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Z EUGEN
UND S CHULBILDUNG
Der Zweck dieser Broschüre
DER niederl ändische Philosoph Spinoza schrieb: „Ich habe mich eifrig bemüht, der
Menschen Tun weder zu belachen noch zu beweinen, noch zu verabscheuen, sondern
es zu begreifen.“ Als Lehrer stehen Sie vor der schwierigen Aufgabe, Verst ändnis f ür
die Ansichten und Überzeugungen Ihrer Schüler zu zeigen, zu denen auch Kinder von
Zeugen Jehovas gehören, sowie ihr famili äres Umfeld zu ber ücksichtigen. Manchmal
mögen solche Kinder zu gewissen Fragen einen scheinbar unkonventionellen Stand-
punkt vertreten. Erkl ärt sich dieser jedoch eindeutig aus ihrer religi ösen und
sittlichen Überzeugung, dann verdient er Ihre Beachtung. Diese Broschüre wird
von der Watch Tower Bible and Tract Society (der Verlagsgesellschaft von Jehovas
Zeugen) herausgegeben und soll dazu beitragen, dass Sie Kinder von Zeugen Jehovas
besser verstehen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich die Zeit nehmen, sie auf-
merksam zu lesen.
Jemandes religi öse Überzeugung zu verstehen erfordert nicht, dass man sie
akzeptiert oder übernimmt, und sich dar über zu informieren kommt keiner
Bekehrung gleich. Diese Broschüre will weder Ihnen noch Ihren Schülern die reli-
gi ösen Ansichten von Jehovas Zeugen aufzwingen. Wir möchten Sie lediglich mit
den Grunds ätzen und Glaubensansichten bekannt machen, die einige Ihrer Schüler
von ihren Eltern vermittelt bekommen, damit Sie diese Kinder besser verstehen und
die Zusammenarbeit erleichtert wird. Das, was ein Kind zu Hause lernt, und das,
was es tut, muss nat ürlich nicht immer übereinstimmen, denn jedes Kind lernt, sein
Gewissen selbst zu schärfen.
Wie die meisten Eltern wünschen auch Eltern, die Zeugen Jehovas sind, dass
ihre Kinder den gr ößtmöglichen Nutzen aus der Schulzeit ziehen. Zu diesem Zweck
halten sie sie dazu an, mit den Lehrern zusammenzuarbeiten. Zeugen Jehovas und
ihre Kinder schätzen es wiederum, wenn Lehrer ihnen mit Verst ändnis und Achtung
begegnen.
Jehovas Zeugen sind Christen und man kennt sie in der ganzen Welt. So manches
Mal werden sie allerdings missverstanden. Wir hoffen daher, dass diese Broschüre
Ihnen hilft, Kinder von Zeugen Jehovas besser zu verstehen. Vor allem aber ist es
unser Anliegen, dass Sie die Gr ünde erfahren, warum diese Kinder in bestimmten
Situationen das Recht geltend machen, anders zu sein.
TITELSEITE: Pharao: The Complete Encyclopedia of Illustration/J. G. Heck. RÜCKSEITE: Pyramiden: aus dem Buch The Pictorial History of the World;
Schmetterling: The Complete Encyclopedia of Illustration/J. G. Heck
Inhalt
SEITE 4
Wie Jehovas
Zeugen zu
Schulbildung
stehen
SEITE 10
Wie Jehovas
Zeugen Bildung
vermitteln
SEITE 14
Die vielen religiösen
Anschauungen –
eine Heraus-
forderung
SEITE 19
Moralische Werte,
die Achtung
verdienen
SEITE 27
Die Rolle
der Eltern
SEITE 31
Schluss
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 5
„Bildung sollte Menschen helfen, anzupassen, besonders zugutekommen.
Demzufolge ist es wünschenswert, dass
n ützliche Mitglieder aus einem Schüler ein Erwachsener
der Gesellschaft zu werden. wird, der, wie sich der Renaissancees-
Sie sollte ihnen auch helfen, sayist Montaigne ausdrückte, einen klu-
gen statt einen vollgepfropften Kopf hat.
Wertschätzung für ihr kulturelles
In reichen und in armen L ändern
Erbe zu entwickeln und ein sind es häufig junge, unzureichend
befriedigenderes Leben zu führen“ qualifizierte Arbeitskr äfte, die Gefahr
laufen, arbeitslos zu werden. Wenn der
(The World Book Encyclopedia).
