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SCHWANGER BEIM ZAHNARZT

ZAHNBEHANDLUNG IN DER
SCHWANGERSCHAFT
Auch Schwangere bekommen beim Zahnarzt eine Spritze gegen die Schmerzen.
Röntgenbilder und Antibiotika sollten in der Schwangerschaft vermieden werden.

Zahnschmerzen in der Schwangerschaft vermeiden


Gerade in der Schwangerschaft müssen zahnärztliche Behandlungen und die
anschließenden Therapieformen mit großer Sorgfalt ausgewählt werden. Denn das
Ungeborene wird durch die Verabreichung von Mitteln oder durch Röntgen quasi
mitbehandelt. Wenn es um Medikationen geht, empfiehlt sich immer die Rücksprache mit
dem Gynäkologen (Frauenarzt).
Zu empfehlen ist jeder Frau, die schwanger werden möchte, vor der Schwangerschaft einen
Check-up beim Zahnarzt zu machen. Eine ausführliche zahnmedizinische Untersuchung
gehört genauso wie Röntgenbilder, um mögliche Veränderungen im Knochen festzustellen,
zur Befunderhebung. Insbesondere entzündete Wurzelspitzen (Parodontitis apicalis) oder
operativ zu entfernende Weisheitszähne sind für Schwangere überflüssiger Stress. Wir
empfehlen bei einem konkreten Kinderwunsch eine vorzeitige ausführliche Diagnostik
und professionelle Zahnreinigung bei Ihrem Zahnarzt.
Behandlung während der Schwangerschaft
Im ersten und dritten Trimenon sollte möglichst von zahnärztlichen Eingriffen abgesehen
werden. Im ersten Trimenon besteht die Gefahr die Organbildung des Neugeborenen zu
stören. Im letzten Drittel der Schwangerschaft sollte man die Schwangere vor jeder Art von
Stress schützen, um keine Frühgeburt auszulösen. Somit stellt das 2. Trimenon (4.-7. Monat

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bzw. 13.-21. Gestationswoche) einen guten Zeitraum für notwendige zahnmedizinische
Eingriffe dar.

Dürfen Schwangere geröntgt werden?


Von Röntgenbildern sehen die meisten Zahnärzte in der Schwangerschaft komplett ab. Es
gibt aber auch Situationen, in denen Röntgenbilder unerlässlich sind, um eine Diagnose
treffen zu können. Beispielsweise wird jeder Zahnarzt auf Übersichtbilder zur
Kariesdiagnostik verzichten. Röntgenbilder werden also nur bei wirklich zwingender
Indikation, d.h., wenn sie absolut unverzichtbar sind, angefertigt. Besonders im ersten
Trimenon (die ersten 12 bis 14 Wochen), also am Beginn der Schwangerschaft, wenn die
Organe des Ungeborenen gebildet werden, muss die Indikation für ein Röntgenbild sehr
streng gestellt werden, da das embryonale Gewebe besonders empfindlich gegenüber
Röntgenstrahlung ist.

Die effektive Dosis ist entspricht ungefähr der mittleren Grenzkörperdosis und ist laut Roth
bei Einzelzahnbildern mit 0,005 mSv und bei Panoramaschichtaufnahmen mit 0,06 mSv zu
beziffern. Die Strahlenbelastung auf einem Flug von New York nach Tokio wird mit 0,150
mSv angegeben und ist somit größer. Jede Schwangere muss für sich selbst entscheiden, wie
viel Strahlenbelastung sie sich außerhalb dringender medizinischer Indikationen aussetzen
will. Grundsätzlich empfehlen wir natürlich die Strahlenbelastung möglichst niedrig zu
halten.

Die DGZMK vergleicht die Strahlenbelastung von vier Zahnfilmen oder einem OPG
(Übersichtaufnahme von Unter- und Oberkiefer) mit einem 9600 km langen Flug in einem
Jet-Flugzeug oder dem Rauchen einer Zigarette bezüglich des Krebsrisikos.

