Sie sind auf Seite 1von 3

Imkern im Paradies -

Der Inselkönig und


seine Königinnen
Die karibischen Inseln sind für ihre atemberaubende Schönheit,
ihre tropischen Strände und ihr warmes, kristallklares Wasser bekannt.
Wer auf diesen Inseln Bienen hält, imkert im Paradies
von Fritz Höfler

A
uf unser fast vierwöchigen gen Imker herausfi nden können: César unbekannte, aber zauberhafte Welt. Un-
Reise durch Kolumbien, hat es Palacio Santos. Die erste Herausforde- zählige Bienenbeuten in bunten Farben
uns nicht nur in und um die Me- rung war, ihn zu kontaktieren und einen waren auf engstem Raum platziert und
tropolen Bogota, Medellín oder Termin zu vereinbaren. Am Flughafen vier verschleierte Männer arbeiteten
Cartagena verschlagen – wir konnten von San Andrés fragte ich an einem In- sich von Beute zu Beute. Wie ich erken-
auch ein Eiland, knapp 800 Kilome- fo-Stand nach einem lokalen Imker. So- nen konnte, imkert César mit der italie-
ter von der kolumbianischen Karibik- fort fiel Césars Name und ein Taxifahrer nischen Biene (Apis mellifera ligustica).
küste entfernt, erkunden. San Andrés wurde organisiert. Wir fuhren direkt los Eigentlich auch selbsterklärend, wenn
ist eine karibische Insel und gleichzei- zu einem spontanen Besuch bei einem man weiß, dass diese Bienenrasse nicht
tig ein Departement (vergleichbar mit seiner vier Bienenstandorte in La Loma nur extrem produktiv und sanftmütig
einem Bundesland) in Kolumbien, mit im Zentrum von San Andrés. Nichtsah- ist, sondern auch durch eine sehr gute
einer einzigartigen Kultur und natür- nend verschlug es mich in eine faszi- Anpassungsfähigkeit an klimatische Be-
licher Schönheit. Auf der zwölf Kilome- nierend andersartige Welt des Imkerns. dingungen gekennzeichnet ist. Seit 1977
ter langen Insel leben etwa 75.000 Ko- Glücklicherweise konnten wir uns imkert er auf San Andrés. Über Freunde
lumbianer – und drei Imker. Wie immer in englischer Sprache verständigen – entdeckte die Liebe zur Imkerei und hat
auf meinen Reisen habe ich auch dies- eine echte Ausnahme in spanischspra- sich dann autodidaktisch fortgebildet.
mal wieder Kontakt zu einem der hie- chigen Kolumbien. Der 71-jährige César Die Abschlussarbeit seines Wirtschafts-
sigen Imker aufgenommen. Im Verlauf vermittelte gerade einer kleinen Gruppe studiums drehte sich dann auch um Bie-
der Recherchen stellte sich heraus, dass Festlandkolumbianern in einem einwö- nenhaltung in der Karibik. Heute ist er
dieser Insel-Imker eine anerkannte Ko- chigen Kurs seine ganz spezielle Art zu Berufsimker mit Leib und Seele und will
ryphäe in ganz Lateinamerika ist. Vor imkern. Der Bienenstand war beeindru- sich trotz fehlender Nachfolge so lange
meiner Reise hatte ich lediglich einen ckend. Als ich den Vorgarten hinter mir wie möglich um seine Italiener-Bienen
Namen der drei auf der Insel ansässi- gelassen hatte, eröffnete sich mir eine kümmern. N

