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Der Tag verging mit den Vorbereitungen zur Ab-

reise, am Abend brachten mich meine Angehrigen zum

Omnibus. Meine Mutter nahm weinend von mir Ab-

schied. Der Schmerz um den einzigen Sohn, in dem sie

einen verlorenen Sohn sah, nagte ihr am Herzen, und

sie hat die Trennung nicht lange berlebt.

Im Omnibus saen nur Juden, und das allgemeine

Gesprch war die kurz vorher erfolgte Absetzung des

Kaisers von Brasilien. Sie zeigten ein besonderes Inter-

esse fr ihn, denn sie erzhlten, da er Hebrisch ver-

stnde und sich einen Lehrer fr Hebrisch hielte. Er

wre vor einigen Jahren in Jerusalem gewesen, da htte

er eine Synagoge aufgesucht, sich eine Thorarolle ffnen

lassen und daraus ein Stck vorgelesen.

Ich kam frhmorgens in dem Stdtchen an und fand

dort eine Fahrgelegenheit nach der kleinen Grenzstadt

Dobrzyn, wo ich gegen Abend ankam. Ich ging zu Ver-

wandten, und es wurde beraten, wie ich ber die Grenze

kommen knnte. Ein Mann kam und sagte, ein Wagen

wre mit Getreide herbergekommen, er fahre mit leeren

Scken zurck, ich sollte mich unter die Scke legen

und wrde so ber die Grenze kommen. Doch ich hatte

schon genug von den Kosaken gehrt, die in Wagen hin-

einstchen, um zu sehen, ob sich nicht jemand in ihnen

verstecke. Ich hatte keine Lust, die nhere Bekannt-

schaft der Kosakenbajonette zu machen, und lehnte

diesen Weg ab. Schlielich meinte ein Verwandter, ich

sollte mit ihm zum Grenzamte gehen, es wre nicht so

schlimm. Ich ging mit ihm hin; er sagte dem Vorsteher,

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Generated on 2014-04-14 10:33 GMT / http://hdl.handle.net/2027/uc1.$b386257 Public Domain, Google-digitized / http://www.hathitrust.org/access_use#pd-google

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