Natürlich gilt es sehr vorsichtig mit dem Anfertigen von Röntgenbildern umzugehen, aber
erst durch die Möglichkeit „in den Körper ohne Operation zu schauen“, gibt es deutlich
bessere Diagnosemöglichkeiten. Und es darf nicht vergessen werden, dass im Gebirge die
kosmische Strahlung deutlich höher ist und wer denkt beim Skifahren schon an eine
Röntgenschürze? In der Schwangerschaft sollte man sich nicht nur Gedanken über die
medizinische Röntgenstrahlung Gedanken machen, sondern vielleicht auch die ein oder
andere Flugreise überdenken.

Wird bei der Behandlung betäubt?


Schwangere müssen keine Sorge haben, dass Sie ohne Spritze behandelt werden und so
Schmerzen erleiden müssen. Es kann normal injiziert werden und eine schmerzfreie
Behandlung stellt in der Regel keine Problematik dar. Von der US Food and Drug
Administration werden Lidocain-Präparate (z.B. Xylocain®) oder Prilocain-Präperate (z.B.
Xylonest ®) in der Schwangerschaft empfohlen. Articain (z.B. Ubistesin ®) und Bupivacin
können auch mit dem Zusatz von Adrenalin verwendet werden. Die in Regel verwendeten
Adrenalinkonzentrationen von bis zu 1:100 000 beeinflussen den Blutfluss in der Placenta

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nicht, sollte aber möglichst gering dosiert werden (1:200.000). Noradrenalin und
Felypressin als Zusätze von Anästhesie sind kontraindiziert. Der Zusatz von Octapressin in
einer Lokalanästhesie, in der Zahnmedizin kaum verwendet, darf nicht benutzt werden, da
durch diesen gefäßverengenden Zusatz Wehen ausgelöst werden können. Da Mepivacain
(z.B. Scandonest®) die Plazentaschranke überwinden kann, ist dieses Lokalanästhetikum zu
vermeiden. Die DGZMK stuft nicht nur Mepivacain, sondern auch Prilocain als kritisch ein.
Articain, Bupivacain und Etidocain werden von der DGZMK empfohlen. In Deutschland wird
in der zahnärztlichen Praxis in der Regel Articaine zur Schmerzausschaltung bei
Schwangeren verwendet.

Kein Amalgam in der Schwangerschaft


Wichtig ist die konsequente Behandlung mit Kofferdam (dental dam oder rubber dam), um
die werdende Mutter bestmöglichst bei jeder Art der zahnärztlichen Behandlung vor dem
Kontakt mit zahnmedizinischen Werkstoffen zu schützen. Amalgam sollte in der
Schwangerschaft möglichst nicht entfernt werden und falls nötig, weil der Zahn schmerzt,
ausschließlich unter Verwendung von Kofferdam und mit adäquater Absaugung. Neue
Füllungen aus Amalgam während einer Schwangerschaft zu legen, gilt als obsolet. Obsolet
bedeutet in der Medizin, dass eine Krankheit so nicht mehr behandelt wird. „Ein Loch“ wird
also in der Schwangerschaft nicht mehr mit Amalgam versorgt. Diese Behandlung würde
nicht dem „State of the art“ entsprechen, wäre somit nicht mehr zeitgemäß und entspricht in
keinster Weise den aktuellen Leitlinien der Zahnmedizin.

Warum wird manchen Schwangeren beim Zahnarzt schwindelig?


