecht»
aller öffentlichen Vorträge, die Religion betreffend, es sei
die natürliche oder geoffenbarte, sowohl in Vorlesungen Aber mitten in diesen Jahren der Gegenaufklärung wurde
als in Schriften gänzlich zu enthalten». Der siebzigjährige in Preußen auch ein Gesetzeswerk verabschiedet, das noch
Kant, ohnehin fast am Ende seines Lebenswerkes, beugte ganz durchdrungen war vom Geist der Aufklärung, zu ei-
sich dem Befehl aus seinem zutiefst preußischen Gehor- nem Markstein in der Entwicklung des preußischen Staats-
sam gegenüber der Obrigkeit, allerdings mit sehr bemer- rechtssystems wurde und über die Grenzen Preußens hin-
kenswerter Haltung: «Widerruf und Verleugnung seiner weg auf die Rechtsentwicklung Deutschlands im 19. Jahr-
inneren Überzeugung ist niederträchtig, aber Schweigen in hundert grossen Einfluss ausübte: das «Preußische Allge-
einem Fall, wie der gegenwärtige ist, ist Untertanenpflicht, meine Landrecht» des Geheimen Oberjustizrats Carl Gott-
und wenn alles, was man sagt, wahr sein muss, so ist es lieb Svarez (1746-1798). Das Gesetzeswerk wurde noch
darum doch nicht Pflicht, alle Wahrheit öffentlich zu sa- von Friedrich II. in Auftrag gegeben; in der Anweisung an
gen». den damaligen Grosskanzler, Graf von Carmer (1720-
Das Religions- und Zensuredikt von 1788 war natürlich 1801), forderte der König, die Justiz solle so gestaltet wer-
zuerst auf die Wiedererstarkung einer von Verfallserschei-

153
_ _ von Oottcê ©naben/ JÇônig von
IHeulTen/ SWöraf ju ^ranbenbutâ,
x x X.
^bun funb unb fügen hittmit jebermann ju tviffen, bag, nad)bem <23ir (ange vor
Unferer‘îhronbefteigung bereit* eingefehen unb bemerkt hüben/ roie nötbig tt bereinfi
fepn burfte, nad) bem Rempel Unfern T>urd>fäud)tigflen Vorfahren, befonber* aber
Unfet* in Gott rubenben ©rofroater* Wiajeßät barauf bebaebt ju fepn, bafj in ben lßreu£
filmen £anben bie €hn|Hid>e (Religion ber ^totepantifd)enÄ’ird)e, in ihrer alten utfyriingj
ïidjen (Reinigkit unb 2led)theit erhalten, unb ium ‘ïbtil mieber h«ge|hUet roerbe, auch
bem Unglauben eben fo rote bem Stberglauben, mithin ber QJerf<Mfd)ung ber ©runbroahtf
beiten beö ©laubenö ber Cbrifhn, unb ber barau* entßebenber SûgeDoflgkit ber ©iU
ten, fo viel an Unß t|l, Çtnbal» gefdjebe; unb baburd) jugleid) Unfern getreuen UnterHa?
ten ein überjeugenber 55eroeiß gegeben «erbe, roefien fie in àbficht ihrer roicfccigflen 2hv
geleaenbeit, nehmlid) ber völligen ©etvlffenSfrevbeit, ber ungeßörten (Ruhe unb (Sicher/
hm bep ihrer einmal angenommenen Çonfeffion unb bem ©tauben ihrer QSAtcr, roie
auch bcö ©djufeeö gegen alle (Störer ihre« ©ottetfbienfleef unb ihrer fircblidjen Sßerfafiun?
gen, ju Untf als ihrem £anbeöherrn, fid) ju verfehen haben: <2Bir nad) bisheriger ISe*
forgung bet brmgenbßen Stngelegenhtiten bett (Staate* unb QJottenbung t>erfd>iebenet
2 nötbigeo
den, dass «alles bloss nach Vernunft, Recht, Billigkeit, Friedrich Wilhelms II. schlechtes Image in der Geschichts-
auch wie es das Beste des Landes und der Untertanen er- schreibung rührt weitgehend von seinem häufig als unmo-
fordert, eingerichtet werden möge». In den Jahren ralisch bezeugten Privatleben her, das sich auch auf den
1791/92, also schon in der Regierungszeit Friedrich Wil- Hof auswirkte. Der Bildhauer Gottfried Schadow hat diese
helms II., erläuterte Svarez sein Werk gegenüber dem da- Zustände gegenüber Karl August Varnhagen von Ense
maligen Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm (1785-1858), der das Gespräch aufzeichnete, wohl etwas
III., wie folgt: «Daher ist es ein ebenso weiser als für die überzogen so beschrieben: «Zur Zeit Friedrich Wilhelms
Sicherheit des Eigentums und die Freiheit der preußischen II. herrschte die grösste Liederlichkeit, alles besoff sich in
Untertanen höchst wohltätiger Grundsatz, dass die Rechts- Champagner, frass die grössten Leckereien, frönte allen
angelegenheiten derselben nur nach den Gesetzen des Lüsten. Ganz Potsdam war wie ein Bordell; alle Familien
Staates von den vom Staat bestellten Gerichten untersucht dort suchten nur mit dem Könige, mit dem Hof zu tun zu
und entschieden werden, dass Machtsprüche nie eine haben, F rauen und Töchter bot man um die Wette an, die
rechtliche Wirkung haben sollen und dass der Souverän grössten Adligen waren am eifrigsten. Die Leute, die das
dergleichen weder selbst tun noch es seinen Ministern ge- wüste Leben mitgemacht haben, sind alle früh gestorben,
statten wolle.» Gerade das Letztere aber tat Friedrich Wil- zum Teil elendiglich, der König an der Spitze.»
helm II., unter dem dieses Landrecht in Kraft trat, als er Eine Pompadourrolle am Hof spielte Wilhelmine Encke,
seinen Ministern Wöllner und Bischoffwerder weitge- zum Schein mit dem Kammerdiener Rietz verheiratet und
hende Vollmachten für ihre gegenaufklärerische Innenpo- später zur Gräfin Lichtenau erhoben. Sie fungierte ausser-
litik gab. Immerhin blieb der bürgerlich-rechtliche Teil des dem auch als eine Art Haremsvorsteherin am Hofe und ar-
Gesetzeswerkes in Preußen bis zum Jahr 1900 in Kraft, rangierte des Königs zahllose «flüchtige Augenblicksver-
sein verwaltungsrechtlicher Teil wurde sogar erst 1931 bindungen» (Max Maurenbrecher). Dieser wiederum war,
neugefasst in ein moderneres Gesetz übernommen. neben seiner offiziellen zweiten Ehe mit Friederike von
Hessen-Darmstadt (1751-1805), noch mit zwei weiteren
Damen «zur linken Hand» verheiratet: mit dem Fräulein
Julie von Voss, die zur Gräfin von Jugenheim ernannt wur-
de, und mit Sophie Gräfin Dönhoff.
Natürlich liessen eine so verschwenderische Hofhaltung
Friedrich Wilhelm II., «nicht unbegabt, aber energielos und die hohen Kosten der vergeblichen Feldzüge gegen
und genusssüchtig» das revolutionäre Frankreich den von Friedrich II. ange-
sammelten Staatsschatz schnell dahinschwinden. Schon
Egon Friedell charakterisierte Friedrichs II. Nachfolger 1793 waren die 51 Millionen Taler, die Friedrich II. hin-
und seinen Hof mit folgenden Worten: «In dem Nachfol- terlassen hatte, aufgebraucht. Im Todesjahr des «dicken
ger, seinem Neffen Friedrich Wilhelm II., bestieg die Mys- Wilhelm», 1797, hatte sich ein stattlicher Schuldenberg in
tik, allerdings die falsche, sogar den Thron. Der neue Mo- Höhe von 27 Millionen Talern angesammelt – Friedrich II.
narch, nicht unbegabt, aber energielos und genusssüchtig, soll kurz vor seinem Tode vorausgesagt haben: «Mein
fand bald in dem gewissenlosen Wöllner seinen Tartuffe Neffe wird den Staatsschatz verschwenden, die Armee
und in dem geriebenen Bischoffwerder seinen Cagliostro. ausarten lassen. Die Weiber werden regieren, der Staat
Dieser gewann ihn für den Rosenkreuzerorden, während wird zugrunde gehen.» Mitschuldig an dem finanziellen
jener ihn zum Obskurantismus bekehrte ...» Das Volk Fiasko war allerdings auch eine bereits von dem Vorgän-
nannte den König den «Dicken», die russische Zarin Ka- ger geschaffene Einrichtung, die königliche Dispositions-
tharina II. war noch weniger galant und sprach von einem kasse, die nur dem König zugänglich und der Kontrolle
Fleischklumpen. seiner Bürokratie entzogen war.
Wenn auch der preußische Staat nicht zugrunde gegangen
ist, so war das Urteil Friedrichs II. doch in vieler Hinsicht
zutreffend. Nach aussen hin hat Friedrich Wilhelm II. im-
merhin den autoritären Regierungsstil seines Vorgängers
Das von den preußischen Ministern Johann Christoph von Wöllner nachgeahmt. Er, dem die Regierungsgeschäfte eher eine
und Johann Rudolf von Bischoffwerder im Jahre 1788 erlassene Re-
ligions- und Zensuredikt (Faksimile der ersten Seite des Edikts) rich- lästige Pflicht waren, erliess im Dezember 1787 folgende
tete sich gegen alle in die Kirchen eingedrungenen Aufklärungsten- Anweisung: «Ich fordere bei dem Civil-Dienst von meinen
denzen. Prominentestes Opfer des Edikts wurde Immanuel Kant, der
sich nach Erscheinen seiner Schrift «Religion innerhalb der Grenzen
der blossen Vernunft» (1794) aller Vorträge und Vorlesungen sowie
Schriften «die Religion betreffend, gänzlich zu enthalten» hatte.

155
Ministers eben die Folgsamheit und den strengen Gehor- Von den Baumeistern und Künstlern wurde in Architektur
sam, als Ich von meinen Generals bei der Armee fordere. und bildender Kunst das Rokoko überwunden, und bald
Ich unterziehe Mich der Regierungsgeschäfte selbst, und behauptete sich auf allen Gebieten der Klassizismus. 1790
werde daher niemand erlauben, in den Départements ei- wurde in der Dorotheenstädtischen Kirche in Berlin das
genmächtige Verfügungen zu machen, sondern Ich will berühmte Grabmal für den kleinen Grafen in der Mark auf-
von allem vorher unterrichtet sein und verlange, dass man gestellt, das der damals 23jährige Johann Gottfried Scha-
meine Befehle abwarte ...» dow (1764-1850), später Hofbildhauer, geschaffen hat. Es
markiert den Übergang vom Rokoko zu den klassischen
griechischen Vorbildern. Am engsten an die griechische
Klassik hielt sich der ab 1786 in Berlin wirkende, aus
Vom Rokoko zum Klassizismus: Schlesien kommende Baumeister Carl Gotthart Langhans
Langhans, Erdmannsdorff, Gilly, Gentz und der frühe (1732-1808) mit seinem zwischen 1788 und 1791 erbauten
Schadow Brandenburger Tor, das noch heute seine Symbolbedeu-
tung für Preußen – wenn auch zur Zeit im Niemandsland
Auf dem Gebiet der Künste ist die kurze Ära Friedrich zwischen zwei deutschen Staaten stehend – nicht verloren
Wilhelms II. reich an Geschehen. Der König war wie sein hat. Von Langhans stammen ausserdem noch der Turm-
Onkel ein eifriger Musiker, im Unterschied zu diesem be- aufsatz der Marienkirche, das Belvedere im Schlosspark
vorzugte er jedoch das Cello. Er spielte in seiner Hofka- von Charlottenburg und die Kolonnaden in der Mohren-
pelle mit, die von Mozart bei einem Besuch im Mai 1789 strasse in Berlin, ebenso das dortige alte Schauspielhaus,
in Potsdam höflich als «grösste Virtuosensammlung der ein Theater und die Innenausstattung des Marmorpalais in
Welt» gelobt wurde. Mozart begleitete auch das königliche Potsdam sowie Landschlösser in Schlesien und das Palais
Quartett am Klavier, lehnte aber ein Angebot des Königs, Hatzfeld in Breslau.
ständig nach Berlin zu kommen, ab. Auch Beethoven Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800), der
spielte in Berlin vor Friedrich Wilhelm II. und widmete mit dem Antike-Entdecker Johann Joachim Winkelmann
ihm zwei Sonaten (op. 5 für Klavier und Violoncello).

156
(1717-1768) persönlich bekannt war, arbeitete schon unter Linke Seite: Preußen und Österreich gelang bei Valmy am 20. Sep-
Friedrich II., baute 1794 in Dessau und Magdeburg je ein tember 1792 trotz militärischer Überlegenheit gegen die französische
Revolutionsarmee nicht der erhoffte Erfolg. Goethe schrieb später als
Theater und veröffentlichte kunsttheoretische Schriften. Augenzeuge über den Tag von Valmy (zeitgenöss. Stich): «Von hier
Ein gemeinsamer Schüler von Langhans und Erdmanns- und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus.»
dorff war der geniale Friedrich Gilly (1772-1800), der mit
26 Jahren Professor an der Berliner Bauakademie wurde
und im Stil eines an der französischen Revolutionsarchi-
tektur geschulten Klassizismus seine berühmten Entwürfe
für ein Denkmal Friedrichs II. (1796) und für ein National-
theater(1800) hinterliess. Gilly prägte auch den Stil von Im Alter von 23 Jahren schuf Johann Gottfried Schadow (1764-1850)
Heinrich Gentz (1766-1811), der dann unter Friedrich Wil- als ersten Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn 1790 das zuerst
in der Dorotheenstädtischen Kirche in Berlin aufgestellte Grabmal
helm III. zwischen 1798 und 1802 die Königliche Münze für den kleinen Grafen Alexander in der Mark, einem Sohn von
Friedrich Wilhelms II. Mätresse Gräfin Lichtenau (heute in der Nati-
onalgalerie Berlin-Ost).

157
Zwischen 1798 und 1802 wurde von Heinrich Gentz am Werder- Zu den Färb selten 160/161
schen Markt in Berlin die Königliche Münze erbaut (1886 abgebro-
chen; Kupferstich von Haas nach einer Zeichnung von Catel). Links oben: Drei von insgesamt neun Kindern (zwei davon starben
im Kindesalter) der Königin Luise von Preußen: in der Mitte Fried-
rich Wilhelm (später Friedrich Wilhelm IV.), links Wilhelm (später
Kaiser Wilhelm I.), rechts Charlotte (später mit Zar Nikolaus I. ver-
heiratet); Crayon-Zeichnung von Anton Wachsmann, dem Zeichen-
lehrer der preußischen Prinzen (1805).

Links unten: Blick in den Innenraum der gleichzeitig mit Schloss


Pfaueninsel im Jahre 1794 bis 1797 von Hofzimmermeister Johann
Gottlieb Brendel erbauten Meierei, einer künstlichen Ruine, «deren
phantastische Gotik im Vergleich mit Schinkels Neugotik am Kava-
lierhaus den geistigen Wandel im Verlauf einer Generation verdeut-
LmÆs/Studenten-Reglementierung im Jahre 1792: Dieses Schreiben licht» (Helmut Börsch-Supan).
des Rektors und Senats der Königsberger Universität unterrichtet
König Friedrich Wilhelm II. von der Beendigung eines Verfahrens Rechts: Königin Luise (1776-1810), die geistvolle Gemahlin Fried-
gegen den Studenten Pfeifer wegen Störung einer Vorlesung des Pro- rich Wilhelms III., kommentierte präzise den Zusammenbruch Preu-
fessors Kant (2.4.1792); in der letzten Unterschriftszeile steht links ßens 1806 mit dem Satz: «Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren
die Unterschrift Kants (Geheimes Staatsarchiv Berlin). Friedrichs des Grossen» (Gemälde von Joseph Grassi, 1802).

159
160
am Werderschen Markt erbaute. Noch unter Friedrich Wil-
sehr erfolgreich. Sein Staat hatte sich seit seinem Regie-
helm II. wurden im Berliner Schloss sowie in Monbijou,rungsantritt erheblich vergrössert: «Preußen war 1795
Bellevue, Charlottenburg, auf der Pfaueninsel und in meh-
keine Halbgrossmacht mehr, es besass jetzt, was Gebiets-
reren Palaisbauten viele Innenräume von Langhans, Erd-umfang und Bevölkerungszahl betraf, die Grundlagen ei-
mannsdorff und anderen Baumeistern in klassizistischerner wirklichen Grossmachtstellung. Es beherrschte die
Manier umgestaltet, wobei leider viele Interieurs des Ro-
ganze norddeutsche Tiefebene zwischen Frankreich und
koko rücksichtslos zerstört wurden. Russland: Polen direkt (freilich von Gnaden Russlands),
Der neue klassische Stil fand noch deutlicheren Ausdruck
Norddeutschland indirekt (freilich von Gnaden Frank-
in der Skulptur. Schadows Grabmal für den kleinen Grafen
reichs) . . .» (Sebastian Haffner). Schon 1791 war das Ge-
in der Mark stand dabei am Anfang; 1789 vollendete er die
biet der fränkischen Hohenzollern, Ansbach und Bayreuth,
Quadriga mit der Viktoria auf dem Brandenburger Tor, an Preußen zurückgefallen. Für jene Ereignisse, die nach
und zwischen 1795 und 1797 modellierte er die Marmor- seinem Tod im Zuge der napoleonischen Hegemoniepoli-
gruppe der Kronprinzessinnen Luise und Friederike, eintik zum Krieg mit Frankreich und zum Zusammenbruch
weiterer Höhepunkt seines Schaffens. In mehreren Denk-Preußens führten, war Friedrich Wilhelm II. nicht mehr
mälern hat Schadow vor und nach Preußens Schicksalsjahr
verantwortlich. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm III.
1806 führende Köpfe seiner Zeit verewigt: Friedrich II.,
(1797-1840) versuchte, Preußen aus diesem Strudel, in den
den Husaren-General Zieten, den «alten Dessauer», später
Napoleon ganz Europa hineinzog, durch eine ungeschickte
Marschall Blücher, Luther und – in Bildnisbüsten – Hen-
Neutralitätspolitik herauszuhalten. Aber dieser Versuch
riette Herz und Prinzessin Friederike. schlug fehl. Aus Furcht vor der französischen Militär-
macht verweigerte sich Preußen der 3. Koalition gegen
Frankreich, schloss, aufgebracht über die Verletzung sei-
1795-1806: «Grundlagen einer wirklichen Grossmacht- ner Neutralität durch französische Truppen, ein Bündnis
stellung» und Preußens Zusammenbruch mit Russland und machte mobil, zögerte aber mit dem
Kriegseintritt, bis in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz
Aussenpolitisch gesehen waren die elf Jahre unter dem die Entscheidung zugunsten Napoleons gefallen war. Po-
sündigen «dicken Wilhelm» für Preußen bis 1797 noch litisch isoliert musste Preußen am 15. Dezember 1805 in

162
Schönbrunn ein Bündnis mit Frankreich schliessen, das Immerhin führte die Willkür Napoleons zu einer Welle der
mit sehr ungünstigen Bedingungen verbunden war. Fried- patriotischen Begeisterung, die Friedrich Wilhelm III. be-
rich Wilhelm III., verbittert über die harten Forderungen wog, die eingegangenen Bündnispflichten nach Möglich-
des Korsen, lehnte ab, liess jedoch gleichzeitig die Armee keit zu umgehen und dem erneuten Werben Russlands um
demobilisieren. Die Folge war der noch ungünstigere Ver- Bildung einer vierten Koalition gegen Frankreich öffent-
trag von Paris, der Preußen zum Krieg mit England zwang lich nachzugeben. Napoleon antwortete mit Truppenbewe-
und damit seinen Überseehandel ruinierte. Zwar wurde auf gungen gegen die preußischen Grenzen, doch im Grunde
diese Weise Hannover gewonnen, dafür aber das linksrhei- war es nur ein Gerücht, das schliesslich zum Krieg führte.
nische Kleve an Frankreich und Bayreuth an Bayern ver- Auf die unsichere Nachricht, Napoleon beabsichtige die
loren. Hilflos musste Preußen hinnehmen, dass sich sech- Besetzung Hannovers, reagierte der König überstürzt mit
zehn deutsche Staaten im «Rheinbund» völlig in die Hand einem Ultimatum. Als dieses unbeantwortet verstrich, er-
Napoleons gaben, dass dieser das ehrwürdige «Heilige Rö- klärte Preußen ebenso überstürzt Frankreich den Krieg (8.
mische Reich Deutscher Nation» umgehend liquidierte 10.) – es beschwor damit seine eigene Katastrophe herauf.
und Kaiser Franz zur Niederlegung der Reichskrone Im vollen Vertrauen auf die einst bewiesene Schlagkraft
zwang. der Armee verzichtete man auf eine Abstimmung mit dem
russischen Bündnispartner. Preußen stand völlig allein, le-
diglich ein sächsisches Truppenkontingent kämpfte auf sei-
ner Seite. Nach wenigen Tagen war die militärische Nie-
derlage bei Jena und Auerstedt (14.10.) perfekt, Preußen
brach völlig zusammen. Fast ohne Widerstand eroberte Na-
Links: Friedrich Gilly (1772-1800), ein Schüler von Langhans und poleon den westlichen Teil des Königreichs und zog Ende
Erdmannsdorff, wurde 1798 Professor an der Berliner Bauakademie Oktober in Potsdam und Berlin als Sieger ein. Friedrich
und bewies mit seinen Entwürfen für ein Denkmal Friedrichs II. und Wilhelm III. floh nach Ostpreußen und setzte, gestützt auf
für ein Schauspielhaus in Berlin (1800, im Bild) seine geniale Früh-
reife, die ihn zum führenden Baumeister des deutschen Klassizismus den russischen Verbündeten, den Widerstand fort. Bei
und Begründer des modernen Theatecbaus werden liess (Kunstbib- Preußisch-Eylau hielt die durch ein preußisches Korps ver-
liothek Berlin). stärkte russische Armee dem Angriff des Korsen stand –
Entwurf-Zeichnung zu einem herrschaftlichen Wohnhaus in der Kur-
mark (Potsdam/Lebus), gezeichnet von August Ferdinand Mund um
1800 (Geheimes Staatsarchiv Berlin).

163
Rechts: Zu den Königinnen der «Berliner Salons» gehörte Rahel
Varnhagen von Ense (1771-1858), Tochter des jüdischen
Kaufmanns Markus Levin und Gattin des Schriftstellers Karl Au-
gust Varnhagen von Ense (1785-1858); bei ihr in der Jägerstrasse in
Berlin trafen sich neben vielen anderen die Brüder Tieck mit Heine,
Hegel, Ranke, Fouqué und Achim und Bettina von Arnim.

Unten: Zwischen 1795 und 1797 schuf Johann Gottfried Schadow


seine berühmteste Plastik, die Prinzessinnengruppe mit Königin
Luise und deren Schwester Friederike von Mecklenburg-Strelitz
(rechts).

164
Theaterzettel von der Königlichen Oper in Berlin vom 28. Februar
1796 mit der Ankündigung einer Benefizvorstellung von Mozarts
«La Clemenza di Tito» zugunsten von Mozarts Witwe Constanze.

Bettina von Arnim (1785-1859; Kupferstich von L. Grimm, 1809),


Schwester von Clemens Brentano, war die bedeutendste Frauenge-
stalt der jüngeren Romantik; nach ihrer Hochzeit mit Achim von Ar-
nim (1811) lebte sie auf dessen märkischem Gut Wiepersdorf, später
in Berlin.

Titelblatt der von den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schle-
gel von 1798 bis 1800 herausgegebenen Vierteljahresschrift «Athen-
äum», dem programmatischen Organ der «Romantischen Schule»
(Mitarbeiter Novalis und Schleiermacher; aus der Bibliothek von K.
A. Varnhagen).

165
die erste Schlacht, die Napoleon nicht gewann. Doch die mahlin Luise von Mecklenburg-Strelitz ein zurückgezoge-
schwere Niederlage bei Friedland zwang den Zaren an den nes Leben geführt. Er galt als «ein wahrhaft schlichter und
Verhandlungstisch. Preußen blieb zwar – auf Fürsprache pflichteifriger Charakter» (Friedrich Israel), das genaue
Alexanders I. – als Staat erhalten, sank aber durch bedeu- Gegenteil seines Vaters. Er hasste Repräsentationen, das
tende Gebietsverluste zu einer drittklassigen Macht ab. väterliche Hofleben war ihm zuwider. Seine erste Amts-
handlung bestand darin, die Mätresse des Vaters, die Grä-
fin Lichtenau, verhaften zu lassen und die Minister des Va-
Friedrich Wilhelm III.: ters zu entlassen. Gottfried Schadow urteilte gegenüber
«was war der Herr unschlüssig. . .» Varnhagen von Ense über Friedrich Wilhelm III.: «Man
kann sich jetzt gar nicht mehr vorstellen, wie wohltätig auf
«Wir sind eingeschlafen aufden Lorbeeren Friedrichs des jene Üppigkeit das Beispiel Friedrich Wilhelms III. kam,
Grossen», so hat Königin Luise sehr treffend den Zusam- die stille Häuslichkeit, die Schönheit und Bravheit der Kö-
menbruch Preußens kommentiert. Sie war die stärkere und nigin... er war immer trocken, schüchtern, langweilig zum
geistvollere Hälfte des Königspaares, das ab 1797 in Preu- Entsetzen, und besonders unschlüssig – ach Herr Jemine,
ßen regierte, und starb viel zu früh (1810) als die wohl was war der Herr unschlüssig, nicht die kleinste Sache war,
volkstümlichste aller preußischen Herrscherinnen. Fried- über die er nicht gezweifelt hätte, die er nicht aufgescho-
rich Wilhelm III. hatte schon vor seiner Thronbesteigung ben hätte, so lange es nur möglich war; er musste zu allem
im Alter von 27 Jahren mit seiner auffallend schönen Ge- gedrängt, gestossen werden, und suchte doch immer bis
auf die letzte Minute Ausflüchte. Nein, das war kein ange-
nehmer Herr. . .»
Zur Unfähigkeit des Königs zu schnellen Entscheidungen
und seiner hartnäckigen Absicht, in friedlicher Neutralität
zwischen den Weltmächten Frankreich, Russland und Ös-
terreich zu verharren, kam als schlechtes Omen für Preu-
ßen auch der allgemein desolate innere soziale, militäri-
sche und finanzielle Zustand seines Staates hinzu. Preußen
musste so zum Spielball der Mächtigen werden. Napoleon
bezeichnete den Preußenkönig denn auch immer als «gut-
mütigen dummen Pantoffel» – allerdings nur bis 1805,
denn von da an brauchte er Friedrich Wilhelm III. als Bun-
desgenossen. Und als sich «dieser kleine König von Preu-
ßen» dann 1806 erdreistete, sich ihm entgegenzustellen,
wenn auch von seinen Ratgebern mehr geschoben als aus
eigenem Antrieb, ab da verfolgte der Korse den schwäch-
lichen Grossneffen des «alten Fritz» zeitweise sogar mit
persönlichem Hass. Sein Ausspruch vor dem Sarg Fried-
richs II. in der Potsdamer Garnisonskirche, nach seinem
Einzug, ist berühmt: «Wenn er noch lebte, stünde ich nicht
hier.»

Entwurf-Zeichnung eines Brau- und Malzhauses im Vorwerk


Schmolainen in Ostpreußen aus dem Jahr 1809 (Erstveröffentlichung
aus der Domänen-Plankammer Königsberg, Geheimes Staatsarchiv
Berlin).

166
Ansätze der Reformpolitik: «langsam von oben nach
unten»

Hinter der aussenpolitischen Wandlung Preußens vom


Neutralen zum Gegner Napoleons steckten natürlich auch
gewichtige innenpolitische Gründe: man wollte am abso-
lutistischen Berliner Hof nicht mit dem Land der bürgerli-
chen Revolution paktieren. Dafür war die Zeit noch nicht
reif, wenn auch soziale Reformen, militärische Moderni-
sierung, Bauernbefreiung und sogar Ansätze zu einer bür-
gerlichen Emanzipation beim Regierungsantritt Friedrich
Wilhelms III. schongeplant waren. Der preußische Minis-
ter Struensee erklärte die Situation dem französischen Ge-
sandten gegenüber im Jahre 1799 wie folgt: «Die heilsame
Revolution, die Ihr von unten nach oben gemacht habt,
wird sich in Preußen langsam von oben nach unten voll-
ziehen. Der König ist Demokrat auf seine Weise. Er arbei-
tet unablässig an der Beschränkung der Adelsprivilegien
und wird darin den Plan Josephs II. verfolgen, nur mit
langsamen Mitteln. In wenigen Jahren wird es in Preußen
keine privilegierte Klasse mehr geben.» Dass dies tatsäch-
lich des Königs Absicht war, beweisen seine Kabinettsbe-
fehle aus dieser Zeit. In einer Order aus dem Jahr 1798, die
sich mit dem überheblichen Auftreten der adeligen Offi-
ziere gegenüber dem Zivilstand auseinandersetzte, hiess
Das Gemälde von Mosnier (1799) zeigt Louis Ferdinand (1772-
es: «Allein im Übrigen darf sich kein Soldat unterstehen, 1806) Prinz von Preußen, einen Neffen Friedrichs II., in dem viele
welch Standes und Ranges er auch sei, einen meiner Bür- der besten Eigenschaften des Hohenzollern-Geschlechts vereinigt
ger zu brüskieren. Sie sind es, nicht ich, die die Armee un- waren; er fiel als Führer jener preußischen Vorhut, die am 10. Okto-
ber 1806 vor der Schlacht von Jena bei Saalfeld vernichtet wurde.
terhalten. In ihrem Brote steht das Heer der meinen Befeh-
len anvertrauten Truppen . . .»
Die wichtigste der von Minister Karl Friedrich von Beyme
(1765-1838) schon zwischen 1799 und 1805 vorangetrie-
benen Reformen war die Befreiung der Domänenbauern –
«und mit viel entschiedenerem Erfolg als nach 1806 auf
den privaten Gütern, wo die Steinsche Bauernbefreiung
vielfach noch bis 1848 und länger auf dem Papier blieb»
(Sebastian Haffner). Insgesamt wurden bei dieser ersten
Reform rund 50.000 Domänenbauern zu freien Eigentü-
mern. Diese Zahl übersteigt weit die Gesamtzahl der von
1807 bis 1848 befreiten Bauern. leurs scheinbar mühelos erlagen, legte man auch in Preu-
Weiterwurden in der Armee erste Reformen eingeleitet, ßen die Taktik des 18. Jahrhunderts zu den Akten.
die auf eine Annäherung zwischen der Zivilbevölkerung Schon 1799 wurde auch die Akzise- (Besteuerung der
und dem Militär hinausliefen: Für das Offizierskorps wur- Städte auf Lebensmittel, Vieh und Handelsware, die preis-
den auch Bürgerliche zugelassen, die Löhnung der Solda- erhöhend wirkte) sowie die Zollfreiheit des Adels aufge-
ten wurde erhöht und – gegen den Widerstand der Zünfte hoben; erwogen wurde lediglich eine Heranziehung der
– die Verköstigung in Urlaub befindlicher Soldaten in bür- Privilegierten zur Grundsteuer und eine Beschränkung der
gerlichen Wirtshäusern genehmigt. Die Gefechtsausbil- Verbrauchssteuern auf einige wenige ertragreiche Artikel.
dung freilich wurde nicht verbessert. Erst nachdem die Schliesslich wurde den Departementschefs grössere Unab-
preußischen Linienregimenter den französischen Tirail- hängigkeit innerhalb ihres Geschäftsbereichs zugestanden
und die Selbständigkeit der Kammern gegenüber ihren
vorgesetzten Behörden erhöht.

167
Im Wesentlichen blieb es aber bei Reform-Ansätzen. Im- Einzug Napoleons durch das zwischen 1788 und 1791 von Carl Gott-
mer noch – und auch später bei den Steinschen Reformen hard Langhans erbaute Brandenburger Tor in Berlin am 28. Oktober
1806 (Gemälde von Meynier).
ab 1807 – stand einem Fortschritt der Widerstand der nach
wie vor intakten alten Gesellschaftshierarchie entgegen.
Die Hoffnung des preußischen Ministers Struensee auf das
Verschwinden der «privilegierten Klasse» blieb Illusion,
Preußen konnte das Beispiel der Revolution in Frankreich
nicht als unblutige Revolution «langsam von oben nach den konnte. Statt sich politisch zu engagieren, brachte die-
unten» nachvollziehen, weil seine Gesellschaftsstruktur ses preußische Bildungsbürgertum die Kulturblüte der
noch zu fest zementiert war. Romantik und später des Biedermeier hervor und schuf da-
mit eine der gefühlsbetonten Innerlichkeit, der Häuslich-
keit, dem Privatleben zugeneigte Grundstimmung, die bis
in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein nach-
Preußens Bildungsbürgertum wirkte.
und die Welt der «Salons» ab 1806 Um 1800, zu Beginn dieser Epoche, als man von Paris aus
die Welt in Brand steckte und Preußens staatlicher Nieder-
Im Gegensatz zu Frankreich, wo die befreiten Bauern sich gang vor der Tür stand, bestimmten in Berlin noch immer
mit einem zahlenmässig grossen und einflussreichen Be- Lebensfreude, Mode, Frömmelei, dazu die bürgerlichen
sitzbürgertum gegen den Adel zusammenschlossen, gab es Zirkel und «Salons» die Szene – eine Welt voller Perücken
in Preußen nur ein sogenanntes Bildungsbürgertum, das und Hauben, der Mätressenwirtschaft und des gefühlsseli-
sich aus Beamten, Pastoren, Lehrern und Künstlern zusam- gen Überschwangs. Ein Zeitgenosse notierte: «Die Zeit ist
mensetzte und das noch dazu in seiner Mehrheit vom Staat vorbei, da wir träumten, bei uns müsste alles aufgeklärt
lebte, also kaum zu einer systemüberwindenden Kraft wer- sein.» Madame de Staël ergänzte das Bild Preußens zu je-
ner Zeit mit dem Hinweis: «Die Denker bewegen sich in

168
himmlischen Gefilden; auf der Erde findet man nur Grena- älteren Schriftstellergeneration, die Ramler, Engel, Moritz
diers.» begegneten sich mit den Brüdern Humboldt und den jun-
Das, was man gemeinhin als spartanische «preußische Le- gen Wortführern der Romantik, Friedrich Schlegel, Gentz
bensweise» bezeichnete, fand sich fast nur noch beim un- und Jean Paul; Fichte und Börne waren hier zu Gaste.
begüterten Kleinbürgertum, während bei der breiten Junge Abkömmlinge alter Adelsfamilien, ausgesprochen
Dienstbotenschicht mitunter die nackte Not herrschte. Jo- gesellschaftliche Talente, Graf Christian Bernstorff und
hann Gottlieb Fichte schildert in seinem Brief vom 17. Au- Herr von Brinkmann trugen zur Belebung der Unterhal-
gust 1799 an seine Frau, wie eine solche Dienstbotenfami- tung bei. Die Musik schien in Reichardt, die Bildhauer-
lie damals in Berlin lebte: «Ich kenne einen Kriegsrat, der kunst in Schadow würdig verkörpert zu sein. Hier lernte
einen Bedienten in prächtiger Livree hält. Dieser kocht Schleiermacher Friedrich Schlegel kennen, hier Friedrich
verwichenen Sonnabend für seine Familie ein halbes Schlegel Dorothea Veit, hier Varnhagen Rahel. Lebens-
Pfund Rindfleisch und sechs Pfund Kartoffeln und Mohr- und Schicksalsbindungen – und eine Frau knüpfte die Fä-
rüben zum Mittagessen. Es findet sich, dass das Fleisch den . ..» (Ernst Heilborn).
nicht weich gekocht ist; es wird sonach nur das Gemüse Vor allem Rahel Varnhagen war ein wahres Genie der Ge-
gespeist und das halbe Pfund Fleisch den andern Tag wie- selligkeit. Bei ihr in der Jägerstrasse fanden sich die Jün-
der gekocht zum Sonntagessen. Seine Frau wäscht das geren, die Sterne der kommenden Jahrzehnte zusammen:
Hemd, das sie den Sonntag tragen will, sonnabends selbst die Brüder Tieck, Heinrich Heine, Hegel, Ranke, Fouqué,
in ihrer Stube und geht indes ohne Hemd... So sollen gar Achim und Bettina von Arnim. Bei den Mendelssohns im
viele Berliner leben .. .» Haus Leipziger Str. 5 dirigierte der junge Felix Mendels-
In den Wohnungen der meisten Berliner hingen damals die sohn seine «Sonntagskonzerte», unter den Zuhörern waren
Bilder der geliebten Königin Luise. Ihre Vorliebe für die der Gründer der Singakademie Karl Friedrich Zelter, wa-
neue französische Mode im Stil des Empire wurde von den ren später Paganini, Carl Maria von Weber, E.T.A. Hoff-
Damen der Berliner «Gesellschaft» nach Kräften nachge- mann und alle anderen, die bei den «Salon»-Königinnen
ahmt – eine sehr verführerische Mode, die viel versprach wie zu Hause waren. Und im Schloss Bellevue residierte
und wenig verbarg. Mieder und Fischbeinkorsetts kamen zur gleichen Zeit Pauline Wiesel, die schöne Freundin des
auf den Speicher. Die Taille wanderte nach oben bis unter Prinzen Louis Ferdinand, des «heimlichen Königs» von
die gewagt dekolltierte Brust, darunter fiel das Gewand in Berlin, der ebenfalls in den Salons mitdiskutierte, ehe er,
fliessenden Linien bis auf die Knöchel. vierunddreissigjährig, bei dem vorentscheidenden Gefecht
Wie echte Fürstinnen residierten und wirkten die Königin- bei Saalfeld (10. 10. 1806) fiel.
nen der künstlerischen Berliner «Salons»: Rahel Varnha- Dieser Hohenzollern-Prinz, Sohn des jüngsten Bruders von
gen (1771-1833), Henriette Herz (1764-1847), Dorothea Friedrich II., in dem viele der besten Eigenschaften seines
Veit (später Schlegel, 1763-1839), die Herzogin Dorothea Geschlechts vereint waren, ahnte die Katastrophe von 1806
von Kurland (1761-1821) und Caroline Schlegel (später voraus. Zu Rahel Varnhagen sagte er einmal: «Ich überlebe
Schelling, 1763-1809). In den Wohnzimmern dieser Da- den Fall meines Landes nicht; wenn wir solch Unglück ha-
men trafen sich die berühmten literarischen Geister der ben, sterbe ich.» Vier Tage nach dem Tod des Prinzen fiel
Romantik in Berlin mit Vertretern aus Kunst, Musik und das alte Preußen unter den Schlägen Napoleons in der Dop-
Architektur, mit Generälen, Ministern und Hofleuten. Bei pelschlacht von Jena und Auerstedt. Rahel Varnhagen
Henriette Herz in der Neuen Friedrichstrasse wurde die schrieb später in einem Brief: «Wo ist unsere Zeit, wo wir
neue Art von Geselligkeit vorexerziert: «Schleiermacher alle zusammen waren? Sie ist Anno 6 untergegangen. Un-
kam fast allabendlich mit seiner Laterne... Vertreter einer tergegangen wie ein Schiff: mit den schönsten Lebensgü-
tern, den schönsten Genuss enthaltend...»

169
VII. Ein neues Preußen:
Hoffnung auf innere Wandlung durch Reformen, Kunst und
Kultur im Geist der Romantik

Von 1806 bis 1819

«Es wird mir immer klarer, dass alles so kommen musste, getreten werden mussten. In der Eibinger Konvention vom
wie es gekommen ist Die göttliche Vorsehung leitet unver- 10. November 1807 verlor Preußen schliesslich auch noch
kennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere die Kreise Kulm und Michelau sowie den Netzedistrikt mit
Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat Bromberg (ausser dem nördlichen Teil) an Warschau,
und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt ...» Kö- ebenso wurde Danzig mit Oliva und Heia als «Freie Stadt»
nigin Luise, von der diese Sätze stammen, war die trei- von Preußen abgetrennt. Nach diesem Aderlass, der auch
bende Kraft zum Aufbau eines neuen Preußen nach 1806. alle Gebiete westlich der Elbe bis zum Rhein, also die Alt-
Sie veranlasste König Friedrich Wilhelm III., 1807 die Re- mark, Magdeburg und Halberstadt umfasste (Cottbus und
former vom Stein, Hardenberg und Scharnhorst in die Peitz fielen an Sachsen), verblieben Preußen von ehemals
preußische Regierung zu berufen. Sie war Augenzeuge ge- 5‘700 Quadratmeilen mit 9,75 Millionen Einwohnern le-
wesen, als Napoleon in Tilsit ihren königlichen Gatten an- diglich noch 2‘877 Quadratmeilen mit 4,9 Millionen Men-
geschnauzt hatte: «Wie konnten Sie sich unterstehen, die schen, die zudem noch für die nächsten drei Jahre eine
Waffen gegen mich zu erheben, der ich mit zwei Kaisern, französische Besatzung ertragen mussten. Viele Preußen,
dem von Russland wie dem von Österreich, fertig gewor- die bis 1805 den Korsen verehrt und selbst 1806 bei seinem
den war?» In seiner Abneigung gegen den Preußenkönig Einzug durch das Brandenburger Tor ihn jubelnd mit
war der Korse auch gegen sie ausfallend geworden, als sie «Vive l’Empereur!» und der Hoffnung auf Frieden be-
beim gemeinsamen Abschiedsessen an der russischen grüsst hatten, teilten nun die Meinung des volkstümlichen
Grenze nochmals versucht hatte, bei Napoleon um das ver- Berliner Arztes Ernst Ludwig Heim (1747-1834), der am
lorene Magdeburg zu bitten. Der gegen Damen sonst sehr 29. November 1807 in seinem Tagebuch notierte: «Über
galante Kaiser der Franzosen erteilte ihr eine glatte Ab- das. traurige Schicksal des Preußischen Staates bin ich be-
fuhr: «Wie können Sie mir zu guter Letzt noch etwas ab- trübt. Mein Verstand ehrt und schätzt Napoleon, mein Ge-
pressen wollen?» fühl hasst ihn.»

Der Frieden von Tilsit: «Vive l’Empereur»

Magdeburg war nur ein winziger Teil der grossen preußi-


schen Gebiete, die Napoleon im Friedensdiktat von Tilsit
(9.7.1807) dem Preußenkönig absprach. «Aus Rücksicht
auf Kaiser Alexander» liess er nur noch ein «Restpreußen»
östlich der Elbe bestehen, ohne die Provinzen Süd- und
Neuostpreußen, die an das – von Russlands Gnaden – neu-
gebildete Herzogtum Warschau und an Russland selbst ab-

Original der Entwurfzeichnung von Karl Friedrich Schinkel für das


Eiserne Kreuz 1813 (rechts), daneben die danach angefertigte Aus-
führung der preußischen Tapferkeitsauszeichnung.

170
Die erste Seite der «Nassauischen Denk-
schrift» in der Handschrift des Freiherrn
vom Stein vom Juni 1807, der pro-
grammatischen Grundlage zur Erneu-
erung des preußischen Staates.

Der gesellschaftliche Charakter der Kö-


nigsberger Kreise, aus denen die Mehr-
zahl der preußischen Reformer um Stein
und Hardenberg kamen, unterschied sich
von den Berliner «Salons» nur dadurch,
dass dort Literatur und Kunst tonange-
bend waren, während in Königsberg an
der Universität von Immanuel Kant und
dem Volkswirt Kraus (ein Anhänger von
Adam Smith) die geistige Haltung geprägt
worden war (im Bild oben rechts die Kö-
nigsberger Albertus-Universität aus dem
18. Jahrhundert; gegründet wurde die
Universität bereits 1544).

Rechts: Die Steinschen Reformen waren


in der Ausführung nicht so wirkungsvoll,
wie sie geplant waren. Ende 1808 wurde
Stein (im Bild eine Tonbüste des Frei-
herrn vom und zum Stein von Peter Josef
Imhoff), entlassen und geächtet, nachdem
er in einem Brief, der Napoleon in die
Hände gespielt wurde, an den Fürsten zu
Sayn-Wittgenstein u.a. schrieb: «Die Er-
bitterung (gegen Napoleon) nimmt in
Deutschland täglich zu, und es ist ratsam,
sie zu nähren, und auf die Menschen zu
wirken...»

171
Der Kreis der Reformer ab 1807

Napoleon hatte es damals in der Hand, Preußen völlig von


der Landkarte verschwinden zu lassen. Im Oktober 1806
hat er die totale Zerstückelung Preußens in Erwägung ge-
zogen. Er wollte zunächst Schlesien an Österreich zurück-
geben, Polen wiederherstellen und die Dynastie Hohenzol-
lern entthronen, liess aber dann diesen Gedanken doch
wieder fallen.
Nach dem Frieden von Tilsit wandte sich sein Interesse an-
deren Krisengebieten Europas zu. In seiner Politik, die auf
die Ausschaltung Preußens gerichtet war, übersah er zwei
Dinge, die dann für den Neubeginn dieses Staates wichtig
wurden: einmal die Tatsache, dass Schlesien und die kolo-
nisierten Odergebiete seit Friedrich II. von lebenswichtiger
wirtschaftlicher Bedeutung geworden und 1807 unversehrt
bei Preußen geblieben waren; zum zweiten hielt er den Mi-
nister Karl August von Hardenberg (1750-1822) für seinen
diplomatischen Hauptgegner. Es stellte sich aber heraus,
dass nicht Hardenberg, der auf Drängen Napoleons am
Tage nach dem Frieden von Tilsit entlassen wurde, son-
dern Freiherr Karl vom und zum Stein (1757-1831) der ei-
gentliche Feind Frankreichs war. Gerade ihn aber empfahl
er Friedrich Wilhelm III. – und Königin Luise unterstützte
diese Empfehlung mit massivem Druck, freilich aus ande-
ren Motiven – als neuen Minister Preußens in Zivilangele-
genheiten (ab 5. Oktober 1807). Damit hatte vom Stein die
Möglichkeit, nicht nur seine Gedanken aus der «Nassauer
Denkschrift» vom Juni 1807 zu verwirklichen, die den
Umbau der Staatsspitze nach Fachgebieten, eine Selbstver-
waltung der Provinzen, Kreise und Gemeinden und stär-
kere Bindung des Staatsbürgers an das Staatsleben vorsah,
sondern vor allem auch die bereits angelaufenen inneren
Edikt zur Aufhebung der Leibeigenschaft (Bauernbefreiung) vom 9.
Oktober 1807, wodurch die Erbuntertänigkeit der Bauern unter die
Reformen weiterzutreiben und neue einzuleiten. Er nutzte
adligen Gutsherren fortfiel (Erstdruck aus Memel). ausserdem seine Vollmachten zur Heranziehung bedeuten-
der Fachmitarbeiter, so für die Verwaltung Friedrich Leo-
pold von Schrötter (1743-1815), Hans von Auerswald
(1757-1833), Theodor von Schön (1773-1856), Alexander
von Dohna (1771-1831) und Johann Gottfried Frey; für die
Finanzen F. A. Staegemann (1763-1840) und Wilhelm An-
ton von Klewiz (1760-1838); für Kulturfragen Wilhelm
von Humboldt (1767-1835) und Johann Wilhelm Süvern
(1775-1829); für die Armee Gerhard von Scharnhorst
(1755-1813), August W.A. Neidhart von Gneisenau (1760-
1831) und Hermann von Boyen (1771-1848). Die meisten
Rechte Seite oben: Steins Nachfolger wurde – im Einverständnis mit dieser Mitarbeiter kamen aus einem Kreis, der sich schon
Napoleon – Karl August von Hardenberg (1750-1822); er führte als um 1800 in Königsberg in der Freimaurerloge «Zu den
erster preußischer «Staatskanzler» die eingeleiteten Reformen wei-
ter, beschränkte sich aber weitgehend auf den Verwaltungs- und öko-
Drei Kronen» oder in der «Königlichen Deutschen Gesell-
nomischen Bereich (Gemälde von J. H. W. Tischbein, um 1810). schaft» getroffen hatte und dessen gesellschaftlicher Cha-

Rechte Seite unten: Dieses Aquarell vom Rathaus in Memel aus der
Zeit der Königin Luise von Preußen hing einst im Arbeitszimmer des
Oberbürgermeisters von Memel.

172
rakter sich von den Berliner «Salons» nur dadurch unter-
schied, dass dort Literatur und Kunst tonangebend waren,
während in Königsberg die damaligen beiden Pole der Uni-
versität, nämlich Immanuel Kant und der Volkswirt Kraus,
ein Anhänger der Lehren von Adam Smith, die geistige
Haltung prägten.

«Der Übergang darf nicht zu hastig sein»: das «Jahr-


hundertwerk» der Stein-Hardenbergschen Reformen

Die Reformen waren im Einzelnen nicht ganz so wirkungs-


voll wie geplant. Man kann sie wohl auch nicht ohne den
Hintergrund der napoleonischen Staatsordnung sehen, die
für das zusammengeschrumpfte und völlig unter französi-
scher Kontrolle stehende Preußen natürlich als Vorbild
diente. Napoleons Gesetzeswerk, der «Code civil» aus dem
Jahre 1804, stand hier Pate, und die Steinschen Reformen
sind ab 1807 sicher als «ein Teil des Anpassungsprozesses
an das napoleonische System» (Sebastian Haffner) anzuse-
hen. Stein selbst machte sich keine Illusionen über einen
schnellen Wandel durch Reformen: «Der Übergang aus
dem alten Zustand der Dinge in eine neue Ordnung darf

173
nicht zu hastig sein, und man muss die Menschen nach und
nach an selbständiges Handeln gewöhnen, ehe man sie zu
grossen Versammlungen beruft und ihnen Interessen zur
Diskussion anvertraut.» Immerhin zeigten die Reformen
erstmals Ansätze zu demokratischen Ordnungsprinzipien,
die später in die preußischen und gesamtdeutschen Verfas-
sungen des 19. und 20. Jahrhunderts miteingegangen sind
– im Sinne von Stein, der stets in nationalstaatlichen Kate-
gorien dachte und meinte: «Man muss die Nation daran ge-
wöhnen, ihre eigenen Geschäfte zu verwalten und aus je-
nem Zustand der Kindheit herauszutreten, in dem eine im-
mer unruhige, immer dienstfertige Regierung den Men-
schen halten will.» Die erste Reform unter Stein galt der
Weiterführung der Bauernbefreiung. Nach der Befreiung
der Domänenbauern 1804 wurde sie mit einem Edikt vom
9.10.1807 auch auf den adeligen Besitz ausgedehnt,
wodurch die Erbuntertänigkeit unter den Gutsherrn fort-
fiel.
Das zweite wichtige Reformwerk war die am 19.11.1808
in Königsberg erlassene Städteordnung, die sich für die
Zukunft als dauerhaftestes Gesetz erweisen sollte. Es legte
für die Stadtverwaltungen die Selbstverwaltung unter
staatlichem Aufsichtsrecht fest und brachte für die preußi-
schen Städte zwar eine staatsunabhängige direkte Verwal-
tung, wobei aber die Betätigung der Bürger in dieser
Selbstverwaltung immer noch an Besitz und Bildung ge-
bunden war. Ein gegenüber dem Steinschen Erstentwurf
nur noch als Torso übriggebliebenes Edikt vom 24.11.1808

Rechts: Faksimile von der Hauptübersicht über Einnahmen und Aus-


gaben des preußischen Staates aus dem Jahr 1817 (Geheimes Staats-
archiv Berlin).

Die auf Befehl Napoleons zur Aufrechterhaltung der Ordnung in


Berlin aufgestellte Berliner Nationalgarde bei der Wachtparade auf
dem Opernplatz (anonymer Stich, 1810).

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bestimmte die Berufung von Fachministerien an die Staat- bungen gegen die Franzosen andeutete und der Napoleon
spitze. In Gang gekommen war bis Ende 1808 unter Mit- in die Hände gespielt wurde. Einem nachfolgenden Äch-
wirkung von Stein noch eine Heeresreform, die jedoch erst tungsdekret (Dezember 1808) gegen «le nommé Stein»
1814 endgültig durchgeführt wurde, in die Allgemeine entzog sich der Reformer durch die Flucht nach Österreich.
Wehrpflicht mündete und durch den Abbau der Vorrechte Im Einverständnis mit Napoleon, der seinen Fehler, Stein
des Adels eine Demokratisierung in der Armee einleitete. zu berufen, wohl erkannt hatte, wurde wiederum Karl Au-
Ausserdem waren noch eine Kultur- und Kirchenreform gust von Hardenberg dessen Nachfolger. Er nahm als ers-
sowie neue Gesetze zur Ordnung der Provinzialverwaltun- ter «Staatskanzler» die Weiterführung der eingeleiteten
gen in Planung. Alle diese Vorhaben wurden aber unter- Reformen auf, aber längst nicht mit dem Weitblick und der
brochen durch die Entlassung Steins. Der Grund dafür war demokratischen Grundhaltung seines Vorgängers, und be-
ein unvorsichtiger Brief Steins an den Fürsten zu Sayn- schränkte sich vor allem auf Reformen im verwaltungs-
Wittgenstein, in dem er die Möglichkeit von Volkserhe- technischen Bereich. Hardenberg liess die Gewerbefreiheit
einführen, hob den Zunftzwang auf und schuf eine neue
Gemeindeordnung. Er blieb Staatskanzler bis zu seinem
Tod im Jahre 1822.
Grosse Verdienste hat sich Hardenberg jedoch um die
Der Gendarmenmarkt zu Berlin (heute Platz der Akademie) nach ei-
Emanzipation der Juden in Preußen erworben. Unter ihm
ner Zeichnung von Adolph um 1810: links der Deutsche Dom (der kam es 1812 zum Erlass des im engsten Zusammenhang
aus dem 18. Jahrhundert stammende Bau wurde wegen Baufälligkeit mit den Reformen der Städteordnung, Gewerbefreiheit und
1881/82 von Hermann von der Hude neu erbaut); in der Mitte das alte Zunftordnung stehenden Emanzipationsediktes (11.3.),
Theater (später durch Schinkels Schauspielhaus ersetzt); rechts der
Französische Dom aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts (1905 mit dem die Juden als «Einländer und preußische Staats-
umgebaut; beide Dome sind heute Ruinen).

176
Schlussseite des Briefes von Ge-
neral von Yorck vom 3. Januar
1813 an König Friedrich Wilhelm
III., in dem er diesen zur Entschei-
dung zum Krieg gegen Napoleon
mahnte, nachdem er auf eigene
Verantwortung im Dezember
1813 mit dem russischen General
Diebitsch die Konvention von
Tauroggen abgeschlossen hatte
(Wortlaut des Textes s. im Vor-
wort von Marion Gräfin Dönhoff,
S. 8).

bürger» erklärt wurden. Damit war eine Bewegung abge- mals zwei Fünftel der jüdischen Bevölkerung Preußens
schlossen, die im Jahre 1787 begonnen und auf jüdischer wohnten, mit einer «Vorläufigen Verordnung» die Juden
Seite in David Friedlaender (1750-1834), auf preußischer in zwei Klassen aufgeteilt, in die der naturalisierten Ein-
Seite in den Ministern Humboldt, Schrötter und Harden- wohner und in diejenigen, «welche sich zur Erlangung der
berg sowie dem Königsberger Juristen Brand ihre Haupt- der gedachten naturalisierten Klasse verliehenen Rechte
vertreter hatte. Hardenberg selbst setzte den Massstab für noch nicht eignen». Dies bedeutete einen Rückschritt der
das Edikt, als er schon 1810 bekannte: «Ich stimme für kein Judenemanzipation in die Zeit Friedrichs II.
Gesetz der Juden, das nicht die vier Wörter enthält: gleiche Auch bei anderen Reformen wurden wieder Abstriche ge-
Pflichten, gleiche Rechte». Nach der Zeit der Freiheits- macht, die zum Teil die ursprüngliche Zielsetzung sogar
kriege, mit der beginnenden Reaktion in Preußen, wandte ins Gegenteil verkehrten, so vor allem mit zusätzlichen
sich die nationale und christliche Bewegung der Romantik Edikten zur Bauernbefreiung: Am 14.9.1811 wurde ein
erneut gegen die Juden: ihre Wählbarkeit zu Abgeordneten «Regulierungsedikt» erlassen, das die Verhältnisse zwi-
wurde wieder aufgehoben, ebenso die Privatgerichtsbarkeit schen Gutsherren und Bauern regeln sollte, aber nur den
der jüdischen Grundstückseigentümer; man schloss die Ju- Grossgrundbesitz stärkte und mit leeren Versprechungen
den von den wichtigsten Kommunalämtern aus, untersagte die Bauern zum Kampf gegen die Franzosen anstacheln
ihnen die Bekleidung aller höheren akademischen und mi- sollte. Und nach den Freiheitskriegen wurden die Bauern
litärischen Ämter und beschränkte grundsätzlich den Er- noch schlimmer getäuscht: am 29. Mai 1816 wurden 121
werb von Grundeigentum. 1833 wurde in Posen, wo da- Artikel zur «Deklaration» von 1811 nachgeschoben, nach

177
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denen alle nicht «spannfähigen» (Spann-Bauern, die neben
ihrer Arbeitskraft auch Zuggespanne und Geräte stellen
mussten) Bauern, also die grosse Masse, den landadeligen
Junkern recht- und schutzlos ausgeliefert wurden, während
die Minderheit der spannfähigen Bauern durch grosse Op-
fer an Acker und Geld einen Teil des Landes erwerben
durften, das ihre Vorfahren in der Zeit der Kolonisation als
freie Leute schon besessen hatten. Erst mit der Revolution
1848 und schliesslich im Jahre 1865 wurde mit den letzten
feudalen Vorrechten gegenüber den Bauern aufgeräumt.
Und was die Demokratisierung der Armee anlangte, muss
Das Bildnis auf dieser Tabaksdose zeigt den preußischen General
nachgetragen werden, dass bürgerliche Offiziere neben Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819), dessen Kriegstaten
den adeligen noch lange Zeit eine Ausnahme geblieben von 1813 bis 1815 die preußische Armee zu einem guten Teil ihre
sind. Tatsächlich waren die Reformen Steins ein «Jahrhun- Rehabilitierung für 1806 verdankte.
dertprogramm» (Walther Hubatsch), dessen Reifeprozess
«auch in ruhigeren Zeiten einer langen kontinuierlichen
Entwicklung bedurft hätte».
Linke Seite: Am 10. Januar 1813 noch schrieb Staatskanzler Harden-
berg an den preußischen Polizeimeister, Fürst zu Sayn-Wittgenstein,
Vom «Prügelknaben» zum Sieger: diesen Brief mit der Aufforderung, den Prediger an der Berliner Drei-
Preußen von 1806 bis 1814 faltigkeitskirche und Professor an der Universität, Friedrich Daniel
Ernst Schleiermacher, genau zu beobachten, «da er sich mit politi-
schen Dingen beschäftige»; am Rande bestätigte Wittgenstein, dass
Während der Jahre 1806 bis 1812 war Preußen für Na- er Schleiermacher die Aufforderung zur Kenntnis gebracht habe und
poleon «so etwas wie der Prügelknabe des napoleonischen dieser «künftighin in seinen Reden die grösste Vorsicht beobachten»
Europa» (Sebastian Haffner). Dem bayerischen Gesandten werde.
de Bray gegenüber sprach Napoleon nach Tilsit über Preu-
ßen von einer «schlechten Nation» und fügte hinzu: «Ich
bin aber entschlossen, ihnen nichts durchgehen zu lassen
und ihnen, wenn sie sich der geringsten Farce schuldig ma-
Diese englische Lithographie von 1815 zeigt den Einzug der Ver-
chen, eine um zehn bündeten nach dem Sieg über Napoleon am 31. März 1814 in Paris.

179
Im Salon von Henriette Herz (1764-1847), die hierin dem Gemälde
von Anna Dorothea Therbusch als Hebe dargestellt ist (1788), trafen
sich in Berlin die Brüder Humboldt und Fichte, Gentz, Schleierma-
cher, Schadow und der junge Börne mit den Frühromantikern.

180
Während der französischen Besetzung Preußens
zwischen 1806 und 1813 hatte Karl Friedrich
Schinkel (1781-1841) nur wenige Bauaufträge aus-
zuführen und widmete sich unter starkem Einfluss
Caspar David Friedrichs der romantischen Land-
schaftsmalerei; zu dieser Phase zählt auch noch
das 1817 entstandene Ölbild «Spreeufer bei Stra-
lau», gemalt für Feldmarschall von Gneisenau; im
Hintergrund des Bildes sind die Türme der beiden
Dome am Gendarmenmarkt in Berlin und das
Dach des Schauspielhauses zu erkennen.

Rechts: Das Aquarell von Carl Themann zeigt den


Dichter und Musiker E.T.A. Hoffmann (1776-
1822, links) mit dem Schauspieler Ludwig Dev-
ient (1784-1832) im Weinkeller von Lutter und
Wegner in der Charlottenstrasse 49, gegenüber
dem Französischen Dom am Gendarmenmarkt in
Berlin.

181
Fürst Klemens von Metternich (1773-1859), Österreichs Staatskanz-
ler, war für die Schwächung Preußens durch den Wiener Kongress
verantwortlich, obwohl Preußen der militärische Hauptsieger über
Napoleon war (zeitgenöss. Medaillon-Bild)

Rechte Seite: Im Osten kam 1815 das ehemalige schwedische Pom-


mern an Preußen; im Bild das als ein Hauptwerk der norddeutschen
Backsteingotik geltende Rathaus mit Nikolaikirche am Alten Markt
in Stralsund, wo bis 1815 der Sitz der Verwaltung von Schwedisch-
Vorpommern war (zeitgenöss. Stich).

Durch die Neugliederung der deutschen und europäischen Mächte


nach dem Wiener Kongress erhielt Preußen ein Staatsgebilde, das
sich im Westen und Osten nur noch auf deutschem Boden ausbreitete,
ohne in der Mitte eine Verbindung beider Teile zu haben. Im Westen
kam auch Bonn 1815 an Preußen (Stich aus der Mitte des 19. Jahr-
hunderts).

182
Millionen erhöhte Kontribution aufzuerlegen.» Tatsäch- in der preußischen Armee auf. Einer von ihnen, Carl von
lich wurde Preußen rücksichtslos ausgebeutet, und immer Clausewitz (1780-1831), sagte sich öffentlich mit einem
mehr wuchs die Erbitterung gegen das Joch der Franzosen, «Bekenntnis» los «von der leichtsinnigen Hoffnung einer
beim kleinen Mann ebenso wie bei allen anderen Ständen Errettung durch die Hand des Zufalls; von der kindischen
und Klassen, die alle davon betroffen waren. Der Aus- Hoffnung, den Zorn eines Tyrannen durch freiwillige Ent-
spruch des preußischen Majors von Schill «Lieber ein Ende waffnung zu beschwören, durch niedrige Untertänigkeit
mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!» wurde zum und Schmeichelei sein Vertrauen zu gewinnen» und be-
geflügelten Wort. Sein selbstmörderischer Alleingang ge- kannte, «dass ein Volk nichts höher zu achten hat als die
gen die Franzosen fand freilich bei der preußischen Regie- Würde und Freiheit seines Daseins» und «dass die Ehre des
rung und beim König kein Echo; Friedrich Wilhelm III. Königs und der Regierung eins ist mit der Ehre des Vol-
wollte kein zweites Mal etwas riskieren, ohne nicht der kes». Clausewitz trat aus Protest gegen das Preußen aufge-
Hilfe Russlands und Österreichs sicher zu sein. Als Öster- zwungene Bündnis mit Napoleon in russische Dienste, war
reich 1809 den Krieg gegen Napoleon allein wagte, liess er auf dieser Seite dann bei den Verhandlungen zur Konven-
Wien im Stich, weil Zar Alexander nicht mitmachte. Und tion von Tauroggen beteiligt, kehrte 1815 wieder in preu-
als drei Jahre später Napoleon den Preußenkönig vor sei- ßische Dienste zurück und hinterliess das für die Kriegs-
nem Marsch nach Moskau zu einem Bündnis zwang mit führung des 19. Jahrhunderts grundlegende philosophische
der Verpflichtung, ein Kontingent von 20.000 Mann für die unvollendete Werk «Vom Kriege», das jedoch nur von we-
Invasion nach Russland bereitzustellen und die Grande nigen Generalstäben in der Praxis beachtet wurde. Aber
Armée auf dem Marsch durch Preußen zu verpflegen (die selbst die katastrophale Niederlage Napoleons im russi-
Kosten sollten von der Kriegsentschädigung Preußens an schen Winter war für Friedrich Wilhelm III. noch kein Sig-
Frankreich abgezogen werden), war Friedrich Wilhelm so- nal, und er hat seinem General Ludwig Graf Yorck von
gar dazu bereit, um die Existenz Preußens nicht zu gefähr- Wartenburg (1759-1830), dem Führer des preußischen
den. Patriotische preußische Offiziere kündigten daraufhin Truppenkontingents gegen Russland, dessen eigenmächti-
den Dienst

183
ges Bündnis von Tauroggen (Dezember 1812) mit dem Sieg über Napoleon die Wiederherstellung seiner Territo-
russischen General von Diebitsch nie ganz verziehen. Am rien im Umfange von 1806 zusicherte. Die Würfel waren
3. Januar 1813 schrieb Yorck an seinen König: «Ich er- gefallen, der König hatte sich gegen den «wirklichen
warte nun sehnsuchtsvoll den Ausspruch Euer Majestät, ob Feind» im Sinne Yorcks überreden lassen, zweifelte aber
ich gegen den wirklichen Feind vorrücke, oder ob die po- insgeheim weiter, weil Preußen nur einen der beiden von
litischen Verhältnisse erfordern, dass Euer Majestät mich ihm gewünschten Bundesgenossen an der Seite hatte, denn
verurteilen.. .» Erst eine weitere Eigenmächtigkeit eines Österreich blieb immer noch neutral.
seiner früheren Ratgeber, nämlich des Freiherrn vom Der Verlauf des ersten Feldzugs gegen die Franzosen gab
Stein, der inzwischen von Österreich aus in die Dienste des ihm auch recht. Nach zwei verlorenen Schlachten im Mai
russischen Zaren Alexander übergewechselt war, nahm 1813 bei Gross-Görschen und Bautzen kam es zu einem
dem König die längst fällige Entscheidung ab. Er war im befristeten Waffenstillstand mit Napoleon (bis 10. Au-
Januar 1813 in die vor dem Zugriff Napoleons sichere gust), weil beide Seiten nach diesem ersten Schlagab-
Stadt Breslau ausgewichen; dort suchte ihn der Freiherr tausch zu erschöpft waren. Scharnhorst war bei Gross-
vom Stein mit Vollmacht des Zaren am 24725. Februar auf Görschen verwundet worden, reiste aber trotzdem nach
und «zeigte ihm in dieser Audienz so kräftig das Gefährli- Prag, um den österreichischen Kaiser zum Bündnis mit
che seines Zaudersystems, dass der Staatskanzler ebenfalls Preußen und Russland zu bewegen; am 28. Juni starb er in
schnell herbeigeholt und der Abschluss der Allianz nach Prag an seiner Verwundung. Österreich machte schliess-
dem Vorschlag des Kaisers Alexander angenommen wur- lich die Zusage, gegen Napoleon mitzumarschieren, falls
de» (Hermann von Boyen). Danach war der Weg frei für dieser die an ihn gestellten Bedingungen (Wiederherstel-
die Rehabilitation des Generals Yorck und für den Vertrag lung Preußens und Österreichs in den alten Grenzen, Auf-
von Kalisch (28.2.) mit Russland, das Preussen nach dem lösung des Rheinbundes und des Herzogtums Warschau,

184
Mit dem schwedischen Pommern kam auch Deutschlands grösste In- scheidend besiegt, zur Abdankung gezwungen und nach
sel, die Ostsee-Insel Rügen 1815 an Preußen; im Bild der Blick vom
Elba verbannt Sein letzter Versuch, die verlorene Macht
Kreidefelsen bei Stubbenkammer auf Rügen (Aufnahme 1978).
zurückzuerobern, scheiterte 1815 in der endgültig letzten
Niederlage seiner Armee bei Waterloo (Belle-Alliance)
Linke Seite: Ebenfalls im Osten kam zu Preußen ein Teil des König- gegen die Engländer unter Wellington und die Preußen un-
reiches Sachsen mit Görlitz und Guben, Torgau und Wittenberg; im ter Blücher, dem die preußische Armee zu einem guten
Bild der Markt am Rathaus mit Stadtkirche und Luther-Denkmal in
Wittenberg (Aufnahme 1978). Teil ihre Rehabilitierung für 1806 verdankte.

Unabhängigkeit Hollands, Spaniens und Italiens) nicht an-


nehmen sollte. Als Napoleon diese Bedingungen wie er- Das neue Preußen und das alte Europa
wartet nicht akzeptierte, trat Österreich am 11. August dem
Bündnis mit Preußen und Russland bei. Die Front gegen Der Wiener Kongress von 1814/15 beschloss eine völlige
Napoleon hatte sich inzwischen noch durch die in den R Neuordnung im Verhältnis der europäischen Mächte.
eichen bâcher Vertrügen vereinbarte Zusage Grossbritan- Frankreich musste alle seine Eroberungen herausgeben.
niens vom 14./15. Juli verstärkt, Subsidien an Preußen und Die zwanzigjährige Ära der Revolutions- und Napoleoni-
Russland in Höhe von rund 700.000 Pfund zu zahlen. Am schen Kriege endete mit dem Sieg des alten Europa. Genau
12. August 1813 eröffnete der preußische General Gebhard betrachtet war es trotzdem nicht mehr das alte Europa.
Leberecht von Blücher (1742-1819) den neuen Feldzug ge- «Hatten die Völker den fremden Despoten, so hatten die
gen die Franzosen, in dessen Verlauf nach dem Sieg in der Fürsten den Erben der bürgerlichen Revolution niederge-
dreitägigen Schlacht von Leipzig, bekannt als «Völker- worfen, und wenn auch nicht die Wiederherstellung des al-
schlacht», Napoleon und seine Armee bis zum Rhein zu- ten Europas, so folgte doch eine fade und öde Reaktion»
rückgeworfen wurden. Dieser wurde schliesslich 1814 ent- (Franz Mehring).

185
Preußen ging aus der Neugliederung Europas durch die Vormacht der Koalition gegen Napoleon, nämlich Preu-
«Wiener Kongressakte» mit einem Staatsgebiet hervor, das ßen, zu schwächen, war gelungen. Fürst Klemens von Met-
sich im Westen und Osten nur noch auf deutschem Boden ternich (1773-1859), der hinter diesem Plan stand, hatte al-
ausbreitete und in der Mitte geteilt war. Teile der ehemali- lerdings übersehen, dass Preußen auf lange Sicht als Staats-
gen Provinzen Posen und Danzig kamen zu Russland, im gebilde nur dann überleben konnte, wenn es möglichst bald
Westen musste Preußen Gebiete in Westfalen und am eine geographische Verbindung zwischen beiden Teilen
Rhein zurückgeben. Das neue Königreich Hannover wurde herstellte. So war Metternich indirekt dafür verantwortlich,
mit Ostfriesland, Goslar und Hildesheim auf Kosten Preu- dass Preußen seine traditionelle Politik der Expansion auf
ßens vergrössert, Ansbach-Bayreuth blieb endgültig bei Kosten der Nachbarn bei jeder sich bietenden Gelegenheit
Bayern. Als Entschädigung erhielt Preußen am Rhein die fortsetzte und sich wiederum zur stärksten Militärmacht in
von Bayern abgetrennten Herzogtümer Jülich und Berg Deutschland entwickelte. In einer Epoche des in ganz Eu-
und die Kurlande Köln und Trier, im Osten das ehemalige ropa wachsenden Nationalismus und des auch in Deutsch-
schwedische Pommern mit Rügen und einen Teil des Kö- land erwachenden nationalen Einheitsgedankens während
nigreiches Sachsen mit Görlitz und Guben, Torgau und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm Preußen
Wittenberg, Merseburg und Weissenfels. zwangsläufig die Führungsrolle im Reich. Genau fünfzig
Die Zerlegung Preußens in eine westliche und eine östliche Jahre später, 1866, wurde diese «Chance» Preußens von
Hälfte bedeutete abermals, dass seine neuen weitläufigen 1815 zum deutschen Schicksal, gleichzeitig aber auch zum
Grenzen kaum zu verteidigen waren. Hinzu kam die unter- deutschen Verhängnis.
schiedliche Struktur beider Teile: im Osten betrieb die Be- An eine «deutsche Sendung» dachte 1815 in Preußen je-
völkerung vorwiegend Landwirtschaft, im Westen domi- doch noch niemand, die Regierung wollte erst einmal Zeit-
nierten der Handel und eine sich rasch ausweitende Indust- gewinnen, und Friedrich Wilhelm III. stand stur zum neuen
rie; schliesslich war der ganze Ostteil (fast fünf Sechstel Bündnis der «Heiligen Allianz» mit Österreich und Russ-
Preußens) in der Hauptsache protestantisch, der Westteil land. Und ebenso wie in Russland und Österreich so war
dagegen katholisch. Österreichs Absicht, die kontinentale auch in Preußen die Zeit der liberalen Experimente nun zu
Ende. Das Land geriet zunehmend ins Schlepptau der Res-

186
taurationspolitik Metternichs. Die noch während der Be-
freiungskriege gegebene Zusage des Königs auf Bildung
einer «Repräsentation des Volkes» wurde zwar nicht wi-
derrufen, aber auch nicht ernsthaft verfolgt. Im Gegenteil,
man liess in den folgenden zwanziger und dreissiger Jah-
ren des neuen Jahrhunderts die «Demagogen», die libera-
len Nationalisten, die von einem deutschen Nationalstaat
träumten, verfolgen, wenn diese aus den anderen deut-
schen Staaten ins vermeintlich liberale Preußen kamen.
Der König regierte mit Hilfe des «Staatsrats», einer Art
Beamtenparlament, dem nur Männer seines Vertrauens an-
gehörten. Preußens vielgelobte Reformzeit war vorbei,
deutlich dokumentierte dies die «Teplitzer Punktation», in
der sich Preußen gegenüber Metternich verpflichtete, «kei-
ne allgemeine, mit der geographischen und inneren Gestal-
tung seines Reiches unverträgliche Volksvertretung einzu-
führen».

Die romantischen Philosophen in Preußen:


Fichte und Schelling

Im geistigen Leben aber setzte sich nun vollends die Ge-


genaufklärung durch, gemeinsam mit dem Pietismus und
der Romantik. Diese Entwicklung hatte ihre Ursachen zum
einen in der enttäuschten Abwendung von der Politik im
Zeitalter der Restauration, zum anderen in einer bewussten
Gegenposition zum Vernunftkult der Aufklärung. Egon
Friedell erklärt sie als eine Gegenströmung wie zuvor be-
reits «die Barocke, die auf den Humanismus reagierte, die
Empfindsamkeit, die auf die Aufklärung reagierte, die
Romantik, die auf den Klassizismus reagierte...», und
meint weiter: «Nicht selten waren diese ‚romantischen’
Reaktionsbewegungen sogar noch viel verstandesmässi-
ger, erdachter, konstruierter, bewusster als die vorherge-
henden realistischem, die oft mit der Gewalt einer Natur-
kraft hervorbrachen in ihrem elementaren Drang nach
Klarheit, Wahrheit und Wirklichkeit». Symptomatisch für Johann Gottlieb Schadow versah diese Karikatur von Johann Gott-
diese Tendenz war die geistige Wandlung Johann Gottlieb lieb Fichte (1762-1814) als Redner an die deutsche Nation mit dem
Fichtes vom radikalen Aufklärer zum geistigen Wegberei- Vermerk: «Das soll den Professor Fichte vorstellen, Januar 1814».
ter der Romantik. Ausgehend von der Philosophie Kants
entwickelte er in seiner «Wissenschaftslehre» ein idealis-
tisches Gedankengebäude, das auf einem neuen Verhältnis
von Natur und Geist beruhte. Das individuelle Ich erhob er
zum höchsten Prinzip des Geistes, der Stand des Bewusst-
seins bestimme die Wirklichkeit.
Friedrich Wilhelm von Schelling hat die Philosophie Fich-
Linke Seite: Von Januar bis Dezember 1808 gab «die Fackel Preu-
tes aufgegriffen und zum «ästhetischen Idealismus» wei- ßens» (Joachim Maass), der 1811 in Berlin auch aus Kummer über
terentwickelt. Die Natur als sichtbar gewordener Geist und den Niedergang Preußens freiwillig aus dem Leben geschiedene
Dichter Heinrich von Kleist (1777-1811), zusammen mit Adam von
Müller in Dresden die Monatszeitschrift «Phöbus» heraus (im Bild
Titelbild und Titelseite der zweiten Ausgabe), in der er die ersten
Akte vom «Kätchen von Heilbronn» und die Novelle «Die Marquise
von O ...» erstmals drucken liess.

187
der Geist als unsichtbare Natur könnten nur in der Kunst turwissenschaft. Selbst die Naturwissenschaften waren
zur Synthese kommen. Diese sei somit «das einzig wahre vom Geist Fichtes und Schellings beeinflusst, wie das Bei-
und ewige Organon der Philosophie». spiel Alexander von Humboldts noch zeigen wird.
Die Lehren Fichtes und Schellings bildeten die geistigen
Grundlagen der Romantik. Aus ihnen leiteten die Künstler
das Recht zur völligen Freiheit des schöpferischen Ichs ab, Die romantischen Dichter in Preußen: von Kleist bis
zur ungehemmten, ja willkürlichen Entfaltung der Phanta- Eichendorff
sie, zum spielerischen Umgang mit Ironie und Witz und
zur Auflösung künstlerischer Formen. Gleichzeitig aber Wenn die deutsche Romantik, deren künstlerische Vertre-
strebten sie nach dem geistigen Gesamtkunstwerk, das ter in der Mehrzahl in Preußen wirkten, vor allem durch
Geist und Natur, Gegenwart und Geschichte, Endliches Fichte und Schelling auf das geistige Berlin Einfluss aus-
und Unendliches im freien Spiel der Phantasie verbinden übte, so tat sie dies ausserdem auch auf fast alle Bereiche
sollte. des kulturellen Lebens: auf die Musik durch den frühen
Nicht weniger tiefgreifend beeinflussten sie auch den Be- Beethoven, Carl Maria von Weber und Felix Mendels-
reich der Wissenschaften, so etwa in der spezifisch deut- sohn-Bartholdy, auf die Religion durch Schleiermacher,
schen Naturphilosophie, ebenso in der Geschichtswissen- Friedrich Schlegel und andere, auf die Literatur schliess-
schaft, die sich in dem Bemühen um eine ganzheitliche, an lich durch eine Reihe von Namen, die heute zum bleiben-
der Entwicklung orientierten Geschichtsbetrachtung zum den Bestand der deutschen Literaturgeschichte in einer ih-
Historismus entwickelte. Dieser wiederum wirkte seiner- rer fruchtbarsten Epochengehörte. Da ist zuerst zu nennen-
seits auf Kunst und Wissenschaft zurück und führte etwa der Dramatiker und Novellist Heinrich von Kleist (1777-
zur Ausbildung der germanistischen Sprach- und Litera-

188
1811), der vor allem aus Kummer über den Niedergang Wackenroder (1773-1798) und Ludwig Tieck (1773-
Preußens einen spektakulären Selbstmord mit seiner Ge- 1853), die beiden Berliner Freunde, Autoren von «Her-
liebten verübte; dann folgt Ernst Theodor Amadeus (E.T. zensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders»
A.) Hoffmann (1776-1822), der Maler, Komponist, Diri- und «Die Geschichte des Herrn William Lovell»; schliess-
gent, Jurist und Verfasser spannender märchenhafter Ge- lich der Lyriker Novalis (Pseud, f. Georg Friedrich Philipp
schichten; weiter die Publizisten Friedrich von Gentz von Hardenberg, 1772-1801), dessen Vater ein Vetter des
(1764-1832) und Joseph von Görres (1776-1848) in ihren preußischen Staatskanzlers Hardenberg war; ausserdem
frühen Schaffensperioden; der Romancier Jean Paul (1763- noch die Brüder August Wilhelm von Schlegel (1767-
1825), der die Französische Revolution zum eigentlichen 1845) und Friedrich von Schlegel (1772-1829). Ersterer
Helden seines Romans «Titan» machte (1800-1803); Adal- war der meisterhafte Shakespeare-Übersetzer und «der ge-
bert von Chamisso (1781-1838), der 1806 bei Jena in ei- niale Professor der Romantik», der zweite der «geniale
nem preußischen Regiment mitkämpfte und die faustische Journalist der Romantik» (Egon Friedell).
Geschichte von dem Mann, der seinen Schatten dem Teufel
verkaufte, schrieb («Peter Schlemihls wundersame Ge- Der Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777-1857) schuf von 1811
bis 1814 den Sarkophag der Königin Luise von Preußen (der zusam-
schichte»); der Liederdichter Karl Theodor Körner (1791- men mit dem Sarkophag für König Friedrich Wilhelm III. 1846 im
1813), der als Lützower Jäger fiel; der Schlesier Joseph von Mausoleum im Schlossgarten zu Charlottenburg aufgestellt wurde);
Eichendorff (1788-1857), der Dichter des «Taugenichts»; Rauch war nach Schadow der bedeutendste Bildhauer des deutschen
Klassizismus.
Clemens Brentano (1778-1842) und Achim von Arnim
Linke Seite: Der Maler Caspar David Friedrich (1774-1840) ist in
(1781-1831), die beiden Dichter, die die Liedersammlung Greifswald, das 1815 unter preußische Verwaltung kam, geboren;
«Des Knaben Wunderhorn» (1805-1808) herausgaben; sein Aquarell vom Marktplatz seiner Geburtsstadt ist ein Frühwerk
des Künstlers.

189
Schauspieler und Musiker der Romantik:
Iffland, Devrient, Mendelssohn, Weber und Meyerbeer

Berlin und Breslau sahen in der Zeit der Romantik zwei


geniale Schauspieler: ab 1798 leitete Iffland (1759-1814)
das Nationaltheater in Berlin, seit 1809 stand Ludwig De-
vrient (1784-1832) in Breslau auf der Bühne. Iffland war
ein grossartiger Komödiant, schrieb selbst verschiedene
Stücke und war 1782 in Mannheim der erste Franz-Moor-
Darsteller in Schillers «Die Räuber». An ihn erinnert noch
heute der legendäre Iffland-Ring, der über Albert Basser-
mann und Werner Krauss an Josef Meinrad, seinen heuti-
gen Besitzer, weitervererbt wurde. Im Jahr 1814, Iffland
war fünfundfünfzig Jahre alt, kam er nach Breslau und trat
mit Ludwig Devrient zusammen auf. Iffland, der sein nahes
Ende wohl ahnte, bot ihm seinen Platz in Berlin an: «Der
einzige Ort, der Ihrer würdig ist, ist Berlin. Dieser Platz –
ich fühle es nur zu gut – wird bald vakant sein. Er ist für
Sie reserviert» (nach Durant). So übernahm ab 1815 De-
vrient die Nachfolge Ifflands in Berlin, wo er in klassischen
Rollen wie dem Lear, Shylock oder Falstaff alles Gefühl
und alle Tragik der Romantik-Zeit verkörperte und mit E.T.
A. Hoffmann im historischen Weinkeller von Lutter und
Wegner nach den Vorstellungen zusammen sass.
Im Musikschaffen zur Zeit der Romantik müssen drei Na-
men, die mit Berlin eng verbunden waren, genannt werden:
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847), Carl Maria
von Weber (1786-1826) und Giacomo Meyerbeer (eig. Ja-
kob Liebmann Beer, 1791-1864).

Zwei geniale Schauspieler wirkten in der Zeit der Romantik in Berlin


und Breslau: August Wilhelm Iffland (1759-1814) – hier nach einer
zeitgenöss. Zeichnung in der Rolle von Molières «Geizigem» – am
Nationaltheater in Berlin, Ludwig Devrient in Breslau und ab 1815
als Ifflands Nachfolger auch in Berlin.

Rechts: Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) – hiernach einer


Bleistiftzeichnung im Alter von etwa zwölf Jahren am Klavier – war
neben von Weber und Meyerbeer der grösste romantische Musiker
in Berlin; schon mit neun Jahren trat er als Klaviervirtuose auf und
mit 17 Jahren komponierte er seine «Sommernachtstraum»-Ouver-
türe.

Rechte Seite: Die Titelseite der ersten Druckausgabe der Partitur der
Oper «Der Freischütz» von Carl Maria von Weber (1786-1826), die
am 18. Juni 1821, dem Jahrestag der Schlacht von Waterloo, im neu-
erbauten Schinkelschen Schauspielhaus in Berlin uraufgeführt wurde
und mit triumphalem Erfolg den Durchbruch der Romantik in der
deutschen Musik markierte.

190
Mendelssohn, ein Enkel des grossen Philosophen Moses die dann 1825 im Covent Garden Theater in London unter
Mendelssohn, war ein Schüler des Berliner Sing-Akade- seiner Leitung zur Uraufführung kam. Bevor Weber Kör-
mie-Direktors Carl Friedrich Zelter (1758-1832), trat ners kriegerische Verse vertont hatte, war er in Berlin im
schon mit neun Jahren als Klaviervirtuose auf, kompo- Hause der jüdischen Familie Beer aufgenommen worden.
nierte mit 17 Jahren seine «Sommernachtstraum»-Ouver- Die Beers waren die Eltern von Jakob Liebmann Beer, der
türe und erweckte 1829 in Berlin die Bachsche «Matthäus- sich Giacomo Rossini zu Ehren, bei dem er ab 1816 die
passion» zu neuem Leben. Er gilt durch sein Wirken in italienische Oper studierte, später Giacomo Meyerbeer
Berlin, Düsseldorf und Leipzig als der Begründer des ro- nannte. Von 1842 an war Meyerbeer Generalmusikdirektor
mantischen Klassizismus in der Musik und beeinflusste der Berliner Oper, vorher hatte er in Paris mit dem Text-
mit seinem Schaffen die nachfolgenden Schumann, dichter Eugène Scribe zusammen die französische Oper als
Brahms, Saint-Saëns und sogar noch Richard Strauss. Carl Tragödie mit historischen Stoffen zur Vollendung ge-
Maria von Weber komponierte 1814 in Berlin den Chor- bracht.
zyklus «Leier und Schwert» nach den kriegerischen Ge-
sängen von Karl Theodor Körner; in dem von Karl Fried-
rich Schinkel neuerbauten Schauspielhaus am Gendarmen- Romantische Maler und Bildhauer: der frühe Schinkel,
markt in Berlin wurde am 18. Juni 1821, dem Jahrestag der Friedrich, Blechen, Cornelius, Schadow und Rauch
Schlacht von Waterloo, mit triumphalem Erfolg seine
Oper «Der Freischütz» uraufgeführt, die den Durchbruch In der Malerei leistete der junge Karl Friedrich Schinkel
der Romantik in der deutschen Musik markierte. Unter den (1781-1841), der gleichzeitig als stilprägender preußischer
Zuhörern im Parkett sass damals auch ein junger Student Baumeister wirkte, mit seinen idealisierten Landschaftsbil-
namens Heinrich Heine. Webers zweiter grosser Erfolg dern den bedeutendsten Beitrag in den ersten beiden Jahr-
war die Oper «Oberon» nach Christoph Martin Wieland, zehnten des neuen Jahrhunderts. Seine Hauptwerke in die-

191
ser Zeit waren die Entwürfe zu den Fresken in der Vorhalle te sich aber mit seiner klassizistischen Kunst nicht behaup-
des Alten Museums in Berlin. Mitprägend für diese Male- ten, weil sie im Gegensatz zu dem später modernen Realis-
rei war auch der aus Greifswald stammende Caspar David mus des 19. Jahrhunderts stand.
Friedrich (1774-1840), der 1801/02 auf der Insel Rügen In der Bildhauerei wurde neben Gottfried Schadow zu Be-
malte, die dann nach dem Wiener Kongress zu Preußen ginn des Jahrhunderts in Berlin schon das grosse Talent
kam. Ab 1810 kaufte das preußische Königshaus, später Christian Daniel Rauch (1777-1857) berühmt. Er war zwi-
auch andere Kreise, für die Berliner Museen mehrere schen 1797 und 1804 Kammerdiener des Königs von Preu-
Werke Friedrichs an. Von Friedrich und Schinkel beein- ßen gewesen und hatte sich dann – vom Königspaar geför-
flusst arbeitete der Berliner Landschaftsmaler Carl Ble- dert – zuerst bei Schadow, danach bei Canova und Thor-
chen (1798-1840). Er war ab 1831 Professor an der Berli- waldsen in Rom ausbilden lassen. 1811 kehrte er nach Ber-
ner Akademie, konnte sich aber später gegen die sachliche lin zurück und schuf mit dem Sarkophag der Königin Lu-
Vedutenmalerei von Gaertner, Brücke u.a. nicht durchset- ise, den er 1815 beendete, gleich ein Hauptwerk des preu-
zen. ßisch-deutschen Klassizismus. Von der Hand Rauchs
Aus Düsseldorf kommend schloss sich Peter von Cornelius stammt eine Reihe von Denkmälern und Büsten berühmter
(1783-1867) in Rom zwischen 1811 und 1819 den Nazare- Zeitgenossen während und nach den Befreiungskriegen; so
nern an, einer Malerschule um Overbeck, Pforr, Veit, von Scharnhorst und Bülow vor Schinkels Neuer Wache in
Schnorr von Carolsfeld u.a., die sich in Sujet und Stil der Berlin (1819/20), von Blücher in Berlin (1826) und Breslau
Rückkehr zum Christentum verpflichteten. 1815 beauf- (1827), ein Reiterdenkmal Friedrichs II. (1839-51; heute
tragte der preußische Konsul in Rom, J. S. Bartholdy, die im Park von Sanssouci), von Yorck und Gneisenau (1855)
Nazarener, seine Villa (Palazzo Zuccari) mit Fresken aus und von Kant in Königsberg (1862 aufgestellt).
der Geschichte Josephs und seiner Brüder auszumalen, die Besonders charakteristisch für den preußischen Klassizis-
1887 zum Teil in die Nationalgalerie nach Berlin gebracht mus in Kunst und Kunstgewerbe ist der Eisenkunstguss,
wurden. 1840 wurde Cornelius nach Berlin berufen, konn-

192
In den Rahmen des Erziehungspro-
gramms Wilhelm von Humboldts fiel
auch die Eröffnung des ersten Turnplat-
zes in der Berliner Hasenheide im Jahre
1811 durch den «Turnvater» Friedrich
Ludwig Jahn (1778-1852; zeitgenöss.
Radierung aus dem Jahr 1818).

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-


1831) wirkte ab 1818 bis zu seinem
Tode in Berlin an der Universität und
gehörte zu den Denkern, die bis in un-
sere Zeit hinein die Philosophie beein-
flussten und bewegten (im Bild eine
Handschrift Hegels mit eigenen Korrek-
turen vom 22. Oktober 1818).

Linke Seite: Massgeblich beteiligt an


der führenden Rolle Deutschlands in
den Geistes- und Naturwissenschaften
im 19. Jahrhundertwaren die beiden
Brüder Humboldt. Während Wilhelm
von Humboldt als preußischer Minister
sich um die Reform des Erziehungswe-
sens verdient gemacht hat, wurde Ale-
xander von Humboldt (1769-1859) zum
Heros der Naturwissenschaften (im Bild
in seinem Arbeitszimmer in Berlin,
Zeichnung von Hildebrandt, 1845).

