im Kompetenzbereich: Erziehen
Konnektivismus im Physikunterricht
Wie können Schülerinnen und Schüler angeleitet werden mit der Vielfalt
des Wissens effektiv umzugehen?
Hauptseminar: 34
Referent: Peter Weinhold
Korreferent: Matthias Eckhardt
Fachleitung Bildungswissenschaften: Matthias Eckhardt
vorgelegt von
Andreas Kasche
Herderstrasse 106
28203 Bremen
akasche@uni-bremen.de
Technische Anmerkungen: Zitate sowie das Literaturverzeichnis wurden ausnahmslos nach
den Vorschriften von DIN 1505 beziehungsweise DIN 5007 erstellt. Soweit es möglich ist,
werden weibliche und männliche Form aller Substantive gleichberechtigt verwendet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Theoretischer Hintergrund 2
2.1 Bedeutung von Wissen in der Informationsgesellschaft . . . . . . 3
2.1.1 Die Halbwertszeit des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . 3
2.2 Was versteht man unter Konnektivismus? . . . . . . . . . . . . . 4
2.2.1 Die Bedeutung von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
2.2.2 Merkmale des Konnektivismus . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.3 Konnektivismus im kurzen Vergleich mit anderen Lerntheorien . 6
2.4 Kritik am Konnektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.5 Rückschlüsse für die Beobachtung aus der Sicht des theoreti-
schen Hintergrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
5 Fazit 19
Literatur I
1 E INLEITUNG 1
1 Einleitung
[...]in Deutschland sind es rund drei Viertel der mehr als 40 Millio-
”
nen Nutzer. Facebook, Twitter, Xing, Myspace und all die anderen
sozialen Netzwerke[...] beeinflussen unseren Alltag - in der Schule,
der Freizeit, in den Medien, im Job, auf Reisen[...]“ (Hutt, 2009, S.
125)
Nahezu völlig unabhängig von Ort und Zeit kann man so, verteilt über die
Welt, Informationen kostengünstig publizieren und zu kommunizieren begin-
nen, ohne sich je begegnet zu sein. Schüler (und auch Lehrer) werden in die-
sem neuen Internet oft allein gelassen. Eltern kennen es nicht und so führt
es zwangsläufig dazu, dass Schüler nur zum Konsumieren angeregt werden,
obwohl gerade das Kollaborieren an der Erstellung von Inhalten zur eigenen
persönlichen Entwicklung positiv beitragen könnte. Es bietet eine neue Form
der Beteiligung, sich als Mensch in gestalterischer Form zu verwirklichen und
der positiven wie auch negativen Kritik der Mitmenschen auszusetzen. Die In-
stitution Schule darf sich als Teil der Gesellschaft dieser Entwicklung nicht ver-
schließen und sollte sich diesem Thema öffnen. Ein langsamer Wandel findet
statt und führt so dazu, dass zum Lehramtsstudium nunmehr Pflichtveranstal-
tungen wie Multimedia im Physikunterricht gezählt werden. Bei einer solchen
Veranstaltung fehlte jedoch der Bezug zu dem großen Medium Internet. Mein
2 T HEORETISCHER H INTERGRUND 2
2 Theoretischer Hintergrund
1
Quelle: http://www.samueljohnson.com/twokinds.html
2 T HEORETISCHER H INTERGRUND 3
Der Begriff ”Wissen” kann vielfältig beschrieben werden. Eine Betrachtung un-
terschiedlicher Definitionen würde den ohnehin engen Rahmen dieser Arbeit
sprengen und ob eine aussagekräftige Definition hierbei erreicht werden kann,
ist fraglich. Folglich beschränke ich mich in dieser Arbeit auf Wissen als quan-
titative Größe, die die dem Einzelnen zur Verfügung stehende Faktenmenge
beschreibt.
Der Konnektivismus ist eine Lerntheorie, die von Georg Siemens im Jahre
2004 erstmalig in einer Veröffentlichung beschrieben wurde. Die Aspekte, die
dieser jungen Lerntheorie zugrunde liegen und sie somit von der Lerntheo-
rie des Konstruktivismus, Behavourismus oder Kognitivismus unterscheiden,
werden im Folgenden kurz beschrieben.