Arbeitsmarkt eine zus ätzliche Qualifi-
kation erforderlich macht, weil der ge-
setzlich vorgeschriebene Mindestschul-
besuch nicht ausreicht, ist es Sache der
Eltern, ihren Kindern bei der Entschei-
dung f ür oder gegen Weiterbildung zu
helfen, indem sie den voraussichtlichen
Nutzen zus ätzlichen Lernens gegen die
Opfer abwägen, die man daf ür bringen
muss.
Indes werden Sie wahrscheinlich zu-
stimmen, dass Erfolg im Leben mehr
einschließt als Wohlstand. In letzter
Zeit ist f ür Männer und Frauen, die
völlig in ihrer Karriere aufgingen, eine
Welt zusammengebrochen, als sie ihren
Arbeitsplatz verloren. Einige Eltern op-
fern ihr Familienleben und die Zeit, die
sie mit ihren Kindern verbringen könn-
ten; die Kinder müssen ohne die Un-
terst ützung der Eltern aufwachsen, die
ganz und gar von ihrer Arbeit in An-
spruch genommen werden.
Offensichtlich sollte bei einer ausge-
wogenen Erziehung in Betracht gezo-
gen werden, dass mehr als Wohlstand
nötig ist, um einen Menschen wirk-
lich gl ücklich zu machen. Jesus Chris-
tus sagte: „Es steht geschrieben: ‚Nicht
Galleria degli Uffizi (Florenz)
6 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
Vern ünftige Entspannung,
Musik, Hobbys, Sport,
der Besuch von Museen und
Bibliotheken und anderes
spielen bei einer ausgewogenen
Erziehung eine große Rolle
10 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
guten Gebrauch von der Möglichkeit ei- Schreiben in über 100 Sprachen veröf-
ner Schulbildung, sondern sie ziehen fentlicht.
seit vielen Jahren Nutzen aus verschie- Diese Lese- und Schreibkurse sind
denen Kursen und Schulen der Watch schon des Öfteren von Schulbehör-
Tower Society. Dadurch wird ihnen und den lobend erwähnt worden. In Mexiko
anderen geholfen, sich in mentaler, mo- zum Beispiel schrieb ein Beamter der
ralischer und religiöser Hinsicht wei- Schulbehörde: „Ich bin für Ihre Mit-
terzuentwickeln. arbeit dankbar und möchte Ihnen im
Beispielsweise stellen sich Jehovas Namen der Regierung des Bundesstaa-
Zeugen in etlichen L ändern einer be- tes zu Ihrem edlen, dem Fortschritt
sonderen Herausforderung: Menschen dienenden Werk, das Sie im Interes-
zu unterrichten, die kaum oder keine se der Bevölkerung durchführen und
Gelegenheit hatten, eine Schulbildung durch das Sie die Alphabetisierung er-
zu genießen, und demnach weder le- möglichen, aufrichtig gratulieren. . . .
sen noch schreiben können. Zu diesem Ich wünsche Ihnen zu Ihrem Bildungs-
Zweck hat die Watch Tower Society für werk viel Erfolg.“
Lese- und Schreibkurse gesorgt.
Zusätzliche Schulung
In Nigeria zum Beispiel erteilen Je-
hovas Zeugen den Lese- und Schreib- Da Jehovas Zeugen dem Vermitteln
unterricht seit 1949. Durch solche biblischer Bildung großen Wert bei-
Kurse haben Zehntausende von Nige- messen, arbeiten sie an ihrer Lehrfä-
rianern lesen gelernt. Wie eine Um- higkeit, damit sie anderen die bi-
frage ergab, können über 90 Prozent blischen Lehren noch wirkungsvoller
der Zeugen Jehovas in Nigeria lesen erklären können. Aus diesem Grund
und schreiben – im Vergleich zu we- werden in jeder der weltweit über
niger als 50 Prozent bei der übrigen 119 000 Versammlungen Zeugen Jeho-
Bevölkerung. In Mexiko geben Jehovas vas im Lesen und Reden in der Öf-
Zeugen seit 1946 Lese- und Schreib- fentlichkeit geschult. Selbst die Jüngs-
kurse. In einem Jahr wurden mehr ten dürfen, sobald sie lesen können,
als 6 500 Personen unterrichtet. Alles mitmachen, was sich zum Beispiel in
in allem wurde mehr als 100 000 Teil- der Schule vorteilhaft auswirkt. Viele
nehmern das Lesen und Schreiben bei- Pädagogen haben sich schon dahin ge-
gebracht. Über die Jahre gab es den hend ge äußert, dass sich Schüler, die
Lese- und Schreibunterricht auch in Zeugen Jehovas sind, im Allgemeinen
vielen anderen L ändern, unter ande- sehr gut ausdrücken.
