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Sommersemester 2023, Fr 10 Uhr c.t.

https://www.amazon.de/Die-Rache-Gottes-Radikale-
Außereuropäische Regionen II:
Einführung in die politikwissenschaftliche
Nahostforschung
Islam/Islamismus/Salafismus/Dschihadismus im Nahen Osten

Prof. Dr. Thomas Demmelhuber


LS für Politik und Gesellschaft des Nahen Ostens
Email: thomas.demmelhuber@fau.de
Überblick

1. Begrifflichkeiten: Islamismus und Politischer Islam (kurz und bündig)


2. Historische Entwicklungslinien (Wiederholung)
3. Vom Islamismus zum Dschihadismus (nicht kurz und bündig)
4. Wie demokratisch ist der politische Islam?
a) Tunesien
b) Ägypten
c) Marokko
5. Dschihadismus: neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)
6. Q&A

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https://www.focus.de/panorama/welt/in-dueren-razzia-gegen-islamisten-clique-eduard-k-scharrte-neue-dschihad-generation-um-sich_id_24378571.html 23. Juni 2023 3
1. Die Absolutsetzung des Islam als Lebens- und Staatsordnung
2. Der Vorrang der Gottes- vor der Volkssouveränität als Legitimationsbasis.
3. Die angestrebte vollkommene Durchdringung und Steuerung der Gesellschaft.
4. Die Forderung nach einer homogenen und identitären Sozialordnung im Namen des Islam und
5. die Frontstellung gegen die Normen und Regeln des modernen demokratischen Verfassungsstaates
Begrifflichkeiten: Islamismus und Politischer Islam, Teil 1
Kurz und bündig (aber letztlich unbefriedigend, warum?):
o Islamismus ist eine Sammelbezeichnung für alle politischen
Auffassungen/Handlungen, die im Namen des Islam die Errichtung einer
religiös legitimierten Gesellschafts- und Staatsordnung anstreben
(Backes/Jesse 2002; Kepel 1992)
o Breites Akteursspektrum und unscharfe Trennlinien: u.a. Ergebnis
islamischer Ideengeschichte seit Ende des 19. Jahrhundert
o Gewalt als Identifikationsmerkmal: zunächst wenig Konsens in der
Literatur, dann Roy 2002: „Postislamismus“ à Politischer Islam umfasst
also Akteure, die zum Zwecke der Begründung ihrer politischen
Forderungen religiöse Referenzen zu Hilfe nehmen aber dies innerhalb
der gegebenen politischen Ordnung (Gewaltverzicht) tun
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Begrifflichkeiten: Islamismus und Politischer Islam, Teil 2
Schon besser:
Reinhard Schulze: Islamismus sind Diskurse, die „in der politischen Öffentlichkeit
eine normative oder wertbezogene (...) Beziehung zwischen Islam und den
Ordnungen der Welt postulieren. Daher sagt der Begriff nichts aus über die Art und
Weise, wie diese Beziehung definiert wird.“ (Schulze 2016: 32)
Gudrun Krämer: „Als politischen Islam kann man eine Ideologie und Bewegung
bezeichnen, die davon ausgeht, dass der Islam ein gesellschaftspolitisches
Programm hat, das auf Koran- und Prophetentradition beruht. Die Zuordnung
einer bestimmten Gruppierung zum politischen Islam sagt über deren genauen
Inhalte zunächst einmal wenig aus und erst recht nichts über ihre Strategie.“
(Krämer 2016)

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Historische Entwicklungslinien (Wiederholung): wie kam es
zur innerislamischen Debatte?
Gesellschaften mussten sich am Ende des 19. Jht die Frage stellen, ob etwas
aus der eigenen Sicht/Kultur dieser europäischen Durchdringung
entgegengesetzt werden kann oder ob man die eigene Identität aufgeben
muss, um in der modernen Welt zu überleben. Drei Hauptrichtungen des
politischen Denkens:

