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Sachverhalt

M, 16 Jahre alt, findet im Briefkasten ein an seinen Vater V adressiertes Sachverhalt


Päckchen. Laut Absenderaufkleber wurde es von der X GmbH verschickt.
Ein Aufkleber auf dem Päckchen kündigt ein neues Computerprogramm
an. M glaubt, das Päckchen sei eine unverbindliche Werbesendung wegen
einer bevorstehenden Computermesse, öffnet das Paket und reißt ohne zu
zögern auch sogleich die Umhüllung der CD auf. Auf der Umhüllung war
ein deutlich sichtbarer Hinweis angebracht, dass das Aufreißen zur Zah-
lung von 30 EUR verpflichte. Diesen Hinweis hat M in seiner Eile jedoch
übersehen.

M installiert das Programm auf seinem Computer, bevor er es erstmals


starten kann, kehrt sein Vater zurück. Dieser sieht die Gefahr, dass M
durch das neue Programm von der Schule abgelenkt wird und fordert sei-
nen Sohn auf, das Programm vom Rechner zu löschen.

Dann entdeckt V das dem Päckchen beigefügte Anschreiben, das vom Ge-
schäftsführer G der X GmbH unterschrieben wurde: „Anbei übersenden wie
Ihnen ein besonderes Angebot. Sie können unser neuestes Programm
zwei Monate lang für nur 30 EUR testen. Nach dieser Testzeit wird die Soft-
ware unbrauchbar. Sie können Sie bei uns aber eine zeitlich unbeschränkt
lauffähige Version zum Preis von 129 EUR bestellen. Das Aufreißen der
Umhüllung des Datenträgers verpflichtet zur Zahlung der 30 EUR. Die CD
können Sie in jedem Fall behalten.“ Auf dieses Anschreiben wurde auch
deutlich mit dem Etikett auf der CD-Umhüllung hingewiesen.

Später stellte M fest, dass auf der CD der X GmbH ein Virus war, der zum
völligen Verlust aller auf seiner Festplatte gespeicherten Daten führte. Sein
Vater ruft daraufhin bei der X an und beschwert sich. Die X erfährt so von
der Installation der Software auf dem Rechner des M und verlangt von die-
sem die Zahlung der 30 EUR.

Zu Recht?

Lösungsvorschlag

X könnte einen vertraglichen Anspruch gegen M auf Zahlung der 30 EUR Anspruchsgrundlage
haben. Dies wäre der Fall, wenn zwischen X und M ein Vertrag geschlos-
sen wurde, aus dem sich für X ein Vergütungsanspruch ergibt. Ein Vertrag
kommt durch zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene
Willenserklärungen zustande, das Angebot und die Annahme.

Die X GmbH könnte durch das Zusenden der CD ein Angebot abgegeben Angebot
haben. Das Angebot muss so gefasst sein, dass es vom anderen Teil durch
bloße Zustimmung angenommen werden kann, insbesondere muss es die
notwendigen Vertragsbestandteile enthalten. Der CD war ein Begleitschrei-
ben beigefügt, aus dem sich die Überlassungszeit und der dafür zu entrich-
tende Geldbetrag ergab. Die X als GmbH ist gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG
rechtsfähig und wird nach § 35 Abs. 1 GmbHG von ihrem Geschäftsführer
vertreten. Das Anschreiben war vom Geschäftsführer der X GmbH unter-
zeichnet. Das von ihm abgegebene Angebot wirkt nach § 164 Abs. 1 Satz 1
BGB für und gegen die X. Somit gab die X ein Angebot ab.
Dieses Angebot müsste der M angenommen haben. Fraglich ist, ob er be- Annahmeberechtigung
rechtigt war, es anzunehmen, da das Päckchen nicht an ihn, sondern an
seinen Vater gerichtet war. Es ist daher durch Auslegung nach §§ 133, 157
BGB zu ermitteln, mit wem die X vertragliche Beziehungen begründen woll-
te. Es ist anzunehmen, dass sie daran interessiert war, ihr Computerpro-
gramm möglichst vielen potenziellen Abnehmern anzubieten, also mit je-
dem einen Vertrag begründen zu wollen, der die Möglichkeit hat, das Pro-
gramm zu installieren. Das Angebot der X war an einen unbestimmten Per-
sonenkreis gerichtet, somit war auch M zur Annahme berechtigt.

M hat die Annahme des Angebotes nicht ausdrücklich erklärt. Möglicher- Annahmeerklärung
weise erklärte er sie aber konkludent durch Aufreißen der CD-Umhüllung.
Die Annahmeerklärung ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willens-
erklärung und besteht aus dem objektiven und dem subjektiven Tatbe-
stand.

Der objektive Tatbestand liegt vor, wenn ein objektiver Dritter nach Treu Objektiver Tatbestand
und Glauben berechtigt war, den sicheren Schluss auf einen Rechtsfolgen-
willen zu ziehen. Die CD-Umhüllung war mit einem deutlich sichtbaren Auf-
kleber versehen, wonach das Aufreißen zur Zahlung der 30 EUR verpflich-
te. Für einen objektiven Betrachter musste sich das Aufreißen der Umhül-
lung durch M so darstellen, als wolle er das Angebot der X annehmen. Der
objektive Tatbestand liegt somit vor.

