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Skriptum zur Vorlesung

Einführung in die Biochemie

(„Grundlagen der Biochemie I“)

Teil 2:
Kohlenhydrate

Univ-Prof. Dr. Rudolf Zechner


Mag. Ingo Streith

mit Illustrationen von Thomas Eichmann

Version 2.5c vom 16. Jänner 2007


Biochemie I, Teil 2

Allgemeines

Literaturempfehlungen
Voet D. / Voet J.G. / Pratt C.W., Lehrbuch der Biochemie, Wiley-VCH
Lehninger / Nelson / Cox, Biochemie, 3. Auflage, Springer-Lehrbuchverlag
Jedes der Bücher deckt den gesamten Lehrstoff der Vorlesung ab und kostet
ungefähr € 65.

Prüfung
Prüfungstermine finden drei Mal pro Semester statt – aktuelle Ankündigungen sind
auf http://imb.uni-graz.at/lehre.html und http://online.uni-graz.at zu finden.

Links
Homepage zum Skriptum http://imbm-lehre.uni-graz.at/Biochemie_1/index01.html (*)

Homepage Prof. Zechner http://www.uni-graz.at/rudolf.zechner

Homepage Ingo Streith http://www.uni-graz.at/ingo.streith

Homepage Uni Graz http://www.uni-graz.at

Homepage IMB http://imb.uni-graz.at

Homepage StRV Chemie http://oeh.uni-graz.at/~chemie


(*) Username und Passwort werden in der Vorlesung bekanntgegeben.

Errata & Feedback


Wir haben das Skriptum sorgfältig ausgearbeitet und einige Fehler bereits vor dem
Erscheinen beseitigt. Leider kann es trotzdem vorkommen, dass sich Fehler
eingeschlichen haben. Bei Unklarheiten sollte daher unbedingt ein Lehrbuch befragt
werden. Wenn Ihr Fehler entdeckt habt, oder andere Ideen habt, wie man das
Skriptum verbessern könnte, dann bitte ich um ein E-Mail an:
ingo.streith@uni-graz.at

An dieser Stelle sei auch allen gedankt, die bereits Listen mit gröberen oder
kleineren Fehlern gemailt haben – danke!

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Biochemie I, Teil 2

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis......................................................................................................57
5. Allgemeines........................................................................................................59
5.1. Stereoisomerie ............................................................................................59
5.2. Einteilung der Kohlenhydrate ......................................................................61
5.3. Chemisches Verhalten von Kohlenhydraten ...............................................61
5.4. Konformation der Kohlenhydrate ................................................................62
5.5. Zuckerderivate ............................................................................................63
5.6. Disaccharide ...............................................................................................63
5.7. Polysaccharide (Homoglycane) ..................................................................64
5.7.1 Cellulose ..............................................................................................64
5.7.2 Chitin....................................................................................................65
5.7.3 Stärke ..................................................................................................65
5.7.4 Glycogen..............................................................................................66
5.8. Heteroglycane: Glycosaminoglycane ..........................................................66
5.9. Glycoproteine und Proteoglycane: KH – Protein Komplexe ........................66
5.9.1 Proteoglycane ......................................................................................67
5.9.2 Glycosilierte Proteine ...........................................................................67
5.9.3 Funktion der Kohlenhydrat-Seitenketten..............................................68
6. Glucosestoffwechsel: Glycolyse.........................................................................69
6.1. Schritt 1: Phosphorylierung .........................................................................72
6.2. Schritt 2: Isomerisierung .............................................................................72
6.3. Schritt 3: Phosphorylierung .........................................................................73
6.4. Schritt 4: Spaltung.......................................................................................73
6.5. Schritt 5: Isomerisierung .............................................................................73
6.6. Schritt 6: Oxidation......................................................................................74
6.7. Schritt 7: Phosphat- Übertragung................................................................74
6.8. Schritt 8: Bildung des 2-PG.........................................................................75
6.9. Schritt 9: Dehydratisierung..........................................................................75
6.10. Schritt 10: Phosphatgruppenübertragung................................................76

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Biochemie I, Teil 2

6.11. Pyruvat- Verwertung................................................................................76


6.11.1 Fermentation zu Lactat ........................................................................77
6.11.2 Alkoholische Gärung............................................................................77
6.11.3 Acetyl-CoA ...........................................................................................78
7. Gluconeogenese ................................................................................................79
7.1. 1. Umgehungsschritt ...................................................................................81
7.2. 2. Umgehungsschritt ...................................................................................82
7.3. 3. Umgehungsschritt ...................................................................................82
8. Koordinierte Regulation der Glycolyse und Gluconeogenese ............................82
9. Cori- und Alanin-Zyklus ......................................................................................85
10. Glycogenstoffwechsel.....................................................................................87
10.1. Abbau von Glycogen ...............................................................................87
10.2. Bildung von Glycogen..............................................................................87
10.3. Regulation des Glycogen-Stoffwechsels .................................................88
11. Weitere KH- Stoffwechselwege von Bedeutung .............................................89
11.1. Pentosephosphatweg ..............................................................................89
11.2. Glucuronsäure- Stoffwechsel ..................................................................91
11.3. Fructose- Stoffwechsel ............................................................................91
11.4. Galactose- Stoffwechsel..........................................................................93
11.5. Mannose..................................................................................................93

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Biochemie I, Teil 2

5. Allgemeines
Kohlenhydrate sind die häufigsten Biomoleküle überhaupt. Sie bilden einen wichtigen
Ernährungsbestandteil, bauen Zellwände auf und sind an wichtigen energieliefernden
Prozessen beteiligt. Kohlenhydrate sind Polyhydroxyalkohole, -aldehyde oder -
ketone mit der allgemeinen Summenformel (CH2O)n.

5.1. Stereoisomerie
Stereoisomere unterscheiden sich in der räumlichen Anordnung von Atomen und
funktionellen Gruppen. Alle Kohlenhydrate mit Ausnahme des
Dihydroxyacetonphosphates besitzen ein oder mehrere asymmetrische C-Atome als
Chiralitätszentren.

Stereoisomere

Konfigurationsisomere Konformationsisomere
(zB. unterschiedliche Anordnung von Atomen (zB. Sessel und Wannenform)
und Gruppen um ein asymetrisches C-Atom)

Enantiomere (Spiegelbildisomere) Diastereomere


Meist Casym als Chiralitätszentrum Besitzen mehrere Chiralitätszentren.
Unterscheiden sich in allen Unterscheiden sich in mindestens einem
Chiralitätszentren Chiralitätszentrum, mindestens ein Zentrum
bleibt unverändert

Die Zahl der möglichen Stereoisomere ergibt sich aus der Zahl der asymetrischen C-
Atome innerhalb eines Moleküls, wobei die Anzahl der möglichen Stereoisomere
exponentiell mit der Anzahl der asymmetrischen C-Atome wächst:
Ein Molekül mit N asymmetrischen C-Atomen hat 2N Stereoisomere.

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Zur Darstellung der Struktur von Zuckern verwendet man oft die Fischer-
Projektionsformeln. Hierbei wird das Molekül als Kreuz gezeichnet, in dessen
Mittelpunkt das chirale C-Atom steht, und die Gruppe, die in der höchsten
Oxidationsstufe vorliegt (bei Kohlenhydraten die Carbonylgruppe), darüber. Je
nachdem, ob die OH-Gruppe des Kohlenhydrates links oder rechts zum liegen
kommt, spricht man von einer L- oder D-Form.

Abbildung 1: Fischer-Projektion eines Kohlenhydrats.

Die Einteilung von Kohlenhydraten mit mehreren C-Atomen und mehreren


Chiralitätszentren in D- und L-Zucker beruht auf der Stellung der OH-Gruppe am
asymetrischen C-Atom, das am weitesten von der Carbonylgruppe entfernt ist.

Epimere: Diastereomere, die sich nur durch die Konfiguration an einem


asymetrischen C-Atom unterscheiden (zB. Glucose – Galaktose).

Anomere: Epimere, die sich nur durch die Konfiguration am Halbacetal (C-1) Atom
voneinander unterscheiden (Acetale: siehe Kapitel 5.3)

Isomere Zucker: Unterscheiden sich in der Stellung der Carbonylgruppe


(Aldosen/Ketosen, zB. Glucose – Fructose)

Beachte: Bei Aminosäuren ist die L-Form biologisch wirksam, bei Kohlenhydraten
hingegen fast ausschließlich die D-Form!
Beachte auch, dass D (rechts) und L (links) nichts über die Richtung der
Drehwinkeländerung des polarisierten Lichtes aussagen.

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5.2. Einteilung der Kohlenhydrate


Je nach Anzahl der Grundeinheiten unterscheidet man Mono-, Di-, Oligo- (kurze
Ketten) und Polysaccharide (lange Ketten).

Weitere Einteilungsmöglichkeiten
- Anzahl der C-Atome: Triosen, Tetrosen, Pentosen, Hexosen, ...
- Aldosen bzw. Ketosen, je nach Lage der Carbonylgruppe. Aldosen können in
Ketosen isomerisieren.
- Ringstruktur: Furanosen, Pyranosen, ... (siehe Abbildung 2)
- Reduzierend bzw. nicht reduzierend, je nach chemischem Verhalten.
- D- und L-Form (Stereoisomerie) - siehe Kapitel 5.1.

