Stand: 22.06.2018
Österreichischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union
Informelles COSI-
Treffen
Wien, Österreich
2./3. Juli 2018
EU-
Außengrenzschutz
stärken und
krisenfestes EU-
Asylsystem
entwickeln
1. Ausgangslage
Aufgrund der Migrationskrise 2015 und ihrer Konsequenzen entstand bei vielen Menschen
der Eindruck eines Kontrollverlusts politischer Eliten und der EU insgesamt. Das
Sicherheitsvertrauen und die Sicherheit in EU-Mitgliedstaaten haben dadurch erheblichen
Schaden erlitten. Zudem wurden uns die Grenzen des derzeitigen, so genannten
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) dramatisch vor Augen geführt sowie
grundlegende Schwächen beim Schutz der EU-Außengrenzen aufgezeigt. Die damit
verbundenen Herausforderungen verdeutlichen auch, dass Asyl und Außengrenzschutz
nicht getrennt voneinander betrachtet und nur Hand in Hand gewährleistet werden können.
Erst die Kombination eines starken Außengrenzschutzes mit einer effektiven gemeinsamen
Asylpolitik kann bewirken, dass illegale Migration hintangehalten wird und diejenigen Schutz
erhalten, die ihn am dringendsten benötigen.
Trotz der mittlerweile erzielten Fortschritte bei der Stärkung des EU-Außengrenzschutzes
durch den Ausbau von Frontex zu einer Europäischen Grenz- und Küstenwache und trotz
intensiver Bemühungen bei der Reform des GEAS bleiben aber grundlegende
Herausforderungen und Schwächen weiter bestehen. In den kommenden Jahren muss
zudem aufgrund verschiedener Faktoren mit stetig zunehmendem Druck auf die EU-
Außengrenzen gerechnet werden. Insgesamt könnte damit unsere innere Sicherheit
grundlegend gefährdet und das Funktionieren von Schengen dauerhaft in Frage gestellt
werden.
Vor diesem Hintergrund sind immer mehr EU-Mitgliedstaaten bereit, sich mit einem neuen
Ansatz auseinanderzusetzen. Unter dem Arbeitstitel „Future European Protection System“
(FEPS) wird auf österreichische Initiative seit geraumer Zeit auf hoher Beamtenebene über
einen völligen Paradigmenwechsel in der EU-Asylpolitik nachgedacht. Die Ergebnisse
fließen in den „Wiener Prozesses“ ein, in dessen Rahmen auch das Thema
Außengrenzschutz mitbehandelt wird. An der Entwicklung weiterführender Überlegungen zu
diesen beiden wichtigen Bereichen beteiligen sich eine ganze Reihe von EU-
Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und externe Experten.
Im Einzelnen sind bei einer Lagebeurteilung vor allem folgende Faktoren zu beachten:
Obwohl der Migrationsdruck im Vergleich zu 2015 und 2016 abgenommen hat, ist die
Union nach wie vor mit irregulären Migrationsbewegungen auf verschiedenen Routen
konfrontiert. Die Zahlen lagen seither immer über dem vor 2015 gegebenen Niveau.
Solche Trends können sich schon deshalb rasch zuspitzen, weil es weiter möglich ist,
mit kriminellen Schleppern in die EU zu gelangen, die noch immer Menschen schamlos
ausbeuten.
Unzählige kommen daher weiter auf gefährlichen transkontinentalen Reisen ums Leben.
gegenüber illegaler Migration gibt und mit dem bestehenden EU-Asylsystem nicht
frühzeitig zwischen Schutzbedürftigen und nicht Schutzbedürftigen unterschieden
werden kann.
In diesem Zusammenhang zeigt sich ganz klar, dass Zusammenarbeit mit Drittstaaten
entscheidend für Erfolg ist. Einige positive Schritte wurden schon in Hinblick auf
unterschiedliche Routen gesetzt, die nun weiterentwickelt werden müssen.
Geschleppte Personen, die es oft über tausende Kilometer nach Europa schaffen,
bleiben daher zumeist hier, unabhängig davon, ob sie schutzbedürftig sind oder nicht.
Wegen ihrer Prägung und mangelhaften Perspektiven haben sie immer wieder
beträchtliche Probleme mit dem Leben in freien Gesellschaften oder lehnen diese sogar
ab. Darunter befindet sich eine große Anzahl an kaum oder schlecht ausgebildeten
jungen Männern, die alleine unterwegs sind. Viele von ihnen sind besonders anfällig für
freiheitsfeindliche Ideologien oder Kriminalität.
Mit der Schwächung von Terrororganisationen in Drittstaaten muss dabei verstärkt mit
rückkehrenden ausländischen Kämpfern gerechnet werden. Das erhöht die
Notwendigkeit eines funktionierenden EU-Außengrenzschutzes.
Ein solcher ist auch deshalb dringend erforderlich, weil sich die Probleme im EU-Umfeld
weiter verschärfen können, aufgrund einer Zuspitzung von Konflikten, als Folge von
Armut, Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, wegen des Klimawandels oder bedingt durch
rasch wachsende Bevölkerungen, wie in Afrika.