193
dessen Produkte mit Beginn des 18. Jahrhunderts rund 50 notwendiges und heute unnötiges Übel». Im Jahre 1813
Jahre unter dem Namen «fer de Berlin» in ganz Europa prägte er den Satz: «König- und Kaiserreiche gehen unter,
vertrieben wurden. Er wurde sehr gefördert, weil vor und doch ein schönes Gedicht hat ewig Bestand». Zu dieser
nach den Befreiungskriegen das Eisenhüttenwesen ausge- Zeit übersetzte er gerade Pindar ins Deutsche und reorga-
baut wurde, aber auch, weil König Friedrich Wilhelm III. nisierte die Berliner Akademie der Wissenschaften, der das
dem Eisenkunstguss sehr zugetan war und die Räume sei- Observatorium, der Botanische Garten, Museum und Bib-
nes Palais mit Eisenkunstguss-Arbeiten ausstatten liess. liothek angegliedert wurden. In diesen Jahren kamen neben
Und schliesslich wurde dieser Kunstzweig erheblich auf- Fichte auch der Theologe Friedrich Daniel Ernst Schleier-
gewertet durch die patriotische Pflicht, zur Rettung Preu- macher (1768-1834), der Jurist Friedrich Carl von Savigny
ßens 1813 Gold gegen Eisen zu tauschen. In Gleiwitz (1779-1861), der klassische Philologe Friedrich August
(1796), Berlin (1804) und Sayn am Rhein (1815) wurden Wolf (1759-1824) und der Historiker Barthold Georg Nie-
Königlich Preußische Eisengiessereien eingerichtet, von buhr (1776-1831) an die Berliner Universität. Wolf hatte
denen die von Moritz Geiss (1771-1846) und Siméon bereits 1795 mit seiner «Prolegomena ad Homerum» den
Pierre Devaranne (1789-1859) wegen ihres bedeutenden Anstoss zur Homer-Forschung gegeben, wobei er die
Eisenschmucks hervorgehoben werden müssen. Ihr Ange- These aufstellte, dass Homer kein einzelner Dichter gewe-
bot reichte von Gemmen über Medaillen, Schmuck aller sen sei, sondern dass eine Reihe von Dichtern nach und
Art, Gefässe, Kleinskulpturen, Geräte und Möbel bis zu nach «Ilias» und «Odyssee» zusammengefügt hätten. Nie-
Architekturteilen und Grossplastiken sowie Denk- und buhr hielt in Berlin jene Vorlesungen, die sich zwischen
Grabmäler. Schinkel, Schadow und Rauch haben für den 1811 und 1832 in seiner wegweisenden «Römischen Ge-
Eisenkunstguss Entwürfe gefertigt. Er kam der Mode, als schichte» niederschlugen.
das allgemeine ästhetische Empfinden sich langsam vom Wilhelms jüngerer Bruder Alexander von Humboldt
Klassizismus abkehrte (nach Willmuth Arenhövel in «Ber- (1769-1859) wurde zum Heros der deutschen Naturwissen-
lin und die Antike», 1979). schaften. Zwischen 1799 und 1804 forschte er mit seinem
Freund, dem Botaniker Aimé Bonpland, im Gebiet der heu-
tigen Staaten Venezuela, Kuba, Kolumbien, Ecuador, Peru
und Mexiko, wobei sie 1802 in den Kordilleren den Chim-
borazo-Vulkan bis zur Höhe von etwa 4’000 Metern be-
stiegen. Drei Jahre danach fasste er in Berlin seine Reise-
Geistes- und Naturwissenschaftler in der Romantik an notizen zu dem Buch «Ansichten der Natur» zusammen
Berlins Universität und liess dann in Paris bis 1834 in rund 36 Bänden die
grösste private Reisebeschreibung der Geschichte folgen,
Massgeblich beteiligt an der führenden Rolle Deutschlands seine «Voyage aux régions équi noxiales du Nouveau Con-
in den Geistes- und Naturwissenschaften im 19. Jahrhun- tinent». Nebenbei beschäftigte er sich damit, alte Wissen-
dert sind die beiden Brüder Humboldt. Von Wilhelm von schaften weiterzuentwickeln und neue zu schaffen. Als
Humboldt (1767-1835), der sich als preußischer Minister sein Vermögen erschöpft war, nahm er 1827 den bezahlten
um die Reform des Erziehungswesens verdient gemacht Posten eines Kammerherrn am preußischen Hof an und
hatte, war bereits die Rede. In den Rahmen seines Erzie- hielt ein Jahr lang jene denkwürdigen Vorlesungen in Ber-
hungsprogramms fiel auch die Eröffnung des ersten Turn- lin, mit denen er eine neue Entwicklung in den Naturwis-
platzes in der Berliner Hasenheide 1811 durch den «Turn- senschaften einleitete und die später (1845-1862) den In-
vater» Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), unterstützt von halt seines berühmten «Kosmos» bildeten. In der Einlei-
dem Lehrer Karl Friedrich Friesen (1784-1814). Jahn ge- tung dazu schrieb Alexander von Humboldt: «Meine
riet nach 1815 in Gegensatz zur Restauration in Preußen in Haupttriebfeder war dabei das ernste Bemühen, die Er-
der nachnapoleonischen Ära, und 1819 wurde nach dem scheinungsformen physikalischer Gegenstände in ihrem
«Turnverbot» ein Prozess gegen ihn eingeleitet, der 1825 allgemeinen Zusammenhang zu verstehen und die Natur
mit einem Freispruch endete. Jahns Turnbewegung war als ein grosses Ganzes, von einer inneren Kraft bewegt und
durch die Karlsbader Beschlüsse schon 1819 lahmgelegt beseelt, aufzuzeigen.» Als dieses Universalgenie während
worden, er selbst blieb bis 1840 unter Polizeiaufsicht. der Arbeiten am fünften Band seines «Kosmos» neunzig-
Wilhelm von Humboldt wurde als «Francis Bacon der jährig starb, ehrte ihn Preußen mit einem Staatsbegräbnis.
Wiedergeburt der Gelehrsamkeit» (Durant) zu einem der
grossen unabhängigen Geister seiner Zeit. Obwohl er
selbst adeliger Herkunft war, nannte er den Adel ein «einst

194
Die Anfänge der industriellen Entwicklung am Rhein Ansicht (nach einer Zeichnung von F. A. Calau, Berlin) von der Kö-
niglichen Eisengiesserei vor dem Oranienburger Tor bei Berlin, die
im Jahr 1804 dort gegründet wurde und wo um 1815 die erste Loko-
Während der napoleonischen Herrschaft in Europa, beson- motive Preußens gebaut wurde.
ders nachdem ab 1806 die Kontinentalsperre den engli-
schen Export zum Kontinent unterband, setzten in den
nach 1815 preußischen Gebieten am Rhein die Anfänge ei- Zu Beginn des Jahrhunderts sahen der preußische Adel und
ner industriellen Entwicklung ein, vor allem im Bergbau auch der König noch sehr geringschätzig auf die Unterneh-
und in der Metallverarbeitung. Friedrich Krupp (1787- mer am Rhein und in anderen frühen Industriegebieten
1826) begann in Essen um 1810 mit dem Bau jener Stahl- Preußens herab. Für sie waren diese frühen Industriellen
werke, die über ein Jahrhundert lang die Waffenschmiede bürgerliche Emporkömmlinge, potentielle Schieber und
des späteren deutschen Reiches waren. In Heinsberg am Industriegewinnler; ob sie nun Kaufleute oder Fabrikanten
linken Ufer des Niederrheins begründete Quirin Croon waren, sie durften weder in adelige Kreise einheiraten noch
eine Baumwollindustrie. Als Vermittler zwischen den ein Rittergut kaufen. Zwar durften die Finanziers den Adel
rheinischen Ständen und dem preußischen Herrscherhaus und die Krone mit Anleihen unterstützen, aber als sie um
spielte ab 1815 der aus einem alten Geschlecht bergischer 1810 den Vorschlag machten, in Preußen eine National-
Stahlschmiede stammende Josua Hasenclever (1783- bank zu gründen, Staatsanleihen zu günstigem Zinsfuss
1853) eine bedeutende Rolle. Aus Kleve stammte Karl aufzulegen und so den Staat durch Schuldverschreibungen
Georg Maassen (1770-1834), der 1816 Direktor der Gene- der öffentlichen Hand zu finanzieren, befürchteten König
ralverwaltung für Handel und Gewerbe im preußischen In- und Adel, dass mit einem solchen Vorgehen das König-
nenministerium wurde und wesentlich verantwortlich war reich ganz an die Bankiers ausgeliefert würde. Noch lag in
für die Reform des preußischen Steuerwesens und beson- Preußen die Führung bei der adeligen Militärkaste und der
ders für das Zollgesetz von 1818. Maassen war von 1830 Junker-Aristokratie, aber die Zeit, in der das Bürgertum zur
an preußischer Finanzminister und gab als solcher dem politisch bestimmenden Schicht aufsteigen sollte, warf be-
Deutschen Zollverein seine endgültige Gestalt. reits ihre Schatten voraus.

195
VIII. Preußen in der Zeit der Restaurationspolitik:
Demagogenverfolgung, Hegel und der Schinkel-Stil
in der Welt des Biedermeier

Von 1819 bis 1847

Man spricht heute von der Restaurations- oder Reaktions-


zeit in Deutschland und Preußen, wenn man an die Jahr-
zehnte zwischen dem Wiener Kongress und der 48er Re-
volution denkt Damit wird aber nur die Auswirkung des
Ablaufs der politischen Ereignisse in dieser Zeit gekenn-
zeichnet All die restaurativen Massnahmen der preußi-
schen Regierung in diesen Jahren aber liessen das langsam
nach politischer Mündigkeit strebende Volk immer wacher
und empfindlicher werden. Hinter der scheinbar so unpo-
litischen biedermeierlichen und häuslichen Fassade hoffte
und wartete das Volk auf die Einlösung der Versprechun-
gen seiner Fürsten, auf eine Entwicklung nach dem Vor-
bild der Revolution in Frankreich, auf das endgültige Ende
des 1815 wiedererstarkten Absolutismus. Nach den Zeiten
des brandenburgischen Landschaftsstaates, in denen sich
die Schicht der grundbesitzenden Junker an die Spitze des
Staates geschwungen und die Autorität der Landtage und
Stände die Monarchen in ihrer Souveränität empfindlich
beschränkt hatten, nach den Zeiten des monarchischen Ab-
solutismus, in denen sich Preußen unter einem absoluten
Souverän zu einer Grossmacht entwickelte, zeichnete sich
nun nach dem Wiener Kongress eine Übergangsperiode
ab, in der des Königs wiederbelebter Absolutismus nicht
mehr unbestritten blieb, in der sich im Volk neue Gedan-
ken und Ideen durchzusetzen begannen. Man sollte also
diese Zeit der Restauration treffender eine Zeit des vorre-
volutionären Aufbruchs nennen, in der trotz oder gerade
wegen immer neuer restriktiver Gesetze ein starkes Stre-
ben nach einer neuen gesellschaftlichen Ordnung geweckt
wurde. Der aus Koblenz stammende Publizist Joseph Gör-
res (1776-1848) nannte 1819 dieses Streben in seiner ge-
gen die Restaurationspolitik gerichteten Schrift «Deutsch-
land und die Revolution» eine «Verschwörung, in der das
entrüstete Nationalgefühl, die betrogene Hoffnung, der
misshandelte Stolz, das gedrückte Leben sich gegen die
starke Willkür, den Mechanismus erstorbener Formen, das rungsmaximen, die das Verderben der Zeiten ausgebrütet
fressende Gift bewusstlos gewordener despotischer Regie- und die Verstocktheit der Vorurteile verbunden haben, und
die mächtig und fruchtbar, wie nie eine andere, wachsend
mit jedem Tage, in Macht und Tätigkeit, ihr Ziel so sicher
erlangen wird, dass die Gefahr nicht aufs Hintenbleiben,
wohl aber aufs Überschnellen steht.»

196
Rechts: So sah ein Bürger-Brief der Königlichen Preußischen Haupt- und
Residenzstadt Berlin im Jahre 1821 aus.

Nach dem Wiener Kongress schlossen Zar Alexander I., Kaiser Franz
I. und Friedrich Wilhelm III. von Preußen am 26. September 1815 die
«Heilige Allianz»(Lithographie nach einem Kupferstich von J. C.
Bock) gegen jeglichen revolutionären Geist.

Links: Blick in den Kuppelsaal des Alten Museums in Berlin, das


1823-29 nach Plänen von Schinkel erbaut wurde (in Ost-Berlin nach
den Schäden im Zweiten Weltkrieg bis 1966 restauriert); in der Mitte
des nach dem Vorbild des römischen Pantheons und der Rotunden
der Vatikanischen Museen gebauten Kuppelsaals ein Schinkel-Denk-
mal von Friedrich Drake (1805-1882).

197
Der Bundesbeschluss vom 10. Dezember 1835 gegen Verfasser, Verle-
ger, Drucker und Verbreiter der Schriften der literarischen Schule «Das
junge Deutschland» traf neben Gutzkow, Laube und Mundt auch den
seit 1831 als Korrespondent für die Augsburger «Allgemeine Zeitung»
in Paris weilenden Düsseldorfer Heinrich Heine (1797-1856; Porträt-
zeichnung von Wilhelm Krauskopf).

Erste Veröffentlichung von Heinrich Heines Bericht über seine Polenreise


vom Sommer 1822 in der Zeitschrift «Der Gesellschafter» am 17. Januar
1823 (Titelseite), in dem er vornehmlich über den preußischen Teil Polens
schrieb.

«Den lebendigen Geist unter Stein und Mörtel begra-


ben»: Preußen nach den Karlsbader Beschlüssen von
1819

Die Furcht der Behörden vor liberalen und nationalen Re-


gungen machte es möglich, dass der Theologe und Philo-
soph Schleiermacher 1823 in Berlin polizeilich überwacht
wurde, und der preußische Kultusminister von 1840 bis
1848, Johann Albrecht Friedrich Eichhorn (1779-1856), im
Jahr 1844 sagte: «Wenn Fichte käme und wollte jetzt hier
Reden halten wie an die deutsche Nation im Jahre 1808,
ich wäre der erste, sie ihm zu verbieten.» Bereits 1818
warnte der Dichter und Theaterkritiker Ludwig Börne
(1786-1837) in einem Memorandum über die Pressefrei-
heit die Alleinherrscher, die öffentliche Meinung nicht zu
unterschätzen, «Volksbegabung, die unbesiegbar ist und
welcher das stehende Heer der Regierungsgedanken früher
oder später unterliegen muss». Aber der öffentlichen Mei-
nung wurde in Preußen ein Maulkorb verpasst und dem
Geist der Kampf angesagt: «Man scheute nicht davor zu-
rück, den Geist in seinen lautersten Vertretern zu treffen.
Man glaubte, den lebendigen Geist unter Stein und Mörtel
begraben zu können» (Ernst Heilborn).
Die Aufzählung der wichtigsten Daten in der Zeit der Res-
taurationspolitik zeigt, wie der Gang der Ereignisse den

198
Kampf gegen den Geist mitbestimmte. Es begann 1817 mit und im Gegensatz zu den anderen «Demagogen» einge-
dem Wartburgfest der deutschen Burschenschaften, auf fleischte Monarchist – Ernst Moritz Arndt (1769-1860)
dem der Student Riemann am Jahrestag der «Völker- wurde seiner Professur in Bonn enthoben. Monate zuvor
schlacht» von Leipzig feststellte: «Vier lange Jahre sind hatte er noch an den Staatskanzler Hardenberg geschrie-
seit jener Schlacht verflossen; das deutsche Volk hatte ben: «Durch Gott und durch die Wahrheit will ich meine
schöne Hoffnungen gefasst, sie sind alle vereitelt; alles ist Sache gegen alle Polizisten der Welt glänzend gewinnen
anders gekommen, als wir es erwartet haben...» Dann ...»
folgte 1818 der Aachener Kongress, auf dem sich die Staa-
ten der «Heiligen Allianz» mit dem diplomatisch rehabili-
tierten Frankreich verbanden, um «die Ruhe der Welt» zu «Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!»:
sichern; Wilhelm von Humboldt sah als preußischer Ge- Verfolgung des literarischen «jungen Deutschland»
sandter diesem Kongress schon mit grossem Missbehagen
zu. Am 23. März 1819 ermordete der Burschenschaftler Der Verfolgungswahn steigerte sich ins Groteske, alles
Karl Ludwig Sand den konservativen Dichter August von wurde verdächtig: «demokratischer Schnurrbart, carbo-
Kotzebue, der als russischer Staatsrat regelmässig vertrau- narihafter Filzhut, revolutionäres Reckspringen, ja sogar
liche Berichte an den Zaren, den Erfinder der «Heiligen ein ‚sandfarbener Flaus‘ (Egon Friedell). Ludwig Börne
Allianz», gab. Die Tat war politisch sinnlos, «einen Grund, karikierte die inneren Verhältnisse in Preußen 1826 mit fol-
ihn umzubringen, hätte man höchstens in seinen miserab- gender «Polizeibekanntmachung»: «Unruhestifter haben
len und gemeinen Theaterstücken finden können» (Egon das Gerücht verbreitet, es sei heiss in der Weit; aber das ist
Friedell). Aber der Mord kam der Reaktion sehr gelegen: eine hämische Lüge, das Wetter war nie kühler und schöner
die Wiener Schlussakte von 1820 legte neben dem Grund- gewesen. Man warnt jedermann vor unvorsichtigen Reden
gesetz des Deutschen Bundes (bis 1866) unter Österreichs und müssigem Umherschweifen auf der Strasse. Eltern sol-
Führung – Preußen gehörte nur mit Brandenburg und den len ihre Kinder, Lehrer ihre Schüler, Meister ihre Gesellen
rheinisch-westfälischen Gebieten, also ohne Ost- und zu Hause behalten! Man bleibe ruhig! Ruhe ist die erste
Westpreußen dazu – auch die Beschlüsse der Karlsbader Bürgerpflicht...» In ferner und naher Nachbarschaft Preu-
Ministerkonferenz vom 20. September 1819 als Bundes- ßens und Deutschlands aber wurde es tatsächlich «heiss in
gesetz fest: danach wurden Bücher und Zeitungen unter- der Welt»: Befreiungskriege in Südamerika und Griechen-
Zensur, die Universitäten unter strenge Aufsicht gestellt, land, dann die Juli-Revolution in Paris und die polnische
alle Burschenschaften und Turnerverbände verboten; der Revolution von 1830 bis 1832 liessen das Volk aufhorchen.
preußische Minister für ständische und kommunale Ange- Diesem rief Heinrich Heine (1797-1856) im Jahr 1830 zu:
legenheiten, Wilhelm von Humboldt, musste im Dezem «Du, mein Volk, bist der wahre Kaiser, der wahre Herr der
ber 1819 wegen seiner entschlossenen Haltung gegen die Lande – dein Wille ist souverän und viel legitimer als jenes
Beschlüsse zurücktreten. Die Beschlüsse waren der Auf- purpurne Tel est notre plaisir, das sich auf ein göttliches
takt zu den sogenannten «Demagogenverfolgungen», de- Recht beruft, ohne alle andere Gewähr als die Salbadereien
ren oberstes Organ die «Zentraluntersuchungskommis- geschorener Gaukler – dein Wille, mein Volk, ist die allei-
sion» in Mainz war und «die alles aufkeimende politische nig rechtmässige Quelle aller Macht...»
Leben in den deutschen Grenzen vernichtete» (Franz Meh- Drei Jahre später, im Herbst 1833, wurde in Berlin der da-
ring). mals 23jährige Fritz Reuter (1810-1874) wegen «demago-
In Preußen wurden die Karlsbader Beschlüsse am 18.Ok- gischer Umtriebe» verhaftet. Obwohl mecklenburgischer
tober 1819 vom König selbst bekanntgegeben. Derselbe Untertan, liess man ihn in Preußen zunächst drei Jahre in
König, Friedrich Wilhelm III., musste freilich nach 1830 Untersuchungshaft schmoren, verurteilte ihn dann am 4.
erkennen: «Die Fürsten haben der Legitimität mehr ge- August 1836 zum Tode und begnadigte ihn schliesslich zu
schadet als alle Demagogen.» 1819 aber trafen die «Dema- dreissigjähriger Festungshaft. Bis zum Jahr 1840 sass er in
gogenverfolgungen» jeden in Preußen, der in irgendeiner den preußischen Festungen Silberberg, Grossglogau, Mag-
Beziehung zur nationalen Bewegung und den Burschen- deburg und Graudenz ein, zuletzt noch in der mecklenbur-
schaften gestanden hatte. Der «Turnvater» Friedrich Lud- gischen Festung Dömitz.
wig Jahn wurde verhaftet, sechs Jahre von einer Festung Der Bundesbeschluss vom 10. Dezember 1835, wonach
zur anderen geschleppt und bis 1840 unter Polizeiaufsicht «sämtliche deutsche Regierungen die Verpflichtung über-
gestellt. Der ehemalige Publizist der «Freiheitskriege» – nehmen, gegen die Verfasser, Drucker und Verbreiter der

199
Berliner Biedermeier: Ein Blatt der seit Ende des 18. Jahrhunderts in
hohen Auflagen zwischen 70.000 und 200.000 erscheinenden «Neu-
ruppiner Bilderbogen», unperiodischen Einblattdrucken mit humo-
ristischen und aktuellen Karikaturen, Einzelbildern oder Bilderge-
schichten (hier darstellend ein Brautpaar und ein junges Ehepaar).

Karl Friedrich Schinkel baute 1820 bis 1824 den ursprünglichen Re-
naissancebau in Tegel (1550 für den Hofsekretär Joachims II., Hans
Bretschneider, erbaut) zum «Humboldtschlösschen» um, nachdem
1766 das Anwesen in den Besitz der Familie von Humboldt gekom-
men war (Blick in den Blauen Salon im Obergeschoss, Aufnahme
1979).

Rechte Seite: Eine sogenannte «Schinkel-Vase» mit der Ansicht der


Königlichen Oper Unter den Linden, hergestellt in der Königlichen
Porzellan-Manufaktur Berlin, um 1830.

200
Eduard Gaertner (1801-1877) wurde zum bedeutendsten Chronisten Rechte Seite: 1831 malte Eduard Gaertner diesen Blick von der Jü-
des biedermeierlichen Berliner Stadtbildes mit dem Hang zu einem denstrasse in die Parochialstrasse, ehemals Reetzengasse, über die
fast fotografischen Naturalismus, gemildert durch ein atmosphärisch Klosterstrasse zur Nikolaikirche, der ältesten Kirche Berlins (13./14.
reizvolles helles Farblicht; im Bild die «Werkstatt des Schlosser- Jh.); links im Bild der Aushang eines Kupferschmiedes.
meisters G. F. A. Hauschild inderStralauerstrasse49 in Berlin», von
Gaertner 1839 gemalt.

Schriften aus der unter der Bezeichnung ‚das junge Muskau verbüsste, und Theodor Mundt (1808-1861), Her-
Deutschland’ oder ‚die junge Literatur‘ bekannten literari- ausgeber literarischer Zeitschriften. Indirekt wirkte die De-
schen Schule ... die Straf- und Polizeigesetze ihres Lan- magogenhetze auch auf die Entlassung der sieben Göttin-
des... in voller Strenge in Anwendung zu bringen», traf in ger Professoren 1837 im benachbarten Königreich Hanno-
Preußen die Schriftsteller Heinrich Heine (erging bereits ver ein.
1831 nach Paris ins Exil), Karl Gutzkow(1811-1878), des-
sen schriftstellerisches Werk ganz geprägt ist von seinem
Kampf gegen die Restauration (für «Wally, die Zweifle- Anfänge eines wirtschaftlichen und technischen
rin», den ersten modernen Frauenroman, musste er 1835/6 Fortschritts: die preußische Zollpolitik
zehn Wochen ins Gefängnis), Heinrich Laube (1806-
1884), der von 1837 bis 1839 eine Festungshaft auf Schloss Symptomatisch für die Restauration war nicht nur die «De-
magogenverfolgung», sondern auch ein kleinliches Behar-

202
ren der deutschen Fürsten auf ihren vollen Souveränitäts- bin aber auf meinen preußischen Pass überall zurückge-
rechten, das zusammen mit einem unstillbaren Misstrauen wiesen worden. Da lächelte er mitleidig und sagte: ‚Unsere
gegen Fremde den Handel und das Reisen in Deutschland Regierung ist doch besser! Wir können reisen, wohin wir
wesentlich erschwerte. Sehr anschaulich beschrieb ein wollen/ – ‚Unter welcher Regierung stehen Sie denn?’,
Handwerksbursche aus Memel seine Abenteuer an den fragte ich. ‚Unter französischen, war die Antwort, und er
Schlagbäumen der preußischen Grenzen im Jahr 1830: fügte hinzu: ‚Ich bin in Strassburg am Rhein zu Hause‘ ..»
«Von Magdeburg wanderte ich auf Preußisch-Münde und Innerhalb des preußischen Staatsgebietes waren die Zoll-
wollte mich hinüberschmucheln nach Hannöversch-Mün- schranken durch Gesetz bereits 1818 gefallen. Preußens
de, aber kam nicht hinüber; denn es herrschte damals das Grenzen zu seinen Nachbarn aber trafen auf insgesamt 28
schändliche Metternichsche System durch ganz Deutsch- andere deutsche Staaten, 18 davon waren als Enklaven von
land, was das Reisen so erschwerte. Jeder Duodez-Fürst, preußischem Gebiet sogar umschlossen. Dem preußischen
deren es eine Menge gab, hatte seinen Schlagbaum und König war dies lange Zeit recht; er hatte das Königreich
seine Münze... Das war eine Misere und das war auch die seines verehrten Vorfahren Friedrich II. wieder hergestellt,
Ursache der Demokraten- und Burschenschaften-Verbin- und sein Ziel war, dieses Erbe gefestigt seinem Nachfolger
dungen, die sich damals bildeten. Die polizeilichen Sche- zu hinterlassen. Er wollte es nicht gefährden, auch nicht
rereien waren zu gross... Wenn es einmal das Schicksal so durch Veränderungen mit gesamtdeutschen oder demokra-
beschlossen hat, dachte ich, dass du nicht ins Ausland tischen Zielsetzungen. Aber den Finanz- und wirtschafts-
kommen sollst, so wird auch in Preußen für dich Brod sein politischen Überlegungen, die seine Minister Motz, Eich-
– und ich ging längs der Uckermark nach Lindow... Zwi- horn und Maassen seit etwa 1828 anstellten, um den
schen Lindow und Liebenwalde lag ein Gasthaus an der Staatshaushalt zu sanieren, vermochte der König nicht
Strasse... In der Schenkstube ging ein wohlgekleideter Rei- mehr zu folgen und konnte überspielt werden. Während er
sender auf und ab... Er trat an mich heran, reichte mir die in der Zeit der Postkutschen verharrte, signalisierten die
Hand und fragte in hochrheinischem Dialekt: ‚Freund, wo- ersten Eisenbahnen den Beginn eines wirtschaftlichen
hin des Weges?’ Ich sagte ihm, ich wollte nach Hamburg,

204
Linke Seite: Mît dem Abstand des Chronisten, wie es der Darstellungsweise seinerzeit entsprach, vor allem an der Topografie des Darge-
stellten interessiert, malte Carl Schütz sein Bild «Das Lendersdorfer Walzwerk» der Firma Eberhard Hoesch im Jahre 1838 als Dokument
für die Anfänge der industriellen Entwicklung in der preußischen Rheinprovinz.

Nach den wirtschaftlichen Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchsen auch die sozialen Probleme in Preußen; die
«elendesten Bewohner vielleicht von ganz Europa» waren die schlesischen Weber, deren Rebellion im Jahre 1844 noch viele Jahrzehnte
später angesichts gleicher Probleme Dichter und Künstler wie Gerhart Hauptmann und Käthe Kollwitz (in einem Zyklus von 6 Zeichnun-
gen, 1895-1898) beschäftigte.

205
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Links oben: Diese kolorierte Federlithographie aus dem Jahr 1845 Der aus Stralsund stammende Wilhelm Brücke (1800-1874) malte
zeigt den Potsdamer Bahnhof in Berlin, wo am 30. Oktober 1838 die Architekturbilder aus Berlin in der Art von Eduard Gaertner, wie hier
erste preußische Eisenbahnlinie von Berlin-Zehlendorf nach Pots- die Strassenszene am alten Berlinischen (Cölnischen) Rathaus in der
dam eröffnet wurde. Spandauer Strasse (1840).

Links unten: Durchschnitt-Zeichnung von dem neuen Hospital-Gebäude in der ostpreußischen Stadt Braunsberg, das dort zu Beginn des
19. Jahrhunderts gebaut wurde (Erstveröffentlichung aus der Königsberger Domänen-Plankammer, Geheimes Staatsarchiv Berlin).
Aufschwungs. 1826 schon gab es in Berlin die erste Gasbe- Fabrikbetrieben, die Intensivierung des Ackerbaus durch
leuchtung in den Strassen, 1838 verkehrte die erste preußi-die Arbeiten von Albrecht Thaer (1752-1828) und die Ein-
sche Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam – laut Varn- führung der Fruchtfolge beim Ackerfutterbau sowie die
hagen von Ense fuhren damit im Durchschnitt täglich über Förderung von Kartoffelbau und Schafzucht, die erleuch-
zweitausend, an manchen Tagen bis zu viertausend Perso- teten Strassen und Häuser, Verwendung von Stahlschreib-
nen. federn anstelle von Gänsekielen, der billige Postbrief, die
Bedingt durch die technischen und industriellen Anfänge in Nähmaschine, die Verbreitung des Sports und der Körper-
dieser Zeit mussten zwangsläufig bald die Zollgrenzen fal- pflege – all dies waren Fortschritte, die das Leben der
len. Der Widerstand der anderen deutschen Staaten gegen Menschen in Preußen und Deutschland in der ersten Hälfte
Preußens Zollpolitik hielt aber noch bis 1833 an. Erst vom des 19. Jahrhunderts beweglicher und auch etwas freier
1. Januar 1834 an hoben sich im Gebiet des auf Preußens machten, die das Fenster zu einer grösseren Welt öffneten
Initiative hin gegründeten preußisch-deutschen Zollvereins und sogar gelegentlich die alten Standesunterschiede ver-
die meisten Schlagbäume, der innerdeutsche Markt für eine wischten.
aufstrebende Gütererzeugung war erschlossen. Dies war Doch die neuen wirtschaftlichen Veränderungen begüns-
tigten auch die Bildung grosser Vermögen einerseits und
auch der erste Schritt in Richtung einer wirtschaftlichen Ei-
nigung der deutschen Staaten; einer von immer breiteren eines städtischen Proletariats andererseits. In den Jahren
Kreisen angestrebten politischen Einigung standen aber vor 1848jedoch gab es noch kein echtes Arbeiterproblem
noch die konträren Interessen der misstrauischen Nachbarn im Sinne einer Konfrontation zwischen Arbeitern und Un-
Frankreich und Österreich entgegen. ternehmern, sondern nur das steigende Arbeiterelend des
Ancien régime, das sich durch den wirtschaftlichen Nie-
Wirtschaftliche Veränderungen und soziale Probleme dergang während und nach den Kriegsjahren 1813-15 noch
um 1822 verstärkte. Einen Aufschwung gab es erst in den dreissiger
Jahren, als Schinkel in Preußen die Städte verschönerte,
Eisenbahn, Dampfschiffe, Telegraph, die Anfänge der rhei- und mit Beginn dieser Bautätigkeit viele Arbeitslose Be-
nischen und schlesischen Grossindustrie mit ersten grossen schäftigung fanden.

208
Ein Blick auf Gehaltsabstufungen und Lebenskosten in Drängen der Junker musste Staatskanzler Hardenberg so-
Berlin in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts macht gar erklären, dass die neue Gewerbefreiheit (1810) keines-
die sozialen Unterschiede deutlich: 1822 bezog der Ober- wegs den Weberzins beseitigt habe. So kam es dazu, dass
bürgermeister von Berlin ein Jahresgehalt von 5.500 Ta- nach dem Bericht eines amtlichen Beobachters die schlesi-
lern, ein Stadtsekretär 1.100 Taler und ein Magistratsdiener schen Weber «die elendesten Bewohner vielleicht von
150 Taler; Wilhelm von Humboldt bezog als preußischer ganz Europa» wurden. Ein Familienvater konnte mit Hilfe
Gesandter beim Wiener Kongress 1814/15 26.000 Taler, aller arbeitsfähigen Familienmitglieder einschliesslich der
Minister Savigny im Jahr 1842 das Spitzengehalt von Kinder bei Tag- und Nachtarbeit wöchentlich nicht mehr
10.000 Talern. Eine Parterrewohnung Unter den Linden mit als 1 Taler (=30 Silbergroschen) verdienen. Die Preise für
6 Zimmern bekam man 1822 für 300 Taler, ein Logis mit 4 ein Pfund Weizenmehl aber waren 1,5 Silbergroschen, für
Stuben und Zubehör am Mühlendamm kostete 120 Taler; 1 Pfund Fleisch 5 bis 8 und für 1 Pfund Zucker 5 bis 6 Sil-
Humboldt mietete 1822 die untere Etage im Preußischen bergroschen. So kam es im Frühjahr 1844 zum schlesi-
Palais in der Leipziger Strasse für 550 Taler. Die Berliner schen Weberaufstand, ausgelöst durch unerträgliches
Bürger konnten 1822 ihre Leibröcke für 16-20, Überröcke Elend und die verzweifelte Erkenntnis, dass «das Leben ein
für 7-22, Tuchbeinkleider für 5-8 und Sommerpantalons für Häufel Himmelangst und Schinderei» sei, wie Gerhart
3 Taler kaufen. Hauptmann später in seinem Stück «Die Weber» schrieb.
In dieser Zeit wurden die Rothschilds zu einer Weltmacht In Peterswaldau und Langenbielau wurde gegen die rebel-
und Tausende durch Maschinen buchstäblich zu Sklaven. lierenden Weber Militär von Schweidnitz eingesetzt, «um
Und 1843 erneuerte König Friedrich Wilhelm IV.. von die Ruhe wiederherzustellen. Dies gelang indessen erst,
Preußen den «Schwanenorden» (ursprünglich ein kurbran- nachdem dasselbe von der Schusswaffe Gebrauch ge-
denburgischer Ritterorden) zum «ritterlichen» Kampf ge- macht, wobei es viele Tote und Verwundete gab» («Die
gen Armut, Elend und Not um durch vereinte Kräfte «phy- Gegenwart», Leipzig, 1849).
sische und moralische Leiden zu lindern». Nur einmal
wurde dieser Orden verliehen: an die ihm 1823 angetraute
Königin, Prinzessin Elisabeth von Bayern (1801-1837).

«Die elendesten Bewohner vielleicht von ganz Europa»,


die schlesischen Weber

Der Siegeszug des mechanischen Webstuhls brachte die


schlesischen Handweber in grösste Not. Sie hatte man bei
der Proklamation der preußischen Bauern- und Gewerbe-
freiheit vergessen; sie mussten sowohl den Weberzins an
die Gutsherren als auch die alten feudalen Abgaben und
Dienste leisten, wurden also «gleichzeitig vom Feudalis-
mus wie vom Kapitalismus gerupft» (Franz Mehring). Auf

Linke Seite: Gruppenausschnitt aus dem Gemälde von Franz Krüger,


darstellend die Huldigung der Stände anlässlich der Eidesleistung Kö-
nig Friedrich Wilhelms IV. in Berlin am 15. Oktober 1840: auf dem
Ausschnitt (Stahlstich nach Krüger) sind abgebildet von links nach
rechts: Frau von Paalzow, Kommerzienrätin Karl, Peter von Corne-
lius, Dieffenbach, Schönlein, Meyerbeer, Alexander von Humboldt,
Ludwig Tieck, Schelling, Rauch und die Gebrüder Grimm.

König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1840-1861), der Roman-


tiker auf dem Thron, der sich als «erster Bürger des Staates» vorstellte,
in seinem Arbeitszimmer in Schloss Sanssouci in Potsdam (Lithogra-
phie nach einem Gemälde von Franz Krüger).

209
In Berlin war es bereits in den Septembertagen des Jahres
1830 zur sogenannten «Schneiderrevolte» gekommen. Die
Schneider hatten gegen die «Kattundrucker», die Herstel-
ler billiger bunter Baumwollkleider demonstriert, weil
diese den Schneidern die Arbeit Wegnahmen. Erst nach
vier Tagen Unruhen und schweren Strassenkämpfen stellte
auch hier das Militär die Ruhe wieder her. Wegen der
«Schneiderrevolte» und dem Wachensturm 1833 in Frank-
furt setzte im ganzen Gebiet des Deutschen Bundes eine
zweite Demagogenverfolgung ein, die bis in die vierziger
Jahre hinein anhielt.

Friedrich Wilhelm IV.: «Ich und Mein Haus –


wir wollen dem Herrn dienen»

Als 1840 der neue König Friedrich Wilhelm IV. (1840-


1861) die Regierung übernahm, hoffte das Volk auf eine
friedvolle Ära, da der Lieblingssohn Königin Luises als
ein Mann des Friedens und der Künste galt Tatsächlich er-
füllte der neue König, der sich als «erster Bürger des Staa-
tes» vorstellte, mit seinen ersten Verfügungen auch die in
ihn gesetzten Erwartungen: eine allgemeine Amnestie be-
endete die Verfolgungen, auch Fritz Reuter wurde aus der
Haft entlassen, die Polizeiaufsicht über den «Turnvater»
Jahn aufgehoben, und Ernst Moritz Arndt bekam wieder
seine Professur in Bonn. Auch die Freilassung der festge-
nommenen Erzbischöfe von Köln und Gnesen-Posen
wurde verfügt. Wegen der Einführung der Unterordnung
der Geistlichen unter die Einrichtungen der Staatsbehör-
den und der konfessionellen Erziehung der Kinder aus ge-
mischten Ehen war es dort 1837/38 zu einem Streit mit der

Ein Beispiel – darstellend den Einzug des Hochmeisters Siegfried


von Feuchtwangen in die Marienburg 1309 – von mehreren Entwür-
fen für Glasfenster im Sommerremter der Marienburg in Westpreu-
ßen von Karl Wilhelm Kolbe d. J. und Karl Wilhelm Wach, angefer-
tigt um 1820 nach Auftrag des preußischen Kronprinzen (die In-
standsetzung der Marienburg wurde seit 1815 betrieben).

Dieser Porzellankorb stammt aus dem Service, das der Prinzessin


Luise von Preußen anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Prinzen Fried-
rich der Niederlande 1825 geschenkt wurde (heute im Neuen Pavil-
lon von Schinkel im Garten von Schloss Charlottenburg Berlin).

210
preußischen Regierung gekommen, zu einem vorwegge-
nommenen «Kulturkampf». Im Zuge dieser ersten Amnes-
tie-Massnahmen wurde auch den 1837 aus Göttingen ver-
triebenen Brüdern Wilhelm und Jakob Grimm an der Ber-
liner Universität Asyl gewährt
Aber der neue Preußenkönig verspielte seinen Kredit beim
Volk sehr schnell. Nachdem er 1842 die Armenpflege ge-
setzlich regeln liess und 1845 eine überarbeitete Gewerbe-
ordnung verabschiedete, fehlte ihm für weitere grundle-
gende Verbesserungen der allgemeinen sozialen Notlage
die erforderliche Tatkraft. Heinrich Heine spottete über
den «Romantiker auf dem Thron» Friedrich Wilhelm IV.:
Ich habe ein Faible für diesen König.
Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig. Ein
vornehmer Geist, hat viel Talent.
Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.
Der neue König hatte zwar einige liberale Massnahmen ge-
troffen, sich aber gleichzeitig mitgarnichtfortschrittlichen
Ratgebern umgeben, nämlich mit Vertretern aus pietisti-
schen Junker-Kreisen. Der unbedeutende, aber fromme
General von Thile, den man den «Bibelthile» nannte, wur-
de Kabinettsminister. Prompt begann der König seine Re-
den mit Bibelzitaten wie «Ich und Mein Haus – wir wollen
dem Herrn dienen» zu beenden. Der Liberale Friedrich von
Gagern (1794-1848), einer der ersten, der an eine Lösung
der deutschen Frage durch die Führung eines liberalen
Preußens dachte, meinte abschätzig: «Solche Pfarrerspre-
digten bezeichnen nicht den Mann der Tat.» Für Friedrich
Wilhelm IV. aber waren diese Reden bereits Taten; der
Volksmund belegte ihn im Unterschied zu seinem Vater,
den man den «Hochseligen» genannt hatte, mit dem

Von August Kiss stammt diese


kämpfende Amazone (Bronze)
aus dem Jahre 1842 auf einer der
Treppenwangen vordem Alten
Museum (Aufnahme von 1886,
Museumsinsel, heute Marx-En-
gels-Platz, Berlin-Ost).

Von diesem Entwurf Karl Fried-


rich Schinkels (1781-1841) zu ei-
nem Dom für den Potsdamer Platz
in Berlin als Denkmal für die Be-
freiungskriege wurde lediglich der
gotische Turm rechts fertiggestellt
(heute am Nationaldenkmal in
Berlin-Kreuzberg).

211
Spitznamen «der Redselige». Der König selbst stand in der
Tradition des Gottesgnadentums, und glaubte sich «mit
überirdischen Kräften» ausgestattet, «die ihn wie durch ein
Wunder geistig und seelisch weit über jeden anderen, auch
den Höchstgestellten und den Vertrautesten, erhoben».
Sein persönlicher Adjutant, General Leopold von Gerlach
(1790-1861), bemerkte einmal über seinen Herrn: «Der
König hält seine Minister und auch mich für Rindvieh,
schon darum, weil jene mitihm kurrente und praktische Ge-
schäfte abmachen, welche nie seinen Ideen entsprechen.»
Die Prüfungen, die auf diesen König warteten, konnte er
nicht bestehen. 1844 überlebte er den ersten Mordanschlag;
zwei Jahre später kam es wegen einer eklatanten Missernte
zu starken Verteuerungen aller Güter, und 1847, als eine
neue Missernte die Preise noch weiter ansteigen liess, zo-
gen in Berlin die wütenden Hausfrauen im sogenannten
«Kartoffelkrieg» auf dem Gendarmenmarkt von Markt-
stand zu Marktstand und verprügelten Bauern, Schlächter
und Bäcker, die «Wucherpreise» verlangten. Die Sturmzei-
chen für die Ereignisse im nachfolgenden Jahr häuften
sich, auch in den anderen Gebieten Preußens. Ein einsich-
tiger oberschlesischer Leutnant stellte fest: «Die Bevölke-
rung kannte Selbsthilfe nicht. Die autokratische Landes-
verfassung hatte sie daran gewöhnt, alles von der Regie-
rung zu erwarten... Dazu kam, dass die Regierung Schlesi-
ens sich mit einer gewissen Hartnäckigkeit gegen die Über-
zeugung wehrte, dass eine Hungersnot im Anzug sei.» Und
in der «Schlesischen Zeitung» stand 1847 zu lesen: «Wie
konnte solch ein Elend in unserer Mitte wachsen und eine
Höhe erreichen, die dem von Irland in nichts nachsteht,
ohne dass uns Kunde gegeben oder ernstliche Mittel zur
Abhilfe ergriffen wurden?! Doch das Klagen und Fragen
Die Bacchanalien-Vase aus Eisenguss aus dem Besitz des Fürsten nützt jetzt nichts mehr, wir müssen handeln, und zwar so
von Wied, 1832, Berlin, eine Nachbildung der antiken Marmora- handeln, dass wir wenigstens teilweise das Versäumte
mphora mit Volutenhenkeln in London, mit der Darstellung eines nachholen.»
bacchantischen Festzuges mit tanzenden Mänaden, Bacchanten, ei-
nem Faun und einem Satyr.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, «doctor universalis»


des 19. Jahrhunderts
Rechte Seite oben: Besonders charakteristisch für den Berliner Klas-
Unter den grossen Geistern der vorrevolutionären Zeit ab
sizismus ist der Eisenkunstguss in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-
1819 war es Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)
derts, in deren Anfangsphase dieser in der gesellschaftlichen Bewer-
tung das Gold und andere Edelmetalle als Schmuck und Kunstmate- gewesen, der als einer der ersten das immer stärkere Aus-
rial fast verdrängt hat; im Bild eine Halskette mit 8 Gemmen und
Ohrgehänge in Eisenguss aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhun- einanderklaffen der gesellschaftlichen Klassen, die Dis-
derts. krepanz zwischen den grossen Vermögen und dem entste-
henden Proletariat bemerkte und in sein philosophisches
Rechte Seite unten: Von Johann Gottfried Schadow stammt diese
Scherzzeichnung (Rohrfeder, um 1800), darstellend den Direktor der
Gedankengebäude miteinbrachte, und zwar in Begriffen
Berliner Singakademie, Karl Friedrich Zelter (1758-1832), im Kreis wie «Anhäufung der Reichtümer», «Abhängigkeit und
seiner Familie.

212
Not», «Erzeugung des Pöbels», «Abstraktheit der gegen-
seitigen Beziehungen der Individuen» oder auch bereits
mit dem Begriff: «Klasse». Hegel postulierte in seiner
«Rechts- und Staatsphilosophie», dass im sozialen Bereich
der subjektive Geist sich zu eigenen Welten überindividu-
eller Gestalt, zum Recht, zur Moralität des Gewissens und
zur Sittlichkeit entfalte. Unter Sittlichkeit verstand er «die
zur vorhandenen Welt gewordene Freiheit», konkret in Ge-
stalt der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und des
Staates.
Der in Deutschland lange Zeit als reaktionärer preußischer
Staatsphilosoph geltende Hegel, der ab 1818 bis zu seinem
Tode in Berlin an der Universität lehrte und zu den am
stärksten in die Zukunft wirkenden Denkern der Philoso-
phiegeschichte gehörte, war im Jahr der Karlsbader Be-
schlüsse, im Dezember 1819, von einem Berliner Journa-
listen bei der preußischen Regierung als Demagoge denun-
ziert worden. Danach hat er das Druckmanuskript der
«Rechtsphilosophie» umgearbeitet; der Denunziation wur-
de aber von Hardenbergs Untersuchungskommission nicht
weiter nachgegangen.
Hegels Auffassung vom Staat als der höchsten Form des
objektiven Geistes, «der in der Weit steht und sich in der-
selben mit Bewusstsein realisiert», hat über Preußen und
Deutschland hinaus das Denken des 19. und 20. Jahrhun-
derts mitgeprägt und ist vor allem in England, den USA, in
Russland und in Frankreich (Existenzialismus) beachtet
worden – bis hin zur an Hegel orientierten Theorie des
Marxismus in unseren Jahrzehnten. Hegel hat auch wie
kein anderer Denker seiner Zeit den Zusammenhang zwi-
schen nationalen Gefühlen und aggressiver Politik deutlich
gemacht. Er erkannte, dass ein Nationalgefühl, das über
politische Grenzen hinausgeht, nicht mit Friedenspolitik
vereinbar ist – eine These, die sich auch am Schicksal
Preußens und des von Preußen geführten Deutschen Rei-
ches im Zeitalter des Imperialismus und Faschismus
schrecklich bestätigt hat.
Preußen, genauer noch Berlin, war mit Hegel zum Hort ei-
nes neuen Weltgeistes geworden. Jede Zeit bedarf ja eines
«doctor universalis», also eines Geistes, der ihr Selbstver-
ständnis widerspiegelt. Für ihre Epochen waren dies Aris-
toteles, Bacon, Leibniz und Voltaire gewesen, für die erste
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts war Hegel «doctor
universalis». Sein Stern verblasste allmählich in der zwei-
ten Hälfte des Säkulums, als der aus Danzig stammende
Arthur Schopenhauer (1788-1860), der zwischen 1820 und
1831 in Berlin lebte (danach in Frankfurt a. Main), mit sei-
ner «sarkastischen Wut» (Durant) die deutsche Philoso-
phie beherrschte und mit seinem Pessimismus wohl auch
der Zeitstimmung eher entgegenkam.

213
Preußen hat Hegel und den anderen Geistern der preu- Das Brandenburger Tor wurde bei Tage mit eisernen Git-
ßisch-deutschen Romantik deren weitreichendes Wirken tern, nachts mit schwerlastenden hölzernen Flügeln ver-
nicht gedankt; es hat seine Denker schlecht behandelt, schlossen, die Strassen waren unter Friedrich Wilhelm III.
wenn sie nicht «staatsfromm» waren. Sebastian Haffner gepflastert worden, sie hatten Namen, die Häuser Num-
schrieb: «Vielleicht bekam damals das Wort ‚akademisch’ mern mit goldenen Zahlen auf blauem Blech erhalten; vom
seinen merkwürdigen Nebensinn von kastriertem Geist – Schönhäuser bis Stralauer Tor war die Stadtmauer ausge-
staatsfromm gewordenem Geist, Geist, der nichts ausrich- baut worden.» (Ernst Heilborn).
tet» In den seit 1815 neu hinzugekommenen Städten Köln,
Koblenz, Bonn, Aachen, Mainz oder Trier wirkte sich da-
gegen die von Stein erlassene preußische Städteordnung
«Man übte «Entsagung und Bescheidenheit»: die «heile erst jetzt vorteilhaft aus, und die Gewerbefreiheit von
Welt» des Biedermeier 1810, die für die meist landwirtschaftlich genutzten Ge-
biete Altpreußens wenig Bedeutung hatte, brachte für die
Dieser «staatsfromme Geist» kennzeichnet auch das Leben neupreußischen Bürger am Rhein und deren privatwirt-
der bürgerlichen Gesellschaft im Zeitraum zwischen 1815 schaftliche Unternehmungen die erste Blütezeit der Indust-
und 1848, der als Epoche des «Biedermeier» zu einem fes- rialisierung.
ten Begriff geworden ist. Egon Friedell hat das «Bieder-
meier» mit den Zeichnungen von Ludwig Richter (1803-
1884) verglichen: «Der Bauer mit seiner Familie ist bei «Ein Gelehrter in Anmut»:
ihm nicht sozial gesehen, nicht einmal ethnographisch, Karl Friedrich Schinkel und sein Stil
sondern kommt direkt aus dem Märchen, zeitlos, idyllisch
... Über seinen Bildchen liegt der Zauber einer dörflichen Die Künstler und Wissenschaftler der Biedermeierzeit in
Jahrmarktsschau oder kleinstädtischen Nachmittagsvor- Preußen waren in ihrem Schaffen und Wirken nicht unbe-
stellung ... « Heinrich Heine hat das Biedermeier wie folgt dingt «biedermännisch», wenn auch ihr Lebensstil bieder-
charakterisiert: «Man übte Entsagung und Bescheidenheit, meierlich war. Preußens Könige, vor allem Friedrich Wil-
man beugte sich vor dem Unsichtbaren, haschte nach helm IV., förderten die Künste, holten Maler, Bildhauer
Schattenküssen und blauen Blumengerüchen, entsagte und und Baumeister nach Berlin.
flennte.» Einen eigenen Kunststil hat das Biedermeier in Preußen
Der tiefe Zug von Resignation in dieser Epoche hatte, wie zwar nicht hervorgebracht, dafür aber prägte ein Baumeis-
wir gesehen haben, seine Gründe vor allem in der wirt- ter jener Zeit die preußische Architektur bis spät in die
schaftlichen Misere jener Jahrzehnte. Die Lebensführung zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: es begann das Jahrhun-
wurde zwangsläufig bescheiden, zurückgezogen ins Häus- dert des Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) aus Neurup-
liche; bürgerliche Wohlanständigkeit und Gemütlichkeit pin. Ab 1839 bekam der Schüler von Daniel und Friedrich
bestimmten eine verengte «heile Welt». Die Mode der Bie- Gilly als Ober-Landesbaudirektor in Berlin freie Hand zum
dermeierzeit war ebenfalls schlicht und züchtig. Bei den Ausbau der Stadt. Schon 1816/17 hatte er mit dem Bau der
Damen rückte die Taille wieder nach unten an die richtige Neuen Wache Unter den Linden in seinem neuklassizisti-
Stelle, das Schnürleibchen kam zu neuen Ehren. Auch die schen Stil ein erstes Zeichen gesetzt. Danach folgte das
Herren trugen vielfach Korsetts, bei den preußischen Gar- neue Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (1818-21) und
deoffizieren waren sie noch lange fester Bestandteil einer das Alte Museum (1823-29). In dem Rohziegelbau der
tadellos sitzenden Uniform. Wer es sich leisten konnte, Bauakademie, 1832-36 erbaut, stellte er über den Klassi-
trug an Hauben, Hüten und Röcken Bänder aller Art, man zismus hinaus neue, zweckdienlichere Bauformen für die
liebte auch auffallende lange Ohrgehänge, grosse Bro- kommenden Bauaufgaben seines Jahrhunderts vor.
schen, Gürtelschnallen und breite Armbänder. Der Bart In Berlin hat Schinkel die Schlossbrücke (1822-1824), die
war verpönt. Werdersche Kirche (1821-1831), Palais und Schlossbauten
Das Berlin der Biedermeierzeit hatte noch kleinstädtischen für die königlichen Prinzen und den Adel in der Wilhelm-
Charakter: «Es lag hinter seiner Mauer eingeschlossen, ein strasse, das «Humboldtschlösschen» in Tegel (1822),
Fussgänger umschritt es in knapp vier Stunden. Vom Leip- Schloss Glienicke (1824) und den neuen Pavillon Charlot-
ziger Tor aus führten zwei Alleen, mit Weiden und Linden tenburg (1825), in Potsdam die Nikolaikirche (1830-37),
eingefasst, die eine nach dem Tiergarten, die andere nach das Kasino (1823) und Charlottenhof bei Sanssouci (1826)
der Potsdamer Chaussee.

214
gebaut Ausserhalb Berlins erstellte er Babelsberg (1834), Musik im Berliner Biedermeier:
das Schloss Stolzenfels am Rhein (1836) und Schloss Ka- «AIle waren geübte Sänger»
menz in Schlesien (1838).
Vom grössten Projekt Schinkels, dem Bau eines gotischen In dem von Schinkel am Gendarmenmarkt neuerbauten
Domes auf dem Leipziger und Potsdamer Platz, der die Schauspielhaus erlebte am 24. August 1821 ein Theater-
Ausmasse des Kölner Doms haben sollte, blieb nur die stück besonderer Art seine Uraufführung: «Der Stralauer
Spitze als Denkmal zur Erinnerung an die Befreiungs- Fischzug», ein berlinisches Volksstück mit Liedern und
kriege auf dem Kreuzberg übrig. Schinkel fand für seine Tänzen von Julius von Voss (1768-1832). Nicht nur die
Schöpfungen in den Gärten und Parks von Potsdam und Verwendung des Berliner Dialekts in dem Stück war neu,
Berlin individuelle Formen, entwickelte dazu einen eige- vor allem auch das Thema, denn der Stralauer Fischzug
nen Dekorationsstil für die Innenausstattungen: ruhige Flä- war das grösste Volksfest, das das alte Berlin kannte. Jedes
chen, sparsamer, mehr ornamentaler, im Detail aber oft rei- Jahr wurde es in dem Dorf Stralau vor Berlin unter grosser
cher Schmuck. Zu dieser Stileinheit gehören auch seine Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert.
Möbel-, Geräte- und Gefässentwürfe für das Berliner In den vierziger Jahren liess der zu dieser Zeit noch recht
Kunsthandwerk. Auch König Friedrich Wilhelm IV. war aktive Friedrich Wilhelm IV. den Berlinern, die als Thea-
eigentlich ein Schinkel-Schüler. Der König, von Ludwig terpublikum schon damals eine Vorliebe für leichte Kost
Dehio später eine «Künstlerpersönlichkeit» genannt, hat hatten, ein «Schloss» besonderer Art mitten im Tiergarten
selbst mit zahlreichen Skizzen auf die Bautätigkeit seiner errichten, eine «Sommeroper», ein Etablissement für The-
Architekten Ludwig Persius (1803-1845) und Friedrich ateraufführungen, glanzvolle Feste, Bälle und Kunstaus-
August Stüler (1800-1865) in Berlin und Potsdam, beson- stellungen, das die Berliner nach dem ersten Pächter die
ders im Kirchenbau und auch im privaten Bereich der Pots- «Kroll-Oper» tauften. Hier wurden Gartenkonzerte und
damer Gärten, eingewirkt. Moeller van den Bruck erklärte Opern gegeben, bei denen «die grünen Bäume» mitspiel-
das Phänomen Schinkel wie folgt: «Wie Palladio teilte ten. Der bekannteste Dirigent in den Anfängen dieses bie-
Schinkel die Fläche in Verhältnisse auf, die alle Glieder, dermeierlichen Etablissements war der unglückliche Al-
ob Tür, ob Fenster, ob Sims, ob Sockel, in die genaue Be- bert Lortzing (1801-1851) – unglücklich deshalb, weil die-
ziehung von Abständen setzten . . . Aber dann war Schin- ser Meister der deutschen Spieloper, ein geborener Berli-
kel doch wieder ganz anders: Palladio war geistvoll, Schin- ner, der mit sicherem Instinkt volkstümliche Opern wie
kel ist geistig. Diese Geistigkeit lag in seinem Preußentum «Zar und Zimmermann» (1837), «Der Wildschütz»
... Sie lag schon in der sinnlichen Formung, die Knobels- (1842), «Undine» (1845) und «Der Waffenschmied»
dorff den palladesken Formen gegeben hatte... Sein (1846) komponierte und textete, seine Landsleute zeitle-
(Schinkels) eigener Stil ist eine Wiederkehr dieser For- bens nicht davon überzeugen konnte, dass seine Werke be-
mung, eine arkadische Wiederkehr, nicht auf der Ebene deutend mehr als nur leichte Unterhaltungsmusik waren.
des friderizianischen Kavaliers, sondern auf derjenigen ei- Als Berlin in der zweiten Jahrhunderthälfte protziger
nes neuen und wissenden Künstlers, der ein Gelehrter in wurde, hörte der Opernbetrieb im Kroll-Etablissement
Anmut war...» langsam auf, um erst ab 1927 unter Otto Klemperer wieder
aufzuleben.
Und Franz Schnabel notierte in seiner «Deutschen Ge- Die Musik spielte im Berliner Biedermeier eine besondere
schichte im 19. Jahrhundert»: «Man darf Schinkel den Rolle. Das Universalgenie E.T.A. Hoffmann (1776-1822),
grössten Architekten der Geschichte an die Seite stellen. der selbst zwölf Opern, eine Symphonie und viele kleinere
Diese Zeiten bitterster Armut haben ihn nicht gehindert, Stücke komponiert hat und auch als Kapellmeister aktiv
künstlerische Gedanken zu verwirklichen und mit beschei- war, lässt in den ironischen «Gedanken über den hohen
denem Material edle Formen zu gestalten ... Er hat das ge- Wert der Musik» durch seinen Kapellmeister Johannes
schichtliche Bild des alten Berlin geschaffen, das man im- Kreisler verkünden: «Es ist nicht zu leugnen, dass in neu-
mer als das Berlin Schinkels ansprechen wird, und er hat erer Zeit. .. der Geschmack an der Musik sich immer mehr
dabei ungeheure technische Schwierigkeiten überwinden verbreitet... Die Musik, wie man in allen Konzerten und
müssen, als es galt, auf dem Boden von Sand und Sumpf musikalischen Zirkeln zu bemerken Gelegenheit haben
die schweren Bauten zu errichten, aus Kanal und Kupfer- wird, (erleichtert) das Sprechen ungemein. In den Pausen
graben das Gelände gegenüber Schloss und Zeughaus zu ist alles still, aber mit der Musik fängt der Strom der Rede
gewinnen ...» an zu brausen und schwillt mit den Tönen, die hineinfallen,
immer mehr und mehr an.»

215
Diese Karikatur aus der Zeit des Vormärz richtete sich gegen die ra- Die Musik diente nicht nur der Geselligkeit im biedermei-
dikale Kritik an den Evangelien durch den politischen Publizisten
erlichen Hause, in Vereinen und Clubs, sie erweckte auch,
Bruno Bauer (1809-1882), der zu den literarischen Bürgerschrecks
des Clubs der «Sieben Weisen» gehörte, die ab 1842 in der Berliner nach dem Vorbild Zelters, einen regelrechten Andrang
Dorotheenstrasse im Hippelschen Weinkeller verkehrten. zum geselligen Chorgesang und zu Gesangvereinen. Diese
machten im Biedermeier derart Schule, dass bald jeder
kleine Ort seinen Männergesangverein hatte. Berlin hatte
Wie es bei der berühmten Liedertafel (1809 begründet) im Jahre 1850 deren nicht weniger als zwanzig. Das Lie-
von Carl Friedrich Zelter (1758-1832), dem Direktor der der-Repertoire stammte aus dem Liedgut der Romantik,
Berliner Singakademie zuging, schilderte 1820 der däni- aus des «Knaben Wunderhorn» und anderen Liedsamm-
sche Dichter Adam Öhlenschläger: «Denke Dir einen Klub lungen, in die natürlich nicht nur preußische Dichter auf-
in einem hübschen Lokal: einen Gabeltisch, wie bei uns genommen wurden. Ganz Berlin war deshalb auch auf den
am Geburtstag des Königs, um welchen sich die Mitglie- Beinen, als am 9. Mai 1826 die schöne Koloratursopranis-
der herumsetzen, von denen, wie bei uns auf der Schützen- tin Henriette Sontag (1806-1854) ihr Gastspiel am König-
bahn, ein jeder die Erlaubnis hat, einen Gast mitzubringen. städtischen Theater beendete, für das sie die unerhörte
Zelter ist Meister in diesem Klub und sitzt obenan; gerade Gage von 7’000 Talern bekommen hatte. Dieselbe Begeis-
vor ihm auf dem Tisch steht eine kleine mit Purpursamt terung erntete die schwedische Nachtigall Jenny Lind
bekleidete Erhöhung, mit einem grossen vergoldeten sil- (1820-1887), die ihre Karriere im Berlin der vierziger
bernen Becher geziert; rund umher liegen nicht, wie bei Jahre begann.
uns, nur Lieder, sondern auch Notenbücher. Nun wählte
Zelter ein Lied und klopfte mit seinem Hammer. Ein leises
vorangehendes Trällern, um den rechten Ton zu finden, Literatur im Berliner Biedermeier:
folgte; und denke Dir nun meine frohe Verwunderung, als «Tunnel über der Spree» und die «Sieben Weisen»
darauf plötzlich die ganze Gesellschaft vierstimmig, in der
schönsten Harmonie, den herrlichsten fugierten Chor mit Neben den musikalischen Vereinen und Zirkeln gab es den
der grössten Leichtigkeit zu singen begann. Bald hörte mit berühmten Namen bestückten Dichterclub «Tunnel
man einzelne Stimmen, bald wechselten sie von einer über der Spree», den 1827 der aus Wien stammende Feuil-
Tischreihe zur anderen. Alle waren geübte Sänger, Kauf- letonist, Theaterkritiker und Satiriker Moritz Gottlieb Sa-
leute und so weiter...» phir (1795-1858) gründete. Im «Tunnel», einer Sonntag-
nachmittagsvereinigung, las man sich gegenseitig bei Kaf-

216
fee und Kuchen selbstgemachte Gedichte vor und kriti- Hegels gehörten Arnold Rüge (1803-1880) und Bruno
sierte sie. Jedes «Tunnel»-Mitglied hatte einen Vereinsna- Bauer (1809-1882) sowie der Anarchist Max Stirner
men: der junge Theodor Storm (1817-1888), der zwischen (1806-1865), der bereits 1845 den biedermeierlichen
1853 und 1856 dort verkehrte, hiess «Tannhäuser», Ema- Spiessbürgern mit seiner Schrift «Der Einzige und sein Ei-
nuel Geibel (1815-1884), um 1840 dabei, war «Bertrand de gentum» ahnungsvolle und angstvolle Schauer über den
Born», Theodor Fontane (1819-1898), von 1845 bis 1849 Rücken jagte, während König Friedrich Wilhelm IV. von
dabei, nannte sich «Lafontaine», der Student Paul Heyse diesem Hegel-Schüler als einer «Drachensaat des Hegel-
(1830-1914) war «Hölty» und den Jüngling Heinrich Sei- schen Pantheismus» sprach, aus der «alles Unheil in Staat
del (1842-1906) nannte man «Frauenlob». Herausragendes und Kirche» entspriessen werde.
und «dienstältestes» Genie des «Tunnel» war Christian Politischen Instinkt und Mut zum sozialen Engagement be-
Friedrich Scherenberg (1798-1881), ein «leidenschaftli- wies 1844 auch Bettina von Arnim (1785-1859). Sie ver-
ches Herz und sprachgewaltiger Mann, ein Berliner Wede- fasste die anklagende Reportage «Dies Buch gehört dem
kind, der immer noch auf seine Wiederauferstehung war- König» und beschwor in diesem Friedrich Wilhelm IV. ge-
tet» (Walther Kiaulehn). Als Chronist mit dem Zeichenstift widmeten Bericht über die Ärmsten der Armen in Preußen
gehörte dem «Tunnel»-Kreis übrigens auch Adolph Men- König und Regierung: «Man lauert sonst jeder unschuldi-
zel an, dort wurde er «Rubens» gerufen. Die «Tunnel»- gen Verbindung auf. Das aber scheint gleichgültig zu sein,
Dichter hatten keine Verbindung zu den Literaten der we- dass die Ärmsten in eine grosse Gesellschaft zusammenge-
gen «Demagogie» verfolgten Gruppen des «Jungen drängt werden, sich immer mehr abgrenzen gegen die üb-
Deutschland» oder der «Jungen Literatur», von denen be- rige Bevölkerung und zu einem furchtbaren Gegenge-
reits die Rede war. Geistergleicher revolutionärer Gesin- wichte anwachsen». Augenzeuge und Chronist Varnhagen
nung aber waren die literarischen Bürgerschrecks des von Ense feierte die couragierte ehemalige Romantikerin
Clubs der «Sieben Weisen», der ab 1842 in der Berliner als «in dieser Zeit der eigentliche Held, die einzige wahr-
Dorotheenstrasse im Hippelschen Weinkeller verkehrte. hafte freie und starke Stimme.»
Zu diesen philosophischen Exzentrikern aus der Schule

217
IX. Preußens umstrittene Führungsrolle in Deutschland:
Die gescheiterte Revolution, die soziale Frage, industrieller
Aufschwung und Berlin vor der Reichsgründung

Von 1848 bis 1871

«Es ist Gottes Wohlgefallen gewesen, Preußen durch das «In die preußische Idylle
Schwert gross zu machen, durch das Schwert des Kriegs brauste der Sturm der Weltgeschichte»: Die europäi-
nach aussen, durch das Schwert des Geistes nach innen. schen Revolutionen 1848/49
Aber wahrscheinlich nicht des verneinenden Geistes der
Zeit, sondern des Geistes der Ordnung und der Zucht. Ich Zur Forderung nach einer freiheitlichen Verfassung kam
spreche es aus, meine Herren: Wie im Feldlager ohne die aber ein noch dringlicheres Problem: «Das Gerede von
allerdringendste Gefahr und grösste Torheit nur ein Wille Freiheit und politischen Reformen ist abgenutzt. Alle, auch
gebieten darf, so können dieses Landes Geschicke, soll es die radikalsten politischen Reformen sind ohnmächtig ge-
nicht augenblicklich von seiner Höhe fallen, nur von einem gen die Grundübel der Gesellschaft und interessieren die
Willen geleitet werden...» Dies erklärte König Friedrich Welt nicht mehr. Der Inhalt alles und jedes Interesses ist
Wilhelm IV. am 11. April 1847 bei der Eröffnung des Ver- die soziale Reform.» Moses Hess (1812-1875), der 1843
einigten Landtages, dessen Einberufung er nicht hatte ver- mit diesen Worten in der «Rheinischen Zeitung» (Köln)
hindern können. Diese und viele andere Sätze in seiner die Notwendigkeit einer sozialen Reform andeutete, war
Rede machten viel böses Blut in Preußen, denn der König einer der rebellischen Söhne des Biedermeier, die sich
liess keinen Zweifel daran, dass er nicht gewillt war, dem nach Kräften bemühten, die öffentliche Meinung aufzurüt-
Volk in der Frage der Verfassung auch nur einen Schritt teln. Zu ihnen zählten auch die Preußen Ferdinand Frei-
entgegenzukommen, obwohl eine solche schon seit 1810 ligrath (1810-1876), August Heinrich Hoffmann von Fal-
angekündigt war. lersleben (1798-1874), Heinrich Heine (1797-1856),
Arnold Rüge (1803-1880), Friedrich Engels (1820-1895)
und Karl Marx (1818-1883). Ab Herbst 1847 gab es auch
im ausserpreußischen Deutschland Anzeichen tiefer inne-
rer Unruhe. Aber die eigentlichen Sturmzeichen für die eu-
ropäischen Revolutionen 1848/49 gingen von Frankreich
aus. «In die preußische Idylle brauste nun ein Sturm der
Weltgeschichte ... Die Pariser Arbeiter zerschmetterten
den Thron Louis Philipps, und in der Metropole des Welt-
marktes erhob der Chartismus mächtig sein Haupt. Zum
ersten Male trat die moderne Arbeiterklasse in einer bür-
gerlichen Revolution mit selbständigen Ansprüchen auf...»
(Franz Mehring).

«Erkennt den unseligen Irrtum»:


Die März-Tage 1848 in Berlin

Wie sehr man im Frühjahr 1848 in den deutschen Klein-


staaten auf Preußen hoffte, geht aus einer Notiz der «Badi-
schen Zeitung» vom 15. März 1848 hervor: «Die Augen
aller deutschen Patrioten sind in diesem Augenblick auf
Preußen gerichtet. Schliesst sich Preußen der konstitutio-

218
Oben: Am 18. und 19. März kam es auch in Berlin nach Errichtung
von Barrikaden zu blutigen Strassenkämpfen, denen 190 Menschen,
darunter auch Frauen und Kinder, zum Opfer fielen (auf der zeitge-
nössischen Lithographie die Barrikade in der Neuen Königstrasse
und am Alexanderplatz).

Rechts: Das ganze Jahr 1848 über gab es in Berlin immer wieder
Strassenkämpfe, am 14. Juni stürmte das Volk sogar das Zeughaus.
Der ab Mai in der Berliner Singakademie, später im Schauspielhaus
tagenden Preußischen Nationalversammlung stand der König von
Anfang an ablehnend gegenüber (dieses Flugblatt von Demokraten
greift einige Zitate des Königs vom Oktober 1848 auf).

Linke Seite: Friedrich Wilhelm IV. konnte zwar geistreich sein, aber
seine Vergleiche mit seinem Ahnherrn Friedrich II., dem er nachei-
ferte, waren für die Karikaturisten des Jahres 1848 Anlass für Blätter
wie dieses: «Wie einer immer daneben tritt» – nämlich immer neben
die Fussstapfen Friedrichs II.

219
Die Wache der Bürgerwehr vor den Räumen des Königs im Berli-
ner Schloss im Jahr 1848, gemalt von Eduard Grawert.

220
Am 20. August 1848 wurden mehrere Demokraten und ihre An­

Siij bliniloftCiUniin! hänger im damaligen »Dorf« Charlottenburg bei Berlin von Ange­
hörigen des »Patriotischen Vereins« brutal überfallen und zusam­
mengeschlagen; unter den Opfern war auch der Publizist Bruno
&ir mit# man bei feie sBcciie ufljängen! Bauer (s. Seite 216). Einige Tage später erschien dieses satirische
Flugblatt gegen das »ollet reakzionäre Rattennest Charlotten­
burg«.

Œn Urtljettë-Spnid) Die immer dringlicheren Probleme der »sozialen Frage« ließ die
Solidarität der Arbeiterschaft auch in Berlin erstehen, wo man
zlujust ßllööclmcgfr, Tageß-Sthriftiltütr nüt’n frojkn ©an. sich in Klubs, mit dem Schriftsetzer Stephan Born (1824-1898)
(Omu i e^t.)
an der Spitze, zusammenscharte (im Bild die Titelseite aus Borns
JlartMieahrgi DOtt era(i!«na«i Jtanennrfl. atfo fa brtrSjl Su Bir’
3n Sbanbow un ©rannenßurg bade Seffnitwig«-
«I* |tnu4. «S Du lernt Saur non Bitoung ni* |a«, funwra eu ournnti
Tartontrl MH un» Dlr oat ?ra SnjeMtr ion juin <Sur»»ia Mamirfl, fa traimmb
Du Sir rai a* no* eoit'a Rlulm un Be>t>lM>taBrr un» fHr« Sir totmll* fri. Berroanbte, ba foflfle binverfeft »enen!
Zeitschrift »Das Volk« vom 25. Mai 1848 mit dem Leitartikel
manalif* uf? gui. f*bu Sir! e*inu Sir Mr Cgm «u«'n Km». »* Bu ffienn Du nn* imh Iriftat ftnnl. Um nn«l «» inr mf*r (im, feSn M
at< jonje Battrtan» mit Brin Stotrcflrn «U unjejojrne «ara» 5*onw ma*«
un» Bir tolbflrn in Mr SMIieUÙle nnnrn ^ronger «dl|. foin iratm glapO Zriat »rrMmjrnr àsmwrlietfnl. Du »niiiBieM. tonnUr H*üra« •«( un
C»|* wrftrin^n, nn. », iht<r 3*>i inen «nrn KB. eiwt Bir Mauri Jra
»Was wir wollen«).
un a»’« Irrtfigrr nulrmonn Mflr in aie ciSlefile »rte f*on linjfirna ktomt. «rUrien vn enu (Sirenr t*aril.al Rai, |Mmi Bir, M| Du Dir |s Mt <Jt«it*-
un nu raa*t $u Bl* o* no* ara Wuf ala'n toffrafln Klrni*? Dr a l» ni* >rir reim«' Bu »Ift rai »e*llra« ra S*«»î.to»»!
Uagrr |u rntajeai air Innn« Ba Bir un-n«ekn w« Brrlm jrei ja fin»? Ramm ait
tir ert*? ®4n«»(i B. at* man Me» Dir »rniea tf. Ma vit Di* UnrtmrtSm»
91e ©ûrfcbfen, Tu mufjt Tie Sîutbe trfcfjcn, tuirirt. In rata ra||en Ttonni tonnen mir Bir p nna>un(jrrn ini» « Injefcunnle
«nu. na Ba vOEH uii« tn|,ntre» an alt Vieu*rtan« 6»»rf*lMra?
nut naa ma« Mol tatet, ana aan fonnm Unftaa ml»nf*l ffllr Wtien BH
» Du I4»9« Mr th»*n innen «rtl» anjiaM leftlag«. otrr U»riu fink nie
»et * o» |tf»t«.re» Wrniejrn ne* Hatton», ttort
z w s; Ân»H*ÀW ä
mir? Du lu« Df* Ira Hmnrrli*« Sdooentnn frriti* jufejejea.
f» imojme biff, jrtrn gHrfal •« 2| aift«ir»f*m •« ata b«>«
aetirin, »«« Ju*M*n>4nJtr I So, trau Irtlte UiRntmrM» Ma Du
aber bitte Ti<b u« Sollet wittcn mdb m. M Tu ocb murrten o
Tie «lÄ W Wk »««nlmfrrir! Tfe Sonne ber $rribrü iê uni
Tein UrtfjeeT iS Di$ ieforodjen!
Jïietf man mal nach oben!

Tflö SJülf.
2Jlop$, bette ben 'IRonb ni<b au!

t»är îSr.t au*<a f:ïm

Dein, near eeMmmlÿrrn »«Minait ÿa«t O»er »atur*. »e| the b


bxr 9tor*i « jrojt «tilrrn uflefWn IMI’ Con »a»ur*. »* Bu
xm trait« ?.i»<r »19« Dnnfiiin m t« grd.
Waeteffm eral'x llrfra ♦mrnfcutfel ramirf*n>4n;rtl M an’bojl'tir
an «atoita eraälrt? Bu. »Orr Jwrilnrtr. fefcwiat i» M B.
Serien non Berlin« ÎJtijlton» ewierr in ü» Hultur wrfrfdirilttn. «U me But
®r0tin »es Ccntcal-^Dinitco für Arbeiter.
t«l anirr.? Bu? fllwk« Zu c*fr tl, M» B» (ai 3«l •“ Ma* pn t^nhief*« «Halfen un taHrmil »rpant Bir. a»«
C*C*» ml. Drmr Ctonrr uairrnnrn |i> tonnen? 91t. mute Bir ru* in te folreit »ri Bu Bit n>* an Baie ttma|l Bit aimai n
3rtM*nnM. M> irr« Du BH!
Tie Md) fannft Tu un« rood
Xelto» nu* ni* mal uf. wma Bu Bit maag Me «itoentaueni mil*» »iOfc
rem ruaruai? med ta *r p tamm Mit' Baerutn mura H Sir normal*: ®ine fojiol • politifebe Stitfebrift.
»u SBaffer machen, aber ni$
bie Freiheit ! 'Planfcbe in Teine 'TM<b, aber manftbe ni$ in bit ^KmuSgrgebm
€>5 mir owt tfnrr tonnm tortbtto nm Br« tut

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Rottet«!
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Trinen »irfrn G<tab«l fj>ren. eu»o»-( «vit». Brrmel'H' 3«gt> tffrtr« farm». SC»I» t< BiUr M.lrr ®orn.
»f ITO HA A»*o Tn.' Druwn >a*<l«.rn; m»*rn tonn« Du »«* «ifdH nritor. ato »s*lhn» an numnt

’ «He. M» I« Ui mrinrr Srrir in e»UI EWn JWuSrr «n WSrttr litor JTnidftiebet, Tein Urtbeei t« jeft>ro4en!
f^Ä^ ». ®üi.
«*rfoto ««II Unionen rm *< «f’n tint |> ■HltalMt», ».« in Hntrirwr»;.
u toll aur r* ft! Di* Dnn« C*«J ia»nr«<u 'öroBflawa Tu mu3t japprin!
felbß, wenn bie« nicht ber gaH wäre, wenn unfere'Soll«.
9ßo« wie wollen. Vertreter ba« Sintammerfpßem ohne Œenfu« burchfeßen, bie
ttir Paju grfemmen, unfn Statt .ba« Sott* pi ®egenfäbe, bie bie gefchicbtlithe Sntwidelung aller Söller,
nennen, ba« rocllen "wir juerfl erflären, unb in bieftr ®r» bie wir nicht gemacht, fie wären bamit nicht aufgehoben.
ftàrung gebenfen mtr jugfeicÇ bie îenbenj anjugeben, ix Unfere Segnet meinen, baß ebtnfo wie ber Sibel ftdj im
wetdjer mir baffetbe rebigiren «erben. Sürgcrthume außöße, al« biefe» ihm feine Privilegien, feine
©preßen wir som Solle, fo regnet ft<b nut |u oft alle befenberen Borrechte entrungen, ß<b auch ba« Sürgerthum
®c(t baju, unb btxf) foil blefe 3eitf4)rift fcauptfWi«» n» in bemfelben Sloment im Solle außöfen muffe, al« biefe«
eine beftinimte Älaffe Im ©iaate »ertreten, Me arbeiten»* lieh bie Thrtlnahme an ber Regierung erwarten, al« ber
•Rlciffe. Sßir wJljltfn ben Sitei »baeSo«* unter berSor. Befiß bie Berechtigung, im Staate no$ aubfchließlich vet»
auêfeçung, ba&, fo lange no$ Jttaffenunterfäiebe erifliren, treten ju fein, verloren, unb baß bann ade SRftgliebtr be»
man unter bitfem Samen immer biejenig* Älaffe ba ®e« Staate» im „Soll“ begriffen feien.
fcUfàaft meinen wirb, bie bie unterbrüdte iß, bie in îofjn ÜBelch furjfichtigeSlilffaflung bet ©efchichte! Gehen wir
unb ®rob fte»i, beten (Srlßenj felbft fo lange not» eine un» beim nicht, baß Mit Vtt Jeit, wo ba« Bolt bie politifdx
geiriffe iß, al« itjr bieftr fotjn, al» tyr «rbtii geboten wirb, greihril errungen,-^ein gefeiffchaftlich« ©egtnfaß jur Äfaffe
biejenige Jtlaffe, bie nur für ben lommenben ?ag lebt unb ber «apitaliften nW um fo Harer hervortritt, baß e« fi*
bie leine 3ufunft ÿat al» ba« Clenb ober ben verzweifelten nun auch mit aller feitler JTt>«tfraft auf ben Grwerb ba
IBiberßanb. fojialen Freiheit Wirft!
»Bit babea e« fo oft erfahren, baß man benjenigen, So wie ein« Jllaffe ht ba ©efeUfchaft jttr ^terrfchan
Wuflen! 3br, bie 3br nod) feftfteH in bem Altai ftiitcn weld>e für Me Sntereffep be« Solle« Treiben, »um Sor. gelangte, fo würbe auch ihre Örißenj, ihre Slrt unb Sßeife

Vertrauen an 9JHr, 3br, bie 3br notj ein (^cbädttnw würfe macht, fie nur festen biefe ÄlaffenunterfcMebt, fte ja leben, ju probujiren, eine anbae. T?it jeba gewaltigen
allein fÄljtn ©egenföße jwlfcpra Seflßcnben unb Seit», Revolution, bie un« bi« @ef<hi<hlc aufjuweifen bat, ftben
fnr bie ($efd)id)te deines Avönialidien ôanfeô nnb Seiner deitn,
Sanbe,
Äapltalifitn unb ürbeifern, bie in einem freien wir auch einen æechfef in allen ?eben«verhältniffen ba
Wien ein« gleich* Berechtigung an ber 2lu«übung «irilinrten Solln rintreten. ÜRit bem Sturje ba SIbelà
^teHnng ,yim $olfe, ($nd) bitte 3d), baran ferner feft^nbalten, ber Staatsgewalt |ugefi<hrrt fei; in ber îh«t nicht erlßiten. berrfebaft errang fich ba« Sürgerthum nicht aUeinble poft,

in fluten wie in büfen Xaflen! — 3tjr aber, bie 3ftr febon Ser lBrrfaffung«entwurf, ben unfere 'Dllnißer un« in tiefen tifeßen Rechte, feine ganj« Brobultionlweife würbe eine ar»
Tagen »orgelegt, belehrt un« eine« »nbem; wir f«hen, baß bae, unb in feilt romantifche« Grab jog ba Sibel baß
barin $n wanfen beflinnt, (Sud) befdwôre M .Ç>alt jn madjen e« in unfnçm Staate noch eint Sobelgarbe burch ba« Hn« 3uuftwefen unb aümilig noch bie lebten Reffe mittelalftr«
terf<heibung«jti(hrn be« größeren ©efeße« geben fo» unb licßa Barbarei Slit bem Bürgatbiimt tritt bie £*nftaft
nnf bem betretenen jähen ^fabe, nnb ab^nwarten bie Xbaten
bie ba folgen werben! (înd) 'Mllen ober flebe 3d) nodjmatö
bie nnnerbrnd)lid)e üBerfidternnfl, bap (îud) nirtdô uertnmmert
werben fall an (înren tonftitntionellen Freiheiten, bah eô Wîcin
bciliflfteö ^eftreben fein wirb, (înd) mit Lottes $nlfe ein fluter
fonftitntioneller .Hönifl <yi fein, auf bap wir flemeinfom ein
ftattlidKö unb haltbarem (Mebäube errichten, unter beffen Tadte
Mim Frommen Nuferes ^reufiifchen unb flauen Teutfcheu
üBaterlanbes, llnferc ?ïad)tommeu fid) rubifl unb eiuträd)tifl
ber Seeflinnifleu einer ed)ten wahren Freiheit Jafjrhunbertc
lniifl erfreuen möflen!
rayi wolle Wott Seinen Seeflen oerleihai! —
Sansfouci, beu 11. November isvs.
flev ’fricbridi Wilhelm» Am 10. November 1848 wich die Mehrheit der Preußischen Na­
«•out ms. (Mrtif ». '-Vraiibculniitv ». Vaöcnbcrfl. tionalversammlung der Gewalt der Truppen des Generals Wran-
». Gtrütba. ». fOiüiitcuffcl. gel, der über Berlin den Belagerungszustand verhängte. Einen
Tag später erließ König Friedrich Wilhelm IV. diesen Aufruf an
die »noch in dem alten guten Vertrauen« zu ihm stehenden
Preußen, denen er ein »guter konstitutioneller König« werden
wollte.

221
nellen süddeutschen Bewegung aufrichtig an, so haben wir und 36 bespannte Geschütze unter General von Prittwitz –
ein einiges starkes Deutschland...» Noch am selben Tag natürlich die Oberhand behielt. August von Schöler, Flü-
gab es in Berlin die ersten Unruhen. Varnhagen von Ense geladjutant des preußischen Königs, trug befriedigt diese
schrieb darüber in einem Brief: «Der Abend war sehr un- Notiz in sein Adjutantenjournal ein: «Der heftigste Wider-
ruhig. Die Truppen haben abermals einen Strauss bestan- stand wurde in der Breiten- und Brüderstrasse geleistet, wo
den, der viele Verwundete gab. Diese Vorgänge haben hier erst nach längerer Zeit, die – während der Unterhandlungen
noch nicht die politische Farbe, welche sich an anderen Or- der Deputationen – mit Musse und Solidität errichteten
ten zeigt...» Drei Tage später, am Nachmittag des 18. März, Barrikaden und die besetzten Häuser überwältigt werden
während der König mit einer Deputation aus Köln und des konnten. Dort sowohl wie in der Königstrasse konnte dies
Berliner Magistrats verhandelte, und ein neues Patent zur nicht ohne Anwendung von Artillerie bewirkt werden...»
Einberufung des Vereinigten Landtags auf den 2. April be- Auf Seiten der Berliner Bürger zählte man 190 Tote – 183
schlossen wurde, bei dem eine Verfassung vorbereitet wer- Männer, 5 Frauen, 2 Kinder. Der König war über das Blut-
den sollte, brach auch in Berlin der Sturm los, als von Sol- vergiessen ehrlich erschüttert. In seinem Aufruf «An meine
daten zwei Schüsse auf die Menschenmenge vor dem lieben Berliner!» beschwor er sie «bei allem, was Euch hei-
Schloss versehentlich abgefeuert wurden. lig ist, den unseligen Irrtum» zu erkennen und «zum Frie-
Die nächsten zwei Tage kam es zur Errichtung Hunderter den zurückzukehren»; ausserdem befahl er den Abzug der
von Barrikaden auf den Berliner Strassen und zu blutigen Truppen aus der Innenstadt. Er zeigte sich dem Volk mit
Strassenkämpfen, in denen das Militär – 14‘000 Mann und einer schwarz-rot-goldenen Armbinde und entblösste als
Zeichen der Demut sein Haupt vor den im Schlosshof auf-
gebahrten Opfern. Über die Wirkung der königlichen Bot-
schaft, dass die Truppen abgezogen würden, notierte The-
odor Fontane als Augenzeuge: «Alles jubelte. Man hatte
gesiegt, und die spiessbürgerlichen Elemente (natürlich
gab es auch glänzende Ausnahmen), die sich am Tag vor-
her zurückgehalten oder geradezu verkrochen hatten, ka-
men jetzt wieder zum Vorschein, um Umarmungen unter-
einander und mit uns auszutauschen, ja sogar Brüderküsse.
Das Ganze eine in den Epilog gelegte Rütliszene, bei der
man nachträglich die Freiheit beschwor, für die (wenn sie
überhaupt da war) ganz andere gesorgt hatten... Wenn die
Truppenjetzt zurückgingen, so war das kein von Seiten des
Volkes errungener und dadurch gefestigter Sieg, sondern
ein blosses königliches Gnadengeschenk, das jeden Au-
genblick zurückgenommen werden konnte, wenn’s dem,
der das Geschenk gemacht hatte, so gefiel...»

Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861) schrieb nach der Auflösung der


Preußischen Nationalversammlung und der dem Volk aufoktroyier-
ten neuen Verfassung (mit der Einführung des unseligen Dreiklassen-
Wahlrechts) an den preußischen Gesandten in England seine «Wahr-
heit»: «Gegen Demokraten helfen nur Soldaten.»

Rechte Seite: Burg Hohenzollern bei Hechingen auf dem Zollerberg


am Rande der Schwäbischen Alb, der Stammsitz der preußischen Kö-
nige, wurde unter Friedrich Wilhelm IV. zwischen 1850 und 1867
neugotisch umgebaut.

222
«Die sozialistischen Elemente»: vor allem in einer Flut von Presseerzeugnissen, wie Flug-
Die Anfänge der Arbeiterbewegung in Berlin blättern und mit Karikaturen gegen die Obrigkeit reich be-
stückten satirischen Zeitschriften und Zeitungen in Er-
Fontane sollte recht behalten. Doch das unmittelbare Er- scheinung trat. Einer der wenigen, die auf konservativer
gebnis der Märztage in Berlin war zunächst die Berufung Seite den Kampf der Arbeiter um gesicherte Existenz und
von Ludolf Camphausen (1803-1890), des massvollen Organisation der Arbeit in seiner ganzen Tragweite erkann-
Führers der rheinpreußischen Liberalen, an die Spitze ei- ten, war Joseph Maria von Radowitz (1797-1853), ein Füh-
nes «Ministeriums der Vermittlung» (schon ab Juni war rer der Rechten in der Frankfurter Nationalversammlung
Camphausen in Frankfurt als Befürworter einer Kaiser- und 1850 preußischer Aussenminister bis zur Olmützer
wahl des Preußenkönigs tätig), um die Ausschreibung von Punktation (29. November 1850). Dieser unterrichtete be-
allgemeinen und gleichen Wahlen für eine Preußische Na- reits vor den blutigen Märztagen in Berlin seinen König
tionalversammlung durchzuführen. Diese trat dann am 22. über die Arbeiterschaft: «Überlässt man sie sich selbst, so
Mai in der Berliner Singakademie (später im Schauspiel- sprengt sie unfehlbar den ganzen Bau der modernen Staa-
haus) zusammen, um eine liberale Verfassung für Preußen ten, welche politische Verfassung sie auch annehmen mö-
auszuarbeiten. Aber diese preußische Konstituante stand gen. Eben deshalb, weil sie ausserhalb der doktrinellen Po-
bald im Schatten der bekannten Ereignisse in der Frankfur- litik steht, gibt sie aber auch neue und grosse Mittel in die
ter Paulskirche, sie konnte zur Beruhigung der kritischen Hände des monarchischen Prinzips und vermag ein mäch-
Situation in Berlin wenig beitragen. Das ganze Jahr über tiges Gegengewicht selbst innerhalb des Repräsentations-
gab es dort immer wieder Strassenkämpfe, am 14. Juni systems abzugeben...» Nach der März-Revolution gab er
stürmte das Volk sogar das Zeughaus. Ausgelöst wurden dem König in einer Denkschrift folgende weitsichtigen
die Unruhen durch das immer dringlichere Problem der so- Ratschläge: «Die sozialistischen Elemente, die zum höchs-
zialen Frage, verschärft durch eine zunehmende Arbeitslo- ten Unglücke der Zeit in die Hände des politischen Radika-
sigkeit. Das Jahr 1848 wurde so zur Geburtsstunde der Ar- lismus gefallen sind, (sind) von demselben (zu) trennen.
beiterbewegung in Preußen und Deutschland, auch wenn Das Proletariat ist an sich genommen keineswegs republi-
diese noch nicht politisch straff organisiert war und nach kanisch; dies ist ein weitverbreiteter Irrtum. Jede Regie-
aussen in den wenigen Monaten politischer Wirksamkeit rungsform, die kühn und weise dessen Interessen in die

223
Ein frühes Foto-Dokument aus Berlin nach
dem preußischen Sieg im deutschen Bruder-
krieg über Österreich bei Königgrätz: die
Einzugsfeier mit einem Te Deum am 21.
September 1866 vor dem Schloss.

Rechte Seite: Der letzte Preußenkönig, Wil-


helm I., liess sich 1861 im Stil der Krönung
von Friedrich I. in Königsberg feiern; alle
seine Fürstentitel «von Gottes Gnaden»
zählt diese erste Seite eines preußischen
Adelsbriefes aus dem Jahr 1866 auf.

Hand nähme, das Progressivsteuersystem, das Gesamtar- Im Verlauf des Jahres 1848 wurden in der Berliner Ma-
menwesen, die Regulierung des Gegensatzes zwischen Ka- schinenbauindustrie von 11’000 Arbeitern 4’000 entlas-
pital und Arbeit voranstellte, hätte den gemeinem Mann für sen. Die Stadt und die Regierung organisierten Notstands-
sich und hiermit eine ungeheure Macht Es ist allerdings ein arbeiten wie zum Beispiel die Fertigstellung des 1840 ge-
gefährlicher Weg...» Radowitz stellte im April 1848 auch planten Friedrichshains. Auch am Landwehrkanal und in
ein Drei-Punkte-Programm auf, in dem er seine Gedanken den Rehbergen wurden Arbeitslose eingesetzt. Die Berli-
zur «Interessenvereinnahme» des Proletariats durch die ner Arbeiter scharten sich in Klubs zusammen, an deren
Regierung zusammenfasste: Bildung einer unabhängigen Spitze der Buchdrucker Stephan Born (1824-1898) sogar
Partei, welche die Sache des Rechtsstaates und des «freien ein «Zentralkomitee der Arbeiter» zur Vorbereitung einer
Königtums» führt; Belebung der lokalen Kräfte durch Arbeiterorganisation bildete. In ihrem ersten «Programm»
Selbständigkeit der Provinzen und Kommunen, durch De- war die eigene Unsicherheit über die Zielsetzung deutlich
zentralisation und Selbstverwaltung; Massnahmen zuguns- spürbar: «Und diese Macht der Arbeiter, ist sie wirklich so
ten des Proletariats. Später, viel zu spät, hat Otto von Bis- drohend, so gefahrvoll, als es die Furchtsamen, die Geizi-
marck in den siebziger und achtziger Jahren in seinem gen und die Ehrgeizigen, die Diener der Reaktion auf der
«Staatssozialismus» diese Gedanken wieder aufgegriffen, einen und die gedankenlosen Stürmer auf der anderen Seite
derselbe Bismarck, von dem der spöttische Satz überliefert meinen?» Vom 23. August bis 3. September fand in Berlin
ist: «Revolution? Revolutionen werden in Preußen nur von sogar ein Arbeiterkongress statt, dessen gemässigte Mehr-
Königen gemacht.» heit ein Manifest an die Frankfurter Nationalversammlung
richtete, in dem zu lesen stand: «Wir, die Arbeiter, sind

224
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‘ferrznq non ^rÇfrftrn, wir nurfi ihr 0Fiiffrlhift iBlith. C^enfî-
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f*gFmnnf,^rrr äff lande Boftnrlt, iShmiiwih lauenftnFß,

tlinn
von Natur die Stützen der Ruhe und der Ordnung, denn wir ich, dass man in der Geschichte des Absolutismus mit der
wissen sehr wohl, dass wir zum Leben vor allem der Ruhe alten Firma ‚von Gottes Gnaden‘ vollständig bankerott ge-
und Ordnung bedürfen. Wir reichen unseren Mitbürgern macht habe. Der Gesellschafter, ‚die Gottes Gnade‘, wel-
und unseren Gesetzgebern die Hand...» Die konservative che einstehen musste für die Verpflichtungen, scheint sich
«Kreuzzeitung», von Bismarck mitbegründet, hielt dem aus dem Geschäft ganz zurückgezogen zu haben, und
Angebot der Arbeiter am 8. Oktober 1848 aber die «wahre dadurch mag eben dasselbe vollständig Bankbruch erlitten
Staatsweisheit» entgegen, nach der es eine Tatsache sei, haben. Ich rate daher, wir nehmen die alte bankerotte
«dass das Kapitalisieren und Politisieren unmöglich Ge- Firma nicht in das neue Geschäft hinüber.» Mit 217 gegen
schäft derjenigen sein kann, deren Geschäft die Arbeit ist». 134 Stimmen stimmte dann die Preußische Nationalver-
sammlung für die Streichung des Terminus.
Das war zuviel für Friedrich Wilhelm IV., er schlug sich
nun endgültig auf die Seite der Reaktion. General Friedrich
Wilhelm Graf von Brandenburg (1792-1850), Sohn König
«Von Gottes Gnaden», die «alte bankerotte Firma»:
Friedrich Wilhelm IV. und die Preußische
Nationalversammlung

Die Preußische Nationalversammlung hatte inzwischen


den Entwurf einer Verfassung fertiggestellt, der im Okto-
ber 1848 auf demokratischen Boden gestellt werden sollte. Oben: Das Jahr 1848 war die Geburtsstunde der Arbeiterbewegung
Die Worte «von Gottes Gnaden» im Titel des Königs soll- in Deutschland und Preußen, auch wenn deren Organisation zur po-
ten aus der Eingangsformel gestrichen werden. In der De- litischen Kraft noch Jahrzehnte andauern sollte (im Bild der Eingang
zum 1847 gegründeten Eisenhüttenwerk von Borsig in Berlin-Moa-
batte darüber sagte der demokratische Abgeordnete und bit).
spätere Genossenschaftsführer Hermann Schulze-Delitz-
sch (1808-1883) die berühmten Sätze: «Man pflegt, wenn Rechte Seite: Die Gussstahlfabrik Krupp in Essen wurde das füh-
rende Industrieunternehmen in der preußischen Rheinprovinz mit
ein Handlungshaus bankerott geworden ist, die Firma nicht Weltgeltung in der Herstellung von Stahlwalzen und vor allem von
mit in das neue Geschäft hinüberzunehmen. Nun glaube Kanonen (im Bild die auf der Pariser Weltausstellung von 1867 ge-
zeigte Krupp’sche Riesenkanone).