H O H
C H C OH
H C OH C O
H C OH H C OH O O
H H
(1) (2) (3) (4)

Abbildung 2: (1): Glycerinaldehyd (Beispiel für Aldose), (2): Dihydroxyaceton (Beispiel für Ketose), (3)
und (4): Ringstrukturen (Furan, Pyran).

5.3. Chemisches Verhalten von Kohlenhydraten


Aldehyde und Ketone können durch Reaktion mit Alkoholen Acetale und Ketale
bilden. In Zuckern kann die Halbacetalbildung auch intramolekular geschehen. Beim
Auflösen von kristallinen Zuckern in Wasser tritt zu einem hohen Prozentsatz die
Bildung von Halbacetalen ein. Da es nach Ringschluss zwei mögliche
Konfigurationen am neuen asymmetrischen C-Atom (C-1) gibt, existiert jeweils eine
α- (OH-Gruppe zeigt nach unten) und eine β- Form (OH-Gruppe zeigt nach oben),
die auch als Anomere bezeichnet werden. α und β- Form können auch ineinander
übergehen - dieser Vorgang wird als Mutarotation bezeichnet. In wässriger Lösung
von Glucose stellt sich ein Gleichgewicht der anomeren Formen ein (ca. 34% α-
Glucose und 66% ß-Glucose)

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O OH OR3
R1 C + HO R2 R1 C OR2 + HO R3 R1 C OR2 + H2O
H H H
Aldehyd Alkohol Halbacetal Acetal

O OH OR4
R1 C + HO R3 R1 C OR3 + HO R4 R1 C OR3 + H2O
R2 R2 R2
Keton Halbketal Ketal

Abbildung 3: Acetal- und Ketalbildung.

H2C OH

C O
H H
H
C C

O H2C OH OH OH H OH

C OH C C
H OH H
H H OH
HO H C
H
C H2C OH
H OH
HO OH H O
H OH C O
C C H
OH
H
OH H OH C C

OH OH H H

C C

H OH

Abbildung 4: Ringschluss von Glucose: es können unter H2O-Abspaltung zwei (anomere) Formen
entstehen: α- (oben) und β-Glucose (unten). In wässriger Lösung liegen 66% in β-Form vor, in α-Form
hingegen nur 34%.

5.4. Konformation der Kohlenhydrate


Die tetraedrische (sp3) Hybridisierung der Atomorbitale erlaubt keine planare Struktur
der ringförmigen Kohlenhydratmoleküle. Der Pyranosering nimmt dabei eine
sesselförmige Konformation ein, bei der die voluminösen OH- und CH2OH-Gruppen
äquatorial stehen.

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5.5. Zuckerderivate
1. Aldosen können unter milden Bedingungen leicht am C-1 zu Aldonsäuren
oxidiert werden (und wirken damit reduzierend). So entsteht aus Glucose
Gluconsäure. Bei Oxidation der alkoholischen OH-Gruppe am C-6 enstehen
Uronsäuren (zB. Glucuronsäure).
2. Bei Reduktion der Aldehydgruppe von Aldosen entstehen Alditole.
3. Monosaccharide, bei denen eine OH-Gruppe durch H ersetzt ist, heißen
Desoxyzucker (zB. Desoxyribose).
4. Bei Aminozuckern sind OH-Gruppen durch NH2-Gruppen ersetzt (zB.
Glucosamin).

5.6. Disaccharide
Bei Disacchariden wird die OH-Gruppe am anomeren C-Atom glycosidisch mit einer
OH-Gruppe eines anderen Zuckers verknüpft. Je nach Art der Bindung (welche C-
Atome miteinander verbunden werden) unterscheidet man den Trehalosetyp (1-1
glycosidisch), den Maltosetyp (1-4 glycosidisch) und den Isomaltosetyp (1-6
glycosidisch).
Da Trehalosen 1-1 verknüpft sind, ist auch keine Reduktion mehr möglich (es ist
keine oxidierbare Aldehydfunktion vorhanden).

Beispiele für Disaccharide:


- Lactose: Galactose + Glucose, 1-4 glycosidische Bindung. Systematische
Bezeichnung: O-ß-D-Galactopyranosyl-(1->4)-D-glucopyranose.
- Saccharose: Glucose + Fructose, 1-2 glycosidische Bindung. Systematische
Bezeichnung: O-α-D-Glucopyranosyl-(1->2)-ß-D-fructofuranosid.
- Trehalose: Glucose + Glucose, 1-1 glycosidische Bindung.

CH OH CH OH
2 2

OH 5 O O
H 5 OH
H
O H
4 OH H 1 4 OH H 1
H 3 2 H H Halbacetal
3 2
Acetal
H OH H OH

Abbildung 5: Beispiel für ein Disaccharid: Lactose (β- Form).

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Mit der Nahrung aufgenommene Disaccharide werden enzymatisch in


Monosaccharide zerlegt.

Maltase
Maltose + H 2 O   → 2 D − Glucose
Lactase (= β - Galactosidase)
Lactose + H 2 O          → D − Galactose + D − Glucose
Saccharase
Saccharose + H 2 O     → D − Fructose + D − Glucose
Trehalase
Trehalose + H 2 O   → 2 D − Glucose

Häufig tritt bei Erwachsenen eine ß-D-Galactosidase-Defizienz auf, die eine


verminderte Aktivität von ß-D-Galactosidase (Lactase) im Dünndarm hervorruft.
Dadurch kann der Körper die Lactose nicht verstoffwechseln, eine Lactose-Intoleranz
ist die Folge. Da Lactose ein Hauptbestandteil von Milchprodukten ist, hat der Körper
daher Probleme bei der Verdauung dieser Nahrungsmittel. Folgen können
Bauchkrämpfe und Durchfall sein.

5.7. Polysaccharide (Homoglycane)


Bei Polysacchariden werden zunächst zwei Formen unterschieden: Homoglycane
bestehen aus einem einzigen Typ Monosaccharid (zB. Glucose), Heteroglycane
bestehen aus mindestens 2 unterschiedlichen Monosaccharid-Untereinheiten. Es
gibt sowohl verzweigte als auch lineare Polysaccharide.

5.7.1 Cellulose
Cellulose ist Bestandteil von Pflanzenzellwänden. Sie ist mechanisch extrem
beanspruchbar, besitzt eine enorme Zugfähigkeit und ist praktisch wasserunlöslich.
Mehr als 50% der Biosphäre liegt als Cellulose vor, schätzungsweise werden jährlich
1015 kg Cellulose auf- und abgebaut.
Strukturell ist Cellulose ein lineares Homoglycan (Untereinheit: β-Glucose), das durch
β(1-4) glycosidische Bindungen verknüpft ist. In Pflanzen ist Cellulose in eine Matrix
aus anderen komplexen Polysacchariden und dem Polyphenolharz Lignin
eingebettet.

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Biochemie I, Teil 2

Parallel liegende Celluloseketten besitzen einen hohen Quervernetzungsgrad, der


durch H-Brücken entsteht. Wirbeltiere können Cellulose nicht abbauen –
Mikroorganismen schaffen den Abbau mittels Cellulasen, der Abbau geht aber sehr
langsam vor sich.

5.7.2 Chitin

Chitin ist ein lineares Homoglycan mit β (1-4) glycosidischen Bindungen von
N-Acetyl-Glucosamin (GlcNAc). Es kommt vor allem in Außenskeletten von
Invertebraten (wirbellosen Tieren) vor, sowie in Zellwänden von Pilzen und Algen
und ist chemisch und mechanisch sehr resistent.

5.7.3 Stärke

Stärke ist ein Gemisch aus zwei Homoglycanen: der linearen α-Amylose und dem
verzweigten Amylopektin. Stärke wird in Pflanzen produziert und dient als wichtiger
Energiespeicher. Für viele Vertebraten (Wirbeltiere) ist Stärke ein wichtiger
Nahrungsbestandteil.
Amylose ist ein lineares Polymer aus α (1-4) glycosidisch verknüpften Glucose
Einheiten. Es bildet eine helixartige Struktur, die mit Iod-Molekülen
Einlagerungsverbindungen bilden kann (Iod-Stärke Reaktion: intensive Blaufärbung).
Amylopektin ist hauptsächlich aus α (1-4) verknüpften Glucose-Einheiten aufgebaut,
hat aber zusätzlich ungefähr alle 25 bis 30 Glucoseeinheiten eine α (1-6)
Verzweigung. Dadurch entstehen große sphärische Moleküle.
Verdauung der Stärke: Stärke wird durch Speichel- und Dünndarm-Amylase in
Maltose, Maltotriose (Oligosaccharid aus 3 Glucoseeinheiten), und Dextrine
(enthalten die α(1-6) Verzweigungen) abgebaut. Di- und Trisaccharide werden durch
α-Glucosidase abgebaut, die α(1-6) glycosidische Bindung wird durch das
„Debranching-Enzyme“ verdaut. Schließlich entsteht als Endprodukt Glucose, die im
Dünndarm resorbiert und in den Blutkreislauf sezerniert wird.

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5.7.4 Glycogen
Glycogen ist dem Amylopektin sehr ähnlich, ist aber deutlich verzweigter (ca. alle 10
Glucose Einheiten). Es ist wasserlöslich und dient als wichtiger Energiespeicher
tierischer Organismen. Glycogen befindet sich in Form von Granula im Zytoplasma
von Muskel- und Leberzellen. Es kann rasch durch Glycogen-Phosphorylase und ein
„Debranching-Enzyme“ zu Glucose abgebaut werden.

