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Blick zurück,
Blick voraus
Neu und trotzdem alt: Frankfurt hat mitten im Zentrum ein neues,
historisches Stadtzentrum gebaut. Gleichzeitig wird die Stadt
auch durch Prognosen für die nächsten Jahre eine andere: Kommen
nach dem Brexit Tausende Bankangestellte aus London an den
Main? Von Marcel Burkhardt
MITTEL
Fotos:mauritius
Foto: xxxx images/Westend61/martin Moxter
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I
der H„ndwerker, - der Fr¡mdkörper, -
m Hauptberuf ist Hartmut Meier Die Häuser in der neuen Altstadt tra- , Person, die beruflich mit , hier: Gebäude, das nicht
Handwerker. An diesem Sommer- gen Namen wie „Wilder Mann“ oder Händen und Werkzeugen zur Umgebung passt
tag verlegt er mit seinen Kollegen „Großer Engel“ oder „Eichhorn“. In jah- arbeitet
siegen
Pflastersteine. Im Nebenberuf ist relanger Arbeit sind nun noch insgesamt verlegen , gewinnen
, hier: an eine genau
Meier aber seit einem Jahr so etwas 35 Häuser dazugekommen; 15 davon sind gewählte Stelle stabil auf
der ]ngel, -
wie ein Touristenführer. Der Grund: Der Rekonstruktionen historischer Häuser, , in vielen Religionen
den Boden machen
eine fiktive Person, die den
54-Jährige arbeitet nicht auf irgendei- 20 sind moderne Interpretationen. Archi- der Pfl„sterstein, -e Menschen Nachrichten von
ner Baustelle, sondern im Zentrum von tekturbüros aus ganz Europa haben daran , einer von vielen flachen Gott bringt
Frankfurt am Main. Dort ist in den letz- mitgearbeitet. Das Projekt hat mehr als Steinen, aus denen z. B. ein
das Eichhorn, ¿er
Gehweg gemacht ist
ten Jahren etwas Spezielles gewachsen: 170 Millionen Euro gekostet. Rund 200 , kleines Tier mit dickem,
(der Gehweg, -e langem Schwanz: Es lebt
eine „neue Altstadt“. Erst Ende Septem- Menschen werden hinter bunten Fassa- , Weg für Fußgänger auf Bäumen.
ber wird sie offiziell eröffnet, aber sie ist den ein neues Zuhause finden – wenn sie neben der Straße)
(der Schw„nz, ¿e
schon eine große Sehenswürdigkeit. 7000 Euro und mehr für den Quadratme- die Baustelle, -n , langes, meistens dünnes
Meier hat gerade erst wieder ein paar ter Wohnraum bezahlen können. , Ort, an dem gebaut wird Stück am Ende des Rückens
Pflastersteine verlegt, da kommt eine jun- Noch kommt aus vielen Häusern Bau- von Tieren)
die [ltstadt, ¿e
ge Frau zu ihm. „Excuse me, sir“, sagt sie. lärm. Handwerker arbeiten daran, dass , historisches Stadtzen die F“lmkulisse, -n
trum , hier: Ort, an dem ein
Der Handwerker sieht zu ihr auf. „Where bis zum großen Altstadtfest Ende Sep- Film spielt
is the way to the New Old Town, please?“, tember alle Geschäfte, Lokale und Cafés erœffnen
, zum ersten Mal öffnen die Dreharbeiten Pl.
fragt die Leiterin einer japani- ihre Kunden und Gäste emp- , das Machen eines Films
aufsehen zu
schen Reisegruppe. „You must
Die Häuser tra- fangen können. Noch hat diese , nach oben sehen zu der Leierkasten, ¿
go this way“, sagt Meier und
gen Namen wie neue Altstadt etwas von einer tatsæchlich
, mechanisches Musik
zeigt ihr freundlich den Weg.
„Wilder Mann“. Filmkulisse vor dem Start der
instrument
, ≈ wirklich
„Viel mehr kann ich nicht auf
Für Kritiker ist Dreharbeiten. Das Leben muss die Wiedergeburt
die Töpferei, -en
, Werkstatt, in der z. B.
Englisch, aber das haben wir
alles nur Show noch einziehen. Für „Action“ , gemeint ist hier: ≈ Bau
Vasen oder Tassen aus Erde
jetzt schon gelernt – ist ja sorgt neben den Handwerkern einer neuen Altstadt, nach
und Fassade. dem sie vor vielen Jahren
hergestellt werden, die erst
immer dasselbe“, sagt er und nur ein alter Mann mit seiner geformt, dann getrocknet
im Krieg kaputt gemacht
lacht. Meier kann in seinem Leierkasten-Musik. und gebrannt werden
wurde
Hauptberuf weiterarbeiten, bis er ein paar Es gibt Kritiker wie die Frankfur- der Familienbetrieb, -e
der Kaiser, -
, hier: Firma, die einer
Minuten später wieder Touristen hilft. ter Autorin Eva Demski, die mit Blick , oberster Monarch
Familie gehört und in der
Eine neue Altstadt – das klingt paradox auf Frankfurts neue Altstadt von einer krönen zu fast nur Familienmitglieder
und macht Menschen neugierig. Tatsäch- „Fake-Altstadt“ sprechen. Andere nennen , ≈ in einer Zeremonie arbeiten
machen zu
lich ist es so etwas wie eine „Wiederge- sie „Disneyland“ oder „Hessenpark“. Alle der Zuschlag, ¿e
]s sah so aus, „ls wäre … , hier: ≈ Laden, den
burt“. Denn lange Zeit hatte Frankfurt die meinen ungefähr das Gleiche: Das ist al-
verloren. jemand nach einer Bewer
größte Altstadt Deutschlands. Im dorti- les nur Show und Fassade. Mirko Zeiger , Man dachte, dass es … bung bekommt
gen Dom wurden Männer zu Königen sieht das anders. Er verkauft Keramik für nie mehr geben wird.