rem in Bolivien, Kamerun, Nepal und Außerdem ist jede Versammlung von
Sambia. Jehovas Zeugen haben über Jehovas Zeugen angehalten, in ihrem
sieben Millionen Exemplare des Lehr- Königreichssaal oder Versammlungs-
buchs Widme dich dem Lesen und ort eine Bibliothek einzurichten, die
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 11
Bibelstudienhilfsmittel, Wörterbücher Auswahl an Veröffentlichungen zu ha-
und andere Nachschlagewerke umfasst. ben, sodass der Wissensdrang der Kin-
Die Bibliothek ist jedem zugänglich, der der und Erwachsenen gestillt werden
die Zusammenkünfte in einem König- kann.
reichssaal besucht. In den Versammlun- Spezielle Schulung
gen wird das Lesen wärmstens empfoh- Die Watch Tower Society betreibt
len, und jede Familie wird ermuntert, außerdem Schulen, in denen Männer
eine eigene Bibliothek mit einer großen und Frauen zu Missionaren ausgebil-
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 13
Die vielen religiösen
Anschauungen –
eine Herausforderung
Als Lehrer sehen Sie sich einer Herausforderung gegen über,
der sich Lehrer in vergangenen Jahrhunderten kaum zu stellen
brauchten – die Vielfalt an religiösen Anschauungen.
IM Mittelalter gehörten die Bürger ei- es jeweils über 150 000 aktive Zeugen.
nes Landes gewöhnlich ein und dersel- (Siehe Kasten auf Seite 15.)
ben Religion an. Noch gegen Ende des Die Vielfalt des religiösen Brauch-
19. Jahrhunderts kannte man in Europa tums mag für Lehrer eine Herausfor-
nur wenige große Religionen: den Ka- derung darstellen. In Verbindung mit
tholizismus und den Protestantismus beliebten Festen tauchen womöglich ei-
im Westen, die orthodoxe Kirche und nige wichtige Fragen auf: Sollte von
den Islam im Osten sowie den Judais- jedem Schüler, ungeachtet seiner Re-
mus. Heute existieren zweifellos nicht ligion, verlangt werden, sich an al-
nur in Europa, sondern auf der gan- len Festen zu beteiligen? Die Mehr-
zen Erde weit mehr Glaubensrichtun- heit der Schüler hat gegen solche Feste
gen. Unbekannte Religionen haben Fuß vielleicht nichts einzuwenden. Sollte
gefasst – entweder wurden sie von der jedoch der Standpunkt von Familien,
einheimischen Bevölkerung eines Lan- die einer Minderheit angehören, nicht
des angenommen oder von Immigran- ebenfalls respektiert werden? Und
ten oder Fl üchtlingen mitgebracht. noch etwas sollte man berücksichti-
Daher leben heute in L ändern wie gen: Würden es einige nicht für einen
Australien, Deutschland, Frankreich, Widerspruch halten, wenn in L ändern,
Großbritannien und den Vereinigten in denen Religion und Staat gesetzlich
Staaten Muslime, Buddhisten und Hin- voneinander getrennt sind und Religi-
dus. Jehovas Zeugen, die Christen sind, onsunterricht im Lehrplan nicht vor-
sind in über 230 L ändern und Territo- gesehen ist, an den Schulen religiöse
rien eifrig tätig. In 14 L ändern gibt Feste vorgeschrieben werden?
14 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
Geburtstage
Es kann auch in Verbindung mit Jehovas Zeugen
Festen, die scheinbar wenig oder über- Eine weltweit vertretene Glaubensgemeinschaft
haupt nichts mit Religion zu tun ha-
ben, zu Missverständnissen kommen.