5.8. Heteroglycane: Glycosaminoglycane


Glycosaminoglycane sind Heteroglycane, die vor allem in Bindegewebe, Knorpeln,
Sehnen, Haut und in Gefäßwänden vorkommen. Kollagen und Elastin sind
gewöhnlicherweise in Glycosaminoglycane eingebettet. Wichtige Vertreter sind z.B.:
- Hyaluronsäure: Aufgebaut aus Disaccharid- Einheiten (N-Acetylglucosamin
und Glucuronsäure). Vorkommen z.B. im Glaskörper des Auges.
Hyaluronsäure ist in der Lage, Ionen und Moleküle zu fixieren (z.B. Wasser,
Na+, K+, Ca2+), außerdem ist sie sehr elastisch und stoßdämpfend.
- Chondroitinsulfat: Besteht aus N-Acetyl-galactosamin und Glucuronsäure.
Liegt als 4- oder 6-Sulfat vor. Vorkommen vor allem in Knorpel, Aorta und
Herzklappen.
- Dermatansulfat: Besteht aus N-Acetyl-galactosamin und Glucuronsäure oder
Iduronsäure. Wichtiger Hautbestandteil.
- Keratansulfat: Besteht aus N-Acetyl-glucosamin und Galactose und ist
Knorpelbestandteil.
- Heparin: Besteht aus Glucosamin und Glucuron- oder Iduronsäure. Als 3-fach
sulfatiertes Molekül ist es sehr stark geladen und bindet Ca2+. Dadurch wirkt
Heparin blutgerinnungshemmend und findet in der Medizin breite Anwendung.
Es wird in den Mastzellen in Form von Granula gebildet und entlang der
Arterienwand aufbewahrt, bis es im Bedarfsfall freigesetzt wird.

5.9. Glycoproteine und Proteoglycane: KH – Protein Komplexe


Die meisten Proteine liegen als Glycoproteine vor. Je nach Art kann der
Kohlenhydratanteil zwischen 1% und 90% liegen. Der Kohlenhydratanteil wird erst
nach der Translation an die Peptidkette angeknüpft.

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5.9.1 Proteoglycane
Als Proteoglycane bezeichnet man eine relativ inhomogene Gruppe von
Makromolekülen, bei denen Proteine und Glycosaminoglycane kovalent bzw. nicht-
kovalent aneinander gebunden sind. Proteoglycane sind wichtige Bestandteile der
extrazellulären Matrix und haben eine flaschenbürstenartige Molekülstruktur:

An Hyaluronsäure als „Rückgrat“ sind durch nicht-kovalente Bindungen Kernproteine


angehängt. An die Kernproteine wiederum sind Glycosaminoglycane (Keratansulfat
und Chondroitinsulfat) durch N- oder O- glycosidische Bindungen angeknüpft.
Dadurch ergeben sich enorm große Moleküle mit Molekulargewicht von 107-108
Dalton. Durch die ausgedehnte Molekülstruktur und den polyanionischen Charakter
können Proteoglycane enorme Mengen an Hydratwasser binden. Dadurch wird die
Nährstoffversorgung im Knorpelgewebe, das nicht durchblutet ist, durch
Flüssigkeitsbewegung gewährleistet.

5.9.2 Glycosilierte Proteine


Eine Vielzahl von Proteinen besitzt kovalent gebundene Oligosaccharidketten. Der
Kohlenhydratrest kann dabei N-glycosidisch oder O-glycosidisch mit der Peptidkette
verknüpft werden. Bei N-glycosidischen Veknüpfungen bindet ein N-Acetyl-
glucosamin ß-glycosidisch an das Amidstickstoffatom eines Asn-Restes der
Proteinsequenz. Dabei reagieren nur Asn-Reste mit der Consensus Sequenz Asn-X-
Thr oder Asn-X-Ser innerhalb eines Proteins, wobei X jede Aminosäure außer Pro
und Asp sein kann. Kohlenhydratreste werden während und nach der
Proteinbiosynthese durch spezifische Glycosyltransferasen zu Oligosacchariden
verknüpft.

Glycosilierungsprozesse finden im endoplasmatischen Retikulum und im Golgi-


Apparat statt. Bei der N-Glycosilierung werden im ersten Schritt (ER) an die Amid-
Gruppe des Asn zwei GlcNAc-Reste, neun Mannose-Reste und drei Glucose Reste
geknüpft (high-mannose Typ). Spezifische Glucosidasen und Mannosidase
verkürzen danach das Oligosaccharid (ER und GOLGI) und schließlich werden durch
Glycosyltransferasen weitere Monosaccharideinheiten (zB. GlcNAc, Glucose,

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Galactose) angehängt. Dadurch ergibt sich eine breite Vielfalt verschiedener N-


verknüpfter Oligosaccharide (complex Typ). Sehr oft endet die Oligosaccharidkette
mit Sialinsäureresten (N-Acetylneuraminsäure).

O- glycosidische Bindungen können nur an die OH-Gruppen von Serin oder Threonin
geknüpft werden. Für die O-Glycosilierung gibt es keine Consensus-Sequenz, es
entscheidet nur die Tertiärstruktur eines Proteins, ob ein bestimmter Ser- oder Thr-
Rest glycosiliert wird oder nicht. Die O-Glycosilierung beginnt mit dem Transfer eines
GlcNAc Restes und findet im Golgi-Apparat statt. O-verknüpfte Saccharidketten
können sehr unterschiedlich lang sein und zeigen große Sequenzvariabilität.

5.9.3 Funktion der Kohlenhydrat-Seitenketten


Oligosaccharid-Seitenketten vermitteln Erkennungsvorgänge:

a) Sialinsäurereste am Ende komplexer Zuckerketten erhöhen die Stabilität


von Proteinen. Fehlen Sialinsäurereste, so werden die Proteine als
funktionsuntüchtig erkannt, von einem Asialoglycoprotein Rezeptor
gebunden und über die Leber aus dem Blutkreislauf eliminiert.
b) Lectine und Selectine (Zelloberflächen-Proteine die Kohlenhydratreste
spezifisch erkennen und binden) spielen eine wichtige Rolle bei Zell-Zell
Interaktionen.
c) Lysosomales Targeting von Proteinen funktioniert über Mannose-6-
Phosphat über einen Mannose-6-Phosphat Rezeptor.
d) Viele Mikroorganismen und Viren gelangen in das Zielgewebe durch
spezifische Interaktion mit Zelloberflächenprotein-assoziierten Kohlen-
hydraten (zB. E. coli in der Darmschleimhaut, H. pylori in der
Magenschleimhaut, Influenza Hämagglutinin erkennt Sialinsäuren).
Verschiedene Toxine wie das Choleratoxin von Vibrio cholerae oder das
Pertussistoxin von Bordetella pertussis (Keuchhusten) interagieren mit
spezifischen Kohlenhydratresten.
e) Beim Befruchtungsvorgang erkennen Säugetier-Spermatozoen
Glycoproteinbestandteile der äußeren Eischicht (zona pellucida) und

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Biochemie I, Teil 2

interagieren mit der Eizelle. Durch anschließende Sekretion von Proteasen


kommt es zum Abbau der zona pellucida und zum eigentlichen
Befruchtungsvorgang.

Komplexe Peptid-Kohlenhydrat Moleküle sowie lipidassoziierte Oligosaccharide sind


auch wichtige Bestandteile der äußeren Membranoberfläche Gram-positiver
(Peptidoglycan) und Gram-negativer (Lipopolysaccharid und Teichonsäure)
Bakterien.

6. Glucosestoffwechsel: Glycolyse

Im wesentlichen sind für Glucose drei Stoffwechselwege von Bedeutung: die Bildung
von Glycogen, Stärke und Saccharose, die zur Speicherung dienen, die Oxidation
über den Pentoseweg (zu Ribose- 5- Phosphat) und die Oxidation über die Glycolyse
zu Pyruvat.

Damit Glucose überhaupt verstoffwechselt werden kann, muss im ersten Schritt die
zelluläre Aufnahme erfolgen. Das geschieht durch eine so genannte „erleichterte
Diffusion“ (siehe Kapitel Membrantransport) unter Beteiligung von Glucose-
transportern. Diese membrangebundenen Proteine bewerkstelligen den effizienten
Einstrom von Glucose in Zellen. Verschiedene Gewebe besitzen unterschiedliche
Transporter:
Glut-1: In vielen Geweben vorhanden, Erythrozyte, Endothelzellen, ZNS
Glut-2: Leber, pankreatische ß-Zellen, Nierenepithel
Glut-3: Nervengewebe
Glut-4: Muskel- und Fettgewebe

Die Glycolyse besteht aus zehn Einzelreaktionen, die sich in fünf


Vorbereitungsschritte und in fünf Ertragsschritte einordnen lassen. Die Energie wird
in Form von ATP frei. Die Gesamtreaktionsgleichung lautet:

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Biochemie I, Teil 2

Glucose + 2 ADP + 2 NAD+ + 2 Pi ⇔ 2 Pyruvat + 2 ATP + 2 NADH + 2 H2O + 2 H+

Drei Stufen verdienen besondere Aufmerksamkeit:


1. Glucoseumsetzung zu Pyruvat
2. Phosphorylierung von ADP und Bildung von ATP
3. Bildung von NADH + H+ aus NAD+ und Regenerierung des NAD+

Die Energiebilanz sieht dabei folgendermaßen aus:


Glucose + 2 NAD+ Æ 2 Pyruvat + 2 NADH + 2 H+ ∆G0’ = -146kJ/mol
2 ADP + 2 Pi Æ 2 ATP ∆G0’ = 61kJ/mol

Insgesamt ist die Reaktion also mit ∆G0’ = -85kJ/mol stark exergonisch. Die
vollständige Oxidation eines Moleküls Glucose zu CO2 und H2O ergibt
∆G0’ = -2840kJ/mol. In der Glycolyse wird damit nur ca. 5% des
Gesamtenergieinhalts der Glucose erzeugt.