226
Friedrich Wilhelms II. aus dessen morganatischer Ehe mit den, gegen den anrückenden Wrangel in den Kampf zu
Sophie Gräfin Dönhoff, war der von der Rechten gefor- schicken. Etwa 250 Mitglieder der Nationalversammlung
derte «starke Mann», der ab 2. November – nachdem er im befanden sich an diesem 10. November 1848 in der Sit-
Auftrag des Königs im Oktoberschon Breslau «befriedet» zung und stimmten schliesslich mehrheitlich dafür, der Ge-
hatte – mit Freiherr von Manteuffel ein neues Kabinett bil- walt zu weichen. Nach dem Zeugnis des Mitglieds Jodocus
dete, um die Zuständigkeit des Königs als alleiniger Sou- Donatus Hubertus Temme gab es nur zwei Stimmen für
verän gegenüber der Nationalversammlung wiederherzu- den Kampf gegen Wrangels Truppen. Temme schloss sei-
stellen. Am 3. November verweigerte der König unter dem nen Bericht mit der lapidaren Feststellung: «Die Revolu-
Druck der neuen Regierung einer Deputation der National- tion war vorüber.»
versammlung die Anhörung ihrer Einwände, worauf ihm
Johann Jacoby (1805-1877), Anhänger der Linken, aus Kö-
nigsberg stammend, später Mitglied der Fortschrittspartei
im preußischen Abgeordnetenhaus, Gegner der preußisch- «Gegen Demokraten helfen nur Soldaten»:
deutschen Einigung und ab 1872 Sozialdemokrat, zurief: die oktroyierte preußische Verfassung mit dem
«Das ist immer das Unglück der Könige gewesen, dass sie Dreiklassen-Wahlrecht
die Wahrheit nicht hören wollten!» Nach dem Beispiel der
Rückeroberung Wiens durch General Alfred Fürst zu Win- General Wrangel besetzte kampflos Berlin und verhängte
disch-Graetz (1787-1862) im Oktober 1848 erhielt von der über die Stadt den Belagerungszustand. Die Preußische
neuen Regierung Brandenburg-Manteuffel der Oberbe- Nationalversammlung wurde für den 27. November 1848
fehlshaber in den Marken, General Friedrich Graf von nach Brandenburg einberufen. Dann, am 5. Dezember
Wrangel (1784-1877) den Befehl, nach Berlin zu marschie- 1848, ordnete der König ihre Auflösung an. Der Staats-
ren. Dort stand die Nationalversammlung im Schauspiel- streich war komplett mit der Verkündung einer dem Volk
haus vor der Frage, die zu ihrem Schutz eingesetzte Berli- oktroyierten neuen Verfassung, die mit der Einführung des
ner Bürgerwehr mit ihren dreissigtausend Mann, der noch Dreiklassen-Wahlrechts die bürgerlichen Rechte nach Be-
elf- bis zwölftausend be waffnete Arbeiter zur Seite stan- sitz und Einkommen abstufte und «aus der gescheiterten
Revolution die allerhöchste und zugleich die allernied-
rigste Bilanz zog» (Günther Böhmer). Die gesamte wahl-

227
berechtigte Bevölkerung wurde ihrem Steueraufkommen «Untertanen können keine Krone vergeben»: Preußen
gemäss auf drei Wahlklassen verteilt. Dadurch konnte ein von 1849 bis 1866
Dutzend neureiche Bürger mehr Wahlmänner bestimmen
als rund hunderttausend Arbeiter; rückschrittlich wie nie Im Januar 1849 lehnte Friedrich Wilhelm IV. die ihm aus
zuvor schrieb der König an den befreundeten preußischen Frankfurt angetragene deutsche Kaiserkrone ab. In dem
Gesandten in England, Christian Freiherr von Bunsen entsprechenden Antwortschreiben an Grossherzog Karl
(1791-1860), der sich jahrelang bemüht hatte, den Herr- Friedrich von Sachsen-Weimar vom 10. Januar 1849 liess
scher für die freiheitlichen Gedanken Westeuropas zu ge- er an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: «Erlauben
winnen: «Man wollte dem Preußenkönig ein Hundehals- mir Eure königliche Hoheit jetzt zu fragen: ‚Was bietet
band umschnallen, das ihn unauflöslich an die Volkssou- man mir? Wer bietet mir?‘ Antwort: Eine Versammlung
veränität fesselte, ihn der Revolution von Achtundvierzig von pp. 600 ‚Untertanen’ der 38 deutschen rechtmässigen
leibeigen machte. Das ist nicht gelungen. Jedoch zum Ab- Obrigkeiten bietet mir eine sogenannte Krone. Diese
schied die Wahrheit: Gegen Demokraten helfen nur Solda- Krone ist, ihnen selbst bewusst, nicht die Krone, die das
ten.» Haupt des grossen Heinrichs von Sachsen oder Rudolfs

228
Ein seltenes Foto-Dokument vom Kriegsschauplatz 1870 in Frank-
reich: Preußen-König Wilhelm I. begrüsst am 28. August in Clermont
das Offizierskorps des königlich bayerischen 6. Infanterieregiments,
dessen Kommandant, Oberst Bösmiller (rechts neben Wilhelm I.)
dem König von Preußen seine Offiziere vorstellt (hinter Wilhelm I.
Kronprinz Friedrich, links vom König der preußische Kriegsminister
Albrecht Graf von Roon).

In den Reihen der preußischen Armee kämpften (nach der Heeres-


pflicht für preußische Juden ab 1845) 1870/71 auch Soldaten jüdi-
schen Glaubens: dieses anonyme Bild (Druck auf Tuch) erinnert da-
ran mit der Darstellung des Feldgottesdienstes am Jom-Kippur-Tag
(6. Oktober) 1870 vor Metz (Wehrgeschichtliches Museum Rastatt).

von Habsburg schmückte, ist nicht die tausendjährige


Krone deutscher Nation’, sondern eine Geburt des ‚scheu-
säligen’ Jahres 1848, nicht älter und nicht jünger. Die mag
Hecker oder Struve annehmen, aber kein Lothringer, kein
Wettiner, kein Welf, kein Hohenzoller. Sie ist wie das Aas
zu schlecht, um von solchen Händen berührt zu werden.
Untertanen können keine Krone vergeben. Das ist mein
Bekenntnis.» Mit der Entscheidung gegen die Kaiserkrone
und gegen die in Frankfurt entworfene Reichsverfassung
verhinderten die preußische Regierung und Friedrich Wil-
helm IV. auch ein mögliches Aufgehen Preußens in einem
«grossdeutschen» Reich. Die Weichen wurden in Richtung
einer «kleindeutschen» Lösung, einem deutschen Natio-
nalstaat aus den rein deutschen Ländern gestellt – wobei

229
Linke Seite: Diese österreichische
Karikatur aus einer Ausgabe des
Wiener «Kikeriki» des Jahres
1870 lässt keinen Zweifel über
«Deutschlands Zukunft» offen:
Die deutschen Staaten verschwin-
den alle unter Preußens Pickel-
haube, nachdem mit der preußi-
schen Reichsgründung die Fra-
gen der Zeit «durch Blut und Ei-
sen» (Bismarck) entschieden wor-
den waren.

Die deutsche Kaiserkrone nahm


Wilhelm I. von Preußen «erst
nach langen inbrünstigen Gebe-
ten» (Wilhelm I. an seine Gemah-
lin) an, sanft gedrängt von Otto
von Bismarck, dem ersten Kanz-
ler des neuen Reiches (im Bild in
Bad Ischl zusammen mit der Sän-
gerin Pauline Lucca, um 1870; ein
Foto, das vor hundert Jahren eine
Sensation war).

Preußen die Führungsrolle zufallen musste. Da aber Öster- fassunggebenden Norddeutschen Reichstag vereinbarte,
reich jetzt und später an der Erhaltung seines Vielvölker- am 17. April 1867 verkündete Verfassung trat am 1. Juli
staates im Rahmen einer «grossdeutschen» Lösung fest- 1867 in Kraft: Der König von Preußen hatte danach das
hielt, war die Konfrontation zwischen Preußen und Öster- Bundespräsidum mit dem Oberbefehl über das Bundesheer
reich programmiert. Der sich zuspitzende preußisch-öster- und der Leitung der auswärtigen Politik inne; der von ihm
reichische Gegensatz in den fünfziger und sechziger Jahren ernannte Bundeskanzler war sein einziger verantwortlicher
– angeheizt vom Motor der «kleindeutschen» Lösung, dem Bundesminister, ohne dass seine Verantwortlichkeit näher
ab 1861 als preußischer Ministerpräsident und ab 1867 als umrissen war. Als Organe der Gesetzgebung gab es den
norddeutscher Kanzler amtierenden Otto von Bismarck Bundesrat und den nach dem allgemeinen, gleichen und
(1815-1898) – führte 1866 zum deutschen Bruderkrieg, der geheimen Wahlrecht von 1849 gewählten Norddeutschen
mit dem preußischen Sieg bei Königgrätz entschieden Reichstag, dem auch das Recht der Haushaltsbewilligung
wurde. zustand. Diese Verfassung wurde dann auch – ergänzt und
erweitert – im Wesentlichen die Grundlage der Reichsver-
Der «unbekannte» preußisch-deutsche Staat: Der Nord- fassung des Kaiserreichs von 1871. In der deutschen Ge-
deutsche Bund von 1867 bis 1871 schichtsschreibung wurde dieser «unbekannte deutsche
Staat» (Titel einer 1970 vom Geheimen Staatsarchiv Preu-
Der unmittelbar nach Königgrätz am 18. August 1866 ge- ßischer Kulturbesitz Berlin veranstalteten Ausstellung)
gründete Norddeutsche Bund, bestehend aus der Führungs- immer nur als Zwischenglied, als Füllsel zwischen dem
macht Preußen und siebzehn norddeutschen Kleinstaaten, 1866 zerbrochenen Deutschen Bund und dem 1871 be-
dem noch das Grossherzogtum Hessen, das Königreich gründeten preußisch-deutschen Reich, also als Vorstufe
Sachsen sowie Reuss ä. L. und Sachsen-Meiningen beitra- zur Reichsgründung angesehen. Das geschah sicher zu Un-
ten, einigte vorerst die Staaten Deutschlands nördlich der recht, denn in der kurzen Geschichte des Norddeutschen
Mainlinie. Die zwischen den Regierungen und einem ver- Bundes – die noch nicht geschrieben ist – fielen viele

231
Die territorialen Veränderungen Preußens vor und nach
der Reichsgründung

Mit dem Norddeutschen Bund war nur der halbe Weg zur
deutschen Einheit zurückgelegt. Bismarck war 1866 so
weit wie möglich gegangen, ohne einen Krieg mit Frank-
reich zu riskieren; dieses aber stand nun einer weiteren
Ausdehnung Preußens im Wege. Erst die Situation, die
sich durch die spanische Thronkandidatur des Erbprinzen
Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen im Frühsommer
1870 ergab, bot Bismarck die Chance, den Widerstand des
westlichen Nachbarn militärisch niederwerfen zu lassen
und in der allgemeinen Siegeseuphorie sein Konzept einer
kleindeutschen Lösung unter der Hegemonie Preußens
durchzusetzen.
Wie aber hat sich Preußen seit dem Wiener Kongress bis
zur Reichsgründung 1871 territorial entwickelt und verän-
dert? Die Neuordnung des Königreichs nach 1815 kam erst
ab 1822 zum Tragen. Es bestand danach aus acht Provin-
zen; Brandenburg (ohne die Altmark), Pommern, Posen,
Preußen, Rheinland, Sachsen (mit der Altmark), Schlesien
und Westfalen. 1849 kamen Hohenzollern-Sigmaringen
und Hohenzollern-Hechingen durch einen Staatsvertrag
gemeinsam zu Preußen und wurden von der Provinz
Rheinland aus mitverwaltet; 1857 verzichtete der König
von Preußen auf Neuenburg (Neuchâtel), das als eigener
Kanton an die Schweiz zurückfiel, behielt aber weiterhin
den Titel «Fürst von Neuenburg». Schon 1853 hatte Preu-
ßen sein Land um das Jade-Gebiet erweitert; dort an der
Nordseeküste wurde dann 1856 der preußische Kriegsha-
grundsätzliche Entscheidungen, die auch die Geschichte fen Wilhelmshaven gebaut.
des Reiches wesentlich beeinflussten. Auch zeichneten Nach dem deutsch-dänischen Krieg 1864 wurde Dänemark
sich Probleme ab, die vier Jahre später akut wurden; die zur Herausgabe der Herzogtümer Schleswig, Holstein und
Haltung Europas zum Norddeutschen Bund als Keimzelle Lauenburg gezwungen, die Preußen zuerst gemeinsam mit
nationalstaatlicher Bestrebungen (vor allem die Position Österreich verwaltete, aber nach 1866 als Provinz Schles-
des misstrauischen Österreichs und Frankreichs), die Prob- wig-Holstein allein annektierte. Dieser Provinz wurde
lematik des Verhältnisses zu den süddeutschen Staaten 1876 Lauenburg, 1891 auch Helgoland angegliedert.
(unter Berücksichtigung des einzigen vereinenden Bandes Nach dem Sieg über Österreich und dessen süddeutsche
des erneuerten Zollvereins), die sich ankündigende Ausei- Verkündete von 1866 einverleibte sich Preußen die ehema-
nandersetzung des Staates mit den Kirchen und auch viele ligen Herzogtümer Nassau, Hessen-Kassel, Hessen-Hom-
innere Widerstände in den Staaten des Bundes selbst gegen burg und die Freie Stadt Frankfurt am Main – ergänzt um
die Vormachtstellung Preußens. Vorbereitet zur endgülti- einige thüringische und bayerische Orte – und vereinigte
gen Verwirklichung im Reich wurden bereits im Norddeut- diese Gebiete 1868 zur neuen preußischen Provinz Hessen-
schen Bund unter anderem die Gerichtsverfassung, die Zi- Nassau. Hannover mit Ostfriesland, Lingen, Osnabrück,
vil- und Strafprozessordnungen, die Bildung des Reichsge- Stade, Lüneburg und Hildesheim wurden gleichzeitig zur
richtes und auch die Vereinheitlichung des Eisenbahnver- preußischen Provinz Hannover zusammengeschlossen.
kehrs. In den vier Jahren führte so dieser Staat ein stark Preußen zählte damit insgesamt 23,6 Millionen Einwohner
ausgeprägtes Eigenleben. «Es war ein Provisorium; als sol- auf6 395 Quadratmeilen Bodenfläche. Es hatte nun den
ches gedacht, aber nicht angelegt, boten seine Formen doch grössten Gebietsumfang in seiner Geschichte erreicht und
die Möglichkeiten einer Weiterbildung ohne Bruch» (Ri-
chard Dietrich).

232
war schon aus diesem Grunde prädestiniert, die Führungs- Linke Seite: In den sechziger Jahren begannen mit dem Hobrecht-
rolle in Deutschland zu übernehmen. schen Bebauungsplan (1862) Berlins «Gründerjahre»; zwischen
1861 und 1868 erbaute Hermann Friedrich Waesemann das Rathaus
Stadtmitte, wegen seines roten Ziegelbaus auch «rotes Rathaus» ge-
nannt,dessen Turm und Ausmasse (99 x 88 Meter) auf das Londoner
Parlament als Vorbild hinweisen (Aufnahme aus dem Jahr 1868).
Wirtschaftsmacht Preußen: «Das deutsche Kaiserreich
eher auf Kohle und Eisen als auf Blut und Eisen gebaut»

Diese Führungsrolle fiel Preußen aber auch deshalb zu,


weil es sich im 19. Jahrhundert zu einer Wirtschaftsmacht
von europäischem Rang entwickelt hatte. Von 1850 bis
1880 sank der Anteil der Landbevölkerung in Preußen von
72 auf 64 Prozent. In der gleichen Zeit hat sich die Koh- Der Breslauer Ferdinand Lassalle (1825-1864) gab den Anstoss zur
Gründung des «Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins» am 23.
leförderung fast vervierfacht, die Zahl der Gruben verdop- Mai 1863 in Leipzig, aus dem sich später die Sozialdemokratische
pelt; auch die Eisen- und Stahlproduktion stieg von 1860 Partei Deutschlands entwickelte (Foto mit dem Porträt von Lassalle
bis 1875 auf das Vierfache an. Ganz Europa staunte über und dem Anfang der Statuten des Arbeitervereins).
die Leistungsfähigkeit der preußischen Zechen, die im
Durchschnitt achthundert Arbeiter beschäftigten. Dank der
Unternehmensorganisation in Aktiengesellschaften war an
der Ruhr eine Konzentration der grossen Gesellschaften
möglich geworden, deren Zahl von 300 im Jahr 1858 auf
200 im Jahr 1870 zurückging. Gleichzeitig wurden die
Produktionsverfahren ständig verbessert und auf den je-
weiligen modernsten Stand gebracht: So wurde 1840 das
Eisen noch zu 90 Prozent mit Hilfe von Holzkohle gewon-
nen, schon 1860 wurde es zu 88 Prozent verkokt.
In vergleichbarem Tempo vollzog sich auch die Mechani-
sierung der Industrie. In den fünfziger Jahren wuchsen in
Preußen die Fabrikschornsteine wie die Pilze. An den ers-
ten grossen Eisenbahnschienenstücken zwischen Köln,
Krefeld und Dortmund entstanden die Schwerpunkte der
Eisenindustrie. Im Osten entwickelte sich im Dreieck Ber-
lin-Magdeburg-Leipzig ein weiteres Industriezentrum. In
den sechziger Jahren ging in Norddeutschland die Einfuhr
von Eisen von 125’000 auf 100’000 Tonnen zurück, wäh-
rend die Produktion von 400’000 auf 900’000 Tonnen an-
stieg. So kam Preußen bald in die gleiche Lage wie die
führende europäische Industrienation England: Es musste
Rohstoffe und Lebensmittel einführen und sich Märkte für
Fertigwaren öffnen. Durch die Reorganisation der Wäh-
rung sollte die internationale Konkurrenzfähigkeit verbes-
sert und der Aussenhandel gestärkt werden.
Das Anwachsen von Industrie und Handel in Preußen
führte etwa ab 1862 zu einem regelrechten «Wirtschafts-
krieg» mit Österreich und den süddeutschen Staaten, der
durch das geplante Projekt eines preußisch-französischen
Handelsvertrages zugunsten Preußens entschieden wurde.
Preußen beherrschte die Verbindungen zur Nord- und Ost-

233
see, aber auch die wirtschaftlichen «Lungen» Süddeutsch- che Staatssekretär Kardinal Antonelli mit dem Schre-
lands. In wenigen Monaten wurde das alte Statut des Zoll- ckensruf «Casa il mondo» (Die Welt stürzt ein!) kommen-
vereins durch ein neues ersetzt, in dem jedes deutsche tiert hatte, zerstörte tatsächlich endgültig die alte Welt, die
Land durch eine im Verhältnis zu seiner Bevölkerung ste- 1815 mit so viel Mühe restauriert worden war: die Hege-
hende Anzahl von Stimmen vertreten wurde, wobei die monie Habsburgs über Mitteleuropa ging an Preußen ver-
Stimmenmehrheit im neuen Zollparlament entschied. loren. «Europas Mitte wurde von einem konservativen
Schon Wochen vor dem militärischen Sieg über Österreich Staatsmann revolutioniert, der für eine militärische Monar-
bei Königgrätz hatte Preußen auf dem Felde der Wirtschaft chie handelte. Die Vereinigung einer so grossen wirt-
die Basis für die Entscheidung zu seinen Gunsten gelegt. schaftlichen und militärischen Macht unter einer autoritä-
Ebenfalls schon in den sechziger Jahren wurde auch von ren, im Grunde schon anachronistischen Regierung im
Seiten Preußens mit seinen stärkeren wirtschaftlichen Herzen Europas sollte für die Weltgeschichte fatale Folgen
Trümpfen das im deutschen Süden so heftig kritisierte haben. Das nächste derart entscheidende Jahr in der Ge-
Schauspiel von Versailles am 18. Januar 1871 vorbereitet. schichte Deutschlands war 1945, als im Zusammenbruch
Bismarcks bekannter Satz, nach dem «nicht durch Reden des Grossdeutschen Reichs Preußen vernichtet wurde»
und Majoritätsbeschlüsse die grossen Fragen der Zeit ent- (Fritz Stern).
schieden werden, sondern durch Blut und Eisen», den er
1862 prägte, war zu dieser Zeit eigentlich schon ad absur-
dum geführt durch die bereits gewonnene Wirtschaftshe- Das Kaiserreich, eine grosspreußische Gründung «gegen
gemonie Preußens in Deutschland. Der britische Volks- den Geist der Zeit»
wirtschaftler John Maynard Keynes (1883-1946) hat die
Fakten später richtiggestellt. «Das deutsche Kaiserreich ist 1866 und 1871 war das alte Preußen der überragenden Ko-
eher auf Kohle und Eisen gebaut als auf Blut und Eisen.» lonisationsleistungen und des «Allgemeinen Landrechts»,
Der preußische Sieg bei Königgrätz 1866, den der päpstli- der Aufklärung und Toleranz endgültig einem neuen Preu-
ßen gewichen, einem Preußen mit konservativer Grund-

234
Linke Seite: Dieses «Berliner Zimmer», gemalt 1865 von Paul
Graeb, zeigt den Wohnstil des Berliner Bürgertums in der Gründer-
zeit, der in den nachfolgenden Jahrzehnten noch prunkvoller wurde.

Zu den Mitgliedern des Berliner Dichterclubs


«Tunnel über der Spree», dessen Chronist Theo-
dor Fontane wurde, gehörte in der Jahrhundert-
mitte auch der Maler Adolph von Menzel; von
ihm stammt diese Skizze, die er 1855 an den in
London weilenden Fontane schickte (Menzel in
der Mitte, links und rechts die «Tunnel»-Mitglie-
der Karl Bormann und Bernhard von Lepel).

haltung und einer Verfassungskonstruktion, die zu einer verteidigten.»


fatalen Verselbständigung des militärischen gegenüber Auch die Tatsache, dass der ehemalige «Kartätschenprinz»
dem politischen Denken führte. Das 1871 von Bismarck von 1848 und Führer der preußisch-hessischen Operations-
begründete neue «kleindeutsche» Reich war ein «Bund der armee, die 1849 die Volksaufstände in der Pfalz, Baden
regierenden Fürsten», kein Volksstaat, und entsprach da- und Sachsen niedergeschlagen hatte, nun als preußischer
mit nur zum Teil den Vorstellungen der Frankfurter Nati- König Wilhelm I. und Kaiser des neuen Reichs mit dem
onalversammlung. Freilich war es auch ermöglicht worden «anmassenden, skrupellosen» (Lord Granville, 1871)
durch die politische Lethargie des deutschen Bürgertums, Kanzler Bismarck an der Spitze dieses preußisch-deut-
das sich lieber um wirtschaftliches Engagement als um po- schen Reichs stand, liess in weiten Kreisen des liberalen
litischen Einfluss bemühte. Dieses neue Reich war somit Bürgertums, aber auch in den nicht preußischen Reichslän-
fraglos eine grosspreußische Gründung «gegen den Geist dern keine rechte Begeisterung aufkommen. Versöhnend
der Zeit» (Johannes Zie- kursch). Bei der Beurteilung der wirkte allenfalls seine zögernde Haltung bei der Kaiserkrö-
preußischen Geschichte sollte deshalb, in die Zukunft des nung. Er, der sich als letzter Preußenkönig 1861 noch mit
preußisch-deutschen Reiches projiziert, die Kritik «über- allem Pomp, wie einst Friedrich I. in Königsberg, selbst
wiegen», wie der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Weh- gekrönt hatte, wehrte sich nämlich hartnäckig gegen die
ler 1979 zusammenfasste: «Nicht aufgeklärte Redakteure Annahme der Kaiserkrone: «Wie soll ich es mit meinem
und Juristen, nicht Königsberger Philosophen oder Hallen- Preußenherz erleben, den Königstitel, der so Grosses er-
ser Nationalökonomen, nicht Toleranz und ökonomische reicht und geschaffen, zurücktreten zu sehen vor dem ‚Kai-
Erfolge haben, was die historische Gesamtwirkung angeht, ser’, der Jahrhunderte lang dem Preußischen feindlich ent-
den Ausschlag gegeben, sondern der Interessenegoismus gegenstand?» Vielleicht ahnte er, dass diese höchste
der Junker, die Illiberalität der Bürokratie, der Starrsinn Würde dem Haus der Hohenzollern Unheil bringen würde.
des Militärs, der reaktionäre Anachronismus von Politi- Erst das Drängen des ehrgeizigen Sohnes und der Druck
kern..., die das Dreiklassenwahlrecht als ihr Non-plus-ultra Bismarcks veranlassten ihn schliesslich zum Nachgeben.

235
9£Z
Seiner Gemahlin schrieb er: «Erst nach langen inbrünsti- Haltung Bismarcks gegenüber diesem Problem. Interes-
gen Gebeten, mit denen ich mich an Gott gewandt, habe siert verfolgte Bismarck in den Jahren der Stille nach dem
ich Fassung und Kraft über den Schmerz gewonnen, den Sturm von 1848/49, in denen die Arbeiterschaft innenpoli-
preußischen Titel verdrängt zu sehen.» Mit den Jahren je- tisch ihren engeren Zusammenschluss zu einer freien Or-
doch fand Wilhelm I. sich in seine neue Stellung, zumal ganisation vorbereitete, den immer stärker hervortretenden
ihm Bismarck die politische Hauptarbeit und den ihm so Gegensatz zum Bürgertum. Mehrmals dachte er daran, die
verhassten Ärger mit dem Reichstag abnahm. Er konnte Kraft der Arbeiterbewegung gegen das allzu schnell reich
sich in Ruhe um sein geliebtes Militär kümmern, um das und mächtig werdende Bürgertum zu nutzen, falls dieses
Exerzierreglement, um Feldmanöver, um den Ausbil- sich weiterhin gegen die vom König von Preußen verlang-
dungsplan der Soldaten, um Disziplinarstrafen und Kaval- ten militärischen Massnahmen für die geplante Einigung
lerieübungen, um alle die Fragen, über die er später zwei Deutschlands sträuben sollte. Sicher betrauerte Bismarck
dicke Bücher unter dem Titel «Militärische Schriften» ver- deshalb auch den sinnlosen Tod des unglücklichen Ferdi-
öffentlicht hat. nand Lassalle (1825-1864) im Duell – wohl mehr als etwa
Karl Marx. Bismarck nämlich schätzte Lassalle als anre-
genden Gesprächspartner, Marx aber hatte diesem immer
vorgeworfen, er arbeite mit dem Bürgertum zusammen
und setze seine Hoffnungen auf eine so bürgerliche Ein-
Die soziale Frage: «Das einzige Mittel, den Bismarck richtung wie z.B. das allgemeine Stimmrecht – von seiner
& Comp. loszuwerden...» persönlichen Aversion gegen den «jüdischen Nigger», ge-
gen den «Don Juan und revolutionären Kardinal Riche-
Die Haltung des neuen Preußen und seiner Führer gegen- lieu» ganz zu schweigen. August Bebel (1840-1913) no-
über der Arbeiterbewegung ab 1848 war identisch mit der tierte später über Lassalle: «Ihm genügte nicht der Beifall
der Masse, er legte grosses Gewicht darauf, Männer von
Ansehen und Einfluss aus dem bürgerlichen Lager auf sei-
ner Seite zu haben...» Immerhin zeigte Lassalle im Ver-
Linke Seite: Aus der grossen Zahl mittelmässiger Maler, die sich mit
Vorliebe der von Kaiser Wilhelm II. später so geschätzten Historien-
gleich zu Marx mehr Realitätssinn, was die Tagespolitik
malerei widmeten, ragte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betraf, und mehr Treffsicherheit in seinen Zukunftsper-
in Berlin das Genie des Breslauers Adolph von Menzel (1815-1905) spektiven, denn sein politisches Ziel hiess schon damals:
heraus, den Fontane liebevoll einen «ganz grandiosen kleinen
allgemeines Wahlrecht und ein «socialdemokratischer
Knopp» nannte (Menzel mit grossem Biedermeierhut im Jahre 1837,
ein Aquarell von Eduard Magnus). Freistaat».
Lassalle war ein radikaler Intellektueller mit grossem per-
Einer der vielen Historienmaler, deren Bilder in der wilhelminischen sönlichen Ehrgeiz. Er gab den Anstoss zur Gründung des
Ära sehr beliebt wurden, war Carl Röchling, von dem dieses Ge-
mälde einer Parade des österreichischen Infanterie-Regiments 34 vor
König Wilhelm 1. im Jahr 1864 in Berlin stammt.

237
«Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins» am 23. Mai marcks als einen Erfolg der liberalen Bewegung. Der neu-
1863. Wenige Tage später schickte er an Bismarck «die gewählte Reichstag 1871, in den unter dem Eindruck des
Verfassung meines Reichs», die Statuten des neugegrün- «Kommune»-Aufstandes in Paris nur noch zwei Sozialis-
deten Arbeitervereins, mit folgendem Schlusssatz im Be- ten (Bebel und Schraps) gewählt wurden, war demnach für
gleitbrief: «Ein Feind, aber ein offener und ehrlicher Feind die Sozialisten nicht unbedingt der legitime Träger der
des bestehenden Systems, fühle ich mich, da Euer Exzel- Staatsgewalt, denn die Klassenwahlrechte blieben ja in
lenz einmal meine Ansichten zu hören gewünscht haben, Preußen und den anderen Bundesländern bestehen. Die
in meiner Loyalität genötigt, diese offen auszusprechen...» erste Freude über die deutsche Einigung, die auch bei den
Noch im Januar 1864 verhandelte er mit Bismarck über ei- Sozialisten teilweise zu beobachten war, wich somit sehr
nen Ausgleich zwischen der Regierung und der Arbeiter- schnell einer tiefen Enttäuschung, später sogar Verzweif-
schaft – ohne Ergebnis. lung, als Bismarck seinen Kampf gegen die als «vater-
Wenige Monate später war Lassalle tot. Die von ihm ge- landslose Gesellen» diffamierten Sozialisten begann. Man-
prägte Arbeiterbewegung folgte in den nächsten Jahren cher erinnerte sich an die prophetischen Worte ihres preu-
wieder eher den radikalen Theorien von Karl Marx. Einer ßischen Genossen Julius Freese, die dieser auf dem Frank-
ihrer führenden Vertreter, Fritz Reuter (1810-1874), furter Abgeordnetentag kurz vor Königgrätz gesprochen
schrieb 1864: «Da sitze ich nun schon an die dreissig Jahre, hatte: «Nur dann wird Preußen frei, wenn es in Deutsch-
bis mir das Haar grau geworden ist, und warte auf eine lands Dienste tritt; wenn Sie aber Deutschland in
tüchtige Revolution, in der sich der Volkswille einmal Grosspreußen aufgehen lassen, dann sei Gott denen gnä-
energisch dokumentieren soll, aber was hilft’s? Wenn doch dig, die das Regiment sehen, welches dann über Preußen
das preußische Volk wenigstens zur Steuerverweigerung und Deutschland ergehen wird.»
griffe, es ist das einzige Mittel, den Bismarck & Comp.
loszuwerden und den alten König totzuärgern.» Denn
selbst für Wilhelm von Ketteier (1821-1877), den Bischof «Wat soll denn nu fürn Stil dran?»:
von Mainz, der sich ebenso wie Adolf Kolping (1813- Berlins Ausbau zur Hauptstadt des Kaiserreichs
1865), der Begründer der katholischen Gesellenvereine
(1849), früh um die soziale Frage ernsthafte Gedanken Die städtebauliche Entwicklung der künftigen Hauptstadt
machte und mit Lassalle korrespondierte, stand schon 1864 des Kaiserreichs lag nach dem Tod Karl Friedrich Schin-
fest: «Das, was diese Massen des Volkes, was diese Arbei- kels im Jahre 1841 in den Händen des Berliner Polizeiprä-
ter und Arbeiterinnen vom Morgen bis Abend denken, sa- sidenten, lag also letztlich in der Zuständigkeit des Staates.
gen und empfinden, was sie und ihr Leben wahrhaft an- Grundlage für die neue Entwicklung war die Bauordnung
geht, was ihre Lage und ihre wesentlichsten Lebensbedürf- von 1853 und der vom städtischen Baubeauftragten James
nisse verbessert und verschlechtert, wird in Wahrheit in al- Hobrecht 1862 abgeschlossene Bebauungsplan, der in der
len politischen Tagesfragen kaum berührt.» zweiten Hälfte des Jahrhunderts erst richtig zum Tragen
Als 1867 dann die ersten Arbeitervertreter – Bebel und kam, als auch für die rasch wachsende Bevölkerung mit
Wilhelm Liebknecht (1826-1900) für die «radikal-demo- dem Humboldthain (1870-1883), dem Treptower Park
kratischen» Sozialisten und Jean Baptiste von Schweitzer (1867-1882) und dem Kleinen Tiergarten (1876), nach den
(1833-1875) für die «Lassalleaner» – in das Parlament des Ideen von Peter Joseph Lenné (1789-1866) von Gustav
Norddeutschen Bundes gewählt wurden und 1869 gegen Meyer gestaltet, grosse Parkanlagen entstanden. Mit dem
die «Lassalleaner» die «Sozialdemokratische Arbeiterpar- Hobrechtschen Bebauungsplan begannen in Berlin die
tei» in Eisenach gegründet wurde (die «Eisenacher»), be- «Gründerjahre», in denen die umliegenden Dörfer an die
gann der «Kampf zwischen den beiden sozialistischen Stadt heranrückten und langsam mit dieser zusammen-
Fraktionen», der «nunmehr heftiger als je entbrannte» (Be- wuchsen. Rixdorf zählte bereits 1860 4090 Einwohner (im
bel). Erst das Jahr 1875 brachte das Ende dieser Auseinan- Jahr 1800 hatte es noch 695), Wilmersdorf hatte 1027
dersetzung, beide Fraktionen vereinigten sich zur «Sozia- (285), Schöneberg 7702 (278), Tempelhof sogar 5873 Ein-
listischen Arbeiterpartei Deutschlands», die ab 1890 in wohner gegenüber 241 sechzig Jahre zuvor.
«Sozialdemokratische Partei Deutschlands», SPD, umbe- Um 1850 lebten in Berlin etwa 450’000 Einwohner in
nannt wurde. 9’000 Gebäuden; im Durchschnitt wohnten also in jedem
Die Mehrheit der Sozialisten sah in der Reichsgründung Berliner Haus 48 Personen. Die Wohnhäuser waren damals
eher das Ergebnis der skrupellosen Machtpolitik Bis- in der Mehrzahl nur zweistöckig. Und da jedes Berliner

238
Haus wegen der Fundamentierung im Sandboden tiefe (1843-1915), die noch unter Wilhelm II. von dessen Vor-
Keller bekam, wurden aus diesen sehr bald die bekannten liebe für dieses Genre profitierten, als weitaus begabtester
Kellerwohnungen, in denen sich die kinderreichen Fami- der Breslauer Adolph von Menzel (1815-1905) genannt
lien drängten und deren «Milljöh» sich der Volkszeichner werden. Er hat auch in anderen Gattungen der bildenden
Heinrich Zille später annahm. Die Mieten stiegen 1850 um Künste, als Illustrator und Zeichner, dank seines grossen
ein Viertel gegenüber dem Stand von 1830, zehn Jahre spä- technischen Könnens einen hervorragenden Platz einge-
ter waren sie schon um die Hälfte höher – und die Steige- nommen. Theodor Fontane nannte Menzel einen «ganz
rung hielt weiter an. grandiosen, kleinen Knopp», und Max Liebermann (1847-
Der Schinkel-Stil in der Architektur Berlins wurde ab etwa 1935) sagte später, er sei «grossartig und schrecklich» ge-
1850 kaum mehr weiterentwickelt, denn «man behandelte wesen. Das «Zyklopchen» Menzel, wie ihn seine Bewun-
ihn nach Schinkels Tod wie ein Museumsstück» (Walther derer zärtlich nannten, war eigentlich schon 1850 mit Bil-
Kiaulehn). Lediglich mit dem Neuen Museum, von Fried- dern wie dem «Flötenkonzert» einer der ersten «Impressio-
rich August Stüler (1800-1865) zwischen 1841 und 1850 nisten» – zwanzig Jahre bevor die Franzosen Monet, Manet
erbaut, und der Nationalgalerie, von Johann Heinrich und andere diesen Stil überhaupt erfanden und benannten.
Strack (1805-1880) zwischen 1865 und 1869 erbaut, Kein Berliner Kunstkritiker hat je diese Tatsache vermerkt.
wurde Schinkels Konzeptweiterverfolgt. Diese Bauten Der sonst sehr wortkarge Maler meinte dazu sarkastisch:
brachten den ersten Abschnitt des Ausbaus der Berliner «Die Kunst wäre besser, wenn die Kritik besser wäre!»
Museumsinsel. Die Schinkel-Schule zeichnete teilweise Menzel hat fünf preußischen Königen mit seiner Kunst ge-
auch noch für den Wohnbau verantwortlich, bei dem man dient; er hat vor allem Friedrich II., der im 19. Jahrhundert
vor allem in den vierziger Jahren unter Friedrich Hitzig schon in die Legende eingegangen war, wieder zum Leben
(1811-1881) im Tiergartenviertel, später auch in den Vil- erweckt. In der Tat: «Die Hohenzollern mussten dem schle-
lenkolonien im Südwesten, zu einfacheren Formen über- sischen Gnom dankbar sein. Mit dreizehn Jahren hatte er
ging. Wichtigster Vertreter der Berliner Architektur war
Martin Gropius (1824-1880), der in seinen Villenbauten
kubische Formen anstrebte. Monumentalform einer sol-
chen Villa war das von ihm erbaute Kunstgewerbemuseum
(1877-1881), das sich in der Fassadengestaltung deutlich
an Renaissanceformen orientierte und damit von Schinkel Gaspard Félix Nadar (1820-1910) zeichnete diese Karikatur von Jac-
ques Offenbach (1819-1880), dem «exzentrischen Cellisten» aus
absetzte. Von der Baustelle eines solchen Wohnpalastes Köln, der von 1860 bis 1870 mit seiner Kleinbühne «Bouffes Parisi-
am Kurfürstendamm ist die Frage des Maurerpoliers an ennes» seine neuen Operetten in Berlin aufführte.
den Bauherrn überliefert: «Der Rohbau steht, wat soll denn
nu film Stil dran?»

Menzel, das «Zyklopchen» und Berlins Bildhauer um


die Jahrhundertmitte

Der wachsende Wohlstand des Bürgertums in Preußen gab


in Berlin und anderen Städten vielen Porträtmalern Arbeit
und Brot. Aus der langen Reihe dieser Maler seien ge-
nannt: Friedrich Georg Weitsch (1758-1828), Eduard
Magnus (1799-1872), Carl Begas (1797-1854), dessen
Sohn Oskar Begas (1828-1883) und Ludwig Knaus (1829-
1910). Franz Krüger (1797-1857) ragte dabei als Darsteller
von Paraden und Szenen aus der Berliner Gesellschaft be-
sonders hervor; sein bester Schüler war Carl Steffeck
(1818-1890). Auf dem weiten Feld der Historienmalerei
muss vor Malern wie Wilhelm Camphausen (1818-1885),
Georg Bleibtreu (1828-1892) und Anton von Werner

239
den Zeichenstift in die Hand genommen, erst der Neunun- Jahre vor (Friedrich) Spielhagens (1829-1911) ‚Problema-
dachtzigjährige legte ihn wieder beiseite, und viel von die- tische Naturen‘ erschien die russische Vision einer proble-
ser langen Arbeit hatte den Hohenzollern gegolten» matischen Natur, der ‚Oblomow’; zwei Jahre vor der
(Walther Kiaulehn). Als Kaiser Wilhelm II. den Sarg Men- ‚Ägyptischen Königstochter‘ von (Georg) Ebers (1837-
zels zu Fuss begleitete, hat er damit wenigstens einen Teil 1898) schuf Flaubert sein Gemälde des alten Orient in ‚Sa-
der Dankesschuld der Hohenzollern abgetragen. Immerhin lammbo’; zwei Jahre nach ‚Soll und Haben‘, der Psycho-
ist diese Ehrung eines Künstlers durch seinen König vorher logie des zeitgenössischen Bürgertums, trat dasselbe
nur Velasquez zuteilgeworden. Thema in französischer Fassung ans Licht in Madame
Ohne Menzels zeichnerische Vorlagen hätte auch der Bild- Bovary’...»
hauer Christian Daniel Rauch (1777-1857) sein Denkmal Das musikbegeisterte Berlin dagegen erlebte um die Jahr-
Friedrichs II. kaum modellieren können. Dessen Schüler in hundertmitte eine besondere Attraktion. Durch einen in der
der zweiten Generation fanden um die Jahrhundertmitte in Musikgeschichte bis dahin seltenen und erstaunlichen Ver-
der Skulptur zu einem eher theatralischen Stil. «In der Jahr- trag sicherte der Theaterdirektor Friedrich Wilhelm Deich-
hundertmitte prägt Antike nicht mehr das Menschenbild, mann die alleinigen Aufführungsrechte für Berlin an den
bleibt aber als Bildungszitat im Bereiche akademischer bisherigen wie auch zukünftigen Werken eines Komponis-
Kunst verfügbar», schrieb 1979 Peter Bloch und verweist ten für seine Theater (Kroll’sches Etablissement und Fried-
auf folgende Beispiele der Berliner Bildhauerei in dieser rich-Wilhelmstädtisches Theater). Jener Komponist kam
Zeit: auf Reinhold Begas’ (1831-1911) Frühwerk «Amor aus Paris, war in Köln geboren und nannte sich Jacques
und Psyche» von 1857, Karl Steinhäusers «Psyche» (um (Jakob) Offenbach (1819-1880). Damit bekam Berlin sein
1845), die «Amazone» (1843) von August Kiss (1802- erstes Operettentheater, und am 18. Mai 1860, ein Drei-
1865) und den «Löwenkämpfer» (1861) von Albert Wolff vierteljahr vor der Wiener Erstaufführung, konnten die
(1814-1892) auf den Treppenwangen des Alten Museums. Berliner erstmals den Cancan-Wirbel aus «Orpheus in der
Weitere Vertreter dieser Generation waren Friedrich Scha- Unterwelt» erleben. Im Publikum sassen hauptsächlich äs-
per (1841-1919) als Schüler von Albert Wolff und Karl Be- thetisierende Salonlöwen in den damals modischen engen,
gas d. J. (1845 bis 1916) als Schüler von Reinhold Begas ungebügelten Hosen, Bürgerstöchter mit Krinolinen und
sowie Alexander Calandrelli als Schüler Friedrich Drakes korsettierte Leutnants. Dieses «gehobene» Publikum war
(1805-1882). immerhin so zahlreich, dass im Dezember 1860 im
Kroll’schen Etablissement die hundertste Aufführung des
«Orpheus» stattfinden konnte. In den folgenden Jahren
Literatur und Musik um die Jahrhundertmitte: spielte Offenbach mit den Künstlern seiner eigenen, mit
von Fontane zu Offenbach französischen Solisten besetzten Kleinbühne «Bouffes Pa-
risiennes» in langen Gastspielen in Berlin die meisten sei-
Die Literatur in Preußen zwischen 1848 und 1870 ist von ner Operetten, die damals noch Singspiele oder «Mu-
wenigen grossen Namen geprägt. Theodor Fontane (1819- siquettes» hiessen. Während des Krieges 1870/71 wurde
1898) begann 1862 mit der Niederschrift seiner «Wande- dann Offenbach von den Berliner Hurrapatrioten als Fran-
rungen durch die Mark Brandenburg» (bis 1882), von Wil- zose verfemt, in Paris dagegen sah man ihn als Deutschen
helm Raabe (1831-1910) erschien 1856 «Die Chronik der an. Offenbach beendete daher mit einem Brief vom März
Sperlingsgasse», Theodor Storm (1817-1888) veröffentli- 1871 an seinen deutschen Verleger die Vertragsbindung
che 1850 den Roman «Immensee», von Gustav Freytag mit Berlin: «Ich hoffe, dass dieser Wilhelm, Krupp und
(1816-1895) kam 1855 der Roman «Soll und Haben» und sein schrecklicher Bismarck das alles bezahlen werden.
1862 das klassische kulturgeschichtliche Werk «Bilder aus Ah’ – schreckliche Leute, diese Preußen! . . . Ich werde
der deutschen Vergangenheit» heraus, und Paul Heyse niemals wieder in dieses verfluchte Land reisen!»
(1830-1914) veröffentlichte 1870 die Novelle «Der letzte
Kentaur». Im Übrigen gilt für die erzählende Literatur in
Preußen damals, was Egon Friedell über die gesamte deut-
sche Literatur dieses Zeitraums schrieb: «Im Ganzen ge-
nommen, zeigt die deutsche Literatur jener Zeit gegenüber
der des Auslands einen erstaunlichen Tiefstand. Zwei

240
X. Der Anfang vom Ende Preußens: Eigenstaatlicher Nieder-
gang und industrielle und kulturelle Blüte im Kaiserreich

Von 1871 bis 1918

Von dem Berliner Philosophen und Soziologen Georg «Die deutsche Uhr für hundert Jahre richtiggestellt»:
Simmel (1858-1918) stammt der Ausspruch: «Es ist nie der konservativ-preußische Reichskanzler
was in der Welt so gekommen, wie die Propheten und die
Führer meinten und wollten, aber ohne die Propheten und Auch als Reichskanzler blieb Otto von Bismarck (1815-
Führer wäre es überhaupt nicht gekommen.» Bismarck war 1898) ein Preuße. Er meinte «die deutsche Uhr für hundert
einer dieser Propheten und Führer, er hat 1871 eigentlich Jahre richtiggestellt» zu haben; er glaubte, dass dieses
drei Staaten auf einmal geschaffen, die aber auf lange Sicht Grosspreußen, das nun seinen grössten Gebietsumfang er-
nicht zusammenpassen konnten: ein Grosspreußen, dann reicht hatte, ohne weitere Eroberungsgelüste so bestehen
den lange Zeit vom Bürgertum herbeigesehnten deutschen bleiben sollte. Tatsächlich war seine Politik von 1871 bis
Nationalstaat und schliesslich ein neues Deutsches Reich, 1890 auf Ausgleich und Friedenssicherung bedacht. Bis-
das sich anschickte, die Hegemonie über Europa zu errin- marcks Abneigung gegen die spätere Kolonialpolitik (ab
gen. Bismarck hat so von Anfang an seine Staatsschöpfung 1884), gegen den Ausbau der Flotte und seine ständigen
mit einer Hypothek belastet, die letztlich von ganz Bemühungen die alte «Allianz der drei schwarzen Adler»
Deutschland 1945 eingelöst werden musste. Sebastian im Dreikaiserbündnis zwischen Preußen, Russland und
Haffner meint dazu: «Das Staatsgebilde, das er geschaffen Österreich zu erhalten, das alles stand in der Tradition der
hatte, verlangte an seiner Spitze ständig einen politischen alten konservativ-preußischen Politik, wie sie seit dem
Genius, um zu funktionieren und lebensfähig zu bleiben. Wiener Kongress praktiziert worden war.
Das heisst aber: Es war im Grunde lebensunfähig.» Ob Bis- Freilich galt diese alte, konservativ-preußische Haltung
marck sich bewusst war, dass er ein Grossteil Verantwor- Bismarcks auch für die innere Entwicklung des Deutschen
tung trug für jenes «Deutschland des Gelddurstes und Gel- Reichs. Nicht von ungefähr blieb Preußen auch im Reich
tungshungers, der Selbstherrlichkeit und Selbstsucht, der bis 1918 der klassische Obrigkeitsstaat, dessen Bürger
flachen Fassade und falschen Stukkatur, das aus der Eitel- mehrheitlich von einer als typisch empfundenen Unterta-
keit geboren wurde» (Egon Friedel!)? Solange er selbst die nenmentalität geprägt waren. Konservativ-preußisch war
Zügel führte, kaum. Die Entwicklung, die sein politisches auch sein reformatorischer Eifer im Kampf gegen die
Geschöpf später in der «wilhelminischen Ära» nahm, hätte «schwarze Internationale» (Friedell), im sogenannten
er vermutlich nicht gebilligt. «Kulturkampf» (Rudolf Virchow), in dem sich auf Seiten
der katholischen Tradition, Spiritualität und Religiosität

ÉCHO D’ALLEMAGNE

Wie kein anderer deutscher Fürst wurde der säbelrasselnde


Wilhelm II. zur Zielscheibe des Spotts der französischen Kari-
katuristen: seine «Hymne an den Frieden» von Caran d’Ache
(um 1902) endet mit dem Aufmarsch immer neuer Armeekorps.

241
Münster in Westfalen war seit 1816 Hauptstadt der preußischen Pro-
vinz Westfalen und Sitz des Oberpräsidenten sowie des neu errichte-
ten Bistums (ab 1821), was der Stadt im Bismarckschen «Kultur-
kampf» den Namen «Nordisches Rom» einbrachte (im Bild die Wa-
che vor dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Rathaus in Müns-
ter, Gemälde von C. Springer, um 1890).

Der Historienmaler Anton von Werner (1843-1915) skizzierte 1870


als Augenzeuge in Versailles, wo er dem Hauptquartier der III. Ar-
mee zugeteilt war, seine Eindrücke vom preußischen «Etappenquar-
tier» im Schlösschen zu Brunoy. Mit protokollarischer Genauigkeit
deckte er den Gegensatz zwischen Soldatenstiefeln und Rokoko-In-
terieur auf (Gemälde nach einer Skizze von 1894).

243
und auf der anderen preußische Bildung, Staatsräson und Diese Auswüchse, die später von der Welt als typischer
materieller Fortschritt gegenüberstanden und dessen preußischer Militarismus gebrandmarkt worden sind,
Hauptwurzel die Verkündung des Unfehlbarkeitsdogmas konnten von den geistigen Vertretern eines aufgeklärten,
auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 war. Schon da- toleranten und liberalen Preußentums nur mit tiefer Enttäu-
mals lehnten sich viele «Altkatholiken» (Anhänger der schung zur Kenntnis genommen werden. Einer dieser
Primate durch Kirchenväter und alte Konzile) dagegen auf, Männer, Theodor Fontane, hat in diesem Zusammenhang
und noch heute ist es in der katholischen Welt heftig um- von einer preußischen «Beschränktheit» gesprochen, die
stritten. folgenden «Glaubensartikel» habe: «Die Welt ruht nicht si-
Konservativ und preußisch war auch Bismarcks ständiger cherer auf den Schultern des Atlas als der preußische Staat
und aufreibender Streit mit der parlamentarischen Institu- auf den Schultern der preußischen Armee.»
tion des Reichstages, der, ohne direkten Einfluss auf die
Regierungs-, insbesondere die Aussenpolitik, politisch
praktisch ohnmächtig war. Am markantesten zeigte sich Bismarck und das deutsche «Wirtschaftsbürgertum»
Bismarcks konservative Haltung aber in seiner unerbittli-
chen Gegnerschaft gegen alle Versuche einer Demokrati- Bismarcks eigentliche innenpolitische Widersacher stan-
sierung in Preußen und im Reich. Davon war natürlich den jedoch im grossen Lager des wirtschaftlich erfolgrei-
auch sein «Staatssozialismus» geprägt: dem kategorischen chen Bürgertums, das sich mit Vorliebe an den Lebensfor-
Anspruch, dass «die Krone die wirtschaftlich Schwachen men und Wertnormen der Aristokratie orientierte und dem-
schützt», verwirklicht durch Kranken-, Unfall-und Alters- entsprechend von der Unabdingbarkeit eines gesellschaft-
versicherung, stand auf der anderen Seite die Diskriminie- lichen Oben und Unten überzeugt war. Dieses erstarkende,
rung, Verfolgung und Vertreibung der Arbeiter und Sozi- erst preußisch-vaterländisch und seit 1871 deutschnational
aldemokraten als «vaterlandslose Gesellen» gegenüber. gesinnte Bürgertum schickte sich sogar an, die preußische
Konservativ-preußisch war endlich auch Bismarcks Mili- Militärkaste an Patriotismus zu übertreffen. Diese Haltung
tärpolitik, denn die Vorrangstellung des Militärs in der Ge- übertrug sich durch die vom Bürgertum beherrschte Presse
sellschaft, die sich nach 1871 weiter zementierte und da- auf die «öffentliche Meinung» und trug so wesentlich zu
nach groteske Blüten trieb, hat sich auch unter seiner Dul- jener chauvinistischen Vergiftung des politischen Klimas
dung und Förderung ausgeprägt. bei, die – nicht allein in Deutschland – die Staatsmänner

244
Linke Seite: Die zwei führenden Köpfe des deutschen Kaiserreichs, zu unverantwortlichen Entscheidungen und letztlich Eu-
karikiert von einem französischen und einem deutschen Zeichner: im ropa in den Ersten Weltkrieg trieb. Auch Bismarck selbst
Bild links Kaiser Wilhelm I. als «Seine Heiligkeit Wilhelm der
Schlächter», gezeichnet von A. Belloguet 1879, im Bild rechts Kanz- liess sich gegenüber diesem Druck zu aussen- wie innen-
ler Bismarck in einer Schädelstudie von C. Holoch, die alle politi- politischen Konzessionen verleiten, die sich später, nach
schen Aktivitäten Bismarcks einzubringen versucht. seinem Abgang, als nur noch Politiker minderen Zu-
schnitts das Ruder führten, als irreparable Fehler erwiesen.
Einer davon war die Annexion Elsass-Lothringens (1871),
ein Akt kurzsichtiger nationaler Machtpolitik, dem Bis-
marck unter schwersten Bedenken zustimmte, um die Mi-
litärs und das bürgerliche Lager zufriedenzustellen, die ei-
nen angemessenen Siegespreis forderten. Doch dieser
Preis musste schliesslich teuer erkauft werden, denn er hat
das deutsch-französische Verhältnis bis zum Ersten Welt-
krieg und darüber hinaus aufs Schwerste belastet. Gegen
diese Annexion sprach 1871 der Sozialdemokrat August
Bebel, doch haben seine Staatsklugheit und sein politi-
Im Gegensatz zu Bismarcks Abneigung gegen die deutsche Koloni-
alpolitik wurde sie für Wilhelm II. ein Instrument seiner imperialis- sches Augenmass wenig bewirkt und letztlich nur das bür-
tischen Weltmachtpolitik. Im Bild Angehörige der deutschen Schutz- gerliche Vorurteil von den «vaterlandslosen Gesellen» der
truppe in Deutsch-Ostafrika; vorne links sitzend Hermann von Wiss- Arbeiterbewegung untermauert.
mann (1863-1905), der 1887 Afrika von West nach Ost durchquerte
und 1888 im Auftrag der Reichsregierung die Niederwerfung des
Araberaufstandes in Deutsch-Ostafrika leitete.

245
Dem «kapitalistischen Wirtschaftsbürgertum» (Haffner) Bleichröder (1822-1893), der als Berater Bismarcks und
war Bismarcks taktierende und abwägende konservative Finanzier seiner Kriege zum renommiertesten Bankier
Friedenspolitik nicht nur in der Frage Elsass-Lothringens Berlins aufgestiegen war. Dieser Mann, der Bismarck
zu vorsichtig. Es verlangte eine forschere, risikofreudigere schon unterstützte, als dieser nach seinen eigenen Worten
und gewinnbringendere Politik, wie sie schliesslich mit «dem Thron ebenso nahe stand wie dem Galgen», der auch
dem Ausgreifen auf Afrika, Asien und Ozeanien (ab 1884), dreissig Jahre lang Vertrauter des Kanzlers in Politik und
mit den weltpolitischen Abenteuern des Reichs – unter Bis- Diplomatie war, wurde lange Zeit in der Geschichtsschrei-
marck in seinem «Bündnissystem» noch einigermassen ab- bung des Kaiserreichs kaum erwähnt. Als Jude wurde er
gesichert, danach von Wilhelm II. hemmungslos vorange- zu einer Zielscheibe antisemitischer Ressentiments, ob-
trieben – im Zuge eines aufstrebenden Wirtschaftsimperi- wohl gerade er in entscheidendem Masse Einfluss auf die
alismus auch realisiert wurde. wirtschaftliche Entwicklung der damaligen grossen In-
dustrieunternehmen genommen hat. Sein Biograph Fritz
Stern schrieb: «In den verschiedenen Zweigen des deut-
schen Wirtschaftslebens stellte er also eine beachtliche
Bismarck, der «deutsche Rothschild» Gerson Bleich- Macht dar. Wenige Entscheidungen von Wichtigkeit im
röder und der Antisemitismus wirtschaftlichen Bereich hätten ohne seine Beteiligung in
irgendwelcher Form getroffen werden können.» Dieser
Die Grundlagen für diesen Wirtschaftsimperialismus schu- Einfluss an höchster Stelle, verbunden mit den Vorstellun-
fen die herausragenden Vertreter des neuen Wirtschafts- gen gewaltigen persönlichen Reichtums, liess Bleichröder
bürgertums unmittelbar nach der Reichsgründung: die in der Zeit der wirtschaftlichen Krise der siebziger Jahre
Handelsherren, Industriekapitäne und die Bankiers. Unter (um 1873) als eine Art «deutschen Rothschild» erscheinen.
den letzteren war es vor allem der jüdische Bankier Gerson Neid und Missgunst, die den Finanzier Bleichröder trafen,

246
verbanden sich mit überkommenen Antipathien gegen das nern und hugenottischen Handwerkern bearbeitet und von
Judentum an sich und führten – wie zuvor schon in Frank- den Abkömmlingen teutonischer Ritter beherrscht wurden
reich – nun auch in Deutschland zu einem Aufleben des – in dieses Land brachten Bismarcks siegreiche Kriege und
Antisemitismus. die Gründung des Kaiserreichs mit einmal eine Flut des
Gerson Bleichröder und die Geschichte der Juden und de- grossen Gelds, des grossen Unternehmertums, der grossen
ren Untergang in Deutschland gehören schicksalhaft zu- Bauten, der grossen Ideen, die die Trennlinie zwischen
sammen. Bleichröders Macht und Einfluss war «mitschul- Kasten verwischten, die militärischen und häuslichen Be-
dig» daran, dass 1879 der Historiker Heinrich von Treit- reiche zu Wagnerianischen Schaustellungen aufblähten
schke (1834-1896) schrieb: «Bis in die Kreise der höchsten und die alten Traditionen der Sparsamkeit, Genügsamkeit
Bildung hinauf... ertönt es heute wie aus einem Munde: und Rechtschaffenheit verkümmern liessen. Die Ge-
Die Juden sind unser Unglück!», dass der Publizist Wil- schäftsleute machten Geld, der Mittelstand wurde reich,
helm Marr die «Antisemiten-Liga» gründete und viele an- die Reichen lebten im Überfluss. Die Gehälter der Beam-
dere Gleichgesinnte immer wieder das Gift ihres Judenhas- tenschaft blieben schmal, aber die Bürokraten plusterten
ses – wenn auch vorläufig nur verbal – verbreiteten. Bis- sich in Selbstüberhebung auf. Söhne von Bankiers traten,
marck hat übrigens Gerson Bleichröder in seinen umfang-
reichen «Gedanken und Erinnerungen» nur ein einziges
Mal kurz erwähnt.
Linke Seite: Die soziale und wirtschaftliche Struktur in Preußen öst-
lich der Elbe war seit Jahrhunderten durch den agrarischen Gross-
grundbesitz des ostelbischen Landadels (Junkertum) geprägt, und
«Das Land wurde reich»: Wirtschaftlicher, industrieller diese Struktur wurde dort bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein
und technischer Aufschwung mit den «Gründerjahren» beibehalten, politisch gestützt durch das Dreiklassen-Wahlrecht (im
Bild kontrolliert ein Gutsbesitzer zu Pferde um 1910 seine Arbeite-
rinnen während der Ernte).

Am Anfang des wirtschaftlichen Aufschwungs im Reich


stand die für die damalige Zeit riesige Geldsumme von 5 August Bebel (1840-1913; hier nach einer Lithographie von Veet)
Milliarden Francs, die Frankreich laut Friedensvertrag an war nach Lassalle der grosse Führer der oppositionellen Sozialdemo-
kratie im Reich, der mit seiner eindrucksvollen Beredsamkeit und
das Reich bezahlen musste. «Das Land der frugalen Klein-
Staatsklugheit auch bei seinen politischen Gegnern menschliche
bürger und Offiziere, verträumten Professoren und Musi- Achtung gewann; dem Reichstag gehörte Bebel fast ohne Unterbre-
kanten, wurde reich!» (Egon Friedell). 1873 gab es zwar chung seit 1867 an.
bereits einen Börsenkrach (9.5.), trotzdem blieben die
Jahre vor und unmittelbar nach der Einigung Deutschlands
seine «Gründerjahre», vor allem in der Entwicklung von
Wirtschaft, Industrie und Technik. «Auf jedem Gebiet der
Industrie zeigte sich ein Aufschwung, wie wir ihn in kei-
nem Abschnitt unserer Geschichte je zu beobachten Gele-
genheit fanden» (A. Streckfuss). Wie sich dieser Auf-
schwung in Gesellschaft und Alltag in Brandenburg und
Berlin ausgewirkt hat, beobachtete sehr genau die Englän-
derin Sybille Bedford (in «A Legacy», nach Fritz Stern):
«Vor der Einheit (Deutschlands) waren Atmosphäre und
Lebensart in den verschiedenen Landesteilen und Fürsten-
tümern provinziell und europäisch; die dann folgenden
Veränderungen geschahen allmählich und blieben unvoll-
kommen. Ausgenommen Brandenburg. In diesem Kern
Preußens, in dieses ärmliche, flache Land mit den Heide-
flächen und dem kargen, sandigen Boden und der zwischen
Paradeplätzen und kümmerliche Föhren gesetzten Stadt, in
diese Grenzprovinz der Garnisonen und schwerfällig zu
bewirtschaftenden Domänen, die von slawischen Tagelöh-

247
Auch Otto von Bismarck (hier aufgenommen auf Friedrichsruh in Berater und Finanzier der Kriege Bismarcks zur deutschen Einigung
Lauenburg, nach seiner Entlassung 1890) gehörte der Kaste des preu- war der jüdische Bankier Gerson Bleichröder (1822-1893), der zum
ßischen Junkertums an und wurde durch geschickte Geldspekulatio- renommiertesten Wirtschaftsfachmann Berlins aufstieg, aber auch
nen und Dotationen des Kaisers einer der grössten Grundbesitzer des Zielscheibe erster antisemitischer Ressentiments war.
Reichs.

statt in die Firmen der Väter, in die Garderegimenter ein, Vom «Sparta des Nordens» zum «Chikago an der
Söhne von Brigadegeneralen gaben ihre Offizierspatente Spree»: Metropole Berlin
ab und heirateten Schauspielerinnen oder reiche Erbinnen.
Uniformen, nicht länger die Dienstkleidung der Pflichter- Hauptmagnet dieser euphorischen Entwicklung wurde
füllung, wurden wie Federschmuck getragen, darin herum- Berlin, das Herz des Kaiserreichs, das sich in den siebziger
zustolzieren, akzeptable Partien anzulocken. Die Men- Jahren plötzlich seiner neuen Rolle als Metropole bewusst
schen plagten sich wie vordem, sie gaben aber Geld aus wurde. Die Berliner liessen auf dem Boden des alten Ber-
und paradierten im Glanz.» lin und in dessen Umland ein neues enstehen. Die Stadt
Während West- und Ostpreußen als reine Agrarprovinzen dehnte sich dynamisch aus und wurde ein ständig wach-
mit dem schwer lösbaren Problem der Landarbeiterfrage – sendes Zentrum des Bankwesens, des Handels und der In-
Auswanderung und Landflucht zwangen hier zur Anwer- dustrie. Mit seiner günstigen geographischen Lage, voll
bung fremder Saisonarbeiter – und der Verlagerung der durch Eisenbahnen und Kanäle erschlossen, wurde Berlin
Handelsschwerpunkte nach Westen am Wirtschaftsauf- zu einem Handelszentrum mit einem immer weiter aus-
schwung nur zögernd partizipierte, und auch Schlesien mit greifenden Industriegebiet; aus dem «Sparta des Nordens»
seinem Agrarland und seiner aufstrebenden Industrie erst wurde Berlin zum «Chikago an der Spree» (Rathenau).
langsam zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet zusam- Der industrielle Aufschwung wurde 1879 bei der Gewer-
menwuchs, wurden im Westen vor allem die grossen Städ- beausstellung in Berlin erstmals voll zur Schau gestellt;
te als Nutzniesser des allgemeinen Aufschwungs zu Zen- hier zeigte auch die in der Elektrotechnik führende Berli-
tren der Wirtschaftsmacht des Reichs, wobei die westli- ner Firma Siemens und Halske (gegr. 1847) die erste elekt-
chen Industriegebiete zunehmend die Bevölkerung auch rische Strassenbahn, die zwei Jahre später in Grosslichter-
aus den östlichen Reichsteilen anzog. felde in Betrieb genommen wurde.

248
Neben Erfindern und Technikern wie Werner von Siemens Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts geworden ist, be-
(1816-1892), dem Flugpionier Otto Lilienthal (1848-1896) gründet.
und dem Erbauer des ersten Ganzmetallflugzeugs im Jahre Die städtebauliche Entwicklung Berlins litt in den ersten
1915, Hugo Junkers (1859-1935), war in Berlin auch eine Gründerjahren noch unter der Tatsache, dass der von Poli-
Reihe von Naturwissenschaftlern und Medizinern tätig, die zeipräsident Hobrecht entwickelte Bebauungsplan von
mit gewichtigen Beiträgen auf ihren Forschungs- und Wis- 1862 (siehe Kapitel IX) natürlich weder die sprunghafte
sensgebieten verantwortlich waren für die Veränderung industrielle Entwicklung, noch den explosionsartigen Be-
des Weltbildes zur Zeit der letzten Jahrzehnte des 19. Jahr- völkerungszuwachs im Kaiserreich berücksichtigt hatte.
hunderts und um die Jahrhundertwende. Namen wie der 1861 hatte Berlin noch 529’000, 1877 bereits eine Million
des Naturphilosophen Ernst Haeckel (1834-1919), des und 1914 über 2 Millionen Einwohner. Der Zuzug aus al-
Physikers und Physiologen Hermann Helmholtz (1821- len Teilen Preußens und anderen Teilen Deutschlands
1894), des Theologen Adolf von Harnack (1851-1930), des machte sich besonders in den Vororten bemerkbar. In
Physikers Max Planck (1858-1947), des Pathologen Rudolf Schöneberg z.B. lebten um 1910 nur noch 12,7 Prozent
Virchow (1821-1902) und der Bakteriologen und Serolo- Ortsgebürtige. Und nach Berlin selbst kamen zu dieser Zeit
gen Robert Koch (1843-1910) und Emil von Behring
(1854-1917) stehen hier für noch viele andere. In Berlin
schliesslich hat mitten im Ersten Weltkrieg auch Albert
Einstein (1879-1955) als sechsunddreissigjähriger Direktor Das Kaufhaus Wertheim am alten Leipziger Platz in Berlin, in den
des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik seine «Allgemeine neunziger Jahren von Alfred Messel (1853-1909) erbaut: «Fabrik des
Lächelns und der Visionen, der Gesichter und der Träume vom Le-
Relativitätstheorie», die zu einer der Grundlagen für die ben, das die Menschen mit den Annehmlichkeiten umgibt, für die sie
leben» (Herders Konversationslexikon 1907).

249
rund 50 Prozent Zuwanderer, davon 18,5 Prozent aus der Viertel, meist Arbeitern, ein Stück Natur vermitteln sollten.
Provinz Brandenburg, 14,1 Prozent aus Nordostdeutsch- Das reiche Bürgertum dagegen siedelte vorwiegend in den
land, 7,1 Prozent aus Schlesien, 6,3 Prozent aus Pommern westlichen und südlichen Vororten in vornehmen Villen-
und 2,4 Prozentaus dem Ausland (nach Werner Vogel). kolonien. Ab 1910 wurde mit einem Ideenwettbewerb der
Freilich wehrten sich viele der Vorstädte lange erfolgreich Plan zum Ausbau Berlins mit Grünstreifen und Siedlungen
gegen die Eingemeindung, weil das Schreckgespenst in Parkanlagen und Wäldern gefasst, dessen Ausführung
«Wasserkopf Berlin» drohte. Erst 1911 endeten die jahr- aber durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert
zehntelangen, zähen Verhandlungen mit einem Kompro- wurde.
miss. Berlin, Charlottenburg, Lichtenberg, Neukölln
(ehern. Rixdorf), Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf
schlossen sich mit den Landkreisen Teltow und Niederbar-
nim zum «Zweckverband Gross-Berlin» zusammen. Der Staats- und Privatbauten in Berlin: Renaissance
Zweckverband kaufte dann 1915 den Grunewald an und er- – mit Barockformen
warb 1919 das gesamte Strassenbahnwesen.
Mit der ständig wachsenden Wohnungsnot kam Berlin in Im Berlin des Kaiserreichs versuchte der Architekt Richard
den Ruf, die grösste Mietskasernenstadt der Welt zu sein. Lucae 1875 mit dem Palais Borsig einen «auf plastisch be-
Vor der Jahrhundertwende entstanden aber auch schon die wegte Fassaden zielenden Geschmackswandel» durchzu-
ersten Laubenkolonien, die Bewohnern dieser düsteren setzen (Helmut Börsch-Supan). Ab 1875, etwa beim Bau
der Börse und der neuen Banken, tauchte dann der Histo-
rismus der Pariser Ecole des Beaux-Arts, in dem sich Re-
naissance mit barocken Formen mischte, überall im neuen
Strassenbild Berlins auf. Paul Wallot (1841-1912) zeich-
nete 1884 bis 1894 in diesem Stil das Reichstagsgebäude,
Julius Raschdorff (1823-1913) den Neubau des Doms
(1894 bis 1905) und die Technische Hochschule Charlot-
tenburg (1881-1884). Als vormaliger Stadtbaumeister in
Köln hatte er dort schon das alte, im Zweiten Weltkrieg
zerstörte Wallraff-Richartz-Museum (mit J. Felten, 1861)
gebaut. Dieser Prunkstil ist typisch für die Gründerzeit und
findet sich auch bei vielen Kirchen in Berlin, so bei der von
Franz Schwechten (1841-1924) erbauten Kaiser-Wilhelm-
Gedächtniskirche (1891-1895), deren Turmruine heute zu
den Wahrzeichen der Stadt gehört. Schwechten hat 1888
auch den Umbau der Philharmonie geleitet und von 1875
bis 1880 den Anhalter Bahnhof gebaut. Beispielhaft für die
Industriebauten der Kaiserzeit sind das 1898 von den Ar-
chitekten Konrad Reimer und Friedrich Körte fertigge-
stellte Werktor von Borsig – 1897 waren die ersten Fabrik-
anlagen in Tegel in Betrieb genommen worden – und die
von Peter Behrens (1868-1940) gestaltete Turbinenhalle
der AEG aus dem Jahr 1909, die bereits den Stempel einer
neuen Architektur des 20. Jahrhunderts zeigte. Nicht ver-
gessen werden darf in dieser Aufzählung das Kaufhaus

Der Düsseldorfer Bildhauer Gustav Bläser (1813-1874), ein Schüler


von Christian Daniel Rauch, schuf das in den siebziger Jahren auf
dem Heumarkt in Köln aufgestellte Denkmal Friedrich Wilhelms III.
(im Hintergrund der eingerüstete Turm des Kölner Doms, der 1880
vollendet wurde).

250
Der Kölner Karneval geht auf das Brauchtum der Kölner Stadtsol- Kunst soll «erheben», nicht «in den Rinnstein niederstei-
daten im 18. Jahrhundert zurück; der Kölner Rosenmontags-Zug –
gen»: Wilhelm II. und die bildende Kunst im Kaiserreich
hier eine Zeichnung von Passavanti aus dem Jahre 1900 mit seinen
zahlreichen Truppen-Kontingenten in preußischen Uniformen wurde
1823 erstmals abgehalten. Berlins Strassen, Plätze, Brücken und Parkanlagen wurden
dem Anspruch einer Metropole entsprechend verschwen-
derisch mit Denkmälern ausgestattet, die zum Teil den
gleichen wilhelminischen Prunk wie die Häuserfassaden
zeigten. In diesem Stil gestaltete Rudolph Siemering 1896
die Bronzegruppe der heiligen Gertrud auf der Gertrauden-
Wertheim am alten Leipziger Platz in Berlin, eines der ers- brücke an der Friedrichsgracht und Emil Hundrieser die
ten Warenhäuser im Reich, eine «Fabrik des Lächelns und 1895 aufgestellte «Berolina» auf dem Alexanderplatz
der Visionen, der Gesichter und der Träume vom Leben, (1944 eingeschmolzen). Hauptverantwortlicher für die
das die Menschen mit den Annehmlichkeiten umgibt, für Berliner Denkmalflut aber war Wilhelms II. Hofbildhauer
die sie leben», wie Herders Konversationslexikon 1907 de- Reinhold Begas (1831-1911), dessen neubarocke Schöp-
finierte. Dieses Warenhaus hat Alfred Messel (1853-1909) fungen zu den bemerkenswertesten Skulpturen seiner Zeit
gebaut, von dem auch noch die Landesversicherungsan- gehören. Nach Studien bei Rauch, beeinflusst von Bernini
stalt, die Nationalbank, die AEG-Verwaltung und der Ent- und Schlüter gestaltete er den Neptunbrunnen (1886-1891)
wurf für das Pergamon-Museum (1907-1909) in Berlin auf dem Schlossplatz und das Denkmal Wilhelms I. (1892-
stammen. Letzteres wurde 1912 bis 1930 von Ludwig 1897) auf der alten Schlossfreiheit (beide 1949/50 abgetra-
Hoffmann (1852-1932), dem Erbauer des Märkischen Mu- gen). Er schuf Denkmäler für Schiller, Humboldt, Kaiser
seums (1901-1907), des Virchow-Krankenhauses (1899- Friedrich III. und Bismarck und leitete das Riesenprojekt
1906), des Stadthauses (1902-1911) und einiger Schulen, von 32 Standbildern aus Carrara-Marmor für die Grössen
auf der Berliner Museumsinsel errichtet. Nach dem Bau der preußischen Geschichte, mit denen zwischen 1898 und
des Kaiser-Friedrich-Museums (1898-1903) von Ernst 1901 die Siegesallee am Tiergarten ausgeschmückt wurde
Ihne (1848-1917) wurde mit dem Pergamon-Museum der (die Reste einstiger Grösse Preußens in ihrem heutigen Zu-
Schlussstrich unter die Bebauung der Museumsinsel gezo- stand beschliessen den Bildteil dieses Buches). Beim Fest-
gen. Bedeutende Gelehrte und Direktoren, wie Karl Lep- mahl zur Eröffnung der Siegesallee hielt Kaiser Wilhelm
sius (1810-1884), Wilhelm von Bode (1845-1929, er II. seine berühmt gewordene kunstprogrammatische Rede,
schenkte Berlin die Nofretete-Büste), Hugo von Tschudi in der er sich gegen «moderne Richtungen und Strömun-
(1851-1911), Ludwig Justi (1876-1957) und Max J. Fried- gen» wandte, von denen die Bildhauerei «noch zum gröss-
länder (1867-1958) haben dann unter oft schwierigen Um- ten Teil rein geblieben» sei. Aber zur gleichen Zeit bereits
ständen diese Museen mit Kunstschätzen bestückt.

251
zeugten Werke und Namen anderer Bildhauer von stren- Der wirtschaftliche und industrielle Aufschwung in Berlin führte dort
auch zu einer Konzentration der Tätigkeit von Erfindern, Entdeckern
geren Formen und moderneren Richtungen: die «Amazone und Technikern sowie bedeutenden Wissenschaftlern aller Fachge-
zu Pferd» von Louis Tuaillon (1862-1903) etwa oder der biete (im Bild der Pathologe Rudolf Virchow in seinem Arbeitszim-
«Entenbrunnen» von August Gaul (1869-1921), das mer; er gehörte auch als Vorsitzender der Fortschrittspartei zu den
Virchow-Denkmal von Fritz Klimsch (1870-1960) oder profiliertesten Politikern im Reichstag).
die frühen Werke des seit 1903 in Berlin wirkenden Georg
Kolbe (1877-1947).
Die Kulturgeschichte des preußisch-deutschen Kaiser-
reichs mutet im Übrigen ungleich farbiger und moderner Berlin wurde zur geistigen Drehscheibe neuer Ideen, neuer
an als seine politische Geschichte – auch wenn Kaiser Wil- Strömungen und der künstlerischen Avantgarde, auch
helm II. persönlich zu bestimmen suchte, was Kunst sei: wenn Wohnräume und Häuserfassaden, Möbel und Fens-
«Eine Kunst, die sich über die von mir bezeichneten Ge- terfronten noch in den siebziger und achtziger Jahren im
setze und Schranken hinwegsetzt, ist keine Kunst mehr.» Makart-Stil oder in den Prunkformen der «deutschen Re-
Seiner Meinung nach konnte die Kunst ihre Aufgabe nur naissance» zu erstarren drohten.
erfüllen, «wenn sie erhebt, statt dass sie in den Rinnstein In Malerei und Dichtung wurde der ausgehende Realismus
niedersteigt». Über den kaiserlichen Hof hinaus, wo die vom Naturrealismus, dann der Jugendstil (1900-1910)
«patriotischen» Werke der Militär- und Hofmaler überwo- vom Impressionismus und schliesslich vom Expressionis-
gen, kümmerten sich die wenigsten Künstler um solche mus abgelöst; gleichzeitig gab es auch eine Neubelebung
kaiserlichen Direktiven. Es wurden im Gegenteil gerade in der Romantik. Auf den Theaterbühnen und in Opernhäu-
den Jahren bis 1918 in Berlin so viele für Generationen sern wurde neben der Pflege klassischen Kulturgutes nach
wegweisende Experimente und mutige Entscheidungen in neuen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten gesucht. Die
der bildenden Kunst gewagt wie kaum zuvor. Operette erlebte ihre Blütezeit, und noch vor 1918 hielt

252
auch die Filmkunst ihren Einzug. 1896 warf in der Zeit- (1878-1937), zu rühmen, die die jungen Talente und Genies
schrift «Pan» der damalige Direktor der Berliner National- des In- und Auslandes erstmals vorstellten. Die damals ge-
galerie (bis 1909), Hugo von Tschudi, die Frage auf: «Gibt feierte Schauspielerin Tilla Durieux (1880-1971), mit Paul
es eine Berliner Kunst, wie es in der Renaissance eine Cassirer verheiratet, berichtete in ihren Erinnerungen:
Nürnberger, Augsburger, Kölner Malerei oder wie es zu «Schon im Jahre 1901 besass Paul Cassirer den Mut, eine
unserer Zeit eine Münchener, Düsseldorfer Schule gibt? Ausstellung des in Deutschland unbekannten Cézanne zu
Maler der verschiedensten Herkunft, der verschiedensten machen; diese Tat wurde mit einer Flut von Angriffen be-
Begabung, des verschiedensten Temperaments haben in lohnt... Wilhelm II. äusserte sich darüber in einer Rede un-
Berlin gearbeitet: ein ihnen gemeinsamer Zug dürfte gefähr folgendermassen: ‚Paul Cassirer, der die Dreckkunst
schwerlich nachweisbar sein. Es fehlt die feste künstleri- aus Paris zu uns bringen möchte... ‘ Der junge Künstler fand
sche Tradition ...» in der Viktoriastrasse (Nr. 35, Cassirers Kunsthandlung)
ausser dem Nagel, um sein Bild aufzuhängen, auch einen
Förderer, der die trägen Geister der geldkräftigen Berliner
so lange mit glänzenden Worten betäubte, bis sie kauften
Konfrontation zwischen Altem und Neuem: und noch stolz darauf waren.» Künstler wie Käthe Kollwitz
«Dreckkunst aus Paris» (1867-1945) und Lyonel Feininger (1871-1956), Max Beck-
mann (1884-1950) und Ewald Mataré (1887-1965), Max
Tatsächlich war die Berliner Kunstszene im Kaiserreich Pechstein (1881-1955), Oskar Kokoschka (1886-1980), E-
viel mehr von der Konfrontation der alten, anerkannten mit mil Nolde (1867-1956) und viele andere mehr haben in Ber-
den neuen Richtungen geprägt, deren Werke nach dem un- lin studiert und dieser Stadt ihren
glücklichen Wort Wilhelms II. als «Rinnstein»-Kunst be-
zeichnet wurden, den modernen französischen Impressio-
nisten und später den Expressionisten. «In des Kaisers
grollenden Worten rumorte schon der Bildersturm, den
dann Hitler fünfunddreissig Jahre später, mit seinen Reden An die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals am 19. Juni 1895 erinnert
dieses für den Zeitgeschmack typische Gedenkblatt unter Wilhelm
gegen die ‚entartete Kunst’ erst richtig entfesselte» II. (Grundsteinlegung am 3. Juni 1887 unter Wilhelm I.).
(Walther Kiaulehn). Und der Publizist Siegfried Jacobsohn
(1881-1926) schrieb 1903 in der von ihm gegründeten The-
aterzeitschrift «Die Schaubühne» (ab 1918 in «Weltbüh-
ne» umgewandelt): «Wer vor die Kunst tritt, wie Wilhelm
II. in voller Waffenzier, helmbuschumflattert, sporenklir-
rend, den Marschallstab in der Faust, der muss die Kunst-
werke schätzen, die prunkhaft, schön, leicht verständlich,
repräsentativ und wundervoll unbekümmert darum sind,
dass vaterlandslose Gesellen ihnen Ekelnamen wie Stuck,
Gschnas und Kitsch nachrufen werden.» Selbst ein Maler
wie Max Liebermann (1847-1935) hatte grosse Schwierig-
keiten, sich mit seiner impressionistischen Malweise
durchzusetzen. Noch an seinem 60. Geburtstag im Jahre
1907 waren die Vorurteile nicht ausgeräumt; Wilhelm von
Bode vermerkte in seinem Geburtstagsaufsatz in der Zeit-
schrift «Kunst und Künstler», er sei «einer der deutsches-
ten Maler unter den lebenden Künstlern», sein Bild «Sam-
son und Dalila» habe «hervorragende malerische Vor-
züge», doch «die rohe Aktwirkung hat er nicht überwun-
den». Die gleichen Schwierigkeiten hatten auch Maler wie
Lovis Corinth (1858-1925), Max Slevogt (1868-1932) und
Walter Leistikow (1865-1908). Umso mehr sind die Aus-
stellungen der bedeutendsten Berliner Kunsthändler dieser
Zeit, Paul Cassirer (1871-1926) und Alfred Flechtheim

253
künstlerischen Aufstieg zu verdanken – auch wenn sie matik gekennzeichnet... Das Grossstadtpublikum der
nach Wilhelms II. Kunstverständnis «Rinnstein»-Kunst Hauptstadt des neuen deutschen Kaiserreichs entdeckt das
produzierten oder als «Armeleutemaler» abqualifiziert Theater als Geschäftsunternehmen, mit dem sich Prestige-
wurden wie etwa Käthe Kollwitz mit ihren Weber- und denken und Amüsement verbinden lässt...» (Lothar Schir-
Bauernkrieg-Zeichnungen oder der Volkszeichner Hein- mer). In diese Zeit gehörte auch das Stück «Berlin wird
rich Zille (1858-1929) mit seinen grossartigen Berliner Weltstadt» von David Kalisch (1820-1872), das zum Sym-
Hinterhof-Szenen. bol der aufstrebenden Hauptstadt wurde.
Eine Ausnahme war die Theatergruppe der Meininger, die
mehrmals in Berlin gastierte. Sie «inszenierten ungefähr,
«Das Neue flüchtet sich hierher voll kühner Hoffnung»: wie Piloty malt» (Ludwig Speidel) und ihr Streben nach
Musik und Theater in Berlin Vorderjahrhundertwende «historischer Echtheit» von Bühnenbild und Requisiten
ging so weit, dass sie Gitter, Gobelins, Truhen und Tür-
Auch auf anderen Gebieten des kulturellen Lebens schnallen original nach der Zeit aus dem Museum auslie-
kämpfte das Alte gegen das Neue. Anlässlich der zweiten hen und mit «Stimmungsgeräuschen» wie Donnergrollen,
Ankunft des Wieners Arnold Schönberg (1874-1951), des
Begründers der Zwölftontechnik in der Musik, der von
1901 bis 1903 und von 1911 bis 1914 in Berlin wirkte, ju-
belte der Musikkritiker Georg Gräner im «Pan»: «Berlin
ist die Hauptstadt der Musik. Das Neue flüchtet sich hier- Oben: Mit ständig wachsender Wohnungsnot kam Berlin in den Ruf
her voll kühner Hoffnung auf die Zukunft; das Alte spreizt einer der grössten Mietskasernenstädte der Welt. Standes- und Klas-
senunterschiede waren im Stadtbild überall offenkundig: hier ein
sich ihm entgegen mit schönen Reden auf die Vergangen- Berliner Hinterhof in der Oranienstrasse 1899.
heit.»
Das Berliner Theater war in der zweiten Hälfte des 19. Rechte Seite: Prunk und theatralischer Putz an den Fassaden und im
Innern der Palais, Bürgerhäuser und öffentlichen Gebäude: hier der
Jahrhunderts überwiegend «von einem ins Extrem getrie- Festsaal in der Passage der Kaiser-Galerie in Berlin.
benen Virtuosentum und einer Phantasielosigkeit der Dra-

254
Blätterrauschen, Glockengeläute und Regengeprassel die Bühne» in Berlin aus die Theater im Reich. «Politisch war
Dramatik auf die Spitze zu treiben suchten. Ihr grosses immerhin so viel erreicht, dass die ersten Stücke Haupt-
Verdienst aber war die Entdeckung der Werke Heinrich manns dem saturierten Bürgertum die Existenz wahrhaften
von Kleists, der um diese Zeit fast schon vergessen war. Elends ins Bewusstsein gerufen hatten. Künstlerisch: eine
Ab 1889 begann dann in dem von dem Theaterkritiker Otto neuartige Sprache im Drama, neue Themen und, daraus re-
Brahm (1856-1912) geführten Theater «Freie Bühne» der sultierend, neue Darstellungsprinzipien auf der Bühne, die
Siegeszug des Naturalismus mit dem Stück «Vor Sonnen- als Möglichkeiten weiterwirkten!» (L. M. Fiedler). Mit der
aufgang» des damals noch unbekannten jungen Gerhart Übernahme des Deutschen Theaters 1905 durch Max Rein-
Hauptmann (1862-1946). Im zweiten Akt gab es bei der hardt (1873-1943), der ein Jahr später auch die Kammer-
Uraufführung einen Theaterskandal: als eine Schauspiele- spiele angliederte, wurde Berlin dann zur führenden deut-
rin Geburtswehen spielte, warf der Arzt und Journalist Dr. schen Theaterstadt. Reinhardt leitete 1905 mit der Insze-
Kastan aus dem Parkett eine grosse Gebärzange auf die nierung des «Sommernachtstraum» auf einer Drehbühne
Bühne, was zu einer allgemeinen Schlägerei führte. Im sel- eine Theaterreform ein. Den naturalistischen Spielraum
ben Jahr erlebte Berlin auf einer anderen Bühne auch die wandelte er seinem persönlichen Stil entsprechend ab zum
Uraufführung des Gesellschaftsstücks «Die Ehre» von impressionistisch-magischen und intuitiv-erfühlbaren Be-
Hermann Sudermann (1857-1928), der mit der Entde- deutungsraum auf der Bühne.
ckung der Berliner Mietskaserne und ihren sozialen Span- Auch die Berliner Oper wurde berühmt, und nach der
nungen berühmt wurde. Gründung der Berliner Hochschule für Musik durch den
1891 veröffentlichte der Kritiker der «Vossischen Zei- Geiger Joseph Joachim (1831-1907) im Jahre 1869, gegen
tung», Alfred Kerr (1867-1948), seinen Aufsatz «Die den ein Sachse in Tribschen bei Luzern, Richard Wagner
Technik des realistischen Dramas» und Henrik Ibsen, Au- (1813-1883), mit einer Abhandlung «Über das Dirigieren»
gust Strindberg, Tolstoi, Arno Holz, Julius und Heinrich vehement polemisierte, begann 1882 nach einem Doppel-
Hart sowie Richard Dehmel eroberten von der «Freien konzert von Hans von Bülow (1830-1894) und Johannes

255
Brahms (1833-1897) in der Singakademie der Siegeszug Linckes Zeit der Revuen wie etwa «Donnerwetter tadel-
des neu gegründeten «Philharmonischen Orchesters» unter los!» (1908) schlossen sich in den Jahren vor dem Ersten
seinen Dirigenten Hans von Bülow (bis 1894) und Arthur Weltkrieg die ersten Auftritte und Erfolge an von Fritzi
Nikisch (1895-1922). Massary (1882 bis 1969), von Jean Gilbert (1879-1940)
Auf dem Gebiet der leichten Muse gewannen Polka und und Victor Hollaender, schliesslich von Walter Kollo
Marsch für das wilhelminische Berlin ähnliche Bedeutung (1878-1940) mit seinen Sketchen und Operetten-Einaktern
wie der Walzer für Wien. Dazu verfügte die Reichshaupt- sowie von Claire Waldoff (1884-1957), der «kessen
stadt über die führende deutsche Operettenbühne. Es war Bolle» mit den roten Haaren und der berühmten «Krawat-
die Zeit des Schauspielers Franz Wallner (1810-1876) und tenschleife».
des Komponisten August Conradi. Dagegen erlebte Johann
Strauss 1881 mit der Uraufführung seiner «Nacht in Vene-
dig» einen blamablen Durchfall. Es folgte Paul Lincke
(1866-1946), zuerst als Aushilfsmusiker, dann mit ersten Theodor Fontane und das Preußentum
Operettenerfolgen in den achtziger Jahren, schliesslich
1899 als gefeierter Komponist der urberlinischen Melo- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Theodor
dien aus «Frau Luna» (1899), «Im Reiche des Indra» Fontane (1819-1889) zur zentralen Figur im literarischen
(1899) und «Berliner Luft» (1904), dessen Titelmarsch Geschehen Preußens. Er war von 1870 bis 1889 Theater-
schnell zur Lokalhymne Berlins avancierte. Nach Paul kritiker an der «Vossischen Zeitung» und beeinflusste als
solcher beispielsweise die Karriere Gerhart Hauptmanns
sehr nachhaltig. Von den Dichtern der älteren Generation

256
war er der einzige, dem als «Spätgereiftem» mit dem Al- Linke Seite: Hofbildhauer Reinhold Begas (1831-1911) mitseinen
terswerk der Anschluss an die jungen Naturalisten gelang. neubarocken Schöpfungen – im Bild ein Ausschnitt von seinem Nep-
tunbrunnen auf dem Berliner Schlossplatz, 1891 errichtet (Aufnahme
Egon Frieden urteilte: «Er galt als Naturalist; in Wirklich- um 1930) – war der Hauptverantwortliche für die Denkmalflut, die in
keit war er der überlebende Typ des feinen genrefreudigen der wilhelminischen Ära über Berlin hereinbrach.
Menschenbeobachters aus dem ancien régime: Emigran-
tensprössling, Altberliner, preußisches Rokoko.» So gese-
hen ist auch sein Eintreten für die naturalistischen Werke
der jungen Literaten seiner Zeit verständlich, denn er be-
griff sie aus dem Geist des aufklärerischen 18. Jahrhun-
derts heraus, der in ihm noch lebendig war. Auch sein dif- Der Erbauer des Warenhauses Wertheim, Alfred Messel, setzte mit
dem Bau des Pergamon-Museums (1907-09) den Schlussstein zur
ferenziertes Verhältnis zur preußischen Heimat und zum Bebauung der Museumsinsel in Berlin, wo bedeutende Gelehrte und
Preußentum war eine Folge dieser aufklärerischen Grund- Direktoren – unter ihnen vor allem Wilhelm von Bode (1845-1929;
haltung, die sich gegen alles «Spintisieren, Orakeln und im Bild 1923 im Atelier von Fritz Klimsch vor seiner Büste) – unter
oft schwierigen Umständen diese Museen mit Kunstschätzen be-
Rätselstellen» in der Literatur wandte. Deshalb wirkt er
stückten.
noch heute auf uns, die wir auf der Suche nach einem ge-
rechten Urteil über Preußen sind, so modern und erscheint
uns gewissermassen als Kronzeuge für die Tugenden des
vorwilhelminischen Preußentums. Die heutige Renais-
sance Preußens ist deshalb auch eine Renaissance Fonta-
nes. Zu seinem 150. Geburtstag im Jahre 1969 urteilte der
Kanadier Kenneth Attwood in seiner Promotionsschrift
«Fontane und das Preußentum»: «Altpreußische Haltung
in einer modernen, vorwärts gerichteten politischen und
sozialen Umgebung war sein Wunschtraum. Dass ihm die-
ser Traum nicht in Erfüllung ging, lag an der nach seiner
Meinung verfehlten politischen, sozialen und, ja, auch sitt-
lichen Entwicklung im Zweiten Reich. Der alte Dubslav
von Stechlin verkörpert schlechthin das ‚gute alte Preu-
ßen’, dessen Dahinschwinden Fontane während der letzten
fünfundzwanzig Jahre seines Lebens voller Kummer zuse-
hen musste. Fontane, wie sein alter ego Dubslav von Stech-
lin, war der festen Meinung, ‚dass das alte Preußen’ nicht
im Politischen, aber doch in dem, worauf es ihm ankam, in
der inneren sittlichen Haltung, ‚doch immer noch besser ist
als das vom neuesten Datum’...»

«Wir singen unserer Freiheit Sterbelieder»:


Die Naturalisten des «Durch»

«Unsere Welt ist nicht mehr klassisch, unsere Welt ist


nicht romantisch, unsere Welt ist nur modern» (Arno
Holz), war der Leitsatz der naturalistischen Dichterverei-
nigung «Durch», die sich ab 1887 regelmässig in Berliner
Weinlokalen zusammenfand. Angeregt vom russischen
und französischen Realismus entwickelten die Naturalis-
ten eine Literatur, die ihre Aufgabe in der möglichst präzi-
sen, reportagehaften Schilderung der realen Welt in ihrer
Unzulänglichkeit und Hässlichkeit sah. Dem klassischen

257
Links: Theodor Fontane (1819-1889) war die beherrschende Figur
des literarischen Lebens in Preußen in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts (Denkmal in seiner Geburtsstadt Neuruppin).

Links unten: Zwei Bohème-Literaten aus dem Kreis der Zecher um


August Strindberg in dem Berliner Weinlokal «Schwarzes Ferkel» in
der Wilhelmstrasse: links Peter Hille (1854-1904), rechts Erich Müh-
sam (1878-1934).

Mit Gerhart Hauptmanns (1862-1946) Stück «Vor Sonnenaufgang»


(1889) – an dessen Entdeckung Theodor Fontane «mitschuldig» war
– begann der Siegeszug des Naturalismus in der Literatur und auf der
Bühne (im Bild Hauptmann 1899 am Strand von Hiddensee).

