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In der Kühle des Tages hört‘ ich wandeln, und sah ihn

Durch den Garten des Frühling gehen, den Herren des Gartens.
Auf dem Wagen des Windes, im Lichtmantel der Wolke fuhr er ferne vorüber.
Leiser rauschten die Zweige, tiefer neigten die Wipfel,
Und anbetend am Boden lagen Gräser im Taue.
Alle Herzen der Schöpfung schlugen feierlich ihrem
Schöpfer, ihm auch das meine.

Ja, du hast mich geschaffen, und du wirst mich erhalten;


Ja, du wirst mich begraben, und du wirst mich erwecken.
In dir leb‘ und sterb ich,
In dir denk und atm‘ ich;
Lass die Freude des Daseins, das du gabst, mich genießen.

Friedrich Rückert, Werke I, 235

Letztes Gedicht
Verwelkte Blume
Menschenkind,
Man senkt gelind
Dich in die Erde hinunter.
Da wird ob dir
Der Rasen grün
Und Blumen blühn,
Und du blühst mitten darunter.

Rückert I, 177

Je länger du’s gehabt, je länger willst du‘s haben,


Und ein Geliebtes wird dir stets zu früh begraben.
Du bildest dir ein, es sei auf ewig dein,
Und solltest Gott, der dir’s so lang ließ, dankbar sein.
Wer einmal hier hat in geliebtem Angesicht
Des Todes Bild geseh’n, vergisst es ewig nicht.
Der Schatten legt, wohin fortan dein Auge schaut,
Sich über alles, was dir lieb ist oder traut.
Du hast in Gott gelebt, und bist in Gott geschieden,
Und bist geblieben, wo du warst, in Gottes Frieden....
Das ist die Seligkeit, die dort sich wird entfalten
In jeder Seele, die sie hier im Keim enthalten.
Wie unentwickelt auch, wie eingewickelt sei
der Himmelskeim, der Hauch des Himmels macht ihn frei.
Die Fülle tritt hervor, die Hülle muss verwesen,
Und gleich im Wandel bleibt die Wesenheit der Wesen.

Rückert I, 307

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