Alle Zwischenschritte der Glycolyse werden durch phosphorylierte Metaboliten


bewerkstelligt. Dadurch ergeben sich folgende Vorteile:
1. Bei pH 7 liegen die Zwischenprodukte als Anionen vor, und können die Zellen
nicht verlassen.
2. Die gewonnene Energie kann in Form von ATP konserviert werden.
3. ADP und ATP bilden Komplexe mit Mg2+, die die Glycolyse-Enzyme
aktivieren.

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Biochemie I, Teil 2

GLUCOSE GLUCOSE

ATP
ATP 1 Mg2+
Hexokinase (HK)
ADP

G6P Glucose-6-phosphat

Glucosephosphat-
2 isomerase (PGI)

F6P Fructose-6-phosphat
ATP
Mg2+
ATP 3 Phosphofructokinase
(PFK)
ADP

FBP Fructose-1,6-bisphosphat

4 Aldolase

GAP DHAP Glycerinaldehydphosphat + Dihydroxyacetonphosphat


Triosephosphat-Isomerase
GAP
5 (TIM)
Pi + NAD+ Glycerinaldehyd-3-
2 NAD+ + 2 Pi phosphat-
6 Dehydrogenase
NADH + H+ (GAPDH)
1,3-BPG 1,3-BPG 1,3-Bisphosphoglycerat
ADP
Phosphoglycerat-
2 ATP
7 Kinase (PGK)
Mg2+
ATP
3PG 3PG 3-Phosphoglycerat

Phosphoglycerat-
8 Mutase (PGM)

2PG 2PG 2-Phosphoglycerat

9 Enolase
Mg2+
H2O
PEP PEP Phosphoenolpyruvat
ADP
2 ATP Mg2+, K+
10 Pyruvat-Kinase (PK)
ATP

Pyr Pyr Pyruvat

Reaktion 1-5: 1 Molekül Glucose wird unter Verbrauch von 2 ATP zu zwei Molekülen
Glycerinaldehyd-3-phosphat.
Reaktion 6-10: Die zwei Moleküle Glycerinaldehyd-3-phosphat werden zu zwei Molekülen
Pyruvat umgesetzt, dabei entstehen 4 ATP und 2 NADH.

C
Eichmann Thomas 2004

Abbildung 6: Schematische Übersicht der Glycolyse.

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Vorbereitungsstufe

6.1. Schritt 1: Phosphorylierung

HO CH2 P O CH2
ATP ADP
2+
Mg H 5 O H
H 5 O H
H 4 OH H H 1
4 OH H 1 Hexokinase
HO 3 2 OH
HO 3 2 OH
H OH
H OH
Glucose Glucose - 6 - Phosphat

In der ersten Reaktion wird die Glucose phosphoryliert, dabei wird ein ATP
verbraucht. Dieser Schritt ist unter zellulären Bedingungen irreversibel und wird von
Hexokinase katalysiert. Die Anwesenheit von Mg2+ ist unbedingt erforderlich.
Hexokinase kommt in faktisch allen Geweben vor. Das Enzym ist relativ unspezifisch
und phosphoryliert auch Fructose, Mannose etc. In der Leber existiert ein eigenes
Isoenzym, das spezifisch für Glucose ist (Glucokinase).

6.2. Schritt 2: Isomerisierung

P O CH2

H 5 O H 2+ P O CH2 CH2OH
Mg O

4 H 1 H OH
OH H Glucosephosphatisomerase
H OH
OH 3 2 OH

H OH OH H
Glucose - 6 - Phosphat Fructose - 6 - Phosphat

In der zweiten Reaktion isomerisert das Glucose-6-Phosphat (Aldose) zu Fructose-6-


Phosphat (Ketose). Katalysator ist Glucosephosphatisomerase (Phospho-
hexoisomerase), auch hier ist die Anwesenheit von Mg2+-Ionen erforderlich.

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Biochemie I, Teil 2

6.3. Schritt 3: Phosphorylierung


P O CH2 CH2OH ATP ADP P O CH2 CH2 O P
O O
2+
Mg
H HO H HO
H OH Phosphofructokinase-1 H OH
Phosphofructokinase-1
OH - 6 H
Fructose - Phosphat Fructose- OH
1,6 bisphosphat
H
Fructose- 6- Phosphat Fructose- 1, 6- bisphosphat

In diesem Schritt wird das zweite ATP- Molekül verbraucht. Genauso wie die erste
Phosphorylierung ist auch dieser Reaktionsschritt intrazellulär irreversibel und
benötigt Mg2+-Ionen. Als Katalysator dient Phosphofructokinase-1 (PFK-1). Die
PFK-1 spielt bei der Kontrolle der Glycolyse eine zentrale Rolle. Ihre Aktivität wird
durch ADP, AMP und Fructose-2,6-bisphosphat erhöht, während ATP und Citrat die
Aktivität hemmen. Bei verschiedenen Bakterien, Einzellern und Pflanzen kann auch
Pyrophosphat (statt ATP) als Phosphatgruppendonor wirken.

6.4. Schritt 4: Spaltung


P O CH2 CH2 O P O H
O H2C O P
C
H HO O + H C OH
H OH Aldolase CH2OH CH2 O P

OH H
Dihydroxyaceton- Glycerinaldehyd-3-
Fructose- 1,6 bisphosphat phosphat phosphat

Im vierten Schritt wird das Fructose- 1,6- bisphosphat mittels Aldolase zu


Dihydroxyacetonphosphat (Ketose) und zu Glycerinaldehyd-3-phosphat (Aldose)
gespalten. Die Reaktion entspricht einer Aldolspaltung.

6.5. Schritt 5: Isomerisierung


CH2 O P
H2C O P
H C OH
O
C
CH2OH Triosephosphatisomerase
O H
Dihydroxyaceton- Glycerinaldehyd-3-
phosphat phosphat

Für die Weiterverarbeitung kann nur Glycerinaldehyd-3-phosphat (GAP) verwendet


werden. Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) und GAP können durch Isomerisierung

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Biochemie I, Teil 2

leicht ineinander umgewandelt werden. Als Enzym dient Triosephosphatisomerase.


Da GAP im weiteren Stoffwechselverlauf entzogen wird, sorgt die
Isomerisierungsreaktion laufend für eine Neueinstellung des Gleichgewichtes durch
Umwandlung von DHAP in GAP.

Nach Ablauf der fünf Vorbereitungsschritte liegen also zwei Moleküle Triosephosphat
vor. Es wurden zwei Moleküle ATP verbraucht.

Ertragsstufe

6.6. Schritt 6: Oxidation


+ +
O H NAD NADH H O P
O
C C
H C OH + P H C OH
CH2 O P Glycerinaldehyd-3-phosphat CH2 O P
Glycerinaldehyd-3- Dehydrogenase
1,3-Bisphosphoglycerat
phosphat

Im ersten Schritt der Ertragsstufe wird aus Glycerinaldehyd-3-phosphat 1,3-


Bisphosphpglycerat durch die Glyzerinaldehyd-3-phosphat Dehydrogenase (GAPDH)
gebildet. Als Wasserstoffakzeptor dient das Coenzym NAD+. Die Aldehydoxidation
treibt gleichzeitig die Bildung eines energiereichen Acylphosphats
(1,3.Bisphosphoglycerat) durch die Bildung einer Säureanhydridbindung an.

6.7. Schritt 7: Phosphat- Übertragung


-
O O P O O
C 2+ C
Mg
H C OH + ADP H C OH + ATP
Phosphoglyceratkinase CH2 O P
CH2 O P

1,3-Bisphosphoglycerat 3-Phosphoglycerat

Phosphoglycerat-Kinase überträgt die Phosphatgruppe auf ein ADP- Molekül, es


entsteht 3-Phosphoglycerat und ATP – die Anwesenheit von Mg2+ Ionen ist
erforderlich. Obwohl die GAPDH Reaktion eigentlich endergonisch verläuft (∆G0’ =
+6.7 kJ/mol), ermöglicht die stark exergone Natur der 3-PG und ATP Bildung (∆G0’ =

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Biochemie I, Teil 2

-18.8 kJ/mol), dass die Gesamtsynthese von NADH und ATP aus GAP, Pi, NAD+ und
ADP ermöglicht wird. Die Übertragung von Phosphatgruppen eines Substates wie
1,3-BPG auf ADP ohne Beteiligung von Sauerstoff wird als Substratketten-
phosphorylierung bezeichnet.

