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r K ü n d i g u ng

n s p a p i e r zu g
Positio h e l m s b u r
l a d e n s W il
des Inf o h d i e S a ga
. 2 0 1 0 du r c
zum 3 0 . 0 6
Die Saga hat den Infoladen Wilhelms- Gentrifizierung ist ein bewusst ges-
burg zum 30.6. 2010 ohne Angaben teuerter Prozess, der darauf abzielt
von Gründen gekündigt. Zwar ent- durch Angebote in Infrastruktur und
spricht dies den rechtlichen Grund- Dienstleistung neue Bewohner in ein
lagen und ist somit auf juristischer Stadtviertel zu ziehen, heißt das Viertel
Ebene nicht anfechtbar, dennoch wird aufgewertet. Erfolgte Umbau-
beziehen wir, der Infoladen Wilhelms- maßnahmen und Neubebauungen
burg, zu diesem systematischen Vorge- sind darauf ausgerichtet einen sozialen
hen der Saga Stellung. Wandel zu erreichen. Klassisch ist dabei
Die Saga wurde gegründet, um so- auch, dass einkommensschwache
zialen und günstigen Raum von der Stadtviertel zu einkommenstärken
Stadt verwalten zu können, so dass Quartieren gewandelt werden. Den
nicht nur Geld und Status Wohnraum dort lebenden Menschen bleibt nur
ermöglichen. der Wegzug. Dieser Prozess wird meist
Die letzten Jahre widersprechen dieser auf eine politischen Ebene angestoßen
Zielsetzung eindeutig, vermehrt wird und von dieser getragen.
sichtbar, dass die Saga Teil verdrän- Auch städtische Unternehmen sind
gender Mietspekulationen ist. Sei es, Teil dieser Umstrukturierungen- heißt
dass die Mieten trotz vernachlässigter in Hamburg ist auch die SAGA GWG
Wohnungen an den hochgetriebenen Träger eine Mitverantwortung dieser
Mietspiegel angeglichen werden – sozialen Vertreibung von Anwoh-
Mietwohnungen in Eigentumswoh- ner_Innen. Im Vorstand der SAGA GWG
nungen umgewandelt werden – oder sitzt Frau Hajduk, die in der Funktion
Sozialwohnungen nur noch einen als Senatorin für Stadtentwicklung
Minimalsatz des Saga- Wohnungsbaus und Umwelt, die politischen Interessen
ausmachen. Hamburgs in der Stadtentwicklung
Das Selbstbild der Saga GwG wider- vertritt und dabei die ökonomischen
spricht diesen Tatsachen. Interessen der Stadt durchsetzt.
Im Widerspruch dazu feiert sich die Wir vom Infoladen Wilhelmsburg ver-
Saga als Unternehmen, welches sich stehen die Kündigung als ein Opfer des
seiner „Gesellschaftlichen Verantwor- Gentrifikationprozesses und nehmen
tung“ bewusst ist und setzt sich als diesen zum Anlass, den Widerstand
Befürworter von „Klimaschutz“ und gegen die IBA usw. zu organisieren.
„sozialem Ausgleich durch Kunst und Aus diesem Grund werden wir uns
Sport“ und somit einer steigenden im Folgenden auch zum derzeitigen
„Lebensqualität“ in Szene.*1) Umstrukturierungsprozess äußern und
Des Weiteren ist sie Partner der IBA und erkennen die Kündigung als Zeichen
IGS 2013, die ‘Projekte für die Metropo- gegen Kritiker_Innen der IBA &IGS
le der Zukunft’ in Wilhelmsburg erstellt 2013 beziehungsweise als Angriff auf
und dabei den Prozess der Gentrifizier- soziale und politische Freiräume.
ung initiiert.*2)

