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Text D Ein Hausmann

I=Interviewerin, K=Josef Krüger

I: Liebe Hörerinnen und Hörer, in unserer heutigen

Sendung ,,Familiengeschichten“ wollen wir uns mit einer neuen

Erscheinung beschäftigen. Man kann beobachten, dass die Hausfrauen

Konkurrenz bekommen haben. Jahrhundertelang waren die Rollen

zwischen Mann und Frau so verteilt, dass der Mann außerhalb des

Hauses berufstätig war und die Frau zu Hause blieb, für die Kinder sorgte

und die Arbeit im Haushalt machte. Jetzt aber gibt es nicht mehr nur die

Hausfrau, es gibt inzwischen auch den Hausmann. In manchen Ehen

haben Mann und Frau die Rollen getauscht. Die Frau ist berufstätig, und

der Mann bleibt zu Hause und versorgt die Kinder und den Haushalt.

Bisher sind es nur wenige Ehen, die diese Experiment wagen. Wir

unterhalten uns heute mit Josef Krüger, der seit zwei Jahren Hausmann

ist. Wir wollen ihn nach den Erfahrungen fragen, die er in seiner neuen

Rolle gemacht hat.

Herr Krüger, Sie sind seit zwei Jahren Hausmann. Können Sie uns sagen,

was Sie vorher gemacht haben?

K: Ich bin Informatiker von Beruf und war zuletzt Leiter eines

Rechenzentrums.

I: Und warum haben Sie eine so gute Position aufgegeben und auf Ihre

Karriere verzichtet?
K: Ich hatte zwei Gründe. Erstens hatte ich das Gefühl, dass mich der

Beruf kaputt macht. Ich hatte zwar Erfolg in meiner Arbeit, aber der

Ständige Zwang zur Höchstleistung, der Zeitdruck, der Stress Tag für Tag,

das alles wurde mir zu viel. Ich habe nur noch gearbeitet und hatte keine

Zeit mehr für die Familie. Zweitens wollte meine Frau unbedingt in ihrem

Beruf - sie ist Lehrerin - weiterarbeiten. Sie wollte auf keinen Fall zu

Hause bleiben und Hausfrau sein. Und als dann unser Sohn geboren

wurde vor zwei Jahren, haben wir die Rollen neu verteilt: sie hat weiter

als Lehrerin an der Grundschule gearbeitet, ich habe meine Stelle

gekündigt und versorge seitdem den Haushalt und kümmere mich um

unseren Sohn Jonas.

I: Und wie gefällt Ihnen das Leben als Hausmann nun, wie kommen Sie

mit der Arbeit im Haushalt zurecht?

K: Natürlich ist die Hausarbeit ziemlich langweilig und eintönig,

abwaschen, putzen, einkaufen, kochen, aufräumen, waschen, jeden Tag

dasselbe. Aber in ein paar Stunden habe ich alles geschafft, und

nachmittags habe ich genug Zeit für unseren Sohn und für mein Hobby.

I: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Vater? Können Sie einem kleinen Kind all

das geben, was es sonst von der Mutter bekommt?

K: Ich glaube, dass Jonas sich bei mir recht wohl fühlt. Ich füttere ihn,

bade ihn, spiele mit ihm, wir gehen spazieren. Er ist ein lieber Junge, es

sieht so aus, als würde er sich bei mir wohl fühlen. Ich habe ihn sehr gern
und beobachte jeden Tag aufs Neue mit Freude, wie er heranwächst. Das

möchte ich nicht mehr missen. Auf keinen Fall würde ich jetzt in meinen

Beruf zurückgehen.

I: Wie hat es sich denn ausgewirkt, dass Sie nun nicht mehr so viel Geld

verdienen wie früher. Ist das ein Problem für die Familie?

K: Unser Einkommen ist jetzt natürlich viel geringer als früher. Ich habe

den großen Wagen verkauft und fahre jetzt Fahrrad. Wir kaufen günstig

ein, und große Reisen können wir uns jetzt auch nicht mehr leisten, aber

darauf können wir gut verzichten.

I: Wie ist denn jetzt das Verhältnis zu ihren früheren Kollegen und

Freunden? Akzeptieren die Ihre neue Rolle?

K: Ja, manche Kollegen haben schon sehr komisch reagiert, als sie

hörten, dass ich aufhöre zu arbeiten, um Hausmann zu werden. Ich

glaube, sie halten mich für einen Versager. In ihren Augen bin ich kein

richtiger Mann. Aber andere Kollegen und Freunde sagen mir, dass sie

meine Konsequenz bewundern. Sie fühlen sich in ihrer Arbeit auch

überlastet und träumen manchmal von einem ruhigeren angenehmeren

Leben, aber sie trauen sich nicht, den Beruf an den Nagel zu hängen und

Hausmann zu werden.

I: Was für einen Rat können Sie denn unseren Zuhörern geben? Wie

sollte man Ihrer Meinung nach die Rollen zwischen Mann und Frau am

besten verteilen?
K: Ein Patentrezept gibt es sicher nicht. Viele Leute sind dagegen, dass

man die bisherigen Rollen einfach tauscht. Dadurch entstünden

dieselben Probleme wie vorher, nur umgekehrt für Mann und Frau,

sagen sie. Das kann schon sein. Ich glaube, jedes Ehepaar muss genau

überlegen und besprechen, wie die Arbeit verteilt werden soll. Das

kommt auch auf die Berufe und beruflichen Möglichkeiten der

Ehepartner an. Aber wenn ein Kind da ist. muss wenigstens einer von

beiden auch tagsüber für das Kind da sein, finde ich. Am besten wäre

natürlich Teilzeitarbeit für beide. Dann hätte jeder Ehepartner sowohl ein

Arbeitsleben als auch ein Familienleben. Aber leider gibt es auf dem

Arbeitsmarkt noch viel zu wenig Angebote für Teilzeitarbeit.

I: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Krüger, wir wünschen Ihnen

weiterhin alles Gute für Sie und Ihre Familie.

K: Vielen Dank.

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