Das trifft auf Geburtstage zu, die in Aktive
Land Zeugen
vielen Schulen gefeiert werden. Jeho-
vas Zeugen achten zwar das Recht an- Argentinien 150 171
derer, Geburtstag zu feiern, aber wie Brasilien 794 766
Sie bestimmt wissen, feiern sie selbst Demokratische
nicht mit. Möglicherweise kennen Sie Republik Kongo 216 024
die Gründe nicht, warum sich Zeu- Deutschland 166 262
gen Jehovas und ihre Kinder dafür ent- Italien 251 650
schieden haben, keinen Geburtstag zu Japan 215 703
feiern.
Kolumbien 166 049
In dem Werk Le livre des religions
Mexiko 829 523
(Das Buch der Religionen), einem in
Nigeria 362 462
Frankreich weitverbreiteten Lexikon,
wird das Feiern von Geburtstagen ein Philippinen 196 249
Ritual genannt und in die Kategorie Sambia 178 481
„weltliche Bräuche“ eingeordnet. Ob- Ukraine 150 906
wohl es heute als harmloser weltlicher Vereinigte
Brauch gilt, wurzelt es doch eigentlich Staaten 1 243 387
im Heidentum.
In der Encyclopedia Americana
(Ausgabe 1991) heißt es: „Die alte
Welt Ägyptens, Griechenlands, Roms
und Persiens feierte die Geburtstage tage waren im Altertum wichtig, weil
von Göttern, Königen und Adligen.“ man das Geburtsdatum zum Stellen ei-
Die Autoren Ralph und Adelin Linton nes Horoskops brauchte.“ Die direkte
machen deutlich, was dem in Wirklich- Verbindung zur Astrologie ist für je-
keit zugrunde lag. In ihrem Buch The den, der sich aus biblischen Gründen
Lore of Birthdays schreiben sie: „Me- von Astrologie fernhält, ein Grund zu
sopotamien und Ägypten, beides Wie- großer Besorgnis (Jesaja 47:13-15).
gen der Zivilisation, waren die ersten Es überrascht daher nicht, dass es
L änder, in denen die Menschen ihres in der World Book Encyclopedia
Geburtstages gedachten und ihn ehr- (Band 3, Seite 416) heißt: „Die ersten
ten. Die Aufzeichnungen über Geburts- Christen feierten die Geburt [Christi]
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 15
nicht, weil sie jede Geburtstagsfeier als Stunden miteinander verleben. Wegen
heidnischen Brauch betrachteten.“ des Ursprungs von Geburtstagsfeiern
Angesichts all dessen nehmen Jeho- tun sie das jedoch nicht an Geburtsta-
vas Zeugen nicht an Geburtstagsfeiern gen, sondern zu anderen Zeiten wäh-
teil. Gewiss ist die Geburt eines Kindes rend des Jahres (Lukas 15:22-25; Apos-
ein glückliches und wunderbares Er- telgeschichte 20:35).
eignis. Und bestimmt freuen sich al- Weihnachten
le Eltern, wenn ihr Kind mit jedem Weihnachten wird weltweit gefeiert,
Jahr größer und erwachsener wird. selbst in vielen nicht christlichen L än-
Auch Jehovas Zeugen bringen sehr dern. Da dieses Fest von den meis-
gern ihre Liebe zu ihren Angehörigen ten Glaubensrichtungen innerhalb der
und zu Freunden zum Ausdruck, in- Christenheit gutgeheißen wird, mag
dem sie Geschenke machen oder schöne es ziemlich überraschen, dass Jehovas
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 17
Leben zurück, die Schotten aber hiel-
Aussagen von Kindern ten an dem Standpunkt der Puritaner
„Zum Geburtstag bekomme ich keine Ge- fest.“ Die ersten Christen feierten kein
schenke, aber meine Eltern schenken mir Weihnachten, und Jehovas Zeugen fei-
zu anderen Gelegenheiten etwas. Das fin- ern es ebenfalls nicht, noch beteiligen
de ich gut, weil sie mich dann überraschen“ sie sich an irgendetwas, was mit Weih-
(Gregory, 11 Jahre alt). nachten zu tun hat.
„Für die meisten Kinder hat Weihnachten
Die Bibel spricht jedoch positiv vom
doch nur was mit vielen Geschenken zu tun.
Ich bekomme das ganze Jahr über etwas ge- Schenken und davon, Angehörige oder
schenkt und mache auch Reisen. Meine El- Freunde bei anderen Anlässen zu ei-
tern waren mit mir schon auf den Fidschi- nem gemütlichen Essen einzuladen.
