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Naturalistische Aufzeichnungen ans der Provinz Rio de Janeiro in Brasilien. 193

Naturalistische Aufzeichnungen
aus der Provinz Rio de Janeiro in Brasilien.
Von H. T. Peters. Veröffentlicht von Dr. Clir. Schröder.
XT.
(Mit einer Abbildung.) (Schluß.)

Obgleich die Orthopteren im ganzen recht förmige Fühler und zugespitzte, grüne Flügel.
zahlreich sind, scheinen doch verheerende Sie zeigen die Eigenheit, obgleich sie sehr
Züge dieser Tiere, wenigstens im Gebirge, gut fliegen können, sich aus den Baumkronen
nicht vorzukommen. Es fanden sich nur mit ausgebreiteten Flügeln fallen zu lassen;
zwei Tetrix-Arten, beide sehr vereinzelt und dabei drehen sie sich im Fallen langsam
von unseren Arten wenig verschieden. Eine um sich selbst, als ob ein Blatt vom Baume
der häufigsten und schönsten Acridiiden ist fiele. Das Weibchen einer großen, grau-
grün, die Unterflügel sind gelb, schwarz braunen Art bat eine auffallend breite,
gerandet und die gleichfalls grünen Beine gerade, schwertförmige Legescheide. Man
gelb und schwarz geringelt. Ihre Nymphen findet dieses Tier nur in modernden Baum-
sind anfangs glänzend schwarz, später stümpfen, mit welchen die Farbe desselben
deren Beine rot geringelt. Sie sitzen an vollkommen harmoniert. Eine andere Art,
gewissen Sträuchern, an den Spitzen der von der Größe unserer Locicsta viridissima,
Triebe, in ganzen Klumpen dicht zusammen- ist weißlich grau, mit vielen kleinen, braunen

gedrängt. Alle haben ihre Fähler auf- Flecken gesprenkelt. Es giebt in den
gerichtet, und eine solche Gesellschaft sieht Wäldern eine Schlingpflanze, deren Rinde
dann aus wie eine reife, rauhe Samenkapsel ebenso gefärbt ist! Von dem Holze dieser
der Pflanze. Sowie man die Tiere berührt, Pflanze nagt nun die Heuschrecke soviel
springen sie nach allen Seiten davon, so heraus, daß ihr Körper in den Ausschnitt
daß die Zweige nach der plötzlichen Ent- sehr genau hineinpaßt. Hier schmiegt sie
lastung in die Höhe schnellen. Eine andere sich so an, daß ihre Flügel mit der Rinde
Art ähnelt unserer Wanderheuschrecke, ist der Pflanze eine Fläche bilden u.nd das
aber größer, hellbraun und hat jederseits Tier äußerst schwer zu entdecken ist.
einen weißen Seitenstreifen an der Brust. Eine kleinere, gelblich braune Art spinnt
Wieder eine andere ist grünlich braun, hat (eine ganz ungewöhnliche Erscheinung bei
auf dem Rücken einen zackigen Längskamni, diesen Tieren) ein Blatt tutenförmig zu-
schwarzblaue Hinterflügel mit orangegelben sammen und benutzt es als Versteck. Biegt
Spitzen und einen roten Hinterleib. man nun diese Tute aufwärts, dann springt
Zu den Locustiden gehört die recht die Heuschrecke einem jedesmal gerade ins
seltene Pterochroza ocellata. Ihre Fühler Gesicht. Zwei kleine Arten, die eine rot-
sind kurz und dick, und die Vorderflügel braun, die andere schwarzblau, haben gelb
gleichen durch ihre Form, wie durch den geringelte Hinterkörper und bis zur Mitte
besonderen Verlauf ihrer Adern grünen verdickte, dann aber so feine Fühler, daß
Blättern aufs täuschendste. Erhöht wird diese äußere Hälfte derselben kaum sicht-
diese Täuschung noch durch einige durch- bar ist. Diese Tierchen laufen eifrig, wie
sichtige Stellen, die gerade so aussehen, suchend, auf den Blättern der Sträucher
als habe eine Minierraupe das Blatt dort herum, tasten fortwährend mit den zitternden
ausgehöhlt. Die breiten, gelben Hinterflügel Fühlern auf der Blattfläche, heben die Flügel,
sind durch die Aderung sehr regelmäßig mit denen sie fortwährend fächeln, so daß
und schön gegittert und haben in den man den gelb geringelten Hinterkörper sieht,
Spitzen ein grünes Feld, an welchem ein und hüpfen mit einigen Flügelschlägen von
großer, braunroter Augenfleck steht. Das Blatt zu Blatt. Auf diese Weise ahmen sie
weibliche Tier ist mit einer sichelförmig die schmerzhaft stechenden Pompyliden aufs
aufwärts gebogenen Legescheide versehen. täuschendste nach.
Mehrere andere häuflgere Arten von ver- Es giebt ferner verschiedene schwarze
schiedener Größe haben sehr lange, borsten- und braune Gryllus-Arten, die schwierig zu
Illustrierte Woclienschrift für Entomologie, No. 13. 1896.
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194 Naturalistisclie Aufzeichnungen aus der Provinz Rio de Janeiro in Brasilien.