258
Helden stellten sie den «halben Helden», den durch sein lerroman «Stilpe» (1897) anschaulich verarbeitet: dort
Milieu geprägten, schwankenden, unentschlossenen und gründen vier Gymnasiasten einen neuen Verein mit dem
triebhaften Menschen gegenüber. Charles Darwin, John symbolhaften Titel «Lenz», der sowohl auf einen geistigen
Stuart Mill und Hippolyte Taine waren die Väter ihrer Frühling, als auch auf die Verehrung für den Sturm- und
Weltanschauung, in der Philosophie und Religion nichts, Drang-Dramatiker Jakob Michael Reinhold Lenz (s. Kapi-
Naturwissenschaft und Soziologie alles bedeuteten. Zu tel V) anspielt; in diesem Verein, der sich als Debattierklub
dieser Gruppe gehörten Wilhelm Bölsche (1861-1939), der versteht, wird ein «Herr Schillinger, der Dichter des p.p.
von einer Weltliteratur «voller Göttinnen und Kokotten, Wallenstein» theoretisch vernichtet und über Themen dis-
aber ohne Normalmenschen» sprach, dann Leo Berg, der kutiert wie «Die Wahrheit als einziges Prinzip der Kunst»,
Erfinder des Schlagworts «Die Moderne», Arno Holz «Worin liegt die Gemeingefährlichkeit des sogenannten
(1863-1929), der die These: «Die Kunst hat die Tendenz, Idealismus?», «Emile Zola und Henrik Ibsen: die Tragsäu-
wider die Natur zu sein» vertrat, Bruno Wille (1860-1928), len der neuen Literatur» und «Inwieferne Naturalismus und
der Begründer der «Freien Volksbühne», die Brüder Julius Sozialismus Parallelerscheinungen sind».
(1859-1930) und Heinrich Hart (1855-1906), Begründer
mehrerer Literaturzeitschriften, und schliesslich der Lyri-
ker und «Anarchosozialist» John Henry Mackay (1864- «Eine Galerie verdammter Seelen»: Unbekannte und
1933), ein Schotte, von dem einige Gedichte in den Kom- bekannte Dichter und Bohemiens in Berlin bis 1918
positionen von Richard Strauss weiterleben. Gelegentli-
ches, gern gesehenes Mitglied dieser Runde war Gerhart Verschollen und vergessen sind einige Schriftsteller, die
Hauptmann, der dann alle zu Gänsebraten und Bowle ein- damals zu den Bestseller-Autoren ihrer Zeit gehörten. Vor
lud – dank der guten Honorare für seine erfolgreichen The- allem war da Friedrich Spielhagen (1829 bis 1911), ein
aterstücke. Magdeburger, der fünfzig Jahre lang in Berlin fast in jedem
Den Anstoss zu seinem Erstling «Vor Sonnenaufgang» hat Jahr ein Buch veröffentlichte. Vierzehn Jahre lang hat er
der junge Hauptmann nach seinen eigenen Worten «in als leitender Redakteur des Magazins «Westermanns Mo-
freudiger Anerkennung» dem Buch «Papa Hamlet» zu ver- natshefte» den Geschmack des deutschen Bürgertums mit-
danken, das 1889 unter dem Pseudonym Bjarne P. Holm- beeinflusst. Von seinen zahlreichen Büchern sind nur das
sen erschien. Verfasser dieser streng naturalistischen psy- bereits erwähnte «Problematische Naturen» (1861, s. Ka-
chopathischen Skizze waren zwei Autoren: der bereits ge- pitel IX) und der Roman «Sturmflut» (1876) erwähnens-
nannte Arno Holz und Johannes Schlaf (1862-1941), mit wert, der den wirtschaftlichen «Goldrausch» im Berlin der
dem Holz (1890) auch das im Berliner Jargon gehaltene Gründerjahre zum Thema hat.
Drama «Familie Selicke» geschrieben hat, ehe es 1891 Auch Rudolf Lothar (eig. Spitzer, 1865-1943), der Ungar
zum Bruch kam. in Berlin, Verfasser vieler Romane und Lustspiele, ist mit
Zu den Berliner Naturalisten sind noch zu zählen Otto seinem «Herr von Berlin», in dem er die Kunsthändler der
Erich Hartleben (1864-1905), der Novellen in der Art von Stadt karikierte, vergessen, ebenso wie der unter dem
Maupassant schrieb, und Hermann Conradi (1862-1890), Decknamen Georg Hermann schreibende Georg Borchardt
von dem das Vorwort zu der programmatischen Lyrik-An- (1871-1943, im KZ Birkenau) mit seinen Berliner Roma-
thologie «Moderne Dichtercharaktere», im Jahr 1885 er- nen aus der Biedermeier-Zeit («Jettchen Gebert», 1906),
schienen, stammte, und der in seiner Sammlung «Lieder oder die in dieser Nachfolge schreibende Adele Gerhard,
eines Sünders» der naturalistischen Absage an Klassik und die 1938 nach den USA emigrieren musste (1868-1956)
Romantik Worte gab: «Die Zeit ist tot, da grosse Helden mit dem Roman «Die Familie Vanderhouten» (1909). Ge-
schufen. Die Zeit ist tot – die Zeit der grossen Seelen, wir genüber «Jettchen Gebert», «Familie Vanderhouten» und
sind ein ärmlich Volk nur von Pygmäen. Was wir vollbrin- vielen anderen Romanen dieses Genres, in denen Berlin
gen, tun wir nach Schablonen, und unsere Herzen schreien nur nette, begüterte Bürger und keine sozialen Probleme
nach Gold und Dirnen. Wir knien alle vor den Götzen nie- hatte, sowie gegenüber Max Kretzer (1854-1941), in des-
der und singen unserer Freiheit Sterbelieder.» sen Romanen – etwa dem heute verfilmten «Meister Tim-
Den Frontwechsel der jungen deutschen Literatur hat der pe» (1888) – es wiederum nur ein Berlin mit sozialer Not
ebenfalls in Berlin wirkende Schlesier Otto Julius Bier- und religiösem Elend gab, gegenüber dieser Literatur war
baum (1865-1910) in seinem autobiographischen Künst- Theodor Fontane mit seinen zwanzig Jahre früher ge-

259
260
193
Mit Paul Lincke (1866-1946) feierten die Berliner ab 1899 mit seinen
Operettenmelodien aus «Frau Luna», «Im Reiches des Indra» und
«Berliner Luft» den berlinerischsten aller Komponisten der leichten
Muse.

Josef Giampietro – wie seine oftmalige Partnerin Fritzi Massary ein


geborener Wiener in Berlin – in der Rolle eines preußischen Leut-
nants in der Metropol-Revue «Donnerwetter, tadellos!» von Paul
Lincke im Jahre 1908.

Zu den Farbbildern 260/261:

Plakat von L. von Hofmann zur Deutschen Kunst-Ausstellung der


Berliner Secession (gegründet 1898), zu deren Präsident 1899 Max
Liebermann gewählt wurde.

Titelblatt im Stil der wilhelminischen Ära zu einem Prachtwerk


«Deutsche Gedenkhalle», gedruckt um 1900 bei Brockhaus.

262
Wie tief den Bürgern im wilhelminischen Reich der Respekt vor ei-
ner preußischen Uniform in den Knochen steckte, demonstrierte im
Jahre 1906 der arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt mit seinem «Hu-
sarenstück» in Köpenick (das Foto zeigt den nach seiner Begnadi-
gung 1909 eben aus dem Gefängnis Tegel entlassenen «Hauptmann
von Köpenick»),

Geselligkeit in Berlin um 1900: Foto aus dem Nachtlokal «Moulin


Rouge», an dessen Vorbild in Paris allenfalls die Szenerie der Wand-
malerei erinnert.

263
schriebenen Romanen wie «Jenny Treibel» (1893), «Irrun- chard Dehmel (1863-1920), der sich 1914 mit 51 Jahren als
gen, Wirrungen» (1888), dem «Stechlin» (1899) oder auch Kriegsfreiwilliger meldete und auch eingezogen wurde.
«Stine» (1890) «geradezu himmelstürmend modern in der Weiter gehörte dazu noch Karl Ludwig Schleich (1859-
Problemstellung» (Walther Kiaulehn). 1922), der 1917 in seinen «Erinnerungen an Strindberg»
Dem Bereich der Berliner Bohème der Jahrhundertwende über diese Zeit berichtete und später mit seinen Lebenser-
zuzurechnen sind auch einige Namen von zum Teil inter- innerungen «Besonnte Vergangenheit» (1920) grossen Er-
nationalem Rang, die wichtig für nachfolgende Literaten- folg hatte. Wie Peter Hille hatte auch Erich Mühsam
Generationen wurden. Hierher gehört vor allem August (1878-1934, im KZ Oranienburg) bis 1909 in Berlin seine
Strindberg (1849-1912), der zu Beginn der neunziger Stammkneipen, ebenso der Danziger Satiriker, Bohémien
Jahre in Berlin war, wo er mit dem Maler Edvard Munch und Vorläufer des Dadaismus und Surrealismus Paul
(1863-1944) und anderen Bohémiens im Berliner Weinlo- Scheerbart (1863-1915), der von 1887 bis zu seinem Tod
kal «Schwarzes Ferkel» in der Wilhelmstrasse zechte: «Es in Berlin lebte. Mit Richard Dehmel befreundet war der
war eine Galerie verdammter Seelen, die sich hier ein
Stelldichein gab» (Strindberg). Hierher gehört auch der
Dichter Peter Hille (1854-1904), ein bedürfnisloser Va-
gant, der viele seiner schönen Verse selbst verlor und den
die damals ebenfalls zur Berliner Künstlerszene gehörende Die Geschichte der Presse in Berlin spiegelt in den einzelnen Ent-
junge Else Lasker-Schüler (1869-1945) freundschaftlich wicklungsphasen ihre Emanzipation von Zensurkämpfen bis zur
«Sankt Peter Hille» taufte. Zur Dichterrunde des «Schwar- grössten Entfaltung in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wi-
der (im Bild zeitungslesende Bürger im Jahre 1905 vor dem Redak-
zen Ferkel» gehörte auch eine Zeit lang der Lyriker Ri- tionsgebäude des «Berliner Lokalanzeigers», überwacht von Berliner
Polizisten, im Hintergrund).

264
Bei den Reichstagswahlen 1912 wurden die Sozialdemokraten zur
stärksten Partei, konnten diesen Erfolg aber wegen des Dreiklassen-
Wahlrecht-Systems nicht in politische Mehrheiten ummünzen; die
sozialen Probleme der Arbeiterschaft blieben weiter ungelöst (im
Bild das Gemälde «Mittag bei Borsig» von Hans Baluschek, 1912;
dargestellt sind Frauen, die ihren Männern das Mittagessen in die
Fabrik bringen).

Holsteiner Detlev von Liliencron (1844-1909), kein


Bohémien, aber auch in den neunziger Jahren in Berlin le-
bend; ehemaliger preußischer Offizier und Kriegsteilneh-
mer von 1866 und 1870/71, dann, nach seinem Abschied
einige Jahre in Amerika, schliesslich freier Dichter impres-
sionistischer Lyrik und konsequenter Monarchist. Er
schrieb 1888 an ein literarisches Magazin: «Nein, vive le
roi! Und noch im verzweifeltsten Augenblick des König-
tums sieht man an meinem Hut das blaue Blümchen der
Treue. Der Kaiser ist nur ein Abglanz der Heiligkeit; für
ihn und mein deutsches Vaterland gebe ich den letzten
Atemzug.» 1901 zog sich Liliencron mit einem Ehrensold
Kaiser Wilhelms II. nach Alt-Rahlstedt bei Hamburg zu-
rück.

«Die melancholische Geschichte vom Ende Preußens»:


das Reich ohne Bismarck in der «wilhelminischen Ära»
tag die erste Flottenverstärkung, das Abenteuer «Unsere
Das Jahr 1888 brachte für Bismarck und seine preußisch- Zukunft liegt auf dem Wasser» – zwangsläufig gegen die
deutsche Reichsschöpfung den Anfang vom Ende. «Alles Interessen Englands gerichtet – begann; aber im gleichen
was er (Bismarck) zu verhindern oder aufzuschieben ver- Jahr begann auch Russlands Annäherung an Frankreich
sucht hatte, das Schlimmste, was er fürchtete, kam mit grosszügigen französischen Anleihen zur Finanzierung
schliesslich doch: Weltkriege, Weltrevolution, die buch- der russischen Industrie. 1890 erfolgte dann die Entlassung
stäbliche Vernichtung seines Staatsidols, so dass die Ju- Bismarcks, sein Nachfolger Caprivi verzichtete darauf,
gend, die heute heranwächst, den Namen Preußen kaum den als «zu kompliziert» angesehenen Rückversicherungs-
mehr kennt», schrieb Golo Mann 1958. Die Zäsur, mit der vertrag mit Russland zu erneuern. Damit vertiefte sich die
Preußen und das Reich diesen Weg zum «Schlimmsten», schon auf dem Berliner Kongress 1878 sich anbahnende
das Bismarck fürchtete, einschlug, war das «Dreikaiser- Entfremdung zwischen Preußen und seinem traditionellen
jahr» 1888, als Wilhelm I., der Wegbegleiter Bismarcks, Partner Russland in verhängnisvoller Weise – trotz mehre-
starb und nach den 99 Tagen Friedrichs III. dessen Sohn rer Treffen der Staatsoberhäupter.
Wilhelm II. (1859-1941) preußischer König und deutscher Der englische Historiker A.J.P. Taylor, nach 1945 einer
Kaiser wurde. Fontane hoffte noch im Sommer 1888: der Vertreter der These von der Alleinschuld Deutschlands
«Nun ist auch Kaiser Friedrich zu seinen Vätern versam- an der europäischen Katastrophe, hat in seinem Buch über
melt. Ein wahres Glück, dass sich der Wilhelmradau nicht die deutsche Geschichte den Zeitraum von 1871 als «Er-
wiederholen soll.» Welch ein Irrtum! Er sollte erst richtig oberung Deutschlands durch Preußen», jenen von 1890 bis
losbrechen und schliesslich alles in den ersten der beiden 1906 aber als «Eroberung Preußens durch Deutschland»
Weltkriege hineinreissen. interpretiert. Und in der Periode von 1906 bis zum Ersten
In den ersten beiden Jahren der «wilhelminischen Ära», Weltkrieg sah er die «Krise Hohenzollern-Deutschlands».
also von 1888 bis 1890, wurde viel von einem «neuen Ohne hier auf die erwähnte Kollektiv-Schuld-These kri-
Kurs» in Deutschland geredet. 1889 bewilligte der Reichs- tisch einzugehen, die Aussparung der Periode Bismarcks

265
993
Kaiser Wilhelms II. grosse Liebe zur Uniform zeigen diese sechs
Beispiele militärischer Verkleidungen (von links oben: der Kaiser als
«Grosser Kurfürst», als Generalleutnant aus der Zeit Friedrichs II.,
in schottischer Tracht, in britischer Admiralsuniform, im Ornat des
Johanniterordens und in seiner kaiserlichen Paradeuniform).
Unten: Preußischer Untertanengeist im Kaiserreich: Kleinstädtische
Honoratioren mit Ehrenjungfrauen am Bahnhof in Erwartung eines
hohen Gastes.

267
zwischen 1871 und 1890 durch diesen Historiker hat zwei-
fellos vieles für sich, denn tatsächlich war ja in dieser Zeit
die «Eroberung Deutschlands durch Preußen» noch nicht
ganz erfolgt, da der konservative Preuße Bismarck die Po-
litik bestimmte. Preußen führte bis zu Bismarcks Entlas-
sung immer noch ein eigenstaatliches Leben im Reich, ab
1890 aber, also nach Bismarck, kann dann von einer «ei-
gentlich preußischen Geschichte nicht mehr die Rede sein.
Es gibt nur noch die melancholische Geschichte vom Ende
Preußens» (Haffner).
Der erste Akt dieser melancholischen «Geschichte» ist die
von Taylor als «Krise Hohenzollern-Deutschlands» apo-
strophierte «wilhelminische Ära», in der ein geltungssüch-
tiger Kaiser, zusammen mit einer Reihe von Reichskanz-
lern, denen weder das diplomatische Geschick noch die
Fortüne Bismarcks gegeben war, dessen Bündnissystem
demontiert und das Reich in eine ausweglose Isolierung
hineingeführt haben: die russisch-französische Annähe-
rung führte 1894 zu einem festen Bündnis; Italien zog sich
von den Mittelmächten zurück und näherte sich der bri-
tisch-französischen Entente cordiale, die 1904 entstanden
war; die britisch-deutschen Beziehungen wurden mit Wil-
helms II. «Krüger-Telegramm» (1896), der deutschen
Flottenpolitik und dem «Daily-Telegraph»-Interview mit
Wilhelm II. (1908) immer stärker belastet; die waghalsigen
deutschen Interventionen in Marokko blieben erfolglos
und provozierend für Frankreich; und schliesslich führte
die Haltung des Reichs in den Balkan-Krisen, die sich in
zwei Kriegen 1912/13 entluden, an der Seite des mit «Ni-
belungentreue» (Bülow) umarmten Österreich vollends zur
Abgrenzung gegen die übrigen Grossmächte. Voller Miss-
trauen gegeneinander rüstete man überall in Europa weiter
auf. Der persönliche Berater des amerikanischen Präsiden-
ten Wilson, Oberst House, berichtete im Mai 1914 über
Ganz Europa hatte vor 1914 voller Misstrauen gegeneinander aufge-
rüstet, der Mord von Sarajewo am 29. Juni 1914 brachte die Explo- seine Eindrücke in Europa: jedermanns Nerven seien zum
sion, deren Folgen niemand vorausahnen konnte. Die ausmarschie- Zerreissen gespannt, ein Funke genüge, um das Ganze in
renden Soldaten, die im Herbst, «wenn das Laub fällt», wieder zu- die Luft zu jagen. Der Mord in Sarajewo am 29. Juni 1914
hause sein wollten, wurden mit Blumen und Jubel verabschiedet...
war dieser Funke. «Die grosse Verdunkelung» (Michael
Freund) in Europa begann, die «Lichter gingen aus» und
alle «gehen auf Raub aus» (Lord Grey, britischer Aussen-
minister).

Preußen und das Reich im Ersten Weltkrieg: «Jede Ent-


schlusskraft erloschen»

Rechte Seite: Das Ende nach vier Jahren mörderischer Material- Auf deutscher Seite ging mit dem ersten Tag des Krieges
schlachten an den Fronten im Westen und Osten: Niederlage und Ge-
fangenschaft der Überlebenden an der Front, Chaos und Hunger in das Kommando von den Politikern auf die Militärs über –
der Heimat. ein schwerwiegender Umstand, veranlasst durch das Ver-

268
sagen des deutschen Kaisers, dem nach der Bismarckschen preußischen Wahlsystems, des völlig überholten Dreiklas-
Reichsverfassung die Koordination der politischen mit der senwahlrechts (s. Kapitel IX). Von Anfang hatten die So-
militärischen Führung zufiel. Dieser Kommandowechsel zialdemokraten, die «roten Preußen», die sich in der wil-
führte schliesslich zur politischen Entmachtung Wilhelms helminischen Ära trotz aller Verfolgung einen Staat im
II. selbst, der sich gegenüber dem Generalstab nie durch- Staate aufgebaut hatten und nach der Aufhebung des Sozi-
setzen konnte. Einer der vielen Biographen Wilhelms II., alistengesetzes 1890 in den nachfolgenden Wahlen ständig
der Breslauer Jude Emil Ludwig (1881-1948), vermerkte: ihre Mandate bis hin zur stärksten Partei (1912) ausbauten,
«Es verging kein halbes Jahr, so war er der Gefangene sei- eine Reform des Wahlrechts gefordert, wobei sich Liberale
nes Hauptquartiers, nach zwei Jahren war jede Entschluss- und andere Kreise anschlossen. Friedrich Nauman (1860-
kraft erloschen.» 1919) schrieb 1913 noch etwas blumig: «Die preußische
Erst vor diesem Hintergrund entwickelten der Reichstag Verfassung ist für uns recht eigentlich, das deutsche Nati-
und seine tragenden Parteien, die sich 1914 zu einem onalproblem geworden. Solange sie unverändert besteht,
«Burgfrieden» in einer gemeinsamen Front bekannt hatten, kann ein freier, hoher, deutscher Nationalsinn sich nicht
eine langsam erwachende Aktivität, um die längst notwen- entfalten. Es fehlt am Flügelschlag des deutschen Adlers,
digen Reformen im Sinne einer Parlamentarisierung des an Luft, Bewegung, politischer Wahrhaftigkeit und Ernst-
Reiches durchzusetzen. Ziel war die Beseitigung des alten haftigkeit. Die preußische Verfassung ist eine beständige

269
Demütigung der Bevölkerung.» Auch die massive Kritik lig neuen Voraussetzungen. Um dem Zusammenbruch der
des Soziologen Max Weber (1864-1920) während des Ers- Front zuvorzukommen, richtete die deutsche Regierung
ten Weltkrieges, der es als unmöglich anprangerte, dass die am 4. Oktober ein Gesuch um Waffenstillstand an den
Soldaten an der Front ihre Knochen hinhalten müssten, amerikanischen Präsidenten Wilson. Sie akzeptierte darin
gleichzeitig aber nur in der 3. Klasse wählen dürften, än- dessen in den «14 Punkten» niedergelegte Richtlinien für
derte noch nichts. Erst nach dem Schock, den die russische den Weltfrieden. Dazu aber musste die Regierung auf eine
Revolution 1917 auslöste, wurde dieses «Nationalprob- parlamentarische Grundlage gestellt werden, was am 28.
lem» von allen Parteien des Reichstages, ausgenommen Oktober durch eine Verfassungsänderung geschah. Um die
den preußischen Konservativen, erkannt. Alle Verspre- Monarchie zu retten, verlangte der neue Reichskanzler,
chungen, etwa die «Osterbotschaft» des Kaisers vom 7. Prinz Max von Baden, die Abdankung Wilhelms II. Dieser
April 1917, und Ausschuss-Experimente im Reichstag sträubte sich zunächst und wollte wenigstens die preußi-
blieben aber letztlich ergebnislos, weil alle entsprechenden sche Königskrone behaupten, aber alle derartigen Speku-
Pläne von der Voraussetzung eines «Siegfriedens» ausgin- lationen wurden durch den Umsturz vom 9. November
gen. Die militärische Lage im Sommer 1918 führte überholt. Wilhelm II. floh ins holländische Exil, das Deut-
schliesslich zu einer Lösung des Problems, aber unter völ- sche Reich wurde Republik – und Preußen mit ihm.

Mit den meisten Monarchien in Mitteleuropa wurde 1918 auch die «wilhelminische Ära»
hinweggefegt, das Reich – und mit ihm Preußen – wurde Republik (die Zeichnung «November
1918: Die Quadratur des Zirkels ist gelöst» von Heinrich Kley stammt aus dem «Simpliccisimus»
vom 3. November 1918).

270
XI. Preußens Untergang:
Letzte kulturelle Blüte in der «Berliner Republik», letzter
Ruhm im Widerstand gegen Hitler und das Ende

Von 1919 bis 1947

Die «wilhelminische Ära» wurde 1918 mit den Monar- schwersten betroffen war: im Osten wurde Danzig als freie
chien der Mittelmächte hinweggefegt. Damit war der erste Stadt abgetrennt, der grösste Teil der Provinz Posen fiel an
Akt der «melancholischen Geschichte vom Ende Preu- Polen, zusammen mit den pommerellischen Kreisen von
ßens» (Sebastian Haffner) vorbei. Wenden wir uns nun den Westpreußen und einem wesentlichen Teil des oberschle-
letzten Akten dieses Dramas zu, dem langsamen Sterben sischen Industriegebietes; an die Tschechoslowakei kam
Preußens als demokratische Republik zur Zeit seiner letz- das Hultschiner Ländchen (1922 wurde dann aus den Pro-
ten Kulturblüte während der zwanziger Jahre in der Wei- vinzresten die neue Provinz «Grenzmark Posen-Westpreu-
marer Republik, bevor es als Staat ab 1932 von Hitler- ßen» gebildet); im Nordosten wurde das Memelgebiet au-
Deutschland seiner Eigenständigkeit vollends beraubt und tonom, aber dem litauischen Staat unterstellt; im Norden
zerstört wurde, um schliesslich 1947 auch auf dem Papier dehnte Dänemark seine Grenze bis vor Flensburg aus; im
ausgelöscht zu werden. Westen wurde Moresnet, Eupen und Malmedy von der
Rheinprovinz abgetrennt und Belgien zugewiesen, das
Saargebiet im Süden der Rheinprovinz wurde als Treu-
handgebiet an den Völkerbund abgetreten, aber ab 1925 in
Preußens Grenzen nach Versailles das französische Zollgebiet miteinbezogen.

Geographisch blieb Preußen auch nach Versailles das


weitaus grösste Land im Reich, auch wenn es von den im
Berlin, Tiergarten und zerstörtes Hansaviertel im Herbst des Jahres
Friedensvertrag erzwungenen Gebietsabtretungen am
1945.

271
Auch in seiner hegemonialen Stellung im Reich büsste schon im November 1918 in den «Sozialistischen Monats-
Preußen wesentliche Teile ein: die Präsidialstellung im heften» scharf gegen den Plan der ersten preußischen Re-
Reich und die Personalunion von Reichskanzler und preu- volutionsregierung unter Führung von Paul Hirsch (SPD)
ßischem Ministerpräsidenten wurden beseitigt. Schliess- und Heinrich Ströbel (USPD), eine preußische verfassung-
lich wurde Preußen durch die laut Artikel 17 der Reichs- gebende Nationalversammlung einzuberufen: «Weg mit
verfassung beschlossene neue preußische Verfassung vom einer preußischen Nationalversammlung! Hier ist nur
30. November 1920 ein demokratisch-parlamentarischer mehr Raum für eine Nationalversammlung Grossdeutsch-
«Freistaat» (Republik) wie alle anderen deutschen Länder. lands!» Am 3. Januar 1919, zwei Tage vor dem Spartakus-
Aufstand in Berlin, legte Hugo Preuß (1860-1925), damals
noch Staatssekretär im Reichsinnenministerium, später
Reichsinnenminister, eine Denkschrift zur künftigen
«Wenn Deutschland leben soll, muss Preußen sterben»: Reichsverfassung vor, in der er feststellte, dass es ein in-
Contra Preußen 1919 neres Recht Preußens auf sein Weiterbestehen nicht gebe,
denn Preußen sei ein «widernatürliches Gebilde», hervor-
Unmittelbar nach der November-Revolution, in der Zeit gegangen aus «glücklich beendeten Kriegen und dynasti-
der Umgestaltung des Reichs «zwischen Diktatur und De- schen Erbfolgen», für kurze Zeit gewiss ein «Surrogat des
mokratie» (Carl Severing), also im Entscheidungsjahr fehlenden deutschen Staates», das freilich die Erfüllung
1919, gab es sogar in Preußen selbst, auch und vor allem seines Berufes längst überlebt habe. Der zuständige Volks-
in der Parteispitze der SPD, jetzt stärkste Partei im Reich, beauftragte der Revolutionsregierung im Reich für das Jus-
viele Stimmen, die sich für einen deutschen Einheitsstaat tizwesen, Otto Landsberg (1869-1957), erklärte in der Sit-
und für die Auflösung Preußens stark machten. So wandte zung des Rats der Volksbeauftragten am 14. Januar 1919:
sich Max Cohen, Mitglied des Zentralrats der Arbeiter- «Preußen hat seine Stellung mit dem Schwert erobert,
und Soldatenräte der deutschen sozialistischen Republik,

272
Linke Seite: Umsturz 1918 in Preußen und Deutschland: Ausgehend
von Matrosenmeutereien in Wilhelmshaven und Kiel griff die Revo-
lution auf ganz Deutschland über (im Bild bewaffnete Arbeiter- und
Soldatenräte in Berlin, Unter den Linden).

Rechts: Der Berliner Staatsrechtler Hugo Preuß (1860-1925, im Bild


rechts im Gespräch mit Matthias Erzberger) befürwortete als Schöp-
fer der Weimarer Reichsverfassung 1919 eine Auflösung Preußens.

Unten: Wortführer einer Abtrennung der westlichen Provinzen von


Preußen war 1919 Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer, hier
als Präsident des Preußischen Staatsrates in Berlin (Herrenhaus). Die-
ses Amt hatte er von 1920 bis 1933 inne.

und dieses Schwert ist zerbrochen. Wenn Deutschland le-


ben soll, muss Preußen in der bisherigen Gestalt sterben.»
In den westlichen Provinzen wurde 1919 über eine Abtren-
nung der Rheinlande von Preußen diskutiert; der prominen-
teste Wortführer war der damalige Oberbürgermeister von
Köln, der zweitgrössten Stadt Preußens, Konrad Adenauer
(1876-1967). Er kannte die Situation genau, wusste, dass
Preußens westdeutscher Landesteil schon unter Bismarck
und in der wilhelminischen Ära kein angemessenes Mit-
spracherecht in Berlin hatte. Wenn ein Berliner Beamter
nach dem Rheinland versetzt wurde, galt das als «Strafver-
setzung», und im Kölner Jargon wurde er ein «armer Li-
tauer» genannt. Am 1. Februar 1919 legte Konrad Ade-
nauer seine Gründe für eine Abtrennung der Rheinlande
von Preußen vor einer von ihm einberufenen Versammlung
rheinischer Politiker dar: «Nach den Erfahrungen, die
Deutschland mit dem Hegemonialstaat Preußen gemacht
hat, nachdem die Hegemonie Preußens nicht zufällig, son-
dern als notwendige Folge eines Systems zum Zusammen-
bruch geführt hat, wird Preußens Hegemonie von den an-
deren Bundesstaaten nicht mehr geduldet werden... In der
Auffassung unserer Gegner (im Ersten Weltkrieg) ist Preu-
ßen der böse Geist Europas... Preußen wurde nach ihrer
Meinung von einer kriegslüsternen, gewissenlosen militä-
rischen Kaste und dem Junkertum beherrscht, und Preußen
beherrschte Deutschland, beherrschte auch die in West-
deutschland vorhandenen, nach ihrer ganzen Gesinnungs-
art an sich den Entente-Völkern sympathischeren Stämme.
Würde Preußen geteilt werden, die westlichen Teile
Deutschlands zu einem Bundesstaat der Westdeutschen
Republik zusammengeschlossen, so würde dadurch die Be-
herrschung Deutschlands durch ein vom Geiste des Ostens,
vom Militarismus beherrschtes Preußen unmöglich ge-
macht; der beherrschende Einfluss derjenigen Kreise, die
bis zur Revolution Preußen und damit Deutschland be-
herrscht haben, wäre endgültig auch für den Fall, dass sie

273
nur an materiellen, sondern vor allen Dingen auch an mo-
ralischen Kräften.» Nüchtern und mit klarem Konzept für
eine denkbare neue Zukunft Preußens argumentierte 1919
nur ein preußischer Sozialdemokrat gegen die Mehrheit
seiner Partei und die Reichsregierung, die eine grosse Ein-
heitsrepublik mit Aufteilung der Einzelstaaten in kleinere
Länder wollten: der spätere preußische Ministerpräsident
Otto Braun (1872-1955). Braun sah gegenüber dem Zent-
ralrat der Arbeiter- und Soldatenräte am 23. Januar 1919
die Zukunft Preußens so: «Das neue, das demokratische
Preußen soll man nicht zerschlagen. Um das Ziel der deut-
schen einheitlichen Republik zu erhalten, darf man nicht
so verfahren, dass man jetzt die grossen Staaten zerschlägt,
die doch den Kern der neuen Republik bilden sollen.»
Braun anerkannte zwar das Argument der Reichsregie-
rung, wonach zwei grosse Verwaltungen nebeneinander
unwirtschaftlich seien, wies aber daraufhin, dass die Instal-
lierung zahlreicher kleiner Länder mit ebenso vielen klei-
nen Verwaltungsapparaten auch unsinnig sei: «Ich würde
umgekehrt verfahren und die Bestimmung treffen, dass
Angliederungen möglich wären und gefordert werden.»
Damit hatte er bereits die Rolle skizziert, die Preußen dann
bis zum Ende der Weimarer Republik tatsächlich gespielt
hat, nämlich die einer «republikanischen Ordnungszelle»,
verwirklicht mit einer Reichsreform durch die Angliede-
rung der kleineren Staaten an die grössten, insbesondere an
sich von der Revolution wieder erholten, ausgeschaltet.» Preußen. Rational denkend, scheute er sich aber auch
Soweit Adenauer 1919, wobei man nicht vergessen darf, nicht, seinen späteren Kabinettskollegen immer wieder
dass Köln von den «Gegnern», von denen er sprach, näm- eine neue «Vorrechtstellung» Preußens im Reich auszure-
lich den Engländern, ab 6. Dezember 1918 besetzt war und den und die Gesetzgebung mehr auf das Reich zu übertra-
noch bis 31. Januar 1926 besetzt bleiben sollte. gen.

«Republikanische Ordnungszelle»: Pro Preußen 1919

Auf der anderen Seite wurden die pro-preußischen Argu- Bayern rettet Preußen, «Stabilisierung der Macht» unter
mente nicht weniger überzeugend vorgebracht. Wolfgang dem Sozialdemokraten Otto Braun
Heine (SPD), Innenminister im ersten und zweiten preußi-
schen Kabinett des Sozialdemokraten Paul Hirsch (1868- Der Streit wurde schliesslich durch die süddeutschen und
1940), trat am 3. März in der Sitzung der Nationalver- südwestdeutschen Staaten entschieden, die gegen eine
sammlung in Weimar «Zerstückelungs»-Tendenzen, wie «Unitarisierung des Reichs» waren und für eine föderative
sie Konrad Adenauer vertrat, entschieden entgegen:
«Phantastische Pläne, die nicht aus dem Bedürfnis des
ganzen preußischen Volkes hervorgehen und die darauf
hinauslaufen, Preußen zu zerstückeln, weil dieser oder je- Oben: Wahlpaket der DNVP aus dem Jahr 1925; diese Partei stand
ner Teil es bequemer findet, seine eigenen Wege zu gehen, in der Tradition eines konservativen «Preußentum»-Ideals, ausge-
richtet nach Zucht, Arbeitsdisziplin, Unterordnung, Wehr- und Op-
können wir nicht verantworten. Nicht verantworten nicht ferwillen.
nur vor Preußen, sondern vor allen Dingen vor der Idee des
einheitlichen Deutschen Reiches. Das Reich, das aufge- Rechte Seite: Preußen wurde schliesslich unter der stabilen Regie-
baut würde auf dem zerstückelten, zerschlagenen und da- rung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto Braun, zur
«republikanischen Ordnungszelle» im Reich (im Bild Otto Braun,
mit geschwächten Preußen, wäre selbst geschwächt nicht links, mit dem SPD-Vorsitzenden Otto Wels, Mitte, und Preußens
Innenminister Carl Severing, SPD, im Jahre 1932).

274
Lösung eintraten, sich also strikt auch gegen eine Auflö- Die Diskussion über die Rolle Preußens im Reich hielt
sung Preußens stellten. Am heftigsten kämpfte die Bayeri- während der Zeit der Weimarer Republik weiter an, da nun
sche Volkspartei gegen Preußens Zerstückelung, aus der im Verhältnis Preußens zum Reich eine Umkehrung ein-
richtigen Befürchtung heraus, dass dann Bayern – wie getreten war: Wo bisher Preußens Einfluss über das Reich
auch Württemberg und Baden – zu kleinen Provinzen des bestimmt hatte, bestimmte nun das Reich über Preußen.
Reichs herabsinken würden. Nachdem also der «alte Fritz» Der politischen Krisenanfälligkeit der Weimarer Republik
Bayern im 18. Jahrhundert vor einer Annexion durch Ös- durch die Vielzahl der politischen Parteien, die letztlich zu
terreich gerettet hatte, revanchierte sich nun der bayerische deren Zerfall führte, stand der Einzelstaat Preußen im bun-
Freistaat, indem er den preußischen Staat in die Weimarer desstaatlichen Aufbau des Reiches schliesslich machtlos
Republik hinüberrettete. Preußen musste also «nicht ster- gegenüber, wenn sich auch später das «rote Preußen» tap-
ben, damit Deutschland leben soll», wie Otto Landsberg fer der «braunen» Übermacht entgegenstemmte.
im Januar 1919 dramatisch gefordert hatte, es blieb – dezi- Im Gegensatz zu den vielen Regierungskrisen und -wech-
miert freilich durch die bereis genannten Abtrennungen seln in der Führung der Weimarer Republik blieb die Re-
nach dem Versailler Vertrag – im Reich erhalten, wenn es gierung unter der festen Führung des Sozialdemokraten
auch seine Hegemoniestellung verlor. Und der Kölner Otto Braun, bis auf zwei kürzere Unterbrechungen in den
Oberbürgermeister Adenauer wurde nicht Ministerpräsi- Jahren 1921 und 1925, mit seinen Kabinetten nach dem
dent einer «Westdeutschen Republik» mit der Hauptstadt Muster der Weimarer Koalition (Sozialdemokraten, De-
Köln, sondern 1920 zum Präsidenten des Preußischen mokraten, Zentrum, vorübergehend auch Deutsche Volks-
Staatsrates gewählt und blieb dies bis 1933.

275
partei) sehr stabil. Sogar die fairen politischen Gegner an-
erkannten dies, und eine konservative preußische Zeitung
schrieb über Otto Braun: «Seit Bismarck hat keiner mit
mehr Hochgefühl, Ernst und Selbstbewusstsein in Haltung,
Handlung und Wort die Macht des preußischen Staates in-
negehabt und repräsentiert als dieser einstige Königsberger
Buchdruckerlehrling. Braun bekämpfte das alte Preußen,
aber er übernahm dessen Regierungsmethode. Mitunter
glaubte man, bei ihm eine geistige Verwandtschaft mit
Friedrich Wilhelm I. und den alten preußischen Junkern zu
spüren. Die Einfachheit der Lebensführung hatte er mit je-
nen ebenso gemeinsam, wie die konservative Einstellung
zur Macht als Ordnungsfaktor.»

«Hohenzollern oder Republik, das ist Jacke wie


Hose...»: das Preußentum in der Weimarer Republik

Sinn und Wertung des Preußentums nach den Erfahrungen


der Vergangenheit und seine Bedeutung für das neue de-
mokratische Preußen wurde Gegenstand vieler Erörterun-
gen, Spekulationen und Prognosen, vornehmlich bei den
Konservativen. Es bieten sich dabei Zitate an, die von der
philosophischen Prägung eines Oswald Spenglers (1880-

Oben: Der Berliner Maler Georg


Grosz (um 1930 in seinem Atelier),
geisselte mit aller Schärfe in seinen
Bildern die Nachwehen des preußisch-
deutschen Militarismus aus der Zeit
vor und während des Ersten Welt-
kriegs.

Auch Heinrich Zille (um 1928 in sei-


nem Arbeitszimmer) glossierte in sei-
nen Zeichnungen die «Segnungen»
des Krieges, widmete aber seine ganze
Liebe dem «Milljöh» der Berliner Hin-
terhöfe, der Welt der Unterprivilegier-
ten und Benachteiligten.

276
1936) bis zum ketzerischen Gedankensplitter des Dichters
Gottfried Benn (1886-1956) reichen, der ruppig räsonierte:
«Hohenzollern oder Republik, das ist Jacke wie Hose.
Günther, Hölderlin, Heine, Nietzsche, Kleist, Rilke oder
die Lasker-Schüler – der Staat hat nie etwas für die Kunst
getan. Kein Staat.» Ein Buch wie «Der preußische Stil»
von Arthur Moeller van den Bruck (1876-1925), 1916 erst-
mals, 1931 erneut erschienen, wurde zum aktuellen Dis-
kussionsstoff. Darin standen Sätze wie: «Das Schicksal hat
gegen Preußen entschieden. Jetzt wird seine Entwicklung
bis dahin rückgängig machen müssen, wo zuletzt das
Schicksal mit ihm war... Das Preußentum war der Geist,
der in Deutschland die Schwärmerei durch den Willen, den
Schein durch die

Der Berliner Architekt Walter Gropius (Aufnahme von 1928) grün-


dete und leitete ab 1919 das «Bauhaus» in Weimar (später Dessau),
von dem entscheidende Impulse auf die Entwicklung neuer Kunst-
und Bauformen in der ganzen Welt ausgingen.

Hans Poelzig – im Bild mit dem Maler Max Liebermann in der Ber-
liner Akademie der Künste 1931 vor der Ausstellungseröffnung
«Hans Poelzig und seine Schule» – baute in Berlin 1919 das Grosse
Schauspielhaus und von 1928 bis 1932 das Messegelände mit dem
Berliner Funkturm (im Bild im Vordergrund ein Modell davon).

277
ZLl
Nackte Tatsachen 1925 auf einem Atelierfest Berliner Künstler; sol-
che Feste waren damals trotz aller Freizügigkeit doch relativ selten.

Kurt Tucholsky (1890-1935) alias Peter Panter, Theobald Tiger, Ig-


naz Wrobel und Kaspar Hauser, wichtigster Mitarbeiter der «Welt-
bühne» und Autor von «Schloss Gripsholm», verfasste für sich die
Grabschrift «Er hatte ein warmes Herz und eine grosse Schnauze»,
die für alle Berliner galt.

Linke Seite:

Oben links: Mit dem Walter-Kollo-Lied «Du mein geliebtes Schma-


ckeduzchen» begann schon 1906 die Karriere von Claire Waldoff;
die einmalige Popularität (von ‚‚Nach meine Beene is ja janz Berlin
varickt» bis «Hermann heesst er!») dieser kleinen berlinischen Yvette
Guilbert mit den roten Haaren hielt fünfzig Jahre an (Foto von 1918).

Oben rechts: Drei bekannte Bühnen- und Filmstars der hektischen


«Golden Twenties» in Berlin: Rosa Valetti, Hans Albers und Marlene
Dietrich (1929).

Unten: Probe von Erik Charell mit seinen «Girls» im Grossen Schau-
spielhaus in Berlin, das der Tänzer 1925 von Max Reinhardt über-
nahm und bis 1930 als Revuetheater mit grossem Erfolg weiterführte.

279
Sache und Sachlichkeit abloste, und unter uns wieder die Am 30. Januar 1933 wurde am Brandenburger Tor in Berlin wieder
Sendung zur Tat übernahm.» Oswald Spengler dagegen einmal marschiert, diesmal waren es die braunen Kolonnen des neuen
Reichskanzlers Hitler; mit dem Ende der Weimarer Republik starb
projizierte das «preußische Element» philosophisch in die auch das alte Preußen endgültig.
Zukunft: «Im heutigen Begriff des Deutschen, im heutigen
Typus des Deutschen, ist das preußische Element verjähr-
ten Ideologien gegenüber stark investiert. Die wertvollsten
Deutschen wissen es gar nicht. Es ist mit seiner Summe deutlichsten zeigte, im Hunderttausend-Mann-Heer der
von Tatsachensinn, Disziplin, Korpsgeist, Energie, ein Reichswehr, die zum Schutz der Republik aufgestellt wor-
Versprechen der Zukunft, noch immer aber, nicht nur im den war, sich aber von den alljährlichen Veranstaltungen
Volk, sondern in jedem einzelnen von jenem Wirrwarr ab- am Verfassungstag (11. August) der Republik fernhielt
sterbender der abendländischen Zivilisation gegenüber und deren Offiziere die republikanischen Farben als
nichtssagender und gefährlicher, obwohl oft sympathi- «schwarzrot-senf» verunglimpften, gab es zahlreiche Be-
scher Züge bedroht, für die das Wort deutscher Michek weise für eine gefährliche Interpretation der «Lebenskraft
längst bezeichnend geworden ist... Zur preußischen Art ge- des Preußentums». So erklärte der langjährige Oberbe-
hört es, dass der Einzelwille im Gesamtwillen aufgeht. Das fehlshaber der Reichswehr, Hans von Seeckt (1866-1936)
Offizierskorps, das Beamtentum, die Arbeiterschaft Be- in seiner 1931 erschienenen Schrift «Moltke, ein Vorbild»
bels, endlich ‚das’ Volk von 1813, 1870, 1914 fuhren, wol- stolz die «Prägung» seiner neuen Armee: «Das ist viel-
len, handeln als überpersönliche Einheit. Das ist nicht Her- leicht einer der stärksten Beweise der Lebenskraft des
dengefühl, es ist etwas unendlich Starkes und Freies da- Preußentums, dass es nach dem fürchterlichen Ende der
rum, das kein Nichtzugehöriger versteht.» deutschen Armee inmitten eines Deutschlands, das sich
Dort aber, wo die Abneigung gegen das «rote Preußen» ebenso preußen- wie militärfeindlich gebärdete, doch ge-
und die «ungeliebte Republik» sich am deutlichsten zeigte, lang, eine deutsche Heeresmacht zu gründen, die, so klein
sie ist, doch ganz Deutschland umfasst und die preußische
Prägung zeigt.»

280
Aus dem Offizierskorps dieser Armee kamen schliesslich Die Zeit der «Berliner Republik»: «Diese Stadt frass
auch die falschen Ratgeber und Intriganten, von denen Talente und menschliche Energien...»
Otto Braun in seinen Erinnerungen sprach, als er Reichs-
präsident von Hindenburg und dessen Rolle vor der Macht- Der in Berlin geborene Kulturphilosoph Ludwig Marcuse
übernahme durch die Nationalsozialisten beschrieb: «Bei (1894-1971) schrieb in seiner Autobiographie «Mein
meinem ersten Besuch, bei dem ich Hindenburg zum ers- zwanzigstes Jahrhundert»: «Im Jahre 1919 wurde die Wei-
ten Male begegnete, war ich erschreckt über die völlig un- marer Republik geboren. Sie wurde vierzehn Jahre alt. Sie
politische Einstellung und geistige Schwerfälligkeit dieses begann und endete in Berlin. Man sollte sie deshalb die
Mannes, in dessen Hände das deutsche Volk die Macht ge- Berliner Republik nennen ... Ausserhalb Berlins, zuge-
legt hatte, die die Reichsverfassung dem Reichspräsiden- spitzt gesagt, war diese Republik nicht gerade sehr leben-
ten verleiht. Klar wurde mir auch, dass für seine Amtsfüh- dig.» Das ist richtig und einleuchtend. Tatsächlich war das
rung alles auf gute politische Ratgeber ankam, deren erster Berlin der zwanziger Jahre eine Stadt mit vielen Gesich-
der die Politik des Reiches bestimmende Reichskanzler tern, voller Gegensätze, aber auch bedenklicher Vorzei-
sein musste. Dass ihm solche Ratgeber nicht immer be- chen für das, was danach kam. Die oft gerühmten «Golden
schieden waren, so dass er schliesslich den Einflüsterun- Twenties» in Berlin waren nicht «golden», Licht und
gen eines von Bedenklichkeiten unbeschwerten kurzsich- Schatten lagen dicht beieinander. Die Schatten lagen mehr
tigen Intriganten erlag, wurde ihm und dem deutschen im politischen Bereich, die Lichter strahlten umso heller
Volke zum Verhängnis.» im kulturellen Leben, auf dem Theater, in der Musik, in der
bildenden Kunst, in der Literatur, in der Architektur und
im Film, dem jüngsten Medium künstlerischer Entfal-
tungsmöglichkeiten.
Wie stark die Ausstrahlungskraft der alten und neuen deut-
Noch im Jahr 1933 standen Paul Wegener und Fritz Kortner in dem
Drama «Der Patriot» von Alfred Neumann im Lessing-Theater auf
schen und preußischen Hauptstadt in diesen vierzehn Jah-
der Bühne, ehe Kortner, Neumann und viele andere jüdische Künstler ren war, beschrieb Carl Zuckmayer in seinen Memoiren:
und Wissenschaftler Deutschland verliessen.

281
«Berlin war mehr als eine Messe wert Diese Stadt frass Der Berliner Georg Grosz (1893-1959) geisselte in seinen
Talente und menschliche Energien mit beispiellosem Bildern – zum Teil im Dada-Stil – die Nachwehen des
Heisshunger, um sie ebenso rasch zu verdauen, kleinzu- preußisch-deutschen Militarismus aus dem Ersten Welt-
machen und wiederauszuspucken. Was immer in Deutsch- krieg. Über die Dada-Künstler wie Georg Grosz und John
land nach oben strebte, saugte sie mit Tornado-Kräften in Heartfield (eig. Helmut Herzfeld, 1891-1968) schrieb 1919
sich hinein, die Echten wie die Falschen, die Nullen wie Wilhelm von Bode, der Generaldirektor der Staatlichen
die Treffer, und zeigte ihnen erst mal die kalte Schulter. Kunstsammlungen in Berlin, eingedenk des Kunstver-
Man sprach von Berlin, solange man es nicht besass, wie ständnisses seines Kaisers um 1900 (s. Kapitel X): «Glaubt
von einer sehr begehrenswerten Frau, deren Kälte und Ko- man, dass aus diesem Sumpf Deutschlands Erneuerung
ketterie allgemein bekannt ist und auf die man umso mehr kommen kann? Diese neue ‚Kultur’ mit dem Dadaismus
schimpft, je weniger Chancen man bei ihr hat...» auf allen Gebieten ist der letzte Ausdruck eines Gemisches
Ihre Chancen gesucht haben in Berlin damals zahllose Ta- von Grössenwahn, Lüsternheit und Öde, der unsere Kunst
lente aus allen Kunstgattungen und Kulturbereichen. Sie seit schon fast einem Menschenalter entstellt.» Der bereits
hier alle auch nur annähernd gebührend vorzustellen, erwähnte Volkszeichner Heinrich Zille (s. Kapitel X) glos-
würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Dieser sierte zur gleichen Zeit bissig in seinen Zeichnungen die
sowohl politisch wie kulturell rast- und ruhelosen Zeit in «Segnungen» des Krieges und machte seine grossartigen
Berlin kann man am besten mit einigen typischen Schlag- Fotos aus dem Leben des kleinen Mannes und der Benach-
lichtern gerecht werden, die die Hektik des damaligen teiligten der Berliner Gesellschaft – die Fotos wurden erst
Theater-, Musik-, Kunst-, Literatur- und Film-Lebens wi- in unseren Tagen neu entdeckt. Um Jacobssohns linksop-
derspiegeln, wobei der «preußische» Hintergrund mitbe- positionelle Zeitschrift «Die Weltbühne» scharten sich die
achtet wurde. pazifistischen Schriftsteller Ludwig Renn (1889-1979),
Bei Kriegsende gab es eine weitverbreitete «Nie-wieder- Carl von Ossietzky (1889-1938), Walter Mehring (geb.
Krieg»-Bewegung, zu der sich viele Künstler bekannten, 1896) und Kurt Tucholsky (1890-1935). Emil Ludwig
wie z.B. Käthe Kollwitz (s. Kapitel X), die sich mit ihren (1889-1948) klagte in seinen Büchern den Nationalismus
graphischen Arbeiten zum Anwalt der Hilflosen und Ar- an, während auf der anderen Seite Edwin Erich Dwinger
men im Nachkriegselend machte. und Ernst von Salomon für eine Generation von Literaten

282
standen, die das Fronterlebnis des Krieges verklärten und rern der Republik bekannte. In der Preußischen Dichterak-
zum Aufkommen eines Heldenmythos beitrugen. Meist ademie der zwanziger Jahre sassen viele Schriftsteller mit
standen sie der Zeitschrift «Die Tat» nahe, einem rechts- humanistischer und demokratischer Grundhaltung, so etwa
oppositionellen Gegenstück zur «Weltbühne», Sprachrohr Ricarda Huch (1874-1947), Hermann Stehr (1864-1940),
der «konservativen Revolution», die Abkehr von «westli- Wilhelm von Scholz (1874-1969) und Alfred Döblin
chen Ideen», Öffnung nach Osten und Überwindung der (1878-1957); aber auch konservative und national gesinnte
sozialen Gegensätze in einem nationalen Ständestaat pre- Preußen wie Agnes Miegel (1879-1964), Wilhelm Schäfer
digte. Als Dichter der Republik dagegen galt in erster Linie (1868-1952), Ina Seidel (1885-1974) und Will Vesper
der bereits vorgestellte Gerhart Hauptmann (s. Kapitel X), (1882-1962) waren darin vertreten. Von dem Posener
der sich mehrmals öffentlich zur Demokratie und den Füh- Ernst Toller (1893-1939) wurden Stücke mit idealisti-
schem-revolutionärem Pathos wie «Masse Mensch»
(1921) in Berlin uraufgeführt, die heute 80jährige Breslau-
Linke Seite: Am 10. Mai 1933 wurde Heinrich Heines Satz «Dort, wo
erin Ilse Langner machte mit dem Stück «Die Heilige aus
man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen» zum USA» (1931) erstmals von sich reden. Viel gespielt wur-
gespenstischen Menetekel: auf dem Opernplatz in Berlin und an an- den auch die Stücke des Magdeburgers Georg Kaiser
deren Plätzen Deutschlands wurden auch die Bücher preußischer (1878-1945) und des Leipzigers Carl Sternheim (1878-
Schriftsteller von Weltgeltung verbrannt.
1942), beide expressionistische Dichter mit einer sugges-
Gegenüber der Flucht verfolgter Juden und Gegner des Nazi-Re- tiveruptiven Sprache und kennzeichnend hastigen Stak-
gimes aus Preußen und dem Reich in die Emigration wichen viele mit kato-Dialogen in ihren Stücken. Die Kritiken dieser und
Berufsverbot belegte Künstler in die «innere Emigration» aus, so
auch die Berliner Malerin Käthe Kollwitz (Aufnahme von 1935). vieler anderer glanzvoller Theater-Premieren standen in

283
den 1928 auf insgesamt 147 Tages- und Wochenzeitungen Entwurf zum Salzburger Festspielhaus (1920/21). Der Kö-
angewachsenen Berliner Blättern. Die Stars unter den The- nigsberger Max Taut (1884-1967) baute in Bonn Sied-
aterkritikern waren der Breslauer Alfred Kerr (1867-1948) lungsbauten, die als Beispiel modernen Wohnungsbaus bis
und der Berliner Julius Bab (1880-1955). in die Gegenwart hinein gültig sind; dasselbe gilt für die
Industriebauten des Ostpreußen Erich Mendelssohn (1887-
1953), dessen Einstein-Turm in Potsdam, 1921 erbaut, als
«Bauhaus», Musik und Theater eine Schöpfung im Geiste des «Bauhaus» gilt.
Die Weltstadt Berlin setzte auch im damaligen Musikleben
In der Architektur ging die stärkste Wirkung auf die Ent- Massstäbe. Die bedeutendsten Künstler der Zeit trafen sich
wicklung neuer Kunst- und Bauformen ab 1919 vom oder arbeiteten in Berlin: der Berliner Bruno Walter (1876-
«Bauhaus» in Weimar, später in Dessau (1926 bis 1933) 1962) war von 1925 bis 1929 Direktor der Städtischen
aus, das der Berliner Architekt Walter Gropius (1883- Oper in Berlin-Charlottenburg im Jahr 1930 wirkten als
1969) gründete und leitete. Gropius arbeitete mit dem
Rheinpreußen Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) im
Berliner Architektenbüro des bereits genannten Peter Beh-
rens (s. Kapitel X), der während der Republik am Alexan- Oben: Zwölf Jahre genau auf den Tag nach dem «Preußenschlag»
derplatz die Bürohochhäuser «Alexander» und «Berolina» des Reichskanzlers von Papen, der die Republik Preußen an Hitler
auslieferte, meldete sich noch einmal der preußische Geist – am 20.
baute. Zu den Baumeistern, die bahnbrechend für die mo-
Juli 1944 beim Attentat der Offiziere gegen Hitler, die zum grossen
derne Baukunst waren, gehörte auch der Berliner Hans Po- Teil Angehörige traditionsreicher preußischer Adelsfamilien waren
elzig (1869-1936), der in Berlin das Grosse Schauspiel- (im Bild General von Witzleben vor dem «Volksgerichtshof» des Ro-
haus (1919), das Messegelände (1928-1932) und das land Freisler).
Rundfunkhaus errichtete und auch in Breslau, Posen sowie
Frankfurt am Main tätig war. Von ihm stammt auch der

284
Dirigenten gleichzeitig die Preußen Wilhelm Furtwängler Berlin war in den zwanziger Jahren der Dreh- und Angel-
(1886-1954) und Otto Klemperer (1888-1973) neben dem punkt aller kulturellen Strömungen traditioneller und
Wiener Erich Kleiber und dem Italiener Arturo Toscanini. avantgardistischer Prägung in ganz Deutschland. Wilhelm
Der Münchener Richard Strauss (1864-1949), schon vor von Scholz, von 1926 bis 1928 Präsident der Preußischen
dem Ersten Weltkrieg Generalmusikdirektor und Leiter ei- Dichterakademie in Berlin, schrieb damals: «Es würde mir
ner Meisterklasse für Komposition, feierte bis 1928 einige wie Zerfall, wie Auflösung erscheinen, wie Kulturlosigkeit
Premieren seiner Opern in Berlin. Das Zentrum des zeit- fast, wenn unsere Reichshauptstadt nicht der Mittelpunkt
genössischen musikalischen Schaffens war die Hoch- unserer Gesamtkultur wäre... Die Kultur, die heute in
schule für Musik, an der von 1927 bis 1933 auch der Ha- Deutschland Gesamtheit des Lebens ist, hat hier ihren Sitz,
nauer Paul Hindemith (1895 bis 1963) lehrte. das Herz unserer Kultur schlägt hier in Berlin.» Und wei-
Der grosse Zauberer des Berliner Theaters aber blieb auch ter: «Berlin ist nicht nur ein Markt, ist viel mehr noch ein
in den zwanziger Jahren der schon erwähnte Max Rein- Ort der Festsetzung der Massstäbe und Werte.»
hardt (s. Kapitel X), dessen Genie sich ebenso der klassi- Und die Berliner jener Jahre? Kurt Tucholsky hat einmal
schen Stücke von Oper und Schauspiel, wie auch der leich- folgenden Satz für seine eigene Grabschrift verfasst: «Er
ten Muse annahm. Er und der Königsberger Regisseur Le- hatte ein warmes Herz und eine grosse Schnauze». Dieser
opold Jessner (1878-1945), aber auch der Schwabe Erwin Satz galt für alle Berliner. «So waren sie», stellte der Ber-
Piscator und der Lübecker Jürgen Fehling entdeckten und liner Feuilletonist Pem, der seine Kritiken wie auch Repor-
förderten an ihren Bühnen schauspielerische Talente, de- tagen zu einer feuilletonistischen Kunstform erhob, tref-
ren Zahl und Namen so gross ist, dass man hier nur einige fend fest, «über die Nachkriegszeit gekommen und durch
leuchtende Sterne herausgreifen kann: Albert Steinrück, die Inflation geschliddert. Sie hatten alle vorübergehend
Elisabeth Bergner, Tilla Durieux, Ernst Deutsch, Paul We- mit Milliarden gerechnet wie vorher mit blanken Pfenni-
gener, Fritz Kortner, Gustaf Gründgens, Heinrich George, gen.. . Sie assen noch immer Bouletten und tranken eine
Marlene Dietrich und Emil Jannings. ‚Molle mit’n Korn‘, wenn sie nicht irgendwo im Grünen
Sammelpunkt aller Kreise des geistigen und künstleri- eine ‚Weisse mit Strippe‘ schlürften, und sagten ‚Uns kann
schen Berlins war das berühmte Romanische Café an der keener’ oder auch ‚Uns könn’se alle‘. Langsam hatten sie
Gedächtniskirche; in der «Westend-Klause» war das Re- gelernt, nur an das Heute und bestenfalls an’s Morgen zu
vier von Joachim Ringelnatz (1883-1934), der «Nachtigall denken, und ‚Nach uns die Sintflut’ lauerte irgendwo da-
vom Sachsenplatz». Dort hat ihn, wie so viele andere hinter...»
Köpfe des Berliner kulturellen und politischen Lebens der
«Porträtist einer Epoche», der gebürtige Wiener Benedikt
Fred Dolbin (eig. Pollak, 1883-1971) karikiert. Zehntau- «Vor Sonnenuntergang»: Die Republik stirbt
sende von Zeichnungen aus dem Berlin von 1925 bis 1933
hat Dolbin hinterlassen. Die Anzeichen für ein gewaltsames Ende der «Berliner Re-
Viele Namen aus Berlins «Golden Twenties» wurden hier publik» waren ab 1930 auch im kulturellen Leben unüber-
genannt, viele nicht – auch nicht all die vielen Namen de- sehbar: in Weimar liess 1930 der Direktor der Kunsthoch-
rer, die als Nichtpreußen nach Berlin gekommen sind, um schule, Paul Schultze-Naumburg – unter einer nationalso-
«ihre Chance bei der Dame Berlin» zu suchen und Karriere zialistischen Landesregierung – die Fresken des Bauhaus-
zu machen. Auch hier nur eine kleine und willkürliche Malers Oskar Schlemmer zerstören und die moderne Gale-
Auswahl: die Bayern Bert Brecht und Lion Feuchtwanger, rie des Museums schliessen, nachdem in der Zeitschrift
die Hamburger Hans Albers und Max Paulsen, die Pfälze- «Die Sonne», Weimar, zu lesen war: «Das Volk Kants und
rin Käthe Dorsch, die Österreicher Theodor Däubler, Max Schopenhauers lässt sich in der Tat allerhand bieten... Mit
Mell, Richard Tauber und Max Pallenberg, der Norweger wachsendem Staunen und Ekel geht man durch die Säle, in
Edvard Munch, die Lübecker Thomas und Heinrich Mann, denen die seltsamen ‚Freunde’ der Nationalgalerie das zu-
der Schweizer Curt Goetz, der Prager Emil Orlik, der Thü- sammengetragen haben, was sie heute als die ‚Blüten deut-
ringer Otto Dix, die Österreicher Leo Fall, Ralph Benatzky scher Kunst’ vom Publikum angesehen wissen wollen. Es
und Paul Abraham – und viele, viele andere. ist den Herren dringend zu raten, dass sie sich mit den Er-
gebnissen der modernen Biologie aufs Genaueste vertraut
machen, damit sie endlich für die Beurteilung aller Zeiter-

285
scheinungen, auch der Kunst, einen zuverlässigen Mass- Minister nur der Gewalt weiche und diese Stunde von welt-
stab erhalten, der sie von allen bolschewistisch-marxisti- geschichtlicher Bedeutung sei. Aber: «Seien wir offen: Sie
schen und liberalistischen Rückständigkeiten befreit...» war es nicht mehr. Das Fallen und Schwinden Preußens
1931 wurde Schinkels Neue Wache in Berlin zum Gefalle- hatte viele Jahrzehnte gedauert; zum Schluss konnte man
nenehrenmal umgestaltet, und bei der Premiere des Re- es wegblasen, wie man eine Kerze ausbläst» (Golo Mann).
marque-Films «Im Westen nichts Neues» gab es im Kino Hoffnungsvoll schrieb Otto Braun im Exil in seinen Me-
eine wüste Nazi-Demonstration. Zu ähnlichen Auftritten moiren «Von Weimar zu Hitler» (1940 erschienen): «Da-
kam es im «Theater am Kurfürstendamm», wo Trude mit war der Dualismus Reich-Preußen scheinbar beseitigt.
Hesterberg (1897-1967) und die Wienerin Lotte Lenya in Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung wird er sich
der Oper «Mahagonny» von Bert Brecht und Kurt Weill wieder auftun. Denn die nationalsozialistische Gleich-
(1900-1950) sangen. schaltung von Reich und Ländern ist nur oberflächlich, ent-
Aber noch 1932 erschien Hans Falladas (1893-1947) sozi- behrt jeder organischen Neugestaltung in staatsrechtlicher
alkritischer Roman «Kleiner Mann – was nun?», von Edu- und administrativer Hinsicht. Die Länderbürokratie führt
ard Künneke (1885-1953) kam die Operette «Glückliche nach wie vor ihr zähes Eigenleben und wird sich wieder
Reise» heraus. Im Deutschen Theater fand aber zur glei- stärker Geltung verschaffen, sobald der Polizeidruck ver-
chen Zeit die letzte grosse Theaterpremiere der sterbenden schwindet, der jetzt einen scheinbaren Gleichschritt er-
Republik statt, nämlich Gerhart Hauptmanns Drama «Vor zwingt.» Otto Braun konnte nichtahnen, dass die Auflö-
Sonnenuntergang» (mit Werner Krauss und Helene sung der Republik nach dem inneren Mechanismus
Thiemig). «Der Held des Stücks hatte vor dem Ende noch «Machtverlust, Machtvakuum, Machtergreifung» (Karl-
ein letztes grosses Glück. Unsere Republik hatte nichts. Sie Dietrich Bracher) endgültig war, dass die nachfolgende
starb ohne Verklärung», notierte später Ludwig Marcuse. Diktatur ein verbrecherisches Regime errichten würde,
Max Liebermann, Berlins grosser Maler (s. Kapitel X), der dessen Ausmass an Terror und Gewalt die menschliche
von 1920 bis 1932 den Vorsitz der Akademie der Künste Vorstellungskraft übersteigt.
«im noblen Sinn Schadows» (Walther Kiaulehn) weiterge-
führt hatte, liess am Abend des 30. Januar 1933 in seiner
Wohnung am Pariser Platz, als die SA mit ihrem Fackelzug «Wir stehen vor den brennenden Toren Europas»: Preu-
für Hitler durch das Brandenburger Tor zog, demonstrativ ßen und der Nationalsozialismus
die Jalousien an den Fenstern für immer herunter. Noch
zwei Jahre erlebte er in dieser Wohnung die Anfänge des Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler durch den Reichs-
Dritten Reiches; einem ausländischen Besucher soll er auf präsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.
die Frage nach seinem Befinden geantwortet haben: «Man Damit waren auch die letzten politischen und moralischen
kann nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte!» Einen Dämme gegen die braune Flut durchbrochen. Vor diesem
Vorgeschmack dessen, was das neue deutsche «Kulturle- Hintergrund nimmt sich der Widerstand Konrad Adenau-
ben» brauner Couleur noch bringen sollte, konnte man im ers als Präsident des Preußischen Herrenhauses gegen die
April-Heft 1933 der neuen «Deutschen Kultur-Wacht» im Februar 1933 von seinem Parteifreund von Papen ver-
nachlesen: «Was uns als junge deutsche Kunst vorgeführt fugte Auflösung des Preußischen Landtags fast rührend
wird, sind Juden, nichts als Juden!» – Zur gleichen Zeit aus. Adenauer erklärte damals, die preußische Verfassung
stellte die Zeitschrift «Kunst und Künstler» ihr Erscheinen kenne keinen «Reichskommissar für Preußen», wie Papens
ein. neues Amt genannt wurde; er bot sogar nach Papens «Preu-
Mit dem Ende der Republik starb auch Preußen, «die Re- ßenschlag» der entmachteten preußischen Regierung Köln
publik ohne Republikaner» (Ernst Niekisch), genauer ge- als Sitz einer Interims-Regierung an.
sagt: die sterbende Republik ohne Widerstandskraft gab Für Preußens weiteres Schicksal blieb diese mutige Tat
sich selbst auf, und mit ihr starb endgültig das alte Preußen. aber nur eine kleine Episode. Der frühere «Separatist» A-
Zwar sprach Preußens Innenminister Carl Severing (1875- denauer hat damit aber ein Beispiel echten geistigen Preu-
1952), als am 20. Juli 1932 die Präsidialregierung unter ßentums gegeben, eines Preußentums, das wenig später
dem antidemokratischen, monarchistischen Rheinpreußen auch der Ostpreuße und Danziger Senatspräsident (bis
Franz von Papen (1879-1969) mit Hindenburgs Billigung 1934) Hermann Rauschning bewies, als er mit dem Natio-
die sozialdemokratische preußische Staatsregierung ab- nalsozialismus brach und sich in seinem Buch «Die Revo-
setzte und die Verwaltung Preußens im Namen des Reiches lution des Nihilismus» scharf gegen das Dritte Reich, wo-
übernahm, den bekannten Satz, wonach ein preußischer

286
bei er bereits gründlich mit dem noch heute nicht ausge- Die Reste eines von russischen Panzern im März 1945 bei Königsberg
räumten Missverständnis aufräumte, wonach der National- überrollten Flüchtlingstrecks, der für kurze Zeit bei einem deutschen
Gegenstoss von deutschen Panzern wieder erreicht worden war.
sozialismus die Vollendung des Preußentums gewesen sei.
Trotzdem darf hier nicht übersehen werden, dass viele
konservative Repräsentanten der preußischen Machtelite
ein demokratisch regiertes Preußen als mit den preußi- tet von einer aufgehetzten Studentenschaft und SA-Rabau-
schen Traditionen unvereinbar ablehnten und damit zu ken, die Werke auch preußischer Schriftsteller von Welt-
Steigbügelhaltern Hitlers wurden. Ahnungsvoll schrieb ein geltung wie Alfred Döblin, Emil Ludwig, Friedrich Wil-
Enkel Wilhelms II., der 24jährige Prinz Oskar von Preu- helm Foerster, Theodor Wolff, Kurt Tucholsky, Carl von
ßen, im Jahre 1939, kurz vor seinem Tod beim Vormarsch Ossietzky und Alfred Kerr verbrannten. Heinrich Heines
in Polen: «Wir haben nur Helm und Waffe genommen und Satz aus «Almansor»: «Dort, wo man Bücher verbrennt,
anstatt der Fragen ein paar Antworten geborgen, deren verbrennt man auch am Ende Menschen» wurde hier erst-
Wert wir indes schon zweifelnd betrachten. Wir stehen vor mals gespenstische Wirklichkeit, und hat sich wenige Jahre
den brennenden Toren Europas und ziehen hinein in unser später auf grauenvolle Weise erfüllt. Viel zu spät wurden
Ragnaök und nur ein Schauer des Glaubens verklärt unsere Zweifel wach, als Literatur, bildende Kunst und die Wis-
Züge vor dem, der sagt, dass er bei uns sein wolle bis an senschaften neu «ausgerichtet» und mit der braunen Ideo-
der Welt Ende.» logie «gleichgeschaltet» wurden, als jene Teile der Kir-
Die Zweifel an Hitler und seinem Regime waren bei dem chen, die nicht bereit waren, sich mit dem Unrechtsstaat zu
Preußenprinzen und vielen anderen Zeitgenossen sehr spät arrangieren, infam diffamiert und verfolgt wurden, als im
– zu spät – gekommen. Sie hätten eigentlich bereits wäh- Februar 1938 in Berlin die Ausstellung «Entartete Kunst»
rend der ersten Jahre des Dritten Reiches aufkommen müs- die Niedertracht des Regimes vollends offenbarte, als Bil-
sen, als durch die Emigration vieler führender Persönlich- der auch vieler Berliner Maler der zwanziger Jahre nach
keiten aus Kultur und Wissenschaft ein nie wieder aufzu- Kategorien wie «Absolute Dummheit der Stoffwahl»,
holender Aderlass begann, als auf dem Opernplatz in Ber- «Unverschämter Hohn auf jede religiöse Vorstellung»,
lin und an anderen Plätzen im Reich am 10. Mai 1933 in «Abtötung des letzten Restes jedes Rassebewusstseins»,
den Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen, veranstal- «Idioten, Kretins, Paralytiker», «Juden» und «Vollendeter
Wahnsinn» zur Schau gestellt und gebrandmarkt wurden –

287
unter zwei Gemälden von Lovis Corinth war zu lesen: «Ge- Widerstandswillens. «Wenn es einen letzten, reinen Klang
malt nach dem 1. (bzw. 2.) Schlaganfall.» der alten sittlich gefassten und strengen preußischen Idee
Hitler sprach nicht mehr nur von «Rinnstein»-Kunst, wie gegeben hat, so war es die Tat des 20. Juli 1944. Um sie
es Wilhelm II. getan hatte, er drohte: «Wir werden von jetzt sammeln sich nicht nur noch einmal die vielen grossen Fa-
ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg fuhren gegen die miliennamen der preußischen Geschichte, in ihr spricht,
letzten Elemente unserer Kulturzersetzung...» und handelte und nun auch in den Vertretern von anderer, gewerkschaft-
entsprechend. Für die unterdrückte Kultur schuf die Partei licher oder liberaler Seite, ein eigentliches tiefes Ethos des
Ersatz nach den Gepflogenheiten totalitärer Staaten. Füh- Staates, das sich der Entwürdigung der Herrschaft zur Ty-
rerkult und eine rassistisch motivierte, mystifizierende rannei, der Verachtung und Verantwortung der Regieren-
Germanenverehrung manifestierten sich in der Gigantoma- den, der Leugnung des überparteilichen Ganzen des Staa-
nie der vor allem für Berlin geplanten «Führerbauten», in tes überhaupt durch das Regime einer Partei und einer auf-
monumentaler Plastik und nicht minder monumentalen gezwungenen Ideologie entgegen warf. Um eine Würdi-
Festzügen zum «Tag der deutschen Kunst», in den pseudo- gung dieses Geschehens kommt keine Deutung des preußi-
liturgischen Parteiritualen etwa des 9. November zum Ge- schen Staatsgedankens herum...» (Ulrich Scheuner im
denken an die «Blutzeugen» der Bewegung, mit «Blutfah- «Jahrbuch der Albertus-Universitätzu Königsberg, Bd. III,
nen», «Blutorden» und «Ehrentempeln» und schliesslich 1953).
im ordensartigen Aufbau der SS als der neuen Elite des Na- Wenn auch die Geschichte des deutschen Widerstandes ge-
tionalsozialismus. gen Hitler nicht nur eine Angelegenheit des preußischen
Adels und Beamtentums war, da auch viele süddeutsche
Adelige, Katholiken, Bürger und Sozialisten aktiv daran
beteiligt waren, so gibt ein Blick auf die Liste der Namen
der vor Freislers Volksgerichtshof gezerrten Offiziere und
Bürger nach dem gescheiterten Attentat Stauffenbergs den
«Das andere Deutschland» und das Preußentum im Wi- zitierten Ausführungen Ulrich Scheuners Recht. Die fürch-
derstand gegen Hitler terliche Rache Hitlers, die mit der «Sippenhaftung» die ak-
tiven und passiven Widerstandskämpfer und deren Fami-
Gegenüber dem Ungeist der NS-Zeit gab es vereinzelt lien traf, richtete sich in der Mehrzahl gegen Angehörige
Zeugnisse eines Geistes, der später als Geist des «anderen vieler traditionsreicher preußischer Adelsfamilien wie
Deutschland» zur Ehrenrettung der Nation angeführt Bernstorff, Dohna, Freytag-Loringhoven, Haeften, Ham-
wurde, der im Kulturleben zur «inneren Emigration» führte merstein, Harnack, Hase, Kleist, Lehndorff, Lynar, Molt-
und der seine Wurzeln nicht selten im Geist des alten Preu- ke, Plettenberg, Schlabrendorff, Schulenburg, Schwerin,
ßentums, der Achtung der Menschenwürde und der Pflicht Trott zu Solz, Tresckow, Thadden, Voss, Witzleben,
des Gewissens hatte: der Ostpreuße Ernst Wiechert (1887- Yorck. Die Offiziere, die im Widerstand ihr Leben liessen,
1950) hielt 1935 seine mutige «Rede an die deutsche Ju- waren den Weg gegangen, den ihnen der Rheinpreuße Lud-
gend»; der in Riga geborene «innere Emigrant» Werner wig Beck (1880-1944), der als Generaloberst neben dem
Bergengruen (1892-1964) veröffentlichte mit dem Roman preußischen Beamten Carl Friedrich Goerdeler (1884-
«Der Grosstyrann und das Gericht» eine verschlüsselte An- 1944) und dem Gewerkschaftsführer Wilhelm Leuschner
klage gegen den Hitlerstaat; der schlesische Protestant Jo- (1890-1944) aus Bayreuth zu den führenden Köpfen der
chen Klepper (1903-1942), Autor des dichterischen Port- deutschen Opposition gegen Hitler gehörte, in einer Schrift
räts «Der Vater» über den Preußenkönig Friedrich Wil- über den Geist des Offiziers gewiesen hatte: «Wir brauchen
helm I., gab sich in Berlin mit seiner jüdischen Frau und Offiziere, die den Weg logischer Schlussfolgerungen in
seiner Tochter den Freitod; der Mansfelder Gottfried Benn, geistiger Selbstzucht systematisch bis zu Ende gehen, de-
der 1933 das Dritte Reich noch eine «Genesungsbewe- ren Charakter und Nerven stark genug sind, das zu tun, was
gung» genannt hatte, bezeichnete es 1942 als eine «Ver- der Verstand diktiert.» Charakter, Nervenstärke und gros-
schlammungsorgie». Wenige Zeugnisse für viele, vor al- sen Mut dazu bewies auch Graf Schwerin von Schwarien-
lem für viele unbekannte Schicksale, die niemals aufge- feld, der dem Henker Freisler auf dessen Frage nach dem
schrieben und dokumentiert worden sind. Motiv seines Handelns entgegenhielt: «Ich dachte an die
Die Tat vom 20. Juli 1944, genau zwölf Jahre nach dem vielen Morde...»
«Preußenschlag» des Reichskanzlers von Papen, doku-
mentierte schliesslich schlagartig gegenüber dem leiden-
den Volk und der Welt die Existenz einer Opposition, eines

288
«Klagt nicht, dass wir barfuss gehen werden...»: geleistet durch die Auflösung des preußischen Staates
Preußen 1945 Kraft Gesetz der Sieger, verkündet im Amtsblatt des Alli-
ierten Kontrollrats in Deutschland vom 25. Februar 1947.
Wenige Monate danach brach mit dem Zusammenbruch In Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch hiess es
der deutschen Ostfront die Tragödie der Verfolgung, dort unter Artikel 1: «Der Staat Preußen, seine Zentralre-
Flucht und Vertreibung über die preußischen Lande östlich gierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit
der Oder herein, also über Ostpreußen, Westpreußen, das aufgelöst.»
Wartheland und Schlesien. Die Menschen dort durchlitten
unvorstellbare Leiden und Strapazen, wurden gequält und
geschändet, erschossen und verbrannt. Sie traf zuerst die
Rache eines Feindes, der Vergeltung suchte für die unge-
heure Schuld, die Deutsche in der Sowjet-Union, in Polen
und der Tschechoslowakei auf sich geladen hatten: «... Der
Krieg kam, er begann mit Lüge und Gewalt, mit Heimtücke
und nackter Brutalität, mit Prahlerei und Fanfaren. Das
Volk wusste, dass es ein verbrecherischer Krieg war, aber
Millionen dieses Volkes stürzten sich in den Kampf. Wie
der Räuber nur die Beute sieht, so sahen sie nur Länder,
Städte, Erz, Getreide, Silber, Öl und Gold. Sie fragten
nicht, wem es gehörte, sie fragten nicht, ob es Recht sei, sie
fragten nicht, ob Frauen und Kinder und Kranke verdarben,
sie wollten nur haben, nichts als haben... Indessen sahen
wir zu, wie ein Volk den letzten Rest seines sittlichen Gu-
tes verlor und verdarb... Wir sahen zu, wir wussten von al-
lem, auch von dem, was in den Lagern geschah... Wir sahen
auch das Ende, und das Ende legt auch die letzten Masken
ab. Es war des Anfangs wert... Glaubt nicht an die jahrtau-
sendalte Lüge, dass Schande mit Blut abgewaschen wurde,
sondern an die junge Wahrheit, dass Schande nur mit Ehre
abgewaschen werden kann, mit Busse, mit Verwandlung,
mit dem Wort des verlorenen Sohnes: Water, ich habe ge-
sündigt, und will hinfort nicht mehr sündigen...’ Klagt
nicht, dass wir barfuss gehen werden, dass wir hungern
werden, dass der Richter über uns sitzen wird bei Tag und
bei Nacht. Blickt dem Schicksal in die Augen, wie die Mär-
tyrer der Lager es getan haben...» Ernst Wiechert hat 1945
in seiner Rede «An die Jugend!» mit diesen Worten zur
Frage von Schuld und Sühne der Deutschen Stellung ge-
nommen und damit auch und ganz besonders Preußen ge-
meint, denn, wie aus dieser Dokumentation hervorgeht,
auch Preußen hat in seiner Geschichte viel Schuld auf sich
geladen, vor allem seit der Bismarckschen Ära, als der
Name Preußens nicht ohne Grund in der Weltöffentlichkeit
gleichbedeutend war mit den Untugenden des Deutschen
Reichs, mit säbelrasselnder Aggressivität, diplomatischer
Taktlosigkeit und der Dünkelhaftigkeit des Emporkömm-
lings, jenen Eigenschaften also, die mit dem Begriff «Mi-
litarismus» gekennzeichnet wurden. Die Sühne wurde, zu-
mindest symbolisch,

Am 10. Mai 1945 in der Luisenstrasse in Berlin: ein russischer Soldat


fotografierte einen kleinen Berliner auf dem Trümmerhaufen des
Hauses, in dem der Junge kurz zuvor noch gewohnt hatte.

289
Das Vermächtnis des Preußentums

Den Staat Preußen gibt es seit über dreissig Jahren nicht Hautnah, oft gespenstisch, mit der Wucht einer steinernen
mehr, jenen Staat, der aus seinen Bürgern eine Nation zu Mauer, mit der Kraft und Bedeutung unübersehbarer Sym-
formen verstand. Er lässt sich auch nicht mehr wiederbe- bole und Gesichter im Stadtbild und im Alltag, aber auch
leben, denn die Neuordnung Europas ist über ihn hinweg- in der Haltung seiner Bewohner, kann jeder, der will, dem
gegangen, und die normative Kraft der Geschichte hat ihr Vermächtnis des Preußentums heute noch in Berlin auf
Gültigkeit verliehen. Was bleibt, ist das Vermächtnis des Schritt und Tritt begegnen. Ohne die weitervermittelnde
klassischen, des friderizianischen Preußentums, sein geis- Kraft der Berliner, deren Unbeugsamkeit nicht mit Sturheit
tiges und kulturelles Erbe, das bis heute in den beiden verwechselt werden darf, wäre dieses Buch nicht das ge-
deutschen Staaten fortwirkt; die preußischen Tugenden worden, was es ist: eine Hommage an Berlin und die Ber-
der Redlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz und der Nüch- liner, deren Kraft der Preuße Friedrich Sieburg (1893-
ternheit im Denken und Handeln jener, die sich diesem 1964) so beschrieben hat: «Sich nicht unterkriegen lassen,
Erbe verpflichtet fühlen. «Wer will», schrieb Sebastian widerstehen, überleben. Mehr als das – angespannt sein,
Haffner, «kann die Nüchternheit, mit der sie, ohne einen nicht stehenbleiben, weiter, weiter: das war die Botschaft
Gedanken an Rache, bald auch ohne einen Gedanken an der Stadt an den Menschen, der mit der Last seiner Zeit
Rückkehr, sich im westlichen Deutschland heimisch und rang. Man glaubte, die Zukunft mit Händen greifen zu kön-
nützlich gemacht haben, eine preußische Nüchternheit nen, und konnte nie ganz verzagen.» Wort für Wort gilt
nennen.» dies noch heute.

290
Preußisches Erbe im geteilten Deutschland

Die Mauer ist niedrig, normal betrachtet, aber symbolisch.


Wer sie ersteigt, weil erglaubt, die schaff ich doch, den
trifft der Mechanismus und er ist tot Es ist die Toten-
Mauer, mitten im Lebendigen. So werden wir ständig ge-
mahnt: der Alexanderplatz und der Reuter-Platz, alles ist
vergänglich: «Unter den Linden» und der Kurfürstendamm
können schnell ein Staat von gestern sein. Das Symboli-
Im Herbst 1961 an der Mauer in Berlin, die eine Stadtauseinander- sche ist gefährlich und nichts ist gefährlicher als das Patri-
riss, die ein Land in zwei Staaten teilte, die die Welt in die Staaten- otische.
blöcke West und Ost spaltete – auch eine Folge preußisch-deutscher Ilse Langner
Vergangenheit.

291
Das Prinzip der Selbstbindung in Freiheit, der grossartige
Gedanke freiwilliger Unterordnung unter das in der Auto-
nomie der Vernunft selbst gegebene Gesetz war die Grund-
idee Immanuel Kants. Wieder begegneten sich hier die
Grundlinien preußischen Geistes: die soziale Verpflich-
tung über den Bereich des Einzelnen hinaus in seinem ka-
tegorischen Imperativ, der das individuelle Handeln an sei-
ner Eignung zu einer allgemeinen Gesetzgebung auszu-
richten trachtete, und die Überwindung einzelstaatlicher
Begrenztheit in seiner «Idee zu einer allgemeinen Ge-
Kein anderer Preuße hat zur Geistesgeschichte der Menschheit mehr
beigetragen als Immanuel Kant; obwohl in Königsberg von der gros-
schichte in weltbürgerlicher Absicht» und in seiner Schrift
sen Welt isoliert, spürte und absorbierte er alle geistigen Strömungen «Zum ewigen Frieden», Überlegungen, die schon gipfelten
seiner Zeit. Mit seinem Werk «erschütterte er die Welt und lieferte in der «Vernunftidee einer friedlichen, durchgängigen Ge-
der Philosophie und Psychologie zweifellos die genaueste Analyse
meinschaft aller Völker auf Erden».
des Erkenntnisprozesses der Menschheitsgeschichte» (Durant).
Noch heute erinnert dieses Grabmal im russischen Kaliningrad (Kö- Oswald Hauser in
nigsberg) an den grossen Sohn dieser Stadt. «Preußen und die Preußenforschung heute» (1974/75).

292
«Wenn es einen letzten, reinen Klang der alten sittlich gefassten und
strengen preußischen Idee gegeben hat, so war es die Tat des 20. Juli
1944 . . . Um eine Würdigung dieses Geschehens kommt keine Deu-
tung des preußischen Staatsgedankens herum», schrieb Ulrich Scheu-
ner bereits 1953. Die Gedenkstätte im Hof des ehemaligen Bendler-
Blocks an der heutigen Stauffenbergstrasse 11-13 in West-Berlin er-
innert an den Tod jener, die, wie Marion Gräfin Dönhoff im Vorwort
(s. S. 9) schreibt, ein «Kreuz auf Preußens Grab gesetzt haben», das
«hell aus der Dunkelheit jener Jahre leuchtet».

Heldentum ist gut und gross . . . Lasse mir also den Hero-
enkultus durchaus gefallen, das heisst den echten und rech-
ten . . . Mein Heldentum – soll heissen, was ich für Helden-
tum halte – das ist nicht auf dem Schlachtfelde zu Hause .
. . Echtes Heldentum . . . steht immer im Dienst einer Ei-
genidee, eines allereigensten Entschlusses . . . Die Gesin-
nung entscheidet Theodor Fontane in «Stechlin»

Unten: Auch in der DDR, deren Territorium sich ja weitgehend mit


dem Gebiet des alten Preußen deckt, bemüht man sich heute um das
preußische Erbe. Dabei wird auf der Suche nach den «fortschrittli-
chen und revolutionären militärischen Traditionen» auch Preußens
«nationaler Unabhängigkeitskampf 1813» gewürdigt. Im Bild der
Ausstellungsteil «Kampf um nationale Befreiung» mit Erinnerungs-
stücken der Volkserhebung gegen die napoleonische Fremdherr-
schaft im Armeemuseum der DDR in Dresden.

293
Dass nun in der DDR auch alte Traditionen unter zutiefst
und radikal veränderten Zuständen wiedererscheinen,
scheint mir teils schiere Nachahmung zu sein – also etwa
der Stechschritt, den es heute in Berlin und Potsdam wie-
der gibt –, aber teilweise auch wirklich unbewusst sozusa-
gen der Erde zu entspriessen; wie so sehr viel Zaristisches
in der Sowjet-Union zum Beispiel, das natürlich nicht ge-
Überholte preußische Tradition 1980: Stechschritt bei der Wachab-
wollt war, aber einfach chthonischen Kräften entstammt...
lösung durch Soldaten der Volksarmee der DDR vor der Neuen Wa- Golo Mann, 1968
che Unter den Linden in Ost-Berlin.

294
Der preußische Spiesser ist kein Biedermann, sondern ein
Feldwebel. Preußen ist eine Atmosphäre, in der selbst der
Spiessbürger «im Dienst» ist
Wilhelm Stapel (1882-1954); er gab 1918 bis 1938 die nationalkon-
servative Zeitschrift «Deutsches Volkstum» heraus.

Überholte preußische Tradition 1980: Kölner Karnevalisten in der


der alten preußischen Armee nachempfundenen Stadtsoldaten-Uni-
form der 1823 gegründeten «Roten-Funken-Infanterie» (1815 war
die Freie Reichsstadt Köln zu Preußen gekommen).

295
Denkmal-Reste der ehemaligen Tiergarten-Siegesallee warten auf
ihre Wiederaufbereitung zur Preußen-Ausstellung in West-Berlin
1981: Standbilder von König Friedrich II. von Preußen (links), Kur-
fürst Joachim I. Nestor von Brandenburg (Mitte), Büste von Landgraf
Friedrich II., Prinz von Homburg (vorne rechts).

296
Anhang
Herrscher und Regierende in Brandenburg und Preu- Könige von Preußen
ßen
1740-1786 Friedrich II.
1786-1797 Friedrich Wilhelm II.
1797-1840 Friedrich Wilhelm III.
1840-1857 Friedrich Wilhelm IV.
1857-1888
937-965 Markgraf Gero Wilhelm I.(zuerst Regent bis 1861, danach König von Preußen
(von König Otto I. gegen die Slawen an der mittleren 1888 Friedrich III.
Elbe und Saale eingesetzt) 1888-1918 Wilhelm II.

Haus Askanien

Markgrafen in Brandenburg Republik Preußen (ab 1920 Frei Staat)

1134-1170 Albrecht der Bär Ministerpräsidenten


1170-1184 Otto I.
1184-1205 Otto II. 1918 (Nov.-1919 (März) Paul Hirsch (SPD)
1205-1220 Albrecht 11. Heinrich Ströbel (USPD) Paul
1220-1266 Johann I. 1919 (März)-1920 (März) Hirsch (SPD)
1920 (März)-1921 (April) Otto Braun (SPD)
1220-1267 gemeinsam mit Otto III. 1921 (April-Nov.) Adam Stegerwald (Zentrum)
1267-1308 Otto IV. 1921 (Nov.) 1925 (Febr.) Otto Braun (SPD)
1303-1319 Woldemar 1925 (Febr.-April) Wilhelm Marx (Zentrum)
1319-1320 Heinrich von Landsberg 1925 (April) —1933 (25.3.) Otto Braun (SPD)

Haus Wittelsbach

Markgrafen in Brandenburg

1323 1351 Ludwig der Ältere


(belehnt von Kaiser Ludwig dem Bayern)
1351-1365 Ludwig der Römer
Die Hochmeister des Deutschen Ordens in
1351-1373 Otto V. der Faule (bis 1365 gemeinsam mit seinem Bruder Preußen
Ludwig dem Römer, danach allein, gest. 1379)

Haus Luxemburg 1190-1200 Heinrich Walpot


1200-1206 Otto von Kerpen
Markgrafen in Brandenburg 1206-1210 Hermann Bart
1210-1239 Hermann von Salza
1373-1378 Wenzel von Böhmen (unmündiger Sohn Kaiser Karls IV., der 1240—1241(?) Konrad von Thüringen
selbst regiert) 1242 1244 Gerhard von Malberg
1378-1396 Johann (Neumark) 1244-1250(7) Gunther
1378-1388 Sigismund (Altmark) 1252(7)—1257(7) Poppo von Osterna
1388-1411 Jobst von Mähren 1257-1273 Anno von Sangershausen
1274 1282 Hartmann von Heldrungen
1283-1290 Burchard von Schwanden
Haus Hohenzollern 1290(7)-1296 Konrad von Feuchtwangen (unter ihm Verlegung des Or-
denssitzes von Akka nach Venedig 1291)
Kurfürsten von Brandenburg 1297-1303 Gottfried von Hohenlohe
1303-1311 Siegfried von Feuchtwangen (unter ihm Verlegung des Or-
1411-1440 Friedrich I. 1440-1470 Friedrich II. 1470-1486 Albrecht III. denssitzes von Venedig auf die Marienburg 1309)
Achilles 1486-1499 Johann Cicero 1499 1535 Joachim I. Nestor 1535 1311-1324 Karl von Trier
1571 Joachim II. Hektor 1571-1598 Johann Georg 1598-1608 Joachim 1324-1330 Werner von Orseln
Friedrich 1608-1619 Johann Sigismund 1619 1640 Georg Wilhelm 1640- 1331-1335 Luther von Braunschweig
1688 Friedrich Wilhelm 1688-1701 Friedrich III. 1335 1341 Dietrich von Altenburg
1342 1345 Ludolph König
1345-1350 Heinrich Duzemer
1351-1382 Winrich von Kniprode
1382-1390 Konrad Zöllner von Rothenstein
1391 1393 Konrad von Wallenrod
1393-1407 Konrad von Jungingen
1407-1410 Ulrich von Jungingen (fiel in der Schlacht bei Tannenberg)
1410-1413 Heinrich von Plauen
1414-1422 Michael Küchmeister
Herzöge von Preußen 1422-1440 Paul von Russdorf
1441 1449 Konrad von Erlichshausen
1525-1568 Albrecht von Brandenburg-Ansbach 1450-1466 Ludwig von Erlichshausen
1568-1618 Albrecht Friedrich 1469-1470 Heinrich Reuss von Plauen
1470-1477 Heinrich von Richtenberg
1477 1489 Martin Truchsess von Wetzhausen
Könige in Preußen 1489-1497 Johann von Tiefen
1498-1510 Friedrich von Meissen
1701-1713 Friedrich I.(zuvor Kurfürst Friedrich III.) 1713-1740 Friedrich 1511 1525 Albrecht von Brandenburg-Anhalt (ab 1525 Herzogtum Preu-
Wilhelm I. ßen)

371
s Synchronoptische Zeittafel zur Geschichte und Kultur Preußens

Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

um 60 000 Steinzeitlicher Kiesgrubenfund von Spandau mit


v. Chr. erstem Nachweis des Menschen.

um 7 000 Steinzeitliche Rentierjäger von Tegel, Elch am


v. Chr. Hansaplatz (Berlin).

um 1 000 Bronzezeitliches Gräberfeld von Wittenau-Got­


v. Chr. tesberg, Dorf an der Bäke (Lichterfelde).

um Goten rücken in das Gebiet der Danziger Bucht


Zeitenwende vor; in Ostpreußen siedeln die Altpreußen (Pruz-
zen), eine Gruppe der baltischen Völkerschaften
(beharren dort über Jahrhunderte hinweg).

um 100 n. Chr. Tacitus nennt erstmals


die Pruzzen als Aestier
(Ostleute).

3. Jh. Semnonenniederlassung in Schöneberg.

476 Ende des weströmischen Reichs.

508 Chlodwig I. (481-511) begründet das Merowin-


ger-Reich.

553 Italien wird oströmische Provinz.

um 560 n.Chr. Reitergrab von Neukölln (Berlin).

6./7. Jh. Slawische Stämme rücken in das Gebiet zwi­


schen Elbe und Oder (später Mark Brandenburg)
ein und leben neben der germanischen Restbe­
völkerung.

732 Karl Martell (714-741) schlägt die Araber bei


Poitiers zurück.

805 Magdeburg wird als


Grenzhandelsplatz ge­
nannt.

um 810 Karl der Große (768-814) gründet nach Siegen


über Ostvölker seine Grenzmarken an Elbe und
Saale, östlich-Magdeburg und bei Halle; Halber­
stadt wird Bischofssitz.

843 Vertrag von Verdun: Aufteilung des Reiches


Karls des Großen.
850 Abwehr neuer Einfälle von Obotriten und Sorben
durch Ludwig den Deutschen (843-876); Wulf-
stan in Truso nennt die Weichsel als Grenze zwi­
schen Aestier- und Wendenland.

862 Waräger unter Rjurik (862-879) in Nowgorod.

881 Normannen zerstören Aachener Pfalz.

900 Truso, Handelshafen


der Pruzzen, an der
Stelle des späteren El­
bing begründet.

927 Anlage von Burgen zur Grenzsicherung gegen


Sklaveneinfälle an der Elbe.

928 Vergeltungszüge in slawisches Gebiet, Erobe­


rung der Brandenburg.

930 König Heinrich 1.(919-936) unterwirft Böhmen


und schlägt die Ungarn an der Unstrut (933).

936 Otto I. (936-973) ernennt Markgrafen: Hermann


Billung kämpft gegen Dänen und Obotriten,
Gero gegen Wilzen und Sorben an Mittelelbe
und Saale.

938 Spandau, eine der ältesten Siedlungen zwischen


Elbe und Oder, ist bis 1157 Fürstensitz der Hevel-
1er (Havelland), danach unter den Askaniern
Hauptort von Brandenburg (bis 1320).

948 Gründung der Bistümer Brandenburg und


Havelberg.

955 König Otto I. (936-973) schlägt die Ungarn auf


dem Lechfeld vernichtend.

960 Nach schwerem Aufstand der Slawen völlige »Be­


friedung« des Landes bis zur Oder.

965 Name »Pruzzen« erstmals bezeugt.

966 Fürst Mieszko 1. (960-992) nimmt für Polen das


Christentum an.

968 Erzbistum Magdeburg sowie die Bistümer Meis­


sen, Merseburg und Zeitz zur Bekehrung der
Slawen gegründet.

983 Aufstände der Liutitzen, Heweller, Redarier und


Obotriten: Zerstörung der Bistümer Havelberg
und Brandenburg, Einfall in deutsches Gebiet,
Zerstörung des Klosters Calbe a.d. Milde, Bedro­
hung Magdeburgs; Befreiung Sachsens durch
König Otto II. (973-983) nach Sieg über die Sla­
wen an der Tanger.
o
NJ Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

993 Potsdam erstmals in einer Urkunde Ottos III. für


das Stift Quedlinburg erwähnt.

997 Bischof Adalbert von Prag erleidet bei den Pruz-


zen am Frischen Haff den Märtyrertod (23.4.),
seine Legende in Reliefs auf den Bronzetüren des
Gnesener Domes später dargestellt; Danzig als
»Gyddanzc« erstmals erwähnt.