Die innere Sicherheit in der Union könnte daher künftig in einem noch viel höheren Maß
als bisher von außen bedroht werden, etwa durch erneute Massenmigration,
transnationale Kriminalität oder Extremismus und Terrorismus.
Die Verteilung geschleppter Migranten auf EU-Mitgliedstaaten würde die Situation bei
neuen Migrationskrisen, mit denen leider zu rechnen ist, weiter destabilisieren.
Vor diesem Hintergrund konnte dazu bei den laufenden GEAS-Verhandlungen trotz
intensiver Bemühungen über mehrere Jahre kein tragfähiger Kompromiss gefunden
werden.
Jene Mitgliedstaaten, die auf die grundlegenden Probleme im Zusammenhang mit dem
bestehenden EU-Asylsystem hinweisen, werden wohl weiter kaum durch neue
Berechnungsmethoden bei der Frage der Verteilung oder Fristen bei der Zuteilung von
Verantwortung für Schutzsuchende zu überzeugen sein.
Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der EU im Bereich Asyl könnte aber dann
wieder hergestellt werden, wenn der Fokus zunächst auf die Bekämpfung der
schleppergetriebenen illegalen Migration, einen funktionierenden EU-Außengrenzschutz
sowie die dafür nötige proaktive, breit angelegte Kooperation mit Drittstaaten gelegt
wird.
Auf dieser Grundlage könnte eine proaktive, effektive und krisenfeste gemeinsame EU-
Asyl und Migrationspolitik entwickelt werden, die auch Triebfeder für ein zeitgemäßes
internationales Asyl- und Migrationssystem sein könnte.
2. Mögliche Ziele
Folgende grundlegende Ziele könnten verfolgt werden:
Nicht mehr kriminelle Schlepper und Netzwerke entscheiden, wer die EU-Außengrenze
überschreitet, sondern die Union und ihre Mitgliedstaaten.
Schaffung eines neuen, besseren Schutzsystems, bei dem keine Asylanträge mehr auf
EU-Boden gestellt werden, außer wenn Schutzsuchende aus direkten Nachbarstaaten
kommen oder wenn keine Schutzmöglichkeiten zwischen der EU und dem
Herkunftsland vorhanden sind, eines Systems, das auf besonders Schutzbedürftige
ausgerichtet ist anstatt auf jene, die sich kriminelle Schlepper leisten können und sich
stark genug für gefährliche Reisen fühlen.
Priorität auf Schutz möglichst nahe an Krisenregionen, das heißt vor allem in
Erstaufnahmeländern, da dort mehr Menschen mit denselben Ressourcen geholfen
werden kann und zudem weniger Probleme aufgrund unterschiedlicher Lebensweisen
und Wertvorstellungen zu erwarten sind. (Wer schnell hilft, hilft intelligent und doppelt.)
Der rechtsstaatlich negative Ausgang eines Asylverfahrens soll dazu führen, dass die
betreffende Person die EU tatsächlich verlässt und entweder in ihr Herkunftsland oder –
was zu prüfen wäre – in ein Return Center in einem Drittstaat verbracht wird. Damit soll
ein wesentlicher Beitrag gegen kriminelle Schleppergeschäfte geleistet werden.
Die vollständige Kontrolle der EU-Außengrenzen und ihr umfassender Schutz sind
sichergestellt.
Das neue, bessere europäische Schutzsystem wird gemeinsam mit Drittstaaten EU-weit
umgesetzt; wichtige Ziele könnten sein:
- keine Anreize mehr auf Boote zu steigen und damit keine geschleppten Toten
mehr im Mittelmeer;
- intelligente Hilfe für jene, die tatsächlich hilfsbedürftig sind, das heißt primär in
der jeweiligen Region;
- Asyl in Europa nur für Menschen, die europäische Werte und die in der EU
geltenden Grund- und Freiheitsrechte respektieren;
- keine Überlastung der Kapazitäten der EU-Mitgliedsstaaten;
- niedrigere Langzeitkosten;
- Verhinderung von Sekundärmigration.
3. Handlungsoptionen
Aufbau eines wirksamen und lückenlosen EU-Außengrenzschutzes als Vorbedingung
für ein funktionierendes gemeinsames EU-Asyl- und Migrationssystem; Sicherstellung
der Wirksamkeit des Außengrenzschutzes durch Unterbindung des Untertauchens in
der Phase der Prüfung der Zulässigkeit eines Asylantrages (Ausbau des
Grenzverfahrens nach Art. 43 der Verfahrens-Richtlinie) an den EU-
Außengrenzen/Hotspots;
Unterstützung von Drittstaaten bei der Suche und Rettung von Migranten, der
Einrichtung von Such- und Rettungszentren, der Versorgung und Beratung von
Geretteten bzw. ihrer Rückführung in Transit- und Herkunftsstaaten; die bestehenden
Kooperationsansätze in diesem Bereich sollten ausgebaut und entsprechende
Pilotprojekte für neue Kooperationsformen entwickelt werden;
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ziele bis 2020/2025?