Synthese von 2,3-BPG


2,3-BPG bindet an Desoxy-Hämoglobin und kann so die Sauerstoff-Affinität des
Hämoglobins vermindern. Die Synthese des 2,3-BPG erfolgt über einen Umweg der
Glycolyse: In 1,3-BPG wird durch eine Erythrozyten-spezifische Bisphosphoglycerat-
Mutase der Phosphat-Rest von der C-1-Position auf C-2 übertragen. Dadurch
entsteht 2,3-BPG. Durch Abspaltung von anorganischem Phosphat kann aus 2,3-
BPG 3-PG gebildet werden. Erbkrankheiten der Glykolyseenzyme verändern in
Erythrozyten daher auch das O2-Bindungsverhalten des Hämoglobins (siehe auch
Teil 1 des Skriptums).

6.8. Schritt 8: Bildung des 2-PG


- -
O O O O
C C
2+
H C OH Mg
H C O P
CH2 O P Phosphoglyceratmutase CH2 OH
3-Phosphoglycerat 2-Phosphoglycerat

Durch Phosphoglyceratmutase wird die Phosphatgruppe vom C-3 Atom auf das C-2
Atom verschoben. Auch in dieser Reaktion muss Mg2+ anwesend sein.

6.9. Schritt 9: Dehydratisierung


- -
O O O O
C H2O C
H C O P C O P
CH2 OH Enolase H2C
2-Phosphoglycerat Phosphoenolpyruvat

Durch Enolase wird 2-PG dehydratisiert, und es entsteht das zweite energiereiche
Zwischenprodukt. Auch diese Reaktion ist Mg2+ abhängig.

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Biochemie I, Teil 2

6.10. Schritt 10: Phosphatgruppenübertragung


- -
O O O O
C 2+ + C
ADP Mg K
C O P
Pyruvatkinase
C O + ATP
H2C H3C
Phosphoenolpyruvat Pyruvat

Der abschließende Schritt der Glycolyse wird von Pyruvatkinase in Gegenwart von
Mg2+ und K+ Ionen katalysiert. Aus Phosphoenolpyruvat entsteht Pyruvat, die
Phosphatgruppe wird auf ADP übertragen und es entsteht ATP.
Eigentlich wird bei dieser Reaktion die Enolform von Pyruvat gebildet. Sie
tautomerisiert jedoch schnell und ohne Enzymkatalyse zur entsprechenden
Ketoform.
- -
O O O O
C C
C OH C O
H 2C H 3C
Enolform Ketoform

Zusammenfassung der Ertragsstufe:


1. Je Molekül Glycerinaldehyd-3-phosphat werden 2 ATP gebildet, d.h. pro
Molekül Glucose werden 4 ATP erhalten.
2. Der Nettogewinn durch die gesamte Glycolyse beträgt somit 2 ATP pro
Molekül Glucose.
3. Das gebildete NADH muss regeneriert werden: das kann entweder aerob
durch NADH-Oxidation in der Atmungskette oder anaerob (siehe unten)
geschehen.
4. Auch die Verstoffwechselung des Pyruvats kann aerob oder anaerob erfolgen.
Aerob: durch weitere Oxidation. Anaerob: Lactat- bzw. Ethanolproduktion
(siehe unten).

6.11. Pyruvat- Verwertung


Das entstandene Pyruvat kann spezies-spezifisch mehrere Wege gehen. Anaerob
(unter Sauerstoffausschluss) entsteht durch Fermentation in tierischen Lebewesen

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Biochemie I, Teil 2

Lactat. Durch alkoholische Gärung kann z.B. in der Hefe Ethanol gebildet werden.
Aerob wird Pyruvat zu Acetyl-CoA oxidiert.

6.11.1 Fermentation zu Lactat


Dieser Vorgang findet vor allem im Muskel statt und wird von Lactat-Dehydrogenase
(LDH) katalysiert. Gleichzeitig wird in dieser
- -
Reaktion NADH zu NAD+ regeneriert. Gebildetes O O O O
C C
Lactat wird zur Leber transportiert und wird über
C O H C OH
die Gluconeogenese wieder in Glucose umgebaut H3C H3C
(Cori-Zyklus). Wird zuviel Lactat produziert, sinkt Pyruvat (Ketoform) Lactat

der pH Wert im Muskelgewebe – es kommt zu einem Muskelkater. Es existieren


Skelettmuskel und Herzmuskel-spezifische Isoenzyme der LDH, deren relative
Menge im Blut für die Herzinfarktdiagnostik Bedeutung hat.

6.11.2 Alkoholische Gärung


In Hefe wird unter anaeroben Bedingungen NAD+ für die Glycolyse durch
Umwandlung von Pyruvat in Ethanol zurück gewonnen, ein Prozess, der seit alters
her technologisch zur Herstellung von Bier, Wein und Spirituosen genutzt wird. Der
Vorgang teilt sich in zwei Reaktionen:
1. Pyruvat wird unter CO2- Abspaltung in Acetaldehyd umgewandelt. Als Enzym
dient Pyruvat-Decarboxylase, die in Tieren nicht vorkommt. Coenzym ist TPP
(Thiaminpyrophosphat).
2. Reduktion von Acetaldehyd zu Ethanol durch die NADH abhängige
Alkoholdehydrogenase (ADH).

-
O O + +
CO2 NADH+ H NAD
C ++ O H H
TPP Mg
C O C H C OH
Pyruvat-Decarboxylase CH3 CH3
H3C
Pyruvat (Ketoform) Acetaldehyd Ethanol

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Biochemie I, Teil 2

Bierherstellung: Bei der Keimung der Gerste entstehen Hydrolasen, die


Polysaccharide zu Disacchariden abbauen können. Durch Erhitzen wird die Keimung
gestoppt (Darren). Es liegt nun Malz vor, das die Enzyme zum Abbau von Poly- zu
Mono- und Disacchariden enthält. Das Malz wird geschrotet und mit Wasser
vermischt (Maischen) – die Enzyme beginnen zu wirken. Es entstehen lösliche
Einfachzucker (Würze). Die Rückstände (Treber) werden abgetrennt, die flüssige
Würze mit Hopfen gekocht – dadurch bekommt das Bier sein Aroma, danach wird
abgekühlt und Luft dazu gelassen. Es wird Hefe zugesetzt, die sich in der aeroben
Würze schnell vermehrt. Da genug Sauerstoff vorhanden ist, wird das Pyruvat zu
CO2 und H2O abgebaut – es wird noch kein Alkohol gebildet. Wenn der Sauerstoff
verbraucht ist, beginnen die Hefezellen anaerob zu arbeiten, das Pyruvat wird zu
Ethanol vergärt. Die Gärung wird unterbrochen, das fertige Bier eventuell noch einer
Nachbehandlung unterzogen, z.B. zur Schaumregulation.

6.11.3 Acetyl-CoA
Unter aeroben Bedingungen braucht NADH nicht unmittelbar zu NAD+ regeneriert
werden, weil NAD+ im Verlauf des Elektronentransports der Atmungskette erzeugt
wird. Aerob wird Pyruvat zu Acetyl-CoA durch einen aus drei Komponenten
bestehenden Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex oxidiert. Dieser Komplex enthält
mehrere Kopien der 3 Enzyme E1 (Pyruvat Dehydrogenase), E2 (Dihydrolipoyl-
Transacetylase), und E3 (Dihydrolipoyl-Dehydrogenase). Als Coenzyme werden TPP
(an E 1 gebunden), Lipoat (kovalent an E 2 gebunden), Coenzym A (Substrat für E2),
FAD (an E3 gebunden) und NAD+ (Substrat für E3) benötigt. Die genaue Beteiligung
der entsprechenden Coenzyme und der Ablauf der Reaktion ist dem Lehrbuch zu
entnehmen.

-
O O +
NAD CoA-SH NADH O S-CoA
C
TPP, FAD, Lipoat
C
C O
Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex H3C
+ CO2
H3C
Pyruvat (Ketoform) Acetyl-CoA

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Biochemie I, Teil 2

Die Coenzyme müssen in Form von Vitaminen über die Nahrung aufgenommen
werden. TPP wird aus Thiamin gebildet (Vitamin B1), Coenzym A aus
Pantothensäure (Vitamin B6) und NADH bzw. FADH2 aus Niacin bzw. Riboflavin
(Vitamine der B2 Gruppe).

Beriberi ist eine Vitaminmangelerkrankung bei Unterversorgung mit Thiamin. Da


Thiamin in Vertebraten nicht synthetisiert oder gespeichert werden kann, muss es
laufend mit der Nahrung zugeführt werden. Beriberi trat vor allem in Ländern mit
hohem Reiskonsum auf, in denen durch Polieren die äußere, grobe Schicht des
Reiskorns mit entsprechendem Thiamingehalt entfernt wurde.