unterscheiden sind; auch findet sich eine den Grund. Auf der Oberfläche des Wassers
Gryllotalpa, die indes nur die halbe Größe laufend oder schwimmend fand ich es nie.
unserer heimischen Art hat. Die etwas größere Blatta americana ist in
Auf einer feinblättrigen Mimosa findet Gebäuden nicht selten.
sich nicht selten die merkwürdige Bacteria Ich muß bekennen, daß ich den Heiiiip-
iu einigen Arten, deren größte circa 12 cm tereii, namentlich den Wanzen, nur eine
lang ist. Die Tiere sind gelblich grün oder geringe Aufmerksamkeit gewidmet habe.
braun, ungeflügelt und trotz ihrer Länge Daran mag es liegen, daß mir nur sehr
nui- von der Dicke einer Stricknadel bis zu wenig von diesen Tieren erinnerlich ist.

der eines starken Strohhalmes. Mit ihren Sie und teils an


sind indes häufig genug
langen, dünnen Beinen gleichen sie den Größe und unleidlichem Geruch unseren
entlaubten Rippen der doppelt gefiederten Arten überlegen. Der Stich mancher dieser
Blätter dieser Pfianze vollständig. Diese Tiere ist schmerzhaft. Eine rauh behaarte
Tiere haben die Fähigkeit, wenn man sie Ai't sieht einer Hummel, und zwar der
tötet, einerlei auf welche Art, ihre Beine, Bomhus terrestris, sehr ähnlich. Die Wanze
gewöhnlich zuerst die Vorderbeine, ab- sitztgewöhnlich auf dem Laub der Sträucher
zuwerfen. Das Tier kehrt sich dabei auf und macht fast keinen Versuch, zu ent-
den Rücken, schüttelt die Beine, und sie weichen. Wird sie gestört, dann kehrt sie
fallen ab, indem sie sich zwischen Schenkel sich auf den Rücken, und naht man sich
und Hüfte lösen, und an den Bruchstellen ihr jetzt mit dem Finger, dann krallt sie
quillt ein kleiner Tropfen grünlicher Flüssig- sich sofort fest, und im selben Augenblick
keit hervor. fühlt man ihren schmerzhaften Stich. Eine
Auch die große, graue, geflügelte Stab- andere Wanze besitzt einen abstehenden,
schrecke, Phasma gigas, kommt vor, doch ist etwas gebogenen Saugschnabel. Es ist
sie im Gebirge allenthalben selten. wahrscheinlich eine Reduvius - Art. Sie ist
In den Blumenbüscheln verschiedener etwas stachelig, gelbgrau, rot gefleckt und
Pflanzen verbergen sich die Mantis-Axien; kriecht gewöhnlich am Boden. Die Äcanthia
nur ihre ungewöhnlich verlängerte Vorder- lectularia, unsere Bettwanze, scheint nicht
brust mit den langen, geöffneten Fang- vorhanden zu sein.
armen ragt aus den Blüten hervor, und Eine Hydrometra fand ich in mehreren
wehe dem der in ihre verderben-
Falter, Exemplaren, und gleichfalls einige kleine
bringende Nähe kommt. Eine der größten Naucoris in einem Wassertümpel. Eine
Arten hat weißliche, fast durchsichtige, große, an unsere Nepa erinnernde Art ist
schwarzbraun gefleckte und punktierte 7 cm lang, grünlich braun imd, wie diese,