1002 Heinrich II. (1002-1024) führt drei Kriege gegen


Boleslaw I. Chrobry (»der Tapfere«; 992-1025)
von Polen, der deutsche Oberhoheit trotz Beleh­
nung mit Milzener Land und Lausitz nicht aner­
kennt.

1018 Knut der Große (1014-1035), Herrscher über


England, Dänemark und Norwegen.

1033 König Mieszko II. (1025-1034) von Polen muß


deutsche Oberhoheit anerkennen und die Lau­
sitz wieder abtreten.

1042 Heinrich III. (1039-1056) macht Böhmen lehns-


pflichtig (1044 auch Ungarn); England befreit
sich von dänischer Herrschaft.

1056 Aufstand der Wenden, Niederlage des sächsi­


schen Heeres unter Heinrich III. (1039-1056) bei
Prizlava a.d.Havel.

1066 Wilhelm von der Normandie (1035-1087) erobert Aufstand der Obotriten und ihrer Nachbarn ge­
England. gen Heinrich IV. (1056-1106).

1099 Kreuzfahrer unter dem Lothringerherzog Gott­


fried von Bouillon (1087-1096) erobern Jerusa­
lem.

1102 Der polnische Großfürst Boleslaw III. (1102-


1138) überfällt die Marken Meißen und Lausitz
und nimmt alles Land bis zur Elbe in Besitz.

1134 Kaiser Lothar III. (1125-1137) setzt in Halber­


stadt Albrecht den Bären (1134-1170) aus dem
Hause Askanien zum Markgrafen der östlich der
Elbe gelegenen Nordmark ein, Albrechts Sohn
Otto (I.) wird mit dem Land Zauche belehnt.

1148 Urkundlich Danzig mit Burg als Hauptort Pom­


merellens genannt.
1150 Heinrich der Löwe (1141-1180) gründet Braun-' Albrechts des Bären Nachbar, der polnische
schweig. Fürst Jaxa von Köpenick, bemächtigt sich der
Brandenburg.

1155 Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) in Rom zum


Kaiser gekrönt.

1157 Albrecht der Bär und Erzbischof Wichmann von


Magdeburg erobern die Feste Brandenburg zu­
rück, nach der die Markgrafen sich und das Land
künftig nennen.

1158 Heinrich der Löwe gründet München.

1160 Gründung der Stadt Stendal.

1163 Kaiser Friedrich 1. Barbarossa nötigt den König


von Polen zur Herausgabe der schlesischen Her­
zogtümer an die plastischen Herzöge (von da ab
wird Schlesien deutsch).

1170 Markgraf Otto I. von Brandenburg (1170-1184) Zisterziensermönche


erobert Demmin. gründen das Kloster
Zinna.

1180 Reichsacht für Heinrich den Löwen (1181 be­ Christliche Kreuzzüge gegen die Wenden; Augu­ Zisterzienser gründen
gnadigt), Bayern an die Wittelsbacher, Sachsen stiner aus dem Hannöverschen und aus Holstein Kloster Lehnin.
an Markgraf Bernhard von Anhalt (Sohn Alb­ predigen östlich der Weichsel den heidnischen
rechts des Bären); Westfalen selbständiges Her­ Pruzzen.
zogtum.

1181 Friedrich I. Barbarossa erkennt Bogislaw I. von


Pommern als Reichsfürsten an und gibt den An­
spruch auf die Lehnshoheit über Pommern an die
Mark Brandenburg unter Markgraf Otto I. (für
Brandenburg wirksam erst 1637 mit dem Tod von
Bogislaw XIV).

1191 Der schwäbische Graf Friedrich III. von Zollern


(Zoire), ein Vertrauter von Kaiser Heinrich VI.
(bis 1197), erheiratet die Burggrafschaft Nürn­
berg (als Burggraf Friedrich I.).

1198 Das vor Akkon (1190) von Lübecker und Bremer


Bürgern gestiftete deutsche Hospital wird zu
einem Ritterorden für den Glaubenskampf nach
dem Vorbild der Templer und Johanniter umge­
bildet (Gründung des Deutschen Ordens).
1200 Bischof Albert, Domherr zu Bremen, fährt mit 23
Schiffen dünaaufwärts, um den Augustinern Hil­
fe zu bringen, er gründet die Stadt Riga (mit dem
Bremer Schlüssel im Wappen).

1203 Bischof Albert stiftet in Livland den Orden


»Fratres militae Christi«, die Brüder des Ritter­
dienstes Christi (weißer Mantel, rotes Kreuz und
Schwert), genannt Schwertritterorden, der 1204
von Papst Innozenz III. bestätigt wird (1207
vom deutschen König Philipp von Schwaben);
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Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
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aus diesem Jahr stammt der älteste jüdische


Grabstein in Deutschland, gefunden in Breslau.

1208 Papst Innozenz III. befiehlt den Albigenser-


Kreuzzug.

1211 Unter Hochmeister Hermann von Salza (1209-


1232) kämpft der Deutsche Orden im sieben-
bürgischen Burzenland gegen die heidnischen
Kumanen (wird dem ungarischen König' und
Adel aber zu eigenmächtig und 1225 wieder ver­
drängt).

1214 Markgraf Albrecht II. (1205-1220) von Branden­


burg legt Burg Oderberg an (Ausgangspunkt für
die Besitznahme von Bamim und Vordringen in
die Uckermark).

1215 Johann von England (Johann Ohneland, 1199- Mönch Christian vom Kloster Lekno wird wegen Albrecht von Halber­
1216) gewährt die »Magna Charta«. erfolgreicher Bekehrung der heidnischen Bevöl­ stadt übersetzt Dich­
kerung zum ersten Bischof in Preußen ernannt; tungen von Ovid.
Herzog Konrad von Masowien (1206-1247) weist
ihm Kulm als Bischofssitz zu.

1219 Dänen unter König Waldemar II. (1202-1241)


erobern Estland und gründen Reval.

1220 Erste verheerende Kreuzzüge in das Pruzzenland Templerkirche in Ma-


haben Rachefeldzüge der heidnischen Pruzzen rienfelde (Berlin) er­
gegen die nächsten christlichen Nachbarn, die baut (ursprünglich ge­
Polen in Masowien, zur Folge. hörte Marienfelde den
Templern, dann ab
1344 den Johannitern,
ab 1435 zu Berlin-
Cölln).

1223 Dschingis Khan (1206-1227) schlägt die Russen


bei Kalka.

1225 Herzog Konrad von Masowien ersucht den Deut­


schen Orden um Hilfe gegen die heidnischen
Pruzzen; Kaiser Friedrich II. (1208-1250) er­
mächtigt den Deutschen Orden durch die Gold­
bulle von Rimini (1226) zu eigener Herrschaft in
dem vom Orden unterworfenen und zum Chri­
stentum bekehrten Land der Pruzzen.
1227 Des Burggrafen Friedrichs I. von Nürnberg Söh­
ne teilen Zollem-Besitz, dadurch entsteht die
fränkische und schwäbische Linie der Hohen-
zollem.
Fünfter Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. (1208-
1250).

1230 Herzog Konrad von Masowien tritt Kulm und


Löbau für die Hilfeleistung an den Deutschen
Orden ab; Hochmeister Hermann von Salza
(1209-1239) setzt Hermann Balke (bis 1239) als
Landmeister in Preußen ein, der die Eroberung
des Landes fortsetzt (bis 1283); Bamim und
Teltow kommen zu Brandenburg.

1231 Thom als Stützpunkt des Deutschen Ordens auf Fertigstellung des
dem rechten Weichselufer angelegt (1232 Stadt­ Doms zu Magdeburg
recht). (seit 1209).

1232 Spandau erhält das Stadtrecht.

1233 Hochmeister Hermann von Salza erläßt die Kul-


mer (Kulmische) Handfeste (mittelalterliches
Stadt- und Landrecht), von der das Kulmer Recht
abgeleitet wird (geht zurück auf das Magdeburger
Stadtrecht); der Deutsche Orden errichtet die
Burg Marienwerder (erhält 1236 Kulmisches
Stadtrecht).

1234 Kreuzfahrer besiegen die Stedinger Bauern in


Oldenburg, weil sie der Kirche den Zehnten ver­
weigerten.

1236 Nach jahrzehntelangen blutigen Kriegen mit


Esten, Liven und Litauern wird Bischof Albert,
der Ordensmeister der Schwertritter, mit seinen
Brüdern von den Litauern erschlagen.

1237 Verschmelzung der Reste des Schwertritteror­


dens mit dem Deutschen Orden, der daraufhin
mit 60 Brüdern nach Livland zieht und einen
eigenen Landmeister, Hermann Balke, einsetzt
(weißer Mantel mit schwarzem Kreuz); danach
weitere Kampf- und Missionsjahre in Livland mit
Tausenden von Opfern auf beiden Seiten; Stadt­
recht für Cölln an der Spree (bei Berlin); der
Deutsche Orden gründet die Burg Elbing.

1241 Nach der Schlacht bei Liegnitz und dem Einfall


in Ungarn brechen die Mongolen ihren Zug
nach Westen ab und kehren um (Tod des Groß­
khan Ügüdei).

1242 Niederlage des Ordens-Heeres auf dem Eis des


Peipussees gegen die Nowgoroder unter Alexan­
der Newskij (1236-1263).

1243 Einteilung des Preußenlandes in die Bistümer


Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland; Stet­
tin erhält Stadtrecht.

1244 Erste urkundliche Erwähnung von Berlin.

1245 Die Russen schlagen die Litauer.


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*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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1246 Elbing erhält von Hochmeister Heinrich von


Hohenlohe das Stadtrecht.

1248 Sechster Kreuzzug unter Ludwig IX. von Frank­ Baubeginn am Kölner
reich (1226-1270). Dom (Meister Gerard
bis 1271).

1249 Friede und Vertrag von Christburg (Ordensburg


seit 1248) sichert den pomesanischen Pruzzen
persönliche Freiheit und Besitz zu.

1250 Entstehen der Dorfkir­


che in Buckow (Ber­
lin).

1253 Gründung von Frankfurt a.d.Oder.

1255 Prag erhält deutsches Stadtrecht. Der Deutsche Orden gründet nach einem Kreuz­
zug in Samland die Burg Königsberg (benannt zu
Ehren des beteiligten Kreuzritters König Ottokar
II. von Böhmen, 1253-1278).

1257 Gründung von Landsberg a.d.Warthe.

1258 Memel erhält Lübisches Recht. Zisterzienser gründen


Kloster Chorin.

1260 Gründung der Städte Friedeberg und Amswalde;


Askanierhaus teilt Herzogtum in Sachsen-Lau­
enburg (bis 1689) und Sachsen-Wittenberg (1423
an Meißen); die Neumark rechts der Oder an
Brandenburg.

1261 Byzantiner nehmen Konstantinopel ein; magde- Das westbrandenburgische Adelsgeschlecht der
burgisches Stadtrecht für Breslau. Quitzows (nach dem Ort Quitzöbel an der Elbe)
erstmals urkundlich erwähnt.

1263 Aufstand der Pruzzen gegen den Orden wird nie­


dergeschlagen; Danzig (Gründung des deut­
schen Teils unbestimmt) erhält Lübisches Recht.

1264 Schöneberg bei Berlin urkundlich erstmals er­


wähnt.
1265 Vollendung des Doms
zu Münster.
1267 Erweiterung der Mittelmark unter Markgraf Otto
IV. (1266-1308); Gewinnung der Uckermark und
der Neumark, durch Heirat Erwerb der Oberlau­
sitz und des Landes Stargard, das Land Lebus
kommt zu Brandenburg.
Bau der Marienkirche
in Berlin (Neuer
Markt).

1272 Meister Arnold führt Erster Innungsbrief


den Bau des Kölner für das Bäckergewerk
Doms fort (bis 1300). in Berlin.

1273 Rudolf I. von Habsburg wird deutscher König


(bis 1291).

1275 König Magnus I. von Schweden erobert Finn­


land.

1276 Entstehung der Siedlung Marienburg (mit Kul-


mischem Recht) im Schutz der Burg (vom Deut­
schen Orden ab 1272 erbaut).

1279 Bau des Rathauses in


Stralsund.

1280 Deutsche Hanse in London. Thom wird Mitglied der Hanse. Baubeginn der Ma­ Berlin erscheint als
rienburg. Sitz einer markgräfli­
chen Münzstätte öst­
lich der Elbe.

1282 Riga wird Mitglied der Hanse.

1283 »Rostocker Bund« an der Ostsee unter Führung Unterwerfung des Pruzzen-Landes vom Deut­
Lübecks. schen Orden abgeschlossen.

1285 Marienwerder wird Sitz des Domkapitels (bis zur


Reformation).

1286 Mit Kulmischem Recht entsteht die Altstadt von


Königsberg.

1288 Reichsunmittelbarkeit für Köln, Düsseldorf wird Baubeginn der Kreuz­


Stadt. kirche in Breslau.

1294 Lübeck gründet Städte-Hanse. In Frankfurt a.d.Oder haben die Juden nachweis­
lich eine Synagoge und einen Begräbnisplatz
(auch in Berlin, Stendal, Brandenburg u.a. Orten
nachgewiesen; bis zum Pestjahr 1349 mit vollem
Bürgerrecht).

1297 Gründung des Domi­


nikanerklosters in Ber­
lin.

1300 Wenzel II. von Böhmen (1278-1305), wird Kö­ Gründung von Schwerin a.d.Warthe; Stadtteil Beginn der Literatur
nig von Polen und Ungarn; Reval wird Hanse­ Löbenicht in Königsberg entsteht. im Deutschen Orden:
stadt; Freistaat Nowgorod. Heinrich Hesler ver­
faßt in zwei Reimbü-
chem das Evangelium
des Nicodemus und
die Apokalypse.
1303 Niederlausitz an Brandenburg
(1368 an Böhmen).
o
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1307 Burgund mit Lyon fällt an Frankreich (1320 bur­


gundische Verfassung); Rütlischwur der Schwei­
zer Urkantone gegen Habsburg.

1308 Nach der Übergabe Danzigs von den Polen an


den Deutschen Orden erhält die Stadt 1342/43
Kulmisches Recht; Woldemar, Markgraf von
Brandenburg (bis 1319), letzter Askanier, erwirbt
Crossen, Zülichau und Schwiebus, verliert aber
Stargard.

1309 Königsberg wird Sitz des Ordensmarschalls und Nach Übersiedlung


Zentrale des Deutschen Ordens; Sitz des Ordens­ des Hochmeisters
spittlers wird Elbing (Haupthaus des Ordens in Siegfried von Feucht­
Preußen bis 1309); der Orden erobert Pommerel­ wangen wird die Ma­
len. rienburg zum Sitz des
Hochmeisters ausge­
baut (1320 Mittel­
schloß und Sommer­
und Winter-Remter
bis 1398).

1315 Unabhängigkeit der drei Schweizer Urkantone


Schwyz, Uri und Unterwalden nach Sieg am
Morgarten über die Österreicher.

1320 Krakau wird polnische Hauptstadt. Interregnum in der Mark nach Erlöschen des
askanischen Hauses, König Ludwig der Bayer
(1314-1347) zieht zuerst das Land als erledigtes
Lehen ein, die Lausitz kommt an Böhmen.

1323 Friede von Nöteborg (Schlüsselburg) zwischen Ludwig der Bayer überträgt seinem Sohn Ludwig
Schweden und Rußland. d.Ä. Brandenburg als Reichslehen (bis 1373
bayerische Wittelsbach-Markgrafen in Branden­
burg).

1324 Ermordung des Propstes von Bernau bei Berlin;


Berlin wird gebannt (bis 1344).
1326 Peter von Dusburg
vollendet sein »Chro-
nicon terrae Prussiae«.
1327 Kaiser-Krönung des deutschen Königs Ludwig Im Süden Königsbergs entsteht auf der Insel der
des Bayern (1314-1347) in Rom. Kneiphof und weitere Vororte (Tragheim, Roß­
garten, Sackheim, Steindamm).

1328 Großfürst Iwan I. Kalita (1325-1341) beginnt mit Die auf kjurischem Gebiet vom livländischen
der »Sammlung der russischen Erde«; Moskau Zweig des Deutschen Ordens als Burg angelegte
wird Hauptstadt (bis 1712) und Sitz des Metro­ Siedlung Memel wird mit Preußen vereinigt (er­
politen. hält 1475 vom Orden Kulmisches Stadtrecht).
Der Deutsche Orden zwingt nach monatelanger Nikolaus von Jero-
Belagerung Riga, das sich mit den Litauern ver­ schin schreibt seine
bündet hatte, zur bedingungslosen Kapitulation. Chronik vom Pruzzen-
land.
1335 König Kasimir III. von Polen (1333-1370) ver­
zichtet zugunsten Böhmens auf die Lehnsho­
heit über Schlesien; Kärnten durch Belehnung
an Östereich.

1339 Beginn des »Hundertjährigen Krieges« zwischen


England und Frankreich (bis 1453).

1343 Vertrag von Kalisch: Der Deutsche Orden ver­


zichtet auf Kujawien, Polen gibt Ansprüche auf
Kulmerland und Pommern auf.

1346 Karl IV. von Luxemburg wird deutscher König Der Deutsche Orden erwirbt Estland von Däne­
(bis 1378, Kaiserkrönung 1355); der dänische Kö­ mark.
nig Waldemar IV. Atterdag (1340-1375) verkauft
Estland an den Deutschen Orden für 19 000 Mark
Silber, nachdem die Dänen vorher über hundert
Jahre das Land von Reval aus regierten.

1348 Karl IV. erhebt Mecklenburg zum Herzogtum


(dieses erwirbt 1358 die Grafschaft Schwerin).

1348 Allenstein in Preußen als Stadt erwähnt (1353


Kulmisches Stadtrecht vom Domkapitel des Bis­
tums Ermland).

1350 Dorfkirche von Judit- Claus Crane, Franzis-


ten in Königsberg er­ kanermönch, verfaßt
baut (mit gotischen eine Prosaübertragung
Fresken). der Propheten.

1356 »Goldene Bulle« von Kaiser Karl IV. wird zum


»Reichsgrundgesetz« bis 1806 (bestätigt den sie­
ben Kurfürsten von Mainz, Trier, Köln, Böhmen,
Pfalz, Sachsen, Brandenburg das Recht der Kö­
nigswahl).

1359 Teilnahme Berlins am


Lübecker Hansetag.

1360 Heinrich II. von Mecklenburg-Stargard unter­ Johann von Posilge


wirft die Prignitz und Grabow, die Herzöge beginnt seine Chronik
Bogislaw und Kasimir von Pommern-Stettin die des Deutschen Ordens
Uckermark, durch Kauf geht die Herrschaft Lü­ (bis Anfang des 15.
chow und durch Pfand die Altmark an die Herzö­ Jahrhunderts).
ge von Braunschweig; Stettin wird Hansestadt.

1361 Waldemar IV. von Dänemark erobert die Han­ Danzig wird Mitglied der Hanse.
sestadt Wisby auf der Insel Gotland.

1363 Kaiser Karl IV. hebt Burggraf Friedrich V. von


Nürnberg in den Reichsfürstenstand; Kölner
Bund der Hansestädte beginnt Krieg gegen Däne­
mark (bis 1370).

S
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*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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1367 Markgraf Otto V.( 1365-73) von Brandenburg, ein


Sohn Ludwigs des Bayern und Schwiegersohn
Karls IV., verkauft dem Kaiser die Niederlausitz.

1369 Berlin erwirbt das lan


desherrliche Münzre
gal.

1370 Friede von Stralsund: nach Sieg der Hanse über Sieg des Deutschen Ordens über die Litauer bei
Dänemark und Norwegen beginnt die große Zeit Rudau im Samland.
der Hanse.
1373 Markgraf Otto V., letzter Wittelsbacher in Bran­
denburg, tritt die Mark Brandenburg an Kaiser
Karl IV. von Luxemburg ab (bis 1415); Bürger­
meister Wardenberg von Berlin muß wegen Wi­
derstands gegen den Kaiser fliehen.

1375 Kaiser Karl IV. läßt das Landbuch der Mark Bran­
denburg aufstellen; Dorf Martendorf (Berlin) im
Besitz des Johanniterordens (1435 zu Berlin und
Cölln).

1376 Trennung des englischen Parlaments in Ober-


und Unterhaus (House of Lords, House of Com­
mons).

1378 Kaiser Karl IV. teilt vor seinem Tod die Mark
unter seinen Söhnen Johann (Neumark und Lau­
sitz) und Sigismund (Altmark) auf.

1379 Haus Habsburg teilt sich in österreichische und Beginn des Neubaus
steirische Linie (letztere teilt sich 1406 in steiri­ der Nikolaikirche in
sche und Tiroler Linie). Berlin als gotische
Hallenkirche (Erstbau
um 1232, älteste Pfarr­
kirche Berlins).

1380 Der Deutsche Orden erobert Schamaiten in Nikolaikirche in El­


Westlitauen. bing fertiggebaut (seit
1340).

1382 Bau des Rathauses in


Danzig vollendet.

1386 Eidgenossen schlagen die Österreicher bei Sem­ Der Deutsche Orden in Preußen verliert nach der
pach; Schleswig fällt als dänisches Lehen an den Vereinigung von Polen und Litauen unter dem
Grafen von Schaumburg-Holstein. christlichen Großfürsten Wladislaw II. (Jagiello),
Großfürst von Litauen und König von Polen (bis
1434), seine Missionsaufgabe.
1388 Deutsche Fürsten zerschlagen die süddeutschen
Städtebünde.

1389 Der deutsche König Wenzel 1.(1378-1400) ver­


kündet den Reichslandfrieden zu Eger.

1390 Abfassung des Berliner Stadtbuches; Witold von


Litauen verbündet sich im Vertrag von Königs­
berg mit dem Deutschen Orden.

1391 Berlin erwirbt das landesherrliche Stadtgericht


und das Dorf Lichtenberg.

1392 Zweihundert engli­


sche Schiffe kommen
zum Getreidekauf
nach Danzig.

1393 Bulgarien wird türkische Provinz (bis 1878). Bildung des mittelmärkischen Städtebundes un­ Bau des Klever Tors in
ter Führung Berlins gegen das Räuberunwesen. Xanten.

1394 Die deutsche Reim­


chronik des Wiegand
von Marburg er­
scheint.

1396 Nach dem Tod Johanns fällt die Neumark an Kö­


nig Sigismund zurück, der sie 1402 an den Deut­
schen Orden als Pfandbesitz und 1429 »auf ewig«
an diesen veräußert.

1397 Vertrag von Kalmar: Union zwischen Dänemark,


Norwegen und Schweden (bis 1523).

1398 Der Ordensstaat besetzt Gotland (bis 1408).

1403 Die Söhne des Burggrafen Friedrich V. von Nürn­ Erweiterungsbau der
berg teilen den Besitz der fränkischen Hohenzol- Marienkirche in Dan­
lern-Linie auf: Johann III. erhält das Oberland zig (bis 1502).
(Bayreuth), Friedrich VI. das Unterland (Ans­
bach); nach dem Tod Johanns III. (1420) fällt
Bayreuth wieder an Friedrich VI. (inzwischen
Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg).

1409 Berlin von Dietrich von Quitzow erobert.

1410 Sigismund wird deutscher König (Kaiserkrönung Entscheidende Niederlage des Deutschen Or­
1433). dens unter Ulrich von Jungingen bei Tannenberg
(Grünwald) gegen König Wladislaw II. ; die Mari­
enburg kann unter Heinrich von Plauen dem
Sturm der Polen und Litauer widerstehen.

1411 Erster Thomer Friede; danach schließen sich die Krantor in Danzig er­
ostpreußischen Städte mit Polen gegen den Or­ baut.
den zusammen; König Sigismund setzt
Friedrich VI. von Hohenzollem (Nürnberg) zum
Dank für seine Unterstützung bei der Wahl zum
deutschen König (1410) als Statthalter für die
Mark Brandenburg ein; er erhält als Friedrich I.
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auf dem Konstanzer Konzil (1415) die Mark und


Kur für sich und seine Erben verbrieft (1417 folgt
Belehnung).

1414 Konzil zu Konstanz (bis 1418). Friedrich I. von Brandenburg (bis 1425) unter­
wirft den aufständischen brandenburgischen
Adel unter Dietrich von Quitzow auf Friesack
und Johann von Quitzow auf Plaue.

1417 Grafschaft Kleve wird Herzogtum.

1419 Nach dem Tode König Wenzels IV. Aufstand der


Hussiten in Böhmen, das an König Sigismund
fällt (Hussitenkriege bis 1436).

1420 Kurfürst Friedrich I. schlägt in der Schlacht von


Angermünde (26.3.) die verbündeten Herzöge
von Pommern und Mecklenburg, den Erzbischof
von Magdeburg und die Könige von Polen und
Dänemark; danach kommt der Rest der Ucker­
mark wieder an Brandenburg.

1427 Nürnberg wird durch Kauf der Besitzrechte von


den Hohenzollem-Burggrafen selbständig.

1430 Litauen poln. Lehen; Krakau beim Hansebund. Teilnahme Berlins an


der Hansetagung in
Lübeck.

1436 Ende der Hussitenkriege, Sigismund zieht als Berlin und Cölln erwerben gemeinsam die Jo­
König von Böhmen in Prag ein; Franzosen ver­ hanniterdörfer Tempelhof, Martendorf, Marien-
drängen die Engländer aus Frankreich. felde und Rixdorf.

1437 Kurfürst Friedrich I. veranlaßt die Teilung der


brandenburgischen und fränkischen Lande:
Brandenburg mit der Kurwürde fällt an Friedrich
II. (»der Eiserne«), die Altmark und Prignitz an
Friedrich »den Fetten« (nach dessen Tod 1463
auch an Friedrich IL), das Fürstentum Bayreuth
an Johann den Alchemisten, Ansbach an Al­
brecht Achilles (vorher Regent in der Mark).

1438 Albrecht II. von Habsburg deutscher König (mit


ihm fast ununterbrochen bis 1806 Habsburger
auf dem deutschen Thron); Ende des Wahlkönig­
tums.

1440 Friedrich V. von Steiermark wird deutscher Kö- Nach dem Tod Friedrichs I. wird Friedrich II.
nia Friedrich III. (bis 1493).-------------------------- »der Eiserne« Kurfürst von Brandenburg (bis
1470); Adel und Städte Preußens schließen sich
in Marienwerder zu einem Preußischen Bund ge­
gen den Orden zusammen; Hochmeister Ludwig
von Erlichshausen bewirkt die Reichsacht, aber
Adel und Städte unterstellen sich dem Schutz des
Königs Kasimir IV. von Polen (1440-1492).

1442 Erbvertrag zwischen Kurfürst Friedrich II. mit


den Herzögen von Mecklenburg; Eingriffe Kur­
fürst Friedrichs II. in die märkischen Stadtver­
fassungen; diese verlieren ihre Selbständigkeit
(Berlin keine freie Hansestadt mehr).

1443 Grundsteinlegung
zum Cöllner Schloß
(fertiggestellt 1451).

1448 Kurfürst Friedrich II. läßt den Aufstand der Ber­


liner Bürger gegen den Bau der hohenzollem-
schen Zwingburg blutig niederschlagen; die Nie­
derlausitz kehrt vorübergehend an Brandenburg
zurück; Berlin wird Hauptstadt von Kurbranden-
burg.

1449 Xanten und Soest gehen an Kleve über (nach der


Soester Fehde seit 1444).

1452 Friedrich III. wird deutscher Kaiser (letzte deut­


sche Kaiserkrönung in Rom).

1453 Konstantinopel von den Türken erobert; Ende Bundeskrieg des Deutschen Ordens gegen Städte Gründung eines er­
des oströmischen Reiches. und Stände in Ostpreußen (bis 1466). sten brandenburgi­
schen Archivs unter
Kurfürst Friedrich II.

1454 Marienburg wird von Ludwig von Erlichshausen Johann Lindau, Stadt­
gegen die Polen verteidigt; Danzig fällt vom Or­ schreiber, verfaßt sei­
den ab und schließt sich Polen an (Sonderstel­ ne Chronik von Dan­
lung als »Freie Stadt«); Thom sagt sich vom zig (bis 1466).
Orden los.
1455 Kurfürst Friedrich II. kauft vom Deutschen Or­
den die Neumark und Schivelbein sowie Driesen
zurück.

1457 Kasimir IV. von Polen zieht in Danzig ein; die


Söldner des Deutschen Ordens, an die der Orden
die Burg Marienburg verpfänden mußte, überge­
ben diese an den Polenkönig (Stadt Marienburg
geht 1466 ebenfalls an Polen); Verlegung des Sit­
zes des Hochmeisters des Ordens nach Königs­
berg.

1460 Christian I. von Dänemark ( 1448-1481 ) wird auch


Herzog von Schleswig und Holstein und gelobt
die Untrennbarkeit dieser beiden Länder (Perso­
nalunion mit Dänemark bis 1864).

1464 Errichtung der Dorf­


kirche Stralau (Berlin).
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

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Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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1466 Zweiter Thomer Friede: der Orden muß für zwei


Jahrhunderte die Lehnshoheit der polnischen
Könige anerkennen (der livländische Orden ist
davon zunächst nicht betroffen).

1470 Albrecht III. Achilles von Ansbach-Bayreuth,


Bruder Friedrichs II., wird Kurfürst von Branden­
burg (bis 1486); Berlin bleibt seine Residenz.

1471 Reichslandfriedensgesetz Kaiser Friedrichs III. Erweiterung des Fran­


auf dem Reichstag zu Regensburg. ziskanerklosters in
Berlin durch Meister
Bemhart.

1472 Mit dem Vertrag und danach Frieden (1479) zu


Prenzlau gelingt es Albrecht III. Achilles, Pom­
mern zur Anerkennung der brandenburgischen
Hoheit zu bewegen.

1473 Hausgesetz »Dispositio Achillea« von Kurfürst


Albrecht III. Achilles setzt Unteilbarkeit des mär­
kischen Landes fest.

1477 Maximilian I. heiratet Erbtochter Maria von Bur­ Das Generalstudium der sächsischen Dominika­
gund, gewinnt dadurch Niederlande für Habs­ nerprovinz wird nach Berlin verlegt.
burg.
1482 Plünderung Kiews durch die Krim-Tataren; Zar Mit dem Vertrag zu Kamenz (Beilegung des Glo-
Iwan III. zahlt an die »Goldene Horde« keinen gauschen Erbfolgestreits) kommt Crossen, Zül-
Tribut mehr. lichau, Bobersberg und Sommerfeld als Pfandbe­
sitz an Brandenburg (kaiserliche Belehnung
1537).
1486 Der Habsburger Maximilian I. wird deutscher Kurfürst Johann Cicero von Brandenburg (bis
König (Kaiser ab 1493 bis 1519). 1499).

1490 Kaiser Friedrich III. vereinigt alle drei habsburgi­ An der Südgrenze Brandenburgs kommt Zossen
schen Linien wieder zum österreichischen Erbe durch Vertrag mit Böhmen hinzu.
(neue Teilung 1564).

1493 Nach Tod Kaiser Friedrichs III. tritt Maximili­ Das Recht der Lehnshoheit Brandenburgs
an I. die Nachfolge an (bis 1519). über Pommern im Vertrag zu Pyritz bestätigt.

1494 Iwan III. läßt den deutschen Hansehof in Now­


gorod schließen.

1496 Bau des Rathauses in


Breslau.
1499 Joachim 1. Nestor wird Kurfürst in Brandenburg
(bis 1535); er löst die Lehnshoheit des Böhmen­
königs ab und kauft das Herzogtum Jägerndorf
hinzu.

1500 Sitz der Ballei Brandenburg des Johanniteror­ Seitenschiffe des Köl­
dens wird Schloß Sonnenburg, wo der Herren­ ner Doms begonnen
meister residiert. (ab 1560 Einstellung
der Arbeiten, Weiter­
bau erst 1842).

1501 Alexander, Großfürst von Litauen, wird König Sieg des livländischen Ordensmeisters Wolter
von Polen (bis 1506 ) und stellt Union beider Rei­ von Plettenberg und seinen 4000 Reitern und
che wieder her (Polen wird Ständestaat). 2000 Landsknechten sowie estischen und letti­
schen Hilfstruppen gegen 30 000 russische Reiter.

1502 Vollendung der Ma­


rienkirche in Danzig.

1506 Kurfürst Joachim I. Gründung der bran­


kauft das Dorf Schöne­ denburgischen Lan­
berg (Berlin). desuniversität Viadri-
na in Frankfurt a. d.
Oder.

1508 Maximilian I. nimmt ohne Krönung den Titel


»Erwählter römischer Kaiser« an.

1511 Vereinigung von Jülich/Berg mit dem Herzog­ Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach,
tum Kleve (bis 1512). ein Enkel von Albrecht Achilles, wird Hochmei­
ster des Deutschen Ordens.

1512 Reichstag zu Köln: Einteilung des Reichs in Nikolaus Kopernikus


zehn Landfriedenskreise (ohne Böhmen und hält sich als Domkapi­
Schweiz). tular meist in Frauen­
burg auf.

1513 Marienkirche in El­


bing zur Hallenkirche
umgebaut.

1516 Einrichtung des Kammergerichts in Berlin.

1517 Luthers Thesen in Wittenberg: Beginn der Refor­


mation.

1519 Karl I. von Spanien wird zum Kaiser Karl V. ge­


wählt (bis 1556); Beginn der Bauernaufstände in
Südwestdeutschland.

1520 Bauern-Aufstand unter Gustav Wasa in Schwe­ Simon Grunau aus


den gegen Dänenkönig Christian II. (bis 1549). Tolkemit schreibt sei­
ne Geschichte des
Deutschen Ordens.

1521 Karl V. überläßt die habsburgischen Länder in Kurfürst Joachim I. Nestor muß die Reichsun­
Deutschland seinem Bruder Ferdinand I. (bis mittelbarkeit Pommerns anerkennen, erhält da­
1564). für aber das Recht der Erbfolge in Pommern zu­
gesichert (1529).
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Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1523 Friedrich von Holstein wird König Friedrich I. Kopernikus wird Bi­
von Dänemark (bis 1533); Gustav I. Wasa wird stumsverweser von
schwedischer König (bis 1560), Schweden schei­ Ermland.
det aus der Kalmarer Union (1397) aus.

1525 Großer Bauernkrieg in Deutschland; Luther Nach Krieg (ab 1518) und Waffenstillstand (1521)
wendet sich nach anfänglicher Vermittlung gegen erreicht Hochmeister Albrecht von Brandenburg
die Bauern; Karl V. bricht durch Sieg bei Pavia (1511-1568) im Vertrag zu Krakau (8.4.) die Um­
französische Vorherrschaft in Italien zugunsten wandlung des Ordensstaates in ein evangeli­
Spaniens. sches, weltliches Herzogtum unter Anerkennung
polnischer Lehnshoheit, er begründet das erbli­
che Herzogtum Preußen (bis 1605).

1526 Türken besiegen die Ungarn und erobern (Buda-) Reformation setzt sich in Danzig trotz polnischer
Pest (Corvinus’ kostbare Bibliothek verbrennt); Einmischung durch (dortige Kirchen treten ab
mit Einführung der Reformation in Hessen Aus­ 1557 zum Luthertum über).
breitung der Reformation in Deutschland.

1530 Mit der »Constitutio Joachimica« führt Joachim


I. von Brandenburg eine einheitliche Rechtsspre­
chung in Berlin ein; Neugründung der Juden­
gemeinde in Berlin und Wiederaufnahme in der
Mark.

1533 Ferdinand I. von Österreich anerkennt türkische


Souveränität über den größeren Teil Ungarns.

1535 Joachim II. Hektor wird Kurfürst in Brandenburg


(bis 1571).

1536 Niederlage der Hanse gegen Dänemark; Luther. Die Dominikanerkirche in Berlin wird Sitz des
Bekenntnis Staatsreligion durch Christian III. Domstiftes.
(1536-1559) in Dänemark und Norwegen.

1537 Erbverbrüderung Joachims II. mit den Her­


zögen von Liegnitz, Brieg und Wohlau.

1539 Reformation in Brandenburg eingeführt (1.11.). Kaspar Theyß beginnt


mit Umbauarbeiten
am Berliner Schloß.

1540 Adel in Brandenburg erhält das Recht des »Bau­ Hans Weiß wird erster
ernlegens« (Einziehung von Bauernstellen durch Drucker in Berlin;
den Grundherrn). Hinrichtung von Hans
Kohlhase in Berlin,
der sich nach einem
Streit wegen zweier
Pferde mit einem säch­
sischen Junker, bei
dem er kein Recht be-
kam, mit einem Feh­
debrief (1534) gegen
den Junker und ganz
Kursachsen stellte
(Vorbild für Kleists
Novelle »Michael
Kohlhaas«, 1810).

1541 Türken erobern Buda (Ofen); damit mittleres Protestantismus im Herzogtum Cleve, im Bistum Aufführung von H.
Ungarn bis 1699 türkisch. Naumburg und Halle eingeführt. Knausts »Dreikönigs­
spiel«, des ersten Ber­
liner Theaterstücks.
1542 König Heinrich VIII. von England (1509-1547) Baubeginn des Jagd­
nimmt den Titel »König von Irland« an. schlosses Grunewald
als Jagdhaus »zum
grünen Wald« durch
Kaspar Theyß.

1543 In seinem Todesjahr


veröffentlicht Koper­
nikus sein Hauptwerk
»Sechs Bücher über
die Umläufe der Him­
melskörper« (De revo-
lutionibus orbium
coelestium libri VI).

1544 Friede von Crépy: Mailand bleibt Reichslehen, Albrecht von Bran­
Neapel an Spanien. denburg gründet die
Universität Königs­
berg (»Albertina«).

1550 Warschau wird Hauptstadt Polens. Christoph Jan von Bau der ersten Schleu­
Weissenfels veröffent­ se im cöllnischen
licht seine Chronik des Stadtgraben.
Deutschen Ordens.

1553 Moritz von Sachen fällt in der siegreichen


Schlacht gegen Markgraf Albrecht von Branden­
burg.

1554 Norwegen und Island unterwerfen sich Däne­


mark, ganz Skandinavien damit lutherisch.

1555 Augsburger Religionsfriede (Stände erhalten Re­ Markgraf Johann von Küstrin (1535-1571) läßt
ligionsfreiheit). sich vom Kaiser direkt mit der Neumark beleh­
nen.
1556 Nach Abdankung Kaiser Karls V. Teilung des Rö­
mischen Reiches: österreichische Habsburger
(Ferdinand I.) bleiben im Reich, spanische Habs­
burger (Philipp II.) in Spanien und seinen Kolo­
nien.

1558 Ferdiand I. übernimmt nach Tod Karls V. die Kurfürst Joachim II.
Reichsgewalt in Deutschland; Elisabeth I. wird von Brandenburg läßt
Königin von England (bis 1603); die Russen ero­ in Köpenick durch
bern Narwa, Livland ruft die Polen zu Hilfe gegen Wilhelm Zacharias
Rußland, Sieg Bäthorys über Iwan IV. bei Polozk; das Schloß Köpenick
der Bischof von Ösel und Kurland und der Bi- erbauen.
H—1
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Theater

schof von Reval verkaufen ihre Besitzrechte und


Bistümer an den dänischen König.

1560 Der Bruder des dänischen Königs, Herzog Mag­ Die Bibliothek des
nus, landet auf der Insel Ösel; Graf Egmont wird Herzogs Albrecht von
vom spanischen König zum Statthalter in Flan­ Preußen wird als »Sil­
dern und Artois ernannt. berbibliothek« be­
rühmt.

1562 Beginn der Hugenottenkriege (bis 1598) in Frank­ Den nördlichen Teil Livlands tritt der letzte
reich, wo Katharina von Medici (1519-1589) für Ordensmeister Gotthardt Kettler in einem Ver­
den unmündigen Karl IX. regiert (bis 1563). trag mit dem polnischen König an Polen ab,
während das Gebiet südlich der Düna (Kurland)
in ein weltliches Herzogtum umgewandelt und
Kettler unter polnischer Lehnshoheit zum erbli­
chen Herzog eingesetzt wird.

1565 Erhebung der Niederlande unter Wilhelm von Der Königsberger


Oranien (1533-1584) und Graf Egmont gegen Re­ Professor Ambrosius
ligionspolitik der Spanier. Lohwasser übersetzt
den Psalter aus dem
Französischen.

1567 Herzog Alba (1507-1582) spanischer Generalka­ »Knüppelkrieg« zwischen Berlin und Spandau.
pitän in den Niederlanden.

1568 Hinrichtung der Grafen Egmont und Hoorn; Be­ Herzog Albrecht Friedrich in Preußen (bis 1618).
ginn des achtzigjährigen Befreiungskampfes der
Niederlande gegen Spanien.

1569 Joachim II. erreicht die Mitbelehnung der Kurli­


nie mit dem Herzogtum Preußen durch den pol­
nischen König; Polnischer Reichstag zu Lublin;
Litauen und Westpreußen mit Polen vereinigt.

1571 Spanier, Venezianer und Truppen des Papstes be­ Johann Georg wird Kurfürst in Brandenburg (bis Kurfürst Johann
siegen unter Admiral Don Juan d’Austria (1547- 1598). Georg beruft Leon­
1578) die Türken in der Seeschlacht von Lepanto; hard Thumeysser
Krimtataren brandschatzen zum letzten Mal in nach Berlin.
Moskau.

1572 Massenmord an den Hugenotten in der Bartholo­ Erste Wasserleitung in


mäusnacht in Paris (»Bluthochzeit« zwischen Berlin von Bürgermei­
Heinrich von Navarra und Margarethe von Va­ ster Johann Blancken-
lois). felde angelegt.

1573 Hinrichtung des jüdischen Münzmeisters Lip-


pold, der der Ermordung des Kurfürsten Joachim
II. beschuldigt wird; erneute Judenvertreibung.
Gymnasium »Graues
Kloster« in Berlin ge­
stiftet und Gründung
der Cöllnischen Rats­
schule.

1575 Stephan IV. Bäthory wird König von Polen (bis


1586), von Danzig und Riga anerkannt.

1576 Rudolf II. neuer deutsch-römischer Kaiser (bis Caspar Henneberger


1612). (1523-1600) fertigt in
Königsberg seine Kar­
te von (Ost-) Preußen.

1588 Vernichtung der Spanischen Armada durch die Abraham Ortelius


Engländer in der Straße von Calais; Moritz von zeichnet (ohne den
Nassau, Sohn des ermordeten Wilhelms von Ora- pommerschen Anteil)
nien, wird Admiral der Vereinigten niederländi­ die Mercator-Vorlage
schen Provinzen. der Karte vom Territo­
rium Brandenburg.

1589 Heinrich von Navarra wird König Heinrich IV.


von Frankreich (erster Bourbone; bis 1610).

1590 Baumeister Rochus


Guerini Graf zu Lynar
vollendet den Bau der
ab 1560 nach Plänen
von Francesco Chiara-
mella Gandino erbau­
ten Zitadelle Spandau.

1592 Sigismund III. von Polen erlangt die schwedische Caspar Schütz, Stadt­
Krone (bis 1604). sekretär zu Danzig,
veröffentlicht in
Zerbst »Historia re-
rum Prussicarum oder
Wahrhafte Beschrei­
bung der Lande Preu­
ßens in 10 Büchern
vom Anfänge bis auf
das Jahr 1525«.

1598 Boris Godunow wird Zar von Rußland (bis 1605). Kurfürst Joachim Friedrich (bis 1608), er bestä­ Aufhebung der Vor­
tigt im Geraer Hausvertrag (1598/99) die Unteil­ rechte des Stalhofes
barkeit des Kurfürstentums und die Primogenitur der Hanse in London
für die Mark; das Herzogtum Preußen (Ostpreus­ (Niedergang der Han­
sen) sollte danach den regierenden Kurfürsten se).
zufallen, Ansbach und Bayreuth werden Sekun-
dogenitur.

1604 Gründung des Geheimen Rates und der Zentral­ Einführung von Kup­
behörde mit wesentlichen außenpolitischen Auf­ ferscheidemünzen in
gaben in Brandenburg. ganz Deutschland.

1605 Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (1592-1627) Zeughaus in Danzig


nimmt den Calvinismus an. (ein Hauptwerk der
Renaissance) vollen­
det.
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*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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1607 Gründung des Joa-


chimsthalschen Gym­
nasiums in Berlin.

1608 Bildung der Protestantischen Union (neutral Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg
bleibt der Kurfürst von Sachsen). (bis 1619).

1609 Kaiser Rudolf II. sichert den böhmischen Prote­ Kurfürst Johann Sigismund zieht das Lehen mit
stanten Religionsfreiheit zu; Gründung der Ka­ den Herrschaften Schwedt und Vierrade nach
tholischen Liga unter Führung des Herzogs Ma­ Aussterben der Linie Hohenstein-Vierraden für
ximilian von Bayern. Brandenburg ein.

1610 Polen erobern Moskau (bis 1612); der Theologie­ Schwedenkönig Gustav II. Adolf erobert in den
student Ravaillac tötet den französischen König folgenden Jahren Kurland, Livland und Pol­
Heinrich IV.; Friedrich V. von der Pfalz (Calvi­ nisch-Preußen (nur Danzig und Thom wird von
nist) erhebt Anspruch auf den Thron Böhmens. Polen unter Gerhard Dönhoff verteidigt).

1613 Michail Romanow neuer Zar von Rußland (bis Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg
1645; seine Dynastie bleibt bis 1917). tritt zum Calvinismus über.

1614 Im Xantener Vergleich imjülich-klevischen Erb-


streit erhält Brandenburg aufgrund der Ehe von
Kurfürst Johann Sigismund mit einer Tochter
von Marie-Eleonore von Jülich-Kleve-Berg aus
dem Gesamterbe Kleve, Mark, Ravensberg und
Ravenstein sowie die flandrischen Lehen Wy-
nendahl und Breskesand (Ravenstein ging im 30-
jährigen Krieg verloren und wurde 1647 gegen
Wynendahl und Breskesand eingetauscht); Jü­
lich-Berg fällt an Pfalz-Neuburg.

1617 König Gustav II. Adolf von Schweden schließt Beuthen und Oderberg (1618) werden der Krone Der Kurfürstliche Bo­
mit Rußland Frieden, der Rußland von der Ost­ Böhmens zugesprochen. tenmeister Christoph
see abschneidet (schwedische Herrschaft über Frischmann druckt die
Livland, Estland und nordwestl. Ingermanland). erste Wochenzeitung
in Berlin.

1618 »Fenstersturz« zu Prag leitet im Reich den 30-jäh­ Personalunion Brandenburg-Preußen: Herzog­
rigen Krieg ein zwischen Katholiken und Prote­ tum Preußen kommt durch Erbschaft an Bran­
stanten, später Beteiligung auch anderer euro­ denburg unter Kurfürst Johann Sigismund, er
päischer Staaten (bis 1648). wird dadurch auch Herzog in Preußen; Berlin hat
20 000 Einwohner.

1619 Friedrich V. von der Pfalz wird König von Böh­ Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg und
men, Ferdinand von der Steiermark wird Kaiser Herzog in Preußen (bis 1640).
Ferdinand II. (bis 1637).

1624 In Berlin wird das Rib-


beckhaus (heute das
älteste Haus Berlins in
der Breite Straße Nr.
35) von .Hans Georg
von Ribbeck und sei-
ner Frau Katharina
von Brösicke erbaut.

1625 Christian IV. von Dänemark (bis 1648) schickt Wegen der Not im
den Evangelischen unter Mansfeld in Nieder­ Dreißigjährigen Krieg
sachsen Hilfstruppen, Kaiser Ferdinand II. ruft verstärkter Anbau von
Wallenstein (1583-1634) aus Böhmen; Gustav II. Kartoffeln in ganz
Adolf von Schweden nimmt Dorpat ein und kon­ Deutschland.
trolliert Livland; Karl I. König von England (bis
1649).

1628 Kaiser Ferdinand II. macht Wallenstein zum Wallenstein mit seinen Truppen in Berlin (eben­ Der Kurfürstliche Ar­
Herzog von Mecklenburg; »Petition of Rights« so 1630). chivar Zernitz veröf­
des englischen Parlaments (Karl I. regiert ab 1629 fentlicht seine Ge­
ohne Parlament). schichte der branden­
burgischen Kurfür­
sten.

1629 Wallenstein schließt mit Christian IV. von Däne­


mark den Frieden von Lübeck (22.5.); Kaiser Fer­
dinand gibt Restitutionsedikt heraus (beinhaltet
Rückgabe konfiszierter katholischer Erzbistü­
mer und Klöster).

1631 Bündnis zwischen Frankreich und Schweden; Schwedenkönig Gustav Adolf in Berlin.
die Schweden marschieren von Pommern aus
nach Süden, Tilly nimmt Neubrandenburg ein,
die Schweden erobern Frankfurt an der Oder, Til­
ly und Pappenheim stürmen Magdeburg und
brennen die Stadt nieder.

1632 Tod Gustav II. Adolfs bei Lützen, trotzdem Sieg


über Wallenstein; Königin Christine (zuerst un­
ter Vormundschaft Oxenstjernas) von Schweden
(bis 1654).

1635 Protestantische Fürsten schließen Sonderfrieden Friede zu Prag: Brandenburg und Kursachsen
mit Kaiser Ferdinand IL, der das Restitutions­ treten auf die Seite des Kaisers; schwere Plünde­
edikt auf 40 Jahre aufhebt (Friede von Prag); rungen in der Mark Brandenburg durch schwedi­
Bernhard von Sachsen-Weimar (bis 1639) kämpft sche Truppen.
in französischen Diensten weiter gegen die Kai­
serlichen im Westen.

1637 Ferdinand III. wird römisch-deutscher Kaiser Erlöschen des Pommerschen Herzoghauses, das
(bis 1657). Erbrecht kann Brandenburg gegen Schweden
nicht durchsetzen.

1640 Friedrich Wilhelm wird Kurfürst (der Große) (bis


1688).

1641 Beginn des Bürgerkriegs unter Oliver Cromwell Brandenburg schließt Frieden mit Schweden in Erlaß einer Bauord­
(1599-1658) in England. Stockholm. nung für Berlin.

1644 Rußland beherrscht Sibirien bis zur Amur-Mün­ Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg be­
dung. ginnt mit Aufstellung eines stehenden Heeres.
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1645 Schweden zwingen den sächsischen Kurfürst


Johann Georg zum Ausscheiden aus dem Krieg;
Zar Alexej in Rußland (bis 1676); Sieg der Parla­
mentsparteien unter Cromwell im englischen
Bürgerkrieg.

1646 Franzosen und Schweden in Bayern, Kurfürst


Maximilian drängt den Kaiser zu Friedensver­
handlungen.

1647 Anpflanzung einer


sechsreihigen Allee
von Linden und Nuß­
bäumen in Berlin zwi­
schen Schloß und
Tiergarten (»Unter
den Linden«).

1648 Westfälischer Friede (Münster) beendet den 30- Kurfürst Friedrich Wilhelm gewinnt für Branden­
jährigen Krieg: der Augsburger Religionsfriede burg Magdeburg, Halberstadt und Hinterpom­
wieder hergestellt, Unabhängigkeit der Schweiz mern im Westfälischen Frieden, muß dafür aber
anerkannt, territoriale Gewinne für Frankreich, auf Vorpommern mit Stettin verzichten; Berlin
Schweden (Vorpommern, Wismar, Bistümer hat 6 000 Einwohner.
Bremen und Verden), Mecklenburg (Bistum
Schwerin und Ratzeburg); Unabhängigkeit für
die Niederlande.

1649 Hinrichtung König Karls 1. von England, Eng­ Der Magdeburger


land wird Republik (bis 1660). Bürgermeister Otto
von Guericke macht
seine Versuche mit
den Vakuum-Halbku­
geln und erfindet die
Kolben-Luftpumpe.

1650 Erster Stadtplan von


Berlin-Cölln (vonJ.G.
Memhardt).

1653 Angliederung Hinterpommerns an Brandenburg.

1655 Karl X. Gustav (bis 1660), Nachfolger von Köni­ Kurfürst Friedrich Wilhelm im Bund mit Schwe­ Christoph Runge er­
gin Christine als König von Schweden, erobert denkönig Karl X. Gustav (1654-1660) gegen Po­ hält die Konzession
Livland und Polen, einschließlich Warschau und len. zum Druck der Berli­
Krakau, er behauptet in diesem schwedisch-pol­ ner »Avisen«.
nischen Krieg (bis 1660) Schwedens Stellung als
Ostseemacht.

1656 Kurfürst Friedrich Wilhelm erkennt im Königs-


sehen Lehnshoheit über Brandenburg-Preußen
an ( 17.1.) und nach seiner Waflenhilfe für Schwe­
den bei der Eroberung von Warschau verzichtet
Schweden zugunsten Brandenburgs auf die
Lehnshoheit über Preußen (20.11.); erstes ste­
hendes Heer Europas in Brandenburg mit 18 000
ständig unter Waffen stehenden Soldaten.

1657 Kurfürst Friedrich Wilhelm tritt von der schwedi­ Nachbildungdes Apoll
schen zur polnisch-dänischen Seite über und er­ von Belvedere als Blei-
reicht im Vertrag zu Wehlau auch die Entlassung figurimGarten des Ber­
des Herzogtums Preußen aus der polnischen liner Schlosses.
Lehnshoheit; die ehemaligen Ordensämter Lau­
enburg und Bütow sowie die einstige Johanniter­
besitzung Draheim kommen an Brandenburg.

1658 Leopold I. wird Kaiser in Wien (bis 1732). Berlin wird zur Festung ausgebaut. Ausbau Berlins zur
Festung durch Mem­
hardt, abgeschlossen
1683 mitNerings Leip­
ziger Tor.

1660 Rückkehr König Karls II. nach England (bleibt Friede von Oliva zwischen Schweden, Polen und
König bis 1685). Brandenburg: er beseitigt die letzten Lehensrech­
te der Polen in Preußen und bestätigt Branden­
burg die volle Souveränität in Ost- und West­
preußen, die der Deutsche Orden im zweiten
Frieden von Thom 1466 an Polen abgeben
mußte; Potsdam wird kurfürstliche Residenz.

1662 Auflösung der Stadtverfassungen in Frankreich Anlage von Friedrichs- Kurfürst Friedrich Baubeginn des Fried­
durch Landesrecht unter der absolutistischen werder als dritte Resi­ Wilhelm veranstaltet rich-Wilhelm-Kanals
Herrschaft Ludwigs XIV. denzstadt im Raum in Berlin ein Reli­ zwischen Spree und
Berlin. gionsgespräch. Oder (bis 1669).

1663 »Immerwährender Reichstag« zu Regensburg Kurfürst Friedrich Wilhelm nimmt in Königsberg


tritt zusammen (Gesandtenkongreß bis zum En­ die Huldigung der preußischen Stände entgegen.
de des Reiches 1806).

1664 Kaiserliche und französische Truppen schlagen Bau von Schloß Nie­
unter Montecucculi (1609-1680) die Türken süd­ derschönhausen, im
lich von Wien. Auftrag von Gräfin
Dohna (1691 unter
Kurfürst Friedrich III.,
vermutlich durch Ne-
ring, umgebaut).

1666 Magdeburg muß dem Kurfürsten Friedrich Wil­ Gottfried Wilhelm


helm von Brandenburg huldigen. Leibniz schreibt »De
Arte Combinatoria«.
1667 »Code« Ludwigs XIV., der bis zum »Code« Verbrauchersteuern (Akzise-Ordnung) in den
Napoleons Gültigkeit hat; Rußland erobert Städten Brandenburgs (der Adel verhindert Aus­
Smolensk und Polen. dehnung auf dem Lande).

1668 Fürsten können mit Reichstagsbeschluß von


den Ständen Verteidigungsgelder fordern.

1669 Paul Gerhardt verläßt Auflösung der Zünfte


Berlin. beginnt; letzte Teile
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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Theater

des Hansebundes lö­


sen sich auf; Vollen­
dung des Friedrich-
Wilhelm-Kanals (seit
1662 im Bau).

1670 Stadtschloß Potsdam


von Philipp de Chieze
fertiggebaut (ab 1664;
von Georg Wenzes-
laus von Knobelsdorff
von 1745 bis 1775 um­
gestaltet; nach 1945
abgerissen).

1671 Kurfürst Friedrich Wilhelm überläßt Ravenstein


den Pfalz-Neuburgern; ein kurfürstliches Edikt
(21.5.) ermöglicht 50 aus Wien vertriebenen jüdi­
schen Familien die Ansiedling in der Mark und
Handelsfreiheit (zunächst auf 20 Jahre); Grün­
dung der Jüdischen Gemeinde in Berlin (10.9.).

1672 »Große Koalition« Kaiser Leopolds I. mit den Erstellung eines In­ Samuel von Pufendorf Otto Guericke in Mag­
Niederlanden und Brandenburg, der sich Däne­ ventars der Kurbran­ veröffentlicht »Über deburg veröffentlicht
mark, die Pfalz und das Herzogtum Braun­ denburgischen Gem­ das Natur- und Völker­ »Expérimenta nova«.
schweig-Lüneburg (1673/4) anschließen, gegen mensammlung. recht«.
Frankreich, Schweden und England (bis 1679).

1673 Wesel am Rhein kommt an Brandenburg.


1675 Kurfürst Friedrich Wilhelm besiegt die Schwe­ Marstall in Potsdam
den bei Fehrbellin; Aussterben der Linie des Für-, von J. A. Nering er­
stenhauses von Liegnitz ermöglicht den Erbfall baut (1746 durch Kno­
des Gebietes an Brandenburg. belsdorff und Andreas
L. Krüger umgebaut).

1678 Brandenburg erobert Vorpommern mit Stettin Johann III. Sobieski


(6.1.). läßt in Danzig die Kö­
nigliche Kapelle bau­
en (vollendet 1681).
1679 Frieden zwischen Frankreich und dem Kaiser in Magdeburg wird zur stärksten Festung Preußens Der Historiker Chri­
Saint-Germain-en-Laxe: Breisach, Freiburg, El­ ausgebaut (bis 1740); mit der Einverleibung von stoph Hartknoch gibt
saß und Lothringen bleiben französisch; franzö­ Cammin und Bahn erreicht Brandenburg das die Chronik Peters von
sisch-brandenburgisches Geheimbündnis rechte Oderufer (Gollnow-Damm geht 1693 wie­ Dusburg heraus.
(1681); im Frieden von Lund gibt Dänemark alle der verloren).
Eroberungen an Schweden zurück.
1680 Angliederung von Stift Magdeburg mit Jerichow, Johann Kunckel von
Saalkreis und einem Teil von Mansfeld an Bran­ Löwenstem, Chemi­
denburg endgültig vollzogen. ker, stellt in Berlin das
Rubinglas her.______
Holländische Fachar­
beiter kanalisieren den
Spreearm, der das alte
Stadtgebiet von Cölln
südlich und westlich
umfließt.

1682 Versailles wird Residenz der Königs von Frank­ Kurfürst Friedrich Wilhelm legt in Ostfriesland
reich (bis 1789). (Greetsiel und Emden) Garnisonen an und grün­
det dort die Brandenburgisch-Afrikanische Han­
delskompanie.

1683 Großwesir Kara Mustafa (1676-1683) belagert An der Goldküste Afrikas wird die brandenburgi­
Wien, wird von den Kaiserlichen unter Sobieski sche Kolonie Groß-Friedrichsburg errichtet.
in die Flucht geschlagen; Beginn des großen Tür­
kenkrieges (bis 1699).

1684 Frankreich annektiert das Herzogtum Luxem­ Errichtung von Fort Sophie-Louise und der Do- Christoph Hartknoch
burg; Bildung einer »Heiligen Liga« (Papst, rotheenschanze als brandenburgische Kolonie veröffentlicht »Altes
Österreich, Polen und Venedig) gegen die Türkei. an der Goldküste Afrikas (1685 kommt noch Tac- und Neues Preußen,
caray und die Insel Arguin nördlich des Senegal oder preußischer Hi­
hinzu). storien zwey Theile«.

1685 Jakob II. wird König von England (bis 1688). Edikt von Potsdam (8.11.): Kurfürst Friedrich J. Arnold Nering (seit Die Hugenotten brin­
Wilhelm gewährt den verfolgten französischen 1684 Nachfolger von gen die Wirkkunst
Hugenotten Glaubensfreiheit, Niederlassung Langervelt) vollendet nach Brandenburg.
und wirtschaftliche Privilegien in Brandenburg den Bau der Schloßka­
und Preußen. pelle gegenüber dem
Schloß Köpenick.

1686 Herzog Karl V. Leopold von Lothringen (bis Berlin erwirbt die Christoph Hartknoch
1690) besiegt die Türken bei Gran und besetzt kurpfälzische Münz­ veröffentlicht »Preußi­
Buda (seit 1541 türkisch). Bündnis des Kaisers, sammlung. sche Kirchenhistorie«.
Schwedens, Spaniens und Brandenburgs gegen
Frankreich.

1687 Sieg der Österreicher unter Karl von Lothringen


über die Türken bei Mohäcs; Personalunion zwi­
schen Österreich und Ungarn (bis 1918).

1688 Wilhelm III. von Oranien erobert den englischen Friedrich III. wird Kurfürst von Brandenburg- Perspektivplan Berlins
Thron (bis 1702), Jakob IL, der »katholische Kö­ Preußen (bis 1713); »Magdeburger Konzert« mit von Johann Bernhard
nig«, flieht nach Frankreich; Kurfürst Max-Ema­ Brandenburg, Kursachsen, Hannover und Hes­ Schultz; Anlage der
nuel von Bayern (1679-1726) erobert mit den Kai­ sen-Kassel gegen Frankreich. Friedrichstadt.
serlichen Belgrad von den Türken; Pfälzischer
Erbfolgekrieg Frankreichs gegen Österreich,
England, Niederlande und Spanien (bis 1697).

1689 Wilhelm III. und Maria II. Stuart von England Baubeginn des Ba­ Gründung der Gehei­
anerkennen die »Bill of Rights« (Begründung der rockschlosses Steinort men Hofkammer als
konstitutionellen Monarchie in England); Kai­ am Mauersee in Masu­ zentrales Kontrollbü­
serliche besiegen die Türken bei Nisch; Peter I. ren (im Besitz der Fa­ ro zur Organisation
wird Zar von Rußland (bis 1725). milie Lehndorff bis der Finanzen in Bran­
1945). denburg.
1690 Türken erobern Belgrad zurück.

1691 Die Herrschaften Tauroggen und Serrey an der


Memel fallen wegen der Ehe Markgraf Ludwigs
mit Prinzessin Luise Charlotte von Radziwill an
Brandenburg.
K)
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Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1692 Hannover erhält die 9. Kurwürde. Erweiterung des Berli­ Gründung der Univer­
nischen Rathauses sität Halle, die ein
1693 Franzosen erobern und brandschatzen Heidel­ durch J. Arnold N ering. Zentrum pietistischer
berg. und aufgeklärter Ge­
lehrter wurde (August
1694 Friedrich August I. (»der Starke«) wird Kurfürst Kreis Schwiebus muß von Brandenburg an Glo- Andreas Schlüter Hermann Francke,
von Sachsen (bis 1733). gau zurückgegeben werden. nach Tätigkeit in Dan­ Christian Thomasius).
zig und Warschau
nach Berlin berufen.

1696 Gründung der Akade­ Christian Reuter ver­ Beger veröffentlicht


mie der Künste in Ber­ öffentlicht seinen »Thesaurus Branden-
lin. Schelmenroman burgicus selectus« (bis
»Schelmuffsky«. 1701, 3 Bde.).

1697 Prinz Eugen (1663-1736) siegt mit den Kaiserli­ Bau des Rathauses auf
chen über die Türken bei Zenta; Kurfürst Fried­ dem Kneiphof (Kö­
rich August I. von Sachsen wird nach Übertritt nigsberg) vollendet
zum Katholizismus zum König von Polen ge­ (ab 1695); Beginn der
wählt; Kosakenführer Atlassow erobert Kamt­ Anlage des Gartens
schatka für Rußland. von Lietzenburg.

1698 Peter I. schlägt Strelitzenaufstand in Moskau blu­ Der »alte Dessauer«, Leopold von Anhalt-Des­ Andreas Schlüter be­ August Hermann Perücken- und Karos
tig nieder. sau, führt im preußischen Heer den Gleichschritt ginnt mit dem Berliner Francke, einer der Vä­ sensteuer in Branden
ein. Schloß und den Arbei­ ter des Pietismus, bürg.
ten am Reiterdenkmal gründet in Halle ein
des Großen Kurfür­ Waisenhaus als Kern
sten (1703 vollendet); der Franckeschen Stif­
Bau des Rathauses in tungen.
Magdeburg beendet
(seit 1691).

1699 Friede von Karlowitz: Türken verlieren Sieben­ Nach einem Entwurf
bürgen und Ungarn an Österreich; Österreich- von J. Arnold Nering
Ungarn wird Großmacht; Asow geht an Rußland. vollendet Martin
Grünberg den Mittel­
bau von Schloß Liet­
zenburg (später Char­
lottenburg).

1700 Beginn des Nordischen Krieges zwischen Ruß­ Johann Friedrich Eo­ Anfang des Berliner Gottfried Wilhelm
land, Polen-Sachsen und Dänemark gegen sander Göthe als Hof­ Musiktheaters mit Leibniz gründet in
Schweden (bis 1721); schwedischer Sieg bei Nar­ architekt berufen, er Ariostis »La Festa del Berlin mit Hilfe der
wa unter Karl XII. übernimmt den weite­ Hymeneo«. Königin Sophie Char­
ren Bau von Lietzen­ lotte die »Sozietät der
burg. Wissenschaften«, die
spätere »Preußische
1701 Wilhelm III. von England ordnet die Thronfolge Kurfürst Friedrich III. krönt sich in Königsberg Bau des Ehemaligen Akademie der Wissen­
zugunsten des protestantischen Hauses Hanno- nach langen Verhandlungen mit dem Kaiser und Palais Podewils in Ber­ schaften«.
ver gegen die katholischen Stuarts (»Act ofSettle- den Königen von Polen und Sachsen als Fried- lin (bis 1704) nach Plä-
ment«); Karl XII.(1697-1718) von Schweden ero­ rich I. zum König in Preußen (18.1.); Stiftung des nen von Jean de Bodt
bert Kurland; Spanischer Erbfolgekrieg zwischen Schwarzen Adlerordens. (1732 von Staatsmini­
England, Niederlande, Österreich gegen Frank­ ster von Podewils er­
reich, Bayern und Köln (bis 1713). worben); Grundstein­
legung für den Deut­
schen und Französi­
schen Dom auf dem
Gendarmenmarkt in
Berlin. *

1702 Letzter Hugenottenkrieg in Frankreich (»Cami- Mörs und Lingen zu Preußen, ebenso Abtei
sarden«) wird 1710 blutig niedergeschlagen; Karl Quedlinburg und Grafschaft Tecklenburg in
XII. von Schweden erobert Warschau, besiegt das Westfalen.
sächsisch-polnische Heer bei Klissow und be­
setzt Krakau.

1703 Peter 1. von Rußland erobert die Newamündung Schlüter vollendet das Von Ariosti wird in
und gründet St. Petersburg. Denkmal des Großen Berlin »Mars und Ire­
Kurfürsten; Neuein­ ne« aufgeführt.
richtung des Antiken­
kabinetts im Berliner
Schloß.

1704 Sieg der Kaiserlichen und Engländer unter dem Johann Lorentz er­ Erster Berliner Adreß­
Herzog von Marlborough (1650-1722) über die wirbt das Recht, »Ber­ kalender.
Franzosen und Bayern; Bayern von Österreich liner Zeitungen« zu
besetzt; Karl XII. von Schweden siegt bei Pol- drucken; Johann Mi­
tusk; Peter I. erobert Narwa und Dorpat. chael Rüdiger erhält
Privileg zum Druck ei­
nes »wöchentlichen
Diariums«.

1705 Kaiser Joseph I. (bis 1711); Aufstand oberbayeri­ Gründung von Charlottenburg (Berlin). Vollendung des Fran­
scher Bauern gegen österreichische Besatzung zösischen Doms in Ber­
(»Sendlinger Mordweihnacht«). lin durch Louis Cayart
(begonnen 1701).

1706 Marlborough schlägt die Franzosen und erobert Andreas Schlüter als
Antwerpen, Brügge und Ostende: Karl XII. rückt Schloßbaumeister ent­
in Sachsen ein, erzwingt die Absetzung Augusts lassen (er wird 1713
des Starken als polnischer König zugunsten von nach Petersburg beru­
Stanislaus I. Leszczynski (1677-1766). fen, wo er 1714 stirbt);
Eosander wird neuer
Schloßbaumeister des
Königs; Vollendung
des Baus des Zeug­
hauses in Berlin.

1708 Prinz Eugen und Marlborough schlagen die Beginn der Pest-Jahre in Ostpreußen (bis 1711),
Franzosen erneut bei Oudenaarde. in denen von rund 600 000 Menschen etwa
250 000 sterben; ständige Einrichtung einer Ju­
denkommission, die bis 1750 die Zentralbehörde
für die Angelegenheiten der Juden in Preußen ist.

1709 Österreicher, Preußen und Engländer schlagen Vereinigung der selbständigen Gemeinwesen
unter Prinz Eugen und Marlborough die Franzo­ Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheen- und
sen bei Malplaquet; Peter I. schlägt Karl XII. von Friedrichstadt zur Königstadt Berlin.
Schweden bei Poltawa (der Schwedenkönig flieht
zu den Türken); Massenauswanderung aus der
Pfalz und süddeutschen Staaten nach Nordame-
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*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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rika; August der Starke vertreibt Stanislaus Les-


zczynski aus Polen (wieder König von Polen).

1710 Die Russen erobern Wiborg, Riga, Pemau und Schloßkirche im Leibniz veröffentlicht Gründung der Charité
Reval, die Ritterschaften und Städte Livlands und Schloß Königsberg »Theodizee«. in Berlin; Berlin hat
Estlands unterwerfen sich Rußland. durch J. L. Schultheiss 56000 Einwohner.
von Unfriedt erneuert
(seit 1705, der Mosko­
witersaal im Schloß
Ende des 16. Jahrhun­
derts erbaut).

1711 Antoine Pesne wird


preußischer Hofmaler
(bis 1757); Eosander
vollendet den Bau von
Schloß Monbijou (im
Zweiten Weltkrieg zer­
stört).

1712 Petersburg wird neue Hauptstadt von Rußland. Erste Gemeindesynagoge der Juden in Berlin. Bau der Sophienkir- Christian Wolff veröf­
che in Spandau. fentlicht »Von den
Kräften des menschli­
chen Verstandes«.

1713 Die Throne von Österreich, Ungarn und Böhmen König Friedrich Wilhelm I. in Preußen (bis 1740), Nach dem Tod Fried­ Presseverbot in Preu­
werden durch Karl VI. (1711-1740) im Hause genannt der »Soldatenkönig«; im preußischen richs I. Einstellung ßen durch Friedrich
Habsburg erblich (auch weibliche Linie) erklärt Heer wird der Zopf eingeführt. der Bautätigkeit in Wilhelm I.
(Pragmatische Sanktion); Holland erhält im Frie­ Schloß Charlotten­
den von Utrecht die Anerkennung der Königs­ burg.
würde, Österreich erhält Neapel, Mailand und
südliche Niederlande; Peter I. schlägt die Schwe­
den bei Storkyro und erobert Finnland (bis 1714).

1714 Friede von Rastatt zwischen Frankreich und dem Friedrich Wilhelm I. ordnet Soldatenwerbung
Reich: Frankreich behält Elsaß und Straßburg, an »ohne große Gewalttätigkeit« an; nachdem Chri­
das Reich fallen alle französischen Eroberungen stian Thomasius in seiner Schrift »de crimine
am rechten Rheinufer zurück, Frankreich aner­ magiae« die Abschaffung der Hexenprozesse ver­
kennt die österreichische Vorherrschaft in Italien langt hatte, werden sie in Preußen abgeschafft.
und Belgien; Kurfürst Georg von Hannover be­
steigt als Georg I. den englischen Thron (bis
1727); Belagerung von Stralsund.

1715 Tod Ludwigs XIV. nach 72 Regierungsjahren, Friedrich Wilhelm I. von Preußen erobert im
Nachfolger wird Ludwig XV. (bis 1774); die Tür­ »Nordischen Krieg« Stralsund von Schweden zu­
kei erobert Kreta und Griechenland; Bremen- rück und gewinnt Stettin für Preußen.
Verden fällt an Hannover.
1716 Prinz Eugen von Savoyen besiegt die Türken bei König Friedrich Wilhelm I. von Preußen emp­
Peterwardein (Kroatien) und erobert Belgrad fängt in Stettin Zar Peter I.; in der Handelsord­
(1717). nung für Berliner Kaufleute steht die Bestim­
mung, daß dieser Gilde »Juden, strafbare Tot­
schläger, Gotteslästerer, Mörder, Diebe usw.«
ferngehalten werden sollen (gilt bis 1802).

1717 Die brandenburgischen Kolonien-Stützpunkte Friedrich Wilhelm I. Einführung der Schul­


an der Goldküste Afrikas werden an die Nieder­ schenkt Zar Peter I. pflicht in Preußen.
lande verkauft (bis 1721); Kadettenkorps zu Ber­ das um 1710 unter
lin gegründet; Besuch des Zaren Peter I. in Berlin. Mitarbeit Schlüters in
Berlin entstandene
1718 Die Türken räumen Nordbosnien, Serbien und Entstehung von Moabit bei Berlin. Bemsteinzimmer Gründung der Feuer-
Teile der Walachei; Zar Peter I. läßt seinen Sohn (s. S. 4). societät in Berlin.
Alexej zu Tode foltern.

1719 Schweden schließen Frieden mit Hannover (Bre­ Ergebnislose Versuche König Friedrich Wil­
men und Verden an Hannover zurück). helms I. zur Aufhebung der Leibeigenschaft.

1720 Im Frieden von Stockholm tritt Schweden an Im Frieden zu Stockholm gewinnt der preußische
Preußen Vorpommern bis zur Peene mit Stettin, König Vorpommern links der Oder bis zur Peene
Usedom und Wollin ab; der herzogliche Anteil mit Stettin, Damm, Gollnow, Gartz, Pasewalk,
von Schleswig fällt an Dänemark; Friedrich von Anklam, Demmin, die Inseln Usedom und Wol­
Hessen-Kassel, Gemahl Ulrike Eleonores, wird lin, das Haff und die beiden östlichen Odermün­
als Friedrich I. König von Schweden. dungen zurück; Ostpreußen zählt etwa 400 000
Seelen.

1721 Peter I. nimmt den Kaisertitel an; im Frieden von Preußen verbietet Auswanderung. Rüdigers Sohn Johann
Nystad muß Schweden an Rußland Livland, Est­ Andreas druckt die er­
land, Ingermanland und Südkarelien abgeben; ste Ausgabe der »Ber­
Dänemark besiedelt Grönland. linische privilegierte
Zeitung« (25. 2.); Jo­
hann Sebastian Bach
komponiert die »Bran­
denburgischen Kon­
zerte«.

1724 Friedrich Wilhelm I. faßt die drei Städte Altstadt, Der ostpreußische Jakob Paul Freiherr
Löbenicht und Kneiphof zur Stadt Königsberg Pfarrerssohn und spä­ von Gundling (1673-
zusammen. tere Dichter Johann 1731) fertigt als König­
Christoph Gottsched licher Historiograph
flieht als Student aus (ab 1713) eine Karte
Königsberg, um we­ des Kurfürstentums
gen seiner Körpergrö­ Brandenburg an.
ße preußischen Solda-
tenwerbem zu entge­
hen, nach Leipzig.

1725 Bündnis von Spanien und Österreich, dagegen


das Bündnis von Herrenhausen zwischen Eng­
land, Frankreich und Preußen; Katharina I. wird
Zarin von Rußland (bis 1730).

1726 Exerzierreglement für Infanterie und Kavallerie,


nach dem in den Kadettenschulen der junge Adel
zum Offizier herangebildet wird (Bildung eines
Offizierskorps in Preußen).
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1727 Georg II. wird König von England (bis 1760). Bau des Alten Landes­ Lehrstühle für Kame-
hauses (seit 1725) und ral (Verwaltungs-Wis­
des Königs- und Berli­ senschaften) an den
ner Tores (bis 1740) in Universitäten in Halle
Stettin. und Frankfurt a. d.
Oder eingerichtet.

1730 Anna Iwanowna neue Zarin in Rußland (bis Reise Friedrich Wilhelms I. mit dem Kronprin­ Ausbau der Friedrich­
1741). zen Friedrich nach Süd- und Westdeutschland; stadt in Berlin, Anlage
Fluchtversuch des Kronprinzen in Steinfurt bei der Wilhelmstraße.
Heilbronn; Enthauptung Kattes am 6. Novem­
ber; Generaljudenreglement Friedrich Wilhelms
I.(29.9.); Ansiedlung böhmischer Glaubens­
flüchtlinge in Berlin.

1731 Der Kronprinz wieder in Berlin; Neubesied­ Kronprinz Friedrich Reichsgewerbegesetz


lung des durch die Pest entvölkerten Ostpreußen, schreibt »Über die ge­ hebt Autonomie der
Friedrich Wilhelm I. siedelt über 20 000 Prote­ genwärtige Politik Zünfte auf und stellt
stanten, die aus Salzburg vertrieben wurden, in Preußens«. sie unter Staatsauf­
diesen Gebieten an (bis 1732). sicht.

1733 Polnischer Erbfolgekrieg (bis 1738). Vermählung Friedrichs mit Elisabeth Christine
in Salzdahlum bei Braunschweig; Wohnung des
Kronprinzenpaares in Berlin im Kronprinzenpa­
lais Unter den Linden, Friedrich ist meist allein
in Ruppin; Kantonreglement in Preußen: Dienst­
pflicht der bäuerlichen und handwerklichen Be­
völkerung, nicht der höheren und gebilde­
ten Stände (Rekrutierung von 83 000 Mann aus
2,5 Millionen Einwohnern, Landadel stellt Offi­
ziere).

1734 Entsendung eines preußischen Hilfskorps gegen Kronprinz Friedrich


die Franzosen an den Rhein; Kronprinz Friedrich verfaßt die »Ode an
nimmt am Rheinfeldzug des Prinzen Eugen von den Ruhm«.
Savoyen im Polnischen Erbfolgekrieg teil.

1735 Wiener Präliminarfrieden zwischen Österreich Bau der Berliner Stadtmauer. Bau des Kammerge­
und Frankreich. richts (heute Berlin-
Museum), der Garni­
sonskirche in Pots­
dam (Philipp Gerlach)
und Anlage der neuen
Zoll- und Akzise­
mauer mit Quarré und
Rondell in Berlin.

1736 Hochzeit Maria Theresias von Österreich mit Reise des Königs mit dem Kronprinzen nach Ost­
Herzog Franz Stephan von Lothringen; Krieg preußen; Ankauf der Herrschaft Rheinsberg
zwischen Rußland und der Türkei (bis 1739) durch den Knniii für Friedrich.
1737 Stanislaus Leszczyhski wird Herzog von Lothrin­ Nach Plänen von Kno­ Kronprinz Friedrich
gen (bis 1766); August III. von Sachsen wird als belsdorff Umbau von verfaßt das Gedicht
König von Polen anerkannt; Österreich verliert Schloß Rheinsberg »Ländliches und höfi­
Neapel-Sizilien und erhält dafür Parma mit Pia­ und malerische Aus­ sches Leben«.
cenza. schmückung durch
Antoine Pesne.

1738 Kronprinz Friedrich Gründung der Berli­


tritt der Freimaurerlo­ ner Börse.
ge bei.

1739 Friede von Belgrad mit den Türken; Österreich Letzte Reise des Kronprinzen mit seinem Vater Kronprinz Friedrich
verliert an die Türkei seine Eroberungen von nach Ostpreußen. veröffentlicht seinen
1718. »Antimachiavel« (von
Voltaire veröffent­
licht).

1740 Maria Theresia wird Königin von Ungarn und Regierungsantritt Friedrichs II. (bis 1786); Be­ Mit Regierungsantritt Der Potsdamer Buch­
Erzherzogin von Österreich (bis 1780); Fried­ ginn des ersten Schlesischen Krieges (bis 1742); Friedrichs II. wird händler Ambrosius
rich II. wird König von Preußen (bis 1786). Abschaffung der Folter in Preußen, Verwirkli­ Charlottenburg Resi­ Haude veröffentlicht
chung der religiösen Toleranz; der Orden »Pour denz, bald danach die erste Nummer der
le Mérite« gestiftet; Reise Friedrichs II. nach Hul­ Baubeginn des Neuen »Berlinischen Nach­
digung der Stände in Königsberg über Ansbach, Flügels; Bau des Hol­ richten von Staats­
Bayreuth nach Straßburg, dann nach Wesel und ländischen Viertels in und gelehrten Sa­
Kleve; Zusammentreffen mit Voltaire im Schloß Potsdam (seit 1732 im chen«; das »Journal de
Moyland, danach Voltaire in Rheinsberg; Reform Bau) vollendet. Berlin« von Professor
der Rechtspflege durch Großkanzler von Cocceji Formay erscheint in
(ab 1747-1755); Pockenseuche in Berlin (etwa je­ französischer Sprache.
der 7. Einwohner stirbt daran).

1741 Ausweitung des Schlesischen Krieges zum Öster­ Einzug der Preußen in Breslau; erste Schlacht Jean Baptiste de
reichischen Erbfolgekrieg (bis 1748) mit Eingrei­ und preußischer Sieg bei Mollwitz; Bündnis Boyer, Marquis d’Ar-
fen von Frankreich, Sachsen, Bayern und Spa­ Preußens mit Frankreich; Waffenstillstand mit gens, kommt an den
nien gegen Österreich; Elisabeth neue Zarin in Österreich, Konvention von Klein-Schnellen­ Hof Friedrichs II. (bis
Rußland (bis 1762). dorf; Übergabe von Schweidnitz; König Fried­ 1768); Johann Jo­
rich II. in Berlin (November); Wiederbeginn der achim Quantz tritt als
Feindseligkeiten gegen Österreich (Dezembei). Flötist in den Dienst
Friedrichs II.

1742 Karl VII. Albrecht von Bayern wird römisch-deut­ Vermählung des Prinzen August Wilhelm von Erwerbung der An­ Erste Fassung der Bau des Elbe-Havel-
scher Kaiser (bis 1745). Preußen (geb. 1722) mit Prinzessin Luise Amalie tikensammlung des »Denkwürdigkeiten« Kanals.
von Braunschweig, Schwester der Königin (1722- Kardinals Polignac in von Friedrich IL : »Mé­
1780); Scheitern der Unternehmung gegen Mäh­ Paris für 36000 Taler; moires pour servir à
ren, weil die mit Friedrich II. verbündeten Sach­ Pesne und seine Schu­ l’histoire de la maison
sen versagen; Gefecht bei Löbsch; Rückzug nach le beginnt mit der my­ de Brandenbourg«;
Böhmen; Sieg bei Chotusitz; Friede zu Breslau thologischen Decken­ Einführung der italie­
ohne Beteiligung Frankreichs und Sachsens (Ju- malerei im Schloß nischen Oper in Ber­
ni/Juli); Preußen erwirbt nach dem ersten Schle­ Charlottenburg. lin; Eröffnung des
sischen Krieg Ober- und Niederschlesien mit Opernhauses mit »Cä­
Schwiebus und der Grafschaft Glatz. sar und Cleopatra«
von Johann Gottlieb
Graun.

1743 Im Frieden von Abo erhält Rußland von Schwe­ Errichtung des jüdischen Gemeindelehrhauses Knobelsdorff beendet Voltaire kurz in Berlin;
den Gebiete in Ostfinnland (Karelien). in Berlin. das Königliche Opern­ Einweihung des
haus in Berlin; Opernhauses mit der
Knob elsdorff-Flügel Oper »La Clemenza
des Charlottenburger di Tito« von Johann
Schlosses fertigge­ Adolf Hasse.
stellt; der Maler und
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Kupferstecher Daniel
Chodowiecki kommt
nach Berlin (bis 1801).

1744 Zweiter Schlesischer Krieg beginnt; Prinzessin Nach dem Aussterben des Fürstenhauses Edzard Umbau des Stadt­ Die italienische Tän­ Erneuerung der Aka­ Erste Baumwollmanu­
Sophia von Anhalt-Zerbst kommt nach Moskau, durch Vermittlung von Emden das Nachfolge­ schlosses Potsdam zerin Barbara Campa- demie der Wissen­ faktur in Berlin.
heiratet Peter III. und tritt zum orthodoxen Glau­ recht Preußens von 1694 an Ostfriesland geltend durch G. W. von Kno­ nini, genannt La Bar- schaften mit dem Prä­
ben über (später Katharina IL). gemacht (Preußen hat damit Zugang zur Nord­ belsdorff; Beginn der berina, kommt im Mai sidenten Pierre Louis
see, bis 1805 Ostfriesland bei Preußen, mit Han­ Anlage der Terrassen als erste Solotänzerin Moreau de Mauper-
nover 1866 wieder an Preußen bis 1933); zweiter in Sanssouci. nach Berlin (bis 1748). tuis (1741 von Fried­
Schlesischer Krieg (bis 1745). rich II. nach Berlin be­
rufen, bis 1756).

1745 Frieden zu Dresden; Franz Stephan wird in Gefecht von Jägerndorf (22.5.), Sieg Friedrichs Bau des Schlosses Friedrich II. verfaßt
Frankfurt als Franz I. (bis 1765) zum Kaiser ge­ bei Hohenfriedberg (4.6.), Sieg bei Soor (30.9.), Sanssouci nach eige­ den »Fürstenspiegel«
krönt, Maria Theresia wird Kaiserin; Moritz Graf Gefecht bei Klein-Hennersdorf; Entsatz des be­ ner Skizze von Fried­ für den in Berlin erzo­
von Sachsen (1696-1750) wird Oberbefehlshaber drohten Berlin (November), Sieg des Fürsten rich II. (bis 1747); genen Herzog Karl Eu­
der französischen Armee; Schlacht von Fonte- Leopold von Anhalt, des »Alten Dessauers« Zerwürfnis Friedrichs gen von Württemberg.
noy. (1676-1747), bei Kesselsdorf (15.12.); Frieden zu mit Knobelsdorff; Ent­
Dresden zwischen König Friedrich, Maria The­ stehen der »Zelten« im
resia und August III. von Sachsen-Polen (24.12.). Berliner Tiergarten.

1746 Errichtung eines Departements für die Militär­ Fertigstellung der Gol­ Zweite Fassung von Gedenkrede Fried­
verwaltung, Ausarbeitung militärischer Füh­ denen Galerie und Friedrich IL »Mémoi­ richs II. auf Jordan,
rungsgrundsätze und Militärgerichtsbarkeit bis der dahinter gelege­ res pour servir à l’hi­ verlesen in der Akade­
1763. nen zweiten Wohnung stoire de la maison de mie der Wissenschaf­
Friedrichs des Großen Brandenbourg« (bis ten.
in Schloß Charlotten­ 1748).
burg (bis 1747).

1747 Einweihung von Johann Sebastian Gründung der »Oeko-


Schloß Sanssouci; Bach bei König Fried­ nomisch-mathemati-
Baubeginn der katho­ rich IL im Stadtschloß schen Realschule« in
lischen Hedwigskir- Potsdam. Berlin durch Johann
che in Berlin (bis 1773) Julius Hecker (ein
auf Veranlassung von Schüler Franckes).
Friedrich II.

1748 Friede zu Aachen; Ende des Österreichischen Friedrich II. verfaßt »die Generalprinzipien des Jean Baptiste Pigalle Gotthold Ephraim Erste Seidenmanufak­
Erbfolgekrieges. Krieges«; Vermählung Herzog Karl Eugens von fertigt französische Lessing in Berlin (mit tur in Berlin.
Württemberg mit Prinzessin Friederike von Rokoko-Plastiken für Unterbrechungen bis
Brandenburg-Bayreuth, Tochter Wilhelmines den Schloßpark von 1767); Erstdruck von
(1732-1780). Sanssouci. Klopstocks »Messias«
in »Neue Beyträge
zum Vergnügen des
Verstandes und Wit­
zes«.

1749 Von Ewald von Kleist Mit Genehmigung der Splitgerbers Zucker­
erscheint »Der Früh- Akademie der Wissen- siederei in Neukölln
Tmg«73er französische schatten zu Berlin er- am Wasser eingench-
Philosoph Lamettrie scheint der von Isaak tet.
kommt an den Hof zu Bruckner d. Ä. (1686-
Potsdam; Friedrich II. 1762) gestochene
verfaßt das komische »Nouvel Atlas de Ma­
Heldengedicht »Das rine«, der erste deut­
Palladion«. sche »Seeatlas«.

1750 Revidiertes Generaljudenreglement (17.4.) in Knobelsdorff baut das Voltaire lebt in Berlin Maupertuis veröffent­
Preußen unterstreicht das Reglement von 1730 Stadtpalais in Pots­ und Potsdam als Gast licht sein »Essai de
und teilt die Juden in die Klasse der ordentlichen dam; Ausbau des von des preußischen Kö­ cosmologie«.
(mit Recht, ihr Privileg auf ihre Kinder zu über­ Friedrich II. angekauf­ nigs (bis 1753); Fried­
tragen) und außerordentlichen Schutzjuden (Pri­ ten Palais Spätgen in rich II. verfaßt die Vor­
vileg erlischt mit Tod). Breslau zum königli­ rede zu den »Oeuvres
chen Schloß (bis du Philosophe de Sans
1752). Souci«.

1751 Gründung der Berli­ Die »Berlinische privi­ Gründung der »Kö­
ner Porzellanmanu­ legierte Zeitung« geht niglich-Preußischen
faktur durch Kaspar auf Rüdigers Schwie­ Asiatischen Compag­
Wegely (ab 1763 Kö­ gersohn, den Buch­ nie in Emden nach
nigliche Porzellan- händler Christian Kanton und China«
Manufaktur, KPM). Friedrich Voss, über; (Teeimport aus
Lessing arbeitet mit an China).
der »Berlinischen«
(später »Vossische
Zeitung«).

1752 Friedrich II. verfaßt sein persönliches und sein Johann Boumann Friedrich II. schreibt
erstes politisches Testament; Vermählung des baut in Potsdam die »Politisches Testa­
Prinzen Heinrich von Preußen mit der Prinzessin Französische Kirche ment« und »Oeuvres
Wilhelmine von Hessen-Kassel. und das Rathaus. du Philosophie de
Sans Souci«.

1754 Verlesung der Ge­ An der Universität


denkrede Friedrichs Halle promoviert als
II. auf Knobelsdorflf erste Frau in Deutsch­
(1753 gest.) in der land Dorothea Chri­
Akademie der Wissen­ stine Exleben zum
schaften. Doktor der Medizin.

1755 See- und Landkrieg zwischen England und Friedrich II. verfaßt die »Gedanken und allge­ J. G. Büring baut im Lessing veröffentlicht
Frankreich (bis 1763). meinen Regeln für den Krieg«; Reise des Königs Park von Schloß Sans­ »Miss Sara Simpson«
nach Holland, Friedrich gibt sich als Kapellmei­ souci die Bildergale­ in den »Schriften«;
ster des Königs von Polen aus; Begegnung mit rie. Immanuel Kant veröf­
Henri de Catt (kommt 1758 als Privatsekretär fentlicht seine »Allge­
Friedrichs nach Potsdam, fällt 1780 in Ungnade). meine Naturgeschich­
te und Theorie des
Himmels«; von Fried­
rich Nicolai erscheint
»Briefe über den itzi-
gen Zustand der schö­
nen Wissenschaften in
Deutschland«.

1756 Beginn des Siebenjährigen Krieges (bis 1763); Letzte Reise Friedrichs II. nach Ostpreußen; Moses Mendelssohn In Berlin und Potsdam
Neutralitätsabkommen Preußens mit England; Prinzessin Amalie von Preußen (1723-1787) wird propagiert die Eman­ sind ca. 4000 Personen
Vertrag von Versailles zwischen Frankreich und Äbtissin von Quedlinburg; Beginn des Sieben­ zipation der Juden in in der Seidenindustrie
Österreich, dem sich Rußland anschließt. jährigen Krieges, preußisch-englisches Neutrali­ Preußen. tätig.
tätsabkommen zu Westminster.
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1757 Kriegserklärung der deutschen Fürsten an Preu­ Sieg Friedrichs über die Österreicher bei Prag
ßen (17.1.). (6.5.); Tod von Feldmarschall Schwerin (geb.
1684) und dem österreichischen Feldmarschall
Maximilian Ulisses von Browne; schwere Nie­
derlage Friedrichs bei Kolin (18.6.), Rückzug aus
Böhmen; Rückzug der Armee des Prinzen Au­
gust Wilhelm nach Verlust von Gabel und der
Magazine bei Zittau; Aufgabe der Provinz bis
zum Ende des Krieges; Einsatz der Armee gegen
die Schweden in Pommern; Sieg Friedrichs über
Franzosen und Reichstruppen unter Prinz Sou­
bise bei Roßbach in Thüringen (5.11.); Sieg
Friedrichs über die Österreicher bei Leuthen
(28.11.).

1758 Subsidienvertrag Englands mit Preußen; Feld­ Berlin erwirbt die


zug Friedrichs in Mähren; Aufgabe der Belage­ Markgräflich Ans-
rung von Olmütz; Sieg Friedrichs über die Rus­ bachsche Gemmen­
sen bei Zomdorf (Küstrin), Rettung Berlins sammlung.
(25.8.); Tod der Markgräfin Wilhelmine von
Brandenburg-Bayreuth, der Lieblingsschwester
Friedrichs; Überfall auf die Armee Friedrichs
durch die Österreicher unter Prinz Karl von
Lothringen bei Hochkirch.

1759 Sieg des Herzogs Ferdinand von Braunschweig Lessings »Fabeln« er­
(1721-1792) über die Franzosen bei Minden; scheinen; Friedrich
Friedrichs vernichtende Niederlage durch Öster­ Nicolai und Moses
reicher (unter Daun) und Russen (unter Salty­ Mendelssohn gründen
kow) bei Kunersdorf (12.8.), Friedrich legt für in Berlin die »Briefe
drei Tage den Oberbefehl nieder, mangels ener­ die Neueste Literatur
gischem Vorgehen wird die Kurmark (und Berlin) betreffend« (Heraus­
nicht besetzt; die Österreicher in Dresden. geber: G. H. Lessing);
die »Briefe« erschei­
nen bis 1765.

1760 Sieg Friedrichs über die Österreicher bei Liegnitz Plünderung des Berli­ Friedrich II. schreibt
(15.8.); Besetzung Berlins durch Österreicher, ner Schlosses im Sie­ »Ode an die Deut­
Russen und Sachsen; Sieg Friedrichs über die benjährigen Krieg schen«; von Gottfried
Österreicher bei Torgau (3.11.). durch russische und Lengnich erscheint
österreichische Trup­ »Jus publicum Civita­
pen. tis Gedanensis«.

1761 Georg III. wird König von England (bis 1820) und Freundschafts- und Handelsvertrag Preußens Friedrich II. verfaßt
König von Hannover; England erobert Kanada. mit der Türkei; die Armee Friedrichs bezieht das »Rede Catos von Utica
befestigte Lager bei Bunzelwitz; Eroberung der an seine Freunde und
Festung Schweidnitz durch die Österreicher. seinen Sohn, bevor er
sich den Tod gab«.
1762 Katharina II. wird Zarin von Rußland (bis 1796) Friede zu Hamburg zwischen Preußen und
und ruft die russischen Truonen aus Deutschland Sçhweden; Sieg Friedrichs über die Österreicher
zuruck; Friedenspräliminarien zwischen Eng­ bei Burkersdorf (21.7.); Wiedereroberung der
land und Frankreich in Fontainebleau. Festung Schweidnitz durch die Preußen; Sieg des
Prinzen Heinrich von Preußen (1726-1802) über
die Österreicher bei Freiberg in Sachsen (29.10.);
Ostpreußen kommt an den König von Preußen
zurück.

