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Die Eröffnung
des Gottesreiches
durch die Ausgießung
des Heiligen Geistes
Erich Sauer (1898-1959) war als Leiter des Missionshauses Bibelschule Wiedenest
weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt als scharfdenkender, aber im-
mer bibelbezogener Theologe. Wenn manche Gedanken auch philosophisch klingen
mögen, so werden sie gleich im nächsten biblisch belegt und geerdet. Sauers Gedan-
ken sind nicht abgehoben. Eine stille Ecke, eine aufgeschlagene Bibel und ein wenig
Zeit sind nötig, die Pinselstriche Sauers nachzuvollziehen. Die Beiträge in dieser
Serie erscheinen mit der freundlichen Genehmigung des Brockhaus Verlags (Erich
Sauer: Der Triumph des Gekreuzigten (c) 1998 R. Brockhaus Verlag Wuppertal).
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stellt. Dies ist das dreifache Zeugnis Jesu Christi (Apostelgeschichte 16, 7;
des Geistes an die Welt. So hat es Römer 8, 9), und sind darum Men-
der Herr Jesus selber beschrieben schen „in Christo“ (2. Korinther
(Johannes 16, 8 - 11). In dem allen 12, 2), mit ihm gliedartig vereint.
aber verbindet sich der Geist mit Gerade dies aber ist die eigent-
dem Wort (1. Korinther 2, 2 - 4); er liche Hauptbedeutung des Pfingst-
legt seinen Werkzeugen die Worte ereignisses: Der von dem Himmel
in den Mund (Matthäus 10, 20; herniedergesandte Geist des Sohnes
Apostelgeschichte 1, 8) und macht (Galater 4, 6) verbindet die Erlösten
das gesprochene und geschriebene mit dem Erlöser, führt ihre Einglie-
Wort wirksam und lebendig (1. derung durch (1. Korinther 12, 13)
Thessalonicher 1, 5; Hebräer 4, 12). und eignet dem Glaubenden die
volle Frucht des Opfers Christi zu.
Das in der Menschwerdung und
Auferstehung Christi erst göttli-
Er spendet Leben
Die Gewonnenen wandelt er um.
Zum Seelengewinnen fügt er das
Seelenerneuern hinzu (Titus 3, 5)
„Der Geist ist‘s, der lebendig macht“
(Johannes 6, 63; 2. Korinther 3, 6;
Galaterater 5, 25), der die Gebun-
denen zu Freien (2. Korinther 3, 17;
Römer 8, 2), die Sklaven zu „Söh-
nen“ macht (Römer 8, 14; Galater
4, 6). Er ist der Geist der Sohn-
schaft (Römer 8, 15). Christen sind cherseits begründete, organische
Menschen, geboren aus dem Geist Verhältnis wird nun durch die Aus-
(Johannes 3, 5; 6; 8). Sie empfingen gießung des Geistes auch mensch-
nicht nur Neues, sondern wurden licherseits erfahrene Wirklichkeit.
ein Neues (2. Korinther 5, 17), Der Herr ist der Geist (2. Korinther
wurden umgeschaffen in dem Keim 3, 17; 1. Korinther 15, 45), und „wer
ihres Wesens. Sie sind Menschen dem Herrn anhängt, ist ein Geist
„im Geiste“ (Römer 8, 9), dem Geist mit ihm“ (1. Korinther 6, 17). Er
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macht (Römer 8, 26). Er leitet ihr 4. wie ein Wasser, das reinigt
Zeugnis (Matthäus 10, 20; 1. Petrus (Hesekiel 36, 25 - 26)
1, 12) und erfüllt es mit Gotteskraft 5. wie ein Frühregen, der erquickt
(1. Korinther 2, 4) und werden sie (Joel 2, 23; 3, 1)
geschmäht, so ruht er als Geist der 6. wie ein stilles, sanftes Säuseln
Herrlichkeit auf ihnen (1. Petrus. (Sacharja 4, 6; 1. Könige 19, 12 - 13)
4, 14). In dem allen aber ist er die 7. wie ein brausender Sturmwind,
Kraft aus der Höhe (Lukas 24, 49; ge- heimnisvoll und doch
Apostelgeschichte 1, 8): mächtig (Apostelgeschichte 2, 2;
Johannes 3, 8).