Flügel. Die Vorderflügel einer anderen mit Fangarmen versehen, hat aber statt der
sind grün, ihre Hinterflügel aber bläulich langen Atemröhren nur zwei lanzettliche
schwarz. Eine kleine, sehr zierliche Art Anhängsel am letzten Segment.
ist lebhaft grün, ihre Hinterflügel sind Verwandte unserer Dornzirpe, Centrotus,
schwarzblau, am Vorderrande breit hochrot, finden sich in ganz abenteuerlichen Formen.
und ihr schmaler Außenrand ist weiß. Eine Eine kleine Zirpe wird dadurch höchst merk-
braune Art, deren Flügelvorderrand bogig würdig, daß sie in einem selbstgefertigten,
ausgeschweift ist, hält sich gern zwischen erbsengroßen, nmden, roten, schwarz ge-
den unteren vertrockneten Blättern einer fleckten Gehäuse steckt, welches sie beliebig
Pflanze auf, denen dieses Tier vollständig abwerfen kann. Sie fliegt auch, bedeckt
gleicht. von demselben, umher; fängt man sie aber,
Unter den verschiedenen so hält man nur die leere Schale in der
Blattei -AxteTi
lebt eine große, rotbraune an Flüssen unter Hand, während das Tierchen unbemerkt
Steinen und angeschwemmtem Gestrüp]). davonfliegt. Wie Blattläuse sitzt eine Anzahl
Wenn man dieses Tier aus seinem Versteck dieser Tiere dicht gedrängt an den Zweig-
aufstört, läuft es ins Wasser und spitzen gewisser Sträucher, iind eine solche
direkt
sehr gewandt desselben hin, um Gesellschaft sieht danu einer Traixbe von
am Grunde
sich hier zwischen Steinen zu verstecken. rötlichen Beeren völlig gleich. Eine wunder-
Ins Wasser geworfen, taucht es gleich auf bare Erscheinung; wird durch eine Schaum-
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Brasilianische Dipteren (^'5 nat. Größe).


Originalatifnalime für die „Illnsfiierfe Wochenschrift für Etitomologie- von Dr. Chr. Schröder.
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196 NaturaKstische Aufzeiclmungen aus der Provinz Bio de Janeiro in Brasilien.