Das Vena-cava-Kompressions-Syndrom stellte eine gefürchtete Komplikation bei der
zahnmedizinischen Behandlung von Schwangeren ab dem 6. Monat dar. Hier klagt die
Betroffene über Schwindelgefühl und Unwohlsein. Das Vena-cava-Kompressions-Syndrom
kann bis zum Kreislaufkollaps gehen. Um diesem vorzubeugen, empfiehlt sich die
Behandlung in einer nur sehr leicht geneigten nach links ausgerichteten Position
durchzuführen. Zusätzlich kann die rechte Hüfte mit einem Kissen abgestützt werden.
Begründet wird das Vena-cava-Kompressions-Syndrom durch den Druck der Gebärmutter
auf die dahinter liegende Vena cava. So wird das Blut aus dem Körper nicht zum Herzen
zurückgepumpt und es kommt zum Absinken des Kreislaufs, zu Übelkeit, zu
Schweißausbrüchen und Atemnot. Im schlimmsten Fall auch zur fetalen Hypoxie. Die
seitliche Lagerung verhindert das Auftreten der oben genannten Symptome und führt bei
bereits bestehenden Symptomen meist schlagartig zur Besserung.

Antibiotika während der Schwangerschaft


Bei einer notwendigen Antibiotikatherapie finden die
Wirkstoffgruppen Penicilline, Ampicilline, Cephalosporine und Makrolide Anwendung.
Makrolide, zu denen Erythromycin gehört, stellen eine Alternative bei Schwangeren mit
Penicillinallergie dar. Tetracycline werden in der Schwangerschaft wegen möglicher Zahn-
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und Knochenbildungsstörungen nicht verschrieben. Antibiotika werden in der
Schwangerschaft nach wie vor meist sehr zurückhaltend verordnet. Es sollte aber nicht
vergessen werden, dass es Krankheitsbilder gibt, bei denen die Einnahme von Antibiotika
unerlässlich ist. In solchen Fällen wäre die Infektion der Mutter für das Ungeborene
risikoreicher als die Einnahme von einem Antibiotikum. Besprechen Sie die Situation genau
mit Ihrem Zahnarzt und eventuell sogar mit Ihrem Gynäkologen. Von einer Wundspülung
mit dem Antibiotikum Neomycin ist dringend abzuraten. Neomycin gehört zur Gruppe der
Aminoglykosid-Antibiotika und wird mit Gehörschädigung beim Ungeborenen in
Verbindung gebracht, sollten die systemischen Dosen zu hoch sein.

Zahnärztliche Materialien während der Behandlung


Das Notfallmedikament bei einer Wurzelkanalbehandlung heißt Ledermix. Ledermix kommt
häufig in Notdiensten zur Anwendung um schnell dem mit einer Wurzelkanalbehandlung
assoziierten Schmerz zu nehmen. Ledermix beinhaltet Demeclocyclin und Triamcinolon. Für
den menschlichen Fetus scheinen diese Wirkstoffe risikoreich zu sein. Die Wundsalbe
Solcoseseryl®-dental darf „zurückhaltend“ verwendet werden. Da der Wirkstoff
Kälberblutdialysat ist, muss jede Schwangere selbst entscheiden, inwiefern sie mit dieser
Substanz in Berührung kommen will oder nicht. Mundspülungen mit Chlorhexidin sind in
der Schwangerschaft unbedenklich (siehe hierzu Ursachen von Zahnschmerzen in der
Schwangerschaft). Wir empfehlen bei Schwangeren die Wundbehandlung mit Salbeitee.

Therapie der Zahnfleischentzündung in der Schwangerschaft


Viele Schwangere klagen in der Schwangerschaft über eine Zahnfleischentzündung.
Schwangerschaftsgingivitis wird dieses Krankheitsbild unter Medizinern genannt. Durch die
hormonelle Umstellung, vor allem durch die Zunahme von den weiblichen
Geschlechtshormonen wie Östrogene und Progesteron verändern sich das Zahnfleisch und
der Zahnhalteapparat. Ebenfalls leiden das Zahnfleisch und die gesamte Mundhöhle
während der Schwangerschaft an Einbußen in der täglichen Mundhygiene. Durch Übelkeit
ist das ausführliche Reinigungsprogramm der Mundhöhle meist nicht möglich. Es empfiehlt
sich mit kleinen Zahnbürstenköpfen, z.B. Kinderzahnbürsten, die Mundhygiene soweit wie
möglich aufrechtzuerhalten. Mundspüllösungen können unterstützend wirken. Wenn sich
Schwangere übergeben müssen, sollte im Zeitraum von 30 Minuten vom Zähneputzen
abgesehen werden. Der Mund sollte mit Wasser oder eventuell zusätzlich mit einer
Mundspüllösung ausgespült werden. Durch die Magensäure sind die Zähne so angegriffen,
dass Sie sich mit der Zahnbürste förmlich den Schmelz wegschrubben.

