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Pressesprecher(in) als Beruf
Vom subalternen Lakaien zum managementorientierten Kommunikator

Franz Miller

Jede Organisation, jedes Unternehmen, das in den Medien wahrgenommen werden will, hat heutzu-
tage einen Pressesprecher oder zumindest eine Stelle, die sich um Pressearbeit kümmert. Unter der
Bezeichnung Pressesprecher verstehen nicht alle das Gleiche, und viele Pressesprecher haben wei-
tere Funktionen. Entscheidend ist, dass sie die Kommunikation zwischen Unternehmen und Me-
dien organisieren und steuern. Die Rolle als Vermittler der Kommunikation von Innen nach Außen
und von Außen nach Innen ist spannungsreich.
Das Berufsbild selbst ist diffus, die Abgrenzungen zu Journalismus, PR und Marketing sind oftmals
nicht klar. Selbst innerhalb des Berufsfeldes herrschen widersprüchliche Ansichten darüber, was
einen Pressesprecher kennzeichnet, welche Aufgabenbereiche und Tätigkeiten ihm zuzuordnen
sind. Die Grenzen sind unscharf und die Sichtweisen vielfältig.

Gliederung Seite

1. Einleitung: Ruf mit vielen Fragezeichen 2


2. Wozu braucht es überhaupt einen Pressesprecher? 4
3. Was machen Pressesprecher(innen)? 6
4. Wie wird man Pressesprecher(in)? 9
5. Welche Kompetenzen sind nützlich? 12
6. Welche Rolle spielt der Pressesprecher in der Organisation? 13
7. Wie sehr ist ein Pressesprecher seinem Chef verbunden? 16
8. Wie spricht man mit der Presse? 20
9. Was dürfen Pressesprecher(innen) eigentlich? 26
10. Wohin geht es? Das Berufsbild im Wandel 29

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Wissenschaftskommunikation als Beruf

1. Einleitung: Ruf mit vielen Fragezeichen


„Wenn jemand von nichts eine richtige Ahnung, aber auf jede Frage
eine Antwort hat, dann soll er Politiker, Moderator oder Pressespre-
cher werden“, so lautet eine zugespitzte, aber weit verbreitete Vorstel-
lung von dem, was diese Berufsfelder kennzeichnet. Sie zeigt, dass
man herausragende Kommunikationsfähigkeiten gleichermaßen be-
wundert wie missbilligt. Vor allem wird eine Raffinesse des Nach-
dem-Mund-, Herum- und Herausredens unterstellt, die es mit der
Wahrheit nicht so genau nimmt. Woher kommt der durchdringende
Beigeschmack des nicht so ganz Seriösen im öffentlichen Bild des
Pressesprechers1?

Ein verzerrtes Bild Den geben die Medien dazu, die jede Aussage eines Pressesprechers
mit großen Fragezeichen versehen. Das öffentliche Bild vom Presse-
sprecher ist geprägt durch das Fernsehen. Dort tritt der Pressesprecher
vornehmlich in der Krise in Aktion: Ein Reporter mit einem Kamera-
team steht vor dem Firmengebäude und der Pressesprecher ist gefragt.
Der gibt dann – so scheint es – nicht freiwillig, sondern oft sichtlich
widerwillig, zögerlich und vorsichtig ein kurzes Statement ab oder
beantwortet ein paar Fragen, wenn überhaupt. Jedenfalls folgt dann
die bedeutungsschwangere Aussage des Reporters: „Mehr wollte das
Unternehmen nicht dazu sagen“ oder „Auf unsere Fragen gab es keine
Stellungnahme“. Und jeder Zuschauer versteht „die haben was zu
verbergen“. Gewöhnlich endet die Reportage damit, dass der Reporter
ausführlich begründet, wieso die Antworten unbefriedigend sind, ohne
dass der Pressesprecher darauf reagieren kann. Er sieht erst hinterher,
in welchem Zusammenhang seine Aussagen gestellt und manchmal
auch entstellt wurden.

Prominenz schützt nicht Dies gilt sogar für die durchaus prominenten Regierungssprecher. Auch
deren Aussagen interessieren eigentlich nur, weil das Original nicht
greifbar ist. Jedenfalls erhalten auch sie die Stempel „zweite Wahl“. Aus
Zuschauerperspektive betrachtet, kennt man den Pressesprecher meist
als jemand, der Ausflüchte sucht, Fragen nicht oder unzureichend be-
antwortet und vorgefertigte Statements abgibt. Oder auch als „subalter-
nen Lakaien“, der beflissen seinem Chef zu Diensten ist.

Gelegentlich demonstrieren Politiker und Manager auch, was sie von


ihrem Pressesprecher halten, indem sie beispielsweise öffentlich sa-
gen: „Ich halte mich jetzt nicht an das, was man mir da wieder aufge-
schrieben hat.“ Besonders rüde ging im November 2010 Bundesfi-
nanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem Pressesprecher Michael
Offer um. Der Minister unterbrach eine Pressekonferenz, weil Unter-
lagen noch nicht an die Journalisten verteilt waren und kanzelte den

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... und der Pressesprecherin. Im Folgenden sind, auch wenn nicht immer
explizit mitbenannt, in allen Bereichen Frauen immer mitgemeint.