7. Gluconeogenese

Bei unzureichendem Nahrungsangebot bzw. Speicherangebot an Glucose wird


Glucose aus Pyruvat (bzw. Lactat) über die Gluconeogenese aufgebaut. Die
Gluconeogenese ist ein universeller Stoffwechselweg, der in Tieren, Pflanzen,
Pilzen, und Mikroorganismen existiert. Da Gehirn, Nerven, Nierenmark, Hoden und
Erythrozyten fast ausschließlich Glucose als Energiesubstrat nutzen, ist die
Gluconeogenese bei fehlender Glucose-Aufnahme essentiell. Die Gluconeogenese
findet bei Säugetieren vor allem in der Leber statt.
Die meisten Reaktionen der Gluconeogenese sind Umkehrreaktionen der Glycolyse.
In drei wesentlichen Schritten jedoch unterscheidet sich die Gluconeogenese von der
Glycolyse. Diese in der Glycolyse irreversiblen Schritte der Glycolyse sind die
Pyruvatbildung (Pyruvatkinase) sowie die anderen beiden Kinasereaktionen zur
Bildung von Glucose-6-phosphat und Fructose-1,6-bisphosphat (Hexo(Gluco)kinase
und Phosphofructokinase).

Die Umgehung von 3 Schritten der Glycolyse garantiert, dass:


1. der Kohlenhydratfluss nicht nur vom Massenwirkungsgesetz, sondern primär
vom Bedarf in der Zelle abhängig ist.
2. anabole und katabole Prozesse auf unterschiedliche Weise reguliert werden
können.

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Biochemie I, Teil 2

Abbildung 7: Schematische Übersicht der Gluconeogenese.

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Biochemie I, Teil 2

Während die Glycolyse im Cytoplasma abläuft, sind an der Gluconeogenese auch


die Mitochondrien und das endoplasmatische Reticulum beteiligt.

7.1. 1. Umgehungsschritt
Schritt 10 der Glycolyse ist gleichzeitig Schritt 1 der Gluconeogenese: Pyruvat kann
nur in Mitochondrien in die Gluconeogenese eintreten. Zunächst wird unter ATP-
Aufwand Pyruvat durch die biotinabhängige Pyruvatcarboxylase zu Oxalacetat
umgesetzt. Je nach Spezies und NADH-Bedarf existieren nun drei weitere
Möglichkeiten:
1. Oxalacetat reagiert unter Verbrauch von NADH durch die mitochondriale
Malatdehydrogenase (MDH) zu Malat. Dieses wird aus Mitochondrien
transportiert, und dann unter NADH-Freisetzung wieder zu Oxalacetat oxidiert
(cytoplasmatische MDH). Oxalacetat wird dann durch die cytoplasmatische
Phosphenolpyruvat-Carboxykinase (PEP-CK) zu Phosphoenolpyruvat um-
gesetzt, wobei als Phosphatdonor GTP dient. Diese Variante hat den Vorteil,
dass zytoplasmatisches NADH gebildet wird, welches beim GAP-DH Schritt
der Gluconeogenese gebraucht wird.
2. Wenn die Gluconeogenese mit Lactat beginnt, dann ist die erste Reaktion
dessen Umwandlung in Pyruvat durch die Lactatdehydrogenase (LDH). Auch
bei dieser Reaktion wird NADH im Zytoplasma gebildet, daher ist die MDH-
Reaktion zur NADH-Produktion nicht mehr erforderlich. Unter diesen
Umständen kann Oxalacetat direkt, mit Hilfe einer mitochondrialen PEP-CK,
in PEP verwandelt werden, das dann exportiert wird.
3. Alternativ kann Oxalacetat durch Transaminierung in Aspartat verwandelt
(z.B. durch mitochondriale Glutamat-Oxalacetat Transaminase, GOT) werden,
anschließend ins Cytoplasma transportiert, und dort nach Rückverwandlung
in Oxalacetat (cytoplasmatische GOT) wieder in PEP verwandelt werden.

Diese Transportwege werden unter dem Namen Malat-Aspartat-Shuttle


zusammengefasst.

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Biochemie I, Teil 2

Die Rektionen nochmals im Einzelnen zusammengefasst lauten:

1.) Pyruvat + HCO3- + ATP → Oxalacetat + ADP + Pi + H+ (Pyruvat- Carboxylase)


2.) Oxalacetat + NADH + H+ → Malat + NAD+ (Malat- Dehydrogenase)
3.) Malat + NADH+ → Oxalacetat + NADH + H+ (Malat- Dehydrogenase)
4.) Oxalacetat + GTP → Phosphoenolpyruvat + CO2 + GDP
(Mg2+ abhängig, Phosphoenolpyruvat- Carboxykinase)

7.2. 2. Umgehungsschritt
Da die Phosphofructokinase-Reaktion unumkehrbar ist, muss ein alternatives Enzym
die Rückreaktion katalysieren: Fructose-1,6-bisphosphatase-1 (FBPase). Dabei ist
die Anwesenheit von Mg2+ Ionen erforderlich.

Fructose-1,6- bisphosphat + H2O → Fructose-6-phosphat + Pi

7.3. 3. Umgehungsschritt
Auch die zweite Dephosphorylierung benötigt ein eigenes, Mg2+ abhängiges Enzym:
Glucose-6-phosphatase, ein Enzym, das im Menschen praktisch nur in der Leber
und der Niere vorkommt. Das Enzym für diese Reaktion ist im endoplasmatischen
Reticulum lokalisiert. Von dort wird die Glucose dann in das Blut freigesetzt.

Glucose-6-phosphat + H2O → Glucose + Pi

8. Koordinierte Regulation der Glycolyse und


Gluconeogenese

Die Glycolyse muss genau reguliert werden, um den ATP-Spiegel konstant zu halten
– außerdem werden im Lauf der Glycolyse mehrere Zwischenprodukte gebildet, die
bei Biosynthesen eine Rolle spielen – und somit in ausgeglichenem Verhältnis
vorliegen sollten. Die Regulation erfolgt im wesentlichen über zwei Enzyme der
Glycolyse: Phosphofructokinase-1 und Pyruvat-Kinase.

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Biochemie I, Teil 2

andere Kinasen Glykogensynthase a


ATP Pi

ADP H2O
Phosphorylasekinase b
Glykogensynthase b
ATP Pi

aktive
Proteinkinase A Ca2+
2R + 2C
ADP H2O
Phosphorylasekinase a

ATP

cAMP
Glykogenphosphorylase b
ATP Pi
R2C2
inaktive aktive
Proteinkinase A Proteinphosphatase 1

ADP H2O
Glykogenphosphorylase a

Pi H2O

Phosphatase- Phosphatase-
inhibitor b inhibitor a

ATP ADP

inaktive Proteinphosphatase 1
komplexiert mit
Phosphataseinhibitor a

Abbildung 8: Schematische Übersicht der Regulation von Glycolyse und Gluconeogenese.

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Biochemie I, Teil 2

An der Regulation sind folgende Hormone beteiligt:


- Insulin aktiviert Glycolyseenzyme und bewirkt die Entfernung von
überschüssiger Glucose aus dem Blut. Gleichzeitig werden Gluconeogenese-
Enzyme stark reprimiert (koordinierte Regulation).
- Glucagon und Adrenalin wirken in die Gegenrichtung: sie reprimieren die PFK-
1 und die Pyruvat-Kinase und induzieren Enzyme der Gluconeogenese (z.B.
FBPase-1). Beide Hormone wirken über cyclisches AMP (cAMP).
- Cortisol wirkt auch induzierend auf die Gluconeogenese-Enzyme und induziert
zusätzlich den Aminosäure-Abbau, um Vorstufen für die Gluconeogenese zur
Verfügung zu stellen.

Die gegenläufige Regulation von Glycolyse und Gluconeogenese auf der Stufe der
PFK-1 bzw. der FBPase-1 funktioniert folgendermaßen: Fructose-2,6-bisphosphat
wirkt als allosterischer Aktivator der PFK-1 und hemmt FBPase-1. Umgekehrt, bei
Fructose-2,6-bisphosphat-Mangel, ist die FBPase-katalysierte Dephosphorylierung
aktiv und die Kinase-Reaktion gehemmt. Die zelluläre Konzentration des Fructose-
2,6-bisphosphats wird durch die Aktivität des bifunktionellen Enzyms PFK-2/FBPase-
2 reguliert. Durch Glucagon und Katecholamine wird in der Leberzelle cAMP
gebildet, welches eine Protein-Kinase A (PK-A) aktiviert. PK-A phosphoryliert die
PFK-2/FBPase-2. Dadurch wird die PFK-2-Aktivität des Enzyms inhibiert, während
die PBPase-2-aktivität des Enzyms gesteigert wird. Es sinkt die Fructose-2,6-bis-
phosphat Konzentration, PFK-1 ist nicht mehr aktiv und die Glycolyse kommt zum
erliegen. Gleichzeitig wird durch fallende Fructose-2,6-bisphosphat Konzentration die
FBP-1 aktiviert, was zur Beschleunigung der Gluconeogenese führt.

Umgekehrt bewirken Hormone wie Insulin, welche die Glycolyse induzieren und die
Gluconeogenese hemmen, den Abbau von cAMP und dadurch eine Hemmung der
PK-A, eine Dephosphorylierung der PFK-2/FBPase-2, erhöhte Fructose-2,6-
bisphosophat Konzentration, allosterische Aktivierung der PFK-1 und Hemmung der
FBPase-1, wodurch die Glycolyse in Gang kommt und die Gluconeogenese stoppt.