Dowes beschreibt in seinem Podcast den Konnektivismus mit einer seiner Be-
sonderheiten. Wissen im Konnektivismus ist kein Zustand, sondern ein Pro-
2 T HEORETISCHER H INTERGRUND 5
zess. Lernen hat kein Anfangs- und Endpunkt, sondern ist ein Prozess ständigen
Wandels. Der Besitz von Wissen ist hierbei nicht maßgeblich entscheidend,
sondern viel mehr die Kompetenz, Fundorte für Wissen sich nutzbar zu ma-
chen. Anders formuliert: es ist wichtiger zu Wissen wo man an Informationen
kommen kann, als das man die Information sofort wiedergeben kann, da vieles
bereits von anderen Personen zusammengefasst wurde. Wichtiger nach dem
Konnektivismus sind die Leitungen (Pipes) zu Wissensquellen - nicht Inhalt der
Leitungen an sich (vgl. Abb. 2).
Das Verständnis von Wissen als Prozess alleine beschreibt den Konnektivis-
mus nur unzureichend. Diese Lerntheorie gründet auf einer Anzahl an Merk-
malen, die in Kürze hier beschrieben werden sollen (vgl. Siemens, 2006b).
Behaviorismus
• Lernen ist eine Black Box, nur die Verhaltensänderung ist beobachtbar
und lässt Rückschlüsse auf das Denken/Lernen zu.
• Lernen findet im Individuum statt. Es gilt weniger als subjektive Eigen-
leistung, denn als passiver Prozess.
2 T HEORETISCHER H INTERGRUND 7
Kognitivismus
• Der menschliche Verstand arbeitet wie ein Computer.
• Inputs werden im Kurzzeitgedächtnis und ggf. im Langzeitgedächtnis ge-
sichert, um sie zu späteren Zeitpunkten wieder in das Kurzzeitgedächtnis
zurückholen zu können, um so wiederum Outputs generieren zu können.
• Lernen findet im Individuum statt.
Konstruktivismus
• Realität wird durch unseren Verstand konstruiert. Grundlage dafür sind
die Ideen und Ressourcen auf die wir stoßen.
• Lernen findet im Individuum statt, aber die Erkenntnis ist bloß subjektiv
konstruiert (keine objektive Gültigkeit oder Fähigkeit wird anerkannt).
Konnektivismus
• Das Lernen findet auch außerhalb von Individuen statt, z.B. in Netzwer-
ken als Verbund von mehreren Individuen.
• Lernen ist ein Prozess, bei dem verschiedene Informationsquellen und
-knoten miteinander verbunden werden. Der Lernende kann sein Lernen
erheblich verbessern, wenn er sich in ein bestehendes Netzwerk oder in
eine bestehende Gemeinschaft zum entsprechenden Thema integriert.
• Die Intention allen konnektivistischen Lernens ist Aktualität.
• Lernen ist ein Wissensbildungsprozess und bedeutet nicht, Wissen nur
zu konsumieren.
• Für ein erfolgreiches Lernen im digitalen Zeitalter wird also eine Kompe-
tenz benötigt, die Zugänge zu Wissensquellen bereit stellt, dem Individu-
ums die Fähigkeit liefert, sie zu kennen und verschiedene Quellen nutzen
zu können. Da sich die menschliche Wissensmenge in einem kontinu-
ierlichen Wachstumsprozess befindet und sich weiterentwickelt, ist ein
Zugang wichtiger als das im Augenblick präsente Wissen (s. Kap. 2.1.1).
Durch diese kleine Aufstellung von Unterscheidungsmerkmalen wird klar, dass
sich der Konnektivismus von den altbekannten Theorien abhebt.
