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Willkommen an Bord

der Hanse-Kogge

„Ubena von Bremen“


Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

zur

Gedenkfeier
für

Lothar Pieper
Steuermann der „Ubena von Bremen“

an Bord der „Ubena von Bremen“


in der Heikendorfer Bucht
auf der geographischen Position

054°,36990 N 010°,18457 E

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Gedenkfeier an Bord der Traditionsschiffe


Ein immer größerer Teil der in Europa lebenden Menschen entschei-
det sich zu Lebzeiten für eine Feuerbestattung ihrer sterblichen
Überreste. Davon wählen nur wenige, auch wenn sie einen Bezug
zur See haben, eine anschließende Seebestattung.
Oftmals möchten die verbleibenden Angehörigen einen sicht- und
greifbaren Ort zum Trauern und zur Erinnerung haben. Dies muss
man respektieren und sollte es zu Lebzeiten unter Partnern regeln.
Eine Seebestattung manifestiert in besonderer Weise die Endgültig-
keit des Todes und des damit verbundenen Abschieds vom Ange-
hörigen. Mit dem Versinken der Urne im Wasser geht der optische
Bezugspunkt zum Verstorbenen verloren. Auf einem Friedhof oder
einem Ruheforst bleibt dieser Ort weiterhin sichtbar.
Das „Weiterleben“ einer Person nach seinem Tode sichern die posi-
tiven Gedanken an sie. Die Traditionsschiffer haben in den letzten
Jahren ihre verstorbenen Freundinnen und Freunde nachträglich
durch Rituale aus dem Beginn der Seefahrt im Griechenland vor
Christi Geburt gewürdigt und geehrt. Dazu gehören der
„Nachwurf“ einer Münze für den Fährmann Charon und das
„Abwerfen“ eines Haltesteins für die Seele unter den Regeln der
griechischen Mythologie, sowie ein letzter gemeinsamer Schluck.
An den Orten der Durchführung dieser Rituale in der Heikendorfer
Bucht, im Wurster Arm oder auf dem Stollergrund erinnern wir uns
dann an sie. Beim Passieren wird dann, wenn die Situation es zulässt,
„Seite gepfiffen“, „dreimal lang“ mit dem Horn gegeben oder
„Wachwechsel geglast“. Damit frischen wir unsere Erinnerungen an
die gemeinsame Zeit mit ihnen auf.
Ihre Seelen fahren weiterhin mit.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Willkommen an Bord der „Ubena von Bremen“


Willkommen an Bord der Hansekogge „Ubena von Bremen“, dem
Nachbau eines 1961 in der Weser gefundenen Schiffswracks einer im
Jahr 1380 gebauten Kogge. Das gefundene Wrack war der erstmalige
Fund eines Schiffes aus der Hansezeit auf der Welt.
Der Rumpf war zu fast 70 % erhalten, er wurde erfolgreich geborgen
und konserviert und mit Beginn des Jahres 1972 in dem dafür ge-
gründeten Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven aus fast
2.000 Einzelteilen wiederaufgebaut.
Heute beneidet uns die maritime Welt um dieses Schmuckstück. In
der Seefahrtnation England wird dieser Fund auf die gleiche Bedeu-
tungsstufe gestellt wie die Kronjuwelen im Tower. Die Bemühungen
des Bremerhavener Museums laufen dahin, dieses archäologische
Objekt über mehrere Jahrhunderte zu erhalten.
Der auf den Rumpf bezogen fast originalgetreue Nachbau des Schif-
fes in Bremerhaven wurde von privaten Initiatoren geplant, realisiert
und schließlich 1991 auch in Fahrt gebracht. Die aus Sicherheitsgrün-
den notwendige moderne Ausrüstung wurde ohne Veränderung
des Grundcharakters des Schiffes eingebracht.
Der ursprüngliche Zweck des Baus, die Fahr- und Segeleigenschaf-
ten eines solchen Schiffes experimentell zu erarbeiten, wurde von
der Deutschen Wiedervereinigung überrollt. Nach der Indienststel-
lung fuhren die Erbauer auf den Spuren der Hanse in die polnischen
und baltischen Ostseehäfen und wurden so zu Botschaftern der
neuen politischen Entwicklung.
Ziel des Schiffsbetriebes ist es, möglichst vielen Menschen neben der
Besichtigung des Originalschiffes im Museum das Erlebnis der Fahrt
mit einem solchen Schiff zu ermöglichen. Die dafür erzielten Char-
tererlöse dienen der Erhaltung und Instandsetzung des Schiffes.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Betrieb und Wartung werden ehrenamtlich durchgeführt. Die Mit-
glieder des Vereins „Hanse-Koggewerft e.V. Bremerhaven“ leisten
dafür im Jahr Tausende von Arbeitsstunden.
Kommandos an Bord eines Segelschiffes müssen klar und eindeutig
sein und ggf. auch bei heulendem Sturm und prasselndem Regen
über die gesamte Länge des Schiffes sofort verstanden werden. Da-
für hat sich über Jahrhunderte hinweg auf den Segelschiffen eine ei-
genständige Sprache für Handlungen und Gegenstände entwickelt.
Daneben haben sich Zeremonien und Abläufe für verschiedene Situ-
ationen des Bordlebens entwickelt, die heute noch gültig sind.
Der Tod war ein ständiger Begleiter der Seeleute der vergangenen
Jahrhunderte. Viele versanken mit ihren Schiffen im Meer. Allein vor
Kap Horn sollen mit den dort untergegangenen Schiffen über 80.000
Seeleute umgekommen sein. Manche Kapitäne und Offiziere haben
für sich selbst für den Fall eines natürlichen Todes während der
Fahrt einen Sarg auf den Schiffen mitgenommen. Er musste oft ge-
nutzt werden. Aber auch die einfachen Seeleute wurden sorgfältig
in einen Sack aus Segeltuch eingenäht und dann der See übergeben.
Für unsere verstorbenen aktiven Vereinsmitglieder, auch für die, die
nicht auf See bestattet worden sind, haben wir in den letzten Jahren
Verabschiedungs- und Erinnerungszeremonien entwickelt, die auf
der einen Seite sehr würdig sind, auf der anderen Seite aber dann
auch das Durchatmen für die Verbliebenen erleichtern und positive
Erinnerungen an die Verstorbenen wecken sollen. Diese Zeremonien
haben einen historischen Hintergrund, der auf den nachfolgenden
Seiten erläutert wird.
Bremerhaven im Jahre 2022
Die Crew der „Ubena von Bremen“