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Historische Entwicklungslinien (Wiederholung): wie kam es zur
innerislamischen Debatte?
1. Islamische Orthodoxie: Es gibt keine Frage. Die Überlegenheit muss
hingenommen werden. Fatalismus. Befreiung wird folgen.
2. Muslimische Reformer: zeitlose Gültigkeit der Offenbarung, aber Schwäche der
islamischen Gesellschaft beruht auf einer verfälschten Interpretation religiöser
Schriften. Neuinterpretation nötig, unterschiedliche Strömungen. Islam und
Moderne kompatibel (variable Rezeption der Nation als Idee), vgl. Afghani, Abduh
uvm.
3. Säkular-Nationalisten: Offenbarung hat ihre geschichtliche Funktion erfüllt und
nur ein Rückgriff, eine Wiederbesinnung auf die Nation und ein nationales
politisches Programm können Modernität und Identität der eigenen Geschichte
erhalten, vgl. al-Husri.
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Historische Entwicklungslinien (Wiederholung): wie kam
es zur innerislamischen Debatte?
Später dann zudem u.a.:
o Säkularer Liberalismus und türkischer Laizismus (1920er und 30er-Jahre)
o (Neo-)Kolonialismus
o Schwäche des Parlamentarismus (v.a. Zwischenkriegszeit)
o Aufstieg und Niedergang des Nationalismus/Panarabismus/Nasserismus (1950er bis
1970er)
o Schwächung der traditionellen Ulama (Klerus): staatliche Instrumentalisierung
o Vakuum an politischen Ideen!?
Aber: Spaltung der intellektuellen und politischen Öffentlichkeit in der Arabischen Welt in
einen säkularen und islamischen Diskurs (Bildung, Medien o.ä.)
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Vom Islamismus zum Dschihadismus: nun en detail –Teil 1
Was ist was? Vereinfachende Synthese/Kategorien aus einer Literaturschau
(Olivier Roy, Gudrun Krämer, Gilles Kepel, Guido Steinberg u.a.)... hinreichend?
o Islamismus: Ziel ist ein „islamischer Staat“ oder eine „islamische Gesellschaft“
(z.B. Muslimbrüder) = Islamisten/Politischer Islam
o (Neo-)Fundamentalisten geht es vor allem um die Durchsetzung der Scharia
(z.B. Taliban, Wahhabiyya) = Salafisten (Pietisten)
o Islamistischer Terrorismus: zentral ist eine (konstruierte) Theologie des Jihad,
legitime Anwendung von Gewalt zur (letztlich) territorialen Entgrenzung,
Gewaltideologie (z.B. al-Qaeda, IS) = (salafistische) Dschihadisten

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Vom Islamismus zum Dschihadismus: nun en detail… Teil 2

eigene Darstellung: Demmelhuber/Roll 2017


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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Kennzeichen des Islamismus (u.a. nach O. Roy)
o Ideologische Umarbeitung des Islam in Konkurrenz zu Nationalismus und
Sozialismus (window of opportunity, ca. 1970er Jahre)
o Öffentliches und privates Leben soll von Islam bestimmt werden (Islamisierung)
o Keine Trennung von Religion und Politik (al-islam huwa din wa-dawla)
o „Der Islam ist die Lösung“ für alle Probleme (al-islam huwa-l-hall)
o Einführung der Scharia oder Orientierung der Gesetzgebung an islamischen
Normen (Verfassungsdiskussionen), z.B. Art. 2 ägyptische Verfassung (2014):
ARTICLE 2. ISLAM, PRINCIPLES OF ISLAMIC SHARIA
Islam is the religion of the state and Arabic is its official language. The
principles of Islamic Sharia are the principle source of legislation.
https://www.constituteproject.org/constitution/Egypt_2014#s35 23. Juni 2023 11
Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Die Muslimbruderschaft
o 1928: gegründet von Hasan al-Banna
o 1954: Verbot durch Nasser (Attentat?), bis 2011 verboten, aber geduldet, in
unterschiedlichen Wellen: politische Verfolgung
o 2011: Gründung der Partei der Freiheit und Gerechtigkeit
o Transnationale religiöse und politische Bewegung: „Mutterorganisation“ (vgl.
Hamas als Ableger)
o Gegen Zionismus, Kolonialismus, Verwestlichung, moralischen Zerfall
Programm
o Islamischer Aktivismus für soziale Gerechtigkeit und politische Freiheit
o „Islamisches System“ (al-nizam al-islami) nach Hasan al-Banna
o Islamisierung der Gesellschaft durch: Individuum, Familie, Gesellschaft, Staat
o Geschlechtersegregation, islamische Kleidung, aber auch Frauenaktivismus
www.de.wikipedia.org 23. Juni 2023 12
23. Juni 2023 13
Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Dilemma (v.a. seit den 1990er Jahren, beschleunigt seit 2011)
o Konkurrenz von liberalen Islamisten (sog. Post-Islamisten, moderate
Islamisten) wie der Partei der Mitte (Hizb al-Wasat) und den
Ultraorthodoxen (Salafisten), die nun plötzlich politisch werden
o Zwischen Militärregime und der oppositionellen sozialen Bewegung
o Bildung einer nationalen Partei bei Fortbestehen des transnationalen
Anspruchs
o Gründung der Partei macht Unterschied zwischen religiösem und
politischem Aktivismus deutlich