3 B EOBACHTUNGEN AUS DEM SCHULISCHEN A LLTAG 8
der sehr lehrerzentriert abläuft, den die meisten Schüler nur dann wählen,
wenn sie sich wirklich mit dem Fach identifizieren können (O-Ton eines Schüler:
”...ich wähle Physik eh ab...”). Dann gibt es den Physikunterricht, in dem die
Schüler sehr eingebunden werden, sie bekommen Aufgaben, die sie lösen
müssen, teils allein, teils in Gruppen. Allen liegt es an der Vermittlung von
Wissen und Kompetenzen, dieses Wissen anzuwenden. Dabei tun sich die
Schüler oft sehr schwer, dem Unterricht zu folgen, so dass das Fach Physik
bei den Schülern eher auf Ablehnung als auf Zustimmung stößt. Das hier-
bei sicherlich auch die oft sehr mangelhaften Bedingungen in den Physik-
sammlungen eine Rolle spielen, die ein ”Begreifen” der Physik in Form von
Schülerexperimenten ermöglichen könnte, soll hier nur erwähnt werden. Ei-
ne genauere Betrachtung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der
Computer als Werkzeug des digitalen Zeitalters wird genutzt, um Messwer-
te aufzunehmen und diese mit Hilfe der entsprechenden Software auszuwer-
ten. Während meiner bisherigen Beobachtungen habe ich kein Einbinden von
Web 2.0-Technologien im Physikunterricht beobachten können. Dabei ist laut
Bildundungsstandards eine der vier Kompetenzbereiche des Physikunterrichts
die Kommunikation (vgl. Bildungsstandards im Fach Physik für den Mittleren
Schulabschluss, 2004). Auch nutzen Schüler, das belegt die JIM-Studie, das
Internet vor allem als Kommunikationsplattform (vgl. Kutteroff u. a., 2007). Hier
wird in meinen Augen ein Chance vertan, (Physik-)Unterricht in einem den
Schülern bekannten Umfeld zu nutzen. Kommunikation kann dabei helfen die
grundlegenden Prinzipien der Physik (wie z.B. das Prinzip der Energieerhal-
tung) zu festigen, um sie in späteren Leben nutzbar machen zu können. Die
Dokumentation von Unterrichtsergebnissen findet meist in klassischen Map-
pen statt. Schüler (meist männliche) scheinen hierbei enorme Schwierigkeiten
zu haben, diese in einer angemessenen Form zu führen, um sie für die Zu-
kunft, z. B. zur Vorbereitung auf die Abiturprüfungen, für sich nutzbar zu ma-
chen. Eine gemeinsame von Schülern zusammengestellte Dokumentation im
Internet könnte Abhilfe schaffen. Gerade auf die männlichen Schüler scheint
die Integration des Computers und somit des Internets einen hohen Aufforde-
rungscharakter auszuüben (vgl. Kalt, 2009b).
3 B EOBACHTUNGEN AUS DEM SCHULISCHEN A LLTAG 10
3.2 Infrastruktur
Es wäre sehr einfach, den Konnektivismus als Lerntheorien des digitalen Zeit-
alters einfach auf die Benutzung von Computern zu beschränken, von de-
nen es in den von mir besuchten Schulen genügend gab. Zu zweit an ei-
nem Computer sitzend, ist das Arbeiten in den Computerräumen durchaus
denkbar. Diese Computerräume können allerdings oft nicht so genutzt werden,
wie es eigentlich zur Umsetzung des Konnektivismus als Lerntheorie der Fall
sein müsste. Es fehlt eine stabile Verbindung zum Internet, Computer werden
beschädigt oder der Server ist überlastet. Auch wenn die Schule einen Tech-
niker für diese Probleme angestellt hat, so kann dieser den Ausfällen kaum
nachkommen. Glücklicherweise besitzen alle Schüler meiner drei Physikkurse,
laut einer Umfrage am Anfang des Schuljahres, einen Computer bzw. haben
einen Computer mit Internetverbindung in ihrer Nähe, um so ein konnektivisti-
sches Arbeiten zu ermöglichen.
Wenn aber der konnektivistische Physikunterricht über den reinen Einsatz von
Computern und Internet hinausgehen soll, fehlt es der Schule z.B. nicht an
Methodenkoffern, aber an Pinnwänden, diese auch sinngemäß einsetzen zu
können.