46 12/2023
M ENS C HEN | Re por t a g e

Palmer-Methode Exotischer Honig


Das mir bis dato völlig unbekannte Beuten- 2023 betrug seine Honigernte etwa acht Ton-
system war faszinierend. Faszinierend des- nen. Davon vermarktet er nur einen kleinen Teil
halb, weil mir auf all meinen bisherigen Rei- auf der Insel. Der Hauptteil seiner Ernte geht in
sen noch nie ein derartiges System begegnet großen Gebinden Richtung Hauptstadt Bogota,
war: sehr schmale Beuten und trotz der hohen wo er hauptsächlich in Supermärkten verkauft Fritz Höfler
Luftfeuchtigkeit extrem friedliche Völker. César wird. Er produziert Blütenhonig, aber auch Sor- hat Betriebswirtschaft
erklärte mir, dass es sich hier um das System tenhonige, wie zum Beispiel Honig vom Kenep- und Landwirtschaft
„Palmer“ handelt, aber in der „San Andrés Is- Baum. Kenep-Früchte sind kleine, kugelförmige gelernt. Er ist Pro-
land Version“. Bei der Palmer-Methode werden Beeren, ungefähr so groß wie eine Olive, und jektkoordinator beim
die Bienen in einer speziellen Art von Bienen- werden auch Honig-Beeren genannt. Sie haben Deutschen Verband
stock gehalten, die von Samuel Theron Palmer eine dünne, ledrige Haut, die normalerweise für Landschaftspflege,
entwickelt wurde. Diese Methode und der da- grün oder gelblich ist, und ein saftiges Frucht- Lehrbeauftrager an
mit verbundene Bienenstock sind darauf aus- fleisch im Inneren. Je nach Reifegrad kann das der Hochschule Wei-
gerichtet, die natürlichen Verhaltensweisen Fruchtfleisch von süß bis sauer variieren und henstephan-Triesdorf,
von Bienen besser zu berücksichtigen und die enthält in der Regel einen großen Samen, der und betreibt eine Ne-
Imkerei auf eine nachhaltigere und weniger in- von einer schmackhaften, geleeartigen Subs- benerwerbsimkerei.
vasive Weise durchzuführen. tanz umgeben ist. Kenep-Honigs ist herrlich süß
Imker, die nach Palmer-Methode imkern, mit einer wunderbar zarten säuerlichen Note.
arbeiten normalerweise mit zehn oder elf Zusätzlich hat er Mangroven-Honig und Pflau-
Rähmchen in einem Brutraum. Dies ermöglicht men-Honig im Angebot. Preislich bewegt sich
den Bienen genügend Platz, um sich zu entwi- sein gelbes Gold um die zehn US-Dollar pro Ki-
ckeln, und erleichtert die Arbeit des Imkers bei logramm. Sein zweites betriebliches Standbein
der Inspektion und Pflege der Bienenvölker. Die ist die Produktion von Bienenköniginnen. Hier
Methode kann je nach den Vorlieben des Imkers, kommt sein Palmer-Beutensystem voll zur Gel-
der Bienenrasse und den regionalen Standards tung. Meine Frage zur genauen Anzahl verkauf-
angepasst werden. César hat die Palmer-Me- ter Königinnen ließ er mit einem Schmunzeln im
thode nicht einfach übernommen, sondern sie Gesicht unbeantwortet. Lediglich die Tatsache,
auf die Bedürfnisse seiner Bienen angepasst – dass er seine Königinnen maximal drei Jahre alt
deshalb auch der Name „Palmer-Methode – San werden lässt, konnte ich ihm entlocken.
Andrés Island Version“. Er arbeitet grundsätz- Der Klimawandel, den wir hier in Europa
lich im Langstroth-Format, aber in modifizier- gerade in vollen Zügen spüren, scheint auf San
ten, schmalen Beuten mit acht Rähmchen. Die Andrés – zumindest aus Césars subjektiver Sicht
Grundsätze der Palmer-Methode sind generell – noch nicht angekommen zu sein. César hat
darauf ausgerichtet, die Gesundheit und Pro- noch keine imkerlichen Veränderungen fest-
duktivität der Bienen zu fördern – ohne unnö- stellen können. Ganz im Gegensatz zu befreun-
tigen Stress oder Eingriffe in die natürlichen
Prozesse der Bienenvölker. Imker wie César,
die derart mit Bienen arbeiten, achten dar- Kolumbien
auf, dass die Bedürfnisse der Bienen respek- Aufgrund seiner unterschiedlichen
tiert werden und die Imkerei nachhaltig und Klimazonen und geografischen
nach ökologischen Prinzipien betrieben wird. Merkmale beheimatet Kolumbien eine
In seinen Beuten bereitet César seine knapp vielfältige Flora und Fauna: Regen-
150 Völker mit Fokus auf Königinnenproduk- wälder, darunter der artenreiche
tion im nächsten Schritt auf die Honigernte vor. Amazonas-Regenwald, Nebelwälder
Er legt großen Wert darauf, dass dieses System in den Anden mit seltenen Pflanzen,
auch nach seiner aktiven Zeit als Imker nicht Trockenwälder in ariden Regionen und
verloren geht, und hat deshalb neben den Aus- Mangrovenwälder an den Küsten. Das
bildungslehrgängen auch einige YouTube-Vi- Land ist bekannt für seine bunte Vo-
deos (siehe QR-Code) erstellt, die sein System gelvielfalt. Dazu zählen seltene Arten
veranschaulichen. wie der farbenfrohe Quetzal oder der
Foto: Michael Schmeling/adobe.stock.com