1. wie ein Baum, der seine Frucht
bringt (Galater 5, 22)
2. wie ein Öl, das da salbt und leuch-
tet (Apostelgeschichte 10, 38)
Er verklärt
3. wie ein Feuer, das entflammt Für die Zukunft aber ist er die
(Apostelgeschichte 2, 3 - 4; 2. Gewähr unserer Errettung: das Siegel
Timotheus 1, 6) unseres Heils (Epheser 1, 13; 4, 30;
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Eine vierte Möglichkeit besteht Korinther 6, 2 - 3).
nicht. Dies neu zu gewinnende Ihr Ziel ist ihre Erhöhung und
Gottesvolk nennt die Schrift „Ek- Verherrlichung in Christo. Sie lebt
klesia“ (Matthäus 16, 18; Epheser vom Himmlischen, im Himmli-
1, 22; 3, 10; Kolosser l, 18). Es ist schen, zum Himmlischen hin; ihr
die durch die Heroldsbotschaft Weg ist ewig, ihr Wesen Ewigkeit.
des Evangeliums (1. Timotheus Sie ist aus der Ewigkeit, für die Ewig-
2, 7) aus Juden und Heiden (Eph- keit, herausgenommen aus der Zeit.
eser 2, 11 - 22) herausberufene „Ekklesia“ hatte im Alten Bunde
(Römer 11, 7) Schar der Erlösten, schon Israel geheißen. Ungefähr
die, im Genuss des himmlischen einhundertmal kommt das Wort in
Bürgerrechts (Philipper 3, 20) und der Septuaginta, der griechischen
im Besitz des göttlichen Adels Übersetzung des Alten Testaments,
(Johannes 1, 12 - 13), dereinst die vor, also fast genau so oft wie im
„gesetzausführende Versammlung“ Neuen Testament. Fast überall ist
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es die Wiedergabe des hebräischen ergeben. Sie wurde darum der heils-
Wortes „kahal“. Dieses bedeutet geschichtliche Kern des Volkes, der
zwar zunächst ganz allgemein jede Träger seiner Berufung, das eigent-
Art von „Versammlung“, hat aber liche Israel, das wahre Volk Gottes,
einen besonderen Sinn durch seine die tatsächliche und wesenhafte
Zuordnung zu Jahwe (Jehovah), Verkörperung des alttestament-
dem Gott Israels, erhalten. „Kahal lichen Ekklesia-Gedankens. An
Jahwe“, „Ekklesia Gottes“, ist Israel sie richteten sich darum auch alle
als berufenes, versammeltes Gottes- Verheißungen des Gottesreiches.
volk. Seine anschaulichste Darstel- Während die Gesamtheit des un-
lung in diesem seinem Charakter gläubigen Israel dem Gerichtsurteil
findet es in der Wüste. Um die verfällt, wird die Schar der Ge-
Stiftshütte herum liegen wohlgeord- treuen als Überrest aus den Gerich-
net die Zelte des zwölfstämmigen ten gerettet. Zugleich wird sie zur
Volkes. Auf den „Ruf“ der Herolde Grundlage der Durchführung und
hin „versammelt“ es sich auf dem Vollendung des Planes eines Gottes-
Platz vor der Hütte. Hier steht es als volkes. Überrest ist darum bei den
das Volk Gottes da, um die Be- Propheten geradezu die Sonderbe-
fehle und den Segen seines Gottes zeichnung geworden für das Got-
zu empfangen. Auch im Neuen tesvolk, die Ekklesia der Endzeit.
Testament wird Israel als „Ekkle- Als solches ist sie übrigbleibender
sia“ bezeichnet (Apostelgeschichte „Wurzelstock“, „heiliger Same“, aus
7, 38). Es ist das Wort für die ideale dem neues Leben ersprießt (Jesaja
Einheit Israels als des auserwählten 6, 13), kleine Herde, die einst das
Volkes, auch wenn es räumlich als große Reich empfängt (Micha
Kultgemeinschaft nicht versammelt 2, 12; Lukas 12, 32). Die Existenz
war (2. Mose 16, 3; 4. Mose 15, 15). und Geschichte dieses wesenhaften
Aber Israel als nationale Gesamt- Kerns der alttestamentlichen „Ek-
heit beschritt gar zu bald den klesia“ ist darum die Voraussetzung
Weg des Abfalls. Es verlor seinen und Vorbereitung eines endzeit-
praktischen Charakter als Volk lichen Gottesvolkes.