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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Kennzeichen des (Neo-)Fundamentalismus/ pol. Salafismus (nach O. Roy)
o Verbalinspiration der Exegese: Ablehnung der kritischen Theologie
o Unbedingte Geltung von Normen à strikte Auslegung (= Lehre der
„frommen Altvorderen“)
o Reaktion auf die Moderne und/ oder die Modernisierung (z.B. Darwin,
Individualisierung, sexuelle Befreiung): also selbst zutiefst modernes
Phänomen
o Dualistisches/manichäisches Weltbild (gut und böse, „Niedergang“ und
„Erweckung“)
o Ausdifferenzierung ...

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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
...Wahhabismus, „islamischer Puritanismus“ (in Saudi-Arabien de
facto-Staatsreligion, staatlich gefördert, international verbreitet durch
staatliche finanzierte NGO „Islamische Weltliga“)
o Muhammad ibn Abd al-Wahhab (1703-1793)
o Wörtliche Interpretation der Rechtsquellen, keine metaphorische
Auslegung, besonders stringente Form des Salafismus
o Kritik an der Existenz der Rechtsschulen
o Strikter Monotheismus / Heiligenverehrung ist „Polytheismus“

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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Sayyid Qutb (1906-1966)
o Lehrer, Journalist, Literaturkritiker
o USA-Aufenthalt 1948-50
o Seit 1950er Ideologe der Muslimbrüder
o Chefredakteur von Al-Ikhwan al-Muslimun
o Konflikt mit Freien Offizieren
o Gefängnis, Folter, Hinrichtung
o Intellektueller und Einzelgänger

https://www.opendemocracy.net 23. Juni 2023 17


Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Qutbs Denken
o Avantgarde der intellektuellen Elite („Generation des Koran“)
o Einheit von Islam und Universum: Ewigkeit, Harmonie, Balance, Dynamik
o Individueller, direkter Textzugang à impressionistische Textinterpretation
o Zuspitzung der Dichotomien (islamisch vs. ungläubig)
o Souveränität (hakimiyya) nur bei Gott
o Knechtschaft der Menschen nur gegenüber Gott
o Gesellschaft und Staat ohne Geltung der Scharia sind im „Heidentum“
(jahiliyya): Jahiliyya herrscht „heute“ weltweit
o Befreiung der Gesellschaft durch Propaganda (da`wa) und Jihad

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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Jihad nach Abdallah Azzam (1941-1989)
o Jihad ist ein defensiver militärischer Kampf
o Jihad richtet sich gegen Besatzer, nicht gegen
Regierungen
o Jihad hat der Befreiung der „muslimischen Erde“ zum
Ziel (dar al-islam)
o Jihad ist eine Angelegenheit der Massen, nicht der Eliten
o Jihad wird zur „individuelle Pflicht“ (fard `ayn)
o Gründung des „Dienstleistungsbüros“ in Peschawar Dr. ‘Abdallah ‘Azzam,
The Defense of Muslim Lands,
the Most Important Personal Duty
(Amman: Maktabat Al-Risala
al-Haditha 1987, 2nd ed.)

