Sie sind auf Seite 1von 4

Wald. Deine Natur.

Die Vogelkirsche | Prunus avium L.


Die Vogelkirsche I Prunus avium L.
Botanisch gehört die Vogelkirsche (Prunus avium L.) zu den Rosengewächsen (Rosaceae). 430
weitere Arten gehören der Gattung Prunus an. Unter dem Namen Waldkirsche, Wildkir­sche,
Süßkirsche ist sie ebenso bekannt. Sie ist nicht gerade selten, aber eher unauffällig. Im Früh-
jahr, von April bis Mai allerdings, ist sie unübersehbar: Mit einer Fülle schneeweißer
Blüten geschmückt ragt sie fast aus jedem Waldbestand hervor.

sein. Kalkhaltige und mildhumose Lehmbö­


Biologie den werden gern besiedelt. Sie vermehrt
Der sommergrüne Laubbaum kann im Be­ sich über den abgefallenen Kern, mehr noch
stand deutlich über 20 m hoch werden. Das durch Wurzelbrut. An Waldrändern gedeiht
natürliche Alter endet bei etwa 100 Jah­ sie gut, erhebt sich als Baum aus Hecken und
ren. An der glatten Ringelborke wird die Strauchpartien, wächst aber genauso auf auf­
Vogel­kirsche leicht erkannt. Auf der rot bis gelassenen Kulturflächen der Landwirtschaft
bräun­lichen Rinde heben sich die waage­ und des Weinbaus, als Pionierbaumart auf
recht verlaufenden Korkwarzenbänder als Schlägen, in Auewäldern. Natürlich kommt
charak­teristisches Merkmal ab. Ihre oft star­ die Vogelkirsche im Reinbestand höchst sel­
ken Äste tragen geschmeidige Zweige. Dar­ ten vor. Sie meidet stehende Nässe, Spät­
an sitzen auf 2 bis 4 cm langen Stielen grob- frostlagen und saure Böden. In Zentraleu­
doppelt­gesägte, eiförmige, lindgrüne Blätter, ropa findet man sie in Spanien, Frankreich,
die in einer längeren Spitze auslaufend en­ der Schweiz und Italien. Bis an die sibirische Aus unserer Küche und Kondito­
den. Am Blattansatz tragen sie Nektarien. So Westgrenze gehend, meidet sie den Norden, rei sind sie nicht mehr wegzudenken.
werden die Honigdrüsen genannt, die einen reicht andererseits über die Krim in den Kau­ Die Vogelkirsche wächst im Mischwald ein­
zucker­reichen Nektar ausscheiden. Die Blät­ kasus bis nach Kleinasien hi­nein und in den zeln oder in Gruppen. Ihre frühe und reiche
ter erscheinen kurz nach der Blüte. Die Blü­ nordafrikanischen Raum. In Deutschland sind Blüte macht sie bei Imkern als Bienenpflan­
ten wiederum kommen zu mehreren aus große Vorkommen in Süd­niedersachsen, im ze sehr beliebt. Vögel bevorzugen die schna­
Rheinland, in Rheinland-Pfalz, Nord-und Mit­ belgerechte Form der Früchte und tragen
Der Baum telhessen, Franken, im Grabfeld und im Bo­ zu ihrer Verbreitung bei – wenn Kleinsäuger
denseeraum bekannt. dies erlauben. Mäuse und der Kirschkernbei­
ßer haben es auf den Inhalt der Kirschker­
ne abgesehen. An jungen Trieben tut sich
Ökologie das Wild gütlich, an Trieben aus Wurzelbrut
Seit etwa 2500 Jahren wird die Wildform oder Stockausschlägen ebenso. Spechte bau­
nicht nur wegen ihrer Früchte genutzt, son­ en Höhlen, indem sie die Faulansätze bearbei­
dern auch domestiziert. Alle Süßkirschenfor­ ten, aus denen sie das angemorschte Holz he­
men gehen züchterisch auf die Wildpflanze rausmeißeln.
zurück, die in Griechenland lange vor unse­ Das Sammeln und Verarbeiten der win­
rer Zeitrechnung kultiviert worden sind. Über zigen Früchte zu Marmeladen und Ge­
C. Griesche Rom brachten die Legionen sie mit über die lees, für den Aufgesetzten, für Liköre,
Alpen. Kulturformen wurden aus diesen ein­ Brände („Kirschwas­ser“) oder die eigene
Kurztrieben. Im Juli reifen die kleinen kugeli­ gebürgerten Züchtungen weiterentwickelt. Weinherstellung ist z. T. noch überall üblich.
gen glänzend schwarz-roten Steinfrüchte, die Wegen des gut zersetzbaren Falllaubs wird
nur aus Kern zu bestehen scheinen, mit we­ die Vogelkirsche geschätzt. Die Aufnahme
nigen Millimetern dicken Fruchtfleisch um­ Alle Süßkirschenformen durch Kleinlebewesen und deren Ausschei­
geben. Man nennt Sie botanisch Steinfrüch­ dung för­dert den Boden und das Bodenleben.
te. Der Herbst färbt die Blätter leuchtend rot, gehen züchterisch auf
ein vollkommener Farbtupfer am Waldrand.
die Wildpflanze zurück, Schäden und Gefahren
Vorkommen und Standort die in Griechenland Freistellung von in Beständen eingewachse­
ner Vogelkirsche vor allem mit eingeengter
Als Licht-bis Halbschattenbaum kommt die lange vor unserer Krone verstärkt die Gefahr der Wasserrei­
Vogelkirsche in gut mit Wasser versorgten serbildung und des Windwurfs, Gummifluss
krautreichen Laubmischwald-Gesellschaften Zeitrechnung kultiviert und Fäule durch falsche Astung oder Verlet­
vor, von der Ebene über das Hügelland bis zung des Kambiums sind oft Folge von Un­
ungefähr 1700 m hoch in den Gebirgen. Der worden sind. achtsamkeit. Die Kirschfruchtfliege schä­
Standort sollte tiefgründig und nährstoffreich digt die Früchte, an den Blättern „arbeitet“
Zweig mit Blüte Die Knospe