Natürlich wollte ich – wie überall auch sonst Andenkondor mit einer Flügelspann-
– die klassischen Fragen beantwortet wissen. weite von bis zu 300 Zentimeter. Kolumbien liegt im Norden von
Aufgrund der klimatischen Bedingungen kann Auch Säugetiere wie Pumas, Jaguare, Südamerika .
er in der Trockenzeit von Februar bis September Brüllaffen und Faultiere sind in ver-
nahezu durchgehend Honig ernten. Die Völker schiedenen Regionen zu finden. Obwohl die Kulturen in den verschiedenen
muss er dann aber auch rechtzeitig vor Beginn geografischen Regionen sehr unterschiedlich sind, wird die Mentalität der
der Regenzeit einfüttern, da trotz der üppigen Kolumbianer durch ihre außerordentliche Gastfreundschaft geeint. Wegen
Foto: vector_corp

Vegetation die Möglichkeit besteht, dass die der gelebten Willkommenskultur ist das Land seit langem ein beliebtes Ziel
Bienen lange Zeit nicht ausfliegen können und für Touristen. Trotz historischer Herausforderungen durch spanische Kolo-
somit recht schnell ein Mangel in der Versor- nialisierung, Armut und sozialer Probleme sind viele Kolumbianer stolz auf
gung entsteht. Gefüttert wird wie in unseren ihre Mentalität und ihr Land und bemühen sich stets, optimistisch zu sein.
Breiten mit einer Zucker-Wasser-Mischung (2:1).

bienenundnatur.de 47
M ENS C HEN | Re por t a g e

Bis zu sieben bunte


Zargen hat César an
seinem Bienestand
aufgetürmt.

Cesar und Fritz an


dem bunten Bienen-
stand auf San Andrés. Auch die Varroamilbe hat den weiten Weg auf
die Insel im Karibischen Meer gefunden.
Fotos: Fritz Höfler

César ist engagierter César gibt sein Imkerwissen an viele Interes-


Königinnenzüchter. sierte weiter und ist in Lateinamerika eine echte
Imker-Koryphäe.

deten Imkern auf Costa Rica, die dort in höhere niginnen aus Deutschland importiert hatte. Mit
Regionen ziehen musste, da auch die landwirt- dieser Lieferung kam Varroa das erste Mal nach
schaftliche Produktion (u. a. Kaffee) in höhere San Andrés. Interessanterweise verschwand
Lagen abwandern musste. Kaffee ist empfindlich Varroa kurze Zeit später wieder, um dann je-
gegenüber klimatischen Veränderungen, insbe- doch wieder den Weg auf die Karibikinsel zu
sondere der Temperatur. Mit dem Klimawandel finden. Seitdem müssen die wenigen Imker vor
steigen die Temperaturen in tieferen Lagen, was Ort die Bienenvölker gegen Varroa behandeln.
das Klima für den Kaffeeanbau in diesen Regio- Glücklicherweise haben sie ansonsten keine
nen weniger geeignet macht. In höheren Lagen Probleme mit Faulbrut, Hornissen oder ande-
bleiben die Temperaturen kühler und bieten des- ren Schädlingen.
halb bessere Bedingungen für den Kaffeeanbau. Was bleibt mir beim Schreiben dieser Zeilen
in Erinnerung? All meine Fragen und Neugier
Varroa kommt aus Deutschland wurden befriedigt, während wir gemeinsam mit
Césars Lehrgangsteilnehmern die Völker inspi-
Die unvermeidliche Frage nach der Varroapro- zierten. Das Ganze schweißgebadet bei nahezu
blematik konnte ich natürlich nicht auslassen, 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, aber in einer ganz
obwohl ich durch die Insellage eigentlich da- eigenen, zauberhaften und friedlichen Atmo-
von ausging, dass Varroa hier nicht Fuß fassen sphäre. Diese karibische Entspanntheit schien
konnte. Aber tatsächlich muss auch César ge- sich auch auf seine Bienen zu übertragen, denen
gen Varroa behandeln. Dies erfolgt das ganze wir am Ende sogar ohne Schleier ganz nahekom-
Jahr über mit Oxalsäure. Auf die Frage, wie die men konnten. Es bleibt zu hoffen, dass sein Erbe
YouTube Lehrvideo Milbe auf die Insel kam, dachte ich erst an einen durch die zahlreichen Lehrgangsteilnehmer aus
von Cesar auf Scherz, als er meinte, dass sie aus Deutschland ganz Lateinamerika, die ihn während seines Wir-
spanisch. „importiert“ wurden. In der Tat war es so, dass kens als Insel-Imker auf San Andrés Island be-
ein hiesiger Imker vor knapp 25 Jahren Bienenkö- sucht haben, weitergetragen wird.

48 12/2023

Das könnte Ihnen auch gefallen