das Viertel, -
und Kaisern gekrönt. Die Stadt war ein die Töpferei Bauer. Den Familienbetrieb der Betonbau, -ten , hier: Stadtteil
politisches und wirtschaftliches Zentrum. gibt es seit 1575 und nun – 443 Jahre spä- , Gebäude aus Beton
m“tmischen
Nach dem Krieg stand nicht mehr viel ter – hat er einen der ersten Läden in der (der Beton , m mitmachen
von diesem Zentrum. Lange Zeit sah es so neuen Frankfurter Altstadt eröffnet. „Für , sehr harte Bausubstanz)
das Spielzeug
aus, als wäre das Alte für immer verloren. den Platz hier gab es 250 Bewerber. Und , Ding(e) zum Spielen
Es kam viel Neues in direkter Nähe die älteste Töpferei Hessens hat den Zu-
zum Kaiserdom Sankt Bartholomäus, schlag bekommen, das ist doch ein starkes
zum Beispiel ein modernes Rathaus, ein Statement“, sagt Zeiger.
großer Betonbau aus den 70er-Jahren. In dem neuen Viertel wird es keine
Bis 2009 arbeiteten dort die Experten Geschäfte internationaler Konzerne
Foto: picture alliance/Fabian Sommer/dpa
der Stadt für technische Fragen. Viele geben. Die Stadt will ein Viertel, in dem
Frankfurter ärgerten sich aber über den hessische Traditionsgeschäfte ihren
großen „Fremdkörper“ in ihrer Altstadt. Platz haben sollen. „Die Kleinen dürfen
Nach langen Diskussionen siegten die mitmischen“, freut sich Zeiger. Tatsäch-
Romantiker über die Modernisten. Das lich haben viele Betriebe – angefangen
war das Ende für das Technische Rathaus. vom Metzger über Weinlokale bis hin
So konnte an dieser Stelle etwas „neues zum Spielzeugladen mit Steiff-Tieren –
Altes“ gebaut werden. eine lange Geschichte und einen guten
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Namen in Frankfurt, Hessen oder ganz Ort der Hochkultur mit seiner Oper, den
Deutschland. Theatern, der Buchmesse und den vielen
Auch der Kulturhistorikerin und Ar- Museen und Kunstgalerien.
chäologin Sabine Mannel gefällt die Die Metropole kann sich teure Pres-
neue Frankfurter Altstadt. Wie Zeiger ist tigeprojekte wie Museumsneubauten
sie eine der Glücklichen, die einen Laden- oder den Bau einer neuen Altstadt leis-
platz bekommen haben. Mit ihrer „Kul- ten. Die wirtschaftliche Stärke der Stadt
turothek“ organisiert sie Theaterabende, ist enorm und wächst seit vielen Jahren.
Bildvorträge und Stadttouren. Die „Neue- Der internationale Großflughafen macht
Altstadt-Tour ist aktuell der Renner“, sagt Frankfurt interessant für Firmen aus der
Mannel. Es überrascht sie nicht: „Für viele ganzen Welt.
Frankfurter war es eine echte Herzenssa- Schon lange sind es nicht nur interna-
che, diesen Teil der Stadtgeschichte zu- tionale Banken, die das Geld bringen. Die
rückzubekommen. Und das meisten Einwohner der Stadt
Ergebnis ist aus meiner Sicht Der Großflug- mögen es einerseits nicht,
gelungen“, sagt sie. „Da ist ein hafen macht wenn jemand ihre Stadt auf
gemütliches Viertel entstan- Frankfurt den Begriff „Frankfurt-Bank-
den mit menschenfreundli- interessant für furt“ reduziert. Andererseits
chen Proportionen.“ Mannel Firmen aus der hoffen die Verantwortlichen
nennt es auch „Frankfurts ganzen Welt. im Rathaus, dass der Banken-
neues Wohnzimmer mit Re- platz auch in Zukunft einer der
tromöbeln drinnen“. wichtigsten der Welt sein wird.
Noch attraktiver wird dieses neue Nach dem Brexit-Votum der Briten
Wohnzimmer der Frankfurter heute vor zwei Jahren gab es zuerst Spekulati-
schon durch die Schirn, eines der bekann- onen, dass mehrere Zehntausend Bank
testen Kunstmuseen Europas. Wenn angestellte von London nach Frankfurt
Mannel aus ihrer Kulturothek schaut, wechseln würden. Auch die Experten
hat sie die Schirn direkt im Blick. „Ich der Frankfurt School of Finance erwar-
denke, Tradition und Moderne ergänzen teten zuerst 20 000 Banker, die ihren Ar-
Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
sich hier wunderbar“, sagt sie. Nur wenige beitsplatz von der Themse an den Main
Minuten sind es von hier zu Fuß auch bis verlegen würden. Tatsächlich haben sich
zum Historischen Museum. Bald öffnet nach Informationen des Frankfurter
direkt neben dem Goethe-Haus außer- Wirtschaftsverantwortlichen Markus
dem noch das Deutsche Romantik-Mu- Frank bis jetzt rund 20 Banken und ande-
seum seine Türen. Frankfurt ist zwar re Finanzinstitute dazu entschieden, ihr
durch die Hochhäuser im Bankenviertel Geschäft in Frankfurt aufzubauen oder
weltbekannt. Aber die Stadt ist auch ein zu vergrößern.
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