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Die Bundesflagge auf „Halbmast“ setzen


Die sterblichen Überreste des Verstorbenen werden in einer speziell
für die Seebestattung zugelassenen Urne an Bord gebracht und auf
dem Hauptdeck plaziert. Im gleichen Moment wird die Bundes-
flagge des Schiffes auf „Halbmast“ gesetzt. Dies ist in fast allen Kul-
turen der Welt, mit Ausnahme einiger islamischer Länder, die ein
Glaubensbekenntnis in ihrer Flagge dokumentiert haben, das äußer-
liche Zeichen für die Ehrung von Toten oder das Ausdrücken von
Trauer für vergangene Ereignisse. Für Außenstehende soll das ein
Zeichen sein, sich in dieser Umgebung besonders respektvoll zu ver-
halten.
Sofern die Bundesflagge (im seemännischen Deutschland respekt-
voll trotz guter anderer Kanzler immer noch der „Adenauer“ ge-
nannt) nicht gesetzt ist, wird sie zunächst bis zum Topp gesetzt und
dann bis auf eine Fahnenbreite über der Mitte heruntergelassen. Um-
gekehrt wird die Flagge niemals aus der „Halbmast-Position“ direkt
geborgen, sondern vorher bis in den Topp gezogen und dann erst
geborgen.
Der Ursprung dieser Zeremonie liegt in den Seeschlachten der Se-
gelschiffe. Ein besiegtes Schiff hatte als Zeichen der Aufgabe zu-
nächst sein oberstes Segel zu streichen und dann die eigene Flagge
auf Halbmast zu setzen. Bei der Einnahme des Schiffes durfte der
Sieger dann seine eigene Flagge oberhalb der gestrichenen Flagge
des eroberten Schiffes setzen. Die ursprüngliche Idee, durch das Nie-
derholen der eigenen Flagge Platz für eine andere Flagge zu machen,
geriet später völlig in Vergessenheit.
Das „Dippen“ der Flagge, also das kurzzeitige Niederholen auf die
Halbmast-Position, gilt immer noch als Gruß gegenüber dem ande-
ren Schiff. Gegenüber Kriegsschiffen gilt es als Zeichen der Unter-
werfung und der Bekundung einer friedlichen Vorbeifahrt.
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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Das Nachwerfen einer griechischen Münze


Die meisten Seeleute sind keine besonders gläubigen Menschen.
Nicht deshalb, weil sie nicht an übergeordnete Kräfte glauben, son-
dern weil sie sich aufgrund ihrer Persönlichkeit nicht von einer Ob-
rigkeit beherrschen lassen wollen. Auf der See hatten sie trotz böser
Bootsmänner und Kapitäne ein freieres Leben als an Land.
Die richtige Seefahrt begann lange vor Christus in der griechischen
Geschichte, wo man schon mit großen Flotten vom Festland zu In-
seln oder von Festland zu Festland Truppen transportierte, um Er-
oberungsfeldzüge zu starten. Gefallene Helden brachte man nicht in
die Heimat, sondern man bahrte sie auf ihren hölzernen Schiffen auf,
steckte diese in Brand und ließ sie vor dem Wind auf das Meer trei-
ben, wo sie dann vollständig verbrannten.
Nach der griechischen Mythologie mussten die Seelen der gefallenen
Helden über den Fluß Styx in den Hades reisen und dabei die Hilfe
des Fährmanns Charon in Anspruch nehmen, der sie für ein Fähr-
geld, den Obolus, mit seinem Boot durch die Stromschnellen auf die
andere Seite brachte. Das Fährgeld legte man den Helden zunächst
auf die geschlossenen Augen. Später legte man die Goldmünzen un-
ter die Zunge, weil doch der eine oder andere Feuerleger die Mün-
zen im letzten Moment von den Augen mopste und einsteckte.
Die Seelen der Helden ohne Obolus mussten dann nach der Mytho-
logie ungefähr 100 Jahre als Wabbernebel vor dem Fähranleger her-
umgeistern, was für die damaligen Griechen fast drei Lebensalter
bedeutete. Dies wollte man niemandem antun.
Obwohl wir nicht wissen, ob Hades oder Paradies der richtige Ort
für die toten Seelen ist, werfen wir unseren Toten eine griechische
Ein- oder Zwei-Euro-Münze hinterher. Eine Seele hat alle Sensoren,
um diese rechtzeitig vor der Überfahrt in den Hades zu finden.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Ein Stein für die Seele im Hades


Die griechische Mythologie stellte sich die Seele des Menschen als
sein schattenähnliches Abbild vor. Es hat dieselben Umrisse wie der
Verstorbene. War man im Leben dick, ist auch der Schatten dick. Alle
weltlichen Dinge sind nicht erkennbar, was für die Beurteilung
durch die Totenrichter für ein gerechtes Urteil sehr wichtig war.
Obwohl der Hades nur einen kleinen Teil wie die Hölle der Christen
kennt, war der Hades doch verhasst und musste in Abhängigkeit
von dem Verhalten als Lebender in unterschiedlicher Länge durch-
laufen werden, bis man schließlich im Elysium, dem Ort der ewigen
Glückseligkeit landet.
Manche griechischen Priester glaubten daran, dass eine Seele, die ei-
nen Stein aus ihrer menschlichen Umgebung mit auf den Weg be-
kommt, für die lange Zeit der Urteilsfindung über sie und des
Durchlaufens der verschiedenen Seelenbezirke einen besseren Halt
hat und damit die Wartezeit bis zum Elysium besser überbrückt.
Wir haben deshalb in der Vergangenheit unseren toten Vereinsmit-
gliedern immer einen gesammelten Stein aus ihrem letzten Wohnort
mit auf den Weg gegeben. Dies geschah vorwiegend in der Heiken-
dorfer Bucht in Kiel. Freunde, Klassenkameraden und Vereinsmit-
glieder finden dort ebenfalls ihren Halt. Wir hören damit erst auf,
wenn die Bucht mit Steinen gefüllt ist.
Irgendwann reihten sich auch Mitglieder des Dampf-Eisbrechers
„Stettin“ in die Schlange der wartenden Seelen ein. Sie erhielten als
Haltestein ein Stück schlesische Gasflammkohle, welches fast 50 Mil-
lionen Jahre Erdgeschichte in sich trägt. Und ein Mitglied der
„Ubena von Bremen“, der in seiner Jugend in einem Essener Berg-
werk gearbeitet hat, ist ebenso mit einem Stück Steinkohle auf den
Weg durch den Hades geschickt worden.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Ein letzter gemeinsamer Schluck