C. Griesche

Blätter mit Kirschen

C. Griesche C. Griesche

die Kirschlaus. Wurzel-und Kernfäule, häufig war die Kirsche lange die „Eiche des kleinen
schon im jungen Alter von 35 Jahren regel­
Kirschenholz ist begehrt Mannes“: Sitzbänke, Küchentische, Sekretä­
mäßig auftretend, kann die Stabilität und den Kirschbaumholz der heimischen Vogelkir­ re, Kommoden, Schuh-und Kleiderschrän­
Preis des Holzes beeinflussen. Meist läuft die sche hatte unter den Edellaubhölzern im­ ke, Stühle, Truhen, Standuhrengehäuse, Mes­
Fäule nicht weit im Stamm hinauf, beschränkt mer schon seinen angestammten Platz. Seit sergriffe und Kleingerät zeugen von großer
sich faustbreit auf den inneren Kernbereich. Jahren hält es wieder einen der obersten handwerklicher Kunst, einem Gefühl für Holz.
Weitringig erwachsene Stämme scheinen Ränge und ist auf öffentlichen Verkäufen Leider sind sie heute kaum bezahlbar. Stil­
dafür prädestiniert zu sein. Spätfrost in der gesucht. Das ra­sche Wachstum macht die Kir­ möbelbau (französische Vorbilder, Bieder­
Blüte kann den Fruchtertrag verhindern; sche für Privat­waldbesitzer, speziell für den meier), Furnierarbeiten, Drechslerware und
Verbiß- und Fegeschäden kommen bei unge­ Kleinwaldbau­ern, interessant: Mit 50 Jah­ Schnitzereien waren eine Domäne des Kirsch­
schützter, künstlicher Bestandesbegründung ren hiebsreif in interessanten Dimensionen, baumholzes. Für Intarsienarbeiten, Back- und
regelmäßig vor („Leckerbisseneffekt“). Reh­ bringt sie immer hohe bis Spitzenpreise. Un­ Buttermodel nutzten die Verarbeiter Kirsche
böcke bevorzugen Kirschen in Mischkulturen ter Lichteinfluss wandelt sich die Kernfarbe ebenso wie der Musikinstrumentenbau oder
beim Gehörnfegen. in einen rotgold­braunen warmen Farbton. die Parkett- und Paneelhersteller.
Gelegentlich ins grünliche gehend, wird dies
jedoch als „Fehler“ gewertet und schlech­
Nachzucht durch Pflanzung ter bezahlt. Die gut erkennbaren Jahrringun­ Der Stamm
Wegen ihrer Seltenheit, der Belebung von terschiede, die verschiedenen Schnittebe­
Waldbeständen und der offenen Landschaft, nen mit guter Textur und der feinen Faserung
bei Straßen- und Autobahnbegrünung wer­ vermitteln neben der Holzfarbe ein schönes
den Vogelkirschen zunehmend gepflanzt. Ge­ Bild. Bei zu­nehmendem Alter wechselt die
pflanzt werden im Wald sowohl zweijährige Farbe beim verarbeiteten Holz mehr ins röt­
Sämlinge oder bis dreijährig verschulte Pflan­ liche. Mittelschwer und zäh, läßt sich das har­
zen zwischen 0,80 bis 1,20 m Länge. Auf gut te Kirschenholz trotzdem gut bearbeiten. Ab­
entwickelte Knospen und einwandfreie Pflan­ lagerung oder geschickte Trocknung helfen,
zen mit einem ausgebildeten Wurzelwerk ist das natürliche Schwinden des Holzes zu ver­
zu achten. Ästungen sollten nur von erfahre­ ringern. Kirschenholz ist das typische „Innen­