zirpe, Apliropliora, bewirkt. Das Tierchen sich verstärkenden und wieder gleichmäßig
ist gi-aubraun und etwa 15 mm
lang. Es verschwindenden Gesang bewirken.
lebt als Larve auf einem mimosenartigen Eine der größten und schönsten Arten ist
Baum, und zwar in solcher Anzalil, daß lebhaft grün. Ihre glashellen Flügel haben
alle seine Zweige von dem durch diese ein gleichfalls grünes Geäder, und an ihrer
Tiere erzeugten Schaum bedeckt und ein- Basis steht ein zinnoberroter Fleck. Andere
gehüllt sind. Der Baum sieht genau so Arten sind braun, gelblich gebändert, und
aus, als obmit Schnee oder dickem
er haben ein dunkles
ihre stets glashellen Flügel
Rauhi'eif bedeckt wäre. Nach unten ver- Geäder und dunkle Flecke und Punkte. Die
dichtet sich der Schaum zu Wasser, und häufigste, etwas kleinere Art ist glänzend
dieses tropft fortwährend reichlich herab. schwarz und hat braun getrübte Flügel.
Wird nun ein solcher Baum von der Der brasilianische Laternenträger, Folgora
Sonne beleuchtet, so gewährt er einen servilli, besitzt eine blasenartig aufgetriebene,
zauberhaften Anblick und erinnert den und einen großen Augen-
rot gestreifte Stirn
Nordländer lebhaft an seine winterliche fleck auf jedem Der Hinter-
Hinterflügel.
Heimat. körper des etwas kleineren Weibchens ist
Die größeren, eigentlichen Cikaden sind mit einem weißen Stoff bekleidet, der einen
zahh'eich an Arten wie an Individuen. Sie Büschel langer, flacher Fäden bildet. Das
sitzen gewöhnlich in Maoneshöhe an Baum- Tier erscheint in der Höhe von Nova
stämmen. Ihre Larven sind dick und Friburgo sehr Ich fing nur einmal
selten.
buckelig, ihr vorderes Beinpaar ist zu ein Weibchen. In heißerer Gegend, z. B. in
flachen, am Rande ausgezackten Grabfüßen Macahe, ist dieses eigentümliche Tier schon
verbreitert. Sie leben am Waldboden in mehr vorhanden, aber häufig wohl nirgends.
der Erde und im Holzmulm, kriechen zur Über das vielseitig bezweifelte Leuchten
Entwickelung an den Stämmen hinauf und desselben kann ich nur sagen, daß mein
häkeln sich hier fest. Die braungrauen, Sohn auf meine Veranlassung einige lebende
glänzenden, fast durchsichtigen Häute dieser Tiere beiderlei Geschlechts längere Zeit zur
Larven sind in der Entwickelungszeit der Beobachtung im Zimmer hielt. Diese Tiere
Cikaden an den Baumstämmen eine gewöhn- leuchteten nicht. Möglich ist indes, daß
liche Erscheinung. Der Gesang dieser Tiere das Tier ganz nach Willkür und nur zeit-
ist ein eigentümlicher; er gleicht den Tönen weilig, vielleicht nur in der Begattungszeit,
einer Kindertrompete; und während alle in der Gefangenschaft aber niemals leuchtet.
anderen Insekten bei der geringsten Störung Wahrscheinlich wird mir dieses wiUkürliche
schweigen, singt die Cikade auch, wenn Leuchten des Tieres dadurch, daß mein
man sie ergreift Hand hält.
und in der Sohn im Januar und Februar abends mehr-
In wenn im Walde fach an Sträuchern und Stämmen einen
der Mittagshitze,
vollkommene Ruhe herrscht, glaubt man in leuchtenden Fleck von Faustgröße erblickte,
weiter Ferne den Gesang der Cil<aden zu der aber jedesmal bei seinem Nahen ver-
hören. Allmählich verstärkt sich der Ton, schwand. Das Licht bewegte sich wenig
man glaubt, daß eine Schar dieser Tiere und entfernte sich nicht, sondern verlosch
singend zugeflogen komme, zuletzt schrillt plötzlich, als wenn ein brennendes Licht
es förmlich in den Ohren, dann nehmen die ausgeblasen wird. Die Stelle, wo er das
Töne wieder ab, werden immer leiser iind Licht sah, fand er stets leer. Da mein Sohn
ersterben scheinbar in der Ferne. Vergeblich die leuchtenden Elateriden und Canthariden
bemühte ich mich, in solchen Fällen auch genau kannte, war eine Verwechselung mit
nur eine fliegende Cikade zu erblicken, bis dem Leuchten dieser Tiere völlig aus-
ich einmal ein einzelnes dieser Tiere beob- geschlossen. Der Umstand, daß er die
achtete, welches, dicht vor mir
leuchtende Stelle stets leer fand, spricht
sitzend,
dieses Experiment ausführte. auch dafür, daß das gesehene Licht vom
Es ist das Hinzielien der Cikaden über Laternenträger herrührte, weil dieser sehr
den Wald nur Täuschung, welche die rings scheu und flüchtig ist und sich nicht leicht
an den Stämmen sitzenden Tiere durch nahe kommen läßt.
ihren sehr leise angefangenen, allmählich
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Naturalistische Aufzeichnungen aus der Provinz Bio de Janeiro in Brasilien. 197