1763 Mit dem Tod des Kurfürsten August III. endet die Im Frieden zu Hubertusburg nach Ende des Friedrich II. beendet Johann Julius Hecker
Personalunion zwischen Sachsen und Polen; zweiten Schlesischen Krieges wird für Preußen »Die Geschichte des arbeitet im Auftrag
Friede zu Paris zwischen England und Frank­ der Erwerb von Schlesien (1742) bestätigt (Öster- siebenjährigen Krie­ Friedrichs II. das »Ge­
reich. reichisch-Schlesien umfaßt nur noch Teschen, ges«. neral Landschulregle­
Oderberg, das südliche Troppau sowie Jägem- ment« aus (12. 8.), es
dorf und Neiße). bringt Schulpflicht
vom 5. bis 13. Lebens­
jahr.

1764 Joseph II. wird römisch-deutscher König (1765 Bündnis Preußens mit Rußland gegen Polen; Johann Joachim Münzgesetz und Ver­
Kaiser); Stanislaus IL Poniatowski, von Rußland Münzgesetz und Verbot des »Bauernlegens« in Winckelmann veröf­ bot des »Bauernle­
und Preußen gestützt, wird König von Polen (bis Preußen. fentlicht »Neue Nach­ gens« in Preußen;
1795); Mord an Iwan VI. in Schlüsselburg. richten von den neue­ Gründung von Land­
sten herkulanischen schaftsbanken und der
Entdeckungen« und Bank in Berlin.
»Geschichte der Kunst
des Altertums«.

1766 Nach dem Tod von Leszczynski Vereinigung des Johann Boumann voll­ Lessing vollendet sei­ Einführung der öffent­
Herzogtums Lothringen mit Frankreich. endet das Palais für nen »Laokoon«; Les­ lichen Regie (für Salz,
den Prinzen Heinrich sings »Minna von Kaffee) in Preußen;
(später Friedrich-Wil­ Bamhelm oder das später Errichtung von
helm-Universität,nach Soldatenglück« veröf­ Monopolen, beson­
1945 Humboldt-Uni­ fentlicht; Moses Men­ ders für Kaffee und
versität). delssohn veröffent­ Tabak.
licht »Phädon oder
Über die Unsterblich­
keit der Seele«.

1767 Russen besetzen Warschau, polnischer Reichstag Beginn einer langfristig geplanten Heeresver- Für das Breslauer
beugt sich Katharina 11.(1768). größerung in Preußen (1789 hat das Heer eine Stadtschloß entsteht
Stärke von 190000 Mann). das schönste Rokoko­
service mit Antikzierat
und blauen Schuppen
(KPM).

1768 Friedrich II. verfaßt sein zweites politisches Te­


stament; das Schutzgeld, das auf der gesamten
Judenheit in Preußen ruht, wird auf 25 000 Taler
erhöht (großer Teil von der Berliner Judenschaft
aufgebracht).

1769 Friedrichs letztes persönliches Testament; Kaiser Friedrich II. schreibt Friedrichs II. Schrift Bergordnung Fried­
Joseph II. besucht Friedrich II. in Neiße (Au­ neues »Politisches »Über die Erziehung« richs II. legt den
gust). Testament«. abgeschlossen. Grund zur Verbesse­
rung von Verkehr und
Industrie.

1770 Hochzeit Ludwigs XVI. von Frankreich (ab 1774) Karl Gontard und Lessing geht als Bi­
mit Marie-Antoinette von Österreich. Georg Christian Un­ bliothekar an die her­
ger bauen das Bran­ zogliche Bibliothek
denburger Tor in Pots­ nach Wolfenbüttel
dam; Gontard vollen- (bis zu seinem Tod
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

det den Antikentem­ 1781); Immanuel Kant


pel in Sanssouci. wird Professor in Kö­
nigsberg.

1772 Erste polnische Teilung: an Österreich kommt Bei der ersten polnischen Teilung erhält Preußen Dichtervereinigung Dieudonne Thiébault Durchstechung des
Südpolen zwischen Wolhynien und den Karpa­ im Vertrag von Petersburg (25.7.-5.8.) Pommerel­ »Göttinger Hain­ (von 1765 bis 1784 Li­ Hauptabzugskanals
ten, an Rußland fällt »Weißrußland« (Ostpolen len (ohne Danzig), Kulmerland (ohne Thorn), bund« (bis 1774), An­ teraturprofessor an der zur Urbarmachung
bis zur Drina und zum Dnjepr); Staatsstreich Marienburger und Eibinger Gebiet (bereits seit hänger von Klopstock; Adelsakademie »Aca­ der Warthebrüche
Gustavs III. Adolf (1771-1792) in Schweden ge­ 1704 in Pfandbesitz) und das Bistum Ermland Johann Karl Philipp démie des Nobles« in (vorher und nacher
gen ständische Parteien zur Stärkung der königli­ (alle Gebiete gehörten früher zum Ordensstaat); Spener übernimmt die Berlin, in Ungnaden Urbarmachung von
chen Macht. hinzu kommen für Preußen Teile von Posen, Haudesche Zeitung entlassen) verliest in Oder- und Netze­
Gnesen und Inowrazlaw. (s. 1740). der Akademie der bruch, Bau des
Wissenschaften die Plauenschen, des Fi­
Abhandlung des Kö­ now- und des Brom­
nigs »Über den Nut­ bergerkanals); Grün­
zen der Wissenschaf­ dung der Preußischen
ten und Künste«. Seehandlung in Ber­
lin.

1773 Durch Kabinettsorder werden die neuerworbe­ Vollendung des Baues Lessings »Emilia Ga-
nen Gebiete als »Westpreußen« benannt, für die der St.-Hedwigs-Ka­ lotti« vollendet.
Gebiete wurde (mit Ausnahme des Ermlandes) thedrale in Berlin
die Kriegs- und Domänenkammer Marienwerder durch Johann Bou-
als Verwaltungsorgan eingerichtet; Königsberg mann (begonnen
und Gumbinnen werden zu »Ostpreußen« zu­ 1747); Chodowiecki
sammengefaßt. fertigt auf einer Reise
nach Danzig über 100
getuschte Federzeich­
nungen.

1774 Ludwig XVI. wird König von Frankreich (bis Baubeginn der König­ In Berlin wird die Ver­
1792). lichen Bibliothek in ordnung erlassen:
Berlin. »Königliche Preußi­
sche Wasser- und
Uferordnung für den
Rheinstrom in dem
Herzogthume Cleve
und dem Fürstenthu-
me Meurs« (2.12.).

1775 Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg gegen Ostpreußen zählt 837357 Einwohner. Friedrich II. beendet
England (bis 1783); Friedrich II. kommentiert die Umarbeitung sei­
ihn: »Es ist gewiß, daß beinah ganz Europa für nes Werkes »Ge­
die Kolonien Partei ergreift und ihre Sache ver­ schichte meiner Zeit«.
teidigt.«

1776 Erklärung der Unabhängigkeit der 13 Vereinigten Besuch d&s Prinzen Heinrich von Preußen, Bru­ Friedrich II. verfaßt
Staaten von Nordamerika; Erklärung der Men­ der Friedrichs II., in Petersburg; Besuch des »Abriß der Preußi­
schenrechte. Großfürsten Paul von Rußland in Berlin. schen Regierung und
der Grund <wit7e auf
denen sie beruht,
etc.«.

1778 Bayerischer Erbfolgekrieg zwischen Österreich David Friedlaender (1750-1834) gründete mit Friedrichs Briefe
einerseits, Preußen, Bayern und Sachsen ande­ Isaak Daniel Itzig (1750-1806) in Berlin die »Über die Vaterlands­
rerseits (bis 1779); Preußen verhindert die Anne­ erste moderne jüdische Schule (Berliner Frei­ liebe«; Gedächtnisre­
xion Bayerns durch Österreich; Bündnis Frank­ schule). de Friedrichs II. auf
reichs mit den Vereinigten Staaten von Nord­ Voltaire (1694-1778),
amerika. verlesen in der Akade­
mie der Wissenschaf­
ten.

1779 Friede zu Teschen (13.5.): Bayern bleibt unab­ Lessings »Nathan der
hängig, verliert aber das »Innviertel« an Öster­ Weise« erscheint.
reich.

1780 Tod der Kaiserin-Witwe Maria Theresia; Joseph Nach Erlöschen der gräflichen Linie in Mansfeld Vollendung der Kö­ Friedrich II. schreibt Franz Karl Achard be­
II. Herrscher in Österreich (bis 1790); Krieg Eng­ wird der Rest des Kreises zwischen Preußen und nigkolonnaden (ab »De la littérature alle­ treibt Herstellung von
lands mit den Niederlanden; gemeinsame »Er­ Kursachsen aufgeteilt; Friedrich II. maßregelt 1777) nach Plänen von mande«; von Lessing Rübenzucker in Ber­
klärung bewaffneter Neutralität« von Rußland, preußische Richter zugunsten des Müllers Ar­ Carl von Gontard erscheint »Die Erzie­ lin.
Preußen, Österreich, Portugal, Dänemark und nold; jüdische Aufklärer gründen in Breslau die durch Georg Friedrich hung des Menschen­
Schweden, um neutrale Schiffahrt im englisch­ »Gesellschaft der Brüder«. Boumann d. J. in Ber­ geschlechtes«.
amerikanischen Krieg zu schützen (erneuert lin-Schöneberg.
1800).

1781 Reformen Josephs II. : Abschaffung von Leibei­ Erneuerung des preußischen Bündnisses (von Immanuel Kants »Kri­
genschaften und Folter in Österreich-Ungarn, 1764) mit Rußland; neue preußische Prozeßord­ tik der reinen Ver­
Religionsfreiheit. nung eingeführt. nunft« erscheint.

1783 Friede zu Paris: England anerkennt die Unab­ Letzte Instruktion des Königs für sein Heer (für Von Friedrich Nicolai
hängigkeit der nordamerikanischen Staaten; leichte Infanterieregimenter, seit 1763 die 8. In­ erscheint »Beschrei­
G. A Potemkin (1739-1791) erobert die Halbinsel struktion, abgesehen von anderen militärischen bung einer Reise
Krim für Rußland. Schriften). durch Deutschland
und die Schweiz im
Jahre 1781«.

1784 Veröffentlichung des 1.Teiles des Allgemeinen Letztes Rokokoservice Immanuel Kant ver­
Preußischen Landrechts (2.Abt. März 1785), der KPM: Hellblaues faßt »Was ist Aufklä­
Bearbeiter ist Großkanzler von Carmer (1720- Tafelservice (bleu mo- rung?«
1801). rant - »blümerant«).

1785 Gründung des »Deutschen Fürstenbundes« zur Schloß Bellevue in Handelsvertrag zwi­
Abwehr österreichischer Vergrößerungspläne Berlin von Philipp Da­ schen Preußen und
(bzw. Ländertausches im Deutschen Reiche). niel Boumann erbaut. den Vereinigten Staa­
ten von Nordamerika.
1786 Tod Friedrichs II. in Sanssouci (17.8.), Nachfol­ Beginn der Ausstel­ Gottfried August Bür­
ger wird sein Neffe, König Friedrich Wilhelm II. lungen in der Akade­ ger veröffentlicht
in Preußen (bis 1797); Berlin hat 147 000 Einwoh­ mie der Künste. »Wunderbare Reisen
ner; Preußen besteht aus dem Kurfürstentum des Freiherrn von
Brandenburg, den Herzogtümern Schlesien und Münchhausen«;
Vorpommern, den Provinzen Ostpreußen, der Gründung des Berli­
1772 von Polen abgetrennten Provinz Westpreu­ ner National-Thea­
ßen und den Enklaven in Westdeutschland (mit ters.
Ostfriesland, Münster, Essen).

1787 Zweiter russisch-türkischer Krieg (bis 1792). Luigi Boccherini Einrichtung des Abi- Martin Klaproth ent­
wird »Hofkomposi- turienten-Examens deckt in Berlin das
teur« von Friedrich und des Oberschulkol­ Uran.
bi Wilhelm II. legiums in Preußen.
oo Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

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Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1788 Französische Regierung erklärt sich bankrott; Der preußische Justizminister Johann Christoph Georg Christian Un­ Presse-Zensur-Edikt
Dreibund Preußen, Großbritannien und Hol­ von Wöllner (1732-1800) und Staatsminister Jo­ ger baut das Rosentha- des Staatsministers Jo­
land; antihabsburgische Verschwörung in Un­ hann Rudolf von Bischoffwerder (1741-1803) 1er Tor, Gontard das hann Christoph von
garn. veranlassen ihr antiaufklärerisches »Edikt, die Oranienburger Tor, Wöllner; Immanuel
Religionsverfassung in den preußischen Staaten Langhans die Herku­ Kant verfaßt »Kritik
betreffend« (9.7.). lesbrücke; David Gilly der praktischen Ver­
kommt nach Berlin. nunft«.

1789 Beginn der Französischen Revolution; Georg Unger baut das Ham­
Washington (1732-1799) erster US-Präsident; burger Tor in Berlin.
Alexander W. Suworow (1729-1799) schlägt die
Türken bei Rimnik.

1790 Leopold 11. wird Kaiserin Wien (bis 1792);schwe- Freiherr Leopold von Schrötter wird Oberpräsi­ Gontard baut das Mar­ Immanuel Kant veröf­ Karl Philipp Moritz
discher Seesieg über Rußland; Bündnis zwischen dent und Minister in Ostpreußen (bis 1806). morpalais in Potsdam; fentlicht »Kritik der veröffentlicht seine
Preußen und der Türkei gegen Rußland. Bau der Kleinen Oran­ Urteilskraft«, Karl Phi­ »Götterlehre« (My­
gerie in Schloß Char­ lipp Moritz den Ro­ thologie der Antike).
lottenburg; J. G. Scha- man »Anton Reiser«.
dow beendet sein
Grabmal des Grafen
von der Mark.

1791 Gefangennahme König Ludwigs XVI. nach sei­ Minister von Hardenberg (1750-1822) beginnt Carl Gotthard Lang­ Johann Gottfried Her­ Erste Handelsschule
ner Flucht; Auflösung der französischen Natio­ mit der Reform der Verwaltung in Preußen; das hans vollendet nach der veröffentlicht in Berlin; Provinzial-
nalversammlung; Frankreich wird konstitutio­ Gebiet der fränkischen Hohenzollem, Ansbach dem Vorbild der Pro­ »Ideen zur Philoso­ Kunstschule in Bres­
nelle Monarchie. und Bayreuth, kommt zu Preußen zurück; Dekla­ pyläen in Athen das phie der Geschichte lau gegründet; Grün­
ration von Pilnitz gegen die Französische Revo­ Brandenburger Tor in der Menschheit«; dung der jüdischen
lution; Daniel Itzig erwirbt als erster Jude das Berlin (heute noch das Gründung der Berli­ »Königlichen Wil-
Berliner Bürgerrecht. einzige von ursprüng­ ner Singakademie helmsschule« in Bres­
lich 14 existierenden durch Carl Friedrich lau.
Berliner Stadttoren). Fasch.

1792 Militärbündnis Österreichs und Preußens gegen Erster Koalitionskrieg mit Preußen gegen Frank­ Johann Gottfried Von Philipp Karl Butt­ Anlage der ersten
Frankreich; Franz II. wird in Wien deutscher Kai­ reich (bis 1797). Schadow schafft die mann erscheint »Kurz­ Chaussee Berlin-Pots­
ser (bis 1806); Kanonade von Valmy nach Ein­ Skulpturen für die gefaßte Griechische dam.
dringen österreichischer und preußischer Trup­ Herkules-Brücke in Grammatik«.
pen in Frankreich; Septembermorde in Paris, Berlin.
Frankreich wird Republik.

1793 Hinrichtung Ludwigs XVI. und Marie-Antoinet- In der zweiten und dritten polnischen Teilung Einweihung des Stetti­ Johann Gottlieb Fich­ Wilhelm von Hum­
tes in Paris; Schreckensherrschaft des Wohl­ (1795) kommen Südpreußen und Neu-Ostpreu­ ner Friedrich II.-Denk­ te schreibt »Beitrag boldt vollendet das
fahrtsausschusses in Frankreich; zweite Teilung ßen (mit polnischem und litauischem Volkstum) mals von Schadow zur Berichtigung der Manuskript »Über das
Polens: ostpolnisches Gebiet mit Wilna und zu Preußen; Danzig und Thom kommen zu (10.10.;heute im Char­ Urteile des Publikums Studium des Alter-
Minsk an Rußland, Restpolen wird russisches Westpreußen; das Gebiet Schwerin an der War­ lottenburger Schloß); über die französische thums, und des Grie­
Protektorat; England, Niederlande und Spanien the kommt zu Preußen, ebenso Posen. Schadow vollendet die Revolution«; Herder chischen insbesonde­
unterstützen Österreich und Preußen gegen Quadriga für das Bran­ veröffentlicht »Briefe re«; der Schulrektor
Frankreich. denburger Tor in Ber­ zur Beförderung der und Botaniker Chri­
lin. Humanität«; Kant stian Conrad Sprengel
schreibt »Religion in- in Sinandan entdeckt
nerhalb der Grenze die TnsêEïenbestau-
der bloßen Vernunft«. bung (Begründung der
Blütenökologie).

1794 Danton, Desmoulins, schließlich Robespierre Das Preußische Allgemeine Landrecht, abge­ Fichte schreibt»Grund-
und Saint-Just in Paris guillotiniert; Napoleon schlossen von Carl Gottlieb Svarez (1746-1798), lage der gesamtenWis-
Bonaparte (1769-1821) zwingt Sardinien, Öster­ tritt in Kraft. senschaftslehre«;Kon-
reich und Neapel in Italien zum Ausscheiden flikt Kants mit der
aus der Ersten Koalition gegen Frankreich. preußischen Zensur­
hörde.

1795 Niederschlagung des royalistischen Aufstandes Im Vorfrieden zu Basel muß Preußen auf die Schadow vollendet Kant verfaßt »Zum Friedrich August Wolf Staatsmonopol für
in der Vendée, Endphase der Französischen linksrheinischen Gebiete Geldern, Kleve und seine klassizistische ewigen Frieden«, Jean begründet mit »Prole­ Salz in Preußen; Son­
Revolution unter dem Direktorium; dritte Tei­ Moers zugunsten Frankreichs verzichten; dritte Marmorgruppe von Paul veröffentlicht gomena ad Home- derrechte des Adels.
lung Polens: Rußland nimmt Kurland, Litauen polnische Teilung (s. 1793 bzw. 1803). den Prinzessinnen »Hesperus«; Friedrich rum« die neuzeitliche
und Westpodolien und Wolhynien, Österreich Luise und Friederike Schlegel schreibt Homer-Forschung.
nimmt »Kleinpolen« mit Krakau und Lublin. von Preußen. »Über das Studium
der griechischen Poe­
sie«.

1796 Feldzug Napoleons in Italien, er vertreibt die Nach Ausschreiben J. H. Wackenroder ver­
Engländer aus Korsika; Bündnis Spaniens mit zweier Wettbewerbe öffentlicht seine »Her­
Frankreich. für ein Denkmal zensergießungen ei­
Friedrichs des Großen nes kunstliebenden
vollenden Heinrich Klosterbruders«; Lud­
Gentz und Friedrich wig Tieck schreibt
Gilly ihre Entwürfe. »William Lovell«;
Fichte verfaßt »Grund­
lage des Naturrechts
und Prinzipien der
Wissenschaftslehre«;
August Wilhelm Iff-
land wird Direktor
des Berliner National-
Theaters (bis 1814).

1797 Napoleon gründet Zisalpinische Republik (Mai­ Regierungsantritt von König Friedrich Wil­ Schloß Pfaueninsel als Friedrich Wilhelm
land, Modena, Reggio Emilia, Bologna und ein helm III. (bis 1840). eine Art Theaterarchi­ Schelling verfaßt
Stück der Schweiz); Rom wird römische Repu­ tektur von Johann »Ideen zu einer Philo­
blik unter französischer Oberhoheit (Papst Pius Gottlieb Brendel für sophie der Natur«;
VI., 1775-1799, gefangen); Friede zu Campofor- die Gräfin Lichtenau Schlegel beginnt mit
mio zwischen Frankreich und Österreich. (Geliebte Friedrich seinen Shakespeare-
Wilhelms II.) errichtet Übersetzungen.
(ab 1794).

1798 Krieg der Koalition England, Österreich, Ruß­ Bau der Jungfembrük- Die Zeitschrift »Athe­
land, Türkei, Neapel, Kirchenstaat gegen Frank­ ke über die Friedrichs- näum« wird von Fried­
reich (bis 1801); Napoleons Feldzug in Ägypten; gracht in Berlin. rich und August Wil­
Admiral Horatio Nelsons (1758-1805) Seesieg helm Schlegel heraus­
über die Franzosen bei Abukir. gegeben (bis 1800).

1799 Zweite Koalition gegen Frankreich mit Öster­ Preußen bleibt im Zweiten Koalitionskrieg (bis Gründung der Bau­ Von Schlegel erscheint Alexander von Hum­ Erste Dampfmaschine
reich, Rußland, Türkei, Neapel, Portugal und 1802) gegen Frankreich neutral. akademie in Berlin; »Lucinde«, von Nova­ boldt unternimmt sei­ in Berlin.
England; Rußland scheidet wieder aus; Napole­ Michael Conrad Hirt lis »Die Christenheit ne große Forschungs­
ons Staatsstreich, er wird Erster Konsul. wird Lehrer an der oder Europa«, von reise nach Mittelame­
Bauakademie. Wackenroder/Tieck rika und Südamerika
»Phantasien über die (bis 1804, mit A. Bon-
Kunst«; Schleierma­ pland); »Griechische
cher veröffentlicht Tracht« in der Frauen­
io »Reden über die Reli- mode Berlins.
O Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

gion«; Schelling
schreibt »Erster Ent­
wurf eines Systems der
Naturphilosophie«.

1800 Napoleons Sieg bei Marengo; Niederlage Öster­ Beginn der Provinzialverwaltungsreform. C. D. Friedrich malt Schleiermacher veröf­ Briefpost in Berlin ein­
reichs bei Hohenlinden und Waffenstillstand »Felsentor im Utte- fentlicht »Monologe«, geführt.
zwischen Napoleon und Österreich; England an­ walder Grund«. Novalis »Hymnen an
nektiert Malta. die Nacht«.

1801 Friede zu Lunéville zwischen Österreich und C. D. Friedrich wirkt August Wilhelm Franz Karl Achard
Frankreich; Begründung der Schweizerischen in Greifswald und auf Schlegel hält seine eröffnet in Berlin die
Konföderation (unter Napoleon); Zar Alexander Rügen (bis 1808). »Vorlesungen über erste Zuckerrübenfa­
I. (bis 1825) schließt mit England Bündnis gegen schöne Literatur und brik.
Napoleon; Georgien kommt von Persien an Ruß­ Kunst« (bis 1804).
land.

1802 Napoleon Bonaparte Konsul auf Lebenszeit; Wilhelm von Humboldt wird preußischer Ge­ Langhans baut das Novalis veröffentlicht
Friede zu Amiens zwischen England und Frank­ sandter in Rom (bis 1808). Schauspielhaus am »Heinrich von Ofter­
reich. Gendarmenmarkt; dingen«, Schelling
Schadow entwirft ein »Bruno«; Kleist be­
Münzfries (nach Ent­ ginnt mit der Arbeit
würfen von H. Gentz); am »Robert Guiskard«
Rongs »Apollina pour (1803 wieder ver­
les Dames« auf der brannt) und »Der zer­
Akademie-Ausstel­ brochene Krug« (voll­
lung in Berlin vorge­ endet 1806, Urauffüh­
stellt. rung 1808 durch Goe­
the in Weimar).

1803 Reichsdeputations-Hauptschluß: Entschädigung Im Reichsdeputationshauptschluß (25.2.) wer­ Heinrich Gentz veröf­ Jean Paul beendet »Ti­
der deutschen Fürsten für linksrheinische Ge­ den die Gebietsverluste vom Vertrag von Basel fentlicht »Elementar- tan«; Theaterdirektor
bietsverluste; Seekrieg zwischen England und (1795) bestätigt; als Entschädigung erhält Preu­ Zeichenwerk« (bis Iffland (seit 1796 am
Frankreich (bis 1814); Rußland annektiert Alas­ ßen die Bistümer Hildesheim und Paderborn, 1806); Schinkels erste National-Theater in
ka. Erfurt und Untergleichen, alle mainzischen Be­ Italienreise (bis 1805). Berlin) fordert Verbot
sitzungen in Thüringen, das Eichsfeld, die Abtei­ von Theaterkritiken in
en Herford, Quedlinburg, Elten, Essen, Werden den Zeitungen, Au­
und Cappenberg, die Reichsstädte Mühlhausen gust von Kotzebue gibt
in Thüringen, Nordhausen, Goslar und einen den »Freimütigen«
Teil des Bistums Münster (Westfalen) mit der heraus (bis 1806).
Stadt.

1804 Napoleon krönt sich zum Kaiser von Frankreich Karl August Fürst von Hardenberg wird preu­ David Gilly baut in Friedrich Daniel Emst Königliche Eisengie­
(in Gegenwart von Papst Pius VII.); Krieg Eng­ ßischer Außenminister (bis 1806): Freiherr Berlin-Steglitz das Schleiermacher veröf­ ßerei in Berlin begrün­
land-Spanien; Kaiser Franz II. als Franz I. auch v. u. z. Stein in der preußischen Regierung Schloß Steglitz (mit fentlicht den 1. Teil der det; Alexander von
Kaiser von Österreich (bis 1835). (bis 1808). Heinrich Gentz) für Platon-Übersetzung; Humboldt bringt die
den Kabinettsrat Karl Clemens Brentano Dahlie nach Berlin.
Friedrich von Beyme; verfaßt »Ponce de
das etruskische Kabi- Leon«.
Potsdamer
Stadtschloß eingerich­
tet.

1805 Rußlands Bündnis mit Schweden und England; Preußen muß im Frieden zu Preßburg (26.12.) Karl Friedrich Schin­ Kleist beginnt mit der Von Alexander von
Dritte Koalition gegen Frankreich mit Öster­ Napoleons Bedingungen akzeptieren: das Für­ kel kehrt aus Italien Arbeit am »Michael Humboldt erscheint
reich, England, Rußland, Schweden und Preu­ stentum Ansbach mit Bayreuth geht an Bayern, über Paris nach Berlin Kohlhaas« (vollendet der erste Band von
ßen; Napoleon siegt bei Austerlitz über Russen der linksrheinische Teil des Herzogtums Kleve zurück. 1810); Arnim/Brenta- »Voyage aux régions
und Österreicher; Napoleon in Wien; Nelsons sowie das Fürstentum Neufchätel geht an Frank­ no veröffentlichen équinoxiales du Nou­
Seesieg bei Trafalgar über Franzosen und Spa­ reich; für die Verluste wurde Preußen wider­ »Des Knaben Wun- veaux Continent« (36
nier; Friede von Schönbrunn zwingt Preußen zur strebend das Kurfürstentum Hannover zudik­ derhom«; von Zacha­ Bde., bis 1834).
Auflösung seiner Armee. tiert, das Napoleon den Engländer entrissen hat­ rias Werner erscheint
te; weitere Gewaltmaßnahmen Napoleons waren das Drama »Das
die Inbesitznahme der Abteien Essen, Werden, Kreuz an der Ostsee«.
Elten als angeblich alte klevesche Lehen sowie
der Festung Wesel an Frankreich.

1806 Gründung des »Rheinbundes« unter dem Schutz Außer Österreich, Preußen, Kurhessen und Schadows Quadriga Kleist beginnt mit der A. Thaer begründet
Napoleons gegen Österreich und Preußen (Ende Braunschweig treten alle deutschen Staaten in vom Brandenburger Arbeit an der »Penthe- die erste höhere land­
des »Heiligen Römischen Reiches Deutscher Na­ Napoleons »Rheinbund« ein; Preußen macht Tor wird nach Paris silea«(vollendet 1807); wirtschaftliche Lehr­
tion«, weil Kaiser Franz II. auf den deutschen ultimativ an Napoleon die Rückgabe der unrecht­ entführt (bis 1814). »Der Telegraph«, die anstalt auf seinem Gut
Kaisertitel verzichtet); Napoleon befiehlt in Ber­ mäßig entrissenen Gebiete geltend und erklärt erste Berliner Tages­ in Möglin.
lin die Festlandsblockade gegen England (Konti­ Frankreich den Krieg (8.10.), nachdem Napoleon zeitung, erscheint (Or­
nentalsperre). nicht antwortet; Beginn des preußisch-franzö­ gan der französischen
sischen Krieges (9.10.); Niederlage der Preußen Deutschlandpolitik).
und Sachsen bei Saalfeld, Tod des Prinzen Louis
Ferdinand (10.10.); Sieg Napoleons bei Jena und
Auerstedt (14.10.); Napoleon in Potsdam (25.10.)
und Einzug in Berlin (27.10.); Napoleon hebt den
Deutschen Orden endgültig auf.
1807 Treffen Napoleons mit Alexander I. in Tilsit Napoleon schlägt die Russen bei Friedland in Caspar David Fried­ Kleist vor Berlin von Samuel Hahnemann Gewährleistung des
(25.6.); Frieden von Tilsit (9.7.); Einzug Jérôme Ostpreußen (14.6.) und besetzt Königsberg; die rich malt »Kloster­ den Franzosen verhaf­ begründet die Homöo­ freien Güterverkehrs
Bonapartes (1784-1860) als König von Westfalen Russen verbünden sich nach dem Bruch ihres friedhof im Schnee«. tet, Gefangenschaft pathie. im Rahmen der preu­
in Kassel (7.12.); erster Krieg Napoleons in Spa­ Bündnisses mit Preußen (April) mit Napoleon; auf dem Fort de Joux ßischen Reformpro­
nien (bis 1808); Dänemark verliert seine Flotte an im Frieden von Tilsit (9.7.) verliert Preußen sämt­ und in Châlons-sur- gramme.
England. liche westelbischen Besitzungen (Altmark, Mag­ Mame; Erscheinen
deburg, Halberstadt), die Kreise Cottbus und von »Amphitryon«
Peitz fallen an Sachsen, Südpreußen an das Her­ und der Erzählung
zogtum Warschau (ebenso an Warschau Teile »Das Erdbeben in
von Neu-Ostpreußen); in der Eibinger Konven­ Chili« (zuerst »Jeroni­
tion (10.11.) werden auch Kulm und Michelau mo und Josephe«), Be­
sowie der Netze-Distrikt mit Bromberg (außer ginn der Arbeit am
den Städten Kamin und Deutsch-Krone) dem »Käthchen von Heil­
Herzogtum Warschau zugewiesen; Danzig mit bronn« (vollendet
Oliva und Heia wird abgetrennt (von 5700 Qua­ 1809); Achim von Ar­
dratmeilen mit 9,75 Millionen Einwohnern ver­ nim schreibt »Gräfin
bleiben Preußen 2877 Quadratmeilen mit 4,9 Dolores«, Germaine
Millionen Bewohnern); Nassauer Denkschrift de Staël veröffentlicht
Steins (Juni); Beginn des preußischen Reform­ »De l’Allemagne«;
versuchs auf zivilem (Stein) und militärischem Fichte hält seine »Re­
Gebiet (Gneisenau, Clausewitz und Scharn­ den an die deutsche
horst); Rigaer Denkschrift Hardenbergs (Septem­ Nation«; Friedrich
ber); Berufung Steins in das Amt des Ministers August Wolf nach Ber­
für innere und auswärtige Angelegenheiten, lin berufen; Joseph
Stein wird jedoch bald als »Jakobiner« denun­ Görres veröffentlicht
ziert und entlassen, nach dem Tilsiter Frieden »Die deutschen Volks­
erneut berufen und 1808 erneut entlassen; Auf­ bücher«, Jean Paul
hebung der Erbuntertänigkeit der Bauern, soge­ »Levana oder Erzie­
nannte »Bauernbefreiung«, abgeschlossen (seit hungslehre«.
1799).
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1808 Fürstentag in Erfurt; Napoleon trifft mit Goethe Edikt zur städtischen Selbstverwaltung in Preu­ C. D. Friedrich malt Erscheinen von Kleists Alexander von Hum­
und Wieland zusammen, beide erhalten das ßen (19.11.); die Städteordnung bringt den Juden »Der Mönch am »Marquise von O...« boldt veröffentlicht
Kreuz der Ehrenlegion (September/Oktober); in Preußen Raum zur staatsbürgerlichen Ent­ Meer«; »Tetschener und des »Guiskard«- »Ansichten der Na­
Besetzung Spaniens durch französische Truppen faltung (19.11.; Bürgerrecht und Anwartschaft Altar«. Fragments im »Phö- tur« (2. Band 1826).
und Guerillakrieg. auf städtische Ehrenämter). bus«; Karl Wilhelm
Ferdinand Solger ver­
öffentlicht »Des So­
phokles Tragödien«.

1809 Österreichisch-englisches Bündnis; Napoleon er­ Der preußische Major von Schill verläßt Berlin Hirt veröffentlicht Carl Friedrich Zelter Wilhelm von Hum­ Samuel Thomas von
neut als Sieger in Wien; Tiroler Aufstand unter und erobert Stralsund (25.5.), wo er im Straßen­ »Die Baukunst nach begründet die Lieder­ boldt wird Leiter des Sömmerring veröf­
Andreas Hofer (1767-1810, von den Franzosen in kampf fällt (31.5.); Eroberung Halberstadts durch den Grundsätzen der tafel in Berlin; Er­ Kultus- und Unter­ fentlicht »Über einen
Mantua erschossen); Fürst Metternich (1773- das Freikorps des Herzogs von Braunschweig Alten«; Verbindung scheinen des letzten richtswesens im preu­ Telegraphen«.
1859) wird österreichischer Außenminister; Ver­ (29.7.); Schaffung eines preußischen Kriegsmini­ der Bauakademie mit »Phöbus«-Heftes. ßischen Innenministe­
trag von Schönbrunn; Rußland erobert Finnland steriums und eines Generalstabs. der Akademie der rium.
im Krieg gegen Schweden, Karl XIII. wird schwe­ Künste.
discher König (bis 1818).

1810 Holland und Norddeutschland werden Teil Tod von Königin Luise von Preußen (19.7.); Uraufführung von J. G. Fichte wird erster In Preußen wird die
Frankreichs; Napoleon heiratet Marie Louise Karl August Fürst von Hardenberg führt nach Kleists »Käthchen von gewählter Rektor der Gewerbefreiheit ver­
(1791-1847), Tochter von Kaiser Franz I. Steins Entlassung die Reformen in Preußen wei­ Heilbronn« in Wien. neugegründeten Berli­ kündet.
ter. ner Universität.

1811 Gemäß der preußischen Säkularisation wird die C. D. Friedrich malt Erscheinen von Die Universität Bres­ Endgültige Aufhe­
Johanniterorden-Ballei Brandenburg aufgelöst; »Das Kreuz auf der Kleists »Verlobung in lau (1702 als Jesuiten­ bung der Zünfte und
Gewerbefreiheit und Aufhebung der Zünfte und Felsenspitze«. St. Domingo«, Vollen­ universität gegründet) des Frondienstes in
des Frondienstes durch Hardenberg in Preußen: dung des »Prinz von durch Vereinigung mit Preußen.
Hardenberg »reguliert« die Bauernbefreiung so, Homburg«, Selbst­ der Universität Frank­
daß der Großgrundbesitz außerordentlich ge­ mord Kleists mit Hen­ furt a. d. Oder zur Voll­
stärktwird (Ausführungsgesetze 1816 und 1821). riette Vogel am Klei­ universität erweitert;
nen Wannsee bei Ber­ Errichtung des 1. Turn­
lin. platzes in der Hasen­
heide in Berlin durch
Friedrich Ludwig
Jahn.

1812 Napoleons Marsch nach Moskau und verlustrei­ Napoleon beginnt Feldzug gegen Rußland mit Schadow modelliert Achim von Arnim Staatliche Gymnasial­
cher Rückzug, Napoleon verläßt sein auf 50 000 preußischen Hilfstruppen unter General Yorck Gabriele von Hum­ schreibt »Isabella von ordnung in Preußen
Mann zusammengeschmolzenes Heer und flieht (1759-1830), nach der Niederlage der Grande boldt; Friedrich Tieck Ägypten«. nach dem Prinzip der
nach Paris (5.12.); Schwedens Bündnis mit Ruß­ Armée Konvention von Tauroggen (Dezember), schafft 21 Marmorbü­ allgemeinen Bildung
land; Friede Rußlands mit der Türkei, Rußland die den Beginn der »Erhebung« Preußens kenn­ sten für die Walhalla mit besonderer Pflege
verzichtet auf Ansprüche auf Donaufürstentü­ zeichnet; Emanzipationsedikt für Juden in (bis 1819); Schinkel klassischer Sprachen
mer und erobert Bessarabien. Preußen (11.3.) bringt Ende der Schutzjuden­ baut das Mausoleum und Bildungsgüter.
schaft mit deren Sonderabgaben; Juden werden der Königin Luise.
»Einländer und preußische Staatsbürger« (1822
teilweise widerrufen).

1813 Bündnis zu Kalisch zwischen Rußland und Bündnis Preußens, Rußlands und Österreichs Fichte schreibt
~ a r_ r :.u uz: i u ,i_ ni A n aPCTPn Nqnn,pnn- Finffihrune der allgemeinen »Staatslehre«; de la
mein Volk« (1 / .3.); Blücfiers Sieg an äer Katz- Wehrpflicht in Preußen; siegreicher Befreiungs­ Motte Fouqué verfaßt
bach (26.8.); Niederlage der Franzosen in der krieg Preußens und seiner Verbündeten gegen »Undine« (1811) und
»Völkerschlacht« bei Leipzig (16.-19.10.). Frankreich. »Der Zauberring«.

1814 Blücher setzt bei Kaub über den Rhein (1.1.); das Hardenberg und Wilhelm von Humboldt (1767- Schadow gründet Adalbert von Chamis- Wegen wirtschaft­
Hauptheer bei Basel zur Hochebene von 1835) sind die Vertreter Preußens beim Wiener Kunstverein in Berlin. so veröffentlicht »Pe­ lichen Niedergangs
Langres; Napoleon drängt die Verbündeten bis Kongreß (1814/15). ter Schlemihl«; E. T. durch die Kriegsjahre
Troyes zurück (18.2.); Schlacht bei Bar-sur-Aube A. Hoffmann »Phan­ ab 1806 werden in Ost­
(27.2.), bei Laon (10.3.), bei Aris-sur-Aube (21.3.) tasiestücke«; von preußen in den folgen­
und bei Paris (20.2.), dann Einzug der Verbünde­ Friedrich Carl von Sa- den Jahren über 700
ten in Paris; Frieden zu Paris (30.5.); Verbannung vigny erscheint die Rittergüter zwangsver­
Napoleons auf Elba; Beginn des Wiener Kongres­ Streitschrift »Vom Be­ steigert.
ses (bis 1815). ruf unserer Zeit für
Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft«.

1815 Napoleons Rückkehr und Herrschaft der »hun­ Mit dem Wiener Kongreß bekommt Preußen fast Schinkels National­ Karl Moritz Graf von Jahn veröffentlicht Gründung der Dampf­
dert Tage«, endgültige Niederlage bei Waterloo alle seine früheren Gebiete wieder zurück: Dan­ denkmal auf dem Brühl wird Generalin­ »Die deutsche Turn­ maschinenfabrik
(Belle-Alliance); Verbannung Napoleons auf zig mit Oliva und Heia, ebenso Kulm, Michelau Kreuzberg in Berlin er­ tendant der Königli­ kunst«; Gründung der Freund in Berlin.
St. Helena; Zweiter Pariser Frieden; Wiener Kon­ und Thorn werden mit Deutsch-Krone und Ka­ richtet (im späteren, chen Schauspiele in ersten deutschen Bur­
greß: England behält Malta, Hannover zurück an min in Westpreußen eingegliedert; entlang der 1888-94 von Hermann Berlin (bis 1828); schenschaften in Jena.
England, Königreich Polen unter Schutz von Prosna und nordöstlich zur unteren Drewenz Mächtig geschaffenen Rheinreise Goethes
Rußland, Sachsen wieder Königreich, an Öster­ wird die preußische Ostgrenze zu Russisch-Polen Viktoriapark); Chri­ zusammen mit Frei­
reich kommt Galizien, Salzburg, Illyrien, Dalma­ neu abgesteckt; die ehemals südpreußischen stian Rauch schafft herr vom Stein; Rahel
tien, Tirol und das lombardo-venetische König­ Kreise Posen, Gnesen, Bomst, Fraustadt, Ko­ den Sarkophag für Kö­ Varnhagen führt ihren
reich in Norditalien; »Heilige Allianz« zwischen sten, Wongrowiec, Kröben, Krotoschin, Mese- nigin Luise von Preu­ schöngeistigen Salon
Rußland, Österreich und Preußen (»christlich­ ritz, Obomick, Schrimm, Schröda, Teile von ßen; Franz Kersting weiter; von A. W. Iff-
patriarchalische« Regierungen); in den Schluß­ Schildberg, Adelnau, Peisem, Powdidz fallen an malt »Körner, Friesen land erscheint »Theo­
akten des Wiener Kongresses wird der Deutsche Preußen zurück (zusammengefaßt zum Groß­ und Hartmann auf rie der Schauspiel­
Bund (bis 1866) begründet: 35 Fürsten, 4 freie herzogtum Posen, ab 1830 Provinz Posen); aus Vorposten«, C. D. kunst« (posthum); Jo­
Städte, Preußen gehört ihm nur mit einem Teil den kursächsischen Gebieten Wittenberg, Bar- Friedrich »Der Hafen seph von Eichendorff
seines Staatsgebietes an; Bundestag in Frankfurt. by, Gommern, Merseburg, Naumburg-Zeitz, von Greifswald«; K. F. schreibt »Ahnung und
Querfurt, Teilen von Mansfeld, Leipzig, Meißen, Schinkel modelliert Gegenwart«; Schlegel
Schwarzburg und Stolberg und vogtländischen »Der Morgen« und schreibt »Geschichte
Enklaven entsteht mit der Altmark, Magdeburg »Der Abend« und der alten und neuen
und Halle die preußische Provinz Sachsen malt Dekorationen zur Literatur«.
(Hauptstadt Magdeburg); die Niederlausitz und »Zauberflöte« und
der Osten der Oberlausitz kommen zu Preußen; »Gotischer Dom am
die einstigen Gebiete in West- und Norddeutsch­ Meer«; Schadow wird
land kommen mit Veränderungen an Preußen Direktor der Akade­
zurück: Provinzen Niederrhein-Jülich/Kleve/ mie der Künste; Theo-,
Berg-Westfalen, Neuenburg und Schwedisch- dor von Schön faßt den
Vorpommern; nur Ansbach-Bayreuth bleibt bei Plan, die Marienburg
Bayern; Dänemark erwirbt Herzogtum Lauen­ als Denkmal zu erhal­
burg von Preußen gegen Vorpommern und Rü­ ten.
gen; Preußen nimmt im 2. Pariser Frieden die von
Frankreich abgetrennten Gebiete an der Saar mit
Saarbrücken und Saarlouis in Besitz (November/
Dezember); Berlin hat 193 000 Einwohner.

1816 Großherzog Karl August (1757-1828) gibt Sach­ Münster wird Hauptstadt der preußischen Pro­ E. T. A. Hoffmann ver­ Auf der Spree verkehrt
sen-Weimar die erste deutsche Verfassung; Deka- vinz Westfalen; Theodor von Schön (1773-1856), öffentlicht »Die Eli­ als erstes Dampfschiff
bristen-Verschwörung in Rußland gegen den ein Schüler Kants, wird Oberpräsident von Ost- xiere des Teufels«, L. der Mittelraddampfer
Zaren beginnt. und Westpreußen (1824 zur Provinz Preußen ver­ Tieck »Phantasus«, J. »Prinzessin Charlotte
einigt, 1878 wieder getrennt); Carl von Clause­ und W. Grimm »Deut­ von Preußen«.
witz (1780-1831) schreibt »Vom Kriege«. sche Sagen«.

y 1817 Wartburgfest der deutschen Burschenschaften Friedrich Wilhelm III. verkündet die »Union« der Schinkel baut in Ber­ Georg Wilhelm Fried­ Georg Wilhelm Fried­
(Forderung nach deutscher Einheit). Lutheraner und Reformierten in Preußen (Evan- lin die Neue Wache rich Hegel vollendet rich Hegel wird an die
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*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
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gelische Union); Preußen tauscht mit Nassau die (vollendet 1818) und »Enzyklopädie der Universität Berlin be­
Niedergrafschaft Katzenellenbogen gegen den den Triumphbogen. philosophischen Wis­ rufen.
Kreis Siegen, der an die Provinz Westfalen senschaft im Grund­
kommt (3.5.). riß«.

1818 Abzug der Besatzungstruppen aus Frankreich; C. D. Friedrich malt Hegel wird nach Ber­ Rheinische Friedrich-
Verfassungen für Bayern und Baden; Karl XIV. »Kreidefelsen auf Rü­ lin berufen und veröf­ Wilhelms-Universität
Johann (Bernadotte) wird König von Schweden gen«. fentlicht »Wissen­ in Bonn gestiftet (18.
(bis 1844). schaft der Logik«; CI. 10.); unter den berufe­
Brentano veröffent­ nen Professoren nach
licht »Geschichte vom Bonn ist Emst Moritz
braven Kasperl und Arndt und August
der schönen Annerl«. Wilhelm Schlegel.

1819 Ermordung des Dramatikers August von Kotze­ Einstellung der Reformen in Preußen; die Karls­ C. D. Friedrich malt Gründung der »Mo- Zollgesetz macht
bue (geb. 1761) in Mannheim, »Demagogenver­ bader Beschlüsse bestimmen über Pressezensur, »Zwei Wanderer, den numenta Germaniae Preußen zu einem ein­
folgung« in Deutschland; »Karlsbader Beschlüs­ Verbot der Burschenschaften, Beaufsichtigung Nebelmond betrach­ historica« durch Frei- heitlichen Zollgebiet.
se« (eingeleitet von Friedrich Wilhelm III. von von Universitäten und Lehrkräften; Beginn der tend«. herm K. v. u. z. Stein;
Preußen und Metternich, bis 1848). Demagogen-Verfolgungen; Ernst Moritz Arndt A. Schopenhauer ver­
(1769-1860) und Friedrich D.E.Schleiermacher öffentlicht »Die Welt
(1768-1834) werden ihrer Ämter enthoben, als Wille und Vorstel­
»Turnvater« Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) lung«, Emst Moritz
verhaftet. Arndt »Fragmente
über Menschenbil­
dung«.

1820 Wiener Schlußakte (Grundgesetz des Deutschen Preußisches Gesetz über die Staatsschuldenver­ Schinkel wird Profes­ E. T. A. Hoffmann ver­ E. M. Arndt wird vom Reformierung des
Bundes) gegen die Verfassungsversprechen von waltung (17.1.). sor an der Bauakade­ öffentlicht »Lebens­ Lehramt an der Uni­ Postwesens in Preu­
1815; Georg IV. wird König von Großbritannien mie und baut das um ansichten des Katers versität Bonn suspen­ ßen abgeschlossen,
und Hannover (bis 1830); Erhebung der Carbo­ 1550 für den Hofse­ Murr«; A. v. Arnim diert (er nimmt das mit Generalpostmei­
nari in Neapel; nationalrevolutionäre Bewegung kretär Joachims II. ge­ schreibt »Die Majo­ Amt ab 1840 wieder ster an der Spitze der
in Italien. baute Landhaus zum ratsherren«; Schleip auf); die Mythologi­ Inspektionsbezirke,
Schloß Tegel (»Hum- entwickelt sein Piano­ sche Galerie Berlin die den Grenzen der
boldtschlößchen«) um forte in Form einer Ly­ und Stettin eröffnet; Provinzen entspre­
(bis 1824). ra. Tumverbot in Preu­ chen.
ßen.

1821 Beginn der griechischen Freiheitsbewegung Schinkel baut das Uraufführung von We­ Gründung der Eisen­
gegen die Türkei (erfolgreich abgeschlossen Schauspielhaus in bers »Freischütz«; das gießerei Egells in Ber­
1829); Österreicher beseitigen Verfassung in Nea­ Berlin; Schadow voll­ erste Theaterstück mit lin; Gründung des Ge­
pel und Piemont. endet Luther-Denk­ Berliner Dialekt auf werbeinstituts unter
mal in Wittenberg. der Bühne: »Der Stra­ Beuth (bis 1827 »Tech­
lauer Fischzug« von nische Schule«).
Julius von Voß.

1822 Die territoriale Neuordnung Preußens führt in Schinkel baut (bis E. T. A. Hoffmann ver­ Wilhelm von Hum­ 1. Berliner Gewerbe­
den folgenden Jahren zu den acht Provinzen 1824) die Schloßbrük- öffentlicht »Meister boldt hält seine Aka­ ausstellung.
Brandenburg (ohne Altmark), Pommern, Posen, ke in Berlin (»Puppen­ Floh«; W. v. Hum- demierede »Über die
Preußen Rheinland. Sachsen Jmit Altmark), brücke«, heute Marx- boldt veröffentlicht Aufgabe des Ge-
ôcmesien una west!aien; Kleve kommt zum Re­ Engèls-Brücke); Chri­ »Über das verglei­ schichtsschreibers«;
gierungsbezirk Düsseldorf. stian Daniel e Rauch chende Sprachstu­ Begründung des mo­
vollendet das Scham­ dium«; Eröffnung des dernen Realschulwe­
horst-Denkmal. Königlichen Instituts sens durch A. Spillek-
für Kirchenmusik in ke in Berlin.
Berlin.

1823 »Monroe«-Doktrin der USA: Nichteinmischung Erste Gesetze über die Einführung von Provin­ C. D. Friedrich malt Carl Maria von Weber Gründung der König­ Erster Rosenmontags­
Europas in amerikanische Angelegenheiten; zialständen in Preußen (3.8.); Edikt zur Bildung »Mondaufgang am komponiert »Euryan- lichen Museen in Ber­ zug in Köln.
Frankreich besetzt Spanien (bis 1828). von Provinzialtagen in allen Teilen Preußens, das Meer«; Schadow mo­ the«. lin; »Sammlung der
dem Adel die Vorherrschaft sichert (3.8.); Ver­ delliert Goethe, Rauch ägyptischen Altertü­
mählung von Kronprinz Friedrich Wilhelm mit König Friedrich Wil­ mer« im Schloß Mon­
der bayerischen Prinzessin Elisabeth (28.11.). helm III. bijou aufgestellt.

1824 Karl X. König von Frankreich (dankt 1830 ab); Vereinigung Jülich-Kleve-Berg und Niederrhein Schloß und Park Die »Vossische Zei­ Justus von Liebig wird
Mexiko wird Republik. zur preußischen Provinz Rheinland. Kleinglienicke in Ber­ tung« erscheint künf­ durch Förderung von
lin wird Sommersitz tig täglich in Berlin Alexander von Hum­
des Prinzen Karl von (ausgenommen Sonn­ boldt mit 21 Jahren
Preußen: Schinkel, tag); Johann Friedrich Professor der Chemie
später Ludwig Persius Herbart veröffentlicht in Gießen (Hessen-
und Ferdinand von »Psychologie der Wis­ Darmstadt), wo er eine
Arnim, bauen Schloß senschaft«; Leopold Generation von Che­
und Park in rund 25 von Ranke veröffent­ mikern in seinem mu­
Jahren zu einem ein­ licht »Zur Kritik neue­ sterhaften Laborato­
zigartigen Bauensem­ rer Geschichtsschrei­ rium ausbildet (ab
ble des Berliner Klas­ ber«; Heinrich Heine 1852 nach München);
sizismus und der Ro­ schreibt »Harzreise«. Gründung der Berli­
mantik um; Bau des ner Missionsgesell­
Schinkel-Pavillons als schaft (evangelisch);
Sommerhaus für erste Gewerbeschule
Friedrich Wilhelm III. in Berlin.

1825 Ende der spanischen Kolonialherrschaft in Süd­ Carl Blechen malt Die Sängerin Henriet­ Der Kölner Physiker Gasbeleuchtung für
amerika; Dekabristen-Aufstand in Rußland nach »Schlucht im Winter«; te Sonntag feiert ihre Georg Simon Ohm »Unter den Linden« in
Thronbesteigung von Zar Nikolaus I. (bis 1855). Erbauung des Neuen Erfolge in Berlin (bis entdeckt als Gymna­ Berlin; Pferdeomni­
Pavillons (Schinkel- 1827); Felix Mendels­ siallehrer in Köln die bus in Berlin.
Pavillon) im Park von sohn komponiert Ok­ Meßbarkeit des elek­
Schloß Charlotten­ tett op. 20. trischen Stroms.
burg.

1826 Erster Provinzial-Landtag der Rheinprovinz in Schadow löst Peter C. M. v. Weber vollen­ Alfred Krupp über­
Düsseldorf. Cornelius (nach Mün­ det »Oberon«; F. Men­ nimmt in Essen die
chen) als Direktor der delssohn komponiert von seinem Vater
Kunstakademie in »Sommemachts- ererbte Gußstahlfa­
Düsseldorf ab; Vollen­ traum«-Ouvertüre; brik.
dung des Baus der J. v. Eichendorff veröf­
klassizistischen Niko- fentlicht »Aus dem
laikirche in Magde­ Leben eines Tauge­
burg (seit 1821) nach nichts«.
Plänen von Schinkel.

1827 Beendigung des Baus Gründung des Dich­ Alexander von Hum­
der Singakademie in terclubs »Tunnel über boldt hält in Berlin
Berlin von Carl Theo­ der Spree« (später mit Vorträge zum Thema
dor Ottmer (ab 1824). Theodor Storm, Ema­ seines später (1845) er­
nuel Geibel, Theodor scheinenden Haupt­
Fontane, Paul Heyse, werkes »Kosmos«.
Heinrich Seidel).
Ch Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1828 Russisch-türkischer Krieg (bis 1829). Sieg der Junker in Preußen mit den Kreisordnun­ Schinkel entwirft Fres­ Berliner Erstauffüh­ Gründung der Rheini­ Preußens Finanzmini­
gen (von 1825-1828). ken für die Vorhalle rung von Kleists schen Missionsgesell­ ster Friedrich von
des Alten Museums »Prinz von Homburg« schaft (evangelisch); Motz schließt mit Hes­
(bis 1831); von Rauch und Verbot des Stücks Friedrich Wöhler stellt sen-Darmstadt einen
entsteht das Blücher- durch Friedrich Wil­ in Berlin künstlichen Zollvertrag.
Denkmal. helm III; Wilhelm Harnstoff her (erste
Hauff verfaßt seine chemische Synthese
Novelle »Die letzten eines Naturstoffes).
Ritter von Marien­
burg«.

1829 Russisch-türkischer Frieden von Adrianopel: Nach Entwurf von Wiederaufführung Forschungsreise Alex­
Griechenland von der Türkei unabhängig (Otto Schinkel Bau und An­ von Bachs »Matthäus- ander von Humboldts
von Bayern wird König in Griechenland, von lage von Park und passion« an der Berli­ nach Sibirien.
1832 bis 1862); Rußland erhält Donaudelta und Schloß Charlottenhof ner Singakademie; F.
den persischen Anteil von Armenien; britische bei Potsdam. Schlegel veröffentlicht
Kronkolonie Westaustralien gegründet. »Philosophie der Ge­
schichte«.

1830 Unruhen in Braunschweig, Göttingen, Sachsen, Unruhen in Aachen (30.8.) Schinkel vollendet die Eichendorff veröffent­ Eröffnung des Alten Einrichtung einer op­
Kurhessen; Juli-Revolution in Paris, »Bürgerkö­ Friedrich-Werdersche licht »Der letzte Held Museums, Beginn der tischen Telegraphen­
nig« Louis Philippe (bis 1848); Belgien prokla­ Kirche in Berlin (ab von Marienburg«, Museumsinsel in Ber­ linie Berlin-Koblenz;
miert Unabhängigkeit unter König Leopold I. 1824); Eröffnung des Schlegel »Indische lin; Beginn amtlicher »Schneiderrevolu­
(bis 1865); 12 Schweizer Kantone geben sich Alten Museums von Bibliothek«, Karl Au­ Wetteraufzeichnungen tion« in Berlin.
demokratische Verfassung; Revolution in Polen Schinkel und Einrich­ gust Vamhagen von in Berlin.
gegen Rußland; Frankreich erobert Algerien tung des Antiqua­ Ense »Biographische
(1847 abgeschlossen). riums dort. Denkmale«; Mendels­
sohn komponiert »Lie­
der ohne Worte«.

1831 Verfassung für Sachsen; Russen schlagen polni­ An der Cholera sterben Gneisenau (geb. 1760), Eduard Gärtner malt Christian Dietrich Kurhessen wird dem
sche Revolution nieder (Verlust der autonomen Freiherr von Stein (geb. 1757) und der Philosoph »Die Parochialstraße Grabbe veröffentlicht preußisch-hessen­
Verwaltung und Russifizierung des Landes); Georg Wilhelm Hegel (geb. 1770); Paul A. Pfizer in Berlin«. »Napoleon oder die darmstädtischen Zoll­
Aufstand der 40 000 Seidenweber in Lyon; fran­ (1801-1867), Führer der württembergischen Li­ Hundert Tage«, Hein­ verein angeschlossen.
zösische Fremdenlegion für Nordafrika gegrün­ beralen, wirbt als Süddeutscher für Anschluß an rich Heine seine »Rei­
det. Preußen (Kleindeutsche Lösung). sebilder«; Chamisso
veröffentlicht »Le­
benslieder und Le­
bensbilder«.

1832 Hambacher Fest: 30 000 Kundgebungsteilneh­ Carl Blechen malt das G. B. Niebuhr veröf­
mer fordern die deutsche Einheit und eine Re­ Palmenhaus auf der fentlicht »Römische
publik sowie ein unabhängiges demokratisches Pfaueninsel. Geschichte«, H. Fürst
Polen; Parlamentsreform in England (Wahlrecht Pückler-Muskau
für wohlhabendes Bürgertum). »Briefe eines Verstor­
benen«.

1833 Gründung des deutschen Zollvereins mit 18 In Posen (dort wohnen 2/5 der jüdischen Bevöl­ Eduard Gärtner malt Karl Friedrich Zelter Friedlieb Ferdinand Café Kranzler in Ber­
deutschen Staaten unter Führung Preußens; Bur- kerung Preußens) werden in der »Vorläufigen »Die Neue Wache in veröffentlicht »Brief­ Runge in Oranienburg lin gegründet.
Berlioz ... ........ wechsel mit Goethe«; wird mit der Entdek-
wache; Abschaffung der Sklaverei im britischen sierten Einwohner und in diejenigen eingeteilt, Mendelssohn wird kung von Anilin, Phe­
Weltreich. »welche sich zur Erlangung der der gedachten na­ städtischer Musikdi­ nol u. a. Stoffen im
turalisierten Klasse verliehenen Rechte noch rektor in Düsseldorf. Steinkohlenteer zum
nicht eignen«. Wegbereiter der mo­
dernen Teerfarben­
chemie.

1834 England, Frankreich, Spanien und Portugal Alfred Rethel malt Eichendorff dichtet Deutscher Zollverein
schließen ein Bündnis zum Schutze des Libera­ »Die Harkortsche Fa­ »Dichter und ihre Ge­ unter preußischer
lismus; liberale Verfassung in Spanien; erster brik auf Burg Wetter«; sellen«; Leopold von Führung integriert ein
Karlisten-Krieg um die Thronfolge in Spanien Carl Blechen malt Ranke veröffentlicht einheitliches Zollge­
(bis 1840); russische Expansion im nördlichen »Walzwerk Neustadt- »Die römischen Päp­ biet von 25 Millionen
Kaukasus. Eberswalde«; Enthül­ ste«. Menschen (ihm treten
lung des 1824 von 1835 Baden und Nas­
Schinkel entworfenen sau, 1836 Frankfurt,
Scharnhorst-Grabmals 1842 Luxemburg,
im Invalidenfriedhof Braunschweig und
(mit Löwen von Chri­ Lippe bei; in den fünf­
stian Daniel Rauch); ziger Jahren folgen
Einweihung der Gra­ Hannover und Olden­
nitschale (von Johann burg).
Erdmann Hummel ge­
malt) aus der Stein­
schleifer-Werkstätte
von Christian Gottlieb
Cantian.

1835 Der Deutsche Bundestag verbietet die Bücher des Schinkel baut die Verbot der liberalen Die Bauakademie in Viktor A. Huber greift
»Jungen Deutschland« (Börne, Gutzkow, Heine, Sternwarte am Encke- Bücher des »Jungen Berlin erhält den Na­ in Preußen das Pro­
Laube u.a.); Ferdinand I. wird Kaiser von Öster­ platz, die Bauakade­ Deutschland« (Böme, men »Allgemeine blem der Arbeiterwoh­
reich (dankt 1848 ab). mie und die Große Gutzkow, Heine, Lau­ Bauschule« (bis 1849). nung auf; Gründung
Neugierde in Glienik- be u. a.); B. von Arnim des Eschweiler Berg­
ke; Menzel beginnt schreibt »Goethes werksvereins als älte­
autodidaktisch mit Öl­ Briefwechsel mit ei­ ste preußische Berg-
malerei. nem Kinde«. werks-AG.

1836 Mischehenstreit zwischen dem preußischen Franz Krüger malt Heinrich Heine Wilhelm von Hum­
Staat und der katholischen Kirche (bis 1840), der »Ausritt mit Prinz Wil­ schreibt »Die Roman­ boldt schreibt zu sei­
Erzbischof von Köln Droste zu Vischering (1773- helm von Preußen«; tische Schule«; G. nem Werk »Über die
1845) wird verhaftet und gefangengehalten; To­ Franz Kugler veröf­ Meyerbeer kompo­ Kawisprache auf der
desurteil gegen Fritz Reuter (1810-1874) in drei­ fentlicht »Geschichte niert »Die Hugenot­ Insel Java« (3 Bde., bis
ßigjährige Festungshaft umgewandelt (1840 am­ der Malerei«. ten«; von Arthur Scho­ 1840) die für die mo­
nestiert). penhauer erscheint derne Sprachforschung
»Über den Willen in grundlegend bedeut­
der Natur«, von Karl L. same Einleitung»Über
Immermann »Die Epi­ die Verschiedenheit
gonen«. des menschlichen
Sprachbaus und ihren
Einfluß auf die geistige
Entwicklung des Men­
schengeschlechts«.

1837 Victoria wird Königin von Großbritannien und Fertigstellung der Albert Lortzing voll­ Lehrplan für neun Gründung der Eisen­
Irland (bis 1901); Ende der Personalunion zwi­ klassizistischen Niko- endet seinen »Zar und Jahre und Klassen-Be- gießerei und Maschi­
schen England und Hannover; Emst August, laikirche in Potsdam Zimmermann«. zeichnungen »Sexta« nenbauanstalt August
Herzog von Cumberland, König von Hannover von Schinkel, Kuppel bis »Prima« in preußi- Borsig in Berlin.
oo Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

(1837-1851), hebt das Grundgesetz auf und ent­ von Ludwig Persius sehen Gymnasien ein­
läßt die protestierenden »Göttinger Sieben« und Friedrich August geführt.
(Albrecht, Dahlmann, Ewald, Gervinus, J. und Stüler.
W. Grimm, Weber).

1838 Chartistenbewegung in England veröffentlicht Todesurteile gegen Handwerksgesellen, die Mit­ Wilhelm Schadow Von Brentano er­ Der erste Zug einer
die »Volkscharta« mit Forderung nach Wahlrecht glieder illegaler Gesellenverbände in Berlin sind; malt »Christus mit den scheint das Märchen preußischen Eisen­
für Arbeiter. Zar Nikolaus I. wird vom Berliner Magistrat zum klugen und törichten »Gockel, Hinkel, Ga- bahn fährt von Zeh­
Ehrenbürger ernannt. Jungfrauen« (bis keleia«; Immermann lendorf nach Potsdam
1842); Edward Steinle veröffentlicht den sati­ (22. 9.), danach folgt
malt Fresken im Köl­ rischen Roman die ganze Strecke Ber­
ner Dom; Rauch »Münchhausen«; Wil­ lin-Potsdam (29. 10.).
schafft die Viktorien helm Weitling ver­
im Charlottenburger öffentlicht »Die
Schloßpark (bis 1839). Menschheit, wie sie ist
und wie sie sein soll«.

1839 Die Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens Franz Krüger malt Heinrich Heine veröf­ Boetticher wird Lehrer Erste Arbeitsschutz­
wird im »Londoner Protokoll« garantiert; Nord­ »Parade auf dem fentlicht seine »Zeit­ an der Bauakademie bestimmung in Preu­
luxemburg fällt an Belgien. Opemplatz«. gedichte«. (bis 1875). ßen: für Jugendliche
zwischen 9 und 16 Jah­
ren Maximalarbeits­
zeit 10 Stunden.

1840 Expansion Englands in Indien, Neuseeland wird Friedrich Wilhelm IV. wird König in Preußen (bis Beschluß der Berliner Schelling, Tieck und Justus von Liebig be­ Eisenbahnstrecke
britische Kronkolonie; Königin Vrctoria heiratet 1857); um die Militärtauglichkeit zu heben, wird Stadtverordnetenver­ Rückert werden von gründet in Gießen die Halle nach Magde­
Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha (1819- in Preußen die Fabrikarbeit für Kinder unter sammlung zur Anlage Friedrich Wilhelm IV. Agrarkulturchemie. burg (über Köthen)
1861). neun Jahren verboten. des Friedrichshaines nach Berlin berufen; eröffnet; in der preußi­
(100. Jahrestag der von Willibald Alexis schen Armee wird das
Thronbesteigung erscheint »Der Roland Zündnadelgewehr
Friedrichs IL), dessen von Berlin«; August eingeführt.
westlicher Teil von H. Hoffmann von Fal­
1846-48 nach Plänen lersleben schreibt sei­
von Peter Joseph Len- ne »Unpolitischen
né, der östliche Teil Lieder«.
von 1874-76 nach Plä­
nen von Gustav Meyer
entstanden ist.

1841 Franz Kugler veröf­ A. Schopenhauer ver­ Jährliches Winckel- Bei August Borsig in
fentlicht »Handbuch öffentlicht »Die bei­ mannsfest und Wink- Berlin wird die erste
der Kunstgeschichte«; den Grundprobleme kelmannsprogramm Lokomotive gebaut;
Verein Berliner Künst­ der Ethik«; Meyerbeer in Berlin. Beginn der Eisenbahn
ler gegründet. wird in Berlin Nach­ von Berlin nach An­
folger von Spontini. halt (Jüterbog); Rhei­
nische Eisenbahn von
Köln nach Aachen
eröffnet.
WW. " r neunen w nneim 1 v. von Preußen stittet die Kölner Dombaufest: Annette von Droste- Wilhelm Stier wird Beginn der Eisenbahn
Friedensklasse des Ordens »Pour le Mérite«; Weiterbau und Voll­ Hülshoff veröffentlicht Lehrer an der Bauaka­ von Berlin nach
August Hermann Graf Dönhoff (1797-1874) wird endung des Doms mit »Die Judenbuche«; demie (bis 1861); Frankfurt a. d. Oder;
preußischer Gesandter beim deutschen Bundes­ den Türmen (bis Verbot der Werke des Gründung der »Ar­ Oberschlesische Ei­
tag in Frankfurt a. Main. 1880); Alexander Fer­ »Jungen Deutsch­ chäologischen Gesell­ senbahn Breslau-
dinand von Quast wird land« (seit 1835) in schaft zu Berlin« Brieg eröffnet (Verlän­
erster Preußischer Preußen aufgehoben; durch Gerhard. gerung 1846 über Op­
Staatskonservator; Willibald Alexis veröf­ peln und Kattowitz
August Kiß vollendet fentlicht »Der falsche nach Myslowitz).
seine Skulptur »Ama­ Waldemar«; Karl
zone«. Marx wird Chefredak­
teur der »Rheinischen
Zeitung«.

1843 Tausendjahrfeier des Deutschen Reiches (843 Menzel zeichnet seine Karl Marx legt die Re­ Alexander von Hum­ Eisenbahn Berlin-
Vertrag von Verdun). Illustrationen zu den daktion der »Rheini­ boldt veröffentlicht Stettin eröffnet, außer­
Werken Friedrichs des schen Zeitung« nieder »Asie centrale«. dem die Strecke Mag­
Großen (bis 1849). (Übersiedlung nach deburg-Oschersleben-
Paris); Bettina von Ar­ Halberstadt.
nim veröffentlicht
»Dies Buch gehört
dem König«.

1844 Griechenland erhält unter Otto I. von Wittels­ Attentat auf König Friedrich Wilhelm IV, Haft­ Karl Wilhelm Hübner Heine veröffentlicht Die Kaiserliche Werft
bach eine Verfassung. befehl der preußischen Regierung gegen den in malt »Die schlesi­ »Deutschland, ein als Preußische Staats­
Paris lebenden Karl Marx (1818-1883) wegen schen Weber«. Wintermärchen« und werft in Danzig ge­
»Hochverrats und Majestätsbeleidigung«; Auf­ »Lied der schlesischen gründet; Borsig stellt
stand der schlesischen Weber in Peterswaldau Weber«; Mendelssohn seine erste Lokomoti­
und Langen. komponiert sein Vio­ ve aus; Eröffnung des
linkonzert; Eröffnung Zoologischen Gartens
von Krolls Etablisse­ in Berlin.
ment am Königsplatz
in Berlin.

1845 Massenauswanderung in Irland wegen Mißernte Gesetz in Preußen, das die Juden zu festen Fami­ Vollendung der Anla­ Max Stimer veröffent­ Physikalische Gesell­ Endliche Verabschie­
und Hungersnot. liennamen zwingt (31.10.); Gestattung des Be­ ge des Neuen Gartens licht »Der Einzige und schaft in Berlin ge­ dung der Allgemeinen
triebes stehender Gewerbe (17.1.) und Heeres- in Potsdam, unter sein Eigentum«; Ro­ gründet (seit 1899 Preußischen Gewer­
pflicht für Juden in Preußen (21.12.); Mißernten; Friedrich Wilhelm II. bert Prutz (Jungdeut­ Deutsche Physika­ beordnung (17. 1.).;
Bürger- und Volksversammlungen in Preußen begonnen mit dem scher) veröffentlicht lische Gesellschaft); Eisenbahnstrecke von
fordern politische Reformen (bis 1847). Marmorpalais (1787- seine unvollendete von Alexander von Köln-Deutz nach Düs­
90 von Gontard und »Geschichte des deut­ Humboldt erscheint seldorf und Düssel­
Langhans gebaut; spä­ schen Journalismus«; »Kosmos, Entwurf ei­ dorf-Duisburg (1846)
ter kommt hinzu Uraufführung der ner Physischen Welt­ eröffnet; Baubeginn
Schloß Cecilienhof, Oper »Käthchen von beschreibung« (5 Bde., des Landwehrkanals
1913-17 für Kronprinz Heilbronn« von Bert­ bis 1862). und Anlage der Lui-
Wilhelm erbaut); hold Damcke in Kö­ senstadt in Berlin.
Adolph Menzel malt nigsberg (nach Kleists
»Das Balkonzimmer«. Schauspiel).

1846 »Offener Brief« Christians VIII. von Dänemark In Königsberg und Halle entstehen die ersten Alfred Rethel vollen­ Von Willibald Alexis A. Kolping gründet
(1839-1848) bedroht Sonderstellung Schleswig- freireligiösen Gemeinschaften Deutschlands. det Ausmalung des erscheint »Die Hosen den katholischen Ge­
Holsteins (nationale Erregung in Deutschland). Kaisersaals im Aache­ des Herrn von Bre­ sellenverein in Elber­
ner Rathaus; Adolf dow«; F. v. Freiligrath feld; die »Concessio-
Menzel malt »Bau­ veröffentlicht »Mein nierte Berliner Omni­
platz mit Weiden« und Glaubensbekennt­ bus Compagnie« er­
»Palaisgarten des Prin­ nis«; F. Mendelssohn öffnet ihren Betrieb;
zen Albrecht«. komponiert »Elias«. Gründung der opti­
schen Werke Carl
Zeiss in Jena.
bl -w ,
<=> Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1847 Zeitungsgründung »11 Risorgimento« gibt ita­ Friedrich Wilhelm IV. von Preußen beruft den Wilhelm von Kaul­ Uraufführung der Pos­ Gründung des Stem- Gründung der Tele­
lienischen nationalen Bewegung ihren Namen; Vereinigten Landtag ein, hält aber an der ständi­ bach malt Wandge­ se »Einmalhundert­ schen Konservato­ graphenbauanstalt
Umwandlung des Bundes der Gerechten in den schen Gliederung fest; das Judengesetz ordnet mälde (Bilderzyklus tausend Taler« von riums in Berlin. Siemens & Halske in
Bund der Kommunisten, er nimmt die Losung die Rechtszustände der preußischen Juden. zur Universalge­ David Kalisch im Kö­ Berlin; Johann Hein­
»Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« an. schichte) für das Trep­ nigstädtischen Thea­ rich Strack baut das
penhaus des Neuen ter in Berlin; Leopold Gebäude des Walz­
Museums in Berlin von Ranke veröffent­ werks Borsig in Berlin-
(bis 1863); Adolph licht »Deutsche Ge­ Moabit.
Menzel malt »Die Ber­ schichte im Zeitalter
lin-Potsdamer Eisen­ der Reformation«.
bahn«.

1848 Krieg zwischen dem Deutschen Bund und Däne­ Barrikadenaufstand in Berlin, Friedrich Wilhelm Adolph Menzel malt Erste Nummer der li­ Anschluß der Ober­
mark um den Besitz von Schleswig-Holstein; IV. zieht die Truppen aus der Stadt ab, beruft ein »Aufbahrung der beralen »Nationalzei­ schlesischen Eisen­
Aufstand in Palermo, Verfassung in Neapel und liberales Ministerium (Camphausen), huldigt Märzgefallenen«; For­ tung« in Berlin, eben­ bahn an die Kaiser-
Toskana; Revolution in Paris, Ausrufung der Re­ unter dem Druck des Volkes den 230 Märzgefal­ derung der Düsseldor­ so Gründung der kon­ Ferdinands-Nord­
publik; Frankfurter Vorparlament; Aufstand in lenen; preußische Nationalversammlung in Ber­ fer Künstler nach einer servativen »Neue bahn zwischen Anna-
Venedig, Mailand von Österreich befreit; ok­ lin (Mai); Auflösung der preußischen National­ Deutschen National­ Preußische (Kreuz-) berg und Oderberg;
troyierte Verfassung in Österreich, Aufstand in versammlung durch Wrangels Truppen; oktroy­ galerie vor dem Frank­ Zeitung« (Mitbegrün­ Anschluß der Strecke
Wien; Aufstand in Neapel; blutige Niederschla­ ierte Verfassung in Preußen erlassen: Dreiklas­ furter Parlament. der Bismarck) sowie Berlin-Anhalt an die
gung des »Juniaufstandes« in Paris; Erzherzog senwahlrecht; Gründung der Arbeiterverbrü­ Gründung des wö­ Leipzig-Dresdner-Ei-
Johann von Österreich (1782-1859) als Reichsver­ derung als Dachorganisation aller Arbeiter- und chentlichen Witzblat­ senbahn; Bischof Ket­
weser in Frankfurt; Kossuth-Aufstand in Ungarn; Gewerbevereine auf dem Arbeiterkongreß in Ber­ tes »Kladderadatsch« telet predigt über die
Marschall Windisch-Grätz (1787-1862) schlägt lin. von David Kalisch; großen sozialen Fra­
Aufstand in Österreich nieder; Verfassung der Gründung zahlreicher gen der Gegenwart;
zweiten französischen Republik verkündet, satirischer Zeitschrif­ Berlin hat 400 000 Ein­
Louis Bonaparte wird Präsident (bis 1851); Franz ten; Adolf Glasbren­ wohner.
Joseph I. Kaiser in Wien (bis 1916). ner veröffentlicht poli­
tische Guckkastensze­
nen.

1849 Verabschiedung einer Reichsverfassung durch Preußen gründet die Union der deutschen Für­ Alfred Rethel vollen­ Johann Peter Hasen­ Erster Kokshochofen
die Nationalversammlung; Niederschlagung sten (28 Staaten); Friedrich Wilhelm IV. lehnt det die Holzschnittfol­ clever veröffentlicht im Ruhrgebiet; mit
eines Aufstandes in Sachsen durch preußische Wahl zum Erbkaiser durch die Nationalver­ ge »Auch ein Toten­ »Ein Magistrat aus dem Flammersfelder
Truppen; Giuseppe Garibaldi (1807-1882) zieht sammlung ab; »Kartätschenprinz« Wilhelm tanz«; Friedrich Drake dem Jahre 1848«. Hilfsverein begründet
in Rom ein; Louis Napoleon unterdrückt neuen schlägt revolutionäre badische Truppen und beendet das Denkmal Friedrich Wilhelm
Aufstand in Paris; revolutionäre Ungarn müssen Freischaren (Fall der Festung Rastatt); Hohen- Friedrich Wilhelms III. Raiffeisen das spätere
vor Russen und Österreichern kapitulieren. zollem-Sigmaringen und Hohenzollem-Hechin- (Berliner Tiergarten). deutsche Genossen­
gen kommen zu Preußen. schaftswesen.

1850 Friede von Berlin zwischen Preußen und Däne­ Preußen nach der oktroyierten Verfassung eine Menzel malt die »Ta­ Theodor Storm veröf­ Handwerkergenossen­
mark (Schleswig und Holstein bleiben autonome konstitutionelle Monarchie (bis 1918); alle Ver­ felrunde Friedrichs II. fentlicht »Immensee«; schaften von Schulze-
Herzogtümer ab 1852); Vertrag von Olmütz: Wie­ eine und Versammlungen in Preußen unter poli­ in Sanssouci«; Ludwig Willibald Alexis veröf­ Delitzsch gegründet;
derherstellung des Deutschen Bundes in Frank­ zeiliche Kontrolle gestellt (ähnliche Gesetze in Knaus malt »Die fentlicht »Ruhe ist die preußische »Preß-Ver­
furt unter österreichischer Führung und Auflö­ anderen deutschen Bundesstaaten); Verkündung Falschspieler«. erste Bürgerpflicht«; ordnung«; Rheini­
sung der »Deutschen Union«; Entstehen erster der Agrarreform in Preußen; in der revidierten Friedrich Wilhelm scher Gesellenverein
berufsständisch organisierter Gewerkschaften in preußischen Verfassung (31.1.) wird die Gleich­ Deichmann eröffnet gegründet; der Physi­
England. heit aller Preußen (auch Juden) vor dem Gesetz sein Friedrich-Wil­ ker Hermann Helm­
festgelegt. helm-Städtisches holtz erfindet den Au­
Theater mit einer Fest- genspiegel.
Ouvertüre von Albert
Lortzing.

1851 Staatsstreich Louis Bonapartes in Frankreich; Otto von Bismarck (1815-1898) als Vertreter Rauch vollendet sein Ferdinand Lassalle Berlin erhält eine Be­
erste Weltausstellung in London. Preußens Gesandter beim Deutschen Bundestag, Denkmal Friedrichs veröffentlicht seine rufsfeuerwehr; Grün­
dort Kampf um einen Zollverein; Preußen verbie­ des Großen (Entwürfe »Geschichte der sozia­ dung der Disconto-
tet die Gründung von Kindergärten. seit 1840). len Entwicklung«. Gesellschaft (Berlin).

1852 Louis Bonaparte proklamiert sich zum Kaiser In Köln Prozeß gegen verhaftete Mitglieder des Adolph Menzel been­ Jacob und Wilhelm Preußische Osteisen­
Napoleon III. von Frankreich (bis 1870); Camillo Bundes der Kommunisten; katholische Fraktion det das Bild »Das Flö­ Grimm beginnen bahn von Bromberg
Cavour wird Premierminister des Königs von Sar­ im Preußischen Abgeordnetenhaus gegründet. tenkonzert« (seit 1850). »Deutsches Wörter­ nach Danzig und von
dinien (bis 1860); im Londoner Protokoll ver­ buch« (1. Band). Marienburg nach
pflichtet sich Dänemark, die Autonomie der Braunsberg eröffnet.
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauen­
burg zu achten.

1853 Krieg Rußlands gegen die Türkei, Frankreich und Preußen erwirbt das Jadegebiet und baut den Berliner Bauordnung Johann Karl Friedrich Erlaß eines Arbeits­
Großbritannien (Krimkrieg bis 1856); der deut­ Kriegshafen Wilhelmshaven (1856). erlassen. Rosenkranz veröffent­ schutzgesetzes gegen
sche Zollverein wird auf zwölf Jahre erneuert. licht »Ästhetik des die Kinderarbeit unter
Häßlichen«. 12 Jahren.

1854 Österreich erzwingt von Rußland Räumung der Die Erste Kammer (Herrenhaus) in Preußen re­ Theodor Mommsen In Preußen gibt es
Donaufürstentümer (seit 1853 von Rußland be­ präsentiert die aristokratische und vorherrschen­ vollendet seine »Rö­ 3813 Kilometer Eisen­
setzt); Deutscher Bundestag verbietet alle Arbei­ de Oberschicht (Vertreter der Kirchen, Universi­ mische Geschichte«. bahnstrecke.
tervereine (1868 wieder aufgehoben); reaktionä­ täten, Städte u.a.) kraft erblicher Berechtigung,
res Pressegesetz, das alle Presseerzeugnisse einer kraft königlicher Berufung; die Zweite Kammer
strengen Zensur unterwirft. (Abgeordnetenhaus) wird nach dem Dreiklassen­
wahlrecht gewählt.

1855 Alexander II. neuer Zar von Rußland (bis 1881). Vollendung des von Gustav Freytag veröf­ Der Berliner Drucker
F. A. Stüler begonne­ fentlicht »Soll und Ha­ E. Litfaß stellt die erste
nen Neuen Museums ben«. Litfaß-Säule auf (1.7.);
in Berlin (seit 1843).

1856 Friede von Paris beendet Krimkrieg (südl. Bess­ Vollendung des Baus Wilhelm Raabes VDI (Verein Deut­ Die Firma Lieber­
arabien an Türkei, Schwarzes Meer neutralisiert, der Michaelikirche in »Chronik der Sper­ scher Ingenieure) in mann & Co. kauft die
Donauschiffahrt frei erklärt); Grundsätze des Berlin (ab 1849) von lingsgasse« erscheint. Berlin gegründet; er­ »Wilhelmshütte« (Ma­
internationalen Seerechts werden aufgestellt. August Söller; Franz ster Neandertaler- schinen- und Brücken­
Th. Kugler vollendet Schädel bei Düssel­ bau) bei Sprottau/
seine »Geschichte der dorf gefunden. Schlesien, bald darauf
Baukunst«; Adolph die »Dorotheenhütte«
Menzel malt »Théâtre (Eisenbahnschienen)
du Gymnase«. in Sagan/Schlesien.

1857 Wilhelm I. wird Regent in Preußen anstelle des Johann Heinrich Ernst Curtius schreibt Fertigstellung der
geisteskranken Friedrich Wilhelms IV, Beginn Strack baut das 1687 seine »Griechische Weichselbrücke, die
einer Politik der »Neuen Ära«; Neufchätel von Nering erbaute Geschichte« (bis die bisherige Reise­
(Neuenburg) fällt nach Verzicht Preußens an die Palais für den Kron­ 1867). dauer per Eisenbahn
Schweiz. prinzen (später Fried­ von Königsberg nach
rich III.) um; Rein­ Berlin (bis dahin 26
hold Begas arbeitet an Stunden) wesentlich
seiner Skulptur verkürzt.
»Amor und Psyche«.

1858 Europäische Großmächte beschließen in Paris Franz Wallner führt in Theodor Mommsen Saarbrücker Eisen­
Gründung eines Fürstentums Rumänien. seinem Theater das wird nach Berlin beru­ bahn von Saarbrücken
Volksstück »Berlin, fen; Rudolf Virchow nach Merzig.
wie es weint und begründet die Lehre
I—* lacht!« von Kalisch von der Zelle als Trä-
to Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

und Conradi auf; die ger des Lebens, Krank­


älteste Spandauer Zei­ heiten führt er auf
tung erscheint. Zellveränderungen
zurück.

1859 »Nationalverein« (von Benningsen, Schulze- Beginn der Heeresreform des Kriegsministers Friedrich Adler wird Lassalle schreibt »Der Eröffnung des Span­
Delitzsch) in Frankfurt a. Main gegründet; im von Roon; Bismarck wird preußischer Gesandter Lehrer an der Bauaka­ italienische Krieg und dauer Schiffahrtska­
Frieden von Zürich muß Österreich die Lombar­ in Petersburg (bis April 1862). demie in Berlin. die Aufgabe Preu­ nals.
dei an Frankreich abtreten. ßens«.

1860 Garibaldi landet in Sizilien und Neapel, nach Regierungsvorlage mit Entwurf eines preußi­ Persius und Stüler Ferdinand Lassalle Volksschul-Tumen in Johann Heinrich
Volksabstimmungen in Mittel- und Süditalien schen Heeresgesetzes wird nach Einwänden der vollenden die Orange­ veröffentlicht »Fichtes Preußen. Strack baut das Ge­
Anschluß an Sardinien-Piemont; Abraham Lin­ Liberalen im preußischen Abgeordnetenhaus zu­ rie (ab 1851) im Park politisches Vermächt­ bäude der Borsigschen
coln (1809-1865) US-Präsident; Rußland gründet rückgezogen; der preußischen Regierung werden von Sanssouci (Pots­ nis und die neueste Fabrik am Oranien­
Wladiwostok. 9 Millionen Taler zur Reorganisation des Heeres dam). Gegenwart«; Deich­ burger Tor in Berlin;
bewilligt. mann läßt Jacques Of­ Gründung der Farben­
fenbachs Operette fabrik Bayer in Elber­
»Orpheus in der Un­ feld.
terwelt« uraufführen.

1861 Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont wird Tod Friedrich Wilhelms IV., Wilhelm I. wird »Wagenersche und Friedrich Spielhagen Berlin hat über 100
König des bis auf Rom und Venetien vereinigten König von Preußen (bis 1888); preußische Hee­ Nationalgalerie« in veröffentlicht den Ro­ Maschinenfabriken.
Italien (bis 1878); Alexander II. hebt Leibeigen­ resreform abgeschlossen; Gründung der libera­ der Berliner Akade­ man »Problematische
schaft in Rußland auf; Beginn des amerikani­ len Fortschrittspartei (durch R.v. Virchow); Sieg mie: die Sammlung Naturen«; er gibt von
schen »Sezessionskrieges« (bis 1865). der Fortschrittspartei bei den Wahlen zum Abge­ des Konsuls Joachim 1878 bis 1884 die »We­
ordnetenhaus (Dezember); Erweiterung des Heinrich Wilhelm Wa­ stermanns Monatshef­
städtischen Weichbildes von Berlin durch Ein­ gener fällt als Grund­ te« heraus; Gründung
gemeindung von Wedding, Moabit, Tempelhofer stock für die National­ der »Norddeutschen
und Schöneberger Vorstadt. galerie testamenta­ Allgemeinen Zeitung«
risch an den preußi­ (»Kanzlerblatt«).
schen König.

1862 Abraham Lincoln erklärt Sklavenbefreiung in Otto von Bismarck wird preußischer Ministerprä­ Bekanntgabe des Be­ Gustav Freytag veröf­ Preußische Akademie
den Südstaaten der USA; Georg von Dänemark sident und Außenminister nach vorangegange­ bauungsplans für Ber­ fentlicht »Bilder aus der Wissenschaften
wird König von Griechenland (ermordet 1913). nem Verfassungskonflikt (23.9.). lin von James Ho- der deutschen Vergan­ begründetHerausgabe
brecht. genheit«; Theodor des »Corpus Inscrip-
Fontane schreibt tionum Latinarum«;
»Wanderungen durch erste Berliner wissen­
die Mark Branden­ schaftliche Ausgra­
burg« (1862-82). bungen in Griechen­
land.

1863 Ein Patent des dänischen Königs Friedrich VII. Frankfurter Fürstentag; Unterstützung Rußlands Georg Herwegh dich­ Erste deutsche »Ge­ Feierliche Einwei­
(1848-1863) schließt die Herzogtümer Holstein durch Preußen beim polnischen Aufstand; Kon­ tet »Bundeslied für sellschaftsreisen« von hung der von Friedrich
und Lauenburg vom dänischen Gesamtstaat aus vention Alvensleben (General Gustav von den Allgemeinen Breslau aus. Hitzig erbauten Börse
(gegen den Rechtssatz der Unteilbarkeit der Her­ Alvensleben, 1805-1881) bringt die Annäherung Deutschen Arbeiter­ in Berlin; das erste
zogtümer: »up ewig ungedeelt«); der dänische der preußischen Außenpolitik an Rußland; Ferdi­ verein«. Bessemer-Stahlwerk
Reichstag gliedert laut neuer Verfassung Schles­ nand Lassalle (1825-1864) gründet den Allgemei­ bei Krupp in Betrieb
wig dem dänischen Königreich ein (13.11.). nen Deutschen Arbeiterverein in Leipzig. genommen.
iöm txriegusterreicns und Preußen gegen Danemark, Deütsch-ôsterreichisch-dâniscfïer Krieg (ab Reinhold Begas voll- Erfindung des Sie­
danach verwalten Preußen und Österreich zu­ 1.2.); Sturm auf die Düppeler Schanzen der endet die Gruppe »Ve­ mens-Martin-Verfah­
nächst gemeinsam die Herzogtümer Schleswig, Dänen unter Prinz Friedrich Karl von Preußen nus und Amor«. rens zur Herstellung
Holstein und Lauenburg (später preußische Pro­ (18.4.); Besetzung Alsens und Jütlands, Friede von hochwertigem
vinz Schleswig-Holstein, die 1876 durch Lauen­ von Wien (30.10.); Hochverratsprozeß gegen Stahl; Erneuerung des
burg und 1891 durch Helgoland erweitert wird); Lassalle in Berlin endet mit Freispruch, aber Ver­ Zollvereins ohne
nihilistische Bewegung in Rußland. urteilung in Düsseldorf (6 Monate). Österreich (Oktober).

1865 Ende des amerikanischen Bürgerkrieges mit Sieg Gasteiner Konvention (Schleswig wird von Die »Staatsbürgerzei­ Friedrich Engels ver­
der Nordstaaten. Preußen, Holstein von Österreich verwaltet); tung« erscheint in Ber­ öffentlicht die Schrift
gegen finanzielle Entschädigung tritt Österreich lin (später antisemi­ »Die preußische Mili­
Lauenburg und Preußen ab; erster deutscher tisch); Fritz Reuter tärfrage und die deut­
Frauenkongreß in Leipzig (Gründung des Allge­ veröffentlicht »Ut mi­ sche Arbeiterpartei«;
meinen Deutschen Frauenvereins). ne Stromtid«. Handelsvertrag mit
Österreich.

1866 Deutscher Krieg: Sieg Preußens gegen Österreich Krieg Preußens und 17 kleinerer norddeutscher Bauvollendung der Sy­ Die Archive der neuen Werner Siemens ent­
und Deutschen Bund in der Schlacht bei König- Staaten gegen Österreich und Bayern, Sachsen, nagoge an der Ora­ preußischen Landes­ deckt das elektrodyna­
grätz; Friede von Wien zwischen Österreich und Hannover und 9 weiterer Bundesstaaten; kein ge­ nienburger Straße in teile, u. a. des König­ mische Prinzip und
Italien; Verfassungsreform in Norwegen-Schwe­ meinsames militärisches Vorgehen, die Hanno­ Berlin durch Eduard reichs Hannover, Kur­ konstruiert eine be­
den; Carol I. wird Fürst von Rumänien (1881 veraner kapitulieren nach Gefecht bei Langen­ Knoblauch (ab 1859); hessens und des Her­ trieb sreife Dynamo­
König, bis 1914). salza (29.6.), die süddeutschen Kontingente am Baubeginn der Natio­ zogtums Nassau wer­ maschine.
Main; Sieg Preußens bei Königgrätz in Böhmen nalgalerie auf der Mu­ den dem preußischen
(3.7.) über die österreichische Nordarmee; nach seumsinsel in Berlin Archivwesen einge­
Kriegsende einverleibt sich Preußen: Nassau, nach Plänen August gliedert; neue Archive
Hessen-Kassel, Hessen-Homburg und die Freie Stülers, errichtet von werden gegründet in
Stadt Frankfurt am Main (zusammen mit einigen August Strack (vollen­ Schleswig (1868) und
thüringischen und bayerischen Orten wird dar­ det 1876). Posen (1868/9); Um­
aus Provinz Hessen-Nassau); Hannover wird benennung des Ge­
mit Ostfriesland, Lingen, Osnabrück, Stade, werbeinstituts in »Ge­
Lüneburg und Hildesheim die preußische Pro­ werbeakademie«.
vinz Hannover (Preußen zählt damit 23,6 Millio­
nen Bewohner auf 6 395 Quadratmeilen); Her­
zogtum Braunschweig (mit Wolfenbüttel) unter­
wirft sich der Führung Preußens.

1867 Kaiser Franz Joseph I. wird König von Ungarn, Gründung des Norddeutschen Bundes unter Max Liebermann ar­ J. G. Droysen veröf­ Deutsche Chemische Die Einführung eines
österreichisch-ungarische Doppelmonarchie (bis Führung Preußens (Hauptstadt Berlin); Bis­ beitet mit an Steffecks fentlicht »Grundriß Gesellschaft in Berlin einheitlichen Maß-,
1916); Ungarn erhält eigenen Reichstag, gemein­ marck wird erster Kanzler des Norddeutschen Gemälde »König Wil­ der Historik«; Karl gegründet. Münz- und Gewichts­
sam bleiben Außenpolitik und Heer; Luxemburg Bundes, dessen Verfassung am l.Juli in Kraft helm I. wird von sei­ Marx veröffentlicht systems sowie Han­
wird neutral (preußische Besatzung zieht ab); tritt (bis 1871, enthält wesentliche Bestimmun­ nen Kriegern nach der den 1. Band »Das Ka­ dels- und Gewerbege­
USA kauft Alaska von Rußland. gen der späteren Reichsverfassung). Schlacht von König­ pital«; Rudolf Mosse setze in den Staaten
grätz begrüßt«. gründet in Berlin sei­ des Norddeutschen
ne »Annoncen-Expe- Bundes.
dition«.

1868 Eröffnung des ersten Zollparlaments, das die Ver­ Abriß der Stadtmauer Davidsohn gründet Von Emst Haeckel er­ August Bebel gründet
treter der nord- und süddeutschen Staaten eint; in Berlin; H.F.Waese- den »Berliner Börsen- scheint »Natürliche die Gewerkschaftsge­
Sturz Isabellas II. durch liberale Generäle in mann vollendet das Courier«. Schöpfungsgeschich­ nossenschaft.
Spanien. »Rote Rathaus« in te«.
Berlin-Stadtmitte.