Der Einsatz von Web 2.0-Technologien findet leider nicht in dem Maße statt,
wie es vielleicht notwendig sein sollte, um Schüler lernen zu lassen mit der
Vielfalt des Wissens umgehen zu können, dass sie tagtäglich im Internet usw.
erleben. Man könnte argumentieren, dass dieses Vorhaben vielleicht eher in
einem Informatikunterricht geschehen sollte. Ich hingegen bin der Meinung,
dass konnektivistisches Lernen mit den in dieser Arbeit beschriebenen Metho-
den nur dann von Erfolg gekrönt sein kann, wenn mit ihnen ein Inhalt behandelt
wird, der der momentanen Alltagswelt der Schüler entspricht. Da der Aspekt
des Alltagsbezuges für jedes Fach als eine Begründung für schülerorientierten
Unterricht herhalten muss, können in allen Fächern diese Methoden Anwen-
dung finden, was den Physikunterricht einschließest. Dies wird nach meinen
Beobachtungen leider in den meisten Fächern und besonders im Physikunter-
richt vernachlässigt.
3 B EOBACHTUNGEN AUS DEM SCHULISCHEN A LLTAG 11
3.3.1 Schüler/Lehrer
Schüler nutzen laut der Jim-Studie 2008 das Internet zum Großteil zum Chat-
ten (über 70%), seltener um sich Informationen für Schule/Beruf zu verschaffen
(vgl. Kutteroff u. a., 2008, S. 49). Das deckt sich mit meinen Beobachtungen.
Schüler verbringen viel Zeit in Netz, sie lassen sich berieseln und treiben im
Netz herum, um sich einfach zu beschäftigen, sich unterhalten zu fühlen. Es
geht in erster Linie um Konsum und weniger um konnektivistisches Lernen.
Sie kennen YouTube3 nur als kostenloses Unterhaltungsmedium, weniger als
Informationsquelle.
Mit den Lehrern ist es kaum anders. Sie sind mit den neuen Möglichkeiten die
Schüler besitzen oft überfordert. Dass Schüler während einer Klausur schnell
im Internet die Antworten per Telefon oder MP3-Player finden können - Google
sei dank - ist den älteren Lehrern oft nicht bewusst. Ein ungesichertes WLAN-
Netzwerk in der Schule öffnet dafür quasi Tür und Tor. Das die eine oder an-
dere Lehrkraft vor der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung ein-
knickt ist ihnen kaum zu verdenken. Sie ziehen sich zurück und müssten sel-
ber mit der Vielfalt des Wissens umgehen lernen. Ein Austausch unter den
Lehrern findet kaum statt, der Lehrer/Referendar wird als Einzelkämpfer allein
gelassen. Zwar bilden sich kleine Gruppen von jungen und junggebliebenen
Lehrern, die gemeinsam Inhalte erstellen, nur findet dies ohne die Einbindung
der Öffentlichkeit statt. Sich selber einzubringen, ist schwer und nur ”Erwählte”
haben Zugang zu den Netzwerken. Ein Nutzen in den unterschiedlichen Mei-
3
www.youtube.com
3 B EOBACHTUNGEN AUS DEM SCHULISCHEN A LLTAG 12
nungen wird hier kaum gesehen (s. Kap. 1). Schulübergreifende Netzwerke
für das Fach Physik finden als Fachkonferenzen statt, um Unterrichtsinhalte zu
vereinheitlichen. Ein Austausch von Material, Ideen, etc. habe ich nicht miter-
leben dürfen. Dabei gibt es Lehrer, die versuchen sich dem konnektivistischen
Lernen auch für ihre eigene Arbeit zu verschreiben. Sie organisieren sich in
Netzwerken, wie 4teachers4 oder lehrer-online5 und tauschen dort Unterrichts-
material aus oder schreiben Blogs über ihre alltäglichen Erfahrungen als Leh-
rer6 . Es gibt also eine ”Onlinegemeinde” an Lehrern, die die Erneuerungen des
digitalen Zeitalters aktiv angehen und diese in ihre Arbeit integrieren.