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Vom Islamismus zum Dschihadismus im Längsschnitt
Jihad nach Muhammad Faraj (1952-1982)
o Jihad ist ein offensiver militärischer Kampf
o Errichtung eines islamischen Staates ist eine Glaubenspflicht für die Muslime
o Jihad ist die „vergessene Glaubenspflicht“ (al-farida al-gha‘iba) (= 6. Säule des
Islam)
o Erst Kampf gegen den „nahen Feind“ (Regierung), dann gegen den „fernen Feind“
(Sowjetunion, Israel und USA)

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2023: Ist der moderate Politische Islam (vgl. moderate Islamisten, Folie 9)
vor dem Hintergrund wachsender dschihadistischer Phänomene oder an
seinen eigenen Versprechen gescheitert?
o Radikalisierung ist Resultat der schwindenden Mobilisierungskraft
o Scheitern „islamischer Revolutionen“ (außerhalb des Iran)
o Aufstieg des Neo-Fundamentalismus/ polit. Salafismus
o „Liberalisierung“ islamistischer Parteien und Bewegungen (AKP nach Olivier Roy
die CSU der Türkei(!), vgl. Roy 2002 in: Le Monde)
o Scheitern an Herausforderung politischer Verantwortung (Bsp. Mursi 2012-2013 in
Ägypten) à „Wolf im Schafspelz?“ à Inkompatibilität mit
Demokratieversprechen?
o Ausnahmen oder Regel: Marokko und Tunesien?
Machen wir einen Realitätscheck...tbc next week!
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www.egyptianstreets.com 23. Juni 2023 22
Wiederholung: Defekte Demokratien (nach Merkel et al.)

Aus Wolfgang Merkel,


Embedded and Defective
Democracies, Democratization,
11:5 (2004): 33-58
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Wie demokratisch ist der Politische Islam? Tunesien
Parteien
en-Nahda („Partei der Wiedergeburt“): 1981, Verfolgung unter Ben Ali,
daneben aktuell nur Splitterparteien

Demokratische Teilregime Wahl- und Parteiprogramme * gegeben = ✔


defizitär = (✔)
Wahlregime ✔*
nicht gegeben = ☐
Partizipation ✔
Freiheit ✔
Gewaltenkontrolle ✔
Effektive Regierungsgewalt ✔

23. Juni 2023 24


23. Juni 2023 25
Wie demokratisch ist der Politische Islam? Ägypten
Parteien/Bewegungen: Muslimbruderschaft (1928), mittlerweile verboten
(2013) & Hizb al-Nur, Partei des Lichts, 2011 (salafistisch)
MB/FJP Hizb al-Nur
Demokratische Wahl- und Demokratische Wahl- und
Teilregime Parteiprogramme Teilregime Parteiprogramme
Wahlregime ✔* Wahlregime (✔)
Partizipation (✔)
Partizipation ✔
Freiheit ☐
Freiheit ✔
Gewaltenkontrolle ☐
Gewaltenkontrolle (✔)
Effektive ☐ = ✔
Effektive (✔) * gegeben
Regierungsgewalt defizitär = (✔)
Regierungsgewalt nicht gegeben = ☐

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Wie demokratisch ist der Politische Islam? Marokko
Partei: PJD, 1988, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung
(franz. Parti de la justice et du développement)
Demokratische Wahl- und
Teilregime Parteiprogramme
Wahlregime ✔*
Partizipation ✔
Freiheit ✔
Gewaltenkontrolle ✔
Effektive ✔ * gegeben = ✔
Regierungsgewalt defizitär = (✔)
nicht gegeben = ☐
Weiterführend:
PJD, ISLAM, AND GOVERNANCE IN POST-2011 MOROCCO
https://www.bakerinstitute.org/media/files/files/8bb7ca6d/cme-pub-carnegie-morocco-060318.pdf
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Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)

Kontextfaktoren:
o 2003: US-Koalition stürzt Saddam Hussein-
Regime
o Kampf gegen internationalen Terrorismus
v.a. ab 2001
o Regionale Umwälzungen (schwache
Staatlichkeit, Legitimitätskrisen der
politischen Ordnungen)

www.mobile.wnd.com 23. Juni 2023 28


Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)