Der Alkohol spielt im Leben eines Seemannes oftmals eine nicht un-
bedeutende Rolle. Wenn es auch im Borddienst verboten ist Alkohol
zu trinken, wird bei Hafentagen und Landgängen Bier oder Schnäp-
sen manchmal zu reichlich zugesprochen. Die britische Marine hat
erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ausgabe einer
täglichen Ration Alkohol eingestellt, mit der Begründung, dass die
zunehmende Elektronik an Bord das nicht mehr erlaube. Die ur-
sprüngliche Begründung für die Ausgabe war die Bekämpfung von
Skorbut.
Auf der „Ubena von Bremen“ ist der Alkoholkonsum für die Mann-
schaft während der Fahrt ebenfalls verboten. Es gibt eine einzige
Ausnahme: In Anlehnung an die britische Marine wird um 11 Uhr
vormittags ein kleines Glas Sherry ausgeschenkt, natürlich immer
noch mit der Begründung, dass damit trotz Vitamingetränken und
Zusatzstoffen in der Ernährung Skorbut verhindert werden soll. Auf
Langfahrten ohne Gäste gibt es inzwischen auch schon mal ein alko-
holfreies Bier zum Mittagessen. Und das obligatorische Anlegebier
auf Kosten des Reeders (hier des Koggevereins) ist natürlich nach
dem Belegen aller Festmacherleinen nicht wegzudenken.
Mit einem Glas Sherry oder einem anderen alkoholischen Lieblings-
getränk des Verstorbenen wird die Urne für die letzte Reise vorbe-
reitet. Der Bestatter und der oder die nächste Angehörige erhält
dabei auch einen Schluck. Das dient dazu, den dicken Kloß im Hals
vor der letzten Handlung für den Verstorbenen zu lösen.
Fairwell lieber Verstorbener/Verstorbene. Im Elysium des Hades
oder im Paradies gibt es keine Parties und keinen Alkohol. Da musst
Du bis zu Deinem nächsten Leben warten. Also genieße mit uns den
letzten Schluck.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

„Dreimal Lang“ und „Acht Glasen“


Jedes Schiff verfügt zum Abgeben von Signalen über ein Schiffshorn
und eine Glocke. Das Horn dient der Kommunkation mit anderen
Schiffen oder Landstellen über weite Entfernungen. Die Glocke dient
der internen Kommunikation zum Angeben der Zeit- und Wach-
rhythmen und kann mit Ausnahme von nebeligem Wetter nur an
Bord gehört werden.
Mit drei langen Tönen begrüßen sich insbesondere Traditionsschiffe
beim gegenseitigen Passieren. Auch hier gibt es Regeln, wer wen zu-
erst zu grüßen hat. Ein festsitzendes oder vor Anker liegendes Schiff
ist immer zuerst zu grüßen. Insofern grüßen wir die Seelen unserer
bestatteten Vereinsmitglieder beim Vorbeifahren am Wurster Arm
oder auf dem Stollergrund immer mit drei besonders langen Tönen.
Wir denken uns die Antwort und quittieren die nach einer Weile mit
einem besonders kurzen Ton.
Mit der Schiffsglocke wird auf fahrenden Traditionsschiffen alle
halbe Stunde „geglast“. Ein Glockenschlag bedeutet eine halbe
Stunde, Die Schläge werden paarweise zusammengefasst. Ange-
passt an die Seewache von 4 Stunden endet die Wache um 0, 4, 8
oder 12 Uhr mit vier Doppelschlägen oder 8 Glasen. Das bedeutet
für den diensthabenden Seemann den Beginn der Ruhezeit.
Wir ehren unsere Toten auf einer Jahreshauptversammlung, beim
Passieren der Ruhestätte oder bei ihrer Bestattung mit 8 Glasen, um
ihnen den Beginn der Ruhezeit und das Ende der Pflichten anzuzei-
gen. Das Glasen in diesen Fällen ist Aufgabe des Bootsmanns, dessen
Ehrgeiz darin besteht, die Doppelschläge besonders kurz hinterei-
nander, aber doch sauber voneinander getrennt, zu glasen. Wenn
ihm das nicht gelingt, ist die erste Runde eines alkoholhaltigen Ge-
tränkes nach dem Anlegen für die Mannschaft gesichert.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

„In Sack und Asche fahren“


Der Begriff „In Sack und Asche gehen“ stammt ursprünglich aus
dem Alten Testament. Dort wird berichtet, dass man sich aus Trauer
über den Tod eines nahestehenden Menschen Asche in die Haare
streute und sich in grobes Tuch kleidete. Damit sollte zum Ausdruck
gebracht werden, dass man Buße tut, weil man den Tod des anderen
Menschen nicht verhindern konnte. Andere berichten davon, dass
man sich aus Trauer in Asche wälzte und bitter klagte. Man raufte
sich die Haare und zerkratzte sich die Haut.
Bei den teils monatelangen Fahrten der Großsegler kam es nicht sel-
ten vor, dass der Kapitän oder ein Offizier auf der Reise verstarb.
Aus hygienischen Gründen musste er unterwegs der See übergeben
werden. Es entwickelte sich der Brauch, dass man in diesen Fällen
das Rigg des Schiffes bei der Einreise in den Heimathafen in völlige
Unordnung brachte. Die Rahen wurden schief gehängt, nicht anstän-
dig gebrasst und die Segel unordentlich aufgegeit. So konnte man
schon von weitem erkennen, dass ein hochrangiges Mitglied der Be-
satzung unterwegs verstorben war und man sich beim Anlegen res-
pektvoll zu verhalten hatte.
Auf der „Ubena von Bremen“ bringen wir bei der Rückfahrt aus dem
Wurster Arm nach dem Vorheißen der Nationalflagge das Segel in
Unordnung, indem wir die Geitaue und einen mittleren Gording lö-
sen. Mit diesen Möglichkeiten sind wir auf der Kogge gegenüber ei-
nem Großsegler eingeschränkt. Wer von der Besatzung oder den
Gästen mag, zieht dann seine Jacke oder seinen Mantel „linksrum“
an.
Mit dem Anlegen und dem Kommando „Alle Leinen fest und gesi-
chert“ wird die Unordnung im Rigg aufgehoben und die Kleidung
wieder normal getragen.
Das Leben geht weiter.
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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Eine kleine Erinnerung an Lothar Pieper