Ich glaube, die folgenden kurzen Notizen d. Br.) sind für Menschen und Tiere eine
den Mitteilungen über die Insekten an- wahre Plage. Auf dem Hornvieh findet sich
schließen zu dürfen, weil sie allgemeines eine Art von der Größe einer Haselnuß,
Interesse besitzen. während eine andere, nur so groß wie ein
Skorpione fanden sich mehrfach unter Sandkorn, im Walde sehr häufig ist und
Baumrinde, unter Steinen und in sonstigen den dort beschäftigten Menschen ungemein
Verstecken. Sie schienen mir alle von lästig wird.
einer Art zu sein. Die große, schwarze Ein Heuschreckenkrebs (Camaron d. Br.j,

Busch- oder Vogelspinne, Mygale avicularia,unserer Hoppkrabbe sehr ähnlich, aber über
macht kein Gespinst, außer einem weißen doppelt so groß, wird viel in der Bucht von
Sack, welcher ihre Eier enthält und den Rio de Janeiro gefangen und ist sehr wohl-
das Weibchen am Hinterkörper mit sich schmeckend. Ein Taschenkrebs von Faust-
umherschleppt. Ich fand sie nur am Boden große mit ungewöhnlich langen, borstig be-
herumlaufend und habe oft ihre Schnell- haarten Beinen findet sich im Rio Grande.
füßigkeit bewundert. Die Krabbe marschiert hochbeinig, hebt sich
dabei fußhoch über den Boden und sieht
Eine etwas kleinere, graue Spinne sitzt
mehr an Baumstämmen und auf Büschen. in dieser Stellung wirklich abschreckend
Sie macht ebenfalls kein Gespinst. Berührt,aus. Asseln finden sich in verschiedenen
richtet sie sich vorn in drohender StellungArten, so auch Skolopender, darunter Scolo-
und streckt die vier vorderen Beine gerade pendra morsitans, von 18 bis 20 cm Länge.
auf. Sie wendet sich dabei hin und her Das Tier ist schwarz, hat orangegelbe
und springt, wenn ferner gereizt, ungemein Seitenfiecke, kriecht langsam und ist hoch-
rasch zu, um zu beißen. Ein von ihr in beinig; berührt man es aber, so sucht es zu
die Hand gebissener Mann bekam Krampf- beißen und entflieht dann sehr schnell.
anfälle und schrie mehrere Tage vor Schmerz. Unter Baumrinde findet sich nicht selten
Ich fand eine solche Spinne an einem Baume ein großer, glänzend dunkelbrauner Tausend-
über ihrer zahlreichen Brut sitzen, und weil fuß, Julus maxinms, von 14 bis 15 cm
ich sie samt einem Teil ihrer Jungen zu Länge.
besitzen wünschte, ließ ich von meinem
Sohn einweitmündiges, halb mit Spiritus Die Erd- oder Regenwürmer^sind stellen-
gefülltes Glas dicht unter die Spinne halten, weise häufig und den unsrigen ähnlich,
die ich nun mit einem Stocke in das Glas unterscheiden sich aber doch schon auf den
hinein zu streifen suchte. Mit einem Satze ersten Blick durch ihre äußerst_^Jebhaften
sprang diese aber über das Glas hin und Bewegungen; sie schlagen, wenn man sie
krallte sich auf der Hand meines Sohnes ah einem Ende des Körpers erfaßt, so
fest. In der Angst riß dieser das Glas energisch um sich, daß sie nicht selten in
zurück, dessen Inhalt sich zum Glück über mehrere Stücke zerreißen. Einen riesigen
die Spinne ergoß, die nach diesem Bade Erdwurm, Lumhricus maximus, will ich hier
entfloh, ohne ihren Giftbiß angebracht zu noch erwähnen, den ich selbst zwar nie ge-
haben. funden, der meinem Sohne aber mehrfach
Manche kleinere Arten haben schöne vorgekommen ist. Diese Tiere hatten etwa
Farben, andere eigentümliche Köi'p erformen. Meterlänge.
Eine kleine Spinne besitzt einen flachen, Nackte Erdschnecken finden sich in
dreieckigen, mit scharfen Endspitzen ver- einigen Arten, namentlich eine kleine, graue
sehenen Hinterleib. Sie ist im Walde un- und eine größere braune; beide jedoch nicht
gemein häufig und sehr lästig durch ihre häufig. Die Landgehäuseschnecken sind alle
großen Netze, die man fortwährend im Ge- recht selten, weil sie durch die sich jähr-
sicht spürt. Verschiedene Jagdspinnen lich wiederholenden Waldbrände vernichtet
sind häufig und unseren Arten ähnlich; eben- werden. Ich fand nur acht Arten, darunter
falls langbeinige Weberknechte mit bedorntem die braun gestreifte, flach gedrückte und tief
Körper. Milben sind zahlreich und Insekten- genabelte Helix hrasiliensis. Eine große
sammlungen schwer vor ihrem Angriff zu Bulimtis-Art scheint die häufigste von allen
schützen. Verschiedene Zecken (Carabaüo zu sein, dennoch habe ich nur ein einziges
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198 Naturalistische Aufzeichnungen aus der Provinz Rio de Janeiro in Brasilien.