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Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)
Nach R. Schulze (2016): Geschichte der islamischen Welt (Kauf-/Lesetipp)
o Ab 2000er Jahre Zunahme von „ultraislamischen“ Bünden, die nicht mehr rein lokale
Ereignishaftigkeiten anstrebten (i.G. zu 1990er Jahre, vgl. Ägypten: Imbaba, Luxor)
o Netzwerk von al-Qaida zunächst im Vordergrund, dann Nährboden der Re-
Konfiguration im Zuge des Kampfes gegen „US-Besatzer“: Keimzelle der Entstehung
des IS (aus „territorialer“ al-Qaida-Zelle heraus)
o al-Qaida in seiner Selbstwahrnehmung als globaler Akteur: lokale Gemeinschaften, die
Teil des Netzwerks waren, sollten innerhalb der bestehenden Ordnung agieren und
nicht selbst territoriale Hoheit reklamieren à primäres Ziel: der Westen und seine
Alliierten
o Krieg im Irak und später Umwälzungen ab 2011 ließen diese elitäre Vorstellungswelt
brüchig werden
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Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)
Nach R. Schulze (2016): Geschichte der islamischen Welt
o 2012: Wendepunkt für Loslösung von al-Qaida aufgrund Selbstverlautung des
islamischen Staates in Irak, dass man sich selbst als Nukleus eines zukünftigen
islamischen Kalifats sehe
o 2013: Zusammenschluss der syrischen und irakischen al-Qaida-Verbände zum
Islamischen Staat im Irak und Syrien. al-Qaida-Führer Zawahiri (seit 2011) erklärt im
Juni 2013, dass al-Qaida dem Zusammenschluss nicht zugestimmt habe
o IS etabliert sich qua realer Herrschaftsgewalt: territoriale Expansion im
transnationalen Raum (explizite Bezugnahme Sykes-Picot)
o 2014: Ausrufung des Kalifats (Dawlat al-khilafa al-islamiyya), kurze Zeit später am
10. Juni 2014 Eroberung von Mossul, samt Plünderung der Zentralbank (Schätzungen
zufolge mit 1.000 Mann!)

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Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)
Nach R. Schulze (2016): Geschichte der islamischen Welt
o In Syrien schon seit Mitte 2013 (wachsende) reale Herrschaftsgewalt um al-Raqqa
herum, Stadt wird zum strategischen Zentrum und Sitz der „Staatsverwaltung“
o Territorium des IS: keine unbeschränkte territorialstaatliche Hoheit. Bedeutender als
die Territorialität ist die soziale Normenkontrolle
o Internationalisierung des Terrors und Richtungswechsel (warum?): Von
zielgerichteten Aktionen (z.B. russische Passagiermaschine über dem Sinai 31.10.2015)
hin zu Aktionen gegen die Gesamtheit einer Gesellschaft die „gottlos“ und „verworfen“
ist (Anschläge Paris, 13. November 2015, i.G. zu Charlie Hebdo am 7. Januar 2015)
o 2017: Rückeroberung von Mosul und Fall von Raqqa
o 2022: keine Territorialität in Irak und Syrien

www.mobile.wnd.com 23. Juni 2023 32


Dschihadismus: Neuere Entwicklungen (al-Qaida, IS)
Zwischen Tugendterror (Steinberg) und sozialer Normenkontrolle (Schulze)
o Ideologie des IS eine besonders militante Version des Salafismus (= Lehre der „frommen
Altvorderen“), extremer Skripturalismus entlang eng umgrenzten Korpus an Texten
(Koran und Sunna): Forderung der vollständigen Nachahmung
o Besonders rigide in den Territorien mit realer Herrschaftsgewalt (z.B. Raqqa): besonderer
Fokus auf religiöse und religionspolitische Maßnahmen: Durchsetzung über parallele
Gerichtsbarkeit (Rechtssprechung ausschließlich nach islamischen Recht: Anwendung
von hudud-Strafen)
o Durchsetzung von Bekleidungsvorschriften (z.B. Gesichtsschleier) oder Gebetspflicht
(soziale Normenkontrolle)

www.mobile.wnd.com 23. Juni 2023 33


https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47678157 23. Juni 2023 34
Q&A
Für weitere Fragen
thomas.demmelhuber@fau.de
Sprechstunde: Montag 17-18.30 Uhr (Anmeldung unter ulrike.frank@fau.de)

http://www.rainbeforerainbows.com/comics.html 23. Juni 2023 35


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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