3.3.2 Schulbehörde
4
www.4teachers.de
5
www.lehrer-online.de
6
z.B. http://wordpress.blokey.de/
7
http://www.portal.schule.bremen.de/
8
wordpress.org
9
facebook.de
10
skype.com
4 KONSEQUENZEN F ÜR MEINEN SCHULISCHEN A LLTAG 13
Mit dem Beginn des Unterrichtens während des Referendariats stellte sich mir
die Frage, wie man den etwas ”eingestaubten” Physikunterricht (s. Kap. 3.1)
umgestalten müsste, um ihn für die Schüler attraktiver zu gestalten. Bereits
während des Studiums wurde deutlich, dass sich der Physikunterricht im Kon-
text des kompetenzorientierten Unterrichts deutlich vom klassischen Physikun-
terricht unterscheiden müsste. Eine Möglichkeit die ich genutzt habe, war der
intensivere Einsatz von Webapplikationen wie Webblogs, Wikis, etc. Dazu soll
im Folgenden durch zwei Beispiele gezeigt werden, wie mein Physikunterricht
im Hinblick auf den Konnektivismus verändert wurde.
Dabei steht CoboCards für ”Collaboration Cards” und beschreibt damit eine
der wesentlichen Erneuerungen, die das Web 1.0 zum Web 2.0 gemacht hat:
11
http://www.cobocards.com
4 KONSEQUENZEN F ÜR MEINEN SCHULISCHEN A LLTAG 14
das gemeinsame Erstellen und Teilen von (Web-)Inhalten (O’Reilly, 2005). Die-
ser Dienst bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten im Physikunterricht (nicht nur
in diesem) konnektivistisch zu arbeiten und zu lernen.
Der Einsatz erfolgte in mehreren Unterrichtseinheiten und in verschiedenen
Kursen im Zuge der Vorbereitung auf die anstehenden Klausuren. Die Schüler
bekamen die Aufgabe, sich aus dem behandelten Unterrichtsmaterial Aufga-
ben auszudenken, diese durchzurechnen und als Lernkarteikarte der Lern-
gruppe zur Kontrolle und gemeinsamen Nutzen zur Verfügung zu stellen. Da-
bei agierten die Mitschüler als Kontrollinstanz, indem sie die Aufgaben kontrol-
lierten und sie kommentierten. Diese Kommentarfunktion, die CoboCards Nut-
zern zur Verfügung steht, bietet sich an, um sich gegenseitig auf Fehler oder
gute Ideen aufmerksam zu machen. Zum Teil entstanden so Aufgaben, die sich
auf Aufgaben anderer Schüler-(gruppen) bezogen. Inwieweit die Schüler die-
sen Dienst auch zum Lernen genutzt haben, konnte im Rahmen dieser Arbeit
leider nicht untersucht werden, doch zeigt gerade die viel genutzte Kommen-
tarfunktion, dass sich die Schüler dem Material im Bezug zur Vorbereitung auf
die Klausuren gewidmet haben. Somit ist davon auszugehen, dass sie einen
Nutzen in der Benutzung von CoboCards gesehen haben.
Um auch die Vorbereitung zur Klausur zu lenken, wurden vom Lehrer Kartei-
karten erstellt, die bestimmte Inhalte der Unterrichtsstunden thematisiert ha-
ben, denen die Schüler weniger Aufmerksamkeit gewidmet haben.
Subjektiv ergeben sich durch den Einsatz von CoboCards im Physikunterricht
folgende positive Effekte:
• Schüler nutzen den Computer, um Lerninhalte zu erstellen.
• Schüler geben sich untereinander Feedback zu den erstellten Inhalten
dabei kann es sich um positiver als auch um negative Kritik handeln.
• Schüler haben das Gefühl, dass sie durch die Arbeit der Mitschüler we-
niger arbeiten müssen, um zu Erfolgserlebnissen zu kommen.
• Der Lehrer tritt in den Hintergrund, er kann ggf. eingreifen muss es aber
nicht, solange die Schüler untereinander die Möglichkeit nutzen, Feed-
back zu geben und zu erhalten.
• Schüler bekommen die Möglichkeit sich zeitunabhängig mit dem Stoff
auseinanderzusetzen. Sie sind nicht auf die Unterrichtsstunde angewie-
4 KONSEQUENZEN F ÜR MEINEN SCHULISCHEN A LLTAG 15
gen,
• Unterscheidung von alltagssprachlicher und fachsprachlicher Beschrei-
bung von Phänomenen,
• Recherchieren unterschiedlicher Quellen,
• Dokumentieren der Ergebnisse und Arbeit,
• und die adressatengerechte Präsentation von Ergebnissen.