Gottes. Es wurde „Lo Ammi“, das Dieses endzeitliche Volk Gottes
heißt, „Nicht-mein-Volk“ (Hosea zu sein, behaupten die Christen. Sie
1, 9). Nur ein Bruchteil, die kleine sind das Ziel der alttestamentlichen
Schar der Treuen, blieb ihrem Gott Geschichte (1. Korinther 10, 11),
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ters. Ihm fehlt noch die weltumfas- den Mund seiner heiligen Propheten
sende Weite. Es liegt noch in der von jeher geredet hat“ (Apostelge-
Übergangszeit aus der alten in die schichte 3, 19 - 21). Hier also lässt
neue Haushaltung. Ja, noch nach Gott durch Petrus dem Volk Israel
Pfingsten vollzog Petrus sogar ein verkünden, dass, falls sie noch jetzt
ausdrückliches Heilsangebot auf Buße tun wollen, er ihnen den
dem Boden der israelitischen Nati- Messias vom Himmel herabsenden
on. „So tut nun Buße und bekehret würde und mit ihm die Zeiten der
euch, dass eure Sünden ausgetilgt Erquickung und die volle Verwirk-
werden, damit Zeiten der Erquickung lichung alles dessen, wovon er im
kommen vom Angesicht des Herrn Alten Bunde geredet hatte, das
und er den euch zuvor verordneten heißt das sichtbare Gottesreich der
Jesus Christus sende, welchen freilich Prophetie. Also noch nach Pfings-
der Himmel aufnehmen muss bis ten befindet sich die neutestament-
zu den Zeiten der Wiederherstellung liche Heilsbotschaft durchaus auf
aller Dinge, von welchen Gott durch israelitischem Volksboden, und
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derung und Umkehr. Als Ganzes recht. Die „Heiligen“ Gottes (Kolos-
ist sie ein Zur-Einsicht-Gelangen, ser 3, 12) müssen „geheiligt“ werden
eine Verzweiflung an sich selbst, (1. Thessalonicher 5, 23). Die Gna-
eine Aufgabe aller Selbsterlösung de will „königlich herrschen“ (Rö-
(Römer 7, 24). Auch der Glaube mer 5, 21). Der in der Wiedergeburt
ist eine Dreieinigkeit: im Verstand eingepflanzte „neue“ Mensch im
- das Überzeugtsein von der voll- Menschen soll als ein Ausgangs- und
brachten Erlösung, im Gefühl - das Keimpunkt den ganzen Menschen
Vertrauen auf die rettende Liebe, erobern. Nur so kann der Erlöser die
im Willen - die Hingabe an den Verklärung vollenden. Alle Seelen,
persönlichen Heiland. So ist der die diese Heilsordnung erfahren,
Glaube die Hand des Menschen, stehen im Lebensbuch des Lammes.
die die Hand Gottes ergreift, keine Sie sind zuvorerkannte Menschen
Gefühlssteigerung, keine Selbstzer- - denn das Lebensbuch besteht „seit
quälung, kein Abbüßen der Schuld, Grundlegung der Welt“ (Offenbarung
sondern ein persönliches Verhält- 13, 8; 17, 8; 2. Mose 32, 32; Psalm
nis zu Christus (Johannes 6, 29), 139, 16; vergleiche Epheser 1, 4);
ein bewusstes Annehmen seiner bluterkaufte Menschen - denn es ist
Gnade, ein beseligendes „Leben im das Buch des Lammes (Offenbarung
Haupt“. „Die Buße ist der Hunger, 21, 27); wiedergeborene Menschen
der Glaube der geöffnete Mund und - denn es ist das Buch des Lebens
Christus die lebenbringende Speise“ (Offenbarung 20, 15; Psalm 87, 6);
(Johannes 6, 54 - 55). Der Glaube glückselige Menschen - denn ihre
aber erlebt diesen gegenwärtigen Namen stehen im Himmel (Lukas
Christus im Jetzt und im Hier; er 10, 20); heilige Menschen - denn
ist ein Fußfassen schon heute in alle Eingeschriebenen werden „hei-
der Ewigkeit und wird darum ein lig“ heißen (Jesaja 4, 3); zeugenfrohe
„Selbstbeweis unsichtbarer Wirklich- Menschen - denn sie trotzen selbst
keiten“ (Hebräer 11, 1). dem Antichrist (Offenbarung 13, 8;
Erst dann, wenn dies alles vor- 17, 8; Philipper 4, 3); siegreiche
handen ist, kann das Erlebnis des Menschen - denn sie sind Über-
königlichen Amtes beginnen: Die winder (Offenbarung 3, 5; Daniel
Bewahrung und Weiterführung im 12, 1); verherrlichte Menschen
Heil, die „Heiligung“. Wer gerecht- - denn sie gehen ein in die himmli-
fertigt ist, ist noch nicht fertig ge- sche Stadt (Offenbarung 21, 27).
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