Es ist eine der schwersten, aber auch eine der privilegiertesten Auf-
gaben eines Menschen, eine Grabrede für einen Freund oder einen
Angehörigen zu halten. Privilegiert deshalb, weil man den anderen
überleben durfte. Nach Abstimmung mit seiner Frau Angela durfte
ich das für Lothar Pieper machen. Alle haben damals gemerkt, dass
mir das nicht leichtgefallen ist.
Angela und ich haben die Grabrede gemeinsam entworfen und da-
rauf abgestellt, dass auch Kollegen und Nachbarn bei der Trauerfeier
dabei waren. Manche persönlichen Aussagen habe ich deshalb da-
mals zurückgestellt. Ein paar davon möchte ich hier nachholen.
Ich habe Lothar in der zweiten Hälfte der 70er Jahre kennengelernt,
nur ein wenig später, nachdem er Angela kennengelernt hatte. Ich
fuhr damals in einer etablierten Korsarmannschaft Regatten in
Norddeutschland. Man war so seine üblichen vorderen Platzierun-
gen im Regattafeld gewohnt. Da tauchte plötzlich ein weißes Schiff
aus Malente im Feld auf.
Nach wenigen Wettfahren sagte mein damaliger Steuermann mit ein
bisschen Zorn in der Stimme: „Verdammt, der neue Weiße aus Ma-
lente ist schon wieder vor uns“ und fummelte dann nervös an seinen
Einstellungsstrippen und machte das Schiff erst richtig langsam.
Lothar hatte sich in sehr kurzer Zeit in die eingefahrene Elite der
norddeutschen Korsarsegler reingearbeitet, obwohl er selbst noch
nicht so viel Erfahrung im Segeln hatte. Akribie in der Vorbereitung
und schnelle Reaktion auf wechselnde Bedingungen waren seine be-
sonderen Stärken.
Viel schneller als andere gehörte er mit zum vorderen Feld. Und dies
auch auf den Seeregatten und auf dem Gardasee, wo Härte und Kön-
nen gefragt war, um sich im vorderen Feld zu behaupten. Wir haben
jahrelang beim Segeln gegeneinander gekämpft, aber wir haben uns

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
nie bekämpft. Immer war nach der Regatta genug Zeit für ein ge-
meinsames Bier, weil wir fair miteinander umgegangen sind. Lothar
war ein sehr fordernder, aber ein absolut „unverkniffener“ Konkur-
rent.
Lothar brachte mich dann 1989 durch Zufall zum Triathlon, weil in
einer Flaute in Malente 300 neoprenbekleidete Wettkämpfer in das
Wasser sprangen und er mir den Hintergrund erklärte. „Das will ich
auch mal machen“, sagte ich und Lothar schaute mich abschätzend
an. „Ich glaube nicht, dass Du das in Deinem Alter schaffen kannst,“
sagte er zu mir. 6 Wochen später standen wir gemeinsam an der
Startlinie in Kiel und ich wechselte anschließend die Sportart. Lothar
wechselte etwas vorsichtiger und trotz der unterschiedlichen Alters-
klassen kämpften wir von Anfang an immer gegeneinander.
Wir konzentrierten uns beide sehr schnell auf die Langstrecke. Auch
in Roth haben wir dann nach meiner erstmaligen Hawaii-Teilnahme
immer gegeneinander gekämpft. Ich sehe noch sein verschmitztes
Grinsen, wie er mir mit 20 Minuten Vorsprung am Main-Donau-Ka-
nal entgegenlief und rüberrief „heute hast Du keine Chance gegen
mich.“ Im nächsten Jahr war er dann nicht so gut drauf und ich
konnte es ihm heimzahlen.
Lothar nahm dreimal in Hawaii teil, immer in Jahren, in denen ich
auch dabei war. Sein besonderer Ehrgeiz lag in einem Daylight-Fi-
nish, wofür er sich extrem konzentiert vorbereitete und es tatsächlich
schaffte, sich bei noch gut sichtbarer Sonne ins Ziel zu stürzen. In
seinem damaligen Alter war das eine besondere Leistung.
Lothar bekam dann nach seiner letzten Hawaii-Teilnahme Probleme
mit den Beinen und konnte beim Marathon nicht mehr durchlaufen.
Schwimmen und Radfahren standen aber weiterhin auf der Tages-
ordnung, weil er auf eine Besserung hoffte. Und er suchte weiter
Herausforderungen und riß mich auch da mit.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Nachdem er eine 300 km Radstrecke um den Vätternsee in Schweden
erfolgreich bewältigt hatte, überredete er mich zunächst zu einer Al-
penüberquerung von Mainau nach Riva am Gardasee in einer ge-
führten Radgruppe. Eine Herausforderung mit 500 km Strecke, 5
großen Alpenpässen und fast 7.000 Höhenmetern in 5 Tagen. Ich war
mit mir und meinem ungeeigneten Material absolut am Limit, aber
Lothar motivierte mich unterwegs immer wieder und schleppte
mich bis zum Gardasee. Nachdem die ersten Schmerzen verklungen
waren, beschlossen wir eine spätere Alpenüberquerung in Ost-West-
Richtung mit noch mehr Pässen und noch mehr Höhenmetern. Dazu
kam es nicht, aber stattdessen folgte ich ihm zum Vätternsee und
konnte ihm immerhin fast 100 km folgen, bis wir uns in einer Ver-
pflegungsstation verloren. Er war weit vor mir im Ziel und hatte
wieder eine neckische Bemerkung auf den Lippen, aber dabei schon
respektvoll das Bierglas zum Anstoßen in der Hand.
Und Lothar reiste noch ein viertes Mal mit mir 2017 nach Hawaii.
Seine Beine ließen Qualifikation und Weltmeisterschaft innerhalb ei-
nes Jahres nicht mehr zu. Aber er wollte unbedingt noch einmal nach
Big Island. Er betreute Hilton und mich und er verabschiedete sich
von vielen der Supporter, obwohl die eigentlich nie etwas für ihn
getan hatten. Gemeinsam leerten wir jeden Abend zwei oder drei
„Schooner“ im Harbour House von Kailua-Kona zum „Tuna and
Chips“, was wir schon seit unserem ersten gemeinsamen Aufenthalt
immer als eine Art Ritual durchgeführt hatten.
Nach dem Ironman flogen wir noch einige Tage nach Maui und
wollten dort noch einmal auf den Gipfel des über 3.000 m hohen Ha-
leakala fahren, weil der sonst immer von uns besuchte Mauna Kea
auf Big Island inzwischen für Touristen gesperrt war. Das Wetter
machte uns einen heftigen Strich durch die Rechnung und so be-
gnügten wir uns mit gemeinsamen Golfrunden. Beim Überspielen
von Schluchten oder Wasserhindernissen verwetteten wir etliche