*1) Saga-GWG- Homepage


*2) Iba-hamburg.de
Die internationale Bauaustellung – gerne hätte. Vielleicht ist das einfach
oder auch „Entwürfe für die Zukunft nicht das Bild des multikulturellen, grü-
der Metropole“*3 nem und belebten Stadtviertels, dass
Mit diesen Projekten liefert die IBA Ham- die IBA- Fachleute und der Hamburger
burg innovative, nachhaltige Beiträge Senat und Wirtschaft als Maßstab gel-
zu aktuellen Fragen der Metropole- tend machen.
nentwicklung (Internationalisierung
der Stadtgesellschaft, Gestaltung von Im Zuge dessen gibt es ja auch noch
inneren Stadträndern, die Rolle der Stadt die Internationale Gartenschau...
im Klima-wandel) und zeigt beispielhafte „Es geht bei der igs 2013 nicht nur um
Lösungen für die drängenden Probleme Gärten und Blumen – Ziel ist die Er-
der Stadt – für städtebauliche Probleme schaffung eines  Stadtparks für das 21.
wie auch für Fragen der städtischen Jahrhundert auf der Elbinsel Wilhelms-
Ökonomie und des Zusammenlebens. burg, Europas größter Flussinsel. Der
Zu ihren Projektideen gehören beispiels- Standort lässt schon erahnen, dass die
weise der Umbau eines ehemaligen attraktive Hamburger Mischung von
Bunkers zum „Energiebunker“ - ein Wasser und Grün auch hier eine tragende
energiegewinnendes Veranstaltung- Rolle erfährt. Dies wird verbunden mit
szentrum mit der größten Sonnenkollek- den aktuellen Themen von Fitness an
torfläche Europas, eine breit angelegte der frischen Luft und Wellness in an-
Bildungsoffensive sowie die „Neue Mitte genehmer Umgebung. Wilhelmsburg ist,
Wilhelmsburg“ – ein Areal mit Wohnge- außer vom Wasser, von einer internation-
bäuden, Freizeitangeboten, Einzelhandel alen Bevölkerung und dem nahen Hafen
und dem neuen Standort der Behörde für geprägt.“*5
Stadtentwicklung und Umwelt.*4

Diese Vorhaben der IBA 2013 bzw. von


deren Fachleuten basiert auf einer
Unterstellung, in der kein Leben, keine
Menschen in Wilhelmsburg existieren
und damit auch keine Lebensqualität.
Doch dies widerspricht der Realität. Es
gibt Menschen, Einzelhandel, Wohnun-
gen und Freizeitangebote- vielleicht
gilt als Einschränkung, dass die Men-
schen nicht rundum vermögend sind,
einen Migrationshintergrund haben,
ihre Wohnungen klare Defizite in quali-
tativem Standard vorweisen und viel-
leicht sind kleine Familienläden nicht
so umsatzstark und die Parks nicht so
modern wie es eine Weltstadt
*3) Igs-hamburg.de
*4) Igs-hamburg.de
*5) Igs-hamburg.de
Dieser Weg der ‘Erschaffung’ verlangt Die grüne Insel Wilhelms-
einiges: burg wartet auf euch.
Derzeit wird ein natürliches Biotop Heißt aber auch: An den
zerstört, damit ein Park geschaffen Wohnungen wird nix
wird. Ein anderer Park ist nicht mehr gemacht, sie werden nur
zugänglich für die Anwohner aufgrund teurer. Und die Alteinge-
von Umbaumaßnahmen. sessen Menschen und Struk-
Das Schwimmbad Wilhelmsburg wird turen werden verdrängt.
in einen Wellness- Tempel umgebaut. Wilhelmsburg als neuer
Und es entsteht eine riesige Outdoor- Beleg für unsoziales und