lebendes Tier dieser Art gefunden, weil sie sonderbares Tier, welches sich nicht selten
sich am Waldboden unter dürrem Laub unter der Rinde abgestorbener Bäume
versteckt hält. Das voll ausgebildete Gehäuse findet. Es ist etwa 6 bis 7 cm lang,
dieser Schnecke wird 12,5 cm lang und 2 bis 3 cm
glänzend breit, sehr glatt,

7 cm breit. Es ist hellbraun mit dunklerenschwarz, ohne Extremitäten und ohne er-
kennbaren Kopf, sieht aus wie ein Klümpchen
Ans atz streifen imd zeigt einen rosenroten
Mundrand. Auf abgebrannten Waldfläclien auseinander geflossenes Pech und zeigt keine
findet man die weiß gebrannten Gehäuse merklichen Bewegungen. Löst man das Tier
aber vom Holze ab, dann bemerkt man an
dieser Schnecke häufig; es mögen aber viele
Jahre erforderlich sein, bis eine solche der Bauchseite äußerst schwache, wellen-
Mäche sich wieder mit diesen Tieren be- förmige Bewegungen, wie an dem Fuße der
siedelt. Schnecken, und auf den Rücken gekehrt,
Schließlich erwähne ich hier noch ein krümmt es sich langsam zusammen.