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Biere gegeneinander. Ich muss bekennen, dass Lothar mir beim Golf
in der Summe immer einige Biere voraus war.
Beim gemeinsamen Rückflug über Los Angeles verriet er mir wäh-
rend der langen Wartezeit in der First-Class-Lounge, die er sich für
diese Reise mit seinen Lufthansa-Restpunkten gegönnt hatte, dass er
diesen echten Abschied aus Hawaii einfach gebraucht hätte. Der Tri-
athlon und insbesondere Hawaii hätten ihm so viel gegeben, dass er
sich zu dieser Reise fast gezwungen fühlte. Ich habe noch nie wieder
jemanden erlebt, der mit so viel Zufriedenheit auf einen Abschnitt
seines Lebens zurückgeblickt hat.
Ich habe mich in den letzten Monaten manchmal gefragt, ob ich mit
Lothar eigentlich richtig befreundet war. Oft hatten wir eine sehr
lange Begegnungspause. Wir haben uns nie geherzt und heftig um-
armt. Waren wir etwa nur zwei Kampfzecken, die sich zufällig be-
gegnet sind und sich gegenseitig angestachelt haben?
Aber so eine Verbindung kann nicht fast 35 Jahre und vier unter-
schiedliche Sportarten überstehen. Und wenn ich bedenke, wie oft
ich in den letzten Monaten an ihn gedacht habe und wie sehr er mir
manchmal fehlt, war es doch viel mehr als Freundschaft.
Wir haben Lothar vor seiner Bestattung im Ruheforst bei Timmdorf
am Behler See einen Teil einer Finisher-Kette von Hawaii mit in die
Urne gelegt. Die könnte er dem Fährmann Charon als Obolus für die
Überfahrt in den Hades anbieten, aber wir sind nicht sicher, dass der
alte Charon den Wert richtig beurteilen kann. Deshalb bekommt
Lothar heute von Angie einen Stein als Haltepunkt seiner Seele und
von mir die griechische Münze, damit er nicht fast 100 Jahre am An-
leger herumgeistern muss, nur weil der Charon die viel wertvollere
Kette nicht als Obolus anerkennt.
Du musst also nicht „Schwarzfahren“, Lothar, und jetzt trinken wir
noch gemeinsam einen letzten „Schooner“.
Mach´s gut alter Kämpfer

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Der Gedenkort in der Heikendorfer Bucht

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Das Urnenfeld im Wurster Arm der Weser

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Das Vorbild der „Ubena von Bremen“ im Deutschen


Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven

Gebaut wahrscheinlich im Jahr 1380 (Festlegung aufgrund dendro-


chronologischer Analysen des Holzes, Jahresringbestimmung)
Gefunden im Jahr 1962 bei Baggerarbeiten in der Weser bei Bremen
und nach der Konservierung im Deutschen Schiffahrtsmuseum Bre-
merhaven wieder aufgebaut.
Eine Besichtigung des Originals ist im Deutschen Schiffahrtsmu-
seum, 27568 Bremerhaven, Hans-Scharoun-Platz 1, während der üb-
lichen Öffnungszeiten möglich.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Sicherheitsregeln
Wir bitten Sie, folgende Sicherheitshinweise zu beachten:
Tragen Sie bitte Schuhe mit weichen Sohlen und tragen Sie warme
und regensichere Kleidung.
Für Ihre Sicherheit befinden sich an Bord über 70 Schwimmwesten
in 4 Backskisten auf dem Kastelldeck. Wir weisen Sie in den Ge-
brauch ein und werfen sie Ihnen im Bedarfsfall zu.
2 Rettungsinseln für insgesamt 70 Personen befinden sich ebenfalls
auf dem Kastelldeck. Sie werden im Bedarfsfall manuell oder auto-
matisch bereitgemacht. Die Besatzung weist Sie dann ein.
Machen Sie die Schiffsführung bitte vor dem Ablegen auf eventuelle
persönliche körperliche Einschränkungen aufmerksam.
An Bord befindet sich für den Notfall ein Defibrillator.
Bei Ertönen des Sicherheitssignals siebenmal kurz einmal lang vom
Schiffshorn versammeln Sie sich bitte auf dem Hauptdeck.
Für besondere Notfälle steht uns ein Schlauchboot zur Verfügung.
Rauchen Sie bitte nur achtern auf dem Kastelldeck auf der windab-
gewandten Seite des Schiffes.
In die Toilettenbenutzung werden wir Sie einweisen. Falls Sie damit
Probleme haben, wenden Sie sich bitte an ein Mitglied der Besat-
zung. Die Fäkalien werden an Bord biologisch geklärt.
Werfen Sie bitte aus Gründen des Umweltschutzes keine Gegen-
stände über Bord (Zigarettenkippen, Obstreste, etc.).
Bei Bedarf stehen Ihnen die Mitglieder der Besatzung für Fragen und
Hilfestellungen zur Verfügung. Bitte gehen Sie beim An- oder Able-
gen den Mitgliedern der Stammbesatzung aus dem Weg, damit diese
beim Werfen der Festmacherleinen nicht behindert werden.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Der Rumpf der „Ubena von Bremen“


