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BLIGH IN VIETNAM

„ Nur weil dieser votzengeile Affenarsch sein beschißenes Ferienlager nicht


aufgeben will, müssen wir uns Tag für Tag und Nacht für Nacht abschinden und
fertigmachen lassen. Ich schwör dir, wenn wir nicht bald hier rauskommen, leg!
ich die Sau um.“
Dave Miller war siebzehn, kam aus irgendeinem Loch in Harlem und war seit
Wochen mein bester Freund. Gleich nach meiner Versetzung zur B-Kompanie
hatte er mir zum ersten Mal das Leben gerettet, indem er mich davor bewahrte,
auf eine Mine zu latschen. Er hatte einfach die besseren Augen, aber ich
denke, wir wären auch so schnell gute Kumpels geworden. Mein Englisch war
immer noch dürftig und er war der Einzige im Zug, der genug Grips besaß, um
sich problemlos mit mir verständigen zu können. Trotz seiner Herkunft brachte
er ansehnliche Deutschkenntnisse mit, die er mit Hilfe eines kleinen
Langenscheidtlexikons ständig erweiterte. Miller war sauer auf Captain Flowert,
weil der ihn letzte Nacht mal wieder eigenhändig vermöbelt hatte.
Bob Flowert übernahm die Disziplinierung seiner Soldaten gern selbst. Uns
bewahrte er dadurch des Öfteren vor einem Truppengerichtsverfahren,
verscherzte sich aber bei einigen seiner Männer die letzten Sympathien, weil
sie es darauf anlegten, ins Gefängnis zu kommen. Das war der einzige Weg,
der Hölle lebendig zu entfliehen, aber Flowert versperrte ihn mit der
Gewissenhaftigkeit eines Schulmeisters.
Wir lagen nahe an der Grenze zu Kambodscha, mitten im tiefstem Dschungel
zwischen den Linien. Ein vorgeschobener Vorposten sozusagen und hatten
fast täglich Feindkontakt. Der Vietkong schickte alles herüber, was kriechen
konnte, vom Kleinkind bis zum Greis. Oft waren sie nur mit Bambusprügeln
oder Flitzebögen bewaffnet. Auf zehn Mann kam vielleicht ein Gewehr. Wir
waren deshalb aber nicht großartig im Vorteil, das Dickicht erlaubte nur eine
Sicht auf wenige Meter. Es spielte sich viel im Nahkampfbereich ab. Mann
gegen Mann, Messerarbeit.
Miller hatte sich geweigert, einen Gefangenen zu erschießen und war deshalb
bestraft worden. Flowert machte nur noch ungern Gefangene in seinem
Frontabschnitt und wenn dann nur, um sie zu verhören. Er hatte da seine

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eigenen Methoden. Ich erlebte es selbst, wie er einem finster starrenden
Vietkongoffizier die Hände auf den Rücken gebunden hatte und den Mann
dann an den verbundenen Händen rückwärts aufgehängt hatte. Der Vietkong
verzog keine Miene, obwohl er teuflische Schmerzen erleiden musste. Flowert
konnte nichts aus ihm herausbekommen und überließ ihn deshalb seiner
Hauskatze, einem Tiger, dem Menschenfleisch schmackhaft gemacht worden
war.
Der Captain band die Delinquenten zu diesem Zweck an einen speziellen
Baum und stieß dazu einen eigenartigen Lockruf aus, der die Raubkatze zu
einem neuen Festmahl einlud. Die Sache hatte noch einen Vorteil. Wir wurden
daran gehindert, uns nachts davonzustehlen. Niemand wollte der mordgierigen
Bestie im Dunklen begegnen. Flowert nächtigte in einem mit Blättern
bedachten Unterstand. Das Doppelbett, das sich darin befand, teilte er
meistens mit mehreren Prostituierten oder besser gesagt solchen
Einheimischen, die er dazu gemacht hatte.
Oft kam er ganze Wochen nicht hoch. Nicht wegen den Weibern, sondern weil
ihn seine Nerven im Stich ließen. Er war tablettenabhängig und wenn ihm seine
Ration ausging, war Sense. Erst wenn mit dem Helikopter Nachschub in Form
von Tranquilizern kam, ging es weiter. Wir mussten wieder ran. Seine
Vorgesetzten schien diese Eigenart nicht zu stören. Im Gegenteil, sie waren mit
seiner Arbeit hochzufrieden. Er sammelte so viel Lametta wie kein anderer. Er
kam zwar nicht als General nach Hause, aber hochdekoriert. Feigheit konnte
man ihm nicht vorwerfen. Wenn er fit war, marschierte er ganz vorne mit, ohne
Rücksicht auf Verluste. Er geriet sogar mehrmals in Gefangenschaft, schaffte
aber immer wieder den Ausbruch, auch schwer verwundet. Er war schon ein
zäher Hund. Er unterhielt sich ab und zu mit mir über Deutschland, blieb aber
sonst wortkarg und verschlossen. Davon besessen durchzuhalten und den
Gegner mit purer Willenskraft zu besiegen. Nach dem Krieg soll er mehrere
Jahre in einer Anstalt verbracht haben. Eine Legende blieb er dennoch.

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