und Indoor- Kletterhalle. kapitalistisches Arbeiten.
Im Endeffekt lassen Projektvorha-
ben der IBA den Eindruck entste- Dennoch leben wir hier.
hen, dass Wilhelmsburg zum neuen Wir sitzen im Grünen mit
Spaßparadies Hamburgs avancieren unseren Familien und Freun-
soll. den, kaufen beim Händler
um die Ecke ein und grüßen
Der ‘Sprung über die Elbe’ entäußert unsere Nachbarn. Wir zahlen
sich dabei zur Farce. Zum Einen den unsere Miete in der Hoff-
Menschen im Viertel, die in einen ex- nung, dass auch die Mängel
istenzbedrohenden Kampf um Wohn- behoben werden. Wir leben
und Lebensraum verwickelt werden in diesem Stadtteil und zwar
und zum Anderen jenen Menschen, die bewusst. Wir haben keine
mit geringen Mieten und hohem Leb- Lust auf ein Viertel mit über-
enskomfort hierher gelockt werden, teuerten Mieten, voller Cafes,
um dann nach kurzer Zeit feststellen zu hippen Leuten, die teure Klamotten in
müssen, dass Wohnungsmängel und ihren Geschäften verkaufen. Wir wollen
Höhe der Miete genauso wie in der nicht, dass die alten angesiedelten
Schanze, Pauli, Altona und St . Georg Geschäfte schließen müssen wegen
Alltag sind. höherer Mieten, oder weil die Vermi-
Letztendlich ist die Gentrifikation- eter das Viertel mit jüngeren Geschäft-
Politik in Wilhelmsburg ein Prozess, sideen besetzen wollen. Wir brauchen
der sich nur auf einer Image-Ebene keinen Sauna- und Wellness-Tempel,
bewegt. Heißt her mit den Studenten, wo die Familien auf eine Tageskarte
jungen kreativen Köpfen, Jungun- sparen müssen und die Kids nicht am
ternehmern und jungen deutschen Schwimmunterricht teilnehmen kön-
Familien von der anderen Elbseite. nen, weil die Preise zu hoch sind. Wozu
eine Kletterhalle? Wenn das Geld für
Eintritt, Ausrüstung nicht da
ist. Natürlich freuen wir uns darüber,
wenn die Spielplätze und Sportplä-
tze brauchbar und schön sind, wenn
auch der Park neue Bänke und Tische
bekommt, das Schwimmbad eine Was-
serrutsche und ein breites Angebot für
sportliche Aktivitäten hat, wir negieren
die Veränderungen nicht. Auch wir
haben Lust auf Lebensqualität. Doch zu
einer Bedingung. Sie muss bezahlbar
sein, im Idealfall umsonst, so dass jeder
Mensch unabhängig vom Einkommen,
diese Freizeitoptionen wahrnehmen
kann. Doch bereits die öffentliche
Diskussion mit Frau Hajduk zum
Thema Eintrittspreise für Schüler in der
zukünftigen Kletterhalle blieb offen.*6
Dennoch sollte über die Insel hinaus
geschaut werden, inwiefern solche
Umstrukturierungsprozesse sozial ble-
iben. Das Budget für die Hafencity, die
U4 oder die Elbphilharmonie scheint
unendlich, doch Gelder die die Men-
schen bekommen sollen, sind dagegen
kaum erwähnenswert. Und deshalb
warnen wir davor, die Veränderungen
in diesem Viertel als ausschließlich
positiv zu empfinden. Denn Mieterhö-
hungen, Streichung von Geldern für
soziale Projekte oder Kündigungen von
Mietverträgen insbesondere sozialer
und ehrenamtlicher Projekte sind er-
fahrungsgemäß die Begleiterscheinun-
gen einer solchen Umstrukturierung.

