Sie sind auf Seite 1von 1

Auszug aus der Stuttgarter Zeitung, Freitag, 30.

Oktober 1987

Gestatten...

Thomas Mellios
Ensemble-Leiter

Am 5. Dezember gibt Thomas Mellios mit seinem deutsch-griechischen Folklore-Ensemble


„Archipelagos“ ein Konzert im Mozartsaal der Liederhalle. Am Ende der Darbietungen wird er, wie
bei allen seinen Konzerten, den Beifall des Publikums unterbrechend, an die Rampe treten, und er
wird im Namen der seiner Künstler an alle Bevölkerungsschichten – und an die nicht anwesenden
Politiker – appelieren, sich für das kommunale Wahlrecht der ausländischen Mitbürger einzusetzen.
Und er wird versichern, daß der gute Wille Berge versetzen, also auch das Zusammenleben
zwischen Deutschen und Ausländern fördern und verbessern kann. 1965 ist Thomas Mellios,
Maschinenbautechniker und in seiner Heimatstadt Thessaloniki bis zur Konzertreife ausgebildeter
Tenor, in die Bundesrepublik gekommen. Für drei Jahre, wie er damals meinte, die er
nebenberuflich auch zu seiner musikalischen Weiterbildung nutzen wollte. Er ist heute noch hier,
denn nach drei Jahren hatte ihm nicht nur in Stuttgart seine Frau Despina einen Sohn, Akis, geboren
, sondern in seiner Heimat hatte ein Militärputsch stattgefunden, der ihm die Heimkehr verleidete.
So blieb er technischer Kaufmann bei Bosch, gab zunächst im kleineren Kreis Liederabende und
Arienkonzerte und wechselte 1978 zur Kirchenmusik, als er mit Händels Messias in der Herz-Jesu-
Kirche im Stuttgarter Osten erfolgreich debütierte. Mit Messen von Mozart und Schubert ging es in
fast allen Stuttgarter Kirchen (nebenberuflich) weiter; aber während seine Frau Despina als
Fürsorgerin für Griechen beim Diakonischen Werk immer mit ihren Landsleuten und deren Nöten
eng verbunden blieb, fühlt sich Mellios – im Beruf, wie in der Kirchenmusik erfolgreich –
schließlich mehr und mehr in seine Wahlheimat eingegliedert.

Das soziale Engagement seiner Frau für ihre griechischen Landsleute ließ ihn dann eines Tages die
Frage was er selbst, der es in der Bundesrepublik inzwischen „geschafft“ hat, eigentlich für seine
ausländischen Mitbürger tue. Und da er ohnehin gerade als Folklore-Interpret mit dem Oratorium
„Axion Esti“ von Theodorakis im kleinen Haus des Staatstheaters einen großen Erfolg gehabt hatte,
begann er eine „Tournee“ durch viele Städte Baden-Württembergs und bildete aus den jungen
Musikern dieses Ensembles das Folklore-Ensemble „Archipelagos“.

Acht Musiker – vier Griechen (unter ihnen sein Sohn) und vier Deutsche – und vier Gesangssolisten
singen und spielen inzwischen landauf landab, und sie werben dabei um gegenseitiges Verständnis
und ein besseres Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in der Bundesrepublik.

Thomas Mellios ist im ideelen Sinne neben seine Frau getreten und hat neben seinem Beruf eine
Aufgabe gefunden, die ihn ausfüllt. Er verfügt, wie schon gesagt, über einen zur Konzertreife
ausgebildeten Tenor, auf den er Wert legt, heißt nach jedem Konzert vorn auf der Bühnenrampe:
„Wir rufen alle Organisationen des Friedens und der Kultur auf, wir wenden uns an alle Männer
und Frauen Deutschlands und alle verantwortlichen Politiker, gemeinsam eine Gesetzesänderung
herbeizuführen, die den ausländischen Mitbürgern in der Bundesrepublik das Kommunale
Wahlrecht einräumt.“

Gerhard Engel

2010 Abschrift erstellt durch http://www.diaphania.de

Das könnte Ihnen auch gefallen