Das zweite Jahr meines Aufenthalts in behalten aus den Bergen hinauskäme. Ich
den Orgelbergen nahte seinem Ende. Es konnte mich aber nicht entschließen, auf
war im Mai, jener Zeit, in welcher Nord- das so schwer Errungene ohne weiteres zu
deutschland und Brasilien die geringste verzichten; ich wollte mindestens den Ver-
Temperatm'differenz haben, und welche aus such machen. Freilich blickte das Lasttier
diesem Grmide für Reisen von einem scheu um sich, schnaubte und spitzte auf
Lande zum anderen als die geeignetste verdächtige Weise die Ohren, als eine Kiste
erscheint. mit großen Eidechsen, eine mit Papageien
Die Ankunft des neuen Hamburger und eine andere mit einem großen Horn-
Dampfers „Rio" wurde erwartet, und ich frosch, gebracht wurde. Endlich war alles
hatte zur Abreise zu rüsten, um rechtzeitig geordnet, und die Reise konnte angetreten
in der Bucht von Rio de Janeiro an Bord werden; bei den ersten Schritten aber, die
dieses Schiffes zu gelangen. das Lasttier machte, fing der Hornfrosch
Mein Sohn, der sich entschlossen hatte, an zu plärren, die großen Eidechsen fuhren
kam von einer ent-
in Brasilien zu bleiben, polternd in ihren Kasten hin und her, und
fernten Fazenda in der Umgegend von die Vögel kreischten. Nun war kein Halten
Cantagallo, um mich noch einmal zu sehen, mehr, im Carriere ging das Lasttier durch,
imd ein uns beiden befreundeter Mulatte rannte mit seiner Ladung gegen einen Baum,
und ich gaben ihm auf seiner Rückreise und Kisten und Kasten flogen, zum Teil
eine Strecke weit das Geleit. zertrümmert, nach allen Seiten. Ich mußte
Man hatte damals mit dem Bau einei mich ins Unvermeidliche fügen und brachte
Eisenbahn von Cachueiras nach Nova Fri- an lebenden Tieren nur einige Papageien
buTgo begonnen und an den Berglehnen aus den wilden Bergen heraus. Unterwegs
hin tiefe Einschnitte für den Schienenweg stürzte einmal das Lasttier und versank mit
gemacht. Es hatte in der heißen Zeit ganz seiner Ladung in dem zu Schlamm erweichten
ungewöhnlich viel und schwer geregnet, so Lehm, so daß meine beiden Begleiter, näm-
daß an mehreren Stellen, zufolge dieser lich der Führer und der Besitzer der Maul-
Einschnitte und des erweichten Bodens, tiere, das gestürzte Tier mit Hebebäumen
Erdrutschungen stattgefunden hatten. Natür- förmlich aus dem Schlick herauswälzen
liche Wasserabflüsse hatten sich dadurch mußten. Nach mancherlei weiteren Hinder-
gestaut und das gelockerte Erdreich in nissen erreichten wir endlich den Kamm des
unergründlichen Brei verwandelt, in welcliem Gebirges, wo sich uns ein unbeschreiblich
die Bäume durcheinander lagen. [)riichtiger Fernblick bot. Wir überschauten
Man riet mir dringend, die Reise durch von hier aus Rio de Janeiro und dessen
diese oft pfadlose Verwüstung aufzugeben Umgegend, den Hafen, die Inseln und das
oder mindestens doch die lebende Fracht weite Meer.
zurückzulassen, weil die Lasttiere sich dafür Glücklich erreichten wir denn auch
scheuen würden, und man meinte, ich könne endlich Cachueiras, waren aber bis unter
zufrieden sein,wenn ich selbst nur wohl- die Arme sämtlich mit Lehm inkrustiert,
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über den inneren Bau gynandromorpher (hermaphroditischer) Macrolepidopteren. 199

und während wir uns restaurierten, säuberte leute, der kräftigen, blonden, blauäugigen
eine Negerin meine Reisekleider, wie auch Männer mit den frischen Gesichtern, und
meinen Hund, der völligeinem wandelnden ihre plattdeutsche Sprache, die ich solange
Lehmklumpen glich. nicht vernommen hatte. Ich glaubte mich
Wer jetzt, nach 25 Jahren, von Cachueiras bereits auf heimatlichem Boden zu befinden.
auf der Bahn in die Berge reist, hat es Dennoch war mir der Abschied von dem
freilich bequemer und ahnt nicht, mit so schönen und interessanten Lande aus
welchen Schwierigkeiten früher eine solche manchen Gründen sehr schmerzlich.
Reise unter Umständen verbunden war. An demselben Tage trat das Schiff die
Bald nach meiner Ankunft in Rio de Heimreise an, und bevor noch die abend-
Janeiro langte denn auch der Dampfer lichen Schatten sich auf das weite Meer herab-
„Rio" an, und nach ein paaf angenehm senkten, verschwanden die hochragenden,
verlebten Tagen ging ich an Bord. Hier jetzt schon so fernen Kuppen des Orgel-
erfreute mich der Anblick meiner Lands- gebirges am westlichen Horizont.