Inseln, in Neuseeland und in Brasilien“ Eltern werden ermuntert, ihre Kin-
(Caleb, 10 Jahre alt). der dazu zu erziehen, gern zu geben,
„Meine Freunde und ich haben Spaß zu- statt nur dann Geschenke zu machen,
sammen, und ab und zu überraschen wir uns
wenn das von ihnen erwartet wird
gegenseitig mit Geschenken“ (Nicole, 14 Jah-
re alt). (Matthäus 6:2, 3). Kinder von Zeugen
„In der Schule fragen mich viele, wie ich es Jehovas lernen, tolerant zu sein und
ohne Weihnachten und die anderen Feiertage andere respektvoll zu behandeln, was
bloß aushalte. Mir geht aber kein Spaß ab. Oft einschließt, anderen das Recht zuzu-
unternehmen wir als Familie etwas gemein- gestehen, Weihnachten zu feiern. Sie
sam. Wir haben auch nette Freunde, mit de- selbst schätzen es, wenn ihre Entschei-
nen wir gern zusammen in den Urlaub ge-
hen. Wir zelten oder fahren Ski, und bei uns
dung, nicht an Weihnachtsfeiern teil-
zu Hause haben wir oft ein geselliges Bei- zunehmen, ebenfalls respektiert wird.
sammensein. Die anderen würden staunen,
Andere Feste
wenn sie wüssten, wie viel Spaß wir haben“
(Andriana, 13 Jahre alt). Den gleichen Standpunkt nehmen
„Ich bin mir noch nie als Außenseiter vor- Jehovas Zeugen gegenüber anderen re-
gekommen, weil ich kein Weihnachten feiere ligiösen oder halbreligiösen Feier-
und auch bei den anderen Festen nicht mit- tagen ein, die im Laufe eines Schul-
mache. Während der Feiertage, wenn wir Kin- jahres in den verschiedenen L ändern
der keine Schule haben und Vati auch freihat,
gefeiert werden – die Festas Juninas
spielen wir Spiele, gehen ins Kino oder gu-
cken Fernsehen. Wir machen eine Menge als in Brasilien, der Karneval in Deutsch-
Familie“ (Brian, 10 Jahre alt). land, das Dreikönigsfest in Frankreich,
Setsubun in Japan und Halloween in
den Vereinigten Staaten. Zeugen Je-
der Begründung, dass es [Weihnach- hovas oder ihre Kinder würden sich
ten] ein heidnisches Fest sei, und ord- freuen, Ihnen Fragen, die Sie zu den
neten anstelle dessen ein Fasten an. genannten oder zu anderen Feiertagen
Charles II. rief die Festlichkeiten ins haben, zu beantworten.
18 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
Moralische Werte,
die Achtung verdienen
Im Laufe der Geschichte haben tapfere Männer und Frauen
dem Zeitgeist widerstanden. Sie wurden aus politischen,
religiösen oder rassischen Gründen unterdrückt,
und nicht selten opferten sie ihr Leben für ihre Sache.
DIE ersten Christen waren besonders sich weigerten, den Kaiser anzubeten.
mutig. Während der schweren Verfol- Manchmal wurde in einer Arena ein Al-
gungen in den ersten drei Jahrhunder- tar aufgestellt. Um ihre Freiheit wieder-
ten wurden viele Christen von den heid- zuerlangen, hätten die Christen ledig-
nischen Römern umgebracht, weil sie lich eine Prise Weihrauch verbrennen
20 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist,
und Gott, was Gottes ist“
(Matth äus 22:21, Jerusalemer Bibel)
Staatsgesetze einhalten. Jehovas Zeu- Drei junge Hebräer
gen beteiligen sich niemals an irgend- beugten sich nicht vor
welchen staatsfeindlichen Umtrieben.
Für sie sind die gegenw ärtigen mensch-
einem Standbild nieder,
lichen Regierungen eine „Anordnung das der babylonische König
Gottes“, da er sie duldet. Daher f ühlen Nebukadnezar hatte
sie sich vor Gott verpflichtet, Steuern aufstellen lassen
zu zahlen und die „obrigkeitlichen Ge-
walten“ zu respektieren (Römer 13:1-7).