Dies alles sind Punkte, die den Bildungsstandards Physik entnommen sind
(Bildungsstandards im Fach Physik für den Mittleren Schulabschluss, 2004,
S. 12) und durch den Einsatz eines Blogs im Physikunterricht erreicht werden
können.
Der erste Versuch, einen Blog im Physikunterricht einzusetzen, verlief nicht wie
erwünscht. Der ursprünglichen Plan, jeden Schüler einen Schülerblog starten
zu lassen, musste fallengelassen werden. Stattdessen wurde ein Kursblog ge-
startet, so dass alle Produkte auf einer Seite zu finden waren. Einerseits ist
dies ein Vorteil, der aber an dem konnektivistischen Anspruch ”vorbei gedacht”
ist, da nicht jeder Schüler einen Blogartikel dazu beigetragen hat. Stattdessen
wurden zentral von einzelnen Schülern und dem Lehrer Inhalte zur Verfügung
gestellt. Vor allem die Möglichkeit, zentral Fragen stellen zu können, wurde von
einigen Schülern intensiv genutzt, die sich über dieses Medium ausgetauscht
haben.
Für den zweiten Versuch einen Blog einzusetzen, wurde am Prinzip eines zen-
tralen Lehrerblogs festgehalten, der zentral Informationen bereithält. Dazu ha-
ben die Schüler ihren eigenen (anonymen) Schülerblog gestartet, so dass je-
der Einzelne dazu in der Lage war, Inhalte zu präsentieren und sich so dem
Feedback der Mitschüler aussetzte. Die Schüler bekamen die Aufgabe, zu ein-
zelnen Themenkomplexen Beiträge zu verfassen und sich dabei auf Themen
der Mitschüler zu beziehen. Einer der gewählten Themenkomplexe ist das für
die E-Phase 09/10 laut Lehrplan vorgesehene Unterrichtsthema ”Kernenergie”
(vgl. Schulamt Bremerhaven, 2009). Hierbei konnten sich die Schüler durch
Internetrecherche und Material des Bundesumweltministeriums in Gruppen
ein Bild zu fünf einzelnen Aspekten der Kernenergie machen. Die einzelnen
Aspekte waren:
• Rohstoffe und Vorräte
4 KONSEQUENZEN F ÜR MEINEN SCHULISCHEN A LLTAG 17
4.2.1 Wiki
Viele Lehrer kennen Wikis nur in der Form von Wikipedia12 , dem wohl be-
kanntesten Vertreter dieser Gattung von Web 2.0-Applikationen (Kalt, 2009a).
Wikis können den Unterricht maßgeblich verändern. Sie bieten Schülern die
Möglichkeit gemeinsam an Texten zu arbeiten, sie zu verändern, sich gegen-
seitig zu korrigieren und zu verbessern. So kommen sie als Gemeinschaft
Schritt für Schritt zu einem ”Mehr” an Wissen, was einem der maßgeblichen
Merkmale des Konnektivismus entspricht (vgl. Kap. 2). Für den Physikunter-
richt bietet sich eine von Schülern erstellte und gestaltete Plattform an, die
12
http://www.wikipedia.org
4 KONSEQUENZEN F ÜR MEINEN SCHULISCHEN A LLTAG 18
Das digitale Zeitalter ermöglicht es, per Computer und Internet schnell eine Vi-
deokonferenz aufzubauen. Wenn hier die Schüler Kontakt zu einem Experten
aufnehmen, entspricht das den Merkmalen des Konnektivismus, indem sich
die Schüler Zugang zu Wissensknoten (den Experten) verschaffen und sich
diese zu Nutze machen. Das hierbei eine umfassende Vorbereitung notwendig
ist, liegt auf der Hand.