1869 Beginn der Krise um spanische Thronfolge, Kan­ August Bebel (1840-1913) und Wilhelm Lieb­ König Wilhelm I. Erster weiblicher Be­
didatur des Erbprinzen Leopold von Hohenzol- knecht (1826-1900) gründen in Eisenach die beauftragt den Geiger rufsverein (Lehrerin­
lern-Sigmaringen (1835-1905) wird zum Anlaß Sozialdemokratische Arbeiterpartei; der Nord­ Joseph Joachim mit nen) in Deutschland
der Kollision zwischen Frankreich und Preußen. deutsche Bund nimmt gegen die Stimmen der der Gründung einer gegründet.
Sozialdemokraten eine neue Gewerbeordnung Hochschule für Musik
an (ohne Frauenschutz). in Berlin.
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1870 »Emser Depesche«; Deutsch-französischer Deutsch-französischer Krieg (bis 1871). Paul Heyse schreibt Wirtschaftliche Hoch­
Krieg, Kapitulation Napoleons III. bei Sedan »Der letzte Kentaur« konjunktur der »Grün­
(2.9.); Ausrufung der III. Republik in Paris (4.9.); (Novelle); Theodor derjahre« beginnt: In­
Rom wird nach Abzug der französischen Besat­ Fontane wird Theater­ dustrieproduktion in
zung zur Hauptstadt Italiens ausgerufen, Auflö­ kritiker an der »Vossi- Deutschland wächst
sung des Kirchenstaates. schen Zeitung« (bis zwischen 1870 und
1889). 1872 um 30 Prozent.

1871 Ausrufung des zweiten Deutschen Reiches in Deutsche Kaiserproklamation in Versailles Max Liebermann be­ Mosses »Berliner Ta­ Eröffnung der ersten
Versailles (18. Januar); Wilhelm I. von Preußen (18.1.); deutscher Kaiser Wilhelm I. und König in ginnt die Arbeit an den geblatt« erscheint. Teilstrecke der Berli­
durch König Ludwig II. von Bayern (1864-1886) Preußen (bis 1888). »Gänserupferinnen« ner Ringbahn.
im Namen der deutschen Fürsten zum Deut­ (bis 1872); Adolph
schen Kaiser proklamiert; Bundesstaat unter der Menzel malt »Abreise
Hegemonie Preußens, Bismarck erster Reichs­ König Wilhelms I. zur
kanzler (bis 1890); Aufstand der Pariser Kommu­ Armee am 31. Juli
ne wird blutig unterdrückt; Frieden von Frank­ 1870«; Begas vollendet
furt; Lothringen und Elsaß an Deutsches Reich, sein Schiller-Denk­
Frankreich muß 5 Milliarden Francs Kriegsent­ mal.
schädigung zahlen.

1872 Dreikaiserzusammenkunft und Besprechungen Bismarck beginnt seinen »Kulturkampf« in Adolph von Hilde­ Kulturkampf (bis Der Konjunkturauf­
zwischen Bismarck, Andrassy (Österreich-Un­ Deutschland und Preußen (bis 1886). brand schafft die 1887) in Preußen: Ver­ schwung führt zu star­
garn) und Gortschakow (Rußland); Beginn des Skulptur »Trinkender bot des Jesuitenor­ kem Anstieg der Stadt­
»Kulturkampfes«, in dem die Zentrumspartei im Knabe«. dens, in Preußen über­ bevölkerung bei kata­
Reichstag gegen Bismarck auftritt; Bismarck läßt nimmt der Staat die strophalen Wohnver­
die Jesuiten ausweisen; »Hochverratsprozeß« Schulaufsicht. hältnissen, deshalb in
gegen Bebel und Liebknecht, sie werden zu je Berlin Barrikaden­
zwei Jahren Festungshaft verurteilt. kämpfe wegen des
Wohnungselends.

1873 Räumung Frankreichs von deutschen Truppen Maigesetze: Staatliche Vorschriften für die Aus­ Johann Heinrich Carl Humann schenkt »Gründerjahre« en­
abgeschlossen; Patrice Mac-Mahon (1808-1893) bildung von Geistlichen und über die kirchliche Strack errichtet die dem Pergamon-Mu­ den mit einer Wirt­
wird zweiter Präsident der III. Republik in Frank­ Disziplinargewalt (bis 1874). Siegessäule in Berlin seum die ersten Re­ schaftskrise, Abwen­
reich; Abschluß des »Drei-Kaiser-Bundes« zwi­ (darauf die Viktoria liefs vom Pergamon- dung vom Wirtschafts­
schen Deutschland, Österreich und Rußland. von Friedrich Drake). Altar. liberalismus.

1874 Annahme des Reichsmilitärgesetzes durch den Einführung der Zivilehe in Preußen und im Städtisches Kranken­ »Pole Poppenspäler« Vertrag zwischen der Erstes städtisches
Reichstag, wonach u.a. die Friedenspräsenzstär­ Reich; Vereinigung des Geheimen Ministerial- haus am Friedrichs­ von Theodor Storm er­ griechischen Regie­ Krankenhaus am
ke des Heeres von ca. 367 000 auf ca. 402 000 er­ archivs (gegründet 1808 aus der Altregistratur des hain von Martin Gro­ scheint; in der »Spe- rung und dem Deut­ Friedrichshain in Ber­
höht wird; Attentat auf Bismarck; Benjamin Generaldirektoriums) mit dem Geheimen Staats­ pius und Heino nerschen Zeitung«, schen Reich zur Aus­ lin; Raiffeisen gründet
Disraeli wird Premierminister in England (bis archiv im »Hohen Haus« in der Klosterstraße Schmieden fertigge­ die in der »National­ grabung in Olympia; in Neuwied seine
1880). (Berlin); Berlin hat 966 858 Einwohner. stellt; Menzel malt zeitung« aufgeht, er­ Ernst Haeckel veröf­ »Landwirtschaftliche
sein »Eisenwalzwerk«. scheint Paul Heyses fentlicht »Anthropo­ Generalbank«.
Roman »Die Kinder genic oder Entwick­
der Welt«. lungsgeschichte des
Menschen«.

1875 Orientkrise, britische und russische Schritte in Vereinigung der beiden Arbeiterparteien (Lassai- Anton von Werner Tumen in den Berliner Reichsbank in Berlin
- Rpriin ffppen anaphliehe PräventivkneRSBbsich- lianer und Marxisten) auf de. Basis d« Gpth^ wird Direktor der Mädchenschulen ein- eröffnet._____________________________
ten, russisch-österreichischer Gegensatz, Bela- Programmes zur »Sozialistischen Arbeiterpar- Hochschule für bil­ geführt; Beginn der
stung des Dreikaiserabkommens; Bismarck tei«. dende Künste in Ber­ deutschen Ausgrabun­
warnt Frankreich vor der Durchführung einer lin. gen in Olympia.
Heeresreform (»Krieg-in-Sicht«-Krise).

1876 Gründung der Deutschkonservativen Partei; Eröffnung der von Jo­ Felix Dahn veröffent­ Robert Koch weist im Nicolaus Otto erfindet
erste Nummer des Zentralorgans der Sozialisti­ hann Heinrich Strack licht »Ein Kampf um Milzbrandbazillus in Köln-Deutz den
schen Arbeiterpartei Deutschlands erscheint nach Entwürfen von Rom«; Uraufführung erstmals einen leben­ Viertakt-Benzinmotor.
(1.10.); Serbien und Montenegro führen Krieg Stüler erbauten Natio­ von Kleists »Penthesi­ den Mikroorganismus
gegen die Türkei. nalgalerie in Berlin. lea« in Berlin. als Ursache einer
Infektionskrankheit
nach.

1877 Bei den Reichtstagswahlen erhalten die Sozial­ Anton von Werner Leopold Ullstein (Ber­ Reichspatentamt in
demokraten über eine halbe Million Stimmen; malt Gesellschaftssze­ liner Stadtverordne­ Berlin eingerichtet.
russisch-türkischer Krieg (bis 1878). nen nach Ovid und ter) gründet den Ver­
Horaz im Café Bauer. lag Ullstein.

1878 Attentate auf Kaiser Wilhelm I.; Berliner Kon­ Annahme des »Gesetzes gegen die gemeinge­ Adolph Menzel voll­ Heinrich von Treitsch- Heinrich von Sybel,
greß (mit Bismarck als »Schiedsrichter«) besei­ fährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« endet »Das Ballsou­ ke veröffentlicht »Der Direktor des Gehei­
tigt Kriegsgefahr zwischen Rußland und England (bis 1890); kleiner Belagerungszustand über Ber­ per«, Reinhold Begas Sozialismus und der men Staatsarchivs in
sowie Österreich-Ungarn. lin verhängt; Verbot der Parteipresse und -organi­ vollendet die Gruppe Meuchelmord«. Preußen von 1875 bis
sation, Verfolgung der aktiven Sozialdemokraten »Merkur und Psyche«. 1895.
und Gewerkschaften; Trennung der Provinz
Preußen und Ostpreußen (Königsberg) und
Westpreußen (Danzig).

1879 Spaltung der Nationalliberalen und »Bündnis Von Treitschke er­ Siemens führt die erste
zwischen Schwerindustrie und Großgrundbe­ scheint sein Haupt­ elektrische Bahn der
sitz«; Beginn der Kolonialpropaganda; Zwei­ werk »Deutsche Ge­ , Welt vor; erste elektri­
bund zwischen Österreich und Deutschland. schichte im 19. Jahr­ sche Bogenlampen in
hundert«. der Leipziger Straße in
Berlin.

1880 Sprachenverordnung für Böhmen und Mähren Berlin hat 1,3 Millionen Einwohner. Vollendung des Köl­ Konrad Duden veröf­ Robert Koch ist in Ber­ Siemens baut den er­
verschärft nationale Zwistigkeiten in Österreich- ner Doms; Franz fentlicht »Orthogra­ lin am Kaiserlichen sten elektrischen Auf­
Ungarn; Festigung Frankreichs zur Republik, Heinrich Schwechten phisches Wörterbuch Gesundheitsamt, als zug.
14. Juli wird Nationalfeiertag. baut den Anhalter der deutschen Spra­ Direktor des Hygieni­
Bahnhof in Berlin; che«. schen Instituts der
Eröffnung der Kunst­ Universität und des
handlung Fritz Gur- neugegründeten Insti­
litt. tutes für Infektions­
krankheiten.

1881 Geheimer Neutralitätsvertrag zwischen Deutsch­ Anton von Werner Von Emst Wichert er­ Heinrich Schliemann Einrichtung der ersten
land, Österreich und Rußland für drei Jahre; malt »Der Berliner scheint der Roman wird Ehrenbürger von Ortsfemsprechanlage
Alexander III. neuer Zar (bis 1894); Frankreich Kongreß 1878« (seit »Heinrich von Plau­ Berlin. in Berlin mit 45 Teil­
besetzt Tunesien. 1878); Vollendung en« (3 Bde.). nehmern; Siemens
des Kunstgewerbemu­ baut in Lichterfelde
seums in Berlin von die erste elektrische
Martin Gropius und Straßenbahn.
Heino Schmieden.

1882 Gründung des Deutschen Kolonialvereins, der Beginn des Schinkel- Menzels Illustratio­ Robert Koch entdeckt Evangelischer Arbei­
eine expansive Kolonialpolitik propagiert; Ab­ wettbewerbs und »Öf­ nen zu den Werken den Tuberkelbazillus. terverein in Gelsenkir­
schluß des geheimen »Dreibundes« zwischen fentliche Konkurrenz Friedrichs des Großen chen gegründet.
Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien; wegen Bebauung der erscheinen; Grün­
Großbritannien besetzt Ägypten. Museumsinsel in Ber­ dung des »Philharmo­
lin«. nischen Orchesters« in
Berlin.
un
O Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1883 Geheimer Bündnisvertrag zwischen Österreich, Erste öffentliche Aus­ August Bebel veröf­ Robert Koch entdeckt Krankenversiche­
Rumänien und Deutschland. stellung von Werken fentlicht »Die Frau den Cholera-Bazillus. rungsgesetze im
französischer Impres­ und der Sozialismus«; Reichstag verabschie­
sionisten in Deutsch­ Gründung des »Fried­ det; Gründung der
land in der Galerie richshagener Kreises« Deutschen Edison-
Gurlitt in Berlin, durch die Brüder Hart; Gesellschaft, aus der
scharfe Kritik der deut­ A. Scherl läßt erste 1887 die AEG hervor­
schen Presse. Nummer des »Berli­ geht, durch Emil Ra-
ner Lokal-Anzeigers« thenau in Berlin.
erscheinen.

1884 Erneuerung des »Drei-Kaiser-Bündnisses«; Vollendungdes Haupt­ Erstaufführungen von Friedrich August Jo­ U nfallversicherungs-
Gründung deutscher Kolonien in Südwestafrika, gebäudes der Techni­ Offenbachs »Hoff­ hannes Löffler, Mitar­ gesetz im Reichstag
Kamerun, Togo, Ostafrika, Neuguinea, dem Bis­ schen Universität in manns Erzählungen« beiter von Robert verabschiedet.
marck-Archipel und den Marschall-Inseln (bis Berlin-Charlottenburg und Millöckers »Gas- Koch in Berlin, ent­
1885); Suezkanal durch Aktienmehrheit unter nach Plänen von Ri­ parone«; die Philhar­ deckt das Diphterie-
englischer Kontrolle; Internationale Kongo-Kon­ chard Lucae, Fried­ moniker in Berlin spie­ bakterium.
ferenz in Berlin (bis 1885); Gründung der deut­ rich Hitzig und Julius len unter Johannes
schen Freisinnigen Partei (linksliberal). Raschdorff (seit 1878 Brahms (ab 1887 unter
im Bau). Hans von Bülow).

1885 Kongo-Konferenz in Berlin bestätigt den »Kon­ Mit Fürsprache Anton Von Karl Marx er­ Streik von 12 000 Mau­
go-Freistaat« König Leopolds II. von Belgien; von Werners tritt Max scheint der 2. Band rern im Juni/August
Russifizierung von Livland, Estland und Kur­ Liebermann in den »Das Kapital« (bear­ in Berlin.
land; Krieg zwischen Serbien und Bulgarien; Verein Berliner Künst­ beitet von Engels); Ar­
Papst verleiht Bismarck den Christusorden für ler ein; Käthe Kollwitz no Holz veröffentlicht
die Anerkennung seines Schiedsspruches, der die kommt von Königs­ »Das Buch der Zeit«;
Karolineninseln Spanien zuspricht. berg nach Berlin. Max Skladanowsky
führt im Berliner»Win­
tergarten« das »Thea­
ter lebender Photo­
graphien« (Kino) vor.

1886 Streikerlaß des Innenministers v. Puttkamer lei­ Verlängerung der Sozialistengesetze um zwei Liebermann zeigt mit Emst Wichert veröf­ »Jahrbuch des Deut­ Zentralmarkthalle in
tet neue Phase des »Sozialistengesetzes« ein, die Jahre. Erfolg im Glaspalast fentlicht den Roman schen Archäologi­ Berlin eröffnet; die Be­
durch verschärfte Unterdrückungsmaßnahmen am Lehrter Bahnhof »Der Große Kurfürst schen Instituts« be­ legschaft bei Krupp in
gegen die Sozialdemokratie gekennzeichnet ist; die »Amsterdamer in Preußen« (5 Bde., gründet. Essen zählt 20000
Entmündigung und Tod Ludwigs IL, König von Waisenmädchen«, das bis 1887). Mann.
Bayern; Ende des »Drei-Kaiser-Bundes« (seit »Tischgebet« und das
1873). »Altmännerhaus«.

1887 Ende des »Kulturkampfes« mit der Aufhebung Sammlung einer Anti-Bismarck-Front (von Wal- Arthur Kampf malt Ersterscheinen der 28 Stahlwerke schlie­
der »Maigesetze« von 1873 ; Bismarck unterstützt dersee, von Holstein); verschärfter Belagerungs­ »Der Choral von Leu- »Berliner Abendpost« ßen sich zum Deut­
den Orient-Dreibund Österreich, England und zustand über Berlin. then«; Anton von bei Ullstein. schen Walzwerksver­
Italien (im Widerspruch zu »Rückversicherungs­ Werner wird Vorsit­ band zusammen.
vertrag« mit Rußland) gegen die Türkei. zender des »Vereins
Berliner Künstler«.
Arthur Kampf malt Theodor Storms Al­ Die Deutsche Bank er­
fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt« nach 99tägiger Regierung; Wilhelm II. deutscher »Aufbahrung der Lei­ terswerk »Der Schim­ hält die erste Konzes­
(6.2.); »Dreikaiser«-Jahr in Deutschland (von Kaiser und König von Preußen (bis 1918). che Wilhelms I. im melreiter« erscheint; sion zum Bau der Bag­
Wilhelm I. über Friedrich III. zu Wilhelm II.); Dom zu Berlin«. Theodor Fontane ver­ dadbahn; Nachweis
internationale Konvention über Suezkanal. öffentlicht »Irrungen, von elektromagneti­
Wirrungen«. schen Wellen durch
H. Hertz.

1889 Alexander Obrenovic wird König von Serbien Alters- und Invalidenversicherung im Reich und Erste Ausstellung Les­ Arno Holz und Joh. Robert Koch gelingt Streiks der Bergarbei­
(1903 ermordet). in Preußen. ser Urys bei Gurlitt in Schlaf veröffentlichen die Erzeugung von Tu­ ter im Ruhrgebiet, in
Berlin; Emil Nolde »Papa Hamlet«; Ger­ berkulin; Emil von Waldenburg/Schle-
kommt nach Berlin hart Hauptmann ver­ Behring entdeckt das sien, im Aachener und
(bleibt bis 1891). öffentlicht »Vor Son­ Diphtérie- und Teta­ Saargebiet; Einfüh­
nenaufgang«; Grün­ nusantitoxin. rung von Invaliden-
dung der »Freien Büh­ und Altersversorgung
ne«, die Aufführung in Deutschland.
von Ibsens »Gespen­
stern« verursacht ei­
nen Sturm der Entrü­
stung; Uraufführung
von Hermann Suder­
mann »Die Ehre«.

1890 Erneuter Wahlerfolg der Sozialdemokraten bei Aufhebung der Sozialistengesetze. Gründung der ersten Erste internationale
den Reichstagswahlen (ca. 1,5 Millionen Stim­ Arbeiterbühne, der Arbeiterschutzkonfe­
men); Wilhelm II. entläßt Bismarck (20.3.); Graf »Freien Volksbühne« renz in Berlin; Arbei­
Leo von Caprivi wird neuer Reichskanzler (bis in Berlin; Ersterschei­ terschutzgesetz im
1894); die Sozialistische Arbeiterpartei Deutsch­ nen der »Berliner Illu­ Reichstag angenom­
lands ändert ihren Namen in Sozialdemokrati­ strierten Zeitung«. men; Gründung der
sche Partei Deutschlands (SPD); Helgoland im Mannesmann-Röh­
Tausch gegen Sansibar von England an Deutsch­ renwerke in Berlin
land. (1893 nach Düssel­
dorf).

1891 Erneuerung des »Dreibundes« zwischen Begas vollendet den Gerhart Hauptmann Ein Reichsgesetz re­
Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien auf Neptunbrunnen; Lyo­ schreibt »Einsame gelt Sonntagsruhe;
zwölf Jahre; Bündnisabkommen zwischen Ruß­ nei Feininger kommt Menschen«; sozialisti­ maximale Arbeitszeit
land und Frankreich; Annahme des »Erfurter nach Berlin und stu­ sche Frauenzeitschrift für Fabrikarbeiterin­
Programms« auf dem Parteitag der SPD; All­ diert an der Akademie. »Die Gleichheit« er­ nen über 16 Jahre: 11
deutscher Verband gegründet (Hugenberg, von scheint (bis 1923); Al­ Stunden; Arbeitsver­
Holstein), drängt auf offensive Außenpolitik. fred Kerr veröffent­ bot für Kinder unter 14
licht »Die Technik Jahren in Fabriken;
des realistischen Dra­ Emst Abbe übergibt
mas«. die Firma Zeiss der
von ihm 1889 gegrün­
deten Carl-Zeiss-Stif-
tung.

1892 Abschluß der »Militärkonvention« zwischen Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft Munch-Ausstellung Maximilian Harden Emil von Behring ver­ Der erste Kongreß
Frankreich und Rußland (führt 1893 zu einem in Berlin. (55 Gemälde) auf Ein­ begründet die Zeit­ öffentlicht (mit S. Ki­ freier Gewerkschaften
festen Bündnis). ladung des Vereins schrift »Die Zukunft«; tasato) seine Arbeiten in Halberstadt (Be­
Berliner Künstler ver­ Gerhart Hauptmann über Ziele und Metho­ schluß der Aufnahme
ursacht Skandal. Ju­ beendet »Die Weber«; den der Serumbe­ von Frauen); Grün­
lius Lessing, Direktor Theodor Fontane ver­ handlung. dung des Arbeiter-
der Kunstgewerbe­ öffentlicht »Frau Jen­ Tum- und Sportbun­
sammlung, fordert in ny Treib el«, August des; Gründung der
einem Vortrag zweck­ Bebel »Christentum Berliner Bau- und
mäßige Möbel ohne und Sozialismus«, Wohnungsgenossen­
jede historische Rück­ Werner von Siemens schaft.
sicht. »Lebenserinnerungen«.
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1893 Gründung des Bundes der Landwirte (162 000 Bund der Landwirte wandelt die Konservativen Käthe Kollwitz be­ Uraufführung von Wirtschaftskrise in
Mitglieder im Mai 1893), einflußreichster Inter­ zur Interessenpartei der ostelbischen Groß­ ginnt den Zyklus »Ein Hauptmanns »Die Deutschland: ein Drit­
essenverband im Deutschen Kaiserreich. grundbesitzer (Oldenburg-Januschau). Weberaufstand« (voll­ Weber« in einer ge­ tel aller Arbeiter ohne
endet 1897); Grün­ schlossenen Vorstel­ Arbeit oder in geringe­
dung der »Freien lung (die öffentliche rem Verdienst; Grün­
Künstlervereinigung« Aufführung war poli­ dung des Rheinisch-
in Berlin als Reaktion zeilich verboten wor­ Westfalischen Koh­
auf die Schließung der den); Gerhart Haupt­ lensyndikats.
Munch-Ausstellung; mann beendet »Der
Gurlitt zeigt im De­ Biberpelz«; Max Hal­
zember in Berlin Bil­ be schreibt »Jugend«.
der von Pissarro, De­
gas, Monet, Renoir
und Sisley.

1894 Neuer deutscher Reichskanzler Fürst Hohenlohe Paul Wallot vollendet Nach der öffentlichen Demonstration von et­
(bis 1900); Nikolaus II. letzter Zar von Rußland den Bau des Reichs­ Uraufführung von wa 2000 Arbeitslosen
aus dem Hause Romanow (bis 1917); Alfred tagsgebäudes (seit Hauptmanns »DieWe- in Berlin, gegen die die
Dreyfus, Offizier jüdischer Abstammung, wird in 1884); Anton von Wer­ ber« (unter O. Brahm) Polizei mit Gewalt vor­
Frankreich wegen angeblichen Landesverrats ner malt »Im Etappen­ am 25. 9. im Deut­ geht.
verurteilt und deportiert. quartier vor Paris«. schen Theater kündigt
der Kaiser die Hoflo­
ge; Veröffentlichung
des 3. Bandes »Das
Kapital« von Karl
Marx; Theodor Wolff
geht als Berichterstat­
ter des »Berliner Ta­
geblatt« nach Paris.

1895 Vorläufige Auflösung von elf sozialdemokrati­ Vollendung des Baus Gerhart Hauptmann Deutschland überholt
schen Vereinen, einschließlich des Parteivorstan­ der Kaiser-Wilhelm- beendet »Florian Großbritannien in der
des der SPD, durch den Polizeipräsidenten von Gedächtnis-Kirche Geyer«; Gründung der Industrieproduktion.
Berlin. (ab 1891) von Franz Zeitschrift »Pan« in
Schwechten; Grün­ Berlin; Artur Nikisch
dung der Künstlerko­ dirigiert die Berliner
lonie Worpswede. Philharmoniker (bis
1922).

1896 »Krüger-Telegramm« Wilhelms II. an den Präsi­ Hugo von Tschudi Arno Holz veröffent­ Aus einer Schüler­ Verkündung des Bür­
denten der Südafrikanischen Republik ruft Ver­ wird Direktor der Ber­ licht »Sozialdemokra­ gruppe am Steglitzer gerlichen Gesetzbu­
stimmung in Großbritannien hervor; Geheim­ liner Nationalgalerie ten«; Gerhart Haupt­ Gymnasium in Berlin ches (tritt am 1.1.1900
vertrag Rußland-China gegen Japan; Friedrich (bis 1909); Lovis Co­ mann veröffentlicht entwickelt sich unter in Kraft); erste Ar­
Naumann (1860-1919) gründet »Nationalsozia­ rinth malt »Selbstbild­ »Die versunkene Führung von Her­ beitslosenversiche­
len Verein«; Sachsen erhält Drei-Klassen-Wahl- nis mit Skelett«. Glocke«; der Schiller­ mann Hoffmann und rung in Köln; Tod von
recht unter König Albert. preis wird Gerhart (ab 1900) Karl Fischer Otto Lilienthal bei ei­
Hauptmann durch die Wandervogel-Ju­ nem Absturz mit sei­
Eingreifen des Kaisers gendbewegung. nem Gleitsegler.
vorenthalten.
Mjiicu von iirpiiz Aut der Großen Berli- Franz Mehring veröf- Gründung des Ver­
tär des Reichsmarineamtes; Arbeiterkongreß in ner Kunstausstellung fentlicht »Geschichte bandes katholischer
Zürich: Forderung nach Achtstundentag; erster erhält Max Lieber­ der deutschen Sozial­ Arbeitervereine Nord-
Zionisten-Kongreß in Basel. mann, mit 31 Werken demokratie«. und Ostdeutschlands.
vertreten, die große
Goldene Medaille.

1898 Orientreise Wilhelms IL, seine »Damaskusrede« Schöneberg bei Berlin erhält Stadtrecht, ebenso Alfred Messel beginnt Gerhart Hauptmann James Simon gibt den Konrad Reimer und
erweckt britisches und russisches Mißtrauen, Ab­ Rixdorf (1899). mit dem Bau des Kauf­ veröffentlicht »Fuhr­ Anstoß zur Gründung Friedrich Körte ent­
lehnung des englischen Verständigungsangebo­ hauses Wertheim, wo­ mann Henschel«; der Deutschen Orient- werfen und bauen das
tes; italienischer Anarchist ermordet Kaiserin mit er die spätere Rosa Luxemburg Gesellschaft (DOG) Werktor von Borsig in
Elisabeth von Österreich (geb. 1837); Alfred von »Neue Sachlichkeit« schreibt »Sozialreform zum Zwecke archäolo­ Berlin; Bau des Dort­
Tirpitz fordert deutsche Hochseeflotte (erstes entscheidend beein­ oder Revolution?«; gischer Ausgrabungen. mund-Ems-Kanals.
Flottengesetz vom Reichstag angenommen); flußt; die Ablehnung Eröffnung des Metro­
Gründung des Deutschen Flottenvereins; China des Gemäldes »Gru- pol-Theaters in Berlin
verpachtet Kiautschou an Deutschland. newaldsee« von Lei- mit der Posse »Para­
stikow durch die Jury dies der Frauen« von
der Großen Berliner Julius Freund; Erster­
Kunstausstellung scheinen der »Berliner
führt zur Gründung Morgenpost«.
der Berliner Seces­
sion; Anlage der Sie-
gesallee im Berliner
Tiergarten (bis 1901).

1899 Heeresvorlage im Deutschen Reichstag; 1. Haa­ Lovis Corinth malt Arno Holz veröffent­ Reinhold Koser wird In Deutschland seit
ger Friedenskonferenz über friedliche Beilegung »Salome«; Lieber­ licht »Phantasus«; durch »allerhöchsten« 1890 3750 Streiks mit
internationaler Konflikte und Landkriegsord­ manns Wahl zum Prä­ Uraufführung von Erlaß »Generaldirek­ ca. 405 000 Beteiligten.
nung, 26 Staaten bilden einen internationalen sidenten der neuge­ Kleists »Amphitryon« tor der preußischen
Schiedsgerichtshof; Krieg Großbritanniens ge­ gründeten Berliner Se­ in Berlin; Josef Kainz Staatsarchive« (bis
gen die Buren in Südafrika (bis 1902); Dreyfus in cession; Emst Barlach wechselt vom »Deut­ 1914); erste Ausgra­
Frankreich begnadigt (1906 freigesprochen und kommt nach Berlin, schen Theater« in Ber­ bungen in Babylon
rehabilitiert); Karolinen und Marianen werden Freundschaft mit Karl lin nach Wien; Urauf­ durch DOG (Deut­
deutsche Kolonien. Scheffler (dem späte­ führung der Operette sche Orient-Gesell­
ren Redakteur von »Frau Luna« von Paul schaft, bis 1917); erste
»Kunst und Künstler«. Lincke im Berliner Ausgrabungen in Mi­
Apollo-Theater; Blü­ let durch Berliner Mu­
tezeit des »Café des seen (bis 1914); Ernst
Westens« beginnt; Haeckels »Welträtsel«
Zeitungskrieg Scherl- erscheinen.
Ullstein in Berlin.

1900 Annahme des zweiten Flottengesetzes durch den Harry Graf Kessler Gerhart Hauptmann Max Planck (seit 1889 Gründung des Ge­
Reichstag, Verdopplung der deutschen Flotte; läßt seine neue Woh­ beendet das Drama Professor in Berlin) samtverbandes der
große Debatten im Reichstag um die »Lex-Hein- nung in der Köthener »Michael Cramer«; leitet durch Interpola­ christlichen Gewerk­
ze«-Vorlage (unter dem Vorwand der Eindärm Straße von Henry van von Hermann Suder­ tion die Plancksche schaften Deutsch­
mung der Prostitution sollen die künstleri­ de Velde einrichten; mann erscheint das Strahlungsformel ab lands; 680 000 Mitglie­
schen Freiheiten entscheidend eingeschränkt Hans Baluschek malt Schauspiel »Johannis­ (Quantentheorie). der in den sozialisti­
werden); Graf (1909 Fürst) Bernhard von Bülow »Proletarierinnen«; ei­ feuer«. schen Gewerkschaf­
wird Reichskanzler (bis 1909); Emanuel III. Kö­ ne Cézanne-Ausstel- ten; erste Autodrosch
nig von Italien (bis 1946); Europäische Groß­ lung bei Paul Cassirer ke in Berlin.
mächte werfen »Boxer«-Aufstand in China nie­ löst starke Angriffe
der. Wilhelms II. aus.

1901 Eduard VII. wird englischer König (bis 1910); Käthe Kollwitz be­ Hermann Löns veröf­ Emil von Behring er­ Erstes Privatautomo­
Scheitern von deutsch-britischen Bündnisver­ ginnt die Arbeit an ih­ fentlicht »Mein grünes hält den Nobelpreis bil in Berlin; Bau des
handlungen; Friedensnobelpreis an Henri rem Zyklus »Bauern­ Buch«; Start des für Medizin; Eröff­ Königsberger Seeka­
Dunant (1828-1910), dem Anreger des internat. krieg« (1908 vollen­ »Überbrettl«-Kaba- nung des älteren Per­ nals; Anlage des Tel-
Roten Kreuzes. det); Reinhold Begas retts in Berlin (18. 1.) gamon-Museums in towkanals in Berlin.
vollendet sein Bis- mit von Wolzogen und Berlin.
Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte
Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

marckdenkmal vor Otto Julius Bierbaum;


dem Reichstagsgebäu­ Carl Meinhard und
de. Rudolf Bemauer grün­
den das Kabarett »Die
bösen Buben« in Ber­
lin.

1902 Vertrag zwischen Italien und Frankreich über Max Slevogt malt Hermann Sudermann Der Chemiker Emil Unterzeichnung der
gegenseitige Neutralität zeigt die zunehmende »Der Sänger d’Andra- veröffentlicht die Bro­ Fischer, seit 1892 in deutsch-türkischen
außenpolitische Isolierung des Deutschen Rei- de als Don Giovanni«; schüre »Über die Ver­ Berlin, erhält den No­ Konzession für den
ches;englisch-japanischer Bündnisvertrag, gegen Alfred Kubin wird rohung der Theaterkri­ belpreis für Chemie Bau der Bagdadbahn;
Rußland gerichtet. durch eine Ausstel­ tik«; der Historiker für die Synthese des Betriebsbeginn der er­
lung seiner Zeichnun­ Theodor Mommsen Traubenzuckers und sten Strecke der Berli­
gen bei Paul Cassirer bekommt den Nobel­ Arbeiten über Purin­ ner Hoch- und Unter­
in Berlin bekannt; 28 preis für Literatur; körper; Eröffnung der grundbahn.
Bilder Edvard Munchs Wilhelm Dörpfeld ver­ Hochschule für Bil­
in der Berliner Seces- öffentlicht »Troja und dende Künste und der
sionsausstellung; Lo­ Ilion«. Hochschule für Musik
vis Corinth wird in den in Berlin; erste Aus­
Vorstand der Berliner grabungen in Assur
Secession gewählt. durch DOG (bis 1913).

1903 Wahlsieg der Sozialdemokraten (31,7% der Liebermann veröffent­ Gerhart Hauptmann Anton von Werner
Wähler) in Deutschland; Türkei erteilt Deutsch­ licht seinen Aufsatz schreibt »Rose hält einen Vortrag, in
land die Konzession zum Bau der Bagdadbahn; »Die Phantasie in der Bernd«; Maxim Gor­ dem er seiner Sorge
Peter I. wird König von Serbien (bis 1918, dann Malerei«; Gründung kis »Nachtasyl« von über die Entwicklung
König von Jugoslawien bis 1921); Treffen zwi­ des Deutschen Künst­ Reinhardt in Berlin der Farbphotographie
schen Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und lerbundes in Weimar inszeniert; Beginn der Ausdruck gibt; in Ber­
Zar Nikolaus II. in Mürzsteg; II. Parteitag der aus Protest gegen die Revuen im Berliner lin verkehren die er­
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands, reaktionäre Kunstpoli­ Metropol-Theater. sten Autobusse.
Spaltung in »Menschewiki« (Plechanow) und tik Kaiser Wilhelms II.
»Bolschewiki« (Lenin-Trotzki); schwere Juden­ (Präsident Leopold
pogrome in Rußland. Graf von Kalckreuth).

1904 Entente cordiale zwischen Frankreich und Eng­ Ernst von Ihne voll­ Max Dessoir veröf­ Gründung des Stahl­
land; Unterdrückung der Aufstände der Hotten­ endet den Bau des fentlicht »Die Grund­ werksverbandes in
totten und Hereros in Deutsch-Südwestafrika; Kaiser-Friedrich-Mu­ fragen der gegenwärti­ Düsseldorf.
Russisch-japanischer Krieg (bis 1905). seums (seit 1897; gen Ästhetik«.
heute Bode-Museum);
J. Meier-Graefe veröf­
fentlicht »Entwick­
lungsgeschichte der
modernen Kunst«.

1905 Erste Marokkokrise: Wilhelm II. landet in Tan­ Einrichtung des Regierungsbezirks Allenstein. Der Dom in Berlin, von Siegfried Jacobsohn Robert Koch erhält Großer Ruhrbergar­
ger, Deutschland fordert internationale Konfe­ J. Raschdorff in zehn­ gründet die Wochen­ den Nobelpreis für beiterstreik.
renz über Marokko; Trennung von Kirche und jähriger Bauzeit im schrift »Die Schau­ Medizin.
Staat in Frankreich; Dänenprinz Haakon wird Renaissancestil errich­ bühne« (ab 1918 »Die
König von Norwegen (Haakon VII., bis 1957); tet, wird vollendet Weltbühne«); von Ar-
Vartron vnn RiärVo vwisrhpn Wilhelm TT und 7ar Mritterößte Kuooel- no Holz erscheint
Nikolaus IL; Streiks und Revolution in Rußland; kirche der Welt); van- »Des berühmbten
Friedensnobelpreis an Bertha von Suttner (1843- Gogh-Ausstellung bei Schäffers Dafnis sälbst
1914). Cassirer in Berlin; verfärtigte, sämbtliche
die Nationalgalerie er­ Freß-, Sauff- & Venus-
wirbt das Gemälde Lider«; Max Rein­
»Ballsouper« von hardt wird Direktor
Adolph Menzel für am »Deutschen Thea­
160 000 Mark. ter« in Berlin.

1906 Beilegung der Marokkokrise in Algeciras (Frank- Preußische Knappschaftsnovelle erlassen; Wilhelm von Bode Wilamowitz-Moellen- Von Emst Haeckel er­ Errichtung der Groß­
reich erhält freie Hand in Marokko); George Maximalarbeitstag von 9 Stunden für Eisenbahn­ wird Generaldirektor dorf veröffentlicht scheint »Prinzipien funkstation Nauen bei
Clemenceau erstmals französischer Ministerprä­ werkstätten in Hessen und Preußen; Eröffnung der Berliner Museen; »Die griechische Lite­ der generellen Mor­ Berlin.
sident (bis 1909); erste Reichsduma in Rußland; der sozialdemokratischen Parteischule in Berlin; das kaiserliche Zivil­ ratur des Altertums«; phologie der Organis­
die 1901 entstandene britische Arbeiterpartei gibt Bau des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Ber­ kabinett erläßt für öf­ Robert Saudek veröf­ men«; Gründung des
sich den Namen »Labour Party«; Arbeiterstreik lin. fentliche Institutionen fentlicht »Dämon«; »Deutschen Moni­
in Hamburg; Maximilian Harden (1861-1927) das Verbot, Werke der Paul Schneider-Dun- stenbundes« in Jena;
greift Graf Eulenburg (1847-1921) und die »Hof­ Naturalisten oder Im­ ker eröffnet in der Wiederaufnahme der
kamarilla« des Kaisers scharf an (Eulenburg muß pressionisten zu er­ Potsdamer Straße sein Ausgrabungen in
1907 den Hof verlassen). werben oder auszu­ Kabarett »Roland von Olympia durch DAI
stellen; K. Scheffler Berlin« (Auftreten von (Deutsches Archäolo­
übernimmt die Redak­ Claire Waldoff, später gisches Institut) (bis
tion der Zeitschrift im »Linden-Caba- 1909); Max Dessoir
»Kunst und Künstler« rett«). gibt die »Zeitschrift für
(bis 1933). Ästhetik und allge­
meine Kunstwissen­
schaft« heraus.

1907 Die Sozialdemokraten erhalten bei der Reichs­ Alfred von Messel Karl Liebknecht veröf­ Entwicklung von Groß­
tagswahl die meisten Stimmen, das Wahlsystem baut die National­ fentlicht »Militaris­ betrieben in Deutsch­
benachteiligt sie jedoch bei der Verteilung der bank; Max Slevogt mus und Antimilita­ land, 1882: 10000 mit
Mandate; zweite Haager Konferenz: Neufassung zeichnet Illustrationen rismus«; Paul Scheer- insgesamt 1,6 Millio­
der Völkerrechtsregeln für den Seekrieg, Verbes­ zur »Ilias« von Homer; barts »Jenseits-Gale­ nen Beschäftigten,
serung der Landkriegsordnung von 1899; allge­ Lovis Corinth malt rie« erscheint. 1895: 19 000 mit ins­
meines Wahlrecht für Männer in Österreich »Das große Marty­ gesamt 3 Millionen
(nicht Ungarn); zweite und dritte Reichsduma in rium«; Edvard Munch Beschäftigten, 1907:
Rußland; englisch-russische Annäherung; Ras­ malt »Walther Rathe- 32000 mit insgesamt
putin am Zarenhof (bis 1917). nau«; große Delac- 5,4 Millionen Beschäf­
roix-Ausstellung bei tigten.
Cassirer in Berlin.

1908 Vertrag zwischen Rußland, Deutschland, Däne­ Preußisches Enteignungsgesetz für polnische Bau des Märkischen Literatur-N obelpreis Zentralstelle für die ar­
mark und Schweden über die Ostsee; deutsch­ Güter verabschiedet; trotz Dreiklassenwahlrecht Museums in Berlin an Rudolf Eucken. beitende Jugend
englische Flottengespräche scheitern; »Daily- 7 Sozialdemokraten im Preußischen Abgeordne­ von Ludwig Hoffmann Deutschlands einge­
Telegraph«-Affäre; Treffen Eduards VII. und tenhaus; Lichtenberg bei Berlin wird Stadt. vollendet (ab 1899); richtet (Vorsitz Fried­
Nikolaus’ II. in Reval; Kreta vereinigt mit Grie­ August Endell veröf­ rich Ebert).
chenland; Bulgarien unabhängig; Österreich an­ fentlicht »Die Schön­
nektiert Bosnien und die Herzegowina. heit der großen Stadt«.

1909 Bülows Plan, die gegenüber den Einzelstaaten Wahlrechtsdemonstrationen in Preußen (Januar- Hugo von Tschudi Von Paul Scheerbart Peter Behrens baut die
schwach gebliebenen Reichsfinanzen zu refor­ März). muß Berlin verlassen, erscheint »Kater-Poe­ Turbinen-Montage-
mieren, führt zu seinem Sturz; neuer Reichs­ Ludwig Justi wird sie«; von Hermann halle der AEG in Ber­
kanzler und preußischer Ministerpräsident wird neuer Direktor der Löns erscheint »Müm­ lin.
Theobald von Bethmann-Hollweg (1856-1921); Berliner Nationalgale­ melmann«; Urauffüh­
russisch-italienischer Geheimvertrag von Rac- rie bis 1933; Leisti- rung von Richard
conigi; »Jungtürken« setzen Mohammed V. als kow-Gedächtnis-Aus­ Strauss’ »Elektra« in
Sultan ein (bis 1918); König Eduard VII. von stellung der Berliner Berlin.
Großbritannien in Berlin. Secession.

1910 Gründung der deutschen Fortschrittlichen Wahlrechtskämpfe in Preußen auf dem Höhe­ Berliner Architekten Von Adele Gerhardt Der Kaiser setzt sich Rudolf Hilferding ver­
O\
►—- Volkspartei unter Friedrich Naumann; Georg V. punkt (Februar-April); der Versuch Bethmann- schreiben sich einen erscheint »Die Familie ein für die Gründung öffentlicht »Das Fi-
Os
hü Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

wird König von Großbritannien (bis 1936); Zar Hollwegs, eine Wahlrechtsreform in Preußen Wettbewerb für einen Vanderhouten«; Au­ der »Kaiser-Wilhelm- nanzkapital«; schwere
Nikolaus II. in Potsdam; Revolution in Portugal, durchzusetzen, scheitert am Widerstand der neuen Generalbe­ gust Bebel veröffent­ Gesellschaft« (gele­ Auseinandersetzun­
Sturz der Monarchie. Konservativen. bauungsplan für Ber­ licht »Aus meinem Le­ gentlich der Hundert­ gen zwischen Arbei­
lin aus (Erster Preis: ben« (3 Bde., bis jahrfeier der Berliner tern und Polizei in
Hermann Jansen, Pro­ 1914); in Berlin wer­ Universität gegründet Berlin-Moabit (Sep-
fessor an der TH Ber­ den drei Filmtheater zur Förderung derWis- tember/Oktober).
lin); Zurückweisung gebaut (Zusammen­ senschaften); Grün­
von 27 Künstlern schluß zur »Union- dung der Technischen
durch die Jury der Ber­ Theater-Gesellschaft«. Hochschule Breslau.
liner Secession; Grün­
dung der »Neuen Se­
zession«; Herwarth
Walden gründet die
Zeitschrift »Sturm«.

1911 Gründung des militaristischen Jungdeutschland- Max Slevogt malt Die Operette »Hoheit Wilhelm II. kommt zu Zweckverband Groß-
Bundes; zweite Marokkokrise, deutsches Kano­ Wandbilder für die amüsiert sich« von Ru­ Ausgrabungen nach Berlin gegründet.
nenboot vor Agadir, Deutschland erhält Teile Villa Guthmann, Ber- dolf Nelson und letzte Korfu; erste Ausgra­
von Französisch-Kongo; italienisch-türkischer lin-Neu-Cladow; Her­ Hollaender-Revue bungen in Amama/
Krieg (bis 1912). warth Walden verwen­ »Die Nacht von Ber­ Ägypten durch DOG:
det den Terminus »Ex­ lin« im Metropol- Fund der Nofretete
pressionismus« und Theater; von Max Ep­ (bis 1914); Max Des-
versteht darunter alle stein erscheint »Das soir veröffentlicht
deutschen und auslän­ Theater als Geschäft«; »Abriß einer Ge­
dischen fortschrittli­ ab März erscheint die schichte der Psycholo­
chen Richtungen; Co­ Zeitschrift »Die Ak­ gie«.
rinth wird zum Vorsit­ tion«, hrsg. von Franz
zenden der Berliner Pfemfert (bis 1932).
Secession gewählt.

1912 Erneuerung des »Dreibundes« zwischen Lovis Corinth malt Literatur-N obelpreis Erste Ausgrabungen Im Reich gibt es etwa
Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien; »Florian Geyer«, an Gerhart Haupt­ in Uruk-Warka/Meso- 30 000 Millionäre (als
SPD wird bei Reichstagswahlen stärkste Partei in Georg Kolbe model­ mann; von Gottfried potamien durch DOG reichste gelten Kaiser
Deutschland, Zentrum zweitstärkste; Poincaré liert »Tänzerin«; zwei­ Benn erscheint »Mor­ (bis 1913). Wilhelm II. und Berta
französischer Ministerpräsident, Festigung fran­ te »Sonderbund-Aus­ gue und andere Ge­ Krupp); neuer großer
zösisch-englischer Entente; ergebnislose Flot­ stellung« in Köln; dichte«; von Georg Bergarbeiterstreik im
tenverhandlungen Deutschland-England; Neu­ H. Walden eröffnet die Heym »Umbra vitae«; Ruhrgebiet (240 000
tralitäts-Vereinbarung der drei skandinavischen Galerie »Der Sturm« Fritzi Massary und Teilnehmer).
Staaten; Marokko wird französisches Protekto­ mit einer Ausstellung Max Pallenberg spie­
rat; endgültige Spaltung der russischen Soziali­ des »Blauen Reiter«. len in Jean Gilberts
sten in Bolschewiki und Menschewiki; erster »So bummeln wir«.
Balkankrieg.

1913 Größte Verstärkung des deutschen Heeres seit Spaltung der Berliner Von Bernhard Keller­ Albert Einstein wird Alfred Grenander er­
1871 (um 136000auf780 000 Mann); zweiter Bal­ Secession: Austritt mann erscheint »Der an die Preußische baut den U-Bahnhof
kankrieg, Gebietsverluste von Bulgarien, Alba­ Liebermanns, Sle- Tunnel«; von Else Las­ Akademie der Wissen­ Wittenbergplatz.
nien wird selbständiges Fürstentum; dreijährige vogts, Cassirers mit ker-Schüler »Hebräi­ schaften und als Di­
Dienstzeit in Frankreich; Konstantin I. König der Mehrheit der Mit­ sche Balladen«; Paul rektor des Kaiser-Wil­
von Griechenland (bis 1917). glieder, führt zur Wegener dreht den helm-Institutes für
Gründung der »Freien Film »Der Student von Physik nach Berlin be­
I Secession«; Bau der Prag«; »Wie einst im ruien, wo er 1914/15
Jahrhunderthalle in Mai«, Operette von die »Allgemeine Rela­
Breslau, durch Max Walter Kollo in Berlin. tivitätstheorie« be­
Berg. gründet (bleibt bis
1933 in Berlin).

1914 Erster Weltkrieg (bis 1918), ausgelöst durch Schlacht bei Tannenberg (August) und an den Ullstein in Berlin
Emst von Ihne baut
Attentat von Serajewo (28.6.); nach Anfangser­ masurischen Seen (September). übernimmt die »Vossi-
die ehemalige Preußi­
sche Zeitung«; bei
folgen deutscher Rückzug an der Marne (12.9.); sche Staatsbibliothek
Ausbruch des Ersten
mit Beginn des Ersten Weltkrieges auch russisch­ (Unter den Linden);
Weltkrieges hat Berlin
türkischer Krieg; Italien neutral (1915 an der Sei­ erste Ausstellung der
30 täglich erscheinen­
te der Entente-Staaten); Ägypten wird britisches »Freien Secession« in
de Morgenzeitungen,
Protektorat (bis 1922); Japan erklärt Deutschland Berlin; Chagall-Aus­
10 Abendblätter und
den Krieg und besetzt deutsche Pacht-Gebiete in stellung in der
rund 50 Blätter der so­
China; deutsche Kolonien gehen verloren (län­ »Sturm«-Galerie; gro­
genannten Vorort­
gerer Widerstand nur in Deutsch-Ostafrika unter ße Werkbund-Aus­
oder Heimatpresse.
Lettow-Vorbeck (1870-1964). stellung in Köln.

1915 Erfolglose Offensiven der Alliierten im Westen, Winterschlacht in Masuren; Friedensdemonstra­ Emst Ludwig Kirch­ Max Reinhardt leitet Der Göttinger Histori­ Jugo Junkers baut in
erfolgreiche - aber nicht entscheidende - Offensi­ tionen in Berlin (November/Dezember). ner malt in Berlin »Der die Volksbühne am ker Paul Fridolin Kehr Dessau das erste
ven der Mittelmächte im Osten und Südosten; Rote Turm in Halle«; Bülowplatz in Berlin wird Generaldirektor Ganzmetallflugzeug.
innere Polarisierung in Deutschland für und ge­ Huelsenbeck und Hu­ (bis 1918); Anfänge der preußischen Staats­
gen den Krieg (zunächst in der SPD); Kriegsein­ go Ball organisieren des Hugenberg-Kon- archive (bis 1929).
tritt Italiens an der Seite der Entente mit der den »Expressionisti­ zerns in Berlin.
Kriegserklärung an Österreich-Ungarn (23.5.); schen Abend« in Ber­
verschärfter U-Boot-Krieg (Versenkung der lin; Wahl Corinths
»Lusitania«). zum Präsidenten der
Berliner Secession.

1916 Hindenburg wird Chef des deutschen General­ Max Ernst stellt im Max Planck veröffent­ Das »Hindenburgpro-
stabes, Ludendorff erster Generalquartiermei­ »Sturm« in Berlin aus; licht die »Einführung gramm« für die deut­
ster (29.8.), weitgehende Verlagerung politischer Gründung der Kest­ in die theoretische sche Industrie; im
Entscheidungen in die Oberste Heeresleitung; ner-Gesellschaft in Physik« (5 Bde., bis Winter 1916/17 Hun­
Offensiven auf beiden Seiten im Westen schei­ Hannover; Oskar Ko­ 1932). gersnot in Deutsch­
tern ebenso wie insgesamt alle Offensiven auf koschka im Herbst land (»Kohlrübenwin­
beiden Seiten im Osten; Russen erobern Tür­ Gast des »Sturm«; ter«) ;Ferdinand Sauer­
kisch-Armenien; Rumänien von den Mittel­ »Der Gestürzte« von bruch konstruiert be­
mächten fast ganz erobert; Skagerrak-See­ Wilhelm Lehmbruck wegliche Prothesen
schlacht ohne entscheidendes Ergebnis; Karl I. in der Freien Seces­ für Kriegsinvaliden.
neuer Kaiser und König von Österreich-Ungarn sion ausgestellt.
(bis 1918).

1917 Gründung der Unabhängigen Sozialdemokrati­ Osterbotschaft Wilhelms II.(7.4.), in der er die George Grosz legt sei­ Max Dessoir veröf­
schen Partei (USPD); Sturz des Reichskanzlers Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts ne erste Lithogra- fentlicht »Vom Jen­
Bethmann-Hollweg (13.7.); Oberste Heereslei­ ankündigt. phien-Mappe bei Ma­ seits der Seele«; W.
tung (Hindenburg, Ludendorff) übernimmt eine lik vor; große Ausstel­ Kollos Operette »Die
diktaturähnliche Machtstellung; Kriegseintritt lung anläßlich des 70. Gulaschkanone« in
der USA gegen die Mittelmächte; Streiks in Geburtstages von Max Berlin; Gründung der
Deutschland; erfolgreiche bolschewistische Re­ Liebermann in der Kö­ Universum-Film AG
volution in Rußland. niglichen Akademie (Ufa) in Berlin.
der Künste zu Berlin.

1918 Nach deutscher Offensive im Westen und alliier­ Ende der Hohenzollem-Monarchie in Preußen Max Liebermann malt Von Hermann Stehr Otto Hahn (seit 1910 Einführung des ge­
ter Gegenoffensive droht Waffenstillstand, nach Abdankung Wilhelms II.; Revolution in Bildnis »Richard erscheint »Der Heili­ in Berlin) findet (zu­ setzlichen Achtstun-
Kriegsende; Ende der deutschen Hohenzollem- Berlin; Gründung des Spartakusbundes in Berlin Strauss«; Gründung genhof«; der expres­ sammen mit Lise den-Arbeitstages in
Monarchie und der Habsburger-Monarchie in (11.11.); Preußen wird Republik: Regierung der »Novembergrup­ sionistische Film »Das Meitner) das Protacti­ Deutschland; Berlin
Österreich; Unabhängigkeit für Ungarn, Tsche­ Hirsch-Ströbel (SPD und USPD) in Preußen. pe« in Berlin, der u. a. Kabinett des Dr. Cali- nium (Muttersubstanz erhält erstmalig Fem-
choslowakei, Polen; Serben, Kroaten und Slowe­ Pechstein, Feininger, gari« entsteht. des Actiniums); Phy­ strom.
nen bilden Jugoslawien; Siebenbürgen und Bu­ Grosz und Dix an­ sik-Nobelpreis an Max
S kowina zu Rumänien; Südtirol zu Italien, Gali- gehören; im April Planck für die Entdek-
£ Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

zien zu Polen; Bulgarien und Zar Boris III. (bis »Monstre-Abend« des kung des Wirkungs­
1943); Revolution in Deutschland, Wilhelm II. »Club dada« in der quantums.
flieht nach Holland, Ausrufung der Republik, Neuen Secession, ver­
Regierung Ebert; Beginn des Bürgerkrieges in anstaltet von Richard
Rußland (bis 1922); Gründungsparteitag der Huelsenbeck, Raoul
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Hausmann, George
Berlin (bis 1919). Grosz, Franz Jung,
John Heartfield.

1919 Kommunistische Parteien in fast allen Ländern Mit dem Ende der Monarchie in Preußen und im George Grosz legt sei­ Eröffnung des Großen Neugründung der In Preußen gibt es
Europas, Nationalversammlung in Weimar, Bil­ Reich erfolgen gemäß dem Versailler Vertrag nen Lithographien- Schauspielhauses Universität Köln (alte 35750 Kilometer Ei­
dung der Regierung aus »Weimarer Koalition« (1919) folgende Abtretungen großer preußischer Zyklus »Das Gesicht (Hans Poelzig) in Ber­ Universität bestand senbahnstrecken;
mit SPD, Zentrum, DDP; Kabinette Scheide­ Gebiete: Danzig wird wieder Freie Stadt (zuerst der herrschenden Klas­ lin durch Max Rein­ von 1389 bis 1798). Gründung des Allge­
mann und Bauer (beide SPD), Friedrich Ebert mit Völkerbund-Kommissar, ab 1922 im polni­ se« vor; Hans Poelzig hardt mit der »Ore- meinen Deutschen
wird erster deutscher Reichspräsident (bis 1925); schen Zollgebiet); Polen erhält den größten Teil baut den Friedrich­ stie« von Aischylos; Gewerkschaftsbun­
Liquidierung der Räterepublik und Gründung der Provinz Posen, von Westpreußen die pomme- stadt-Palast um zu Leopold Jessner insze­ des; erste regelmäßige
der DAP (später NSDAP) in München; Versailler rellischen Kreise und einen wesentlichen Teil Max Reinhardts »Gro­ niert mit Fritz Kortner Luftverkehrslinie
Friedensverträge; Gründung des Völkerbundes des oberschlesischen Industriegebietes; die ßem Schauspielhaus«; »Richard III.« und mit zwischen Berlin und
in Genf. Tschechoslowakei bekommt das Hultschiner Ludwig Justi baut im Albert Bassermann Weimar.
Ländchen; aus den preußisch gebliebenen Pro­ Kronprinzenpalais die »Wilhelm Teil«; Caba­
vinzresten wird die Provinz »Grenzmark Posen- »Galerie des 20. Jahr­ ret »Schall und
Westpreußen« gebildet (1922); das Memelgebiet hunderts« auf; Grün­ Rauch« eröffnet; Her­
wird autonom (dem litauischen Staat unterstellt); dung des »Bauhauses« mann Scherchen be­
Dänemark erhält die Gebiete bis Flensburg zu­ in Weimar; mehrere ginnt seine Tätigkeit in
rück; von der Rheinprovinz wird Moresne, Eu­ Dada-Ausstellungen Berlin und setzt sich
pen und Malmedy an Belgien abgetreten; das und Dada-Veranstal- für Strawinsky, Bartok,
Saargebiet (südl. Teil der preußischen Rhein­ tungen in Berlin (bis Schönberg ein.
provinz) geht als Treuhandgebiet an den Völker­ 1922).
bund (für 15 Jahre befristet, 1925 in das französi­
sche Zollgebiet enbezogen); Gustav Noske
(SPD) läßt als Oberbefehlshaber aller Truppen in
Berlin den Spartakus-Aufstand im Januar nieder­
schlagen (Reichswehrminister bis 1920); Hugo
Preuß entwirft die Verfassung der Weimarer Re­
publik; Ermordung Karl Liebknechts und Rosa
Luxemburgs in Berlin.

1920 Reichsregierung: Kabinette Bauer, Müller (SPD) Durch die Verfassung vom 30. November wird George Grosz zeich­ Walter Mehring grün­ Max Planck veröffent­ Die Preußisch-Hessi­
und Fehrenbach (Zentrum); Versailler Vertrag in Preußen ein demokratisch-parlamentarischer net »Gott mit uns« det das »Politische Ca­ licht »Die Entstehung schen Staatsbahnen
Kraft, USA verweigern Ratifizierung und treten Freistaat (bis 1933); Volksabstimmung in Süd­ (graph. Folge); Käthe baret« in Berlin; und bisherige Ent­ kommen mit anderen
dem Völkerbund nicht bei; Kapp-Putsch in ostpreußen und im Bezirk Marienwerder (dieser Kollwitz fertigt »Ge­ Uraufführung von Os­ wicklung der Quan­ Länderbahnen der Ei­
Deutschland von rechts wird mit General- und als Regierungsbezirk Westpreußen an Ostpreu­ denkblatt für Karl car Straus’ »Der letzte tentheorie«. senbahn zur neuge­
Beamtenstreik erfolgreich pariert (Reichswehr ßen angeschlossen); in den unter alliierter Kon­ Liebknecht«; Max Walzer« mit Fritzi gründeten Deutschen
bleibt passiv); Freikorps schlagen kommunisti­ trolle durchgeführten Abstimmungen in Ost­ Liebermann wird Prä­ Massary (12.2.); Eröff­ Reichsbahn (bis 1924
sche Bewegungen im Ruhrgebiet nieder; bolsche­ preußen entscheiden sich in Allenstein 363 000 sident der Preußi­ nung des Ufa-Palastes Deutsche Reichsei­
wistische »Rote Armee« siegt gegen die »Weißen« Stimmen für Deutschland (rund 8000 für Polen), schen Akademie der am Zoo mit dem senbahnen); durch
und ausländischen Interventionstruppen. in Marienwerder 97 000 für Deutschland (7950 Künste (bis 1932); Stummfilm »Madame Eingemeindungen
für Polen); Litauen und Polen entstehen neu als Alexander Archipen­ Dubarry« (Regie Emst entsteht Groß-Berlin.
Nachbarn Ostpreußens; Beginn der Regierung ko kommt nach Berlin Lubitsch)mit Pola Ne­
79 3 ) _ _ _ -Lbleihthis 1973)----------- ed _mid Emil Jannings.
muvil miiicmci11dl l Innung uery.sm
Wirth (beide Zentrum); Ermordung von Matthias Stegerwald (1874-1945) in Preußen: Ministerprä­ net »Gefallen!« (Li­ fentlicht »Vom Ewi­ den Nobelpreis für langen Automobil-
Erzberger durch Rechtsextremisten; alliierte Be­ sident Adam Stegerwald (Zentrum), Innenmini­ thographie); Sintenis/ gen im Menschen«; Physik für seine Bei­ Verkehrs- und Übungs­
setzung des Ruhrgebietes; Deutschland aner­ ster Alexander Dominicus (DDP); ab November Weiß: Illustrationen Emst Toller schreibt träge zur Quanten­ straße (Avus) in Ber­
kennt Reparation über 132 Millionen Goldmark; (7.) wieder Kabinett Braun-Severing in Preußen zu Sappho und Car­ das Drama »Masse theorie; Werner Jaeger lin.
Ende des polnisch-russischen Krieges (westl. (bis 1925); Kölns Oberbürgermeister Konrad men; Vollendung des Mensch«; Urauffüh­ Professor für Klassi­
Weißrußland, Westukraine an Polen, bis 1939). Adenauer wird Präsident des Preußischen Staats­ Baus des Museums rung von Eduard Kün- sche Philologie in Ber­
rates; in Oberschlesien Kämpfe zwischen deut­ Dahlem von Bruno nekes Operette »Der lin (bis 1933); Wieder­
schen Freikorps und Polen, nach Volksabstim­ Paul auf Betreiben von Vetter aus Dingsda«. aufnahme von Aus­
mung Teilung zwischen Polen und Deutschland. Wilhelm von Bode (ab grabungen in Grie­
1914); Alexander chenland durch DAI/
Archipenko gründet Athen.
Kunstschule in Berlin.

1922 Reichs regierung: Kabinette Wirth (Zentrum) und Otto Braun wendet sich im preußischen Landtag Max Liebermann malt Wilhelm Furtwängler
Cuno (parteilos); Rapallo-Vertrag Deutschland- gegen das in der Öffentlichkeit im Zusammen­ Bildnis »Albert Ein­ übernimmt die Lei­
Sowjet-Rußland: wechselseitige Anerkennung, hang mit einer Reichsreform debattierte Schlag­ stein«; Lovis Corinth tung des Philharmoni­
Verzicht auf Reparationen, wirtschaftliche Zu­ wort »Preußen muß sterben, damit das Reich le­ malt »Der rote Chri­ schen Orchesters in
sammenarbeit; Ermordung von Walther Rathe- ben kann« (22.6.). stus«; Marc Chagall Berlin (und der Ge­
nau durch Rechtsextremisten; »Marsch auf kommt nach Berlin wandhauskonzerte in
Rom« und Sieg der Faschisten unter Mussolini in und bleibt bis 1923. Leipzig).
Italien; Türkei wird Republik unter Kemal Ata­
türk (bis 1938); Gründung der UdSSR.

1923 Reichsregierung: Kabinette Cuno (parteilos), Memel von Litauen besetzt (von 1924 bis 1939 Otto Dix malt »Der Von Max Dessoir er­ Höhepunkt der Infla­
Stresemann (DVP) und Marx (Zentrum); passi­ unter litauischer Souveränität mit politischer Schützengraben« scheint »Vom Dies­ tion; Währungsstabili­
ver Widerstand im Ruhrgebiet gegen französisch­ Autonomie); Berlin hat 235 000 Arbeitslose. (1920-23) und »Venus seits der Seele«; Ar­ sierung durch Einfüh­
englische Besatzung; SPD-KPD-Regierungen in des kapitalistischen thur Moeller van den rung der Rentenmark;
Sachsen und Thüringen von Reichswehr ge­ Zeitalters«; K. Koll- Bruck veröffentlicht über zwei Millionen
stürzt; kommunistischer Aufstand in Hamburg; witz zeichnet Graphik- das Buch »Das dritte Arbeitslose in
Feme-Morde der illegalen »schwarzen Reichs­ Folge »Krieg«. Reich« (Selbstmord Deutschland (in Ber­
wehr«; Konflikt der bayerischen Kahr-Regierung 1925 in Berlin); er­ lin 235000); erste Sen­
mit der Reichsregierung; Hitlers »Marsch auf ste Hermann-Haller- dung des deutschen
Berlin« endet an der Feldherrnhalle in München. Revue »Drunter und U nterhaltungsrund-
Drüber« im Berliner funks in Berlin.
Admiralspalast.

1924 Reichsregierung: Kabinett Marx (Zentrum); Ka­ Wilhelm Kreis vollen­ Gottfried Benn veröf­ Eröffnung des Flugha­
binett Herriot (Radikalsozialist) in Frankreich det den Bau eines der fentlicht den Gedicht­ fens Berlin-Tempel­
(bis 1926); Adolf Hitler (1889-1945) schreibt in ersten deutschen band »Schutt«; Emst hof; erste Automobil­
Landsberger Festungshaft »Mein Kampf«; Hochhäuser in Düs­ Wiechert veröffent­ ausstellung in Berlin;
UdSSR von England, Italien und Frankreich de seldorf (Wilhelm- licht »Der Totenwolf«; erste Funkausstellung
jure anerkannt; Annahme des Dawesplans in Marx-Haus); Ausstel­ Ullstein übernimmt in Berlin.
London (regelt die deutschen Reparationen); lung von Karl Hofer die 1920 von Alfred
Kampf um Lenins (1870-1924) Nachfolge, Stalin bei Alfred Flechtheim Flechtheim gegründe­
(1879-1953) bleibt Parteisekretär (seit 1922). in Berlin; Heinrich te Monatszeitschrift
Zille veröffentlicht »Der Querschnitt«.
»Berliner Geschichten
und Bilder« (Bildband
mit Einleitung von
Max Liebermann).
1925 Reichsregierung: Kabinett Luther (parteilos); Von Februar (18.) bis April (4.) regiert Kabinett Lovis Corinth malt Uraufführung der Physik-Nobelpreis an Industrie in Berlin: ei­
Paul von Hindenburg (1847-1934) wird nach dem Wilhelm Marx (1863-1946) in Preußen: Minister­ »Ecce homo«; das Oper »Wozzek« von J. Franck und Gustav ne Viertelmillion Ar­
Tod Friedrich Eberts (1871-1925) im 2. Wahlgang präsident Wilhelm Marx (Zentrum), Innenmini­ »Bauhaus« wird nach Alban Berg in der Hertz für Erforschung beiter in der Metall-,
zum Reichspräsidenten gewählt (bis 1934); ster Carl Severing (SPD); ab April (4.) wieder Dessau verlegt; Grün­ Staatsoper Berlin; re­ von Quantensprüngen ebenso viele in der Be­
Deutschland anerkennt Westgrenzen 1t. Versail­ Kabinett Braun (bis 1932/33); in der Viermillio­ dung der Berliner gelmäßiges Erschei­ durch Elektronenstoß kleidungsindustrie;
ler Vertrag; dafür alliierte Räumung von Besat­ nenstadt Berlin leben mehr Juden als in Bayern, Architekten-Vereini- nen der Ufa-Wochen­ (am Institut für Physik Anteile der Produk­
zungszonen in Westdeutschland; Neugründung Baden, Württemberg, Hessen und Sachsen zu­ gung »Ring« (Mies van schau; Erwin Piscator in Berlin); Jaeger tion von ganz Deutsch­
der NSDAP in München; Konferenz von Locar- sammen (in ganz Preußen mit allen Provinzen der Rohe, Gropius, bezieht an der »Volks- gründet Zeitschrift land in Berlin: 74 % al-
o\
o> Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

no; Stalin fordert »Sozialismus in einem Land« leben insgesamt 403 969 Juden); die jüdische May, Bartning, Men­ bühne« in Berlin in »Die Antike«; Wieder­ 1er elektrotechnischer
gegen Trotzkis »Weltrevolution«. Gemeinde in Breslau, die größte im deutschen delsohn); Otto Dix seine Theater-Insze­ aufnahme der Ausgra­ Geräte, 67 % aller Fil­
Osten, zählt 31 000 Mitglieder, der Kulturphilo­ kommt nach Berlin nierungen den Film bungen auf Samos me, 65 % aller Zinkwa­
soph Theodor Lessing (1872-1933) verliert wegen (bis 1927). als Stilmittel ein; Gitta durch DAI (bis 1939). ren, 63 % aller Telefone
Pamphleten gegen Hindenburg das Recht, Vor­ Alpar gastiert an der und 60 % aller Kabel.
lesungen an der TH Hannover zu halten. Berliner Staatsoper
(bleibt bis 1930).

1926 Graf Coudenhove-Kalergie (1894-1972) gründet Wechsel im preußischen Innenministerium: George Grosz malt Kurt Tucholsky über­ In Elbing wird die er­ Heinrich Straumer
Paneuropäische Bewegung; Aufnahme Deutsch­ Albert Grzesinski (SPD) löst Carl Severing (SPD) »Stützen der Gesell­ nimmt nach dem Tode ste preußische Hoch­ baut den Funkturm in
lands in den Völkerbund; Reichsregierung: Kabi­ ab (6.10.1926 bis 28.2.1930); Goebbels (1897- schaft«; Ausstellung von Siegfried Jacobs- schule für Lehrerbil­ Berlin; Klingenberg-
nett Luther (parteilos) und Marx (Zentrum); Re­ 1945) wird NSDAP-Gauleiter von Berlin. zum 60. Geburtstag sohn die Redaktion dung eingerichtet. Kraftwerk mit Dampf­
gierung Poincaré (1860-1934) in Frankreich; Dik­ von Wassily Kandins­ der »Weltbühne«; turbinen in Berlin
tatur in Italien; Staatsstreich Pilsudskis (1867- ky in der Galerie Neu- Agnes Miegel veröf­ eröffnet; Jungfemflug
1935) in Polen (regiert bis 1935). mann-N ierendorf; fentlicht »Geschich­ der Nachtstrecke der
Gründung der Verwal­ ten aus Alt-Preußen«. deutschen »Luft Han­
tung der Staatlichen sa« von Berlin-Tem­
Schlösser und Gärten. pelhof nach Königs­
berg (1. 5.).
1927 Reichsregierung: Kabinett Marx (Zentrum); Thomas Mann (1875-1955) schreibt im »Hanno­ Heinrich Zille veröf­ Von Ernst Toller Wiederaufnahme der
interalliierte Kontrollkommission zur Überwa­ verschen Kurier« (9.10.): »Preußens deutsche fentlicht »Bilder vom kommt das Drama Ausgrabungen in Per­
chung der deutschen Abrüstung stellt Tätigkeit Sendung ist noch nicht vollendet... Welch ein alten und neuen Ber­ »Hoppla, wir leben« gamon durch Berliner
ein; Deutschland im »Ständigen Schiedsgerichts­ Beispiel nach innen und außen - das Aufgehen lin«, »Das große heraus; von Gottfried Museen (bis 1938).
hof« in Den Haag; Michael I. wird König von Preußens in der neugegliederten Einheit des Zille-Album«; große Benn erscheinen »Ge­
Rumänien (bis 1944). Reichs!« Munch-Ausstellung sammelte Gedichte«;
im Kronprinzenpalais von Agnes Miegel er­
in Berlin; von Karl scheinen »Gesammel­
Scheffler erscheint in te Gedichte«; Alfred
zwei Bänden eine Hugenberg wird Vor­
»Geschichte der euro­ sitzender der Ufa;
päischen Malerei und Walther Ruttmann
Plastik im 19. Jahr­ dreht den Montage-
hundert«. Film »Berlin, Sym­
phonie einer Groß­
stadt«.

1928 Briand-Kellog-Pakt ächtet den Krieg; Reichsre­ Hans von Seeckt (1866-1936) veröffentlicht »Ge­ Otto Dix malt »Groß- Von Max Scheier er­ Chemie-Nobelpreis Baubeginn der ersten
gierung: Kabinette Marx (Zentrum) und Müller danken eines Soldaten«. stadt«-Triptychon; scheint »Die Stellung an Adolf Windaus für europäischen Auto­
(SPD); Alfred Hugenberg (1865-1951) wird Vor­ Carl Hofer malt »Die des Menschen im Kos­ Erforschung der Vita­ bahn von Köln nach
sitzender der Deutschnationalen Volkspartei. schwarzen Zimmer«; mos«; Uraufführung mine der D-Gruppe; Bonn; Zusammen­
Gründung der »AS- der »Dreigroschen­ Otto Hahn wird Direk­ schluß der öffentli­
SO« (Assoziation re­ oper« von Bert Brecht tor des Kaiser-Wil- chen Verkehrsmittel
volutionärerbildender (Text) und Kurt Weill helm-Institutes für zur BVG in Berlin.
Künstler) in Berlin. (Musik); der »Angriff« Chemie (bis 1934).
beginnt sein Erschei­
nen (Redaktion Josef
Goebbels).
ElêKtfiïizierung der
de Briands (1862-1932) Plan der »Vereinigten auf Mai-Demonstranten schießen. in Berlin-Schmargen­ fentlicht den Satire- in Berlin; neuer Gene­ Berliner Stadt- und
Staaten von Europa« im Völkerbund; Österreich dorf von Emst und Band »Deutschland, raldirektor der preußi­ Ringbahn, Anlage der
wird Präsidialrepublik; Tod von Gustav Strese- Günther Paulus (ab Deutschland über al­ schen Archive und des Volksparks Rehberge
mann; Internationale Konferenz in Den Haag: 1927, Backstein, Klin­ les« (mit Heartfield- Geheimen Staatsar­ und Jungfemheide;
Dawesplan wird durch den Youngplan für deut­ ker). Montagen); von Ernst chivs wird Albert Wilhelm Röpke veröf­
sche Reparationszahlungen ersetzt; Beginn der Wiechert erscheint Brackmann (bis 1936); fentlicht »Finanzwis­
Weltwirtschaftskrise. »Die kleine Passion«; 100-Jahr-Feier des senschaft«.
von Walter Mehring DAI in Berlin.
erscheint »Gedichte,
Lieder und Chan­
sons«.

1930 Sturz des Kabinetts Hermann Müller (SPD) in Wechsel im preußischen Innenministerium: Ludwig Hoffmann Hans Fallada veröf­ Eröffnung des neuen Funkhaus Masurenal­
Deutschland, neues Kabinett Heinrich Brüning Heinrich Waentig (SPD) löst Albert Grzesinski vollendet Pergamon- fentlicht »Bauern, Pergamon-Museums lee erbaut; in Tegel fin­
(Zentrum, bis 1932); NSDAP im Reichstag zweit­ ab (28.2.bis 22.10.); ab Oktober (22.) wieder Carl Museum (nach Plänen Bonzen, Bomben«, in Berlin. det der erste Raketen-
stärkste Fraktion, Brüning (1885- 1970) regiert Severing im Amt des Innenministers (bis 1932/ von Messel ab 1907); Ernst von Salomon flug statt.
mit Notverordnungen; österreichisch-italieni­ 33); die preußische Regierung verbietet mit einer Hans Poelzig vollen­ »Die Geächteten«, Al­
scher Freundschaftsvertrag; Hitler schwört im Verordnung (30.7.) allen Staatsbeamten und An­ det den Bau des »Hau­ fred Döblin »Berlin
Reichswehrprozeß vor dem Reichsgericht in gestellten die Mitgliedschaft bei der nationalso­ ses des Rundfunks« in Alexanderplatz«; von
Leipzig, die Weimarer Verfassung einzuhalten. zialistischen wie auch bei der kommunistischen Berlin; in Weimar läßt Ina Seidel erscheint
Partei, weil beide Parteien den gewaltsamen Paul Schultze-Naum­ der Roman »Das
Sturz der Verfassung anstreben. burg (unter einer na­ Wunschkind«; A. Ro­
tionalsozialistischen senberg veröffentlicht
Regierung) die Fres­ »Der Mythos des 20.
ken von Oskar Schlem­ Jahrhunderts«; Jo­
mer zerstören. seph von Sternberg
dreht den Film »Der
blaue Engel«; Werner
Finck gründet das Ka­
barett »Katakombe« in
Berlin (bis 1934).

1931 Kabinett Brüning (Zentrum) in Deutschland; General von Schleicher (1882-1934) hebt durch Gesamtausstellung Carl Zuckmayer veröf­ Medizin-Nobelpreis Von Wilhelm Röpke
Hitler erhält finanzielle Unterstützung von west­ einen Geheimerlaß (2.1.) ohne Wissen des Wehr­ von Lyonei Feininger fentlicht sein Stück an Otto H. Warburg erscheint »Weltwirt­
deutschen Industriellen zugesagt; Radikalisie­ ministers Groener (1867-1939) dessen Verbot der in der Nationalgalerie; »Der Hauptmann von (Direktor des Kaiser- schaft und Außenhan­
rung: Bildung der rechtsradikalen »Harzburger Zugehörigkeit zur NSDAP für die Arbeitnehmer Lesser-U ry-Gedächt- Köpenick«; Urauffüh­ Wilhelm-Instituts für delspolitik«.
Front« gegen »Eiserne Front« (SPD, linkes Zen­ der Heeresverwaltung vom Jahr 1929 wieder auf; nisausstellung in der rung des Schauspiels Zellphysiologie in Ber­
trum, Gewerkschaften); Wahlsieg der Linken in der preußische Landtag lehnt den aufgrund eines Nationalgalerie; Um­ »Die Heilige aus lin-Dahlem) für die
Spanien, Abschaffung der Monarchie (Emigra­ erpreßten Volksbegehrens der »nationalen Oppo­ gestaltung von Schin­ USA« von Ilse Lang­ Erforschung des At­
tion von Alfons XIII.). sition« in Preußen gestellten Antrag zur Auflö­ kels Neuer Wache ner bei Max Reinhardt mungsferments; Ul­
sung des Landtags mit 229 gegen 190 Stimmen zum Gefallenenehren­ in Berlin; Urauffüh­ rich von Wilamowitz-
der Rechten und der Kommunisten ab; Albert mal durch Heinrich rung von Paul Abra­ Moellendorff (seit
Einstein (1879-1955) unterstützt die Internatio­ Tessenow. hams »Blume von Ha­ 1897 Professor in Ber­
nale der Kriegsdienstverweigerer. waii« mit Rosi Bars- lin) veröffentlicht
sony. »Der Glaube der Hel­
lenen« (bis 1932).

1932 Genfer Abrüstungskonferenz (Februar); Wieder­ Bei den preußischen Landtagswahlen (24.4.) ge­ Liebermann malt Por­ Ernst Wiechert veröf­ Eröffnung der neuge­
wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten; winnen Nationalsozialisten und Kommunisten träts von Professor fentlicht »Jedermann« bauten Autobahn
Sturz der Regierung Brüning (Zentrum), danach mehr als 50 Prozent der Stimmen; bei Eröffnung Sauerbruch und Otto und »Die Magd des Köln-Bonn; Wilhelm
Kabinette von Papen und von Schleicher (beide des Landtages (Mai) Prügelei zwischen Nazis Braun, dem Minister­ Jürgen Doskocil«; Röpke veröffentlicht
parteilos, rechtsorientiert); NSDAP wird stärkste und Kommunisten; da Radikale die Regierungs­ präsidenten der Re­ Hans Fallada veröf­ »Krise und Konjunk­
Partei im Reichstag, Hermann Göring (1893- neubildung blockieren, bleibt Regierung Braun publik Preußen; Otto fentlicht »Kleiner tur«.
1946) Reichstagspräsident; ca. 6 Millionen Ar­ (SPD) im Amt; Reichskanzler von Papen (1879- Dix malt »Der Krieg« Mann - was nun?«;
beitslose in Deutschland; Antonio de Salazar 1969) enthebt durch Staatsstreich die preußische (Triptychon, seit 1929); Gerhart Hauptmann
(1889-1970) mit autoritärem Regime in Portugal Regierung Braun-Severing ihres Amtes (20.7.), Oskar Schlemmer, seit vollendet das Schau­
(bis 1968); Engelbert Dollfuß wird österreichi­ von Papen wird - gedeckt von Hindenburg - 1929 an der Breslauer spiel »Vor Sonnenun­
scher Bundeskanzler (bis 1934); Konferenz in Reichskommissar in Preußen, nach Protest der Akademie, erhält nach tergang«; Fritzi Mas-
Lausanne: Youngplan wird durch ein neues abgesetzten preußischen Regierung und unbe- deren Auflösung eine sary, Victor de Kowa
oo Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

Reparationszahlungsabkommen ersetzt, das aber friedigendem Urteil des Staatsgerichtshofes Professur an der Berli­ und Walter Slezak in
nicht mehr wirksam wird. (25.10.) bleibt die Regierung Braun-Severing ner Kunstakademie; Oscar Straus’ Operette
ohne Funktionen unter dem Reichskommissariat das »Bauhaus«, in »Eine Frau, die weiß,
von Papen nominell bis zum 25.3.1933 im Amt. Dessau geschlossen. was sie will!« (Metro­
pol-Theater Berlin).

1933 Nach Sturz des Kabinetts Schleicher Koalitions­ Adolf Hitler erläßt das Reichsstatthaltergesetz Gerhard Mareks mo­ Zweigstelle des »Völ­ Verbot der Gewerk­
kabinett Hitler - von Papen; ab 30.1. Machtergrei­ (7.4.) und bestellt sich selbst zum Statthalter in delliert den Flötenblä­ kischen Beobachters« schaften durch die
fung Hitlers, Auflösung des Reichstages und Er­ Preußen; Ernennung Hermann Görings zum ser; Otto Dix malt in Berlin errichtet; die Nationalsozialisten
mächtigungsgesetz (letzte Oppositionsrede von preußischen Ministerpräsidenten (11.4.); Mini­ »Die sieben Todsün­ »Vossische Zeitung« (2. 5.).
Otto Wels, SPD, im Reichstag); Parteienverbote, sterpräsident Otto Braun flieht aus Berlin vor der den«; Liebermann tritt erscheint nur noch als
NSDAP einzige Staatspartei; Bücherverbren­ drohenden Verhaftung (2.3.); Brand des Reichs­ aus der Preußischen Morgenblatt (und
nung, Deutschland verläßt Völkerbund; Verbot tages in Berlin (27.2.); Staatsakt mit Hindenburg Akademie der Künste stellt am 31.3.1934 ihr
der NSDAP in Österreich. und Hitler in der Gamisionskirche zu Potsdam aus und legt die Ehren­ Erscheinen ein); Theo­
zur Eröffnung des neuen Reichstages derNS-Re- präsidentschaft nie­ dor Wolff verläßt das
gierung (21.3.); der preußische Landtag wird end­ der. »Berliner Tageblatt«;
gültig beseitigt (Oktober); Hermann Rauschning Bücherverbrennun­
(geb. 1887) wird NS-Senatspräsident in Danzig gen auf dem Opem-
(bis 1934, dann 1936 Flucht in die Schweiz). platz in Berlin (10. 5.).

1934 »Gleichschaltung« in Deutschland auf allen Ge­ »Gesetz über den Neuaufbau des Reiches« Gustaf Gründgens Beginn des Erschei­
bieten, »Röhm-Putsch« (Entmachtung der SA (30.1.) bringt die Beseitigung der Parlamente in wird Intendant des nens der dreibändigen
zugunsten der SS), nach Tod Hindenburgs Hitler allen deutschen Ländern; im Interesse der Staatlichen Schau­ »Übersicht über die
auch Reichspräsident; Nichtangriffserklärung nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik spielhauses in Berlin; Bestände des Gehei­
Deutschlands gegenüber Polen; UdSSR in den wird die Staatlichkeit Preußens stark verändert: Zwangsverkauf des men Staatsarchivs in
Völkerbund, Ermordung von Parteisekretär die Ressortministerien werden bis auf das Fi­ Ullstein Verlages in Berlin-Dahlem« (bis
Kirow (Beginn der Stalinschen Säuberung, bis nanzministerium mit entsprechenden Reichsmi­ Berlin. 1939).
1938); Februar-Aufstand der Arbeiter in Öster­ nisterien zusammengelegt, der Landtag als Insti­
reich gegen Austrofaschismus endet in blutiger tution beseitigt, die Befugnisse des Reichsstatt­
Niederlage, Absetzung der sozialdemokrati­ halters auf den preußischen Ministerpräsidenten
schen Wiener Stadtverwaltung; Ermordung des übertragen; die Oberpräsidenten, in Personal­
Bundeskanzlers Dollfuß während eines Putsches union mit den Gauleitern, werden mit besonde­
österreichischer Nationalsozialisten (25.7.), Kurt ren Vollmachten ausgestattet, damit ist Preußen
Schuschnigg neuer österreichischer Bundes­ aufgelöst in Reichsgaue; Heinrich Himmler
kanzler (bis 1938). (1900-1945) wird als SS-Reichsführer Chef der
Gestapo in Preußen.
1935 Konferenz von Stresa: England, Frankreich und Hans Purrmann geht Nicolai Hartmann ver­ Erste öffentliche Fern­
Italien protestieren gegen einseitige deutsche nach Italien, Hans öffentlicht »Zur sehstelle in Berlin.
Aktionen; »Volksfront« in Frankreich; Saarland Hartung geht nach Grundlegung der On­
zu Deutschland, allgemeine Wehrpflicht und Frankreich; Ludwig tologie«; von Werner
Aufrüstung im »Dritten Reich« Hitlers; Nürn­ Meidner verläßt Berlin Bergengruen erscheint
berger Gesetze gegen Juden; Hitler verbietet Carl und geht nach London »Der Großtyrann und
von Ossietzky die Annahme des Friedensnobel­ (1939). das Gericht«.
preises (er stirbt 1938 nach KZ-Haft).
1936 Antikominternpakt zwischen Hitler-Deutsch­ Adolf Ziegler wird »Orestie« des Aischy- Wiederaufnahme der Werner March erbaut
land und Japan; Bürgerkrieg in Spanien (bis Präsident der Reichs­ los anläßlich der Ausgrabungen in das Olympia-Stadion
1939); XI. Olympische Spiele in Berlin und Gar- kunstkammer; nach Olympischen Spiele Olympia durch DAI in Berlin für die XL
__misch-Partenkirchen; Eduard VIII. dankt ab und Beendigung der Olym- im Staatstheater auf- (bis 1941). Olympischen Som-

Großbritannien (bis 1952). moderne Abteilung
im Kronprinzen-Pa-
lais geschlossen.

1937 Neville Chamberlain britischer Premierminister Berlin feiert das 700jährige Bestehen (1237 Erst­ Beginn der Neugestal­ Der Name Ullstein
(bis 1940); Italien verläßt Völkerbund; US-Präsi- erwähnung Cöllns); Albert Speer (geb. 1905) er­ tungspläne für den Verlag wird in »Deut­
dent F.D. Roosevelt (1933-1945) hält »Quarantä­ hält den Auftrag zum »Neubau der Reichshaupt­ Museumsbezirk in scher Verlag« von den
ne-Rede« gegen Diktaturen; Beitritt Italiens zum stadt«. Berlin (1943 Pläne ein­ NS-Machthabern um­
Antikominternpakt (Deutschland-Japan); Höhe­ gestellt); Ernennung geändert; von Ilse
punkt der Stalinschen »Säuberung«. Speers zum »General­ Langner erscheint der
bauinspektor für die Peking-Roman »Die
Reichshauptstadt«; in purpurne Stadt« (spä­
der Aktion »Entartete ter verboten).
Kunst« werden 435
Kunstwerke in der Na­
tionalgalerie in Berlin
beschlagnahmt.

1938 »Anschluß« Österreichs an Hitler-Deutschland Georg Schrimpf wird Nicolai Hartmann ver­ Otto Hahn und Fritz
(»ein Volk, ein Reich, ein Führer«), Münchener seines Lehramtes an öffentlicht »Möglich­ Straßmann (seit 1935
Abkommen zwischen Deutschland, England, der Berliner Kunstaka­ keit und Wirklich­ Mitarbeiter Hahns am
Frankreich und Italien über die Tschechoslowa­ demie enthoben und keit«; von Kurt Kluge Kaiser-Wilhelm-Insti-
kei; »Reichskristallnacht« in Deutschland, Be­ stirbt kurz darauf. erscheint »Der Herr tut für Chemie in Ber­
ginn der organisierten Judenverfolgung in Kortüm«. lin) gelingt der Nach­
Deutschland; deutscher Einmarsch in das Sude­ weis der Kernspaltung
tenland; deutsch-italienischer »Wiener Schieds­ bei der Neutronenbe­
spruch«. strahlung des Urans
und Thoriums.

1939 Deutscher Einmarsch in der Tschechoslowakei; Danzig wird Hauptstadt des Reichsgaues Danzig- Verbrennung der »ent­ Emst Wiechert Adolf Friedrich Jo­ Emst Sagebiel been­
Überfall Hitlers auf Polen bedeutet Beginn des Westpreußen (1.9.); Preußen hat 41,47 Millionen arteten« Kunstwerke schreibt »Das einfache hann Butenandt erhält det den Bau des Zen­
Zweiten Weltkrieges (bis 1945); Polen wird deut­ Einwohner; Berlin hat 4,3 Millionen Einwohner; (20. März); die ver­ Leben«. den Nobelpreis für tralflughafens Tem­
sches Generalgouvernement, Rote Armee be­ Annexion des Memellandes an Gau Ostpreußen. schiedenen Häuser Chemie für seine For­ pelhof.
setzt West-Weißrußland und die Westukraine; der Nationalgalerie schungen über Se­
sowjetisch-finnischer Winterkrieg (bis 1940). werden geschlossen xualhormone zuge­
und die Bestände aus­ sprochen (überreicht
gelagert; Albert Speer erst 1949).
baut die Neue Reichs­
kanzlei.
1940 Deutscher Überfall auf Dänemark und Norwe­ Werner Bergengruen
gen, deutscher »Blitzkrieg« gegen Belgien, Lu­ veröffentlicht »Am
xemburg, Niederlande und Frankreich (Vichy- Himmel und auf Er­
Regierung in Süd- und Mittelfrankreich); Kriegs­ den«.
eintritt Italiens gegen Frankreich, Italien führt
Krieg in Griechenland und Nordafrika gegen
England; Dreimächtepakt Hitler-Deutschlands
mit Italien und Japan.

1941 Diskriminierender Judenstern im Herrschaftsbe­ Uraufführung von Wolfgang Schade-


reich Hitlers; deutsche Invasion in Jugoslawien, Gerhart Hauptmanns waldt wird Professor
Griechenland und Kreta; deutsches Afrika-Korps »Iphigenie in Delphi« für Klassische Philolo­
in Nordafrika; deutscher Überfall auf die Sowjet- im Staatstheater Ber­ gie in Berlin (bis 1950).
Union (Vormarsch bis vor Moskau); Leih- und lin.
Pachtgesetz der USA zugunsten Englands und -
später - der UdSSR; Stalin proklamiert »Großen
Vaterländischen Krieg« gegen Hitler-Deutsch­
land und seine Verbündeten; japanischer Über­
fall auf Pearl Harbor, Kriegseintritt der USA.
o Jahr Geschichte - Politik Kulturgeschichte

Philosophie
Wissenschaft Wirtschaft
Europa/Deutschland *) Brandenburg/Preußen *) Architektur Literatur
Bildung Industrie
*) (ab 1871 s. auch Preußen) *) (ab 1871 s. auch Deutschland) Bildende Kunst Musik
Erziehung Technik
Theater

1942 Deutsche Offensive in Südrußland; verschärfter Heinz Hentschke


Luftkrieg der Alliierten gegen Deutschland; Vor­ bringt im Metropol-
marsch der Japaner in Südostasien; »Wannsee«- Theater »Hochzeits­
Konferenz beschließt »Endlösung« der Judenfra­ nacht im Paradies«
ge in Vernichtungslagern; deutsche Besetzung heraus (Musik Fried­
von Südfrankreich; Kriegswende zugunsten der rich Schröder).
Alliierten beginnt mit Seesieg der Amerikaner im
Indischen Ozean bei Midway und mit Stalingrad.

1943 Aufstand der »Weißen Rose« in München gegen Beginn der schweren alliierten Luftangriffe auf Zum 25.Jubiläum der
NS-Regime setzt Zeichen für innerdeutschen Wi­ Berlin und andere deutsche Städte. Ufa wird »Münchhau­
derstand gegen die Hitler-Diktatur; Proklama­ sen« gedreht (Dreh­
tion des »totalen Krieges« in Deutschland. buch Erich Kästner).

1944 Zusammenbruch der deutschen Heeresgruppe »Aufstand des Gewissens«, Stauffenbergs Atten- Otto Hahn erhält den
Mitte im Osten, die Rote Armee in Ostpreußen, tag auf Hitler mißlingt (20. Juli); danach Verfol­ Nobelpreis für Che­
deutscher Rückzug vom Balkan; alliierte Lan­ gung und Sippenhaft für alle beteiligten Wider­ mie für seinen Nach­
dung in Mittelitalien, Monte Cassino; Invasion standskämpfer (viele preußische Offiziere und weis der Kernspaltung
der Alliierten in der Normandie und Befreiung Beamte); Vernichtung des größten Teils von Kö­ (s. 1938).
Frankreichs, danach Hollands und Belgiens. nigsberg durch zwei Angriffe der britischen Luft­
waffe; Einfall der Sowjets in Ostpreußen (Okto­
ber).

1945 Sturm der Alliierten auf Hitler-Deutschland von Kapitulation Königsbergs (9.4.); Übergabe Ber­ Von Ernst Wiechert er­
Westen (über Rhein), Osten (über Oder und Elbe) lins an die Rote Armee (2.5.); die Heeresarchiva- scheint »Die Jeromin-
und Süden (von Norditalien); Rote Armee in lien und die militärischen Nachlässe des Gehei­ kinder« (bis 1947) und
Berlin; Selbstmord Hitlers in Berlin; deutsche be­ men Staatsarchivs werden in Potsdam im 1936 die »Rede an die deut­
dingungslose Gesamtkapitulation; Ende des begründeten Heeresarchivs durch Bombenan­ sche Jugend 1945«;
Zweiten Weltkrieges in Europa, Deutschland von griff (20.4.) vernichtet; Massenflucht aus Ost­ Günther Weisenbom
Russen, Franzosen, Engländern und Amerika­ preußen und allen anderen deutschen Ostgebie­ veröffentlicht das
nern besetzt. ten vor den anstürmenden Russen. Schauspiel »Die Ille­
galen«.

1946 Kriegsverbrecherprozeß gegen Hauptschuldige Berlin in vier Besatzungs-Sektoren der vier alli­ Von Dietrich Bon­
der NS-Führung in Nürnberg, Nachfolge-Prozes­ ierten Siegermächte USA, Sowjet-Union, Groß­ hoeffer (1945 von der
se (bis 1948); Deutschland in Besatzungszonen britannien und Frankreich aufgeteilt. Gestapo ermordet) er­
der vier alliierten Siegermächte aufgeteilt. scheint »Auf dem Weg
zur Freiheit. Gedichte
aus Tegel«.