Das ist keine Aufwertung der Leben-


squalität. Das ist Verdrängung – von
Menschen, von Familien, von Leben.
Das ist bodenlose und menschen-
verachtende Spekulation um Raum
und Geld. Und das werden wir nicht
akzeptieren.
*6) http://www.hamburg.de/politik-und-projekte/2059318/kletterhalle.html
Und die Saga mischt ordentlich mit. Es Mitgliedern im Rahmen von Förder-
geht um Umstrukturierung mit dem ungsprogrammen in diesen Stadtteil
Ziel mehr Geld einzunehmen, sei es kamen.
durch die Menschen vor Ort über Miet- Aus diesem Grund lag es in unserem
verhältnisse oder durch die Besucher, Interesse, uns in den Stadtteil zu integ-
die den grünen, multikulturellen und rieren, insofern es unsere Kapazitäten
szenigen Stadtteil zukünftig besuchen zulassen. Es ging uns nicht darum, den
sollen oder jene, die sich hier ansiedeln Stadtteil zu ändern oder ähnliches,
sollen für eine attraktive und umsatz- sondern wir haben uns für die Form
starke Infrastruktur. entschieden, einen Raum zu schaffen,
Der Anfang ist gemacht: die Rundfahrt der offen ist für alle, die sich politisch,
mit dem Bus durch das Reiherstieg- sozial und gesellschaftlich interes-
Paradies bietet Ihnen viele exotische sieren. Diesen Anspruch haben wir
und fremde Eindrücke, die sie faszinie- versucht auf unseren 28 qm über die
ren werden. Heute im Angebot: Die letzten zwei Jahre gerecht zu werden.
Familien- Tageskarte für 25Euro. Unser Infoladen als Treffpunkt ist frei
von Kategorien des Alters, Geschlechts,
Und in dem Wissen von all diesen
Veränderungen, Ambitionen der Stadt
und inmitten des Wilhelmsburger All-
tagsleben soll wieder einmal ein Raum
spurlos verschwinden, der versucht
sich kritisch mit dieser Entwicklung
auseinander zu setzen und in dem
Ganzen, als Alternative einen Raum
zu schaffen versucht, der soziales und
politisches Interesse und Handeln in
sich füllt.
Der Infoladen Wilhelmsburg als
Initiative wurde vor zwei Jahren von
jungen Leuten gegründet, die auf
Grund von überhöhten Mieten den
Sprung über die Elbe wagten. Gründe
waren mangelndes Geld wie aber auch
Umstrukturierungen bekannter Viertel
zu Spaß- und Konsummeilen und dem
Widerwillen Teil von so etwas zu sein
und darin zu leben.
Die Idee des Ladens besagt, ein sozia-
les Wilhelmsburg sichtbar zu machen
und zu gestalten. Dabei setzten wir
uns zum Ziel, kritisch damit umzuge-
hen, dass auch viele von unseren
sozialem Milieu, Lebenslauf oder Na-
tionaler Zugehörigkeit. Es wird mitein-
ander gesprochen, sich ausgetauscht,
geholfen, gemeinsam Zeit verbracht,
sei es beim Kaffee trinken oder ge-
meinsamen Essen.
Dieser Raum will kein Geld er-
wirtschaften oder sich verkaufen. Die-
ser Raum will nichts, sondern er bietet
allen Interessierten eine Möglichkeit,
Teil zu werden und sich zu integrieren.
Letztendlich bedeutet genau das,
Verantwortung zu übernehmen, für
sich selbst und seine Mitmenschen und
für seinen Stadtteil, ihn zu gestalten,
mit zu tragen und dabei die erwähnte
Lebensqualität zu schaffen, die allen
zugänglich und erfahrbar sein muss.
Umso erstaunlicher und doch auch
verständlich, warum die Saga uns nicht
mehr in der Fährstraße haben will,
haben wir doch die selben Vorha-
ben... wohl unser Ansatz vom selbst-
organisierten und unkommerziellen
Agieren passt wohl eben nicht in das
Konzept der Saga und im weiteren der
Stadt- zu bunt und selbstbestimmt
sind die Menschen, die dort ein und
ausgehen, zu kritisch gegenüber den
bestehenden sozialen, politischen und
gesellschaftlichen Zuständen in dieser
Stadt und dieser Welt- zu eigen für die
Vorhaben der Saga im Rahmen der IBA
und IGS 2013 aus Wilhelmsburg bzw.
dem Reiherstieg- Viertel eine zweite
Schanze zu machen. Die Plakate im
Fenster passen nicht zur Saga.

Und das wollen wir auch nicht..


Mit den uns gegebene Mitteln und Ansprüchen bleibt uns nichts
als die Kündigung hinzunehmen- akzeptieren werden wir sie nicht.
Unsere Kritik und unser Aufbegehren richtet sich nicht nur auf
unseren Laden, der uns genommen worden ist, sondern gegen all
jene, die Menschen ihren Raum als Wohnung oder sozialen Tref-
fpunkt nehmen. Wir rebellieren gegen die Saga, gegen die IBA/ IGS
2013, gegen den Hamburger Senat, gegen jene, die eine solche
Entwicklung in dieser Stadt und überall forcieren, die fern von jeg-
licher sozialer und gesellschaftlicher Gerechtigkeit ist und soziale
Unterschiede nur noch ausreizt und verhärtet. Gegen jene, die
sexistische, rassistische, faschistische und kapitalistische Politik
betreiben!
Und somit reihen wir uns ein in den Block von Menschen, Initia-
tiven und Vereinen, die gegen die Saga aufbegehren und sie zu
einer neuen Politik animieren wollen, die tatsächlich in dem Inter-
esse der Hamburger_Innen steht und nicht mehr von wirtschaftli-
chen Interessen geleitet ist. Wir rufen alle Betroffenen und Inter-
essierten auf, sich dem Bündnis ‘Recht auf Stadt’ anzuschließen
und sich der gebündelten Heterogenität zu Nutze zu machen und
einen gemeinsamen Kampf aufzunehmen.

Für ein selbstbestimmtes Leben!


Frei von Diskriminierung.
Für Räume, die für die Menschen
sind und durch die sie leben.
Träume brauchen Räume - Kein
Tag ohne Infoladen!
Infoladen Wilhelmsburg, April 2010

Post: Infoladen Wilhelmsburg, Fährstraße 10, 21107 Hamburg


Mail: infoladen-wilhelmsburg@nadir.org
Www: http://infoladen-wilhelmsburg.nadir.org
Öffnungszeiten: Di+Do 15-19 Uhr, Sa 13-16 Uhr, Do 19.00 Uhr Küfa

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