Das ist mit den bekannten Worten Je- mungen über die Haltung der Menschen
su in Einklang: „Gebt dem Kaiser, was den Landesfahnen gegenüber enthalten
des Kaisers ist, und Gott, was Gottes gewichtige, ausdrucksvolle Worte, wie
ist“ (Matthäus 22:21, Jerusalemer Bibel zum Beispiel ‚Dienst an der Fahne‘, . . .
[katholisch]). ‚Ehrfurcht vor der Fahne‘ und ‚Hinga-
be an die Fahne‘ “ (The Encyclopedia
Einige mögen fragen, warum Jehovas
Americana; Kursivschrift von uns).
Zeugen dann die Fahne nicht durch den
„Die Christen lehnten es ab, . . . dem
Fahnengruß ehren. Dem ist so, weil sie
Genius des [r ömischen] Kaisers zu op-
den Fahnengruß für einen Akt der An-
fern – was ungef ähr der heutigen Ver-
betung halten, und Anbetung gebührt
weigerung des Fahnengrußes oder der
Gott; sie können aus Gewissensgründen
Weigerung, das Treuegelöbnis nachzu-
nichts und niemand außer Gott anbeten
sprechen, entspricht“ (Daniel P. Mannix,
(Matthäus 4:10; Apostelgeschichte 5:29).
Those About to Die, 1958, Seite 135).
Deswegen schätzen sie es, wenn Leh-
rer ihre Überzeugung respektieren und Es sei noch einmal betont, dass Jeho-
Schülern, die Zeugen Jehovas sind, zuge- vas Zeugen durch die Verweigerung des
stehen, ihrem Glauben treu zu bleiben. Fahnengrußes keine Missachtung gegen-
über einer Regierung oder einem Staats-
Es verwundert nicht, dass Jehovas
oberhaupt zum Ausdruck bringen wol-
Zeugen nicht die Einzigen sind, die im
len. Sie werden sich nur nicht in einem
Fahnengruß eine Form der Anbetung se-
Akt der Anbetung vor einem Hoheits-
hen; das zeigen folgende Kommentare:
zeichen verbeugen oder dieses gr üßen.
„Die fr ühesten Fahnen waren fast Sie sehen darin eine Parallele zu der
ausschließlich religiöser Art. . . . An- entschlossenen Haltung, die drei jun-
scheinend suchte man sogar stets, durch ge Hebr äer in biblischer Zeit einnah-
kirchliche Zeremonien den National- men; sie beugten sich nicht vor dem
flaggen sakralen Charakter zu verlei- Standbild nieder, das der babylonische
hen“ (Encyclopædia Britannica; Kur- König Nebukadnezar in der Ebene Du-
sivschrift von uns). ra hatte aufstellen lassen (Daniel, Kapi-
„So wie das Kreuz ist auch die Fahne tel 3). Während daher andere den Fah-
heilig. . . . Die Vorschriften und Bestim- nengruß leisten oder das Treuegelöbnis
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 23
Das Recht der Eltern
In den meisten L ändern wird Eltern
Einige heutzutage das Recht zugestanden, ihre
moralische Grundsätze, Kinder entsprechend ihrer eigenen re-
die Jehovas Zeugen befolgen ligiösen Überzeugung zu erziehen. Die-
Was moralische Grundsätze angeht, so leh- ses Recht wird auch von allen Religio-
ren Jehovas Zeugen ihre Kinder, von Ver- nen anerkannt, wie es das noch heute
haltensweisen, von Praktiken und sogar in der katholischen Kirche geltende Kir-
von Anschauungen Abstand zu nehmen, die chenrecht verdeutlicht: „Da die Eltern
sich – obwohl heute gang und g äbe – auf ihren Kindern das Leben geschenkt ha-
sie selbst oder auf andere sch ädlich auswir- ben, haben sie die sehr schwerwiegen-
ken können (Jakobus 1:27). Sie klären ihre
de Pflicht und das Recht, sie zu erzie-
Kinder über die Gefahren des Drogen- und
hen; daher ist es vor allem Aufgabe der
Alkoholmissbrauchs auf sowie über die des
Rauchens (Sprüche 20:1; 2. Korinther 7:1). christlichen Eltern, f ür die christliche
Sie halten Ehrlichkeit und Fleiß f ür wich- Erziehung ihrer Kinder gemäß der von
tig (Epheser 4:28). Jehovas Zeugen ach- der Kirche überlieferten Lehre zu sor-
ten darauf, dass ihre Kinder keine schmut- gen“ (Canon 226).