Der Rumpf ist nach den erstellten Zeichnungen des Original-Vorbil-
des mit Kiel, Spanten und Querhölzern aus Eiche und mit ca. 5 cm
starken über Holzkohlefeuer gebogenen Planken aus Eiche in Klin-
kerbauweise gebaut. Die Planken sind mit über 7.000 handgeschmie-
deten Stahlnägeln wie beim Vorbild in Klinkerbauweise von unten
nach oben verbunden worden.
In zum Gesamtwerk geringen Anteil wurden für die Aufnahme von
Sicherheitseinrichtungen und Maschinenteilen zusätzliche Lager-
hölzer aus Eiche eingebaut, damit diese Teile in ausreichender Stabi-
lität im Schiffsrumpf aufgenommen werden konnten.
Stabile hölzerne Querverbindungen im Rumpf haben eine Auftei-
lung in 4 Sektionen von vorn nach hinten entstehen lassen. Vorn be-
findet sich die Materiallast, die ursprünglich auch zur Aufnahme
einer Ankerkette vorgesehen war. Zwischen Materiallast und Mast
befindet sich der Kojenraum, in dem neben 12 festen Kojen auch
mehrere abschließbare Proviantschränke eingebaut sind. Hinter
dem Haupt-Querbalken ist ein Salon eingerichtet, in dem bei kaltem
Wetter alle Mannschaftsmitglieder an festen Tischen essen können.
Zum Heck des Schiffes ist der Maschinenraum vom vorderen Teil
fest abgetrennt. Hier befinden sich Hauptmaschine, E-Diesel, Kraft-
stofftank, große Teile der Abwasser-Aufbereitungsanlage und die
elektrische Anlage.
Die Original-Kogge hat wie alle Schiffe des entsprechenden Jahrhun-
derts kein durchgehendes Deck oder abgedeckte Luken gehabt. Der
Einbau eines durchgehenden und wasserdichten Decks ist ein aus
Sicherheitsgründen notwendiges Zugeständnis und ermöglicht
überhaupt erst die Nutzung für längere Fahrten oder für Tagesfahr-
ten mit Passagieren.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Schiffe des Mittelalters wurden zur Sicherung der Stabilität im unte-
ren Rumpf mit Steinen ausgelegt, die miteinander verkeilt wurden.
Beim Nachbau wurden für den Einbau als Ballast ca. 35 Tonnen Blei-
platten verwendet, die flach auf dem Boden ausgelegt, miteinander
fest verbunden sind und dem Schiff eine unglaubliche Stabilität ge-
ben.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen

Das Rigg des Schiffes


Die Kogge “Ubena von Bremen” besitzt nur einen Mast, dessen
Standort auf dem Schiff nach den gefundenen Aussparungen auf
dem Vorbild festgelegt wurde. Aus Sicherheitsgründen besteht die-
ser Mast nicht wie bei den entsprechenden Vorbildern aus einem ein-
zigen Nadelholzstamm, sondern aus verleimter Oregon-Pine.
Nach den auf Bildern oder Münzen abgebildeten Vorbildern wurde
das Schiff mit einer Rahtakelung und einem rechteckigen Rah-Segel
ausgestattet. Die Rah ist auf der „Ubena von Bremen“ eine 800 kg
schwere hölzerne Rundstange, die mittig vor dem Mast angehängt
ist und an der das Rah-Segel mit einer „Marl-Leine“ mit speziellen
Knoten, den „Marl-Schlägen“ angeschlagen wird.
Die Takelung unterscheidet Stehendes Gut und Laufendes Gut.
Stehendes Gut:
Das Stehende Gut ist die Gesamtheit von Wanten und Stagen aus
Draht oder festem Tauwerk, welche den Mast in Längs- und Quer-
schiffsrichtung abstützen. Hierzu gehören auch die Führungen und
Befestigungen am Schiff.
Wanten: Sind die seitlichen Abstützungen (auf jeder Seite jeweils 3
in Querschiffsrichtung). Sie werden mit dem Schiffsrumpf über
Jungfern und dreifach geschorene Jungferntaljen verbunden, mit de-
nen beim Aufriggen genügend Spannung erzeugt werden kann und
die im Fahrbetrieb einen Teil der Kräfte bei Seegang abfedern. An
den Wanten sind quer Webleinen angebracht worden, mit deren
Hilfe man in den Mastkorb aufsteigen kann.
Stagen: Sind die in Längsschiffrichtung angebrachten Abstützungen
(1 Vorstag zur Abstützung nach vorn und 2 Achterstagen zur Ab-
stützung nach hinten). Das Vorstag ist zur Schonung des Rahsegels

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
mit “Tausendbein” umwickelt, um ein Schamfilen (durchscheuern)
zu verhindern.