Mundhygiene in der Schwangerschaft ist sehr wichtig!


Sehr wichtig ist es, die Mundhygiene soweit wie möglich „aufrecht zu halten“. Die
Schwangerschaftsgingivitis verschlechtert sich durch zusätzliche Plaque, man könnte fast
sagen, dass die Plaque den Verlauf der Schwangerschaftsgingivitis bestimmt. Chlorhexidin-
Mundspüllösungen (siehe Mundspüllösung in der Schwangerschaft) helfen im Kampf gegen
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Bakterien, sollte aber nur zeitlich limitiert angewendet werden. Schon vor der
Schwangerschaft sollte mit Hilfe Ihres Prophylaxeteams an einer optimalen Mundhygiene
gearbeitet werden. Zusätzlich gilt es eine bereits bestehende Parodontitis zu therapieren.

Neben der Schwangerschaftsgingivitis können richtige „Wucherungen“ auftreten. Diese


werden im Fachjargon als Epulis gravidarum bezeichnet. Die Epulis gravidarum tritt
gehäuft im 4. und 7. Schwangerschaftsmonat auf und ist wahrscheinlich auf die erhöhte
Konzentration von Östrogenen und Progesteron zurückzuführen. Die Epulis gravidarum ist
der Epulis granulomatosa (Synonym: pyognese Granulom oder telangiektatisches
Granulom) zuzuordnen. Die Epulis gravidarumentsteht durch den veränderten
Hormonaushalt und die daraus entstehende Gefäßproliferation (einsprießendes Gewebe)
im traumatisierten (verletztes) Gewebe.

Keine Sorge, mit einer sehr guten Mundhygiene und speziellen Spülungen beim Zahnarzt
kann man das unangenehme Gefühl lindern. Da die Epulis gravidarum sehr häufig
rezidiviert (wiederkommt), ist es vertretbar die „Wucherung“ erst nach der Geburt zu
entfernen und dann histologisch untersuchen zu lassen. Manchmal bildet sich die Epulis
auch nach der Schwangerschaft zurück. Sollte die Schwangere durch die Epulis gravidarum
eingeschränkt sein, z.B. bei der Mundöffnung, muss das „Geschwulst“ natürlich entfernt
werden. Sollten Sie solche „Zahnfleischwucherungen“ in Ihrem Mund entdecken, sollten Sie
unverzüglich Ihren Zahnarzt aufsuchen.

Quellen:
• Pactas, Die zahnärztliche Betreuung von Schwangeren, Schweiz Monatsschr Zahmed Vol.22 9(2012)
• Roth, Abschirmung bei zahnärztlichen Röntgenaufnahmen. Zur Wirksamkeit von Strahlenschutzmitteln
bei Röntgenaufnahmen am Patienten. Schweiz Monatsschr Zahnmed 116(11):1151-1157(2006)

• DGZMK (Deutsche Gesellschaft für zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Wissenschaftliche Stellungnahme:
Zahnärztliche Behandlung in der Schwangerschaft, DGZMK 8/94 V2.0, Stand: 2/94

• Giglio J., Lanni, Laskin, Giglio N, Oral health care for pregnant patient. J Can Dent Assoc 75(1):43-
48(2009)

• Haas, An update on local anaesthetics in dentistry. J Can DentAssoc 68 (9):546-551(2002)

Autor: Dr. Anja Schabel

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