13
http://del.icio.us
5 FAZIT 19
5 Fazit
Es wäre fatal wenn sich die Schule, wie es momentan der Fall ist, der Möglichkeit
des digitalen Zeitalters verschließt. Es wird an alten Zöpfen festgehalten und
sich dabei über die Schüler beschwert, die nicht mehr in der Lage seien, ein-
fachste Aufgaben zu lösen. Dabei stehen gerade die Schüler vor der Aufgabe,
mit der neuen Technologie umgehen zu müssen. Kein Schüler wird sich auf
dem Arbeitsmarkt bewähren können, wenn er es nicht versteht, mit der Maus
umzugehen, Informationen im Internet zu finden oder sich mit Arbeitskollegen
per E-Mail auf anderen Kontinenten auszutauschen, so zumindest der immer
wieder aufkommende Tenor der Arbeitgebervertreter.
Wir leiden an einer Wissensvermehrung, oder viel mehr an einer Wissensver-
meerung (vgl. von Hentig, 2002). Der Vielfalt des Wissen, der wir durch die
technologischen Entwicklungen gegenüberstehen, kann die Gesellschaft nur
effektiv entgegentreten, indem sie sie aktiv einbindet und akzeptiert. Es bleibt
Lehrern und Schülern nichts anderes übrig, als sich dieser Vielfalt an Wissen
zu stellen, sie als Alltag wahrzunehmen und einzubinden in jede Form schuli-
schen Arbeitens. Dadurch würden sie einen Bezug zum Alltag herstellen, der
als Maßstab für den Unterricht immer wieder in Seminaren und im Lehrerzim-
mer gepredigt wird.
Ob nun Schüler mit Hilfe der in Kapitel 4 beschriebenen Beispiele gelernt ha-
ben effektiv mit der Wissensvielfalt umzugehen, bleibt streckenweise unbeant-
wortet. Sie haben sich der Vielfalt gestellt, haben neue Ideen des Lernens
kennengelernt und das Medium Internet als kollaborativen Ort wahrgenom-
men. Ein Ort dem jeder Einzelne eigene Produkte hinzufügen kann - ihn nicht
bloß als ”Konsumtempel” erlebt. Wenn sich Schüler mehr am Netz mit ihren
eigenen Produkten beteiligen, was als Effektivität im Umgang mit dem Wissen
5 FAZIT 20
beschrieben werden kann, dann gehe ich davon aus, dass die genannten Bei-
spiele erfolgreich verlaufen sind. Eine Feedbackrunde in den Kursen, die zum
Ende des Halbjahres geplant ist, könnte Aufschluss darüber liefern, inwieweit
die Schüler einen Wandel in ihrem Nutzungsverhalten feststellen konnten.
Literatur
B ERNHARDT, Thomas ; K IRCHNER, Marcel: E-Learning 2.0 im Einsatz. Verlag Werner
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H ENTIG, Hartmut von: Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben : Nachdenken über
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heim [u.a.]: Beltz [u.a.], 2002, 2002. – ISBN 3407221150
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O’R EILLY, Tim: What is Web 2.0? Design Patterns and Buisness Models for the Next
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LITERATUR II
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R ÜDDIGKEIT, Volker: Blogs in der Schule. In: Computer+Unterricht (2007), Februar, Nr. 66,
S. 24
S CHOL, Lothar ; M ÖCKEL, Iris: Methodenkiste. Bundeszentrale für politische Bildung, 2004.
– URL http://www1.bpb.de/files/KGE30N.pdf
ERKLÄRUNG / VERSICHERUNG
gemäß § 22 Abs. 9 in Verbindung mit § 34 Abs. 4 der Prüfungsordnung der Ersten Staatsprüfung
für das Lehramt an öffentlichen Schulen vom 15.12.1998
oder
gemäß § 17 Abs. 8 in Verbindung mit § 28 Abs. 4 der Verordnung über die Erste Staatsprüfung
für das Lehramt an öffentlichen Schulen vom 07.10.2003
oder
gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 5 der Verordnung über die Zweite Staatsprüfung
für das Lehramt an öffentlichen Schulen vom 12.11.2002
oder
gemäß § 20 Abs. 5 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung über die Zweite Staatsprüfung
für das Lehramt an öffentlichen Schulen vom 14.02.2008
Die Hausarbeit oder Teile von ihr sind ! nicht veröffentlicht worden.
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Unterschrift
Hinweis: Lassen Sie dieses Formblatt ausgefüllt als letztes Blatt in die Exemplare Ihrer Hausarbeit einbinden.