zige Sprache sprechen (Epheser 5:3, 4). Mehr verlangen Jehovas Zeugen gar
Außerdem lernen die Kinder, an den bibli- nicht. Als liebevolle Eltern bemühen sie
schen Grundsätzen über die Geschlechts- sich, ihren Kindern christliche Werte zu
moral festzuhalten, Autorit ätspersonen zu
vermitteln, in ihnen Liebe zum Nächs-
respektieren sowie ihren Nächsten und sein
ten zu fördern und ihnen Achtung
Eigentum zu achten (1. Korinther 6:9, 10;
Titus 3:1, 2; Hebräer 13:4). Jehovas Zeu- vor dem Eigentum anderer einzuschär-
gen sind aufrichtig davon überzeugt, dass fen. Sie möchten gern den Rat befol-
es ihren Kindern nur zum Besten gereicht, gen, den der Apostel Paulus den Chris-
wenn sie diese Grundsätze befolgen. ten in Ephesus gab: „Eltern! Ihr sollt
eure Kinder nicht so behandeln, dass sie
widerspenstig werden. Vielmehr sollt
ihr sie in christlicher Ordnung und Un-
terweisung erziehen“ (Epheser 6:4, Gute
sprechen, lernen Kinder von Zeugen Je-
Nachricht f ür Sie).
hovas, ihrem biblisch geschulten Gewis-
sen zu folgen. Deswegen verhalten sie Konfessionsverschiedene
sich bei einer Fahnengrußzeremonie ru- Familien
hig und respektvoll, nehmen aber nicht In einigen Familien ist nur ein El-
daran teil. Aus ähnlichen Gr ünden wie ternteil Zeuge Jehovas. In solch ei-
den zuvor genannten enthalten sich Kin- nem Fall sollte dieser seinem Ehepart-
der von Zeugen Jehovas jeglicher Betei- ner, der kein Zeuge Jehovas ist, auch das
ligung, wenn die Nationalhymne gesun- Recht einr äumen, die Kinder gemäß sei-
gen oder gespielt wird. ner eigenen religiösen Überzeugung zu
24 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
erziehen. Wenn Kinder mit unterschied- oder anderer Schüler möglicherweise et-
lichen Glaubensansichten aufwachsen, was voneinander abweichen, was gewis-
hat dies kaum, wenn überhaupt, nachtei- se schulische Aktivit äten und Aufgaben
lige Auswirkungen auf sie.1 In Wirklich- betrifft. Wir sind sicher, dass auch Sie
keit muss schließlich jedes Kind selbst das Recht auf Gewissensfreiheit achten.
entscheiden, zu welcher Religion es sich
bekennt. Nat ürlich folgen nicht alle Kin-
der den religiösen Maßstäben ihrer El- Kinder von Zeugen Jehovas
werden dazu angehalten,
tern, seien diese nun Zeugen Jehovas
Interesse f ür andere zu zeigen
oder nicht.
Das Recht des Kindes
auf Gewissensfreiheit
Man sollte auch wissen, dass Je-
hovas Zeugen dem Gewissen des einzel-
nen Christen große Bedeutung beimes-
sen (Römer, Kapitel 14). Die Konvention
über die Rechte des Kindes, die 1989 von
der Generalversammlung der Vereinten
Nationen verabschiedet wurde, erkennt
das Recht des Kindes auf „Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit“ an und
gesteht ihm auch das Recht zu, seine
„Meinung in allen das Kind berührenden
Angelegenheiten frei zu äußern“.
Keine zwei Kinder sind vollkom-
men gleich. Deswegen kann man ver-
nünftigerweise davon ausgehen, dass die
Entscheidungen junger Zeugen Jehovas
1 Dr. phil. Steven Carr Reuben schreibt in sei-
nem Buch Raising Jewish Children in a Con-
temporary World Folgendes über Kinder aus
konfessionsverschiedenen Ehen: „Es verwirrt
ein Kind, wenn seine Eltern religi ösen Fragen
ablehnend gegenüberstehen, keine klare Mei-
nung dar über haben, dazu schweigen und ihnen
aus dem Weg gehen. Sprechen Eltern dagegen
offen und ehrlich über ihre religi ösen Anschau-
ungen, ihre Wertvorstellungen und den Ablauf
religi öser Feiern, dann w ächst ein Kind in sei-
nem religi ösen Umfeld geborgen auf und be-
sitzt Selbstwertgef ühl, was entscheidend daf ür
ist, dass es Selbstachtung entwickelt und seinen
Platz in der Gesellschaft findet.“
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 25
Die Rolle
der Eltern
Ohne Zweifel ist es keine
leichte Aufgabe, in unserer
Gesellschaft Kinder zu
ausgeglichenen Erwachsenen
zu erziehen.