Die Abbildung stellt zehn Fliegen- Arten dar, unserer heimischen Fauna in nächsten Ver-
deren Heimat Brasilien ist. Sie mögen einen wandten wieder begegnen, und ich füge
Einblick in die dortige Dipteren-Fauna geben, hinzu, daß eine Kollektion von annähernd
denn die alleinige Darstellung jener auffal- 30 Species von drüben nur die eine charak-
lenden Midas (S. 313, Bd. I der „Illustrierten terische Form, eben die Midas, enthält;
Wochenschrift für Entomologie") müßte eine auch die Farben sind durchaus keine außer-
ganz falsche Ansicht über die Formen jener gewöhnlichen. Ln übrigen würde mich eine
Ordnung dort hervorrufen. Es mag geradezu systematische, Betrachtung der Arten zu
frappieren, wie wir allen zehn Arten in weit führen.

Über den inneren Bau


gynandromorpher (hermaphroditischer) Macrolepidopteren.
Von Oskar Schultz, Berlin.

Wenn Rudolphi die hermaphroditischen der enormen Menge, in welcher die regelrecht
Formen als in der Klasse der Insekten gebildeten Individuen der Macrolepidopteren
„sehr häufig vorkommende" bezeichnet, so auftreten, muß die an sich allerdings nicht
konnte er dabei nur ihr Vorkommen im unbeträchtliche Zahl gynandromorpher und
numerischen Verhältnis zu den hermaphro- speciell hermaphroditischer Exemplare immer-
ditischen Erscheinungen, welche im Bereich hin als eine sehr geringe erscheinen.
der Wirbeltiere beobachtet worden waren, Dieser Umstand, dieses seltene Auftreten
nicht aber zu den regulär gebildeten, ein- dieser abnormen Erscheinungen im Verhältnis
geschlechtlichen Individuen ihrer eigenen zu den regulär gebildeten, ist der Grund
Gattung im Sinne haben. Dr. A. Speyer gewesen, weshalb nur so wenige gynandro-
äußert sich einmal dahin, daß erst auf morphe Macrolepidopteren bisher anatomisch
mindestens 30 000 normale Exemplare ein untersucht worden sind. Man begnügte sich
Zwitter komme, und Professor Frey schließt damit, die sekundären Geschlechtsmerkmale
sich dieser Ansicht an, indem er „auf der in Frage stehenden Macrolepidopteren
100 000 Stück Falter kaum 2—3 entwickelte zu beschreiben, meist ohne auch nur im
Hermaphroditen" zählt; zu dieser Taxierung geringsten auf eine Untersuchung der äußeren,
bemerkt Dr. Standfuß, p. 97: „Ich glaube geschweige denn der inneren Begattmigs-
nach meinen langjährigen Erfahrungen, daß werkzeuge einzugehen. Da man fürchtete,
diese Zahl eher zu niedrig als zu hoch die kostbare Seltenheit zu beschädigen, und
gegriffen ist." Damit ist der Charakter dieser diese „Naturwunder" als ein „noK metangere"
eigenartigen Mißgeburten als „Seltenheit" betrachtete, so stand man von einer anatomi-
deutlich ausgesprochen. Im Vergleich zu schen Untersuchung der inneren Organisation
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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Illustrierte Wochenschrift für Entomologie

Jahr/Year: 1897

Band/Volume: 2

Autor(en)/Author(s): Peters H. T.

Artikel/Article: Naturalistische Aufzeichnungen aus der Provinz Rio de Janeiro in


Brasilien. 193-199

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