nen Waldbesitzern oder Waldarbeitern vor­ holz“, da es nicht wetterfest ist. Hobeln und
genommen werden. Als Züchtung für Parks Polieren erzeugt die schönen glatten Flächen
und Landschaftsgärt­nerei wird die gefüllt blü­ für den Möbelbau. Stühle, Sessel-und Sofa­
hende Form der hei­mischen Vogelkirsche (Pru­ lehnen aus massiver Kirsche geben wie Klein­
nus avium ‚Plena‘) verwendet. Chinesische und möbel ein gutes Wohnge­fühl. Im Bergischen
japanische Zier­kirschen werden allerdings we­ Land (NRW) beispielsweise
C. Griesche
gen Form- und Farbenvielfalt oft bevorzugt.
Die Blätter Die Rinde Kirsche in der Volkskunde
Der Kirschbaum war Bestandteil der griechi­
schen Mythologie und eng verbunden mit
dem Fruchtbarkeitskult. Als Brauch heu­
te hat sich erhalten, Barbarazweige (4. De­
zember) zu schneiden, sie in einer Vase auf­
zustellen, damit sie Weihnachten blühen:
Die Weih­nachtsblüte bedeutet Glück für den
Men­schen und Fruchtbarkeit für die Ernte
und das Vieh im neuen Jahr.
C. Griesche C. Griesche Kräutersegen, Absud aus Kirschenstielen
bei Husten, Tee aus Kirschharz für die
Die Blüte Die Frucht ableiten­den Harnwege sind bekannt, eben­
so Blü­tentherapien. Schon Hildegard von
Bingen kannte Rezepturen, in denen Kirsch­
kerne ver­wendet wurden; Kirschbaumrinde
und Blatt­anwendungen gehören in die
jüngere Zeit, wie Essenzen für die Blüten-
Anwendungen. Als Aphrodisiakum, Liebes­
zauber, Potenz-mittel dienten Kirschzweige
und -kerne noch im 18. Jahrhundert. Zum
Heilen seelischer Schmerzen soll die „Wald-
Kirsche“ ebenfalls verwendet worden sein.
C. Griesche C. Griesche

Das Holz

Die Vogelkirsche | Steckbrief


Name: → Vogelkirsche, Prunus avium L.

Familie: → Rosengewächse (Rosaceae)

Alter: → 100 Jahre

Höhe: → 25 m SDW

Durchmesser: → 60 cm
Impressum:
Rinde: → glatt, rot bis bräunlich, mit waagerecht verlau-
Herausgeber:
fenden Korkwarzenbändern (Ringelborke) Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Blätter: → Bundesverband e. V. (SDW)


grob doppelt gesägt, eiförmig, lindgrün, in
Meckenheimer Allee 79 · 53115 Bonn
längerer Spitze endend, etwa 10 cm lang Tel. 0228-945983-0 · Fax: 0228-945983-3
und 5 cm breit, Nektarien am Blattansatz info@sdw.de · www.sdw.de
Spendenkonto:
Geschlecht: → einhäusig, zwittrig Sparkasse KölnBonn
Konto.Nr. 31 019 995
Früchte: → klein, kugelig, schwarz-rot, glänzend, BLZ 370 501 98
1 bis 1,5 cm dick
Gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Gefährdung: → Wurzel- und Kernfäule, Spätfrost
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundes­
tages
Holz: → mittelschwer zäh, Splint: rötkich-weiß bis
gelblich; Kern: rötlich-goldbraun Text:
C. Griesche,
Verwendung: → Möbel, Furnier, Instrumente, Drechsel- SDW Bundesverband
und Tischlerarbeiten Titelfoto:
iStockphoto

Das könnte Ihnen auch gefallen