28 Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g
Miteinander, nicht gegeneinander Zeugen Jehovas sind der
Probleme entstehen indes, wenn El- Meinung, dass ihren Kindern
tern nicht mit den Lehrern zusam-
menarbeiten. Einige Eltern stehen der besser gedient ist, wenn Eltern
Schulbildung ihrer Kinder beispielsweise und Lehrer zusammenarbeiten,
völlig gleichgültig gegenüber; andere ver-
wenn die Eltern reges Interesse
suchen, mit den Lehrern in Konkurrenz
zu treten. In einer franz ösischen Zeit- an der Schulbildung ihrer
schrift wurde zu diesem Thema Folgen- Kinder zeigen und ihnen mit
des gesagt: „Der Lehrer ist nicht mehr
Rat und Tat zur Seite stehen
der alleinige Kapitän an Bord. Eltern, be-
sessen von dem Wunsch nach guten schu-
lischen Leistungen ihrer Kinder, zer-
pflücken Schulbücher, urteilen hart über
Lehrmethoden und kritisieren diese, und
wenn ihr Nachwuchs die erste schlechte
Note nach Hause bringt, reagieren sie un-
verz üglich.“ Dadurch könnten sie in die
Zuständigkeiten der Lehrer übergreifen.
Zeugen Jehovas sind der Meinung, dass
ihren Kindern besser gedient ist, wenn
Eltern und Lehrer zusammenarbeiten,
wenn die Eltern reges Interesse an der
Schulbildung ihrer Kinder zeigen und ih-
nen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Diese Zusammenarbeit ist ihrer Ansicht
nach besonders wichtig, weil der Beruf
des Lehrers zunehmend schwieriger wird.
Aktuelle Probleme an Schulen
Da die Schule ein Spiegel der Gesell-
schaft ist, ist sie in der Regel nicht von
den gesellschaftlichen Problemen ausge- ler werden schlechtgemacht. . . . Fast
schlossen. Im Laufe der Jahre haben die jeder Schüler muss sich mit Problemen
Probleme im sozialen Bereich rapide zu- herumschlagen: Babysitting, Eltern, die
genommen. Die New York Times berich- im Gefängnis sitzen, Gewalttätigkeiten
tete über die Zustände an einer Schule innerhalb von Jugendbanden. An jedem
in den Vereinigten Staaten: „Die Schüler x-beliebigen Tag fehlt beinahe ein Fünf-
schlafen im Unterricht, Schüler bedro- tel aller Schüler.“
hen sich gegenseitig in den mit Graffi- Besonders alarmierend ist die weltweit
ti verunstalteten Korridoren, gute Schü- zunehmende Gewalt an Schulen. Kam es
Je h o v a s Z e uge n u n d S c h u l b i l d u n g 29
bisher gelegentlich zu Streitereien, bei Tatsache konfrontiert, die in der franz ö-
denen geschubst und gestoßen wurde, sischen Wochenzeitschrift Le Point an-
finden heute immer häufiger Schieße- gesprochen wurde: „Der Lehrer wird
reien und Messerstechereien statt. Mehr nicht mehr respektiert; er besitzt keine
und mehr jüngere Kinder wenden im- Autorit ät.“
mer schneller Gewalt an, es gibt immer Diese Missachtung von Autorit ät stellt
mehr Waffen an Schulen, und die Aus- für alle Kinder eine echte Gefahr dar.
einandersetzungen werden immer hef- Deswegen bemühen sich Zeugen Jehovas,
tiger. ihren Kindern Gehorsam und Achtung
Bestimmt herrschen nicht in jedem vor Autorit ät beizubringen, Eigenschaf-
Land solche schlimmen Zustände. Doch ten, die im heutigen Schulalltag häufig
weltweit werden viele Lehrer mit einer fehlen.