Der subjektive Tatbestand besteht aus dem Handlungswillen, dem Erklä- Subjektiver Tatbestand
rungswillen sowie dem Geschäftswillen. Beim Aufreißen der Umhüllung
hatte M den Handlungswillen. Fraglich ist aber, ob er auch einen Erklä-
rungswillen hatte.

Hierzu müsste er das Bewusstsein gehabt haben, eine rechtlich erhebliche Erklärungswille
Erklärung zu äußern. M übersah den Aufkleber auf der Umhüllung und hat
auch das Anschreiben nicht gelesen. Ihm war somit nicht bewusst, dass
das Aufreißen der Umhüllung eine rechtserhebliche Erklärung darstellt.
Nach der Willenstheorie ist das Erklärungsbewusstsein ein unverzichtbares
Element einer Willenserklärung, so dass hiernach keine Annahme vorläge.

Nach der Erklärungstheorie ist jedoch nicht auf den tatsächlichen Erklä-
rungswillen abzustellen, sondern darauf, ob im Hinblick auf den Schutz des
Rechtsverkehrs die Erklärung dem Erklärenden zugerechnet werden kann.
Dies soll dann der Fall sein, wenn der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorg-
falt hätte erkennen können und müssen, dass sein Handeln eine rechtliche
Erklärung darstellt. Der M hat ohne den deutlich sichtbaren Aufkleber zu
beachten die CD aufgerissen. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte ihm der
Aufkleber jedoch auffallen müssen, so dass er erkennen konnte und und
musste, dass das Aufreißen der Umhüllung eine rechtserhebliche Erklä-
rung darstellt.

Die Erklärungstheorie verteilt die Verantwortung sachgerecht zwischen den


Parteien und ist daher der Willenstheorie vorzuziehen. Dem M stünde zu-
dem noch ein Anfechtungsrecht zu, so dass er nicht unverhältnismäßig ein-
geschränkt wird. Somit ist das Aufreißen der Umhüllung dem M grundsätz-
lich als Willenserklärung zuzurechnen.

Möglicherweise war dem M sein Handeln aber dennoch nicht zuzurechnen. Zugangsverzicht
Die X gab mit dem Aufkleber auf der CD zu erkennen, dass die Annahme
des Angebotes allein durch das Aufreißen der Umhüllung zustande kommt.
Hiervon kann sie jedoch erst später, möglicherweise auch nie Kenntnis er-
langen. Folglich hat die X auf den Zugang der Annahmeerklärung nach §
151 Satz 1 BGB verzichtet. Es könnte damit an einem Vertrauen der X feh-
len, die es rechtfertigen würde, dem M das Aufreißen der Umhüllung als
Willenserklärung zuzurechnen. Jedoch verzichtete die X lediglich auf den
Zugang der Annahmeerklärung, nicht aber auf die Erklärung als solche. Die
X kann sich somit auf ein abstraktes Vertrauen berufen, dass bewusste
Handlungen eines Empfängers ihres Computerprogramms, die nach außen
wie eine Annahmeerklärung wirken, auch tatsächlich als Annahme aufzu-
fassen sind. Obwohl die X auf den Zugang der Annahmeerklärung verzich-
tete, ist dem M sein Handeln als Willenserklärung zuzurechnen.

Die Annahmeerklärung könnte nach § 107 BGB unwirksam sein. Hiernach Wirksamkeit der
Annahmeerklärung
ist die Willenserklärung eines Minderjährigen wirksam, wenn die Erklärung
dem M lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder der gesetzliche Vertre-
ter einwilligt. M ist 16 Jahre alt und damit nach § 2 BGB noch minderjährig.
Durch die Annahme des Angebotes der X sollte M verpflichtet werden, 30
EUR zu bezahlen. Diese Zahlungspflicht ist ein rechtlicher Nachteil, so
dass er der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters bedurfte.

Der Vater als Vertreter des M1 nach §§ 1626 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 BGB
hatte keine Einwilligung erteilt. Die nach § 108 Abs. 1 BGB mögliche nach-
trägliche Genehmigung des Vertrages hat der Vater verweigert. Die Erklä-
rung des M war auch nicht nach § 110 BGB wirksam, da dieser die Leis-
tung nicht bewirkt hat. Die Annahmeerklärung des M war somit unwirksam.

M hat die Annahme des Angebotes der X nicht wirksam erklärt, somit kam Ergebnis
kein Vertrag zwischen M und X zustande. X kann vom M nicht die Zahlung
der 30 EUR verlangen.

1 Im Originalfall war der Vater verwitwet, dieses Detail habe ich leider verschludert. So wie der Fall hier gestellt ist,
müsste man sich wohl fragen, wie die Mutter denken würde... 

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