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Sprecher vor den versammelten Journalisten ab. Auch seine spätere


Entschuldigung, „bei aller berechtigten Verärgerung habe ich viel-
leicht überreagiert“, war nur halbherzig. Eine Woche später trat Mi-
chael Offer zurück: Ihm fehle das volle Vertrauen des Finanzministers.

Man denkt: ein heißer Stuhl, dem jeder schnell entfliehen will. Warum Der Pressesprecher als
spielt hier jemand den Prügelknaben und lässt sich öffentlich vorfüh- Prügelknabe?
ren für Dinge, die oftmals andere zu verantworten haben? Und in der
Tat sind Pressesprecher(innen) oft die Sündenböcke, die als Bauernop-
fer herhalten müssen, um die Medienmeute zu beruhigen. Gute Nach-
richten verkündet der Chef gerne selbst, unangenehme Fälle bleiben
dem Pressesprecher. Mit diesem Fernsehklischee muss ein Pressespre-
cher leben, auch wenn es nur wenig mit den realen Arbeitsleben zu tun
hat. Die Pressesprecher(innen) selbst schätzen ihren Beruf ganz anders
als die Öffentlichkeit ein. Eine Befragung ergab: Sie sind zu 79 Pro-
zent mit ihrem Beruf zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Dies ist im
Vergleich zu anderen Berufsfeldern ein sehr hoher Wert. Und in der
Tat ist hinter der schillernden Oberfläche ein faszinierendes Tätig-
keitsfeld verborgen, das von hoher Professionalität geprägt ist.

Seit Oktober 2003 gibt es den Bundesverband deutscher Pressespre- Ein paar Zahlen
cher e.V. Bei der Gründung in Berlin wurde die Zahl von insgesamt
40.000 Personen genannt, die in Unternehmen, politischen Institutio-
nen, Behörden, Stiftungen und Körperschaften in Kommunikations-
und Presseabteilungen oder als Pressesprecherinnen und Presse-
sprecher arbeiten.

Die Studie „Profession Pressesprecher 2009. Vermessung eines Berufs-


standes“ hat bereits zum dritten Mal eine repräsentative Befragung der
Pressesprecher(innen) und Kommunikationsmanager(innen) in Deutsch-
land durchgeführt. Neben der aktuellen Zustandsbeschreibung gibt sie
einen Einblick in Trends und Entwicklungen des Berufsfelds. An diesen
Erhebungen und Einschätzungen der Praktiker orientieren wir uns.

Ein Trend vorneweg: Die Feminisierung des Berufsfelds hält an. 2007 Wachsender Anteil der
waren 53 Prozent der Befragten männlich. 2009 waren es nur noch 50 Pressesprecherinnen
Prozent. Bei den unter 30-jährigen sind heute bereits 78 Prozent Frau-
en. Also verstehen wir unter dem Begriff Pressesprecher immer auch
Pressesprecherin.

Die berufliche Praxis zeigt: Es gibt Pressesprecher, die sich so nennen,


aber kaum mit der Presse sprechen – immerhin 14 Prozent der Befrag-
ten haben nur selten oder gar keinen Kontakt zu Journalisten – und es
gibt welche, die tun es, führen aber andere Berufsbezeichnungen. Es
gibt „Lautsprecher“, die sich selbst in den Mittelpunkt drängen und
„Leisetreter“, die für andere eine Bühne bereiten und lieber im Hinter-
grund agieren. Es gibt sogar „Nichtssprecher“, die es als Hauptaufga-
be ansehen, die Presse abzuwimmeln. Es gibt Schönredner und Zyni-
ker, Profis und Scharlatane wie in jedem Beruf.

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Literatur

Zugriffsdatum für alle elektronischen Quellen: 29.11.10

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J 3.1 Weiterbildung: Kommunikative Kompetenz trainieren

Wissenschaftskommunikation als Beruf

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Informationen zum Autor:

Franz Miller, Jahrgang 1951, ist seit 1988 Wissenschaftsredakteur bei der Fraunhofer-Gesellschaft.
1996 wurde er zum Leiter der Presseabteilung und 2005 zum Leiter der Presse- und Öffentlichkeits-
arbeit ernannt. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Politik an der Universität
München arbeitete er zunächst als Gymnasiallehrer, baute dann an einem Forschungsinstitut eine
Medienabteilung auf und erkannte dabei, dass seine Berufung im „Kommunizieren von Wissen-
schaft“ liegt. Seit dem Einstieg in die Fraunhofer-Welt ist er von der Faszination Forschung ange-
steckt und täglich neugierig auf die aktuellen Entwicklungen in Forschung und Technik.

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