Laufendes Gut zum Einstellen der Rah:


Das laufende Gut ist die Gesamtheit des beweglichen Tauwerks an
Bord. Es dient zur Handhabung der Rah und des Segels. Wo es aus
Gründen der Umlenkung oder Kraftreduzierung erforderlich ist,
wird das laufende Gut durch Blöcke, Taljen oder Leitösen geführt.
Das laufende Gut wird nach der Nutzung in das Gut zum Auftoppen
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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
der Rah, zum Bewegen der Rah, zum Aufholen und Niederholen des
Segels und zur Regulierung der Segelstellung unterteilt.
Hanger: Mit dem Hanger wird die ca. 3,5 Tonnen (inklusive des voll-
ständig angeschlagenen Segels) schwere Rah aus verleimten Stab-
holz aufgetoppt. Dabei wird der Hanger über das Bratspill und
durch einen Umlenkblock geführt und kann damit bezüglich der
Aufwärts- und Abwärtsbewegung sehr feinfühlig kontrolliert wer-
den. Die zur Kraftreduzierung notwendige Hangertalje wird nach
dem Auftoppen über einen festen Drahtstropp gesichert und die
überschüssige Hangertalje wird am Mast aufgeschossen. Die Ösen
zur Befestigung der Hangertalje auf dem Deck sind tief in den Voll-
holz-Spanten des Schiffes verankert.
Rack: Die Rah wird mit dem Rack mit ihrer Mitte vor dem Mast ge-
halten. Das Racktau ist mit Klotjes belegt. Die sehr harten Holzku-
geln machen die Rah beweglich und verhindern Beschädigungen
des Mastes an den Stellen, an denen die Rah bei Seegang an den Mast
schlagen könnte. Zum Auf- und Abfieren kann das Rack von Deck
aus gelöst werden. Das Rack wird auf der Nagelbank am Mast be-
legt.
Toppnanten: Mit den Toppnanten wird die Rah in ihrer horizonta-
len Lage kontrolliert. Von der Mastspitze laufen zwei feste Stroppen
mit Blöcken. Von diesen Blöcken ausgehend laufen die Toppnanten
durch Blöcke an der Rahnock, von dort durch die Blöcke an den
Stroppen zur Nagelbank auf der Kastellreling. Mit Hilfe der Topp-
nanten kann die Rah schräg gestellt werden, falls es erforderlich ist,
sie über die Begrenzung durch die Wanten so weit mittschiffs zu stel-
len, dass sie nicht über den Schiffsrumpf hinaussteht. Mit dieser sehr
zeitaufwändigen Raheinstellung können auch enge Schleusen oder
Klappbrücken durchfahren werden.

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Brassen: Die Brassen sind achtern an die Rahnocks beider Seiten
über Blöcke angeschlagen und dienen dazu, die Rah in ihrer hori-
zontalen Lage zu bewegen und damit das Segel in die richtige Stel-
lung zum Wind zu bringen. Die Brassen werden über Blöcke auf die
Reeling des Kastelldecks geführt und auf den Nagelbänken der je-
weiligen Seite belegt. Bei halbem Wind ist es erforderlich, die Bras-
senumlenkblöcke auf die jeweils gegenüberliegende Relingseite
manuell umzuschäkeln und sie dort zu belegen.
Konterbrassen: Die Konterbrassen sind einfach geschoren und di-
rekt an den Rahnocken befestigt. Sie halten aus Sicherheitsgründen
die Rah nach vorn in der jeweiligen Segelstellung und werden auf
den Springernagelbänken mit Metallnägeln belegt.
Laufendes Gut für das Einstellen des Segels:
Schoten: Sie sind an den Schothörnern des Segels Backbord und
Steuerbord mit Blöcken angeschlagen und steuern im Zusammen-
spiel mit der Rah die Stellung des Segels zum Wind. Sie laufen vom
Kastelldeck durch die Schothornblöcke zurück zu Blöcken am Kas-
telldeck und von dort auf die achtere Nagelbank an der Ecke des
Schanzkleides.
Mittelschot: Sie ist in der Mitte des Unterlieks fest angeschlagen und
dient zunächst der Unterstützung des Segelsetzens durch Zug auf
die Segelmitte. Bei gesetztem Segel kann man bei mittlerem Wind
damit die Bauchigkeit des Segels kontrollieren. Sie wird im Normal-
fall so auf der Nagelbank am Mast angeschlagen, dass sie gerade
„tight“ ist. Bei extremer Segelstellung kann sie auch auf einem Nagel
am Schanzkleid belegt werden.
Geitaue: Sie werden auf jeder Seite vom Schothorn des Segels über
Blöcke an der Rahnock und einer Umlenkung in Mastnähe auf die
Nagelbank am Mast geführt. Sie ermöglichen eine Heranführung

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
des Seitenlieks und des Schothorns an die Rah beim Auftuchen des
Segels.

Gordinge: Es werden jeweils 5 Gordinge auf jeder Seite des Segels


durch Augen auf der Segelvorderseite und Schäkel am Unterliek ge-
führt, mit denen das Segel aufgetucht werden kann. An der Rah wird
jeder einzelne Gording über Blöcke umgelenkt und von dort auf die
Nagelbank am Schanzkleid des Hauptdecks geführt. Die Belegposi-
tionen wechseln je nach Stellung der Rah.
Hals: Sie sind ohne Umlenkungen direkt an den Schothörnern des
Segels angeschlagen. Sie sind die Gegenlenkung zu den Schoten und
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ermöglichen es, das Segelsetzen zu unterstützen und das Schothorn
nach vorn oder unten zu ziehen und damit den Bauch des Segels au-
ßen zu kontrollieren. Sie werden nach Bedarf auf allen Positionen
der Nagelbänke am Schanzkleid belegt. Für extreme Segelstellungen
bei halbem Wind wird in Stevennähe auf der Luvseite ein offener
Block zur Umlenkung genutzt.
Segel: Das Segel ist ein aus 2 Teilen gefertigtes Rahsegel mit einer
Gesamtgröße von 190 qm. Das Großsegel hat eine Fläche von 140 qm,
das Leichtwindbonnet hat 50 qm, was mit Reihleinen am Großsegel
angeschoren ist.
Theoretisch soll man durch Abnehmen des Bonnets reffen können.
In der Praxis muss dafür die Rah abgefiert werden und Schoten und
Hälse müssen umgeschäkelt werden. Bei gesetztem Segel ist das in
der Praxis auf See nicht möglich.