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Biochemie I, Teil 2

Weitere allosterische Effektoren sind Acetyl-CoA und AMP/ADP:


Ob Pyruvat als Ausgangsstoff für die Gluconogenese fungiert, oder in Acetyl-CoA
umgewandelt wird, und in den Citrat-Cyclus eingeschleust wird, wird vor allem durch
die bereits bestehende Acetyl-CoA Konzentration reguliert. Ist der Energiebedarf der
Zelle gedeckt, verlangsamt sich der Citratcyclus – Acetyl-CoA reichert sich an. Dieser
Anstieg der Konzentration hemmt den Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex, und
verhindert somit die Umsetzung von Pyruvat zu weiterem Acetyl-CoA. Gleichzeitig
stimuliert der Konzentrationsanstieg die Pyruvat-Carboxylase, die den Startpunkt der
Gluconeogenese darstellt (Umsetzung von Pyruvat zu Oxalacetat). Zusätzlich hemmt
Acetyl-CoA die Glycolyse über PFK-1.

Bei Anreicherung von AMP oder ADP in der Zelle und damit unzureichender ATP
Konzentration wird die Glycolyse durch die allosterische Aktivierung der PFK-1 durch
AMP hochreguliert, während die Gluconeogenese durch Inhibierung der FBPase-1
gehemmt wird.

9. Cori- und Alanin-Zyklus

Der Cori-Zyklus ist vor allem in Zellen, die keine Mitochondrien besitzen und in
sauerstoffunterversorgtem Gewebe von Bedeutung. ATP wird durch Glycolyse
(anaerob) gewonnen. Dabei wird Glucose in Lactat umgewandelt. Das Lactat wird
mit dem Blut zur Leber transportiert und dient dort als Ausgangssubstanz für die
Gluconeogenese. Die so gewonnene Glucose kann wieder zum verbrauchenden
Gewebe rücktransportiert werden.
Der Alanin-Zyklus wird durch den Abbau von Proteinen gespeist. Die freiwerdenden
Aminogruppen werden auf Pyruvat übertragen, es bildet sich Alanin. Alanin wird
durch das Blut in die Leber transportiert. Dort wird aus dem Alanin Pyruvat gebildet,
das als Substrat für die Gluconeogenese dient. Alanin ist gleichzeitig ein starker
allosterischer Hemmer der Pyruvat-Kinase und somit der Glycolyse.

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Biochemie I, Teil 2

LEBER BLUT MUSKEL

Glucose Glucose Glykogen


ADP +
GDP +
Pi
Pi + ADP
Gluconeogenese
Glykogenolyse und
Glykolyse
ATP + ATP
GTP

Lactat Lactat

LEBER BLUT MUSKEL

Harnstoff

Glucose Glucose Glykogen


Gluconeogenese
NH3
Pyruvat Pyruvat
a-Aminosäure

Transaminierung

a-Ketosäure

Alanin Alanin

Abbildung 9: Cori- und Alaninzyklus, schematischer Überblick.

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Biochemie I, Teil 2

10. Glycogenstoffwechsel
10.1. Abbau von Glycogen
Der Glycogenabbau erfolgt entlang einer Polysaccharid-Kette. Die 1,4 glycosidischen
Bindungen werden mittels der Pyridoxalphosphat-abhängigen Glycogen-
phosphorylase hydrolysiert, es entsteht Glucose-1-phosphat. Die Glycogen-
phosphorylase kann nur 1,4-glycosidische Bindungen spalten. Erreicht der Abbau
einen 1,6 verknüpften Verzweigungspunkt, muss ein „Debranching Enzyme“ diese
Bindung lösen und 1,4-glycosidisch an die Kette binden. Nach erfolgter Übertragung
wird die Glycogenphosphorylase wieder aktiv und baut die Kette bis zum nächsten
Verzweigungspunkt ab.
Das dritte wichtige Enzym ist die Phosphoglucomutase. Sie wandelt Glucose-1-
phosphat in Glucose-6-phosphat um. Bei Bildung von Glucose muss schließlich die
Glucose-6-phosphatase den Phosphatrest hydrolytisch entfernen.

10.2. Bildung von Glycogen


Die Glycogenbildung erfolgt durch das Enzym Glycogen-Synthase. Es muss
allerdings eine aktivierte Form von Glucose vorliegen, damit das Enzym mit dem
Aufbau beginnen kann. Ausgehend von Glucose wird im 1. Schritt durch die
Glucokinase Glucose-6-phosphat erzeugt. Glucose-6-phosphat wird durch
Phosphoglucomutase in Glucose-1-phosphat umgewandelt. Anschließend wird
Glucose-1-phosphat durch Glucose-1-P-uridyltransferase und UTP unter
Phosphatfreisetzung zu UDP-Glucose umgesetzt. Die Glycogensynthase knüpft nun
unter Abspaltung von UDP eine glycosidische Bindung zwischen Glucose und dem
nichtreduzierenden Ende einer Glykogenkette. Für die Ausbildung 1,6-glycosidischer
Verzweigungen sorgt ein „Branching Enzyme“ (Verzweigungs-Enzym), das in
regelmäßigen Abständen 1,4-verknüpfte Ketten abnimmt und 1,6-glycosidisch
verknüpft. Die Glycogen-Synthase braucht zur Glycogensynthese einen bereits
vorliegenden Polysaccharid-Strang und kann nicht bei einem singulären
Glucosemolekül mit der Synthese beginnen. Um ein neues Glycogenmolekül zu
synthetisieren, wird daher ein Protein-Primer - das Glycogenin - benötigt. Dieses
37kD Protein bindet an Tyr-197 das erste Glucose Molekül durch die Wirkung einer
Tyrosin-Glycosyl-Transferase. Anschließend verlängert sich die Zuckerkette

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Biochemie I, Teil 2

autokatalytisch bis zu 7 Resten. Erst danach übernimmt die Glycogensynthase die


weitere Kettenverlängerung.

10.3. Regulation des Glycogen-Stoffwechsels


In enger Koordination mit Glycolyse und Gluconeogenese wird auch der Glycogen
Auf- und Abbau auf mehreren Stufen reguliert. Der wichtigste Regulations-
mechanismus erfolgt hormonell.

Glucagon und Catecholamine (Adrenalin und Noradrenalin) bewirken die


intrazelluläre Bildung von cAMP (Adenylat-Zyklase). Dadurch wird Protein Kinase-A
(PK-A) aktiviert, welche sowohl Glycogensynthase als auch Glycogen-Phosphorylase
Kinase phosphoryliert. Während dadurch die Glycogensynthase völlig inhibiert wird,
wird die Phosphorylase Kinase aktiviert und phosphoryliert im nächsten Schritt
Glycogen Phosphorylase. Durch deren massive Aktivierung wird Glycogen effizient
abgebaut, während die Glycogensynthese gehemmt ist.

Insulin aktiviert eine Phosphodiesterase, die cAMP spaltet. Dadurch wird die
Phosphorylierung der Glycogensynthase und der Phosphorylase Kinase verhindert.
Gleichzeitig aktiviert Insulin eine entsprechende Phosphoprotein-Phosphatase-1, die
bereits phosphorylierte Enzymmoleküle (Glycogensynthase, Glycogen-
phosphorylase, Phosphorylase-Kinase) dephosphoryliert. Dadurch wird die
Glycogensynthese massiv induziert, während der Gycogenabbau durch die Glycogen
Phosphorylase inhibiert ist.

Wenn man die hormonelle Regulation des Kohlenhydrat-Stoffwechsels betrachtet, so


sieht man also, dass Insulin alle Verwertungsschritte der Glucose (zelluläre Glucose-
Aufnahme, Glycolyse, Glycogensynthese) fördert und Glucose-Mobilisation
(Gluconeogenese, Gycogenabbau, Glucose Sekretion) inhibiert. Glucagon und
Catecholamine wirken genau umgekehrt und sind daher Antagonisten zum Insulin.

Neben der hormonellen Regulation unterliegen die Glycogen Phosphorylase und


Glycogen Synthase auch allosterischer Regulationsmechanismen. So wird z.B die
Glycogen Phosphorylase durch AMP aktiviert und durch ATP und Glucose-6-

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Biochemie I, Teil 2

phosphat inhibiert. Umgekehrt wird die Glycogen Synthase durch Glucose-6-


phosphat aktiviert.

Defekte bei Produktion, Regulation oder Wirkung von Insulin werden als Diabetes
(Zuckerkrankheit) bezeichnet. Die insulinabhängige Form der Krankheit erfordert
eine lebenslange Therapie mit Insulin - durch künstliche Zufuhr des Hormons wird
der Glucosespiegel ausbalanciert.

11. Weitere KH- Stoffwechselwege von Bedeutung

In den folgenden Kapiteln werden einige weitere Kohlenhydrat-Stoffwechselwege


von Bedeutung beschrieben. Die jeweiligen Formelschemata können dem Lehrbuch
entnommen werden.

11.1. Pentosephosphatweg
Ausgangstoff für diesen Vorgang ist Glucose-6-Phosphat, es werden 2 Moleküle
NADPH und ein Molekül D-Ribose-5-Phosphat erzeugt. Das NADPH ist essentiell für
die Synthese von Fettsäuren, die Bildung von Steroidhormonen, und die
Regeneration der Glutathions durch Glutathion-Reduktase. Das Ribosephosphat ist
ein wichtiger Ausgangstoff für die Nucleotidsynthese und die Bildung von
Nukleinsäuren.
Der Vorgang wird in zwei Schritte eingeteilt: in den oxidativen Teil (Umwandlung von
Glucose in Ribose unter Freisetzung von CO2 + 2 NADPH) und in den (wesentlich
komplexeren) regenerativen Teil, in dem ein Teil der gebildeten Pentosephosphate
wieder in Hexosephosphate umgewandelt wird.