1947 Marshall-Plan-Hilfe der USA für westdeutsche Durch Gesetz des Alliierten Kontrollrates Nr. 46 Friedrich Meinecke Max Planck veröffent­
Besatzungszonen (Anfang des wirtschaftlichen (25.2.) wird der Staat Preußen aufgelöst; die veröffentlicht »Die licht kurz vor seinem
Wiederaufbaus); Scheitern der innerdeutschen Kemlande Preußens stehen zu diesem Zeitpunkt deutsche Katastro­ Tod »Scheinprobleme
Münchner Ministerpräsidenten-Konferenz mit unter polnischer bzw. sowjetrussischer Verwal­ phe«. der Wissenschaft«.
Vertretern der sowjetrussischen Besatzungszone; tung oder gehen in das Territorium der späteren
Beginn des Ost-West-Gegensatzes. DDR ein.
Auswahl von Quellen und Literatur zur Kulturgeschichte Preußens

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Dietrich, Richard, Preußen. Epochen und Probleme seiner Geschichte. Ber- gen/Main, 1951.
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374
Register Bedford, Sybille, brit. Publizistin - Club der «Sieben Weisen» (liter.
247 Gruppe) 216 f.
Beeskow 54, 116 - Cöllnisches Rathaus 207
Beethoven, Ludwig van, Komponist - Deutsches Theater 255, 286
156, 188 - Dom, alter 88, 97, 131
Aus Platzgründen wurden Namen und Stichworte der Synchronoptischen Befreiungskriege (1813) 177, 185, - Dom (Neubau) 176, 181, 250
Zeittafel (ab Seite 300) nicht in das Register aufgenommen; ebenso blieben 187, 194 - Dorotheenstädtische Kirche 156f.
unberücksichtigt Titel von Büchern oder Theaterstücken bzw. anderen künst- Befreiungskriege i. Südamerika 199 - Dreifaltigkeitskirche 106, 178
lerischen Werken der Malerei und Bildhauerei. Begas, Carl, Maler 239 - Französischer Dom 106, 176, 181
Begas, Karl d. J., Bildhauer 240 - «Freie Volksbühne» 255, 259
Begas, Oskar, Maler 239 - Friedrich-Wilhelmstädtisches The-
Aachen 214 Armeemuseum der DDR, Dresden Begas, Reinhold, Bildhauer 240, ater 240
Aachener Kongress (1818) 199 293 251,256 - Friedrichshain 224
Aaron, Israel 80 Arndt, Ernst Moritz, Schriftsteller Behrens, Peter, Architekt 250, 284 - Friedrichswerder 80
Abraham, Paul, Komponist 285 199,210 Behring, Emil von, Bakteriologe - Gamisonskirche 106
Absolutismus 68 – 97, 152, 196 Arneburg 24 249 - Geheimes Staatsarchiv 102,112,
Adalbert von Prag 33 f. Arnim, preuß. Adelsfamilie 32 Belagerungszustand (in Berlin 1848) 121, 145, 158f., 163, 166, 175,
Adam, François-Gaspard, franz. Arnim, Achim von 164f., 169, 189 221,227 207, 231
Bildhauer 128 Arnim, Bettina von, Schriftstellerin Belgien 271 - Gendarmenmarkt (heute Platz der
Adams, John, Präsident der USA 164f., 169, 217 Belloquet, A., franz. Zeichner 244 Akademie) 176, 181
142 Arnswalde (Choszczno) 28 Benatzky, Ralph, Komponist 285 - Gertraudenbrücke (Friedrichs-
Adel, preußischer 47, 51, 73, 125, Aschersleben 28 Benediktiner 29 gracht) 251
167f., 195, 288 Askanier (Grafen- und Fürstenge- Benn, Gottfried, Schriftsteller 277, - Gertraudenkirche 106
Adelsbrief, preußischer 225 schlecht) 24, 28 ff., 32, 53 288 - Gewerbeausstellung (1879) 248
Adenauer, Konrad, Oberbürger- Astrua, italien. Sänger am Hof Benzelt, Balthasar, Baumeister 63 - Graues Kloster 62f.
meister von Köln 273ff; 286 Friedrichs II. 145 Berg, Leo, Schriftsteller 259 Berg, - Grosses Schauspielhaus 277f.,
Adolph, Maler 176 Auerstedt 163, 169 Herzogtum 119, 186 284
Aestii 34 Auerswald, Hans von, Generalmajor Bergbau 139, 195 - Grunewald 250
Agricola, Johann Friedrich, Kompo- 172 Bergengruen, Werner, Schriftsteller - Hansa viertel 271
nist 133 Aufklärung 68, 84, 86, 98, 125, 288 - Hasenheide 193f.
Albers, Hans, Schauspieler 278, 285 131f, 234 Bergner, Elisabeth, Schauspielerin - Hedwigskirche (kath.) 131, 140
Albert von Bremen, Bischof von Augsburger Allgemeine Zeitung 198 285 - Hinterhöfe 254, 277
Livland 35, 42 Austerlitz 162 Berlin 15,19,26,28,30ff, 50f., 60, - Hippelscher Weinkeller (Doro-
Albrecht II., Erzbischof und Kur- 63,66,71ff, 80f., 83,86f.,96,99, theenstrasse) 216f.
fürst von Mainz und Magdeburg Bab, Julius, Kulturkritiker 284 102, 104ff, 108f., 110, 119, 125, - Hochschule für Musik 255
55, 58 Bach, Carl Philipp Emanuel, Musi- 130ff, 143ff, 150, 156, 163ff, - Humboldthain 238
Albrecht III. Achilles, Kurfürst von ker 133, 145 168fT, 180,186,188,190ff, 194, - «Humboldtschlösschen» (Tegel)
Brandenburg 51, 53f. Bach, Johann Sebastian, Komponist 197ff, 202, 207ff, 213ff, 218f., 200, 214
Albrecht von Brandenburg-Ans- 104, 133, 191 22Iff, 227,233,237ff, 240,247, - Jerusalemer Kirche 106
bach, Hochmeister des Deutschen Bacon, Sir Francis, engl. Philosoph 249, 252ff, 259, 262ff, 271f., 277, - Jüdenstrasse 203
Ordens, danach Herzog in Preu- und Staatsmann 213 281ff, 285,287,289ff., 294, 296 - Kaiser-Friedrich-Museum 251
ßen 44,46,53,59,61,63f. Bad Ischl 231 - AEG-Turbinenhalle 250 - Kaiser-Galerie 255
Albrecht Friedrich, Herzog von Baden 235, 275 - AEG-Verwaltungsgebäude 251 – - Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskir-
Preußen 64ff. Balga (Weseloje) 42 Akademie der Künste 83, 87, 89, 92, che 250
Albrecht der Bär, Markgraf von Balk, Hermann, Hochmeister des 133, 286 - Kammerspiele 255
Brandenburg 24ff., 28, 53 Deutschen Ordens 40 - Akademie der Wissenschaften -Kartoffelkrieg (1847) 212
Albrecht II., Markgraf von Branden- Balkankriege (1912/13) 268 (anfangs Societät der Wissen- - Klosterstrasse 203
burg 28 Ballenstedt 24, 28 schaften) 2, 87, 119, 194 - Kolonnaden in der Mohrenstrasse
Alexander I., russischer Zar 166, Baluschek, Hans, Maler 265 - Akademiegebäude 131 156
183f., 197, 199 Barberina, Gräfin von Campanini, - Alexanderplatz 251, 284, 291 - Kolonnaden am Spittelmarkt 131
Alexander Newskij, Grossfürst von Tänzerin 146 - Alte Münze 131, 159 - Königliche Eisengiesserei (Orani-
Nowgorod 42 Barnim 28 - Altes Museum 192, 196f., 211, enburger Tor) 195
Allgemeiner Deutscher Arbeiterver- Barock 68, 83f., 88f., 92 214 - Königliche Porzellan Manufaktur
ein 234, 238 Barten (Barciany) 35, 46 - Anhalter Bahnhof 250 (KPM) 135, 138, 146f., 201
Alliierter Kontrollrat (Berlin) 9, 289 Bartholdy, J. S., preuß. Konsul in - Babelsberg 215 - Königskolonnaden 131
Altmark 24, 51, 53, 170 Rom 192 - Bauakademie 157, 163, 214 - «Kroll-Oper» 215, 240
Alvensleben, preuß. Adelsfamilie Bassermann, Albert, Schauspieler - Bauordnung (1853) 238 - Kunstgewerbemuseum 66, 239
32 190 - Bebauungsplan von Hobrecht - Kurfürstendamm 291
Amalie, Prinzessin von Preußen, Bauer, Bruno, Publizist 216f.; 221 (1862) 232t, 238, 250 - Landesversicherungsanstalt 251
Äbtissin von Quedlinburg 119, Bauern 24, 26, 32, 42, 45, 55, 60, - Belle-Alliance-Platz («Rondeel», - Lange Brücke (jetzt Rathausbrü-
125 64, 73, 86, 99, 105, 139, 168, heute Mehringplatz) 107, 110 cke) 91
Angerburg (Wegorzewo) 12, 64f. 177ff, 212 - Belvedere (Charlottenburg) 156 - Leipziger Platz 107, 110
Angermünde 28,47 Bauernbefreiung 8, 167, 172, 174, – Bode-Museum 91 - Leipziger Tor 214
Anklam 105 177, 209 - Böhmische Kirche 106 - Lichtenberg 30, 250
Anna von Preußen, Kurfürstin von «Bauhaus» (Weimar, Dessau) 277, - Börse 250 - Liedertafel (Zelter) 216
Brandenburg (Gern. Johann Sigis- 284 - Borsig-Fabrikanlagen (Tegel) 250 - Lustgarten 80, 150
munds) 65f. Bautzen 184 - Borsig-Hüttenwerk (Moabit) 226 - Lutter und Wegner, Weinkeller
Ansbach 51, 162, 186 Antisemitis- Bayerische Volkspartei 275 - Brandenburger Tor 156, 168, 181, 190
mus 246 f. Bayern 163, 186, 275 170,214, 286 - Marienkirche 86, 156
Antonelli, Giacomo, Kardinal, Bayreuth 51, 162f., 186, 288 - Brandenburger Tor (Quadriga) - Märkisches Museum 96, 251
päpstl. Staatssekretär 234 Beamtentum 99, 280, 288 162 - März-Revolution (1848) 218f.,
Arbeiterbewegung 223, 226, 237, Beauvau, Louis Charles Antoine - Breite Strasse 63 223
245 Marquis de 118 - Bürgerbrief (1821) 197 - Messegelände mit Funkturm
Arbeiterschaft 208, 218, 221, 224, Bebel, August, SPD-Parteiführer - Bürgerwehr (1848) 220, 227 277
228, 233, 250, 265, 280 237f., 245, 247, 280 - Charlottenburg 221, 250 - Metropol-Revuen 256, 262
Aristoteles, griech. Philosoph 213 Beck, Ludwig, Generaloberst 288
Beckmann, Max, Maler 253

375
- Militärakademie 131 - Unter den Linden 80, 90, 291, 294 Bonn 182, 199,210,214, 284 preuß. Gesandter in England 228
- Museen (früher Königl. Kunst- - Virchow-Krankenhaus 251 Bonpland, Aimé, Botaniker 194 «Burgfrieden» der Parteien (1914)
kammer) 92f, 192 - Werdersche Kirche 214 Bormann, Karl, Schriftsteller 235 269
- Museumsinsel 239, 257 - Wertheim, Warenhaus 249ff., 257 Bom, Stephan, Buchdrucker und Büring, Johann Gottfried, Baumeister
- Nationalbank 251 - «Westend-Klause» 285 Berliner Arbeiterführer 221,224 131, 137
- Nationaldenkmal auf dem Kreuz- -Wilmersdorf 238, 250 Börne, Ludwig, Schriftsteller 169, Burschenschaften 199
berg (Befreiungskriege) 211,215 - Zehlendorf 206 180, 198f. Burzenland (Grenzlandschaft
- Nationalgalerie 192, 239, 253 - Zeughaus 89f., 124, 223 Bösmiller, bayer. Oberst 228 Ungarns) 38
- Nationaltheater 190 Berlin (West) Bötzow 30
- Neptunbrunnen 251, 256 - Ernst-Reuter-Platz 291 Boumann, Georg Friedrich, Bau- Cadolzburg 48
- Neue Wache (Unter den Linden) - Stauffenbergstrasse 293 meister 13 If. Calandrelli, Alexander, Bildhauer 240
192, 214, 286, 294 Berliner Bohème (Jahrhundertwende) Boumann, Johann d. Ä. 130f., 141 Calvin, Johann, Reformator 105
- Neuer Pavillon (Charlottenburg) 264 Boumann, Philipp Daniel, Baumeis- Calvinismus 66
214 Berliner Kongress (1878) 265 ter 132 Calvinisten 80
- Neukölln (vor 1912 Rixdorf) 238, Berliner Nationalgarde 174 Boyen, Hermann von, Pädagoge 172 Camerarius, Joachim, Humanist 61
250 «Berliner Republik» (Weimarer Brahm, Otto, Theaterleiter 255 Camphausen, Ludolf von, Minister
- Nikolaikirche 80, 203 Republik) 281 Brahms, Johannes, Komponist 223
- Oper (früher Königliche Oper) Berliner Salons 164, 169, 171, 173 191,256 Camphausen, Wilhelm, Maler 239
135, 165, 191,201,252, 255 Berliner Secession (Malergruppe) Brand, Jurist (Königsberg) 177 Canova, Antonio, ital. Bildhauer 192
- Operettenbühnen 240, 252, 256 260 Brandenburg, Friedrich Wilhelm, Caprivi, Leo Graf von, dt.
- Oranienstrasse 254 «Berliner Stadtbuch» 30 Graf von, General 226f. Reichskanzler (1890—94) 265
- Palais Borsig 250 «Berlinische privilegierte Zeitung» Brandenburg (Mark, Kurfürstentum, Caran d’Ache, französ. Zeichner 241
- Pariser Platz («Quarré») 108 preuß. Provinz) 7, 11, 19 – 33, 42, Carl Edzard, Fürst Cirksena (Ostfries-
107,110 Bernini, Pietro, ital. Bildhauer 89, 46 – 67, 72, 227, 232, 250 land) 116
- Parochialstrasse (ehern. Reetzen- 251 Brandenburg-Preußen (Personal- Carmer, Johann von, preuß. Gross-
gasse) 203 Bernstein 11, 22, 34, 37 union 1618) 64, 68, 70, 77, 79, kanzler 141, 153
- Pergamon-Museum 251, 257 Bernsteinzimmer (Königsberg, 92, 119, 138 Carrectini, Sängerin am Hof
- Petrikirche 106 Puschkin) 4 Brandenburg (Stadt) 51 Friedrichs II. 145
- Philharmonie (1888) 250 Bernstorff, Christian Günther, Graf Brandenburgisch-Afrikanische Cassirer, Paul, Kunsthändler 252f.
- Philharmonisches Orchester 256 von, preuß. Minister 169 Handelskompagnie 80 Catel, Franz, Maler 159
- Potsdamer Bahnhof 206 Besatzung, französische (in Preußen) Braun, Otto, preuß. Ministerpräsi- Catt, Henri Alexandre de, Privatsekre-
- Potsdamer Chaussee 214 170, 181, 183 dent 274 ff., 281, 286 tär Friedrichs II. 108
- Potsdamer Platz 211 Besser, Johann von (Oberhofzeremo- Braunkohle 19 Chamisso, Adalbert von, Schriftsteller
- Presse (Entwicklung) 244, 264 nienmeister König Friedrichs I.) 86 Braunsberg (Braniewo) 206 189
- Prinz-Heinrich-Palais 131, 141 Beyme, Carl Friedrich von, preuß. Bray, François Gabriel Graf von, Charell, Erik, Regisseur und
- Rathaus Stadtmitte («Rotes Rat- Minister 167 franz. Diplomat 179 Choreograph 278
haus») 232 Biedermeier 196f., 200, 214f., 218, Brecht, Bertolt, Schriftsteller 285f. Charlotte, Prinzessin von Preußen 160
- Reichstagsgebäude 250 236 Bredow, preuß. Adelsfamilie 32, Chieze, Philipp de, Baumeister 105
- Reussisches Palais 209 Bierbaum, Otto Julius, Schriftsteller 115 Chimborazo (Equador) 194
- Ribbeckhaus 63 259 Brendel, Johann Gottlieb, Hofzim- Chodowiecki, Daniel, Maler 131 f.,
- Romanisches Café 285 Billung, Hermann, Markgraf 20 mermeister 159f. 144
- Schauspielhaus, altes 156, 162 Bischoffwerder, Johann Rudolf von, Brennabor 20,24 Chorin, Kloster 26
- Schauspielhaus am Gendarmen- preuß. Minister 152, 155 Brentano, Clemens, Schriftsteller Christian, König von Dänemark 55
markt (Schinkel) 176, 181, 191, Bismarck, preuß. Adelsfamilie 32 165, 189 Christian Ludwig, Markgraf von
214f. Bismarck, Klaus von 32 Breslau (Wroclaw) 61, 122f., 126, Brandenburg 104, 133
- Schloss Bellevue 132, 162, 169 Bismarck, Fürst Otto von, dt. 184, 192, 227, 284 Christian von Lekno, Bischof 38ff.
- Schloss Charlottenburg (Lietzen- Reichskanzler 6, 8f, 224, 226, - Palais Hatzfeld 142, 156 Christianisierung 20f., 44
burg) 87fE, 91,94,107,130,162, 231,234f., 237f., 240f.,244ff., 248, - Schloss 131 Clausewitz, Carl von, General 183
189,210 251,265, 268f., 273, 276, 289 Bretschneider, Hans, Hofsekretär Clermont 228
- Schloss Glienicke 214 Blankenfelde, Johann, Bürgermeister von Kurfürst Joachim II. 200 Cocceji, Samuel von, preuß. Gross-
- Schloss Monbijou 88, 101, 107, von Berlin 63 Brieg (Brzeg) 55 kanzler 141, 146, 148
132, 150, 62 Bläser, Gustav, Bildhauer 250 Brinkmann, Carl Gustaf Freiherr Cochläus, Johannes (eig. Dobe- neck),
- Schloss Pfaueninsel 161 f. Blechen, Carl, Maler 19If. von, schwed. Diplomat 169 kath. Theologe 55
- Schlossbrücke 214 Bleibtreu, Georg, Maler 239 Bromberg (Bydgoszcz) 118, 141 Code Civil (1804) 173
- Schöneberg 238, 249f. Bleichröder, Gerson, Bankier 2461Î. Brücke, Wilhelm, Maler 192, 207 Cohen, Max, Mitglied d. Zentralrats d.
- Siegesallee im Tiergarten 251, Bloch, Peter, Publizist 240 Bruno von Querfurt, Bischof 34 Arbeiter- und Soldatenräte (1919)
296 Blücher, Gebhard Leberecht, Gene- Brunoy, Schloss (bei Versailles) 272
- Siemens & Halske 248 ralfeldmarschall 162, 179, 185, 192 242f. Colleoni, Bartolommeo, ital. Kon-
- Singakademie 191, 212f., 216, Bock, J. C., Kupferstecher 197 Brunsberg, Heinrich, Baumeister 48 dottiere 89
219, 223, 256 Bode, Wilhelm von, Generaldirektor Bücherverbrennung (10.5.1933) Cölln 59,71,96
- Sophienldrche 106, 109, 150 der Staat!. Kunstsammlungen 251, 283, 287 - Stadtschloss 73
- Spandau 19, 23, 51, 250 253, 257, 282 Bugenhagen, Johannes, Reformator «Confessio Augustana» (1530) 55
- Staatsbibliothek (früher Königl. Bodt, Jean de, Baumeister 74, 90, 93 61 «Confutatio» (1530) 55
Bibliothek) 83, 87, 103, 132 Bogislaw, Herzog von Pommern 28 Bülow, Bernhard Fürst von, dt. Conradi, August, Komponist 256
- Stadthaus 251 Böhme, Martin Heinrich, Baumeister Reichskanzler (1900-1909) 268 Conradi, Hermann, Schriftsteller 259
- Stadtschloss 63, 80, 83, 88f„ 99, 107 Bülow, Friedrich Wilhelm Graf B. Corbinianus, Landschaftsarchitekt 63
140, 162, 220, 222 Böhmen 8, 38, 42, 44, 55, 116 von Dennewitz, Generalleutnant Corinth, Lovis, Maler 253, 288
- Technische Hochschule (Charlot- Boleslaw I. Chrobry, König von 192 Cornelius, Peter von, Maler 191f., 209
tenburg) 250 Polen 21 Bülow, Hans von, Dirigent 255f.
- Tempelhof 238 Bölsche, Wilhelm, Schriftsteller 259 Bundeskrieg (im Ordensland) 45
- Tiefwerder (Spandau) 21 Bündnissystem, Bismarcksches
- Tiergarten 80,214, 238f., 271, 246, 268
296 Bürgertum, preußisch-deutsches
- Treptower Park 238 32,195,197,235,237,241,244ff.
- «Tunnel über der Spree» (literar. Burgunder 19
Club) 216f., 235 Bunsen, Christian Freiherr von,
- Universität (später Humboldt- U.)
8, 141, 193f., 211, 213

376
Cottbus 54, 59, 116, 170 Dorpat (Juijew) 43 Friedrich, Architekt 88, 107 Freiligrath, Ferdinand, Lyriker 218
Covent Garden Theater (London) 191 Dorsch, Käthe, Schauspielerin 285 Erbfolgekrieg, Pfälzischer 84 Freimaurer 125, 172
Cranach, Lucas d. J., Maier 61 Drage (Drawa) 28 Erbfolgekrieg, Spanischer 84 Erd- Freisler, Roland, NS-Richter 254,
Crane, Claus, Franziskanermönch 44 Drake, Friedrich, Bildhauer 196f., mannsdorflf, Friedrich Wilhelm von, 288
Croon, Quirin, Industrieller 195 240 Architekt 143, 156f., 162f. Frey, Johann Gottfried, Politiker 172
Crossen 54, 59, 116 Drausen-See 16 Erich, Herzog von Braunschweig 55 Freytag, Gustav, Schriftsteller 240
Dreikaiserbündnis (1872) 241 Ermland 45, 57, 116, 118 Friedeberg (Strzelce Krajehskie) 28
«Daily-Telegraph»-Interview Dreiklassen-Wahlrecht-System Ernst, Markgraf, Statthalter Fried- Friedell, Egon, Kulturphilosoph 199,
(1908) 268 227, 235, 247 265 rich Wilhelms in Berlin 73 240f, 247, 257
Damm 105 Dreissigjähriger Krieg 64, 66, 68f., Ernst August, Kurfürst von Hanno- Frieden von Christburg (1249) 42
Dänemark 29, 232, 271 72, 77, 79 ver 87 Frieden von Hubertusburg (1763)
Danckelmann, Eberhard, preuß. Dresden 187, 293 Erzberger, Matthias, Reichsfinanz- 116
Oberpräsident 93 Driesen 53 minister 273 Frieden von Oliva (1660) 76, 79
Danzig (Gdänsk) 16,28f., 42f., 45, Drittes Reich 287f. Erziehungswesen 104ff., 194, 210 Frieden von Stockholm (1720) 105
53,64, 66, 88, 116, 132f., 144, Dualismus Reich-Preußen 268, 275, Essen 195 Frieden von Thom, zweiter (1466)
170, 186, 214 286 Estland 43 44ff., 53, 79
Darwin, Charles Robert, brit. Biologe Dürer, Albrecht, Maler 58 Eulenburg, preuß. Adelsfamilie 45 Frieden von Tilsit (1807) 170, 172,
259 Durieux, Tilla, Schauspielerin 253, Eupen 271 179
Däubler, Theodor, Schriftsteller 285 285 Expressionismus 252 Friedensvertrag, dtsch.-franz.
Dehio, Ludwig, Kunsthistoriker 215 Dusburg, Peter von, Chronist 35, 44 Eyserbeck, Johann August, Garten- (1871) 247
Dehmel, Richard, Schriftsteller 255, Düsseldorf 191f., 205 architekt 143 Friederike, Prinzessin von Hessen-
264f. Dwinger, Edwin Erich, Schriftsteller Darmstadt 155
Deichmann, Friedrich Wilhelm, The- 282 Faber, Jakob, franz. Theologe 55 Friederike, Prinzessin von Preußen
aterdirektor 240 Fall, Leo, Komponist 285 162
Deismus, englischer 125 Ebers, Georg, Schriftsteller 240 Fallada, Hans, Schriftsteller 286 Friedland (Prawdinsk) 166
Demagogen-Verfolgung 187, Eck, Johann (eig. Maier), kath. Faltz, Reimond, Medailleur 83 Friedlaender, David, Kaufmann und
196ff., 199, 202, 210, 217 Theologe 55 Faschismus 213 Schriftsteller 177
Demmin 28, 105 Eckstein, Johann, Bildhauer 150 Fehling, Jürgen, Regisseur 285 Friedländer, Max J., Kunsthistoriker
Dessau 157 Edikt von Nantes (1598) 79 Fehrbellin 79 251
Dessauer Bündnis (1525) 55 Edikt von Potsdam (1685) 79 Feininger, Lyonel, Maler 253 Friedrich II., röm.-dt. Kaiser 28,
Deutsch, Ernst, Schauspieler 285 Eichendorff, Joseph von, Schriftstel- Ferdinand I., dt. Kaiser 55 33f., 37f.
Deutsch-Krone (Walcz) 118 ler 189 Feuchtwanger, Lion, Schriftsteller Friedrich III., röm.-dt. Kaiser 54
Deutsch-Ostafrika 245 Eichhorn, Johann Albrecht Fried- 285 Friedrich III., dt. Kaiserund König
Deutsche Demokratische Republik rich, preuß. Minister 198, 204 Feudalismus 209 von Preußen (1888) 228, 251, 265
(DDR) 294 Einsiedel, preuß. Adelsfamilie 108 Fichte, Johann Gottlieb, Philosoph Friedrich I., König in Preußen (bis
Deutscher Bund 199, 210 Einstein, Albert, Physiker 249 153, 169, 180, 187f., 194, 198 1701 Friedrich III., Kurfürst von
Deutscher Orden 7, 17, 29,32-46, Eisenach 238 Finnischer Meerbusen 35 Brandenburg) 4, 83f., 86IÏ., 89f,
50, 53, 55, 57, 79 Eisenbahn (Entwicklung in Preußen) Flamen 24 92f, 96f., 101, 109, 224, 235
Deutschnationale Volkspartei 204, 206, 208, 233 Flandern 44 Friedrich II., König von Preußen 2,
(DNVP) 274 Eisengiessereien, königlich-preußi- Flechtheim, Alfred, Kunsthändler 7ff., 30, 34, 47, 54f, 59ff., 66, 73,
Devaranne, Siméon Pierre, Industriel- sche 194 253 77, 83, 86ff., 93, 98f, 107ff., 112,
ler 194 Eisenguss 192, 194, 212f. Fleming, Hans Friedrich von, Kup- 116, 118, 1211Ï., 124ff., 1281Ï.,
Devrient, Ludwig, Schauspieler 181,- Eisernes Kreuz (1813) 170 ferstecher 121 132f, 136, 138, 141f., 144, 146,
190 Elbe 19f., 24, 170 Flensburg 271 148, 150fE, 155, 157, 162, 166f.,
Diebitsch, Johann Karl Friedrich Elbing (Truso; heute Elblag) 37, Flottenpolitik, deutsche 268 169, 172, 177, 192, 204, 219,
Graf, General 8, 177, 184 42f, 53, 116 Foerster, Friedrich Wilhelm, Erzie- 239f., 296
Dieffenbach, Johann Friedrich, Chi- Eibinger Konvention (1807) 170 hungswissenschaftler 287 Friedrich Wilhelm I., König in Preu-
rurg 209 Elisabeth, Zarin von Russland 127 Fontane, Theodor, Schriftsteller 12, ßen («Soldatenkönig») 4, 98ff.,
Dietrich von Altenburg, Ordenschro- Elisabeth, Prinzessin von Braun- 15, 107,217, 222, 235, 239f; 244, 101ff., 104ff, 107ff, 112, 115,
nist 44 schweig-Bevern, Königin von 257ff., 265, 293 120ft, 131, 148, 276, 288
Dietrich, Marlene, Schauspielerin Preußen (Gern. Friedrichs II.) 108 Fortschrittspartei 252 Friedrich Wilhelm II., König von
278, 285 Elisabeth, Prinzessin von Bayern, Fouqué, Friedrich Heinrich Karl Ba- Preußen 101, 142, 146, 152,
Dirschau (Tczew) 29 Königin von Preußen (Gern. ron de la Motte, Schriftsteller 155ft, 159, 162, 227
Dispositionskasse, königliche 155 Friedrich Wilhelms IV.) 209 164, 169 Friedrich Wilhelm III., König von
Distelmeyer, Lamprecht, Elisabeth, Kurfürstin von Branden- Fouqué, Baron de la Motte (1750) Preußen 155, 157, 159, 162f.,
Berater Joachims II. 59, 62f. burg (Gern. Friedrichs I.) 48, 55 128 166f., 170, 172, 177, 183, 186,
Diterichs, Friedrich Wilhelm, Archi- Elisabeth, Kurfürstin von Branden- Francke, August Hermann, Theologe 189, 194, 197, 199,214, 250
tekt 107 burg (Gern. Johann Georgs) 62 84 Friedrich Wilhelm IV., König von
Dix, Otto, Maler 285 Elsass-Lothringen 245f. Frankfurt am Main 210, 213, 223, Preußen 160, 209ff., 214ff.,
Döblin, Alfred, Schriftsteller 287 Elsholtz, Johann Sigismund, Arzt 79 232, 284 217ff., 221, 228f.
Dohna, preuß. Adelsfamilie 45f. Emden 80f., 116 Frankfurt a. d. Oder 28, 50, 54, 70 – Friedrich f., Kurfürst von Branden-
Dohna, Alexander von, Jurist 172 Empire 169 Universität Viadrina 54 burg (vor 1415 Burggraf von
Dolbin, Benedikt Fred (eig. Pollak), Engel, Johann Jakob, Schriftsteller Frankfurter Nationalversammlung Nürnberg) 32, 47ff., 56
Zeichner 285 169 (Paulskirche) 223, 235 Friedrich II., Kurfürst von Branden-
Dominikaner 29 Engels, Friedrich, Publizist 218 Franklin, Benjamin, Schriftsteller burg («der Eiserne») 51, 53
Dömitz 199 England 84, 125, 213, 233 und amerikan. Staatsmann 141 Friedrich, «der Fette» (Sohn von
Dönhoff,preuß.Adelsfamilie 93,108 Encke, Wilhelmine (Gräfin Lich- Frankreich 72,76f, 79,84,92,125, Kurfürst Friedrich I.) 51
Dönhoff, Marion Gräfin 7 – 9, 177 tenau) 155, 157, 166 155, 162f., 166, 168, 185, 196, Friedrich, Erbprinz von Bayreuth
Dönhoff, Sophie Gräfin 155, 227 «Entartete Kunst» (NS-Ausstel- 199, 208,213,228, 232,247, 265 109
Dorothea, Kurfürstin von Branden- lung)287 Franz II., römisch-deutscher Kaiser Friedrich II., Landgraf (Prinz von
burg (zweite Gern, von Kurfürst Entente cordiale 268 (als Kaiser von Österreich Franz Homburg) 296
Friedrich Wilhelm) 66 Eosander von Göthe, Johann I.) 163, 197 Friedrich der Niederlande, Prinz
Dorothea, Herzogin von Kurland 169 Franziskaner 29 (Gemahl von Prinzessin Luise
Frauenburg (Frombork) 57 Freese, von Preußen) 210
Julius, Sozialist 238

377
Friedrich Heinrich, Prinz von Nas- Gilly, Friedrich, Baumeister 143, Gumbinnen (Gussew) 118 Guericke, Sachsen und Bayern 28
sau-Oranien 80 156f., 162, 214 Otto von, Bürgermeister von Mag- Heinrich, Prinz von Preußen 108, 115,
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Glatz, Grafschaft 116 deburg 79,83 130, 150
Brandenburg 7, 30, 73f., 76fT., Gleiwitz (Gliwice) 194 Gustav VI. Adolf, König von Heinrich von Landsberg 30
80flf., 83, 87, 89,91, 104, 116 Gluck, Christoph Willibald, Kompo- Schweden 70, 72 Heinrich von Plauen, Hochmeister
Friedrich, Caspar David, Maier 181, nist 133 Gutzkow, Karl, Schriftsteller 198, des Deutschen Ordens 45
188, 191f. Gneisenau, August W.A.Neidhart, 202 Heinsberg 195
Friedrich, Franz, Zeichner 63 Generalfeldmarschall 172, 181, Helgoland 232
Friedrich-Wilhelm-Kanal 79 192 Habsburg (Dynastie) 9,72,84,234 Helmholtz, Hermann, Physiker 249
Friedrichsruh (Lauenburg) 248 Gnesen (Gniezno) 33, 118, 210 Haeckel, Ernst, Naturphilosoph 249 Helvétius, Claude Adrien, Steuerfach-
Friedrichstein, Schloss 93 Goldap (Goldap) 13 Hainhofer, Philipp, Augsburger Pat- mann 142
Friesen, Karl Friedrich, Lehrer 194 Goldbulle von Rimini (1226) 34, 36, rizier 66 Herder, Johann Gottfried, Schriftstel-
Friesen 24 38 Halberstadt (Bistum) 73, 77, 170 ler 37, 125, 131
Frisch, Johann Christoph, Maier 131 Golden Twenties (Goldene Halle 146f. Hermann von Salza, Hochmeister des
Frisches Haff 16, 28, 45, 105 Zwanziger Jahre) 278, 281, 285 - Universität 84, 86, 103, 106, Deutschen Ordens 35, 38, 40, 42
Frischmann, Christoph, Postmeister «Goldene Bulle» (1356) 30 125 Hermann, Georg (eig. Georg Bor-
63 Gollnow (Goleniow) 105 Hamann, Johann Georg, Philosoph chardt) Schriftsteller 259
Fünck, Johann Georg, Baumeister Gompertz, Familie von Hof- und 127f. Herz, Henriette 162, 169, 180
135 Münzjuden in Brandenburg 80 Hamburg 44, 51 Hess, Moses, Schriftsteller 218
Furtwängler, Wilhelm, Dirigent 285 Gontard, Carl, Architekt 130f. Goer- Händel, Georg Friedrich, Kompo- Hessen, Grossherzogtum 231
deler, Carl Friedrich, Oberbürger- nist 133 Hessen-Homburg, Herzogtum 232
Gaertner, Eduard, Maier 192, 202f., meister von Leipzig 288 Hannover, Königreich 87, 104, 163, Hessen-Kassel, Herzogtum 232
207 Görlitz (Zgorzelec) 185f. 186, 202 Hessen-Nassau, preuß. Provinz 232
Gagern, Friedrich von, niederländ. Görres, Joseph von, Publizist 189, Hannover, preuß. Provinz 232 Hesterberg, Trude, Chansonette 286
General in preuß. Diensten 211 196 Hanse 50f., 53 Heweller 20
Galinden 35, 46 Goslar 186 Hardenberg, Karl August Freiherr Heyse, Paul, Schriftsteller 217,240
Galinder 34 Goten 19 von, preuß. Staatskanzler 170ff., Hiddensee 258
Gartz 54, 105 Goethe, Johann Wolfgang von, 173, 176ff„ 189, 199, 209, 213 Hildebrandt, Theodor, Maler 193
Gattamelata (eig. Erasmo da Schriftsteller 125, 132, 157 Hamack, Adolf von, Theologe 249 Hildesheim 186, 232
Nami), italien. Kondottiere 89 Gotland 43 Hart, Heinrich, Schriftsteller 255, Hille, Peter, Holzschneider 63
Gaul, August, Bildhauer 252 Göttingen 259 Hille, Peter, Schriftsteller 258,264
Gegenaufklärung 126f, 132, 152, - Universität 37 Hart, Julius, Schriftsteller 255,259 Hindemith, Paul, Komponist 285
187 Göttinger Professoren (1837) 202 Hartknoch, Christoph, Historiker 76, Hindenburg, Paul von, dt. Reichsprä-
Gegenreformation 8, 47 Gottsched, Christoph, Schriftsteller 83 sident 281, 286
Geibel, Immanuel, Schriftsteller 217 104 Hartleben, Otto Erich, Schriftsteller Hirsch, Paul (SPD), preuß. Minister-
Geiss, Moritz, Industrieller 194 Goetz, Curt, Schauspieler und 259 präsident 272, 274
Gemeindeordnung 176 Autor 285 Hasenclever, Josua, Industrieller Hitler, Adolf, dt. Reichskanzler 9,
General-Direktorium 102 Gotzkowski, Johann Ernst, Fabri- 195 253, 284, 286ff.
Gentz, Heinrich, Architekt 156f., kant 138 Hasse, Johann Adolf, Komponist Hitler-Attentat (20. Juli 1944) 284,
159, 169, 180, 189 Grabmal für den kleinen Grafen in 133 288
Georg f., König von England (zuvor der Mark (Schadow) 156f., 162 Hauptmann, Gerhart, Dramatiker Hitzig, Friedrich, Architekt 239
Georg Ludwig von Hannover) 99 Graeb, Paul, Maler 234 205, 209, 255f., 258f., 283, 286 Hobrecht, James, Berliner Baubeauf-
Georg, Herzog von Sachsen 55 Grael, Johann, Architekt 107 Hauschild, G.F.A., Schlossermeister tragter 238
Georg, Markgraf von Ansbach 55 Grande Armée (Napoleon) 183 202 Hochkirch 121
Georg Friedrich, Markgraf von Ans- Gräner, Georg, Musikkritiker 254 Hauser, Oswald, Publizist 292 Hoesch, Eberhard, Industrieller (Düs-
bach 65f. Granville, George, Lord, brit. Hausgesetz von Albrecht III. seldorf) 204f.
Georg Wilhelm, Kurfürst von Bran- Aussenminister 235 Achilles (Dispositio Achillea) Hoffmann, E.T.A., Schriftsteller und
denburg 47, 69f., 72f. Grassi, Joseph, Maler 159, 161 53f., 84 Musiker 169,181,189f., 215
George, Heinrich, Schauspieler 285 Graudenz (Grudziadz) 40, 199 Havelberg 11, 20, 24, 26 Hoffmann, Ludwig, Architekt 251
«Geraischer Vergleich» (1599) 66 Graun, Johann Gottlieb, Komponist Havelländisches Luch 139 Hoffmann von Fallersleben, August
Gerhard, Adele, Schriftstellerin 259 133, 145 Haydn, Joseph, Komponist 133 Heinrich, Schriftsteller 218
Gerhardt, Paul, Kirchenlieddichter Grawert, Eduard, Maler 220 Heartfield, John (eig. Helmut Her- Hofmann, L. von, Grafiker 260
80 Greetsiel 80 zfeld) 282 Hofmannsthal, Hugo von, Schriftstel-
Gericke, Samuel Theodor, Maler 94 Gregor IX., Papst 39 Hecker, Friedrich, Führerder bad. ler 125
Gerlach, Leopold von, General 212 Greifswald 188f., 192 Aufständischen (1848) 229 Hogarth, William, Maler 144
Gerlach, Philipp, Architekt 106 Grenzmark Posen-Westpreußen Hedwig, Prinzessin von Polen Hohenfriedberg 121
Germanen 19 (1922) 271 (Gern. Joachims II. Hektor) 50, Hohenzoller (Burg b. Hechingen) 223
Germanisierung 26 Grey, Edward, Lord, brit. Aussen- 58f. Hohenzollern (Dynastie) 32, 47, 70,
Gero, Markgraf 20 minister 268 Hedwig von Holstein (Gemahlin Ot- 77, 172, 229, 235, 240, 276f.
Gesellenverein, katholischer 238 Griechenland 199 tos IV.) 28 Hohenzollern (fränk. Linie) 51 Ho-
Gewerbefreiheit (1810) 176, 209, Grimm, Jakob, Schriftsteller 209, Heer, preußisches 103ff., 123f., henzollern-Hechingen 232 Hohenzol-
214 211 127, 163, 167, 176, 179, 244 lern-Sigmaringen 232
Giampetro, Josef, Schauspieler 262 Grimm, L., Kupferstecher 165 Heeresreform (ab 1807) 176 Hegel, Hölderlin, Friedrich, Schriftsteller
Giese, Heinrich, Goldschmied 124 Grimm, Wilhelm, Schriftsteller Georg Wilhelm Friedrich, Philosoph 277
Gilbert, Jean, Komponist 256 209,211 164, 169, 193, 196ff, 212fr., 217 Holland 185
Gilly, Daniel, Baumeister 214 Gropius, Martin, Architekt 239 Heilige Allianz 186, 197, 199 Holländer 24
Gropius, Walter, Architekt 277, 284 Heim, Ernst Ludwig, Arzt 170 Hollaender, Victor, Komponist 256
Grossbritannien 185 Heine, Heinrich, Lyriker und Publi- Holoch, C., Grafiker 244
Grossglogau 199 zist 164, 169, 191, 198f., 202, Holstein, Herzogtum 232
Gross-Görschen 184 211,214,218, 277 Holstein-Gottorp, Prinz Friedrich
Grosz, Georg, Maler und Zeichner Heine, Wolfgang (SPD), preuß. Adolf von 119
282 Innenminister 274
Grünberg, Martin, Baumeister 88, Heinrich I., dt. König (919-936) 20
90, 94 Heinrich, Herzog von Braunschweig
Gründgens, Gustaf, Schauspieler 55
285 Heinrich der Löwe, Herzog von
Guben (Gubin) 185f.

378
Holz, Amo, Schriftsteller 255,257, denburg 47, 54 - Schloss Moyland 121 Kretzer, Max, Schriftsteller 259
259 Johann Sigismund, Kurfürst von Klewiz, Wilhelm Anton von, Politi- Krieg, deutsch-dänischer (1864) 232
Horndorf 121 Brandenburg 65f., 70 ker 172 Krieg, deutsch-franz. (1870/1) 240f.
Hornhausen (Magdeburg) 21 Johann (Sohn Karls IV.) 32 Kley, Heinrich, Zeichner und Maler Krieg, deutsch-österr. (1866)224,
Hornung, Katharina (Geliebte Johann I., Markgraf von Branden- 270 232
Joachims I.) 61 burg 26, 28, 42 Klimsch, Fritz, Bildhauer 252,257 Krieg, Siebenjähriger 109, 112, 116,
House, US-Oberst (Berater Wilsons) Johann, «der Alchimist» (Sohn von Klopstock, Friedrich Gottlob 127, 123, 138
268 Kurfürst Friedrich I.) 50 132 Kriege, Schlesische 109, 112, 116,
Huch, Ricarda, Schriftstellerin 283 Johann, Markgraf von Küstrin 16, Knaus, Ludwig, Maler 239 123
Hude, Hermann von der, Architekt 58f Knesebeck, preuß. Adelsfamilie 32 Kriegs- und Domänenkammern 102
176 Johann Georg, Kurfürst von Bran- Knobelsdorff, Georg Wenzeslaus Kriegsgericht 108
Hugenotten 8, 79f. denburg 62f., 65 von, Baumeister und Maler 105, Krüger, Franz, Maler 209, 239
Hultschiner Ländchen 271 Jom-Kippur-Tag (1870) 229 108, 130f., 135, 137, 215 Krüger, F.C., Kupferstecher 115
Humboldt, Alexander von, Natur- Joseph II., römisch-deutscher Knut, König von Dänemark 28 Krüger, J.C., Kupferstecher 145
wissenschaftler 169, 180, 188, König 152, 167 Koblenz 214 «Krüger-Telegramm» (1896) 268
192, 194, 209 Juden (in Preußen) 62, 80, 106, 125, Koch, Robert, Bakteriologe 249 Krupp, Alfred, Industrieller 240
Humboldt, Wilhelm von, Gelehrter 176f., 229, 247, 286 Kokoschka, Oskar, Maler 253 Krupp, Friedrich, Industrieller 195
und preuß. Staatsmann 8, 169, Jugendstil 252 Kolbe, Georg, Bildhauer 252 Krupp, Gussstahlfabrik (Essen) 226
172, 177, 180, 192ff, 199, 209 Jülich-Kleve 66, 119, 186 «Junges Kolbe, d.J., Karl Wilhelm, Maler Krupp’sche Riesenkanone (1867)
Hundrieser, Emil, Baumeister 251 Deutschland» («Junge 210 227
Husaren 105 Literatur») 198, 202, 217 Kolin (Kolin) 121 Kujawien 116
Hussiten 50 Junkers, Hugo, Flugzeugkonstruk- Kollo, Walter, Komponist 256,278 Kulm (Chetmno) 40, 170
teur 249 Kollwitz, Käthe, Malerin und Bild- Kulmerland 37ff, 40, 45, 116
Ibsen, Henrik, Schriftsteller 255, 259 Junkertum (Landadel, preuß.) 79, hauerin 205, 253f., 282f. Kulmisches Stadtrecht 34, 45
Iffland, August Wilhelm, Schauspie- 179, 195f., 209, 235, 247f„ 276 Köln 44, 186,210,214, 222f., 239, Kulturkampf, Bismarckscher 211,
ler 190 Justi, Ludwig, Kunsthistoriker 251 250f., 273ff, 286, 295 241, 243
Iffland-Ring 190 Justizreform 148 - Dom 250 Kultur- und Kirchenreform 176
Imhoff, Peter Josef, Bildhauer 171 - Karneval 251, 295 Kunersdorf 121
Impressionismus 239, 252 Kadetten 73, 77 - Wallraff-Richartz-Museum 250 Künneke, Eduard, Komponist 286
Industrieentwicklung (in Preußen) Kaiser, Georg, Dramatiker 283 Kolonialpolitik, deutsche 241, 245f. Kurland 42
138,186,195,214,224,233, 247f. Kaiserreich, zweites deutsches 9, Kolonien, preuß. Kurmark 58f., 163
Industriegebiet, oberschlesisches 233ff, 240f., 246f, 250, 252f, 268 - Arguin 80 Kursachsen 32, 59, 116
(1922)271 Kalisch, David, Schriftsteller 254 - Dorotheenschanz 80 Küstrin (Kostrzyn) 16, 59, 108f.,
«Innere Emigration» (im Dritten Kamecke, preuß. Adelsfamilie 89 - Fort Sophie-Louise 80 112, 148
Reich) 283 Kamenz, Schloss (Schlesien) 215 - Gross-Friedrichsburg 80
Innozenz III., Papst 35 Kamin (Kamién Krajeriski) 118 - Guinea 81 La Rochefoucauld, franz. Schriftstel-
Inowrazlaw 118 Kanitz, preuß. Adelsfamilie 45 - Taccaray 80 ler 122
Insterburg (Tschernjachowsk) 64, Kant, Immanuel, Philosoph 9, 86, - westafrikan. Goldküste 80 «Landbuch der Mark Brandenburg»
105 125, 128, 132, 152f„ 155, 159, Kolonisation 20, 26, 38, 64, 86, 102, 29
Iserlohner Tabaksdosen 124 171, 173, 187, 192, 285, 292 109, 138, 179, 234 Landfriedensgesetz (1414) 32
Italien 44, 185, 268 Karl der Grosse, röm.-dt. Kaiser 20 Kolping, Adolf, kath. Publizist 238 Landgemeindeordnung 79
Itzenplitz, preuß. Adelsfamilie 108 Karl IV., dt. Kaiser 29f., 32, 56 «Kommune»-Aufstand (Paris) 238 Landsberg, Otto, Volksbeauftragter
Iwan IV., Zar von Russland 59 Karl V.,dt. Kaiser 59 Königgrätz 224, 231, 234, 238 f. d. Justizwesen (1919) 272, 275
Karl, Kommerzienrätin 209 Königsberg (Kaliningrad) 14, 33, 37, Landsberg a.d. Warthe (Gorzow
Jakobi, Friedrich Heinrich, Philo- Karl Friedrich, Grossherzog von 40, 42, 65f., 71, 73, 76, 86, Wielkopolski) 28
soph 128 Sachsen-Meiningen 228 88f.,92, 102, 104, 118, 125,127, Landwirtschaft 139, 186, 208
Jakobssohn, Siegfried, Publizist 253, Karlsbader Beschlüsse (1819) 194, 152, 166, 171f., 174, 177, 192, «Lange Kerls» 104
282 198f., 213 227, 235, 276, 285, 287, 292 Langenbielau 209
Jacoby, Johann, Abgeordneter in der Kartoffeln 81 -Universität (Albertus) 158f., 171, Langervelt, Rutger van, Architekt 83
Preuß. Nationalversammlung 227 Kategorischer Imperativ (I. Kant) 173 Langhans, Carl Gotthard, Baumeis-
Jägerndorf, schles. Herzogtum 55, 292 Königsberger Domänen-Plan- kam- ter 143, 156f., 162f., 168
66 Katharina II., Zarin von Russland mer 206 Langner, Ilse, Dramatikerin 283, 291
Jahn, Friedrich Ludwig, der «Turn- 127 Königshorst, Staatsdomäne 139 Langobarden 19
vater» 193f., 199, 210 Katharina (Tochter Karls IV.) 32 Konrad I., Herzog von Masowien Lasker-Schüler, Else, Schriftstellerin
Jakob I., König von England 86 Katholiken 125 38f. 264, 277
Jannings, Emil, Schauspieler 285 Katte, Hermann von, Leutnant 107f„ Kontinentalsperre (1806) 195 Lassalle, Ferdinand 233,237f., 247
Jaxa von Köpenick 24 112 Konvention von Tauroggen 8,177, Laube, Heinrich, Schriftsteller
Jean Paul (eig. Jean Paul Friedrich Kelten 19 183f. 198, 202
Richter), Schriftsteller 169, 189 Kerr, Alfred, Publizist 255, 284, 287 Konzil zu Konstanz 56 Lauenburg 232
Jena 163, 169 Ketteier, Wilhelm von, Bischof von Köpenick 28, 263 Lausitz 32, 59
- Universität 153 Mainz 238 - Schloss 107f. Lebus 28
Jerichow (Brandenburg) 22, 26 Keynes, John Maynard, britischer - Schlosskapelle 83, 85 Legeay, Jean Laurent, Architekt 131
Jessner, Leopold, Regisseur 285 Volkswirtschaftler 234 Kopernikus, Nikolaus, Astronom 57 Lehde (Spreewald) 13
Joachim I. Nestor, Kurfürst von Kiel 272 Körner, Karl Theodor, Lyriker 189, Lehndorff, preuß. Adelsfamilie 9
Brandenburg 54f., 61, 296 Kilian, Philipp, Kupferstecher 127 191 Lehnin, Kloster 26
Joachim II. Hektor, Kurfürst von Kirchen (im Dritten Reich) 287 Körte, Friedrich, Architekt 250 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Philo-
Brandenburg 55, 58ffl, 62 Kirchenmusik 133 Kortner, Fritz, Schauspieler 281, 285 soph, Mathematiker, Naturwis-
Joachim Friedrich, Kurfürst von Kirchenordnung (1540) 59f., Kotzebue, August von, Schriftsteller senschaftler 83f., 86ff, 213
Brandenburg 63, 66 Kiss, August, Bildhauer 211, 240 199 Leipzig 104, 185, 191, 199, 233
Joachim, Joseph, Geiger und Diri- Klassizismus 152 – 169, 212 Kraus, Volkswirt 171, 173
gent 255 Kleiber, Erich, Dirigent 285 Krauskopf, Wilhelm, Maler 198
Jobst von Mähren 32 Kleist, Heinrich von, Dramatiker Krauss, Werner, Schauspieler 190,
Johann Cicero, Kurfürst von Bran 125, 186, 188, 255, 277 286
Klemperer, Otto, Dirigent 215,285 Krefeld 233
Klepper, Jochen, Schriftsteller 288
Kleve 7, 13, 65f., 80f., 163, 195

379
Leistikow, Walter, Maler 252 Luise, Prinzessin von Mecklen- tiker und Philosoph 119 Komponist 133, 156, 165
Leitzkau, Kloster 26 burg-Strelitz, Königin von Preu- Max von Baden, Prinz, dt. Reichs- Müggelsee 15
Lekno, Kloster 38 ßen (Gern. Friedrich Wilhelms kanzler 270 Mühsam, Erich, Schriftsteller 258,
Lenné, Peter Joseph, Baumeister 238 III.) 160f., 166,169f., 172f., 189, Mecklenburg 20, 30, 47, 104 264
Lenya, Lotte, Sängerin 286 192, 210 Mecklenburg-Strelitz 28 Müller, Adam von, Schriftsteller
Lenz, Jakob Michael Reinhold, Dra- Luise Henriette, Prinzessin von Ora- Mehring, Walter, Schriftsteller 282 186f.
matiker 128, 259 nien, Kurfürstin von Brandenburg Meijtens, Martin von. Maler 127 Munch, Edvard, Maler 264, 285
Lenzen 20 (Gern. Friedrich Wilhelms) 74, Meil, Johann Wilhelm, Maler 132 Münchhausen, preuß. Justizminister
Leopold f., dt. Kaiser 84, 92 76, 80 Meininger, Theatergruppe 254f. 8f.
Leopold von Hohenzollern-Sigmarin- Luise Ulrike, Prinzessin von Preu- Meinrad, Josef, Schauspieler 190 Mund, August Ferdinand, Maler 163
gen, Erbprinz 232 ßen 119 Meissen 20, 29, 42, 59 Mundt, Theodor, Schriftsteller 198,
Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, Lusitzer 20 Melanchthon, Philipp, Reformator 202
Feldmarschall (der «alte Des- Lüneburg 232 61 Münster 243
sauer») 123, 162 Luther, Martin, Reformator 44, 55, Mell, Max, Schriftsteller 285 Muskau, Schloss 202
Lepel, Bernhard von, Schriftsteller 58f., 162 Memel (Njemen) 34, 172, 204 Muskulus, Andreas, Hofprediger
235 Luther von Braunschweig, Orden- Memelgebiet 271 Joachims II. 61
Lepsius, Karl, Kunsthistoriker 251 schronist 44 Memhardt, Gregor, Architekt 80
Lessing, Gotthold Ephraim, Schrift- Lützen 72 Mendelssohn, Erich, Architekt 284 Nadar, Gaspard Félix, franz. Zeich-
steller 86, 121, 125, 131 Luxemburger (Dynastie) 30, 32 Mendelssohn, Moses, Philosoph ner 239
Letten 34 Lychen 28 125, 131, 191 Nadrauen 35, 42, 46
Leubus, Kloster (Lubiaz) 15 Lyck (Elk) 64 Mendelssohn-Bartholdy, Felix, Napoleon Bonaparte, Kaiser von
Leuschner, Wilhelm, Gewerkschaft- Komponist 169, 188, 190f. Frankreich 8, 142, 152, 162f.,
führer 288 Maassen, Karl Georg, preuß. Menzel, Adolph von, Maler2,116, 166, 168ff, 171f., 174, 176ff,
Leuthen (Lutynia) 121 Finanzminister 195, 204 128, 133f., 217, 235f., 239f. 182ff, 185f.
Leygebe, Gottfried Christian, Bild- Machiavelli, Niccolö, italien. Politi- Mercier, Philipp, Teppichkünstler Narew 34
hauer 82 ker 118f., 123 78 Narwa (Narva) 39
Leygebe, Paul Carl, Kunsthistoriker Mackay, John Henry, Lyriker 259 Merian, Matthäus, Kupferstecher Nassau 102
und Maler 92 Magdeburg 26, 32, 72, 74, 77, 80, 70, 76 Nassau, Herzogtum 232
Liebermann, Max, Maler239,253, 83, 157, 170, 199, 204 Merseburg 186 Nassauische Denkschrift (1807)
262, 277, 286 «Magdeburgische privilegierte Zei- Messel, Alfred, Architekt 249,251, 171f.
Liebenwalde 204 tung» 124 257 Natangen 35
Liebknecht, Wilhelm, Sozialdemo- Magnus, Eduard, Maler 236, 239 Metternich, Klemens Wenzel Nationalismus 186f., 213
krat. Politiker 238 Mähren 8, 30, 42 Nepomuk Lothar Fürst von, ös- Nationalsozialismus 287f.
Liebmann, Jost (Hof- und Münzjude) Mainz 214 terr. Staatsmann 9,182,186f., 204 Nationalstaat 213, 229
80 Makart-Stil 252 Metz 229 Nationalversammlung, preuß. ver-
Liegnitz (Legnica) 30, 55, 59, 121 Malmedy 271 Meyer, Friedrich Elias, Architekt, fassungsgebende 272
Ligne, Charles Joseph Fürst von 2 Manesse Codex 28 Bildhauer 138 Naturalismus (in der Kunst) 255,
Liliencron, Detlev von, Schriftsteller Manet, Edouard, franz. Maler 239 Meyer, Gustav, Baumeister 238 258
265 Manger, Heinrich Ludwig, Bau- Meyer, Johann Friedrich, Maler 101 Naumann, Friedrich, liberaler Politi-
Lilienthal, Otto, Flugpionier 249 meister 132 Meyer, Wilhelm Christian, Bild- ker 269
Lincke, Paul, Komponist 256, 262 Mann, Heinrich, Schriftsteller 285 hauer 138 Nazarener (Malergruppe) 192
Lindow, Grafen von 55 Mann, Thomas, Schriftsteller 285 Meyerbeer, Giacomo (eig. Jakob Nering, Johann Arnold, Baumeister
Lindow 204 Männergesangvereine 216 Liebmann Beer), Komponist 190, 83f., 88, 90, 94
Lingen 232 Mannheim 190 209 Netze 28
Lippold, jüd. Hoffinanzier unter Mansart, Hardouin, franz. Architekt Meynier, franz. Maler 168 Netzedistrikt 118, 170
Kurfürst Joachim II. 62 92 Michelau 170 Netze-Warthe-Bruch 139
Litauen 42, 45, 271 Mansfeld 116 Miegel, Agnes, Schriftstellerin 283 Neu-Cölln 80
Litauer 34, 102 Manteuffel, Otto Freiherr von, Mies van der Rohe, Ludwig, Archi- Neuenburg (Neuchâtel) 232
Liutizen 20 preuß. Innenminister 227 tekt 284 Neumann, Alfred, Schriftsteller 281
Livland 38, 42f. Marcuse, Ludwig, Kulturphilosoph Militarismus, preußisch-deutscher 7, Neumark 32, 43, 50, 53, 58
Lobositz (Lovosice) 121 281, 286 235, 244, 276, 289 Neuruppin 115, 214, 258
Locatoren 21, 24, 45 Maria Theresia, römisch-deutsche Mill, John Stuart, engl. Philosoph Neuruppiner Bilderbogen 200
Löcknitz 54 Kaiserin, Königin von Ungarn 259 Nicolai, Daniel Friedrich, Buch-
Lortzing, Albert, Komponist 215 und Böhmen, Erzherzogin von Milzener 20 händler 125, 130ff.
Lothar III., dt. Kaiser 21, 24f. Österreich 112, 116, 119, 127 Minden (Bistum) 77, 80 Niebuhr, Barthold Georg, Historiker
Lothar, Rudolf (eig. Spitzer), Schrift- Marie Eleonore von Kleve (Gern. Mirabeau, Honoré Gabriel de 194
steller 259 Albrecht Friedrichs) 65f. Riqueti, Graf von 7, 143, 152 Niederbamim 250
Louis Ferdinand, Prinz von Preußen Marienberg 25 Mock, Johann Christian, Maler 101 Niederlausitz 28, 32, 54
167, 169 Marienburg (Malbork) 16, 40f., Mohrungen (Morag) 37 Niederschlesien 116, 139
Lübben 54 44f., 53, 116, 210 Mollwitz 105, 121 Niegelssohn. Maler 135
Lübeck 44, 51 Marienwerder (Kwidzyn) 35, 40, Moltke, preuß. Adelsfamilie 9 Niekisch, Ernst, Publizist 286
Lübisches Stadtrecht 39 45, 118 Moltke, Helmuth Graf von, General- Nietzsche, Friedrich, Philosoph 277
Lucae, Richard, Architekt 250 Mark 7, 66 feldmarschall 280 Nikisch, Arthur, Dirigent 256
Lucca, Pauline, Sängerin 231 Marmorgruppe der Kronprinzessin- Monet, Claude, franz. Maler 239 Nikolaus von Jeroschin, Ordens-
Luccherini, Girolamo, Kammerherr nen Luise und Friederike (Scha- Moresnet 271 chronist 44
Friedrichs II. 133 dow) 162,164 Moritz, Karl Philipp, Schriftsteller Nofretete-Büste 251
Lüderitz, preuß. Adelsfamilie 108 Marr, Wilhelm, Publizist 247 169 Nogat 17. 40
Ludwig der Bayer, dt. Kaiser 30 Marx, Karl, Philosoph und Natio- Mosel, von der, Festungskomman- Nolde, Emil, Maler 253
Ludwig XIV., König von Frankreich nalökonom 218, 23 7f. dant von Küstrin 99 Norddeutscher Bund 231f, 238
77, 83 Masowien 35, 38 Moskau 127, 183 Nordischer Krieg 105
Ludwig, König von Ungarn und Masowier 20 Mosnier, franz. Maler 167 Nord mark 24f.
Böhmen 55 Massary, Fritzi, Schauspielerin 256, Motz, Friedrich von, Minister 204 Nord-Ostsee-Kanal 253
Ludwig der Ältere (Wittelsbach) 30 262 Mozart, Constanze 165 Norwegen 29
Ludwig der Jüngere (Wittelsbach) 30 Masuren 12f. Mozart, Wolfgang Amadeus, Notke, Bernd, Bildschnitzer 53
Ludwig, Emil, Schriftsteller 269, Mataré, Ewald, Maler 253 Novalis (eig. Georg Friedrich
282, 287 Maulbeerbäume 139
Maupertuis, Pierre-Louis Moreau
de, Akademiedirektor, Mathema-

380
Philipp von Hardenberg) 165, 189 Pfalz 102, 235 Preußisch-Eylau (Bagrationowsk) Religions- und Zensuredikt (1788)
Nowgorod 39, 42f. Pforr, Franz, Maler 192 163 152ff.
Nürnberg 82 Philipp II., Herzog von Pommern 66 Pribislaw-Heinrich (Heweller- fürst) Religionsfreiheit 80
Pietismus, lutherischer 84, 187 24f. Remarque, Erich Maria, Schriftstel-
Oberlausitz 20, 28, 32 Pindar, griech. Lyriker 194 Priegnitz 47, 51 ler 286
Oberschlesien 116, 139 Piscator, Erwin, Regisseur 285 Prittwitz, Karl von, preuß. General Renn, Ludwig, Schriftsteller 282 Re-
Obotriten 20 Planck, Max, Physiker 249 222 publik Preußen 270, 272, 277,
Oder (Odra) 15f„ 19ff, 28, 30, 79, Podewils, Heinrich Graf von, preuß. Probst, Georg Balthasar, Kupferste- 284, 286
105, 139, 289 Minister 119 cher 143 Restaurationspolitik 9, 187, 194,
Oderberg 28 Poelzig, Hans, Architekt 277, 284 Probst, Johann Michael, Kupferste- 196ff.
Oderbruch 139 Pogesanien 35, 46 cher 150 Reuss ä. L., Fürstentum 231
Offenbach, Jacques (Jakob), Kom- Polen 20f., 29, 32, 34, 38, 46, 53, Protestanten 125 Reuter, Fritz, Schriftsteller 199, 210,
ponist 239f. 64,66,79,162,172,198,257,289 Protestanten, Salzburger (1732) 238
Offizierskorps 73,77,104,167,179 Pöllnitz, Freiherr von, Kammerherr 102 Reval (Tallin) 43
Öhlenschläger, Adam, dänischer Friedrich Wilhelms I. 100, 115 Pruzzen 33ff, 38, 42 Revolution, Deutsche (1848) 179,
Dichter 216 Pomesanen 35 Ptolemäus, Claudius, griech. 196ff, 218ff
Oldenburg 20 Pomesanien 46 Naturforscher 34 Revolution, Deutsche (1919) 271ff.
Oliva (Oliwa) 64, 170 Pommerellen 28f., 42f., 116 Pufendorf, Samuel von, Historiker Revolution, Französische 152, 189,
Olmützer Punktation (1850) 223 Pommern 7, 20, 28, 30, 47, 50, 77, 83 196
Ordensliteratur 44 115, 183, 185f., 232, 250 Puschkin (Zarskoje Selo) 4 Putlitz, Revolution, Polnische (1830—
Ordensstaat 7 Pommern-Stettin 54 preuß. Adelsfamilie 32 1832) 199
Orlamünde 28 Pommerscher Kunstschrank 67 Revolution, Russische (1917) 270
Orlik, Emil, Maler 285 Pomoranen 20 Quantz, Johann Joachim, Musiker Rhein 20
Oskar, Prinz von Preußen 287 Posen (Poznan) 19, 118, 177, 186, (Lehrer Friedrichs II.) 133, 145 Rheinbund 163, 184
Osnabrück 232 284 Quellinus, Artus, Bildhauer 86 Rheinland, preuß. Provinz 195, 214,
Ossietzky, Carl von, Publizist 282, Posen, preuß. Provinz 232, 271 Quitzow, Dietrich von, Anführer 226, 232, 271, 273
287 Posilge, Johann von, Ordenschronist des Aufstandes gegen Kurfürst Rheinsberg, Schloss 108f., 115,130
«Osterbotschaft» (1917) 270 44 Friedrich 1. 30, 32 Ribbeck (Havelland) 18
Osterburg 24 Potsdam 9,80f.,86,99,104,106ff, Quitzow, Hans von 32 Richelieu (eig. Armand-Jean du
Österreich 9, 42, 66, 76, 84, 112, 115, 130f., 141, 155f., 163, 206, Plessis), Kardinal, frz. Staats-
119,127,142,156,166,170,172, 208, 214f, 294 Raabe, Wilhelm, Schriftsteller 240 mann 76
176,183ff, 186,199,208,231ff, - Berliner Tor 131 Radowitz, Joseph Maria von, Abge- Richenthal, Ulrich von, Chronist 56
241, 275 - Charlottenhof 215 ordneter der Frankfurter National- Richter, Ludwig, Maler 214
Ostfriesland 116, 186, 232 - Einstein-Turm 284 versammlung 223f. Riedel, C.T., Kupferstecher 144
Ostpreußen 7f., 19, 34, 86, 106, - Gamisonskirche 106, 110, 166 Ramler, Karl Wilhelm, Schriftsteller Riemann, Student (Wartburgfest)
109,116,118,141,163,166,289 - Holländisches Viertel 107, 110, 169 199
Ostsiedlung 24 131 Ranke, Leopold von, Historiker Riga 132
Otto I., röm.-dt. Kaiser 20 - Jägertor 101 99, 164, 169 Rilke, Rainer Maria, Lyriker 277
Otto I., Markgraf von Branden - Kasino 214 Raschdorff, Julius, Architekt 250 Ringelnatz, Joachim, Lyriker 285
burg 26, 28 - Marmorpalais 156 Rat der Volksbeauftragten (1919) Ritter (Orden) 26, 32, 45
Otto III., Markgraf von Branden- - Neues Palais 130, 138f. 272 Röchling, Carl, Maler 237 Rochow,
burg 26, 28, 42 - Neustadt 107 Rauch, Christian Daniel, Bildhauer preuß. Adelsfamilie 32
Otto IV., Markgraf von Branden- - Nikolaikirche 214 189, 191f., 194, 209, 240, 250f. Rokoko 98, 108, 130, 156
burg 28f. - Rathaus 131 Raule, Benjamin, niederländischer Rom 192
Otto V., Markgraf von Brandenburg - Römisches Belvedere (Klaus- Reeder 80 Romantik 165,168 – 195,214,216,
(«der Faule») 29f., 32 berg) 132 Rauschning, Hermann, Danziger 252
Ottokar II., König von Böhmen 40, - Schloss Oranienburg (früher Burg Senatspräsident (bis 1934) 286 Römer 20, 34
42 Bötzow) 77, 80f. Ravensberg 7, 66, 80 Rominter Heide 13
Overbeck, Johann Friedrich, Maler - Schloss Sanssouci 2, 7, 98, 125, Rebeur, Jean Philippe, Pädagoge, Roon, Albrecht Graf von, preuß.
192 128, 130, 134, 136f., 192, 209, (Erzieher Friedrich Wilhelms I.) Kriegsminister 228f.
Oxenstjerna, Axel Graf, schwed. 215 105 Rossbach 121, 124
Kanzler 72 - Schloss Sanssouci, Neue Kam- Redarier 20 Rosenberg, Johann Georg,
mern 137 Reformation 47, 55 Kupferstecher 141
Paalzow, Frau von 209 - Stadtschloss 83, 105, 130 Reformpolitik 79,167f., 170- 195, Rosenkreuzer-Orden 152
Paganini, Niccolo, Violinvirtuose Prag 184 218 Rote-Funken-Infanterie (Kölner
und Komponist 169 Pragmatische Sanktion 119 Rehden (Radzyri) 40 Karnevalisten) 295
Palladio, Andrea, Baumeister 215 Prämonstratenser 26, 29 Reichenbacher Verträge (1813) Roth, Andreas, Medailleur 88 Rüdi-
Pallenberg, Max, Schauspieler 285 Pressefreiheit 119, 198 185 ger, Johann Andreas, Verleger 108
Papen, Franz von, dt. Reichskanzler Pressezensur 153, 199 Reichardt, Johann Friedrich, Kom- Rudolf II., dt. Kaiser 66
286, 288 Preuß, Hugo, Reichsinnenminister ponist 169 Rudolf IV, Erzherzog von Öster-
Paris 87, 179, 199, 202, 238, 263 272f. Reichskämmererwürde 28 reich 32
Pasewalk 105 «Preußenschlag» (v. Papen 1932) Reichslehen 30 Rüge, Arnold, Schriftsteller 217f.
Passavanti, Zeichner 251 284, 288 Reichstag, Deutscher (ab 1871) Rügen 185f., 192
Paulsen, Max, Schauspieler 285 Preußentum 7, 33, 256f., 276f., 280, 237f., 244, 265 Rügenwalde 30
Peene 105 288, 290 Reichstag, norddeutscher 231 Rugier 19
Pechstein, Max, Maler 253 «Preußischer Bund» (1440) 45 Reichstagswahlen (1912) 265 Ruhrgebiet 233
Peipussee 39, 42 Preußische Dichterakademie (Ber- Reichstag zu Augsburg (1539) 59 Ruppin 55, 108
Peitz 54, 59, 116, 170 lin) 283, 285 Reichstag zu Frankfurt 60 Russland 127,162,166,170,183ff,
Pem, Kritiker und Feuilletonist 285 Preußische Nationalversammlung Reichstag zu Regensburg (1654) 79 186, 213, 241, 265
Perrault, Claude, franz. Baumeister (1848/9) 221ff, 226f. Reichsverfassung (1848) 229 Ryke, Bernd, Bürgermeister von
92 Preußischer Staatsrat 275 Reichsverfassung (Bismarcksche, Berlin 51
Persius, Ludwig, Architekt 215 Preußisches Abgeordnetenhaus 227 1871) 231,269
Pesne, Antoine, Maler 92,99,107, Preußisches Allgemeines Landrecht Reichswehr (Weimarer Republik) Saale 20
116, 119, 127, 130, 132, 146 141, 153, 234 280 Saalfeld 167, 169
Peter I., Zar von Russland 4 Preußisches Herrenhaus 286 Reimer, Konrad, Architekt 250 Saargebiet 271
Peterswaldau 209 Reinhardt, Max, Regisseur 255, 278,
285

381
Sachsen 7,20f., 24,42,47,50,124, Schmolainen, Vorwerk 166 Volkswirtschaftler 171 - Rathaus 183
235 Schnabel, Franz, Historiker 215 Sontag, Henriette, Sängerin 216 Strassburg 204
Sachsen, Königreich 170,184,186, Schnorr von Carolsfeld, Julius, Ma- Sophie, Kurfürstin von der Pfalz 86 Strausberg 28
231 ler 192 Sophie Charlotte, Königin in Preu- Strauss, Johann, Komponist 256
Sachsen, preuß. Provinz 232 Schöler, August von, Flügeladjutant ßen 83, 86f., 94, 97f. Strauss, Richard, Komponist 191,
Sachsen-Meiningen, Fürstentum von König Friedrich Wilhelm IV., Sophie Dorothea, Prinzessin von 259, 285
231 222 Hannover, Königin in Preußen Strindberg, August, Schriftsteller
Sagan (Zagari) 30 Scholz, Wilhelm von, Schriftsteller (Gern. Friedrich Wilhelms I.) 255, 258, 264
Saint-Saëns, Camille, Komponist 285 98ff. Struensee, preuß. Minister 167f.
191 Schön, Theodor von, Politiker 98, Sophie Luise, Königin von Preußen Ministerpräsident 272 Struensee,
Salomon, Ernst von, Schriftsteller 172 (3. Gern. Friedrichs I.) 109 Minister 167f. Strützky, Kammer-
282 Schönberg, Arnold, Komponist 254 Sorben 20 husar Fried
Salzburger Festspielhaus (Entwurf) Schönbom, Konsul 127 Sowjet-Union 289, 294 richs II. 143
284 Schönbrunn (Wien) 163 Sozialdemokratische Partei Struve, Gustav von, Führer der bad.
Salzdahlum 108 Schönlein, Johann Lukas, Mediziner Deutschlands (SPD) 233, 238, Aufständischen (1848) 229
Salzwedel 24 209 247, 265, 269, 272 Stührndorf 73
Samland 35, 42, 46 Schopenhauer, Arthur, Philosoph Sozialistengesetz (1878-1890) 269 Stüler, Friedrich August, Architekt
Sand, Karl Ludwig, Student 199 213,285 Spanien 185 215, 239
Saphir, Moritz Gottlieb, satir. Schrötter, Friedrich Leopold von, Sparr, Otto Graf von, brandenburgi- Sturm- und Drang-Periode 128
Schriftsteller 216f. Politiker 172, 177 scher Feldmarschall 86 Subsidien, englische 185
Sarajewo 268 Schulenburg, preuß. Adelsfamilie Spartakus-Aufstand (Berlin, 1919) Subsidien, französische 76
Sassen 35, 46 9, 32, 108 272 Sudauen 35, 42, 46
Savigny, Friedrich Carl von, Jurist Schulpflicht, allgemeine 106 Spener, Philipp Jakob, Theologe 84 Sudauer 34
194, 209 Schultze-Naumburg, Paul, Direktor Spengler, Oswald, Kulturphilosoph Sudermann, Hermann, Dramatiker
Sayn am Rhein 194 der Kunsthochschule Weimar 277, 280 255
Sayn-Wittgenstein, Fürst zu 171, (1930) 285 Spielhagen, Friedrich, Schriftsteller Süvem, Johann Wilhelm, Politiker
176, 178 Schulze-Delitsch, Hermann, Genos- 240, 259 172
Schadow, Johann Gottfried, Bild- senschaftsführer 226 Spreewald 26 Svarez, Carl Gottlieb, preuß. Ge
hauer 133, 155ff., 164, 166, 169, Schumann, Robert, Komponist 191 Springer, C., Maler 243 heimer Rat 141, 153, 155
180, 187, 191f., 194, 212f., 286 Schwaben 24 «Staatssozialismus» (Bismarck) 244 Sydow, Anna (Geliebte Joachims
Schäfer, Wilhelm, Schriftsteller 283 «Schwarzer Adler»-Orden 93ff. Stade 232 II.) 61f.
Schalauen 35, 42, 46 Schwechten, Franz, Architekt 250 Städteordnung (1808) 174, 176, 214
Schaper, Friedrich, Bildhauer 240 Schweden 29, 70, 72f., 76f., 83 Staegemann, F.A., Politiker 172 Tabakskollegien 100
Scharnhorst, Gerhard Johann David «Schwedischer Bund» (1631) 70 Staël, Anne Louise Germaine, Ba- Tacitus, röm. Schriftsteller 34
von, General 170, 171, 184, 192 Schwedt 54 ronne de, Schriftstellerin 168f. Taine, Hippolyte A., franz. Ge-
Scheerbart, Paul, Schriftsteller 264 Schweidnitz (Swidnica) 209 Stall, Samuel, Bildhauer 92 schichtsphilosoph 259
Schelling, Caroline, Schriftstellerin Schweitzer, Jean Baptiste, sozial- Stapel, Wilhelm, Publizist 295 Tangermünde 24, 32, 56
169 demokratischer Politiker 238 Stargard 28, 30 Tannenberg (Grünwald; heute
Schelling, Friedrich Wilhelm Schwerin, preuß. Adelsfamilie 9, Staufer 24 Stebark) 43, 45
Josef, Philosoph 187f., 209 108 Stauffenberg, Graf Schenk von 288 Tauber, Richard, Sänger 285
Scherenberg, Christian Friedrich, Schwerin, Otto Graf von, Berater Steffeck, Carl, Maler 239 Taut, Max, Architekt 284
Schriftsteller 217 des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Stehr, Hermann, Schriftsteller 283 Taylor, A.J.P., englischer Historiker
Schill, Ferdinand von, Major 183 119 Stein, Charlotte von, Freundin Goe- 265f.
Schinkel, Karl Friedrich, Baumeis- Schwerin von Schwanenfeld, Wil- thes 125, 132 Teilung, erste polnische (1772)
ter 170, 176, 181, 191f., 194, 196, helm-Ulrich Graf 288 Stein, Karl, Reichsfreiherr vom und 109, 116
200f., 208, 211, 214f., 238f. Schwertbrüderorden 42 zum, preuß. Minister 170ff., 176, Teltow 28, 250
Schivelbein (Swidwin) 53 Schwetz (Swiecie) 29 179, 184, 214 Temme, Jodocus Donatus
Schlaf, Johannes, Schriftsteller 259 Schwiebus (Swiebodzin) 30, 116 Stein-Hardenbergsche Reformen 8, Hubertus, Abgeordneter der
Schlawe (Slawno) 30 Scribe, Eugène, franz. Dramatiker 171ff. Preuß. Nationalversammlung
Schlegel, August Wilhelm von, 191 Steinhäuser, Karl, Bildhauer 240 (1848) 227
Schriftsteller 165, 188f. Seeckt, Hans von, Generaloberst Steinrück, Albert, Schauspieler 285 Templin (Uckermark) 16
Schlegel, Dorothea 8, 169 280 Stendal 24, 52 Teplitzer Punktation (1819) 187
Schlegel, Friedrich von, Philosoph Seidel, Heinrich, Schriftsteller 217 Stern, Fritz, Historiker 234 Terwesten, Augustin, Maler 92
165, 169, 189 Seidel, Ina, Schriftstellerin 283 Sternberg (Torzym) 28 Teschendorf (Cieszyno) 11
Schleich, Karl Ludwig, Schriftstel- Semler, Johann Salomo, Theologe Stemheim, Carl, Dramatiker 283 Tetzel, Johannes, Ablassprediger
ler 264 125 Stettin (Szczecin) 66, 78, 105 55, 59
Schleiermacher, Friedrich Daniel Semnonen 19 Steuerwesen 32, 60f, 76f., 101, Teufelssee 18
Ernst, Theologe und Philosoph Sesselmann, Kanzler von Kurfürst 107,110,139, 141,167,195,228 Teupitz 54, 116
165,169,178,180,188,194,198 Johann Cicero 54 Stimer, Max, Schriftsteller 217 Thadden, Rudolf von, Publizist 9
Schlemmer, Oskar, Maler 285 Severing, Carl (SPD), preuß. Stolp (Slupsk) 28ff. Thaer, Albrecht Daniel, Ökonom
Schlesien 8, 42, 55, 59, 66, 119, Innenminister 272, 275 Stolzenfels, Schloss (Rhein) 215 208
131, 139, 142f., 156, 172, 232, Sieburg, Friedrich, Publizist 290 Storkow 116 Themann, Carl, Maler 181
250, 289 Siegfried von Feuchtwangen, Hoch- Storm, Theodor, Schriftsteller 217, Therbusch, Anna Dorothea,
Schleswig, Herzogtum 232 meister des Deutschen Ordens 41, 240 Malerin 180
Schleswig-Holstein, preuß. Provinz 210 Strack, Johann Heinrich, Architekt Theyss, Kaspar, Baumeister 63
232 Siemens, Werner von, Erfinder 249 239 Thiemig, Helene, Schauspielerin
Schleuen, David, Kupferstecher Siemering, Rudolph, Baumeister Stralau 181 286
139, 141 251 Stralauer Fischzug 215 Thieriot, Nicolas-Claude, franz.
Schlieben, preuß. Adelsfamilie 45 Sigismund, dt. Kaiser 30, 32, 47f., Stralsund 30, 112, 183 Schriftsteller 7
Schlieben, Eustachius von, Berater 50, 56 - Alter Markt 183 Thile, von, General 211
Joachims II. 59 Silberberg (Srebrna Gora) 199 - Nikolaikirche 183 Thomasius, Christian, Philosoph 84,
Schlobitten (Slobity), Schloss 46 Simmel, Georg, Soziologe 241 86f.
Schlüter, Andreas, Baumeister 4, Slawen 19ff., 26 Thorn (Toruri) 40, 42, 116
88ff., 91, 97, 99, 109, 251 Slevogt, Max, Maler 253 Thorwaldsen, Bertel, dän. Bildhauer
Schmalkaldischer Bund 55 Smith, Adam, brit. Philosoph und 192
Thüringen 42
Thüringer 24
Thurneysser, Leopold, Arzt und

382
Buchdrucker 62f. Vogel, Otto, Holzschneider 128 Werner, Anton von, Maler 239, Wollin (Wplin) 105
Tieck, Christian Friedrich, Bildhauer Voigt, Wilhelm, Schuster aus Köpe- 242f. Wöllner, Johann Christoph, preuß.
169 nick 263 Werner, Josef, Maler 92 Minister 152, 155
Tieck, Ludwig, Schriftsteller 169, Völkerwanderung 19, 34 Wesel (Berliner Tor) 74 Wörlitz, Schloss (Anhalt-Dessau)
189, 209 Volksarmee (DDR) 294 Westfalen, preuß. Provinz 24,232, 143
Tilly, Johann Reichsgraf, kaiserlicher Voltaire (eig. François-Marie 243 Wrangel, Friedrich Graf von, Gene-
Feldherr 72 Arouet), franz. Philosoph 2, 7f., Westfälischer Frieden (1648) 73, 77 ral 221, 227
Tilsit (Sowjetsk) 64, 170 109, 112, 118f., 121, 123, 125, Westpreußen, preuß. Provinz 19, 34, Wulff, Bernd (Hof- und Münzjude)
Tischbein, Johann Heinrich d.Ä., 128, 130,213 118, 141,289 80
Maler 131 Vormärz-Zeit (vor 1848) 216 Wettiner, Adelsgeschlecht 28, 50, 54 Württemberg 275
Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm, Voss, Julie von (Gräfin Ingenheim) Wichmann, Erzbischof von Magde- Wusterhausen 101, 108
Maler 143, 172 155 burg 24
Toleranz, religiöse 79f., 83, 119, 234 Voss, Julius von, Schriftsteller 215 Widerstand, dtsch. (gegen Hitler) Xantener Vergleich (1614) 66
Toller, Ernst, Dramatiker 283 Voss, Marie Gräfin von, Oberhof- 288
Tolstoi, Leo, russ. Schriftsteller 255 meisterin 100 Wiechert, Ernst, Schriftsteller 288f. Yorck, preuß. Adelsfamilie 9
Torgau 55, 121, 185f. Wieland, Christoph Martin, Schrift- Yorck von Wartenburg, Ludwig
Toscanini, Arturo, Dirigent 285 Wach, Karl Wilhelm, Maler 210 steller 191 Graf, Feldmarschall 177, 183f.,
Treitschke, Heinrich von, HistorikerWachsmann, Anton, Zeichenlehrer Wien 68, 183, 227 192
247 159f. Wiener Kongress (1815) 8, 182,
Trenck, Friedrich Freiherr von der, Wackenroder, Heinrich, Schriftstel- 185, 192, 196f., 209, 232, 241 Zamorensis, Rodericus, Chronist 55
Ordonnanzoffizier Friedrichs II. ler 189 Wiener Schlussakte (1820) 186,199 Zehnte, der 24, 55
119 Waesemann, Hermann Friedrich, Wiepersdorf, Gut 165 Zelter, Carl Friedrich, Direktorder
Tribschen b. Luzern 256 Baumeister 232 Wiesel, Pauline (Geliebte von Prinz Berliner Singakademie 169,191,
Trier 186, 214 Wagenführer, Heinrich Wilhelm 107 Louis Ferdinand von Preußen)169 212f„ 216
Tschechoslowakei 271, 289 Wagner, Richard, Komponist 256 Wikinger 34 Zentralrat der Arbeiter-und Solda-
Tschudi, Hugo von, Kunsthistoriker Waldoff, Claire, Chansonette 256, Wilhelm I., dt. Kaiser und König tenräte (1918/9) 272, 274
251,253 278 von Preußen 86,160, 224f., 228, Zentraluntersuchungskommission
Tuaillon, Louis, Bildhauer 252 Wallenstein, Albrecht von, kaiserli- 231,235,237,240,244,251,253, (Mainz) 199
Tucholsky, Kurt, Schriftsteller 279, cher Feldherr 70 265 Ziekursch, Johannes, Historiker 235
282, 285, 287 Wallner, Franz, Schauspieler 256 Wilhelm II., dt. Kaiser und König Zieten, Hans Joachim von, General
Wallot, Paul, Architekt 250 von Preußen 7, 9, 237, 239ff., 105, 162
Uckermark 21, 27f., 47, 50, 204 Walter, Bruno, Dirigent 284 245f., 250fT, 265ff., 287f. Zille, Heinrich, Maler 239, 254, 276,
Uckrer 20 Warmien (Ermland, heute Warm- ja) Wilhelm III. von Oranien, König 282
Ungarn 29, 32, 38, 116 35 von England, Schottland und Ir- Zinna, Kloster 26
Unger, Georg Christian, Baumeister Warschau, Herzogtum 170, 184 land 84 Zisterzienser 26, 29, 64
132, 137 Wartburgfest (1817) 199 Wilhelm, Prinz von Braunschweig Zola, Emile, franz. Schriftsteller 259
Usedom (Uznam) 105 Wartenberg, Johann Kasimir Graf 123 Zollgesetz (1818) 195
Kolbe von, preuß. Minister 89, 93, Wilhelmine, Prinzessin von Preußen Zollpolitik, preußische 139, 167,
Valetti, Rosa, Schauspielerin 278 101, 107 109, 118 195, 204, 208
Valmy 156f. Warthe (Warta) 20, 28 Wilhelmshaven 232, 272 Zollverein, deutscher 195, 208, 232,
Vamhagen von Ense, Karl A., Wartheland 289 Wille, Bruno, Schriftsteller 259 234
Schriftsteller 155, 164ff., 208, Waterloo 185, 191 Wilson, Woodrow, Präsident der Zossen 54, 116
217, 222 Watteau, Antoine, franz. Maler 130 USA 268, 270 Zuckmayer, Carl, Schriftsteller 282f.
Vamhagen von Ense, Rahel 8,164, Weber, schlesische 205, 209 Wimpina, Konrad, erster Rektor der Züllichau (Sulechow) 30, 54
169 Weber, Carl Maria von, Komponist Viadrina-Universität (Frankfurt
Vatikanisches Konzil, erstes (1870) 169, 188, 190f. a.d.O.) 55
244 Weber, Max, Soziologe 270 Winckelmann, Johann Joachim, Al-
Veit, Philipp, Maler 192 Wegely, Kaspar, Fabrikant 138 tertumsforscher 130, 143
Velasquez, Diego R., Maler 240 Wegener, Paul, Schauspieler 281, Windisch-Graetz, Alfred Fürst zu,
Venedig 41, 44 285 österr. General 227
Verfassung, oktroyierte (1849) 227 Wehler, Hans-Ulrich, Historiker 235 Winrich von Kniprode, Hochmeister
Verfassung (1920) 272 Weichsel (Wisla) 16, 19f„ 28f., 34f, des Deutschen Ordens 44f.
Verfassung d. Norddeutschen 45 Wissmann, Hermann von, Afrikafor-
Bundes (1867) 231 Weill, Kurt, Komponist 286 scher 245
Verfassungsentwurf d. Preuß. Weimar 277, 285 Wittelsbacher (Dynastie) 30f.
Nationalversammlung (1848) 226 Weimarer Koalition (SPD, DP, Zent- Wittenberg 51, 55, 59,63,184, 186
Verfassungsfrage (in Preußen vor rum, vorübergehend auch DVP) Witzleben, Erwin von, General 284
1848) 218 275 Wladislaw, König von Ungarn und
Verfassungstag (Weimarer Republik) Weimarer Nationalversammlung 274 Böhmen 55
280 Weimarer Republik 274f., 28Iff. Wladislaw II. (Jagiello), König von
Vereinigter Landtag 218, 222 Weimarer Verfassung (1919) 272f. Polen 45
Versailles 234, 242, 271 Weiss, Johann, Buchdrucker 61, 63 Wohlau (Wolow) 55
Vertrag von Fürstenwalde (1373) 32 Weissenfels 186 Woldemar, Markgraf von Branden-
Vertrag von Grimnitz (1529) 55 Wellington, Arthur Wellesly Herzog burg 29f.
Vertrag von Kalisch (1813) 184 von, engl. Feldmarschall 185 Woldenberg (Dobiegniew) 22
Vertrag von Krakau (1525) 46 Wels, Otto (SPD), Parteivorsitzender Wolf, Friedrich August, Philologe
Vertrag von Petersburg (1772) 116 275 194
Vertrag von Prenzlau (1472) 54 Weltkrieg, Erster 245, 265, 268ff., Wolff, Albert, Bildhauer 240
Vertrag von Pyritz (1493) 54 273 Wolff, Christian, Philosoph 103,
Vesper, Will, Schriftsteller 283 Weltkrieg, Zweiter 287ff. 119, 125
Vierraden 54 Wenden 20 Wolff, Theodor, Publizist 287
Virchow, Rudolf, Pathologe und Werben 28 Wolfstein 32
Politiker 241,249, 252 Wolgast 28
Vischer, Hans, Bildhauer 54

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Quellennachweis der veröffentlichten Bilder und Dokumente

Einige alte Fotos und Darstellungen von heute nicht mehr existenten Bild- Kunstbildarchiv Aline Lenz/Jochen Remmer, Hamburg: 109, 140 (unten),
und Kulturdenkmälern sind wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die 229, 293. – Farbe: 160 (unten), 200 (unten).
Kulturgeschichte Preußens in diese Dokumentation aufgenommen worden, Kunstsammlung Veste Coburg, Coburg: 144 (unten).
obwohl sie in ihrer Qualität nicht mehr den Möglichkeiten der modernen Re-
produktionstechnik entsprechen (so z.B. auch das nach einem Druck von Kurhessische Hausstiftung, Kronberg i. Ts. / Foto Claus, Fulda: Farbe: 135
dem 1945 verbrannten Gemälde «Die Tafelrunde» angefertigten Farbfoto auf (unten).
Seite 2). Langewiesche-Brandt Verlag, Ebenhausen b. München (aus: Arnold, An-
schläge. Politische Plakate in Deutschland 1900-1970. 1973): 274.

Archiv Bleckwenn, Münster: 124 (oben). Löbl-Schreyer, Bad Tölz-Ellbach: Farbe: 13 (oben), 74 (unten).

Archiv Gerstenberg, Frankfurt/Main: 39 (oben), 84 (oben links), 142, 160 Roth, Richard R./Kuhlmann, Peter, München: 291.
(oben), 165 (Mitte), 221 (Mitte), 227. Skierka, Volker, Berlin: 18 (oben).
Archiv Marion Gräfin Dönhoff: 93. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin: 119
Archiv der Preußischen Akademie der Künste bei der Akademie der Künste, (oben).
Berlin: 89. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kunstgewerbemuseum, Berlin:
Archiv des Verfassers: 42, 50, 53 (unten), 60 (oben), 62 (oben), 63, 121, 53 (oben).
218, 241, 244 (rechts), 247, 266 (unten links), 267 (oben links). Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Museum für Vor- und Frühge-
Armeemuseum der DDR/Thiede, Dresden: 293 (unten). schichte, Berlin: 24.

Bavaria Verlag Bildagentur, Gauting: 146 (oben). Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Berlin: 116,
203, 234. – Farbe: 180, 181 (oben), 242/3.
Berlin Museum, Berlin/Foto Bartsch: 140 (oben), 150 (unten), 212. – Farbe:
200 (oben), 207. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Skulpturenabteilung, Berlin: 82,
83 (oben), 88 (oben).
Bildarchiv Foto Marburg, Marburg a.d. Lahn: 17, 20 (oben), 22 (oben), 25 Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung: 126, 186, 193 (unten). –
(2), 26 (oben), 35 (unten), 39 (unten), 40 (unten), 64, 88 (unten), 92 (oben), Farbe: 23.
101, 171 (oben rechts), 226, 258 (oben links).
stem/Foto Thomann, Hamburg: Farbe: 37 (2).
Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin: 10, 11 (oben),15 (oben), 18 (un-
ten), 20 (unten), 21 (2), 26 (unten), 28, 38, 43 (oben), 48 (oben), 56 (oben), Ullstein Bilderdienst, Berlin: 19, 21 (oben), 30, 35, 44, 48 (unten),
57 (oben), 58 (unten), 60 (unten), 61, 65 (oben), 67 (oben), 68, 69, 70 55,94(oben), 108,111,117,122/3,135 (oben), 147 (oben), 159,190(oben), 197
(oben), 71 (2), 72, 76, 77, 78, 79 (2), 81 (2), 83 (unten), 84 (oben rechts), 87 (rechts), 231, 235, 237, 251, 263 (oben), 268, 273 (oben), 276 (unten), 278
(2), 92 (unten), 96 (oben), 100, 104, 112 (oben), 118, 119 (unten), 127 (un- (oben rechts), 280, 282, 284. – Farbe: 294.
ten), 128 (unten), 129, 130, 131 (2), 132 (2), 138/9, 143 (2), 144 (oben Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Schloss Charlottenburg,
rechts), 145, 148, 149, 150, 151, 153, 154, 162, 165 (unten), 167, 168, 170, Berlin/Foto Anders: 98, 210 (2), 213 (oben). – Farbe: 94 (unten), 220.
172, 173 (oben), 176, 179 (unten), 182 (unten), 187, 188, 189, 191, 193
(oben), 197 (links), 204, 209, 211 (oben), 213 (unten), 216, 219 (2), 221 Westfälisches Landesmuseum, Münster: 124 (unten), 171 (unten), 179
(oben), 222, 224, 230, 232, 236, 239, 244 (links), 245, 249, 250, 252, 253, (oben). – Farbe: 243.
254, 255, 256, 257, 258 (2), 262 (links), 263 (unten), 265, 266 (3), 267 (oben
rechts), 270, 271, 273, 277 (oben), 278 (oben links), 279(2), 283,296. -
Farbe:2, 74(oben), 95, 114, 115 (unten), 161, 181 (unten), 201, 206 (oben),
260, 261.
Bilderdienst Süddeutscher Verlag, München: 11 (unten), 15 (unten), 29
(oben), 34, 41, 59, 62 (unten), 67 (unten), 96 (unten), 99 (unten links), 102,
107, 112 (unten), 123, 141, 144 (oben links),156, 171 (oben links), 173 (un-
ten), 174, 182 (oben), 190 (unten), 205, 208, 211 (unten), 221 (unten), 223,
228/9, 233, 246, 248 (2), 262 (rechts), 264, 267 (unten), 276 (oben), 277 (un-
ten), 278 (unten), 281, 287.
Fotothek Dresden/Karl-Heinz Jürgens, Köln: 99 (unten rechts), 105, 110
(oben), 127 (oben), 198 (oben).
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin: 29 (unten), 102/3,
113, 120, 145 (oben), 128, 163, 166, 174/5, 178, 225, 275. – Farbe: 37, 206
(unten), Schutzumschlag: Rückseite.
Harenberg, Kommunikation, Dortmund (aus: Eder, Ruth, Theaterzettel.
1980, S. 91): 165.
Heeresgeschichtliches Museum, Wien: Farbe: 115 (oben).
Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf/Landesbildstelle Rheinland: 198 (unten).
Historia-Photo, Hamburg: 14, 16 (oben), 33, 40 (oben), 43 (unten), 47,58
(oben), 65 (unten), 70 (unten), 80,106,124 (Mitte), 133,147 (unten), 177,
183, 195, 202.
Imperial War Museum, London: 269, 272.
Jürgens, Karl-Heinz, Köln: 11 (Mitte), 16 (2), 22 (unten), 27, 31, 46, 49, 51,
52, 54, 56 (unten), 57 (unten), 66, 73, 85, 86, 90 (4), 91 (4), 97 (2), 110 (un-
ten), 128 (oben), 136, 137, 157, 184, 185, 192, 196, 289, 292. – Farbe:
Schutzumschlag: Vorderseite, 12(2), 13,37 (unten), 75,134/5,295.

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