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Segelführung und Segelmanöver


Segelmanöver werden stets vom Kastelldeck aus durch den Schiffs-
führer befehligt. Ein sachkundiges Besatzungsmitglied steht dabei
zur Aufsicht der am Segelmanöver beteiligten Personen auf dem
Hauptdeck zur Verfügung. Die Aufsichtspflicht auf dem Kastelldeck
obliegt dem Schiffsführer.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Brassen und Segelsetzen werden in der nachfolgenden Beschreibung
als zwei getrennte Vorgänge behandelt. In der Praxis gehen diese
beiden Vorgänge normalerweise ineinander über.
Belegen des laufenden Gutes auf Belegnägeln
Das laufende Gut wird auf der „Ubena von Bremen“ während des
Segelns nach dem Belegen auf den Nägeln nicht durch Kopfschläge
gesichert, da die Gefahr besteht, dass sich der Kopfschlag durch
Nässe oder Druck dicht zieht und im Ernstfall nicht lösen lässt.
Beim Belegen, insbesondere auf Holznägeln ist wichtig, dass die
erste Part oben direkt auf die Nagelbank gedrückt wird. Damit er-
höht sich die Sicherheit einen Nagelbruch zu vermeiden um ein Viel-
faches, weil der Winkel des Tampens zum Nagel fast bei 90 Grad
und damit quer zur Laufrichtung der Holzmaserung des Nagels
liegt.
Einweisung einer Gastbesatzung
Gäste an Bord der Kogge werden bewusst in die Segelmanöver mit
einbezogen, dieses gilt im Besonderen beim Setzen und Bergen des
Segels.
Vor dem Setzen des Segels werden die Gäste durch den Bootsmann
auf die Möglichkeit der Teilnahme an Segelmanöver angesprochen
und bei positiver Reaktion gemeinsam auf den Ablauf beim „Segel
setzen“ und „Segel bergen“ vorbereitet.
Brassen / Einstellen der Rah
Üblicherweise ist die Rah vor dem Setzen des Segels auf einer Seite
hart angebrasst.
Beim Fahren im Strom oder auf engen Gewässern kann es sein, dass
vor Beginn eines Segelmanövers die Rah so eingestellt (gebrasst)
werden muss, dass sie für die geplante Windrichtung der Fahrt unter
Segel quer zum Wind steht.
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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Dies geschieht durch Einstellen von Brassen und Konterbrassen un-
ter Beachtung der Stellung von Hälsen, Schoten und Gordingen.
Brassen und Konterbrassen sind in dieser Situation beidseitig zu be-
setzen.
Das Manöver wird vollständig allein durch die Stammbesatzung
durchgeführt
Segel setzen
Beim Kommando „Klar zum Segelsetzen“ werden die angesproche-
nen Gäste gebeten, ihre Manöverposition einzunehmen
Nach Klarmeldung aller Stationen erfolgt das Kommando „Setzt das
Großsegel, holt durch Halsen und Mittelschot, fiert Geitaue und
Gordinge“
Die Gäste sollen die Gordinge und Geitaue beim Segelsetzen
nicht festhalten, sondern sie sollen nur darauf achten, dass sie ein-
wandfrei auslaufen und keine Kinken beim Setzen entstehen, die
dann außer Reichweite kommen. (Festhalter bekommen eine „land-
rattengerechte Verwarnung“ vom Bootsmann)
Nach Entfalten des Segels werden die Gordinge und Geitaue sortiert
auf die Nagelbänke auf dem Hauptdeck verteilt.
Das Segel wird durch Bedienung der Schoten, der Hälse und gleich-
zeitiger Handhabung der Brassen in die entsprechend dem Kurs ge-
forderte Stellung gebracht und das Segelmanöver mit dem
Kommando „Segel in Position“ beendet.
Segel bergen
Das Manöver des Segelbergens ist eines der wichtigsten Manöver an
Bord. Es muss im Bedarfsfall bei „Mann über Bord-Situationen“ oder
beim Aufkommen von Schlechtwetterfronten manchmal sehr zügig
ausgeführt werden.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Auch die Gäste werden dann gebeten, sich schnellstmöglich nach Si-
cherung ihres Getränks auf ihre Manöverposition zu begeben.
Ihre Aufgabe ist jetzt, die zugewiesenen Gordinge oder Geitaue nach
dem Kommando „Hol Auf Gordinge und Geitaue, Fier Schoten, Mit-
telschot und Hälse“ zügig Hand über Hand einzuholen.
Das Dichtholen von Geitauen und Gordingen soll im Normalfall
gleichmäßig erfolgen. Der Kommandoführer achtet auf „Nachzüg-
ler“ und gibt dabei manchmal „aufmunternde“ Seemannssprüche
von sich. (Absolute Nachzügler erhalten eine „belehrende persön-
liche Ansprache“ vom Bootsmann)
Nach Vorheißen des Segels bis an die Rah kommt das Kommando
„Halt Fest Gordinge und Geitaue“. Die Gäste halten dann die einge-
holten Gordinge und Geitaue „tight“, ohne sie zu belegen.
Nach der Bergung des Segels wird in den meisten Fällen die Rah von
der Stammbesatzung über Steuerbord hart angebrasst.
Die Gäste halten die zugewiesenen Gordinge oder Geitaue dabei
„Tight“, bis sie ihnen von der Stammbesatzung zum Belegen auf den
Schanzkleidnägeln abgenommen werden.
Die Stammbesatzung zeigt das ordnungsgemässe Belegen und Auf-
schießen der Leinen und lobt die Mitarbeit der Gäste.
Die Segelbergung endet mit dem Kommando „Alles fest und be-
legt“. Der Kommandoführer gibt eine Bewertung des Manövers für
die aushelfenden Gäste, die danach ihre vor dem Manöver gesicher-
ten Getränke wieder aufnehmen dürfen.

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Daylight-Finisher und persönliche Bestzeit beim IM

Obligatorisches „Höhentraining“ auf dem Mauna Kea

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Gedenkfeier an Bord von Traditionsschiffen
Bezwungen: In 4.205 m Höhe auf dem Gipfel des Mauna Kea

Vor der Monstertour über die Alpen in Garmisch

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Verein Hanse-Koggewerft e.V. Bremerhaven


Alter Fährweg 8
27568 Bremerhaven
Telefon: +49 471 46846

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Zusammenstellung, Layout und Erstellung: Otto Tylkowski
Zeichnungen: Bodo Szameitat

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© 2022 Otto Tylkowski Rellingen


Printed in Germany
Juni 2022
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