Regenerativer Teil:
Im regenerativen Teil des Pentosephosphatweges werden 6 mol Pentosephosphat in
5 mol Hexosephosphat umgewandelt. Dabei kommt es zu mehreren Übertragungen
von C-2 bzw. C-3 Einheiten. Für die Übertragung von C-2 Einheiten ist die
Thiaminpyrophosphat abhängige Transketolase zuständig. C-3 Einheiten werden von
der Transaldolase bewerkstelligt.

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Biochemie I, Teil 2

-
O O
HC OH + + C O C
NADP NADPH+ H
HC OH ++ H2O ++
O Mg HC OH Mg HC OH
O
HO CH HO CH HO CH
Glucose-6.-phosphat-
HC OH Dehydrogenase Lactonase
HC OH HC OH
HC HC HC OH
H2C O P H2C O P H2C O P

Glucose-6-Phosphat 6-Phosphogluconolacton 6-Phosphogluconat

-
O O
C
H2C OH
HC OH CHO
+ + C O
HO CH NADP ++ CO 2 NADPH+ H HC OH
Mg HC OH
HC OH HC OH
6-Phosphogluconat-
HC OH HC OH Phosphopentoisomerase OH
Dehydrogenase HC
H2C O P H2C O P H2C O P

6-Phosphogluconat D-Ribulose-5-phosphat D-Ribose-5-phosphat

Abbildung 10: Schema des oxidativen Teils des Pentosephosphatweges.

C3 C6 C6
GraP FruP FruP

C2 TA = Transaldolase (C3 - Übertragung)


TK
C4 TK = Transketolase (C2 - Übertragung)
EryP
C3
TA
Gra P = Glyceral-3-P (Glykolyse, in jeder Zelle)
Fru P = Fructose-6-P (Glykolyse, in jeder Zelle)
Ery P = Erythrose-4-P
C7 C3 Sed P = Seduheptulose-7-P
SedP GraP Xu P = Xylulose-5-P
Rib P = Ribose-5-P
C2 Rul P = Ribulose-5-P
TK

C5 C5 C5
XulP XuP RibP

epimerisiert isomerisiert

C5
RulP

Abbildung 11: Schema des regenerativen Teils des Pentosephosphatweges.

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Biochemie I, Teil 2

Kontrolliert wird der Pentosephosphat-Weg durch die benötigte Menge Ribose-5-


phosphat (R-5-P) und NADPH. Wird primär NADPH benötigt, so wird das R-5-P
durch Transaldolase und Transketolase in Fructose-6-phosphat und
Glycerinaldehyd-phosphat verwandelt und kann in die Glycolyse eintreten.
Bei gleichem Bedarf von NADPH und R-5-P bleibt der Pentosephosphat-Weg nach
dem oxidativen Teil stehen.
Wenn mehr R-5-P als NADPH gebraucht wird, läuft der regenerative Teil in
umgekehrter Weise, das heißt, R-5-P wird aus Fructose-6-phosphat und
Glycerinaldehydphosphat gebildet.

11.2. Glucuronsäure- Stoffwechsel


Glucuronsäure wird aus Glucose synthetisiert: Glucose-6-Phosphat wird in Glucose-
1-Phosphat überführt und reagiert dann mit UTP zu UDP-Glucose (siehe
Glycogensynthese). Katalysiert durch die NAD+-abhängige UDP-Glucose-
Dehydrogenase wird schließlich UDP-Glucuronsäure hergestellt.

UDP-Glucuronsäure ist Ausgangssubstanz für:


• Synthese von UDP-Galacturonsäure, UDP-Iduronsäure und damit für die
Glucosaminoglycan (GAG)-Synthese.
• Ascorbinsäuresynthese (fehlt beim Menschen!).
• Glucuronsäure-Kopplung an Bilirubin.

Viele körpereigene und körperfremde Verbindungen werden durch Glucuronidierung


mit UDP-Glucuronat ausscheidungsfähig gemacht. Als Substrate kommen Alkohole
(Stereoide, Arzneimittel), primäre Amine (Arzneimittel) aber auch Verbindungen mit
Carboxylgruppen (z.B. Bilirubin) infrage.
Diese Reaktionen werden von UDP-Glucuronat-Transferasen katalysiert, die vor
allem in der Leber (im Rahmen der Entgiftung durch Biotransformation) aktiv sind,
und im allgemeinen eine breite Substratspezifität zeigen.

11.3. Fructose- Stoffwechsel


Fructose wird dem Körper vor allem in Form von Saccharose bzw. Fruchtzucker in
Obst und Gemüse zugeführt. Im Intestinaltrakt wird Saccharose durch Saccharase

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Biochemie I, Teil 2

hydrolysiert. Die so freigesetzte Fructose wird über das Pfortaderblut zur Leber
transportiert. Die Leber ist das einzige Organ, das Fructose ab- bzw. umbauen kann.

Fructose wird zuerst unter ATP-Verbrauch durch Fructokinase (Leber) oder


Hexokinase (Muskel) zu Fructose-1-Phosphat phosphoryliert. Aldolase B spaltet
danach das Fructose-1-Phosphat zu Dihydroxyacetonphosphat und
D-Glycrinaldehyd. Letzteres kann auf mehrere Arten in die Glycolyse eingeschleust
werden:

1. Oxidation zu Glycerat durch Aldehyddehydrogenase.


2. Reduktion durch Alkoholdehydrogenase (NADH/H+ abhängig) zu Glycerin.
Anschließend wird durch die Glycerin-Kinase Glycerin-3-phosphat erzeugt
(Ausgangssubstanz für die Lipidsynthese). Danach kann Glycerin-3-phosphat
zu Glycerinaldehydphosphat reoxidiert werden.
3. Direkte Phosphorylierung zu Glycerinaldehyd-3-Phosphat durch Triosekinase.

Der Hauptstoffwechselweg ist der unter 3. beschriebene Weg. Ob die entstandenen


Triosephosphate für Glycolyse oder Gluconeogenese verwendet werden, entscheidet
die aktuelle Stoffwechsellage.

Man unterscheidet zwei Formen der Fructoseintoleranz:


1. Fruktoseunverträglichkeit: eine Fructose-Resorptionsstörung im Darm durch
fehlende Fructosetransporter ist extrem häufig (tritt bei bis zu 40% der
Bevölkerung auf). Und ruft nur leichte Beschwerden hervor.
2. Bei Fructoseintoleranz durch fehlende Aldolase B kommt es zu einer
massiven Anreicherung an Fructose-1-phosphat. Zu dessen Synthese wird
der ATP-Pool der Leber faktisch geplündert, wodurch es zu einer massiven
Aktivierung der Glycolyse kommt. Die dadurch entstehende Hypoglycämie und
Lactatakkumulation kann lebensbedrohlich werden.

Fructose kann zwar außerhalb der Leber nur sehr langsam verstoffwechselt werden,
trotzdem kann Fructose aus Glucose gebildet werden: Zuerst setzt das Enzym
Aldosereductase unter NADH-Verbrauch die Glucose zu Sorbitol um, im zweiten

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Biochemie I, Teil 2

Schritt wird das Sorbitol durch Sorbitoldehydrogenase unter NAD+ Verbrauch zu


Fructose umgesetzt.

11.4. Galactose- Stoffwechsel


Galactose entsteht neben Glucose bei der (durch Lactase katalysierten) Spaltung
von Lactose im Intestinaltrakt. Die Galactose wird durch das Pfortaderblut in die
Leber transportiert und dort um- bzw. abgebaut:
Zuerst wird die Galactose unter ATP-Verbrauch durch Galactokinase zu Galactose-1-
phosphat phosphoryliert, das anschließend mit UDP-Glucose zu UDP-Galactose und
Glucose-1-Phosphat reagiert (Enzym: Galactose-1-Phosphat-Uridyltransferase).
Dann wird eine von UDP-Galactose-4-Epimerase katalysierte Epimerisierung
durchgeführt, die zu UDP-Glucose führt. Die UDP-Glucose kann zum Aufbau von
Glycogen verwendet werden, und über die Glycogenolyse in den Stoffwechsel
einfließen oder unter NAD+-Verbrauch zur Glucuronsäure oxidiert werden (siehe
Glucuronsäure-Stoffwechsel). Glucose-1-phosphat wird durch Phosphoglucomutase
in Glucose-6-phosphat verwandelt.

Galactosämie wird durch die genetisch bedingte Defizienz der Galactose-1-


phosphat-uridyl-transferase verursacht (in seltenen Fällen auch durch Galakto-
Kinase Mangel). Die Erkrankung wird durch galaktosefreie Ernährung behandelt.
Die häufige Lactose (=Milchprodukt) Unverträglichkeit wird durch die im Alter
zunehmende unzureichende Lactaseaktivität im Dünndarm verursacht.

11.5. Mannose
Die in Glycoproteinen vorkommende Mannose wird in zwei Schritten zu Fructose-6-
phosphat umgewandelt und damit der Glycolyse (oder der Glycogensynthese)
zugänglich gemacht :
1. Hexokinase phosphoryliert Mannose zu Mannose-6-phosphat.
2. Mannose-6-phosphat-Isomerase überführt die Aldose in Fructose-6-phosphat.

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